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German Pages 1056 [995] Year 2021
Hermann von Helmholtz war als wissenschaftlicher Universalgelehrter ein Wegbereiter der modernen Forschung. Seine herausragenden Leistungen in so unterschiedlichen Disziplinen wie der Physik, Medizin und Meteorologie waren revolutionär. Helmholtz verhalf dem Energieerhaltungssatz und der Dreifarbenlehre zum Durchbruch, er hat den Augenspiegel und die Helmholtzspule erfunden sowie ein beachtliches philosophisches Werk hinterlassen. David Cahan zeichnet zum 200. Geburtstag des Forschers Leben und Wirken einer Wissenschaftsikone nach. Er beleuchtet die ganz persönlichen Seiten und liefert zugleich die detailliert-kritische Würdigung des großen Universalisten. »Die längst fällige große Biografie«
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Hermann von Helmholtz gilt als Gigant der Wissenschaft im 19. Jahrhundert. Seine vielfältigen Forschungen und Interessen haben auf so unterschiedlichen Gebieten wie der Meteorologie, Medizin, Physiologie und Physik zu wegweisenden Erkenntnissen geführt. Helmholtz verhalf dem Energieerhaltungssatz und der Dreifarbenlehre zum Durchbruch, er hat den Augenspiegel und die Helmholtzspule erfunden sowie ein beachtliches philosophisches Werk hinterlassen.
Helmholtz
Ein Gigant der Wissenschaft
DAVID CAHAN
David Cahan hat mehrere Bücher über das Leben und Wirken von Hermann von Helmholtz publiziert und gilt als dessen führender Biograf. Er lehrt an der Universität von Nebraska-Lincoln in den USA und beschäftigt sich vornehmlich mit europäischer und deutscher Geistesgeschichte der Neuzeit.
DAVID CAHAN
Helmholtz
Ein Leben für die Wissenschaft
Umschlagabbildung: Porträtfotografie von Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz, 1870. © bpk / adoc-photos Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg
wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-4312-3
David Cahan ist der führende Helmholtz-Spezialist und hat die umfangreichste Biografie zu dem deutschen Universalgelehrten geschaffen. Minutiös zeichnet er die Tragweite von Helmholtz Arbeit für die deutsche und internationale Wissenschaft nach und beleuchtet die ganz persönlichen Seiten des »Reichskanzlers der Physik«.
David Cahan Helmholtz
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Aber im stillen Gemach entwirft bedeutende Zirkel sinnend der Weise […] sucht das vertraute Gesetz in des Zufalls grausenden Wundern, sucht den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht. Friedrich Schiller, »Der Spaziergang«, 1795
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David Cahan
Helmholtz Ein Leben für die Wissenschaft
Aus dem Englischen von Marlene Fleißig, Antoinette Gittinger, Ursula Held, Frank Lachmann und Sigrid Schmid
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Die englische Originalausgabe erschien 2018 bei The University of Chicago Press unter dem Titel Helmholtz. A Life in Science. Copyright © 2018 by The University of Chicago. All rights reserved Diese Ausgabe erscheint gemäß der Vereinbarung mit The University of Chicago Press, Chicago, Illinois, USA in deutscher Erstübersetzung bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt. Copyright der deutschen Übersetzung © 2021 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) Die deutsche Übersetzung wurde gefördert von der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e. V. und Nathalie von Siemens.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg THEISS ist ein Imprint der wbg. Copyright © 2021 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Lektorat: Daphne Schadewaldt, Wiesbaden Satz und Layout: Arnold & Domnick Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Europe Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-4312-3 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-4321-5 eBook (epub): 978-3-8062-4322-2
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Im Gedenken an meinen Vater und meine Mutter, Haskell und Sylvia Cahan
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Inhaltsverzeichnis
I z
Geleitwort von Nathalie von Siemens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Vorwort von Otmar D. Wiestler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
In
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Teil I Die Geburt eines Wissenschaftlers . . . . . . . . . . . . . .
25
1 Der Junge aus Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
2 Auf dem Gymnasium: Vater und Sohn . . . . . . . . . . . . . . . 38
3 Studium der Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4 Unentdeckt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Teil II Der Weg zu wissenschaftlichem Renommee
. . . . . . . 101
5 Wissenschaftliches Networking . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
6 Privat und im Blick der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 135
7 Ein neues Zeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
8 Unerfreuliches Intermezzo in Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . 191
9 Der Wendepunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
10 Ein neuer Engel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
11 Die Zusammenhänge in der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . 269
12 Die Zusammenhänge in der Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
13 Popularisierung der Wissenschaft in Großbritannien und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 319
14 Die Welt sehen lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
15 Fast Physikprofessor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
16 Der Ruf nach Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
Teil III Ein großer Wissenschaftler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
445
17 In der Hauptstadt des Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
18 Die Physik aufbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465
19 Teil der Elite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506
20 Kulturkampf in der Wissenschaft I . . . . . . . . . . . . . . . . 530
21 Kulturkampf in der Wissenschaft II . . . . . . . . . . . . . . . . 553
22 Noch ein »Anti-Helmholtz« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592
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Inhaltsverzeichnis
23 In den europäischen Metropolen der Wissenschaft . . . . . . 609
24 Institutionelle Brillanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644
25 Feierlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679
26 Altmeister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692
27 Wissenschaft, Kunst und elektrische Standards . . . . . . . . 721
28 Ein charismatischer Anführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734
29 Atlantiküberquerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 751
Epilog
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784
Anhang
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 Archivbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 888 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 977
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Geleitwort von Nathalie von Siemens Meine frühste Erinnerung an Hermann von Helmholtz ist die Beerdigung meiner Großmutter. Ich war sechs Jahre alt und mein Vater erklärte mir leise, an wen die anderen Grabsteine der Familiengrabstätte in Berlin-Wannsee erinnern. Die auch architektonisch überragende Figur ist die meines Ur-Urgroßvaters Hermann von Helmholtz, nach dessen Tochter, meiner Urgroßmutter, ich mit erstem Vornamen Ellen heiße. Mein Vater, selbst Physiker, ließ mich schon als kleines Kind mit für mich aufgebauten Experimenten eigene wissenschaftliche Entdeckungen machen. Über Funken und schmelzendem Draht erzählte er vom Augenspiegel, von zuckenden Froschschenkeln und dem Nachweis der Energieerhaltung. Der Name Helmholtz war verbunden mit Ehrfurcht und Staunen. Mein Ur-Urgroßvater war neugierig auf alles, was seine Lebenswelt und -wirklichkeit ausmachte. Leidenschaftlich strebte er nach Erkenntnis. Es ging ihm darum, Wahrnehmungen in ihren kausalen Zusammenhängen zu verstehen und begrifflich zu fassen. Bloße Meinungen von selbst ernannten Autoritäten genügten ihm nicht als Referenz. Was der experimentellen Evidenz oder der mathematischen Beschreibbarkeit widersprach, lehnte er ab. Zeitgenössische Physiologen suchten beispielsweise nach einer geheimnisvollen »Lebenskraft«, die die organische von der anorganischen Natur unterscheiden könnte. Helmholtz argumentierte, dass eine solche »Lebenskraft« allen Lebewesen die Eigenschaften eines Perpetuum mobile verleihen würde. Dessen Möglichkeit widerlegte er durch den Nachweis der Energieerhaltung, also einer Erkenntnis aus der Physik. Auch bei anderen Entdeckungen wandte er seine Kenntnisse der Physik auf die Physiologie an oder brachte umgekehrt als Mediziner und Physiologe Phänomene in Kontexte, mit denen reine Mathematiker und Physiker nicht vertraut waren. Dieses Denken in Kontexten gehört zum Kern dessen, was wir heute fächerübergreifendes Forschen nennen. Interdependenzen werden sichtbar und Korrelationen helfen, die Wirklichkeit in ihrer Komplexität zu erfassen. Wir erleben gerade einen Epochenwandel, vergleichbar vielleicht nur mit dem, den die Menschheit im 19. Jahrhundert erfahren hat: zuvor nicht denkbare Beschleunigung, Explosion des Wissens, technologische Paradigmenwechsel, Umbrüche in den Grundlagen des Wirtschaftens, nach der industriellen nun die digitale Revolution. Wie im 19. Jahrhundert bedeutet das auch tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen. In nicht einmal einer Generation hat sich unsere Art, miteinander zu kommunizieren und zu arbeiten, radikal gewandelt. Wir stehen vor drängenden Fragen, geopolitischen Spannungen, globalen Auswirkungen einer Pandemie, der sichtbaren Klimakrise, einer drohenden digitalen Spaltung. Und für viel
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Geleitwort
zu viele Menschen sind Frieden, Nahrung, Bildung, medizinische Grundversorgung, Einkommen durch eigene Arbeit und rechtsstaatlicher Schutz keine Selbstverständlichkeit. Keine dieser Herausforderungen können wir losgelöst von den anderen betrachten. Lösungsangebote müssen ständig auf ihre Konsequenzen für andere Kontexte geprüft werden. Die Komplexität unserer erlebten Wirklichkeit erhöht sich immer weiter, Kausalitäten sind nicht mehr, und vor allem nicht für jeden, auf den ersten Blick erkennbar. Aber unsere Fähigkeit, als Gesellschaft mit dieser Komplexität umzugehen, wächst nicht mit. Unsicherheit und Vertrauensverlust fördern vermeintlich simple Antworten und Verschwörungsnarrative, populistisch instrumentalisierte Meinungen scheinen wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen den Rang abzulaufen. Das bietet aber keine Basis für ein gutes (Zusammen-)Leben. Wie anders verhielt sich Hermann von Helmholtz zu den Umbrüchen seines Jahrhunderts! Von ihm können wir lernen, mit Komplexität umzugehen. Er hatte Lust auf alles Neue und verließ sich auf nichts anderes als auf Tatsachen. Er untersuchte die Wirklichkeit aus vielen Blickwinkeln, befasste sich mit Medizin und Physiologie, Optik und Akustik, machte grundlegende Entdeckungen in der Physik und lieferte mathematische Beschreibungen von Naturphänomenen. Er befasste sich intensiv mit Musik- und Erkenntnistheorie, leistete grundlegende Beiträge zur Theorie des Messens. Das noch unvermessene Universum an Wissen, das sich ihm auftat, begeisterte ihn. Diese Begeisterung wollte er weitergeben. Der ursprüngliche Titel seines Manuskripts Über die Erhaltung der Kraft lässt darauf schließen, dass er den Text als Erläuterung für seine geliebte Verlobte Olga geschrieben hatte. Seine Erkenntnisse vermittelte er als engagierter Lehrer und förderte mit größter Freude die eigenständigen Forschungen seiner Schüler. Mit Wissen wollte er Nutzen stiften, nicht nur als Wissenschaftler, Arzt und Lehrer, sondern auch als Wissenschaftsmanager und Gründer. Dazu nutzte er sein großes Netzwerk, zu dem zahlreiche deutsche und internationale Forscher, Politiker und Industrielle gehörten. Gemeinsam mit seinem Freund Werner von Siemens gründete er die Physikalisch-Technische Reichsanstalt, die als erste außeruniversitäre Institution Deutschlands staatlich finanzierte naturwissenschaftliche Grundlagenforschung betrieb und diese zudem mit technischer Anwendung verband. Heute ist sie als Physikalisch-Technische Bundesanstalt weltweit bedeutend für die Wissenschaft des Messens, der Metrologie, und steht für Präzision und Objektivität in der Messtechnik für Industrie, Gesellschaft und Wissenschaft. Das Lebenswerk von Hermann von Helmholtz ist nicht nur historisch bedeutend, sondern auch für unsere Gegenwart relevant. Eine Grundlage seiner Schaffenskraft ist eine Eigenschaft, die wir heute Resilienz nennen. Er war sich immer bewusst, dass das Ringen um Antworten harte Arbeit bedeutet, Zeit braucht und man nur selten ohne Momente der Verzweiflung ans Ziel gelangt. Er war bereit,
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Geleitwort
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aus Fehlern zu lernen und umzukehren, wenn sich ein Gedankengang als Sackgasse erwies. Kraft und erlösende Inspiration fand er draußen, in der Natur. Resilienz zeichnete ihn nicht nur in seiner Arbeit aus. Er war ein emotionaler Mensch, der mit persönlichen Schicksalsschlägen leben lernen musste. Seine erste Frau Olga starb früh an Tuberkulose. Zusammen mit seiner zweiten Frau Anna erlebte er den Tod des gemeinsamen Sohnes Robert, der nur 27 Jahre alt wurde. Es gibt sehr berührende Briefe von meiner Ur-Urgroßmutter über den Schmerz und die tiefe Trauer der Eltern um ihr Kind. Trotz seiner herausragenden Leistungen ist Hermann von Helmholtz in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt. Noch weniger bekannt sind seine Lebensgeschichte und sein großes Verantwortungsbewusstsein, mit dem er sich als Wissenschaftler und die Wissenschaft im Dienst an der Gesellschaft sah, auch international. Wissenschaft war für ihn ein »Friedensband« zwischen den Nationen. Anlässlich seines 200. Geburtstages erscheint nun auch auf Deutsch die Biographie von David Cahan. Ich habe diese unendlich kenntnisreiche Erzählung als Einladung gelesen, mit Hermann von Helmholtz auf die Reise zu gehen und seinen Umgang mit Komplexität in die Gegenwart zu holen. Wir können von seinem Verantwortungsbewusstsein und seiner Resilienz lernen und uns von seiner Menschlichkeit und seiner Liebe zur Natur inspirieren lassen. Wenn wir uns einfach anstecken lassen von seiner unendlichen Neugier, wäre das ein wunderbares Geburtstagsgeschenk an meinen Ur-Urgroßvater. Es lohnt sich und Energie geht nicht verloren. Ihre Nathalie von Siemens
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Vorwort von Otmar D. Wiestler Wissenschaft widmet sich oft zunächst völlig offenen Fragen, die für unsere Zukunft von entscheidender Bedeutung sein können. Es braucht Entschlossenheit, Verstand und Unterstützung, solchen Fragen nachzugehen und die damit verbundenen Herausforderungen anzunehmen. Hermann von Helmholtz war so ein entschlossener Mann. Er scheute weder fundamentale Fragen noch seine Forschung in die praktische Anwendung zu überführen. Wissen allein ist nicht der Zweck des Menschen, man müsse das Wissen auch anwenden – das war sein Credo. Hermann von Helmholtz steht für die ganze Vielfalt der naturwissenschaftlichen Forschung, aber auch für die Hinwendung zur technologischen Praxis. Er war passionierter Grundlagenforscher und entwickelte gleichzeitig Apparate und Instrumente, um seine Hypothesen zu belegen: Er verknüpfte Theorie, Experiment und praktische Anwendung. Der von ihm erfundene Augenspiegel belegt dies auf eindrückliche Weise. Noch heute wird er in der augenärztlichen Praxis verwendet. Hermann von Helmholtz hat auch das damalige Wissenschaftssystem nachhaltig geprägt. So wirkte er an der Gründung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt mit, der heutigen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Als erste außeruniversitäre Forschungsinstitution verband sie Wissenschaft und Industrie – und Helmholtz war ihr erster Präsident. Damit hatte er eine Doppelrolle inne: als Begründer des modernen Wissenschaftsbetriebs und als Vollender der klassischen Physik. Als Universalgelehrter sah Helmholtz über die Ränder der sich bereits ausdifferenzierenden Disziplinen hinaus – er vertrat eine Naturwissenschaft, die zwischen Medizin, Physik und Chemie Brücken schlug. Er beschäftigte sich mit Erkenntnistheorie sowie mit Kunst und Musik. Er hat früh erkannt, dass es für die Lösung komplexer Probleme wesentlich ist, interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Geleitet von grenzenloser Neugier und Offenheit gegenüber neuen Ideen lag es ihm am Herzen, sich mit anderen Wissenschaftlern auszutauschen. Helmholtz war davon überzeugt, dass die großen Fragen der Wissenschaft nur die wissenschaftliche Gemeinschaft beantworten kann. Dieses »Mindset« prägt heute das Denken in der Helmholtz-Gemeinschaft. Als sich die Arbeitsgemeinschaft deutscher Forschungszentren im Jahr 1995 unter dem Namen »Helmholtz-Gemeinschaft« neu konstituierte, trat sie in eine neue Ära ein – auf wissenschaftlicher Ebene und im täglichen Miteinander. Die Umbenennung war ein Reform- und Leistungsversprechen. Dieses bekennt sich zur Einheit von Praxis und Theorie, der Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft, und einer verantwortlichen Interaktion von Forschung und Gesellschaft – verbunden mit dem Ansatz einer ständigen dynamischen Erneuerung. Kein Name könnte dieses Profil besser zum Ausdruck bringen als Hermann von Helmholtz.
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Vorwort
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Die Helmholtz-Gemeinschaft mit ihren 18 Forschungszentren zeichnet sich durch ihre kritische Masse, ausgeprägte interdisziplinäre Expertise, exzellente Forschungsinfrastrukturen und herausragende Köpfe aus: Dazu gehören Ingenieure, Techniker, Wissenschaftler, Administratoren und Manager, insgesamt mehr als 43.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein Markenzeichen ist dabei die Zentren-übergreifende Erforschung komplexer Themen in langfristigen gemeinsamen Programmen. Die Exzellenz, strategische Relevanz und der hohe Impact der Helmholtz-Forschung werden in regelmäßigen Evaluationen durch internationale Peers sichergestellt. Die Zentren sind Motor für innovative Forschungsthemen, die auf der Ebene von interdisziplinären Forschungsbereichen strategisch positioniert werden und die internationale Forschungslandschaft mitgestalten. Die Kooperation mit starken Partnern im nationalen und internationalen Umfeld spielt eine bedeutende Rolle. Die Helmholtz-Gemeinschaft sucht den engen Schulterschluss zwischen Grundlagenforschung, Systemanalyse und Technologietransfer in anwendungsnahe Bereiche. Ganz im Sinne von Hermann von Helmholtz. Im Jahr 2021 jährt sich der Geburtstag des Namenspatrons der Helmholtz-Gemeinschaft zum 200. Mal. Passend zu diesem Jubiläum liegt die bisher umfassendste deutschsprachige Biographie über Hermann von Helmholtz vor. Autor ist der Historiker David Cahan, der die historischen Beziehungen zwischen moderner Wissenschaft und Gesellschaft untersucht und insbesondere die angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen abgeleiteten Fragen von Wissenschaft und Kultur beleuchtet. Seit Jahrzehnten beschäftigt sich Cahan mit Hermann von Helmholtz. In dieser Biographie befasst er sich sowohl mit Helmholtz’ Leben und Werk als auch mit dem breiten Kontext der großen Entwicklungen in Wissenschaft und Kultur des 19. Jahrhunderts. David Cahans historische Forschung zeigt eindrucksvoll, welche Rolle Helmholtz bei dieser Entwicklung hatte. Seine Biographie gibt nicht nur Aufschluss über eine faszinierende und herausragende Forscherpersönlichkeit, sondern auch über Helmholtz’ privates Leben, die Kontakte zu Forscherkollegen sowie über die Zeit und die kulturelle Umgebung, in der Hermann von Helmholtz lebte. Entstanden ist ein außerordentlich eindrucksvolles Werk. Auch wenn die Naturwissenschaften immer rascher voranschreiten, bleibt Helmholtz ausgesprochen zeitgemäß, indem er Disziplinen begründete und Gesetzmäßigkeiten beschrieb, die heute wirkmächtiger sind denn je zuvor. Mit seinem interdisziplinären und kollaborativen Ansatz ist er hochaktuell. Wir werden die leistungsstarke Helmholtz-Gemeinschaft in seinem Sinne konsequent weiterentwickeln. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und grüße Sie freundlich. Otmar D. Wiestler Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft
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Einführung Es ist höchste Zeit für eine neue, moderne Biographie des deutschen Wissenschaftlers Hermann von Helmholtz (1821 – 1894). Immerhin erschien das Standardwerk, eine der ältesten Helmholtz-Biographien überhaupt, bereits vor gut einem Jahrhundert: Leo Koenigsbergers Hermann von Helmholtz (1902/03).1 Obwohl das Werk im wissenschaftlichen Gebrauch lange als Referenz diente, handelt es sich doch um eine unkritische Darstellung, die beschönigt, wenn nicht sogar heroisiert. Sie trug dazu bei, dass Helmholtz eine Art mythologische Größe zuwuchs, dass er zu einer Ikone und einem Idol wurde. Die vorliegende Biographie hingegen soll eine umfassende, ausgewogene und thematisch ausgerichtete Betrachtung von Helmholtz’ Leben und wissenschaftlichem Wirken bieten und beides im historischen Kontext von Zeit und Ort verankern, wobei die Einflüsse seiner Zeit auf Helmholtz ebenso in den Blick genommen werden wie umgekehrt. Um ein möglichst vollständiges Bild von Helmholtz zu zeichnen, werden die vielen verschiedenen Kontexte, in denen er lebte und arbeitete, kritisch beleuchtet. Dazu werden all seine veröffentlichten und bekannten unveröffentlichten Schriften herangezogen: wissenschaftliche, philosophische und für die breite Öffentlichkeit verfasste Artikel und Bücher, ferner die erhaltene Korrespondenz (veröffentlicht und unveröffentlicht), alle bekannten einschlägigen offiziellen Dokumente zu seiner akademischen Laufbahn, die Korrespondenz Dritter und schließlich auch die umfangreiche Sekundärliteratur zu Helmholtz. Um eine neue Perspektive auf Helmholtz’ Leben, Wirken und Karriere zu gewinnen, wird für diese Biographie auf viele vormals unbekannte oder kaum bekannte Quellen zurückgegriffen, jedoch auch auf ältere, bekanntere. Dabei soll Helmholtz weder überhöht noch abgewertet werden. Es handelt sich vielmehr um den Versuch einer fundierten, kritischen Darstellung seines Lebens und Wirkens vor dem historischen Hintergrund einer im Entstehen begriffenen Wissenschaftsgemeinschaft. *** Drei intellektuelle Leitmotive oder Triebkräfte lagen Helmholtz’ so schöpferischem wissenschaftlichem, philosophischem und ästhetischem Lebenswerk zugrunde. Erstens der leidenschaftliche Drang, die Wissenschaften sowohl auf Ebene der einzelnen Disziplinen wie in einem größeren Kontext zusammenzuführen. Zweitens ein wacher erkenntnistheoretischer Blick auf Herkunft und Methodik des Wissens sowie drittens ein starkes Bewusstsein dafür, wie Kunst und Wissenschaft sich gegenseitig ergänzen und beleben. Diese Leitmotive und Leidenschaften – die sich als roter Faden auch durch die vorliegende Biographie ziehen – begegnen immer
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Einführung
wieder unterschiedlich ausgeprägt in Helmholtz’ Leben und Wirken. Sie standen hinter seinem Bestreben, die verschiedenen Bereiche der Physik zu vereinen (erst mithilfe des Energieerhaltungssatzes, zu einem späteren Zeitpunkt seiner Karriere dann mit dem Prinzip der kleinsten Wirkung), hinter dem Drang, ein gemeinsames Fundament für Physik und Physiologie zu finden, und hinter seinem Wunsch, den Naturwissenschaften insgesamt eine gewisse Einheit zu verleihen. Stets suchte Helmholtz nach den Gesetzen in der Wissenschaft. Helmholtz schätzte und analysierte auch die Methoden der Geisteswissenschaften, die ebenfalls ihren – wenngleich untergeordneten – Platz fanden in seiner Vision von der Gesamtheit und Einheit des Wissens. Da sie ihrer inneren Natur nach immer auch die menschliche Psychologie umfassten, glaubte er jedoch nicht, dass sich für dieses Gebiet Gesetzmäßigkeiten ableiten ließen – was, wie wir sehen werden, für ihn einen überaus hohen Stellenwert hatte. Auch seine Vorliebe für Musik und Malerei und deren wissenschaftliche Analyse gehörte zu den intellektuellen und psychischen Triebkräften seiner Karriere. Er setzte sich mit der Beschaffenheit von Klängen und Farben auseinander und konnte zeigen, wie eine Kombination aus Akustik und Optik samt der damit eng verbundenen physiologischen Akustik und Optik zum Verständnis von Kunst beizutragen vermochte. Für Helmholtz waren die Künste – nicht nur Musik und Malerei, sondern auch Literatur und Theater – gleichermaßen Erholung von seiner anspruchsvollen wissenschaftlichen Arbeit wie Inspirationsquell dafür. Er glaubte, dass die Künstler auf ihre ganz eigene Art ebenfalls die Gesetze der Natur auszudrücken suchten, wie dies die Wissenschaftler taten. Hermann Helmholtz war ein Universalgelehrter. Wie diese Biographie aufzeigen möchte, war es Helmholtz ein starkes inneres Verlangen, Gesetze in der Wissenschaft zu finden oder aufzustellen. Dieser Drang entwickelte sich schon in seiner Kindheit, als er versuchte, dem entgegenzuwirken, was er später als mangelhaftes Gedächtnis beschreiben würde. Im Erwachsenenalter wurde dieses Verlangen schließlich zum Kern seiner Wissenschaftsphilosophie. Helmholtz war der Ansicht, dass sich mithilfe von Gesetzen die Natur begreifen und beherrschen ließ. Wie Schiller glaubte auch er, dass der Weise »das vertraute Gesetz« sucht. Damit ist auf poetische Weise auf den Punkt gebracht, was Helmholtz in seinen wissenschaftlichen Texten und seiner erkenntnistheoretischen Reflexion darüber in Prosa zu fassen trachtete.2 Helmholtz ging bei seiner Suche nach Gesetzen intellektuelle Risiken ein, von wissenschaftlicher Erforschung versprach er sich weit mehr als neue Sachdaten. Als junger Wissenschaftler strebte er nach den »Ursachen« – manchmal nannte er sie auch »Kräfte« –, die er hinter den Gesetzen vermutete. Er hoffte dadurch letztendlich, ein »objektives« Bild der natürlichen Welt zu zeichnen, das die verschiedenen Gebiete der Naturwissenschaften miteinander verbinden würde. Letzten Endes musste er diese Zielsetzung jedoch überdenken. Im Jahre 1891 schrieb er:
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Einführung
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»[D]en ursächlichen Zusammenhang der Erscheinungen zu entdecken, hat mich durch mein Leben geführt.«3 Wie sich in diesem Buch zeigen wird, gab es tatsächlich eine enge Verbindung zwischen Helmholtz’ Physiologie und Bereichen seiner Physik, ebenso zwischen seiner Physiologie und seinem Konzept einer nichteuklidischen Geometrie, zwischen seiner Physik und seiner Geometrie, zwischen seiner Physik und seiner chemischen Thermodynamik und auch zwischen seiner Physik und seiner Meteorologie. Die von Helmholtz herausgearbeiteten Gesetze und Forschungsergebnisse beeinflussten aber natürlich auch andere Bereiche maßgeblich (Medizin, experimentelle Psychologie, Philosophie, Musik und Malerei). Um das Sehvermögen des Menschen zu verstehen, oder auch seine Tonempfindung oder die Körperwärme, muss man die physikalischen und physiologischen Gesetzmäßigkeiten, denen sie unterliegen, berücksichtigen. In Helmholtz’ Streben lässt sich eine ganz besondere und vielleicht sonst nie erreichte Befähigung dazu erkennen, Ideen, Begriffe, Theorien und Ergebnisse aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen in einer Synthese zusammenzuführen. In den 1860er-Jahren wurde Helmholtz’ Suche nach wissenschaftlichen Gesetzen und Theorien weniger anspruchsvoll und vielleicht auch weniger philosophisch. Damit gestand er ein, dass das Höchste, worauf ein Wissenschaftler wohl realistischerweise hoffen durfte, die Formulierung beschränkter Gesetze (und Theorien) auf Basis bekannter Phänomene war. Zu einem vollständigen »Weltbild« gelangte er letzten Endes nicht, doch lernte er, sich damit – wie mit allem anderen in seinem Leben – zu arrangieren. Er war ein wissenschaftliches Genie, aber nie vergaß er, dass Theorien stets in einer empirischen Realität bestehen müssen. Dennoch glaubte er bis zum Ende seines Lebens, dass die Einheit der Wissenschaften die Einheit allen Wissens beinhaltete, und damit auch die Einheit der Wissenschaffenden der gesamten Wissenschaftsgemeinde. Das wiederum bedeutete für ihn einen zivilisatorischen Fortschritt für die gesamte Menschheit. Wissenschaft war in seiner Vision eine zivilisatorische Kraft, die alle Menschen vorwärtsbrachte.4 *** Dieses Buch schildert auch Helmholtz’ Privatleben. Dies geschieht nicht nur, weil es an sich schon interessant ist, sondern auch, weil es die schlüssige Verbindung herstellt in dem weit gespannten Bogen seines wissenschaftlichen und sozialen Einflusses. Ich möchte nicht nur seine Persönlichkeit und seine Ziele verdeutlichen, sondern ebenso den familiären und Bildungshintergrund, den sozialen und politischen Kontext, in dem Helmholtz aufwuchs und lebte; desgleichen seine familiären Bindungen, Freundschaften und Ehen; all seine Hoffnungen, Anspannungen und Entscheidungen mit Blick auf seine Karriere; seine Liebe zu Musik, Malerei, Theater, Literatur und anderen Künsten; seine Reisen und auch seinen Gesundheitszustand. Diese Aspekte sollen nicht als isolierte biographische Details betrachtet
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werden, sondern als das tragende Fundament seines komplexen wissenschaftlichen Denkens und Tuns, als Manifestationen der psychischen, emotionalen und intellektuellen Aspekte seiner Persönlichkeit und als Ausdruck dessen, was ihn sein Leben lang antrieb und stützte. Auf diese Weise lässt sich besser nachvollziehen, was sein wissenschaftliches Denken motivierte und welchen höheren Zielen es dienen sollte. Diese Biographie will die Leidenschaftlichkeit seines Antriebs und den Ehrgeiz nachzeichnen, die sich in seiner Entscheidung für den Weg der Wissenschaft, seinem generellen Streben nach Spitzenleistungen sowie seinem Wetteifern und der Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern offenbarten. All diese Aspekte helfen, die Konturen eines Wissenschaftlerlebens zu schärfen, das ein halbes Jahrhundert umfasste. Kurzum, diese Biographie möchte die dynamische Beziehung zwischen Helmholtz’ leidenschaftlichem Selbst und der Welt der Vernunft herausarbeiten, die sein Markenzeichen und Vermächtnis werden sollte. Natürlich wird von Helmholtz’ wissenschaftlicher Arbeit, ihrer grundsätzlichen Ausrichtung, Struktur und Entwicklung die Rede sein, und ebenso von seinen größten wissenschaftlichen Errungenschaften und seiner Rolle als einer öffentlichen Figur der Wissenschaft. Da ich ein breit angelegtes Bild von Helmholtz zeichnen möchte, werde ich nicht tiefer einsteigen in die Analyse all seiner wissenschaftlichen Theorien, Beobachtungen, Experimente oder philosophischen Schriften. Dies ist eine Biographie im weitesten Sinne – keine streng wissenschaftliche, sondern eine kulturelle. Dabei konnte ich mich auf viele hervorragende Analysen zu speziellen Aspekten seiner wissenschaftlichen Arbeit und seiner philosophischen Ansichten stützen, die auf den Feldern der Wissenschafts- und Philosophiegeschichte mittlerweile vorliegen. Helmholtz’ eigenes Werk macht insgesamt sieben dicke Bände mit wissenschaftlichen Beiträgen und philosophischen Reflexionen über Wissenschaft aus: drei mit seinen gesammelten wissenschaftlichen Abhandlungen (175 Originalveröffentlichungen sowie einige Dutzend Nachdrucke und Übersetzungen), ein dreiteiliger Wälzer zur physiologischen Optik, ein Band zur physiologischen Akustik und Musik, seine populärwissenschaftlichen Vorträge in zwei Heften sowie eine Vortragsreihe zur theoretischen Physik, die einige seiner letzten Studenten posthum zusammenstellten (und erheblich überarbeiteten). Wie seine Publikationsliste zeigt, war Helmholtz ein Arbeitstier, manchmal ein regelrechter Workaholic. In jedem Fall war er eine intellektuelle Ausnahmeerscheinung, ein wissenschaftliches Genie – um jenen Begriff zu verwenden, der ursprünglich Künstlern vorbehalten war, im 19. Jahrhundert aber auch auf Wissenschaftler gemünzt werden konnte. Menschen wie er waren es, die letztlich der ganzen Wissenschaftsgemeinde Richtung gaben und die Messlatte dafür bildeten, wer als Wissenschaftler »nur« dem Normalmaß entsprach (was sich ebenso auf die heutige Zeit übertragen lässt). Gleichzeitig unterschied sich Helmholtz’ Geistesgabe jedoch von der
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beispielsweise eines Darwin oder Einstein, die sich fast ausschließlich darauf konzentrierten, grundlegende Theorien für ein einziges Fachgebiet, also etwa die Biologie oder die Physik, zu entwickeln. Seine Forschungsergebnisse bestrichen ein weites Feld innerhalb der exakten Wissenschaften und der Lebenswissenschaften (inklusive der Medizin), und seine transformative Kraft ging noch weit darüber hinaus. Zudem war er am Aufbau dreier wissenschaftlicher Institute beteiligt (eines für Physiologie in Heidelberg und zwei für Physik in Berlin), die er auch selbst leitete, und trug zur Popularisierung der Wissenschaft bei. Es mag an der unglaublichen Bandbreite von Helmholtz’ wissenschaftlicher Arbeit liegen, dass sein Name bei Wissenschaftshistorikern – ganz zu schweigen von der breiten Öffentlichkeit – nicht denselben Klang hat wie beispielsweise der Darwins oder Einsteins. Hatte er zu Anfang seiner Karriere gehofft, übergeordnete und grundlegende Prinzipien entwickeln zu können, die alle Disziplinen in die eine Wissenschaft integrieren würden, so leisteten seine Forschungstätigkeit und die Institutsgründungen faktisch einen weiteren Beitrag zur Spezialisierung der Wissenschaften, die im 19. Jahrhundert so deutlich hervortrat. Dieses Buch zeigt, dass Helmholtz entgegen seinen eigenen Wünschen und Bemühungen und trotz des interdisziplinären Charakters, der seiner Arbeit in weiten Teilen zukommt, nie die erhoffte Einheit der Wissenschaften erreichte. Es zeigt aber auch, dass er diese Hoffnung trotzdem nie aufgab, selbst wenn sie sich später anders ausdrückte. Oft wurde (und wird) er ein Naturphilosoph genannt, womit hier eine Person mit einer weiten intellektuellen Perspektive bezeichnet sein soll, die sich mit der Natur in ihrer Gesamtheit befasst und ihre Ursprünge und Gesetze zu erfassen sucht. Tatsächlich verkörperte er aber sehr viel besser das neuartige Konzept vom Wissenschaftler als Spezialist, der sich wissenschaftliche Probleme in abgegrenzten und handhabbaren, möglichst sogar definitiv lösbaren Häppchen vornimmt. Mindestens eine philosophische Frage, nämlich die nach dem Raum, verwandelte er in eine naturwissenschaftlich-mathematische Angelegenheit. Gleichzeitig war er daran beteiligt, für verschiedene Disziplinen den konkreten Forschungsrahmen und die Agenda (inklusive offener Fragen) abzustecken, führte ältere Forschungsergebnisse aus verschiedenen Feldern der Naturwissenschaften und der Medizin synthetisierend zusammen und entwickelte wichtige neue Instrumente. Auch wenn die Gesamtheit seiner Anstrengungen sich nicht zu einer einheitlichen Naturphilosophie zusammenfügte, waren sie doch wegweisend für zahlreiche Wissenschaftsfelder in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auch noch im 20. und 21. Jahrhundert war Helmholtz für viele Wissenschaftler eine Quelle der Inspiration und Instruktion, darunter Physiker wie Einstein und Kognitionswissenschaftler wie V. S. Ramachandran. Er war ebenso selbst geprägt vom deutschen Bildungssystem und von der Wissenschaftsgemeinschaft seiner Zeit, wie er sie auch seinerseits prägte. Sein Werdegang vom Gymnasialschüler zum Medizinstudenten und Militärarzt, vom außer-
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ordentlichen zum ordentlichen Professor erst für Physiologie und schließlich für Physik ist geeignet, die Veränderungen in Charakter und Funktionsweise dieses Systems und dieser Gemeinschaft und damit zugleich die institutionelle Entwicklung der Wissenschaften im Deutschland des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus konkret zu veranschaulichen. Seine Karriere nachzuzeichnen, bedeutet, so etwas wie den Aufbau der Wissenschafts-Infrastruktur im 19. Jahrhundert zu verfolgen: ihre Institute, Laboratorien, Zeitschriften, Fächerorganisation, nationale und internationale Kongresse und so weiter. Wie schon erwähnt, beeinflusste Helmholtz’ Arbeit zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen, und im Zuge seiner beruflichen Entwicklung lernte er ein ähnlich weites Spektrum von zuweilen konkurrierenden, zuweilen kooperierenden Kollegen kennen – nicht ausschließlich Naturwissenschaftler, Mathematiker und Mediziner (seien sie in der Wissenschaft oder an der Klinik tätig), sondern auch Geistes- und Sozialwissenschaftler, dazu unzählige Studenten, gewöhnliche ebenso wie außergewöhnliche, Deutsche ebenso wie Nichtdeutsche. Wenn wir den Spuren von Helmholtz’ Leben und Karriere folgen – von Potsdam und Berlin über Königsberg, Bonn und Heidelberg schließlich wieder zurück nach Berlin, und vom Assistenten über den außerordentlichen zum ordentlichen Professor der Physiologie und Physik, zum Dekan und Rektor der Universität –, lernen wir auch etwas über Wissenschaft im 19. Jahrhundert insgesamt: Wir schauen Wissenschaftlern dabei über die Schulter, wie sie miteinander kommunizieren und einander besuchen, wir treffen auf Instrumentenmacher und Hörerschaften, erleben Helmholtz’ geistige und institutionelle Führerschaft in der Wissenschaftsgemeinschaft und lernen die wenigen ihm gleichrangigen Forscher ebenso wie viele weitere Kollegen kennen. Konkurrenzdenken war bei Helmholtz sehr ausgeprägt. Wie ließe sich ohne diesen inneren Antrieb erklären, dass seine Forschungsperformance so gleichmäßig und lang andauernd war, angefangen mit seiner ersten Publikation 1843 im Alter von 22 Jahren bis hin zu seiner letzten im Jahre 1894, mit fast 73 Jahren? Auch nachdem er den Zenit seines äußeren beruflichen Erfolges (zwischen den 1850er- und den 1870er-Jahren) erreicht hatte, betrieb er noch lange richtungsweisende Forschung und publizierte seine Ergebnisse. Das tief empfundene Bedürfnis, die wissenschaftlichen Gesetze zu ergründen, sein ebenso ausgeprägtes Pflichtbewusstsein als bezahlter deutscher Universitätsprofessor sowie die Führungspositionen, die er als Direktor verschiedener wissenschaftlicher Institute innehatte, trieben ihn an, unermüdlich weiterzuforschen und anderen darüber zu berichten (Fachpublikum ebenso wie Laien). Ungefähr ab 1847 erlebte er etwas, was andere Kreative – beispielsweise begabte Autoren oder Spitzenathleten – manchmal als »Flow« bezeichnen. Seine Leidenschaft für die Wissenschaft ebbte nie ab. Sein mehrstufiger Arbeitsprozess, der mit der gedanklichen Durchdringung und Auswahl eines Problems begann, mit Beobachtungen und Experimenten zu einem bestimmten Phänomen
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voranschritt und hinführte zur Entwicklung theoretischer (und mathematischer) Erklärungsansätze und Schlussfolgerungen, zur Verschriftlichung der Ergebnisse und schließlich zu ihrer Drucklegung, trug möglicherweise zu seinem psychischen Wohlbefinden bei, stärkte sein Selbstbewusstsein und verlieh ihm ein Gefühl von Wichtigkeit und Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Der ständige berufliche Erfolg stellte ihn zufrieden und wurde ihm zur Gewohnheit und zum Bedürfnis. Schließlich soll in dieser Biographie auch aufgezeigt werden, wie Helmholtz zu einem Popularisator wurde, der Wissenschaft einem breiten Publikum verständlich machte, und damit gleichsam zu einem Staatsmann der Wissenschaft. Bezüglich seiner Funktion als Sprecher und Förderer der Wissenschaft und seines Einflusses innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft gab es wohl niemanden, der sich mit ihm vergleichen konnte. Damit lässt sich auch sein beträchtlicher Einfluss in akademischen, Regierungs- und oberen Gesellschaftskreisen erklären. Seine einzige Schwäche zeigte sich, wenn er im Hörsaal stand und dort auf Anfänger- oder mittlerem Niveau unterrichten sollte. Dann konnte es geschehen, dass seine Zuhörer ihn unorganisiert, uninspiriert und sogar langweilig fanden. Er investierte wohl wenig Mühe in derlei Lehre, sondern sparte sich seine Zeit und Energie für die Forschung auf. Fortgeschrittene Studenten konnte er, besonders nachdem er 1871 als Professor für Physik nach Berlin gegangen war, hingegen sehr wohl inspirieren. Mit einer Vielzahl an populärwissenschaftlichen Vorträgen und anderen öffentlichen Reden gelang es ihm, Wissenschaft der breiten Öffentlichkeit ebenso wie der gebildeten Elite in Regierung, Kultur, Handel und Industrie zu erklären und ihre Daseinsberechtigung zu untermauern. Helmholtz vermittelte die wichtigsten empirischen Ergebnisse der Wissenschaft, ihre Gesetze, Ziele, Methoden und Werte, er stellte den Zusammenhang zwischen den Disziplinen her, er argumentierte für die finanzielle Förderung der Wissenschaft. Kurzum, er wurde eine Art öffentlicher Wissenschaftler. Bei diesen Bemühungen bewies er stets soziales Verantwortungsgefühl, sie brachten ihm aber auch persönliche Erfüllung. Helmholtz trat in die Fußstapfen Alexander von Humboldts, der ersten öffentlichen Figur der deutschen Wissenschaft. In späteren Generationen folgten Max Planck und Werner Heisenberg. Helmholtz’ Persönlichkeit und sein Ruf prägten das Bild des Wissenschaftlers, wie es sich eine gebildete Öffentlichkeit in Deutschland und darüber hinaus machte. Eine Betrachtung seiner Bemühungen um die Popularisierung von Wissenschaft gibt Aufschluss über das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Helmholtz mischte sich über die Grenzen der Wissenschaft hinaus ein in deutsche Kultur in einem weiten Sinne, und entsprechend wurden seine Schriften inner- wie außerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft gelesen. Seine Leser interessierten sich für die Zusammenhänge unter den einzelnen Wissenschaften, für die Freiheit der Wissenschaft, die wissenschaftlichen Grundlagen von Musik und Ma-
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lerei, für Philosophie, die neuen Gesetze der Thermodynamik und den »Wärmetod« des Universums sowie für die neue, nichteuklidische Geometrie. Zahlreiche große Geister und Künstler des 19. Jahrhunderts lasen seine Werke: George Bancroft, George Eliot, George Henry Lewes, Herbert Spencer, Karl Marx, Friedrich Engels, Friedrich Max Müller, Friedrich Nietzsche, Charles Sanders Peirce, Wilhelm Dilthey, William James, Sigmund Freud, Franz Boas und Max Weber, ganz zu schweigen von all den Musikern und Malern. Weit bis ins 20. Jahrhundert fanden Helmholtz’ populäre und semipopuläre Schriften ihre Leser unter Intellektuellen und Akademikern – und tun es auch heute noch. Zwar war Helmholtz’ Forschungsinteresse rein wissenschaftlicher Natur, doch konnte es durchaus positive praktische Ergebnisse zeitigen. Mit der Erfindung des Augenspiegels 1850/51 machte er sich schnell einen Namen nicht nur unter Medizinern. Helmholtz hielt Wissenschaft für die grundlegende Quelle von neuer Technologie. Indem er zu Medizin und Akustik beitrug, beeinflusste er zugleich die Bauweise und Stimmtechnik von Klavieren und vertiefte das wissenschaftliche Verständnis des gerade erfundenen Telefons. Ihm sind zudem neue Einblicke in die Meteorologie und die Funktionsweise des Mikroskops zu verdanken; auch der Instrumentenbau profitierte. Durch seine Führungsrolle auf den internationalen Elektrizitätsausstellungen (besonders auf der ersten im Jahre 1881) und seine Funktion als Mitbegründer und Direktor der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt samt der damit verbundenen Betätigung in der Messtechnik hatte er Anteil an der Etablierung internationaler und nationaler messtechnischer Einheiten und Standards für die gerade aufkommende Elektroindustrie sowie für ältere Industriezweige. Helmholtz gehörte dem deutschen Bildungsbürgertum an, also jenem Teil der Mittelklasse, der seinen Status vornehmlich seinen Bildungsbemühungen verdankte. Wie viele andere in dieser sozialen Gruppe setzte er seine Hoffnungen auf die nationale Einheit Deutschlands. Zumindest bis die staatliche Vereinigung der Deutschen 1871 Wirklichkeit wurde, ging der deutsche Nationalismus mit Liberalismus einher und fand seinen Ausdruck vor allem in der Idee des Kulturstaats. Wissenschaft ganz allgemein wurde (besonders) von den gebildeten Schichten als zentrales Element dieser politisch-kulturellen Bemühungen angesehen, und die zunehmende Bedeutung der Institutionalisierung von Wissenschaft für die Industrie wurde erkannt. Für viele war Wissenschaft gleichbedeutend mit Rationalität und Fortschritt, und das Streben nach Wissenschaft half, den modernen Nationalstaat zu legitimieren. Helmholtz’ generelle politische Haltung ließe sich, vor dem Hintergrund von Zeit und Ort, als konservativer Liberalismus charakterisieren. Nur bei seltenen Gelegenheiten zeigte er sich chauvinistisch, und er war nie ein politischer Professor. So stolz er auf deutsche Errungenschaften in der Wissenschaft und in anderen Bereichen war, zögerte er doch nie, den wissenschaftlichen Beiträgen anderer Nati-
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onen Anerkennung zu zollen. Wie auch viele seiner Kollegen, ob daheim oder im Ausland, konnte er Wissenschaft in einem Atemzug national und international zugleich nennen. Er tat stolz seinen Dienst als Professor (ein Staatsbeamter) und Leiter eines nationalen Instituts (der Reichsanstalt), nahm gerne unzählige staatliche Auszeichnungen und Orden entgegen, deutsche ebenso wie ausländische, und besonders in der letzten Phase seiner Karriere, in Berlin, verkehrte er oft mit Monarchen, Aristokraten sowie höheren Staatsbeamten. Dennoch dürfte er sich selbst kaum je als politischer Mensch verstanden haben, und er nutzte seine Kontakte nicht zu politischen Zwecken oder für seine Karriere aus. Er zählte sich zur geistigen, kulturellen und sozialen Elite Deutschlands, nicht zum politischen Establishment. Er sah sich selbst als Kulturträger. Niemand sonst verkörperte damals so perfekt wie Helmholtz das deutsche Ideal des Gelehrten. Damit stand er symbolisch für einen weiten und kritischen Geist, der über jeder Einzelwissenschaft und sogar über der Wissenschaft an sich rangiert und an der Vision von der Vereinigung aller Wissenschaften und ihrem Gebrauch zum Wohle der Menschheit festhält. Es war dies ein liberaler, aufklärerischer Geist, der neben den politisch konservativen, reaktionären und militaristischen Tendenzen der modernen deutschen Geschichte weiterexistierte, wenn auch in einem unzureichenden Maß. Freilich war – worauf im Epilog zurückzukommen sein wird – die Erinnerung an Helmholtz von seinem Tod im Jahre 1894 bis zum heutigen Tage stets eine selektive und wurde dazu gebraucht und zuweilen missbraucht, um eine mythologische Figur zu erschaffen, die quasi außerhalb der Geschichte steht. Diese Biographie will Helmholtz dagegen in der realen Welt seiner Zeit verorten, würde doch eine holzschnittartige Darstellung seines Lebens und Wirkens weder ihm gerecht werden noch uns zu einem angemessenen historischen Verständnis verhelfen. Sie will vor Augen führen, wie das kreative Leben eines Wissenschaftlers aussehen kann, und wie dessen persönliches Leben das Verständnis von Kunst und Kultur im weitesten Sinne zugleich wie Luft zum Atmen brauchte und bereicherte. Sie will zeigen, wie stark Natur- und Geisteswissenschaften im Leben dieses hochmotivierten, energiegeladenen und begnadeten Menschen miteinander verflochten waren.
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Teil I
Die Geburt eines Wissenschaftlers
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Teil I Die Geburt eines Wissenschaftlers
1 Der Junge aus Potsdam Vorfahren Familie spielte für Hermann Helmholtz’ Leben eine ganz wesentliche Rolle; etwas über seine Familie zu erfahren, bedeutet also auch, etwas über ihn zu erfahren. Fast sein gesamtes Leben umgab und unterstützte ihn sein Familienkreis. Helmholtz’ Großvater väterlicherseits, August Wilhelm Helmholtz, war als Inspekteur von Tabakwarenlagern für die preußische Regierung tätig. Er hatte in eine Familie hugenottischer réfugiés (die Familie Sauvage) eingeheiratet, von dieser Seite hatte Helmholtz demnach französische Vorfahren. Sein Vater, August Ferdinand Julius Helmholtz, wurde 1792 in Berlin geboren und evangelisch getauft. Im Winter 1807/08, zur Zeit der französischen Besetzung Preußens, hörte Ferdinand in Berlin als Gymnasiast die hochgradig nationalistischen »Reden an die deutsche Nation« des Philosophen Johann Gottlieb Fichte. Er war davon zutiefst berührt und begann, die französischen Besetzer zu hassen. Kurz darauf traf er Fichtes Sohn, Immanuel Herrmann Fichte, und die beiden erkannten einander als Seelenverwandte. Auch die Frau von Fichte senior, Marie Johanne Fichte, wurde Ferdinand zur Vertrauten. Im Jahre 1811 schrieb er sich an der theologischen Fakultät der neuen, reformorientierten Berliner Universität ein, wo er sich von nun an ganz Johann Gottlieb Fichtes Vorlesungen und seinem philosophischen System des transzendentalen Idealismus widmete. Fichtes Philosophie blieb für Ferdinands Denken immer zentral und inspirierte ihn sein gesamtes weiteres Leben. Fichte hatte die Religion zurück in die Philosophie geholt, weshalb Ferdinand glaubte, es bedürfe vollkommener Beseeltheit und Religiosität, um Fichtes Philosophie verstehen zu können. Für ihn war Fichte ein endloser Quell tiefer, göttlicher Weisheit, aus dem Gott persönlich sprach.1 Die große Anziehungskraft von Fichtes Philosophie lag für Ferdinand in ihrem religiösen Fundament – was später Anlass zu Spannungen zwischen Vater und Sohn geben sollte. Mit seiner Begeisterung für Fichte brachte Ferdinand seinen Sohn jedenfalls in Kontakt mit einer der wichtigsten philosophischen Strömungen Deutschlands sowie einer der bedeutendsten deutschen Universitäten. Nach Napoleons Rückschlägen in Russland und dem Rückzug seiner Armee gen Westen rief der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1797 – 1840) sein Volk dazu auf, für das Vaterland die Waffen gegen Napoleon zu ergreifen. Im Mai 1813 verließ Ferdinand wie die meisten seiner Kommilitonen die Universität, um sich der preußischen Armee anzuschließen. Vermutlich hatten auch Fichtes Vorlesungen von 1812/13 das Ihre dazu beigetragen. Die Art, wie Fichte über die Freiheit und die Rolle des Staates sprach, motivierte viele seiner Studenten, sich zu Preußen zu
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bekennen. Ferdinand kämpfte in den sogenannten Befreiungskriegen (1813–1815) gegen die französischen Besatzer und war Teil der nationalistischen und antifranzösischen Bewegung, die sich in ganz Preußen entwickelte. Während seiner Stationierung in den schlesischen Bergen (der preußische Monarch hatte sich nach Breslau zurückgezogen) vertraute Ferdinand seinem »Bruder« Immanuel Herrmann Fichte an, wie furchtbar langweilig seine militärischen Pflichten waren – er war mit Kanonen und mit den Ärmsten der Armen befasst. Solange es keine Kämpfe gebe, sei das Militärleben aber immerhin ein wenig wie Urlaub. Dennoch hasste er das ständige Putzen und Marschieren und vor allem die Tatsache, dass er nicht bezahlt wurde. Er sehnte sich danach, seinen geschwächten Körper zu regenerieren. Wie viele seiner ultrapatriotischen Landsleute verabscheute er die Russen, die ebenso wie Briten und Österreicher eine Allianz mit Preußen gegen Frankreich eingegangen waren und die gesamte Umgebung verwüstet hatten. Die Russen seien unglaublich unzivilisiert, so Ferdinand, fast wie wilde Nomaden, was sich auch in ihrer Art zu kämpfen zeige. Von den französischen Streitkräften hielt er kaum mehr und wollte nicht glauben, dass die Preußen vor ihnen davongelaufen waren und ihnen, wie er schreibt, dieses schöne Land zum Plündern überlassen hatten. Er beneidete Immanuel Herrmann, der zu Hause bei seinen »lieben Eltern« geblieben war, wo er sein bisheriges intellektuelles Leben weiterführen konnte. Sich selbst betrachtete er als »armen Teufel«, der nach Erlösung dürste, sprach von sich aber auch als bereits »wiedergeboren«. Sein Schicksal liege vollkommen in Gottes Hand. Zwei Monate später erlag das preußische Heer Napoleons Truppen in der Schlacht von Dresden. Den Rest seines Lebens sollte Ferdinand den französischen Kaiser hassen – wenn nicht sogar alle Franzosen. 65 Jahre später schrieb Hermann Helmholtz über die Befreiungskriege: »Die älteren unter uns haben noch die Männer jener Periode gekannt, die einst als die ersten Freiwilligen in das Heer traten, stets bereit, sich in die Erörterung metaphysischer Probleme zu versenken, wohlbelesen in den Werken der großen Dichter Deutschlands, noch glühend vor Zorn, wenn vom ersten Napoleon, von Begeisterung und Stolz, wenn von den Taten der Befreiungskriege die Rede war.«2 Ferdinand hatte seine Kriegserinnerungen und seine Einstellung gegenüber Frankreich an den Sohn weitergegeben. Im September 1813 stieg Ferdinand zum Second-Lieutnant auf. Er wollte seine Universitätsstudien wieder aufnehmen und fragte Johann Gottlieb Fichte um Rat bezüglich seines beruflichen Werdegangs. Fichte jedoch wies ihn schroff ab, diese Entscheidung müsse er schon selber treffen. Nach dem Ersten Pariser Frieden wurde Ferdinand aus dem Militärdienst entlassen, da er an einer leichten Form einer chronischen, nicht weiter spezifizierten Nervenkrankheit litt. Im Oktober schrieb er sich an der Universität für Philologie ein, weil er hoffte, seinen Lebensunterhalt damit bestreiten zu können. Philosophie blieb aber seine wahre Leidenschaft.3 Als 1814 jedoch Fichte verstarb und seine philosophischen Ansätze aus der Mode ka-
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men – Hegel übernahm 1818 seine Stelle in Berlin –, blieb Ferdinand intellektuell isoliert zurück. Noch immer fand er moralische Unterstützung und Zuneigung bei »Mutter Fichte«, wie sich Fichtes Witwe nannte, die eine Nichte des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock und eine überaus fromme Frau war. Als Ferdinand auf Badekur ging, sorgte sich Mutter Fichte um seinen Gesundheitszustand und gab ihm Ratschläge, wie er ihn verbessern könne. Er wünschte sich, dass ihre Liebe seiner Heilung zuträglich sein möge und ihn, wie er sagte, der großen, tugendhaften christlichen Gemeinde würdig machen werde. Er hoffte, ihr keine Last zu werden, wenngleich er sich bewusst war, für immer ihrer Liebe und Hilfe zu bedürfen. Seine eigene Familie, so erzählte er es Mutter Fichte, wolle, dass er wieder so wie sie lebte – vermutlich war damit das Leben eines kleinen Regierungsbeamten aus der unteren Mittelschicht gemeint. Er gehöre aber doch zu denjenigen Individuen, die sich weiterentwickelt und über sie erhoben hätten. Beschämt und voller Schuldgefühle gestand er ihr dies und fürchtete dabei, seine gesamte Verwirrtheit, Bedeutungslosigkeit und Torheit vor ihrem heiligen Blick preisgegeben zu haben.4 Nach seinem Universitätsabschluss unterrichtete Ferdinand einige Jahre lang an der Cauerschen Erziehungsanstalt in Berlin, einem naturwissenschaftlich orientierten Privatinternat (zu seinen Schülern zählte beispielsweise der zukünftige Berliner Chemiker und Physiker Heinrich Gustav Magnus, ein späterer Förderer von Hermann Helmholtz). Mit dieser Stelle war Ferdinands Auskommen zwar gesichert, emotional blieb er jedoch instabil. Er schüttete Immanuel Herrmann Fichte sein Herz aus und gestand, dass er sich davor fürchte, Neues auszuprobieren, und sich überhaupt vor dem Leben ängstige. Er war gedrückter Stimmung und verfluchte eine Welt, die ihn nicht nach seinen Idealen leben ließ und ihm stattdessen die alten Sorgen um Existenz und Annehmlichkeiten aufzwang. Der Versuch, sich über die materielle Existenz zu erheben und nach Höherem zu streben, hatte ihn viel Kraft gekostet und seinen Willen und Körper geschwächt. Allzu oft überkamen ihn Momente der Depression, des Selbsthasses und Weltschmerzes, in denen Ferdinand sich nach Erlösung sehnte. Sie lähmten ihn und ließen ihn in Selbstzweifeln, Selbstmitleid und Selbstvorwürfen schwelgen. Er berichtete Fichte, wie er schon »Mutter Fichte« gegenüber geäußert hatte, dass er seiner Familie entkommen müsse, deren Leben und Wesen ihm so fremd seien. Ferdinand wünschte sich, dass Fichte mit ihm nach Italien reiste, wo er sich Heilung für Körper und Geist erhoffte. Er fühlte sich schwach, niedergeschlagen und mutlos. Das höchste Ziel seines wissenschaftlichen Strebens sei es, schrieb er Fichte, nur ein einziges Mal die Geschichte der Natur aus dem höheren Licht der Wissenschaftslehre zu beleuchten, womit er sich auf Johann Gottlieb Fichtes Theorie bezog. Es gehe ums Tun, nicht um Gelehrsamkeit und Bücher. Gott und Italiens üppige Landschaften würden seinen Geist erfrischen und seinen Körper wiederherstellen, so glaubte er. Aus der Italienreise
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wurde jedoch nichts, stattdessen mussten er und Immanuel Herrmann sich damit zufriedengeben, in Deutschland und der Schweiz auf Wanderschaft zu gehen, bis ihnen das Geld ausging. Ferdinand sollte nie nach Italien kommen und nach 1822, als Fichte nach Saarbrücken zog, um dort als Gymnasiallehrer zu arbeiten, sah er seinen besten Freund nie wieder.5 Im Herbst des Jahres 1820 holten zwei Ereignisse Ferdinand zumindest zeitweilig aus seiner Depression. Am 1. Oktober fing er als Lehrer an einem Potsdamer Gymnasium an. Nach einer einjährigen Probezeit sollte er dort sein gesamtes Arbeitsleben beschäftigt bleiben. Diese neue Stelle bedeutete mehr Sicherheit. Das zweite Ereignis war die Eheschließung mit Caroline Auguste Penne. Wenig ist über Helmholtz’ Mutter bekannt, die von Ferdinand und ihren gemeinsamen Freunden Lina genannt wurde. Sie kam 1797 in Breslau als Tochter eines Hannoveraner Artillerieoffiziers zur Welt. Helmholtz selbst gab später an, sie habe von einer emigrierten englischen Familie abgestammt. Verbreitet ist die Meinung, dass sie väterlicherseits mit William Penn verwandt war, einem wichtigen Vertreter der anglo-amerikanischen Quäker-Bewegung und Gründer der Kolonie Pennsylvania.6 Helmholtz’ Äußerung von 1876 ist jedoch offenbar die einzige (schriftlich überlieferte), die er in dieser Richtung je getan hat. Tatsächlich findet sich in der umfangreichen genealogischen Literatur zu Penn und seiner Familie keinerlei Hinweis auf eine Verbindung zu Helmholtz’ Mutter oder ihre etwaigen Vorfahren. Auf jeden Fall stammte Lina (zumindest mütterlicherseits) wie Ferdinand von einer Familie hugenottischer réfugiés ab, deren Familienname ebenfalls Sauvage lautete. Helmholtz’ Mutter verfügte nur über geringe Schulbildung und war nicht sehr belesen, ihre Familie war weder wohlhabend noch gesellschaftlich angesehen. Dennoch war sie wohl eine sensible Frau. Immanuel Herrmann Fichte berichtete einem gemeinsamen Freund, sein lieber Helmholtz habe sich in ein absolut achtbares und bewundernswertes Mädchen verliebt (Lina hatte anscheinend auch Fichtes Mutter gekannt und verehrt). Zwar sei sie nicht gerade weltgewandt, ihre Seele jedoch ungewöhnlich tief und leidenschaftlich. Fichte hielt das Paar für sehr verliebt und vermutete zu Recht, dass die beiden bald heiraten würden. Am 5. Oktober 1820, vier Tage, nachdem Ferdinand seine Gymnasialstelle angetreten hatte, war es so weit.7 Eine Woche später erzählte Ferdinand Fichte, er sei ausnahmsweise einmal »so glücklich«, lächle ihn doch ein heiliger Engel ständig mit himmlischer Freude an. Die Liebe einer Frau war für ihn das Höchste überhaupt, und er befand, dass wahrhaftig nicht einmal die Engel im Himmel reiner, heiliger und unschuldiger sein könnten als seine ihn liebende Ehefrau. Mit ihr wollte er von der Erde aufsteigen und in den ewigen Frühling eines anderen Lebens schweben. Seine neue Stelle und Linas Liebe hatten ihn gerettet. Für den Moment hatte er himmlische Glück-
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Teil I Die Geburt eines Wissenschaftlers
seligkeit auf Erden gefunden, wozu Linas großartige irdische (lies: häusliche) Fähigkeiten nicht unerheblich beitrugen.8 Diese kamen nun in ihrem neuen Heim in Potsdam zum Tragen.
Potsdam Potsdam liegt inmitten malerischer, bewaldeter Hügel, die die Havel und das sandige Haveltal mit seinen feuchten Niederungen umgeben. Mit ihren wunderbaren, damals noch unberührten Seen und der Nähe zu Berlin war die Gegend der ideale Ort für die Sommerresidenz des preußischen Königs sowie für viele adelige Landsitze. Für die Hohenzollern und ihre Entourage war Potsdam in Bezug auf Berlin das, was Versailles den Bourbonen für Paris war: ein königlicher Palast mit Park (Sanssouci) und zweiter Wohnsitz für den König. Aber es war auch eine Garnisonsstadt, die den preußischen Militärstab beherbergte und voller Soldaten war. Die Präsenz des preußischen Staats und Militärs gehörte zu Potsdam wie seine wunderbaren Gärten, die königliche Gärtner-Lehranstalt und seine Wahrzeichen wie Nikolaikirche und Garnisonkirche, um nur zwei zu nennen. Einige Nachfahren der Hugenotten lebten in Potsdam in der Nähe des Zentrums, das der Wilhelmsplatz bildete, und verliehen der Stadt etwas französisches Flair.9 (Siehe Abb. 1.1.) Potsdams Wirtschaft hatte unter den Napoleonischen Kriegen stark gelitten. Fast zwei Generationen sollte es dauern – nahezu Helmholtz’ gesamte Jugend –, bis die Stadt sich vollständig erholt hatte. Napoleons Truppen hatten das preußische Oberkommando und die Armee aus Potsdam vertrieben. Über zwei Jahre lang (1896 – 1898) hielten französische Soldaten die Stadt besetzt und verwüsteten sie. Die Gewerbebetriebe vor Ort mussten schließen, und die Folge war eine Depression. Zwar kehrte die preußische Armee irgendwann zurück, die Wirtschaft lief aber nur schleppend wieder an und erholte sich nur teilweise. Die Stadtbevölkerung stieg von 21 000 (1821) auf ungefähr 31 000 (1849), darunter waren jedoch ebenso viele Arme wie königliche Soldaten. Unter Friedrich Wilhelm III. wurden einige Villen wieder aufgebaut, was der Wirtschaft etwas Auftrieb gab, im Allgemeinen wuchs jedoch die Armut in der Stadt, und produzierendes Gewerbe und Handel verharrten bis 1850 auf niedrigem Niveau. Andererseits lebten in Potsdam jedoch auch viele Staatsbeamte. Das Herrscherhaus und der königliche Hofstaat prägten das Stadtbild nachhaltig. Friedrich Wilhelm III. beauftragte Karl Friedrich Schinkel, einen der bedeutendsten Architekten Preußens, und den ebenso angesehenen Gartenkünstler Peter Joseph Lenné mit der Neugestaltung Potsdams, und die beiden veränderten das Erscheinungsbild der Stadt vollkommen. Nach 1826 baute Schinkel die Nikolaikirche wieder auf und machte sie zum architektonischen Zentrum der Stadt. Der italienbegeisterte Friedrich Wilhelm IV. (1840 – 1861) ließ während seiner Regierungszeit die Pots-
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Abb. 1.1: Friedrich August Schmidt, Potsdam vom Babelsberg, 1830/40. bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Dietmar Katz.
damer Parks und Gärten großzügig erweitern und suchte, ihnen eine südländische Note zu verleihen. 1832 errichtete man eine optische Telegraphenstation auf dem später so genannten Telegraphenberg und verband damit verschiedene Gebiete Preußens sowohl untereinander als auch mit Potsdam, das dadurch zu einer Art Kommunikationszentrum für Preußen wurde. Die Telegraphenverbindung und die Eisenbahnlinie Potsdam-Berlin (Inbetriebnahme 1838) galten bald schon als Symbole der Modernität. Die Potsdamer Bevölkerung hatte weiterhin mit der schwierigen Wirtschaftslage zu kämpfen, jedoch sorgten die Präsenz von König und Regierung und die Investitionen in die Infrastruktur für eine gewisse Erholung der Stadt.10 Potsdams liberale Mittelklasse trieb die kulturelle Entwicklung der Stadt voran. Viele Bürger traten Vereinen bei, die sich den verschiedensten öffentlichen und privaten Zwecken widmeten. Zu nennen ist beispielsweise der Potsdamer Kunstverein, der 1834 von Wilhelm Puhlmann gegründet wurde, einem Militärarzt und Freund der Familie Helmholtz. Er stieg zu einem der führenden Kunstsammler auf und war maßgeblich an der Förderung der Künste in Berlin und der Region beteiligt. Sein
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Teil I Die Geburt eines Wissenschaftlers
Leben lang verband ihn eine enge Freundschaft mit dem Maler Adolph von Menzel. Puhlmann und Ferdinand Helmholtz waren außerdem aktiv in der Potsdamer Friedensgesellschaft, die mit Stipendien mittellose talentierte Jugendliche aus der Region Berlin-Potsdam unterstützte, um ihnen ein Kunststudium zu ermöglichen.11 Das Potsdam, in das Helmholtz hineingeboren wurde, war also gleichermaßen ein Zentrum des preußischen Hofes und Militärs wie der Künstler und Bürger, ein Zentrum allerdings, das sich von den Schrecken der Napoleonischen Kriege noch erholen musste. Es waren die schöne Natur rund um die Stadt mit ihren wenigen Einwohnern, ihre kriselnde Wirtschaft sowie ihre Kunst und Architektur, die Helmholtz’ Heimatgefühl ausmachten.
Familie und frühe Kindheit Die frisch verheirateten Helmholtzens lebten in einem Haus am Wilhelmsplatz 14. Hier brachte Lina am 31. August 1821 das erste ihrer sechs Kinder zur Welt: Herrmann Ludwig Ferdinand Helmholtz. Von seinen drei Vornamen war der erste am »germanischsten«, stand für Deutschlands militärische Stärke und Einheit. Ferdinand Helmholtz hatte den Namen zu Ehren seines »Bruders« Immanuel Herrmann Fichte gewählt. (Bis zu seinem Medizinstudium schrieb Helmholtz seinen Namen mit zwei r, erst dann entschied er sich für die modernere Schreibweise.) Seinen zweiten Namen verdankte er Christian Ludwig Mursinna, einem alten Großonkel und Generalchirurg der preußischen Armee. Auf dem dritten, Ferdinands eigenem Namen, hatte Lina bestanden. Mit diesen drei Namen also hofften seine Eltern, ihm Traditionsbewusstsein mitzugeben, Familiensinn und Ehre, und so seinen Charakter zu formen. Der Nachname leitet sich übrigens von einem altgermanischen Namen ab, vermutlich Helmbold oder Helmhold. Wie schon seine Eltern wurde der Sohn evangelisch getauft. Die Taufe fand am 7. Oktober mit ganzen 23 Taufpaten12 in der Heilig-Geist-Kirche statt. Von Geburt an und für den Rest seines Lebens umgab und beschützte ihn seine Familie. In den ersten Wochen verursachte er seiner Mutter beim Stillen anscheinend unbeschreibliche Schmerzen. (Sehr viel später sollte er diesen intimen körperlichen Vorgang in ein epistemologisches Argument für seine empirische Theorie der Wahrnehmung verwandeln, indem er das Trinken an der Brust zu einem seitens des Säuglings erlernten Akt erklärte.) Seinen Vater, der sich wie immer überarbeitet fühlte und sich viele Sorgen machte, erfüllte er mit großem Stolz. Ferdinand schrieb an Fichte, sein Sohn sei, wie alle sagten, wirklich ein »kleiner Riese« und ungewöhnlich intelligent für sein Alter.13 Im Oktober 1822 zog die Familie in ein zweistöckiges Haus mit drei Schlafzimmern in der Hoditzstraße 10 (heute Wilhelm-Staab-Straße 8), nahe beim Wilhelmsplatz. Hier wuchs Helmholtz auf und zugleich mehr und mehr in jene Kultur hin-
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ein, die sein Zuhause prägte. Der Einfluss der Fichtes war sogar äußerlich sichtbar, denn Ferdinand richtete den Salon mit einem Lesepult und einem Sofa ein, die früher dem Meister persönlich gehört hatten und die nun er in Ehren hielt. Außerdem stand dort noch ein großer Bücherschrank von seinem »Bruder« Fichte, in dem Ferdinand seine, wie er befand, »besseren« philologischen und wissenschaftlichen Arbeiten verwahrte. Ein kleines Mahagoni-Regal beherbergte unter anderem Werke von Shakespeare, Pedro Calderón de la Barca und Johann Diederich Gries. Die Bücherregale waren wie der Rest des Heims der Familie Helmholtz mit Ikonen der Hochkultur geschmückt: Büsten von Venus, Sokrates, Aristides und Goethe – und auch von Johann Gottlieb Fichte. Bevor »Bruder« Fichte aus Berlin wegzog, hatte sich Ferdinand allerlei Bücher von ihm geliehen, darunter Romane von Sir Walter Scott, die er mit großem Genuss las, wie auch die Werke eines der bekanntesten Romantiker der Zeit, Lord Byron.14 Dank Ferdinand atmete das Zuhause der Helmholtzens Hochkultur, und die Familie durfte sich der breiten kulturellen Elite der deutschen Gesellschaft, dem Bildungsbürgertum, zurechnen. Dieses Zuhause und derlei Objekte repräsentierten Ferdinands kulturelle Realität und Ambitionen, sie gaben den kulturellen Grundton vor und dienten dem jungen Hermann als Vorbild und Inspiration. Mit einem Jahr war Hermann laut Ferdinand gesund, wohlgeraten, brav und machte ihm viel Freude. Er widmete der Erziehung seines Sohnes viel Zeit. Die beiden Eltern hatten immer Geldsorgen und befürchteten, Ferdinands Lohn würde nicht ausreichen. So waren sie gezwungen, Untermieter aufzunehmen.15 Seit Ferdinand seine neue Arbeitsstelle und einen Sohn hatte, war er voller Tatendrang – zumindest eine Zeit lang. Er fühlte sich seinen beruflichen Pflichten besser gewachsen und berichtete Fichte, dass ihm sein Hermann lauter selige Momente verschaffe. Dennoch zog es ihn fort aus Potsdam, wo er sich isoliert fühlte. Er verfügte nicht einmal über genug Geld, um nach Berlin zu reisen. Linderung fand er in christlicher Frömmigkeit. Nur wer kurzsichtig sei, so belehrte er Fichte, könne das Leben für unendlich halten, dabei halte das Jenseits doch noch schönere Tage bereit. Seine Briefe an Fichte sind überladen mit romantischen und (teils) inkohärenten Gedanken über Kunst, Religion, Gott und das Leben. Es gebe, so behauptete Ferdinand, eine unendliche Geisterwelt, so wie es auch eine physische Welt gebe, und beide hingen letztendlich vom unendlichen Universum ab. In guter Fichte’scher Manier erklärte Ferdinand, es sei das innere, spirituelle, geistige Leben, das den Menschen ausmache, und wenn überhaupt, dann seien Harmonie und Bildung dort zu finden. Er riet Fichte dazu, Gottes Willen zu befolgen. Diese philosophischen Grübeleien führten zu einer quasi tödlichen Schlussfolgerung: Oft sehnte Ferdinand sich nach der Ruhe des »kühlen Grabes« und wünschte sich, er könne sich dort bald niederlegen. Denn seine geistige und körperliche Schwäche gestatte es ihm ansonsten nicht, Ruhe, Liebe und Errettung zu erlangen.16 Schon
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früh erlebte Hermann hautnah die Frömmigkeit seines Vaters, seine romantische Verklärtheit und vermutlich auch seine Depressionen. Weihnachten 1822, Hermann Helmholtz war 16 Monate alt, schrieb sein Vater (wieder einmal) in einem Brief an Fichte über seine innere geistige Leere, die Banalität seiner Existenz und darüber, dass er und Lina all ihre Hoffnungen auf den Sohn setzten. Der verleihe seinem Vater neue Kraft für die Arbeit und sei ein niedliches Kind, das ihn voller Hoffnung anlächle und ihm den Pfad zur tiefsten Weisheit eröffnet habe. Doch war er gleichzeitig äußerst frustriert, da seine ehrgeizigen Hoffnungen unerfüllt blieben: Als er alleine für sich eine Shakespeare-Tragödie las, fand er sie »langweilig und unerträglich«, egal wie viel Leidenschaft und Kampf darin vorkam. Er brauchte andere Menschen zu seiner Unterhaltung und Motivation. Kunst spielte eine wichtige Rolle in Ferdinands Leben und damit auch in seinem Zuhause. Wem es an Verständnis für die Kunst mangele, so befand er, dem bleibe nichts anderes, als mechanisch Regeln zu befolgen. In Ferdinands pädagogischen und erkenntnistheoretischen Standpunkten deuten sich bereits manche der zukünftigen Ansichten seines Sohns (besonders die zum unbewussten Schluss) an. Im schulischen Grundlagenunterricht hielt Ferdinand es für absolut notwendig, die ersten Erkenntnisse dem Geist so einzuprägen, dass ihr späterer Gebrauch keinerlei Reflexion und Freiheit erforderte. Dabei dachte er zum Beispiel an lateinische Sätze: Schon um den einfachsten Satz verstehen zu können, seien zahlreiche Entscheidungen nötig, die aber alle in einem einzigen Augenblick abliefen. Der ganze Vorgang sei das Ergebnis einer kunstfertigen Reflexion, auf die man nur zurückgreifen müsse. Dafür seien aber Festigkeit und Sicherheit in den ersten, grundlegenden Urteilen erforderlich. Nur so sei Schritt für Schritt ein sicherer Lernfortschritt des Kindes möglich. Doch in deutlichem Kontrast zu dem späteren erkenntnistheoretischen Ansatz seines Sohnes waren Ferdinands pädagogische Ansichten in strenge christliche Dogmen verpackt. Die echte Wahrheit liege in der Offenbarung Gottes. »Gott ist Liebe«, verkündete er. Nur wer stets diese einzige Offenbarung Christi, dass Gott Liebe ist, vor Augen habe und davon vollkommen überzeugt sei, dem könne sich der Weg zum Himmel öffnen.17 Frömmigkeit und Kultur waren im Hause Helmholtz allgegenwärtig. Religion, Philosophie und sein Sohn waren jedoch nicht Ferdinands alleiniger Trost. Mittlerweile liebte er die Stadt und ihre schöne Umgebung, die er Hermann zeigte. Er bewunderte die königlichen Gärten (von außen) ebenso wie seinen eigenen kleinen Garten. Das Unterrichten verschaffte ihm hingegen wenig Freude, und er befand, dass nur Lehrer werden sollte, wer sich für keinen anderen Beruf eigne. Ferdinand glaubte, dass nur wenige seiner Lehrerkollegen nach einer höheren, freieren Bildung strebten, und hielt sie für intellektuell wenig begeisterungsfähig. Das Verhältnis zu seinen Kollegen bezeichnete er freimütig als schlecht, seinen
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Lohn als nicht angemessen. Er hatte das Gefühl, sein Geist verkümmere. Freude empfand er hauptsächlich, wenn er Zeit mit seinem 18 Monate alten Sohn verbrachte. Er äußerte sich selig über die ersten Sprechversuche seines Sohnes, der ihm ganz wie ein »kleiner Christus« erschien, dessen Vater natürlich er war. Der Kleine wusste sich unter (in des Vaters Augen unzivilisierten) Fremden offenbar schnell Freunde zu machen, bekam nach Auskunft des Vaters oft mitten auf der Straße oder auf der Post Süßigkeiten geschenkt und wurde von den Menschen freundlich begrüßt. Außer an seinem kleinen Sohn freute sich Ferdinand an seinem Garten mit den Blumen und all dem, was Mutter Natur sonst noch hervorbrachte. Ein Brief an Fichte, der seine kleinen Freuden erwähnt, schloss dennoch damit, dass sein Leben verdorben sei und er selbst »krank an Körper und Geist«.18 Lina sah ihre gemeinsame Welt ganz anders. Sie berichtet von einem aktiven Sozialleben: dass sie den einen oder anderen Umtrunk besuchten oder selbst ausrichteten, dass sie Karten spielten und ein paar Freunde hatten. Über ihren Sohn war sich das Ehepaar Helmholtz in jedem Fall einig. Auch Lina schreibt davon, wie viel Freude ihr Hermann bereitete. Der antworte schon ganz artig mit Ja und Nein, bemühe sich auch ums Sprechen und habe Spaß daran, Dinge zu benennen, deren Namen er schon sprechen könne. Er kenne auch bereits den Buchstaben i und suche es auf jedem Stück bedruckten Papiers, und dann freue er sich jedes Mal, wenn er eins entdecke.19 Linas Charakter unterschied sich stark von dem Ferdinands, sie war nüchtern, zupackend und optimistisch – Eigenschaften, die sie an ihren Sohn weitergab. Laut einem Bekannten der Familie hatte Hermann nicht nur dieselbe Kopfform wie seine Mutter, sondern glich ihr auch vom Wesen her – zu nennen wäre etwa ihre Art, wie sie Probleme sofort anging, ohne sich im Vorhinein Gedanken über alle Details zu machen, oder ihre einfache Sprechweise.20 Helmholtz verfügte später jedenfalls über diese Eigenschaften. Seinen ersten Kontakt mit Kunst und Bildung verdankte er wohl eher seinem Vater; Optimismus und wahrscheinlich auch ein erheblicher Anteil seiner Intelligenz und seiner Problemlösungskompetenz kamen von seiner Mutter. Sein enormes Selbstvertrauen hatte er zweifelsohne von ihr, denn Ferdinand, der sich selbst verabscheute und bemitleidete, fehlte es vollkommen. Ferdinands und Linas Ehe war auch über Hermann hinaus fruchtbar, ganze sechs Kinder gingen daraus hervor. Mit der Geburt ihres zweiten Kindes, Hermanns erster Schwester Marie (1823 – 1867), war Ferdinand gezwungen, fast seine gesamte Freizeit mit der Familie zu verbringen, wodurch er weniger Zeit zum Lesen und stattdessen zusätzliche Geldsorgen hatte, ein Dauerthema bei ihm. Während der Schwangerschaft mit Marie ging es Lina sehr schlecht. Zu allem Übel erkrankte Hermann dann auch noch schwer an Masern. All dies schlug Ferdinand weiter auf die Stimmung, laut eigenen Angaben litt er an »Melancholie«. Zudem war sein Verhältnis zum Rektor des Gymnasiums (zumindest derzeit) angespannt. Eine geplan-
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te Eheschließung zwischen Fichte und Bertha Leithold, einer entfernten Verwandten der Familie Helmholtz, die eine von Hermanns vielen Patinnen war, trachtete er zu verhindern. Diese Einmischungsversuche belasteten die Beziehung zwischen Ferdinand und den Leitholds in Berlin langfristig. Hermann sollte später ebenfalls davon betroffen sein, als er fürs Medizinstudium nach Berlin ging.21 Im Alter von zwei Jahren hatte Hermann einen ernsten Unfall, bei dem er gegen die Kante des Küchenofens fiel. Der Vorfall nahm seine Mutter jedoch letztendlich mehr mit als ihn selbst: Ferdinand und die gemeinsamen Freunde fürchteten, Lina würde den Schock nicht überleben. Als sie sich wieder erholt hatte, bekam das Paar noch vier weitere Kinder: Julie Caroline Louise (1827 – 1894), Ferdinand Carl Ludwig (1831 – 1834), August Otto Karl (1834 – 1913), genannt Otto, und Johannes Heinrich (1837–1841). Von Hermanns Geburt im Jahre 1821 an bis in die späten 1840er widmete sich Lina ganz dem Gebären, Stillen und Großziehen ihrer sechs Kinder, von denen zwei starben, bevor sie das vierte Lebensjahr erreichten. Sie hielt das Haus blitzblank und wirtschaftete sparsam. Zumindest Ferdinand zufolge gab es jedenfalls nichts, was schöner gewesen wäre »als ein gesundes, glückliches Kind«. Seine Kinder, so befand er, waren anscheinend Gottes Weg, ihn für seine Lebenssituation zu entschädigen.22 Alles in allem bauten Ferdinand und Lina ein stabiles Familienumfeld auf und pflegten es. Sie liebten ihren Hermann zutiefst, und das Kind entwickelte eine tiefe Bindung zu ihnen. Möglicherweise schenkten seine Eltern ihm als Erstgeborenem besonders viel Aufmerksamkeit und Unterstützung – zumindest, bis nach und nach seine fünf Geschwisterchen geboren wurden. Als erstes von sechs Kindern fühlte er sich vielleicht verantwortlich für seine Geschwister, worin wiederum (im Erwachsenenalter) sein großes Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Familie und anderen begründet liegen mag. Seine Eltern sorgten sich furchtbar um ihn, als Hermann mit fünf Jahren lebensbedrohlich erkrankte – vermutlich ein leichter Hydrozephalus, wie Helmholtz später seinen Ärzten berichten würde. Zwei Jahre lang musste er sich davon erholen, wobei er seine Genesung im Nachhinein Gottes Güte und der Fürsorge seiner Eltern zuschrieb. Vor allem mithilfe von Sport und Bädern habe er seine Gesundheit und Kraft wiedererlangt. Insgesamt war Helmholtz nach eigenen Angaben in den ersten sieben Lebensjahren ein »kränklicher Knabe, lange an das Zimmer, oft genug an das Bett gefesselt«. Dennoch habe er stets den lebhaften Drang verspürt, sich zu unterhalten und tätig zu sein. Zumindest eines hatte diese langwierige Krankheitsphase in seiner Kindheit zur Folge: dass er sich ein Leben lang um seine Gesundheit sorgte. Hermanns Eltern verbrachten viel Zeit mit ihm, er beschäftigte sich jedoch auch allein mit »Bilderbüchern und Spiel« sowie mit »Bauhölzchen«. Die Eltern ließen den Sohn Klavierstunden nehmen, wodurch sich bei diesem jedoch nach eigener Aussage keinerlei Gefühl für die Musik an sich entwickelte. Er
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hielt sich selbst für einen »sehr gehorsamen Jungen« – bis auf jene eine Gelegenheit, wo er seinen Klavierlehrer so »unerträglich« fand, dass er ihm die Noten vor die Füße warf und die Stunde damit frühzeitig beendete.23 Es sollte der einzige Akt der Rebellion in seinem Leben bleiben. Schon als Kind tastete sich Helmholtz beim Spielen mit stereometrischen Körpern an die Geometrie heran. Die Holzklötze verschafften ihm einen ersten Eindruck von Proportionalität und Form, die Geometrie selbst ein erstes Gefühl für Gesetzmäßigkeiten: »Von meinen Kinderspielen mit Bauhölzern her waren mir die Beziehungen der räumlichen Verhältnisse zu einander durch Anschauung wohl bekannt.« Aus diesem kindlichen Spiel mit Klötzen und dem Nachsinnen über die geometrischen Beziehungen mag ebenso sein erstes, unvollständiges und intuitives Verständnis von erkenntnistheoretischen Fragestellungen herrühren. Praktische Erfahrungen waren es auch, die sein erstes Verständnis von Perspektive so einprägsam machten. Beispielsweise beschrieb er später, dass Kinder Entfernungen oft falsch einschätzen: Ich entsinne mich selbst noch deutlich des Augenblicks, wo mir das Gesetz der Perspective aufging, dass entfernte Dinge klein aussehen. Ich ging an einem hohen Thurme vorbei, auf dessen oberster Gallerie sich Menschen befanden, und muthete meiner Mutter zu, mir die niedlichen Püppchen herunter zu langen, da ich durchaus der Meinung war, wenn sie den Arm ausrecke, werde sie nach der Gallerie des Thurmes hingreifen können. Später habe ich noch oft nach der Gallerie jenes Thurmes emporgesehen, wenn sich Menschen darauf befanden, aber sie wollten dem geübteren Auge nicht mehr zu niedlichen Püppchen werden.24 Von Kindesbeinen an beschäftigte er sich also mit Geometrie (ganz greifbar) und mit Problemen der räumlichen Wahrnehmung. Auf ihre eigene Art trug seine Mutter zu dieser Sensibilität für solche Fragestellungen bei. Diese ersten Erfahrungen mit Geometrie und sein Bewusstsein für Gesetzmäßigkeiten erwarb Helmholtz, noch bevor er auf die örtliche Elementarschule kam (irgendwann zwischen 1826 und 1829). Obwohl Schulen wie die Potsdamer Elementarschule weiterhin für konservative Werte standen, stieg ihre Zahl nach der preußischen Niederlage gegen Napoleon stetig, und ihre Lehrpläne wurden im Rahmen der preußischen Reformen überarbeitet. Vielleicht verdankte schon Ferdinand seine Anstellung zum Teil dieser Entwicklung; Hermann profitierte dann ganz zweifellos von der Bildungsreform. Zur Überraschung seiner Lehrer kannte er, wie er später sagte, die Grundlagen der Geometrie schon sehr genau, bevor er mit irgendwelchen formalen Lehrsätzen in Berührung kam. Er lernte auch schon früh lesen, wenngleich er später urteilte, sein Gedächtnis für »unzusammenhängende Din-
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ge« sei schlecht, und als Kind habe er eine Rechts-Links-Schwäche gehabt. Damit lässt sich möglicherweise ein Stück weit erklären, warum er sich im Erwachsenenalter so sehr für das Problem der räumlichen Wahrnehmung interessierte. In der Elementarschule tat er sich im Sprachenunterricht schwerer als seine Klassenkameraden. Geschichte war noch schwieriger, Texte auswendig zu lernen, ein Ding der Unmöglichkeit. Aber die Lehrer zeigten ihm »die strenge Methode der Wissenschaft, und unter ihrer Hülfe fühlte ich die Schwierigkeiten schwinden, die mich in anderen Gebieten gehemmt hatten«.25 Als er die Schule im Alter von ungefähr neun Jahren verließ, war er perfekt vorbereitet auf die Anforderungen eines strengen deutschen Gymnasiums der damaligen Zeit.
2 Auf dem Gymnasium: Vater und Sohn Das Potsdamer Gymnasium Das Bildungsbedürfnis eines wachsenden Bildungsbürgertums spiegelte sich im Potsdamer Gymnasium wider. Alle neun Klassenstufen waren dort vertreten: die drei unteren (Sexta, Quinta und Quarta) und die sechs oberen (Tertia, Secunda und Prima, je noch einmal unterteilt in Unter- und Ober-). 1831, ein Jahr nachdem Helmholtz aufs Gymnasium gekommen war, gab es insgesamt 299 Schüler – ausschließlich Jungen; als Hermann 1838 seinen Abschluss machte, waren es 306. Neun Lehrer zählte das Potsdamer Gymnasium, dazu kamen noch zwei oder drei weitere, welche die Ausbildung in Schönschreiben, Zeichnen und Singen übernahmen. Das Schulgebäude beherbergte einen Vortrags- und einen Zeichenraum, einen Physiksaal, eine Bücherei für Lehrer, eine für Schüler sowie ein Besprechungszimmer und die Wohnung des Direktors. Die Schülerbücherei zählte über 700 Bände. Im Physiklabor mit mehr als 100 physikalischen und mathematischen Gerätschaften konnten die Schüler zu den Inhalten aus dem Unterricht praktisch experimentieren. Außerdem gab es noch eine Sammlung naturwissenschaftlicher Literatur sowie eine Mineraliensammlung.1 Diese moderne Ausstattung gehörte wohl zu den besten Deutschlands und zeugte von Preußens großem Engagement für Bildung in der nachnapoleonischen Zeit. Für seine Lehrer und Schüler gleichermaßen war das Gymnasium ein Nährboden der deutschen Kultur. Wie an allen klassischen Gymnasien wollte man auch in Potsdam bei den Schülern das Fundament zu Bildung (im Sinne eines Sich-selbst-Formens und -Kultivierens) legen. Es handelte sich um eine neuhumanistische Institution, die sich zum
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Ziel gesetzt hatte, die Elite der Nation heranzubilden, also ihre Schutzbefohlenen für ihr Land auszubilden, indem man in ihnen ein Nationalbewusstsein weckte. Das Lehrpersonal bestand aus Staatsbeamten, die bar jeden Interesses an der republikanischen Staatsform, an Industrie, Technologie oder allgemein an Praktischem waren. Man wollte die Schüler in ihrer moralischen, spirituellen, geistigen und körperlichen Entwicklung unterstützen und sie zu ethisch handelnden Menschen erziehen, die fähig wären, sich Wissen anzueignen und es so einzusetzen, dass sie sich optimal entfalten würden. Diese hehren Ideale gedachte man, durch das Studium von Sprachen und Literatur (Griechisch, Latein, Deutsch und Französisch) sowie der Wissenschaften (Mathematik, Physik, Naturkunde und Geographie, aber auch Geschichte und Philosophie) zu erreichen; dazu kam Unterricht im Zeichnen, Singen und Turnen sowie in der Religion (also in der Lehre und Geschichte des Christentums). Denn zum Konzept des Potsdamer Gymnasiums gehörte – wie auch an allen anderen Gymnasien – genauso die Vermittlung einer christlichen Grundhaltung wie die klassische und humanistische Bildung. Helmholtz und seine Mitschüler sangen daher beispielsweise das »Vater unser« und »Der Auferstandene« ebenso wie das christliche Gebetslied der Schule. Solcherart ergänzte die Schule die religiöse Unterweisung, die Helmholtz von seinen Eltern und anderen schon erfahren hatte. Zudem wurde am Gymnasium ein Verhaltenskodex vermittelt, der den Sinn für die bürgerliche Ordnung sowie moralische Redlichkeit wecken sollte. Wie es einer der Rektoren formulierte, versuchte man, den Schülern ein Gefühl für Pünktlichkeit, äußere Ordnung und ein starkes Rechtsempfinden einzupflanzen, ihre Demut und ihren Fleiß zu fördern und diese moralischen Tugenden zusammen mit einem christlichen Sinn für Edelmut zu verankern, was ihnen zu moralischer Unabhängigkeit verhelfen sollte.2 Die Schule förderte wie schon sein Zuhause Helmholtz’ ausgeprägten Sinn für christliche Frömmigkeit und bürgerlichen Anstand.
Ferdinand Helmholtz als Pädagoge und Philosoph Vater Helmholtz gehörte im Potsdamer Gymnasium zum Inventar. Nach einer anfänglichen Probezeit von einem Jahr unterrichtete er fünf Jahre lang die drei oberen Klassen. Es war seiner Gelehrsamkeit und Loyalität zu verdanken, dass er 1827 zum stellvertretenden Direktor befördert wurde. Im darauffolgenden Jahr erhielt er auch noch den Titel Professor und stand von nun an der Secunda vor.3 Diese Position behielt er für über drei Jahrzehnte. Wie das Gros der zahlreichen neuen Schullehrer damals wurde er zum moralischen Vorbild und pädagogischen Vermittler für Schüler und Familien aus der Unter- und Mittelschicht, die ihren sozialen Aufstieg anstrebten. In seinen ersten Berufsjahren unterrichtete Ferdinand eine große Bandbreite an Fächern. 1830 jedoch hörte er auf, Mathematik und Physik zu lehren. Fichte gegenüber begründete er das damit, dass seine Ausbildung eher philologisch als mathe-
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matisch orientiert gewesen sei und zudem der philologische Unterricht aufgrund der Vielfalt an Möglichkeiten, intellektuelle Fähigkeiten zu wecken, interessanter sei als der mathematische. Ferdinand konzentrierte sich daher auf den Sprachunterricht, Literatur, Philosophie und Religion sowie seine Verwaltungstätigkeiten. Seinen Schülern ist vor allem im Gedächtnis geblieben, wie schön er Gedichte, Theaterstücke und dergleichen vortrug.4 Seine Vorgesetzten waren stets voll des Lobes für Ferdinand. Sie wussten von seiner ästhetischen Erziehung, seine umfassenden literarischen Kenntnisse, seinen motivierenden Unterrichtsstil, seine Loyalität gegenüber der Schule, sein Pflichtbewusstsein und ganz allgemein um seine Bildung. In den letzten Jahren seiner Lehrtätigkeit wurde er angeblich zunehmend nachsichtiger mit seinen Schülern, zum Ende hin ließ Gerüchten zufolge die Qualität seines Unterrichts nach. Es gibt nur einen einzigen Makel (wenn überhaupt) in Ferdinands Akten: Anfang 1848, am Vorabend der preußischen Märzrevolution, ließ er auf Bitten seiner Schüler hin drei Stunden Deutschunterricht ausfallen, um stattdessen über seine Erlebnisse in den Befreiungskriegen zu sprechen, darüber, wie Friedrich Wilhelm III. eher in den Krieg gefolgt war, als ihn anzuführen, und über die Restauration. Damit wagte er sich an einen der wundesten Punkte in der neueren politischen Geschichte Preußens. Inwieweit waren die Kriege patriotischer, inwieweit nationalistischer Natur? Wer ging voran, der Staat oder die Nation, die Dynastie der Hohenzollern oder das preußische Volk? Handelte es sich um Befreiungs- oder Freiheitskriege? Der Direktor des Gymnasiums wies Ferdinand wegen seiner Insubordination und seiner Unbesonnenheit streng zurecht und drohte, ihn bei einem weiteren ähnlichen Vorfall sofort zu entlassen. Es sollte nie dazu kommen, wenngleich Ferdinand weiter an seinem glühenden Patriotismus festhielt, der oftmals auf seine Schüler übersprang. Helmholtz beschreibt seinen Vater als einen Lehrer, »der ein zwar pflichtstrenger aber enthusiastischer Mann war, begeistert für Dichtkunst, besonders für die grosse Zeit der deutschen Literatur«. Bis Ferdinand sich 1857 aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe setzten musste, versah er seinen Dienst nach Ausweis der Laudatio im Schulprogramm desselben Jahres jedenfalls mit echter Hingabe.5 Hier klingt an, dass die Kultur in Deutschland der Politik untergeordnet war. Im Laufe seiner langen Karriere hielt Ferdinand vier Vorträge bei den Plenarsitzungen des Gymnasiums, welche zugleich seine gesamten Veröffentlichungen ausmachen. Mit Blick auf seinen Sohn war der Vortrag von 1837 am wichtigsten, bei dem Ferdinand über ästhetische Erziehung sprach. Schon das Thema legt nahe, dass Ferdinand die späteren intellektuellen Interessen Hermanns nachhaltig prägte und dass seine Einschätzung des zeitgenössischen Kulturlebens und seine Bildungsempfehlungen seinen Sohn stark beeinflussten. Helmholtz sagte später: »Glücklich ein Kind, welches unter Eltern aufwächst, die Künste pflegen.«6 1837, das Jahr, in dem Ferdinand seinen Vortrag hielt, war Hermanns letztes Jahr am Gymnasium,
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und höchstwahrscheinlich saß er im Publikum oder las zumindest das Vortragsmanuskript. Ferdinand glaubte, das materielle und spirituelle Leben der »zivilisierten europäischen Völker« schreite voran, was eine Ausbreitung der »Zivilisation« nach sich ziehe. Aber er hielt auch dafür, dass Fortschritt und Zivilisation zu einer etwas einseitigen Betrachtungsweise geführt hätten: Die spirituelle Dimension des Menschen sei außer Acht gelassen worden, das noch Unbekannte betrachte man lediglich als ein ungelöstes konzeptionelles Problem. Für Ferdinand war die menschliche Existenz eine Verbindung von äußerer und innerer Welt, von Zeitlichem und Ewigem, von Wissenschaft und spirituellem Leben. Das Leben bilde die »Einheit« dieser binären Paarungen, wobei die Griechen den Weg für deren jeweils ersteren Aspekt gewiesen hätten und das Christentum den für den letzteren. Der Wert von Wissenschaft lag in seinen Augen nur darin, dem Menschen ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Er glaubte nicht an eine Wissenschaft um ihrer selbst willen, die losgelöst vom praktischen Leben existieren könnte. Wissenschaft, Technologie und menschliche Werte hatten einander vielmehr gegenseitig zu dienen. Seiner Ansicht nach war die moderne Wissenschaft unchristlich. Er schreibt von einer »höheren Einheit« und von einer »Gesetzlichkeit alles Lebens und aller Erscheinung« sowie von »dieser Lücke unsrer Bildung, als den Ursprung des Unheils der Zeit«.7 Weiter legt er in seinem Vortrag dar, dass die moderne Welt von Freiheit und westlicher Kultur geprägt sei. Sie habe sich aus dem »Kampf mit der Natur und mit sich selbst« entwickelt, aus welchem der Mensch frei hervorgegangen sei. »Die Entwicklung des Geistes als Freiheit bildet das eigentümliche Wesen des occidentalischen Lebens«, angefangen bei den Griechen, die abstrakte Begriffe und Naturgesetze erarbeiteten. Der Mensch habe sich daraufhin mehr und mehr von der Natur entfernt und glaube doch dabei, die reale Welt zu beobachten und Gesetze zu entdecken. Diese analytische Phase habe die wahre Einheit des Lebens zerstört und sie durch eine abstrakte ersetzt. Der Mensch sei schließlich zu der Überzeugung gekommen, dass er einen freien Willen besitze; es herrschten der Glaube an die Vernunft und das Individuum. Für Ferdinand handelte es sich hierbei jedoch nur um eine eingeschränkte Form von Fortschritt: Die wahre Freiheit war nicht Freiheit um ihrer selbst willen, sondern »damit die Offenbarung Gottes werde«. Der Verstand war nichts wert, wenn er nicht dieser Offenbarung diente. Auf die Entwicklung des Verstandes musste vielmehr die Entwicklung von Gefühl und Intuition folgen. Wie Ferdinand weiter schreibt: »Jetzt aber endlich, wo die geistige Freiheit vollkommen errungen und gesichert ist«, werde es Zeit, dem abstrakten, »leeren Verstandesleben zu entsagen« und stattdessen »die christliche Aufgabe, Gott in der Freiheit zu lieben und zu leben, zur Ausführung zu bringen«. Dafür seien »Entwicklung und Bildung des Gefühls« notwendig, worin die »nächste und wichtigste Aufgabe unserer Pädagogik« bestehe.8
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Die Kunst, so Ferdinand weiter, bilde das Gefühl »nach den Gesetzen der Schönheit«, und die Entwicklung dieser Gesetze sei aus individuellen, familiären und gesellschaftlichen Gründen erforderlich. Die große Herausforderung seiner Zeit liege darin, Gefühl und Freiheit zu einen sowie das Gefühl um der Freiheit willen zu verfeinern. Wie die Wahrheit sei die Schönheit etwas Absolutes und müsse daher gefunden werden, nicht erfunden. Die Aufgabe der Kunst bestehe dabei darin, im »Ist« das »Soll« darzustellen und das Gefühl zu »erziehen«. Schönheit sei wesentlich in einem »wahrhaft göttlichen Leben«, also in einem christlichen. Mithilfe der ästhetischen Erziehung ließen sich nämlich Moral und Mitgefühl begründen. Es seien die Dichter, Musiker und Tänzer, welche die Moral grundlegten, indem sie Harmonie, Klang und Form hervorhoben. Kunst führte in Ferdinands Augen zu Spiritualität, Freiheit und der vornehmsten (der inneren) Weise der Existenz. Kunst in ihrer Reinform konnte »ein ernstes religiöses Bedürfnis« befriedigen.9 In seinem Vortrag führte Ferdinand weiter aus, dass der Verstand eigenständig entstehe, wohingegen Gefühle eine unmittelbare Antwort auf äußere Reize seien. Jedes Volk, so Ferdinand, habe seine eigene Kunst, und je weiter entwickelt ein Volk sei, umso weiter entwickelt sei auch dessen Kunst. Das Wesen eines Volkes und seine Kunst seien eng miteinander verflochten. Ferdinand glaubte auch, dass die Bildung sich an der Kunst messen lasse. Die ästhetische Erziehung an deutschen Gymnasien hielt er für armselig und forderte hier eine Verbesserung. Sein Urteil über seine Zeit insgesamt fiel nicht besser aus: Er konstatierte Geschmacklosigkeit in Kleidungsstil und Mode und Unzulänglichkeiten in Architektur, Sprache und Theater.10 Höchste Schönheit erwuchs für Ferdinand aus vollendeter Einheit. Aus der Aufhebung des Widerspruchs in der Anschauung stamme »der Friede, die Harmonie und Beruhigung, welche der Anblick der Schönheit über die Seele verbreitet«. Die Kunst könne den Menschen über eine einseitige Rationalität hinausführen, indem sie genau das tue, was die Wissenschaft nicht vermochte: grundverschiedene Elemente in einem vereinten Ganzen aufgehen zu lassen, das Innerlichkeit und Äußerlichkeit ebenso in sich begreife wie Freiheit und Gesetz, Absolutes und Relatives, Sein und Sollen, Zeitliches und Ewiges, Endliches und Unendliches, Individuelles und Ganzes. Alles, so Ferdinand, könne die Kunst vereinen. Sie führe zu »immer höherem Frieden und immer höherer Beruhigung und Seligkeit«. Die Schönheit habe daher auch so großen Einfluss auf die »Zivilisation der Völker« gehabt, weshalb sie »als Form des göttlichen Lebens zu denken« sei. Das Paradies, das goldene Zeitalter sei gleichbedeutend mit einem »Leben in der Einheit des Geistes und der Natur«, in der Vereinigung von Ich und Nicht-Ich, von Körper und Geist, Werden und Sein, Leben und Tod.11 Nach Ferdinands romantischer, religiöser Sichtweise des Lebens hatte sich der Schönheitssinn des Menschen über eine Reihe historischer Stufen entwickelt, de-
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ren letzte seine höchsten Ideale in der Kunst verkörperte. Dazu zählte er die Werke von Aischylos, Aristophanes, Sophokles, Shakespeare, Molière, Calderón, Schiller und Goethe sowie die Musik von Beethoven, Händel, Gluck und Mozart.12 Mit Ausnahme des Franzosen Molière nannte übrigens auch sein Sohn später genau diese Namen als Prüfsteine großer Literatur und Musik, und ihre Werke bescherten ihm einige der schönsten Momente literarischen und musikalischen Genusses. Ferdinands langer, schwülstiger und weitschweifiger Aufsatz von 1837, der ihm zu einer Art Lebensphilosophie geraten war, formuliert indes auch praktische Regeln für die Gefühlsbildung junger Menschen. Kinder müssen demnach, wie Erwachsene, lernen, ihre animalischen Leidenschaften zu zügeln, um so bis zu einem gewissen Maße gottähnlich zu werden. Sie sollen gute Manieren erlernen und generell soziales Verhalten entwickeln. Kontrolle über den Willen zu erlangen, war für Ferdinand hier wesentlich. Kinder sollten lernen, anmutig und ohne Gier zu essen und zu trinken, und einen natürlichen Gang entwickeln. Daher sei auch die Teilnahme an Orchester und Gymnastik so wichtig, und ebenfalls die mit Bedacht ausgewählte Kleidung. Weiter sollten sie die Befähigung erwerben, das gesellige Leben durch »Liebenswürdigkeit, Grazie und Würde« zu verschönern und »Anmaßung, Herrschsucht, Stolz, plumpe Gleichgültigkeit« zu vermeiden. Sie sollten stets danach streben, Artefakte zu erschaffen oder zu finden, die Einheit und Natürlichkeit vollumfänglich widerspiegelten. Ferner sollten sie eine schöne Sprache als Ausdruck der Schönheit der Seele und der Zivilisiertheit pflegen. Jede einzelne ihrer Handlungen sollte ein »Akt der Freiheit« sein, und zugleich in Übereinstimmung mit der Vernunft im Allgemeinen. Schließlich sollten sie danach streben, »Wirklichkeit und Idealität, Zeitlichkeit und Ewigkeit, kurz Lösung sämtlicher Gegensätze des geistigen und sinnlichen Menschen« zu vereinen. Ferdinand führte weiter aus: »[D]as Bedürfnis der Schönheit ist ebenso tief in der menschlichen Seele gegründet, wie das der Wahrheit«, die Erziehung zum Schönen sei jedoch »nur durch Anschauung, nicht durch den Begriff«13 möglich. Obwohl Ferdinand nicht daran glaubte, selbst derlei Ideale erreichen zu können, wollte er sie doch seinen eigenen Kindern und seinen Gymnasialschülern anerziehen. Helmholtz erinnerte sich, wie sie beide einmal »vor der Bildsäule der Athene am großen Brunnen in Sanssouci« standen. Als er eben im Begriff war, Details an der hasserfüllten Göttin zu kritisieren, wies der Vater ihn an, er solle zunächst versuchen, den Sinn des Ganzen in sich aufzunehmen und auf sich wirken zu lassen. Erst wenn ihm das gelinge, dürfe er es in Teile zerlegen. Auf diese Weise verhindere man, sich von ungeliebten Einzelheiten die Freude am Ganzen verderben zu lassen. Auch der jüngere Bruder Otto behielt in Erinnerung, wie sein Vater die Söhne immer durch Kunst und Natur inspirieren wollte. Alles in allem war das Leben mit Vater Helmholtz wohl nicht immer einfach. Anna von Mohl, Helmholtz’ zweite Frau, deutete das zumindest an und fügte hinzu, ihr Schwiegervater wirke wie
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ein echter Pedant, der sich für den Klügsten unter den Sterblichen halte.14 Ferdinand, der mit seinen Kindern möglicherweise überfürsorglich war, sehnte sich nach einer integrierten, ganzheitlichen Welt. Sein ältester Sohn strebte nach ähnlichen Zielen, jedoch mit den Mitteln und Wegen der Naturwissenschaften und aus einer realistischen Warte, nicht mit Religion und Romantizismus. Die Spannungen zwischen Vater und Sohn waren auch die zwischen einer Ära und einer anderen. Dass Ferdinand den Stellenwert der ästhetischen Erziehung bei Kindern so sehr betonte, beeinflusste jedoch zweifellos die allgemeine Entwicklung seines Sohnes und insbesondere die seiner Vorstellungskraft.
Ein Musterschüler Es erwies sich als vorteilhaft, dass das Potsdamer Gymnasium auf Helmholtz’ Selbststudium, der Unterrichtung durch seinen Vater und dem Grundschulwissen aufbauen konnte. Von Beginn seiner Gymnasialzeit (Frühling 1830) bis zum Ende (Herbst 1838) war Helmholtz ein sehr guter, wenn nicht sogar hervorragender Schüler. Bereits im ersten Semester galt sein Betragen als »recht gut«, seine Aufmerksamkeit und Teilhabe während des Unterrichts als »selbstthätig u. gut« und sein Fleiß und Fortschritt als allgemein lobenswert. Die einzigen kleineren Kritikpunkte betrafen das Rechnen, seine Handschrift und seine Ordnungsliebe. Ferdinands Kollegen wussten natürlich, wen sie da vor sich sitzen hatten, was ihre Einschätzungen beeinflusst haben mag. Ferdinand bewertete Hermanns Verhalten und Fähigkeiten ganz ähnlich. Als sein Sohn zwölf Jahre alt war, schrieb Ferdinand an Fichte, dass Hermann sehr talentiert sei und vorankomme, ohne sich anstrengen zu müssen, räumte aber ein, dass er ihm aufgrund seiner schwachen Gesundheit nicht zu viel abverlange. Hermann wurde oft als allzu ernst und ruhig eingeschätzt, war nach Auskunft seines Vaters aber im Umgang mit anderen Kindern sehr kommunikativ und fröhlich. Der junge Helmholtz verfügte jedenfalls über Talent und Selbstdisziplin – beides sollte für seine wissenschaftliche Karriere von größter Bedeutung sein.15 Zum Ende seiner Gymnasialzeit hatte sich das Urteil der Lehrer über Helmholtz im Grunde kaum verändert. Sein Betragen und seine Aufmerksamkeit galten als »gut, stäts ernst u. verständig und dabei von reger Theilname für alle Gegenstände des Unterrichts zeugend«. Er hatte nie gefehlt, sein »Fleiss und Ordnung in den schriftl. Arbeiten« wurden als »löblich« bezeichnet. Der Turnlehrer bewertet ihn als eifrigen und »zurückhaltenden, gesetzten, aber gegen die jüngeren Mitschüler sehr wohlwollenden Schüler«.16 Schon als Jugendlicher hatte Helmholtz sich Gewohnheiten und Tugenden wie Disziplin, hartes Arbeiten und Durchhaltevermögen angeeignet. Er kam mit seinen Aufgaben zurecht und erledigte sie pünktlich. Wie alle anderen Gymnasiasten hatte er Unterricht in Latein, Griechisch, Französisch und Deutsch; auch gehörte er zu den wenigen, die zusätzlich Hebräisch lern-
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ten. Ferdinand hatte ihm schon zu Hause etwas Latein beigebracht, am Gymnasium wurden seine Kenntnisse als »löblich« bezeichnet, nur schriftlich bestehe noch Verbesserungsbedarf. Auch seine Fortschritte im Übersetzen seien »recht gut«. In Griechisch galt er als »sehr gut«, sein Fortschritt als »erfreulich«. Für Französisch attestierten ihm die Lehrer ein »recht gut« und nannten seinen Fortschritt »gut«, im Deutschunterricht erhielt er ein »eifrig«, sein Fortschritt wurde wiederum als »recht gut« bezeichnet. Mit Blick auf das Hebräische würdigte das Zeugnis den Umstand, dass Helmholtz die Abschlussprüfungen abgelegt hatte, obwohl er Medizin studieren wollte; alles in allem habe er »löbliche Anstrengungen« an den Tag gelegt. Doch damit nicht genug des Sprachenlernens. Helmholtz nahm zusätzlich noch private Englisch- und Italienischstunden und lernte sogar etwas Arabisch. Was die Wissenschaften anging, so galten Helmholtz’ Fleiß und Fortschritt in Religionslehre als »gut«, in Geschichte und Geographie als »sehr gut«, und in Mathematik und Physik war sein Fleiß »lobenswerth«, sein Fortschritt »ausgezeichnet«.17 Er war also auf vielerlei Gebieten talentiert und ehrgeizig. Sein Sprachtalent und seine soliden Kenntnisse in den anderen Fächern erwiesen sich später als wesentlich für seinen Erfolg im Medizinstudium sowie als Wissenschaftler. Seine Ausbildung am Gymnasium war breit gefächert, seine Leistung insgesamt kaum zu toppen. Drei Punkte verdienen indes, an Helmholtz’ schulischen Leistungen besonders hervorgehoben zu werden: Erstens die Tatsache, dass er – obwohl Sohn eines frommen Vaters, der stets den Stellenwert der Religion im Allgemeinen und des Christentums im Besonderen betonte – seine schlechtesten Noten im Religionsunterricht erhielt. Dabei wurde dem jungen Mann eine recht intensive religiöse Erziehung zuteil, darunter acht Jahre christlicher Religionsunterricht am Gymnasium. Nach Helmholtz’ eigenen Angaben hatte ihn der Potsdamer Bischof persönlich die Gebote der göttlichen Religion gelehrt und ihn in die christliche Gemeinschaft aufgenommen; er versicherte, dessen Andenken für immer in seiner dankbaren Seele bewahren zu wollen.18 Im Alter von 17 verfügte Helmholtz jedenfalls über ein umfassendes Verständnis der lutherischen Lehre und Glaubenspraxis und scheint auch durchaus gläubig gewesen zu sein. Zweitens fällt auf, wie leicht sich Helmholtz anscheinend mit alten Sprachen, Literatur und Geschichte tat. Das will nicht recht zu seinen späteren Angaben passen, er habe Probleme mit Fremdsprachen gehabt, die Geschichte sei ihm besonders schwergefallen, und Prosatexte auswendig zu lernen, sei gar eine »Marter« gewesen. Er eignete sich in der Schule allerdings »kleine mnemotechnische Hülfsmittel« an, um Gedichte leichter auswendig zu lernen. Er kannte einige Gesänge der Odyssee, viele Oden des Horaz und zahlreiche deutsche Gedichte und wurde schließlich ein »grosser Bewunderer der Poesie«. Seinen Vater bezeichnete er, wie bereits erwähnt, als einen enthusiastischen Mann, der »begeistert für die Dichtkunst, besonders für die grosse Zeit der deutschen Literatur« gewesen sei und Herrmanns
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Bemühungen um Sprache und Literatur gefördert habe. Mit Ferdinands Hilfe lernten Hermann und seine Mitschüler also, sich auszudrücken. Diesem Deutschunterricht hatte Helmholtz viel zu verdanken, was er später in seinen populärwissenschaftlichen und philosophischen Vorträgen einsetzen konnte. Der Lateinunterricht war in seinen Augen nützlich gewesen »für die Ausbildung des syntaktischen Gefühls«, Griechisch hingegen empfand er als »für die eigentliche Ausbildung des Geschmacks, nicht blos für sprachliche, sondern auch für sittliche und ästhetische Dinge« unabdingbar. Helmholtz und seine Mitschüler verbrachten sehr viel Zeit damit, klassische Autoren zu lesen – oft noch nach der Schule. Helmholtz selbst lobte seine Lehrer in den geisteswissenschaftlichen Fächern in den höchsten Tönen, wenn auch zweifelsohne teils aus Höflichkeit.19 Dennoch sensibilisierten sie ihn ebenso wie sein Vater für andere Zivilisationen und Kulturen und ihre Eigenheiten. Sie alle flößten ihm Bildung ein. Die dritte Auffälligkeit, die zur Sprache kommen sollte, liegt darin, dass Helmholtz’ wahre Interessen und Begabung der Physik galten. Schon als Kind hatte er angeblich das starke Bedürfnis verspürt, sich auf die »Wirklichkeit« zu konzentrieren (anstatt auf philosophische Theorien wie die von Fichte oder Hegel) sowie auf Gesetze, welche die Dinge miteinander verbanden. Die Physik mit ihren gesetzmäßigen Strukturen kam dieser Neigung am besten entgegen. Sie half ihm, die »Wirklichkeit« zu verstehen, und hielt zugleich die Anforderungen an sein Gedächtnis relativ gering. Denn »[d]as vollkommenste mnemotechnische Hülfsmittel«, so schrieb er später, »ist aber die Kenntnis des Gesetzes der Erscheinungen«. An zweiter Stelle stand für ihn die Mathematik, auch deshalb, weil er ihr eine der physikalischen Wirklichkeit untergeordnete Rolle beimaß. Die »volle Wirklichkeit« der Physik war ihm lieber als die bloße Abstraktion der Mathematik. Seine mathematischen Fähigkeiten schätzte er als jenen seiner Mitschüler auf dem Gymnasium und später seiner Kommilitonen im Medizinstudium vergleichbar ein.20 Damit stellte er sein Licht wohl gehörig unter den Scheffel. »Meine Neigung und mein Interesse waren«, würde er später schreiben, »von früher Jugend an der Physik zugewendet«. Es war sein Traum, die physikalischen Gesetze der Natur zu verstehen. Sein Interesse an der Physik und den Naturwissenschaften allgemein hätte sich aber ohne die indirekte Unterstützung der Eltern kaum voll entfalten können. »Ich stürzte mich mit Freude und grossem Eifer auf das Studium aller physikalischen Lehrbücher, die ich in der Bibliothek meines Vaters vorfand«, schreibt Helmholtz und merkt an: »Es waren sehr altmodische« (die sich beispielsweise noch mit dem Phlogiston befassten). Zur Lektüre gesellten sich erste Experimente daheim: Mit einem Freund zusammen probierte er, was Säure mit den Laken ihrer Mütter anstellen würde. Am Ende waren die Leintücher befleckt und die Gewissen der Jungs ebenfalls. Der junge Helmholtz baute auch optische Instrumente aus alten Augengläsern des örtlichen Optikers und nahm die Bo-
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tanikerlupe seines Vaters in Beschlag. Vielleicht lag es daran, dass er als Junge nur begrenzte Ressourcen für seine Experimente zur Verfügung gehabt hatte, wenn er später als professioneller Wissenschaftler stets das Maximum aus begrenzten Mitteln herauszuholen trachtete.21 Nie hatte er mit einer »Identitätskrise« zu kämpfen, schon als Jugendlicher wusste er einfach, dass er nichts anderes werden wollte als ein Wissenschaftler – will meinen: ein Physiker. Aus finanziellen Gründen war der Weg dorthin zwar lang und steinig, aber dennoch erreichte er irgendwann sein Ziel. Dass aus Helmholtz ein Wissenschaftler wurde, verdankte sich ein Stück weit auch dem Umstand, dass seine Eltern sich für Potsdam entschieden hatten. Dort aufzuwachsen, brachte manche Vorteile mit sich: In seiner Jugend durchstreifte er gerne die Potsdamer Hügel, Wälder, Felder und Gärten. Er liebte die Havel und die zahlreichen Seen der Stadt und genoss es, sich im und am Wasser aufzuhalten. Später, als Erwachsener, sollte er sich mit Strömung beschäftigen. Seit seiner Teenagerzeit unternahm er Wanderungen, die auch der Erholung von Körper und Geist dienen sollten. Der erste Ausflug dieser Art fand im Juli 1837 statt, als er mit ein paar Freunden eine Wanderung in den Harz unternahm. Unterwegs besuchten sie verschiedene Städte und sonstige Sehenswürdigkeiten. Helmholtz bewunderte die Flora, die Landschaft, die ganze ländliche Gegend. Aus seinen Spaziergängen in Potsdam entwickelte sich eine Liebe zur Natur und der Wunsch, sie zu verstehen. Die körperliche Erfahrung schärfte und festigte, was er in den Büchern gelesen hatte. »Auch war in der That das Erste, was mich fesselte, vorzugsweise die geistige Bewältigung der uns anfangs fremd gegenüberstehenden Natur durch die logische Form des Gesetzes. Aber natürlich schloss sich bald die Erkenntnis an, dass die Kenntnis der Gesetze der Naturvorgänge auch der Zauberschlüssel sei, der seinem Inhaber Macht über Natur in die Hände gebe.« Die Gesetze der Natur zu verstehen, verlieh ihm ein Gefühl der Macht und säte in ihm den Wunsch, Wissenschaftler zu werden: »Dieser Trieb, die Wirklichkeit durch den Begriff zu beherrschen, oder was, wie ich meine, nur ein anderer Ausdruck derselben Sache ist, den ursächlichen Zusammenhang der Erscheinungen zu entdecken, hat mich durch mein Leben geführt, und seine Intensität war wohl auch Schuld daran, dass ich keine Ruhe bei scheinbaren Auflösungen eines Problems fand, solange ich noch dunkle Punkte darin fühlte.«22 Den ersten Kontakt mit der Philosophie verdankte Helmholtz ebenfalls seinem Vater: »Das Interesse für die erkenntnistheoretischen Fragen ward mir schon in der Jugend eingeprägt, dadurch dass ich meinen Vater, der einen tiefen Eindruck von Fichte’s Idealismus behalten hatte, mit Collegen, die Hegel und Kant verehrten, oft habe streiten hören.« Später liebte er derlei Dispute freilich nicht.23 Sein Mathematik- und Physiklehrer Karl Ferdinand Meyer war auf naturwissenschaftlichem Feld wohl sein größtes Vorbild. Über Meyer bestand auch eine Verbindung zu zwei wegweisenden Persönlichkeiten der deutschen Wissenschafts- und
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Mathematikszene: dem Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel und dem Mathematiker Carl Gustav Jacob Jacobi, einem Alumnus des Potsdamer Gymnasiums. Unter ihrer Anleitung wurde Meyer zu dem ausgezeichneten Sekundarschullehrer, für den seine Vorgesetzten – darunter auch Ferdinand Helmholtz – ihn hielten. 1838 veröffentlichte er einen Aufsatz zur Optik. Dieses Thema und seine Ausbildung in Berlin und Königsberg beeinflussten auch Helmholtz’ Interessensfelder und Karriere. Für den Physikunterricht verwendete Meyer Ernst Gottfried Fischers Lehrbuch der mechanischen Naturlehre, das sich intensiver als andere Lehrbücher mit Mechanik, mathematischen Ansätzen für physikalische Problemstellungen, der Verknüpfung von Experimenten und Theorie sowie der Durchführung von Messungen befasste. Noch in der Tertia schrieb Helmholtz einen Aufsatz über die Experimente von Benjamin Thompson (Graf von Rumford) und Humphrey Davy zur Reibungswärme. Mehrfach ging es in seiner Schulzeit auch um die Unmöglichkeit, ein Perpetuum mobile zu konstruieren. Nimmt man all das zusammen – den vorzüglichen Lehrer, das gut ausgestattete Physiklabor und die Arbeit mit einem hervorragenden Physiklehrbuch –, so lassen diese geballten pädagogischen Ressourcen vermuten, dass das Potsdamer Gymnasium zu den fortschrittlichsten und intellektuell anspruchsvollsten Schulen seiner Zeit gehörte. In jedem Falle erlernte Helmholtz dort ausgezeichnete physikalische Grundlagen. »Ich muss gestehen, dass ich manchmal, wenn die Klasse Cicero oder Virgil las, welche beide mich höchlichst langweilten, unter dem Tische den Gang der Strahlenbündel durch Teleskope berechnete und dabei schon einige optische Sätze fand, von denen in den Lehrbüchern nichts zu stehen pflegte, die mir aber nachher bei der Construction des Augenspiegels nützlich wurden.«24
Schulabschluss Als Teenager nahm sich Helmholtz jeden Sommer für mehrere Wochen frei, um wandern zu gehen – ein Rhythmus, den er sein Leben lang beibehalten sollte. Als er im Juli 1838 seine Kursarbeiten für das Gymnasium abgeschlossen hatte, noch nicht aber die Abschlussprüfungen, machte er Urlaub bei Verwandten in und um Berlin. Im August kehrte er nach Potsdam zurück, bereit für seinen Schlussakt am Gymnasium, dreieinhalb Tage voll anspruchsvoller Prüfungen. Sein Vater wollte ihn anfangs davon abhalten, die Prüfungen abzulegen, schließlich sah er ihn nicht am Schreibtisch sitzen und lernen, sondern stattdessen durch den Wald wandern. Ferdinand fürchtete, sein Sohn habe sich nicht ordentlich vorbereitet (tatsächlich war Helmholtz sein ganzes Leben lang das Sitzen am Schreibtisch zuwider). Irgendwann gab Ferdinand dann nach, und Hermann absolvierte die Prüfungen.25 Dafür musste er vier mathematische Probleme lösen und eines in Physik, einen Aufsatz zu einem Stück deutscher Literatur schreiben sowie griechische, lateinische, französische und hebräische Texte übersetzen. Das Matheexamen um-
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fasste Aufgaben aus Geometrie und Algebra, in Physik sollte Helmholtz das Gesetz des freien Falls diskutieren. Meyer schreibt, Helmholtz’ Bearbeitung der Matheaufgaben zeuge von »grosser Klarheit und Festigkeit des Verfassers«, alles in allem sei die Arbeit »ausgezeichnet«. (Anscheinend äußerte er später Ferdinand gegenüber, Herrmann sei einer der besten Schüler, die er je gehabt hatte.) Helmholtz selbst urteilte im Nachhinein, von den Sprachprüfungen sei ihm der Lateinaufsatz am schlechtesten gelungen. In der Hebräischprüfung musste er ausgewählte hebräische Begriffe aus dem Deuteronomium erklären, und zwar in lateinischer Sprache. Die Abschlussklausur in Griechisch war eine Übersetzung eines Euripides-Textes, das Ergebnis war mehr als zufriedenstellend. Seine Französischübersetzung bewertete der Lehrer als nahezu frei von Grammatikfehlern, idiomatisch angemessen und allgemein sehr gut.26 Am aufschlussreichsten war jedoch seine Deutschprüfung, denn sie gibt einen ersten deutlichen Hinweis auf seine generelle Lebenseinstellung. Das Thema des Deutschaufsatzes lautete: »Die Idee und Kunst in Lessings Nathan der Weise«. Helmholtz schreibt, er »bewunderte« Lessing, dieser sei »ausgezeichnet sowohl durch klare (verständige) und scharfsichtige Forschung in der Wissenschaft, wie durch lebendige und kunstvolle Darstellung in der Poesie«. Zudem sei er davon beeindruckt, wie Lessing stets »die Charaktere meisterhaft wahr und tief« zeichnete, und befand, dass Lessing sich mit seinem Nathan selbst übertroffen habe. Den Juden, der in Lessings Drama im Zentrum steht, beschrieb Helmholtz als den Vornehmsten und Weisesten seines Volkes, der die große Wahrheit erkannt habe, dass alle Menschen Brüder seien. Trotz aller religiösen Unterschiede existiere in ihnen allen, ohne jeden Unterschied, die Liebe dieses Juden, der durch sein hohes geistiges Ideal das Herz des Christen und des Muslims gewinne und sie zu einer liebenden Familie zusammenführe. Darin bestand für Helmholtz das Herz der Dichtung. Er hielt nichts von den Figuren, die religiöse Vorurteile an den Tag legten. Die Kernidee des Stücks sah er vielmehr darin, dass es unter den Völkern aller Glaubensrichtungen gute Menschen geben könne, die danach strebten, den einzigen Weg zum Himmel zu finden – nicht mittels enger Befolgung religiöser Vorschriften, sondern eher davon befreit. Sie schlössen alle Menschen in das gleiche Band der Liebe ein und gelangten so zu wahrer Tugend. Lessing offenbare, so Helmholtz weiter, in seinem Nathan die tiefste, gottgefälligste Lektion unserer heiligen Religion, die leider allzu oft vergessen werde. Lessings Nathan sei kein Jude mehr, Saladin kein Muslim – nach ihren inneren Überzeugungen seien sie vielmehr wahre Christen. Dem Dichter werde daher zu Unrecht vorgeworfen, er lehne alle Religionen ab und wolle an ihrer statt allein die Vernunft setzen. In Helmholtz’ Lesart blieb seine eigene Religion heilig. Nathan und Saladin hatten sich vom Juden und Muslim zu Christen entwickelt – und Lessings Deismus vollkommen aufgelöst. Helmholtz bewunderte vor allem Nathans Tugenden: sein
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klares Verständnis und sein tiefes, inneres Empfinden. Ferdinand kritisierte den Aufsatz streng, er zeige »mehr Ausbildung des Vermögens der Auffassung als der Reflexion«. Die konzeptionelle Analyse der Hauptgedanken des Stücks befand er als schwach, jedoch attestierte er seinem Sohn eine gute Auffassung der poetischen Wirkung. Er fasste die Arbeit insgesamt als ganz genügend zusammen.27 In jedem Falle aber werden an Helmholtz’ Aufsatz sein Toleranzverständnis und seine Verwurzelung in der Aufklärung deutlich. Im September bewertete auch die königliche Prüfungskommission Helmholtz. Sie führte sein »höchst anständiges und bescheidenes Betragen« an sowie »sein äußerlich ruhiges und still gehaltenes Wesen«, welches »mit großer Beweglichkeit des Geistes verbunden« sei. Die Kommission war voll des Lobes für seine Verständigkeit und schrieb von »tiefer Gemütlichkeit«. Die Sitten des Prüflings zeugten »von einer treubewahrten seltenen Reinheit und wahrhaft kindlicher Unverdorbenheit«. Generell bescheinigte die Kommission Helmholtz geistige Reife, ihre Mitglieder setzten große Hoffnungen in seine Zukunft und vermerkten den Ehrgeiz, mit dem er seine Fähigkeiten entwickele. Der Absolvent sei sehr fleißig und ordentlich, habe regelmäßig am Unterricht teilgenommen und seine schriftlichen Arbeiten eingereicht.28 So viel zum Abiturienten Helmholtz im Allgemeinen. Was die einzelnen Fächer angeht, so befand die Kommission, er sei in der Lage, lateinische Autoren problemlos zu lesen und zu übersetzen. Seine Griechischkenntnisse zeichneten sich »durch Gründlichkeit und einen beträchtlichen Umfang« aus. Seinen Fleiß im Hebräischen lobte die Kommission, und auch im Fach Deutsch erhielt Helmholtz eine wohlwollende Beurteilung. Beim Leseverständnis der französischen Autoren habe er eine »rühmliche Fertigkeit« an den Tag gelegt. Die englische Lektüre fiel ihm leicht, und das betraf nicht nur die modernen Autoren, sondern auch Shakespeare und andere Dichter. Dasselbe gelte für italienische Autoren. Die Kommission beurteilte weiterhin sein geschichtliches und geographisches Wissen als gut und hielt ihn für firm in der christlichen Lehre und Ethik. Die Grundlagen der Logik und Rhetorik seien ihm ebenso bekannt wie etwas Psychologie. Helmholtz’ mathematisches Wissen überschritt laut dem Bericht den im Gymnasium vermittelten Stoff, und sein fleißiges Eigenstudium auf diesem Feld wurde vermerkt. Auch Helmholtz’ fundierte physikalische Kenntnisse fanden Erwähnung. Seine Fähigkeiten im Zeichnen kamen hingegen nur als elementar weg. Im Singunterricht habe der Schüler sich sehr bemüht und auch einiges erreicht. Will man abschließend einen vergleichenden Blick wagen, so kann man das intellektuelle Niveau und den Schwierigkeitsgrad von Helmholtz’ gymnasialen Kursarbeiten im Abschlussjahr und die finalen Prüfungen getrost als höher und strenger bewertet ansiedeln als Charles Darwins Examen an der Cambridge University um 1830. Im Herbst 1838, nach achteinhalb Jahren Gymnasialzeit, schloss der 17 Jahre alte Helmholtz (frühzeitig) die Schule
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ab und erhielt ein Abschlusszeugnis, das ihm grundsätzlich erlaubte, an einer deutschen Universität zu studieren.29 Dass er in allen Fächern so gut abgeschnitten hatte, ließ spätere akademische Erfolge fast schon erwarten.
Ein Medizinstudium als Ersatz Seine Eltern und das Gymnasium hatten Helmholtz eine kulturelle Grundhaltung vermittelt, in der die Werte Arbeit, Disziplin und Fleiß viel galten und vorgelebt wurden. Das half ihm, einen Sinn und Zweck im Leben zu finden, und stattete ihn mit dem nötigen intellektuellen Handwerkszeug und der moralischen Basis aus, um seine wissenschaftlichen und anderen Ziele zu erreichen. Ferdinand verfügte jedoch nicht über die notwendigen finanziellen Mittel, um seinem Sohn eine universitäre Ausbildung zu finanzieren; zudem glaubte er, Hermann würde als Physiker kaum Chancen auf eine Stelle haben. Daher schlug er seinem Sohn vor, Medizin zu studieren, und zwar am Medicinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut in Berlin, der medizinischen Hochschule der preußischen Armee, wo er weitgehend »gratis« studieren konnte. Später erklärte Helmholtz: »Mein Vater, ein in recht knappen Verhältnissen lebender Gymnasiallehrer, aber ein Mann, der die hochfliegende, wissenschaftliche Begeisterung der Fichte’schen Philosophie und Freiheitskriege sich lebendig bewahrt hatte, erklärte mir, so leid es ihm selber thun mochte, Physik sei keine Wissenschaft, die einen Lebensunterhalt gewähren könne, – damals war sie das in der That nicht – aber wenn ich Medizin studiren wolle, so würde ich auch Naturwissenschaften treiben können.« Diese Erklärung brachte Helmholtz später immer wieder gerne an. Aus finanziellen Gründen also entschied er sich für die medizinische Laufbahn, ein besonderes intellektuelles oder moralisches Interesse an der Medizin besaß er nicht. Das Medizinstudium würde ihm aber zumindest erlauben, mit den Naturwissenschaften in Kontakt zu sein, und er könnte vielleicht später seinen Lebensunterhalt damit bestreiten. Also akzeptierte er die Situation bereitwillig.30 Dass Helmholtz der Einschätzung seines Vaters folgte, zeigt seinen starken Sinn für Gehorsam. Er machte seinem Vater auch nie einen offenen Vorwurf in der Sache, noch zweifelte er seine eigene Wahl im Nachhinein an. Hieran lässt sich exemplarisch erkennen, wie er später auch an wissenschaftliche Fragestellungen heranging: Er wählte das Konkrete und Machbare aus, entschied sich für Probleme, die lösbar waren. Seine Entscheidung war die eines pflichtbewussten Sohnes, eines verarmten Realisten und die eines selbstbewussten Schülers. Dass sein Vater ihm davon abriet, Physiker zu werden, befeuerte möglicherweise (und ironischerweise) noch seinen Wunsch danach. Das würde zumindest erklären, weshalb er weiter im Bereich der Physik forschte und sein Leben lang seine Ergebnisse veröffentlichte. Schon 1835 hatte Ferdinand versucht, seinem Sohn einen Platz am Friedrich-Wilhelms-Institut zu sichern. Er wurde jedoch aufgrund einer zu hohen Bewerberzahl
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in diesem Jahr abgelehnt. Auch hatte der Junge ja noch drei Jahre am Gymnasium vor sich. Man riet ihm, sich in seinem Abschlussjahr erneut zu bewerben. Ende März 1837 reiste Helmholtz also für mehrere Tage nach Berlin, um die Aufnahmeprüfung am Institut zu absolvieren. Er wurde vor Ort sehr freundlich von dem Vizedirektor Friedrich August Schulz empfangen, der Ferdinand persönlich kannte. Schulz war zu einer Zeit an der Charité tätig gewesen, als dort der – zwischenzeitlich verstorbene – Christian Ludwig Mursinna, ehemaliger Generalchirurgus der preußischen Armee und Hermanns angeheirateter Großonkel sowie einer seiner Paten, eine führende Position innegehabt hatte. Als Helmholtz sich zu den Prüfungen in Berlin vorstellte, hatte er also schon starke familiäre Verbindungen zum Institut. Schulz ermahnte ihn, seinem Großonkel nachzueifern; wegen der akademischen Prüfung solle er sich keine Sorgen machen, dabei handele es sich im Grunde um einen Eignungstest. In diesem Zusammenhang fand übrigens auch eine körperliche Untersuchung statt, die Helmholtz eine Größe von 1,66 attestierte sowie eine kräftige Statur.31 Schon bevor er wieder nach Potsdam reiste, erhielt er den Aufnahmebescheid. Neben seinen ausgezeichneten akademischen Leistungen, seinem ehrlichen Auftreten und dem zufriedenstellenden Abschneiden bei der Eingangsprüfung des Instituts verdankte er seine Aufnahme auch seinen Beziehungen zu Mursinna – was er nie zu verheimlichen suchte. Seine Verwandtschaft mit Mursinna, der »der einzige einflussreiche Mann« im erweiterten Familienkreis war, »empfahl« ihn vor anderen Bewerbern für ein Studium am Friedrich-Wilhelms-Institut, »welches die Durchführung des medizinischen Studiums unbemittelten Studierenden sehr wesentlich erleichterte«. Auch in der preußischen Armee zählte der Stammbaum. Bevor er Berlin verließ, sah sich Helmholtz Ludwig Rellstabs Tragödie Die Venezianer an und plante, in Heimbert Hinzes Komödie Oben und Unten zu gehen.32 Er war eben ein Kunstfreund – ganz wie sein Vater.
3 Studium der Medizin Das Friedrich-Wilhelms-Institut und Berlin Im Herbst des Jahres 1838 schrieb sich Helmholtz an der medizinisch-chirurgischen Hochschule der preußischen Armee ein, dem Friedrich-Wilhelms-Institut, auch bekannt als die Pépinière (vgl. Abb. 3.1). Da diese nah beim Zentrum von Berlin lag, war sie sowohl mit der medizinischen Fakultät der Berliner Universität als auch mit
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Abb. 3.1: Hofseite des Friedrich-Wilhelms-Instituts in der Friedrichstraße in Berlin, unbekannter Fotograf. Stiftung Stadtmuseum Berlin.
der Charité eng verbunden. Das Institut verlangte für die Unterkunft und das Studium keinerlei Entgelt, aber die Studenten, die aus eher bescheidenen Verhältnissen stammten, mussten sich nach dem Studium für einen bestimmten Zeitraum als Arzt und Chirurg beim Militär verpflichten. Für jedes Jahr am Institut musste ein Student zwei Jahre in der preußischen Armee dienen. Daraus ergab sich, dass nach einem einjährigen Medizinalpraktikum an der Charité und nach Ablegung des medizinischen Staatsexamens acht Jahre Militärdienst zu leisten waren.1 Jeder Student bekam vom Staat eine kleine Beihilfe für Mahlzeiten, allgemeine Bedürfnisse und für den zukünftigen Erwerb von Uniformen und chirurgischen Instrumenten. Helmholtz fand die Mahlzeiten am Institut besser als ihren Ruf, aber weniger nahrhaft als das Essen zu Hause. Das Institut verlangte, dass auch die Eltern einen kleinen finanziellen Beitrag leisteten. Ferdinand gab Hermann acht, später neun Taler monatlich, was ihm ein paar bescheidene Vergnügungen ermöglichte, unter anderem auch ein bis zwei Opernbesuche pro Monat. Er führte ein einfaches, bescheidenes Leben. Auch wenn das Familienbudget keine großen Sprünge erlaubte, so konnte er sich doch ein Klavier sowie die Dienste eines Burschen leisten, der ihm die Stiefel putzte.2
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Das Leben im Institut war durch strenge militärische Disziplin geprägt. Während des Sommersemesters standen die Studenten um 5 Uhr morgens auf (im Wintersemester um 6 Uhr), sie hatten abends um 22 Uhr wieder im Institut zu sein (im Wintersemester um 21 Uhr) und gingen kurz danach zu Bett. Das Betreten und Verlassen der Unterkunft, Ausgänge und Ferien, alles wurde streng kontrolliert. Der Unterricht begann im Sommer um 6 Uhr morgens und im Winter um 7 Uhr, endete um 20 Uhr und wurde lediglich unterbrochen durch eine Stunde Mittagspause. Von den Studenten und dem Lehrkörper wurde auch erwartet, dass sie jeden Samstagabend von 18 bis 20 Uhr eine Gemeinschaftsvorlesung besuchten. Rudolf Virchow, der künftige pathologische Anatom, Anthropologe und liberale Politiker, der sich ein Jahr vor Helmholtz am Institut eingeschrieben hatte, klagte, er könne »kaum eine Stunde zu Vergnügungen benutzen«. Er empfand all die Veranstaltungen am Institut sowie die privaten Studien als »beinahe zuviel«. Nur allzu oft hielten sich manche Studenten nicht an die Regeln. Virchow berichtete seinen Eltern, die meisten seiner Kommilitonen würden die Vorlesungen schwänzen und stattdessen Karten spielen, Bier trinken und vieles mehr. Helmholtz, der ein sehr ernsthafter Student war, missbilligte genau wie Virchow ein derartiges Verhalten. Er beklagte sich auch darüber, dass einige Kommilitonen ihn beim Arbeiten störten. Das Institut hatte sich nicht nur zum Ziel gesetzt, die Studenten in der Medizin zu unterweisen, sondern wollte ihnen auch Pflichtbewusstsein, Gehorsam und Respekt gegenüber Recht und Ordnung eintrichtern.3 Somit wurde hier fortgesetzt, womit Helmholtz’ Eltern, Elementarschule und Gymnasium schon begonnen hatten: Seine Studiergewohnheiten wurden weiter vervollkommnet, und es wurde ihm ein Zugehörigkeitsgefühl vermittelt. Bis zu einem gewissen Grad übernahm er dabei die Wertvorstellungen und Interessen des preußischen Militärs. Ende Oktober 1838 zog Helmholtz in das Studentenheim des Instituts, das er seinem Vater bis ins letzte Detail beschrieb, wobei sogar der Stellplatz seines Klaviers Erwähnung fand. In diesem Zusammenhang berichtete er auch von der »wahrhaft rasenden Geschicklichkeit« seines Stubengenossen beim Klavierspiel, obwohl er es nicht mochte, dass dieser »colorierte Sachen und neue italienische Musik« spielte. Noch weniger schätzte er das laute Spiel einiger anderer Kommilitonen.4 Für ihn war das Klavierspiel Ausdruck seiner spirituellen Seite; dabei galt seine Vorliebe der klassischen, um nicht zu sagen: der ruhigen, dezenten Musik. Mit Helmholtz’ erstem Wochenende am Institut begannen auch seine regelmäßigen Besuche bei Verwandten und Freunden in Berlin, das damals 300 000 Einwohner zählte, sowie seine Erkundung der kulturellen Angebote der Stadt. Er besuchte seine Tante Julie von Bernuth, die Tochter von Mursinna und Frau von Louis von Bernuth, der eine hohe Position im preußischen Ministerium des Innern bekleidete. Die Familie wohnte in einem der vornehmsten Wohnviertel Berlins, in der Nähe des Tiergartens, des eleganten öffentlichen Parks der Stadt. Seine Tan-
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te kochte für ihn so gut, dass er danach »kaum noch die beiden Treppen zu meiner Stube ersteigen konnte«. Dazu erteilte sie ihm nicht erbetene Unterweisungen in Tischmanieren. »Jedes Mal, wenn ich vom Tische aufstehe, zählt sie alles her, was ich schlecht gemacht habe, und findet, daß ich mich schon etwas gebessert habe.« Ferdinand hingegen befürwortete Julies Unterweisungen in der Etikette. Helmholtz suchte auch Friedrich Gottlob Hufeland und Emil Osann zu Hause auf und wurde von diesen »sehr freundlich« empfangen. Beide Männer waren Professoren am Institut und an der Universität. Obwohl er von ihnen eine Dauereinladung für den Sonntagabend erhielt, ging Helmholtz an diesem ersten Sonntag nicht zu den Osanns, da er sich eine Aufführung des Don Juan ansehen wollte. Er besuchte auch die Familie von Johannes Wilhelm Rabe, einem Porträtisten und Zeichenlehrer, und von Justus Friedrich Karl Hecker, einem maßgeblichen Medizinhistoriker, dem ersten Professor für Medizingeschichte an der Universität und Dekan der medizinischen Fakultät (1839 – 1840). Der Name Helmholtz öffnete ihm Tür und Tor zum Berliner Bildungsbürgertum. An jenem ersten Wochenende in Berlin besuchte er außerdem noch eine Kunstausstellung, auf der er »einige neue Bilder« entdeckte. Doch er bemerkte: »Aber es ist nicht viel dran, das Einzige, was mir mehr gefallen hat, ist eine Jephta.« Trotz dieses betriebsamen ersten Wochenendes hatte er Heimweh: »Ich denke viel an Euch, vergeßt auch Ihr nicht Euren Euch liebenden Herrmann.« Sie vergaßen ihn natürlich nicht und schrieben ihm kurz nach seinem Weggang einen Brief, in dem sie ihm ihre Liebe und Unterstützung versicherten.5 Als in der darauffolgenden Woche die Vorlesungen begannen, war er darüber nicht unglücklich – auch deshalb, weil er nun von allzu vielen Besuchern befreit wurde. »Bisher waren mir diese Gäste oft lästig, besonders wenn ich spielte, verlangten sie oft, ich sollte ihnen Tänze und dergleichen vorspielen.« Den anderen Kommilitonen ging er so gut wie möglich aus dem Weg und meinte, er sei dadurch »in den Ruf der Ungeselligkeit gekommen«. Für vulgäre, wenig intellektuelle Mitstudenten hatte er von Anfang an nichts übrig. Im Semester darauf bekam er einen neuen Zimmergenossen, dessen intellektuelle, kulturelle und künstlerische Aktivitäten ihn beeindruckten. Das war die Sorte Mensch, die ihm lag und die er respektierte. Seinen Eltern versicherte er, sie bräuchten sich keine Sorgen zu machen, dass er »die Musik werde liegen lassen«, denn die neuere Musik, die sein Stubengenosse auf dem Klavier spielte, genüge ihm nicht. »Um tiefere [Musik] zu hören, muß ich selbst spielen; auch ist mir selten der Ausdruck und Vortrag eines andern genügend, ich habe immer weit mehr Vergnügen an der Musik, wenn ich sie selbst ausführe.« Er spielte auch bei seiner Tante Julie, wo er am Wochenende zum Essen eingeladen war. Doch fühlte er sich bei ihr nicht besonders wohl und zog die kultivierteren Osanns vor, bei denen er viel Zeit verbrachte und sich »über Literatur, Studium und allerley« unterhielt. Besonders beeindruckt war er von der Dame des Hauses, Frau Osann, die »in allen Gegenständen der Bildung ausgezeichnet bewandert«
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sei. Gerne diskutierte er über Kunst. Doch seine Mutter beklagte sich liebevoll darüber, dass er ebenso wie andere Männer »stumm und verschlossen« sei. Sie wollte gern alles über sein Studium und seine Gefühle erfahren und fügte hinzu: »Gott gebe Dir ein, das Richtige zu thun und das Unrechte zu lassen.«6
Ausbildung zum Mediziner und darüber hinaus Die medizinischen Lehrpläne am Friedrich-Wilhelms-Institut und an der Universität waren im Großen und Ganzen identisch. Gewöhnlich saßen die Studenten des Instituts in denselben Hörsälen wie die Universitätsstudenten, und die klinische Ausbildung erfolgte für beide Gruppen an der Charité. Die sozialen Unterschiede waren auch nicht groß. Das Institut bot eine anspruchsvolle medizinische Ausbildung, die der universitären mindestens ebenbürtig war. Es legte den Fokus auf die klinische, praktische Medizin sowie auf die Unterweisung in den Grundlagen. Der Hauptunterschied zwischen den zwei Lehreinrichtungen (im Hinblick auf die medizinische Ausbildung) bestand darin, dass die Universität ihren Studenten wesentlich mehr Wahlmöglichkeiten zugestand – in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Prinzip der Lernfreiheit, das im deutschen Universitätssystem galt –, während das Institut seinen Studenten einen starren Lehrplan vorschrieb. Es verkörperte sozusagen die direkte Antithese zur Humboldt’schen Vision von Lernfreiheit und Lehrfreiheit als dem Weg, der zu Bildung führte. Zudem war die Universität viel größer: An ihr waren etwa 1600 Studenten immatrikuliert, von denen ungefähr 350 an der medizinischen und 320 an der philosophischen Fakultät (Geistes- und Naturwissenschaften) studierten. Dagegen zählte das Institut lediglich etwa 90 Studenten.7 Etwa um 1840 studierten auch Karl Marx, Ivan Turgenew und Michael Bakunin an der Berliner Universität. Helmholtz traf aber offensichtlich nie auf einen der Genannten oder ihresgleichen. (Siehe Abb. 3.2.) Genau wie alle anderen Medizinstudenten belegte Helmholtz in den ersten beiden Studienjahren Lehrveranstaltungen in den Grundlagenwissenschaften und, in geringerem Ausmaß, in den Geisteswissenschaften. Abgedeckt wurden Logik und Psychologie, Physik und Meteorologie (bei Karl Daniel Turte und Heinrich Wilhelm Dove); Chemie (bei Eilhard Mitscherlich); Botanik und Naturgeschichte; »Encyclopaedia medica« und Geschichte der Medizin; Osteologie, Syndesmologie und Splanchnologie; Anatomie und Physiologie (bei Johannes Müller) und Embryologie.8 Mitscherlich und Müller zählten in ihrer jeweiligen Disziplin zu den führenden Gelehrten Europas. Im ersten Studienjahr stand Helmholtz seinem Studium mit gemischten Gefühlen gegenüber. Er schrieb seinen Eltern, »unsere Collegia gehen lustig vorwärts«, aber er empfand das Lernen als sehr zeitaufwendig und beklagte sich darüber, wie mühsam es sei, »oft des Abends zu sitzen und Muskeln über Muskeln zu lernen,
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Abb. 3.2: Die Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, Unter den Linden. Kreidelithographie von W. Loeillot, um 1840. akg-images.
daß uns der Kopf raucht«. Mit der Anatomie konnte er sich nie anfreunden, da es ihm eingestandenermaßen schwerfiel, in der Flut von Fakten Ordnung zu halten. Er fand Mitscherlichs Chemievorlesungen zwar »sehr interessant«, aber auch »zum Sticken voll« und »ein ganz klein Wenig langweilig«. Die Chemie konnte ihn nie so richtig begeistern. Und der Botaniker und Naturforscher Heinrich Friedrich Link litt nach Helmholtz’ Einschätzung an einem »Überfluß von Geist«. Sechs Wochen nach Beginn der Vorlesungen in Naturgeschichte sei Link immer »noch bei der philosophischen Einleitung (ach Gott!)«. Müllers Physiologievorlesung gefiel ihm hingegen ausgezeichnet. Dove, ein Experimentalphysiker und Meteorologe, hinterließ ebenfalls einen positiven Eindruck, seine Lehre betrachtete Helmholtz als erkenntnisreich. Insgesamt absolvierte er während einer Woche nicht weniger als 42 Stunden an Vorlesungen. »Das ist militairische [sic] Ordnung«, beklagte er sich.9 Trotz dieses anstrengenden Stundenplans fand er Zeit, seinen künstlerischen, philosophischen und gesellschaftlichen Interessen nachzugehen. Seine Eltern ermahnten ihn, das Klavierspiel nicht zu vernachlässigen, obwohl diese Erinnerung gar nicht nötig war: Während der Woche spielte er im Durchschnitt eine Stunde pro Tag, am Wochenende noch länger. Er liebte die Sonaten von Mozart und Beethoven, bewunderte aber auch Gluck. Auch ging er gerne ins Theater und besuchte eine Aufführung von Hamlet (»fürchterlich schlecht gegeben«); er sah sich zudem Carl Maria von Webers bekannte Beziehungskomödie Euryanthe (»ausgezeichnet«) und Faust I an. Er fand, die Aufführung von Goethes Meisterwerk mache »doch einen gewalti-
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gen Eindruck auf alle Hörer, theils durch die göttliche Dichtung selbst, theils durch die ausgezeichnete Darstellung des Mephistopheles ([Karl] Seydelmann) und der Gretchen (Clara Stich)«. Noch nie zuvor habe er derartige schauspielerische Leistungen gesehen, »jener [Mephisto] ebenso satanisch und humoristisch und diese zart und schlicht«. Er studierte »seit einiger Zeit« auch Faust II und war zu dem Schluss gekommen: »Das Ding ist etwas colossal toll.« Er bat Ferdinand, ihm Johannes Falks Goethe-Studie aus der Bibliothek des Gymnasiums zu beschaffen und für ihn bereitzuhalten, wenn er demnächst nach Hause komme. In der Zwischenzeit schrieb er mit einem Freund zusammen selbst ein Stück.10 Helmholtz’ Lektüre war breit angelegt; er las Werke von Homer, Kant, Goethe, Byron und dem französischen Physiker Jean-Baptiste Biot. Er räumte ein, dass er in letzter Zeit den Zugang zu einigen dieser Autoren verloren habe, insbesondere zu Kant, und dass er sich wieder einarbeiten müsse (was er auch tat). »Ist das erst geschehen«, erklärte er seinem Vater, »dann fesseln sie auch mehr; besonders habe ich vom Homer mich kaum wieder losreißen können, sondern in einem Abend immer zwei oder drei Gesänge hintereinander fast verschlungen.« Zur Abwechslung treibe er Integralrechnung.11 Seine intellektuelle Energie und sein Ehrgeiz waren enorm. Er wurde auch weiterhin in verschiedene Berliner Häuser eingeladen. Bei Geheimrat Langner zum Beispiel lernte er ein paar Jurastudenten kennen und spielte Whist. »Es war eine grandiose Parthie, aber auch grandioser Unsinn«, berichtete er. Als er an einem eisig kalten Tag seine Tante Julie besuchte, schenkte sie ihm ein Paar Handschuhe, »die mir sehr zu Statten kommen bei der jetzigen zarten Witterung«. Er berichtete, er habe »jeden Morgen eine anatomische Repetitionsstunde in einem ungeheizten Zimmer, und das Endchen nach der Anatomie ist auch hübsch ohne Mantel.« Er trug die Handschuhe sogar auf seiner Stube, wo es dermaßen kalt war, dass er nicht schreiben und kaum Klavier spielen konnte. Obwohl er seine Tante Julie weiterhin besuchte, versuchte er doch, einen gewissen Abstand zu wahren, da es zwischen ihr und der Familie Helmholtz Spannungen gab. Dafür machte er weiteren Freunden der Familie und Verwandten seine Aufwartung: den Rabes, August Spilleke, dem Direktor des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums und der Realschule in Berlin, und den Hamanns. Gelegentlich kam er für ein verkürztes Wochenende nach Hause. Er fuhr dann entweder mit dem Zug oder ging zu Fuß, was ungefähr fünf Stunden Marsch bedeutete.12 Er nahm sich die Zeit, um sich körperlich fit zu halten: Er ruderte, schwamm und ging zum Fechten. Er betrachtete sich als guten Schwimmer. Im zweiten Semester wurde er gebeten, den Instituts-Bibliothekar zu unterstützen. Obwohl ihm dadurch pro Woche zwei Stunden »verloren« gingen, wie er es ausdrückte, war dies auch »das einzige Mittel zu erfahren, was in der Bibliothek Gutes vorhanden ist unter der unendlichen Menge alter Schmöker«. Bei dieser Arbeit habe er »in unbeschäftigten
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Minuten die Werke von Daniel Bernouilli, (Jean le Rond) d’Alembert und anderen Mathematikern des vorigen Jahrhunderts mir herausgesucht und durchmustert«. Aufgrund der Lektüre dieser Werke stellten sich ihm einige fundamentale Fragen im Bereich der Physik. »So stiess ich auf die Frage: ›Welche Beziehungen müssen zwischen den verschiedenartigen Naturkräften bestehen, wenn allgemein kein Perpetuum mobile möglich sein soll?‹ und die weitere: ›Bestehen nun thatsächlich alle diese Beziehungen?‹«13 Binnen eines Jahrzehnts sollte er in seinem Aufsatz »Über die Erhaltung der Kraft« Antworten auf diese Fragen geben. Gegen Ende seines ersten Studienjahrs wurde Helmholtz krank: Mehrere Wochen lang litt er stark unter Diarrhoe und damit verbundenen Blutungen. Als er nach einem Besuch bei den Bernuths »außer meinem gewöhnlichen Pensum an Wein noch des Abends zwei Gläser getrunken hatte«, verschlechterte sich sein Zustand. Am nächsten Tag fühlte er sich in Mitscherlichs Vorlesung matt und hatte »fürchterliche Kopfschmerzen«. Er versuchte, sich selbst zu behandeln, doch ohne Erfolg. Also konsultierte er den Arzt des Instituts, der ihm den Rat gab, zwei Tage lang auf seinem Zimmer Ruhe zu halten. Er war »sehr molestirt«, fühlte sich sehr schwach und »sah ganz grün und gelb aus«. Er war erschöpft und sehnte sich nach einer Auszeit, die er sich dann auch gönnte: Er verbrachte etwa zwei Wochen bei der Familie seines Onkels August Helmholtz. In dieser Zeit las er Schiller, den großen deutschen Dichter und Freiheitsdenker. Es war das erste Mal seit Jahren. Ebenso beschäftigte Helmholtz sich mit verschiedenen Schriften aus der Feder Ludwig Rellstabs, eines Musik- und Theaterkritikers. Er ging ins Theater und spielte Klavier (Mozart, Strauss, Lanner, Czerny, Hünten, Auber, Ross, Bellini und andere, wobei er immer wieder auf Mozart und Cramer zurückgriff, »um meinen geistigen Magen wieder etwas zu stärken«). Er tanzte mit jungen Damen und spielte bei einer improvisierten Party Klavier. Außerdem ging er Segeln. Während des Besuchs bei seinem Onkel August spielte er auch in einer Komödie mit und begleitete seinen Onkel auf einer Geschäftsreise nach Stettin und Swinemünde. Er war beeindruckt von der norddeutschen Landschaft und den Flüssen, insbesondere der Oder und der Region um Swinemünde, wo er segelte und schwamm. »Besonders entzückte mich das Meer durch sein stets wechselndes Farbenspiel, welches aus der durch verschiedene Wolkenschichten dringenden Beleuchtung entstand. Ganz berauscht wurde ich am Abend, wo ich an der Spitze des einen der beiden vom Eingang des Hafens weit in die See hinausgeführten colossalen Steindämme ging und die Brandung beschaute, welche gerade so hoch ging, daß man noch trockenen Fußes auf dem Damme stehn konnte. Zwar war der Wellenschlag den Badegästen nicht stark genug; auf mich aber machten schon diese Wogen einen großartigen Eindruck.«14 Gewässer faszinierten ihn zeit seines Lebens. Auch das Muster von Überarbeitung und Krankheit am Ende eines Studienjahrs, woran sich Erholung und Entspannung im Sommer anschlossen, sollte sich noch häufig wiederholen.
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Dieses Mal konnte er sich allerdings nur teilweise entspannen, denn er hatte ein Zoologielehrbuch dabei, um sich auf die bevorstehende Zwischenprüfung vorzubereiten, das Tentamen philosophicum, die erste von insgesamt drei Prüfungen, die alle Medizinstudenten durchlaufen mussten. Bei den anderen beiden handelte es sich um das Fakultätsexamen und das finale medizinische Staatsexamen.15 Als er am 10. Dezember 1839 das Tentamen ablegte, hatte er allerdings anderes im Kopf als die Wissenschaft. Seine Mutter war krank, und er sorgte sich vor allem wegen ihrer »Angst und Anspannung«, denn auch seine Geschwister waren an Scharlach erkrankt. Während es den Kindern schnell wieder besser ging, erholte sich die Mutter nur langsam. Er schrieb nach Hause, dass er die Prüfung mit »ziemlich gut« in Mineralogie, mit »sehr gut« in Logik, Psychologie, Physik, Zoologie und Botanik und mit »vorzüglich gut« in Chemie bestanden hatte. Seine Gesamtnote war ein »gut«. Er prahlte: »Übrigens war mein Zeugniß von uns Vieren [mit denen zusammen er die Prüfung abgelegt hatte] das beste.«16 Seine Familie war sehr stolz auf ihn und freute sich über diese guten Nachrichten. Nach Ablegung des Tentamen erwähnte Helmholtz sein Studium in den Briefen an die Eltern nur noch selten, was auf ein zunehmendes persönliches oder fachliches Selbstvertrauen und eine innere Unabhängigkeit schließen lässt, vielleicht aber auch nur auf sein nachlassendes Interesse am Studium. Dieses war jetzt fast ausschließlich auf die Medizin fokussiert, wenn auch hauptsächlich auf deren theoretischen, nichtklinischen Part. Einige Vorlesungen waren nichts anderes als Diktierkurse: Der Professor las vor und die Studenten schrieben mit. Andere Veranstaltungen wiederum umfassten auch ein paar Experimente (doch nur gelegentlich wurde etwas am Mikroskop demonstriert). Dass die Studenten individuell im physiologischen oder physikalischen Labor arbeiteten, war nicht vorgesehen, allerdings gab es Übungen in Anatomie.17 Auch wenn der Lehrplan starr war, so war er doch nicht rückständig. In den 1830er- und 1840er-Jahren erfuhr das deutsche Medizinstudium nach und nach eine Reform, und in vorderster Reihe beteiligt waren dabei die Berliner Medizinprofessoren. Später bezeichnete Helmholtz diese Zeit als »eine Zeit der Gährung, des Kampfes zwischen gelehrter Tradition und dem neuen naturwissenschaftlichen Geiste, der keiner Tradition mehr glauben, sondern sich auf die eigene Erfahrung stellen wollte«. Auch wenn seine Argumentation ein bisschen rhetorisch und recht reformerisch war, so lag sie gar nicht so weit daneben: Hatten noch im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert verschiedentlich Bewegungen und Theorien wie die Naturphilosophie, der Brownianismus, der Cullenismus, Albrecht von Hallers Irritabilitätslehre oder der Vitalismus im Mittelpunkt gestanden, verschwanden sie doch zwischen 1830 und 1850 allmählich von der Bildfläche. Die große Schwäche dieser früheren Entwicklungsphase in der Medizin beruhte nach Helmholtz’ Meinung darin, »dass sie einem falschen Ideal von Wissenschaftlichkeit nachjagte in einseiti-
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ger und unrichtig begrenzter Hochschätzung der deductiven Methode«. Romantische Medizin, wie er und andere es nannten, bestand lediglich aus »Ruinen des alten Dogmatismus«. Zu der Zeit, als er sein Studium an der medizinischen Hochschule begann, war die romantische Medizin (insbesondere die Naturphilosophie) schon lange umstritten, so wie nun auch ihre Nachfolgerin, die (übertriebene) empirische Medizin. Seine Studienjahre fielen zusammen mit dem endgültigen Triumph der theoretisch orientierten Medizin über die eng gefasste empirische Medizin.18 Vermutlich war sein Interesse an den medizinisch und klinisch ausgerichteten Vorlesungen gering. In seinen Briefen nach Hause berichtete er nun hauptsächlich über sein persönliches und gesellschaftliches Leben. Am Ende seines zweiten Studienjahrs unternahm er im Sommer zusammen mit einigen Freunden eine Kutschreise nach Schlesien. Es war heiß und eng in der Kutsche, und er fand nicht alle Mitreisenden besonders sympathisch: »Uns gegenüber saßen zwei Jüdinnen aus Breslau und ein jüdischer Secundaner, der aber aussah u[nd] sich betrug wie ein Sextaner, nicht einen Augenblick still sitzen konnte, und uns den ganzen Weg über die Ohren vollschwazte [sic], während eine der Jüdinnen den ganzen Weg über sich mit ihm zankte, er rammele ihr den einen Arm ganz ein.« Dagegen fand Helmholtz die schlesische Landschaft, die lokale Küche und die Menschen höchst angenehm. Besonders angetan war er vom schlesischen Riesengebirge und dem Hirschberger Tal, das »überall ein romantisches, reizendes, lebendiges Bild« bot.19 Die langen Spaziergänge mit seinen Reisegefährten taten ihm körperlich und geistig gut: Er entspannte sich und wurde gegenüber seiner Umwelt offener. Nachdem er 1840 die Weihnachtsferien mit seiner Familie verbracht hatte, fand er nach seiner Rückkehr »die Stimmung hier in Berlin […] bedeutend verschlimmert«. Im Juni 1840 war der preußische König Friedrich Wilhelm III. gestorben, und die Berliner hatten, wie andere auch, erwartet, dass sich sein Nachfolger Friedrich Wilhelm IV. als ein liberal gesinnter Monarch erweisen würde, der Veränderungen begrüßte. Stattdessen bekamen sie einen romantischen, nationalistisch gesinnten und höchst konservativen Herrscher, der in einem christlich geprägten deutschen Staat eine Alternative zu den revolutionären Kräften sah, die nach 1789 Europa erschüttert hatten. »Der Romantiker auf dem Thron«, wie man ihn nannte, enttäuschte viele seiner Untertanen. Helmholtz berichtete von einem »Scandal«, als der König die Aufführung einer überarbeiteten Version von Racines religiösem Drama Athalie (1691) forderte, in der Hoffnung, damit bei seinen Untertanen die Frömmigkeit zu wecken. Der König war entzückt von der neuen Version, doch die Zuschauer bedachten die Premierenaufführung mit Pfiffen, und die meisten sahen darin ein Werk der pietistischen Propaganda. Das Ergebnis war, dass der Argwohn der Bürger gegenüber Friedrich Wilhelm IV. weiter zunahm. Helmholtz berichtete seinen Eltern, dass eine Parodie auf das »kleine Göthesche Ständchen« mit dem Refrain »Schlafe, was willst du mehr?« (aus seinem Nachtgesang) im Umlauf sei
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und man sich damit auf Kosten des Königs lustig mache: »Er betet, was will man mehr?« Helmholtz teilte die allgemeine Verachtung für den neuen König. In seiner Freizeit besuchte er unter anderem die Vorträge des Berliner Sängers, Librettisten und Theaterhistorikers Eduard Devrient.20 Am Ende seines dritten Studienjahrs nahm Helmholtz Kontakt zu Immanuel Herrmann Fichte auf, der als Philosophieprofessor an die Universität Bonn berufen worden war. Sie hatten sich nie zuvor getroffen (oder miteinander korrespondiert). Es war Ferdinand, der den Kontakt initiierte. Er gestand Fichte, dass sich seine eigene Wesensart im Lauf der Jahre wenig geändert habe. Er sei nach wie vor ein zerrissener Mensch und mittlerweile »sehr alt« geworden. Konkret schlug er Fichte vor, entweder Hermann nach Bonn zu schicken, damit er zumindest für ein paar Wochen seinen Paten kennenlernen und sich dessen Gedankengut zu eigen machen könne, oder aber Fichte selbst solle doch einmal nach Potsdam kommen. Ferdinand erinnerte ihn an die Freude, mit der er einst die Geburt seines Erstgeborenen begrüßt hatte, und an das seinerzeit gegebene Taufversprechen. Hermann wiederum schrieb, dass er sich zwar, abgesehen von seinem kindlichen Geschrei bei der Taufe, noch nie an Fichte gewendet habe, dass er aber dennoch das Gefühl habe, ihn zu kennen: So oft habe ihm der Vater von seinem liebsten Freund erzählt. Seit Langem schon stelle er sich zudem das Rheintal als die schönste Gegend in deutschen Landen vor und habe sich immer danach gesehnt, seinen Paten und den Rhein kennenzulernen. Auch hatte er sich vor Kurzem mit einigen Werken von Fichte senior befasst und wollte gern mehr darüber erfahren. Er hoffte daher, Fichte entweder am Rhein oder an Havel und Spree zu treffen. Fast zwei Monate später hoffte er allerdings immer noch darauf, Fichte in Bonn zu besuchen – wozu der ihn eingeladen hatte – und bei dieser Gelegenheit auch noch die Vorlesungen einiger berühmter Professoren an der Bonner Universität zu hören.21
Typhus und ein Mikroskop Doch aus dem vorgeschlagenen Treffen wurde nichts, da Helmholtz Ende Juli an Typhus erkrankte. Es begann mit Husten und Hämorrhoiden, und er meldete sich bei der Institutsverwaltung krank. Man verabreichte ihm Medikamente und wies ihn an, in seinem Zimmer zu bleiben und sich auszuruhen. Er befürchtete, dass sich seine Mutter große Sorgen um seine Gesundheit machen würde. »Du kannst der Mutter auf mein Ehrenwort versichern«, erklärte er Ferdinand, »daß es durchaus nichts andres ist als das gemeldete, und daß sie sich nicht im Geringsten Sorgen zu machen brauchte«. Vermutlich tat seine Familie ebendies dennoch, zumal er zugegeben hatte, dass er sich in einem »gefahrvollen Zustand« befand. Sein Husten besserte sich zwar, doch er bekam eine schwere Darmgrippe und wurde durch »vieles Schwitzen u[nd] besonders Nasenbluten ganz außerordentlich geschwächt«.
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Er betonte erneut, dass seine Eltern keinen Grund zur Sorge hätten. Aber natürlich sorgten sie sich weiter um ihren Sohn. Ein Institutsarzt schrieb Ferdinand, dass Hermanns Fieber gesunken sei, sein Appetit zugenommen habe und ein Aderlass Erleichterung gebracht habe, er aber am Institut keine Ruhe finden konnte und deshalb in die Charité verlegt werden musste. Ein anderer berichtete, Hermann leide an »einem gastrisch-katarrhalischen Fieber mit Congestionen zur Brust und zum Kopfe«. Er sei erst am Morgen zur Ader gelassen worden und das habe »den besten Erfolg« gehabt. Auch die verschriebenen Medikamente zeigten die gewünschte Wirkung. Er versicherte der Familie Helmholtz, sie müsse sich keine unnötigen Sorgen machen. Doch eine Woche später war Hermann immer noch in der Charité, hatte nach wie vor Fieber und schlief schlecht, obwohl er allmählich wieder etwas Appetit bekam. Er litt weiterhin unter Nasenbluten, das bei ihm auch früher schon häufig aufgetreten war. Sein Arzt war der Meinung, dass es bald zu einem Wendepunkt im Krankheitsverlauf kommen werde, daher bat er Ferdinand und Lina, ihren geplanten Besuch zu verschieben. Helmholtz pflichtete dem bei. Ferdinand schrieb an Fichte, Hermann befinde sich in Lebensgefahr und sei sogar zu krank, um nach Potsdam zu kommen. Er, Ferdinand, würde sich schon freuen, wenn er ihn in drei Wochen nach Hause holen könnte und Hermann in der Lage wäre, das nächste Semester pünktlich zu beginnen. Sein »armer Junge«, schrieb er, liege mit starkem Fieber darnieder, anstatt ein paar Tage am schönen Rhein zu genießen. Er und Lina erbäten nichts anderes von Gott, als dass er ihnen den Sohn nur nicht wegnehmen möchte, dem sie all ihre Liebe und ihr Verständnis geschenkt hätten und der sich so vielversprechend entwickelt habe. Dazu kam, dass seine Frau sich noch kaum von dem letzten, erst ein paar Wochen zurückliegenden Verlust erholt hatte, als ihr vierjähriger Sohn Johannes Heinrich Helmholtz gestorben war. Und nun musste sie erneut Kummer erleiden. Kurz: Beide Eltern befürchteten das Schlimmste. Bis Mitte September hielt das Fieber an. Helmholtz blieb im Krankenhaus und konnte nur kurze Spaziergänge unternehmen.22 Die Krankheit zog sich zwei Monate lang hin und kostete Helmholtz seine Ferien und das Treffen mit Fichte. Doch sie erwies sich als nützlich für seine berufliche Laufbahn. Da die Studenten des Instituts kostenlos ärztlich versorgt wurden, entfielen seine normalen Ausgaben, und er bewies seine übliche Sparsamkeit: Er legte genug Geld zurück, um sich ein Mikroskop kaufen zu können, das er bei den Recherchen zu seiner bevorstehenden Dissertation benutzen wollte. (Erst in den 1830er- und 1840er-Jahren wurde es üblich, dass Forscher und Institute, die auf dem Feld der Biologie tätig waren, sich ihre eigenen Mikroskope zulegten.) Diese Anschaffung zeigt, wie ernst es Helmholtz mit seinem Bekenntnis zur Wissenschaft war. Er fand das Instrument nicht besonders schön, wie er später erzählte, »doch ich war damit im Stande, die in meiner Dissertation beschriebenen Nervenfortsätze der Ganglienzellen [d. h. der Nerven] bei den wirbellosen Thieren zu erkennen,
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und [später, im Jahr 1843] die Vibrionen in meiner Arbeit über Fäulniss und Gährung zu verfolgen.« Ferdinand dachte jedoch, der Sohn habe sein Geld verschwendet, und rügte ihn deswegen.23
Dissertation bei Johannes Müller Helmholtz verbrachte den größten Teil seines letzten akademischen Jahrs mit den vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen. Als sich das Semester dem Ende näherte, standen drei wichtige Ereignisse an. Da waren erstens die Fakultätsprüfungen, die auf Latein erfolgten und acht Bereiche umfassten: Anatomie und Physiologie, Nosologie, Pharmakologie, praktische Medizin, Chirurgie, Geburtshilfe, staatliche Arzneimittelvorschriften und Gerichtsmedizin sowie die Literatur und Geschichte der Medizin. Am 25. Juni 1842 legte er sein Examen ab und wurde damit zur klinischen Arbeit zugelassen. Zweitens feierte das Institut am 2. August sein jährliches Stiftungsfest, zu dem der Prinz von Preußen, weitere Mitglieder der königlichen Familie und des Adels sowie Freunde des Instituts eingeladen waren. Der Direktor des Instituts erinnerte bei dieser Gelegenheit an den Zweck der Einrichtung, stellte deren Leistungen vor und vergab Auszeichnungen an die Studenten. Jedes Jahr wählte er einen Studenten und einen Professor aus, die dann einen Vortrag über ein wissenschaftliches Thema hielten. 1842 fiel die Wahl auf Helmholtz. Sein Thema lautete: »Die Operation der Blutadergeschwülste«. Hinterher hatte er den Eindruck, dass seine damaligen Vorgesetzten den Vortrag »günstiger« als er selbst aufgenommen hatten. Als Belohnung und zur Erinnerung schenkte man ihm einige Bücher, die er lange hoch in Ehren hielt. Doch in Wirklichkeit hatte er nie eine solche Operation gesehen, sein Wissen war »lediglich aus Büchern compiliert«. Seine gesamte medizinische Ausbildung beruhte ja im Wesentlichen auf Buchwissen und gelegentlichen Demonstrationen im Rahmen von Vorlesungen; eine praktische Unterweisung im Labor fand nicht statt. Während seiner ganzen Laufbahn sollte Helmholtz solches reines Buchwissen in den Wissenschaften mit Geringschätzung betrachten. Wie er glaubte, entstand verlässlichere Erkenntnis im Zusammenspiel mit Erfahrung. Die Medizin während seiner Studienjahre sei aber derart theorieabhängig gewesen, behauptete er später, dass oft sogar Fakten ignoriert worden seien. Immerhin schätzte er sein Medizinstudium insofern, als es eng mit den Naturwissenschaften verbunden war. Ja, er vertrat sogar die Meinung, dass die Medizin ihm die »ewigen Grundsätze aller wissenschaftlichen Arbeit« vermittelt habe. Er sei dadurch »zu einer viel breiteren Kenntniss der gesammten Naturwissenschaft« gelangt, »als sie im regelmässigen Wege den Studirenden der Physik und Mathematik zu Theil wird«.24 Zudem bot sie ihm die Möglichkeit, Naturwissenschaften zu studieren und gleichzeitig seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das dritte wichtige Ereignis in seinem letzten Studienjahr war seine Disser-
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tation. Am 1. Juni 1842 schrieb er seinem Vater, dass er bereits fleißig daran arbeite und schon geglaubt habe, »ein sehr wichtiges Resultat gefunden zu haben«, doch werde er sich »die Sache noch genauer vornehmen«. Er arbeitete also bis Ende Juli weiter, dann begab er sich zu Müller, der seine Dissertation betreute, obwohl er eigentlich Professor an der Universität war. Müller nahm ihn sehr freundlich auf.25 Es war einer der großen Glücksfälle in Helmholtz’ Laufbahn, dass Müller sein Lehrer, Mentor und Gönner wurde. Müller war um die Jahrhundertmitte – eine Zeit, in der die Deutschen ihre physiologische Forschung stark vorantrieben – einer der führenden Köpfe auf den Feldern der Anatomie, Physiologie, Zoologie, Embryologie und PaAbb. 3.3: Johannes Müller. Bildarchiv thologie (vgl. Abb. 3.3). (Humboldt bePreußischer Kulturbesitz, Berlin. zeichnete Müller gar als »den größten Anatomen unseres Zeitalters«.) Er war bekannt für seine außerordentlich genaue und produktive Forschung und betonte gegenüber seinen Studenten die Rolle der Physik und Chemie (und des damit verbundenen Instrumentariums) bei der Untersuchung biologischer Phänomene. Seine Berufung an die Berliner Universität 1833 half der Medizin dort, sich von einem rigiden Festhalten an empirischen Phänomenen hin zu einer stärkeren Berücksichtigung der Theorie zu orientieren.26 Die Berufungen des begabten und innovativen Arztes Johann Lukas Schönlein im Jahr 1840 und des ebenso begabten Chirurgen Johann Friedrich Dieffenbach trugen weiter zum guten Ruf der Berliner Universität bei. Die medizinische Ausbildung in Berlin wurde, insbesondere unter der Leitung von Müller und Schönlein, insgesamt wissenschaftlicher. Zumindest in dieser Hinsicht war Berlin in deutschen Landen, wenn nicht sogar in ganz Europa führend. Müller war vor allem bekannt für seine epochale Arbeit über die Physiologie des Sehens, und ganz besonders für sein Gesetz der spezifischen Sinnesenergien. Sein Handbuch der Physiologie des Menschen (zwei Bände in drei Teilen, erschienen 1833, 1834 und 1840) wurde von Studenten und Kennern des Fachs gleichermaßen gern benutzt. Zweifellos hat Helmholtz es sorgfältig studiert. Er besuchte vier von Müllers Vorlesungen: allgemeine Anatomie, vergleichende Anatomie, pathologi-
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sche Anatomie und Physiologie. Seine Notizbücher über Müllers Vorlesungen in vergleichender und pathologischer Anatomie lassen vermuten, dass die Vorlesungen strukturiert und klar waren. Die Studenten strömten regelrecht dorthin. Allerdings hatten die meisten der 150 bis 200 (oder mehr) Studenten, die jedes Semester seine Vorlesungen über die menschliche Anatomie und seine Sezierübungen besuchten, keinen persönlichen Kontakt mit ihm. Müller wahrte Distanz. Bei der Sezierübung war er kaum eine halbe Stunde anwesend, um die Übung zu beaufsichtigen. Die meisten Studenten erhielten von ihm keinerlei Unterweisung im Sezieren, nicht einmal eine Einführung. Müllers Vorlesungen über Physiologie boten generell so gut wie keine Demonstrationen, diejenigen in vergleichender Anatomie hingegen schon.27 Dennoch verstand Müller es, seine Studenten zu inspirieren. Er mischte sich auch immer lange genug unter sie, um potenzielle Talente zu entdecken. Eine kleine Schar der Begabtesten lud er dann zum Arbeiten in seine spartanisch ausgestatteten Räume im Theatrum Anatomicum ein, die Mitte der 1830er-Jahre lediglich ein Mikroskop enthielten (vgl. Abb. 3.4). Neben Helmholtz gehörten zu Müllers bekanntesten Studenten Theodor Schwann, Jakob Henle, Robert Remak, Emil du Bois-Reymond, Ernst Brücke, Rudolf Virchow und Ernst Haeckel. Sie alle entwickelten sich zu Kapazitäten auf dem Gebiet der Naturwissenschaften und der Medizin. Manche studierten bei Müller schon vor Helmholtz, andere nach ihm. Wann genau Helmholtz die Bekanntschaft von einigen von ihnen machte, ist nicht bekannt. (Er beendete zum Beispiel gerade seine Dissertation, als du Bois-Reymond, der zu derselben Zeit in Müllers Labor arbeitete, seine ersten Erfolge in Elektrophysiologie verbuchte, doch die beiden hatten sich zu dem Zeitpunkt noch nie gesehen.) Müller nahm diese und andere vielversprechende Studenten in seinen Kreis auf. Sein undogmatisches Wesen zog sie an, behandelte er doch Theorien als bloße Hypothesen und ließ, laut Helmholtz, allein die Fakten darüber entscheiden, welche Hypothesen richtig waren. Inakzeptabel fand Helmholtz allerdings Müllers vitalistische Ansichten und den damit verbundenen Glauben an eine »Lebenskraft«, die Müller zufolge als eine Art Ordnungsprinzip dem physischen Körper und dessen Funktionen innewohnte, sich aber im Tod auflöste. Auch den Glauben Müllers an eine bewusste Seele lehnte Helmholtz ab. Doch selbst bezüglich dieser Vorstellungen hielt er Müller für undogmatisch und der Faktenanalyse zugänglich. Als Anführer der neuen, experimentellen Richtung in der Physiologie befürwortete sein Doktorvater die Anwendung chemischer und physikalischer Methoden in der anatomischen und physiologischen Forschung, was Helmholtz sehr ansprechend fand. Vor allem gefiel ihm dessen Vorstellung vom Gesetz der spezifischen Nervenenergien, das er später als eine wissenschaftliche Errungenschaft ansah, deren Wert er »der Entdeckung des Gravitationsgesetzes gleichzustellen« geneigt sei.28 Diese Überschätzung spricht für sich selbst: Denn ungeachtet all seines Talents war Müller kein Newton.
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Abb. 3.4: Das Theatrum Anatomicum, Universität Berlin, 1841. C. E. Geppert, Chronik von Berlin von Entstehung der Stadt an bis heute, 3 Bde. (Berlin: Ferdinand Rubach, 1839 – 1841), Bd. 3, unpaginiertes Faltblatt.
Ende Juli suchte Helmholtz also Müller auf, um ihm seine vorläufigen Untersuchungsergebnisse über die Nervenfasern bei mehreren höheren Tierarten zu präsentieren und den Stand seiner Dissertation zu besprechen, die sich mit einem Aspekt der Zelldifferenzierung befasste. Angesichts der kurz zuvor vorgelegten Zelltheorie von Schwann, der Dissertation Remaks über Zellfaserverbindungen und der damals gerade sehr aktuellen Verwendung des verbesserten achromatischen Mikroskops für neuroanatomische Studien ist es wahrscheinlich, dass es Müller war, der Helmholtz vorgeschlagen hatte, über den Ursprung der Nervenfasern zu arbeiten. Es ist aber auch möglich, dass Helmholtz eigenständig in Müllers Handbuch auf dieses Thema gestoßen war. Auf jeden Fall schätzte Müller Helmholtz’ Ergebnisse und Belege und erklärte, dass seine Arbeit »von großem Interesse« sei. Andere
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vor ihm hätten nur vermutet, was Helmholtz bewiesen habe. In diesem Zusammenhang empfahl er aber auch, dass Helmholtz seine Untersuchungen erweitern und über die drei oder vier Tiere hinausgehen sollte, die er bisher studiert hatte, »um ihm [dem Ergebnis] stringente Beweiskraft zu geben«, und bot dafür die Benutzung seiner eigenen Instrumente im Anatomischen Museum an. Sofern Helmholtz es nicht allzu eilig damit habe, seine Promotion abzuschließen, so schlug er vor, solle er die bevorstehenden Ferien für weitere Forschungen nutzen, »um ein vollständiges Kind in die Welt zu setzen, was weiter keine Angriffe zu fürchten hätte« – wie Helmholtz seinen Eltern behutsam erklärte. Es war ein sehr positives und doch zugleich etwas entmutigendes Treffen für ihn. Müller erwies sich als hilfreicher, aber auch anspruchsvoller Ratgeber; in Wahrheit sagte er nur wenig, was Helmholtz nicht schon selbst gedacht hatte. Helmholtz’ Unschlüssigkeit betraf denn auch nur die Verzögerung seiner Promotion, die seine Eltern möglicherweise enttäuschen würde. Er schrieb nach Hause: »Sollte Euch das zuviel Schmerz machen, so schreibt es mir, dann übersetze ich meine Rede, die ich zu Pfingsten hier im Institut gehalten habe, und bin in der nächsten Woche Doctor. Die Leutchen in Potsdam werden vielleicht herauscalculiren, ich sei durch das Examen gefallen, die in Berlin, ich wolle ihnen mit dem Doctorschmaus durch die Lappen gehen, aber beide werden sich zu ihrer Zeit beruhigen. Mir war es eigentlich auch etwas überraschend und nicht ganz recht, aber wie gesagt, ich weiß nichts vernünftiges dagegen einzuwenden.«29 Obwohl er sicher nicht ohne die Erlaubnis seiner Eltern weitermachen wollte und die Verzögerung auch ihn bekümmerte, wusste er natürlich auch, was er für eine erstklassige wissenschaftliche Arbeit zu tun hatte. Doch er konnte und wollte die Bedenken seiner Eltern nicht außer Acht lassen. Zwei Monate zuvor hatte er in seinem Lebenslauf geschrieben: »Gott der Allmächtige hat dafür gesorgt, dass sie [die Eltern] am Leben geblieben und wohlauf sind.« Er blieb der liebevolle Sohn, auch wenn er auf höchstem wissenschaftlichen Niveau zeigen wollte, was in ihm steckte. Als er sich dazu entschloss, weitere Forschungen anzustellen, war dies letztlich ein Akt der persönlichen Selbstverleugnung und eine energische Behauptung seines wissenschaftlichen Selbst.30 Und einer der ersten und stärksten Indikatoren dafür, dass er für die wissenschaftliche Forschung brannte. Aufbauend auf früheren neuroanatomischen Arbeiten beobachtete Helmholtz in seiner Dissertation, dass in den Ganglien von wirbellosen Tieren die Axone von den Zellen ausgingen. Seine Studie schloss sich damit der gerade aufkommenden neurowissenschaftlichen These an, dass Nervenfasern die Fortsätze von Nervenzellen sind. Er schrieb und verteidigte seine Dissertation auf Latein. Als er sie fertiggestellt hatte, war er allerdings bereits als Unterarzt an der Charité tätig. Wie bei den allermeisten Kandidaten war das Risiko, noch durchzufallen, nämlich äußerst gering: Gewöhnlich wurde die Verteidigung einer Dissertation erst am Tag zuvor angekündigt, und die Schrift selbst war ebenfalls erst zu diesem Zeitpunkt verfüg-
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bar. Zudem wurden die »Opponenten« aus dem Freundeskreis des Kandidaten gewählt. Am 2. November 1842 verteidigte Helmholtz also erfolgreich seine Dissertation, erhielt sein Diplom und war jetzt Doktor der Medizin und der Chirurgie.31 Aber er war noch etwas mehr als das: nämlich auch ein Physiologe. Er hatte die letzte Routineerfordernis auf dem Weg zum Doktortitel, die Dissertation, in ein bemerkenswertes Stück Wissenschaft verwandelt und dadurch seine eigentlichen Ambitionen offenbart. Hier verdankte er sehr viel Müller, den er stets als einen überragenden Mann verehrte, »der uns den Enthusiasmus zur Arbeit in der wahren Richtung gab«. Wenn er seinem »grossen Lehrer, dem gewaltigen Johannes Müller« Dank sagte,32 war das mehr als nur bloße Rhetorik.
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Unentdeckt Unterarzt an der Charité Mit 21 Jahren war Helmholtz bereits Arzt, genauer Physiologe, und zudem ein Mann von Bildung, der sich an den schönen Künsten erfreute. Anfang Oktober 1842 zog er aus seinem alten Zimmer in ein Quartier der Charité.1 Die nächsten sieben Jahre sollte er in Berlin oder Potsdam wohnen bleiben, dort die Grundlagen für sein wissenschaftliches Werk legen und sich verlieben. Obwohl die Charité die älteste medizinische Ausbildungsstätte Preußens war (gegründet 1710), waren ihre Räumlichkeiten gerade erst wiedererrichtet worden, was sie zu einem modernen Lehrkrankenhaus machte (vgl. Abb. 4.1). Sie bot für Arme eine kostenfreie Versorgung an, wodurch es ihre behandelnden Ärzte mit ganz verschiedenartigen Patienten und einer großen Bandbreite an medizinischen Fällen zu tun hatten. Die Charité verfügte über Kliniken für Innere Medizin, Allgemeinmedizin, Klinische Chirurgie, Augenheilkunde, Geburtshilfe, Pädiatrie, Syphilis und Psychiatrie. Die frisch gebackenen Unterärzte erhielten Unterricht am Krankenbett, während sie im Laufe eines Jahres von einer Klinik zur anderen wechselten.2 Nach einer Woche in seiner ersten Klinik behandelte Helmholtz bereits Patienten, verschrieb Medikamente, führte Obduktionen durch, übernahm Dokumentationsaufgaben und Ähnliches. Er stellte fest, dass die meisten Patienten unheilbare (und damit langweilige) Krankheiten hatten, gegen die er nur Opium verschreiben konnte, und klagte darüber, dass die wenige freie Zeit, die ihm blieb – er arbeitete von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr abends –, so knapp und unregelmäßig war, dass er damit nicht wirklich etwas anfangen konnte. Trotzdem fand er Zeit für das gesell-
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Abb. 4.1: Die Charité, Berlin. Bildarchiv, Institut für Geschichte der Medizin, Freie Universität Berlin.
schaftliche und kulturelle Leben: Er besuchte die Bernuths, seinen Freund, den Maler Theodor Rabe, und eine Kunstausstellung, wo er den »fürchterlichste[n] Schund in Massen und sehr wenig Gutes« sah, obgleich er sich vom Werk des Historienund Landschaftsmalers Carl Friedrich Lessing beeindruckt zeigte. Lessings Johann Hus zu Konstanz, ein antikatholisches Gemälde, hielt er für das beste Exponat, das er je in Berlin gesehen hatte, und er drängte seine Eltern mit Nachdruck dazu, es sich anzusehen. Außerdem besuchte er einen Ball und eine Aufführung von Christoph Willibald Glucks Iphigenie auf Tauris.3 Als seine Mutter ihn an Weihnachten jenes Jahres sah, war sie schockiert von seinem Erscheinungsbild – beide Eltern vermuteten dahinter eine unheilvolle Liebesaffäre – und ermahnte ihn behutsam dazu, mehr auf seine Kleidung zu achten. Er versprach, dies zu tun und sich geselliger zu geben. Zu seiner Verteidigung führte er an, dass seine Pflichten seine Zeit und Aufmerksamkeit so sehr in Anspruch genommen hätten, dass er in Berlin praktisch niemanden getroffen und deshalb vergessen habe, seine schmutzige Kleidung nach Hause zu schicken, damit seine Mutter sie waschen konnte. Der Februar brachte schließlich Erleichterung, weil er in die Kinderklinik wechselte, wo er nur wenig zu tun hatte. Er pflegte nun mehr Kontakte – er wohnte einem Ball bei den Rabes, einer Sinfonie und einem Quar-
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tett bei und besuchte Freunde – und hoffte, dass dieses Treiben die Sorgen seiner Eltern lindern würde.4 Als seine Mutter schwer erkrankte und seine Pflichten im Krankenhaus ihm keinen Besuch erlaubten, bat er seinen Vater um Nachrichten über ihren Zustand, gab medizinische Ratschläge und machte sich Sorgen um sie. Als er sie schließlich doch besuchte, war er »äußerst erschreckt« und deprimiert. »Da ist freilich Menschenhülfe zu Ende«, wie er seinem Vater schrieb. Zwar war er sich über den Ausgang ihrer Erkrankung völlig im Ungewissen, fürchtete aber das Schlimmste. Ihr Zustand brachte ihn sogar dazu, von einer übernatürlichen, höheren Macht zu sprechen, was selten genug geschah: »Wir müssen die Entscheidung einem höheren Wesen anheim stellen, und uns mit Dank oder Ergebung in seinen Beschluß zu finden wissen.« Helmholtz sehnte sich danach, seine Mutter zu sehen, und dankte seinen Geschwistern für die Liebe, die sie ihr entgegenbrachten. Die Mutter erholte sich ein wenig, und an ihrem Geburtstag schrieb er ihr: »[S]o sollte ganz Potsdam Dir zu einem Elysium werden.«5 Helmholtz liebte sie zutiefst. Im Frühjahr 1843 begannen Helmholtz und seine Familie, sich um eine Anstellung zu bemühen, die ihn in der Funktion eines Allgemeinarztes beim Königlichen Garde-Husaren-Regiment zurück nach Potsdam bringen sollte. Er sprach mit Johann Karl Jakob Lohmeyer, dem Generalarzt der Armee, der ihn »sehr freundlich« empfing. Dieser ahnte bereits, dass sich demnächst die Chance auf eine Position beim Regiment eröffnen würde, und sagte, dass Helmholtz die Stelle im Prinzip haben könne, da er nur »die besten Zeugnisse« über seine Arbeit vernommen habe. Lohmeyer erwartete zudem, dass auch Wilhelm Puhlmann, der langjährige Arzt des Regiments und ein alter Freund der Familie, ihn haben wollte. Puhlmann hatte Einfluss, und Helmholtz bat seine Mutter, mit ihm zu sprechen. Im Juli beschied ihm Lohmeyer, in dessen Macht es stand, den »Wunsch« der Familie zu erfüllen, er müsse nur sagen, was er wolle, und werde es bekommen. Die Beziehungen der Familie erwiesen sich auch noch auf eine andere Weise als nützlich: Helmholtz stand kurz davor, die Ergebnisse seiner Gärungsexperimente niederzuschreiben, und wollte davor unbedingt Mitscherlichs neuesten Artikel zu diesem Thema sehen. Also bat er seinen Vater, er möge bei seinem früheren Gymnasiallehrer Meyer nach einer Kopie anfragen; sollte das nicht klappen, wollte er selbst kommen und Meyer aufsuchen, um mit ihm über Mitscherlichs Befunde zu diskutieren.6 Ende September schloss er seine letzte Klinik ab. Späteren Bemerkungen nach zu urteilen war er zwar mit der Qualität der Ausbildung, die er erhalten hatte, mehr als zufrieden, doch störte ihn der Widerstand mancher Mediziner gegen die Verwendung mechanischer Instrumente für klinische Zwecke. Die meisten Ärzte begnügten sich damit, den Puls mittels einer Uhr mit Sekundenzeiger zu messen, mit einem Stethoskop abzuhören und Körperteile abzuklopfen. Niemand zog es auch nur in Betracht, die Temperatur eines Patienten zu nehmen. Diese und ähnliche
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unwissenschaftliche Einstellungen fand er erbärmlich. Am 1. Oktober 1843 wurde er zum Assistenzarzt befördert und trat als Armeearzt und Chirurg in den aktiven Militärdienst ein, wo er Puhlmann bei den Garde-Husaren zugeteilt wurde.7
Als »Postdoc« bei den Husaren Das Husarenregiment hatte seine ziemlich neue Kaserne in der Neuen Königstraße (später Berliner Straße), und Helmholtz zog dort ein (vgl. Abb. 4.2). Jeden Tag um fünf Uhr morgens ertönte das Signalhorn und rief ihn aus dem Bett. Doch hatten die Husaren, ebenso wie die gesamte preußische Armee, in den friedlichen Jahren von 1815 bis 1864 (abgesehen von den Jahren 1848/49) wenig zu tun. Es gab daher keine Verwundeten und nur wenige kranke Soldaten, die es zu behandeln galt, und so konnte Helmholtz nur wenig an praktischer medizinischer Erfahrung sammeln. Und obgleich ihn die höheren Offiziere »sehr geringschätzig« behandelten, ließ ihm seine Stellung doch viel freie Zeit für wissenschaftliche Forschung, und seine Kaserne bot genügend Platz, um dort ein kleines Labor einzurichten. Tatsächlich war ihm für seine wissenschaftliche Arbeit eine staatliche Unterstützung bewilligt worden – praktisch eine Art Postdoc-Stelle –, auch wenn er (wie schon als Unterarzt) nur 210 Taler pro Jahr verdiente.8
Abb. 4.2: Die Kaserne der Königlichen Garde-Husaren in Potsdam. Hans Kania, Potsdam. Staatsund Bürgerbauten (Berlin: Deutscher Kunstverlag, 1939), S. 115.
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Helmholtz holte in seinen Potsdamer Jahren im Militärdienst (1843 – 1848) das Beste aus diesen günstigen Umständen heraus, indem er Forschung betrieb und eine Reihe von Artikeln zu physiologischen und physikalischen Themen veröffentlichte. In den ersten zwei Jahren arbeitete er in seinem Armeequartier allein und hatte, abgesehen von du Bois-Reymond, der ihn dort besuchte, und Müller wenig bis gar keinen Kontakt zu Berliner Wissenschaftlern. In seiner ersten Veröffentlichung berichtete er über seine Befunde zu Fäulnis und Gärung, eine Forschungsarbeit, mit der er schon als Unterarzt in Berlin begonnen hatte. Dieser Gegenstand reihte sich in eine damals gerade aktuelle, breit geführte Auseinandersetzung unter Chemikern, Physiologen und anderen ein, die auf unterschiedliche Weise mit dem Gegensatz von Vitalismus und Reduktionismus, den Beziehungen zwischen organischen und anorganischen Phänomenen und den Ursprüngen des Lebens befasst waren. Seine eigene Position verdankte sich in weiten Teilen den jüngsten Arbeiten von Schwann, Mitscherlich und Justus von Liebig. Physiologen und Chemiker stritten sich, wie er feststellte, über die Ursachen für die Zersetzung organischer Körper (d. h. Gärung und Fäulnis), und viele der »grössten Chemiker« tadelte er dafür, dass sie die Tatsachen ignorierten und sie als »physiologische Phantasien« betrachteten. (Liebig dachte, dass die Zersetzung in ihrem Ursprung aus den Bewegungen der Atome entstand, also chemischer Natur war, während Schwann Mikroorganismen für sie verantwortlich machte.) Helmholtz machte deutlich, was das Mikroskop und das Experiment in diesem Zusammenhang zu enthüllen vermochten, und sein Thema wie sein Ansatz weisen auf den Einfluss von Mitscherlich und Müller hin (er publizierte in Müllers Archiv). Doch seine Schlussfolgerungen über die Zersetzung waren uneindeutig: Es handele sich dabei nicht nur um ein chemisches Phänomen, wie er befand, sondern um eines, das unabhängig von Lebensphänomenen auftreten und trotzdem die Grundlage des Lebens bilden könne. Auch wenn er also vielleicht zur Klärung der Diskussion um die Zersetzung beigetragen hat, so hat er sie oder das Problem der Spontanzeugung doch gewiss nicht gelöst. (Liebigs chemische Erklärung hatte Bestand, bis Louis Pasteur sie Mitte der 1860er-Jahre mit seiner mikroorganischen Erklärung klar widerlegte.) Immerhin baute Helmholtz durch diese Untersuchungen seine experimentellen Fähigkeiten aus und stand mit seiner Haltung in einem festen Gegensatz zu Liebig, dem führenden Chemiker Deutschlands. Beide begegneten einander höflich und respektvoll, entwickelten aber nie eine enge Beziehung.9 In den Jahren 1843 bis 1845 wandte sich Helmholtz direkt der Frage nach der Rolle einer »Lebenskraft« in der Physiologie zu: Entsprang das organische Leben aus einer ihm selbst innewohnenden Kraft, oder ging es aus anorganischen Phänomenen hervor? Die Frage, wie Helmholtz sie im Anschluss an Liebig formulierte, war zum Teil die, »ob die mechanische Kraft und die in den Organismen erzeugte Wärme aus dem Stoffwechsel vollständig herzuleiten seien, oder nicht«. Er versuchte
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herauszufinden, ob bei der Erzeugung mechanischer Effekte chemische Reaktionen auftreten, und benutzte Frösche – »die alten Märtyrer der Wissenschaft« – als Versuchstiere, indem er sie elektrisch stimulierte, um zu zeigen, dass bei der Muskelkontraktion eine chemische Umwandlung stattfand. Seine Ergebnisse hielt er allerdings für vorläufig und meinte, er habe gewiss nicht gezeigt, dass der Stoffwechsel Muskelkraft und Muskelwärme verursacht, geschweige denn die große Frage nach der Lebenskraft in der Physiologie beantwortet. Dennoch wurde seine Untersuchung über chemische Veränderungen in den Muskeln bahnbrechend, setzte sie doch gleichsam den Startpunkt für eine Studie über den Redoxprozess in den Muskeln, die andere über vierzig Jahre hinweg durchführten. Seine Untersuchung des muskulären Stoffwechsels (und die damit verknüpften Analysen der physiologischen Wärme) bereitete zudem den Boden für seine eigenen theoretischen Arbeiten über die Krafterhaltung. Am Ende zeigte sich – auf recht paradoxe Weise –, dass er im selben Moment, in dem er den Gebrauch der Instrumente, die quantitativen Methoden und präzisen Messungen in der Physiologie meisterte, auch die Begrenzungen der beiden Letzteren zu erkennen begann.10
Das medizinische Staatsexamen Ende September 1845 schloss Helmholtz einen langen Literaturbericht über physiologische Wärme für ein enzyklopädisches medizinisches Nachschlagewerk ab, das von der medizinischen Fakultät der Berliner Universität veröffentlicht wurde (auch hier deutet der Ort auf eine Beteiligung Müllers hin). Er unterzog Dutzende von Studien einer kritischen Durchsicht, die sich mit Temperaturmessungen bei Tieren befassten, darunter auch solche über den Ursprung der tierischen Wärme, und schätzte das methodische Vorgehen der meisten davon als dürftig ein. Dabei legte er ein besonderes Interesse an der physikalischen Natur der Wärme selbst an den Tag und drückte seinen Unglauben an eine »Lebenskraft« aus (da dieser Begriff »allen logischen Gesetzen der mechanischen Naturwissenschaften widerspricht«), obgleich er einräumte, dass er den Physiologen keine Alternative anbieten konnte.11 Im Oktober 1845 dann gewährte ihm sein Regiment die Erlaubnis, sich auf sein medizinisches Staatsexamen vorzubereiten und es abzulegen. Offiziell wurde er jetzt ein »attachirter Chirurg«12 des Friedrich-Wilhelm-Instituts in Berlin, lebte mit einem Freund in einer »ganz freundliche[n] kleine[n] Stube« und aß im Café Belvedere neben der Oper »ganz gut und reichlich«.13 Inoffiziell wurde er ein Forscher im Privatlabor des Physikers und Chemikers Gustav Magnus. Der Examensablauf umfasste sowohl klinische als auch theoretische Prüfungen und dauerte vier bis sechs Monate. Er stellte hohe Anforderungen an die zeitlichen und finanziellen Ressourcen des Prüflings und verursachte bei Helmholtz die üblichen Ängste vor dem Durchfallen. Die Prüfung oblag einer Berliner Kommissi-
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on, deren Mitglieder mehrheitlich der medizinischen Fakultät der Universität angehörten. Helmholtz kannte einige von ihnen recht gut. Das eigentliche Examen bestand aus fünf Teilen: Anatomie, Operationstechnik, klinischer Chirurgie (eine einwöchige Prüfung, die pathologische, therapeutische und operative Fragen umfasste, wobei gute Leistungen auf letzterem Gebiet dem Examenskandidaten den Titel »Operateur« einbrachten), klinischer Medizin (eine 14- bis 21-tägige Untersuchung zweier Patienten an der Charité, absolviert in lateinischer Sprache) und einer mündlichen Abschlussprüfung über alle Gebiete der Medizin.14 Das Verfahren begann mit einer Vorprüfung, die der Kandidat bestehen musste, um zu den eigentlichen Examensprüfungen zugelassen zu werden. Der Prüfling wurde in den Hauptfachrichtungen der Medizin geprüft und musste den Nachweis erbringen, dass er einen klinisch-praktischen Kurs besucht hatte. Im Rahmen dieser Vorprüfung besuchte Helmholtz auch Vorlesungen. Ende Oktober berichtete er an seine besorgten Eltern, dass er eine über zwei Tage laufende anspruchsvolle Anatomieprüfung erfolgreich absolviert habe. Um sich zu erholen, sah er eine »großartige Aufführung« von Friedrich Schneiders Weltgericht, nahm an einer Gesellschaft bei einem ehemaligen Zimmergenossen teil und verbrachte einen Abend bei den Hamanns. Die Vorprüfungen sollten noch weitere zehn Tage dauern. Anschließend wollte er einen Ball in Potsdam besuchen.15 Auch die klinischen Prüfungen verliefen gut. Für eine davon wurden jedem Kandidaten vier Patienten der Charité zugeteilt, für die sie vor den Prüfern eine Diagnose stellen mussten. Die Prüflinge erhielten in der Regel eindeutige Fälle, doch einer von Helmholtz’ Fällen erwies sich als »ziemlich kniffeliger Natur«, sodass selbst die Prüfer unsicher waren. Er wartete auf ihr Urteil und freute sich darauf, seine Familie an Weihnachten zu sehen. Ende Januar 1846 erfuhr er inoffiziell, dass er die klinischen Prüfungen bestanden hatte. Er hatte sich freilich eine »Fluth« von Informationen zur Verabreichung von Medikamenten angeeignet, wie er an Ferdinand berichtete, »wobei mir unsere Mnemotechnik gute Dienste geleistet hat«. Dennoch war er sich keineswegs sicher, dass er bestanden hatte; es war überhaupt nicht außergewöhnlich, dass ein Kandidat das medizinische Staatsexamen nicht bestand. Tatsächlich bestand er die Prüfungen zum Arzt und Chirurgen mit der Note »sehr gut«, erhielt aber nicht den Titel »Operateur«, was darauf hindeutet, dass es ihm möglicherweise an ausreichendem handwerklichen Geschick mangelte. Dennoch war er nun ein zugelassener Arzt.16
Ein Netzwerk von Unterstützern Heinrich Gustav Magnus stand um die Jahrhundertmitte im Zentrum der Berliner Wissenschaft. Er war nicht nur Chemiker und Physiker, sondern interessierte sich auch sehr für angewandte Wissenschaften und die Förderung der Wirtschaft. Zu
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verschiedenen Zeitpunkten seiner Karriere hatte er an der Universität die Titel »Professor für Chemie«, »Professor für Experimentalphysik« und »Professor für Technik« inne. Seine Vorlieben und sein Können basierten auf seiner Präzision und seiner experimentellen Arbeit. 1843 rief er an der Universität das Physikalische Kolloquium ins Leben und nutzte sein eigenes Geld und seine organisatorischen Fähigkeiten, um in seinem Haus (neben der Universität) ein privates Physiklabor einzurichten und zu unterhalten. Vielversprechende jüngere Wissenschaftler lud er dazu ein, dort seine exzellente Instrumentensammlung für ihre Forschung zu nutzen.17 Es ist kaum verwunderlich, dass sich Helmholtz und Magnus kennenlernten. Magnus war Müllers Nachbar, Freund und Kollege, und Magnus’ Bruder Eduard war ein bekannter Maler und mit Puhlmann befreundet. Außerdem kannte Magnus wahrscheinlich Helmholtz’ Schrift über die Gärung, ein Thema, das ihn sehr interessierte. Etwa drei Monate lang arbeitete Helmholtz auf Einladung von Magnus »fast täglich« in dessen Labor. Seine dort durchgeführten Gärungsexperimente verliefen erfolgreich, sodass er einige neue Untersuchungen zu diesem Thema anfing. Statt also sofort zu seinem Regiment zurückzukehren, blieb er für zwei Wochen in Berlin, um seine experimentelle Arbeit in Magnus’ Laboratorium auszubauen und »für meine ferneren Untersuchungen noch einiges zu studieren, wozu mir in Potsdam die Bücher nicht zur Hand sind«.18 Helmholtz lernte auch mehrere andere junge Wissenschaftler um Magnus kennen, darunter du Bois-Reymond, Brücke, Wilhelm von Beetz, Gustav Karsten, Carl Hermann Knoblauch und Wilhelm Heintz. Im Januar 1845 gründeten diese die Physikalische Gesellschaft zu Berlin, die (wenn auch nur indirekt) aus Magnus’ Kolloquium hervorging. Magnus selbst trat ihr allerdings nicht bei. Diese frühe Gesellschaft umwehte ein nichtakademischer, geistig progressiver und reformerischer Hauch. Ihr Name war zudem ein wenig irreführend, da zu ihren Gründern und ersten Mitgliedern nicht nur Physiker, sondern auch Chemiker, Physiologen, Mediziner, Astronomen, Instrumentenbauer, Ingenieure und diverse Armeeoffiziere gehörten. Sie diskutierten und präsentierten neue physikalische Forschungsergebnisse, betonten aber auch die physikalischen Grundlagen anderer Disziplinen (z. B. der Physiologie) und setzten die Physik zu anderen Wissenschaften ins Verhältnis; die Gesellschaft war mithin von ihrem Charakter, wenn nicht gar von ihrer Sichtweise her »interdisziplinär« geprägt. Zuerst gehörten ihr nur jüngere Berliner Wissenschaftler an; viele von ihnen wünschten sich akademische, wirtschaftliche und politische Reformen in Preußen und nahmen an, dass Wissenschaft und Technik in der künftigen politischen Ökonomie Deutschlands eine wichtige Rolle spielen würden. Die Gesellschaft traf sich vierzehntägig freitagabends im Kadettenhaus, und mit du Bois-Reymond als ihrem Vorsitzenden zog sie oft dreißig oder mehr Mitglieder pro Sitzung an. Mit der Zeit stießen Physiker wie Rudolph Clausius, Gustav Robert Kirchhoff und Gustav Wiedemann sowie der Physiktechniker und angehende Indus-
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trielle Werner Siemens hinzu. Helmholtz wurde Ende 1845 Mitglied, hielt bis 1850 zu drei Anlässen Vorträge vor der Gesellschaft und steuerte drei Übersichtsartikel (über die physiologische Theorie der Wärme) zu ihrer Zeitschrift, den Fortschritten der Physik, bei. Die Zeitschrift wurde von Karsten herausgegeben und widmete sich der Besprechung von Schriften aus der physikalischen (und verwandten) Literatur; diese Publikation und die Ausrichtung von Versammlungen waren die wichtigsten Ziele der Gesellschaft. Die Fortschritte wurden bald für alle Physiker unentbehrlich, blieben allerdings ebenso bald erst ein, dann mehrere Jahre hinter ihrem geplanten Erscheinungstermin zurück. Dennoch stellten die Gesellschaft, ihre Mitglieder und ihre Zeitschrift Helmholtz’ ersten nachhaltigen Kontakt mit Physikern dar. So studierte er zum Beispiel gemeinsam mit Wiedemann mathematische Physik, wobei er sich besonders auf Carl Friedrich Gauß’ Untersuchungen zum Magnetismus und die Elastizitätslehre von Siméon Denis Poisson konzentrierte.19 Helmholtz nahm an den Treffen der Gesellschaft teil, und du Bois-Reymond stellte ihn bei diesen Gelegenheiten allseits vor. Mit ihm und Brücke verband ihn bald eine enge Freundschaft. Brücke kannte er bereits seit 1841; mittlerweile diente er (von 1843 bis 1846) als Assistent Müllers am Anatomischen Museum, bis er Dozent für Anatomie an der Akademie der Künste wurde. Du Bois-Reymond und Helmholtz lernten sich im Dezember 1845 kennen: Als du Bois-Reymond vor physikalischen Problemen stand, ging er auf Pilgerfahrt zu Helmholtz in dessen Kaserne, »um bei ihm Rath zu holen«. Helmholtz selbst war in Mathematik und Physik (jenseits von Grundkenntnissen) ein Autodidakt. Sein Bruder Otto berichtete einmal, dass Helmholtz während seiner Dienstzeit in Potsdam manchmal bei seinen Eltern zu Hause zu Mittag aß. Danach habe er auf dem Sofa gelegen und einen mathematischen Text gelesen, zum Beispiel über Jacobis Theorie der elliptischen Funktionen. Diese Beobachtung legt nahe, dass Helmholtz bereits als junger Mann seine eigenen Studien zu anspruchsvollen mathematischen Themen trieb, besonders zu solchen, die – wie es für Jacobi gilt – für die Mechanik und andere Bereiche der Physik von großer Bedeutung waren. Du Bois-Reymond schrieb über seine frühen Eindrücke von Helmholtz an einen Freund: »Helmholtz’ Bekanntschaft ist mir inzwischen zuteil geworden und hat mir in der Tat viel Freude gemacht. Dies ist (sauf la modestie) zu Brücke und meiner Wenigkeit der dritte organische Physiker im Bunde. Ein Kerl, der Chemie, Physik, Mathematik mit Löffeln gefressen hat, ganz auf unserem Standpunkt der Weltanschauung steht, und reich an Gedanken und neuen Vorstellungsweisen.«20 Der »Bund« meinte das Gelöbnis, das du Bois-Reymond und Brücke 1842 geleistet hatten: alle organischen Phänomene durch physikalische und chemische Kräfte zu erklären, und zwar unter Verwendung physikalischer, chemischer und mathematischer Methoden und Instrumente und ohne sich dabei zur Erklärung des vagen Begriffs der Lebenskraft zu bedienen. Sie versuchten, Lebensphänomene als
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stoffliche Materie in mechanischer Bewegung zu verstehen. In den kommenden Jahren standen sie (sowohl als Individuen als auch institutionell) zudem für eine mehr oder weniger scharfe Unterscheidung zwischen Morphologie und Physiologie und trugen dazu bei, der Physiologie eine neue, weit weniger anatomische und viel stärker physikalische Bedeutung zu geben. Helmholtz und Carl Ludwig schlossen sich mit ihnen zu einer Gruppe von sogenannten organischen Physikern zusammen. Sie alle wollten die Physiologie von der romantischen, nichtmateriellen Vorstellung einer »vitalen« Kraft (d. h. der Lebenskraft) befreien, die angeblich allen organischen Phänomenen ihr Leben einhauchte. Für sie basierten diese Phänomene vielmehr auf anorganischen Phänomenen. Sie stützten sich dabei auf die gerade neu entstehende physiologische Chemie, neue experimentelle Methoden in der Physik und die damit verbundenen Entwicklungen in der Präzisionsmesstechnik. Damit bildeten sie eine jüngere, eher materialistisch und mechanistisch ausgerichtete Gruppe von Wissenschaftlern, die die ältere, romantische Generation herausforderte, die in unterschiedlichem Maße in den Bann der mittlerweile längst diskreditierten Naturphilosophie geraten war – jener spekulativen, idealistischen Naturphilosophie also, die von Lorenz Oken, Friedrich Schelling, Goethe und anderen befördert wurde, welche an die fundamentale Einheit der Kräfte in der Natur glaubten. Die organischen Physiker, die ihrerseits selbst gelegentlich philosophische Tendenzen mit ganz eigenen romantischen Zügen an den Tag legten, stärkten oder lancierten überhaupt erst die Sinnesphysiologie, Elektrophysiologie und die experimentelle Psychologie, während sie zugleich starke, damit zusammenhängende Interessen an Kunst und Ästhetik hegten.21 Kirchhoff, Siemens, du Bois-Reymond, Brücke und Ludwig sollten zentrale Figuren in Helmholtz’ Leben und Karriere bleiben. Er hatte ein Netzwerk von Unterstützern gefunden – und diese ihn.
Werben um Dot Anfang Februar 1846 kehrte Helmholtz zu den Husaren zurück und verbrachte die nächsten 18 Monate hauptsächlich damit, eine junge Frau zu umwerben und eine Schrift über die Krafterhaltung zu verfassen. Jeden Morgen arbeitete er bis elf Uhr in dem kleinen Labor, das er in seiner Kaserne eingerichtet hatte; seine medizinischen Pflichten waren minimal. Gelegentlich besuchte er Berlin, um sich dort mit einem Instrumentenbauer, Johann Georg Halske, zu beraten oder die Bibliothek zu nutzen. Er korrespondierte mit du Bois-Reymond, mit dem er sich auch wechselseitige Besuche abstattete. »Im nächsten Quartal«, so schrieb er ihm gegen Ende des Jahres 1846, »habe ich Lazarettwache, da werde ich hauptsächlich Konstanz der Kräfte treiben«. Das hieß, dass er davon ausging, nicht viel Zeit für seine experimentellen Arbeiten zu haben, weshalb er plante, stattdessen in seiner Freizeit an seiner Theorie der Krafterhaltung zu arbeiten. Nicht einmal zwei Monate spä-
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ter schickte er du Bois-Reymond den Entwurf seiner Einleitung zu Über die Erhaltung der Kraft und bat um Kommentare und Kritik. Er wollte wissen, ob er die Art der Ausführungen für Physiker akzeptabel fand, und erklärte: »Ich habe mich bei der letzten Ausarbeitung zusammengenommen und alles über Bord geworfen, was nach Philosophie roch, soweit es nicht dringend nötig war, darum mögen einige Gedankenlücken geblieben sein.«22 Zur selben Zeit gab es allerdings noch ein zweites Objekt der Begierde, das ihn lockte: Olga Leopoldine von Velten (1826 – 1859), eine junge Frau aus einer angesehenen preußischen Familie. Es ist kaum überraschend, dass sie einander kennenlernten: Olgas Großvater mütterlicherseits, Johann Gottlieb Puhlmann, war der vermögende Direktor der staatlichen Kunstgalerie in Berlin, Hofmaler, Konservator und Wilhelm Puhlmanns Vater. Olgas Vater war Leopold von Velten, der, wie Helmholtz, Militärarzt war; ihre Mutter war Julie Puhlmann. Während seiner Dienstzeit in Westpreußen bekamen Leopold und Julie zwei Töchter, Sophie Julie Betty und Olga. Als Leopold 1828 starb, kehrte Julie mit ihren Töchtern in ihre Heimatstadt Potsdam zurück, wo ihr Bruder Wilhelm Puhlmann lebte. Dort zog sie ihre Töchter auf, wobei sie einen Schwerpunkt auf ihre sprachliche, literarische und musikalische Ausbildung legte, ihnen Patriotismus und ein Leben für Ideale einimpfte und sie lehrte, wie wichtig gute Manieren und die Freude am Leben waren. Betty fand Olga »nicht schön, aber fein und anmuthig – nicht lebhaft hervortretend, aber mit Verstand aufmerkend und scharf beobachtend. Ihr Geist schlagfertig, amüsant, witzig, bis zum Sarkasmus scharf. Vor allem aber und als unmittelbarer und bleibendster Eindruck, lag über ihr wie ein holdes Wunder, ein Hauch von Weiblichkeit und einfacher, schlichter Reinheit – etwas ganz Unwiderstehliches«. Olga sang und interessierte sich sehr für die schönen Künste (besonders für Musik) und Literatur. Sie besaß genau jene Art von Talenten und Kultur, die Helmholtz anzog. Er verliebte sich in sie – angeblich auf den ersten Blick –, während er seine Theorie der Krafterhaltung entwarf. Beide, Olga und Helmholtz, stammten aus dem Potsdamer Bildungsbürgertum und hatten Wilhelm Puhlmann zum Onkel respektive Freund und Vorgesetzten. Und spätestens seit dem Frühjahr 1846 bewegten sie sich auch in denselben gesellschaftlichen Kreisen. Am 11. März 1847 verlobten sie sich heimlich. »[D]eine Zukunft ist ja meinem Fleiße anvertraut«, schrieb er an sein »Herzlieb«. Allerdings verdiente er so wenig, dass eine Heirat zu jener Zeit außer Frage stand.23 Er nannte sie »Dot« (kurz für »Dötchen«). Ihre Anwesenheit, ja schon der Gedanke an sie verzückte ihn. Er litt, wenn er nicht bei seinem »lieben Schätzchen« war. Einmal unternahm er mit Ferdinand und einem von dessen Kollegen – »wir haben viel gestritten« – einen Spaziergang und besuchte am Abend ein Theaterstück und eine Oper (Daniel François-Esprit Aubers Maurer und Schlosser [Le maçon]). Diesen künstlerischen Doppelabend fand er höchst amüsant, beklagte aber, ohne seine »kleine, gute Königin« zu sein. Wenn er sich wieder an seine wissenschaftli-
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che Arbeit über die Krafterhaltung und andere Themen machte, war er ganz Vernunft, doch wenn er an Dot dachte, ganz Leidenschaft: Viel Vernunft, Du liebe, liebe Olga, wirst Du in dem, was ich geschrieben habe, nicht finden, die fliegt immer alle fort, wenn ich mit Dir spreche; sonst aber bin ich noch immer ungeheuer vernünftig, und ich glaube nicht, daß mir Jemand anmerken kann, welche Unendlichkeit von Seeligkeit ich im Herzen trage. Die Leute und Häuser, die ich sehe, sind immer noch die alten, aber sie sehen mir so viel frischer und klarer aus. Wenn das ganze lange Leben mir keine Freude gegeben hätte, als die Liebe meiner Olga, wäre es schon der Mühe werth gewesen zu leben. Olga hatte Husten, und er war in Sorge um sie – eine Konstellation, die noch häufiger vorkommen sollte.24 Helmholtz’ Briefe an sie waren übervoll von Liebesbekundungen. Gelegentlich fühlte er sich sogar dazu inspiriert, (nicht sonderlich bemerkenswerte) Gedichte zu schreiben. Am zehnwöchigen Jubiläum ihrer Verlobung war er hors de soi: Er hoffte, sein »Engel« würde ihn »in alle Ewigkeit« so lieben, wie er sie liebte. Allerdings kam er auch wieder hinreichend zur Besinnung, um ihr zu berichten, dass er die Erwärmung von Froschmuskeln erforschte und nach Berlin gefahren war, um Halske dazu zu bringen, ihm ein Instrument für seine Arbeit zu bauen. Er war dermaßen in sie verliebt, dass er sein Manuskript zunächst, Vernunft und Leidenschaft paarend, mit dem Titel »Über die Erhaltung der Kraft, eine physikalische Abhandlung zur Belehrung seiner theuren Olga« versah (vgl. Abb. 4.3). Als die Vernunft schließlich wieder vollen Besitz von ihm ergriffen hatte, strich er den Bezug auf sie jedoch. Seine Abhandlung war sicherlich ohnehin viel zu wissenschaftlich, um für Olgas »Belehrung« geeignet zu sein. Immerhin mochte sie dabei helfen, seine Karriere voranzubringen und so vielleicht auch den Tag ihrer Hochzeit rascher herbeizuführen. Olga und er gaben seinen Eltern gegenüber ihre Verlobung bekannt, und er berichtete seinem »süßen Engel«, dass Ferdinand »darüber bis an die Decke vor Freuden« gesprungen sei und ihm »ungemein herzlich« gratuliert habe. (Den Segen seines Vaters zu bekommen, war nie eine Kleinigkeit.) Und er schmachtete ihr nach: »[D]ie rechte Frühlingsfreude habe ich auch nicht ohne Dich, obgleich es in der Natur so schön ist, wie selten sonst, wenigstens nicht solche Freude, wie ich sie im vorigen Frühling oft gehabt habe, wenn ich mit Euch an schönen Abenden herumwandelte.«25 Im selben Frühling verließ er die Husaren und trat am 1. Juni dem Königlichen Regiment der Gardes-du-Corps bei. Seine Versetzung bedeutete eine Beförderung zum Oberarzt und eine bescheidene Gehaltserhöhung (auf 315 Taler). In seiner neuen Kaserne richtete sich Helmholtz erneut ein kleines Labor ein. Sein Vorgesetzter war jetzt Friedrich Wilhelm Branco, zu dessen Aufgaben auch die medizinische
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Abb. 4.3: Das ursprüngliche Titelblatt des Manuskripts »Über die Erhaltung der Kraft, eine physikalische Abhandlung zur Belehrung seiner theuren Olga bearbeitet von Dr. H. Helmholtz«, 1847. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiearchiv, Helmholtz Nachlass 598.
Versorgung der königlichen Familie gehörte. Wie Puhlmann wurde er Helmholtz ein persönlicher Freund. Viel später sollte sein Sohn einer von Helmholtz’ Schwiegersöhnen werden. Helmholtz erinnerte seine »unendlich geliebte Olga«, dass sie nun schon ein ganzes Vierteljahr lang verlobt waren. Zudem schrieb er ihr, dass er im Begriff war, die Rohfassung seiner Abhandlung über die Erhaltung der Kraft fertigzustellen, und dass er sich sehr nach ihr sehnte: »Länger würde ich es auch gar nicht aushalten; so lange ich reichlich zu arbeiten habe, hält mich der Gedanke, daß ich für unsrer beiden Zukunft arbeite aufrecht; in müßigen Stunden faßt mich aber das Gefühl der Einsamkeit und der Sehnsucht nach derjenigen, in der sich für mich alle Liebe, alle Hoffnung und alle Wonne vereinigen, recht hart und schwer.«26 Helmholtz war nun so weit, seine Überlegungen zur Krafterhaltung publik zu machen, denn er teilte du Bois-Reymond mit, dass er am 23. Juli nach Berlin kommen werde, um einen Vortrag über das Thema vor der Physikalischen Gesellschaft zu halten, was er auch tat. Potsdam erschien ihm ohne Olga als »einsamer« Ort. Beschäftigung fand er darin, dass er jeden Morgen schwimmen ging und den Puhlmanns Besuche abstattete, Olga Romane schickte, die er gelesen hatte (von Hen-
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rik Steffens, einem Naturphilosophen, der früher einer seiner Lehrer gewesen war, und von Charles Sealsfield [Karl Anton Postl]), ein Buch von Ida Gräfin von HahnHahn bestellte (Der Rechte, 1839) und Noten erwarb.27
Über die Erhaltung der Kraft Helmholtz’ Interesse an der Krafterhaltung speiste sich aus mehreren Quellen und Zusammenhängen philosophischer, physikalischer, physiologischer, kultureller, technologischer und politisch-ökonomischer Art. Allgemeine Bemühungen teils philosophischer Natur, die Erhaltung der Bewegung (vis viva) zu verstehen und das Konzept einer ewigen Bewegung zu widerlegen, gingen bis auf Gottfried Wilhelm Leibniz und andere in der frühen Neuzeit zurück. In Helmholtz’ Jugendjahren reifte in ihm, wie bereits erwähnt, die Überzeugung von der Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile heran, und als Mitarbeiter der Institutsbibliothek entdeckte er die aufklärerischen Werke etwa eines Daniel Bernoulli und eines d’Alembert, welche die einschlägigen physikalischen Prinzipien und Analysemethoden enthielten. Mit der Zeit entwickelte er ein umfassendes Verständnis der Mechanismen der Krafterhaltung, und irgendwann vor seinem vierten Jahr am Institut formulierte er das Thema als »eine präcise Frage« und folgerte, dass »Lebenskraft« einfach eine weitere Spielart eines Perpetuum mobile sei. Das Thema der Krafterhaltung passte zu seinem Ehrgeiz, die schwierigsten wissenschaftlichen Probleme anzugehen. »Junge Menschen greifen am liebsten gleich von vorn herein die tiefsten Probleme an, so ich die Frage nach dem räthselhaften Wesen der Lebenskraft«, wie er später einräumte. Hier Klarheit zu schaffen, war nicht nur wesentlich für das Programm der organischen Physiker, biologische Phänomene in den Begriffen von Physik und Chemie zu erklären, sondern auch relevant, um, wie er später sagte, die Naturphilosophie allgemein und ihre mystischen Wurzeln zu bekämpfen – obwohl er und seine Mitstreiter zu diesem Zeitpunkt damit bereits längst offene Türen einrannten. Die Krafterhaltung interessierte ihn zudem auch als Teil seiner anhaltenden Bemühungen darum, die Wärme als physiologisches Phänomen zu verstehen.28 Seine Abhandlung über die Physik der Krafterhaltung dehnte das Programm der organischen Physiker über die Physiologie hinaus aus und war eine gute Ergänzung für du Bois-Reymonds eigene bahnbrechende Arbeit über die biophysikalischen Grundlagen der Physiologie, nämlich seine Untersuchungen über thierische Elektricität von 1848. Seine Abhandlung stellte eine Ergänzung auch zu Alexander von Humboldts laufender Publikation seines Kosmos (1845 – 1850) dar, eines damals dreibändigen Werks, das dem Verständnis der Natur als Ganzes dienen sollte. Doch während Humboldt weithin deskriptiv und semipopulär arbeitete, ging Helmholtz erklärend-mathematisch vor und formulierte ein kausales Prinzip, das sämtliche Natur-
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phänomene bestimmte. Allgemeiner ausgedrückt: Helmholtz’ Suche nach einem vereinheitlichenden Prinzip in der Natur gehörte in eine deutsche Tradition, die nicht nur Humboldt, sondern auch Kepler, Leibniz, Kant, Hegel, Goethe, die romantischen Naturphilosophen und die organischen Physiker selbst umfasste. Später zählten auch noch Persönlichkeiten wie Ernst Haeckel, Wilhelm Ostwald, Max Planck und Albert Einstein dazu, die allesamt die Einheit und Vernetzung der gesamten Natur betonten und bestrebt waren, ein einheitliches Weltbild der Phänomene und Gesetze der Natur anbieten zu können. Auch Helmholtz hatte als junger Student solche philosophischen Ambitionen und Interessen gehegt, wie es sein Studium von (vor allem) Kant und Fichte demonstriert, und in seinem Denken wie dem zahlreicher deutscher Intellektueller spielten die Begriffe von Einheit, Kausalität und Weltbild eine wichtige Rolle. Allerdings hat er in seiner Abhandlung von 1847 Kant weder namentlich erwähnt noch sich auf irgendeine seiner Schriften bezogen.29 Helmholtz’ Quellen und Methoden waren auch technologischer und politisch-ökonomischer Art. Seine Interessen waren an dieser Stelle von der französischen Technischen Mechanik (z. B. der von Sadi Carnot und Emile Clapeyron) und dem zentralen Begriff der Arbeit geprägt, der in den 1840er-Jahren zu einem intensiv erforschten Gegenstand geworden war. Zudem rückte das Leben im Potsdam und Berlin der 1830er- und 40er-Jahre, als überall rundum die Eisenbahn aufkam und Dampfmaschinen sogar in Potsdams üppigen öffentlichen Gärten Aufstellung fanden, die Dampfmaschine und die mit ihr verbundenen Konzepte und Technologien (das der Arbeit etwa, oder Indikatordiagramme) zunehmend ins Bewusstsein (nicht nur von Helmholtz).30 Helmholtz’ Interesse an der Krafterhaltung als generellem wissenschaftlichen und philosophischen Thema war Mitte der 1840er-Jahre also alles andere als außergewöhnlich. Tatsächlich hatte zwischen den 1820er-Jahren und 1847 eine ganze Reihe europäischer Wissenschaftler – darunter Carnot, Carl Friedrich Mohr, Marc Séguin, Michael Faraday, Julius Robert Mayer, William Robert Grove, Liebig, James Prescott Joule und Ludvig Colding – auf die eine oder andere Weise behauptet, dass Kräfte weder erzeugt noch zerstört werden können, sondern stattdessen eine Umwandlung oder Wechselwirkung durchlaufen, und vor allem, dass Wärme und Arbeit austauschbar seien. Helmholtz kannte das Werk zumindest einiger seiner Vorläufer und Zeitgenossen aus erster Hand (das von Mayer damals allerdings noch nicht). Seine spätere Behauptung, dass er, abgesehen von Johann Christian Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie, nur wenig Zugang zur einschlägigen Literatur hatte, scheint zweifelhaft.31 Elemente seiner Theorie hatte er mit Sicherheit von vielen Physikern, Chemikern, Ingenieuren und Philosophen vor ihm entlehnt, deren Ideen und Erkenntnisse Mitte der 1840er-Jahre zu Gemeinplätzen geworden waren. Die Neuartigkeit seiner Abhandlung bestand vielmehr in der allgemeinen
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Anwendbarkeit ihres Prinzips der Krafterhaltung überall in der Physik (und, wie er hoffte, am Ende auch darüber hinaus, nämlich in der Physiologie) und in ihrer quantitativen Spezifizität für bestimmte physikalische Probleme. Den unmittelbaren Kontext seiner Schrift bildete zwar die Physiologie, doch Helmholtz’ Analyse der Krafterhaltung war darauf angelegt, seine Kompetenzen als Physiker herauszustellen. Vor allem war es sein seit Jugendjahren immer wieder aufflammender Ehrgeiz, die Unmöglichkeit einer ewigen Bewegung aufzuzeigen (letztlich also die Physik), der Helmholtz antrieb. Seine Schrift richtete sich somit an zweierlei Publikum. Zunächst an die Physiker, eine Berufsgruppe, bei der er keinerlei professionellen Kredit genoss und der er auch nicht angehörte, deren Anerkennung er jedoch anstrebte. Er betrachtete seine Arbeit als eine kritische Analyse, die generalisierte und ordnete, was andere vor ihm vom 18. Jahrhundert bis in seine eigene Zeit hinein geleistet hatten.32 Der zweite Adressat waren seine Kollegen aus der Physiologie, von denen er hoffte, dass sie die Krafterhaltung zur Erklärung physiologischer Phänomene heranziehen und der organischen Physik damit eine stringente Grundlage verschaffen würden. Den Anfang der Schrift machte er mit dem Zugeständnis, dass seine philosophische Einleitung auch unabhängig von der eigentlichen Abhandlung selbst (also der Physik) gelesen werden könne. In dieser Einleitung behauptete er sodann, dass alle von ihm ins Spiel gebrachten physikalischen Theoreme von zwei scheinbar entgegengesetzten, letztendlich aber identischen Standpunkten aus hergeleitet werden konnten: entweder aus der Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile (also der Erzeugung einer unendlichen Menge Arbeit aus einer endlichen Menge Kraft) oder aus der Erklärung aller Wirkungen in der Natur in Begriffen von Anziehungs- und Abstoßungskräften (Punktmassen, die über Zentralkräfte interagieren). Die Aufgabe der Physik sei es, wie er erklärte, die Kausalgesetze zu finden, »durch welche die einzelnen Vorgänge in der Natur auf allgemeine Regeln zurückgeleitet und aus den letzteren wieder bestimmt werden können«. Solche Gesetze erstreckten sich auf alle relevanten Erscheinungen. Er glaubte, dass die Natur im Prinzip vollständig begreifbar war, und zwar mithilfe von Gesetzen, die alle Phänomene auf eine Reihe unveränderlicher, notwendiger und hinreichender Ursachen reduzierten.33 In gut Newton’scher und Kant’scher Manier unterschied Helmholtz Materie und Kraft als die grundlegenden Abstraktionen, mit denen sich die Wissenschaft ein Bild von der äußeren Welt mache. An sich habe Materie keine Wirkung, behauptete er; sie informiere uns nur über die räumliche Verteilung und Quantität von Masse. Daher sei die einzige Veränderung, die Materie erfahren könne, eine räumliche (also Bewegung). Da wir die Natur aber nur durch ihre Wirkungen auf unsere Sinnesorgane erkennen können, erfordere die Abstraktion »Materie« eine zweite Abstraktion, nämlich »Kraft«, denn diese sei es, die sämtliche Wirkungen hervorrufe. Beide Begriffe seien immer und notwendigerweise miteinander verbunden, aber
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eben bloße Abstraktionen »von dem Wirklichen«, weshalb sie, jeweils für sich betrachtet, keine praxisrelevante Bedeutung hätten.34 Die ersten Ursachen zu finden, heiße, wie er hinzufügte, über die Zeit hinweg unveränderliche Kräfte zu finden, und dies wiederum erfordere die Reduktion von Naturerscheinungen auf die Bewegung von Materie gemäß den mechanischen (Kraft-)Gesetzen von Punktmassen. Mechanische Kräfte sind entweder anziehend oder abstoßend. Daher schlussfolgerte Helmholtz, dass »sich also endlich die Aufgabe der physikalischen Naturwissenschaften dahin [bestimmt], die Naturerscheinungen zurückzuführen auf unveränderliche, anziehende und abstossende Kräfte, deren Intensität von der Entfernung abhängt. Die Lösbarkeit dieser Aufgabe ist zugleich die Bedingung der vollständigen Begreiflichkeit der Natur«. Das »Geschäft« der theoretischen Naturwissenschaft sei, wie er meinte, in dem Moment vollendet, in dem solche Kräfte entdeckt würden und gezeigt werde, dass sie einzig seien und doch für sämtliche Erscheinungen verantwortlich. Solche Kräfte würden eine »objective Wahrheit« bilden.35 Etwa zwanzig Jahre später gab er diesen reduktionistischen, kausalen Ansatz zugunsten eines stärker phänomenologisch orientierten auf. Mit der philosophischen Einführung im Rücken stürzte sich Helmholtz auf die wissenschaftlichen Details der Krafterhaltung. Er ging davon aus, dass keine Kombination von Körpern kontinuierlich Kräfte aus dem Nichts erzeugen kann – oder, in der Sprache der Mechanik ausgedrückt, dass die Menge der Arbeit, die erzielt wird, wenn ein System von seinem ursprünglichen in einen zweiten Zustand übergeht, immer der Menge Arbeit entspricht, die verloren geht, wenn es aus dem zweiten wieder in den Ausgangszustand zurückkehrt, egal wie, auf welchem Wege oder mit welcher Geschwindigkeit die Veränderung hervorgerufen wurde. Denn anderenfalls hätte sich die Quantität der Arbeit auf irgendeine Weise erhöht, was faktisch der Erschaffung eines Perpetuum mobile gleichkäme. Die Wahrheit dieser Annahme versuchte er für alle Bereiche der Physik nachzuweisen, ebenso ihre Brauchbarkeit als Experimentierleitfaden auf Gebieten, für welche die Gesetze der Physik bis dato nur zum Teil überprüft worden waren. Anschließend mathematisierte und generalisierte er diesen Punkt und nannte ihn das Gesetz von der Erhaltung der Kraft: »In allen Fällen der Bewegung freier materieller Punkte unter dem Einfluss ihrer anziehenden und abstossenden Kräfte, deren Intensitäten nur von der Entfernung abhängig sind, ist der Verlust an Quantität der Spannkraft stets gleich dem Gewinn an lebendiger Kraft, und der Gewinn der ersteren dem Verlust der letzteren. Es ist also stets die Summe der vorhandenen lebendigen und Spannkräfte constant.« (Zwischen den frühen 1850er-Jahren und 1862 wurde, um es vorwegzunehmen, diese »Spannkraft« als potenzielle und jene »lebendige Kraft« als kinetische Energie bekannt und verstanden, doch 1847 war eine solche Sprache und Begriffsbildung Helmholtz und anderen noch unbekannt. Sie ererbten vielmehr aus dem 18. Jahrhundert den zweideutigen Begriff der »Kraft«, verstanden entweder,
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in Anlehnung an die Newtonianer, als »tote« oder, in Anlehnung an die Leibnizianer, »lebendige Kraft«.) Helmholtz wandte sein Gesetz dann auf eine Vielzahl mechanischer Theoreme an und analysierte das Kraftäquivalent vieler thermischer, elektrischer und magnetischer Prozesse. Gegen Ende der Abhandlung erwähnte er kurz seine Hoffnung darauf, dass das Gesetz schließlich im Rahmen der Analyse des organischen Lebens zur Erklärung der Wärmeentwicklung in Pflanzen und Tieren angewendet werden würde.36 Wie Helmholtz behauptete, hatte er nachgewiesen, dass das Prinzip der Krafterhaltung »durch eine große Anzahl« naturwissenschaftlicher Fakten bestätigt werde und sich mit zahlreichen wohlbekannten Gesetzen der Mechanik, der Elektrizität und des Magnetismus im Einklang befinde. Das Prinzip bestätige diese Gesetze in Bezug auf bekannte Ergebnisse aus Beobachtung und Experiment. »[D]essen vollständige Bestätigung« sah er »wohl als eine der Hauptaufgaben der nächsten Zukunft der Physik« an.37 Für seine (angehenden) Kollegen aus Physik und Physiologie hatte Helmholtz damit ein zukünftiges Forschungsprogramm entworfen. Im Alter von 26 Jahren, nur fünf Jahre nach dem Abschluss seiner medizinischen Ausbildung, hatte er zudem seine Lösung für das unklare, zum Teil philosophische Problem der Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile vorgelegt, und zwar indem er es einer konkreten und rigorosen wissenschaftlichen Analyse unterzog.
Ablehnung und Missachtung Um eine wissenschaftliche Veröffentlichung zu lancieren, ist es hilfreich, wenn man Verbindungen hat. In der Physik waren Helmholtz’ Kontakte allerdings nur gleichsam zweiter Hand. Er wandte sich (über du Bois-Reymond) an Magnus, und zwar mit der Bitte um Hilfe bei der Veröffentlichung seines Manuskripts in Poggendorffs Annalen, der führenden deutschen physikalischen Fachzeitschrift. Magnus war ein enger Freund und Kollege Poggendorffs. Letzterer prüfte das Manuskript umgehend und sandte seine Antwort an Magnus, nicht an Helmholtz. Darin gestand er die Bedeutung des Manuskripts zwar vage ein, monierte aber, es sei für seine Zeitschrift zu lang und, wichtiger noch, beschäftige sich nicht mit experimentellen Befunden – und die seien das, was die Annalen für gewöhnlich veröffentlichten. Das Werk von Theoretikern zu veröffentlichen, denen er im Übrigen absolut nicht seine Achtung und Anerkennung für ihre Nützlichkeit verweigere, wäre, wie Poggendorff behauptete, gleichbedeutend damit, andere Arbeiten experimenteller Art auszuschließen. Daher lehnte er es ab, Helmholtz’ Manuskript zu publizieren, und empfahl ihm, es als eigenständige Monographie zu veröffentlichen. Diesen Schlag versuchte er abzumildern, indem er die Tür zu einer möglichen künftigen Zusammenarbeit offen ließ, falls Helmholtz sich dafür entscheiden sollte, Beweise vorzulegen oder seine anregenden Spekulationen durch Experimente zu prüfen.38
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Poggendorffs Ablehnung gehört wohl zu den ungeheuerlichsten Zurückweisungen eines Manuskripts in der wissenschaftlichen Publikationsgeschichte. Magnus schickte Helmholtz (wieder über du Bois-Reymond) Poggendorffs Ablehnungsschreiben und bedauerte dessen Entscheidung. Seiner Ansicht nach könne der Aufsatz eine sehr nützliche Wirkung entfalten und gebe darüber hinaus ein seltenes Beispiel für das breite Wissensspektrum sowie einen neuen Beweis für den Scharfsinn und das Talent von »Dr. H.«. Auch er empfahl, das Manuskript als Monographie zu veröffentlichen.39 Dies war Helmholtz’ erste professionelle Niederlage. Die Ablehnung verletzte ihn tief und hinterließ bleibende Narben. 1859 berichtete er einem Kollegen, dass seine Theorie damals, also 1847, bei den Physikern sehr unbeliebt gewesen sei. 1868 erzählte er dem schottischen Physiker Peter Guthrie Tait, wie die deutsche Physikergemeinde sowohl seine als auch Mayers Arbeiten über die Krafterhaltung zurückgewiesen hatte. »Es ist jetzt schwer«, fügte er hinzu, »sich in den Gedankenkreis jener Zeit zurückzuversetzen und sich klar zu machen, wie absolut neu damals die Sache erschien.« Über die »Zurückweisung«, die er vonseiten der Experten erlebt hatte, war er verblüfft und merkte an, dass in der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften nur Jacobi Wohlwollen für seine Arbeit gezeigt habe. Noch 1891, drei Jahre vor seinem Tod, erklärte er öffentlich und in drastischen Worten, dass die (ungenannten) »physikalischen Autoritäten« seine Arbeit für »eine phantastische Speculation« in der Tradition von Hegels Naturphilosophie gehalten hatten.40 Doch obgleich ihn die Ablehnung seines Manuskripts für sein Leben zeichnete, hatte sie auch den Effekt, seinen Ehrgeiz zu befeuern, Physiker zu werden und ganz allgemein seinen Namen in gedruckter Form zu sehen. Während er noch auf Poggendorffs Entscheidung wartete, schrieb Helmholtz an Olga, dass er »immer« an sie denke. Er tue nur wenig anderes und wolle auch nur wenig anderes als »an sie denken«. Wieder war er einsam, und es fehlten ihm längere Zeitblöcke, um mit der Arbeit voranzukommen. War Olga bei ihm, dann verschwanden seine kleinen Frustrationen, weil er in ihr seine »höchsten Interessen« vereinigt sah. Mit ihr konnte er sprechen wie mit keinem anderen Menschen: »Es ist doch gut, Du süße Olga, wenn man einen so lieben guten Menschen wie Dich hat, um ihm vertrauensvoll Alles zu beichten, was drückt und was man zu überwinden nicht rechte Lust hat.« Nur ihr gegenüber offenbarte er sich; mit ihr machte er sich keine Sorgen darum, eingebildet oder gar schlicht tölpelhaft zu wirken. Er knapste Zeiten von seinen militärischen Dienstpflichten ab, um zu studieren (vor allem Mathematik), (erfolglose) Experimente zur Wärmebildung in Froschmuskeln und Froschnerven durchzuführen und um zu schreiben. Er spielte Klavierstücke von Otto Tiehsen, nur um zu sehen, ob Olga sich für sie interessieren würde, obgleich er selbst sie nicht mochte, und schrieb ihr von »einer ganz besonderen Harmonie« ihrer Gemüter und von seiner Sehnsucht nach ihr: »[W]ie unendlich, wie innig und
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wie demüthig ich Dich liebe.« Und er berichtete ihr voller Schuldgefühle, dass er einen Nachmittag damit verbracht habe, einen Roman zu lesen, nämlich Samuel Warrens Zehntausend Pfund Renten (Ten Thousand a Year). Zwar mochte er dessen »unverdaute sentimentale Moralität und Religiosität« nicht, las aber dennoch zwei der drei Bände und hatte vor, auch den dritten noch zu lesen.41 Du Bois-Reymond zeigte sich von Poggendorffs Ablehnung verärgert und betrübt und versuchte, die Situation dadurch umzukehren, dass er behauptete, eine Monographie habe gegenüber einem Artikel mehrere Vorteile: Sie werde ein Honorar einbringen und sei beeindruckender; zudem könne Helmholtz die philosophische Einleitung wieder aufleben lassen, die er in der Versenkung hatte verschwinden lassen, »worin sich doch viele herrliche Dinge sagen lassen«, und er werde mit ihr mehr Leser finden. Der allwissende du Bois-Reymond empfahl Georg Ernst Reimer, einen sehr bekannten Berliner Verleger mit liberaler politischer Haltung, der bereits Bücher von ihm, Brücke und anderen Bekannten Helmholtz’ verlegt hatte, ebenso wie Schriften der Akademie und die Fortschritte der Physikalischen Gesellschaft. Am Ende tadelte er Helmholtz und belehrte ihn, dass er diese Zurückweisung durch Poggendorff ganz hätte vermeiden können, wenn er mehr Zeit in Berlin verbracht und sich regelmäßig mit ihm getroffen hätte. Was du Bois-Reymond damit faktisch zum Ausdruck brachte, war: Es reichte nicht aus, gute wissenschaftliche Arbeit zu leisten; man musste sich daneben auch noch vernetzen. Dies war genau die Art von Dingen, bei denen der Politikaster du Bois-Reymond glänzte und die Helmholtz noch lernen musste. Doch weder seine Lebensumstände noch seine Persönlichkeit hätten es ihm erlaubt, in Berlin viel mit Poggendorff zu verkehren. Seine wissenschaftliche Arbeit war zudem etwas, was Helmholtz alleine betrieb und nicht viel mit anderen besprach. Darüber hinaus mag auch seine geographische und gesellschaftliche Distanz zur Berliner Physikergemeinde seine intellektuelle Unabhängigkeit gestärkt und ihn dazu ermutigt haben, große Themen wie die Krafterhaltung anzugehen. Nun aber zeigte er sich aufgeschlossen für du Bois-Reymonds Unterstützung und stimmte zu, dass er seine Abhandlung als Monographie veröffentlichen sollte. Die einzige Änderung, die er vornahm, bestand darin, tatsächlich die Einleitung wieder aufleben zu lassen. Er schätzte du Bois-Reymonds Rat und bezeichnete sich selbst als »einen jungen Anfänger«. Zugleich wies er die von Poggendorff angeführten Gründe für die Ablehnung seiner Abhandlung zurück, indem er darauf hinwies, dass dieser sehr wohl bereits sowohl lange wie auch theoretische Arbeiten publiziert hatte.42 Helmholtz schickte sein Manuskript an Reimer und fragte an, ob er es veröffentlichen würde. Den Zweck der Abhandlung beschrieb er dahingehend, dass sie ein allgemeines, fundamentales Gesetz der Mechanik zur Verfügung stelle, das alle Teilgebiete der Physik betraf. Er behauptete, dass sie bisher sehr gut aufgenommen worden sei und von allgemeinem Interesse sei, ließ Magnus’, du Bois-Rey-
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monds und Brückes Namen fallen und sprach von deren Bereitschaft, die Veröffentlichung seiner Arbeit zu unterstützen. Ihre Parteilichkeit sowie Poggendorffs Ablehnung überging sein Werbevortrag geflissentlich. Helmholtz erklärte zudem, dass Müller die wissenschaftliche Qualität seiner bisherigen Arbeiten bezeugen könne, die er aufgelistet hatte. Reimer bot rasch an, das Manuskript zu veröffentlichen, und Helmholtz erklärte sich ebenso rasch einverstanden. Allem Anschein nach wurde es nicht unabhängig begutachtet; tatsächlich hatte du Bois-Reymond im Namen von Helmholtz interveniert. In wenigen Wochen war es erschienen (am 3. November 1847).43 Anfang September, als die Veröffentlichung des Manuskripts endlich gesichert war, gaben Hermann und Olga öffentlich ihre Verlobung bekannt. Er fühlte nun, so Helmholtz, dass er »in einer ganz neuen Welt von Vorstellungen verkehrte«, die nur noch wenig mit der vorherigen zu tun hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt sei ihm nicht klar gewesen, welchen Unterschied diese Bekanntmachung nicht nur für ihr »Verhältniß gegen andere Leute«, sondern auch für sie selbst machen würde. Wenn sie gemeinsam spazieren gingen, fühlte sie sich wie seine Braut, und er wurde ihr »Schützer«. Helmholtz spürte eine »Wonne«, die er noch nie zuvor »so lebendig« empfunden hatte. Am Tag der Bekanntmachung schloss er die Fahnenkorrektur von Über die Erhaltung der Kraft ab und fing an, seine Forschung über die Erwärmung von Froschmuskeln auszuarbeiten, »um so mit meinen Producten den litterarischen Markt zu überschwemmen«, wie er sich, über sich selbst spottend, aber dennoch höchst aufschlussreich seiner Verlobten gegenüber äußerte. Er verkehrte mit den Puhlmanns und begann, Hahn-Hahns Cecil zu lesen. Alle in Potsdam gratulierten dem jungen Paar zur Verlobung. Die Puhlmanns luden sie ein, das kommende Wochenende bei ihnen zu verbringen, was bedeutete, dass sie zusammen sein konnten. Er las August von Kotzebues bekannte Komödie Die Indianer in England, in der es um ein Hochzeitsvorhaben und seine Verschiebung geht, gab die Lektüre allerdings auf: »[D]iese ewigen bloßen Liebesinteressen, meist ziemlich verdrehter Art, langweilen mich jetzt, wo ich es selber besser weiß, viel mehr als früher.« Er vermisste Olgas Stimme und wartete ungeduldig darauf, wieder mit ihr singen zu können.44 Klang in all seinen Erscheinungsformen war ihm immer wichtig. In den folgenden vier Jahren wurde Helmholtz’ Abhandlung von der Physikerund Physiologengemeinde praktisch ignoriert. Die Veröffentlichung war (anfänglich) ein wissenschaftlicher Blindgänger. Helmholtz fand wenig bis keine Fürsprache, und Clausius war regelrecht feindselig eingestellt. In deutschen Landen waren seine Kollegen aus der organischen Physik, einige Mitglieder der Physikalischen Gesellschaft sowie Jacobi die Einzigen, die seinen Standpunkt akzeptierten oder sein Prinzip der Krafterhaltung als interessant oder sogar wegweisend ansahen. Du Bois-Reymond, dem damals sein erster Erfolg beim Nachweis von Signalen in Nervenströmen (negative Schwankungen) gelang, berichtete Ludwig, dass Helmholtz’
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Abhandlung »gar nicht genug gelobt werden kann«. Ludwig beklagte sich jedoch, dass er die Schrift über seinen Marburger Buchhändler nicht beziehen konnte, und selbst wenn er sie hätte bekommen können, fürchtete er, sie würde ihm zu schwierig sein. Tatsächlich vermochten nur wenige zeitgenössische Physiologen ihrem Gedankengang zu folgen – zu viel Physik und Mathematik –, und vielleicht noch weniger davon betrachteten sie für ihre Arbeit als relevant. Einer der wenigen deutschen Leser von Helmholtz’ war Mayer, der seine Theorie als »[g]anz dieselbe« wie seine eigene einstufte. Wenigstens Helmholtz’ militärische Vorgesetzten waren von seiner Abhandlung beeindruckt – oder zumindest lobten sie, wie du Bois-Reymond berichtete, die praktische Natur seines Werks, weil sie es tatsächlich geschafft hatten, seinen Begriff der physikalischen Kraft mit ihrem von militärischer Stärke zu verwechseln! In Frankreich blieb sein Werk bis in die späten 1860er-Jahre weitgehend unbekannt, und auch in Großbritannien war es zunächst unbekannt oder wurde ignoriert, obwohl in den Jahren 1851/52 eine Gruppe britischer Physiker das Potenzial seines Prinzips zu würdigen begann. Zunächst einmal aber war das, was er im Jahr 1847 bekam, nicht Anerkennung, sondern Heuschnupfen, vielleicht eine Folge von all dem Stress, den Überarbeitung und persönliche Sorgen ihm bereitet hatten. In den folgenden 21 Jahren litt er in jedem Frühjahr daran.45
Assistent, Dozent und Aspirant auf mehr Während Helmholtz an seiner Abhandlung über die Krafterhaltung schrieb, arbeitete er auch experimentell und entwarf einen Artikel, der dem Verständnis der Wärmebildung in den Muskeln dienen sollte. Seine diesbezüglichen Forschungsbemühungen – die sich teilweise du Bois-Reymonds Erforschung der tierischen Elektrizität verdanken – haben sein Verständnis für den und seine Fähigkeiten im Umgang mit empfindlichen thermoelektrischen Apparaten und Verstärkern (zur Erkennung geringer Stromdifferenzen) sowie den damit verbundenen Präzisionsmesstechniken und der Fehleranalyse erheblich verbessert. Er legte großen Wert auf die Qualität seines Instrumentenbestands und auf die Standards für Präzision und Genauigkeit und verhalf damit der experimentellen Physiologie dazu, sich den anspruchsvolleren Standards der Experimentalphysik anzunähern. Erneut verwendete er für seine Experimente Frösche, dieses Mal, um Daten über die Wärmebildung in den Muskeln (und Nerven) zu gewinnen. Und auch wenn sein Artikel sich ausführlich der strikten Methodologie und nur relativ knapp den abschließenden numerischen Resultaten widmete, so zeigte er doch, dass Muskeln, sobald sie Arbeit verrichteten, auch Wärme hervorbrachten, und kam zu dem Schluss, dass bezüglich der Wärmebildung die Unterschiede zwischen Muskeln und Nerven verschwindend gering waren. Schon am 12. November 1847, zwei Wochen nach Erscheinen seiner Abhandlung über die Krafterhaltung, hielt er erneut einen Vortrag vor der
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Physikalischen Gesellschaft, dieses Mal über seine Befunde in Bezug auf die Wärmebildung in Froschmuskeln. Seine Ergebnisse erschienen im folgenden Jahr in gedruckter Form, wiederum in Müllers Archiv.46 Für Helmholtz begann jetzt ein beruflicher Umbruch. Brücke sollte die außerordentliche Professur für Physiologie und Pathologie an der Universität Königsberg angeboten werden, was bedeutete, dass er seine Positionen als Assistent Müllers am Anatomischen Museum und als Dozent an der Akademie der Künste aufgeben würde. Mitte Dezember traf Helmholtz mit Johannes Schulze zusammen, dem Beauftragten für das Bildungswesen (Gymnasien und Universitäten) im preußischen Kultusministerium (offiziell »Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten«), und brachte ihm gegenüber seine Hoffnung zum Ausdruck, Brückes Nachfolger in Berlin zu werden. Du Bois-Reymond teilte Ludwig mit, dass Helmholtz nach Ostern dorthin gehen könnte. Letzterer war hoffnungsvoll: »Der Sinn für Luxus fängt an mächtig in mir emporzuwachsen«, wie er Olga im Spaß mitteilte, »seitdem die Hoffnungen auf eine baldige bessere Wendung meiner Laufbahn größere Anhaltspuncte gewonnen haben«.47 Weihnachten verbrachten Helmholtz und Olga mit deren Familie in Dahlem. Helmholtz’ künftige Schwägerin beschrieb ihn zunächst als »sehr ernst und nach innerlich, etwas ungewandt und beengt unter zum Theil lebhaft aufgeregten und weltkundigen jungen Männern«. Doch bald schon hatte er sich bei den von Veltens und Puhlmanns gut eingelebt und wurde sogar zum Mittelpunkt ihres Haushalts, in dem die Musik stets eine wichtige Rolle spielte. Unter seiner Anleitung lernte Olgas Familie Beethoven und Shakespeare lieben. Sie lasen gemeinsam Bücher laut vor, wobei jeder den Part einer anderen Figur übernahm. (Helmholtz las besonders gut und bevorzugte komödiantische Parts.) Olga sagte er, dass seine Sinnesorgane und seine Seele von ihr abhängig geworden seien, und als sie ihn einmal nicht zu einer Sinfonie begleiten konnte, wie sie es geplant hatten, beklagte er sich über mangelnde Hörfähigkeiten: Es sei, als wäre er bisher nur über ihre Seele zu einem Verständnis der musikalischen Harmonien gekommen – jetzt aber hätten zwar seine Ohren die Töne vernommen, seine Seele aber rein gar nichts gehört. Helmholtz hörte Mozart und fühlte sich einsam; immerhin vermochte ihn Beethovens Coriolan-Ouvertüre, die er für ein unübertroffenes Meisterwerk hielt, aufzuheitern.48 Die von Veltens und Puhlmanns wurden zu seiner neuen, erweiterten Familie. Während er noch darauf wartete, dass die Entscheidung über eine mögliche Anstellung in Berlin fiel, nahmen die Revolutionsereignisse von 1848 ihren Anfang. Die Berliner Revolution begann Mitte März und dauerte bis Anfang Dezember, und Berlin erlebte schwere Straßenkämpfe und Tumulte. Der preußische Thron und der Staatsapparat wurden zwar in ihren Grundfesten erschüttert, aber nicht gestürzt. Der Monarch und seine Truppen zogen nach Potsdam ab, das sich zwar selbst in einer instabilen politischen Lage befand, aber seiner quietistischen und konserva-
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tiven Tradition letztlich treu blieb und zur Heimat der konterrevolutionären Kräfte wurde. Im September war Helmholtz’ Regiment an der Reihe, die Menschenmengen unter Kontrolle zu halten. Einige Revolutionäre versuchten zwar, die Einheit zum Überlaufen zu überreden, doch dem leistete niemand Folge.49 Auch Helmholtz tat es nicht. Anders als viele junge Wissenschaftler in Berlin (du Bois-Reymond, Beetz, Heintz, Wiedemann, Kirchhoff, Halske, Clausius, Knoblauch und Remak) unterzeichnete er eine von der Physikalischen Gesellschaft initiierte Petition, die eine größere Offenheit der Akademie der Wissenschaften gegenüber Nichtmitgliedern forderte, nicht. (Die Akademie wies die Petition ab.) Zudem erlebte er mit, wie sein Vater im März jenes Jahres wegen Insubordination einen Tadel erhielt und seine Stellung zu verlieren drohte. Helmholtz begriff, dass das Unterzeichnen von Petitionen und ähnliche Formen zaghafter politischer Betätigung ihm kaum dabei helfen würden, die angestrebten Stellungen zu erhalten, zumal sein früherer Lehrer und akademischer Förderer Müller ein überzeugter Antirevolutionär war. Etwaige oppositionelle Aktivitäten, die Müller zu Ohren gekommen wären, hätten Helmholtz’ Ansehen bei ihm leicht beschädigen können. Anders als Virchow war Helmholtz jedenfalls kein Revolutionär oder radikaler Demokrat. Ludwig hielt ihn für ein unbeirrbares Mitglied der liberalen Partei – ein Punkt, der eher im intellektuellen denn im politischen Sinne zu verstehen war. Helmholtz blieb dem Hohenzollern-Regime und den preußischen Institutionen jedenfalls über die gesamte revolutionäre Periode hinweg treu. Das Höchste, was er sich an politischen Bemerkungen in jenem Revolutionsjahr leistete, war eine Olga gegenüber gemachte Aussage, er lese Johann Wirths Geschichte der Deutschen (1842 – 1845), »ein höchst interessantes Werk« eines radikalen liberalen Journalisten und Republikaners. Zwar zeigte er sich von der konstitutionellen Grundordnung der alten Germanen beeindruckt, blieb ihr gegenüber aber kritisch, da fast alle von ihnen in Tyrannei gelebt hätten. Seine (wenigen) erhaltenen Briefe an Olga aus jenem Jahr sind voll von amourösen Bezeichnungen für sie. Was ihn umtrieb, war der Klang ihrer Stimme und nicht das politische System Preußens oder dessen Gegner. Abgesehen von seiner Liebe sprach er vor allem über solche Dinge wie nachmittägliche Spaziergänge durch Sanssouci und die Lektüre von Charles Dickens’ Martin Chuzzlewit »bei schönster Sonnenuntergangsbeleuchtung« auf seinem Dach nahe der Havel, nicht aber über Politik. Mit seinen sehr feinen Sinnen stand er oft in Sanssouci an einem Springbrunnen mit Wasser speienden Fröschen und lauschte »dem Geplätscher und Geriesel«. Im Geplätscher des Brunnens vernahm er Melodien, wo seine Freunde keine hören konnten. Er befasste sich mit seinem Myographen und der Behandlung von Patienten (nicht immer erfolgreich – ein Patient starb, und zu seiner Schande hatte er ihn mit einem Geschwisterkind verwechselt).50 Wie es das früheste bekannte Porträt von Helmholtz (aus dem März 1848) zeigt, war er ein eleganter junger Mann, der viel Wert auf seine Kleidung legte – dem Aussehen nach ganz Bürger der Mit-
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Abb. 4.4: Helmholtz im Jahr 1848. Aus dem Nachlass von Emil du Bois-Reymond. Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin.
telklasse, Arzt und Armeeoffizier, kein Revolutionär (vgl. Abb. 4.4). Er hielt sich auf der Seite der konservativen Kräfte. Im Juni jenes Jahres bot Müller ihm die Stelle als sein Assistent im Museum an. Dem Ministerium gegenüber lobte er ihn sehr und unterstützte ihn, wie auch schon in der Vergangenheit, aufs Wärmste. Weil die Stellung schlecht bezahlt war (200 Taler im Jahr), benötigte Helmholtz allerdings noch eine weitere Position, als Dozent für Anatomie an der Akademie der Künste, die mit 400 Talern jährlich zu Buche schlagen würde. Ende Juli wurde eine Probevorlesung an der Akademie angesetzt. Obwohl nämlich das Ministerium keine Zweifel an der wissenschaftlichen Kompetenz von Helmholtz hatte, nachdem sich Müller für seine gründliche Kenntnis der Anatomie sowie seine sonstige Eignung für die Lehrtätigkeit verbürgt hatte, wollte es doch sichergehen, dass Helmholtz Kunststudenten auch tatsächlich unterrichten konnte.51 Die Vorlesung fand am 19. August vor dem Senat und der Fakultät der Akademie in ihrem Gebäude Unter den Linden statt, im Herzen Berlins und inmitten der Revolution. Helmholtz’ Vortrag befasste sich mit der Vorgehensweie, die ein Anatomielehrer bei der Unterrichtung von Kunststudenten wählen sollte. Seiner Meinung nach
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bestand die vielleicht größte Herausforderung dabei darin, die vielen trockenen Fakten der Anatomie in ein »lebendige[s] Bil[d]« zu verwandeln, das den Künstlern nützlich sei. Anders als beim Anatomieunterricht für Medizinstudenten, die auf exakte anatomische Details angewiesen seien, benötigten Kunststudenten »Anschaulichkeit« und einen Sinn für bestimmte Muskelpartien und deren Verhältnis zu anderen Bestandteilen der Anatomie.52 Wie, so fragte er, kann die Anatomie dem Künstler also helfen, und warum ist sie notwendig? Die antiken griechischen Künstler und andere hätten schließlich hervorragende künstlerische Arbeit geleistet, obwohl sie nur begrenzte und in einigen Fällen sogar falsche anatomische Kenntnisse hatten. Als Belege für offensichtlich fehlerhafte Muskeldarstellungen führte er den Germanicus des jüngeren Kleomenes und den schießenden Apollo im Berliner Museum an. Doch der kreative Künstler sei, wie er behauptete, viel eher mit »dem Sinn für das ideal Schöne« als mit isolierten anatomischen Details beschäftigt: Aber der Genius des Künstlers ist eben die geheimnissvolle Kraft in ursprünglicher Anschauung und ohne berechnende Reflexion das zu finden und darzustellen, was die nachgrübelnde Reflexion dann auch als das wahre und vollkommene anerkennen und rechtfertigen muss. Und so gewiss das Gemüth des empfänglichen Beschauers desto höher angeregt wird, je reicher und je wahrer der schaffende Künstler den idealen Inhalt seines Werks aufzufassen und wiederzugeben gewusst hat, ebenso sicher wird es auch jeden Mangel in dieser Hinsicht als eine Beeinträchtigung des Lebens und der Schönheit der Gestalt empfinden, selbst wenn es nicht angeben kann, wo der Fehler liege, und welches seine Ursache sei. Helmholtz glaubte daher, dass selbst die großen Künstler der Antike, trotz ihres Sinns für Schönheit und Wahrheit, von besseren anatomischen Kenntnissen hätten profitieren können.53 Anatomieunterricht für moderne Künstler reduzierte sich für ihn auf die Frage, wie die Kenntnis der inneren Struktur des Körpers ihnen dabei helfen könne, über die mittels Modellstudium erworbene Kenntnis seiner äußeren Oberfläche hinauszugelangen. Dies könne auf drei Weisen geschehen. Erstens trage die anatomische Unterweisung zum Verständnis des Künstlers für die Anordnung der einzelnen Körperteile bei, indem sie ihm, wenn er kein Modell zur Verfügung habe, »einen anatomischen Mechanismus« zur Verfügung stelle. Zweitens lehre sie ihn, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden: Der Künstler solle nicht danach streben, lediglich ein Imitator des realen menschlichen Körpers mit all seinen Mängeln zu sein; vielmehr müsse er dessen »geistigen Inhalt« aufspüren und zum Ausdruck bringen. Und schließlich könne anatomisches Wissen dem Künstler
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dabei helfen, den Körper in Bewegung darzustellen – etwas, das statische Modelle nie zu leisten vermochten –, indem der Künstler etwa erfuhr, wie Muskeln aussahen, wenn der Körper in Bewegung war.54 Dennoch warnte Helmholtz, dass ein Unterricht in Anatomie, wie überhaupt jede Unterweisung in den Künsten, »nie die Anschauung dieser Formen und den künstlerischen Schönheitssinn« ersetzen könne. Er sei vielmehr »ein Mittel, welches dem Künstler die geistige Besiegung der ewig wechselnden Mannigfaltigkeit seines irdischen Objects, der menschlichen Form, erleichtern, welches ihm den Blick für das Wesentliche der Gestalt schärfen, ihm die ganze Gestalt gleichsam durchsichtig machen, und ihn daneben mit den Hülfsmitteln prüfender Kritik für das geschaffene Werk ausrüsten soll. […] der künstlerische Geist zeigt sich erst in der weisen Anwendung der Formen, deren Zusammenhang und einfache Grundzüge die Anatomie gelehrt hat, in der unterscheidenden Characteristik der Gestalt.« Sogar große Künstler wie Michelangelo, die die Anatomie auf pompöse Weise einsetzten, schufen seiner Meinung nach am Ende »unangenehm[e] und wahrheitswidrig[e]« Figuren; umgekehrt brächten diejenigen, die die anatomischen Wahrheiten vernachlässigten, »leblose oder verzerrte Gestalten« hervor.55 Die Quintessenz einer Anatomievorlesung für Kunststudenten bestehe, so schloss Helmholtz, darin, einen Sinn für die »lebendige unverletzte Form« zu vermitteln; der Student könne dieses Ideal dann später mit dem lebenden Modell ebenso wie mit künstlerischen Arbeiten abgleichen. Da Anatomie für Kunststudenten nur jene Körperpartien betreffe, die die äußere Form beeinflussten, müsse sie Lektionen über Knochen und von außen sichtbare Knorpel, Gelenke und Bänder (um zu einem Verständnis für die Darstellung von Bewegung zu gelangen) sowie Muskeltheorie umfassen.56 Die Prüfer gewannen den Eindruck, dass der Kandidat über eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung in Anatomie verfüge. Seine Lehrfähigkeit fanden sie zufriedenstellend und gingen davon aus, dass sie mit zunehmender Erfahrung reifen würde; ganz offensichtlich hielten sie ihn für einen nur mäßig begabten Dozenten. (Helmholtz gestand später, dass seine Hände vor seiner ersten Vorlesung als »junger Militärarzt« gezittert hatten.) Er bekam die Stelle.57 Um seine Berufungsverfahren abzuschließen, musste Preußen ihn von seinen medizinischen Pflichten bei der Armee entbinden. Dies war keine Routineangelegenheit, und es brauchte niemand Geringeren als Humboldt, den Doyen der preußischen Wissenschaft, um dies zu bewerkstelligen. Humboldt war tatsächlich eine Art wissenschaftlicher Headhunter. Als Forscher mit breitem Erfahrungsschatz und internationalem Ansehen, als wissenschaftlicher Chefberater des Königs, Mitglied des preußischen Staatsrats und Berater des Kultusministers war er die politisch einflussreichste Figur im preußischen Wissenschaftsapparat und tat besonders in Berlin, aber auch allgemein in Preußen viel für die Förderung der Wissenschaft.
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Zudem zählte er zu den Protagonisten des deutschen Liberalismus, speziell in Kultur- und Bildungsfragen. Und wie die meisten Wissenschaftler seiner Zeit glaubte Humboldt sowohl an den Wert wissenschaftlicher Forschung um ihrer selbst willen als auch an ihren Nutzen für gesellschaftliche Zwecke.58 Du Bois-Reymond machte Helmholtz mit Humboldt bekannt, der schon lange ein Bewunderer Müllers war und auch mit anderen Lehrern von Helmholtz freundschaftlichen Umgang pflegte. Humboldts Bibliothek enthielt Helmholtz’ Dissertation und auch seine Artikel über Gärung und Fäulnis, den Muskelstoffwechsel, die Wärmeentwicklung in den Muskeln sowie seine Abhandlung über die Krafterhaltung (obgleich er Helmholtz’ Gesetz der Krafterhaltung, das er anscheinend nicht verstand, skeptisch gegenüberstand). Wie viele andere junge Wissenschaftler auch besuchte Helmholtz ihn gelegentlich zu Hause, um ihn um Rat und Hilfe zu bitten. So war es zum Teil Humboldts Intervention zu verdanken, wenn die Armee Helmholtz drei Jahre vor der Zeit (nämlich am 30. September 1848) von seinen Verpflichtungen entband und das Kultusministerium seine neuen Stellungen genehmigte.59 Beide zusammengenommen verschafften ihm ein jährliches Gesamteinkommen von 600 Talern. Rechnet man seine vier Jahre Medizinstudium, sein Jahr als Unterarzt und seine fünf Jahre als Armeearzt und -chirurg zusammen, so hatte Helmholtz ein Jahrzehnt beim preußischen Militär verbracht, das ihn mit weit mehr als einer handfesten medizinischen Ausbildung versehen hatte: Die Armee verstärkte in ihm die Werte von Ordnung und Disziplin und sein ohnehin schon hohes Pflichtbewusstsein. Helmholtz war Soldat und Patriot, und als er Zivilist wurde, trug er sein staatsbürgerliches Verantwortungsgefühl in die Welt der Wissenschaft hinein. Seine militärische Karriere steigerte sein gesellschaftliches Ansehen, da er als preußischer (wenn auch »nur« medizinischer) Armeeoffizier der im Europa des 19. Jahrhunderts führenden Militäreinrichtung angehörte, die innerhalb wie außerhalb Preußens hohes Ansehen genoss. Sein langer Militärdienst erhöhte zugleich sein Ansehen bei seinem eigenen Staat, da er seinen Einsatz für Preußen belegte. Nur wenige deutsche Wissenschaftler hatten, wenn überhaupt, so viel vorzuweisen wie er. Und dennoch war er schnell entschlossen, seine Bindung ans Militär zu kappen, wenn es sich, wie jetzt, als vorteilhaft erwies. Das akademische Jahr 1848/49 verbrachte Helmholtz in Berlin, wo er an der Akademie lehrte, Müller im Museum assistierte und seine Beziehungen zu den Berliner Wissenschaftlern ausbaute. Du Bois-Reymond, Kirchhoff und Siemens wurden seine engsten Freunde, während Müller, Humboldt und Magnus weiterhin als erfahrene Kollegen hinter ihm standen. Clausius und Wiedemann sah er »fast täglich«, da sie im selben Restaurant speisten wie er. Du Bois-Reymond berichtete einem alten Freund, dass Helmholtz den Platz Brückes als sein engster Freund in Berlin eingenommen habe: »[I]n wissenschaftlichem Bezug […] [ist] seine Bega-
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bung wahrhaft grenzenlos und seine Kenntnisse haben schwerlich ihres Gleichen, allein er ist nicht wie Brücke, der tief und reich durchlebte Mensch, oder vielleicht auch nur, ich bin nicht mit ihm, wie mit Dir und Brücke, jung gewesen.« Im Mai 1849 traf sich Helmholtz mit Müller, Humboldt und du Bois-Reymond in der Wohnung des Letzteren, um dort ein bahnbrechendes Experiment zu beobachten: Der Gastgeber demonstrierte anhand des Ausschlags einer Galvanometernadel, dass im lebendigen Menschen tetanischer Strom vorhanden war. Helmholtz besuchte du Bois-Reymond oft zu Hause und wurde zu einem ständigen und wichtigen Mitglied der Berliner Wissenschaftsgemeinde, die Benjamin Silliman, ein Chemiker aus Yale, der Humboldt 1851 besuchte, für die »wahrscheinlich beste in Europa« hielt; ihre Vertreter repräsentierten in seinen Augen »das höchste Ergebnis des veredelnden Einflusses der modernen Zivilisation«.60 Helmholtz trug dazu bei, diese Gemeinschaft zu stärken.
Berufung nach Königsberg und Heirat Seine neuen beruflichen Positionen waren jedoch nur temporär; sie konnten seinen Ehrgeiz und seinen Wunsch nach einem höheren Einkommen zwecks Heirat kaum befriedigen. Letztlich hoffte er auf eine dauerhafte akademische Anstellung. Dies war nicht abwegig, galt er doch für den deutschen Raum als einer der besten jüngeren Physiologen. Ludwig erwähnte Hänle gegenüber, dass die deutsche Physiologie mit jungen Kräften wie du Bois-Reymond, Helmholtz, Brücke, Karl von Vierordt, Ludwig Traube und Eduard Weber, ganz zu schweigen von Liebig und seiner Schule, großes Talent und Potenzial bezeuge. Mit acht unter seinem Namen veröffentlichten Publikationen und seiner wachsenden Reputation war Helmholtz zu einem bedeutenden Mann in der akademischen Physiologie geworden. Ein neuerlicher beruflicher Umbruch bahnte sich dann auch im Dezember 1848 an, als Brücke in Königsberg einen Ruf an die Universität Wien erhielt und du Bois-Reymond, Ludwig und Helmholtz (in dieser Reihenfolge) als seine möglichen Nachfolger in Erwägung zog. Für Helmholtz würde diese Position, wie Brücke annahm, eine wesentliche Verbesserung bedeuten und es ihm ermöglichen, zu heiraten. Gegenüber du Bois-Reymond äußerte er allerdings, dass er im Falle seines Fortgangs nur ihn empfehlen würde, wenn er die Königsberger Stelle denn haben wolle, und wenn nicht, dann nur Ludwig und Helmholtz. In jedem Fall sollte die Stelle einer aus ihrem Dunstkreis bekommen, also ein organischer Physiker. Offiziell vakant wurde sie im späten Frühjahr, und du Bois-Reymond versuchte, sie Ludwig zuzuspielen – da er selbst es vorzog, in Berlin zu bleiben –, doch dann »ruinierte« Müller seiner Ansicht nach alles: Er sagte nicht nur Lobendes über Ludwig, sondern empfahl zugleich auch Helmholtz und (wie er glaubte) Remak. Letzteren hielt du Bois-Reymond zwar nicht für einen echten Konkurrenten, Helmholtz dagegen schon.61
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Die Königsberger medizinische Fakultät empfahl hingegen du Bois-Reymond, Helmholtz und Ludwig, und zwar in dieser Reihenfolge. Du Bois-Reymond hielt Helmholtz eigentlich für am besten geeignet, glaubte aber, dass dieser wenig geneigt sei, die Position anzunehmen. Daher schlug er Ludwig vor, nicht ohne dem Ministerium zu versichern, dieser sei kein Radikaler, sondern vielmehr ein konservativer Liberaler. In Wirklichkeit war Ludwig 1848 unverhohlener Demokrat gewesen.62 Müller, der von Helmholtz immer schon sehr beeindruckt gewesen war und ihn sehr gefördert hatte, schrieb dem Minister in der Angelegenheit der besten Kandidaten für die Physiologie, besonders die Experimentalphysiologie, dass die Disziplin enger als zuvor mit der Physik und der Chemie zusammengerückt sei; in der Poleposition sah er daher diejenigen, die beides verstanden: die physikalischen Methoden und die Physiologie. Brücke, du Bois-Reymond, Helmholtz und Ludwig hielt er für »die hoffnungsvollsten jüngern Talente […] in Deutschland«. Da Brücke ja aber von Königsberg nach Wien ging, blieben die anderen drei als potenzielle Kandidaten übrig. Du Bois-Reymonds Arbeit in der Elektrophysiologie mache ihn zwar zum bestqualifizierten Kandidaten, so Müller, jedoch stecke er mitten im Abschluss dieser Arbeit und sei daher noch nicht bereit, Berlin zu verlassen. Helmholtz bezeichnete er dagegen als »eines der bedeutendsten physiologischen Talente« und hegte keinen Zweifel an seiner Lehrqualifikation. Ludwig brachte er eine ebenso hohe Wertschätzung entgegen wie den anderen und erwähnte auch Remak, sagte aber, dass dessen Ansatz nicht der eines physikalischen Physiologen, sondern eher der eines Mikroskopikers und Pathologen sei, und merkte außerdem an, dass Martin Heinrich Rathke in Königsberg eine solche Arbeit bereits geleistet habe. Unterm Strich stellte Müllers Brief den Minister vor die Wahl zwischen Helmholtz und Ludwig.63 Helmholtz’ eindrucksvolle Forschungsergebnisse und seine Publikationsliste gaben den Ausschlg dafür, dass tatsächlich er berufen wurde. Über Müller und dessen Kreis hinaus war er jedoch kaum bekannt; keine seiner Arbeiten bis 1848 hatte einen nennenswerten Einfluss auf die Physiologie oder überhaupt irgendeinen Einfluss auf die Physik gehabt. Die Fürsprache Müllers muss daher aus Sicht des Ministeriums von entscheidender Bedeutung gewesen sein. Helmholtz’ Militärdienst und seine Nichtteilnahme an der Revolution von 1848 sprachen zweifellos ebenfalls für ihn; im Gegensatz zu Ludwig war er kein politischer Unruhestifter und im Gegensatz zu Remak, der Jude war, gab es keine religiösen Hürden zu nehmen. Ludwig beklagte sich bei Henle bitterlich darüber, dass Helmholtz und Remak ihm vom Ministerium wegen seiner verdächtig demokratischen Ansichten vorgezogen worden seien und dass Müller Helmholtz und Remak bevorzugt habe, weil sie, im Gegensatz zu ihm, Preußen waren. Anfang Juni wurde Helmholtz mit einem Gehalt von rund 800 Talern auf den Posten berufen. Diese Entscheidung machte deutlich, dass die preußischen Bildungsbehörden zu einem Zeitpunkt, als die politische Re-
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aktion eingesetzt hatte, Vertrauen in ihn hatten. Das Ministerium wollte, dass er sofort nach Königsberg reisen und noch im selben Sommersemester mit den Vorlesungen beginnen solle. Doch die Formalitäten machten dies unmöglich. Zum ersten Mal besuchte er Königsberg daher erst im Hochsommer, und es gefiel ihm gut.64 Nach einer fast zweieinhalbjährigen Verlobungszeit konnten es sich Hermann und Olga nun leisten, zu heiraten. Helmholtz lud du Bois-Reymond zur Hochzeit mit den Worten ein: »Ich kann Dich im Guten nicht von der Teilnahme an dieser Feierlichkeit dispensieren, weil ich es zu ungern sehen würde, wenn mein bester Freund an dem freudenreichsten Tage meines Lebens, dem Zielpunkte jahrelanger Bemühungen, keinen Teil haben wollte. Also überwinde Deine Scheu gegen alle Leute, welche nicht Physiologen sind, und komm.« Er bat ihn zudem, ein Buch in der Bibliothek abzuholen und bei Halske einige Magnetstangen zu bestellen. Sein bester Freund war immer auch sein nützliches Faktotum in Berlin. Hermann und Olga heirateten am Sonntag, den 26. August 1849. Er war 28 und sie 23 Jahre alt. Die Zeremonie fand in der malerischen Dorfkirche Sankt Annen auf dem Dahlemer Landgut von Betty und Emil Puhlmann statt, »unter den alten Bäumen«, bei Sonnenschein und mit Blumenschmuck, im Kreise der Familien und Freunde des Brautpaares, »alle erfüllt von der Sicherheit dieses Glückes«. Doch selbst hier waren Wissenschaft und Technik nicht völlig fern, denn die Kirche diente auch als eine von 61 Stationen – sie war die Nummer 4, bekannt als »Telegraphenberg« – des preußischen optischen (später elektromagnetischen) Telegraphen zwischen Berlin und Koblenz. Unmittelbar nach der Hochzeit reiste das Brautpaar nach Königsberg.65 Jetzt gehörte er ganz seiner Olga und der Wissenschaft.
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Königsberg, die größte Stadt in Preußens wildem Osten und Hauptstadt der Provinz Preußen, war ein Ort, an dem sich Regierungsvertreter, Militärs und Geschäftsleute tummelten. Früher einmal die Heimat der Deutschordensritter blickte Königsberg auf eine lange Tradition als regionales Machtzentrum zurück. Hier wurden mehrere Monarchen aus dem Hause Hohenzollern gekrönt. Dank seiner Lage an der Pregelmündung im Samland, über das Frische Haff mit der Ostsee verbunden, diente Königsberg als Umschlaghafen, der sich seiner Handelskontakte zum preußischen, russischen und litauischen Hinterland wie zu weiter entfernten Regionen rühmen konnte. Das Umland wurde von den Junkern regiert, die auf weitläufigen Landsitzen lebten. Wirtschaftlich setzte Ostpreußen vor allem auf die Getreideproduktion. Als in den 1830er- und 1840er-Jahren ein Eisenbahnnetz die deutschen Staaten zu verbinden begann, rückte auch das ferne Königsberg näher an die deutschen und slawischen Nachbarn heran, sein Zugang zum Meer blieb jedoch essenziell. Helmholtz glaubte, das Meer sei für die Ostpreußen, was anderen die Alpen seien. In den sechs Jahren, die er in dieser Stadt verbrachte, sinnierte er viele Stunden über die »steilen, waldreichen Küsten des Samlandes«. Oftmals verlor er sich im Anblick der Meereswellen und ihres Wechselspiels. Diese Vielfalt, so befand er, »fesselt und erhebt den Geist, da das Auge Ordnung und Gesetz leicht in ihr erkennt«.1 Helmholtz verbrachte gerne Zeit an Gewässern, sie entspannten und inspirierten ihn. Die Kraft, die Schönheit und der Frieden, die von der Königsberger Küste und dem Meer ausgingen, waren ein Ausgleich dafür, die Potsdamer Gärten, Wälder und Seen verloren zu haben. Königsberg war auch die Heimat von Kant, der dort sein gesamtes Leben verbracht hatte, und in der Kulturszene war sein Name untrennbar mit der Stadt verbunden. Kants Philosophie machte Königsberg zu einem Zentrum der Aufklärung. Seine idealistischen Theorien zur reinen und praktischen Vernunft sowie zur Urteilskraft machten Königsberg ebenso wie seine Analysen der Natur von Wissenschaft, Moral und Religion, des Menschen und des Friedens zu einer intellektuellen und liberalen Hochburg. Dennoch waren es noch immer hauptsächlich Studenten aus dem Umland, die es an die Königsberger Universität zog. Helmholtz und andere sahen die Stadt als »abgelegene[n]« Ort, der Kant teilweise »beschränkt« hatte.2 Gewiss, die Universität und ihr Lehrkörper waren weitaus weniger wichtig für Königsberg als ihre Pendants in kleinen deutschen Universitätsstädten wie Göttingen, sie konnten nicht mit den Politikern und Geschäftsmännern mithalten. Auch
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die Kunst gedieh nicht in gleichem Maße wie in manch anderer, zentral oder im Westen gelegenen deutschen Metropole. In der Mitte des Jahrhunderts war Königsberg noch immer ein entfernter, isolierter und (vielen) unbekannter Ort – kalt, klamm, lutherisch. Dennoch war wohl die Universität – liebevoll Albertina genannt – das Zentrum des städtischen kulturellen Lebens. Sie gehörte zu den ältesten ihrer Art in Deutschland, war stark evangelisch geprägt und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den vorgeblich barbarischen Osten zu zivilisieren. Sie galt als liberal und reformorientiert; was die Studentenzahlen anging, lag sie in Deutschland im Mittelfeld. Als Helmholtz für sein erstes Semester (1849/50) dorthin kam, waren ungefähr 300 Studenten eingeschrieben, bei seinem Fortgang nach dem Sommersemester 1855 waren es circa 350. Da ein Großteil von ihnen jedoch arm war, brachten sie wenig Seminargebühren ein, die dem Einkommen eines Fakultätsangestellten hätten zugutekommen können. Die Albertina verfügte nur über begrenzte Möglichkeiten und veraltetes Inventar.3 (Siehe Abb. 5.1.)
Abb. 5.1: Die Albertus-Universität zu Königsberg: Eine Denkschrift zur Jubelfeier ihrer 300-jährigen Dauer in den Tagen vom 27sten bis 31sten August 1844 (Königsberg: H. L. Voigt, 1844), Frontispiz. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen.
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Dennoch war Königsberg etwa seit 1830 bis in die Mitte der 1850er-Jahre eine der besten deutschen Universitäten für Mathematik und die Naturwissenschaften. Diesen Ruf hatte die Albertina vor allem der innovativen Lehr- und Forschungstätigkeit der Mathematiker Carl Gustav Jacob Jacobi und Friedrich Julius Richelot, des Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel, der Physiker Franz Ernst Neumann und Ludwig Moser sowie der Anatomen und Physiologen Karl Friedrich Burdach und Karl Ernst Baer zu verdanken. Zu Helmholtz’ Zeiten waren nur noch Richelot, Neumann und Moser dort oder am Leben. Neumann, mit seinem innovativen mathematisch-phsyikalischen Seminar, und Bessel, mit seiner konsequenten Fehleranalyse, taten sich mit ihrer Forderung nach präziser, gründlicher und empirischer Forschung hervor und waren dahingehend richtungsweisend.4 Das kulturelle Leben der Stadt war geprägt von diversen wissenschaftlichen, literarischen und kulturellen Vereinigungen. Mit dreien davon hatte Helmholtz näher zu tun. Bei der ersten, der Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft, handelte es sich um eine von Bürger- und Akademikerkreisen getragene Vereinigung aus dem Jahr 1789, eine von Hunderten patriotisch und wirtschaftlich orientierten Gesellschaften, die während der Aufklärung in Mitteleuropa entstanden. Ursprünglich sollte damit die Landwirtschaft gefördert werden, weshalb sich die Gesellschaft für die lokalen (und konservativen) Interessen der ländlichen Elite stark machte. Zu Helmholtz’ Zeiten hatte sich die Vereinigung jedoch zu einer vor allem wissenschaftlich orientierten Gesellschaft gewandelt, deren Ziel es war, Wissenschaft populärer zu machen. Kurz nach seinem Umzug nach Königsberg trat er ein und wurde auch sogleich aktives Mitglied, indem er auf Anfrage einen Vortrag über Brückes Dissertation zu den physikalisch-chemischen Grundlagen von Diffusionsvorgängen hielt. 1852 wurde Helmholtz zum Direktor der Gesellschaft gewählt und war 1853 – 1854 ihr Präsident. Die zweite Vereinigung, in der er Mitglied war, nannte sich Deutsche Gesellschaft zu Königsberg und beschäftigte sich mit Literatur. Auch sie entstand während der Aufklärung (1741), war jedoch stark patriotisch-monarchistisch ausgerichtet und trat für die Wertschätzung der deutschen Geschichte, Sprache, Literatur und Kunst ein – vor allem, wenn sie mit Deutschland und Preußen zu tun hatten. Die Deutsche Gesellschaft war vor allem ein Ort für tiefgründige Diskussionen. Helmholtz war noch Mitglied bei einer dritten Vereinigung, dem Verein für wissenschaftliche Heilkunde, der Ende Oktober 1851 von ein paar Königsberger Ärzten ins Leben gerufen wurde. Auch hierbei taten sich Bürger und Universitätsangehörige zusammen mit dem Ziel, die Medizin als Wissenschaft und Kunst zu fördern und praktizierende Königsberger Mediziner zusammenzubringen. Das Ganze ging von Helmholtz aus, er war Gründungsmitglied und wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt (und blieb es, bis er die Stadt verließ).5 Diese drei Vereine trugen zu Königsbergs liberaler Atmosphäre und Ruf bei und ermöglichten es Helmholtz, Beziehungen mit der nichtakademischen kulturellen und geschäftlichen Elite der
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Stadt aufzubauen. So halfen sie ihm, seine persönliche Karriere zu befördern, nicht ohne dabei das Gemeinwohl aus den Augen zu verlieren. Helmholtz’ Engagement lässt an die Mitgliedschaft seines Vaters in ähnlichen Vereinen in Potsdam denken. Im August 1849 zogen Hermann und Olga in ihre erste Wohnung in Königsberg, später würden zwei weitere Umzüge innerhalb der Stadt folgen. Kurz nach ihrem Einzug kam auch Olgas Mutter nach Königsberg, um näher bei ihnen zu sein. Das Ehepaar füllte sein Zuhause mit Musik. Hermann war sehr gerne verheiratet und gab du Bois-Reymond unaufgefordert folgenden Ratschlag: Nachdem wir übrigens nun mit dem Einrichten unserer Häuslichkeit fertig geworden sind, ist dieselbe sehr nett und behaglich geworden, und wir können unbeschränkt und ungestört die glücklichste Zeit des Lebens durchgenießen. Ich kann dir mit bestem Gewissen empfehlen, Dir bei erster Gelegenheit eine ebenso liebenswürdige Frau anzuschaffen, wie ich sie mir erworben habe. Denn abgesehen von der für einen Junggesellen gar nicht zu beschaffenden Bequemlichkeit der Existenz und der Beseitigung einer Menge von Dingen, um die man sich sonst notwendig bekümmern muß, gibt es dem Geiste eine so vollständige Befriedigung in der Gegenwart, eine so ruhige Sicherheit des Besitzes, daß auch meine Arbeitsfähigkeit beträchtlich wieder zugenommen hat. Am 22. Juni 1850 wurde ihr erstes Kind geboren, Katharina Caroline Julie Betty Helmholtz, genannt Käthe. Helmholtz war nun Vater von einem »wohlgebildeten und gesunden Mägdlein«; Tochter und Mutter waren erst wohlauf, doch kurz nach Käthes Geburt bekam Olga schlimmen Husten.6 Der Husten, der sowohl von Königsbergs rauem Klima als auch den Strapazen der Geburt herrühren mochte, wurde chronisch und sollte ihr, Käthe und Helmholtz zum Verhängnis werden. Das Paar lernte schnell neue Freunde kennen, darunter der Anatom Martin Heinrich Rathke und der Physiologe Wilhelm Heinrich von Wittich. Im Jahre 1826 waren in Königsberg aus ihren Fachgebieten eigenständige Disziplinen geworden. Der Entwicklungsbiologe Rathke war ein ehemaliger Student von Müller und von Baers Nachfolger. Wittich, ein Histologe, arbeitete mit Helmholtz und wurde 1850 Privatdozent, 1854 löste er Helmholtz als außerordentlichen Professor der Physiologie ab. Von keinem der beiden war Helmholtz anfangs sonderlich beeindruckt. Sein Urteil zu Wittich überdachte er jedoch später und äußerte, er sei ein »talentvoller und geschickter Mikroskopierer«. Mehr als jeder andere in Königsberg hatte Wittich es Helmholtz vor allem angetan, weil er »besonders nützlich« war: Er unterrichtete freiwillig Histologie – worauf Helmholtz keine Lust hatte.7 Anfänglich vermutete Helmholtz, er würde engere kollegiale Beziehungen zu den »Mathematikern« (sprich exakten Naturwissenschaftlern) pflegen als zum
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medizinischen Lehrkörper. Er lernte zwar den Astronomen August Ludwig Busch flüchtig kennen, kam aber nie wirklich an Neumann, den »wichtigsten« Mann vor Ort, heran. Neumann, so Helmholtz, sei »etwas schwierig zu nahen«. Obwohl Helmholtz dessen Aufzeichnungen zum Elektromagnetismus sorgfältig las und Neumann ihn teils bei seiner Forschung unterstützte, ignorierte der »schwierige« Physiker Helmholtz’ Arbeit, öffnete sein Seminar nicht für die neuere Wissenschaftlergeneration und bezog Helmholtz’ Arbeit auch nicht ein.8 Ganz anders war das Verhältnis der Hemholtzens mit Wilhelm Friedrich Schiefferdecker und Richelot (und ihren Frauen). Schiefferdecker, ein Mediziner und Hygieniker, war Mitbegründer des Vereins für wissenschaftliche Heilkunde und nahm auch in der Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft eine wichtige Funktion ein. Friedrich Julius Richelot, einen »hiesigen tapferen Mathematiker, der aber etwas konfus in bezug auf nichtmathematische Logik ist und der hierselbst die Mechanik vorträgt, habe ich nach schwerem Kampf endlich zur Erhaltung der Kraft bekehrt […] so daß dieselbe an hiesiger Universität wohl offiziell werden wird«, schreibt Helmholtz. Das war jedoch ein einsamer Kampf: Helmholtz beklagte, dass sein Aufsatz noch nicht in Fortschritte der Physik besprochen war, und hoffte, er könne seine Kollegen von der Krafterhaltung gleich ebenso überzeugen wie Richelot (letztendlich rezensierte er selbst seinen Text in Fortschritte, vor 1851 fühlte sich niemand sonst dazu berufen).9 Noch ein paar weitere neue Freunde Helmholtz’ gilt es zu erwähnen: den Chemieprofessor August Werther, mit dem er täglich zur Universität lief, den Kulturhistoriker Ludwig Friedländer und die Familie von Friedrich Carl Ulrich, einem Königsberger Richter und Verwandten. Zusammen mit Wittich waren dies seine (und auch Olgas) engste Freunde in Königsberg. Während seines ersten Frühlings dort schrieb Helmholtz über die Stadt: »[Ü]brigens ein prächtiger Ort zu Arbeiten, weil er eben nicht viele Verlockungen zu etwas anderem darbietet und doch das geistige Interesse hinreichend rege erhält.« Weitere Freunde oder Bekannte waren etwa der russische Generalkonsul Moritz von Adelson und Eduard von Simson, ein Rechtsprofessor und Liberaler, der 1849 für Königsberg in den preußischen Landtag einzog. Dann war da noch Theodor von Schön, früher ein führender Reformer und preußischer Liberaler, der sich in seinem Anwesen bei Königsberg zur Ruhe gesetzt hatte. Schön war in der Stadt und Provinz noch immer ein durchaus bekannter und einflussreicher Mann. Er hatte unter Kant studiert, war einer seiner Schüler gewesen und war mit Johann Gottlieb Fichte befreundet. Der anglophile Schön war ein Verfechter der Smith’schen Ökonomie und der Industrialisierung Ostpreußens, ehemaliger liberaler Staatsminister, Oberpräsident der Provinz Preußen und Berater von Friedrich Wilhelm IV. Er setzte sich allgemein stark für die Universität ein und war gut mit vielen ihrer Wissenschaftler befreundet. Außerdem war er der Schirmherr der Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft und Präsident des Vereins
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für Wissenschaft und Kunst. Zu Schöns Kreis zu gehören, bedeutete, Teil einer liberalen, progressiven Welt zu sein, in der die Werte und Methoden der Aufklärung gelebt wurden. Helmholtz besuchte ihn auf seinem Landsitz.10 Er stellte fest, wie wichtig Politik in Königsberg war. »Gegenwärtig ist [Johann] Jacoby der Vergötterte der Demokraten«, ließ er seinen Vater wissen, »während die Andern den bodenlosesten Abscheu gegen ihn kund thun.« Jacoby war ein Königsberger Mediziner und radikaler Demokrat, der zeitweise im Berliner Parlament saß. 1849 wurde er (zum zweiten Mal) des Hochverrats angeklagt, aber später freigesprochen. Solch eine Person konnte Helmholtz unmöglich gutheißen. »Die Demokraten berichten von ihm in den pompösesten Ausdrücken«, spöttelte er, »wie er geniest und wer zuerst prosit gesagt, als ob sich der Kaiser Napoleon in Krähwinkel aufhielte.«11 Helmholtz selbst vermied alles offen Politische. Als homo academicus klagte er des Öfteren über seine Situation, beispielsweise bei Carl Ludwig über seine Kollegen an der medizinischen Fakultät. Ludwig, dem es 1849 gelungen war, das Handicap hinter sich zu lassen, das seine liberale politische Einstellung in Preußen bildete, indem er als Professor für Anatomie und Physiologie an die Universität Zürich ging, versicherte Helmholtz, dass es derlei Schwierigkeiten an allen medizinischen Fakultäten gab. Helmholtz’ Position fand er insofern beneidenswert, als sie es ihm erlaube, in die höheren Kreise der Physiker und Mathematiker aufzusteigen. Ludwig versäumte auch nicht, Helmholtz, den er für einen unerschütterlichen Liberalen hielt, seine liberalen politischen Ansichten mitzuteilen. Er war bekümmert über den aus seiner Sicht verabscheuungswürdigen Egoismus und Nationalismus Preußens. In der Schweiz sei Preußens Ruf so schlecht wie zuletzt 1806 bei seiner deutlichen Niederlage gegen die französischen Truppen. Ludwig sagte voraus, dass Preußen irgendwann dafür werde bezahlen müssen, wenn es nur mit Gewalt auf jegliche Forderungen nach politischer Veränderung reagiere. Er prangerte zudem das politisch reaktionäre Regime an, das Preußen seit 1849 im Griff habe – immer in dem Glauben, bei Helmholtz seien derlei Ansichten gut aufgehoben. Er hoffte, dieser werde ihn bald einmal besuchen, und lud ihn herzlich dazu ein: Es wäre ihm eine Ehre, einen Gast wie Helmholtz zu haben.12 Diese Ehre erwies Helmholtz ihm tatsächlich schon bald. In der Zwischenzeit beschäftigte er sich mit zwei wissenschaftlichen Problemen, die für sie beide von großer Bedeutung waren.
Nervenprobe Es gehörte (und gehört noch immer) zu den festen Glaubenssätzen des deutschen Universitätssystems, dass Lehre und Forschung sich gegenseitig befruchten. Unabhängig vom grundsätzlichen Wahrheitsgehalt dieses Anspruchs war er jedenfalls die Realität für Helmholtz’ zweites akademisches Jahr in Königsberg. Das Kultus-
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ministerium hatte ihn dorthin berufen, damit er Physiologie und Allgemeine Pathologie unterrichtete. Diese Lehrverpflichtungen trugen ihm vor allem »zwei werthvolle Früchte ein«, womit er auf seine Entdeckung der Nervenleitgeschwindigkeit und die Erfindung des Augenspiegels anspielte.13 Diese beiden Erkenntnisse überschnitten sich zeitlich und müssen vor dem Hintergrund ihres Lehrumfelds vor Ort und des europäischen Forschungskontexts betrachtet werden. Die Anstellung Helmholtz’ an der Königsberger medizinischen Fakultät war, wie schon diejenige Brückes im Jahr zuvor, ein Ausdruck großen Interesses von universitärer Seite, den Studenten die physiologischen (sprich naturwissenschaftlichen) Grundlagen der Medizin nahezubringen. Die Ausbildung der Medizinstudenten sollte nicht länger derjenigen nachstehen, welche die Studenten der Naturwissenschaften bei Neumann und Kollegen erhielten. Als Helmholtz für sein erstes Semester an die Universität kam, waren dort nur 43 Medizinstudenten eingeschrieben, wovon sich lediglich sieben für seine Kurse anmeldeten, von denen wiederum nur drei bis fünf auch tatsächlich auftauchten – »je nach dem Wetter«. Seine Aufgaben in der Lehre waren nicht allzu umfangreich (wenngleich Helmholtz die Vorbereitung des Unterrichts anstrengend fand), seine materiellen Ressourcen eingeschränkt (es gab nur einen Raum, um Instrumente aufzubewahren und Experimente durchzuführen, und ein kleines jährliches Budget für beides). Dennoch war es im Vergleich zu Berlin ein Aufstieg. Physiologie unterrichtete Helmholtz das gesamte Jahr, Allgemeine Pathologie nur in den Wintersemestern. Seinen Kollegen galt Letztere als »die feinste Blüthe medicinischer Wissenschaftlichkeit«.14 Helmholtz’ pädagogische Fähigkeiten scheinen kaum mehr als zufriedenstellend gewesen zu sein. Brücke zweifelte an seinem Lehrtalent, aber er glaubte, dass Helmholtz mit seinen »gedigenen Kenntnissen« und der geringen Anzahl an Studenten in Königsberg gut zurechtkommen würde. Ludwig hielt ihn für einen passablen Lehrer, dem aber du Bois-Reymonds Talent fürs Unterrichten fehle. Immerhin könne, wie er schreibt, ein Mann mit einem so wachen Verstand niemals einen schlechten Vortrag halten, obwohl es vielleicht gerade diese Klarheit sei, die seine Rede manchmal trocken erscheinen lasse. Nachdem Helmholtz über zwei Jahre gelehrt hatte, befanden seine Kollegen an der medizinischen Fakultät jedenfalls, er habe sich als leidenschaftlicher und kompetenter Lehrer erwiesen, der mit großem Erfolg unterrichte.15 Seine Effektivität als Forscher ist in jedem Fall viel leichter zu beurteilen als sein Erfolg als Lehrer. In jener Zeit arbeitete Helmholtz an einer bahnbrechenden Analyse zur Messung der endlichen Geschwindigkeit der Nervenimpulse. Ihr Ausgangspunkt lag in seinen Studien zur Muskelkontraktion der Jahre 1848 – 1850, aber es spiegelten sich darin auch breiter angelegte Forschungsansätze und Methoden wider. Es handelte sich um eine Variation zu Webers kürzlich veröffentlichter Studie zur Muskelkontraktion, die sich anders als Webers Untersuchung jedoch auf die
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mechanische Muskelarbeit konzentrierte und so vermutlich die Anwendung seines Krafterhaltungsgesetzes auf die Physiologie zeigen wollte. Er nutzte dafür ein abgewandeltes Messinstrument, das Ludwig kurz zuvor entwickelt hatte, um das Verhältnis von Muskelarbeit zu Energie graphisch darstellen zu können. Zudem adaptierte er ein galvanometrisches Verfahren, das von Claude Servais Mathias Pouillet für andere Zwecke konzipiert worden war, um die Zeitintervalle noch genauer zu messen, als es die graphische Methode erlaubte. (Der Bau und Besitz von Instrumenten war Helmholtz immer sehr wichtig. Als er feststellte, wie wenig der Königsberger Instrumentenbauer zu bieten hatte, wusste er Halske in Berlin noch mehr zu schätzen.) Bei seiner Forschung war er auch auf Olga angewiesen, denn »sie steht mir treulichst bei bei meinen Versuchen als Protokollführerin der beobachteten Skalenteile, was sehr nötig ist, weil ich allein vollständig konfus werde, wenn ich auf so viele Dinge gleichzeitig achtgeben soll«.16 Die sorgfältigen Messungen brachten den Zeitunterschied zutage zwischen jenem Moment, in dem der Muskel eines Frosches stimuliert wurde, und der nachfolgenden Reaktion darauf. Die meisten Messungen zur Geschwindigkeit von Nervenimpulsen bei Fröschen führte Helmholtz in den Winterferien von 1849/50 durch. Anhand der ersten Ergebnisse ließ sich vermuten, dass die Geschwindigkeit variierte in einem Bereich von etwa 24 bis 38 Metern pro Sekunde. Die genaue Geschwindigkeit – circa 24 bis 27 Meter pro Sekunde – war weitaus weniger wichtig (und sollte noch lange in der Diskussion stehen) als der Beweis dafür, dass es sich um einen begrenzten, messbaren Zeitraum handelte. Überraschenderweise ging das Ganze recht langsam vonstatten, viel zu langsam, um mit elektrischem Strom in Verbindung gebracht zu werden. Helmholtz bat du Bois-Reymond, der Physikalischen Gesellschaft seine Ergebnisse »als Prioritätswahrung« vorzulegen, was dieser am 1. Februar 1850 tat. Daraufhin verfasste Helmholtz zügig fünf Artikel, darunter einen auf Französisch für die Pariser Akademie der Wissenschaften und einen für Poggendorffs Annalen. Müller stellte derweil am 21. Januar 1850 der Preußischen Akademie der Wissenschaft einen Bericht über Helmholtz’ Arbeit vor.17 Müller zeigte sich hellauf begeistert über Helmholtz’ Manuskript und glaubte, Helmholtz habe damit die Nervenmessung weit vorangebracht. Müller kündigte es nicht nur umgehend vor der Akademie an, sondern sorgte auch dafür, dass der Artikel in der nächsten Ausgabe der Monatsberichte erschien, und bot Helmholtz an, etwaige weitere Arbeiten zu dem Thema unverzüglich in seinem Archiv zu veröffentlichen. Ludwig war ähnlich begeistert. Du Bois-Reymond hingegen bremste Müller aus. Er behauptete, »mit Stolz und Trauer«, dass Helmholtz seinen Artikel über die Nervenimpulse »so maßlos dunkel dargestellt« habe, dass er in Berlin nur von ihm allein »verstanden und gewürdigt worden« sei. Er habe den Inhalt Dove, Magnus, Poggendorff, Mitscherlich, Müller, Peter Theophil Rieß und anderen Akademiemitgliedern erklären müssen und an den Text nochmal selbst Hand angelegt, um
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Humboldt überhaupt dazu zu bringen, die französische Version nach Paris zu senden. Auch Humboldt benötigte Erklärungen zu Helmholtz’ Arbeit, sorgte jedoch dafür, dass die Ergebnisse auf Französisch in den Comptes Rendus erschienen. Aus Müllers Briefen an Helmholtz geht hervor, dass zumindest er dessen Arbeit hinreichend verstand. Diejenigen, die anscheinend erst mithilfe du Bois-Reymonds zu einem Verständnis gelangten, gehörten einer älteren Generation von Physikern und Chemikern an. Die meisten von ihnen hatten drei Jahre zuvor auch schon Helmholtz’ Artikel zur Krafterhaltung nicht zu schätzen gewusst. Dennoch war Helmholtz dankbar für du Bois-Reymonds redaktionelle Unterstützung, die Verbreitung seiner Arbeit und weitere Hilfestellung.18 Du Bois-Reymond fuhr im Frühling nach Paris, um über seine eigene Forschung auf dem Gebiet der Elektrophysiologie zu sprechen, und fand die französischen Kollegen zunächst skeptisch, wenn nicht sogar feindselig eingestellt. Vergeblich versuchte er trotzdem, Helmholtz’ Forschung zur Nervenleitgeschwindigkeit vorzustellen, doch hatte die Pariser Akademie dafür nur Spott übrig. In der Société Philomatique, wo du Bois-Reymond ebenfalls darüber sprach, fiel die Reaktion kaum positiver aus, und »obschon niemand etwas öffentlich einzuwenden wagte, wurde ich doch im Stillen mit den dümmsten Zweifeln und Einwürfen geplagt«. Er berichtete Ludwig, dass die Franzosen Helmholtz wegen seiner Arbeit über die Nervenimpulse für »einen Verrückten« hielten. Eine solche Auffassung mag teils der organizistischen (als Gegensatz zum Reduktionismus) Orientierung der französischen Physiologie geschuldet gewesen sein. Es war äußerst unwahrscheinlich, dass Wissenschaftler dieses Schlages den neuen physiologischen Instrumenten, die du Bois-Reymond, Ludwig und andere junge deutsche Physiologen entwickelten, allzu große Bedeutung zumessen würden. Führende französische Physiologen wie Claude Bernard verfolgten einen ganz anderen Ansatz in der Biologie: Sie stellten die Bedeutung der Umgebung heraus und lehnten Bestrebungen in Richtung eines physikalistischen Reduktionismus ab. Ihre Ansichten mögen auch etwas mit dem um die Jahrhundertmitte zu beobachtenden französischen Unvermögen zu tun gehabt haben, auf deutsche Herausforderungen in der wissenschaftlichen Forschung mit der Bereitstellung angemessener eigener Forschungsressourcen zu reagieren – einem Unvermögen, das mit einem gewissen Maß an Gleichgültigkeit gegenüber Neuerungen in der Wissenschaft gepaart war (lieber betete man weiter Altbekanntes herunter). Letztendlich, so glaubte du Bois-Reymond, habe er die Pariser von seiner eigenen Arbeit überzeugen können, nicht aber von der seines Freundes. Ihre Einstellung war ihm zuwider: »Überhaupt hat man von diesem Gemisch von Dummheit, Anmaßung, Unwissenheit und Niederträchtigkeit bei uns gar keinen Begriff.« Helmholtz gewährte seinem Freund und Agenten natürlich volle moralische Unterstützung: »Daß sie die angenehmen Epitheta, welche du ihnen gibst, reichlich verdienen, davon war ich teilweise schon früher überzeugt.«19
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Im Frühling 1850, in der Pause zwischen den Semestern, begann Helmholtz zur Nervenleitgeschwindigkeit beim Menschen zu forschen. Er berichtete einem Onkel, dass seine Versuche eine Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reize von etwa 50 bis 60 Metern pro Sekunde beim Menschen ergeben hatten. Wie er ausgerechnet hatte, brauchten die Informationen vom großen Zeh bis zum Gehirn also ungefähr eine Dreißigstel Sekunde. Aus dem Nähkästchen fügte er dann noch hinzu, dass Olga und er sehr glücklich in Königsberg seien, wofür allerdings nicht in erster Linie die Stadt selbst ursächlich sei. Auch dem Vater berichtete er von seinen jüngsten Forschungsergebnissen: Je weiter vom Gehirn entfernt der Punkt liege, an dem man einen Nerv stimuliere, umso größer werde auch das Zeitintervall dazwischen. Diese Erkenntnisse, da war sich Helmholtz sicher, würden ein großer Erfolg sein und Aufmerksamkeit erregen. Helmholtz gestand seinen Eltern jedoch auch, dass seine Ergebnisse bei der Académie française erwartungsgemäß wenig Anklang gefunden hatten. Sie sollten sich darüber aber nicht weiter grämen, denn es sei den Franzosen einfach unmöglich, auf wissenschaftliche Entdeckungen von Deutschen mit Wohlwollen zu reagieren. Das ursprüngliche Ziel, nämlich Aufmerksamkeit für das Thema zu generieren, sei ja immerhin erreicht worden. Ferdinand dachte sofort an die philosophischen Implikationen – als ein wichtiger Beitrag zum uralten Körper-Geist-Problem – der Forschungsergebnisse seines Sohnes. Er war erstaunt zu hören, dass Gedanken und körperliche Handlungen aufeinander folgten und nicht gleichzeitig abliefen, wie er es immer angenommen hatte. Und er hoffte, Hermann werde die Bedeutung seiner Forschungsergebnisse noch besser erklären – in Begriffen, die auch ein Laie verstehen könne. Helmholtz versuchte dem mithilfe physikalischer Analogien zu entsprechen und indem er die inhärenten, unvermeidbaren Ungenauigkeiten im Messprozess erklärte (also die sogenannte Persönliche Gleichung, die Bessel zuerst für die Astronomie beschrieben hatte). Im Zuge dessen wurde er sich darüber bewusst, dass unterschiedliche Zuhörerschaften, also Laien oder Fachleute (inklusive seiner Medizinerkollegen), verschiedene Arten von Erklärungen brauchten (z. B. unter Heranziehung einfacher Graphen oder auch komplizierter Präzisionsmessungen), und wurde auch empfänglicher für erkenntnistheoretische Probleme während des Forschungsprozesses und bei der Interpretation der Ergebnisse. Im Großen und Ganzen zeigt Helmholtz’ Bemühen zwischen 1849 und 1851, dass wissenschaftliche Entdeckung und Überzeugungskraft nicht unabhängig voneinander funktionierten, sondern ein kontinuierlicher, eng zusammenhängender Prozess waren.20 Es veranschaulichte das Programm der organischen Naturwissenschaftler am Beispiel und markierte einen wichtigen Schritt in den Anfängen der Neurophysiologie. 1850 sandte Helmholtz Müller die Endversion seines Manuskriptes zur Nervenleitgeschwindigkeit bei Tieren. Im August ließ er verlauten: »Arbeit und Hitze hatten mich etwas heruntergebracht.« Er habe »öfter als sonst Kopfschmerzen und
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habe mich deshalb entschlossen, meine Leber einige Tage am Strand spazieren zu führen und mein Gehirn mit Seewasser blank zu scheuern.« Er verbrachte seine Zeit »mit sehr gutem Erfolg« mit dem aus Königsberg stammenden Kirchhoff, der mit Richelot Mathematik und mit Neumann Physik studiert hatte und in Breslau lehrte. Von seiner Abneigung gegen die Franzosen kam er dennoch nicht los. Er schrieb du Bois-Reymond, der Bericht der Académie française zu dessen elektrophysiologischen Arbeiten sei voller Feindseligkeit, und nannte es perfide, dass sie darüber schrieben, ohne überhaupt vollständige Kenntnis dessen zu besitzen, was er geleistet habe. Stattdessen ließen sich die Franzosen auf der Suche nach Widersprüchen auf die aussichtslosesten theoretischen Debatten ein, wo sie doch die ganze Zeit nicht fähig gewesen seien, die Experimente selbst durchzuführen. Du Bois-Reymonds Erkenntnisse zu den Muskelströmen bei Fröschen diskutierten sie nicht einmal. Jetzt ließ Helmholtz seinem Zorn auf die Franzosen vollen Lauf: Die Zweifel an dem Zusammenhang des Versuchs an Menschen mit denen an Fröschen können nur von einem, der nicht sehen will, in dieser Weise ausgesprochen werden, wie es geschehen ist. Am impertinentesten zeigen sie sich aber schließlich in ihren Äußerungen über Deine Theorie der Erscheinungen, die sie nicht kennen, und in ihren gütigen Ratschlägen, Dich an immer strengere Methoden zu heften. Ich habe mich schändlich geärgert über diese Art und Weise. Die Kerls kräftig zu blamieren, würde schon gut sein der unwissenden Köpfe in Deutschland wegen, die aus ihren Urteilen Nahrung zur eigenen Beschönigung finden. Wenn man dabei bedenkt, daß neben dem verblühten [François] Magendie kein einziger nennenswerter Physiologe in Frankreich existiert und die Redensarten bei Gelegenheit der Preisverteilung liest, mit der sie solche Lumpen wie Bernard wegen seiner liederlichen Arbeit über pankreatischen Saft bekränzen: »eine Arbeit, wie sie in jedem Jahrhundert nur selten vorkommen kann« etc., so möchte man fast zu dem Entschluß kommen, diese Bande in ihrer Nichtigkeit vorläufig zu ignorieren, bis sie einsehen gelernt haben, wie schwach es mit ihnen steht. Wir wollen einmal abwarten, ob sie der Ehre sein werden [!], Dir den nächsten physiologischen Preis zuzuerkennen, daß kein Rival da ist, der ihn Dir der Gerechtigkeit nach streitig machen könnte.21 Gehässigkeiten dieser Art hielt er für die Kollegen jenseits des Rheins allzeit bereit. Die Geschwindigkeit der Nervenübertragung bei Tier und Mensch zu untersuchen, war ein historisch zu nennender Schritt für die Wissenschaft, vergleichbar den ersten Messungen der Lichtgeschwindigkeit im Jahre 1676 durch den dänischen Astronomen Ole Christensen Rømer. Helmholtz’ Ergebnisse und Technik
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waren jedoch nicht nur für die Franzosen zu revolutionär, auch die ältere Generation Berliner Wissenschaftler war damit überfordert. Lediglich junge Freunde und Kollegen wie Ludwig, die Helmholtz kannten und seine Einstellung zur Physiologie teilten, mussten nicht erst überzeugt werden, um den Wert seiner Ergebnisse zu erkennen. Ludwig schrieb ihm, seine Untersuchungen zu den sogenannten Nervenkräften hätten ihn mit großem Stolz erfüllt. Helmholtz glaubte, dass auch andere mit der Zeit seine Arbeit verstehen würden. Was die Überzeugungsversuche anging, war er lange noch nicht fertig. Am 13. Dezember 1850 hielt er vor der Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft einen Vortrag über methodologische Aspekte bei der Messung von Nervenimpulsen und seine Messungen an Menschen. Eine Woche später ließ er du Bois-Reymond mehr oder weniger denselben Vortrag bei der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin halten. Diese Vereinigung war jetzt wie auch früher schon eine wichtige Plattform zur Darlegung seiner Forschungsergebnisse. Obwohl seine Untersuchungen zur Nervenleitgeschwindigkeit nicht nur für die spätere Neurophysiologie maßgeblich werden sollten, sondern sehr viel später auch für den neu aufkommenden Bereich der Neurowissenschaften, fand sie anfänglich kaum jemand außerhalb seines engsten Kreises glaubwürdig. Wie John Tyndall es später so anschaulich formulierte: Die Idee eines endlichen und messbaren Zeitunterschieds »zwischen dem Zufügen einer Wunde und der gefühlten Verletzung« wurde als geradezu absurd abgetan. Kein Wunder also, dass Helmholtz sich bald selbst auf eine Art Werbetour für seine Ergebnisse begab.22
Ein Blick auf die Netzhaut im lebenden Auge (oder: Die Erfindung des Augenspiegels) Neben seiner Forschung zur Geschwindigkeit der Nervenimpulse musste Helmholtz auch seinen Lehrpflichten nachkommen. Aus seiner Vorlesung zur Sinnesphysiologie im Wintersemester 1850 heraus entstand die Idee, seinen Studenten eine Theorie zum Lichteinfall ins Auge näherzubringen und am lebenden Auge zu demonstrieren. Seit dem späten 18. Jahrhundert war vielen Forschern eine Art Leuchten der Pupille aufgefallen. Bénédict Prevost beispielsweise vertrat 1818 die Theorie, diese Leuchtkraft sei Licht, das aufs Auge gerichtet worden sei und nun reflektiert werde. William Cumming zeigte jedoch 1846, wie auch Brücke 1847 davon unabhängig, dass man ein gesundes menschliches Auge erleuchten konnte. Helmholtz zufolge war Brücke »hierbei eigentlich nur noch um eines Haares Breite von der Erfindung des Augenspiegels entfernt«. Nur der Umstand, dass dieser den Rückweg nicht untersucht hatte, den das Licht aus dem beobachteten Auge nahm, und wie daraus ein optisches Bild im Auge des Beobachters entstand, hatte ihn daran gehindert, zum Erfinder des Ophthalmoskops zu werden. Tatsächlich, so Helmholtz, gab es fünf oder zehn andere deutsche Forscher, »die zweifellos, wenn sie unter glei-
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chen Bedingungen vor dieselben Aufgaben gestellt worden wären, in ganz folgerichtiger Weise genau dasselbe geleistet haben würden, wie ich«.23 Helmholtz, der stets ein Physiologe mit dem Blick eines Physikers war, baute auf Brückes Erkenntnis auf, dass das Auge reflektiertes Licht ausstrahlen konnte. Dabei stellte er fest, dass ins Auge einfallende Lichtstrahlen genau auf demselben Weg reflektiert wurden. Neu an Helmholtz’ Beitrag war, dass er die physikalische Optik, die für die Leuchtkraft des Auges verantwortlich war, erklären konnte und ein Instrument konzipierte, womit sich das zurückgeworfene Licht einfangen und sichtbar machen ließ. Acht Tage lang werkelte er an seinem ersten provisorischen Augenspiegel. Es handelte sich um eine instabile Konstruktion aus dünnem Karton, Brillengläsern und einem Mikroskop-Deckglas. Mit diesen einfachen Hilfsmitteln gelang es ihm erstmals, einen Blick auf die menschliche Netzhaut zu werfen. Er bezeichnete sich selbst als einen »Dilettanten« in praktischer Mechanik – der es sich freilich auf der Suche nach einem neuen Forschungsansatz nicht nehmen ließ, die Rohversion eines neuen Instruments selbst zu bauen. Vermutlich, so Helmholtz, hätte er seine Konstruktionsversuche aufgegeben, wäre er nicht von der Theorie her überzeugt gewesen, dass das Gerät einfach funktionieren müsse.24 Auch die Handhabung war schwierig, und doch dürfte Helmholtz’ Freude darüber, als Erster die Netzhaut eines lebenden Menschen gesehen zu haben, der Galileis ähnlich gewesen sein, als er 1609 erstmals den Mond und andere Himmelskörper systematisch durch sein eigenes, verbessertes Gerät beobachten konnte. Ganz wie Galilei erkannte Helmholtz sofort, welches Potenzial und berufliches Vorankommen seine Erfindung versprach. In einem Brief erklärte er seinem Vater die Erfindung. Er wollte ihm auch eine Kopie des Artikels zu Nerven und deren Reaktionszeiten schicken, sandte aber zuerst das Skript eines populären Vortrags zu diesem Thema, den er vor Kurzem vor der Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft gehalten hatte. Sein Manuskript erbat er sich allerdings zurück, denn mehrere Königsberger wollten es gerne lesen, darunter auch Seine Exzellenz von Schön. Helmholtz feilte derzeit auch an einem neuen Apparat für seine Zeitintervallmessungen, in dem Brief an Ferdinand hatte er dazu aber nichts Neues zu berichten. Er näherte sich dem wichtigsten Thema: Außerdem habe ich aber […] eine Erfindung gemacht, welche möglicher Weise für die Augenheilkunde von dem aller bedeutendsten Nutzen sein kann. Sie lag eigentlich so auf der Hand, erforderte weiter keine Kenntnisse, als was ich auf dem Gymnasium von Optik gelernt hatte, dass es mir jetzt lächerlich vorkommt, wie andere Leute und ich selbst so vernagelt sein konnten, sie nicht zu finden. Es ist nämlich eine Combination von Gläsern, wodurch es möglich wird, den dunklen Hintergrund des Auges durch die Pupille hindurch zu beleuchten, und zwar ohne ein blendendes Licht anzuwenden, und gleichzeitig alle Einzelheiten der Netzhaut genau zu sehen, sogar genauer, als
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man die äusseren Theile des Auges ohne Vergrösserung sieht […]. Man sieht die Blutgefässe auf das zierlichste, Arterien und Venen verzweigt, den Eintritt des Sehnervs in das Auge u.s.w. Bis jetzt war eine Reihe der wichtigsten Augenkrankheiten, zusammengefasst unter dem Namen »schwarzer Star«, eine Terra Incognita, weil man über die Veränderung im Auge weder im Leben noch selbst meist im Tode etwas erfuhr. Durch meine Erfindung wird die speciellste Untersuchung der inneren Gebilde des Auges möglich. Ich habe dieselbe als ein sehr vorsichtig zu behandelndes Ei des Columbus sogleich in der physikalischen Gesellschaft in Berlin als mein Eigenthum proclamieren lassen, lasse gegenwärtig ein solches Instrument arbeiten, welches besser und bequemer ist, als meine bisherigen Pappklebereien, werde dann wo möglich mit unserem hiesigen Augenarzt Untersuchungen an Kranken anstellen, und dann die Sache veröffentlichen. Helmholtz’ anschauliche Beschreibung seiner Erfindung zeigt einerseits, wie viel er seiner Gymnasialzeit verdankte, andererseits, dass er von Anfang an den Augenspiegel als sein geistiges Eigentum betrachtete – ein Anspruch, den er sogleich auch öffentlich machte. Er beschrieb seine Methode und Erfindung in einem kurzen Text, den du Bois-Reymond vor der Physikalischen Gesellschaft vortrug. Sogar Ferdinand, der mit seinen romantischen Vorstellungen oft wie von einer anderen Welt wirkte, verstand die auf Besitzsicherung zielenden Absichten seines Sohns. Er schrieb an Hermann, dass es, soweit er gehört habe, nicht möglich sei, eine Beschreibung des Geräts in Müllers Zeitschrift zu veröffentlichen, »desto besser aber, dass Du jetzt Deine Abhandlung selbständig unter Deinem Namen herausgeben willst«. Er war begierig darauf, sie zu lesen, und plante, Puhlmann zu überreden, sie in der dortigen Literarischen Gesellschaft vorzustellen. Er sah voraus: »Die Entdeckung über die Beobachtung des Auges wird Dir, wenn auch nicht so viel Kenntnisse voraussetzend, wahrscheinlich rascher einen Namen schaffen, weil sie unmittelbar praktisch erscheint, und es fragt sich, ob Du für das Instrument der Beobachtung Dir nicht ein Privilegium geben liessest.«25 Der Aufsatz erschien im Herbst 1851, umfasste 43 Seiten und beschrieb detailliert alle relevanten Gesetze der physikalischen Optik und die Funktionsweise des Augenspiegels. Wie Helmholtz darin erklärte, konnte ein Beobachter normalerweise kein Licht aus dem beobachteten Auge zurückkommen sehen, da der Beobachter ja zwangsläufig dem einfallenden Licht im Wege stand. Um dies zu vermeiden, lenkte er das Licht einer Lampe (oder Sonnenlicht) indirekt via Reflexion über eine kleine, halb versilberte plane Glasplatte ins Auge. Das untersuchte Auge sieht so nur das Spiegelbild des Lichts, was dem Beobachter die Sicht auf das Auge ermöglicht. Das reflektierte Licht trifft auf die Netzhaut (die Rückseite des Auges) und erzeugt dort ein umgekehrtes optisches Bild. Das Licht wird dann von der Netzhaut zurück-
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Abb. 5.2: Helmholtz’ Ophthalmoskop auf seinem Band Beschreibung eines Augen-Spiegels zur Untersuchung der Netzhaut im lebenden Auge (Berlin: A. Förstner, 1851). Deutsches Museum, München, Archiv, CD 64736.
geworfen und das Bild wieder umgekehrt, sodass der Beobachter es aufrecht sieht. In einem abgedunkelten Raum mit nur einer direkten Lichtquelle ließ sich die Retina eines lebenden Menschen so sehr detailliert betrachten. Das Ophthalmoskop, dessen deutsche Bezeichnung als »Augen-Spiegel« für sich spricht (siehe Abb. 5.2), war im Kern ein Instrument, das reflektierte Strahlen in ein klares Bild im Auge des Beobachters wandelte. Helmholtz’ Aufsatz erschien, wie schon der zur Krafterhaltung, als eigenständige Publikation, nicht in einer wissenschaftlichen Zeitschrift, und brachte ihm bescheidene 80 Taler ein.26 Es folgten weder ein Patent noch Tantiemen. Helmholtz gestand später, dass »in der ersten Hälfte meines Lebens, als ich noch für meine äussere Stellung zu arbeiten hatte, nicht höhere ethische Beweggründe mitgewirkt hätten neben der Wissbegier und meinem Pflichtgefühl als Beamter des Staates [sprich Universitätsprofessor]«, sondern auch »egoistische Motive«. Andere Forscher standen seiner Einschätzung nach unter ähnlichem Druck, zumindest bis sie – sofern sie die Wissenschaft nicht ganz an den Nagel hängten – im weiteren Verlauf ihrer Karrieren »eine höhere Auffassung ihres Verhältnisses zur Menschheit« entwickelten. Mit sei-
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ner Erfindung habe er jedoch auch einfach Glück gehabt.27 Zwar gehörte es zu seinem Lehrauftrag, seinen Medizinstudenten die Beleuchtung des Auges zu erklären, doch war es auch eine Verkettung günstiger Umstände, die ihn zum Erfinder des Augenspiegels werden ließ. Diese Mischung aus Glück, seinen breit gefächerten Kenntnissen (in Physik, Physiologie und Medizin) und den Anforderungen der Lehre ließ Helmholtz später verkünden: »Der Augenspiegel war mehr eine Entdeckung, als eine Erfindung.« Seine glückliche Entdeckung (Erfindung) machte ihn regelrecht verlegen: Er sei ein »gut geschulter Arbeiter, welcher, sagen wir ›gut‹, gethan hat, was er zu thun gelernt hatte, und was zu thun eben gelernt werden kann.« Seine Errungenschaft betrachtete er als einen Akt angewandter Wissenschaft. Später sollte er seine Entdeckung oft als Beispiel dafür anführen, wie Wissenschaft, die um ihrer selbst willen betrieben wird, irgendwann einen großen praktischen Nutzen für die Gesellschaft haben kann. Die Erfindung des Augenspiegels brachte ihm jedenfalls mehr Ansehen ein als alles andere, was er davor oder danach tat.28
Auf Tour Genau wie Mais oder Sojabohnen sind wissenschaftliche Ergebnisse eine Ware, die innerhalb eines Marktes existiert. Forscher entdecken, erfinden, handeln, (ver) kaufen und bewerben ihre wissenschaftlichen Güter und Dienstleistungen – also Fakten, Theorien, Instrumente und dergleichen mehr – und sie tun das sowohl untereinander als auch im Verhältnis zu Nichtwissenschaftlern. Helmholtz ging konform mit dieser Sichtweise von Wissenschaft als ein Marktplatz und wusste auch, dass man, um herauszustechen, seine Güter manchmal schon anpreisen musste, bevor sie ganz reif waren.29 Im Sommer 1851 suchte Helmholtz jedenfalls aus seinen neuesten Arbeitsergebnissen Kapital zu schlagen, indem er durch verschiedene deutschsprachige Universitäten »tourte«. Vordergründig geschah dies, um physiologische Institute zu besuchen, jedoch war der eigentliche Zweck dieser Reise, seinen Kollegen zu zeigen, was er zu bieten hatte. Er machte Werbung für seine Untersuchungen zur Nervenleitgeschwindigkeit, für seinen Augenspiegel – und für sich selbst. Es stellte sich heraus, dass er ein außergewöhnlich guter Verkäufer war. Fast zwei Monate lang (Anfang August bis Ende September) war er unterwegs, meist allein und hauptsächlich in Deutschland. Ab und an jedoch reiste er auch mit anderen, so in der Schweiz, in Italien, kurz in Frankreich und Österreich. Das preußische Kultusministerium sponserte die Tour mit 200 Talern Reisegeld. Olga und die einjährige Käthe blieben derweil in Dahlem zurück. Es war Helmholtz’ erste derartige Trennung von Frau und Familie – später sollte eine solche Trennung alljährlich für mehrere Wochen im Sommer üblich werden. (Die Reisen wären für sei-
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ne Familie viel zu strapaziös gewesen.) Zu Beginn der Reise fühlte Helmholtz sich noch recht erschöpft, denn er hatte im Frühjahr an einem gastrischen Fieber gelitten. Er hoffte, die Reise werde ihm wieder Auftrieb geben, »das verlorene Material« seiner »Lebensmaschine« wieder anfahren. Den Sommer in Königsberg zu verbringen, wie Kirchhoff es vorhatte, zeugte in seinen Augen hingegen von »Geschmacklosigkeit«.30 Zuerst ging es nach Halle, wo Helmholtz wärmstens von seinem alten Freund, dem Chemiker Wilhelm Heintz, und dessen Familie empfangen wurde und mit ihnen zwei schöne Tage verbrachte. Dann machte er sich auf nach Göttingen. Die Zugfahrt durch die Landschaft Thüringens beeindruckte ihn sehr, ebenso »eine Reihe meist romantisch gelegener Städte«. Er erreichte Göttingen um drei Uhr morgens und schrieb an Olga: »[Z]uerst hunderttausend treuste Herzensgrüße aus der Ferne, und die Meldung, daß ich immer nur noch Eine liebe, welche sich Dötchen von Velten ehemals genannt hat.« Er scherzte, dass er auf seiner Reise (bisher) noch niemand besseren gefunden habe, »und wenn alle Leute so viel Grund hätten zufrieden zu sein, wie ich, so sähe es besser in der Welt aus«.31 Er liebte sie aus der Ferne noch mehr. Die Universität Göttingen hielt er für sehr reich. Es gab dort über 600 Studenten, doppelt so viele wie in Königsberg, und diese seien meist wohlhabend. Die Professorenschaft bilde die »Aristocratie der Stadt« und fühle sich den (anderen) Bürgern überlegen. Leider fiel Helmholtz’ Besuch mit dem des Kronprinzen Ernst August II. von Hannover zusammen, der mehrere Tage in der Stadt weilte, um ein neues Krankenhaus einzuweihen, die Universität und andere Stätten zu besuchen sowie die Fakultätsangehörigen und auch Studenten zu empfangen. Das machte es für Helmholtz schwierig, Göttingens Professoren kennenzulernen. Zwar hatte der König von Hannover im Jahre 1837 verfassungswidrige Maßnahmen eingeleitet, die zu der berüchtigten Entlassung von sieben Professoren geführt hatten – die »Göttinger Sieben«, darunter auch der Physiker Wilhelm Weber –, und sich zudem 1848 gegen das Frankfurter Parlament gestellt, seine Untertanen während der Revolution jedoch großzügig behandelt. »Die Hannoveraner«, schrieb Helmholtz an Olga, »sind übrigens mit ihren politischen Zuständen im Ganzen zufrieden; sie sind fast die einzigen Deutschen, bei denen seit 1848 keine politischen Rechtsbrüche vorgekommen sind, und in Anerkennung dessen scheinen sie sehr an ihrem Könige zu hängen, trotz dessen widerhaariger Gemüthsart.«32 In Göttingen besuchte er den Philosophieprofessor August Ritter und seine Frau. Sie empfingen ihn »sehr herzlich«, Ritter war schließlich ein alter und guter Freund von Ferdinand, und Helmholtz kannte Ritter und seine Familie noch aus Berlin. Die Ritters richteten ein Fest für ihren Gast aus, wozu sie alle Professoren einluden, mit denen er gerne sprechen wollte. »Es ist äußerst angenehm, in der Welt herumzureisen, und die Feste abzunehmen, welche uns zu Ehren arrangirt werden«, schreibt
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Helmholtz an seine Frau. Auf dem Fest lernte er unter anderem den Physiologen Rudolph Wagner kennen, »ein älterer Mann, dem man etwas das Bewußtsein seiner Wichtigkeit anmerkt«. Helmholtz befand, dass Wagner wie Alfred W. Volkmann, der Hallenser Physiologieprofessor, »nicht ganz im Niveau der jetzt nöthigen physikalischen Kenntnisse« sei. Dessen sei sich Wagner bewusst, weshalb er versuche, sich nicht in Helmholtz’ wissenschaftlichen Erklärungen zu »verlaufen«. Dabei war Wagner der Physik noch eher zugewandt als andere Physiologen jener älteren Generation, zu der auch Müller, Jan Evangelista Purkinje und Magendie zählten.33 Außerdem traf Helmholtz noch Weber, »nach Neumann wohl der erste mathemat[ische] Physiker Deutschlands«. Er gehörte zu Europas führenden Theoretikern auf dem Gebiet des Elektromagnetismus, und Helmholtz kannte seine Arbeit schon: Er hatte Webers Elektrodynamische Maassbestimmungen (1846) gelesen, als er gerade an seinem Aufsatz zur Krafterhaltung saß. Weber zeigte ihm »mit etwas weniger lächelnder Freundlichkeit als sein Bruder in Leipzig« – Ernst Heinrich und Eduard waren beide physikalisch orientierte Physiologen – »viel interessante physikalische Apparate von großer Vollendung«. Des Weiteren lernte Helmholtz auch Carl Georg Bergmann kennen, außerordentlicher Professor für Anatomie und Physiologie, der sich wie Helmholtz sehr für den Wärmehaushalt von Tieren interessierte, Helmholtz jedoch nicht besonders beeindrucken konnte. Außerdem traf er noch Christian Georg Theodor Ruete, Professor für Augenheilkunde, der »werthvolle Arbeiten für die Physiologie des Auges geliefert hat«. Dann waren da noch Wilhelm Baum, ein klinisch orientierter Chirurgieprofessor und Ophthalmologe, sowie Johann Benedict Listing, Physikprofessor und mathematischer Optiker, von dem Helmholtz vorher noch nicht gehört hatte, »der es aber offenbar in hohem Grade verdient«. Ihnen allen führte er seinen Augenspiegel vor. Ruete, der im Jahr darauf Helmholtz’ Entdeckung weiterentwickelte (indem er die plane Glasplatte durch einen konkaven Spiegel ersetzte), schrieb über dessen Besuch: »[A]ls ich unter seiner Anleitung bei seiner Anwesenheit in Göttingen mit Hülfe jenes Instruments zuerst die Retina, den Nervus opticus mit der Arteria centralis retinae erblickte, wurde es mir folglich klar, daß auf diesem Wege viel für die Diagnose der Krankheiten des Auges […] zu gewinnen sei.« Helmholtz zweifelte nicht daran, dass seine Demonstrationen dort (und überall sonst) von großer Wirkung waren. Er schreibt: »Vortrefflich für meine Reise ist der Augenspiegel; ich demonstrirte ihn heute morgen, und er erregte auch hier eine Art von Sensation.« Die Zuschauer seien beeindruckt, und zwei Augenheilkundler hätten bei Egbart Rekoss, seinem Instrumentenmacher in Königsberg, bereits Bestellungen aufgegeben. »Meine Froschcurven demonstrire ich auch überall«, ließ Helmholtz seine Frau wissen und fügte hinzu: »[D]iese Leute nahmen mich alle mit großer Achtung und Freundlichkeit auf, gaben mir alle Zeit, die ihnen übrig war, und es war mir angenehm zu sehen, daß sie sich in meine etwas schwierigen Nervenarbeiten [die Messung der Nervenleitge-
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schwindigkeit] hineingearbeitet haben, und damit übereinstimmen, oder doch wenigstens, wie es scheint durch die Urtheile der Webers, hinlängliches Vertrauen in meine physikalischen Kenntnisse haben, um an meine Resultate zu glauben.« Was Helmholtz’ Arbeit zur Krafterhaltung anging, hatten die Göttinger Wissenschaftler jedoch offenbar nichts zu sagen. Am Ende seines dortigen Aufenthalts lernte Helmholtz noch den Philosophen Rudolf Hermann Lotze kennen, der anscheinend zwar umfangreiche Forschung zu den Prinzipien der Pathologie und Physiologie betrieben hatte, aber »leider zu hypochondrisch und in sich gekehrt ist, als daß ein geistiger Verkehr wenigstens in so kurzer Zeit mit ihm möglich wäre«.34 Um halb zwei Uhr morgens fuhr Helmholtz’ Zug aus Göttingen ab. Er verbrachte einen Tag in Kassel, machte einen kurzen Zwischenstopp in Marburg und blieb einen Tag in Gießen. Der straffe Reiserhythmus hinterließ bereits Spuren, außerdem grübelte er ständig über die Gesundheit seiner Familie (die von Olga und Käthe) und wälzte Geldsorgen. Von der Universitätsstadt Marburg aber, »wundervoll schön zwischen hohen und steilen Waldbergen« gelegen, war Helmholtz ganz begeistert. Er traf sich dort mit Karl Hermann Knoblauch, einem außerordentlichen Professor der Physik, und dem Physiologieprofessor Hermann Nasse. Knoblauch, den Helmholtz aus Berlin kannte, hatte in Magnus’ Labor gearbeitet und sich in Berlin habilitiert, war zudem Mitbegründer der Physikalischen Gesellschaft. Der gut betuchte Knoblauch lud Helmholtz zu sich zum Kaffee ein und präsentierte ihm »seine kostbare Instrumentensammlung, ganz sein Eigenthum« sowie »einige interessante Versuche, deren Erfindung zwar nicht ihm angehörte, die aber in Deutschland noch wenig nachgemacht waren«. Helmholtz urteilte, Knoblauch sei »ohne alle eigenen Ideen, seine Arbeiten sind nur immer der Prüfung und speciellen Durchführung fremder Ideen gewidmet«. Von Nasse hielt Helmholtz kaum mehr (wenn nicht sogar weniger): Er sei ein Anhänger jener Schule, »welche das Leben auf möglichst viel Mystisches zurückführt, steht also im geraden Gegensatz« zu ihm und seinem Kreis. Nasses Projekte seien nicht von großer Bedeutung, er habe jedoch »manche fleißige und schätzenswerthe« Arbeit geliefert. »Er empfing mich deshalb anfangs nur höflich, vermied Wissenschaftliches, äußerte endlich Zweifel über meine Nervenleitungssachen.« Als Helmholtz ihm jedoch seine Froschmuskel-Kurven erläuterte, änderte sich Nasses Verhalten. »Nun wurde er ganz anders, er bat mich, doch in Marburg zu bleiben.« Helmholtz lehnte ab, die beiden gingen jedoch als »die besten Freunde« auseinander.35 Seine Reise führte ihn weiter nach Gießen, wo er – wie so viele andere – Liebig zu treffen hoffte, den »König der Chemiker, wofür er sich selbst und seine Schüler ihn halten«. Liebig war jedoch nach London zur Weltausstellung 1851 gereist, »sich von den Engländern fetiren zu lassen. Ich hätte ihn gern kennen gelernt«. Stattdessen musste er mit Liebigs Sohn Georg vorliebnehmen, einem Arzt, der in Magnus’ Labor gearbeitet hatte. Von ihm hatte Helmholtz sich »des Vaters leeres Laborato-
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rium zeigen lassen, zu welchem die Schüler aus ganz Europa und Amerika zusammenströmen, um sich practisch einzuüben«. Er nahm eine wichtige Erkenntnis von diesem Laborbesuch mit: »Ich war erstaunt, gar keine besonders bedeutende Einrichtungen, dagegen Alles von Dreck starrend zu finden; Laboranten waren wenige da. Es machte einen seltsamen Gegensatz zu den mindest ebenso zweckmäßigen, viel besser versehen[en], wohl geordneten und gereinigten Laboratorium [sic] von Heintz u. a. Aber man sieht, die äußeren Dinge machen es nicht. Denn trotz aller Eitelkeit und Arroganz ist Liebig doch der bedeutendste der lebenden Chemiker und als Lehrer von ungeheurer ausgebreitetem Einfluß.«36 Ein Labor könne noch so gut ausgestattet sein – wenn der Laborleiter keine Ideen habe, nutze dies wenig. Helmholtz wollte in Gießen auch Theodor Bischoff treffen, einen Anatomieund Physiologieprofessor, der früher bei Müller studiert hatte, sowie Bischoffs Prosektor, Konrad Eckhard, vor Kurzem noch Ludwigs Assistent in Marburg, wo er zu Nerven und Muskeln experimentiert hatte. Helmholtz sah ihn als vielversprechenden Verbündeten der Biophysiker an. Eckhard richtete eine Abendgesellschaft aus, um Helmholtz den jungen Wissenschaftlern Gießens vorzustellen, und Helmholtz schätzte es sehr, seine Bekanntschaft zu machen. Bischoff hingegen beschrieb er wenig schmeichelhaft als fetten Mann mit seltsamer Frisur und »einer Nase, deren Rücken mehr vorsteht, als die Spitze«. Bischoffs Untersuchungen auf dem Gebiet der Anatomie fand er ähnlich unbeeindruckend wie seine Statur und Frisur. Das Positivste, was er über ihn zu sagen hatte, war, er sei »aber von Liebig gehörig aus seiner früheren mystischen Richtung herausgetrieben worden, so daß er ganz geneigt ist für unsere Untersuchungen, sie aber schwer versteht und beurtheilt«. Helmholtz instruierte ihn bezüglich der Nervenleitgeschwindigkeit und schaffte es anscheinend auch, ihn zu überzeugen. »Für den Augenspiegel war er sehr ungeschickt, und sah nur nothdürftig; seine Frau leichter als er.« Helmholtz schreibt auch über Bischoffs Frau – die Tochter von Friedrich Tiedemann, dem ehemaligen Heidelberger Physiologieprofessor –, die er für »eine bedeutendere Natur« als ihren Mann hielt. Die beiden unterhielten sich über Politik. Die Menschen in den kleineren Ländern wie Baden oder Thüringen schienen Helmholtz noch immer tief erschüttert von den Geschehnissen 1848/49 zu sein. Die Thüringer, mit denen Helmholtz sich unterhalten hatte, begrüßten die Standhaftigkeit des preußischen Militärs in dieser Zeit der politischen Instabilität und bevorzugten es, trotz gewisser Bedenken, »preußische Unterthanen« zu sein.37 Nach seinem Aufenthalt in Gießen fuhr Helmholtz weiter gen Süden. Er war überrascht, Menschen anzutreffen, die lieber leichten Wein als Wasser tranken. »Ich habe von dem Zeuge täglich eine Flasche vertilgt, und bemerke nicht die geringsten Unbequemlichkeiten, während ich zu Hause nicht ein Glas regelmäßig täglich getrunken vertragen kann, ohne Kopfschmerzen zu bekommen.« Des Weiteren bemerkte er das Geschick, mit dem die Frauen Lasten auf ihrem Kopf balan-
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cierten, und dass man überall Esel zum Warentransport einsetzte. Über die Frauen fällte er jedoch ein hartes und vorschnelles Urteil: Die Tracht der hessischen Bauersfrauen fand er »scheußlich entstellend, umso mehr da die Frauen selbst fast allgemein häßlich sind«.38 Im »prächtigen« Frankfurt bestaunte er die in Verfall begriffenen alten Bauwerke wie den berühmten Dom und das Rathaus, und ebenso die neuen Gebäude, die Modernität suggerierten. »Jetzt ist Frankfurt die Stadt der Geldbrotzen, und ihrer Paläste; Berlins beste Theile müssen sich dagegen verstecken.« Er wohnte »sybaritisch« in einem ordentlichen Gasthof und schrieb an Olga: »Ein Frankfurter Hotel ist aber wirklich eine Sehenswürdigkeit.« Eigentlich legte er nie Wert auf feines Essen, aber Frankfurts kulinarisches Angebot hatte es ihm angetan. Er ging schwimmen und besichtigte danach die Paulskirche, was ihn »ganz melancholisch« zurückließ. Bei seinem Besuch des städtischen Museums »schwärmte« er wieder von Carl Friedrich Lessings Johann Hus zu Konstanz, Ezzelino da Romano »und zwei kleine[n] Landschaften von demselben«. Lessings Bilder, die weithin als antikatholisch angesehen wurden, mochte er sehr. Helmholtz schreibt weiter von »einigen anderen schönen Landschaften«, die er im Museum sah, ebenso wie »viele unbedeutende ältere und neuere Sachen«, darunter »einige die sehr gepriesen werden«. Die allegorischen Bilder Friedrich Overbecks und Friedrich Wilhelm Schadows, welche die Frankfurter Katholiken wohl als »Gegengewicht gegen den Huß« ausgehängt hatten, »mißfielen« ihm gänzlich. Dafür mochte 122er »sehr schöne Gypsabgüsse der Antike« sowie den Schild des Herakles nach einer Hesidon zugeschriebenen Vorlage von Ludwig Michael Schwanthaler. »Den Laokoon sah ich hier zum ersten Mal in ganzer Gruppe, er verhält sich aber zu den übrigen Antiken wie Victor Hugo zu Sophokles.«39 Kurzum, er wusste genau, was ihm gefiel und was nicht. Am Nachmittag brach er dann nach Heidelberg auf. Heidelbergs Landschaft und die Stadt selbst sagten ihm zu. Das berühmte Schloss, wo er den Sonnenuntergang genoss und sich »die Dot herbeiwünschte«, übertreffe alles. Er war überrascht, so viele englische, französische und deutsche Familien zu Gesicht zu bekommen, »die sich mit einander an der wunderbaren Romantik dieses Ortes freuten«.40 Einen Tag nahm Helmholtz sich Zeit, das physiologische Institut kennenzulernen, und damit auch Jacob Henle, Professor für Anatomie und Physiologie und guter Freund sowie ehemaliger Schüler Müllers. Er wirkte auf Helmholtz »etwas jüdisch«. Du Bois-Reymond hatte ihn zu Unrecht gegen Henle aufgebracht, Helmholtz hatte allen Grund, Henle zu mögen. Wie er Olga begeistert mitteilte, hatte dieser nämlich »eine für unsere Zukunft vielleicht erfolgreiche Angelegenheit« eröffnet. Das hieß: Henle und andere jüngere Professoren der medizinischen Fakultät wollten ihn nach Heidelberg holen. Die Situation gestaltete sich jedoch schwierig. Henle war ursprünglich nur für die Physiologie zuständig gewesen, Tiedemann für
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die Anatomie. Dann kam es zwischen den beiden zu »heftigen Reibungen«, infolge derer die Fakultät Tiedemann bat, sich zu entschuldigen. Er kündigte jedoch stattdessen, was Henle mit Anatomie und Physiologie zurückließ. Henle und seine gleichgesinnten Kollegen hofften nun, dass Helmholtz die Physiologie übernehmen würde. Die ehemaligen Unterstützer Tiedemanns wollten aber Bischoff – der, wie es der Zufall so wollte, auch noch Tiedemanns Schwiegersohn war. Genauer gesagt hatten sie es weniger auf Bischoff als auf seinen Förderer Liebig abgesehen, der andeutete, nach Heidelberg kommen zu wollen, wenn Bischoff und andere Kandidaten seiner Wahl dort wären. Viele an der Universität glaubten ohnehin, der Ruf der Heidelberger Universität sei aus politischen Gründen »ungeheuer gesunken«, und sehnten sich nach einer Rückkehr »zu ihrem früheren Glanz«. Daher bemühten sie sich um den König der Chemie. Nur leider stellte sich heraus, dass der König nicht kommen würde. Bischoff hineinzubringen – einen Mann, der (so Helmholtz) nur über begrenzte wissenschaftliche Fähigkeiten verfügte, unter Liebigs Einfluss stand und nur die Gebiete abdecken konnte, die Henle bereits innehatte – war somit ohne weiteren Nutzen. Henle offenbarte Helmholtz, dass er ihn für den Posten empfohlen habe, noch bevor er ihn in Heidelberg traf, »und da wir uns bei meiner Anwesenheit vortrefflich vertragen haben, ich auch in der Lage war, ihm vielerlei Schmeicheleien beizubringen, für welche er nicht unempfänglich ist, so wird er diese Empfehlung nicht zurücknehmen. Sehen wir also, was geschieht; der Wirkungskreis in Heidelberg wäre nicht übel, die Deutschen haben sich etwas fortgewöhnt, weil es gegenwärtig auch an Lehrern mangelt, aber es kommen noch die Schüler aus Nordamerika, Brasilien, England, Frankreich, Griechenland, Rußland. Das Leben ist lächerlich billig […]«41 Henle war anscheinend nicht alleine darauf gekommen, Helmholtz nach Heidelberg zu holen: Einen Monat vor Helmholtz’ Besuch schrieb ihr gemeinsamer Freund Ludwig an Henle, die Universität Heidelberg benötige nichts weiter als einen Chemiker – er empfahl wärmstens Adolf Strecker, seinen eigenen Lehrer, der Student im Nebenfach bei Liebig gewesen war, noch vor Liebig selbst – und einen Physiologen, um ihre Vorreiterstellung in Wissenschaft und Medizin wiederzuerlangen und es mit Wien, Prag, Berlin oder Würzburg aufnehmen zu können. Ludwig glaubte, Heidelberg brauche jemanden, der wissenschaftlich »virtuos« sei wie Henle. Im Grunde gebe es da drei Möglichkeiten: Brücke, der nicht verfügbar war, du Bois-Reymond, der Berlin nicht verlassen würde – und eben Helmholtz. Da er in Königsberg kein Gehör finde, müsse man nicht einmal allzu tief in die Tasche greifen, um ihn herzubekommen. Aber was für ein Gewinn wäre er! Ludwig erwies sich als guter Freund und Teil von Helmholtz’ kleinem, aber wachsendem Netzwerk und setzte sich bei Henle sehr für ihn ein. Vielleicht war er sogar ein noch besserer Freund als du Bois-Reymond, der Henle wissen ließ, er würde Ludwig für diese Stelle vorziehen. Nicht, weil er glaubte, dass Ludwig ein besserer (oder schlechte-
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rer) Physiologe sei als Helmholtz, aber Ludwig passte seiner Meinung nach besser in »das kleine, von Intriguen zerspaltete Heidelberg«.42 Henle zeigte Helmholtz das anatomische Institut (»ausgezeichnet«) sowie die Physiologie (»äußerst dürftig«). Sie zogen gemeinsam durch Heidelberg. Henle lud ihn am Abend zum Tee zu sich ein und stellte ihm Frau und Kinder vor. Helmholtz befand: »Es scheint ein sehr hübsches Verhältniß zwischen ihnen zu bestehen.« Heidelbergs Lage und Umgebung beschrieb Helmholtz in seinem Brief an Olga als »wundervoll, und sehr bequem zu genießen«.43 So wie er sich Henle zu verkaufen suchte, wollte er Olga Heidelberg schmackhaft machen.
Mit Ludwig in Zürich Auf Henles Vorschlag hin besuchte Helmholtz auf der Weiterfahrt für einige Stunden das nahe gelegene Baden-Baden, dessen Lage im nördlichen Schwarzwald er reizend fand. Er dinierte in der Ruine des alten Schlosses Hohenbaden und »aß dann Eis im Garten der [sic] Conversationshauses, um die Badegesellschaft zu sehen«. Er konnte jedoch, wie er seiner Frau gestand, ohne sie nicht wirklich unbeschwert die wunderbare Landschaft genießen. Bald schon fuhr er nach Kehl weiter und überquerte den Rhein Richtung Straßburg. Es war sein erstes Mal in der »République française«, wie er sie spöttisch nannte. »Da hat man viel um sich zu amüsiren. Überall prangt die Liberté, Fraternité, Egalité, an jedem öffentlichen Gebäude Propriété de la nation, an vielen Privathäusern andere fürchterlich demokratische Wahlsprüche. Das Landvolk und die niederen Klassen der Stadt erscheinen ganz wie in Baden, nur scheinen sie stumpfsinniger zu sein, in den besseren Stadttheilen sieht es aber ganz französisch aus.« Er besichtigte das bekannte Straßburger Münster und stellte fest, wie baufällig es war, fand es teils aber auch »äußerst imposant und edel«. Voller Erstaunen sah er zu, wie sich Menschenmassen mittags vor dem Münster versammelten, »um den Hahn krähen zu hören, die 12 Apostel von Christus vorüberziehen zu sehen u. s. w. Das Landvolk scheint es als eine Art von täglich erneutem Wunder zu betrachten, zu dessen Anblick sie wallfahrten. Ich sah mir den Scherz natürlich auch an«. Sein Französisch kam ebenfalls zum Einsatz, beispielsweise im Gespräch mit zwei Verkäuferinnen. Die erste, eine »sehr feine Comptoir Dame«, ertrug sein Schulfranzösisch immerhin, »wir verständigten uns«. Die zweite war »so schmeichelhaft, sich darüber zu wundern, daß ich kein Franzose sei«. (Sie verstand ihr Handwerk, Helmholtz kaufte ihr etwas ab.) »Kurz ich würde nicht mehr verzweifeln, mich durch Frankreich durchzubeißen, worauf ich bisher eigentlich keine Hoffnung gehabt hätte.«44 Es sollte 15 Jahre dauern, bis er la grande nation erneut besuchte. Am Morgen fuhr er erst nach Freiburg, dann durch die »höchst romantischen Thäler des Schwarzwalds«, bis er schließlich Schaffhausen in der Schweiz erreich-
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te (die erste von vielen Schweizreisen). Er kam spät an und stieg in einem Hotel in Stadtnähe ab, von dessen Terrasse er eine gute Aussicht auf Schaffhausens Wasserfall hatte, dieses »Weltwunder«. An jenem Abend war er noch enttäuscht davon, am nächsten Morgen sah er ihn mit ganz anderen Augen. Seine »herrlichsten Effekte« könne man nur tagsüber richtig bewundern. Von einem Gerüst aus sah er sich das Schäumen und den Gischtnebel aus der Nähe an und war ganz beglückt und verzaubert von diesem Erlebnis. Wasser in Bewegung beeindruckte ihn immer. Danach nahm er ein »luxuriöses Mittagsmahl« ein, das billiger war, als er es in Berlin je hätte haben können.45 Nach dem Essen reiste er weiter nach Zürich, wo er bei Ludwig unterkam, der ihn »äußerst herzlich« empfing. Ludwig hatte ihn zu diesem Besuch beschwatzt, indem er ihm von Zürichs wunderschöner Natur vorschwärmte. Du Bois-Reymond, der schon früh von Helmholtz’ Besuchsabsichten wusste, schrieb Ludwig ungefähr zehn Tage vorher: »Du wirst auch nächstens Helmholtz bei Dir sehen, den Riegengeist. Man sollte nur Naturforscher werden, wenn man eine Begabung hat der seinigen, daß man so ruhig und gelassen das Größte mühelos ans Licht bringt.« Helmholtz berichtete Olga, Ludwig sei »eine wirklich edle und liebenswürdige Natur«, dessen Frau ihn vermutlich von seinem »burschikose[n] Wesen von ehemals« kuriert habe. Am nächsten Tag besichtigte er das Chemielabor der Züricher Universität und ging mit Ludwig und seinem Prosektor Georg Hermann Meyer auf den Ütliberg, »wo ich zuerst die Gletscher mit den Schneefeldern in großartiger Majestät hin und wieder durch einzelne Wolkenfenster erscheinen sah. Vor diesen Bergen sind alle anderen Maulwurfshügel«.46 Nachdem er schon drei Wochen unterwegs war, erhielt er den ersten von insgesamt nur zwei Briefen von Olga. »Lieber Engel«, so schrieb sie, »eine Frau ohne Mann und Wirthschaft ist wie ein Tippel ohne i.« Sie könne »vernünftig« sein und die verbleibenden fünf Wochen noch aushalten, länger jedoch nicht. Olga war zutiefst bewegt, dass ihr Mann sie so sehr vermisste, glaubte aber, die Schönheit des deutschen Südens und der Schweiz würden ihn schon ablenken. Sie wünschte sich nur das Beste für ihren Gatten: Er solle das Leben in vollen Zügen genießen, auf sich aufpassen und nicht an sie denken (nur, »wenn Du irgend ein Wagstück unternehmen möchtest«). Sein Vater habe sie besucht, sei gesprächig und guter Laune gewesen, jedoch auch »etwas piquiert daß Du nicht ausführlichere Instruktionen zu deiner Schweizerreise von ihm verlangt hattest«. Sie gab ihm (ein paar) Briefe von Helmholtz zu lesen und ihm gefiel durchaus, was er da las, wenn er auch »empört« über seines Sohnes »Beurtheilung des Laokon« war. Vater und Sohn würden einiges zu besprechen haben, kündigte Olga an. Sie berichtete auch davon, dass seine Schwester Julie nach Dahlem gekommen sei und »ein trauriges Bild ihres Familienlebens entworfen« habe, besonders da Marie, die älteste Schwester, im Haushalt bestimmte und seine Mutter »oft auf eine so höhnische, wegwerfende Art«
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behandle; sie sei offenbar »erzegozentrisch«. Olga ließ ihren Mann wissen, dass sie jederzeit bereit sei, mit ihm und Käthe überallhin zu gehen, »aber nach Heidelberg am Liebsten«. Königsberg mochte sie eigentlich nur, weil es ihr dort gut gegangen war. Nicht mit einer Silbe erwähnte sie seinen Eltern gegenüber die Möglichkeit eines Ortswechsels, denn Leute wie sie, »die so wenig Interesse nach Außen hin haben ist eine solche, wenn noch so schwache, Aussicht, so Hauptsache, daß sie wohl mehr und sichrer zu andern Leuten davon sprechen als gut ist«. Dann berichtete sie noch von ihrer Tochter und schloss mit »tausend Herzensküssen«.47 Helmholtz verbrachte acht Tage bei Ludwig in Zürich und verliebte sich regelrecht in die schöne Umgebung. Ludwig hielt er für einen warmherzigen Menschen, dessen überaus positives Bild von Helmholtz’ Fähigkeiten teils du Bois-Reymond zu verdanken war. »Wenn du alle Lobeserhebungen gehört hättest, die er in seinem ehrlichsten Wohlwollen mir sagte, Du wärest gewiß mit ihm zufrieden gewesen.« Ludwig wollte sich immerfort mit Helmholtz à deux unterhalten und ihn von seinen Züricher Kollegen möglichst fernhalten, damit er ihn »allein« sprechen konnte. Sie redeten über »alle möglichen physiologischen und physikalischen Gegenstände«. Ludwig arbeitete unermüdlich »in der besten Richtung weiter« und wurde von seinen Studenten »schwärmerisch geliebt«. Helmholtz hielt Ludwig für einen Erfolgsmenschen, von dem »noch Größeres« zu erwarten sei, wenn er sich bisweilen auch von »matter Stimmung und hypochondrisch« ausnahm.48 Den Vormittag verbrachten die beiden immer in Ludwigs Institut, wo Helmholtz die Ausstattung, die Instrumente und Experimente in Augenschein nahm und junge Kollegen kennenlernte, von denen einer »übrigens wegen seiner Arroganz und Weltverachtung nicht zu brauchen war«. Nachmittags besuchten sie das Züricher Umland. Helmholtz liebte den Zürichsee und die umgebenden Berge und war beeindruckt von der Schweizer Verlässlichkeit in trivialen Angelegenheiten. »Überhaupt, was die niederen Tugenden des Menschengeschlechts betrifft, Fleiß, Tähtigkeit, Umsicht und eine nicht allzu strenge Ehrlichkeit, so sind die Schweizer das ausgezeichnetste Volk vielleicht was man sehen kann. Der ganze Canton Zürich ist ein Muster der Cultur, ohne Armuth, und unter gar nicht günstigen Naturbedingungen.« Andererseits gingen den Zürichern in seinen Augen »alle nobleren Züge so gänzlich ab, daß das Leben unter ihnen eine Plage zu sein scheint«. Das politische System der Schweiz, so Helmholtz weiter, beraube ihre Bewohner jeglichen Ehrgeizes, »und ihr Hauptstreben ist eine Art von Pfiffigkeit, vor der jeder anständige Mann in Deutschland oft genug sich schämen würde«. In Schweizer Familien spiele die Ehefrau »stets eine höchst untergeordnete Rolle«, sodass sie selbst in den wohlhabendsten und gebildetsten Haushalten »meist vertraulicher mit der Magd als mit dem Manne« sei. Optisch fand er die Schweizerinnen allesamt etwas »klobig, zum Theil knotig«. Er war jedoch überrascht, dass es den meisten »Stadtdamen« laut Ehevertrag zustand, drei bis vier Wochen im Sommer in den Bergen zu verbringen.49
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Nach Helmholtz’ Abreise aus Zürich schrieb Ludwig an Henle, dass Helmholtz in allen Themen, über die sie gesprochen hatten, sich bewandert gezeigt habe (außer teilweise in der vergleichenden Anatomie). Er sei darin »zu Hause« und in der Lage, über Entwicklungsbiologie, allgemeine und pathologische Anatomie, Chemie und allgemeine Botanik mit absolut jedem zu diskutieren. Du Bois-Reymond mutmaßte, Helmholtz’ breit gefächertes Wissen sei teils seinem immensen Pflichtgefühl geschuldet; er könne einfach nichts auch nur ansatzweise unvollständig hinterlassen. Ludwig antwortete, die Tage mit Helmholtz bildeten einen »Abschnitt« in seiner eigenen wissenschaftlichen Entwicklung, »diese Tage seiner Anwesenheit werden aber noch lange vorhalten in der Erinnerung«.50
In den Alpen und in Italien Helmholtz machte sich von Zürich auf, um in der Rigi zu wandern, wo er zufällig Peter Leopold von Schrenck traf, einen Zoologen, der in Dorpat und Berlin studiert hatte, um danach in Königsberg zu promovieren. Die beiden wanderten eine Weile zusammen. Auf diesen ersten Ausflug Helmholtz’ in die Alpen folgten im Laufe seines Lebens unzählige weitere. Er war überwältigt von der Rigi und beschrieb sie Olga, besonders ihre Gletscher, in allen Einzelheiten. Die Aussicht hatte es ihm angetan, und den Sonnenuntergang fand er äußerst imposant. Ihm fehlten die Worte, um die Berg- und Gletscherlandschaft zu beschreiben und wie sich Sonne und Wasser auf sie auswirkten. Allein, er war enttäuscht, als er den Gipfel erreichte, wo er »eine große Menschenzahl, meist scheußliches Touristenpack« vorfand. Schrenck und er stiegen ab und nahmen einen Dampfer nach Luzern. Wie schon die Region Zürich beeindruckte ihn auch Luzerns Landschaft und Umgebung, er fühlte sich an Schillers Wilhelm Tell erinnert. Von Luzern aus schauten sie sich das nahe gelegene Flüelen am Vierwaldstätter See an. Den müsse sie allerdings unbedingt mit eigenen Augen sehen, so schrieb er an Olga, um seine Schönheit zu begreifen.51 Er beschrieb weiter begeistert und in allen Einzelheiten die Umgebung Berns mit ihren Berglandschaften, Tälern und Gletschern. Diese romantische Szenerie war ganz nach seinem Geschmack. Vier Tage lang hatten er und Schrenck die »wilden Gebiergsparthien bereist«. Sie besichtigten die Ortschaften, wo Tell gelebt hatte. In Realp tranken sie zwei Flaschen italienischen Wein mit einem Kapuziner-Wirt. Die Menschen im Kanton Bern kamen Helmholtz ganz anders vor als die Züricher, er sah sich gezwungen, sein früheres, voreiliges Urteil über die Schweizerinnen »vollkommen [zu] widerrufen«. Die beiden wanderten viel, oft regnete es, und er büßte Olgas Schirm ein, wofür er sie brieflich um Verzeihung bat.52 Sie wanderten nach Rosenlauibad, dessen Gletscher laut Helmholtz über »das reinste Eis von allen Schweizer Gletschern« verfügte. »Alles was man in Mährchen von Eispalästen liest, wird hier realisirt.« Sein »fehlendes Malertalent« hin-
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derte ihn nicht an der Anfertigung einer Skizze. »Wie eine Schildkröte« kroch er mit Schrenck auf den Gipfel des Faulhorns (fast 2700 Meter über dem Meer). »Es ist der Hauptaussichtspunct für die Alpenkette, und die Aussicht wirklich ganz gewaltig großartig.« Obwohl er »ohne Rock und Hut« in die »brennendste Sonnengluth« ging, war er bei bester Gesundheit. Der Aufenthalt auf dem Gipfel des Faulhorns sei jedoch »höchst ungemüthlich« gewesen, da es kalt und windig war und er die Nacht zuvor schlecht geschlafen hatte (er hatte zu viel Kaffee getrunken, um sich zu wärmen). Die Engländerinnen, die ebenfalls in der Herberge übernachteten, schafften es nicht einmal aus ihren Zimmern. Helmholtz und Schrenck warteten begierig darauf, am nächsten Morgen wieder absteigen zu können.53 Ein Schneesturm zwang sie jedoch zum Verweilen. Also ruhten sie sich aus, spielten Schach und arbeiteten an Helmholtz’ Text zum Augenspiegel. Letzten Endes machten sie sich doch auf den Weg, weil sie nicht weiter dort festsitzen wollten. Sie liefen durch Schnee und Regen, bis sie einen Einspänner fanden, der sie nach Interlaken mitnahm. Die schöne Landschaft um Interlaken bedeutete Helmholtz weit weniger als Olgas Brief, der dort auf ihn wartete und »welcher mir erzählte, daß es ihr gut geht und daß sie mir ihr liebes Herz immer noch bewahrt«. Von seiner Frau erfuhr er Neues von Käthe, was ihn stolz machte – wenn er auch fürchtete, dass Vater und Tochter sich bei seiner Rückkehr nicht wiedererkennen würden. An jenem 31. August, seinem 30. Geburtstag, gratulierte er seiner Frau dazu [!], wie auch zu ihrem Hochzeitstag fünf Tage zuvor. Helmholtz gesteht in dem Brief, er habe das Datum nicht parat gehabt und daher nicht gefeiert, aber auch so an sie gedacht, »was für eine liebe Seele sie sei, und wie glücklich sie ihren Mann mache«.54 In Interlaken lebte er »sehr nobel«. Die meisten anderen Touristen waren Engländer, die wenig an Kontakten interessiert waren. Helmholtz speiste gut. Es gab drei Esstische, zwei für englische Gäste und einen für Deutsche. Zur deutschen Runde gehörten »ein alter Frankfurter Banquier (Jude) mit seiner gebildeten Judendame«, die Familie des estnischen Nikolai Baron von Dellingshausen und zwei alleinstehende Damen. Helmholtz stellte überrascht fest, dass Dellingshausens Sohn »eifrig schwere philosophische und physicalische Studien betrieb, und in diesem Sommer eine Schrift über speculative Physik hat drucken lassen, welche er mir verehrte, und worin einzelne ganz gute Gedanken vorkommen neben vielem Unsinn aus dem Hegelschen System«. Da es ohne Unterlass regnete, saßen die Gäste bei den Mahlzeiten länger zusammen und unterhielten sich gut. Im Gasthaus gab es ein Lesezimmer, wo Helmholtz, während die Engländer sich um den Kamin scharten, Band III von Humboldts Kosmos (1851) las, der sich um Astronomie drehte. Als er einmal einen nahe gelegenen Berg bestieg, stieß er zufällig auf die »Heil- u[nd] Erziehungsanstalt für Cretins« und besichtigte diese Einrichtung.55 Von Interlaken reisten Helmholtz und Schrenck mit dem Schiff nach Giessbach am Brienzersee, wo sie ihre Wanderung fortsetzten. In Thun kapitulierte er und
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kaufte einen neuen, guten Regenschirm: »Die billigeren waren zu unanständig.« Wie immer hatte er die Preise im Blick und hasste es, zu viel zu bezahlen. Die beiden Männer reisten weiter nach Kanderthal, wo der Regen sie zwang, in einem Dorfgasthof einzukehren. Sie vertrieben sich die Zeit mit Schachspielen auf einem improvisierten Brett. Am nächsten Tag war das Wetter besser, und sie nahmen den Gemmipass, der sie mehr beeindruckte als alle anderen zuvor. So gelangten sie nach Leukerbad mit seinen großen, warmen Bädern, wo die Gäste spezielle Badekleidung trugen und seltsame Dinge taten, wie zweimal am Tag vierstündige Bäder nehmen und sich dabei mit Brettspielen auf schwimmenden Tabletts vergnügen. »Es sieht höchst lächerlich aus«,56 ließ ein entspannter Helmholtz verlauten. In Leukerbad trennten sich die Wege der beiden Männer schließlich, Helmholtz wanderte allein durch das Rhonetal weiter. Nach fünf Stunden Wanderung bemerkte er, dass er sich wundgelaufen hatte. Am Nachmittag hatte er so große Schmerzen, dass er nicht mehr gehen konnte und zu Pferde weiterreisen musste (mit einem Treiber). Sechs unangenehme Stunden lang ritten sie durch die Hügellandschaft. Am nächsten Tag bestieg er den Monte Rosa an der Grenze zwischen der Schweiz und Italien. Als Helmholtz die 4600 Meter Höhe bis zum Gipfel hinter sich gebracht hatte, war er »müde, frierend, mit nassen Stiefeln« und es schneite so heftig, dass er weder Italien noch die Schweiz zu Gesicht bekam. Wieder unten angelangt, gab es immerhin einen Umzug zu bestaunen, »wo die Frauen in den italienischen weißen Schleiern erschienen«. Dann machte er sich auf zum Lago Maggiore.57 Einen Teil des Weges nach Ceppo Morelli ritt er, aber dort angekommen hatte er genug von dem Pferd und ging zu Fuß weiter (im Regen). Zwei Tage mit je sieben Stunden Wanderung lagen vor ihm. Die Gegend sei »sehr italienisch« und die Mädchen »auffallend hübsch, aber noch deutscher Typus in Gesicht und Kleidung«. Er versuchte, sich mit den Einheimischen zu unterhalten. »Ich spreche mit größter Ungenirtheit italienisch, und finde meine Aussprache besser als die der Eingeborenen. Sie verstehen mich, und wissen nicht zu unterscheiden, ob das fremdartige meiner Aussprache nicht gerade Italienisch sei; ich verstehe sie aber ebenso wenig wie das Deutsch der Walliser.« Da er fließend Deutsch sprach, hielt man ihn für einen Schweizer. »Daß man auch in anderen Ländern das könne, ging über ihren Horizont.« Die Gegend sei »pikkatholisch«, überall an den Häuserwänden Heiligenbilder und Kruzifixe. Abends war schöne Kirchenmusik zu hören und das eindrucksvolle Läuten der Kirchenglocken – wobei er sich doch wunderte, dass sie teils untereinander verstimmt waren.58 Auf dem Weg zum Lago Maggiore passierte er Dörfer und Kirchen, die ihm »poetischer« erschienen als alles, was er in der Schweiz gesehen hatte. Die Schneemassen auf dem Land ließen ihn sprachlos zurück, »es ist der brillanteste Lichteffekt«, aber die öden Bergtäler gaben ihm nichts. Seine Reise sensibilisierte ihn für ein Wahrnehmungsproblem: »Die Massen allein imponiren höchstens einen Au-
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genblick, und sind so fürchterlich groß, daß wir es mit unserem Augenmaaße gar nicht auffassen, sondern erst merken, wenn wir hinaufklettern.«59 Die Natur versorgte ihn mit Inspirationen für künftiges wissenschaftliches und philosophisches Nachdenken. Mittlerweile konnte er kaum noch laufen. »Leider war die letzte Meile, eine halbfertige Chaussee mit Steinen bestreut, Gift für meine Füße.« Am Ende der Wanderung hatte er ein Loch im Stiefel und an der Stelle eine neue Blase am linken Fuß (zusätzlich zu den schon vorhandenen). Auf diesem Teil seiner Reise büßte er (kurzfristig) sein jugendliches, bourgeoises, professorales Wesen ein und ging »wie ein lahmer alter Mann«. Seit Interlaken hatte er sich nicht rasiert, seine Hände waren von der Sonne gebräunt wie Kaffee, das Haar ungeschnitten, was ihn »sehr verführerisch« aussehen ließ.60 Man sah ihm die körperliche und geistige Entspannung an. Er war wie ein moderner Tourist aus einer dunklen Stadt im Norden, der in den sonnigen Süden fährt, um braun zu werden und zu relaxen. Die Sehnsucht nach körperlicher Erneuerung, Schönheit und Freiheit zog ihn in die Sonne und in die Berge. Auf seiner Alpentour ließ er den Stress des vergangenen, intellektuell fordernden akademischen Jahrs hinter sich und konnte den Romantiker in sich herauskehren. Die Berge und Seen hauchten seinem Interesse an Naturphänomenen neues Leben ein: an Licht, Farbe, Luft, Wolken, Bergen, Schnee und Eisformationen, an den wechselnden Wetterverhältnissen, an Wasserfällen und Gletschern. Er begann, mehr über optische Illusionen und die wechselhafte Natur der Perspektive nachzudenken. Helmholtz war von Italien ganz begeistert: »[H]ier in Italien giebt es fürchterlich viel zu erleben.« Als sich zwei Mailänder Pärchen mit einem Kutscher nicht auf den Preis für die Fahrt von Luino nach Lugano für sich und Helmholtz einigen konnten, beschlossen alle fünf kurzerhand, zu laufen. »Es war ein herrlicher Mondabend, ich ging mit; sie waren von sehr liebenswürdigen Manieren, und wir unterhielten uns so gut es mein Italienisch, und das Französisch zuließ, welches die hübschere der jungen Frauen sprach.« Später bekamen sie »einen sehr billigen Wagen«, der sie nach Lugano brachte. »Meinem Vater wünschte ich wohl, hier einmal zu spazieren, der Mann würde vor Entzücken ganz entzwei gehn.«61 Er hatte seinen tagträumenden Vater weit hinter sich zurückgelassen. Helmholtz setzte seine Reise per Boot fort und überquerte den »sehr schönen« Luganersee nach Como, dort nahm er einen Dampfer nach Bellagio. Der traumhafte Comersee mit seinen luxuriösen Villen und Statuen erschien ihm als der »schönst[e] Sommeraufenthalt«, den man sich nur denken könne. Besonders beeindruckend fand Helmholtz die Skulpturengalerie in der Villa Carlotta mit Albert Thorvaldsens berühmtem Marmorfries Der Triumphzug Alexanders des Großen in Babylon. Aber die »Perle darunter, und überhaupt von allem neuerer Sculptur, was ich gesehen habe, ist [Antonio] Canovas Amor der die Psyche weckt [Amor und Psy-
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che], ein Werk von der wunderbarsten Schönheit und Innigkeit.« Von der Villa Serbelloni bei Bellagio aus sah er im Sonnenuntergang die drei Teile des Sees und »fing an die Zauber Italiens zu fühlen«.62 Früh am nächsten Morgen nahm er das Dampfschiff zurück nach Como und bestieg dort einen Zug nach Mailand, »eine große prächtige Stadt mit allem Glanz u[nd] Lärm des italienischen Lebens«. Zwar hielt er den Mailänder Dom für das Highlight der Stadt, jedoch »[a]n Schönheit der Form steht er den gothischen Domen Deutschlands bei weitem nach«. Die gotischen Elemente seien hier nur »willkührliche Verzierungen«, wenn auch »geschmackvoll angewendet«. All diese Spitzsäulen, Strebebögen und Statuen »aus weißem Marmor gegen den blauen Himmel zu sehen« war ihm ein Anblick, »dessen Pracht man sich gar nicht vorstellen kann«. Zum Sonnenuntergang bestieg er mit ein paar Mitreisenden den Dom, unter ihnen ausgebreitet die »unerneßliche [sic] Ebene der Lombardei«, die Tyroler und Berner Alpen, der Monte Rosa, der Mont Blanc und die Apenninen. Sie aßen Eis – »in Italien lächerlich billig« – und gingen ins Theater, um sich die Oper Atala und das Ballett Le Corsaire anzusehen. »Ich habe zwar einzelne bessere Sänger gehört, aber noch nie ein Ensemble so schöner und so schön gebildeter Stimmen wie hier. Der Gesang war so frisch und so voll, daß es eine Freude war. Das Ballet war weniger schlecht als das Berliner, hatte aber den Vorzug, daß alles ungeheuer schnell ging.«63 In Mailand sah Helmholtz außerdem da Vincis Abendmahl und die Kunstsammlung im Palazzo di Brera. Er war enttäuscht, dass man dort gerade nur die neueren Bilder und nicht die klassische Sammlung zeigte. Zwar sei die schiere Menge der Werke beeindruckend, doch hielt er die letzte Ausstellung moderner Werke in Königsberg der im Palazzo di Brera für überlegen, die Porträts ausgenommen. »Die Bilder waren schrecklich dürftig; dagegen die Sculpturen größtentheils vortrefflich; von den alten Bildern sah man wenig schönes.«64 Am frühen Morgen des nächsten Tages setzte Helmholtz seine Reise nach Venedig fort. Unterwegs zog die fruchtbare Ebene der Lombardei mit ihren üppigen Gärten und Feldern an ihm vorbei, aber sie langweilte ihn. In Verona besichtigte er das alte Amphitheater und die Casa di Giulietta (konnte aber nicht ausmachen, welcher Julias Balkon war). »Venedig ist die Stadt der Wunder, ein lebendes Mährchen«, so Helmholtz. »Trotz allem, was man an Bildern gesehen, an Beschreibungen gehört hat, der Anblick übertrifft alles. Der Marcusplatz mit seiner Moscheenartigen bunten Kirche, zwischen den Palastreihen eingeschlossen, mit zahllosen Gaslichten, darüber der tiefblaue Mondscheinhimmel, und einige Schritte weiter das tiefblaue Meer, dazu die wogende wie zu einem Fest versammelte Menschenmenge, das ist ein unbeschreibliches Bild.« Den restlichen Tag verbrachte er mit Sightseeing und war überwältigt: »Die historischen Erinnerungen, die ungeheuren Reichthümer, welche Venedig aus der halben Erde zusammengeschleppt hat, die-
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se Kunstschätze, welche größtentheils in voller Farbenfrische noch prangen, sind gar nicht zu übersehen.« Er entschloss sich, noch einen dritten Tag dranzuhängen, um »die hiesige Bildergallerie mit Muße durch[zu]studieren. Denn während man sich in Deutschland nur spärlich Begriffe von der italienischen Kunstblüthe machen kann, schöpft man hier aus dem vollen.« Den verbleibenden Tag und den Abend ließ er es sich mit Wein, Austern, Eis und anderen Köstlichkeiten gutgehen – kein Obst jedoch, das er generell nicht aß oder nicht essen wollte (und selbst wenn er üppig speiste, entgingen ihm nie die Preise). Am nächsten Tag wollte er mit dem Boot nach Triest weiter.65 Mitte September war es mit Olgas Geduld zu Ende: »Ich muß meinen lieben eigenen Mann bald wieder haben, denn ich fühle mich oft fremd und bange nach meiner Selbstständigkeit nach meinem zu Hause, nach Dir.« Sie sehnte sich nach ihm und danach, Zeit mit ihm und Käthe in Königsberg zu verbringen. Zudem bereiteten ihr die Löcher in seinen Schuhen und die wunden Füße Sorge. Sie hatte seine Eltern in Potsdam aufgesucht, um sie auf den neuesten Stand zu bringen, und Ferdinand ein paar Briefe aus Italien gezeigt, mit denen er nun vor anderen angab. »Er ist so stolz auf Dich daß er neulich sogar sagte, wenn Dich die Berliner Herrn wie [der Augenheilkundler Johann Christian] Jünken usw. sprechen wollten könnten sie ja zu Dir nach Potsdam kommen.« Dennoch seien alle – besonders Ferdinand und Marie – ziemlich verstimmt gewesen, dass Olga nicht früher gekommen war. Sie blieb acht Tage dort und konnte so die Wogen glätten. Olga gestand, dass es mit seiner Familie alles andere als entspannt war – besonders, wenn es um deren Ratschläge zu Käthe ging, die Fieber hatte und kränkelte. Olga fragte sich, wie Lina, die doch ständig am Kochen sei, sechs Kinder hatte großziehen können. Dennoch hielt Olga sich vor ihren Schwiegereltern zurück – »es lag alles an ihrer unglücklichen Eigenthümlichkeit« – und verzieh ihnen schließlich.66 Ihr Mann war ihr dankbar, dass sie sich beherrscht und in der heiklen Situation mit seinen Eltern diplomatisch verhalten hatte: »Daß du in Potsdam so wacker ausgehalten hast, danke ich Dir sehr, und glaube wohl, daß sie es Dir sauer genug gemacht haben.« Er fühlte sich wohl auch etwas schuldig, dass sie sich um seine Familie in Potsdam kümmern musste, während er in Venedig Gemälde und Speisen goutierte, konnte aber nicht wiederstehen, ihr ein paar Kunstwerke zu beschreiben: Es ist hier eine Sammlung von Meisterwerken der älteren Venetianer, das Hauptwerk Tizians Himmelfahrt Maria, von der ich früher schon Kupferstiche gesehen hatte. Aber hier sind Kupferstiche noch schlechterer Ersatz, als Klavierauszüge von Symphonien, denn die unbeschreibliche Schönheit des Werks liegt in der ordentlich berauschenden Gluth der Farbe und des Lichts. Ähnliches hat[te] ich weder gesehn, noch kann man es sich vorstellen, ohne es gesehen zu haben, weil diese Art der Schönheit unsern deutschen Bil-
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dern ganz fern liegt. […] [A]ber viele haben doch immer noch einen wunderbaren Grad dieser Freudigkeit in der Farbgebung, und man begegnet einer großen Zahl der verklärtesten und idealsten Menschenköpfe, die man sich denken kann. Bevor Helmholtz Venedig verließ, kaufte er ein Andenken für seine Frau. Abends ging er zum Markusplatz, aß ein Eis, lauschte der Musik und nahm schließlich eine Gondel zum Dampfer Richtung Triest. An Bord traf er auf keinen Geringeren als Jüngken, einen federführenden, wenn auch konservativen Augenheilkundler. Jüngken, der von Helmholtz’ Augenspiegel gehört hatte, begegnete diesem »äußerst aimable«. Helmholtz’ Erfindung hatte mittlerweile große Kreise gezogen. In Triest wollte Helmholtz Rudolph Wagner und Johannes Müller aufsuchen, aber keiner war anzutreffen. Die moderne Handelsstadt Triest und ihr Markt faszinierten ihn. Er trat die sechzehnstündige Zugfahrt nach Wien an, wo er um sechs Uhr morgens ankam, »sehr zerstoßen und lendenlahm«.67
Mit Brücke in Wien Helmholtz machte sich in einem Gasthof frisch und suchte dann Brücke auf, der ihn freundlich empfing. Kurz darauf kam Wagner an und ungefähr einen Tag später auch Robert Bunsen, »einer der genialsten unserer Chemiker, so daß wir hier eine ganze gelehrte Gesellschaft bilden«.68 Diese glückliche Begegnung in entspanntem Umfeld mit Bunsen, der in Breslau lehrte, aber im folgenden Jahr nach Heidelberg ging, sollte sich für Helmholtz noch als äußerst nützlich erweisen. Die Sehenswürdigkeiten und Wanderungen in der Schweiz und Italien lagen hinter Helmholtz, er machte sich wieder an die Vermarktung seiner Ideen und ans Netzwerken. Brücke hatte sehnsüchtig auf Helmholtz’ Besuch gewartet. Sie waren gute Freunde, nicht nur, weil sie beide Ärzte waren und physikalisch orientierte Physiologen, die unter Müller gelernt hatten. Dazu verband sie ein tiefes, beständiges Interesse für die wissenschaftlichen Grundlagen – also Anatomie, Physiologie und Physik –, für Gemälde (Ästhetik) und Sprache, was sie wiederum zu psychologischen und philosophischen Fragestellungen führte. Sie beide waren Gelehrte, keine Fachidioten. Brücke war Helmholtz zufolge ganz der Alte. »[S]eine Frau ist ziemlich hübsch und ebenfalls von sehr angenehmem heiterem Wesen.« Die beiden Gäste schliefen in Brückes Studierzimmer, und Helmholtz wurde gleich in die Familie mit aufgenommen. Er lernte auch Brückes Arbeitsstätte und das physiologische Institut, eine »recht hübsche Einrichtung«, sehr gut kennen, da es ohne Unterlass regnete und sie sich hauptsächlich drinnen aufhielten, um wissenschaftliche Gespräche zu führen. Helmholtz zeigte dem Freund seinen Augenspiegel, worauf der zweifelsohne schon gespannt gewartet hatte. Allzu überrascht war er indes kaum
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von dieser Entdeckung, schließlich hatte er 1846 selbst erfolglos an einem ähnlichen Gerät gebastelt.69 Außer Brücke traf Helmholtz noch weitere Leute. Er suchte das bekannte Wiener Allgemeine Krankenhaus auf und begab sich ins Leichenschauhaus, um sich dem dortigen Professor für pathologische Anatomie, Karl Rokitansky, vorzustellen, der an der Wiener Universität lehrte und zu den bekanntesten Medizinern der Stadt gehörte. Danach zeigte er Wagner, Bunsen und anderen seinen Augenspiegel. Später am Tag legte er Brücke seine Arbeit zur Induktion vor. Den Abend verbrachte er bei dem Philosophen Franz Karl Lott; Wagner und einige weitere Wiener Professoren waren ebenfalls dort. »Es war ein angenehmer gemüthlicher Ton, aber zuweilen gab es Reihen etwas trivialer Anekdoten.«70 Noch ein weiteres Mal besuchte er Rokitansky und begutachtete (zusammen mit anderen) seine »höchst ausgezeichnete Sammlung der pathologisch anatomischen Präparate«, darunter »die weltberühmte Sammlung der Wachspräparate«. Später machte er sich mit Brücke und Wagner auf, um »zwei berühmte Bildwerke von Canova, ein Grabmal einer Princessin [Erzherzogin Marie Christine] in der Augustinerkirche, und die Statue des Theseus im Volksgarten« zu besehen. Diese Werke hielt er für weitaus schwächer als das, was er in Italien gesehen hatte. Sie spazierten über den Stadtwall, wo es Helmholtz recht gut gefiel, und unterhielten sich ausgiebig mit Wagner. Helmholtz schrieb später an Ludwig, dass Wagner ihn um seine Einschätzung zum Zusammenhang von Körper und Seele und betreffs »andere[r] dunkle[r] Punkte der Physiologie« gebeten habe. Seiner Meinung nach könne man, zumindest nach gegenwärtigem Stand der Physiologie, nichts dazu sagen. Auf Wagner machte Helmholtz’ »ganze Persönlichkeit« auf jeden Fall »einen höchst angenehmen Eindruck«, und Brücke ging es ganz ähnlich.71 Die wissenschaftliche Szene ausgenommen, fand Helmholtz die Stadt »schrecklich langweilig und drückend geistarm«. Auch in baulicher und architektonischer Hinsicht sei sie nicht mit Berlin zu vergleichen. Die meisten Straßen seien kurz und eng, »mit vielen großen, aber äußerst geschmacklosen Kunstüberraschungen gespickt«. Überhaupt, fand er, liege alles einfach viel zu weit voneinander entfernt. Er ließ sich Giacomo Meyerbeers große Oper Le prophète und Vincenzo Bellinis Norma entgehen, weil er lieber drei Kunstgalerien besuchen wollte. Mittlerweile hatte er jedoch keine große Lust mehr auf Sehenswürdigkeiten und wünschte sich heim zu Olga: »Halt fest noch diese Woche, dann bin ich wieder bei Dir, und verlasse Dich so bald nicht mehr.« Ende September 1851 war er wieder mit ihr und Käthe in Dahlem vereint.72 Helmholtz’ achtwöchige Reise war ein Wendepunkt in seinem Leben und seiner Karriere. Seine Reiselust, die sich schon während seiner Gymnasialzeit in Form von Ausflügen in die Umgebung angedeutet hatte, zog ihn nun nach Europa. Dank des Ausbaus des Eisenbahnnetzes konnte er Kontakte mit Wissenschaftlern in der
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ganzen deutschsprachigen Welt knüpfen, alte Freundschaften wiederaufleben lassen und neue Freunde gewinnen, außerdem seine neurophysiologischen Erkenntnisse, seinen Augenspiegel, seine wissenschaftlichen Standpunkte und nicht zuletzt sich selbst geschickt vermarkten. Mit seinem Ophthalmoskop und seiner Rundreise im Sommer 1851 wurde er zum Leitstern der Physiologie und der Medizin. Er verschaffte sich aus erster Hand ein Bild von den physiologischen Instituten führender Universitäten und brachte, allgemeiner gesprochen, sich persönlich und die Wissenschaft international voran. Nebenbei besuchte er einige der besten Kunstgalerien und Museen Europas und mehrte seine Kenntnis der europäischen Kunst in der direkten Sinneserfahrung. In den darauffolgenden Jahren wusste er sein Netzwerk für sich zu nutzen. Helmholtz war auf dem Weg nach oben und kannte sich nicht nur mit der Wissenschaft aus, sondern auch mit wissenschaftlichem Networking.
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Mit leeren Händen Nachdem Helmholtz im Herbst 1851 der Öffentlichkeit seinen Augenspiegel vorgestellt hatte, beeilte Preußen sich, dies zu honorieren. Die medizinische Fakultät Königsbergs erklärte, sie werde alles ihr Mögliche tun, um ihn zu halten, und ersuchte das Ministerium, seinen Leistungen Anerkennung zu zollen, indem man ihn zum ordentlichen Professor der Physiologie beförderte. Das Gesuch hob stärker den Bedarf in der Lehre hervor – nur ein richtiger Professor durfte Prüfungsleistungen abnehmen –, als Helmholtz’ Forschungsergebnisse zu rühmen. Vielleicht lag das daran, dass die Letzteren allzu offensichtlich waren, schließlich hatte Helmholtz bereits 17 Publikationen vorzuweisen. Du Bois-Reymond war jedenfalls beeindruckt von der »ungeheuren Arbeitskraft« des Freundes, dessen umfangeichen Kenntnissen und der Fähigkeit, »zugleich neue Collegia [zu] lesen und solche Arbeiten zustande [zu] bringen«. Dass Helmholtz so leistungsfähig war, führte er allein auf dessen Geisteskraft zurück: Helmholtz könne in einer Viertelstunde mehr verstehen als er selbst in einer ganzen Woche. Brücke zufolge arbeitete du Bois-Reymond sehr viel, Helmholtz aber noch mehr. Der für das Universitätswesen zuständige Ministerialbeamte, Johannes Schulze, hob neben Helmholtz’ Stärken als Lehrer und Forscher noch seine »sittliche und politische Haltung«1 hervor. Im Januar 1852 war Helmholtz ordentlicher Professor. Sein rascher Aufstieg zeigt, dass das Ministerium Forschung honorierte und den potenziellen allgemeinen Nutzen daraus erkannte.
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Helmholtz’ Eltern waren überaus stolz und erfreut über seinen Erfolg. Ferdinand war geschmeichelt, als die Potsdamer Mediziner und andere respektierte Bürger ihm zu den Leistungen seines Sohns gratulierten. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass sein Sohn nun Universitätsprofessor war, auch wenn er sich eingestehen musste, dass Hermann weitaus mehr berufliche Anerkennung erhielt, als es ihm jemals vergönnt gewesen war. Gewisse Spannungen im Vater-Sohn-Verhältnis blieben. Ferdinand wollte unbedingt teilhaben an den Projekten seines Sohns, griff jedoch oft auf hochspekulative Philosophie zurück, und sein Urteil (mitunter negativ) über Hermanns Arbeit auf Basis dessen, was aus seiner Sicht philosophisch folgerichtig war und was nicht, machte den Umgang mit dem Vater zunehmend schwierig. Helmholtz gewöhnte sich daher an, seine Arbeit einfach nicht mehr mit ihm zu diskutieren. Helmholtz’ Bruder Otto zufolge war Ferdinand deswegen oft verstimmt. Nachdem Hermann nun aber ordentlicher Professor war und ein großer Mann in der Wissenschaft, verflüchtigte sich dieses Gefühl langsam, und die Spannungen verschwanden größtenteils. Wie Ferdinand selbst äußerte, verliehen Hermanns wissenschaftliche Erfolge seinem eigenen Leben Bedeutung.2 Zugleich mit Helmholtz’ Beförderung verdoppelte das Ministerium sein Forschungsbudget (auf 200 Taler), ohne jedoch sein Salär zu erhöhen, was in ihm ein Gefühl der Unzufriedenheit hinterließ. Müller versuchte, ihn zu besänftigen, und erklärte, das Ministerium werde sicher nicht zögern, seinen Wünschen nachzukommen. Ludwig brachte einen beruflichen Ortswechsel ins Spiel, schließlich gebe es weit und breit keinen besseren Physiologen als Helmholtz. Bald schon, so Ludwig, werde es Helmholtz ins Herzen Deutschlands ziehen, wie es seiner künftigen herausragenden wissenschaftlichen Rolle entspreche. Wenn er seine eigenen bisherigen Leistungen mit denen von Helmholtz verglich, war Ludwig, ähnlich wie du Bois-Reymond, deprimiert und vergaß dabei ganz, dass er selbst bedeutende Arbeit geleistet hatte: zu der Theorie des Blutdrucks und dessen Messung, zur Harnabsonderung und zur Neurosekretion, ganz zu schweigen von der Erfindung des Kymographen. Ludwig tröstete sich damit, Helmholtz’ Freund sein zu dürfen, und hoffte auf ein baldiges Wiedersehen. Als du Bois-Reymond ihn einmal direkt nach seiner Meinung über Helmholtz’ enorme Arbeitsleistung fragte, antwortete er, derjenige sei ein Glückspilz, der ohne Anstrengung oder Zögern Großartiges erreiche – gerade so, wie ein Baum wachse. Sein einziger Trost sei der Gedanke, dass jemand, der so ruhig und ohne tiefes Leiden wie Helmholtz sei, auch dessen Gegenteil nicht kennen könne: eine glühende Freude. Ludwig hielt du Bois-Reymond (noch) für Helmholtz wissenschaftlich überlegen, da sich Helmholtz im Gegensatz zu du Bois-Reymond nicht auf ein Fachgebiet kapriziere.3 Für Helmholtz stand noch immer die Möglichkeit im Raum, wie Henle es im vorigen Sommer angedeutet hatte, nach Heidelberg zu gehen. Doch auch sechs Wochen nach seiner Beförderung hatte er noch nichts dazu gehört. Henle empfahl so-
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wohl ihn als auch du Bois-Reymond für die Physiologieprofessur und glaubte, dass bald eine Entscheidung getroffen würde. Er selbst dachte darüber nach, Heidelberg zu verlassen, und machte aus der Besetzung der so lange vakanten Professur eine Bedingung für sein Bleiben. Helmholtz’ Aussichten auf den Posten schmälerten sich jedoch bald, worüber er sehr enttäuscht war. Eine Vielzahl an Streitereien auf verschiedensten Ebenen (ideologisch, hochschulpolitisch, finanziell, politisch, innerhalb Heidelbergs, aber auch zwischen der Stadt und der Badener Regierung) ließ seine Kandidatur im Sande verlaufen. Im Juli ging Henle fort (nach Göttingen), er wurde von dem Anatomen und Physiologen Friedrich Arnold ersetzt. Henle war daran verzweifelt, dass Heidelberg es nicht geschafft hatte, sich einen (richtigen) Physiologen zu sichern: erst nicht Ludwig, dann nicht Carl Theodor Ernst von Siebold und jetzt nicht Helmholtz oder du Bois-Reymond.4 Helmholtz fand zu Hause Trost. Ungefähr neun Monate nach seiner Beförderung, die ihn gleichwohl mit leeren Händen zurückgelassen hatte, gebar Olga ein zweites Kind, Richard Wilhelm Ferdinand Helmholtz, einen »sehr wohlgelungene[n] Knaben«. Im Januar 1853 ließen sie ihn taufen. Olga kam das Kind jedoch teuer zu stehen. Während ihrer Schwangerschaft war sie die ganze Zeit krank gewesen, nach Richards Geburt erkrankte sie sogar schwer, ein »gastrisch nervöses, sehr langwieriges Fieber« mit einem Bronchialkatarrh (Entzündung der Schleimhäute in Nase und Atemwegen). Auch ihr chronischer Husten verschlimmerte sich. Käthe war ebenfalls krank, und Helmholtz trug sich den ganzen Winter über »mit mancher Angst und Sorge«. Ihm fehlte die nötige Ruhe, um weitere Zeitmessungen zu Nervenreizen vorzunehmen, er forschte jedoch weiter an der Akkommodation des Auges. Mit Richards Geburt trat das Familienleben noch stärker in den Vordergrund. Über die Wunder der Ehe sprach er in den höchsten Tönen, »ich weiß es aus eigener Erfahrung und erfahre es noch täglich«, ließ er du Bois-Reymond wissen, der endlich ebenfalls seine bessere Hälfte gefunden hatte. Heiraten, so Helmholtz, sei »der wichtigste und schönste Schritt des Lebens«. Die Ehe solle seinem Freund »reiche Blüten und Früchte eintragen wie mir«. Zu diesen »Früchten« gehörte auch Erfolg in der Forschung: »Wenn dein Fleiß und Kraft zur Arbeit in dem befriedigten Behagen des Ehestandes in demselben Verhältnisse steigen, wie es bei mir der Fall ist, so hat die Welt Wunder zu erwarten.« Nur kosteten Ehe und Familie auch etwas. Helmholtz benötigte mehr Geld und endlich, 1853, erhielt er eine Gehaltserhöhung auf 1000 Taler, nachdem er einen Ruf der Kieler Universität abgelehnt hatte.5
Revolution in der Augenheilkunde Vom Helmholtz’schen Augenspiegel hörten Physiologen und Augenkundler zuerst via Mundpropaganda, während und im Gefolge seiner Werbetour im Sommer 1851, und dann mit seinem Aufsatz im Herbst. Albrecht von Graefe beispielswei-
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se, der 1850 in Berlin eine kleine Augenklinik eröffnet hatte und Helmholtz noch nicht kannte, entwickelte ein großes Interesse an dessen Augenspiegel. Nach Lektüre des Aufsatzes schrieb er ihm einen begeisterten Brief und bat darum, ihm einen solchen Spiegel anfertigen zu lassen. Er berichtete davon auch seinen Kollegen, Lilliam Bowman in London und Louis-Auguste Desmarres in Paris. Bei Helmholtz’ Instrumentenhersteller gingen so viele Bestellungen ein, dass er die Interessenten bald weiterverweisen musste. Kurz nachdem Helmholtz’ Text erschienen war, hielt er auch seinen ersten öffentlichen Vortrag (November 1851) über den Augenspiegel im Rahmen der ersten Sitzung des Vereins für wissenschaftliche Heilkunde. Bei dieser Gelegenheit konnte er seinen Arztkollegen den Spiegel auch präsentieren. Ruete hielt in Göttingen ebenfalls einen Vortrag dazu. 1852 stellte er eine verbesserte Version vor, die ein innovatives, praktisches Linsensystem beinhaltete, welches ein umgekehrtes Bild von der Netzhaut erzeugte (die sogenannte indirekte Ophthalmoskopie). Ein Assistent Graefes namens Richard Liebreich konstruierte wiederum ein verbessertes indirektes Ophthalmoskop. Er vertiefte seine Kenntnisse über das Instrument, indem er sich mit führenden Persönlichkeiten in Berlin, Utrecht, Paris und London in Verbindung setzte.6 In den 1850er-Jahren nahm das Interesse am Augenspiegel und seiner Weiterentwicklung rapide zu. Er stand in einer Reihe mit anderen technologischen Innovationen des 19. Jahrhunderts auf dem Felde der Medizin – wie Stethoskop, Endoskop, Fieberthermometer, Laryngoskop und Blutdruckmesser –, die zur Beurteilung des inneren Zustands und der Funktionsweise des lebenden menschlichen Körpers dienten. Mit all diesen Instrumenten erfuhr nach und nach auch die Arzt-Patienten-Beziehung einen Wandel. Anfang 1852 bestellte Graefe mehrere Augenspiegel bei ortsansässigen Berliner Optikern. Ein Exemplar davon versprach er dem niederländischen Augenheilkundler Franciscus Cornelis Donders in Utrecht zu schicken, merkte aber an, es seien noch Modifizierungen nötig, damit man es in der ärztlichen Praxis nutzen könne. Donders, ein großer Verfechter wissenschaftsbasierter Medizin, der Kontakt zu mehreren Studenten Müllers hatte, fand aber, dass das Instrument für die Diagnose eines beginnenden Katerakts bereits von großem Nutzen sei. Er habe es schon für zahlreiche Diagnosen am Patienten genutzt. Auch Brücke ließ sich von Helmholtz’ Instrumentenhersteller mehrere Augenspiegel fertigen. Ludwig flehte du Bois-Reymond dringend an, ihm in Berlin einen Augenspiegel herstellen zu lassen. Du Bois-Reymond selbst fand die praktische Handhabung von Helmholtz’ ursprünglichem Modell schwierig; das Gerät sei komplizierter, als es scheine. Außerdem verfügten seiner Ansicht nach nur wenige Mechaniker über die nötige technische Ausstattung, um einen Augenspiegel zu bauen und zu testen. Helmholtz war von Ruetes indirektem Verfahren dazu angeregt worden, ein neueres, einfacheres Modell zu entwickeln, in dem sich eine konvexe Linse befand. Sein Instrumentenmacher hatte zudem für eine bessere Bedienbarkeit zwei drehbare
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Scheiben angebracht (mit je vier konkaven Linsen). So musste sich im Grunde jeder, der einen Augenspiegel haben wollte, an einen professionellen Instrumentenmacher wenden, zumal das Gerät mit den ständigen Weiterentwicklungen technisch zunehmend komplexer wurde. Es gelang nur sehr wenigen kreativen Tüftlern, wie dem schottischen Physiker James Clerk Maxwell, ihr eigenes Instrument anhand von Helmholtz’ Beschreibungen zu bauen. Einige wenige Augenärzte lehnten den Augenspiegel auch schlicht ab. Ein Kollege von Helmholtz, seines Zeichens Chirurg, fand das Instrument zu gefährlich, ein anderer betrachtete es als unnötig.7 Nachdem seine Erfindung ein Jahr in der Welt war, konzentrierte Helmholtz sich auf die Formulierung einer Theorie zur Akkommodation des Auges, also zu der Frage, wie es der Linse gelingt, sich auf Objekte in verschiedenen Entfernungen zu fokussieren. Diese schon lange bestehende Frage, die bereits im Mittelalter erörtert wurde, war für die Forschung nach wie vor von großem Interesse. Bei der Akkommodation ging es im Grunde um die Brechung des Lichts im Auge. Helmholtz konzentrierte sich in diesem Zusammenhang auf die Rolle, die Veränderungen in Geometrie und Mechanik der Linse spielten, weniger auf ihre Anatomie oder Biochemie. Wie es für ihn typisch war, erdachte er ein neues Instrument, das Ophthalmometer, um die sich ändernde Oberflächenkrümmung der Hornhaut und anderer Flächen im Auge zu messen. Ebenso typisch: Bei seinen Messungen ging es eher um Veranschaulichung als Präzision. Seine Analyse war zwar mathematischer und mechanischer Natur, er wies jedoch auch auf den Nutzen hin, den seine Theorie und sein Gerät für das praktische Verständnis des gesunden und kranken Auges haben konnten.8 Das Ophthalmometer, das Ophtalmoskop und die Theorie der Akkommodation revolutionierten auch tatsächlich das Verständnis und die Diagnosemöglichkeiten des Auges und beeinflussten die Augenchirurgie nachhaltig. Für die Augenheilkunde waren sie ebenso bedeutsam wie das Teleskop und die graduierte Skala für die Astronomie. Helmholtz’ Arbeit stärkte seine Kontakte nach Berlin. Im Winter 1852/53 hatte er mit seinen Versuchen zur Akkommodation begonnen, aber wegen diverser Erkrankungen in seiner Familie fiel ihm das Arbeiten schwer. Wie früher schon bat er du Bois-Reymond um Hilfe bei der Veröffentlichung eines vorläufigen Manuskripts zur Akkommodation. Du Bois-Reymond war vor Kurzem zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften gewählt worden und ließ Helmholtz wissen, er sei nun in einer besseren Position, um ihn bei einer Veröffentlichung dort zu unterstützen. Mitte Januar 1853 fuhr Helmholtz nach Berlin, um am Jahrestreffen der Physikalischen Gesellschaft teilzunehmen. Dort traf er auf seine guten Freunde du Bois-Reymond, Karsten, Brücke, Knoblauch und Kirchhoff. Ebenfalls im Januar sandte er du Bois-Reymond einen kurzen Text für den Monatsbericht der Akademie und fügte hinzu, dass er für die Fertigstellung des kompletten Beitrags noch eine Weile brauchen werde. Ende Februar kehrte er nach Berlin zurück und hielt
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vor der Gesellschaft einen Vortrag über Akkommodation.9 Es sollte noch knappe zwei Jahre dauern, bis er den Text zu diesem Thema fertigstellte. In der Zwischenzeit wurde von mancher Seite Priorität gegenüber Helmholtz’ vorläufigen Ergebnissen beansprucht. Donders berichtete ihm (und kurz darauf auch Brücke), dass der niederländische Arzt Antoine Cramer gerade ein ähnliches Projekt abgeschlossen habe. Er bat ihn, Cramer zu erwähnen, da dessen Name ansonsten unter dem Gewicht von Helmholtz’ Namen komplett untergehen würde. Andere (darunter auch Brücke und Max Langenbeck) arbeiteten ebenfalls zum Thema Akkommodation. Die Frage, wer etwas zuerst entdeckt hatte, schwang immer mit. Enge Freunde konnten ebenso um den Vorrang streiten wie Fremde. Großzügig ließ Helmholtz etwa du Bois-Reymond den Vortritt darin, der Urheber des Vergleichs des menschlichen Nervensystems mit dem neuen elektrischen Telegraphensystem zu sein. Dieses Bild erfreute sich um die Jahrhundertmitte (zusammen mit der metaphorischen Vorstellung von Netzen und Netzwerken) sowohl in der Literatur als auch in Wissenschaft und Technik großer Beliebtheit.10 Helmholtz’ Leistungen in der Physiologie und der Augenheilkunde traten im Verbund mit der innovativen Arbeit anderer Wissenschaftler in den 1850er- und 1860er-Jahren eine Revolution auf dem Gebiet der Ophthalmologie los, die sowohl die Ophthalmologie als Wissenschaft betraf als auch die klinische Praxis. Unterschiedlichste naturwissenschaftliche, technologische und institutionelle Entwicklungen beeinflussten sich dabei gegenseitig. Donders etwa betrieb Grundlagenforschung zur Lichtbrechung und Akkommodation des Auges, befasste sich aber auch mit der entsprechenden klinischen Arbeit zur Verschreibung von Sehhilfen. Graefes Klinik machte sich mit ihren chirurgischen und organisatorischen Neuerungen einen Ruf; sie war auch beim Einsatz des Augenspiegels ganz vorne mit dabei, testete ihn, nutzte ihn und unterrichtete in seinem Gebrauch. Es war Graefes Verdienst, dass Berlin zum Zentrum für Augenheilkunde aufstieg; er stand an der Spitze einer neuen Generation klinischer Ophthalmologen. 1854 gründete er mit dem Archiv für Ophthalmologie die erste und wichtigste Zeitschrift auf diesem Gebiet. Die Rolle von Helmholtz’ Augenspiegel für Diagnostik und Therapie wurde darin entsprechend gewürdigt. Mitte der 1850er-Jahre hielt das Instrument Einzug in die Praxen führender Augenärzte. Was die Ärzte nun am Auge beobachten konnten, ersetzte nach und nach die Beschreibungen der Patienten darüber. Auch löste sich die Augenheilkunde langsam von der Chirurgie und wurde zur eigenständigen Disziplin. 1852 war Ruete in Leipzig der erste ordentliche Professor für Ophthalmologie, 1873 gab es an jeder preußischen Universität einen solchen Lehrstuhl. Die Augenheilkunde als eigenes akademisches Gebiet hing stark von physiologischen Erkenntnissen ab, zu denen Helmholtz mit seinen späteren Studien zur Farb- und Raumwahrnehmung sowie zur Augenbewegung und -koordination einiges beisteuerte und damit die generelle Entwicklung des Fachs, seine klinische For-
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schung und Praxis nachhaltig beeinflusste. Graefe pries Helmholtz mit den Worten: »[E]in Luther ist uns auferstanden.« Wie Donders Helmholtz berichtete, hatte die Erfindung des Augenspiegels mit dazu beigetragen, dass in den Niederlanden eine Augenklinik errichtet worden war. Als der niederländische König Wilhelm III. von dem nützlichen Instrument erfuhr, erhob er Helmholtz zum Ritter und Träger des Ordens vom Niederländischen Löwen.11 Die Deutschen, welche diese Revolution der Augenheilkunde losgetreten hatten, blieben mit ihren Ansichten nicht allein. Der Augenspiegel verbreitete sich in Holland und Frankreich – wie in vielen anderen Gebieten der Wissenschaft und Medizin übertraf Deutschland mittlerweile in der Augenheilkunde Frankreich an Innovationskraft –, und damit wuchs auch Helmholtz’ Renommee. Donders schrieb ihm, kein Wissenschaftler wolle es mit ihm aufnehmen. Die Nachricht von dem neuen Instrument gelangte bis nach Amerika, und junge Augenärzte pilgerten an deutschsprachige Universitäten, vor allem nach Berlin und Wien, um mehr darüber zu lernen. Auch in Großbritannien hörte man von der Erfindung. Henry Bence Jones war ein bekannter Londoner Arzt und medizinischer Chemiker, der mit Liebig studiert hatte und genau verfolgte, was sich in der deutschen Wissenschaftsszene tat. Er bat du Bois-Reymond, ihm, wenn er nach London komme, einen von Helmholtz’ Augenspiegeln mitzubringen, den er an einen dortigen Augenarzt weitergeben wollte. Durch du Bois-Reymond wurde auch David Brewster auf das neue Instrument aufmerksam, und die beiden wollten dafür sorgen, dass Helmholtz’ Aufsatz ins Englische übersetzt würde. Helmholtz verweigerte jedoch die Zusammenarbeit, da er drauf und dran war, eine niederschmetternde Kritik zu Brewsters Farbenlehre zu veröffentlichen. Der renommierte englische Arzt Bowman, dessen Augenchirurgie bald schon für Aufsehen sorgte, erkannte gleichfalls früh den Stellenwert von Helmholtz’ Augenspiegel und nutzte ihn in seiner Praxis. 1857 war er in England der Erste, der Graefes Iridektomie bei Glaukomen durchführte. Im gleichen Jahr organisierte Graefe den ersten Augenärztekongress in Heidelberg, und von da an wurden jährlich informelle Treffen abgehalten. 1863 begründeten die Kongressteilnehmer offiziell die Ophthalmologische Gesellschaft, die sich von da an in Heidelberg traf.12 Die Fortentwicklung und weit verbreitete Übernahme seiner Erfindungen und Forschungsergebnisse zum Auge brachten Helmholtz schnellen und anhaltenden Ruhm ein. Du Bois-Reymond äußerte 1853 gegenüber seiner Verlobten, dass Helmholtz in den Naturwissenschaften der größte lebende Forscher sei und generell zu den besten gehöre, die je gelebt hätten. Dafür, vergaß er nicht hinzuzufügen, sei er sozial etwas träge. In Würzburg war Helmholtz laut Ernst Haeckel, damals ein junger Student, als der genaueste unter den zeitgenössischen Physiologen bekannt, der alles mit größter mathematischer Genauigkeit anging. Helmholtz äußerste sich später folgendermaßen dazu: »Für meine äussere Stellung vor der Welt war die Construction des Augenspiegels sehr entscheidend. Ich fand nun bei Behörden und Fach-
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genossen bereitwilligste Anerkennung und Geneigtheit für meine Wünsche, so dass ich fortan viel freier den inneren Antrieben meiner Wissbegier folgen durfte.«13 In der Tat: Seine erste breite und nachhaltige Anerkennung verdankte er nicht etwa seinem Krafterhaltungssatz, sondern dem Augenspiegel. Neben der Augenheilkunde gab es weitere Felder wissenschaftlicher Betätigung. Zwischen 1847 und 1854 entwickelte Helmholtz zwei verschiedene Methoden, die Geschwindigkeit von Nervenimpulsen zu messen und darzustellen. Neben derjenigen Methode, die auf Pouillets ballistischem Galvanometer basierte, ersann er eine zweite, graphische Methode. Sie basierte auf seinem neuen Myographen, einem Instrument, das er aus Ludwigs Kymographen (zur Aufzeichnung von Puls und Blutdruck mithilfe einer rotierenden Walze) entwickelt hatte. Die Ergebnisse des Myographen waren weniger präzise als diejenigen, die man mit Pouillets Methode erhielt. Aber mit Helmholtz wesentlich einfacher zu handhabenden Gerät ließen sich die Kurven der Muskelkontraktion graphisch aufzeichnen (und somit leicht erkennen), weshalb der Myograph als Darstellungsinstrument für Muskelkontraktion und Nervenimpuls überzeugte. 14 Diese bahnbrechenden Erkenntnisse der Elektrophysiologie stammten teils aus einer Studienreihe zu induzierten elektrischen Strömen, Strömen im menschlichen Körper und tierischer Elektrizität. Helmholtz’ Untersuchungen zu induzierten Strömen stützten sich auf die Forschung Georg Ohms, Kirchhoffs und weiterer, die das Konzept der Ersatzschaltung etabliert hatten. Die Arbeit war weitgehend physikalisch (nicht physiologisch), aber Helmholtz betonte, wie wichtig die beiden Ansätze füreinander waren. Zwei Aufsätze dazu erschienen in Poggendorffs Annalen, und es gab kein böses Blut, weil Poggendorff zuvor Helmholtz’ Text zur Erhaltung der Kraft abgelehnt hatte. Helmholtz veröffentlichte zudem eine »populäre« Erläuterung zur tierischen Elektrizität, die sich vor allem kritisch mit du Bois-Reymonds neuesten Ergebnissen zur »negativen Schwankung« auseinandersetzte. Sie erschien in der Allgemeinen Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur. Diese neue Zeitschrift, herausgegeben von Karsten in Kiel, wollte Wissenschaft und Literatur einem breiteren Publikum zugänglich machen und die Präsenz deutscher Kultur im Nordwesten »Deutschlands«, wo Preußen und Dänen um die Vorherrschaft in Schleswig-Holstein kämpften, in den Vordergrund rücken. Alles zusammengenommen – Helmholtz’ Aufsätze zur Nervenleitgeschwindigkeit und seine früheren Arbeiten zur Gärung und Fäulnis sowie zu den chemischen Veränderungen der Muskeln bei Kontraktion – bildeten sich durch sein wissenschaftliches Tun neue Teilgebiete der experimentellen Physiologie heraus, welche die Physiologen für den Rest des Jahrhunderts beschäftigten. Helmholtz mit seinen körperbezogenen Zeitmessungen (z. B. zur Reaktions- und Assoziationszeit) war wegweisend für das neue interdisziplinäre Feld der Psychophysik, das Männer wie Gustav Theodor Fechner und Ernst Heinrich Weber begründen sollten.15
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Kritik an Goethe und die Farbmischungsdebatte Zu Helmholtz’ Aufstieg an die Spitze der deutschen Wissenschaftsszene gehörte auch sein Debüt als Essayist und öffentlicher Wortführer der deutschen Wissenschaft. Zu Anfang des Winters 1852/53 war er damit beschäftigt, einen Vortrag über Goethe als Wissenschaftler vorzubereiten. Den Entwurf diktierte er Olga und las ihn ihr danach laut vor, wobei er ihr Verständnis für das eines allgemein gebildeten Zuhörers nahm. Seine Vorträge gelangen ihm am besten, so fand er, wenn Olga ihm damit half. Am 18. Januar 1853 hielt er seine Rede über »Goethes naturwissenschaftliche Arbeiten« vor der Deutschen Gesellschaft zu Königsberg. Goethes Ruf als Literat hatte damals wohl seinen Tiefpunkt erreicht. Auch dass Helmholtz die wissenschaftliche Arbeit des Dichters thematisierte – zu einem Zeitpunkt, als in Deutschland die Popularisierung der Wissenschaft noch in den Kinderschuhen steckte –, schadete Goethes allgemeinem Ansehen als Gelehrtem eher, als dass es ihm nützte.16 Helmholtz’ Rede umfasste weit mehr, als ihr Titel vermuten lässt. Er analysierte darin Goethes wissenschaftliche Arbeit in den Bereichen Botanik und vergleichende Anatomie (Osteologie) auf der einen und Optik und Farbenlehre auf der anderen Seite. (Unerwähnt ließ er etwa Goethes Studien zur Geologie, Mineralogie und Meteorologie.) Er ordnete Goethes Arbeiten in den aktuellen Kontext der Naturwissenschaften ein und wollte ihre »gemeinsamen leitenden Gedanken« aufzeigen. Indem er das tat, berührte er auch das Thema der Natur von Wissenschaft im Allgemeinen, im Vergleich und in Abgrenzung zur Kunst. Es wurde sein erster Versuch, einer breiteren Öffentlichkeit seine eigene Vorstellung von Wissenschaft und Erkenntnistheorie nahezubringen, und zwar in dem größeren Kontext seines langjährigen Kunstinteresses. Er versuchte weniger, die Dinge so zu erklären, dass wirklich alle sie verstehen konnten, als vielmehr die Fantasie seiner Zuhörerschaft anzuregen, auch wenn dies bei einigen ungeklärte Fragen zurücklassen würde.17 Der »geistigere Theil« der deskriptiven Wissenschaften, so erklärte er, beginne eben erst und werde interessant, sobald der Wissenschaftler unzusammenhängende Funde zu gesetzmäßigen Aussagen verbinde. Diese Arbeitsweise und der historische Moment kämen dem »ordnende[n] und ahnende[n] Geist unseres Dichters« sehr entgegen. Goethe habe zwei bedeutsame Ideen zur deskriptiven Wissenschaft gehabt: Erstens, dass die unterschiedliche Anatomie aller Tiere Variationen eines Archetypen seien. Die verschiedenen Verhaltensgewohnheiten, geographischen Bedingungen und Nahrungsvorräte seien der Grund, warum sich mit der Zeit die Anatomie unterschiedlich entwickelt habe. Mensch und Tier wiesen trotzdem Gemeinsamkeiten auf. Goethe entdeckte in menschlichen und tierischen Schädeln Strukturen, die ihn zu der Annahme veranlassten, beide seien ursprünglich aus dem Zwischenkieferknochen entstanden, der sich selbst später zurückbildete. Helm-
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holtz sah diese Vorstellung von den Varianten eines Archetyps als Goethes »leitende Idee« in der vergleichenden Anatomie, und nie habe diese Idee jemand »besser und klarer ausgesprochen« als der Dichter.18 Das war eine wohlwollende Auslegung, denn Goethe war wohl nicht der Erste und Einzige, der glaubte, der menschliche Schädel habe sich aus einem oder mehreren veränderten Wirbeln entwickelt. Und das weiter gefasste Konzept von der Transformation allen Lebens im Verlauf der Zeit war unter Naturhistorikern seit der späten Aufklärung wohlbekannt (wenn auch selten akzeptiert). Goethes »zweite leitende Idee« betraf laut Helmholtz »eine ähnliche Analogie zwischen den verschiedenen Theilen« eines organischen Wesens. In seiner Theorie von der Metamorphose der Pflanze erkläre er die scheinbar unterschiedlichen Pflanzenformen als Transformationen aus einer unterliegenden Grundstruktur, die für Goethe in der Blattnatur aller Pflanzenorgane bestand. Dieses Wissen hielt Helmholtz 1850 für seitens der Botaniker schon vollkommen akzeptiert. Im Gegensatz dazu habe Goethe mit seiner Theorie von einem gemeinsamen Typus im Tierreich bisher wenig bis keine Zustimmung erfahren, solange andere Forscher nicht eigenständig zu denselben Schlüssen kämen. Dennoch sah Helmholtz in Goethe den geistigen Urheber ebenjener »leitenden Ideen«, die Botaniker und Anatomen nun weiter ergründeten.19 Einen ganz anderen Ton schlug Helmholtz an, als sein Vortrag sich Goethes Vorstellungen zur Optik und seiner Farbenlehre zuwandte. Hierüber konnte er aus erster Hand und mit Autorität sprechen. In den beiden vergangenen Jahren hatte Helmholtz viel auf diesen Gebieten gearbeitet. Er hatte sich wahrscheinlich zum Teil deshalb für Goethes wissenschaftliche Arbeit als Vortragsthema entschieden, weil er gerade eine kritische Durchsicht der diesbezüglichen Arbeiten Dritter abgeschlossen hatte und begann, eigene Ideen zu entwickeln. Jeweils im Wintersemester lehrte er an der Königsberger Universität im Rahmen seiner Vorlesung über sensorische Physiologie über Farbe. Anders als der Großteil seiner physiologischen Arbeit bestand seine Farbforschung hauptsächlich aus der Verdichtung von bereits Bekanntem. Hier gab es keine neuen Instrumente zu bauen oder Entdeckungen zu machen, sondern er setzte sich mit der Arbeit anderer auseinander – darunter der unbestrittene Meister der experimentellen Optik und Farbtheorie, David Brewster. Dieser entwickelte in den 1820er- und 1830er-Jahren eine Theorie des Sonnenspektrums, wonach drei Grundfarben Weiß ergaben. Wenn er Newtons Ansätze damit nicht sogar ganz ablehnte, so stellte er dessen Farbtheorie doch, wie Goethe, gehörig infrage. Newton hatte gezeigt, dass sich (mithilfe eines Prismas) weißes Licht in sieben Spektralfarben zerlegen ließ. Brewster hingegen sprach nur von drei Farben, bestimmte Arten weißen Lichts ließen sich seiner Ansicht nach nicht weiter aufgliedern. Helmholtz war durchaus nicht der Erste, der Brewsters Theorie eines dreigeteilten Spektrums infrage stellte, tat dies jedoch am effektivsten. Seine
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Ausgangslage dafür war einfach besonders vorteilhaft: Da war sein unübertroffenes Verständnis der Physik und Physiologie des Auges, da waren seine Königsberger Kollegen, die er um Hilfe ersuchen konnte (Moser zu Fragen der Farbintensität, beispielsweise dem Purkinje-Effekt, Neumann für Optik im Allgemeinen und um sich ein Prisma zu leihen), dann seine eigenen laufenden Untersuchungen zur Zusammensetzung von Licht und schließlich seine große Vertrautheit mit Brückes Studie zu subjektiven Farben. Jedenfalls kam Helmholtz’ Beitrag von 1852 einem Umsturz gleich: Er widerlegte Brewsters Solarspektrumstheorie und verteidigte vehement Newtons Farblehre.20 Seinen Anti-Brewster-Vortrag über die Theorie der zusammengesetzten Farben publizierte Helmholtz sowohl in Poggendorffs Annalen als auch in Müllers Archiv. Das entsprach nicht nur dem zugleich physikalischen und physiologischen Charakter des Themas, sondern spiegelte auch sein wachsendes Ansehen als Physiker und Physiologe wider. Vor der Veröffentlichung hatte er sich an du Bois-Reymond gewandt, um das Erscheinen in Müllers Zeitschrift sicherzustellen und – typisch Helmholtz – die Kosten für die 200 Exemplare, die er zur Habilitation benötigte, zu minimieren. Ganz kleinlich beklagte er sich zudem, dass sein neuester Aufsatz im Archiv nur Lückenbüßer ganz am Ende eines Heftes geworden sei. Dieses falsche Gefühl, schlecht behandelt worden zu sein, spiegelt seinen Ehrgeiz und Elan wider. Verärgert fragte er, ob das Archiv überhaupt noch am Thema experimentelle Physiologie interessiert sei; allein sein Respekt vor Müller halte Ludwig und ihn davon ab, eine neue Fachzeitschrift zur experimentellen Physiologie zu gründen. Du Bois-Reymond ließ ihn wissen, dass er die Dinge vollkommen falsch sah: Das Archiv hatte ihn keinesfalls schlecht behandelt, vielmehr war der Herausgeber so darauf erpicht gewesen, alles von Helmholtz zu veröffentlichen, dass er dessen Artikel lieber noch ans Ende der aktuellen Ausgabe gepackt hatte, als ihn zurückzuhalten, bis die nächste erscheinen würde.21 In seiner Habilitationsschrift, mit der Helmholtz zum ordentlichen Professor wurde, ging er die älteren Farbtheorien kritisch durch, diskutierte (und verwarf ) Thomas Youngs Dreifarbentheorie der Farbwahrnehmung und kam dann unter anderem zu dem Schluss, dass farbiges Licht oder Pigmente durch »Addieren« oder »Subtrahieren« vermischt werden können (z. B. indem man Lichtstrahlen auf den gleichen Punkt der Netzhaut richtete oder verschiedene Pigmente kombinierte). Seit Newton war man sich über das Thema der Farbmischung uneinig. Einige, die daran arbeiteten (nicht alle davon Wissenschaftler), nutzten Pigmente zur Farbmischung, andere Licht, einige näherten sich dem Thema aus dem Kontext der Malerei heraus, andere kamen aus der Physik, wo man Farben normalerweise mithilfe sich drehender Scheiben oder Räder mit farbigen Feldern darauf mischte. Manche griffen auf Prismen und Linsen zurück, wieder andere mischten Farben auf physiologischer Basis. Helmholtz’ Theorie und Veranschaulichung der Farbmischung in
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den Begriffen von Addition und Subtraktion der Farben brachte konzeptionelle Ordnung in die Sache. Dennoch konnte er nicht genau erklären, wie die Mischung zustande kam, und viele (nicht zuletzt Joseph Grailich und Hermann Günther Grassmann) hielten daher seine Arbeit für nicht sonderlich wichtig oder gehaltvoll. Er hatte jedoch auch seine Fans. Es waren nicht nur Freunde wie Ludwig oder Donders, die ihm versicherten, dass keiner mehr an Brewsters Farblehre glaubte. Mit seinem Text auf Englisch im Philosophical Magazine hatte er auch Menschen überzeugt, die ihn bisher nicht kannten, darunter William Barton Rogers, ein junger amerikanischer Chemiker und Geologe.22 Das Thema sollte Helmholtz im Jahre 1855 weiter beschäftigen. Ende Juni 1852 hielt er, obwohl er mit einem »heftigen Katarrh, de[m] steten Begleiter der Sommerhitze«, zu kämpfen hatte, seine Antrittsvorlesung über die menschliche Sinneswahrnehmung. Dabei dozierte er über die Beschaffenheit von Licht und Farbe sowie ihre Wahrnehmung. Erst zum Ende hin wandte er sich epistemologischen Fragen zu und erklärte knapp, dass Licht- und Farbempfindungen nur Symbole für die Relationen der Wirklichkeit seien. Sie hätten genauso wenig gemeinsam mit der Realität und so viel Ähnlichkeit oder Bezug zu ihr wie der Name einer Person oder der Schriftzug dieses Namens mit dem Menschen selbst. Derlei Symbole, so Helmholtz, verrieten nichts über die Natur an sich.23 Sein Standpunkt, in dem sich seine spätere epistemologische Position erst andeutete, betonte die Bedeutung beider Dimensionen für die wissenschaftliche Analyse: der materiellen (physikalischen und physiologischen) und der immateriellen (zeichenhaften). Als Helmholtz bei seiner Goethe-Vorlesung im Januar 1853 über dessen Theorie von Licht und Farbe sprach, tat er dies auf Basis seiner eigenen experimentellen und theoretischen Beschäftigung mit dem Thema und als Teil seiner umfassenderen Kritik an Brewster und anderen, die seit Newton auf diesen Gebieten gearbeitet hatten. Während er aber für Goethes Überlegungen zur vergleichenden Anatomie Lob übrig hatte, fiel die Kritik an dessen Ausführungen zu Optik und Farbe – und ganz allgemein an dessen methodologischem Vorgehen in den Naturwissenschaften – vernichtend aus. Auf dem Feld der Physik war Goethe für Helmholtz ein absoluter Amateur, dessen ursprüngliches Interesse ja auch in der Ästhetik gelegen habe, nicht in der Physik. Helmholtz spottete, dass Goethe sich ein Prisma hatte ausleihen müssen – und vergaß dabei anscheinend ganz, dass er sich selbst eins von Neumann geborgt hatte –, welches der Dichter dann aber lange nicht zu nutzen gewusst habe. Zudem habe Goethe (zumindest anfänglich) Newtons Theorie des Lichts nicht wirklich verstanden (sich aber hämisch darüber ausgelassen und gegen Newton polemisiert). Goethe widersprach der Theorie Newtons, nach der weißes Licht aus einem Spektrum einzelner monochromatischer Strahlen zusammengesetzt ist. Man könne Licht nicht weiter zerlegen, Farben verstand er vielmehr in den Kategorien von »Plus« oder »Minus«. Durch ein Prisma betrachtet entstanden aus Licht nach
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seiner Beobachtung genau an der Grenze zwischen Hell und Dunkel Farben. Goethe glaubte, Newton habe dieses Phänomen übersehen und daher nicht in seiner Theorie berücksichtigt. Newton war für Goethe, wie für manchen Romantiker jener Zeit, der Buhmann schlechthin. Die Physiker entgegneten Goethe jedoch, dass sie über die von ihm beobachteten Phänomene sehr wohl Bescheid wussten und sie allesamt mithilfe von Newtons Theorie erklären konnten. Goethes Äußerungen Zur Farbenlehre (1810) konnten letztendlich niemanden überzeugen.24 Helmholtz war nicht der erste Physiker, der Goethes Ausführungen zur Optik ablehnte. Schon seit ihrem Erscheinen 1791 waren sie ausgesprochen kritisch rezipiert worden. Goethe, dem das gar nicht ähnlich sah, machte diese Kritik schwer zu schaffen. Er ließ sich sogar zu jenem bekannten Ausspruch verleiten, als Einziger auf dem Gebiet der Farbenlehre das Rechte zu wissen – worauf er sich sogar mehr zugutehielt als auf seine Leistungen als Poet. Goethe sah sich eben genauso als Wissenschaftler wie als Dichter. 1850 zumindest hatte aber kein Wissenschaftler mehr ernsthaftes Interesse an Goethe als Naturforscher. Helmholtz sagte später, das »große Aufsehen«, welches Goethes Farblehre in Deutschland verursachte, »beruhte zum Theil darauf, dass das grosse Publikum, ungeübt in der Strenge wissenschaftlicher Untersuchungen« sei und daher eine künstlerische Darstellung der mathematisch-physikalischen vorzog. Außerdem stehe Goethes Theorie so wunderbar mit Hegels Naturphilosophie im Einklang.25 Helmholtz räumte ein, dass Goethe es verstand, seine Beobachtungen klar, lebhaft und gut strukturiert darzustellen. Er beschreibe »streng naturgetreu« und erscheine »wie überall im Gebiete des Thatsächlichen, als der grosse Meister der Darstellung«. Aber er habe Newtons Ergebnisse zur Optik offensichtlich nicht voll und ganz erfasst. Selbst als er bessere Unterweisung in dessen Lehre erhalten habe und tatsächlich zu einem Verständnis derselben gelangt sei, behauptete er weiter, die Faktenlage spräche gegen Newton. Goethes Schriften zur Optik befand Helmholtz weiter für »polemisch« und vage, bei seiner Farbenlehre überkam Helmholtz »ein unheimliches ängstliches Gefühl«. Goethes Forschung auf dem Gebiet der Optik habe kein solides Fundament, seine Theorie sei nicht zu Ende gedacht. Alle Physiker – er schien konsequent den Anti-Newtonianer Brewster zu vergessen – stimmten darin überein, dass sich die zur Debatte stehenden optischen Phänomene mit Newtons Theorie erklären ließen. Nur Goethe sei da anderer Meinung, »dessen seltene geistige Grösse, dessen besonderes Talent für die Auffassung der thatsächlichen Wirklichkeit wir nicht nur in der Dichtkunst, sondern auch in den beschreibenden Theilen der Naturwissenschaften anzuerkennen Ursache haben«.26 Im zweiten Teil seines Vortrags nahm Helmholtz kein Blatt vor den Mund. Er analysierte die Gründe für Goethes Stärken und Schwächen in der Wissenschaft (und der Kunst) und präsentierte einige seiner eigenen Ansichten über Ästhetik, Wissenschaftsphilosophie und die Beziehungen zwischen Naturwissenschaft und
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Kunst. Wesentlich für die Kunst sei es, »das künstlerische Material zum unmittelbaren Ausdruck der Idee zu machen«. Kunst operiere nicht mit Konzepten, sondern mittels der »unmittelbaren geistigen Anschauung«. Die Idee selbst liege im Kunstwerk. Helmholtz befand, Goethes größter Fehler in der Befassung mit naturwissenschaftlichen Fragen liege – wie bei Schelling, Hegel und anderen Naturphilosophen – in der mangelnden konzeptionellen und experimentellen Herangehensweise. Goethe glaubte, ein wissenschaftlich interessierter Beobachter könne alle Geheimnisse der Natur lüften, und belächelte Newtons Versuchsvorrichtungen und Spektren. Statt anzuerkennen, wie wichtig das kontrollierte Experimentieren für die Wissenschaft war, favorisierte er das direkte Beobachten – was, wie Helmholtz zugestand, für seine morphologischen Arbeiten hinreichend sein mochte. Goethe habe durchaus »Grosses« in der Wissenschaft geleistet, indem er sich auf seine Intuition verlassen habe, die ihn ahnen ließ, dass etwas in der Art eines Gesetzes in greifbarer Nähe lag. Goethe konkretisierte dieses Gesetz jedoch nie, denn das wiederum lag nicht »in der Richtung seiner Thätigkeit«. Er ging mit der Natur um wie mit der Kunst.27 Laut Helmholtz glaubte Goethe, wissenschaftliche Beobachtungen ließen sich ganz einfach so durchführen, »dass eine Thatsache immer die andere erkläre«, der Kontext sorge schon für Erkenntnisse, die Sinneswahrnehmung allein reiche vollkommen aus. Mit einer solchen Auffassung stimmte Helmholtz nicht überein: Um Naturerscheinungen vollständig erklären zu können, müsse man sie vielmehr auf die natürlichen Kräfte, die ihnen zugrunde lagen, zurückführen. Wahrgenommen werden könnten aber stets nur die Effekte der Naturkräfte, nicht die Kräfte selbst. Naturerscheinungen zu erklären, heiße daher im Grunde, das »Gebiet der Sinnlichkeit« zu verlassen und das Reich der Begriffe zu betreten. Wolle man die Ursache bestimmter Phänomene verstehen, müsse man die Kräfte dahinter ermitteln und ergründen, wie Phänomene und Kräfte zusammenhingen.28 Goethe hatte ein organisches Verständnis von Natur, das der mechanistischen Tradition widersprach, die sich auf Descartes, Newton und andere Denker des 17. Jahrhunderts zurückführen ließ und in der auch Helmholtz stand. Helmholtz unterstellte Goethe, »diesen Schritt in das Reich der Begriffe, welcher notwendig gemacht werden muss, wenn wir zu den Ursachen der Naturerscheinungen aufsteigen wollen«, zu fürchten. Sein Erfolg als Dichter sei ebenso wie sein Misserfolg als Wissenschaftler darauf zurückzuführen, dass er nicht mit Begriffen arbeite. Anders als Goethe, so erklärte Helmholtz weiter, wolle der Physiker einführen »in eine Welt unsichtbarer Atome, Bewegungen, anziehender und abstoßender, die, in zwar gesetzesmässigem, aber kaum zu übersehendem Gewirre, durcheinander arbeiten. Ihm ist der sinnliche Eindruck keine unumstössliche Autorität […] Das Resultat dieser Prüfung, wie es jetzt vorliegt, ist, dass die Sinnesorgane uns zwar von äusseren Einwirkungen benachrichtigen, dieselben aber in
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ganz veränderter Gestalt zum Bewusstsein bringen, so dass die Art und Weise der sinnlichen Wahrnehmung weniger von den Eigenthümlichkeiten des wahrgenommenen Gegenstandes abhängt, als von den Sinnesorganen, durch welche wir die Nachricht bekommen.« Das war genau das Thema von Müllers Theorie der spezifischen Sinnesenergie. Aber Helmholtz erweiterte seine Kritik noch über das bisher zu Goethes falschem Verständnis von Licht und Farbe Gesagte hinaus ins Allgemeine: Goethe habe das Wesen der Physik nicht verstanden und erkenntnistheoretische Fehler begangen. »Die Sinnesempfindungen sind uns nur Symbole für die Gegenstände der Aussenwelt und entsprechen diesen etwa, wie der Schriftzug oder Wortlaut dem dadurch bezeichneten Ding entspricht«, so Helmholtz. »Sie geben uns zwar Nachrichten von der Eigenthümlichkeit der Aussenwelt, aber nicht bessere, als wir einem Blinden durch Wortbeschreibungen von der Farbe geben.« Im Grunde seien Goethes Beiträge zur Optik überhaupt keine Wissenschaft, sondern eher ein Versuch, »die unmittelbaren Wahrheiten des sinnlichen Eindrucks gegen die Angriffe der Wissenschaft zu retten«. Allein die Vorstellung, dass Goethe unmittelbaren Sinneseindrücken in der Optik – wie in der Poesie – so viel Bedeutung beimaß, bringe einen in »Verlegenheit«.29 Die wahre Physik trachte danach, »die Hebel, Stricke und Rollen zu entdecken, welche, hinter den Coulissen arbeitend, diese regieren, und der Anblick des Mechanismus zerstört freilich den schönen Schein«. Goethe hingegen versuche fälschlicherweise, der »Wirklichkeit selbst vollständig poetisch« seinen Stempel aufzudrücken. Das mochte die Schönheit der Goethe’schen Dichtung erklären, aber auch, warum er sich gegen die Heranziehung von allerlei mechanischen Wirkkräften wehrte, die ihn in seinem »poetischen Behagen« stören könnten. Helmholtz warnte die Physiker, nicht ebenso zu verfahren wie Goethe: »Wir können aber den Mechanismus der Materie nicht dadurch besiegen, dass wir ihn wegleugnen, sondern nur dadurch, dass wir ihn den Zwecken des sittlichen Geistes unterwerfen. Wir müssen seine Hebel und Stricke kennen lernen – […] um sie nach unserem eigenen Willen regieren zu können; darin liegt die grosse Bedeutung der physikalischen Forschung für die Cultur des Menschengeschlechts und ihre volle Berechtigung gegründet.« Seine Herangehensweise an die Naturwissenschaft habe Goethe in deskriptiven Fächern wie Botanik oder Osteologie großen Erfolg gebracht – was ebenso für seinen dichterischen Ansatz gelte –, ihn aber in der Physik scheitern lassen.30 In Helmholtz’ Sicht waren Wissenschaft und Kunst im Grunde zwei verschiedene Sphären. Helmholtz’ Kritik unterschied sich schon darin von der seiner Vorgänger, dass er sie vor einem breiten Publikum in einer für Laien verständlichen Sprache äußerte. Sein Vortrag erschien später im selben Jahr als Aufsatz in einer Zeitschrift für Wissenschaft und Literatur und war ausgesprochen erfolgreich. Das lag an mehreren Faktoren: Helmholtz’ steigendes Ansehen in der deutschen Wissenschafts-
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szene verlieh ihm Autorität, er hatte Goethes Beiträge zur Optik in einen größeren intellektuellen Kontext eingeordnet, und schlussendlich hatten sich auch schlicht die Zeiten geändert. Indem er Goethe öffentlich kritisierte und mit anderen (inzwischen meist verstorbenen) romantischen Philosophen (»Wissenschaftlern«) in Verbindung brachte, wurde Helmholtz zum öffentlichen Wortführer jener nüchternen, realistischen und mechanistischen Sicht auf die Natur, die sich nach 1848 dem Romantizismus der Naturphilosophie gegenüberstellte, die im ersten Drittel des Jahrhunderts noch vorgeherrscht hatte. Dass Helmholtz Goethe nicht vollkommen aus der Naturwissenschaft ausklammerte, lag hauptsächlich daran, dass der nie wirklich ein Teil davon gewesen war; in jedem Fall zog er eine philosophische Grenzlinie zwischen Wissenschaft und Kunst. Dass sein Aufsatz am Ende auch noch gut lesbar und vielerorts verfügbar war, ließ Goethes Ruf als Wissenschaftler (besonders als Physiker) weiter leiden. Helmholtz beeinflusste damit maßgeblich die weitere Rezeption von Goethes Schriften zur Optik bis mindestens in die 1920er-Jahre, als der Organizismus in der deutschen Wissenschaft und Kultur wieder positiver aufgenommen wurde.31
Noch einmal Networking in Deutschland Als sich der Frühling 1853 dem Ende zuneigte, bereitete Helmholtz sich auf eine Britannienreise vor. Daneben musste er sich auch noch um Olgas Gesundheit kümmern. Den gesamten Winter über hatte eine Halsentzündung sie geplagt, und obwohl es ihr schon besser ging, behandelte ihr Mann sie noch immer mit Lebertrankapseln. Das Königsberger Klima war denkbar ungünstig für eine Person mit ihren gesundheitlichen Problemen, und Olga übernahm sich bei der Kinderpflege und im Haushalt. Seit Ostern litt sie außerdem wieder an einem Katarrh, Helmholtz sorgte sich sehr um sie. Er selbst ruhte sich die vier Wochen vor seiner Reise aus und trank Marienbader Quellwasser gegen seine »häufigen und heftigen Kolikanfälle«.32 Seine Reise kann sinnbildlich genommen werden für zwei große Veränderungen in der Wissenschaft. Sie steht einerseits für die zunehmende Internationalisierung der Wissenschaft, eine Entwicklung, die hauptsächlich dem verbesserten Schienennetz zu verdanken war. Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern oder auch entlegenen Orten innerhalb eines Landes konnten sich nun viel einfacher auf Konferenzen oder zu anderen Gelegenheiten treffen. Zweitens spiegelt der Umstand, dass Helmholtz nach Großbritannien fuhr und nicht nach Frankreich, die um die Jahrhundertmitte abnehmende Bedeutung Frankreichs für die Wissenschaft wider. Für frühere Generationen junger deutscher Wissenschaftler wie zum Beispiel Humboldt oder Magnus war eine Frankreichreise (d. h. nach Paris) zur Beförderung ihrer künftigen Karriere ein Muss gewesen. Ein Besuch in Paris brachte einen
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auf den Stand der neuesten, wenn nicht gar besten wissenschaftlichen Arbeiten, verschaffte persönliche Kontakte zu führenden oder vielversprechenden Wissenschaftlern und eröffnete den Zugang zu wissenschaftlichen Institutionen. Um die Mitte des Jahrhunderts war all dies passé, und die französische Wissenschaftsszene war vergleichsweise unwichtig geworden. Helmholtz zog es nicht nach Frankreich beziehungsweise stand der französischen Wissenschaft und ihren Vertretern sogar regelrecht feindselig und verächtlich gegenüber. Er äußerte gegenüber du Bois-Reymond: »Ich habe mich geärgert, daß so ein dürftiger Bursche, wie Bernard, wieder den großen physiologischen Preis bekommen hat und fast in die Akademie hinein gewählt wäre. Er scheint aber die Herren [François] Magendie und Mr. [Pierre] Flourens auch mit Schmeicheleien zu überzuckern.« Du Bois-Reymond stachelte ihn an: »Es amüsiert mich sehr, daß das dumme Geschmeiß in Paris Herrn Bernard und Herrn [Julius] Budge und [Augustus] Waller mit Preisen überschüttet, aber für Dich nichts – Du hast ihnen doch nichts getan; was mich betrifft, so haben sie ihre guten Gründe.« Helmholtz kommentierte dies folgendermaßen: »Die französische Akademie blamiert sich in der Physiologie jetzt so, daß man sich sehr bedenken muß, ihr physiologische Sachen zuzuschicken[…]«33 Helmholtz hatte diese Franzosenfeindlichkeit teils von seinem Vater übernommen, teils ließ sie sich aber auch darauf zurückführen, dass seine französischen Kollegen – von denen er keinen persönlich kannte – der physikalisch ausgerichteten Physiologie von Helmholtz und seinen deutschen Mitstreitern aus der organischen Physik ihrerseits skeptisch gegenüberstanden. Er überquerte daher lieber einmal die Nordsee als den Rhein. Einer seiner Hauptgründe für die Reise war ein Treffen der British Association for the Advancement of Science (BAAS) in Hull. Er hoffte, dort John Tyndall zu treffen, der 1853 von der Royal Institution of Great Britain zum Professor für Naturkunde ernannt worden war (was ihn bald zu einem weithin bekannten Wissenschaftler machte). Tyndall hatte in Marburg mit Bunsen und Knoblauch studiert. Nach seiner Promotion dort im Jahre 1850 arbeitete er im Frühling 1851 in Magnus’ Labor, wo er sich mit einigen aus Helmholtz’ Umkreis anfreundete. Von du Bois-Reymond erhielt Tyndall Helmholtz’ Text zur Erhaltung der Kraft mit der Bemerkung, er stamme vom größten Denker Europas seit Jacobi, Tyndall möge ihn doch bitte ins Englische übersetzen.34 Auf seiner Reise Anfang August nach England legte Helmholtz Zwischenstopps in Berlin und Potsdam ein, um Familie, Freunde und Kollegen zu treffen. Zuerst besuchte er Müller (»er war sehr freundlich gegen mich«), dann Poggendorff (»er war sehr zuvorkommend«), schließlich August Karl Krönig, einen ehemaligen Studenten Magnus’, der neuer Herausgeber der Fortschritte der Physik war und später (nach 1856) die kinetische Gastheorie mitentwickelte. Helmholtz bereitete für Krönig einen Bericht über seine neuesten Untersuchungen zur Akustik vor, und Krö-
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nig bat ihn um einen weiteren zur Theorie der Wärme. Zwischen 1847 und 1859 veröffentlichte Helmholtz insgesamt elf Artikel zu diesen Themen und war damit einer der wichtigsten Beiträger der Zeitschrift (und also auch der Physikalischen Gesellschaft). Helmholtz suchte seinen Schneider auf: »Dort bestellte ich mir einen schwarzen feinen Überrock und weiße Weste; beide sind sehr wohl gerathen.« Außerdem bestellte er, ebenfalls Teil seiner Reisevorbereitung, Visitenkarten. Um sich zu entspannen, ging er in Johann Nestroys Posse Kampl oder das Mädchen mit Millionen und die Näherin.35 Er aß in Berlin bei Magnus zu Abend. »Das Diner war sehr fein, mit Champagner«, und zu den Gästen gehörten der Berliner Chemiker Heinrich Rose und kein Geringerer als Tyndall, »ein sehr talentvoller junger Mann« und für Helmholtz natürlich der interessanteste Gast des Abends. Leider werde er nicht in England sein, wenn Helmholtz dort sei. »Ich hatte eigentlich auf seine Hülfe gerechnet; doch bekomme ich von ihm nun Anweisungen und Empfehlungen, die mir auch nützen werden.« Nach dem Abendessen gingen die beiden im Tiergarten spazieren, und wenngleich Tyndall »ziemlich gut deutsch« sprach, unterhielten sie sich auf Englisch. »Es war mir sehr angenehm, daß ich ihn verstand, wenn er nicht zu schnell sprach«, bemerkte Helmholtz, »und er lobte meine Aussprache, als sehr gut.« Im Gegenzug setzte er ihm einige physikalische Themen auseinander.36 Es war der Beginn einer Freundschaft. Am nächsten Tag besuchte er Dove, der ihm »von den Berlinern die besten Empfehlungsschreiben geben« konnte, »wozu er auch gleich bereit war«. Er versuchte, sich an jenem Nachmittag erneut mit Tyndall zu treffen, lief aber Graefe über den Weg, der ihm seine neuesten ophthalmologischen Erkenntnisse unterbreitete und »viele Schmeucheleuen« für Helmholtz’ Augenspiegel übrig hatte. Auch Wiedemann traf er, der ihn zum Abendessen zu sich einlud. Sie tranken Bier, aßen »warmes Fricassee, kalte Mehlspeisen und Butterbrod« und unterhielten sich mit vielen interessanten Menschen (darunter »eine Menge wohlgebildeter, geschmackvoll angezogener und sich sicher fühlender Frauen«).37 Am nächsten Morgen stellte er sich bei Karl Otto von Raumer vor, der dem konservativen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten Preußens vorstand. Danach besuchte er eine Gemäldeausstellung des Kunstvereins, wo ihn Menzels König Friedrichs II. Tafelrunde in Sanssouci aufs Neue beeindruckte sowie Hans Frederik Gudes Sommerabend auf einem norwegischen Binnensee. Er ging noch Schulze im Ministerium besuchen, der »äußerst gnädig« war und ihn wissen ließ, dass er gleich eine Zulage bekommen werde, sobald das Ministerium über mehr Geld verfüge; er hoffe nur, Helmholtz werde in Königsberg bleiben. »Als ich das Klima tadelte, sagte er, es müsse mir doch vortrefflich bekommen, nach meinem Aussehen zu schließen.« Nachmittags machte Helmholtz sich zu seinem Onkel auf und sang ein Duett mit seinem Bruder Otto: »Er hat eine sehr
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gute Stimme, und singt manches recht hübsch; hat sich aber, wie es scheint, ganz auf die sentimentalen Lieder geworfen.«38 Bevor er aus Berlin losfuhr, gab er Krönig seinen Artikel für die Fortschritte und bekam von Dove zwei Empfehlungsschreiben, zwei weitere von Magnus und ein Diplom von Rose, das er August Wilhelm Hoffmann, dem deutschen Direktor des Royal College of Chemistry in London, überbringen sollte. Helmholtz ging vor seiner Abreise noch ins Neue Museum, wo er sich vor allem für Kaulbachs Die Blüte Griechenlands interessierte, eins von sechs großen, historischen Wandgemälden, die er für das Museum gemalt hatte. Schließlich traf er sich noch mit Tyndall zum Mittagessen, und sie spazierten durch den zoologischen Garten. »Wir sprachen die ganze Zeit englisch, über alle schwierigsten Fragen der Physik; er ist ein sehr liebenswürdiger, bescheidener und klarer Kopf.« Von Tyndall erhielt er mehrere Empfehlungsschreiben.39 Abends quälten ihn furchtbare Zahnschmerzen, die sich auf den nächsten zehn Tagen seiner Zugreise durch Deutschland und sogar noch nach seiner Ankunft in London verschlimmerten. Von Berlin aus fuhr er jedoch erst einmal nach Halle, um sich unter anderem mit dem Physiologieprofessor Volkmann zu treffen. Vor ungefähr einem Jahr hatte Helmholtz seine Schwierigkeiten mit ihm gehabt. Nun standen die Dinge anders, und Helmholtz mochte ihn, »obgleich er sich mitunter in falsche mechanische Vorstellungen hineinreitet, und mich mehrere Male in Verlegenheit setzte, wie ich mich herausreden sollte, ohne die Unwahrheit zu sagen, und ohne ihn zu kränken.« Dennoch verbrachte Helmholtz einen schönen Abend mit ihm und seiner Familie, »die Frau scheint klüger zu sein, als er, hänselt ihn z. B. mit dem Tischrücken, wodurch er sich ein wenig hatte bethören lassen.« Tischrücken war wohl gerade in Mode: Helmholtz hatte kürzlich du Bois-Reymond erzählt, dass man Arbeiten zur tierischen Elektrizität damit in Verbindung gebracht hatte. Von einer gebildeten Dame hatte er auch gehört, dass die Forschungsergebnisse über die negative Variation von elektrischen Strömen in Nerven als ein äußerst törichter Beweis für die Unsterblichkeit der Seele verwendet wurden.40 Abends fuhr er nach Frankfurt weiter. Es war so kalt, dass seine Zahnschmerzen zurückkamen. Er behalf sich damit, dass er sich »in Schawl und Mantel gewickelt auf die Sonnenseite des Wagons setzte«, bis er gehörig schwitzte, »danach hörten sie auf«. Er aß im eleganten Hotel Landsberg. »Ich bin sonst nicht eben empfindlich gegen Gasthofluxus; wenn es aber so wohl eingerichtet ist, wie hier, ist er doch nicht unangenehm«, schrieb er an Olga. Nach »einem meist langweiligen Concerte« hörte er »ein höchst großartiges Fragment aus einer hinterlassenen Oper von Mendelssohn, Lorelei«.41 Helmholtz nahm einen frühen Zug nach Mainz und traf auf englische Touristen. Ihre Gesellschafterin erschien ihm gebildet, sie gehörten selbst aber wohl »nicht
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zur crème«. Von Mainz aus fuhr er mit dem Dampfschiff den Rhein entlang (»zu schön«). Es war »der Gipfel der Romantik« und übertraf seine geringen Erwartungen an die Rheinlandschaft um einiges. Später in Bonn fand er ein Hotelzimmer mit schönem Flussblick und beobachtete begeistert die Passagier-Dampfschiffe und die mit Kohle beladenen Schleppdampfer. Seine Bemühungen, sich an der Universität mit dem Physiologen Julius Budge zu treffen, verliefen im Sande, und er suchte stattdessen unangekündigt den Physiker der Universität, Julius Plücker, der auch Mathematiker war, zu Hause auf. Er war nicht anzutreffen, dafür aber seine hübsche, kluge Frau – »nur nicht so, daß Du eifersüchtig werden müßtest«, ließ Helmholtz Olga wissen. Mit Helmholtz kam gleichzeitig auch August Beer an, ein junger Physiker und Mathematiker, ehemals Student bei Plücker und, wie Helmholtz (richtig) vermutete, Jude. Helmholtz zufolge hatte Beer »recht gute optische Arbeiten gemacht«. Als Plücker nach Hause kam, war er ganz müde von der Arbeit und öffnete Helmholtz zu Ehren einen guten Weißwein. Der schien den Gastgeber wieder zu beleben, während Helmholtz einen neuen Schub Zahnschmerzen erlitt (was ihm eine schlimme Nacht bescherte). Am nächsten Morgen zeigte Plücker ihm sein Labor. Hemholtz’ Zahnschmerzen zwangen ihn, seine Weiterreise nach Köln um einen Tag zu verschieben.42 Von Köln aus ging es weiter nach Ostende, unterwegs lernte er zwei »tractable« Schwestern aus England kennen. Von Ostende aus fuhr er mit dem Dampfer weiter, sechs regnerische, windige Stunden waren es bis nach Dover, ab da reiste er mit dem Schnellzug nach London – »Die Engländer fahren wie die Teufel« –, wo er um sechs Uhr morgens ankam. Ganz begeistert war er vom englischen Rasen. Später aß er bei Christian K. J. Freiherr von Bunsen zu Abend, einem gut vernetzten Diplomaten, Gelehrten und Liberalen, der als preußischer Gesandter in London weilte. Königsberg war fern, und da er von London aus nicht im Detail über Olgas gesundheitliche Situation informiert bleiben konnte, erteilte er ihr ausnahmsweise keinen ärztlichen Rat.43
In London London war für Helmholtz ein großes Babylon; in puncto Größe und Kultur war selbst Berlin »ein Dorf gegen London«. Helmholtz erkundete die Stadt alleine zu Fuß. Ihm gefielen die weitläufigen Grünflächen, er schaute den Lords beim Reiten zu und wie sie ihre Kutschen die abgezäunten Wege entlanglenkten. Alle Menschen, die Helmholtz in den Parks sah, erschienen ihm ausgesprochen gesund und gut angezogen. Letzteres galt selbst für die Kindermädchen, mit »einer Tournüre, wie sie sich manche preußische Comtesse wohl wünschen könnte«. Londons wundervolle Parks und all das Grün wogen in seinen Augen die Nachteile auf, die eine große Stadt mit sich brachte. Die Häuser des West End seien tagsüber zwar nicht schön anzuschauen, nachts wirkten sie jedoch elegant. Helmholtz genoss außer-
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dem den Luxus, dass im Gegensatz zu Berlin hier ständig bequeme Busse verkehrten. Er fühlte sich wie zu Hause.44 Um Geld zu sparen, zog er aus dem Hotel aus und mietete zwei Zimmerchen. Er aß an diesem Tag gemeinsam mit zwei deutschen Orientalisten bei Freiherr von Bunsen zu Mittag, alles war vom Feinsten. Bunsen fand er etwas eitel – er versuchte den Eindruck zu vermitteln, dass er gut mit Faraday bekannt war, was Helmholtz nicht glaubte –, jedoch sehr zuvorkommend ihm gegenüber. Er verfasste sogar unaufgefordert ein Empfehlungsschreiben für den Zoologen Richard Owen.45 Am Abend schaute er sich Byrons Sardanapalus an, eine beliebte Tragödie über einen assyrischen Kaiser. Die Kostüme, die Kulissen und weitere mechanische Elemente der Produktion beeindruckten Helmholtz, wenngleich er nur einen Bruchteil des Stücks verstand. Es wurde »trotz des übertriebenen, heulenden und kreischenden Pathos der Engländer nicht schlecht gespielt«. Das Publikum hielt er für völlig geschmacklos in seiner Wertschätzung von Musik, Drama und darstellenden Künsten: Geschmack schien hier nur eine Frage des Nutzens zu sein.46 Am nächsten Tag ging er ins British Museum und sah Austen Henry Layards archäologische Grabungsfunde aus Ninive und Lord Elgins Stücke aus dem Parthenon. Die riesigen assyrischen Stiere mit ihren Menschenköpfen hatten Helmholtz zufolge »die schönsten Judengesichter«. Ihren Stil fand er viel beeindruckender als die ägyptische Kunst und erachtete sie den besseren Werken der alten Griechen ebenbürtig. Die Stücke aus dem Parthenon hingegen machten wenig Eindruck auf ihn, da sie so beschädigt waren.47 Eigentlich wollte er am nächsten Tag Owen sehen, konnte ihn jedoch nicht antreffen. Stattdessen wurde er in der Royal Institution bei Faraday vorstellig, dem »gegenwärtig ersten Physiker Englands und Europas«. Helmholtz war von Faraday begeistert: »Er ist einfach, liebenswürdig und anspruchslos, wie ein Kind; ein so herzgewinnendes Wesen habe ich an einem Manne noch nie gesehen.« Zudem sei er »äußerst zuvorkommend« gewesen und habe Helmholtz alles gezeigt, was es in seinem Labor zu sehen gab. »Das war aber wenig, denn einige alte Stücke Holz, Drath und Eisen schienen ihm zu den größten Entdeckungen zu genügen.« Nach diesem Treffen besuchte Helmholtz eine Ausstellung, in der es einen riesigen, drei Stockwerke hohen Erdglobus zu sehen gab. Man konnte das Innere der Kugel betreten, um ein Gefühl für die Dimensionen zu bekommen – Helmholtz sah darin aber weniger einen Erkenntnisgewinn als einen Versuch, möglichst viele Leute anzulocken. Abends ging er in den zoologischen Garten, wo ihn die exotischen Tiere sehr beeindruckten, aber vielleicht am allermeisten ein Haus mit Glasbottichen voller Meerestiere, »so daß man die Bestien, die man sonst nur als Leichen zu Gesicht bekommt, hier in ihrem geheimsten Treiben sieht«.48 Nachdem er acht Tage in London verbracht hatte, fuhr Helmholtz mit dem Dampfboot die Themse stromaufwärts Richtung Hampton Court, dem alten
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Schloss Kardinal Wolseys und Heinrichs VIII. Viele seiner Mitreisenden gehörten der Arbeiterklasse an, die Frauen an Bord seien indes hübsch und recht gut angezogen gewesen. Nach seiner Beobachtung gab die Kleidung auch in London keinen Hinweis darauf, welcher Schicht eine Frau angehörte – wo sich doch jedermann so fein anzuziehen scheine und die englischen Frauen sich allgemein durch ihren schönen Teint und volles braunes Haar auszeichneten. Er berichtete weiter von der Gemäldesammlung in Hampton Court mit ihrem holländischen Schwerpunkt, zu der aber beispielsweise auch Benjamin Wests großartiger Tod des General Wolfe bei Quebec gehörte. Alles in allem fand Helmholtz die Sammlung freilich eher »unbedeutend« und enttäuschend. Während der windigen Fahrt auf der Themse kehrten seine Zahnschmerzen zurück, und am nächsten Morgen verarztete er sich »mit Chloroform am Zahnfleisch und Zubinden des Gesichts«. Der Schmerz ließ nach, dennoch blieb Helmholtz zu Hause und arbeitete an dem Vortrag über seine optischen Experimente, den er in Hull halten wollte.49 Am nächsten Tag traf er William Francis, einen Verleger von Büchern und Zeitschriften. Francis hatte Chemie studiert und war der uneheliche Sohn Richard Taylors, seines Zeichens ebenfalls Chemiker und Verleger. 1852 übernahm Francis den väterlichen Verlag und benannte ihn auf Taylor & Francis um. Unter seiner Führung sollte er zu Großbritanniens erstem Wissenschaftsverlag werden. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen gehörten die Annals of Natural History, das Magazine of Natural History und das Philosophical Magazine, das früher chemische und biologische Themen behandelt hatte, sich in den 1850er-Jahren aber zunehmend der Physik und der Mathematik zuwandte. Helmholtz erfuhr, dass Francis zwischen 1839 und 1841 in Berlin Naturwissenschaften studiert und 1841/42 in Gießen bei Liebig in Chemie promoviert hatte. Dort hatte er auch andere britische Nachwuchswissenschaftler kennengelernt wie Tyndall, den Mathematiker Thomas Archer Hirst und Edmund Atkinson. Francis kannte die britische Wissenschaftsgemeinde gut und hielt auch stets Ausschau nach deutschen und französischen Beiträgen, die man ins Englische übersetzen könnte. So erschien 1853 auch einer von Helmholtz’ Beiträgen zur Zeitmessung von Nervenimpulsen auf Englisch im Philosophical Magazine. Als ein enger Freund von Francis und Mitherausgeber des Magazins wurde Tyndall eine Schlüsselfigur, die deutsche und britische Wissenschaft miteinander verband. Helmholtz »fand in ihm einen jungen anspruchslosen und gefälligen Mann, sehr gut unterrichtet in allen wissenschaftlichen Angelegenheiten, und Londoner Persönlichkeiten«.50 Nachmittags schaute er sich die Gemälde in der National Gallery an. »Sie enthält schöne Rembrandts, mäßige Rubens und Italiener«, lautete sein Urteil. Er war fasziniert von zwei sentimentalen religiösen Werken: Bartolomé Esteban Murillos Johannesknabe mit dem Lamm und seine Himmlische und irdische Trinität. Diese ständigen Besuche von Kunstmuseen und all die Erkundungstouren in diversen Städten
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und auf dem Land zeigen, wie gern er beobachtete und wie sehr er von Farbe fasziniert war. Egal, ob er im Museum war, Stadt oder Land durchstreifte oder im Labor arbeitete: Er hörte nie auf, zu beobachten und sich für Farbe zu begeistern. Später fuhr Helmholtz zu Charles Wheatstone, einem Experimentalphysiker, der an der Erfindung des elektrischen Telegrafen beteiligt gewesen war und wie Helmholtz stark an Optik, Akustik und Elektrizität interessiert war. Wheatstone war außer Hause, und Helmholtz hoffte, ihn später in Hull noch zu treffen. Den restlichen Tag und den Abend verbrachte er im Theater und sah sich ganze drei Stücke an: Dion Boucicaults Genevieve, or the Reign of Terror, ein historisches Drama über die Französische Revolution; eine Parodie auf Byrons Sardanapalus und eine Komödie von Richard Brinsley Sheridan.51 Mit einem Dampfschiff ging es am nächsten Tag weiter nach Woolwich, wo er sich mit einer Koryphäe der britischen Wissenschaftsgemeinde treffen wollte: Colonel Edward Sabine, ein Geophysiker, der sich in den 1830ern für den »Magnetic Crusade« eingesetzt hatte, zugleich Leiter des Kew-Observatoriums und ein hoher Amtsträger in der Londoner Royal Society. 1852 war er Präsident der BAAS, und in seiner Antrittsrede erwähnte er nicht nur neue britische Erkenntnisse in der Wärmelehre, sondern auch Helmholtz. Der hatte ein Empfehlungsschreiben von Dove im Gepäck, einem Kollegen Sabines aus der Meteorologie, mit dem er seit Langem im Briefkontakt stand. Darin wurde Helmholtz als Physiologe und Physiker vorgestellt: »Er gilt bei uns in Deutschland für einen der begabtesten und tüchtigsten jüngere[n] Naturforscher.« Allerdings war Sabine ebenfalls nicht anzutreffen. Noch am selben Tag erhielt Helmholtz einen »äußerst höflichen Brief von ihm«. Sabine lud ihn ein, wiederzukommen, und bot freundlich an, ihn dann mit seinem Wagen vom Bahnhof abholen zu lassen. Den Nachmittag über klapperte Helmholtz, der schließlich einmal Arzt bei der preußischen Armee gewesen war, Woolwichs Kasernen ab und stieß auf eine beeindruckende artilleristische Sammlung. Woolwich und die vielen großen Schiffe in den Londoner Docks führten ihm Englands Handels- und Seemacht vor Augen.52 Helmholtz sorgte sich um Olga, hatte er doch seit drei Wochen keine Nachricht von ihr erhalten. Er scherzte, dass sie doch wohl nicht entführt worden sei, aber da er sie für »vernünftig« halte, kam er zu dem Schluss, ihr Brief sei wohl verloren gegangen. Kurz erwog er, ihr ein Telegramm zu senden, was ihm dann jedoch zu teuer erschien. Also beschloss er, es erst noch einmal mit einem Brief zu versuchen. Er schrieb Olga, dass er gesund war (und sein Zahn nicht mehr schmerzte) und du Bois-Reymonds Frau Jeanette kennengelernt hatte (der hatte ihn nicht zur Hochzeit eingeladen und das seiner Braut damit erklärt, dass Helmholtz zwar ein sehr guter Wissenschaftler sei, in Gesellschaft jedoch etwas steif ). Auf Helmholtz wirkte Jeanette still, »ohne classische Schönheit«. Er schrieb weiter, dass es in England viel regne und sein Englisch besser werde; »mich selbst haben die Engländer von
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Anfang an stets verstanden, und gebildete Leute, die zu mir sprechen, verstehe ich auch ganz gut, nur nicht die Kellner, Handwerker u.s.w.« Dann kamen endlich zwei Briefe von Olga, »zum Geburtstagsgeschenk«. (Anscheinend hatte er seiner Frau die falsche Adresse geschrieben. »Nun ist einer von uns beiden, wir wollen es nur gestehen, ein Esel gewesen. Du wirst gleich entscheiden können, wer?« Tatsächlich suchte unser 32 Jahre alter, aufsteigender Stern der Wissenschaft die Schuld erst bei seiner Frau, musste eine Woche später aber zugeben, dass er der Esel gewesen war.) Der Verleger Leopold Voss hatte ihm einen Buchvertrag zukommen lassen, und er bat Olga, ihn nach Potsdam weiterzuleiten.53 In London besuchte er das Museum of Practical Geology und traf einige Chemiker und Geologen. Er war in Begleitung von William Francis und Axel Erdmann, einem schwedischen Chemiker und Geologen, den er Olga wenig schmeichelhaft als »ledernen Gesellen, langweilig, ungeschickt und ungeschlossen« beschrieb. Ursprünglich hatte er gehofft, Hofmann zu treffen, der weilte jedoch in Deutschland. Zu dritt gingen sie ins British Museum, Francis stellte sie dort vor und verschaffte ihnen einen Sonderzugang für die Bibliothek und das Museum. Helmholtz war zwar beeindruckt von der Bibliothek, wo er die Magna Carta und andere Originalmanuskripte sah, samt der darauf befindlichen Unterschriften von mehreren englischen Königen und protestantischen Reformern, hatte aber nicht vor, die ihm eingeräumten Privilegien besonders ausgiebig zu nutzen.54 Er kehrte nach Woolwich zurück, um Sabine zu besuchen, »Dirigent der meteorologischen und magnetischen Beobachtungen in England, ein alter würdiger Mann«. Seine Frau hatte unter seiner Anleitung eine offizielle Übersetzung ins Englische von den ersten drei (von fünf ) Bänden des Humboldt’schen Kosmos angefertigt. Sabine ließ Helmholtz später noch ein paar seiner Abhandlungen zukommen und außerdem mehr Empfehlungsschreiben, als dieser erbeten hatte, und bot an, zu helfen, wo er konnte. »Dabei fand ich, daß er ein bedeutenderer wissenschaftlicher Kopf war, als ich eigentlich gedacht hatte, und in jeder Beziehung sehr wohlunterrichtet.« Am nächsten Morgen traf er sich mit dem Ehepaar du Bois-Reymond und ging danach noch einmal ins British Museum, diesmal in die Aztekenausstellung, in der vermeintliche menschliche Überreste aus der Aztekenzeit gezeigt wurden. Nachmittags begab er sich (noch einmal) zusammen mit Erdmann in den zoologischen Garten, weil dort ein Konzert gegeben wurde (die Militärmusik fand Helmholtz nicht besser als die in Königsberg). Er überredete Erdmann, ihn ins Sadler Wells Theatre zu begleiten, »wo nach dem Urtheile der Engländer Shakespeares Stücke am besten in London gegeben werden«. Sie sahen Macbeth, »aber fürchterlich! Krämpfe, Schreien, Heulen, Kreischen ohne Ende, auch bei den gleichgültigsten Worten«. Der lang anhaltende Applaus und der Beifall ließen ihn einigermaßen fassungslos zurück. Das Stück im Anschluss, ein Lustspiel, das er »fast ganz verstand«, konnte er immerhin genießen.55
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Francis lud Helmholtz und Erdmann zu sich nach Richmond ein. Das Hügelland und die Parks sprachen Helmholtz an. Sie aßen mit Francis, Taylors Frau und der älteren Tochter zu Abend. Taylor selbst, der psychisch krank war, beeindruckte Helmholtz, weil man sich mit ihm unterhalten könne, ohne etwas von seiner Krankheit zu bemerken. Als Taylor jedoch mit seinen fixen Ideen über die Gefahren des Protestantismus für Deutschland anfing, schickte seine Familie ihn zu Bett. »Der Verkehr in englischen Familien ist sehr wohltuend«, befand Helmholtz, »sie sind rücksichtsvoll und doch ungenirt«. Erdmann und Helmholtz spazierten auch durch die nahe gelegenen Gärten von Kew, Helmholtz war begeistert.56 Am nächsten Tag ging er noch einmal ins British Museum und schaute sich die Naturaliensammlung an, besonders interessierten ihn die fossilen Skelette. Der ethnographischen Sammlung konnte er hingegen nicht viel abgewinnen. Er traf sich dort mit du Bois-Reymond und seiner Frau. Nachmittags besichtigten sie das Parlament und den Greenwich-Park. Mit Sabines Empfehlungsschreiben ausgerüstet fuhr er am nächsten Tag erneut dorthin, um George Biddell Airy zu treffen, den Astronomer Royal und Direktor des königlichen Observatoriums von Greenwich. Airy hatte jedoch einen vollen Terminplan, sie konnten sich nur kurz sehen und vereinbarten ein weiteres Treffen in ein paar Tagen. Helmholtz wies Olga stolz an, Briefe nach Hull von nun an zu adressieren an »Prof. Helmholtz, Fellow of the British Association«.57 Nach einem Besuch der großen Brauerei von Barclay und Perkins und von Hunters anatomischem Museum, »wo namentlich die vollständigen Skelette der riesigen, urweltlichen Faulthiere, und anderer Bestien imponiren«, aß er bei Bence Jones zu Abend (das Ehepaar du Bois-Reymond war ebenfalls dort). Auch am nächsten Abend speiste er mit ihm, und Bence Jones überredete ihn, für ein paar Tage mit in seine Strandvilla in Folkestone zu kommen.58 Helmholtz hatte gehört, Airy »soll sehr unangenehm sein können«, und bei ihrer ersten Zusammenkunft (in Greenwich) hatte er ihn »etwas steif« gefunden. Diesmal jedoch wirkte er »äußerst liebenswürdig, und da ich auf seine Expositionen einging, und viel lobte, einigem widersprach, konnte er gar kein Ende finden mit Herumführen, so daß ich die Sternwarte genauer gesehen habe, als vielleicht sonst Jemand.« Die Einrichtung in Greenwich machte einiges her, es gab Gerätschaften für magnetische und meteorologische Beobachtungen sowie zur kontinuierlichen Photographie von Himmelskörpern; beeindruckende elektromagnetische Instrumente zur Zeitmessung bei der Dokumentation von Sterndurchgängen und elektrische Uhren, »die gleichzeitig in London und an der Mündung der Themse, und an allen Londoner Eisenbahnstationen die Zeit angeben müssen«. Die Airys lebten auf großem Fuße (auch sonst schienen die meisten englischen Professoren nach Helmholtz’ Beobachtung ganz gut zu leben). Airys Frau »war etwas förmlich, wohl conserviert und angenehm in der Unterhaltung«. Helmholtz befand: »Die
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englischen Damen sind stets sehr interessiert bei der Beschäftigung des Mannes, so wußte auch sie über alles Bescheid.« Airy war jedoch überheblich, und das hatte zu Spannungen im Kollegenkreis geführt. Seine »bevorzugte Stellung« tat er gern kund, indem er unter seine Artikel lieber seinen Titel (»Astronomer Royal«) als seinen Namen setzte, was den Graben zwischen ihm und seinen Kollegen weiter vertiefte. Laut Helmholtz war Taylor den meisten englischen Physikern »überlegen durch methodische Ausbildung«, die diesen anders als ihren französischen Kollegen oft fehle. Die meisten englischen Physiker hätten nur »durch reinen Instinct Großes leisten« können, »was freilich auch oft genug durch Unkenntniß der allergewöhnlichsten Dinge verdorben wird«. Airy mag noch so arrogant auf ihn und andere gewirkt haben: »Der Nachmittag in Greenwich gehörte zu den interessantesten und angenehmsten« von Helmholtz’ Reise.59 Das Wochenende verbrachte er (zusammen mit dem Ehepaar du Bois-Reymond) in Bence Jones’ Haus in Folkestone. »Bence Jones ist so gleich einem Deutschen, mit Ausnahme der sicheren vornehmen Förmlichkeit, die ihn nie verläßt.« Das Englisch des Gastgebers konnte er gerade so verstehen und berichtete Olga stolz, dass er gelobt worden war, dass sein eigenes Englisch sehr viel flüssiger geworden sei (wenn auch nicht akzentfrei). Mit Jeannette du Bois-Reymond wurde er nicht so richtig warm: »Ich würde sie mir, auch wenn es kein Dötchen gäbe, nicht genommen haben.« Samstagnachmittag spazierte Helmholtz mit Bence Jones an den Kreidefelsen von Dover entlang. Bei gutem Wetter konnte man von seinem Haus aus bis zur französischen Küste sehen.60 Am nächsten Tag ging er frühmorgens »au naturel« nahe beim Haus im Meer baden, »das geht hier, weil vor 9 Uhr kein anständiger Mensch sichtbar ist«. Danach musste er mit seinem Gastgeber den Gottesdienst besuchen. »Die anglicanische Liturgie ist aber wirklich tödtlich lang und langweilig, wird dabei von Geistlichen so wohl wie der Gemeinde möglichst ausdruckslos vorgetragen. Die Predigt war theilweis nach unseren Begriffen albern und ledern […]« Am Nachmittag machten Bence Jones, Helmholtz und du Bois-Reymond einen langen Strandspaziergang, »wo hübsche Thäler und Schluchten waren«. Helmholtz gefielen Bequemlichkeit, Sauberkeit, Bräuche und Atmosphäre des englischen häuslichen Lebens, »trotz aller Frömmigkeit herrscht darin große Ungenirtheit, daß jeder gerade heraus sagt, was er möchte«. Er selbst tat sich immer noch schwer mit der Frage, welches Besteck wann zum Einsatz kam. Offenbar hatte ihm weder seine Mutter noch Tante Julie angemessene Tischmanieren für die Kreise, in denen er sich jetzt bewegte, beigebracht.61 Am nächsten Morgen fuhr er nach London zurück und besichtigte den Londoner Tower, die dortige Waffensammlung, die Kronjuwelen und die Gefängniszellen, fand aber, der Besuch habe sich nicht gelohnt. Dafür liebte er die Katharinen- und Londondocks und das rege Handelstreiben, für das er sich wie immer interessierte
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– da konnte Königsberg bei Weitem nicht mithalten. Abends ging er mit Moritz Alberts, einem Sekretär der preußischen Gesandtschaft, in einen Debattierclub, »wo einige lustige Juristen in Richtercostümen und mit strenger Beobachtung der Gerichtsformen imaginäre Processe« verhandelten, was ihn sehr amüsierte.62 Den folgenden Tag verbrachte er mit Wittich, seinem Königsberger Kollegen, der ebenfalls auf Britannienreise war. Morgens besichtigten sie Westminster Abbey, deren Größe und Architektur Helmholtz entschieden unbeeindruckt ließen. Er schrieb jedoch an Olga: […] aber die Reihe von Denkmälern berühmter Todten ist in der Tat imponirend, und muß, glaube ich, den Stolz der Engländer in hohem Grade erregen; solche Männer gehabt zu haben, und sie so geehrt zu sehen, ist etwas Großes. Da liegen Professoren der Physik und Chemie zwischen den Königen, Feldherren, Künstlern und auch Schauspielern und Schauspielerinnen ersten Ranges haben hier ihre Stätte und ihre Denkmäler gefunden. Newton, James Watt, Humphry Davy, Thomas Young, Shakespeare, Milton, [David] Garrick, Mrs. [Sarah] Siddons, Heinrich V, Richard II, die Söhne Eduards, Warren Hastings, beide Pitts, Maria Stuart und Elisabeth, alle beisammen. Im Grunde wollte er damit wohl sagen, dass es ein Anlass zu Stolz war, Wissenschaftler zu sein, ganz genauso wie Staatsmann, Militär, Künstler oder Schauspieler zu sein. An diesem Abend ging er mit Wittich ins Drury Lane und schaute sich den Kaufmann von Venedig an.63
Die BAAS in Hull und die Energieerhaltung Nach fast drei Wochen in London fuhr Helmholtz mit dem Zug zum BAAS-Treffen nach Hull. Er kam bei dem Arzt Henry Cooper unter, »wo ich sehr fashionable wohne und verpflegt werde«. Plücker, Helmholtz und ein russischer Kollege waren die einzigen Wissenschaftler, die zu dem Treffen aus dem Ausland angereist waren, und wurden »mit der ausgesuchtesten Courtoise behandelt«. Ungefähr 600 Teilnehmende, 175 davon Frauen, waren bei der Eröffnung der Tagung zugegen. Bei der ersten Zusammenkunft an jenem Abend gab William Hopkins, geachteter Privatlehrer für Mathematik in Cambridge, Geologe und aktueller Präsident der BAAS, einen Überblick der wichtigsten wissenschaftlichen Fortschritte im letzten Jahr. Der Sekretär (Sabine) las laut die Namen aller ausländischen Gäste vor, darunter auch den von Helmholtz, der »einige der wichtigsten Fortschritte of continental science gemacht« habe, wie er Olga berichtete. Er war recht überrascht, dass seine Abhandlung zur Erhaltung der Kraft hier weitaus bekannter als in Deutschland war, und auch bekannter als seine anderen Arbeiten.64
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Wie war es dazu gekommen? Fast fünf Jahre lang (1847 – 1852) war seine Arbeit in der Schublade verstaubt. Die deutsche Wissenschaftsgemeinde hatte ihn, wir erinnern uns, gewissermaßen ignoriert. Nur eine Handvoll Wissenschaftler (hauptsächlich Freunde von Helmholtz) hatten seine Ergebnisse positiv aufgenommen, ein paar andere negativ. Aber ab 1852 änderten sich die Dinge. Das war zum Teil den physiologischen Studien geschuldet, mit denen er sich einen Namen gemacht hatte, und seiner Erfindung des Augenspiegels. Es gab aber noch einen anderen Grund, warum der Aufsatz so plötzlich anfing, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und in diesem Zusammenhang stand möglicherweise auch Helmholtz’ Entscheidung, nach Großbritannien zu reisen und sich mit englischen Kollegen zu treffen: Ende Januar 1852 hatte der junge William Thomson, der gerade begonnen hatte, in Begriffen von »Energie« zu denken, Helmholtz’ Text gelesen. Im März äußerte er öffentlich seine Bewunderung dafür. In den nächsten zwei Jahrzehnten sollte er zusammen mit einer Gruppe nordbritischer Physiker und Ingenieure, zu denen sein Bruder James Thomson, James Prescott Joule, W. J. M. Rankine, James Clerk Maxwell, Peter Guthrie Tait und Fleeming Jenkin zählten, Helmholtz’ Satz von der Erhaltung der Kraft zum Energieerhaltungssatz weiterentwickeln. Im Frühling 1853 erschien dann eine englischsprachige Version von Helmholtz’ Abhandlung. Übersetzer und Mitherausgeber war kein anderer als Tyndall, zweiter Herausgeber und Verleger war William Francis. Damit hatte Helmholtz’ Aufsatz in Britannien gleichsam eine Wiedergeburt erlebt. Darüber hinaus bedeutete die positive Würdigung durch Thomson und andere britische Physiker eine erste wirkliche Anerkennung Helmholtz’ als Physiker. Allerdings gab es erhebliche Unterschiede auf philosophischer Ebene zwischen Helmholtz und den nordbritischen Physikern und Ingenieuren, von denen einige bald zu seinen Freunden wurden. Die Nordbriten und Helmholtz verfolgten beide deterministische, aber doch verschiedenartige Ansätze zur Rolle der Kraft in einem mechanischen Universum. Helmholtz’ wissenschaftliche Wurzeln lagen in der Laplace’schen Physik aus dem 18. Jahrhundert, bei ihm standen die Kräfte von Anziehung und Abstoßung im Zentrum. Die Briten dagegen hielten dafür, dass ein Schöpfer ein Kontinuum aus Materie und Energie geschaffen hatte – und dem Menschen Raum zum Eingreifen gelassen hatte. Keine Seite betonte diese Differenzen, standen sie doch alle hinter dem, was sich als Energieerhaltungssatz entpuppen sollte. Und doch war es mehr als nur Semantik (»Kraft« gegen »Energie«), was ihn von ihnen trennte, mochten sie auch gemeinsame Sache machen, um ihre Idee aus den Grabenkämpfen innerhalb der Physiologie und auch aus den industriell-gewerblichen Kontexten Britanniens zu lösen.65 An seinem ersten Morgen in Hull war Helmholtz von Charles Frost, einem wohlhabenden ortsansässigen Privatmann, Geologen, Antiquar, Ahnenforscher und Vizepräsident bei der BAAS-Konferenz, zum Frühstück eingeladen. Zu den anderen
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Frühstücksgästen zählte auch George Gabriel Stokes, »ein junger Mann, aber von höchst ausgezeichneten Fähigkeiten«. Dieses Treffen mit einem führenden mathematischen Physiker seiner Zeit – Stokes hatte in Cambridge den Lucasischen Lehrstuhl für Naturphilosophie inne – war nur ein Teil von Helmholtz’ Konferenzausbeute. Am Frühstückstisch fanden sich noch weitere gut betuchte Engländer mit ihren Frauen ein, darunter »ein sehr reicher Lord Landsborough [ein weiterer Vizepräsident der Konferenz] mit einer stattlichen, jungen und ziemlich schönen Frau«. Leider musste Helmholtz vor dem Schinken Platz nehmen und für die ganze Gesellschaft Stücke abschneiden. Landsborough lud ihn jedoch auf seine Jacht ein, und er ward damit versöhnt.66 Seinen Wirt Dr. Cooper hielt Helmholtz für einen gebildeten Mann und »von wissenschaftlichem Eifer« erfüllten Arzt. Helmholtz hatte bei ihm sein eigenes Zimmer und wurde »wie ein alter Freund des Hauses« behandelt. Die Einrichtung des Hauses war nicht so elegant wie bei wohlhabenden Deutschen, befand er, wenngleich »all diese Teppiche, Vorhänge, Wasserröhren, Klingel- und andre Züge usw. die dazu dienen die anstudirteste Bequemlichkeit hervorzubringen – wenn man sie nämlich erst alle zu gebrauchen weiß« seiner Vermutung nach »vielleicht doppelt so viel« gekostet haben mochten wie in Deutschland. Hier und andernorts in England lernte Helmholtz das Leben der oberen Mittelschicht oder sogar Oberschicht kennen. Zweimal musste er – auf eigene Kosten – mit vielen Kollegen an einer großen Tafel zu Mittag essen. Dort sei umständlich serviert worden, und es habe allzu viele Toasts gegeben, die lang, schlecht und abschweifend gewesen seien. Selbst die meisten englischen Kollegen hätten zugegeben, dass ein kontinentales Mittagessen im Vergleich zum britischen sehr viel angenehmer sei.67 Die Treffen der BAAS dienten hauptsächlich dazu, Aufmerksamkeit für die Wissenschaft zu generieren und die britische Öffentlichkeit, vor allem natürlich die Teilnehmer, über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu informieren. Selbstdarstellung war an der Tagesordnung. Die Zahl der Teilnehmer stieg im Laufe der Konferenz auf 850, darunter 236 Frauen. »Die letzteren scheinen hier in England häufig in der That ziemlich unterrichtet zu sein in den Naturwissenschaften«, schrieb Helmholtz an Olga. Ob sie nun kamen, um gesehen zu werden, etwas zu lernen, oder »sich daran zu amüsiren« – generell wirkten die Teilnehmerinnen auf Helmholtz aufmerksam, und sie schliefen nicht einmal ein, »wenn die Versuchung dazu da war«. Die sechs (oder sieben) Sektionen trafen sich jeden Tag von 11 bis 15 Uhr (um 10 Uhr gab es einstündige Komiteesitzungen, Helmholtz war der physikalischen Sektion zugeordnet). Das Publikum wanderte von Sektion zu Sektion, »um die berühmtesten und beliebtesten Redner zu hören«. Es war der Inbegriff von Wissenschaft als Markt für Ideen und Persönlichkeiten. Alles war dabei, von wissenschaftlich ernst zu nehmenden Präsentationen bis hin zu Vorträgen von Einfaltspinseln, die glaubten, wichtige neue Entdeckungen gemacht zu haben (die Vorsit-
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zenden entledigten sich dieser meist schnell). Wissenschaften wie die Physik und die Chemie, bei denen die Forscher viel für sich alleine arbeiteten, blieben eher im Hintergrund. Für andere Wissenschaften hingegen, wie Meteorologie, Ethnologie und Geologie, wo viele Beobachtungen zusammengeführt werden müssten, seien die Sektionstreffen überaus wichtig, urteilte Helmholtz. Persönlich fand er solche Vorträge am gewinnbringendsten, die die bisherige Forschungsarbeit zusammenfassten und zukünftige Forschungsfelder ausloteten, derer sich dann Teams von Wissenschaftlern annahmen – eine Arbeitsweise, für die die Engländer ein besonderes Talent hätten. Er schrieb Olga auch über eine Gruppe Astronomen (darunter Amateure), welche die Mondoberfläche erforschte und sie geologisch mit der Erdoberfläche verglich. Eine andere Gruppe plante, in der südlichen Hemisphäre ein sehr großes Teleskop zur Himmelsbeobachtung aufzustellen.68 Geologie, Geographie und Ethnologie waren »die Lieblingssectionen des Publicums«, aus diesen Disziplinen »waren auch die berühmtesten Gelehrten versammelt«. Schließlich sei es in jenen Fächern unabdingbar, eine große Zahl an Menschen zum gemeinsamen Arbeiten anzuleiten, »und dazu ist die Association ein sehr geeignetes Werkzeug«. Helmholtz bemerkte, dass einige der bedeutendsten Chemiker, Physiker und Astronomen nicht an der Konferenz teilnahmen – beispielsweise gingen ihm Airy, Faraday und Wheatstone ab. Er traf jedoch einige Persönlichkeiten, deren Bekanntschaft ihm »sehr erwünscht war«. Da war etwa William Robert Grove, ein Jurist »und bedeutender Physiker aus London«, der vor allem für die Publikation einer frühen Variante zur Kraftumwandlung und seine elektrochemischen Arbeiten bekannt war. Weiter Thomas Andrews, Professor für Chemie in Belfast, spezialisiert auf Thermochemie, und zu guter Letzt Stokes. Kein einziger Physiologe war anwesend, was wohl Rückschlüsse darauf zulässt, wie es um die englische Physiologie zur Mitte des Jahrhunderts stand.69 Einige Vorträge »waren ausgezeichnet in Bezug auf Klarheit und Popularität, und doch wissenschaftlich unbedeutend«, wie jener der Geologen John Phillips und William Hopkins oder die Präsentation des Ethnographen Robert Latham. Zudem, so Helmholtz weiter, »waren auch viele schwerfällig, und viele, was mich bei Engländern überraschte, wurden gemurmelt, und so schlecht vorgetragen, daß sie nicht zu verstehen waren«. Für seine sensiblen deutschen Ohren klang die englische Sprache »in diesen öffentlichen Vorträgen würdelos, wegen zu großer Ähnlichkeit mit dem Plattdeutschen, und stockerig, weil sie die accentuirten Sylben sehr scharf herausstoßen und alles andere ganz schwach und schnell nebenher laufen lassen«. Mittlerweile verstand er die besseren Redner problemlos. Er bat Dr. Cooper, ihm verschiedene sprachliche Provinzialismen zu erklären, und es stellte sich heraus, dass sie im Grunde Nachlässigkeiten im Gebrauch der englischen Sprache waren. Wie auch bei Musik und experimenteller Akustik bewies Helmholtz hier ein feines Ohr. In einer Sektion nahm er spontan an einer Diskussion zur Optik des
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Auges teil. Er glaubte, dass er klar und vollkommen verständlich gesprochen hatte, räumte Olga gegenüber trotz des Lobs seiner Kollegen jedoch einige sprachliche Fehler ein. Seinen eigenen Vortrag zur Farbmischung bereitete er sorgsam vor und hielt ihn zur Probe vor Francis, der seine Fehler im Englischen korrigierte und ihn lobte. Die Zuhörerschaft später sei dann auch »sehr zufrieden« mit seiner Aussprache gewesen; Helmholtz »bekam viele Complimente auf Kosten von Prof. Plücker, der für seine häufigen und langen Besuche in England allerdings sehr schlecht ausspricht«. Stolz berichtete er nach Hause, er sei »beide Male mit Beifall beehrt« worden, wunderte sich aber darüber, dass nicht geklatscht, sondern auf die Tische geklopft wurde. »Übrigens pochen sie, so oft ein Redner etwas sinnreiches, oder irgend ein beliebtes Stichwort, oder einen Witz vorbringt, und es ist verhältnismäßig leicht Beifall zu ernten.« Die BAAS war zwar etwas enttäuscht, dass nur drei Ausländer angereist waren, Helmholtz kam aber genau dies zugute.70 An drei Abenden wurden größere Vorträge gehalten: Hopkins sprach über die wissenschaftlichen Fortschritte im vergangenen Jahr, Phillips zur Geologie Yorkshires, und Robert Hunt über den aktuellen Stand der Photographie. An drei weiteren Abenden lud die Stadt Hull zu (überfüllten) Soireen ein. Sonntagvormittag war frei, was Helmholtz vor ein kleines Problem stellte: Man erwartete, dass er dem Gottesdienst in der deutschen lutherischen Kirche vor Ort beiwohnen werde. Letztlich wand er sich aber doch heraus, indem er behauptete, man hätte ihm eine falsche Uhrzeit genannt. Nachmittags führte ihn Dr. Cooper durch die Docks von Hull, die voller deutscher, russischer und dänischer Schiffe waren. Helmholtz sah mehr preußische Schiffe an einem Ort versammelt als je in Königsberg. Der vorletzte Tag der Konferenz war der Planung des nächstjährigen Treffens vorbehalten, »daran hatte ich kein Interesse«. Ebenso wenig an den für den letzten Tag angebotenen Ausflügen in die Region. Stattdessen nutzte Helmholtz Zeit und Geld für eine Schottlandreise und begab sich mit dem Schiff nach Edinburgh.71
Schottland Seekrank wurde Helmholtz glücklicherweise nicht auf der mit 28 Stunden unerwartet langen Reise, er schlief an Bord auch gut. Doch waren ihm seine Mitreisenden zuwider, die sich genau wie er für das Schiff entschieden hatten, weil es billiger war als der Zug. Die schottische Küste empfand Helmholtz als »sehr romantisch«, dem Rheintal in gewisser Hinsicht nicht unähnlich. Sie passierten Lammermoor Hills, später würde er das Reich der »Lady of the Lake« (Dame vom See) sehen – was Helmholtz an zwei Werke von Walter Scott denken ließ. Er erkundigte sich brieflich nach Olgas finanzieller Lage, da seine weiteren Pläne ebenfalls davon abhingen. Dann verbrachte er acht Tage in Schottland, um sich an der Schönheit der Natur zu laben.72
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Von Edinburgh war Helmholtz ganz begeistert und beschrieb es Ludwig als ein Juwel von Stadt. Es sei wirklich malerisch und »ganz außerordentlich schön«. Durch die Lage auf mehreren steilen Hügeln entstehe der Eindruck, die Häuser seien aufeinandergebaut. Die Stadt als Ganzes erschien ihm wie der Seitenturm einer gotischen Kathedrale. Er stieg auf den Carlton Hill, um die Stadt von oben zu betrachten, sah die in römischem Stil gebaute Sternwarte, andere Gebäude, die Athener Bauwerken nachempfunden waren, und ein noch nicht fertiggestelltes Gebäude, das eine Kopie des Parthenon zu sein schien. Dann ging es wieder hinunter ins Zentrum und von dort zum Schloss hinauf. An vielen Gebäuden gefiel ihm der »sächsische« Baustil. Im neueren, eleganteren Teil Edinburghs orientierten sich viele Häuser mehr am deutschen oder italienischen Baustil als am englischen. Das sorgte für »ein viel freundlicheres und eleganteres Aussehn, als die englischen Städte haben«. Hingegen fand Helmholtz die Häuser in den älteren Stadtteilen schmutziger und verfallener; sie seien »von einem armen zerlumpten Volke bewohnt, mit Überfluß an rothen Haaren«. Helmholtz glaubte nicht, dass Edinburghs Häuser, Schlösser oder Kunstsammlungen ihm etwas zu bieten hätten, das er nicht auch andernorts finden könne, und brach bald wieder auf.73 Sein nächstes Ziel war Glasgow, eine verqualmte, geschäftige Handelsstadt und Helmholtz’ Wahrnehmung nach voller rothaariger, ungesund aussehender, schmutziger und armer Arbeiter. Der Grund, warum er dort hingefahren war, und seine erste Amtshandlung war es, William Thomson zu treffen, der »viel in Sachen der Erhaltung der Kraft gearbeitet« hatte. Professor Thomson war jedoch am Meer, also nahm Helmholtz früh am nächsten Morgen ein Dampfschiff nach Oban in Westschottland. Dort hoffte er, Wittich zu treffen. Die vielen Schiffe, die ihnen unterwegs begegneten, und die Werften am Fluss Clyde beeindruckten Helmholtz, wie es auch schon die in London getan hatten. Die Szenerie des Clyde erschien ihm »äußerst malerisch und reich«. Die Dampfboote der Region fand er »alle sehr elegant eingerichtet«. Die Schotten hatten es Helmholtz angetan: Er komme mit den Leuten hier leicht ins Gespräch, und sie seien um Ausländer besonders bemüht. Daher könne er alle gut verstehen (in England hingegen »nur gebildete Menschen«). Freilich gebe es in Schottland nicht so viele wohlerzogene Gentlemen wie in England. Dass so viel Alkohol konsumiert wurde, versetzte ihn in Erstaunen (»es trinkt Jung und Alt bei Nacht und bei Tage Whisky«), wobei er glaubte, dass die Nachkommen der Sachsen dies gut vertrügen, wohingegen »die gälischen Hochländer vom ersten Glase confus zu werden scheinen«.74 Helmholtz und Wittich erkundeten Oban und Umgebung und besichtigten das mittelalterliche Dunollie Castle, das einst Sitz der schottischen Könige gewesen war. Sie suchten auch das Grab von Fergus mac Róich auf, eines großen Kriegers aus einer alten gälischen Legende. Die schottische Landschaft hatte hier zu wenig Bäume und stattdessen viel braune Heide und Moor, klagte Helmholtz, dies »macht
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auf die Dauer einen sehr öden Eindruck«. Am nächsten Tag fuhren sie mit dem Dampfschiff gen Norden nach Gencoe, von da reiste Wittich weiter nördlich, und Helmholtz kehrte nach Oban zurück. Er passierte die Halbinsel Morvern, die für das einstige Königreich der sagenumwobenen Fingal (Fionn MacCumhal) gehalten werde, umrundete die Insel Mull und besuchte die Atlantikinseln Staffa und Iona. Wie so oft verhalf ihm sein gewinnendes Wesen unterwegs zu Reisegesellschaft. Schon Scott, so schrieb er an Olga, habe in The Lord of the Isles (Der Herr der Inseln) über die Sagen geschrieben, die sich mit den Ruinen der Gegend verbänden. Auf Iona besichtigte er alte Kirchen, Klöster und Gräber, darunter das von Macbeth.75 Das schlechte Wetter zwang ihn nach Glasgow zurück, wo er mit Wittich verabredet war. Der jedoch war weiter nach Edinburgh gereist, und Helmholtz beschloss, seine Schottlandtour abzukürzen und mit dem Zug zurück nach Hull zu fahren, wo er nur einen knappen Tag blieb. Dort erwartete ihn schon ein Brief mit Olgas Nachricht, dass sie krank gewesen sei. Das versetzte ihn in Angst und Sorge, und er antwortete ihr, er würde gleich die geplanten Zwischenstopps in Potsdam und Berlin absagen und direkt nach Königsberg kommen, falls sie erneut erkranke oder dies sonst wünsche. Sie könne ihm deswegen einfach nach Hamburg oder Potsdam schreiben.76 Die Überfahrt von Hull nach Hamburg dauerte fast drei Tage. Unterwegs gerieten sie in starken Wind, und das Schiff begann zu schlingern. Helmholtz, der gerade zu Mittag gegessen hatte (Fisch und Braten), wurde auf einmal doch seekrank, bestellte aber, nachdem er sein halbes Mittagessen von sich gegeben hatte, zwei neue Portionen Braten. Die stürmische See erlaubte ihm kaum etwas anderes zu tun als zu lesen, verursachte ihm Schwindel und erschwerte das Essen und Verdauen. Außerdem litt er an Kopfschmerzen, die jedoch schon vor der Überfahrt begonnen hatten – wie er meinte, wohl eine »Folge der anstrengenden Reise«.77 Er hatte nicht den Wunsch, sich Hamburg anzusehen, und fürchtete auch die Cholera und die teuren Hotels. Daher fuhr er unverzüglich nach Berlin weiter und kam um halb sechs Uhr morgens an, nahm einen Kaffee am Bahnhof und schlief dort bis sieben auf einem Sofa. Dann ging es weiter nach Potsdam. Seine Familie war wohlauf. Als er am 6. Oktober zurück in Königsberg war, hatte er zwei Monate Reise durch Deutschland und Britannien hinter sich, hatte viele Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen. Zu seinen neuen Freunden gehörten einige wichtige Persönlichkeiten der britischen Wissenschaft und Medizin. Er hatte seine Arbeit vor ihrer nationalen Wissenschaftsvereinigung vorgestellt und mit Dutzenden von ihnen vor Ort persönlich gesprochen. Des Weiteren hatte er für seinen Augenspiegel und sein Gesetz der Krafterhaltung werben können. Letzten Endes war er – ohne dies je beabsichtig zu haben – zu einem Repräsentanten der deutschen Wissenschaft geworden, einer Art inoffiziellem Staatsmann. Helmholtz schrieb an Ludwig, England sei ein großartiges Land. Man spüre dort, was für eine wunderbare
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Sache die Zivilisation sei, wenn sie das Leben bis ins Kleinste durchdringe; ein Besuch in London, im Vergleich zu dem Berlin und Wien die reinsten Dörfer seien, verändere die Sicht auf alles grundlegend. Er bedauerte, dass er Rankine, Brewster, Joule, Thomson und Wheatstone nicht hatte treffen können. Mehr Glück habe er jedoch mit Faraday, Stokes, Sabine, Grove, Airy, Bence Jones, Andrews, William Rowan Hamilton und vielen anderen gehabt. Er war froh, gefahren zu sein, aber auch froh, nun wieder daheim zu sein – nach eigener Aussage mit sehr leerer Geldbörse. Immerhin habe sein Gesundheitszustand sich auf der Reise verbessert, wenn ihm auch die Zähne unterwegs solchen Ärger gemacht hatten, dass offenbar sogar seine Physiognomie zeitweilig schief gezogen war.78
7 Ein neues Zeitalter Die Thermodynamik der Geschichte Um 1852/53 machte sich Helmholtz sowohl als Physiker als auch als Physiologe einen Ruf. In Großbritannien wurde sein Satz von der Erhaltung der Kraft neu interpretiert. In Deutschland jedoch stellte Rudolph Clausius, eigentlich ein großer Bewunderer von Helmholtz’ Schrift zur Krafterhaltung, seine bisherigen Ergebnisse infrage. Die Kritik an seiner Arbeit gereichte Helmholtz aber zum Vorteil, denn endlich nahm ihn ein großer deutscher Physiker ernst. Zudem spielte sich ihre Auseinandersetzung auf den Seiten der Annalen der Physik und Chemie ab. Clausius hatte 1850 erstmals Ergebnisse vorgestellt, die sich in den folgenden zwei Dekaden zum Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik entwickeln sollten. Er kritisierte Helmholtz’ Auffassung in puncto Potenzialtheorie, Arbeitsbegriff und Rolle der Zentralkräfte. Geschickt verteidigte Helmholtz jedoch seinen generellen Ansatz von 1847 und gestand die Berechtigung nur kleinerer Kritikpunkte zu (30 Jahre später räumte er auch größere ein).1 Von nun an war die weitere Diskussion des Prinzips der Energieerhaltung ein Thema für Physiker, nicht für Physiologen. Helmholtz beendete auch seine Studien zur Anpassung der Brechkraft des Auges (Akkommodation), veröffentlichte diese jedoch in einer medizinisch-physiologischen Zeitschrift, die wenige Physiker lasen. Magnus war von dem Artikel sehr beeindruckt und schlug Helmholtz vor, einen weiteren für Poggendorffs Annalen zu schreiben, in dem er seine Ergebnisse zusammenfassen und die Aspekte hervorheben sollte, die für Physiker interessant wären. (Er versicherte ihm, dass Poggendorff einen solchen Artikel veröffentlichen würde.) Außerdem bat Kirchhoff
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Helmholtz um ein Empfehlungsschreiben, mit dem er sich auf die Physikprofessur in Heidelberg bewerben wollte. In diesem Zusammenhang beurteilte Wilhelm Weber die Veröffentlichungen aus Helmholtz’ Feder anerkennend als physikalisch wie physiologisch wichtig und überaus interessant.2 Die führenden Physiker Deutschlands betrachteten Helmholtz mittlerweile als Kollegen. Den Winter 1853/54 über konstruierte Helmholtz »neue Apparate für Menschenzeitmessung«, erwartete aber, dass er im Sommer wenig Zeit haben würde, damit zu experimentieren, da er gerade in ein neues, noch unfertiges Labor umgezogen war. Er hatte mit schwierigen Arbeitsbedingungen zu kämpfen und musste für das akademische Jahr 1854/55 zudem noch die Funktion des Dekans der medizinischen Fakultät wahrnehmen. Leider, so schrieb er an du Bois-Reymond, sei »in pekuniärer Beziehung ein Königsberger Dekanat nicht mit einem Berliner zu vergleichen«. Er hatte nicht nur seine Untersuchungen zur Akkommodation fertiggestellt, sondern sandte du Bois-Reymond auch einen kurzen Text zur Leitgeschwindigkeit von Nerven für die Monatsberichte der Akademie und für einen Vortrag vor der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin (am 30. Juni 1854) über die Messung von Vorgängen in Nerven und Muskeln. Für das physiologische Institut in Gießen ließ er einen Myographen bauen, fürchtete aber, dass er in die Hände des Physiologen Eckhard gelangen könnte, der ihm »manches von dem wegnehmen« wolle, was er, Helmholtz, schon entdeckt habe.3 Er wollte sein geistiges Eigentum schützen. Helmholtz absolvierte den ersten von zahlreichen populärwissenschaftlichen Vorträgen zur Erhaltung der Kraft (Energie) und machte das Thema so in den gebildeten Schichten und darüber hinaus bekannt. Am 7. Februar 1854 hielt er in seiner Funktion als Präsident der Königsberger Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft einen Vortrag unter dem Titel »Ueber die Wechselwirkung der Naturkräfte und die darauf bezüglichen neuesten Ermittlungen der Physik«. Darin sprach er über »ein neues allgemeines Naturgesetz« der Physik, welches »von sehr allgemeinem Interesse« sei. Es betreffe die Beziehungen zwischen allen Kräften der Natur untereinander und sei daher einerseits von Bedeutung, um die Natur in theoretischer Hinsicht zu verstehen, und andererseits »für die technische Anwendung derselben von Wichtigkeit«.4 Letzteres war ein Punkt, mit dem er sicher beim nichtakademischen Teil seines Publikums Anklang fand. Im selben Jahr, in dem Thomson das Thema auf den neuen Namen »Thermodynamik« taufte, rückte Helmholtz es in den Fokus der Öffentlichkeit. Helmholtz erinnerte daran, dass die Erfinder lange gehofft hatten, sie könnten ein Perpetuum mobile konstruieren; es war eine Art heiliger Gral der Moderne. Sie träumten von einer Maschine, welche die Arbeit von Tier und Mensch übernehmen würde, ohne dabei materielle Ressourcen zu verbrauchen (oder nur in geringem Maße). Einer Maschine, die eine »unerschöpfliche Arbeitskraft« generieren und damit quasi aus nichts Geld machen würde. »Arbeit aber«, erinnerte Helm-
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holtz seine Zuhörer und Leser, »ist Geld«. Womit für ihn feststand, dass das Perpetuum mobile »nur noch von verwirrten und schlecht unterrichteten Köpfen« gesucht werde.5 Seine Analyse zu Maschinen, Arbeit, Kraft und Geld kam zu einem Zeitpunkt, als die Industrialisierung in Deutschland in vollem Gange war. Helmholtz traf damit den Nerv seiner Zuhörer und Leser in Königsberg und anderen wirtschaftlich aufstrebenden Regionen Deutschlands. Helmholtz führte aus, dass das Kernkonzept einer Maschine in ihrer »Triebkraft oder Arbeitskraft« bestehe, und erklärte, der Wert von Arbeit bestimme sich »zum Theil nach dem Kraftaufwande«. Er erleichterte das Verständnis dieser und anderer abstrakter, mechanischer Konzepte, indem er sie auf konkrete, bekannte Objekte übertrug: Wassermühlen, Eisenhämmer, Wanduhren mit sinkenden Gewichten oder Taschenuhren mit gespannten Federn. Auch damit konnten seine Zuhörer und Leser schnell etwas anfangen.6 Weiter erläuterte er, dass die neuen Erkenntnisse nicht nur deutlich machten, dass ein Perpetuum mobile unmöglich existieren könne. Sie zeigten auch, dass die Erhaltung für alle Kräfte gelte, nicht nur für mechanische, sondern auch für thermische, elektrische, magnetische, Licht- und chemische Kräfte. Und gerade in diesen Bereichen außerhalb der Mechanik liege »der Fortschritt der neueren Physik«. Viele Naturphilosophen und Physiker – er nannte unter anderem Mayer – hatten in der ein oder anderen Form die Behauptung anerkannt, dass jede Kraft sich in eine andere umwandeln ließ. Helmholtz berichtete, dass er in England unter den Wissenschaftlern auf wachsendes Interesse an dem Gesetz zur Erhaltung der Kraft gestoßen war (das bald als Energieerhaltungssatz bekannt wurde und später als Erster Hauptsatz der Thermodynamik). Joule und andere hatten die Theorie experimentell bestätigt, Henri Victor Regnault, »der bedeutendste der französischen Physiker«, hatte sie seinen Untersuchungen zur spezifischen Wärme von Gasen zugrunde gelegt. Auch wenn die Theorie durchaus noch weiterer wissenschaftlicher Belege bedürfe, hielt Helmholtz es nicht für verfrüht, damit vor ein »nichtwissenschaftliches Publikum« zu treten.7 Die große Frage damals war, in welcher Beziehung die Kräfte zueinander standen. Helmholtz erklärte in seinem Vortrag, dass es in der Natur als Ganzer einen Vorrat an Kraft gebe, der sich weder vergrößern noch verringern lasse, und dessen Quantität »ebenso ewig und unveränderlich ist, wie die Quantität der Materie«. Natur war für ihn stets etwas, das es zu untersuchen und verstehen galt, das man aber auch genießen und kommerziell nutzen dürfe: »Der Waldbach und der Wind, die unsere Mühlen treiben, der Forst und das Steinkohlenlager, welche unsere Dampfmaschinen versehen und unsere Zimmer heizen, sind uns nur Träger eines Theiles des grossen Kraftvorrathes der Natur, den wir für unsere Zwecke ausbeuten und dessen Wirkung wir nach unserem Willen zu lenken suchen. Der Mühlenbesitzer spricht die Schwere des herabfliessenden Wassers oder die lebendige
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Kraft des vorbeistreichenden Windes als sein Eigenthum an.«8 Helmholtz liebte die Natur über alles, aber er war gewiss kein Umweltschützer. Er fuhr fort, William Thomson habe (auf Basis der Erkenntnisse Sadi Carnots) kürzlich ein Gesetz formuliert, wonach Wärme nur in mechanische Arbeit umgewandelt wird (und auch nur teilweise), wenn sie von einem wärmeren auf einen kälteren Körper übergeht. Dieses Gesetz – später bekannt als Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik – musste erst noch bewiesen werden; Helmholtz glaubte jedoch daran, dass es sich bestätigen würde (er erwähnte Clausius hier nur am Rande). Überlasse man die Kräfte sich selbst, entstehe ein Temperaturgleichgewicht, und ein »vollständiger Stillstand aller Naturprozesse« wäre die Folge, was das Universum »zu ewiger Ruhe« verurteilen würde. Langfristig gesehen drohe der Welt der »ewig[e] Tod« – beziehungsweise, so seine berühmte Formulierung, der »Wärmetod«.9 Es war das erste Mal, dass er den Zweiten Hauptsatz erwähnte, und auch später geschah das nur selten. Ob es vielleicht daran lag, dass seine eigene optimistische Grundhaltung nicht zu einem derlei »negativen« Gesetz passte, das auf Unordnung, Unumkehrbarkeit, Zerfall und Tod hinauslief? Das Zusammenspiel der Naturkräfte brachte Helmholtz auch dazu, über andere kosmologische Themen nachzudenken. Mithilfe der Krafterhaltung konnte er den »Haushalt des Weltalls« verstehen. Er spielte die Kant-Laplace’sche Urnebelhypothese zur Entstehung des Sonnensystems durch Gravitationskräfte auf verstreute Himmelsmaterie durch und verkündete stolz, Kant habe diese Hypothese »innerhalb der Mauern dieser Stadt« entwickelt. Immerhin räumte er diplomatisch ein, dass Pierre-Simon de Laplace, »der grosse Verfasser der Mécanique céleste«, unabhängig davon zu denselben Schlüssen gekommen sei. Ihre Gedanken boten eine rationale Erklärung für Entstehung und Aufbau der Erde, des Sonnensystems und darüber hinaus, sie führten die Menschheit »aus dem Dunkel hypothetischer Vorstellungen in die Helle des Wissens«. Dennoch handele es sich um eine bloße Hypothese und eine unvollständige kosmologische Idee. Die Wissenschaft sei hier noch zu nah an den alten Legenden der Menschheit angesiedelt und an den Ahnungen poetischer Fantasien. Helmholtz zitierte aus dem Tanach, der Hebräischen Bibel, und aus Goethes Faust, (vermutlich) um strukturelle Ähnlichkeiten zwischen alter und neuer Kosmologie aufzuzeigen.10 Er appellierte an die intellektuelle Toleranz und den Gebrauch der Fantasie. Aber damit nicht genug. Aus der Erhaltung der Kraft zog Helmholtz Schlüsse, um Phänomene wie Bewegung und Arbeit von Lebewesen, die Auswirkungen der Sonne auf die Erdatmosphäre und geologische Formationen zu verstehen. Was Nahrungsaufnahme und -verwertung angehe, seien organische Wesen wie Dampfmaschinen: Man könne im Prinzip berechnen, wie viel Wärme (oder deren Äquivalent in Arbeit) bei der Verbrennung einer bestimmten Materialmenge im Körper eines Tieres erzeugt werde. Das war tatsächlich ein Beispiel aus dem Lehrprogramm
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für organische Physik, das er seinen Zuhörern und Lesern da präsentierte. Helmholtz erinnerte sie daran, dass die Pflanzenwelt (beziehungsweise das Fleisch der pflanzenfressenden Tiere) die Nahrungs- und damit Energiequelle für Tiere ist: Die Nährstoffe, die von Tieren gefressen und verbrannt werden, stammen von Pflanzen, und die Pflanzen wiederum leben von den tierischen Verbrennungsprodukten – ein Energiekreislauf. Sollte sich all dies bewahrheiten, ergab sich für Helmholtz daraus, dass alle Kraft ursprünglich von der Sonne herstamme »und dass wir alle an Adel der Abstammung dem grossen Monarchen des chinesischen Reiches, der sich der Sohn der Sonne nennt, nicht nachstehen«. Das gelte gleichermaßen für »alle unsere niederen Mitgeschöpfe, die Kröte und der Blutegel, die ganze Pflanzenwelt und selbst das Brennmaterial, urweltliches wie jüngst gewachsenes, womit wir unsere Oefen und Maschinen heizen«. Wenngleich es derlei biochemische Energiekreisläufe noch zu belegen gelte, wie er eingestand, beinhalteten Helmholtz’ Überlegungen, die fünf Jahre vor Darwins On the Origin of Species (1859; Über die Entstehung der Arten, 1860) angestellt wurden, einen ähnlichen Grundgedanken: Alles Lebendige hängt zusammen. Die dynamische Kraft hinter dem ganzen System war für ihn ganz klar die Sonne mit ihren erleuchtenden und wärmenden Strahlen. Alle Planeten besaßen schließlich eine Atmosphäre, und auf dem Mars, so verkündete er feierlich, gebe es Anzeichen für das Vorhandensein von Wasser und Eis.11 Als Leitfaden durch alles gerade Gesagte hindurch dienten Helmholtz vor allem der Krafterhaltungssatz und das Gravitationsgesetz. »Physikalisch-mechanische Gesetze sind wie Teleskope unseres geistigen Auges; sie dringen in die fernste Nacht der Vergangenheit und Zukunft.« Derlei Gesetze könnten in Verbindung mit empirischen Daten etwa zur Verbreitung von Kulturpflanzen als Ausdruck von Schwankungen in der mittleren Jahrestemperatur Aufschluss über die Erdtemperatur in der fernen Vergangenheit oder auch der Zukunft geben. Denn die Geschichte unseres Planeten zeige, »wie winzig der Augenblick in seiner Dauer ist, der die Existenz des Menschengeschlechtes ausgemacht hat«. Die ganze Menschheitsgeschichte werde auf 6000 Jahre geschätzt, und das sei nichts gegen die Zeiträume, in denen die Erde eine lange Reihe heute ausgestorbener Tier- und Pflanzengeschlechter getragen habe. Von den Geologen werde diese Entstehung organischen (aber noch nicht menschlichen) Lebens auf ein bis neun Millionen Jahre geschätzt. Und diese Zeitspanne sei wiederum klein gegen jene 350 Millionen Jahre, die der aus geschmolzenem Gestein bestehende Erdball einst benötigt habe – wie Versuche zur Abkühlung nahelegten –, um auf 200 Grad abzukühlen. Heute sei Leben geographisch ganz anders auf der Erde verteilt als in der fernen Vergangenheit, und die Menschheitsgeschichte jedenfalls »nur eine kurze Welle in dem Ocean der Zeit«. An dieser Stelle versicherte Helmholtz seiner Zuhörer- und Leserschaft, es werde noch viele Generationen lang Leben auf der Erde geben, sie hätten also nichts zu befürchten. Wie er einräumte (als würde er James Hutton oder Charles Lyell zitieren), seien freilich heute noch dieselben
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geographischen Kräfte am Werke wie in der Vergangenheit. So wie sie die Erde und ihre Lebensformen in vergangenen Zeiten verändert hätten, würden sie dies auch in Zukunft tun. Das Gesetz von der Erhaltung der Kraft habe der Menschheit eine lange, aber keinesfalls unendliche Geschichte beschert: »Wie der Einzelne, so muss auch das Geschlecht den Gedanken seines Todes ertragen; aber es hat vor anderen untergegangenen Lebensformen höhere sittliche Aufgaben voraus, deren Träger es ist und mit deren Vollendung es seine Bestimmung erfüllt.«12 Helmholtz war wahrhaft kein Pessimist. Er bot eine naturalistische, evolutionäre und nichtchristliche Sicht auf die Erd- und Menschheitsgeschichte. Unter seinen physikalischen Mitstreitern im nördlichen Britannien hätte er damit wohl keine Freunde gefunden.
Der Materialismusstreit Helmholtz’ Aufsatz über die Wechselwirkung der Naturkräfte wurde sehr positiv aufgenommen – etwa von du Bois-Reymond, der Helmholtz zum Korrespondierenden Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften ernennen lassen wollte. Die Akademie war Helmholtz wohlgesinnt und du Bois-Reymond hoffte, dass sein Vorschlag bald auf positive Resonanz stoßen würde. Tatsächlich sollte es jedoch noch zweieinhalb Jahre dauern, bis Helmholtz im Januar 1857 ernannt wurde.13 Beeindruckt von Helmholtz’ Ausführungen zeigten sich auch Ludwig Büchner, der Philosoph Friedrich Albert Lange sowie Karl von Vierordt. Ernst Haeckel, der 1857 in Wien studierte, wollte die Rede zusammen mit Arbeiten von Jacob Moleschott und Büchner vortragen. Selbst Ferdinand Helmholtz war von dem Text beeindruckt, lobte dessen Inhalt in höchsten Tönen und ausnahmsweise sogar Hermanns Stil, gab aber zu bedenken, dass Natur und Geschichte Ausdruck gottgefälligen Lebens seien. Dass die Schöpfungsgeschichte in der Sichtweise seines Sohnes zu einem Ergebnis universeller thermodynamischer Prozesse wurde, konnte er nicht akzeptieren. Derweil fand Hirst in Großbritannien Helmholtz’ Text eine hervorragende Lektüre, sehr spekulativ, aber dennoch dicht dran an den Fakten. Er war so fasziniert, dass er ihn noch mehrmals zu lesen vorhatte. Tyndall übersetzte den Text für das Philosophical Magazine ins Englische. Auch Thomson las ihn sorgfältig, besonders interessierte er sich für die Ausführungen zur Sonnenwärme und zum Wärmetod. Aber er verwarf Helmholtz’ Hypothese, wonach die Wärme (Energie) der Sonne gravitativer Kontraktion entsprang (und nicht einem Meteoriteneinschlag, wie er und Mayer geneigt waren anzunehmen). Das lag vor allem daran, dass Helmholtz’ Sicht auf der Kant-Laplace’schen Urnebelhypothese beruhte und evolutionärer Natur war. 1861 revidierte Thomson seine Meinung jedoch zugunsten von Helmholtz’ Ansatz, der mit seinem Fokus auf dem Stellenwert der gravitativen Kontraktion inzwischen zur vorherrschenden Meinung bezüglich der Herkunft der Sonnenenergie avanciert war und es lange bleiben sollte.14
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Im deutschen Geistesleben wurde gerade eine neue Seite aufgeschlagen, und auch Helmholtz’ Publikation kündete davon. Seit dem Tod von Hegel (1831), Goethe (1832) und Schelling (1841) hatte sich das intellektuelle Leben in Inhalt und Ton deutlich verändert. Die Goethezeit (1770 – 1830) oder, aus philosophischer Perspektive, die Ära des absoluten Idealismus und Romantizismus, war definitiv zu Ende. In den 1830er- und 1840er-Jahren setzte in Deutschland die Industrialisierung ein und die Naturwissenschaften erlebten einen Aufschwung. Hegelianismus und Naturphilosophie standen in der Kritik und wurden schließlich von einer jüngerer Generation Gelehrter und Wissenschaftler beiseitegewischt, die sie als zu spekulativ, zu unempirisch, zu romantisch empfanden. Stattdessen standen Historizismus und empirische Wissenschaft, Materialismus, Mechanizismus und ein neu erwachtes Interesse an Kant im Vordergrund.15 Helmholtz’ Aufsatz baute auf dem auf, was später die ersten beiden Hauptsätze der Thermodynamik werden sollten, und gelangte so zu einem Verständnis der Sonne als Quelle aller Energie. Er betonte den Stellenwert der Wissenschaft, um die Rolle des Menschen in der Natur, die Energiequellen und das Alter des Universums zu ergründen. Die veränderte kulturelle Atmosphäre manifestierte sich zum einen im Aufkommen der Junghegelianer, deren gelehrte Kritik sich zum Teil auch gegen Hegel selbst richtete. Zu ihnen zählte David Friedrich Strauß, der in Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet (1835) die unhistorische Darstellung der Bibel mit all ihren Wundern hinterfragte und die mythenbildende Funktion des Christentums hervorhob. Auch Ludwig Feuerbach gehörte zu den Junghegelianern. In seinem Das Wesen des Christentums (1841) tat er die christliche Theologie als Projektion der intellektuellen Bedürfnisse des Menschen ab und stellte stattdessen die körperlichen Empfindungen und Erfahrungen in den Vordergrund. Auch wenn keiner dieser beiden Kritiker ein Materialist war wie ihr Kollege Karl Marx, ebenfalls ein Junghegelianer, argumentierten sie doch naturalistisch. Das galt gleichermaßen für die Anhänger des biologischen Reduktionismus (inklusive der organischen Physiker), die Mitte der 1840er-Jahre auf der Bildfläche erschienen und physiologisches Leben auf physikalische und chemische Gesetze herunterbrechen wollten. Natürlich waren sie (wie Helmholtz) Naturwissenschaftler, dazu auch »Mechanizisten«, also Verfechter eines mechanistischen Weltbildes, aber sicher keine Materialisten. Zum anderen schlug sich die veränderte geistige Atmosphäre im allgemeinen Aufstieg von Naturwissenschaften und Technologie nieder, begleitet vom Aufkommen vielfältiger neuer Institute und sonstiger Bildungseinrichtungen zu ihrer Förderung. Vielerorts hielt man Philosophie jetzt entweder für irrelevant oder für in Widerspruch zu den Naturwissenschaften stehend. Die natürliche und die soziale Welt galten als Gegenstände detaillierter empirischer und dabei immer stärker spezialisierter Studien, nicht als Objekte allgemeiner philosophischer Spekulation. Empirische Forschung wurde besonders von deutscher Seite mit bisher nicht ge-
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kannter Intensität und Reichweite betrieben. Empirismus, Naturalismus, Realismus und Materialismus kennzeichneten die damalige Wissenschaft; die Philosophie wurde von den Naturwissenschaftlern ignoriert, angegriffen oder einverleibt.16 Als eine dritte Manifestation des atmosphärischen Wandels bildete sich eine Gruppe von Wissenschaftlern und Medizinern heraus, die nicht unpassend als »wissenschaftliche Materialisten« bezeichnet wurden. Drei von ihnen – Karl Vogt, Jacob Moleschott und Ludwig Büchner – waren besonders erfolgreich in ihrer Polemik und der Popularisierung von Wissenschaft. Durch ihre materialistische Sichtweise sowie ihren allgemeinen intellektuellen und politischen Radikalismus, den sie für naturwissenschaftlich fundiert hielten, trugen sie dazu bei, das öffentliche Verständnis von Wissenschaft zu schärfen. Der Physiologe Vogt war vor allem bekannt für seine Physiologischen Briefe für Gebildete aller Stände (1845 – 1847) und seine Schrift Köhlerglaube und Wissenschaft: Eine Streitschrift gegen Hofrath R. Wagner in Göttingen (1855). Moleschott kam aus der Anatomie und Physiologie (er hatte Helmholtz’ Analyse zur physiologischen Wärme gelesen), wandte sich dann jedoch hauptsächlich der physiologischen Chemie zu. Er machte sich mit Die Lehre der Nahrungsmittel: Für das Volk (1850) und Der Kreislauf des Lebens: Physiologische Antworten auf Liebig’s Chemische Briefe (1852) einen Namen. Büchner war der berühmteste der drei, er stand an der Spitze der materialistischen Strömung im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Politisch war er ein Befürworter der Republik. Sein bekanntestes Werk war Kraft und Stoff: Empirisch-naturphilosophische Studien (1855), das von Klerus und konservativen Kreisen stark angefeindet wurde. Man zwang ihn sogar, seine Lehrposition an der Universität Tübingen aufzugeben. Diese und andere Werke der »wissenschaftlichen Materialisten« verbreiteten sich also im deutschsprachigen Raum und weit darüber hinaus. Sie trugen wesentlich zu der allgemein materialistisch-naturalistischen Atmosphäre bei, die in der Zeit nach 1848 in Europa vorherrschte.17 Dass die Atmosphäre umgeschlagen war, wurde auch auf dem Treffen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Göttingen Mitte September 1854 deutlich. Diese Naturforscherversammlung war seit 1822 der institutionelle Rahmen, in dem die deutschen Wissenschaftler und Mediziner alljährlich zusammenkamen, um ihre Arbeiten vorzustellen, den Stand der Forschung zu diskutieren und den potenziellen Nutzen von Wissenschaft für die Gesellschaft herauszustellen. Die Naturforscherversammlung hatte auch für die BAAS (1831) Pate gestanden. Die Versammlung von 1854 war von historischer Bedeutung, was mit der vor dem Plenum gehaltenen Rede von Rudolph Wagner zusammenhing, seines Zeichens Professor für Physiologie, Zoologie und vergleichende Anatomie in Göttingen, wo Helmholtz ihn vor drei Jahren getroffen hatte.18 Wie schon Liebig und Vogt vor ihm war Wagner darum bemüht, anatomisches und physiologisches Wissen populärer zu machen, indem er eine Reihe von Zeitungs-Briefen (1851 – 1852) in Buchform veröffentlichte. Er schrieb im Lichte der
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fehlgeschlagenen Revolutionen von 1848 und wollte als politischer Konservativer die gescheiterten Einigungsversuche mit dem Argument kompensieren, dass die Deutschen eine höhere Mission zu erfüllen hätten, nämlich einen intellektuellen und künstlerischen Beitrag zur Welt zu leisten. Wagner war mit seinem Kollegen Johannes Müller befreundet und wurde auf die Leistungen von Müllers physikalisch orientierten Studenten aufmerksam, darunter auch Helmholtz. Da Physiker allgemein kaum physiologische Kenntnisse besäßen, hielt er es für umso begrüßenswerter, dass Helmholtz, der in allen Bereichen der Physik beschlagen sei, sich ganz der Physiologie gewidmet habe. Besonders viel Lob hatte Wagner für Helmholtz’ Ausführungen zur Erhaltung der Kraft und seine Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit übrig (was Helmholtz aus schmeichelhaften Briefen erfuhr). Mit Vogts Materialismus und politischer Radikalität konnte er aber so gar nichts anfangen und erklärte Wissenschaft und Religion zu zwei getrennten Welten. Daraufhin griff Vogt seinerseits Wagner an, und im weiteren Verlauf schreckten beide nicht vor unsachlichen Argumenten zurück.19 Diese Punkte führte Wagner bei dem Treffen in Göttingen weiter aus, wo er vor 500 registrierten Teilnehmern über »Menschenschöpfung und Seelensubstanz« sprach. Er erläuterte, dass es im Grunde keinen Konflikt zwischen Wissenschaft und biblischem Glauben gebe. Er lehnte es ab, die Naturwissenschaften zu benutzen, um die Religion zu unterminieren, wie es Strauß in seiner historischen Darstellung des Lebens Christi und des frühen Christentums getan hatte. Die moderne Wissenschaft habe sich nicht dazu zu äußern, ob die gesamte Menschheit von einem Menschenpaar abstamme (das sei eine reine Glaubensangelegenheit), wo doch schon der neue und unter Naturwissenschaftlern – insbesondere Physiologen (nicht zuletzt Vogt und Ludwig) – verbreitete materialistische Ansatz den Glauben an die Existenz der Seele, die Freiheit des Willens und mehr untergraben habe. Wagner appellierte an seine Kollegen, die Wissenschaft nicht für Attacken gegen die Schöpfungsgeschichte oder die Existenz der Seele zu missbrauchen und auch am moralischen Fundament der Gesellschaft nicht zu rütteln. Er schlug vor, diese Fragen am nächsten Konferenztag in der Sektion für Anatomie und Physiologie öffentlich zu diskutieren, und lud explizit Ludwig zur Teilnahme ein. Der kam auch tatsächlich, Wagner selbst jedoch nicht. Ein paar Wochen später waren 3000 Exemplare seines Vortrags im Umlauf. Anfang 1855 veröffentlichte Vogt, den Wagner für einen der größten Übeltäter hielt, eine Antwort. Der ursprüngliche Rahmen der Versammlung und einer akademischen Debatte war mittlerweile längst gesprengt, und es ging mindestens genauso um Politik wie um erkenntnistheoretische Fragen oder Wissenschaft. Es galt, den (christlichen) Glauben und den politischen Status quo zu verteidigen oder aber, ganz im Gegensatz, für einen rational geordneten, fortschrittlichen Staat und eine ebensolche Gesellschaft einzutreten.20 Büchner schrieb sein Kraft und Stoff mit Moleschotts aktuellem Pamphlet und der
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Konferenzdebatte im Hinterkopf. Er argumentierte darin, dass Wissen sich auf Beobachtungen und Experimente stützen müsse, was zum Grundsatz seiner materialistischen Weltsicht wurde, und hob den Stellenwert der Kraft für die Naturgesetze hervor. Wagner erschien dagegen als ein Anhänger des Spiritualismus. Bald schon hörte Helmholtz vom sogenannten Göttinger Materialismusstreit und erfuhr von Ludwig auch, dass man ihn auf der Göttinger Versammlung in den höchsten Tönen gelobt hatte. Offenbar hatte er derzeit als einziger Physiologe einen Platz im Herzen der praktizierenden Ärzte gefunden, was vor allem seinem Augenspiegel zu verdanken war, der – wie alle sagten – eine neue Ära in der Augenheilkunde bedeutete. Helmholtz berichtete Ludwig davon, dass Ludwig und Wagner zuweilen mit Dr. Eck und Dr. Luther verglichen würden, wie sie einen öffentlichen Disput über die Natur der Seele führten – Wagner kam dabei natürlich der Part mit der Bibel in der Hand zu, während Ludwig die Sache des Teufels und des Atheismus vertrat. Helmholtz konnte nicht verstehen, warum Wagner nicht an der Diskussion teilgenommen hatte, zu der er selbst eingeladen hatte, vermutete jedoch zu Recht: »Wagners Denunziation auf der Naturforscherversammlung hat ihm [Ludwig] bei unserer Regierung Schaden getan.«21 Die Materialismusdebatte war jedenfalls alles andere als vorbei, weder in Deutschland noch in Großbritannien.
Zu Philosophie und menschlicher Wahrnehmung Anfang der 1850er-Jahre besann sich die Stadt Königsberg auf ihren berühmten Sohn Kant. Im Jahre 1852 regte Karl Rosenkranz, ein liberal eingestellter Königsberger Patriot, Philosoph und Hegelschüler, die Errichtung eines Denkmals für Kant an. 1855 war die Bronzestatue des Königsberger Philosophen dann fertig (wurde jedoch erst 1862 aufgestellt). Helmholtz wurde gebeten, eine Gedenkrede auf Kant zu halten.22 Zweifelsohne fiel ihm diese Ehre zu, da er inzwischen zur bekanntesten Persönlichkeit Königsbergs nach Kant aufgestiegen war. Sein Vortrag »Ueber das Sehen des Menschen« skizzierte nicht nur die neueren Erkenntnisse zur menschlichen Wahrnehmung und ordnete Kants Beiträge zu diesem Thema ein, sondern befasste sich auch mit dem aktuellen philosophischen und kulturellen Wandel in Deutschland. Schließlich folgte der Vortrag (Februar 1855) der Göttinger Naturforscherversammlung und ihrer Materialismusdebatte hart auf den Fersen. Diplomatisch wie immer merkte Helmholtz eingangs an, dass es die Erinnerung an Kant war, die an jenem Tag seine Zuhörerschaft zusammengebracht hatte, und dass dieser »vielleicht mehr, als irgend ein anderer, dazu beigetragen hat, den Namen unserer Stadt unauflöslich mit der Culturgeschichte der Menschheit zu verknüpfen«. Er betonte den Stellenwert von Tradition, »dass unsere Zeit und diese Stadt eine dankbare und ehrende Erinnerung für Männer hat, denen sie wissenschaftlichen Fortschritt und Belehrung verdankt«.23
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Helmholtz ging es zuerst um die Klärung seines eigenen Verhältnisses zur jüngeren Philosophie. Manch einer möge sich ja fragen, ob ein Naturwissenschaftler überhaupt einen Philosophen (also Kant) ehren könne – womit er natürlich auf den aktuellen Streit zwischen Naturwissenschaftlern und Philosophen anspielte. »Weiss man nicht allgemein, dass Naturforscher und Philosophen gegenwärtig nicht gerade gute Freunde sind, wenigstens in ihren wissenschaftlichen Arbeiten? Weiss man nicht, dass zwischen beiden lange Zeit hindurch ein erbitterter Streit geführt worden ist, der neuerdings zwar aufgehört zu haben scheint, aber jedenfalls nicht deshalb, weil eine Partei die andere überzeugt hätte, sondern weil jeder daran verzweifelte, die andere zu überzeugen?« Die Naturforscher rühmten sich »gern und laut« der »grossen Fortschritte ihrer Wissenschaft in der neuesten Zeit« und »von dem Augenblicke, wo sie ihr Gebiet von den Einflüssen der Naturphilosophie ganz und vollständig gereinigt hätten«. Zu Kants Lebzeiten habe es keine solche Kluft zwischen der Philosophie und den Naturwissenschaften gegeben. Kant habe in Bezug auf die Grundlagen der Naturwissenschaften die Meinung der Naturwissenschaftler geteilt, war also Newtonianer. Diese Grundlagen, so fuhr Helmholtz fort, seien heute noch dieselben wie in Kants Tagen, aber die Einstellung der Philosophie ihnen gegenüber habe sich mittlerweile geändert. Kants Philosophie, so Helmholtz, ziele nicht darauf ab, Wissen durch reines Denken zu mehren – glaubte er doch, dass Erkenntnis der Wirklichkeit auf Erfahrung gründen müsse –, sondern »die Quelles unseres Wissens und den Grad seiner Berechtigung zu untersuchen«. Dies sei, so Helmholtz weiter, die ständige Aufgabe der Philosophie: Erkenntnistheorie, nicht Metaphysik. Neben Kant führte Helmholtz für die Naturwissenschaften auch Fichte, den Helden seines Vaters, ins Feld. Seiner Meinung nach war Fichte, der selbst kurz in Königsberg gelehrt hatte, ebenfalls ein Freund der Naturwissenschaften, wenn auch aus einer anderen Zeit.24 Zwei Philosophen gab es, von denen Helmholtz sich stark distanzierte, nämlich Schelling und Hegel. Es seien schließlich diese beiden, die nach Fichtes Tod den ganzen Streit mit den Naturwissenschaften angezettelt hätten. Sie fanden Kants Vorstellung von der Rolle der Philosophie gegenüber der Wissenschaft zu eng gefasst und gingen darüber hinaus. Reine Gedankenkraft, so glaubten sie, könne sehr wohl neue wissenschaftliche Erkenntnisse erbringen, ohne auf Experimente zurückzugreifen. Die Philosophie sei stets das geeignete Werkzeug. (Anders als Helmholtz glaubte, galt das so nicht für den frühen Schelling, der tatsächlich die Wichtigkeit und Notwendigkeit von Erfahrung und Experiment betont hatte und sich damit von Fichtes Denkweise abhob.)25 Helmholtz schreibt weiter von der »höchst unphilosophisch leidenschaftlichen Polemik« Hegels und seiner Schüler, vor allem »gegen Newton und dessen Theorien«. Seine philosophischen Gegner setzten zunächst die Natur mit dem menschlichen Geist gleich und versuchten dann, die Gesetze des Geistes mit den Gesetzen der äußeren Realität zu identifizieren (wie Kant,
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könnte man sagen). Sie zielten demnach darauf ab, so Helmholtz weiter, die »Identität« der menschlichen Sinneswahrnehmung mit den »wirklichen Eigenschaften der wahrgenommenen Körper nachzuweisen«, was sie zu »Vertheidigern von Goethe’s Farbenlehre« machte. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts steckten die Naturwissenschaften laut Helmholtz noch in den Kinderschuhen, weshalb die Philosophie die Oberhand behielt. Bis auf »wenige ehrenvolle Ausnahmen« wie Humboldt hätten sich die meisten deutschen Wissenschaftler der Naturphilosophie unterworfen, »bis endlich der grosse Aufschwung der Naturwissenschaften in den europäischen Nachbarländern auch Deutschland mit sich fortriss«. (Hier griff Helmholtz tief in die Rhetorikkiste.) Die imperialistischen Naturphilosophen hätten alles »in Anspruch nehmen wollen«, weswegen manche jetzt dächten, man solle die Philosophie meiden oder sie gleich ganz abschaffen. Helmholtz war da anderer Meinung, seiner Ansicht nach hatte die Philosophie durchaus eine berechtigte, wenn auch begrenzte Rolle zu spielen. Und er drang darauf, dass Naturphilosophie nicht »mit der Philosophie überhaupt« zu verwechseln sei.26 Was Helmholtz nicht in seine Überlegungen einbezog, war die Möglichkeit, dass der jüngste Aufstieg der Wissenschaften in Deutschland den Streit zwischen Philosophie und Naturwissenschaft ein Stück weit mit angefeuert haben könnte. Denn vielleicht nahmen die Philosophen und anderen Geisteswissenschaftler die vielen neuen Professorenstellen, Institute und Labore ja als Bedrohung wahr? Nachdem er die Philosophie abgehandelt hatte, ging Helmholtz zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zur menschlichen Sinneswahrnehmung über, als dem »Punkt, an dem sich Philosophie und Naturwissenschaften am nächsten berührten«. Das Auge nannte er »ein von Natur aus gebildetes optisches Instrument, eine natürliche Camera obscura«. Wie er glaubte, gab es Daguerreotypie und Photographie mittlerweile lange genug, dass der Vergleich eines Auges mit einer menschengemachten Kamera seinem Publikum etwas sagen musste. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen den beiden liege darin, dass dort, wo sich in der Kamera eine lichtempfindliche Glasplatte befand, auf die das Licht traf, das Auge eine sensible Netzhaut hatte, mithilfe derer es das Licht über ein komplexes Nervensystem ans Gehirn meldete. Im Folgenden erklärte Helmholtz die Akkommodation des Auges und wie man die Netzhaut mithilfe eines Augenspiegels untersuchen konnte. Aus physikalischer Sicht hielt er das Auge für ein mangelhaftes optisches Instrument – so mangelhaft, dass er seine Messungen der Hornhautkrümmung bei der Erforschung der Akkomodation nur zu illustrativen Zwecken durchgeführt habe. Es sei Zeitverschwendung, hier präzise Ergebnisse erzielen zu wollen. Helmholtz machte sich nun daran, den physikalischen Prozess des Sehens zu erklären: Jeder Bildpunkt auf der Netzhaut entspreche einem Lichtpunkt, der von außen einfalle. Lichtstrahlen würden dabei von Objekten reflektiert und gelangten durch Hornhaut und Kammerwasser zur Linse, die sie bündele und durch den
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Glaskörper ein Bild auf die Netzhaut übertrage. Der Nervenapparat des Auges, so erklärte er weiter, unterscheide die Helligkeit verschiedener Objekte. Unser Bild von den Dingen werde in der »Kristalllinse« des Auges gebildet, die das Bild dann auf die Netzhaut werfe.27 Helmholtz führte weiter aus, dass die Wahrnehmung von Licht das Auge auf verschiedene Weise (beispielsweise mechanisch oder elektrisch) stimulieren könne. Aus einer Stimulation des Sehnervs ergebe sich aber immer eine optische Empfindung. Wenn derselbe Reiz auf einen anderen Nerventyp treffe, entstehe eine andere Art von Empfindung (keine Lichtempfindung). Ließe man denselben Reiz beispielsweise auf den Hörnerv einwirken, entstehe eine Schallempfindung, bei Hautnerven eine Tastempfindung oder ein Wärmegefühl, beim Muskelnerv jedoch gar keine Empfindung, sondern ein Zucken. Es sei ein und derselbe Reiz, der diese unterschiedlichen Empfindungen auslöse, so Helmholtz weiter, wobei die Art der Empfindung nicht von dem äußeren Objekt abhänge, von dem sie ausgehe, sondern von dem Sinnesnerv, der sie empfange. Hier kam er natürlich auf Müllers Gesetz der spezifischen Sinnesenergien zu sprechen, das dieser erstmals in Über die phantastischen Gesichtserscheinungen (1826) beschrieben hatte. Es war Helmholtz zufolge der bedeutendste Fortschritt, »den die Physiologie der Sinnesorgane in neuerer Zeit gemacht hat«. Die verschiedenen Farben entstünden, wenn Licht modifiziert werde. Je nach Schwingungsfrequenz erhalte man die Farbtöne von Violett bis Rot; mische man verschiedenfarbiges Licht, ergebe sich eine neue, eine Mischfarbe.28 Diese wissenschaftlichen Fakten zur Entstehung von Empfindungen führten Helmholtz zu einem erkenntnistheoretischen Aspekt »von der höchsten Wichtigkeit«: Unsere Wahrnehmung hängt genauso von unseren Sinnen wie von äußeren Objekten ab. Die moderne Sinnesphysiologie als eine experimentelle Wissenschaft habe, so Helmholtz, gezeigt, was Kant einst über die Rolle eingeborener Gesetze und die Vorgehensweise des Geistes bei der Ideenbildung zu beweisen versucht habe. Helmholtz glaubte, die moderne Wissenschaft werde zu philosophischen Erkenntnissen führen. Auch gebe es eine Parallele zwischen einer modernen, physiologisch begründeten Theorie der Wahrnehmung und Kants Erkenntnistheorie. Damit ließ er durchblicken, ohne es direkt zu sagen, dass er Kants Vorstellung von Geist für überholt hielt. Er berief sich zwar auf den Philosophen, lehnte seinen Standpunkt jedoch de facto ab.29 Kant war zurück, wenn auch nicht vollständig. Der physikalische und physiologische Prozess der Lichtempfindung war für Helmholtz nicht das eigentliche Sehen, sondern eine Voraussetzung dafür. »Das Sehen besteht also erst im Verständnis der Lichtempfindung.« Hier führte Helmholtz eine psychologische Dimension in seine Analyse der menschlichen Wahrnehmung ein, womit er sich klar von den Ansichten der Materialisten distanzierte.30 Um seinen Zuhörern und Lesern die Tiefenwahrnehmung zu verdeutlichen, also den Unterschied zwischen der Betrachtung einer perspektivischen Zeichnung und
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der Betrachtung eines Objekts selbst, brachte Helmholtz an dieser Stelle Wheatstones Stereoskop ins Spiel: Unsere zwei Augen betrachten die Welt stets aus zwei unterschiedlichen Perspektiven, blicken sie aber auf die perspektivische Zeichnung eines Objekts auf einer ebenen Fläche, nehmen sie beide dieselbe Perspektive ein. Dadurch können sie den »wirklichen Gegenstand von seiner Abbildung unterscheiden«. Würde man aber dem linken und dem rechten Auge jeweils eine räumliche Zeichnung desselben Objekts vorlegen »und dann jedem Auge die betreffende Zeichnung in einer richtigen Lage zeigen, so hört der wesentliche Unterschied zwischen der Ansicht des Gegenstands und seiner Abbildung auf, und wir glauben nun, statt der Zeichnung in der That die Gegenstände zu sehen«. Hier kam das Stereoskop zum Einsatz: Es zeigte zwei Zeichnungen desselben Objekts aus leicht unterschiedlichen Perspektiven und konnte so ausgerichtet werden, dass die Zeichnungen sich an ein und demselben Ort zu befinden schienen. Auch mit Schielen lasse sich dieser Effekt erzielen, erklärte Helmholtz, wenn man so lange auf zwei dicht nebeneinander liegende Objekte schiele, bis sie irgendwann wie eins wirkten. Ob mit Stereoskop oder Schielen – das Ergebnis sei immer eine optische Illusion.31 Zwar hielt Helmholtz den Vortrag zu Ehren Kants, dachte aber bezüglich der Raumverhältnisse ganz anders als der Philosoph. Kant sah die räumlichen Beziehungen als a priori gegeben an, Helmholtz hielt sie für etwas, was unsere Augen mithilfe ihrer beiden Perspektiven und individuellen Bewegungen, also durch ihre erfahrungsbasierten Aktivitäten, gewissermaßen ständig neu konstruierten. Auch eine psychologische Komponente – den menschlichen Willen – sah Helmholtz bei der geistigen Bildung von Raumbezügen involviert. Er führte als Beispiel verschiedene Situationen an, in denen es zu Bewegungsillusionen kommen konnte: Schwindel, hohes Fieber, wenn man sich schnell im Kreis drehte oder in einem fahrenden Zug saß, lange Schiffsreisen. Dabei handele es sich um körperliche Zustände oder Orientierungswechsel, in denen die Bewegungen der Augenmuskeln fehlinterpretiert würden. Wie er glaubte, vermochte die Wissenschaft viele ansonsten unerklärbare Illusionen zu erklären. Sehen war für Helmholtz größtenteils ein erlerntes Verhalten.32 Teile unserer Geistestätigkeit, so führte er weiter aus, gingen unbewusst und unabhängig von Willen, Intelligenz und Überzeugungen vonstatten, sodass es fraglich sei, ob man hier überhaupt von etwas wie »Denken« sprechen könne. Wie er einräumte, sei der psychologische Prozess, der körperliche Empfindungen in Wahrnehmungen umwandelte, allerdings schwer zu verstehen. Der Vorgang der Wahrnehmung beinhalte nämlich immer auch den sogenannten unbewussten Schluss, der sich auf zuvor Gelerntes stütze. Um dies zu veranschaulichen, rekurrierte Helmholtz auf seine – ja reichlich vorhandenen – Theatererfahrungen: Auch wenn ein Schauspieler so gekleidet sei und sich so bewege und betrage wie die Fi-
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gur, die er auf der Bühne darstellen wolle, sei das Publikum sich doch dessen stets bewusst, dass es der Schauspieler ist und bleibt, der da auf der Bühne steht. Es halte »unwillkürlich« an seiner Erwartung fest, dass es die Gefühle und Handlungen des Schauspielers sind, die der Rolle entsprechen, die er spielt. Die besten Darsteller schafften es allerdings, das Publikum vergessen zu lassen, dass sie spielten, sodass sie »ganz natürlich« wirkten. Erst im Vergleich mit weniger begabten Kollegen erkenne man ihr Talent und werde daran erinnert, dass sie tatsächlich schauspielerten. Ähnlich sei es mit optischen Illusionen: Zwar wissen wir, dass die Vorstellung oder das mentale Bild, das ein Sinneseindruck hervorgerufen hat, falsch ist, und dennoch bleibt diese Vorstellung »in all ihrer Leibhaftigkeit bestehen«. Genau wie das Talent eines Schauspielers eine Illusion erzeugen und aufrechterhalten kann, sind unsere Sinneseindrücke mit Vorstellungen verbunden, »welche durch die Natur unserer Sinne selbst bedingt« sind. Millionen Male in unserem Leben durchlaufen wir diesen Prozess, beispielweise »wenn in gewissen Nervenfasern unserer beiden Augen, bei einer gewissen Stellung derselben, ein Gegenstand Lichtempfindung erregte, wir den Arm so weit ausstrecken mussten, oder eine bestimmte Zahl von Schritten gehen mussten, um ihn zu erreichen. Dadurch ist denn die unwillkürliche Verbindung zwischen dem bestimmten Gesichtseindruck und der Entfernung und Richtung, in welcher der Gegenstand zu suchen ist, hergestellt«. Dies lasse sich auch auf die Einschätzung von Entfernungen übertragen, die ebenfalls ein erlernter Prozess sei. Helmholtz erinnerte sich noch gut daran, wie ihm als Junge zum ersten Mal »das Gesetz der Perspective aufging«, als er mit seiner Mutter an einem hohen Turm vorbeikam, auf dem sich Leute befanden. (Als er ein Jahr nach dieser Ansprache du Bois-Reymond zur Geburt seines ersten Kindes gratulierte, äußerte er, nur halb im Scherz, dass dessen Sohn mit seinen drei Monaten »sich wahrscheinlich schon mit den schwierigen Fragen, wie sich Raum- und Zeitvorstellungen bilden, praktisch beschäftigt und davon jetzt mehr weiß als alle gelehrten Physiologen der Welt«.) Die Sinnesorgane durchliefen demnach eine Art Ausbildung, wodurch sich für Helmholtz »die Sicherheit und Genauigkeit in der Raumconstruction unserer Augen« erklärte. Der Mensch lerne wie ein geschickter Jongleur oder Billardspieler, visuelle Objekte zu beurteilen. Sehen zu lernen, bedeutete für Helmholtz, die Vorstellung oder das Bild von einem Objekt mit bestimmten in der Vergangenheit gehabten oder aktuellen Empfindungen zu verbinden.33 Zum Abschluss seiner Rede kam Helmholtz wieder auf Kant zurück. Wenn es nämlich eine Verbindung zwischen einer Empfindung und dem Bild eines bestimmten Körpers gebe, müsse es notwendigerweise eine Idee von dem Körper als solchem geben. Letztendlich nähmen wir mithilfe unserer Sinne nie direkt die Objekte der äußeren Wirklichkeit wahr, sondern von Geburt an lediglich ihre Wirkung auf unseren Nervenapparat. Der Übergang von der Welt der Empfindungen in unse-
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rem Nervensystem zur äußeren Wirklichkeit geschehe »nur durch einen Schluss«. Das Vorhandensein von äußeren Objekten dürften wir als Ursache unserer Nervenerregung allerdings voraussetzen, führt Helmholtz weiter aus, denn eine Wirkung ohne Ursache existiere nicht. Dieses Gesetz sei kein Erfahrungssatz, sondern die notwendige Bedingung, um überhaupt Kenntnis über die Dinge der Außenwelt erlangen zu können. Es ergebe sich nicht »aus der inneren Erfahrung unseres Selbstbewusstseins«, denn »die selbstbewussten Akte unseres Denkens betrachten wir gerade als frei«. Nun war Helmholtz in seinen Ausführungen zur Sinneswahrnehmung wieder bei Kants Satz »Keine Wirkung ohne Ursache« angelangt, einem vor aller Erfahrung stehenden Gesetz des Denkens. So diplomatisch, wie er seinen Vortrag begonnen hatte, beendete er ihn auch: »Es war der ausserordentlichste Fortschritt, den die Philosophie durch Kant gemacht hat, dass er das angeführte Gesetz und die übrigen eingeborenen Formen der Anschauung und Gesetze des Denkens aufsuchte und als solche nachwies.« Helmholtz fand sogar: »Damit leistete er, wie ich schon vorher erwähnte, dasselbe für die Lehre von den Vorstellungen überhaupt, was in einem engeren Kreise für die unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmungen auf empirischen Wegen die Physiologie durch Johannes Müller geleistet hat.« Er war überzeugt, »dass Kant’s Ideen noch leben, und noch immer sich reich entfalten, selbst in Gebieten, wo man ihre Früchte vielleicht nicht gesucht haben würde«. Der Konflikt zwischen der Philosophie und den Naturwissenschaften beziehe sich daher nur auf »gewisse neuere Systeme der Philosophie« (Hegelianer und dergleichen) und nicht »auf alle Philosophie überhaupt«. In seinem Vortrag habe er darzulegen versucht, »dass das gemeinsame Band, welches alle Wissenschaften verbinden soll, keineswegs durch die neuere Naturwissenschaft zerrissen ist«. Kant war zurück, und Helmholtz war als einer der Ersten maßgeblich daran beteiligt, ihn zurückzuholen.34 Aber auch wenn Helmholtz ihn nicht offen kritisierte und selbst seine implizite Kritik an Kant nicht so harsch war wie die an Goethes Optik, hatte er ihn doch geschickt korrigiert. Ganz nebenbei hatte er dafür gesorgt, dass sich sein eigener Name für immer mit zwei ganz großen Namen deutscher Kultur verband. In kultureller Hinsicht waren er und Humboldt mittlerweile zu den vornehmsten Vertretern der deutschen Naturwissenschaften avanciert. Seine Vorträge zu Goethe und zur menschlichen Wahrnehmung wirkten romantischen und idealistischen Anschauungen in der deutschen Philosophie und Kultur entgegen und gaben der gesamten intellektuellen Szene Europas einen neuen, naturalistischen Ton vor – genau wie Darwin es bald mit On the Origin of Species (Über die Entstehung der Arten) und The Descent of Man (Die Abstammung des Menschen) tun würde, oder Marx mit seinen Schriften zur politischen Ökonomie. Im europäischen Denken wurde die Welt zunehmend ein Ort, der in naturalistischen, nicht in übernatürlichen (religiösen) Kategorien erklärt werden musste. Es war der Anbruch eines neuen Zeitalters.
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Anfänge einer Farbwissenschaft Keine zwei Monate vor Helmholtz’ Vortrag zur menschlichen Wahrnehmung charakterisierte Maxwell dessen Theorie der zusammengesetzten Farben als die philosophischste Herangehensweise an das Thema, die ihm je begegnet sei. Er stellte Helmholtz mit Blick auf seine Farbtheorie in eine Reihe mit Newton, Thomas Young, James David Forbes und Hermann Günther Graßmann. Maxwells Lob zum Trotz erfuhr Helmholtz dafür aber auch Kritik. Auf die Einwände des Mathematikers und Wissenschaftlers Graßmann reagierte Helmholtz, indem er der BAAS in Hull eine überarbeitete und erweiterte Version seiner früheren Ausführungen vorlegte. Auf Basis einer neuen Instrumententechnik zum Mischen der Farben und unter Nutzung seiner eigenen Farbwahrnehmung als Standard gelang es ihm, Graßmanns mathematische (geometrische) Gesetze und empirische Ergebnisse zur Farbmischung teils zu kritisieren, teils sich zu eigen zu machen und teils anzupassen. Für die Darstellung der Farbmischung nutzte Helmholtz eine Art Dreieckskurve anstatt eines Kreises oder einer baryzentrischen Figur (wie Newton und Graßmann vorschlugen). Er zeigte graphisch und empirisch, wie das Auge Farben additiv mischte. Youngs Dreifarbentheorie gegenüber blieb er skeptisch. Was ebenso wichtig war und zu einem unterscheidenden (und kontrovers diskutierten) Merkmal seiner eigenen Theorie zur Farbwahrnehmung wurde: Wieder räumte er dem menschlichen Ermessen eine Rolle dabei ein. Noch bevor das Jahr 1855 zur Neige ging, stellte auch Maxwell seine eigenen Farbgleichungen vor, die er im Grunde der Vorarbeit beider, Graßmanns und Helmholtz’, verdankte. Innerhalb von drei Jahren hatten diese drei Männer die Wissenschaft der Farbmetrik begründet.35
Gerangel um eine Stelle in Bonn Er ließ es sich zwar nicht anmerken, aber Helmholtz wollte schon eine ganze Weile fort von Königsberg. Er war einfach zu weit weg von Berlin, von vielen seiner Kollegen und auch von seinen potenziellen Studenten in der Mitte und dem Westen Deutschlands, ganz zu schweigen von seiner Familie. Als Helmholtz’ Mutter 1854 starb, kam er nicht zu ihrer Beerdigung, vermutlich weil das Semester bald anfangen würde und Königsberg zu weit von Potsdam entfernt war, um es rechtzeitig hin und zurück zu schaffen. Zwar ist der Einfluss der Mutter – von der Helmholtz sagte, sie habe im Leben gelitten und für die Menschen gelebt, die sie liebte – auf ihn weniger offensichtlich als der seines Vaters, er verdankte ihr jedoch viel. Die Wichtigkeit, die Helmholtz einem stabilen Familienleben beimaß, seine Bewunderung für gebildete Frauen und die offensichtliche Tatsache, dass er sich in ihrer Gegenwart wohlfühlte (weil er mit ihnen nicht fachlich konkurrieren musste) – all dies konnte man zumindest teilweise dem Einfluss seiner Mutter zuschreiben. Vor al-
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lem aber zog es ihn aus Königsberg fort, weil das dortige Klima für Olgas angeschlagene Gesundheit nachteilig war. Er war entschlossen, eine akademische Position an einem wärmeren Ort zu finden, der Olgas Gesundheit zuträglich wäre. Dass es in Heidelberg nicht geklappt hatte, bedauerte er ebenso wie Bunsen, der ihn nicht hatte herholen können.36 1854 schließlich tat sich eine Möglichkeit in Bonn auf. Die medizinische Fakultät suchte einen Nachfolger für einen Anatomen, der in den Ruhestand ging, wollte aber allgemein gesprochen auch das Personal und Angebot der Fakultät ausbauen. Man empfahl dem Ministerium, Julius Budge, der seit 1847 als außerordentlicher Professor für Anatomie, Physiologie und Zoologie tätig war, zum ordentlichen Professor für Physiologie zu bestellen. Das Ministerium kam dem nach, zog aber ansonsten nicht so mit, wie Bonn es sich wünschte. Die Situation blieb im Fluss.37 Helmholtz unternahm einige Anstrengungen, um sich die Option auf eine Stelle in Bonn zu sichern. Darin lag Konfliktpotenzial im Verhältnis zu du Bois-Reymond und Ludwig, die sich beide ebenfalls für den Posten interessierten. Helmholtz glaubte auch durchaus, dass eine ordentliche Professur in Bonn besser zu du Bois-Reymonds wissenschaftlicher Ausrichtung und dessen Selbstgefühl passen würde als seine aktuelle Stellung als außerordentlicher Professor in Berlin. Das Ministerium werde wohl mehrere gute Wissenschaftler nach Bonn holen wollen, um die medizinische Fakultät aus der derzeitigen Versenkung zu holen. Helmholtz riet du Bois-Reymond daher, die Stelle anzunehmen, falls man sie ihm anböte. Wolle er sie jedoch nicht, bat er ihn, so früh wie möglich Bescheid zu geben, sodass er selbst mit dem Ministerium sprechen könne. Wenn das Salär mit dem in Königsberg vergleichbar sei, würde er Bonn vorziehen, da er dort seinen Tätigkeitsbereich ausweiten und so mehr verdienen könne. Außerdem würde Olga, deren Gesundheit er als dauerhaft gefährdet einschätzte, ein angenehmeres Klima zugutekommen. Auch ihm habe das Königsberger Klima in den vergangenen 18 Monaten das Arbeiten zunehmend erschwert und ihm heftige Bauchschmerzen verursacht, die seiner Vermutung nach vom Darm herrührten. Dennoch hielt er seine Gründe für nicht so dringlich wie du Bois-Reymonds und wünschte ihm Erfolg. Falls aus der Sache aber nichts würde, möge er Helmholtz doch die angebotenen Bedingungen wissen lassen, damit er informiert nach Berlin reisen könne, um mit dem Ministerium direkt zu verhandeln.38 Da du Bois-Reymond ihn nicht auf dem Laufenden hielt, bat er Schulze (vom Ministerium), ihn für die Stelle in Betracht zu ziehen. Helmholtz gab zu, dass er nichts über Bonn wisse, ja sich sogar unsicher sei, ob die Stelle überhaupt vakant sei, ob Bonn ein physiologisches Institut besitze und welche Vorlesungen man dort von ihm erwarte. Dass er nach Bonn wollte, hatte nach seinen eigenen Angaben verschiedene Gründe: Es lag näher an England und Holland, wohin er enge berufliche Kontakte pflegte. Julius Budge war in Bonn. Königsberg war schlicht und einfach
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abgelegen. Last, but not least war da der schädliche Effekt von Königsbergs rauem Klima auf Olgas und seine Gesundheit. Er glaubte ihr Leben in Gefahr und stellte deshalb alle anderen Überlegungen hintan, als er im Ministerium um die Versetzung bat. Die Sorge über die hohen Lebenshaltungskosten in Bonn ließ ihm aber doch keine Ruhe, und er gab der Hoffnung Ausdruck, dass er dort mindestens so viel verdienen würde wie in Königsberg. Die ganze Angelegenheit, erklärte er, liege ihm sehr am Herzen. Sollte es sich schwierig gestalten, Ersatz für ihn zu finden, könne das Ministerium auf seinen Kollegen Wittich zurückgreifen.39 Er machte sich nicht die Mühe, eine Liste seiner Publikationen beizufügen, das Ministerium wusste schließlich bestens Bescheid über seine Leistungen und sein steigendes Ansehen. Es ließ sich ja auch leicht feststellen, dass er in bisher 13 Jahren Berufstätigkeit 34 Publikationen vorgelegt hatte, 26 davon aus seiner Zeit in Königsberg. Vermutlich war seine Publikationsliste in qualitativer wie quantitativer Hinsicht im Kollegenkreis einzigartig. Innerhalb von 14 Tagen erhielt er eine positive Antwort des Ministeriums, die jedoch an Bedingungen geknüpft war. Helmholtz schrieb zurück, dass er gerne, wie gewünscht, die Lehrtätigkeit in Pathologie gegen eine solche in Anatomie tauschen würde, dies sei ohnehin eher sein Interessengebiet. Auch sei er an den Entwicklungen in der Pathologie nicht mehr dicht dran und habe Anatomie bereits an der Akademie der Künste gelehrt. Seine ersten Veröffentlichungen hätten die mikroskopische Anatomie zum Gegenstand gehabt, und auch wenn eine oberflächliche Durchsicht seiner Arbeiten dazu verleiten könne zu denken, er habe mit Anatomie nicht viel am Hut, lägen seine Interessen der anatomischen Wissenschaft doch nicht allzu fern.40 So drehte er es zumindest. Helmholtz hatte seinerseits ebenfalls drei Anliegen, beziehungsweise Bedingungen. Seine Ernennung sollte zum Professor für Anatomie und Physiologie lauten, da sich seine Bemühungen bisher doch hauptsächlich auf letztere Disziplin konzentriert hätten. Bonn hatte, wie er inzwischen erfahren hatte, noch kein physiologisches Institut. Daher fragte er beim Ministerium an, ob es Gelder für die Anschaffung physiologischer Instrumente zur Verfügung stellen könne; schließlich war wissenschaftliche Arbeit in seinem bevorzugten Forschungsfeld an ein entsprechendes Equipment gebunden. Und zu guter Letzt: Seinem Königsberger Gehalt von 1000 Talern würden in etwa 1200 Taler für Bonn entsprechen – oder besser noch 1400, weil die medizinische Fakultät dort mehr Medizinstudenten zählte (ungefähr 85), was für ihn mehr Arbeit bedeuten, sich jedoch kaum in seinem Honorareinkommen niederschlagen würde. Unter den genannten Bedingungen werde er die angebotene Stelle gerne antreten.41 Ludwigs Aussichten auf eine Anstellung in Preußen sahen eher finster aus, er ließ sich aber dadurch, dass Helmholtz ihn in Bonn ausstach, nicht aus der Bahn werfen. Ludwig berichtete Henle, Helmholtz habe ihm von seinen Verhandlungen
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mit Schulze geschrieben. Er selbst hatte zudem von einem gut informierten Freund am Ministerium gehört, dass seine eigene Kandidatur (ausschließlich) vom Minister abgelehnt worden war, dem erzkonservativen Karl Otto von Raumer. Er vermutete, dass jemand – vermutlich Wagner – den Minister über Ludwigs allzu materialistische Ansichten und die leidige Göttinger Sache informiert habe. Hier ging es um Frömmigkeit versus Materialismus, und Ludwig hielt es für undenkbar, dass Raumer dem König empfehlen würde, ihn nach Bonn zu berufen. Falls er noch Hoffnungen gehegt haben mochte, so fielen sie dem reaktionären politischen Geist Preußens der 1850er-Jahre zum Opfer. 1855 verließ Ludwig Zürich für eine Stelle als Professor für Physiologie und Zoologie an der medizin-chirurgischen Militärakademie, Josephinum genannt, in Wien.42 Mitte März 1855 gingen die Verhandlungen um die Stelle in Bonn in die finale Phase. Die politischen Schachzüge waren einigermaßen komplex. Humboldt ließ du Bois-Reymond wissen, dass man ihn unter Druck setze, Helmholtz zu unterstützen, für den er ebenso viel Zuneigung und Respekt hege wie für du Bois-Reymond selbst, für den er sich jedoch nicht verwenden wolle, bis er nicht von du Bois-Reymond gehört habe, ob er nach Bonn kommen wolle. Er versicherte ihm, in Berlin stehe ihm eine große Zukunft bevor. Raumer für seinen Teil wollte Helmholtz, Schönlein wollte jemand anderes und nahm ihm den Wind aus den Segeln. Du Bois-Reymond schrieb an Humboldt, er solle Helmholtz unterstützen, dem er alles Gute wünsche. So machte sich Humboldt daran, eine Liste mit Helmholtz’ wissenschaftlichen Leistungen zusammenzustellen. Helmholtz war sehr dankbar für du Bois-Reymonds Rückhalt. Er schrieb selbst an Humboldt, mit der Bitte um Unterstützung und um den Stand der Dinge zu erfahren. Es beunruhigte ihn, dass es vielleicht Krieg (wohl auf der Krim) geben würde und die Regierung gezwungen sein könnte, die Berufung zu verschieben. Zudem stand er in direktem Kontakt mit Schulze und einem befreundeten Chemiker, der wiederum einem Freund im Ministerium schrieb und nachfragte, was er wisse. Helmholtz scheute keine Mühen, zumal Olgas Zustand sich in der zweiten Winterhälfte verschlechtert hatte. Eine Grippe, die in Königsberg umging, hatte sie zwei Wochen lang ans Bett gefesselt, einen ganzen weiteren Monat lang vermochte sie nicht zu sprechen. Als sie sich dann langsam erholte, war ihre Stimme noch immer nicht ganz die alte und sie litt weiter an Husten.43 Humboldt schrieb sofort an Raumer und Helmholtz. Raumer ließ er wissen, wie sehr er sich gefreut habe, als Helmholtz zum ordentlichen Professor berufen wurde, der »junge Mann« und er stünden »in freundschaftlichsten Verhältnissen«. Durch Olgas »ernst gefahrendrohenden Gesundheitszustand« sei Helmholtz im Grunde gezwungen gewesen, sich in Bonn zu bewerben. Humboldt verwendete sich gerne für diesen »so talentvollen, überaus thätigen und strebsamen Gelehrten«. Er äußerte sich im Folgenden hauptsächlich zu Helmholtz’ Arbeit in der Anatomie (so, wie sie war). Lobend nannte er dessen Dissertation zu den Ganglienzellen, sie gehöre
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»zu den feinsten Arbeiten der neueren mikroskopischen Anatomie«. Seine anatomischen Beiträge zum Auge und die damit zusammenhängende Akkommodationstheorie seien »nicht minder wichtig«. Zudem seien sich wohl alle darin einig, wie nützlich der Augenspiegel sei. »Gleich grosse Stärken in Anatomie und Physiologie in einem Individuum sind nie zu finden in dem jetzigen Zustand des Wissens.«44 Humboldt ließ Helmholtz wissen, dass er sich für ihn eingesetzt hatte, noch bevor dieser ihn darum gebeten hatte. Sobald er erfahren habe, dass ihr gemeinsamer Freund du Bois, dem er sich aufgrund ihrer alten Freundschaft stärker verpflichtet fühle, Berlin nicht verlassen wolle, habe er sich frei gefühlt zu handeln. Seine warme Empfehlung an die Adresse des Ministeriums stütze sich vor allem auf die Schriften, die Helmholtz ihm hatte zukommen lassen. Er habe jedoch auch Olgas Gesundheitszustand, ihre Freundschaft und Helmholtz’ herausragende Talente berücksichtigt. Der Umzug werde Helmholtz sicher guttun, ihm selbst sei es eine Freude, Helmholtz zu unterstützen.45 Humboldt unterhielt beste Kontakte zum Hof und zum Kultusministerium wie kein zweiter preußischer Wissenschaftler und genoss das denkbar größte internationale Renommee – und dieser Mann hatte Helmholtz aufs Neue seine vollste Unterstützung zugesichert. Dennoch war Raumer nicht ganz zufrieden und forderte von Helmholtz weitere Zusicherungen, dass er Anatomie lehren könne und werde. Helmholtz versicherte ihm, dass er dazu vollkommen in der Lage sei, was seine Lehrtätigkeit zur Anatomie von Mensch und Tier an der Akademie der Künste in Berlin sowie seine Forschung seit 1843 bewiesen. Außerdem habe er als Assistent am anatomischen Museum bei den Sammlungen geholfen. Helmholtz schloss seinen Brief an Raumer in fast flehendem Ton und versprach, sein Bestes in Wahrnehmung seiner neuen Aufgabe zu geben, wenn ihm die Stelle nur freundlicherweise gewährt würde.46 Er war wirklich verzweifelt. Anfang Mai kam er endlich, der lange ersehnte Ruf. Helmholtz würde am 1. Oktober 1855 die Professur für Anatomie und Physiologie in Bonn antreten und würde das anatomische Institut und Museum leiten. Sein Gehalt würde 1200 Taler betragen, plus 300 Taler für die Umzugskosten. Im Grunde erhielt er ein ausreichendes Gehalt, jedoch nur magere 50 Taler für Gerätschaften. Bestenfalls würde das seine experimentelle Forschung in Bonn schwierig gestalten. Zudem durfte er seine Königsberger Instrumentensammlung nicht mitnehmen. Er schrieb Ferdinand: »Dass ich meine Instrumente hier lassen muss, ist der unangenehmste Verlust, der mich bei meiner Uebersiedlung trifft.« Der Dekan der Bonner Medizin, Moritz Naumann, informierte Helmholtz, er müsse keine Antrittsvorlesung halten, da er ja bereits ordentlicher Professor an einer anderen preußischen Universität sei. An der Fakultät freue man sich bereits, ihn kennenzulernen, fügte Naumann noch an und zollte seinerseits Helmholtz’ hervorragenden Leistungen Respekt. In der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde habe man oft über seine Arbei-
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ten gesprochen. Naumann bat Helmholtz, schnell zu entscheiden, welche Anatomiekurse er im nächsten Semester unterrichten wolle. In diesem Zusammenhang ließ Helmholtz Moritz Ignaz Weber, den zweiten ordentlichen Professor für Anatomie in Bonn, brieflich wissen, dass er, dessen Bitte entsprechend, Anatomie unterrichten werde. Weber war überaus dankbar für diese Bekundung guten Willens. Er informierte ihn im Detail über seinen eigenen Stundenplan und schickte eine vierseitige Beschreibung des anatomischen und physiologischen Institutes, samt einer Aufstellung zu Gerätschaften, Bücherei, Studentenzahl (43 – 60 in der Anatomie) und Budget.47 Endlich war alles in trockenen Tüchern.
Abschied von Königsberg Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Ludwig erfuhr, dass Raumer ihn wegen seiner materialistischen Ansichten abgelehnt hatte und jemand im Ministerium sich auch das Ohr des Königs geneigt gemacht hatte. Noch im letzten Oktober hatte Ludwig sich des Postens sicher geglaubt. Man habe ihm den Eindruck vermittelt, dass er die gleichen Chancen habe wie Helmholtz und du Bois. Ludwig äußerte sich Helmholtz gegenüber dahingehend, dass der Minister seiner Meinung nach Helmholtz sein Talent vergeuden ließ, indem er ihn Anatomie zu unterrichten zwang – anstatt ihm alle Freiheit zu lassen, in Bonn mit seinen Instrumenten als Professor der Physiologie zu wirken. Dass Helmholtz und nicht Ludwig die Stelle bekam, lag teils an Helmholtz’ Quietismus und Zuverlässigkeit in politischer Hinsicht (und an Ludwigs Mangel daran). Auch Brücke gratulierte Helmholtz. Wie er vermutete, würden ihm in Bonn anfänglich nicht alle Kollegen die Stelle gönnen, doch würden sie irgendwann ihre Meinung sicher ändern.48 Einen Großteil des Juni und Juli verbrachte Helmholtz mit Vorbereitungen für den Abschied aus Königsberg. Mitte Juni legte er sein Amt als Vorsitzender des Vereins für wissenschaftliche Heilkunde nieder – ein herber Verlust für die Mitglieder, die ihn schätzten und mochten. Sie gaben ihm zu Ehren ein Bankett, auf dem sie ihm eine silberne Votivtafel überreichten und ihn zum Ehrenmitglied machten. Mitte Juli fuhr Olga mit den Kindern nach Dahlem, wo sie sich in ärztliche Behandlung begab. Helmholtz blieb noch in Königsberg, um einige Doktorexamen abzunehmen (die ihm schon um die 100 Taler eingebracht hatten), letzte persönliche Angelegenheiten abzuwickeln und sich von Freunden und Kollegen zu verabschieden. Derweil erteilte er Olga weiter per Brief ärztliche Ratschläge und erinnerte sie daran, ihre Medikamente zu nehmen. Sie solle sich vor Koliken oder Appetitverlust hüten und ihm immer genau berichten, »wie es mit Deinem Appetit und Deinen Kräften steht«. Auch das Verhalten seiner jüngeren Schwester Julie bereitete ihm Sorgen. Diese hatte sich offenbar zu etwas hinreißen lassen – das Helmholtz nicht näher beschreibt –, was in seinen Augen ihren guten Ruf gefährden würde, wenn es bekannt
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würde. Er war wütend und schämte sich für sie. Geplant war, dass er am 29. Juli von Königsberg nach Berlin und Dahlem aufbrechen, seine Familie besuchen und dann nach Bonn weiterfahren würde, um dort eine Wohnung zu suchen und sich selbst ein Bild von der Lage zu machen.49 Fast zwei Wochen nahm er sich Zeit für den Abschied von Freunden und Kollegen. In der zweiten Julihälfte vereinbarte er sage und schreibe 60 persönliche Abschiedsbesuche. Am Nachmittag des 18. Juli gaben 37 seiner Kollegen und Freunde ihm ein »großes Abschiedsdiner im Börsengarten« mit musikalischer Begleitung. Die meisten Gäste waren Fakultätsmitglieder (über die Hälfte des gesamten universitären Lehrkörpers war anwesend), einige wenige offizielle Vertreter der Universität oder klinische Ärzte. Alle zahlten zwei Taler für die Veranstaltung – »Ich natürlich frei«, frohlockte Helmholtz typischerweise in seinem Brief an Olga. Er saß zwischen dem Universitätskurator, Seiner Exzellenz Franz Eichmann, und Eduard von Simon, dem Rechtsprofessor. Eichmann brachte einen Toast auf den König aus, Simson einen auf Helmholtz. »Abgesehen von den unendlichen Schmeicheleien war die Rede sehr schön, herzlich und ergreifend«, schrieb Helmholtz an seine Frau. »Daß ich selbst etwas dadurch ergriffen war, war wohl natürlich, aber auch unter den anderen, wie sie zu mir herankamen um anzustoßen waren einige thränenschwere Blicke, Rathke, [Justus] Olshausen, Wittich, [und] Richelot waren darunter.« Ebenso Neumann und Moser. Nach dem Dessert brachte Helmholtz einen Toast auf die Bürger Königsbergs und die Professoren der Albertina aus: »Ich sage es gern, dass ich in diesen Mauern schöne, an Erhebungen des Geistes und des Herzens reiche Jahre verlebt habe, dass ich hier einen Kreis von Amtsgenossen gefunden habe, der keiner anderen deutschen Universität an Reichthum des Wissens und geistiger Schöpfungskraft nachsteht, der vielleicht allen deutschen Universitäten voransteht durch ungestörte Eintracht des collegialischen Verhältnisses, durch die uneigennützige Anerkennung der Verdienste, durch die bereitwilligste Unterstützung der Arbeiten jedes Genossen.« Von Preußens nordöstlichster Ecke breche er in den fernen Westen auf, werde aber nie die »besonnenen und wackeren Bewohner« Königsbergs vergessen. Er hoffe, auch seine Kollegen würden sich seiner erinnern oder ihn besuchen, er jedenfalls trage Königsberg im Herzen. Die Universität der Stadt lobte er für ihre »ernste, strenge« und sogar »hervorragend protestative Wissenschaftlichkeit«. Alles in allem steckte in seinen salbungsvollen Worten wohl ebenso viel Wahrheit wie diplomatische Freundlichkeit und professionelle Höflichkeit. In jedem Fall, so schrieb er an Olga, war es »ein sehr animirtes Fest, und die Leute außerordentlich herzlich gegen mich« gewesen. Abends besuchten er und Adolf Sotteck seine guten Freunde, die Olshausens.50 Den Abend des 20. Juli verbrachte er bei den Richelots und genoss, wie Frau Richelot aus Beethovens Liedern sang – ob auch Olga nach ihrer Behandlung wieder etwas daraus zu Gehör bringen würde? Am nächsten Morgen absolvierte er über
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15 Abschiedsbesuche und verbrachte auch die folgenden Tage mit noch mehr Besuchen und Kistenpacken. Am 26. war er mit seinen Besuchen durch. Olga ging es besser, aber Helmholtz ärgerte sich, dass er ihre Diät nicht besser kontrollieren konnte. Sie hatte Bohnen gegessen, die für sie doch schwer verdaulich seien. Ihr Schnupfen bereitete ihm weniger Sorgen, als dass sie Zug abbekommen könnte.51 An Helmholtz’ letztem Tag in Königsberg (28. Juli) gab es für ihn eine Abschiedsparty. Die Ostpreußische Zeitung wusste zu berichten, wie sehr ihn seine Universitätskollegen und Studenten schätzten und verehrten – charmant und bescheiden, wie er sei. Weiter heißt es, dass Helmholtz sich nicht nur in der Physiologie, sondern auch in der praktischen Medizin einen Namen gemacht und sogar den König persönlich kennengelernt habe. (Als jener das letzte Mal die Stadt besucht hatte, hatte er alle Fakultätsmitglieder getroffen, auch Helmholtz, damals Dekan der medizinischen Fakultät und daher im offiziellen roten Dekansgewand. Bei dieser Gelegenheit scherzte der König Helmholtz gegenüber, dass das nicht notwendig gewesen wäre, er hätte ihn auch ohne Mantel erkannt.) Kurz bevor Helmholtz an diesem Abend mit Wittich – seinem Freund, Kollegen und nun auch Nachfolger – in den Zug nach Berlin steigen wollte, überreichte ihm die medizinische Fakultät eine silberne Tafel, auf der die Namen aller Fakultätsmitglieder geschrieben standen. Seine Studenten, die wussten, wie sehr er die Kunst liebte, schenkten ihm mehrere Kupferstiche mit berühmten Zeichnungen Raffaels sowie ein Bild des gerade fertiggestellten anatomischen Museums. Wittich und er würden am nächsten Abend um 21 Uhr 15 in Berlin ankommen.52 Königsberg sollte Helmholtz nie wiedersehen.
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Unerfreuliches Intermezzo in Bonn In der Stadt Beethovens Bonn hatte gegenüber Königsberg gewiss seine Vorzüge. Die Stadt hatte in den 40 Jahren vor Helmholtz’ Eintreffen im Jahr 1855 bedeutende Veränderungen erlebt. 1815 wurde das Rheinland – und mit ihm Bonn – infolge des Wiener Kongresses zu einem Teil Preußens. Mitte der 1850er-Jahre zählte die Stadt etwa 20 000 Einwohner und wurde in das expandierende deutsche Eisenbahnnetz eingebunden, was das Reisen erheblich erleichterte. Vor allem wurde Bonn, begünstigt durch seine Lage am Rhein und das milde Klima, auch zu einem kulturellen Zentrum, dessen größter Schatz die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität (1818 von Friedrich Wilhelm III. von Preußen gegründet) war. Sie verband das Rheinland mit dem Hohen-
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Abb. 8.1: Helmholtz im Jahr 1857. Lithographie von Rudolf Hoffmann (1857) von einer Photographie von Schallenberg in Bonn. bpk / DeAgostini / New Picture Library.
zollern-Regime. Und obgleich die jüngste aller deutschen Universitäten, war Bonn doch um die Jahrhundertmitte bereits eine Universität von mittlerer Größe und einigem Ansehen (vor allem für ihre historischen und philologischen Disziplinen). Bonn war zudem Sitz der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, bei der Helmholtz mehrfach Vorträge halten sollte. Er publizierte auch in ihrer Zeitschrift und wurde schließlich sogar ihr Vorsitzender. 1845 erhob Bonn in einer Art Imagekampagne den Anspruch, die Stadt Beethovens zu sein – sie war der Geburtsort des Komponisten (1770) und über lange Jahre hinweg (bis 1792) seine Heimat –, errichtete ein Standbild des großen Sohnes und rief ein alljährliches dreitägiges Musikfest ins Leben. Für Helmholtz schien Bonn perfekt zu sein. Somit sah seine Zukunft glänzend aus, als er sich Ende Juli 1855 von Königsberg in Richtung Bonn aufmachte. Seine akademischen Leistungen hatten ihn, kurz vor seinem 34. Geburtstag, zu einem führenden Vertreter der deutschen Wissenschaft gemacht und ihm internationales Ansehen verschafft. Er hatte eine liebevolle Familie und allen Grund zu der Annahme, dass das milde rheinische Klima die Krankheit seiner Frau lindern, wenn nicht sogar heilen würde. Folglich gab es keinen Anlass zu der Vermutung, dass die kommenden drei Jahre in der Beethoven-Stadt die schwierigsten seines beruflichen Lebens werden würden. (Siehe Abb. 8.1.)
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Die erste Augusthälfte verbrachte Helmholtz damit, Bonn, Kreuznach, Heidelberg und Berlin zu besuchen, wobei er die ganze Zeit in Sorge um Olgas Husten, Käthes chronischen Schnupfen und seine Familie im Allgemeinen war. In Bonn suchte er für sie nach einer Wohnung, traf zwei (von dreien) seiner Anatomiekollegen und machte sich persönlich mit der Lage der dortigen Anatomie und Physiologie bekannt. Das Wohnhaus in ruhiger, grüner Lage, das sein Interesse fand, war als die Vinea Domini bekannt und lag auf einer Terrasse direkt am Rhein, vor dem Koblenzer Tor in der Koblenzer Straße; er fand die Villa »paradiesisch« und mietete eine Hälfte des Hauses an. Helmholtz nahm an, dass Olga hier die beste Aussicht haben werde, die sie je genossen habe. Das Haus war eine elegante Villa mit neun Zimmern und viel Platz für sie beide, ihre Kinder Käthe und Richard sowie für Olgas Mutter. Helmholtz handelte die Jahresmiete auf 250 Taler plus zwei zusätzliche Zimmer herunter. Dass er so hart verhandelte, verdankte sich teilweise dem Umstand, dass er sein Geld zum Kauf neuer Möbel benötigte, die er dann nach durchgeführtem Preisvergleich – er bevorzugte Eichenholz – in Geschäften im nahe gelegenen Köln (wo er sich auch den berühmten Dom ansah) sowie in Bonn und in Berlin erwarb. Mitte Oktober hatte sich die Familie eingelebt und genoss den reizvollen Blick auf den Rhein (siehe Abb. 8.2). Während ihrer ersten Monate dort schien sich Olgas Gesundheitszustand jedoch nicht zu verbessern. Richard ließ sich von der
Abb. 8.2: Helmholtz’ Wohnung in Bonn (1855 – 1857) war die Vinea Domini (das Haus links im Bild). Die oberen vier Fenster rechts vom Mittelturm gehörten zur Wohnung der Familie Helmholtz. Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn.
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in der Nähe verlaufenden Eisenbahn ganz in den Bann schlagen, und diese kindliche Begeisterung für die seinerzeit aufregendste Technologie überhaupt, Stolz aller liberalen Schwärmer, wurde später sogar zu seinem Beruf. Die Familie lebte bis ins Jahr 1857 in diesem Anwesen und zog dann in ein Haus, das Helmholtz’ Kollegen, dem Anatomen Moritz Ignaz Weber, gehörte und im Universitätsgarten gelegen war. Alles in allem fand Helmholtz Bonn »reizend«.1 Bei seinem ersten Besuch traf Helmholtz seine neuen Kollegen Weber und Budge und lernte die von ihnen aufgebauten institutionellen Strukturen in den Fächern Anatomie und Physiologie aus erster Hand kennen. Budge hatte ihm in seiner Eigenschaft als Ordinarius für Physiologie bereits im Vorfeld geschrieben und ihm mitgeteilt, dass er sich in Bonn isoliert fühle und sich daher sehr auf die Zusammenarbeit mit ihm freue, dass sie mit- und nicht gegeneinander arbeiten sollten und er ihm bei seinem Umzug nach Bonn behilflich sein wolle. Helmholtz fand ihn zunächst »sehr vernünftig« und zugänglich, obwohl er zugleich das Gefühl hatte, »wie ein toller Pudel herumgeteckelt« zu sein. Beide planten eine gemeinsame Veranstaltung in Physiologie (die sie tatsächlich nie realisierten), und Helmholtz überließ Budge mit Freuden die mikroskopische Anatomie, die Entwicklungsbiologie und die vergleichende Anatomie. Das Institutsgebäude der Anatomie ließ in seinen Augen zwar sehr zu wünschen übrig, aber die Vorbereitungen für einen Neubau waren bereits weit gediehen; es ging gerade darum, ein passendes Grundstück zu erwerben (siehe Abb. 8.3). Das Institut befand sich »in einem schauerlichen Zustande«, und Helmholtz war der Ansicht, dass Budge darin versagt hatte, auch nur die wenigen, unzureichenden Instrumente für die Physiologie instand zu halten. (Der Institutshaushalt sah für seine Veranstaltung in experimenteller Physiologie bloße 54 Taler vor, während es Helmholtz zufolge für eine pädagogisch angemessene Ausstattung etwa 200 Taler bedurft hätte.) Am Nachmittag seines ersten Besuchs begleitete er Budge zu einer Gesellschaft.2 Mit ihm war es ein guter Anfang gewesen. Bevor er seine Familie aus Dahlem herholte, hoffte Helmholtz, noch William Thomson treffen zu können, der seine kranke Frau Margaret nach Kreuznach, einem Kurort weiter im Südwesten Deutschlands, gebracht hatte. Diese erste Begegnung von Helmholtz und Thomson kam auf die Initiative des Letzteren hin zustande, aber es sei daran erinnert, dass Helmholtz sich schon zwei Jahre zuvor in Glasgow (vergeblich) darum bemüht hatte, ihn zu treffen. Thomson »bedauerte sehr«, dass er nicht zum BAAS-Treffen in Hull gefahren war, um Helmholtz zu sehen, und dass er ihn dann erneut verpasst hatte, als dieser ihn in Glasgow hatte besuchen wollen. Er wusste, dass Helmholtz eine offizielle Einladung zur Teilnahme am bevorstehenden BAAS-Treffen in Glasgow erhalten hatte, und lud ihn »persönlich« ein, verbunden mit dem Angebot, seine Unterbringung für ihn zu arrangieren: »Ich sollte Ihre Anwesenheit als eine der vornehmsten Errungenschaften betrachten, die das Treffen haben könnte.« Er sei »bestrebt« gewesen, seine Bekanntschaft
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Abb. 8.3: Das Bonner Anatomiegebäude. Lith. Anst. v. Henry & Cohen in Bonn.
zu machen, seit er »zum ersten Mal die ›Erhaltung der Kraft‹« in Händen gehalten habe. Niemand, nicht einmal Helmholtz’ größte Bewunderer in Deutschland, hatte diese Abhandlung zuvor als sein bedeutendstes Werk bezeichnet. Wie Clausius 1852 ließ Thomson Helmholtz echte Anerkennung als Physiker angedeihen, indem er ihn als hochgeschätzten Kollegen behandelte, der zu abstrakten und theoretischen Problemen der Physik arbeitete. Er gab Helmholtz gegenüber seiner Hoffnung Ausdruck, bald selbst in Deutschland zu sein und ihn dort zu treffen.3 Helmholtz hatte Thomsons Brief kurz vor seiner Abreise aus Königsberg erhalten und geantwortet, dass es ihm, da er gerade umziehe, unmöglich sei, in diesem Jahr am BAAS-Treffen »in dem durch die großartigste Entwickelung der Industrie so ausgezeichneten Glasgow« teilzunehmen, so gern er auch wolle. Stattdessen hoffte er darauf, Thomson in Kreuznach zu begegnen.4 Am Abend des 6. August traf Helmholtz in der malerischen Stadt Bingen ein – »was genauso aussieht, wie im Stereoskop« – und nahm von dort eine Kutsche ins nahe Kreuznach. Thomsons Jugendlichkeit überraschte ihn: »Ich erwartete in ihm, der einer der ersten mathematischen Physiker Europas ist, einen Mann etwas älter als ich selbst zu finden, und war nicht wenig erstaunt, als mir ein sehr jugendlicher hellblondester Jüngling von ganz mädchenhaften Aussehen entgegentrat«, wie er an Olga berichtete. Margaret Thomson begegnete er nur kurz und fand sie »eine
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ziemlich hübsche, sehr anmuthige und geistvolle junge Frau, aber in einem jammervollen Zustande« (sie konnte ohne Schmerzen weder gehen, sitzen noch stehen).5 Die beiden Männer hatten damit sowohl die Physik als auch Ehefrauen mit schweren Leiden gemeinsam; es verwundert nicht, dass sie eine starke Zuneigung zueinander entwickelten. Helmholtz hatte eigentlich geplant, Kreuznach am nächsten Morgen wieder zu verlassen, aber die beiden Männer hatten sich so viel zu sagen, dass er, Olga um Verständnis anflehend, einen weiteren Tag blieb. Von Thomsons intellektuellen Fähigkeiten zeigte er sich beeindruckt: »Er übertrifft übrigens alle wissenschaftlichen Größen, welch ich persönlich kennen gelernt habe, an Scharfsinn, Klarheit und Beweglichkeit des Geistes«, wie er schrieb, »so daß ich selbst mir stellenweise neben ihm etwas stumpfsinnig erscheine.« Thomson erkundigte sich nach elektrischen Drähten für Widerstandsnormale – ein Thema, auf das sie in den folgenden 40 Jahren immer wieder zu sprechen kommen sollten. Helmholtz antwortete, dass er mit Kirchhoff darüber gesprochen habe, der ihm mitgeteilt habe, dass er die Drähte, die er für solche Arbeiten verwendet hatte, an Wilhelm Weber in Göttingen weitergegeben habe und dass dieser sie benutzt habe, als er in Leipzig an den elektrodynamischen Maßbestimmungen arbeitete. Er versprach, Thomson über die Ergebnisse von Leipzig aus Bericht zu erstatten. Dieser Besuch in Kreuznach markierte den Anfang einer wissenschaftlich stimulierenden, beruflich vorteilhaften und warmherzigen persönlichen Beziehung zwischen den beiden Männern über 40 Jahre hinweg. Von Kreuznach aus fuhr Helmholtz für mehrere Tage nach Heidelberg, um dort Bunsen und Kirchhoff zu besuchen, dann nach Berlin, wo er sich – in der Hoffnung, seine und die Situation des Instituts in Bonn zu verbessern – an einige Ministerialbeamte wenden wollte, und landete schließlich bei seinen Angehörigen in Dahlem.6 Von dort aus reisten sie als ganze Familie in ihre neue Heimat Bonn. Wie in Königsberg, so baute die Familie Helmholtz auch in Bonn einen engen Freundeskreis auf, der zum größten Teil aus Historikern und Philologen bestand. Helmholtz war der Meinung, dass die »bedeutendsten« Bonner Fakultätsmitglieder in diesen Disziplinen tätig seien und dass, mit der Ausnahme der Geologie, die Naturwissenschaften dort »etwas stiefmütterlich« behandelt würden. Zu ihren Freunden zählten der Philologe, Archäologe, Kunst- und Musikhistoriker Otto Jahn, Verfasser eines vierbändigen Werks über Mozart, Ernst Moritz Arndt, ein liberaler und nationalistischer preußischer Patriot, Historiker und Dichter, Klaus Groth, Dichter, Homme de lettres und Linguist, der Historiker und Politologe Friedrich Christoph Dahlmann, Moritz Naumann, der Spezialist für klinische Medizin, Karl Otto Weber und Wilhelm Busch, beides Chirurgen an der Universität, sowie Heinrich Eberhard Heine, außerordentlicher Professor für Mathematik. Busch war der einzige aus dem Kreis der Ärzte oder Wissenschaftler, zu dem Helmholtz in Bonn ein engeres Verhältnis entwickelte. Seine Familie empfing auch Besucher aus dem Aus-
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land, darunter mehrere englische Familien und den Niederländer Donders, der ein enger Freund von Helmholtz wurde. Regelmäßig war ihr Haus voll von intelligenten, gebildeten Gästen und guter Musik.7 Helmholtz baute in seiner Bonner Zeit noch eine weitere, außergewöhnlich zu nennende Beziehung auf. Im November 1856 hatte ihn nämlich der junge Mathematiker Rudolf Lipschitz, der in Königsberg (bei Neumann) und Berlin (bei Peter Gustav Lejeune Dirichlet) studiert hatte und dann Gymnasiallehrer in Elbing geworden war, um Rat ersucht, da er Privatdozent an einer Universität werden wollte, vielleicht in Bonn oder Königsberg. Helmholtz hat ihn bei diesem Vorhaben unterstützt, zum einen deshalb, weil er und Olga ihn von Königsberg her kannten – auch Lipschitz war ein großer Musikliebhaber und zählte verschiedene Künstler zu seinen Freunden –, und zum anderen (wahrscheinlich) auch, weil Lipschitz Mathematik studiert hatte und enge Beziehungen zu Berliner Mathematikern unterhielt. Er hegte umfassende mathematische Interessen, war ein Experte und bald auch einer der Vorreiter in der linearen Algebra, den Differentialgleichungen, der Differentialgeometrie und in der mathematischen Physik und wurde zudem ein bemerkenswerter Vertreter der Berliner Mathematikschule, die in Opposition zu ihrer Erzrivalin in Göttingen stand, wo Gauß und dessen Nachfolger regierten.8 Helmholtz erklärte Lipschitz, dass die Mathematik in Bonn durch zwei ordentliche Professoren vertreten sei: Plücker (für Mathematik und Physik) und Beer (für mathematische Physik). Plücker hielt er für einen fähigen Mathematiker, der jedoch seine Grenzen habe, vor allem von seinem Karrierestreben angetrieben werde und seine begabteren und analytischeren Kollegen fürchte. Beer hielt er für angenehmer und ehrenwerter, aber auch für nicht sonderlich ehrgeizig und, wie Plücker, für einen an der Geometrie (und folglich nicht an der Analysis) interessierten Mathematiker. Aus diesen Gründen war er der Meinung, dass Bonn einen an der Analysis orientierten Mathematiker wie Lipschitz gebrauchen könnte, und ermutigte ihn, sich dorthin (und nach Halle) zu bewerben. Das Bonner Umfeld war, wie er ihm mitteilte, »reizend« und die Fakultät »vornehm« und »die grosse Gesellschaft steif und luxuriös«. Die Familie Helmholtz würde es, kurzum, sehr begrüßen, wenn Lipschitz nach Bonn käme und sich ihrem »Cirkel von norddeutschen Seelen« anschlösse. Lipschitz entschied, sich in Bonn zu habilitieren, und bat Helmholtz um eine Mitteilung an Beer, dass er hoffe, nach Ostern dort mit seinen Vorlesungen beginnen zu können. Ende März 1857 überreichte Helmholtz ihm eine detaillierte Liste der Schritte, die ein Kandidat zu befolgen hatte, und teilte ihm mit, dass seine Bewerbung um eine Habilitation in Bonn gut vorankomme. Zugleich warnte er ihn jedoch davor, dass sich Plücker »misstrauisch« gegen ihn, Helmholtz, aufführe, weil er »viel […] verkehrt habe« mit dem Mathematiker Heine, der vorher in Bonn und jetzt in Halle war. Er freue sich darauf, Lipschitz in Bonn zu sehen, teils ihrer alten Freundschaft wegen, teils aber auch, weil er »einen mathematischen Rathge-
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ber« brauche. Ebenso freue er sich darauf, ihn als Gast in seinem Haus zu begrüßen, hielt es aber für am besten für Lipschitz, wenn sie Plücker nichts von ihrer freundschaftlichen Beziehung wissen ließen. Im April 1857 habilitierte sich Lipschitz erfolgreich in Bonn. Die Unterstützung durch Helmholtz war dabei nach eigenem Bekunden »von außerordentlichstem Werth« für ihn gewesen. Niemand sonst habe so viel für ihn getan wie Helmholtz. Plücker konnte oder wollte nicht helfen, während sich Beer allerdings etwas wohlwollender verhielt; im Unterschied zu Helmholtz waren sie an Lipschitz’ Arbeit jedenfalls nicht interessiert. Dieser beschloss recht bald, sich auf eine freie Stelle als ordentlicher Professor in Zürich zu bewerben, zum Teil auch deshalb, weil er wenig Chancen sah, eine außerordentliche Professur in Bonn zu erhalten, und ersuchte in dieser Angelegenheit erneut um Helmholtz’ Rat. Allerdings wollte Lipschitz eigentlich nicht aus Preußen fortgehen, das, wie er bei dieser Gelegenheit anmerkte, eine vielversprechende wissenschaftliche Zukunft vor sich habe. 1862 ging er als außerordentlicher Professor für Mathematik nach Breslau, kehrte aber zwei Jahre später als ordentlicher Professor für Mathematik nach Bonn zurück.9 Helmholtz und er bauten in Bonn eine stabile Freundschaft auf, die für beide lebenslang wichtig blieb.
Anatomen gegen Physiologen Die naturwissenschaftlichen Institute der Universität (Botanik, Mineralogie, Zoologie, Chemie und Physik) waren im Poppelsdorfer Schloss angesiedelt und von der Größe und Ausstattung her bescheiden. Helmholtz’ Büro befand sich allerdings anderswo, nämlich im Anatomischen Theater, einem alten Gebäude im Universitätsgarten, das als Sitz der Anatomie, Physiologie und der pathologischen Anatomie diente. Helmholtz machte sich so weit wie möglich von seinen anatomischen Aufgaben frei; entsprechende Übungen überließ er weitgehend dem schon etwas betagten Moritz Ignaz Weber, was dessen akademische Freuden maximieren und seine, Helmholtz’, Leiden minimieren sollte. In Helmholtz’ Bonner Zeit wurde auch ein Lehrstuhl für pathologische Anatomie von der eigentlichen Anatomie abgetrennt und der Chirurgie zugewiesen. Damit war Helmholtz faktisch in erster Linie für die Physiologie zuständig. Zusätzlich bemühte er sich darum, den jungen Göttinger Anatomen Georg Meissner anzuwerben, der ihn noch von weiteren Aufgaben in der Anatomie befreien sollte. Dieser fürchtete aber, dass Helmholtz’ Assistent oder Prosektor zu werden, trotz aller Vorteile eine Verlängerung seiner Studienzeit und seine Abhängigkeit von ihm bedeuten würde, weshalb er die Offerte ablehnte. Unterm Strich bot Helmholtz in Bonn von 1855 bis 1858 in jedem Wintersemester Veranstaltungen zur Sinnesphysiologie und Anatomie an, außerdem zur mikroskopischen Anatomie und experimentellen Physiologie (Sommersemester 1856), zur Entwicklungsphysiologie (Sommer 1857) und zur experimentellen Physiologie (Sommer 1857).10
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Helmholtz kam bald zu dem Schluss, dass Budge deshalb Ordinarius geworden war, weil er sich der evangelischen Reformbewegung (der Inneren Mission) angeschlossen hatte, einer Art christlich-sozialistischer Bewegung, die große Unterstützung von Friedrich Wilhelm IV. erfuhr. Er spottete über Budges vor Kurzem erfolgten Übertritt vom Judentum zum Christentum, da dieser, wie er durchblicken ließ, (nur) konvertiert war, um beruflich voranzukommen. Dieses Urteil war alles andere als hochherzig, war Budge doch nach seiner Promotion in Bonn fast ein Jahrzehnt lang als praktizierender Arzt tätig gewesen und hatte sich zu einem Spezialisten für Nervenphysiologie entwickelt. 1846 entdeckte er, dass die Stimulation des Nervus vagus die Herzfunktion beeinträchtigt. Diese Entdeckung, die für die Pathologie und die klinische Medizin von großer Bedeutung war, hatten gleichzeitig allerdings auch die Gebrüder Weber gemacht, und es war vor allem deren Name, der künftig damit in Verbindung gebracht wurde. Ähnliches ereignete sich, als Budge 1853 die Abhängigkeit der Pupillenbewegung vom Nervenzentrum der Medulla oblongata nachwies, wofür er von der Pariser Akademie der Wissenschaften den Prix Monthyon für experimentelle Psychologie erhielt. Seinem Assistenten, dem Engländer Augustus Waller, gelang dann freilich der Nachweis, dass ein Nervenbündel degenerierte, wenn es von seinem Ursprung abgetrennt wurde, und diese Entdeckung überschattete die Budges. Letzterer hatte also durchaus substanzielle fachliche Errungenschaften vorzuweisen, und sein Vorankommen dürfte mehr als seiner religiösen Affinität (beziehungsweise deren Fehlen) geschuldet gewesen sein. Was Weber anging, so beurteilte Helmholtz ihn einen Hauch wohlwollender: »[E]in alter geschickter Prosektor, im Genre von Schlemm, aber zurückgesetzt und gekränkt hat er natürlich keinen großen Trieb zu arbeiten.«11 Helmholtz legte tatsächlich hohe Maßstäbe an. Das Verhältnis von Helmholtz und Budge verschlechterte sich bald, obwohl du Bois-Reymond meinte, dass Helmholtz ihm gegenüber eigentlich zu konziliant sei, und Ludwig war anscheinend der gleichen Ansicht. Du Bois-Reymond goss noch zusätzlich Öl ins Feuer, indem er Helmholtz gegenüber behauptete, dass Budge im Ministerium das Gerücht verbreite, Helmholtz sei zur Lehre im Fach Anatomie gar nicht fähig, und er wolle mit dem Minister sprechen, um Helmholtz zu »protegieren«. (Brücke hatte ebenfalls gehört, »daß man Dich in Bonn anfeindet«.) Dieses Gerücht ärgerte Helmholtz, der äußerte, es handle sich dabei um »eine reine Erfindung […], die auf die Gesinnung dessen, der sie vorgebracht hat, kein schönes Licht wirft«. Dennoch fand er selbst, dass seine Anatomievorlesungen verbesserungsfähig waren, und hatte auch vor, in der Sache etwas zu unternehmen. Mehrere ihm nicht wohlgesinnte Zuhörer unterzogen seine Vorlesungen einer genaueren Prüfung, was in Ratschläge von der Art mündete, dass seine Einbeziehung von Physiologie und Chemie auf Kosten der allgemeinen Anatomie gehe. Manche Studenten lachten sogar, als er in seiner Vorlesung zur physiologischen Optik über den Kosinus sprach. Einige Kollegen und Studenten in höheren Semestern schätzten sei-
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ne Vorlesungen jedoch. Helmholtz selbst behauptete, dass praktisch alle Studenten, die Physiologie lernen wollten, von Budge zu ihm gekommen seien. »Dieses Ergebnis, denke ich, beweist schlagend, daß ich in den Vorlesungen über Anatomie mich weder blamiert haben kann noch durch meine Vortragsweise [den Studenten] mißfallen habe.« Also hielt er es für unnötig, das Gerücht zum Verstummen zu bringen, hoffte jedoch, dass du Bois-Reymond in der Angelegenheit mit dem Minister oder mit Schulze reden würde. Immerhin waren die ersten Schritte hin zu einem neuen Gebäude für die Anatomie und die Physiologie bereits unternommen – und er wollte dieses Vorhaben nicht gefährden. Was Budge betraf, so »will ich lieber nicht genauer schildern; die schwachen Seiten der semitischen Nationalität sind in ihm noch zu mächtig, als daß er gegen mich, der ich ihn in seinen pekuniären Interessen verletzt habe und durch dessen Erfolge sein maßloser Eigendünkel vielleicht den ersten heftigen Stoß bekommen hat, gerecht zu denken und zu handeln geneigt sein könnte«. Zwar sprachen er und Budge auch weiterhin miteinander, aber Helmholtz hegte die Hoffnung, dass Budge anderswo eine Stelle offeriert werden würde.12 Tatsächlich erfuhr er, als er 1856 von einer Spätsommerreise in die Schweiz zurückkehrte, dass Budge ein Angebot aus Greifswald angenommen hatte. Das linderte die Spannungen in Bonn natürlich, wie Helmholtz zugab; allerdings bedauerte er, »daß das Ministerium, obgleich überzeugt von seiner wissenschaftlichen Untüchtigkeit, doch Verdienste um die innere Mission hoch genug schätzt, um ihm eine solche Stelle zu geben«. Faktisch hatte er Budge aus Bonn vertrieben. Dessen Fortgang hatte Helmholtz’ Erwartungen sogar noch übertroffen, denn er war überzeugt gewesen, dass keine nichtpreußische Universität Budge je beschäftigen würde und Preußen seine Professoren nur äußerst ungern intern versetze. »Nur die innere Mission konnte glücklich dieses Rätsel lösen.«13 In gewisser Weise hatte ihn also die Religion errettet. Seine Schwierigkeiten mit Budge haben vermutlich sein Urteil über die Bonner Professorenschaft insgesamt geprägt, die seiner Meinung nach »ein kurioses Treiben« an den Tag legte: »[S]ie suchen weniger durch Wissenschaft zu glänzen als durch ihre Verbindungen mit den Prinzen, was um so mehr auffällt, wenn man aus dem strengen und ehrenhaften Königsberg mit seinen einfachen Sitten kommt«, wie er sagte. Umgekehrt war er selbst der Bonner Fakultät faktisch vom Ministerium vorgesetzt worden, wobei diese seine Talente und seinen Ruf durchaus anerkannte – in jedem Fall ein Umstand, der auch nicht jedem gefiel. Was Weber betraf, so nannte er ihn hämisch »Knochenweber«. Zwar hielt er ihn für einen fähigen Lehrer und hatte ein gutes Verhältnis zu ihm, aber er fand auch, dass es ihm an Forschertalent mangele. Weber selbst erkannte durchaus an, dass er, wie Helmholtz sagte, »höhere Ziele nicht erreichen kann, [doch] ist er als fleißiger Einpauker der ganz gemeinen Anatomie immer ein nützliches Mitglied der Universität«. Seinen
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anderen (dritten) Kollegen in der Anatomie, Hermann Schaaffhausen, Anthropologe und außerordentlicher Professor des Fachs, charakterisierte er als eine Person, die »die Wissenschaft vom Standpunkte eines reichen Mannes nur als ein Mittel des Amüsements [betrachtet] und als einen Gegenstand über den sich schönrednerische Perioden bilden lassen«. Ihn respektierte Helmholtz genauso wenig wie Budge. Keiner der Männer, auch nicht Weber, kamen seiner Vorstellung von einem wahren (professionellen) Wissenschaftler nahe.14 So fand sich Helmholtz ein Jahr nach seiner Ankunft in Bonn als »der Hauptrepräsentant der Physiologie und menschlichen Anatomie […], welche beiden Fächer ich mit Vergnügen lese«. Das bedeutete, dass das Ministerium von ihm nicht mehr verlangen konnte, dass er mikroskopische und vergleichende Anatomie lehrte, »was mir doch lästig gewesen sein würde«. Erstere hatte er im vorigen Sommer »zu meinem eigenen Unterricht« unterrichtet, und er hatte vor, sie nur im Rahmen einer Lehrveranstaltung zur menschlichen Anatomie erneut zu lesen.15 Auf institutioneller Ebene hatte sich durch Budges Weggang nichts verbessert: Mitte des Jahres 1857 beurteilte Helmholtz das Institut als »alte[s] Schmutzloche« und beklagte »die ewigen Verhandlungen über die Leichenlieferungen, gegen welche die katholische Geistlichkeit im Verborgenen intrigiert und wobei man keine Gelegenheit vorbeigehen läßt, uns möglichst unanständig zu behandeln«. In Bonn besaß er nicht mehr (und vielleicht sogar weniger) institutionelle Kapazitäten für seine Forschung als in Königsberg: An keinem von beiden Orten gab es ein Institut für Physiologie, und in Bonn fehlten sogar physiologische Instrumente. Nahezu seine gesamte eigene experimentelle Arbeit führte Helmholtz zu Hause durch, und die Studenten die ihre eben im Hörsaal. Der Zustand des anatomischen Instituts beschämte ihn so sehr, dass er stets darum bemüht war, Besucher fernzuhalten: Es war »ein Saustall, wo aus dem Schmutz und der Unordnung gar nicht herauszukommen ist«.16 Die Studentenzahlen nahmen während seines Bonner Aufenthalts trotzdem zu. Im Wintersemester 1855/56 hatte er 44 Studenten (und 50 Leichen für die Teilnehmer an den Sezierübungen); ein Jahr später (im Wintersemester 1856/57) hatte er bereits 52 Studenten (aber nur 45 Leichen). Sowohl mit der katholischen Geistlichkeit als auch mit den Vertretern der Kölner Stadtverwaltung hatte er »die aller ärgerlichsten Verhandlungen« über die Beschaffung von Leichen für das Institut führen müssen. In seinem letzten Semester in Bonn prahlte er damit, dass die Studentenzahl auf 60 angewachsen war, obgleich die Zahl der Medizinstudenten in höheren Semestern »erbärmlich klein« blieb. (Als er dort 1855 anfing, waren 78 Studenten an der medizinischen Fakultät eingeschrieben; als er die Fakultät verließ, waren es 88.) Helmholtz glaubte, die Medizinstudenten interessierten sich mehr für die Anatomie als für die Physiologie: »Die Physiologie ist den jungen Medizinern törichterweise immer Nebensache.« Und auch wenn er auf den raschen Anstieg der Studentenzahl verwies, erkannte er doch an, dass sie »keineswegs alle [kamen], um
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bei mir Physiologie zu hören, denn Budges und Schaaffhausens Winterkolleg blieb ziemlich besetzt, mehr als im letzten Winter. Im Sommer fielen die Zuhörer freilich mir zu.« Er nahm an, dass viele zu ihm kamen, um Anatomie und nicht Physiologie zu lernen, die sie als »zu unwichtig« erachteten.17
Das Handbuch (Teil I) Normalerweise ging Helmholtz nicht damit hausieren, woran er arbeitete. Ludwig berichtete du Bois-Reymond im Mai 1854, dass er oft »bogenlange« Briefe von ihm erhalte. »Und doch erfährt man niemals ganz, was er treibt«, fügte er hinzu. Donders hörte, dass Helmholtz eine Studie zur physiologischen Optik in Arbeit hatte, von der Ludwig allerdings nichts wusste. Im März 1855 teilte Helmholtz du Bois-Reymond dann mit, dass er an einem Buch über physiologische Optik schrieb und die erste Hälfte im folgenden Monat druckreif sein werde: »Es wird ziemlich dickleibig.« Und das war es tatsächlich, denn es handelte sich dabei um sein Handbuch der physiologischen Optik, dessen erster Teil 1856 erschien (der zweite wurde 1860 und der dritte 1866 veröffentlicht). Die drei Bände gaben einen kritischen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand zum Sehen, wie er sich unter Helmholtz’ Führung entwickelt hatte.18 Seine Arbeit am Handbuch und an damit in Zusammenhang stehenden Beiträgen, die er in Zeitschriften publizierte, markierte seinen Schritt weg von der Elektro- und hin zur Sinnesphysiologie. Zum Entstehen des Buchs hatten mindestens vier Gründe beigetragen. Erstens wollte Helmholtz wahrscheinlich etwas Ähnliches zustande bringen, wie es seinem Lehrer Müller mit dessen bahnbrechendem zweibändigen Handbuch der Physiologie des Menschen (1838 – 1840) gelungen war. Auch Ludwig hatte den zweiten Band seines eigenen, enorm einflussreichen Lehrbuchs der Physiologie des Menschen (1852 und 1856) veröffentlicht und ihn Brücke, Helmholtz und du Bois-Reymond gewidmet. Und du Bois-Reymond hatte den ersten Band seiner zweibändigen Untersuchungen über thierische Elektrizität (1848 – 1884) publiziert. Helmholtz war Teil dieser Gruppe, und diese großen Veröffentlichungen – zu denen noch die Arbeiten des jüngeren, stark an der mathematischen Physiologie orientierten Adolf Fick hinzugerechnet werden sollten, eines Ludwig-Schülers und Autors der Medizinischen Physik (1856) – verschafften der organischen Physik ein nie dagewesenes Ansehen; alle zusammen trugen sie dazu bei, dass die organische Physik zur vorherrschenden Ausrichtung der Physiologie wurde. Ihre Schule war nun die führende geworden, und sie hegten die Absicht, die Physiologie zu einer exakten Wissenschaft zu machen. Das Verständnis physiologischer, speziell menschlicher physiologischer Phänomene ließen sie auf den Grundlagen von Physik und Chemie fußen und lehnten es ab, sich auf leere Worte wie »Lebenskräfte« zu berufen. Dies war längst mehr als nur ein Forschungsprogramm; es war sehr viel allgemeiner eine neue Schule des Denkens und der Praxis.
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Zweitens war Helmholtz von seinem alten Berliner Kollegen und Freund Gustav Karsten dazu gedrängt worden, sein groß angelegtes Handbuch zur physiologischen Optik zu schreiben. Karsten war inzwischen Professor für Physik in Kiel und unterhielt enge Verbindungen zur Physikalischen Gesellschaft; interessanter dürfte allerdings sein, dass er auch wissenschaftlicher Herausgeber war und Helmholtz’ Buch gerne in eine bestimmte von ihm betreute Reihe aufnehmen wollte. Am Ende erschien es als Teil einer anderen von Karsten herausgegebenen Reihe, nämlich als Band 9 der Allgemeinen Encyclopädie der Physik. Ein wichtiges (wenn nicht das wichtigste) Zielpublikum des Buchs waren Ärzte. Dennoch war es keine bloße Zusammenfassung der vorhandenen Literatur über die Dioptrik des Auges (also sein Thema). Denn obwohl Helmholtz es beim Schreiben möglichst vermied, für praktizierende Ärzte allzu wissenschaftlich-technisch daherzukommen, wahrte er trotzdem höchstes wissenschaftliches Niveau, indem er die Messergebnisse der bisherigen Forschung überprüfte und selbst neue Messungen durchführte. All das bedeutete, dass er gut zwei Jahre (1854 – 1856) mit der Arbeit daran verbrachte, länger als geplant. Drittens führten ihn seine Arbeiten auf dem Gebiet der Farbenlehre, der Theorie der Akkommodation und der sinnlichen Wahrnehmung »schliesslich zu dem Entschluss, die ganze Physiologische Optik neu durchzuarbeiten«, was er, wie er sagte, in seinem Handbuch getan habe. Tatsächlich verpflichtete er sich, indem er sich auf die Abfassung eines Handbuchs einließ, zur Abdeckung des gesamten Gebiets der physiologischen Optik – ein Feld, das in den 1850er- und 1860er-Jahren mit Blick auf seine thematische Vielfalt und die Anzahl der Veröffentlichungen regelrecht explodierte.19 Ursprünglich hatte er daher nur eine begrenzte Vorstellung davon, wie groß sein Recherche- und Zeitaufwand für dieses Handbuch tatsächlich sein würde. Und viertens und letztens dürfte ihn der armselige Zustand der Bonner anatomischen und physiologischen Einrichtungen darin bestärkt haben, das Handbuch zu schreiben – denn er konnte dort zwar synthetisch arbeiten, aber nicht viel experimentieren. Teil I des Handbuchs, der allein rund 190 Seiten umfasst, war der Dioptrik des Auges gewidmet. Helmholtz begann mit der Beschreibung der Anatomie des Auges: allgemeiner Aufbau, Sehnenhaut, Hornhaut, Uvea, Netzhaut, Kristalllinse, das Kammerwasser und der Glaskörper, die die Linse umgeben, sowie die das Auge stützenden Umgebungsstrukturen. Anschließend wandte er sich der eigentlichen physiologischen Optik des Auges zu und widmete sich nach einer kurzen allgemeinen Erörterung der physikalischen Eigenschaften des Lichts seinem Hauptthema, der Dioptrik des Auges. Hierzu legte er in acht Paragraphen – unter Verwendung zahlreicher illustrativer Strichzeichnungen und mathematischer Gleichungen – folgende Sachverhalte dar: die Brechungsgesetze in Systemen mit sphärischen Oberflächen, die Brechung von Lichtstrahlen im Auge, Zerstreuungsbilder auf der Netzhaut, den Mechanismus der Akkommodation, die Farbzerstreuung im Auge,
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monochromatische Abweichungen (Astigmatismus), entoptische Erscheinungen und schließlich den Augenspiegel und das Augenleuchten. Er versicherte seinen Lesern, dass er alle physiologisch-optischen Tatsachen und Phänomene, über die er in seinem Buch berichte, persönlich beobachtet oder erlebt respektive Experimente dazu durchgeführt habe.20 Dank seiner ausführlichen Heranziehung der einschlägigen Literatur geriet das Handbuch zu einer Synthese der modernen physiologisch-optischen Studien zur Dioptrik des Auges. Komplettiert um die Teile II und III wurde es zu einer Art Bibel der physiologischen Optik, der Augenheilkunde, Sinnesphysiologie und experimentellen Psychologie – obwohl es nicht unumstritten blieb, vor allem mit Blick auf die im dritten Teil vorgelegte Theorie des Sehens. Teil I jedenfalls war der am wenigsten neuartige und gewiss auch der am wenigsten kontroverse der drei Teile.
Wandern in den Alpen Bis Juni 1856 hatte Helmholtz den ersten Teil des Handbuchs fertiggestellt. Thomson hatte es nicht geschafft, Helmholtz zu treffen, als er durch Bonn kam; er lud ihn nach Kreuznach ein, doch Helmholtz konnte wegen seiner Lehrverpflichtungen nicht fort und hoffte, dass Thomson auf seiner Rückreise wieder durch Bonn kommen werde, dessen »sehr schöne« Umgebung den Thomsons gewiss gefallen werde. Wie er berichtete, ging es ihm gut und hatte Olga, was natürlich viel wichtiger war, in Bonn nicht mehr so stark unter Halsproblemen zu leiden. Er klagte, dass er durch den Umzug nach Bonn Zeit verloren habe, dass er Anatomie unterrichten müsse, die er »seit 6 Jahren nicht mehr vorgetragen hatte«, und dass dies alles seine Forschung verlangsamt habe.21 Die Thomsons waren in diesem Sommer in den Südwesten Deutschlands, genauer nach Schwalbach, zurückgekehrt, wo Margaret sich erneut in Kurbehandlung begab. Thomson dankte Helmholtz nachträglich für die Übersendung des »Drahtes des gemessenen galvanischen Widerstandes«, den er zum Einsatz gebracht hatte. Er plante, den Freund in Bonn zu besuchen, und Helmholtz, dessen letzte Vorlesung am 8. August stattfand und der sich gerade einer medizinischen Behandlung mit Marienbader Quellwasser unterzog, empfahl ihm, dies noch vor dem 12. August zu tun, da er danach in die Schweiz reisen werde. Anfang August besuchte Thomson ihn dann für zwei Tage in Bonn, und die beiden planten, dass Helmholtz eine Woche später zu den Thomsons nach Schwalbach kommen sollte.22 Dieser Kurort wurde damit zu Helmholtz’ erster Station während seiner Sommerferien. Thomson erwartete ihn am Bahnhof und lud ihn gleich an seinen Tisch ein: »[K]urz ich war wieder ganz, wie im vorigen Jahre sein Gast«, erzählte Helmholtz seiner Frau. Thomson »war wieder sehr liebenswürdig und lebendig«, und die beiden Männer verbrachten ungestört den Tag miteinander. Helmholtz, der be-
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merkte, dass die weiblichen Kurgäste in Schwalbach hofften, ihren Teint zu verbessern, schaffte es immerhin zweimal, von dem »eiskalten kohlensauren Wasser« der örtlichen Quelle zu trinken. Thomson begleitete ihn am Morgen des nächsten Tages zum Bahnhof, wobei sie über Akustik (Experimente mit Sirenen) sprachen. An seinen Vater schrieb er über ihn: »Er ist gegenwärtig jedenfalls einer der ersten mathematischen Physiker und von einer Schnelligkeit des Erfindens, wie ich sie noch bei keinem anderen Gelehrten gesehen habe.« Thomson und er hatten gemeinsam Experimente durchgeführt: an einem Tag mit einer Sirene, am nächsten Morgen mit Kombinationstönen, und Helmholtz machte sich bald einen von Thomsons Vorschlägen zu eigen, wie man Kombinationstöne hörbar machen könne.23 Von Schwalbach aus fuhr Helmholtz nach Frankfurt am Main, um sich dort mit seinem Bonner Kollegen und Freund Karl Otto Weber zu treffen, der ihn in die Schweiz begleitete. Zunächst reisten sie nach Heidelberg, doch Kirchhoff war nicht da und Bunsen stand kurz vor der Abreise; sein Netzwerk ließ ihn ausnahmsweise einmal im Stich. Also kletterten sie zum Schloss hinauf, »was in bekannter Schönheit glänzte«, und spazierten dann durch die bewaldeten Hügel und die Felder, deren Schönheit und Frische er mehr als zuvor zu schätzen wusste. Er bedauerte es, Olga nicht mitgenommen zu haben, da der Anstieg nicht allzu schwer gewesen war. »Durch die Nähe der Berge und den schönen Wald ist Heidelberg schöner als Bonn«, wie er ihr mitteilte, »aber es fehlt der Fluß, und es ist wahrscheinlich viel weniger wohnlich, als Bonn, so daß man die hiesigen Schönheiten nicht mit Neid anzusehen braucht.« Am nächsten Morgen machten sich Weber und er dann nach Basel auf.24 Dort besuchten sie das Kunstmuseum, denn auch Weber war Kunstliebhaber. Sie sahen Zeichnungen von Hans Holbein (»von wirklich ausgezeichneter Vollendung«), die Helmholtz für ihre außerordentliche »Kraft, [ihren] Character und [ihr] dramatisches Leben« schätzte, obwohl es ihnen seiner Meinung nach an »Grazie« mangelte. Er bekam auch Zeichnungen von Albrecht Dürer zu Gesicht (»von höchst ausgezeichneter Art«), und erst jetzt entwickelte er »große Achtung vor diesen Meistern«. Die Ölgemälde des Museums fand er hingegen »von der bekannten barbarischen Art«. Im Anschluss besuchten er und Weber das mittelalterliche Basler Münster und gingen schwimmen. Basel hinterließ »einen sehr angenehmen Eindrucke«. In der Nacht reisten sie weiter nach Lausanne, »durch ein herrlich romantisches Thal des nördlichen Jura«. Unterwegs erteilte Weber einige Lektionen in Geologie.25 Auf dieser Reise zog er die französischsprachigen Schweizer den Deutschschweizern vor. Ihm gefiel es, dass Erstere »sehr höfliche, gebildete, und offenbar sehr fleißige und ordentliche Leute« waren und seiner Meinung nach die Ausländer nicht so übervorteilten wie ihre Landsleute in Zürich und im Berner Umland: »Die Leute machen durchaus den Eindruck, als wenn sie gesellige Bildung und Ehrenhaftigkeit höher schätzen als den Geldgewinn, und als ob sie unanständige Ar-
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ten des Gewinns verschmähten.« Doch auch wenn er die »Bildung« höher bewertete als den »Gelderwerb«, so versäumte er es dennoch nicht, die exakten Preise in dem »höchst reinlichen Gasthof« zu vermerken, in dem er nächtigte und Speisen »von ausgezeichneter Beschaffenheit« zu sich nahm.26 Ebenso angetan war er vom Genfer See mit dem Rhonetal: »Das merkwürdigste in dieser Fahrt war ein Wasserfall (dessen Namen in das Deutsche zu übersetzen unanständig ist) Pissevache [also Kuhpisse] genannt«. Er prahlte ironisch damit, dass er »fließend französisch« sprach und »vorläufig glücklicher Weise noch nicht wieder in die Verlegenheit gekommen [bin], mir eine Nagelscheere zu kaufen«. Helmholtz kannte seine Grenzen: »So geht es einem Ehemanne, wenn er sein französisch sprechendes Frauchen nicht mitnimmt.«27 Anschließend wanderten er und Weber von Martigny nach Chamonix (am Mont Blanc), bestiegen die dazwischenliegenden Berge und waren als Lohn für ihre Anstrengungen vollkommen nassgeschwitzt. Weber erwies sich als der robustere und schnellere Kletterer; Helmholtz kam kaum hinterher. Weil Weber sich weigerte, langsamer zu gehen, ließ sich Helmholtz einfach hinter ihn zurückfallen und erreichte schließlich »mit vielem Schweiß« Chamonix. Von dort blickte er auf den Mont Blanc und seine Gletscher, »also mitten in der größesten Alpenwelt«. Es war regnerisch und bewölkt, im Hotel war es eiskalt, und sie waren durchgefroren, aber wenigstens das Essen war anständig. Weber und er bestellten »einen sehr guten starken Rothwein« und sie unterhielten sich, während Helmholtz zur Feier ihrer Reise eine Zigarre rauchte.28 Er erfreute sich an einfachen Genüssen. Die Pause tat beiden gut, und mit der Wiederkehr der Sonne am nächsten Tag sahen sie den Gipfel des Mont Blanc und die nahe gelegenen Gebirgszüge der Savoyen und der Berner Alpen, »so daß man rings am Horizont die höchsten Berge Europas vertheilt sah«. Sie heuerten einen Führer an, der sie durch das Mer de Glace, »den größesten Gletscher Europas«, führen sollte, den Helmholtz sehr detailliert beschrieb, wobei er anmerkte, dass Goethe ihn ebenfalls erwähnt habe. Gemeinsam überquerten sie den Gletscher, was Helmholtz ziemlich gefährlich fand; und hätte er geahnt, wie gefährlich es tatsächlich war, hätte er es, wie er sagte, gar nicht erst versucht: »[I]ch finde es unverantwortlich, daß man daraus einen Touristenweg gemacht hat, und namentlich Frauen darüber gehen läßt.« Nachdem sie erschöpft und in mürrischer Stimmung an ihrem Ziel angekommen waren, speisten sie »zwischen einigen märkischen und mecklenburgischen Landadel, denen ich allerdings die schlimmsten englischen Touristen vorgezogen haben würde«. Am nächsten Tag ruhten sie sich aus, »um die Füße zu erholen«.29 An seinem 35. Geburtstag (am 31. August 1856) fand sich Helmholtz in Interlaken wieder, von wo aus er Olga in sarkastischem Ton dazu gratulierte, dass sie einen Mann habe, der »Dir zuweilen davonreist und Dich daher nicht immer quält, sondern Dir auch einige Ferien gönnt«. Mit seinem Humor versuchte er, den heik-
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len Umstand etwas abzumildern, dass Weber nach Bonn zurückkehren, er selbst aber noch einen Tag dranhängen wollte, um »eine wissenschaftliche Reise nach Zürich« zu unternehmen. Die Männer waren von der Besteigung des Faulhorns und der anschließenden Wanderung zum Giessbach erschöpft; dieser Weg erwies sich als ihre bis dahin schwierigste Strecke. Nachdem er den Mont Blanc gesehen hatte, fand Helmholtz die Berner Bergkette weniger beeindruckend; dennoch sei sie »mannigfaltiger und landschaftlich schöner als die Montblanckette, und gefällt und erfrischt deshalb immer von neuem«. Seine Füße schmerzten sehr – er nannte sich Olgas »Ehekrüppel«. Einige Tage später war er zurück in Bonn.30 Der Herbst dieses Jahres brachte eine weitere Ehrung und auch ein Problem mit du Bois-Reymond mit sich, der ihn als korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften vorschlug. »Du kannst es indessen als abgemacht betrachten«, wie er ihm schrieb. In seinem Dankesbrief hob Helmholtz ausdrücklich darauf ab, was diese Ehrung für ihn und seine Bonner Kollegen bedeute (nämlich Verschiedenes): »Wenn das Resultat günstig ausfällt, wird es außer der innerlichen Ermutigung, die jede Anerkennung urteilsfähiger Leute gibt, auch für meine gesellschaftliche Stellung hier in Bonn von Wichtigkeit sein. In Königsberg würde es in letzterer Beziehung wenig Einfluß gehabt haben; aber hier sind leider die meisten Kollegen stolzer auf Äußerlichkeiten als wissenschaftliche Bedeutung und beurteilen die letztere nur nach dem Erfolge.« Die Akademie wählte ihn einstimmig zum korrespondierenden Mitglied für Anatomie und Physiologie. Du Bois-Reymond war hingegen verärgert über das, was er als Helmholtz’ Undank empfand, und warf ihm vor, ihm nicht für seinen Nominierungsvorschlag gedankt zu haben. Helmholtz antwortete sofort und demütig – »bitte ich Dich feierlichst und reumütig um Verzeihung« –, war aber der Meinung, dass er ihm bereits gedankt habe. »Ich habe Dir schon früher geschrieben«, führte er zu seiner Entlastung an und bezog sich dabei auf seine frühere Aussage in Bezug auf Bonn. Weiter erklärte er: »Aber auch für das eigene Bewußtsein ist eine solche Anerkennung immer eine Stärkung und Ermunterung, namentlich, wenn man unter Volk leben muß, die meistens gar keinen Sinn für wissenschaftliche Wirksamkeit haben; wenigstens unter unsern Naturforschern ist dies sehr der Fall, unter den philologisch historischen Leuten sind allerdings achtbare Köpfe und Charaktere, deren Studien den meinigen aber zu fern liegen.«31 Nie hat er ein Gefühl der Zugehörigkeit oder der Achtung für seine Bonner Kollegen aus den Naturwissenschaften empfunden. Auf der anderen Seite des Rheins war die Begeisterung von Helmholtz als Wissenschaftler weniger stark ausgeprägt. Vor allem Claude Bernard glaubte, dass Helmholtz – im Gegensatz zu ihm selbst, der sich immer auf der Suche nach neuen Fakten sah (zumindest bis in die späten 1850er-Jahre) – nur nach den Gesetzen für bekannte Phänomene suchte: »Ich habe also das Ziel gehabt, die Analyse zu erweitern«, wie sich Bernard in seinem Notizbuch selber lobte, »denn es gibt dieje-
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nigen, die sich nur damit beschäftigen, nach dem Gesetz der Dinge zu suchen, die bekannt sind, die aber nicht versuchen, etwas Neues zu lernen. Helmholtz, du Bois Reymond usw. gehören in diese Kategorie. Ich dagegen wollte die Seite der Neuerung vertreten.« Und weiter: »Mir ist gesagt worden, dass ich finde, was ich nicht suche, während Helmholtz nur das findet, was er sucht. Das stimmt, aber die zweite Richtung ist schlecht, wenn [sie nur] alleinig [auftritt].«32 An Neid mangelte es auf beiden Seiten des Rheins nicht.
Wie wir hören oder Über Kombinationstöne Der erste Teil des Handbuchs erschien im Herbst 1856. Viele Forscher warteten bereits gespannt auf sein Erscheinen. Mitte Dezember fragte Maxwell bei Thomson schriftlich an: »Wo ist Helmholtz über das Auge zu finden?« Und zwei Wochen später fragte wiederum Thomson bei Helmholtz an: »Wann wird Ihr Buch über das Auge fertig sein, oder ist es bereits so weit? Ich stelle fest, dass die Leute sehr daran interessiert sind, vor allem an den Anpassungen.« Er teilte ihm außerdem mit, dass er alles über dessen von Siemens und Halske hergestelltes Galvanometer erfahren habe und es auch gerne erwerben wolle, und dass das atlantische Telegraphenkabel gerade produziert werde und im Mai des folgenden Jahres verlegt werden solle, sodass, wie er hoffte, die ersten transatlantischen telegraphischen Mitteilungen (zwischen Irland und Neufundland) bis Juli möglich wären. In seiner Antwort ging Helmholtz auf seine jüngsten Arbeiten und Veröffentlichungen auf dem Gebiet der physiologischen Optik und Akustik ein. Mit dem zweiten Teil des Handbuchs sei er jedoch noch nicht viel weitergekommen, wie er sagte, da er sich nun so intensiv mit der physiologischen Akustik befasse. Schon 1848/49 hatte er (in den Fortschritten der Physik) neuere Arbeiten zur theoretischen Akustik und zu akustischen Phänomenen besprochen. (Die Zeitschrift war mit ihren Veröffentlichungen mehrere Jahre im Rückstand, und so erschienen seine beiden Rezensionen erst 1852 und 1854.) Irgendwann Ende des Jahres 1855 oder Anfang 1856 begann Helmholtz damit, sich intensiv und mit Publikationsabsichten der Akustik zuzuwenden. So bestellte er zum Beispiel bei Ferdinand Sauerwald in Berlin eine nach seinen Wünschen gefertigte Doppelsirene; bei der Untersuchung der Tartini-Töne zeigte er sich sehr zufrieden mit ihr. Anfang Mai 1856 vollendete er seine Schrift über die Tartini-Töne, mit der er hoffte, das Verhältnis zwischen dem Hören einerseits und der Konsonanz und Dissonanz von Tönen andererseits zu vereinfachen; sie erschien noch vor Monatsende. Anfang Juni referierte er zu diesem Thema vor dem Naturhistorischen Verein der preussischen Rheinlande und Westphalens. Seine umfassende Darstellung des Themas brachte er jedoch erst später in diesem Jahr in einem langen Beitrag über Kombinationstöne in den Annalen heraus. Was die Arbeit am zwei-
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ten Teil des Handbuchs anging, so glaubte er, dass er mindestens für ein Jahr nicht mehr dazu kommen werde.33 Während die breite Anerkennung einer mathematischen (harmonischen) Beziehung zwischen Klängen und Musik bis zu den alten Griechen zurückreichte, wurde erst mit der Erfindung der harmonischen Analyse zwischen dem 17. und dem frühen 19. Jahrhundert ein mathematisch-physikalisches Werkzeug zur Analyse akustischer Phänomene verfügbar. Den Höhepunkt dieser Entwicklung kennzeichnete in den 1820er-Jahren Joseph Fouriers Methode der harmonischen Analyse, die auf ein Verständnis thermischer Phänomene abzielte und die mathematische Grundlage bildete, auf der sich die akustische Theorie in den 1840er-Jahren erstmals neu strukturieren konnte. (Fourier und viele seiner Vorgänger waren sich über die Verwandtschaft zwischen ihren mathematischen Analysen und der Analyse akustischer Phänomene natürlich im Klaren.) Ihre genialste Anwendung fand die akustische Theorie dann letztendlich in Helmholtz’ Theorie der Kombinationstöne von 1856,34 die die Grundlagen für die physiologische Akustik im modernen Sinne legte, und zwar sowohl für Helmholtz’ eigene spätere Arbeiten als auch für das Forschungsfeld als Ganzes. Seine Analyse begann mit einer erneuten Untersuchung eines älteren (1839 – 1849), ansonsten vergessenen Streits zwischen den Physikern Georg Ohm und August Seebeck über die mathematische Definition des Tons.35 Ohm war vor allem für sein elektrisches Gesetz berühmt geworden, das das Verhältnis zwischen Stromstärke, Spannung und Widerstand in einem Leiter ausdrückt (dass nämlich die Spannung gleich der Stromstärke mal dem Widerstand ist). Daneben war er allerdings auch für sein akustisches Gesetz bekannt, das für die auditive Wahrnehmung von zentraler Bedeutung ist: Musikalische Töne sind periodischer Natur, wobei das Ohr eine Ansammlung von Tönen wahrnimmt, die aus reinen harmonischen Tönen besteht; und wie er behauptete, löst das Ohr diese durch die Fourier-Analyse in einfache oder zusammengesetzte Töne auf. Seebeck seinerseits hatte zuvor (1819) erhebliche Verbesserungen an Charles Cagniard de la Tours Sirene zur Erzeugung von Tönen einer bestimmten Frequenz vorgenommen und machte deutsche und andere Wissenschaftler auf ihre mögliche Verwendung in der akustischen Analyse aufmerksam. Ohm verwendete die Fourier-Analyse zur Darstellung von Wellenschwingungen im Ohr, die durch einen Ton in einer bestimmten Höhe erzeugt werden – faktisch verwandelte er das Ohr damit in einen harmonischen Analysator. Seebeck zeigte dagegen, dass Ohms Analyse mathematische Fehler enthielt, die sein Gesetz beeinträchtigten, und dass es von spezifischen empirischen Fakten abhängig war, darunter solche physiologischer und physikalischer Art. Seebecks Analyse besagte, dass die sogenannten Obertöne eines Klanges »Kombinationstöne« erzeugten; deshalb, so urteilte er, sei der Grundton auch lauter zu hören als die Obertöne. Damit hatte Seebeck Ohm in diesem Disput nun anscheinend ge-
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schlagen, denn Letzterer konnte nicht erklären, warum der Grundton eines Sirenenklangs viel leichter zu hören war als seine Obertöne. Darüber hinaus vermutete Seebeck, dass die Klangfarbe eines Tons irgendwie von seinen höheren Teiltönen bestimmt werde. Diese Fragestellungen und die darauf jeweils gegebenen Antworten stellten den Rahmen von Helmholtz’ eigener Analyse dar. Außerdem bildeten seine lebenslange Leidenschaft für die Musik sowie seine kürzlich abgeschlossene Arbeit über das Auge (also Teil I des Handbuchs) einen Teil des Hintergrunds, vor dem sich seine Hinwendung zur physiologischen Akustik abspielte. Anregungen gingen vielleicht aber auch von seinen jüngsten philosophischen Untersuchungen zur menschlichen Sinnesphysiologie (1852), zur richtigen wissenschaftlichen Methode (Goethe 1853) und zur menschlichen Wahrnehmung (1855) aus. Helmholtz trat als Fürsprecher des Ohm’schen Gesetzes auf, und auch wenn er einige Zweifel daran und an seiner experimentellen Grundlage gehabt haben mag, so war er dennoch der Auffassung, dass es ihm die Mittel zum Verständnis von Kombinationstönen an die Hand gab. Mit einer Sirene zur Tonerzeugung, Stimmgabeln zur Frequenzeinstellung und Resonatoren (Resonanzkörpern) zum Hören war er in der Lage, den Grundton von den höheren Teiltönen zu unterscheiden und Kombinationstöne erster Ordnung zu erzeugen. Von hier aus gelangte er dann zu einer Definition des Tons und erkannte die zentrale Bedeutung der Obertöne für seine Schwebungstheorie der Konsonanz und für das Verständnis der Klangfarbe. Durch seine experimentellen Arbeiten erschloss sich ihm die Bedeutung der Obertöne (das heißt der höheren Teiltöne) für akustische Phänomene und deren mathematische Darstellung, und mithilfe seiner Resonatoren gelang es ihm, entweder seine neu entdeckten »Summentöne« oder die bereits bekannten »Differenztöne« zu hören. Wie er herausfand, hatten diese Kombinationstöne ihren Ursprung in den Gehörknöchelchen des Mittelohrs und waren auf die nichtlineare Reaktion des Ohrs zurückzuführen. Genau das, so schloss er später, machte sie weitgehend objektiv, auch wenn sie (als Zeichen – und nicht als Abbildungen – der äußeren Wirklichkeit) einer kontinuierlichen Interpretation durch den Verstand im Rahmen eines Prozesses bedurften, den er als »unbewussten Schluss« bezeichnete. Insgesamt präsentierte er sich hier teils als Philosoph, teils als empirischer Forscher und teils als mathematischer Wissenschaftler. Später kehrte er erneut zu diesen und verwandten akustischen und philosophischen Fragen zurück und entwickelte sie in der Lehre von den Tonempfindungen (1863) sowie in »Tatsachen in der Wahrnehmung« (1878) weiter.36
Marktwert: Preußen übertrumpft Baden Nach den Wirren des Jahres 1848 verstärkte Baden, wie eine Reihe anderer deutscher Staaten auch, sein Engagement im Bereich der akademischen Bildung. Besonders fasste man die Naturwissenschaften ins Auge, von denen man erhoffte, sie
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würden sich für die Landwirtschaft, die Medizin und die Industrie als hilfreich erweisen. Den seit Langem bestehenden Forderungen einer liberal gesinnten Mittelklasse nach Modernisierung wurde damit Rechnung getragen. Kostspielige neue chemische Institute entstanden an der Polytechnischen Schule in Karlsruhe (1851) und in Heidelberg (1855), dort speziell für Bunsen. Heidelberg erhielt 1849 auch ein modernes anatomisches Institut. Obwohl in der dortigen Fakultät einige die zunehmende Bedeutung der experimentellen Physiologie für die Medizin durchaus erkannten, entschloss sich der Staat erst 1858 dazu, ein neues physiologisches Institut zu errichten und den gemeinsamen Lehrstuhl für Anatomie und Physiologie aufzuspalten. Doch führte das Bestreben, die Medizin landesweit zu reformieren und das medizinische Angebot in Heidelberg zu stärken – ebenso wie der Wunsch, mit Preußen in kultureller Hinsicht konkurrieren zu können – zu der Bereitschaft, außerordentliche Ressourcen aufzuwenden, um einen herausragenden Physiologen für Baden zu gewinnen.37 Die 1850er- und mehr noch die 1860er-Jahre waren Boomjahre, in deutschen Landen ebenso wie im sonstigen Mittel- und Westeuropa. Das Wachstum in den Bereichen Eisenbahnnetz, Eisen- und Stahlindustrie, Maschinenbau, Kohle-, Textil- und Schwerindustrie generell sowie ähnlich auch in der Landwirtschaft und dazu noch die Entdeckung von Goldvorkommen in Kalifornien und Australien ließen die deutsche Wirtschaft bis zur Großen Depression von 1873 kontinuierlich wachsen. Bei den Regierungen saß das Geld dementsprechend recht locker. Mitte der 1850er-Jahre, als Baden vermehrt in das Hochschulwesen investierte und Heidelberg sein Engagement für die Physiologie verstärken wollte, wurde ein Wissenschaftler wie Helmholtz hoch gehandelt. Im Mai 1857 informierte ihn Bunsen, dass Heidelberg einen neuen Physiologen bekommen werde, und gab der Hoffnung Ausdruck, dass das Helmholtz sein würde (und nicht Brücke, du Bois-Reymond oder Ludwig). In Heidelberg war man bereit, viel Geld zu zahlen, um ihn dorthin zu locken, und als Professor für Physiologie würde er ein finanziell gut ausgestattetes Institut leiten. Es gab dort etwa 120 Medizinstudenten und ungefähr 40 weitere Studenten, die gegebenenfalls medizinische Kurse belegen würden. In Heidelberg schätze man ihn sehr, betonte Bunsen, und wollte wissen, ob Helmholtz an der Stelle interessiert sei und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Dem badischen Innenministerium teilte er mit, dass von den vier infrage kommenden Kandidaten (Helmholtz, Brücke, du Bois-Reymond und Ludwig, in dieser Reihenfolge) Helmholtz »unzweifelhaft […] der genialste, begabteste und vielseitig gebildetste« sei, wie es seine beigefügte Publikationsliste zeige.38 Helmholtz berichtete du Bois-Reymond das Wesentliche aus Bunsens Brief und lehnte eine Bewerbung ab, weil er glaubte, dass du Bois-Reymond dorthin gehen wolle und Heidelberg ihm ohnehin »keine fundamentalen Vorteile« gegenüber dem bieten könne, was er bereits in Bonn habe. Er wollte du Bois-Reymond nicht im
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Wege stehen und teilte ihm mit, dass er Bunsen gebeten habe, nur mit ihm zu verhandeln. Ergänzend fügte er hinzu, dass er dem preußischen Ministerium »eine gewisse Verpflichtung persönlicher Dankbarkeit« schulde, weil es ihn Olgas Gesundheit wegen nach Bonn gebracht habe.39 Dies war ein Akt des Eigeninteresses, der Freundschaft und von »Noblesse oblige« – oder es schien zumindest so. Eigentlich deprimierte ihn seine Entscheidung jedoch, da er die Bonner Akademikerszene »leider sehr faul« fand, keine Chance auf ein neues Anatomiegebäude sah und zu Recht annahm, dass dies vor allem auf die mangelnde Kooperation des Senats der Universität zurückzuführen war. Der hatte sich mehrere Jahre lang gegen den Verkauf von Grundstücken aus Hochschulbesitz gesperrt, um auf diesem Wege das notwendige Kapital für den Neubau von Institutsgebäuden zu beschaffen. Also saß er auch weiterhin in seinem »alten Schmutzloche« der Anatomie, ohne Assistent, und tat nichts für das Fach. Von einigen seiner Bonner Kollegen aus wissenschaftlichen oder Medizinerkreisen fühlte er sich ebenso beleidigt wie vom Ministerium; die »niedrigen [d. h. pekuniären] Motive«, die manche Bonner Fakultätsmitglieder an den Tag legten, empfand er als beschämend und ihr Verhalten als unwürdig. Besonders nagte es an ihm, wenn die altgedienten Fakultätsangehörigen in die Art und den Stundenplan von Lehrveranstaltungen hineinredeten, die von Privatdozenten oder von ihm selbst gegeben wurden. Helmholtz erklärte, dass er und Busch (und in der Vergangenheit auch Budge) »die Fortschrittspartei in der Fakultät bildete[n]«, sie aber jetzt, da er und Busch allein »der kompakten Reaktionspartei gegenüber[stünden]«, keine Chance mehr hätten. Sowohl in der medizinischen als auch in der philosophischen Fakultät wusste er von Fällen, in denen sich Nachwuchswissenschaftler, um habilitiert zu werden, offiziell hatten verpflichten müssen, keine Veranstaltungen anzubieten, die den Veranstaltungen der älteren Kollegen irgendetwas nehmen könnten. Ein solches Verhalten fand er moralisch »scandalosa« und war einigermaßen erstaunt, wenn andere nicht auch so dachten. Es verärgerte ihn auch, dass die Kollegen seinen Physiologiekurs für Medizinstudenten zur gleichen Zeit wie die anorganische Chemie angesetzt hatten. Sie legten ihm gegenüber einfach keinerlei Wohlwollen an den Tag, so sein Empfinden. Er konnte anscheinend nichts anderes tun, als sich um seinen Garten zu kümmern, und stürzte sich mit neuem Elan in seine Arbeit: »Ich habe allmählich ziemlichen Stoff zur Reform der physiologischen Akustik angesammelt«, teilte er du Bois-Reymond mit, und dass er auf einige Instrumente warte, um das Werk abschließen zu können.40 Du Bois-Reymond antwortete von Berlin aus, dass er seit sechs Monaten mit Kirchhoff darüber verhandelt habe, nach Heidelberg zu gehen, und, wie Helmholtz und Brücke auch, kürzlich von Bunsen gehört habe und nach seinen Bedingungen gefragt worden sei. Wenn Heidelberg seine Forderungen erfülle, werde er akzeptieren, denn wenn Helmholtz den Ruf erhielte und annähme, dann wäre er, du
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Bois-Reymond, faktisch gezwungen, die Position von Helmholtz in Bonn zu übernehmen, wie er mit Bedauern feststellte. Du Bois-Reymond hatte Berlin gegenüber seine Vorstellungen geäußert, obgleich er wusste, dass sie nicht erfüllt werden würden. Daher ging er davon aus, (entgegen seinem Willen) nach Heidelberg zu gehen, was er als »eine Art Niederlage« für sich betrachtete. Immerhin bestand, wie er dachte, der einzige wesentliche Unterschied zwischen Heidelberg und Bonn darin, dass Heidelberg eine reine Physiologiestelle im Angebot hatte. Doch er schätzte das Interesse Heidelbergs an seiner Person völlig falsch ein, wenn er glaubte, dass sein akademisches Schicksal aus Entscheidungen resultiere, die Helmholtz betrafen. Dieser teilte ihm umgehend die Neuigkeit mit, dass die medizinische Fakultät in Heidelberg gerade Friedrich Wilhelm Delffs, ihren Professor für pharmazeutische, physiologische und organische Chemie, nebst dem Prodekan der Fakultät zu Verhandlungen mit ihm entsandt habe. Delffs hatte er mitgeteilt, dass er einen Wechsel für ein Gehalt von weniger als 2000 Talern nicht in Betracht ziehen werde und sich weder vorstellen könne, dass Baden so viel für einen Professor der Physiologie zahlen würde, noch, dass Preußen ihn auf seine Bitte hin nach Baden entlassen würde.41 Helmholtz hoffte jedoch insgeheim, dass die Interessensbekundung vonseiten Badens ihm ein Druckmittel gegen Preußen in die Hand geben würde, um seine Lage in Bonn zu verbessern. Er bat du Bois-Reymond, sich dahingehend mit ihm zu verschwören, dass er (du Bois-Reymond) das Ministerium nicht über seine Absichten informieren oder zumindest behaupten werde, es sei unwahrscheinlich, dass er nach Heidelberg gehen werde. Helmholtz glaubte, dass Arnold den Lehrstuhl und das Institut für Physiologie zwar als sein Eigentum ansehe, ihn aber abtreten würde, wenn ihm der neue Physiologe gefiele. Außerdem ließ er du Bois-Reymond wissen, dass die Heidelberger Fakultät einen russischen Studenten gebeten hatte, sowohl seine als auch du Bois-Reymonds Vorlesungen zu besuchen und über ihre Lehrmethoden und -fähigkeiten zu berichten. Der Russe äußerte sich erwartungsgemäß kritisch zu ihren physikalisch ausgerichteten Physiologievorlesungen. Du Bois-Reymond hielt ihn für einen Lügner.42 Tatsächlich tat Helmholtz mehr, als nur seinen Garten in Schuss zu halten. Er präsentierte den Offiziellen der Bonner Universität das Schreiben von Bunsen und berichtete ihnen, dass Delffs nach Bonn gekommen sei, um mit ihm zu verhandeln. Demnach sei er, Helmholtz, entweder der einzige Kandidat oder »primo loco«, außerdem beinhalte das Angebot auch ein neues Institut für Physiologie. Dass er Bonn nun von diesen Entwicklungen unterrichte, geschehe in der Hoffnung, dass die Universität und ihr Senat ihre Meinung ändern und endlich etwas Grundbesitz verkaufen würden, um Kapital für ein neues Institutsgebäude zu beschaffen. Helmholtz war der Meinung, dass seine Kollegen (einschließlich seines Dekans) zu wenig Vertrauen in seine wissenschaftliche Arbeit hätten und nicht bereit seien, ihn ausrei-
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chend zu unterstützen. Deshalb sah er auch keine Chance, jemals ein neues Institutsgebäude zu bekommen – alles in allem »eine sehr niederdrückende Aussicht« für ihn. Der Mangel an geeigneten Räumlichkeiten hindere ihn daran, die gesteckten Arbeitsziele zu erreichen, wie er sagte, und deprimiere ihn, weil er und Busch keinen Einfluss auf die Fakultätsmehrheit hätten, die alle ihre Vorschläge ablehne und ihnen sogar noch Steine in den Weg lege. All dies erklärte, warum er das Angebot aus Baden noch nicht abgelehnt hatte, obwohl er weiterhin dankbar war für die frühere Unterstützung des Ministeriums bei seinem Wechsel von Königsberg nach Bonn. Für sein Bleiben stellte er zwei Bedingungen: die Zustimmung zum Institutsneubau und eine Erhöhung seines Gehalts um 400 auf 1600 Taler. Ein Beamter der Bonner Universitätsverwaltung notierte: »Welch ein entsetzlicher Schlag ein Verlust von Helmholtz für uns wäre, darf ich mich jeder Ausführung enthalten. Mit seinem Fortgehen würde unsere Hochschule sich eines Mannes beraubt sehen, welcher nicht allein durch seine genialen wissenschaftlichen Leistungen, das ihm angeborene glückliche Lehramt und seinen moralischen Werth schon jetzt als eine ihrer Hauptzierden betrachtet werden muß […].« Darüber hinaus stelle Helmholtz sich, wie der Mann ergänzte, gemeinsam mit Busch gegen die älteren (oder wissenschaftlich schwachen), wenig fortschrittlich eingestellten Mitglieder der medizinischen Fakultät, und wenn diese besiegt werden sollten, dann nur durch die Bemühungen von Helmholtz und Busch. Helmholtz bezeichnete er als »die Preußische Standarte der Wissenschaft im Westen [Preußens]«; das Ansehen Bonns werde ohne Helmholtz sinken. Er nahm an, dass das Ministerium seine Meinung teilte. Es möge daher alles ihm Mögliche unternehmen, um Helmholtz’ Bedingungen zu erfüllen, die er allesamt für gerechtfertigt hielt. Das preußische Ministerium antwortete mit einer Gehaltserhöhung von 400 Talern, deutete weitere Erhöhungen an und versprach ein neues Anatomiegebäude, sobald es die finanziellen Verhältnisse erlaubten.43 Es war zügig aktiv geworden. Zehn Tage später teilte Kirchhoff Helmholtz im Vertrauen mit, dass nur er für die Stelle empfohlen worden sei, das (badische) Ministerium ihn »auf das Dringendste« haben wolle und bald ein formelles Angebot auf den Weg gebracht werde. Und er ergänzte, dass alle in Heidelberg, wo Helmholtz bereits Freunde hatte, sein Kommen befürworteten. Mitte Juli lehnte Helmholtz als Reaktion auf die Gehaltsaufstockung das Heidelberger Angebot offiziell ab und äußerte gegenüber du Bois-Reymond, seine Entscheidung sei »definitiv«.44 Helmholtz stellte mit seinem geschickten Agieren im Wettbieten zwischen Preußen und Baden um seine Dienste strategisches Verhandlungsgeschick unter Beweis und dies, ohne dabei jemandem zu nahe zu treten. Er hatte sein Ansehen und die Bedeutung der Physiologie ins Feld geführt, um eine 25-prozentige Gehaltserhöhung und das erneuerte Versprechen auf ein neues Institutsgebäude herauszuschlagen. Selbst die Kleinigkeiten entwickelten sich jetzt in seinem Sinne. Ludwig
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berichtete, dass der Inhaber einer Wiener Firma für wissenschaftliche Instrumente ein Fotoalbum mit den größten zeitgenössischen Naturwissenschaftlern zusammenstellte und »natürlich« auch eine Aufnahme von Helmholtz haben wollte. Endlich floss Helmholtz zudem die überfällige Bezahlung für seine Vorlesungstätigkeit aus seinen Königsberger Tagen zu. Justus Olshausen, der ihm das Geld weiterleitete, war der Meinung, dass Helmholtz gut daran getan habe, nicht nach Heidelberg zu gehen, »welches gar nicht in dem Rufe steht« wie Bonn.45 Als er die Heidelberger Verhandlungen und einen Besuch seines Vaters und seiner Schwester Julie in Bonn hinter sich hatte, unternahm Helmholtz Mitte August (wieder ohne Olga) eine weitere Wandertour in der Schweiz. Da er auf dem Weg zur Rigi war, durchquerte er Zürich nur und hatte keine Zeit, seine dortigen Freunde zu besuchen. Am Ziel angekommen, traf er sich mit Freunden aus Bonn sowie mit seinem Freund Heine, dem Hallenser Mathematiker. Anschließend machten er und ein russischer Arzt sich auf den Weg nach Riffelhaus und zum Monte Rosa, etwa 2500 Meter über dem Meeresspiegel gelegen. Sie durchwanderten das Rhonetal, dessen Gletscher Helmholtz als überwältigend und wie einen »Krystallpalast« erlebte. Nach so vielem Wandern waren seine Lederstiefel ruiniert und er musste sich für den Aufstieg auf den Monte Rosa ein Paar Bergschuhe kaufen. Er kletterte – langsam und ohne Rucksack – so hoch, dass seine Nase blutete. Der Russe und er wollten auf die italienische Seite hinüber, von wo aus er plante, zum Lago Maggiore zu wandern, bevor er sich wieder ins Rheintal und dann zurück nach Bonn aufmachte.46
Ein philosophischer Familiendisput Da er auf dem Gebiet der physiologischen Akustik tätig war, musste sich Helmholtz auch mit einigen »philosophischen« Problemen befassen, die ebenso persönlicher wie intellektueller Art waren. Eines davon betraf seinen Vater, dessen Gesundheit sich weiter verschlechterte. Ferdinand klagte seinem alten Freund Fichte gegenüber über das Altern und sein schwindendes Erinnerungsvermögen, »Gehirndruck und dergleichen«. Im Herbst 1856, nach 36 Jahren Lehrtätigkeit, war er aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes gezwungen, in den Ruhestand zu treten. Seit Ferdinand und Fichte sich bei Hermanns Taufe im Jahr 1821 zum letzten Mal gesehen hatten, war Letzterer zu einem produktiven Philosophen geworden, dessen Schriften eine Bandbreite von der Theologie, Ethik und Metaphysik bis hin zur Anthropologie und Psychologie aufwiesen. Seine generelle Haltung war antimaterialistisch und pro-christlich, aber auch liberal. Hermanns Schriften studierte er eifrig und war ein großer Bewunderer seines Patensohnes geworden. Er las, was Helmholtz über die Krafterhaltung geschrieben hatte, und brachte das Prinzip auf sein eigenes psychologisches System »zur Anwendung«; er las dessen Ausführun-
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gen über Goethe, und er versuchte, Helmholtz’ Zeichentheorie der Wahrnehmung in seiner eigenen Psychologie (1864, 1873) zu verwenden. In seinem Tagebuch vermerkte er, dass Hermann ihm gerade »einen wichtigen Brief […] mit einsichtsvollen Äußerungen« über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Philosophie geschickt habe, und schrieb über ihn an Ferdinand: »[…] Du weißt, wie ungemein ich seinen Geist schätze. Auch leuchtet sein gediegenes Urteil aus jeder seiner Zeilen hervor. Ich glaube durchaus, mich mit ihm verständigen zu können […].« Fichte fand, dass Hermanns philosophischer Standpunkt – er nannte ihn kantianisch – auch für seine, Ferdinands, philosophische Anschauung relevant sei, und teilte diesem mit, dass Hermanns (und anderer) empirische Erkenntnisse über die Sinnesphysiologie und sein Verständnis von ihr »Aufmerksamkeit« in der Psychologie erregt hätten. Zudem stellte er fest, dass alle neueren physiologischen und psychologischen Befunde Hermanns sowohl mit seiner, Fichtes, Anthropologie (1856) als auch mit dem Buch, das er damals über Psychologie schrieb, im Einklang standen. »Mir selber könnte nichts Erwünschteres sein, als bei Deinem Sohne einen vollständigen Vortrag über Physiologie zu hören.«47 Ferdinand war ohne Zweifel stolzer denn je auf die intellektuellen Leistungen und das Ansehen seines Sohnes. Nicht alle deutschen Philosophen waren so voller Bewunderung. Auch wenn sein Einfluss vor allem außerhalb der akademischen Welt lag, gehörte Arthur Schopenhauer doch zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der Philosophie des 19. Jahrhunderts, insbesondere zu Zeiten der sich zuspitzenden Debatte über den Materialismus und des aufkommenden Neukantianismus. Seine Betonung der Emotionen, des Willens, des Irrationalen und der Askese, ganz zu schweigen von seiner Kritik an Optimismus und Fortschritt, waren für jemanden wie Helmholtz weder interessant noch ansprechend. Dennoch gab es einen Berührungspunkt, der zu Kontroversen führte: Schopenhauer und seine Anhänger glaubten, dass die Veröffentlichung von Schopenhauers Schrift Ueber das Sehn und die Farben (Erstausgabe 1816, Zweitausgabe 1854), die Goethes Farbenlehre propagierte und weiter ausbaute, ihren Verfasser als Farbtheoretiker und Sehforscher qualifiziere. Wie sein dilettierender Kollege Goethe war auch Schopenhauer frustriert von der Reaktion der Fachwelt, die er als Missachtung und mangelnde Anerkennung gegenüber seiner herausragenden Arbeit auf dem Gebiet der Farbenlehre und seines philosophisch tiefgründigen Verständnisses vom Sehen empfand.48 So kam es, dass Helmholtz zwar bereits mehrere wissenschaftliche Gegner hatte, in Schopenhauer jedoch seinen ersten (wenn auch nicht letzten) Feind fand. Schopenhauer stand in einer antirationalistischen philosophischen und kulturellen Denktradition Deutschlands, die sich an manchen Stellen als Naturwissenschaft tarnte und bis zum Ende der Nazizeit lebendig blieb. Bereits im Juni 1853 war Schopenhauer auf Helmholtz aufmerksam geworden. Am Anfang tat er ihn als Teil einer sich angeblich selbst genügenden akademischen Clique ab und hielt dessen Schrift über Goethe für einen Versuch, sich lieb Kind zu
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machen. (Er wandte sich auch gegen Ferdinand, seinen früheren Freund; die beiden hatten 1811/12 gemeinsam Fichtes Vorlesungen in Berlin besucht.) Helmholtz’ Aufsatz über Goethe fand er »abgeschmackt« und schalt seinen eigenen Freund und Fürsprecher Julius Frauenstädt dafür, Helmholtz in Sachen Farben und Sehen seiner (Schopenhauers) ebenbürtig zu erachten (das sei, als würde man den Mont Blanc mit einem Maulwurfshügel vergleichen). Im Januar 1856 hatte Schopenhauer Helmholtz jedenfalls als »Lump« erkannt und behauptete, dass jener es in seinem Kant-Gedenkvortrag versäumt habe, Schopenhauers Beiträge zur Farbenlehre zu erwähnen; sogar abgekupfert habe er von ihm und anderen. Helmholtz’ Aufsatz über Goethe hielt Schopenhauer für wertlos, und den über die Wechselwirkung der Kräfte für kaum besser.49 Nachdem Hermann ihm im September desselben Jahres ein Exemplar des Handbuchs (Teil I) übersandt hatte, richtete Ferdinand seine Aufmerksamkeit auf Francis Bacons erkenntnistheoretische Ansichten zum Verhältnis von empirischem und apriorischem Wissen und auf Schopenhauer. Er griff den Vorwurf Frauenstädts auf, dass Hermann in seinem Kant-Gedenkvortrag Schopenhauers erkenntnistheoretische Positionen plagiiert habe. Ferdinand nahm Hermann natürlich in Schutz und wies darauf hin, dass Schopenhauers eigene Ansichten bereits bei Kant und Johann Gottlieb Fichte zu finden seien. Hermann erwiderte darauf, er habe sich »sehr gefreut«, dass es Ferdinand gut gehe und er weiterhin philosophisch schreibe (wenn auch nicht veröffentliche). Wie er fand, war nun der richtige Moment dafür gekommen, dass ältere Männer wie sein Vater einer jüngeren Generation die Bedeutung Kants und Johann Gottlieb Fichtes neu erklärten, »da der philosophische Rausch und zugehörige Katzenjammer der naturphilosophischen Systeme von Hegel und Schelling vorüber zu sein scheint, und die Leute wieder anfangen, sich für Philosophie zu interessieren«. Hegels idealistische Philosophie fand er schlimmer als einfach nur nutzlos, da sie versuche, sich selbst an die Stelle der Wissenschaft zu setzen. Ebenso wenig beeindruckt war er vom Werk Immanuel Herrmann Fichtes, der auf seine eigene Art genau das Gleiche tue. Schelling, Hegel und Fichte junior hatten es ihm zufolge allesamt versäumt, ihre philosophischen Ansichten auf eine empirische Grundlage zu stellen, weshalb sie zwangsläufig scheitern mussten. (Tatsächlich war er vom philosophischen Werk des jungen Fichte besonders unbeeindruckt und teilte dies seinem Vater auch mit.) Er glaubte, dass sich die Philosophie vor allem mit den Bedingungen wissenschaftlicher Erkenntnis befassen sollte, also mit Epistemologie. Kant und vielleicht auch Fichte senior hätten dies immerhin verstanden, wie er hinzufügte. Was Schopenhauer anging, so führte Helmholtz seinen jüngsten Erfolg darauf zurück, dass er auf Kant aufsetze.50 Ferdinand verteidigte seinen alten Freund Immanuel Herrmann Fichte mit Nachdruck. Obwohl er gesundheitlich angeschlagen war – er spürte immer noch Druck auf dem Gehirn, seine Hand zitterte so sehr, dass er kaum schreiben konn-
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te, und seine Augen versagten –, zeigte er sich entschlossen, philosophisch »aufzuholen«, inneren Frieden zu finden und eine Art von »Einheit« in sein Leben zu holen, bevor ihn sich der Tod, wie er schon spürte, greifen würde. Aber er fühlte sich noch stark genug, seinen Sohn scharf zu kritisieren für seine philosophischen Überlegungen, die Ferdinand für nicht hinreichend durchdacht hielt, und sein »Vorurtheil« gegenüber Fichte juniors Werk. Ferdinand nahm an, dass Hermann vielleicht durch sein naturwissenschaftliches Interesse (das heißt den Empirismus) zu weit getrieben worden sei und so die Bedeutung apriorischer Ideale und ihre Wechselwirkung mit den Dingen in der Welt aus dem Blick verloren habe. Um wahres Wissen hervorzubringen, müssten Ferdinand zufolge Denken und Beobachten in ständiger Wechselwirkung miteinander tätig sein. Das Problem mit Schelling, Hegel und ihren Anhängern lag – so belehrte der inzwischen pensionierte, unveröffentlichte Amateurphilosoph seinen Sohn – darin, dass sie die Bedeutung des Empirischen für den Erkenntnisprozess vergessen hatten, während das Problem mit Männern wie Moleschott und Vogt das sei, dass sie versuchten, alles auf bloße Materie und ihre Wechselwirkung zu reduzieren. Fichte hingegen sei frei von den Unzulänglichkeiten sowohl der Idealisten wie auch der Materialisten. Er habe gewusst, wie man sich wissenschaftliche Erkenntnis für philosophische Zwecke zunutze mache, um »Seelenerkenntniss« zu erlangen – noch etwas, das Hermann nicht vergessen sollte. Im Weiteren belehrte Ferdinand den Sohn über Fichtes Verständnis von der Natur und den Eigenschaften der Seele, wobei er selbst dahingehend milde Kritik an dem Philosophen übte, dass dieser darin zu weit gegangen sei. Am wichtigsten aber sei, dass die Philosophie an dem einen oder anderen Punkt die Befunde der Naturwissenschaft in sich aufnehmen müsse, um die »Selbsterkenntniss« und damit das Verständnis der Seele zu erweitern. Nicht einmal die Nutzanwendungen der Wissenschaften auf das gesellschaftliche Leben des Menschen seien so wichtig wie dies. Was Schopenhauer betraf, so wies Ferdinand dessen Vorwürfe an Hermanns Adresse zurück und hielt ihm seinerseits vor, auf der öffentlichen Bühne jene Achtung zu suchen, die er unter den Philosophen nicht zu erlangen vermochte.51 Hermann antwortete seinem alternden und kranken Vater freundlich und ergeben, dass er ihm weitgehend zustimme und Fichtes Anthropologie nun erneut durchdenken, wenn nicht gar noch einmal lesen werde. Das Problem mit »mathematischen Naturforschern« wie ihm selbst sei, dass sie, wie er einräumte, so sehr damit beschäftigt seien, Hypothesen an den Tatsachen zu überprüfen, »dass wir eine vielleicht zu grosse Furcht vor einer kühneren Benutzung der wissenschaftlichen Thatsachen haben, die bei anderen Gelegenheiten doch berechtigt sein kann«. Er verwahrte sich dagegen, ein Anhänger von Moleschott und Vogt zu sein, die er beide nicht als Wissenschaftler betrachtete. Wie tiefschürfend die Entdeckungen eines Naturwissenschaftlers auch immer sein mochten, rechtfertigten sie doch nicht, irgendwelche Aussagen über die Seele zu treffen. Folglich waren freilich Ferdinands
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Äußerungen über die Feindseligkeit vieler Naturwissenschaftler gegenüber der Philosophie ebenso wenig gerechtfertigt – die meisten Wissenschaftler stünden ihr ohnehin »indifferent« gegenüber, so Helmholtz. Hinzu komme noch, dass die meisten Probleme zwischen Philosophen und Naturwissenschaftlern Männern wie Schelling und Hegel geschuldet seien. Auch von Lotze hielt er nicht viel. Es waren vielmehr Kant und erkenntnistheoretische Fragen, die ihn nach eigenem Bekunden interessierten. Was Schopenhauer betraf, so stimmte er mit seinem Vater überein: Was er von ihm gelesen hatte, mochte er nicht. Erst viel später, und dann auch nur mit einem kurzen, wenig wohlwollenden Seitenblick, sollte er ihn in gedruckter Form erneut erwähnen. Dieser friedliche philosophische Austausch zwischen Ferdinand und Hermann hatte sich über Jahrzehnte hinweg angebahnt und stand, wenn auch nur auf einer rationalen, intellektuellen Oberfläche, möglicherweise stellvertretend für unausgesprochene emotionale Spannungen, die ihm zugrunde lagen. In gewisser Weise trugen Vater und Sohn eine Art Materialismusstreit innerhalb der Familie aus;52 in einem anderen Sinne hatten sie kaum richtig angefangen, miteinander zu reden.
Die Physiologie der musikalischen Harmonie Im Juni 1857 stellte Helmholtz vor der Niederrheinischen Gesellschaft für Naturund Heilkunde eine neue Erfindung vor, das »Telestereoskop«. Es handelte sich um ein verbessertes Stereoskop, das dem Betrachter (mittels Spiegeln) klarere, von ihrem räumlichen Hintergrund abgehobene Bilder von Objekten zeigte, deren Umrisse oder Oberflächen nicht flach waren (zum Beispiel Landschaften). Das Instrument war nach Helmholtz’ Dafürhalten leicht zu bauen und konnte nicht nur bei der Beobachtung von nahen und fernen Objekten seine Nützlichkeit erweisen, sondern auch als »ein amusantes optisches Spielwerk«. Eine örtliche Zeitung griff die Geschichte auf, die nun »die Runde durch die politischen Zeitungen« machte, und so musste er auf Poggendorffs Bitte hin das Ganze für die Annalen aufschreiben.53 Auch auf dem Treffen der Naturforscherversammlung in Bonn im September 1857 stellte Helmholtz seine Erfindung vor. Rund 1000 Menschen nahmen daran teil, obwohl Helmholtz den Eindruck hatte, dass »die bedeutendsten [Wissenschaftler] meist fehlten«. Er fand die Veranstaltung »wohl sehr interessant«, allerdings war sie für ihn »auch eine wahre Hetzjagd«, obschon er die meisten gesellschaftlichen Zusammenkünfte mied. Dove und Wittich quartierten sich bei Familie Helmholtz ein. Olga und er hatten Besucher nur für eine Mahlzeit (dies »machte mich für den folgenden Tag caput«) und servierten zwischen den Sitzungen reichlich Kaffee und Tee, minimierten ansonsten jedoch die Zahl ihrer Gäste. Helmholtz fürchtete, dass der schlechte Zustand seines Anatomieinstituts seinem Ansehen unter denjenigen, die es während der Tagung besuchten, schaden würde. Es war das ers-
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te Mal, dass er bei einer Zusammenkunft der Naturforscherversammlung sprach, und dies sollte sich nur noch bei vier weiteren Gelegenheiten wiederholen (1858, 1869, 1872 und 1889). Die Nützlichkeit des Telestereoskops stieß bei einer Reihe von Nutzern derweil auf gute Resonanz. So zum Beispiel bei Brücke, der ihn wissen ließ, dass das Gerät »sehr schlau« sei, oder bei Anton Danga, einem »schlichten Mann« aus der Pfalz, der schrieb, wie fasziniert er von den Bildern sei, die Helmholtz’ Telestereoskop hervorbrachte. Dessen Beitrag zur Naturforscherversammlung bestand allerdings in mehr als nur der im Plenum gehaltenen Präsentation seiner Erfindung. Er zeigte den Besuchern auch seinen Myographen für Messungen in den Nerven, hielt einen kurzen Vortrag über die Bewegungen der Gehörknöchelchen und sprach über Kombinationstöne. Er betätigte sich damit sowohl in der Sektion Anatomie (zweimal) als auch in der Sektion Physik als Referent. (Alles in allem hielt er auf dieser Tagung vier Vorträge.) Daneben diskutierte er mit anderen Teilnehmern über den Geldbedarf in der Wissenschaft – besonders mit Blick auf Summen, welche die finanziellen Ressourcen des einzelnen Wissenschaftlers überstiegen. Später erhielt er, zu seiner Überraschung, von König Maximilian II. von Bayern (scheinbar unaufgefordert) eine jährliche Summe aus genau diesem Anlass. (Der König war sehr an Helmholtz’ akustischen Studien interessiert und bat ihn im Gegenzug darum, ihm vierteljährlich einen kurzen Bericht über seine Ergebnisse zu erstatten.) Am Ende wurde er auch Prinzessin Elisabeth von Preußen als »Erfinder des Augenspiegels« vorgestellt.54 Im Winter 1857, »[i]n der Vaterstadt Beethovens, des gewaltigsten unter den Heroen der Tonkunst«, hielt Helmholtz einen öffentlichen Vortrag über die physiologischen Ursachen für musikalische Harmonie. Bei dieser Gelegenheit versuchte er zu erklären, was Physik und Physiologie zum Verständnis von Musik und musikalischen Phänomenen beitragen konnten. Er vertrat die Meinung, dass Musik, mehr als jede andere Kunst, bis dato einer wissenschaftlichen Analyse entgangen sei. Die anderen schönen Künste, die konkrete Materialien nutzten und natürliche und menschliche Objekte darstellten, seien dadurch wissenschaftlichen und ästhetischen Untersuchungen leichter zugänglich. Beides treffe auf Musik so nicht zu, weshalb ihre Effekte einigen Menschen »unbegreiflich und wunderbar« zu sein schienen. Doch auch Musik kennt Helmholtz zufolge durchaus eine Art Material, nämlich das der »Töne oder Tonempfindungen«. Während sie nämlich als »die stoffloseste, flüchtigste und zarteste Urheberin unberechenbarer und unbeschreiblicher Stimmungen« erscheine, sei sie in Wirklichkeit Gegenstand einer mathematischen Analyse, und obwohl Welten zwischen der Mathematik und der Musik zu liegen schienen, seien sie in Wahrheit miteinander verwandt: Die Mathematik könne ein Verständnis der Musik ermöglichen. Genauer gesagt versuchte Helmholtz, seinem Publikum und seinen Lesern zu erklären, wie die physikalische und die physiologische Akustik dem Verständnis von Musik dienten, wobei er den Fokus
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speziell auf die Ursachen für musikalische Konsonanz richtete. Er versuchte also, die moderne Wissenschaft und Mathematik zur Klärung der uralten Frage heranzuziehen, die Pythagoras und viele andere nach ihm nie zufriedenstellend hatten beantworten können: Was haben die Frequenzverhältnisse kleiner, ganzer Zahlen mit Konsonanz zu tun?55 Die Entstehung eines Tons in der Musik erklärte er aus der Wiederholung schneller, regelmäßiger Impulse in gleichen Zeitintervallen. Die Höhe des Tons sei eine Funktion der Anzahl solcher Impulse; mehr Impulse pro Zeitabschnitt resultierten in einem höheren Ton. Er hielt es dabei für völlig bedeutungslos, wie oder von welcher Art Instrument, einschließlich der menschlichen Stimme, der Ton erzeugt werde. Um die Abhängigkeit der Töne von den Frequenzverhältnissen zu demonstrieren, benutzte er eine Sirene.56 Was eine Schallschwingung zu einer Tonempfindung mache, habe, so Helmholtz weiter, mit ihrer Rezeption durch das Ohr (und nicht zum Beispiel über die Haut) und mit der Natur der Hörnerven zu tun. In erster Linie sei dies eine Sache der Physik von Wellenbewegungen, die sich durch die Luft verbreiteten. Er erklärte grundlegende Eigenschaften von Schallwellen – ihre Bewegungen und Wechselwirkungen, insbesondere das Verhältnis zwischen Wellenlänge und Tonhöhe, -stärke und -intensität: Variationen in der Form der Schallwellen verursachten Variationen in der Klangfarbe (oder dem Timbre). Er gestand ein, oft Stunden an der ostpreußischen Küste damit verbracht zu haben, das faszinierende Wellenspiel des Meeres zu beobachten. Dies, so fand er, »fesselt und erhebt den Geist, da das Auge leicht Ordnung und Gesetz darin erkennt«. Mit Blick auf das Tongeschehen und dessen Wahrnehmung sei ein Konzert- oder Tanzsaal dem Verhalten der Wellen auf dem Meer und ihrer Wahrnehmung durch den Betrachter durchaus vergleichbar. Tatsächlich sah Helmholtz Ähnlichkeiten oder sogar Analogien zwischen akustischer und optischer Wahrnehmung.57 Im Anschluss erläuterte er die relevanten anatomischen und physiologischen (einschließlich der nervlichen) Eigenschaften des Ohres und seine Funktionsweise bei der Wahrnehmung von Schallwellen. Dank eines in jüngster Zeit verbesserten Verständnisses der Anatomie und Physiologie dieses Organs war mittlerweile klar, wie das Ohr Schallwellen in ihre einzelnen Teiltöne zerlegt, ein Phänomen, das der Fourier-Analyse in der mathematischen Physik sehr ähnlich ist. Diese Zergliederung des Tons durch das Ohr lässt uns zum Beispiel auch die Unterschiede zwischen einzelnen Stimmen und Musikinstrumenten erkennen. Für Helmholtz war das Ohr damit ein mathematisches Instrument zur Analyse von Schallwellen, so wie es das Auge für optische Informationen war.58 Allerdings betonte er auch, dass die Tonempfindung nicht nur auf »das leibliche Ohr des Körpers«, sondern auch auf »das geistige Ohr des Vorstellungsvermögens« zurückzuführen sei. Das erstere funktioniere automatisch; seine Tätigkeit sei
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vergleichbar damit, wie ein Mathematiker eine Fourier-Analyse von Wellensystemen vornehme, und ermögliche eine Unterscheidung der einzelnen Obertöne von den Grundtönen. Dabei müsse allerdings sogar ein geschulter Hörer viel Aufmerksamkeit aufbringen, um solche Töne wahrzunehmen. Mit Blick auf das zweite, das geistige Ohr »gehört noch eine eigenthümliche Thätigkeit der Seele dazu, um von der Empfindung des Nerven aus zu der Vorstellung desjenigen äusseren Objectes zu gelangen, welches die Empfindung erregt hat«. Hiermit rekurrierte Helmholtz auf seine epistemologische Zeichentheorie, nach der uns die sinnlichen Wahrnehmungen nur Zeichen dafür geben, dass äußere Objekte vorhanden sind. Die Erfahrung ist es dann, die uns allmählich die Schlussfolgerung lehrt, dass solche innerlichen, geistigen Zeichen Indikatoren für das Vorhandensein bestimmter äußerer, materieller Objekte sind. Unsere Wahrnehmungen hingen damit, wie Helmholtz behauptet, von der praktischen Erfahrung ab. Wir nehmen Obertöne nur selten bewusst wahr, und unsere Seele sei ebenso gefordert wie die Hörnerven, damit wir uns ihrer bewusst werden.59 Die oberen Teiltöne erzeugen nach Helmholtz die Klangfarbe, die von der Wellenform abhängt. Die von Uhren erzeugten Obertöne seien noch am einfachsten zu hören. Helmholtz hob hervor, dass die oberen Teiltöne, obgleich nicht leicht hörbar, eine »wichtige Rolle […] bei der künstlerischen Wirkung der Musik« spielten. Seine Erfindung des Helmholtz-Resonators (unter welchem Namen dieses Instrument seither bekannt ist), einer Glas- oder Metallkugel mit zwei einander entgegengesetzten Öffnungen, von denen eine zur Schallquelle und die andere zum Ohreingang hin gerichtet wird, schuf eine Möglichkeit, die oberen Teiltöne hörend zu erfassen.60 Anschließend erläuterte Helmholtz das Phänomen musikalischer Schwebungen als Überlagerung zweier Sinuswellen. Schwebungen, die schnell genug auftreten, sind (für das Ohr) nicht mehr voneinander unterscheidbar und erzeugen das, was er »eine continuirliche Tonempfindung« nannte. Solche Schwebungen stehen Helmholtz zufolge in einem Kontrast zu Empfindungen, die diskontinuierlich sind und somit ein Gefühl der Dissonanz erzeugen. Darüber hinaus könne die Überlagerung zweier lauter Töne das Hören weiterer Töne, sogenannter Kombinationstöne, hervorrufen.61 Im Lichte dieser Erklärungen suchte Helmholtz die Unterscheidung zwischen Harmonie und Disharmonie darin, »dass in der ersteren die Töne neben einander so gleichmässig abfliessen, wie jeder einzelne Ton für sich, während in der Disharmonie Unverträglichkeit stattfindet, und die Töne sich gegenseitig in einzelne Stösse zertheilen«. Musikalische Schwebungen hängen für ihn von der Interferenz von Wellenbewegungen ab, was bedeutet, dass Klang eine Wellenbewegung ist. Das Ohr ist dank seiner Fähigkeit zur Fourier-Analyse in der Lage, die Obertöne zu unterscheiden und zusammengesetzte Wellensysteme zu zerlegen; tatsächlich hilft der Fourier’sche Satz dabei, die relativen Amplituden der Teiltöne zu bestimmen. In all dem erkennen wir, wie er schlussfolgerte, eine starke Ähnlichkeit
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zwischen Ohr und Auge. Auch Licht ist ein Wellenphänomen und weist daher Interferenzeigenschaften auf, wobei seine verschiedenen Frequenzen die verschiedenen vom Auge wahrgenommenen Farben erzeugen. Jedoch kann das Auge keine zusammengesetzten Farben unterscheiden, was bedeutet, dass es »keine Harmonie in dem Sinne [hat] wie das Ohr; es hat keine Musik«.62 All diesen anatomischen, physiologischen, physikalischen und mathematischen Analysen zum Trotz behauptete Helmholtz am Schluss: »Die Aesthetik sucht das Wesen des künstlerisch Schönen in seiner unbewussten Vernunftmässigkeit.« Die Obertöne seien zwar für das musikalische Erlebnis wesentlich und hingen von der Verarbeitung der Wellen durch das Ohr ab, doch diese Verarbeitung geschehe auf einer unbewussten Ebene. Helmholtz zufolge ist musikalische Schönheit, also Harmonie und Disharmonie, eine graduelle Angelegenheit – etwas, das eine kontinuierliche Skala der Schönheit von der niedrigsten sinnlichen bis hin zur höchsten intellektuellen Befriedigung durchlaufe. Wie im Meer gebe es Strömungen auch in der Seele des Künstlers, die, obgleich der Künstler selbst sie nicht erklären könne, ihn geistig mit ähnlichen Strömungen »in der Seele des Hörers [verbinden], um ihn endlich in den Frieden ewiger Schönheit emporzutragen, zu dessen Verkündern unter den Menschen die Gottheit nur wenige ihrer erwählten Lieblinge geweiht hat«. An diesem Punkt stoße, so schloss Helmholtz, die Naturwissenschaft allerdings an ihre Grenzen.63 Und an dieser Stelle zeigten sich zugleich Helmholtz’ eigene romantische Anflüge. Helmholtz gründete seine Theorie der musikalischen Harmonie auf die Anatomie des Ohres und die Physik der Schallwellen, so wie er seine Theorie der visuellen Wahrnehmung auf die Anatomie und Physiologie des Auges und die damit zusammenhängende Physik der Lichtwellen stützte. Dennoch »reduzierte« er seine Theorien des Hörens und Sehens nicht auf solche körperlichen und physikalischen Phänomene, denn er hielt stets an der Überzeugung fest, dass es in der auditiven und visuellen Wahrnehmung eine psychologische Komponente gebe, die er vage als Teil der »Seele« oder des schöpferischen Geistes im Menschen bezeichnete. Natürlich war dieses Element selbst auch eine Funktion des menschlichen Verhaltens und Erlebens über lange Zeiträume hinweg. Doch Helmholtz glaubte nie, dass die »harten« Wissenschaften der Anatomie, Physiologie und Physik die visuelle und auditive Wahrnehmung des Menschen vollständig erklären könnten.
Wasser in Bewegung Im November 1857 baten die Herausgeber der Illustrirten Deutschen Monats-Hefte Helmholtz um einen populärwissenschaftlichen Aufsatz zur Veröffentlichung in ihrer Zeitschrift. Er hatte jedoch keinen, den er hätte schicken können. »Meine Zeit ist so besetzt, daß ich nicht besondere Arbeiten für populäre Zwecke übernehmen kann, sollte ich gelegentlich einmal dazu kommen einen populären Aufsatz
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zu schreiben, welcher mir für die Deutschen Monatshefte passend erscheint, was wohl leicht einmal vorkommen kann, so werde ich ihn Ihnen zuschicken.« Zur gleichen Zeit schrieb ihm auch Rudolf Haym, der Gründungsherausgeber (1858 – 1864) der Preußischen Jahrbücher, darüber, welche Art von Artikeln er für seine neue Zeitschrift von ihm gerne erhalten würde. Dazu gehörten Beiträge über Wissenschaftsgeschichte, die praktische Anwendung von Wissenschaft und über Entwicklungen auf den neuesten wissenschaftlichen Gebieten, speziell dann, wenn sie mit übergeordneten Fragen wie dem »Bildungsleben der Nation u.s.w.u.s.w.« zu tun hätten. Haym ging davon aus, dass Helmholtz verstand, wovon er sprach, da er solcherart Beiträge bereits verfasst habe, von denen Haym einige gelesen hatte, und fuhr fort: Ich würde mich sehr glücklich schätzen, wenn ich die Jahrbücher bald einmal mit einem Aufsatz wie der über Göthe’s Stellung zu den Naturwissenschaften geziert sehen könnte. Ich kann kaum anders glauben, als dass auch Ihnen ein solches Miteingreifen der Naturwissenschaft in den sittlichen Bildungsprozess der Nation – denn darum handelt es sich bei unserer Zeitschrift – am Herzen liegen müsste. Weisen Sie die Hand, die Ihnen hier von einer Seite geboten wird, welche sonst eher geneigt ist, die Naturwissenschaften ganz zu ignorieren, nicht zurück. Helfen Sie mit, dass der Dualismus nicht noch weiter um sich greife, der in einer Zeit, wo die Philosophie machtlos geworden ist, so natürlich sich einstellt, der Dualismus der historischen u. der physischen Wissenschaften. Haym bat Helmholtz außerdem darum, ihm Namen von Kollegen aus der Naturwissenschaft zu nennen, die für die Jahrbücher schreiben könnten. Insbesondere fragte er an, ob Helmholtz ihm jemanden empfehlen könne, der für eine Biographie und Würdigung Humboldts infrage käme. Helmholtz willigte zu jenem Zeitpunkt nicht darin ein, selbst einen Artikel zu schreiben (wie er es später tun sollte), schickte Haym allerdings mehrere Namen zu. Dieser sah sich nun in einer »Allianz« mit Helmholtz, »deren Abschluss diejenige Generation erleben wird, welche sich eines freieren Staats- u. eines gesünderen Nationallebens erfreuen wird als die unsrige«.64 Statt über populärwissenschaftliche Aufsätze nachzudenken, beschäftigte sich Helmholtz, zumindest 1857, intensiv mit der wissenschaftlichen Analyse der Wasserströmung. Was er im folgenden Jahr veröffentlichte, sollte zu einem der grundlegenden Beiträge und Theoreme zur Erforschung dieses Gegenstands (und anderer physikalischer und mathematischer Phänomene) werden. Schon seit der Renaissance, aber besonders seit dem Werk von Daniel Bernoulli aus der Mitte des 18. Jahrhunderts sowie den Arbeiten einer Reihe von britischen und französischen Naturphilosophen und Ingenieuren aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, umfasste das Thema Flüssigkeitsbewegung sowohl die Hydrodynamik als auch die Hydraulik; es bezeich-
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nete also das Ideelle wie auch das Praktische, die mathematische Analyse wie auch die Gewinnung empirischer Daten und Formeln, mit oder ohne Theoriebildung. Helmholtz fügte sich nun in diese Tradition ein und stärkte sie von Neuem.65 Seine Arbeiten zur Hydrodynamik und der Ort ihrer Veröffentlichung sind zugleich überraschend und nicht überraschend. Um dies zu verstehen, muss man weit über den hochgradig mathematischen und physikalischen Gehalt seines epochalen Aufsatzes von 1858 hinausblicken und sich seiner kulturellen und persönlichen Bedeutung zuwenden. Was den nicht überraschenden Aspekt angeht, so wollte Helmholtz, wie erinnerlich, schon immer Physik betreiben. Und Mitte der 1850er-Jahre hatte er in der eigentlichen Physiologie professionell so viel erreicht, dass er sich nun mehr Zeit für rein physikalische Themen nehmen konnte. Dennoch ging sein Papier zur Hydrodynamik von 1858 – so hoch mathematisch und technisch, wie es war – aus seinen jüngsten Arbeiten zur physiologischen Akustik hervor. Allgemein begann sich seine wissenschaftliche Ausrichtung ohnehin bereits zu verschieben, und diese Publikation zeichnete ihn noch mehr als Physiker und zum ersten Mal auch als Mathematiker aus. Ebenso wichtig ist möglicherweise, dass Helmholtz sich schon immer gerne am Wasser aufhielt und von Wellenbildungen fasziniert war. Wie bereits erwähnt, liebte er es, die Flüsse, die Seen und das Meer in und um Potsdam, Berlin, Königsberg und Bonn zu betrachten; dasselbe galt später in Heidelberg für den Neckar. Auch die Flüsse Schottlands hatten ihm sehr gut gefallen. Wasser gab ihm, wie die Berge auch, das Gefühl, Teil der Natur zu sein, und hatte eine heilsame psychologische Wirkung auf ihn: Namentlich bietet das bewegte Wasser, sei es in Wasserfällen, sei es im Wogen des Meeres, das Beispiel eines Eindrucks, der einem musikalischen einigermassen ähnlich ist. Wie lange und wie oft kann man am Ufer sitzen und den anlaufenden Wogen zusehen! Ihre rhythmische Bewegung, welche doch im Einzelnen fortdauernden Wechsel zeigt, bringt ein eigenthümliches Gefühl von behaglicher Ruhe ohne Langeweile hervor, und den Eindruck eines mächtigen, aber geordneten und schon gegliederten Lebens. Wenn die See ruhig und glatt ist, kann man sich eine Weile an ihren Farben freuen, aber sie gewährt keine so dauernde Unterhaltung, als wenn sie wogt. Kleine Wellen dagegen auf kleineren Wasserflächen folgen sich zu hastig und beunruhigen mehr, als dass sie unterhalten. Und wiederum im Zusammenhang mit Wasseroberflächen und ihren mannigfaltigen Wellenformationen notierte er: »Ich muss gestehen, dass mir dieses Schauspiel, so oft ich es aufmerksam verfolgt habe, eine eigenthümliche Art intellectuellen Vergnügens gemacht hat, weil hier vor dem körperlichen Auge erschlossen ist,
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was für die Wellen des unsichtbaren Luftmeers nur das geistige Auge des Verstandes durch eine lange Reihe complicirter Schlüsse sich deutlich machen kann.«66 Ebenfalls erwähnenswert ist, dass sein Artikel von 1858 mit seinem anhaltenden, intensiven Interesse an der Musik, das heißt mit der Physik der Schallwellen, in Zusammenhang stand. Auf der anderen Seite mutet das Erscheinen dieser Schrift ziemlich überraschend an und hängt mit dem institutionellen Zustand der Bonner Physiologie zusammen. Die Baufälligkeit der ohnehin schon beengten anatomischen und physiologischen Einrichtungen in der Stadt spornte Helmholtz nämlich dazu an, sich verstärkt nichtexperimentellen, abstrakten Arbeiten zuzuwenden. Oder wie er an du Bois-Reymond schrieb: »Daher habe ich mich hier auf mathematische Arbeiten geworfen, von denen eine über Wirbelbewegung schon im Druck ist im Crelle [d. h. in der Zeitschrift], einige akustische noch restieren.« Diese hydrodynamische Schrift hat er offenbar 1857 angefertigt, denn Anfang Januar 1858 schickte er Carl Wilhelm Borchardt, dem Herausgeber des Journals für die reine und angewandte Mathematik (auch als »Crelles Journal« bekannt), die erste Hälfte seines Manuskripts. Dessen Stärke sah er in der Klärung der mathematischen Gleichungen der Hydrodynamik und in ihrer letztendlichen Anwendung zum Zwecke des Verständnisses der Wasserbewegung. Borchardt war das Manuskript sehr willkommen, weil er zum einen nicht wollte, dass sich seine Zeitschrift nur mit reiner Mathematik befasste, zum anderen aber auch, weil Helmholtz’ Beitrag die Verbindungen des Journals zu den mathematischen Wissenschaften stärken würde. Er leitete die Publikation sofort in die Wege, und Anfang Februar korrigierte Helmholtz bereits die Druckfahnen seines Beitrags – der übrigens für William Thomsons Wirbeltheorie und für die Entwicklung der Knotentheorie durch Peter Guthrie Tait und andere wegweisend werden sollte.67 Der Aufsatz erwuchs zum Teil auch aus Helmholtz’ Interesse an der physiologischen Akustik heraus, speziell aus seiner Untersuchung der Frage, wie Orgelpfeifen Klang erzeugen.68 Sein Bemühen um ein besseres theoretisches Verständnis der Orgel brachte ihn nämlich dazu, frühere Arbeiten von Daniel Bernoulli, Leonhard Euler, Joseph-Louis Lagrange und Poisson über die innere Reibung und den dämpfenden Effekt der Luft sowie damit zusammenhängende Beobachtungen von Guillaume Wertheim und Friedrich Zamminer neu zu durchdenken. Grundlegend für seine hydrodynamische Arbeit von 1858 war seine schöpferische Entlehnung von Bernhard Riemanns mathematischem Begriff der Schnittflächen. Mithilfe des Satzes von Green konzentrierte er seine Analyse auf die Bewegung von Luft in Röhren mit offenen Enden. Eine ähnliche Art von Analyse wandte er aber auch auf Flüssigkeiten und die Rolle der Reibung darin an. Seine Arbeiten über Orgelpfeifen und über Hydrodynamik zeigten, dass er die Verwendung von Differentialgleichungen und, damit einhergehend, die mathematische Physik gemeistert hatte; die herangezogenen
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wissenschaftlichen Quellen waren abwechselnd französischer, britischer und deutscher Herkunft; seine Beweisführung war mal analytisch, mal geometrisch oder auch analog (er verglich an dieser Stelle Elektromagnetismus und Kontinuumsmechanik miteinander). (Maxwell, der stets ein eifriger Leser von Helmholtz war, äußerte ganz zu Recht die Meinung, dass dessen Aufsatz eine starke physikalische Analogie zwischen Elektromagnetismus und Hydrodynamik nahelege.) Darüber hinaus hat er als führender Vertreter des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft (Energie) dieses Gesetz natürlich ebenfalls angewandt. Eigentlich nahm er eklektisch Anleihen bei allen und jedem, um eine innovative, grundlegende mathematische Theorie zum Verhalten von Flüssigkeiten im Sinne von Wirbelbewegungen zu formulieren. Er gab auch ein einfaches veranschaulichendes Beispiel, wie sich das Verhalten von Wirbelringen beobachten lässt: Man tauche einen Löffel in eine ruhige Wasseroberfläche ein und ziehe ihn schnell wieder heraus. Seine Veröffentlichung trug ihm rasche und positive Reaktionen von Mathematikern und Physikern ein, von denen mehrere (Rudolph Clebsch, Riemann, Kirchhoff und Hermann Hankel) bald schon Teile seiner Analyse verbesserten oder sie auf andere Bereiche ausweiteten. Noch in den späten 1860er-Jahren nahm Helmholtz selbst, zusammen mit Thomson, Maxwell und Tait, weitere Verbesserungen an ihr vor.69 Seine Arbeit zur Hydrodynamik wurde ebenso wegweisend wie die frühere zur Krafterhaltung; diesmal allerdings erfuhr er unmittelbare und positive Reaktionen von Physikern wie Mathematikern.
Marktwert: Baden übertrumpft Preußen Obwohl Helmholtz’ Wahl im Juli 1857 auf Preußen und nicht auf Baden fiel, stellte Heidelberg seine Versuche, ihn zu umwerben, nie gänzlich ein. Schon im Oktober gab es einen erneuten Anlauf dazu: Bunsen fing noch einmal damit an, die Möglichkeiten für einen Weggang von Helmholtz nach Heidelberg auszuloten. Dieser antwortete ihm jedoch, dass er Preußen zu viel schuldig sei, um schon so bald wegzugehen, und dass darüber hinaus du Bois-Reymond die ordentliche Professur in Heidelberg mehr verdient habe, als er (Helmholtz) die Notwendigkeit verspüre, von einer Professur auf eine andere zu wechseln. Auch im weiteren Verlauf dieses Jahres bekräftigte Baden seinen Wunsch, ihn für Heidelberg zu gewinnen, und erklärte, alles irgend Mögliche tun zu wollen, um dieses Ziel zu erreichen. Sondierungen in der Sache wurden wiederum Bunsen übertragen, der dem Ministerium auf eigene Verantwortung und um den Prozess zu beschleunigen mitteilte, dass Helmholtz interessiert sei. Anfang Februar 1858 deutete Helmholtz Kirchhoff gegenüber an, dass er eventuell tatsächlich nach Heidelberg gehen werde. Kirchhoff berichtete ihm daraufhin, dass das Anatomiegebäude zwar groß, aber in schlechtem Zustand sei und ihm wenig nützen werde. Er riet ihm, sich selbst ein Bild davon zu machen, wenn er zu Gesprächen mit den zuständigen Behörden nach Karlsruhe
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(Badens Hauptstadt) fahre. Bunsen sei jedenfalls überzeugt, so fügte er hinzu, dass Baden Helmholtz einfach »Alles« geben werde, was er wolle, solange er nur darum bitte, bevor er eine Zusage mache. Helmholtz setzte einen Besuch in Heidelberg an, und Anfang März hatte er das Angebot angenommen. Dem preußischen Kultusminister teilte er mit, er habe das Angebot Badens im Sommer des vergangenen Jahres abgelehnt, weil Preußen damals auf seine Bedingungen eingegangen sei; im weiteren Verlauf habe das Handeln des Bonner Senats ihm jedoch deutlich gemacht, dass man ihn dort in absehbarer Zeit nicht darin unterstützen werde, ein neues Institutsgebäude zu bekommen. Als Heidelberg im Oktober sein Angebot erneuerte, habe er gehofft, der Senat werde es sich noch einmal überlegen und eine wohlwollende Entscheidung treffen. Derweil hätten die schlecht ausgestatteten Räumlichkeiten in Bonn seine wissenschaftliche Tätigkeit (und die seiner Studenten) »fast ganz gehindert«, wie er sagte. Als der Senat immer noch nichts unternommen habe, sei er schließlich auf das Angebot aus Heidelberg eingegangen. Er bedauere, seine Heimat Preußen zu verlassen, sehe sich aber dazu verpflichtet, die Heidelberger Offerte anzunehmen, die ihm »die günstigsten Bedingungen« für seine »wissenschaftliche Wirksamkeit« gewähre. Heidelberg wolle, dass er im April, also zu Beginn des Sommersemesters, dort anfange, falls Preußen rechtzeitig einen Ersatz für ihn finde; andernfalls werde er erst im Herbst fortgehen. (Die Vereinbarung kam nicht zustande.)70 Die Politik vor Ort in Bonn hatte die Modernisierungspläne von Helmholtz (wenn nicht gar die von Berlin) mithin zunichte gemacht. Das Kuratorium der Universität teilte der medizinischen Fakultät mit, der Verlust »eines ausgezeichneten Mitgliedes« sei »höchst beklagenswerth«. Eine medizinische Wochenschrift wusste zu berichten, dass »Jedermann« in Bonn über seinen Weggang spreche und sich frage, was ihn wohl dazu bewogen habe, wo er doch auf eigenen Wunsch und erst vor Kurzem hergekommen sei. Es wurde spekuliert, dass Bonn seine Erwartungen nicht erfüllt habe. Auf der Bonner Naturforscherversammlung im September hatten alle gehofft, dass bald gehandelt und Bonn als Wissenschaftsstandort aufgewertet werden würde. Doch nichts geschah, und Helmholtz’ Weggang hinterließ in der Medizinergemeinde ein Gefühl der Entmutigung und Niedergeschlagenheit. Es war, wie sie sagten, »ein herber Verlust für unsere medicinische Facultät«.71 Helmholtz informierte du Bois-Reymond umgehend über seine Verhandlungen mit Baden und darüber, dass er schlussendlich das Heidelberger Angebot angenommen und Preußen um die Entlassung gebeten habe. Er fühlte sich schuldig, möglicherweise du Bois-Reymonds eigenen Hoffnungen auf ein Angebot aus Heidelberg in die Quere gekommen zu sein, machte aber auch deutlich, dass Heidelberg und nicht er die Sache wieder auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Wie er hinzufügte, lehne die Heidelberger medizinische Fakultät die »physikalische Physiologie« zwar weitgehend ab, habe jedoch ihm »die sehr zweifelhafte Ehre« zuerkannt,
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der am wenigsten physikalische der infrage kommenden Kandidaten zu sein. Was den Bonner Senat angehe, so sei er von diesem »jämmerlich betrogen« und hängen gelassen worden. Nachdem dieses »Skandalosum« in Karlsruhe bekannt geworden sei, habe ihm das dortige Ministerium die Stelle erneut angeboten, und als der Bonner Senat und das Ministerium in Berlin dem Grundstücksverkauf (im Februar) endlich zugestimmt hatten, sei es bereits zu spät gewesen: Weihnachten 1857 habe ihm das Land Baden die Stelle zum dritten Mal offeriert und ihm alles zugesichert, worum er gebeten habe, »um mir eine ungestörte Wirksamkeit zu sichern«.72 In seinem Bemühen, seine Bonner Stellung für du Bois-Reymond zu sichern, teilte er ihm mit, dass er zwei Veranstaltungen pro Semester gegeben und ein Gehalt von 1600 Talern sowie (im Vorjahr) ein Honorareinkommen (vermutlich aus studentischen Vorlesungsgebühren) von 1060 Talern sowie Prüfungsgebühren in Höhe von 100 Talern vereinnahmt und damit insgesamt also etwa 2760 Taler verdient habe. Helmholtz riet ihm, ein Angebot aus Bonn nur dann anzunehmen, wenn ihm ein neues Institutsgebäude zugesagt werde; er selbst hatte nach eigener Angabe fast seine gesamte experimentelle Arbeit bei sich zu Hause durchgeführt, während seine Studenten dafür den Hörsaal genutzt hatten. Dieser Mangel an Institutsräumlichkeiten sei, so erklärte er, der Grund dafür, warum er sich auf mathematische Themen konzentriert habe. Das Anatomieinstitut sei »ein Saustall«, Bonn selbst aber durchaus sehr anregend.73 Auf eine Nachfrage von du Bois-Reymond antwortete Helmholtz im Weiteren, dass Heidelberg ihm ein Gehalt von 3600 Gulden (2057 Taler) zahle und ihm daneben zusätzliche finanzielle Mittel bereitstelle: für einen Assistenten (300 Gulden, oder 171 Taler), einen Institutsdiener (150 Gulden, oder 86 Taler), ein Forschungsbudget (600 Gulden, oder 343 Taler) und so weiter. Zudem habe Baden ihm ein neues Institutsgebäude versprochen. Damit war sein Gehalt in Heidelberg um ein Viertel höher, als es in Bonn gewesen war (und das zweithöchste in Heidelberg überhaupt, praktisch in derselben Größenordnung angesiedelt wie das Gehalt Virchows in Berlin). Die Heidelberger Umgebung empfand er zwar als reizvoller als die Bonner, doch spielte dies für seine Entscheidung keine ausschlaggebende Rolle. Was ihn in erster Linie nach Heidelberg zog, war – wie er später ausdrücklich sagte – die Aussicht darauf, dort ein vernünftiges und gut ausgestattetes wissenschaftliches Institut zu erhalten. Zudem hatte er dort in Gestalt von Bunsen und Kirchhoff bereits gute Freunde, während er mit seinen Bonner Wissenschaftskollegen nicht recht warm geworden war. Ludwig beglückwünschte ihn zu seiner Entscheidung und freute sich besonders darüber, dass Helmholtz nicht mehr Anatomie lehren musste und »in dem herrlichen Heidelberg« leben würde. Kirchhoff war bereits auf der Suche nach einem Domizil für ihn.74 Du Bois-Reymond nahm Helmholtz’ Angebot, sich für ihn als seinen Nachfolger einzusetzen, mit einem gewissen Bedauern an; Heidelberg wäre ihm weitaus
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lieber gewesen als Bonn. Doch selbst mit der Fürsprache von Helmholtz war die Bonner medizinische Fakultät nicht wirklich an ihm interessiert. Nachdem Johannes Müller allerdings im April dieses Jahres überraschend gestorben war, rechnete du Bois-Reymond (sehr zu Recht) damit, dessen Nachfolger in Berlin zu werden.75
Selbstrechtfertigung Bonn und Preußen sahen Helmholtz’ Wechsel nach Heidelberg allerdings noch nicht als beschlossene Sache an, sondern versuchten, ihn doch noch umzustimmen. Prinz Wilhelm von Preußen persönlich brachte seine Enttäuschung über Helmholtz’ Fortgang zum Ausdruck. Er beabsichtige, nach Baden zu reisen, um ihn aus seiner dortigen Verpflichtung wieder herauszulösen und seinen Vertrag mit Preußen neu zu verhandeln. Das Ministerium schien die Sorge des Prinzen hingegen nicht zu teilen und stellte Helmholtz »als einen Undankbaren« hin. Ende Mai bat der Bonner Rektor Helmholtz darum, sich mit Ferdinand Knerck zu treffen, einem hohen Beamten des preußischen Kultusministeriums. Dieses hoffte nämlich, dass Helmholtz noch aus seinem Vertrag mit Baden entlassen werden könnte, was, wie das Ministerium Helmholtz mitteilte, »ohne Ihr Zuthun« arrangiert werden würde. Die badischen Behörden würden dies schon verstehen. Helmholtz gab nun seine Zustimmung dazu, in Bonn zu bleiben, falls Preußen Baden (aus eigener Kraft) dazu bringen sollte, ihn von seiner gegebenen Zusage wieder zu entbinden. Knerck versprach, dass Preußen mit dem Angebot aus Baden gleichziehen werde, worauf Helmholtz entgegnete, er sei an sein Versprechen gegenüber Baden gebunden, und es ablehnte, selbst zu versuchen, die Vereinbarung rückgängig zu machen. Dies erwies sich als hinreichender Anlass dazu, die diplomatischen Verhandlungen beginnen zu lassen (und sie ohne seine Beteiligung fortzusetzen). Helmholtz ging allerdings nicht davon aus, dass Baden ihn freigeben würde.76 Gleichzeitig teilte Helmholtz Baden mit, dass Preußen die Entlassung aus preußischen Diensten verzögere, um ihn dort zu halten, und seine diplomatischen Beziehungen zu Baden einsetzen wolle, um die Vereinbarung rückgängig zu machen. Er berichtete über Knercks Reise nach Bonn und über dessen Vorschläge und erklärte, dass er selbst in keiner Weise nach einem Gegenangebot strebe und auch keines in Betracht ziehen könne, da er Baden ja bereits sein Wort gegeben habe. Zwar räumte er ein, dass er als geborener Preuße und preußischer Beamter noch »mancherlei Verpflichtungen gegen ihn [den preußischen Staat]« unterliege. Doch während er behauptete, dass die Entscheidung ganz bei Baden liege, so war sein Ton doch durchgängig der einer Person, die nach Heidelberg zu gehen geplant hatte und es auch tatsächlich tun wollte. Baden antwortete, dass es Preußen über seinen Entschluss in Kenntnis gesetzt habe, Helmholtz nicht von seiner Zusage zu entbinden. Und der betrachtete sich als an Baden gebunden, solange das Land die Vereinba-
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rung nicht von sich aus aufkündigte. Seine Bitte an den preußischen Staat, ihn von seinen Diensten zu entbinden, wiederholte er noch zwei Mal.77 Du Bois-Reymond schrieb an seinen Vater: »Das Großherzogtum Baden lacht sich über Preußen kaputt.« Er schrieb auch an Helmholtz, dass diesem bei den preußischen Behörden ein wahrer »Fauxpas« unterlaufen sei (oder aber, was wahrscheinlicher ist, ein Unterhändler war einem Missverständnis aufgesessen). Vor mehreren hochrangigen Vertretern des Ministeriums nahm er ihn in Schutz, doch waren diese nach wie vor nicht überzeugt und planten, Helmholtz einen Preis für sein Handeln zahlen zu lassen. Dennoch hegten sie immer noch die Hoffnung, ihn zum nächsten Osterfest wieder in Bonn zu haben. Und obwohl du Bois-Reymond zugab, dass er enttäuscht war, den Ruf nach Heidelberg nicht erhalten zu haben, nachdem er so lange damit gerechnet hatte, ärgerte ihn doch am allermeisten, dass Helmholtz ihn nicht auf dem Laufenden gehalten hatte. Er wusste, dass nichts die Leute mehr umtrieb als ihr Neid auf Helmholtz’ »ungetrübten wissenschaftlichen Glanz«, weshalb sie nun versuchten, an seiner Person etwas Kritikwürdiges zu finden.78 Helmholtz schrieb sofort an den Minister: Er habe von dessen Verärgerung über seine Entscheidung, Preußen zu verlassen, gehört und beabsichtige, sich bei seinem nächsten Besuch in Berlin persönlich an ihn zu wenden. Dann wolle er alles erklären, was in den letzten Jahren vorgefallen war, und sich vor dem Minister verteidigen – wäre es doch beunruhigend für ihn, bei dem Minister etwas anderes als einen guten Eindruck zu hinterlassen. Was du Bois-Reymond anging, so schrieb Helmholtz einen langen Entschuldigungsbrief, in dem er erneut die Geschichte von den Verhandlungen mit Baden und Preußen erzählte – nicht zuletzt, um sich gegen Desinformation und falsche Gerüchte zu verwahren, die das preußische Ministerium nun, wie er fürchtete, in Umlauf bringen würde. Er bat du Bois-Reymond, »unsern wissenschaftlichen Freunden in Berlin« vom Inhalt seines Schreibens zu berichten. Er war sich im Unklaren darüber, welche der beiden Regierungen wohl »die Wahrheit am meisten gebogen und verdreht« habe. Seine größte Angst jedoch war die, dass alles, was geschehen war, seine Freundschaft mit du Bois-Reymond gefährdet oder dessen Karriere geschadet haben könnte. Er versicherte ihm, dass er, allen Gerüchten zum Trotz, nie die Absicht gehabt habe, mit ihm um Berlin zu konkurrieren, ein Thema, das er dem Ministerium gegenüber nicht einmal erwähnt, geschweige denn mit ihm diskutiert habe.79 Erst im Juli 1858 stand dann absolut fest, dass Helmholtz nach Heidelberg gehen würde. Er bemühte sich, seine Motive und sein Handeln sowohl vor seinem Vater als auch vor du Bois-Reymond zu rechtfertigen, und lieferte im Zuge dessen beiden Männern im Wesentlichen die gleiche Darstellung des preußischen Versuchs, die Vereinbarung rückgängig zu machen. Am Ende habe er, wie er sagte, Heidelberg den Vorzug gegenüber Bonn gegeben, weil Baden, anders als Preußen, ihm zugesichert habe, dass es alles Notwendige tun werde, um ein adäquates Umfeld für
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sein künftiges »wissenschaftliches Gedeihen« zu schaffen. Das preußische Ministerium habe sich hingegen hinterlistig und arrogant verhalten.80 Ebenfalls in jenem Monat Juli traf die Nachricht ein, dass Helmholtz zum korrespondierenden Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewählt worden war, welche ihn als »eine[n] der talentvollsten jüngeren Forscher in der sogen. physikalisch-physiologischen Schule« charakterisierte. Besonders hervorgehoben wurde, dass er sich nicht nur unter den Physiologen, sondern auch unter den Physikern, Mathematikern und anderen ausgezeichnet habe und neue wissenschaftliche Instrumente erfunden und kreativ eingesetzt habe. Den von ihm entwickelten Augenspiegel hielt die Akademie für ein Instrument von »epochemachendem Einfluß« auf die Augenheilkunde und auch in der Physiologie für bedeutungsvoll. Gegen Ende des Monats erhielt Helmholtz endlich seine Entlassung aus preußischen Diensten, zog dann ungefähr einen Monat später mit seiner Familie nach Heidelberg und verbrachte anschließend einige Tage in Karlsruhe, wo Mitte September jenes Jahres die Naturforscherversammlung stattfand. Bei dieser Gelegenheit hielt er zwei Vorträge, einen »über Nachbilder« vor der Sektion Anatomie und Physiologie und einen »über die physikalische Ursache der Harmonie und Disharmonie« vor der Sektion Physik.81 Ende September erbat Bonn noch einmal seine Meinung zu der Frage, wer dort an seine Stelle treten sollte. Helmholtz unterstützte Weber als Anwärter auf die Professur für Anatomie (die mittlerweile von der Physiologie getrennt war) und die Leitung des Anatomischen Museums, wie er es auch zuvor schon getan hatte. Was die Physiologie betraf, so war er der Meinung, dass Eduard Pflüger, ein Schüler Müllers und Assistent von du Bois-Reymond, »unter den jüngeren reinen Physiologen […] in Berlin bei weitem der talentvollste und hoffnungsreichste« und dazu ein Praktiker der physikalischen Physiologie sei. Während Pflüger die Stelle für Physiologie erhielt, bekam der 63-jährige Weber die Anatomieprofessur nicht. Sie ging stattdessen an Max Schultze, den außerordentlichen Professor für Anatomie und Prosektor in Halle. Sowohl Pflüger als auch Schultze wurden Helmholtz zu Kollegen, mit denen er freundschaftliche Kontakte unterhielt. Pflüger hatte die Bonner Professur für Physiologie das nächste halbe Jahrhundert lang inne und wurde zu einem herausragenden Physiologen seiner Generation. Mit Stolz stellte du Bois-Reymond im Spätherbst 1858 fest, wie die physikalische Physiologie viele ihrer Gegner überwunden hatte. Er selbst hatte nun den Lehrstuhl in Berlin inne, Brücke und Ludwig die Lehrstühle in Wien, Helmholtz den Lehrstuhl in Heidelberg, Pflüger (voraussichtlich) den in Bonn und Rudolf Heidenhain den in Breslau. Bei alledem herrschte, wie er Ludwig erzählte, in Berlin kein Mangel an Leuten, die die gescheiterten Verhandlungen mit Helmholtz »nicht der Ungeschicklichkeit des ministeriellen Unterhändlers, sondern der moralischen Prinzipienlosigkeit solcher Gelehrten beimessen möchten, die sich die Organismen aus mit Zentralkräften versehenen Atomen zusammengesetzt vorstellen«.82
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Die Stadt Heidelberg liegt in der Oberrheinischen Tiefebene im Südwesten Deutschlands, eingebettet in ein Tal zwischen Neckar und Königstuhl. Mitte des Jahrhunderts zählte die Stadt etwa 15 000 (größtenteils protestantische) Einwohner. Eine ihrer beiden Hauptattraktionen (und eine bedeutende europäische Sehenswürdigkeit) war das restaurierte Renaissanceschloss auf dem Hügel, der sich hinter der Stadt erhebt (siehe Abb. 9.1). Als Benjamin Silliman, ein Chemiker aus Yale, dort zu Besuch war (1851), zeigte er sich entzückt vom Heidelberger Schloss, dem schönen Ausblick von den bewaldeten Hügeln, den bestellten Feldern, dem Neckar und dem Rheintal, von der Sauberkeit der »hübschen« Stadt selbst und von dem berühmten Philosophenweg am Nordufer des Flusses, gegenüber der Universität und
Abb. 9.1: Ansicht von Heidelberg und dem Heidelberger Schloss, vermutlich um 1850. Theodor Verhas, Heidelberg von der Schloss-Terrasse, Zeichnung, Handschriftenabteilung, Universitätsbibliothek Heidelberg II, 48. Kunsthistorisches Institut der Universität Heidelberg.
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der Innenstadt. Heidelberg war besonders reizvoll für passionierte Wanderer wie Helmholtz, die Gefallen an den nahe gelegenen Hügeln, Wäldern und Flüssen hatten. Für ihn waren solche Spaziergänge sowohl körperliche Ertüchtigung wie auch eine vorzügliche Gelegenheit, über wissenschaftliche Probleme nachzudenken; angeblich kam er beim Wandern auf seine besten Einfälle und arbeitete sie dann später am Schreibtisch in ihren Einzelheiten aus. Wie bei allen Dichtern und Wissenschaftlern, so behauptete Helmholtz, kamen ihm die Ideen nicht nur beim Arbeiten, obwohl es gewiss eine notwendige Bedingung sei, sondern manchmal einfach spontan, wie aus dem Nichts – und dafür müsse man den Geist gelegentlich durch Wanderungen in einer friedlicher Umgebung erfrischen.1
Heidelberg war ein Ort nach seinem Geschmack Die andere Hauptattraktion der Stadt – und ihre wichtigste Einrichtung überhaupt – war die Universität. Mit ihrem Gründungsjahr 1386 war sie die drittälteste Universität im deutschsprachigen Raum, die allerdings in den Napoleonischen Kriegen fast zerstört worden wäre. Als das Heilige Römische Reich 1806 aufgelöst wurde, dehnte das Land Baden sein Staatsgebiet aus, und Großherzog Karl Friedrich rettete die Universität, indem er sie (ebenso wie die Freiburger Universität) für Baden beanspruchte. Er benannte sie in Ruprecht-Karls-Universität um (also nach ihrem Begründer, Ruprecht I., und sich selbst), restrukturierte und refinanzierte sie und nahm formell den Titel des Rektors an (wobei die Universität aus dem Kreis ihrer Mitglieder für jeweils ein Jahr den sogenannten Prorektor stellte). Die staatliche Federführung in den Universitätsangelegenheiten lag nun beim Innenministerium in der badischen Hauptstadt Karlsruhe. Und obwohl die Beziehungen sowohl zwischen dem Großherzog und seinen Karlsruher Beamten als auch zwischen demselben und seinen Universitäten in Heidelberg und Freiburg manchmal problematisch waren, war Karl Friedrich ihnen gegenüber doch im Grundsatz liberal eingestellt und kümmerte sich um ihre Bedürfnisse. 1856 wurde Prinz Friedrich dann zum neuen badischen Großherzog. Indem er Prinzessin Luise von Preußen heiratete, deren Vater später preußischer König und deutscher Kaiser (Wilhelm I.) werden sollte, stiftete er ein familiäres Band zwischen dem Großherzogtum und dem Staat Preußen.2 Ende der 1850er-Jahre war Heidelberg über den Rang einer Provinzuniversität hinausgewachsen und eher zu einer gesamtdeutschen Einrichtung geworden. Hier war eine große Zahl »ausländischer« Studenten aus anderen Teilen Deutschlands und auch von außerhalb immatrikuliert, besonders aus Kongresspolen und Russland. Die Zahl der »Ausländer« übertraf die der Badenser um Längen. Während Helmholtz’ Heidelberger Zeit (1858 – 1871) waren dort im Durchschnitt etwa 660 Studenten pro Semester eingeschrieben, was Heidelberg zu einer mittelgroßen
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deutschen Universität machte. Die Studentenschaft und die Universität als Ganzes übten einen entscheidenden wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss auf die Stadt aus, die sich aber trotzdem ihre für die Region typische ruhige Kleinstadtatmosphäre bewahrte.3 Zur Jahrhundertmitte stellten nach wie vor die Rechtswissenschaften die wichtigste Fakultät der Universität dar. Rund die Hälfte bis zwei Drittel der Heidelberger Studenten waren dort immatrikuliert. Zu den führenden Rechtsprofessoren jener Zeit gehörten Karl Adolf von Vangerow, Robert von Mohl und Johann Kaspar Bluntschli. Die prominentesten Vertreter der Geisteswissenschaften waren Friedrich Schlosser (Geschichte), Ludwig Häusser (Geschichte), Georg Gottfried Gervinus (Geschichte und Literaturgeschichte), Eduard Zeller (Philosophie, ab 1862), Heinrich von Treitschke (Geschichte, ab 1867). Dazu kamen Heinrich Georg Bronn (Zoologie und Paläontologie), Reinhard Blum (Mineralogie), Robert Bunsen (Chemie) und Gustav Robert Kirchhoff (Physik), und in der Medizin Friedrich Arnold (Anatomie), Wilhelm Delffs (medizinische Chemie), Nikolaus Friedreich (pathologische Anatomie) und natürlich Helmholtz (Physiologie). In den 1850er- und 60er-Jahren begründete der badische Staat mehrere neue Professuren und Institute, oft genug allerdings (vor allem, was die Medizin betraf ) gegen den Willen der jeweiligen Fakultät. In mancherlei Hinsicht war eher das Karlsruher Ministerium als eine Universitätsfakultät die dynamische Kraft, die hinter dem Wandel in Heidelberg stand. Karlsruhe besetzte viele Lehrstühle mit Auswärtigen, die oft erstklassige Wissenschaftler und Gelehrte waren, bezahlte Spitzengehälter, um sie zu gewinnen, und baute ihnen moderne Institute, in denen sie lehren und forschen konnten.4 Besonders die Berufungen von Bunsen, Kirchhoff und Helmholtz trugen dazu bei, dass die Universität zu einer der besten im deutschsprachigen Raum wurde, vielleicht ein wenig hinter den großen Universitäten Berlin, Leipzig und München, aber ungefähr gleichauf mit Bonn. Der größte Teil der Fakultät war politisch konservativ. Jedoch gab es eine beträchtliche und kein Blatt vor den Mund nehmende Minderheit, die dem Liberalismus anhing und dazu beitrug, Heidelberg den Ruf einer liberalen Hochburg zu verschaffen. Der Gegensatz zwischen diesen beiden Kräften trat zwischen 1848 und 1854 besonders deutlich zutage, als die akademische Freiheit der Universität einen Dämpfer erhielt, indem mehrere unbesoldete Privatdozenten ihre Lehrbefugnis (venia legendi) verloren. Gervinus, der zuvor in Göttingen gelehrt hatte, wo er 1837 ein Mitglied der Göttinger Sieben gewesen war, und der für seine äußerst liberalen Überzeugungen bekannt war, verlor nicht nur die Lehrberechtigung, sondern wurde sogar wegen Hochverrats angeklagt. Der Philosoph Kuno Fischer büßte seine Lehrbefugnis aufgrund seiner vermeintlich pantheistischen und spinozistischen Ansichten ein. Jacob Moleschott, ein physiologischer Chemiker, aber auch ein Philosoph und Polemiker, der in aller Öffentlichkeit Materialismus und Atheis-
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mus predigte, erhielt vorerst eine Verwarnung, dass ihn seine radikalen Ansichten in wissenschaftlichen und politischen Angelegenheiten seine Lehrerlaubnis kosten könnten. Allerdings kam er den Behörden zuvor, indem er im Jahr 1854 aus Protest seine Dozentur niederlegte. Doch trotz dieser Angriffe der Regierung auf die akademische Freiheit und des zahlenmäßigen Minderheitenstatus der Liberalen wurde Heidelberg in den 1850er- und 60er-Jahren weithin als Vorreiter des Liberalismus und Nationalismus im deutschen Universitätswesen wahrgenommen. Seine liberalen Galionsfiguren, darunter Bunsen, Kirchhoff und Helmholtz, erhoben weithin hörbar den Ruf nach der deutschen Einheit in ihrer kleindeutschen Variante (d. h. ohne die Einbeziehung Österreichs).5 In den 1850er- und 60er-Jahren machten die Medizin und die Philosophie den Rechtswissenschaften ihren Rang als führende Fakultät streitig. Eine Reihe hochkarätiger Neuberufungen in den Naturwissenschaften verhalf Heidelberg zu internationaler wissenschaftlicher Geltung. Als Helmholtz kam, um die Physiologie zu übernehmen, zählten Arnold, Friedreich, Delffs, Maximilian Josef von Chelius (Chirurgie) und Wilhelm Lange (Gynäkologie) zu den ordentlichen Professoren der Medizin. 1865 wirkte Helmholtz daran mit, Karl Otto Weber, einen alten Freund und Kollegen aus Bonn, für die ordentliche Professur für Chirurgie (zu der auch die Augenheilkunde immer noch gehörte) zu gewinnen. Doch selbst als sich die Qualität der medizinischen Fakultät verbesserte, ging die Zahl der eingeschriebenen Studenten zurück.6 In Heidelberg hatten, wie anderenorts auch, die Naturwissenschaften traditionell eine der Medizin untergeordnete Rolle gespielt; in erster Linie dienten sie dazu, die Medizinstudenten in den Grundlagenwissenschaften zu unterrichten. Dies änderte sich nach den Revolutionen von 1848, als das Land Baden – in der Hoffnung, die als eine Quelle sozialer Unruhe erkannten Hungersnöte verhindern oder zumindest abmildern zu können – die wegweisende politische Entscheidung traf, die Naturwissenschaften als Mittel zur Entwicklung seines beträchtlichen landwirtschaftlichen und seines bisher unbedeutenden industriellen Sektors stärker zu fördern. Es reformierte die Medizin in Heidelberg und war darum bemüht, sich in kulturellen Angelegenheiten künftig mit Preußen und anderen deutschen Staaten messen zu können. Dazu musste das Land erstklassige Wissenschaftler gewinnen und sie mit den institutionellen und finanziellen Mitteln ausstatten, die sie für ihre Forschung benötigten.7 Die Berufungen von Bunsen in der Chemie, von Kirchhoff in der Physik und von Helmholtz in der Physiologie dienten genau diesen Zielen. Bunsen, ein anorganischer Chemiker, kam als neuer Ordinarius für Chemie 1852 aus Breslau. Baden machte ihn (nach Vangerow) zum zweithöchstbezahlten Professor in Heidelberg und baute ihm ein völlig neues chemisches Institut. Als es 1855 seine Pforten öffnete, war es das modernste in ganz Deutschland. Bunsen war ein hervorragender
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Lehrer, der viele Studienanfänger anlockte, hatte aber nur wenige fortgeschrittene Studenten oder Assistenten. Allerdings zog er eine ganze Reihe von englischen Studenten oder Kollegen an, darunter Henry Enfield Roscoe und John Tyndall, die kamen, um bei ihm zu studieren oder mit ihm zu arbeiten. Damit trug er dazu bei, freundschaftliche Beziehungen zwischen Heidelberger und britischen Wissenschaftskreisen zu stiften.8 Kirchhoff, ein Spezialist für Mechanik und Elektromagnetismus, verkörperte exemplarisch einen neuen Typus von Physiker – den theoretischen Physiker –, der in Deutschland eben im Entstehen begriffen war. Vor allem Bunsens Bemühungen war es zu verdanken, dass Baden ihn 1854 als neuen Ordinarius für Physik nach Heidelberg holte. Kirchhoffs zwanzigjährige Anstellung dort erwies sich als die kreativste Zeit in seiner Karriere. Zwischen 1859 und 1862 arbeitete er gemeinsam mit Bunsen an der Entdeckung und Entwicklung des neuen Gebiets der Spektralanalyse. Im Jahr 1859 erklärte Kirchhoff die Fraunhofer’schen (oder dunklen) Linien im Sonnenspektrum und entwickelte damit eine Methode zum Verständnis der chemischen Zusammensetzung sowohl himmlischer als auch irdischer Phänomene. In den folgenden drei Jahren nutzte Bunsen die Spektralanalyse zur Entdeckung zweier neuer Elemente (Cäsium und Rubidium).9 Mit dieser Forschung legten Bunsen und Kirchhoff faktisch den Grundstein für eine neue wissenschaftliche Disziplin, die zunächst unter den Bezeichnungen »Himmelschemie«, »Sonnenchemie«, »die neue Astronomie« oder »physikalische Astronomie« und schließlich als »Astrophysik« bekannt wurde. Helmholtz hielt die Spektralanalyse für die »glänzendste Entdeckung der letzten Jahre«, obgleich nicht alle darin übereinstimmten, dass sie tatsächlich die Entdeckung von Bunsen und Kirchhoff gewesen war. Als er Thomson von Kirchhoffs Forschungen über das Sonnenspektrum berichtete, entgegnete jener, dass er gerade über die bekannten Bestandteile (abgesehen von Natrium) der Sonnenatmosphäre gelehrt habe und den Teilnehmern seiner Veranstaltung die entsprechenden Passagen über das Natrium aus Helmholtz’ Brief laut vorgetragen habe. Für seinen Freund Stokes beanspruchte er die Priorität gegenüber Kirchhoff. Doch Thomsons in Stokes’ Namen vorgebrachter Anspruch überzeugte nicht einmal diesen selbst. Stokes nämlich fand, dass Thomson voreilige Schlüsse gezogen habe, die er selbst nie vertreten habe. Bunsens und Kirchhoffs Arbeit hat jedenfalls, nimmt man noch das von Letzterem später entwickelte Strahlungsgesetz hinzu, den internationalen Ruf Heidelbergs (und ihren eigenen) enorm verbessert. Helmholtz nahm an, dass es wahrscheinlich kein Zufall gewesen sei, dass die Spektralanalyse ausgerechnet in Heidelberg erdacht worden war. Zusammen mit Helmholtz verschafften Bunsen und Kirchhoff der Stadt die Phase ihres größten Ruhms und erlaubten es ihr, sich mit den Wissenschaften zu schmücken.10 Die Aufwertung von Naturwissenschaften und Medizin in Heidelberg zeigte sich auch an der Gründung (Oktober 1856) des Naturhistorisch-medicinischen Ver-
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eins, in dem sich ortsansässige ordentliche Professoren der Naturwissenschaften und praktizierende Ärzte zusammenschlossen. Der Verein diente als ein kulturelles Forum für die lokalen Größen aus Medizin und Wissenschaft, die hier zu einer Vielzahl von Themen Vorträge hielten, die später im vereinseigenen Publikationsorgan, den Verhandlungen des naturhistorisch-medicinischen Vereins zu Heidelberg, veröffentlicht wurden. Helmholtz trat dem Verein bei, sobald er in Heidelberg ankam, und wurde ein regelmäßiger und sehr aktiver Teilnehmer an dessen zweiwöchentlichen freitäglichen Sitzungen. Er hielt dort mehrmals im Jahr Vorträge, insgesamt etwa 30 Stück. Im Dezember 1858 wurde er zum Vorsitzenden gewählt, ein Amt, das er bis zu seinem Fortgang aus Heidelberg innehatte. Der Verein war Helmholtz sowohl in beruflicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht dienlich, denn er nutzte ihn als Bühne, um einige seiner neuen, noch unfertigen Ideen oder Ergebnisse auf den Prüfstand zu stellen. Ihm gefiel hier besonders die breite Ausrichtung; später stellte er fest, dass ähnlichen Vereinen in Berlin eine vergleichbare Funktion fehlte. Der Heidelberger Verein hielt seine Mitglieder über die neuesten Entwicklungen in den Naturwissenschaften auf dem Laufenden.11 Stadt und Universität waren eng verbunden und verstärkten ihre Attraktivität gegenseitig. In der Mitte seiner Karriere verschaffte Heidelberg Helmholtz damit jenes friedliche und dennoch anregende Umfeld, das Potsdam ihm einmal gegeben hatte. Er hatte allen Grund zu bleiben, obgleich er die musikalische Szene der Stadt für wenig beeindruckend und der Bonner sicher nicht ebenbürtig hielt. An Ostern 1859 versuchte Rudolph Wagner, ihn zu seinem Nachfolger in Göttingen zu machen; er dachte, wenn er Helmholtz (und Rudolf Leuckart) bekäme, würde Göttingen in ganz Deutschland führend in der Physiologie, Zoologie und vergleichenden Anatomie werden. Von seinem Krankenbett aus nahm er Verhandlungen mit Helmholtz auf und überzeugte die Vertreter der Universität davon, ihm ein offizielles Angebot zu machen. Doch Helmholtz lehnte es rasch ab. Trotzdem machte die Physikalische Klasse der Königlichen Sozietät der Wissenschaften zu Göttingen ihn, der »als Physiologe unbestritten zu den vorzuglichsten Vertretern dieses Faches in Deutschland« gehörte, Ende 1859 zu ihrem korrespondierenden Mitglied. Und wie die Ernennung zum Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft von Halle im Vorjahr war auch diese Ernennung für Helmholtz ein nützliches Element zum Ausbau seiner Karriere.12
Ein altes Institut und ein junger Assistent Obwohl Helmholtz von seinen Kollegen in Heidelberg viel herzlicher aufgenommen wurde als in Bonn, behandelte ihn Baden in gewisser Hinsicht kaum anders, als es Preußen getan hatte: Er musste lange (nämlich fünf Jahre) warten, bis er sein versprochenes neues Institut bekam – was auch bedeutete, dass er fernab von seinen Arbeitsräumen Wohnung nahm. Im Herbst 1858 bezog er mit Olga, ihren Kin-
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dern Käthe und Richard und seiner Schwägerin Betty Johannes eine Wohnung in einem neuen, dreistöckigen Gebäude an der Hauptpromenade der Stadt. Olgas Gesundheitszustand blieb labil: Die Schmerzen in Brust und Hals ließen zwar zeitweilig nach, sodass sie mit Hermann »in den wundervollen Bergen« umherspazieren konnte, aber sie war weiterhin bei schlechter Gesundheit und führte ein eingeschränktes gesellschaftliches Leben.13 Helmholtz’ Institut befand sich in einem dreistöckigen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, dem »Haus zum Riesen« an der Heidelberger Hauptstraße, fast direkt gegenüber von Bunsens Chemiegebäude. Es beherbergte die Institute (oder eher »Kabinette«) für Anatomie, Physiologie, Zoologie und Physik. Sein Institut für Physiologie befand sich unten und Kirchhoffs physikalisches Institut im Stockwerk darüber. Bunsen, Kirchhoff und Helmholtz kamen so in engen, täglichen Kontakt miteinander. Über die nächsten fünf Jahre hinweg blieb Helmholtz’ Institut jedoch ein Provisorium: Seine Räumlichkeiten bestanden aus einem Hörsaal, der auch als Laboratorium sowie als Instrumentenlager und Arbeitsraum diente, einem kleinen Raum für chemische Arbeiten, zwei kleinen Kabinetten zur Verwahrung von Tieren, weitere Unterbringungsmöglichkeiten für Hunde und andere Tiere sowie zwei Bassins für Frösche. Sein Jahresbudget betrug 1050 Gulden (600 Taler). Zusammen mit seinem Gehalt von 3600 Gulden (2057 Taler) kostete die Unterhaltung des Instituts insgesamt jährlich 4250 Gulden (2429 Taler). Dieses Budget ermöglichte es Helmholtz, zumindest einige neue Gerätschaften anzuschaffen, so etwa die optischen Apparate und Instrumente, die er bei Karl Steinheil in München bestellte.14 Trotzdem waren die begrenzten Räumlichkeiten nicht viel besser als diejenigen, die er in Bonn gehabt hatte; auch hier waren in den kommenden fünf Jahren die beengten Laborverhältnisse mit entscheidend bei der Festlegung seiner Forschungsagenda. Im Januar 1859 reichte Helmholtz, nachdem er Einblick in die Institutssituation in Heidelberg gewonnen hatte, seine eigenen Pläne für ein neues Institut ein. Auf Basis der neuen Anforderungen, die im Land Baden für die Medizinerausbildung galten, nahm sein Institut pro Semester etwa 30 angehende Mediziner zum Laborstudium an. Seine Pläne sahen unter anderem ein Auditorium, ein Studentenlabor, einen kleineren Raum für eine begrenzte Zahl von Studenten, die dort physikalische Arbeiten an Präzisionsinstrumenten durchführen sollten, ein Büro und einen Arbeitsraum für den Institutsdirektor, Wohnräume für den Assistenten und für einen verheirateten Hauswart und, wie er hoffte, auch eine Direktorenwohnung vor. Für Letztere wollte er gerne auch Miete zahlen, wie er anbot, denn eine solche Wohnung würde es ihm sehr erleichtern, seine Arbeit zu tun.15 Dann wartete er ab, wie Karlsruhe auf seine Pläne und die der verwandten Wissenschaften in Heidelberg reagieren würde. Helmholtz benötigte einen Assistenten, der ihm bei der Leitung des Instituts helfen sollte. Etwa ein Jahr zuvor, im Februar 1858, hatte er bei seinem Besuch in
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Heidelberg, während er noch über die Offerte aus Baden nachdachte, bereits einen jungen Physiologen namens Wilhelm Wundt kennengelernt, der mit der Bitte an ihn herantrat, sein Assistent zu werden. Wundt war Heidelberg eng verbunden: Er hatte dort wie auch in Tübingen Medizin studiert, in Bunsens Laboratorium geforscht und war zudem der Neffe von Friedrich Arnold. 1856 hatte er sich dazu entschlossen, sich der physiologischen Forschung zu widmen, und ging daher nach Berlin, um mit Müller und du Bois-Reymond zu arbeiten. Ein Jahr später habilitierte er sich in Heidelberg, wo er Vorlesungen zur experimentellen Physiologie anbot.16 Wundt machte auf Helmholtz einen guten ersten Eindruck, ebenso wie sein Buch über die Muskelbewegung. Helmholtz erachtete ihn für »ganz vernünftig und talentvoll«, wollte aber, bevor er ihn einstellte, noch du Bois-Reymonds Meinung einholen. Dieser beurteilte Wundt sehr positiv, sah aber auch Defizite bei seinen Fähigkeiten als Experimentator und sagte, er würde ihn nur »faute de mieux« einstellen, da Wundts Talente seine eigenen nicht ergänzten. Das solle Helmholtz jedoch nicht zurückhalten, »da Du überall zu Hause bist«. Helmholtz bedauerte, dass er Wundt nur ein Gehalt von 300 Gulden (ca. 171 Taler) pro Jahr anbieten konnte – gerade einmal ein Zwölftel seines eigenen Gehalts. Immerhin stellte er ihm in Aussicht, die Ausstattung des Instituts für seine eigene Forschung nutzen zu dürfen. Wundts Hauptaufgabe sollte es nach Helmholtz’ Vorstellungen sein, die physiologischen Übungen der Studenten zu betreuen; dies erfordere einen Zeitaufwand von zwei bis drei Stunden pro Woche. Außerdem müsse er täglich anwesend sein, um die Studenten zu beraten oder diejenigen zu beaufsichtigen, die das Labor benutzen wollten. Helmholtz stellte sich vor, dass Wundt wahrscheinlich den größten Teil seiner Laborzeit für seine eigenen Zwecke werde nutzen können. Er selbst werde nur gelegentlich ins Labor kommen, um mit den Studenten zu sprechen, und auch nur gelegentlich im Rahmen von Vorlesungen auf die Hilfe Wundts zu Demonstrationszwecken zurückgreifen müssen. Wundt müsse nicht einmal an seinen Vorlesungen teilnehmen – wobei Helmholtz hoffte, dass Wundt die Vorlesungen über mikroskopische Anatomie halten würde, »weil dadurch die Wirksamkeit im Laboratorium sehr erleichtert würde«, und offenherzig hinzufügte: »Ich selbst möchte diese Vorträge nicht gern selbst übernehmen, weil ich bei längerem Mikroskopieren leicht Kopfschmerzen bekomme, und deshalb nicht so genau bekannt mit allen Spezialitäten der Histologie bin, wie es nötig ist, um ein Kolleg darüber zu lesen.« Falls Wundt bereit wäre, die Stellung unter diesen Bedingungen anzutreten, würde Helmholtz ihn den zuständigen Stellen vorschlagen.17 Wundt akzeptierte. Im Oktober 1858 trat er seine Stelle an und blieb bis März 1865 Helmholtz’ Assistent. Beide teilten zwar diverse Forschungsinteressen (besonders in Sachen Nerven- und Sinnesphysiologie), wurden aber nie zu echten Kollegen, geschweige denn zu Freunden; Wundt war in ihrer Beziehung ganz eindeutig der Juniorpartner, und obwohl Helmholtz ihn freundlich und respektvoll behandelte, wurde ihr Verhält-
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nis nie eng oder herzlich. Wundt hegte zwar große Bewunderung für Helmholtz, aber es kam unter den beiden dennoch nur selten, wenn überhaupt, zu substanziellen wissenschaftlichen Diskussionen. Das lag nach Wundts Aussage nicht zuletzt daran, dass Helmholtz so wortkarg war und mit ihm nicht darüber sprach, woran er gerade arbeitete. Außerdem fehlte Wundt, wie um das Urteil von du Bois-Reymond zu bestätigen, genau jene Art von experimentellen Fähigkeiten in der Mikroskopie, die Helmholtz in einem Assistenten suchte. Was er brauchte, war jemand, der die Flut von Medizinstudenten anleiten und beaufsichtigen konnte, die ein Semester lang Übungen in einem physiologischen Labor absolvieren mussten, um zum medizinischen Staatsexamen zugelassen zu werden. Helmholtz’ »Assistent« zu sein, bedeutete daher vor allem eines: die Betreuung der Studenten im Labor.18 Helmholtz gab nur einen Kurs – Physiologie –, den alle Medizinstudenten belegen mussten. Er und Wundt sahen sich mit Blick auf die Laborsituation im ersten Semester mit erheblichen Problemen konfrontiert, besonders weil es »ein nur mäßig ausreichendes Lokal« war und die Instrumentensammlung ebenfalls »noch sehr mäßig« ausfiel. Selbst mit Wundts Unterstützung empfand Helmholtz die Beanspruchung durch die Medizinstudenten noch als belastend. Es waren 26, von denen jeder eine Prüfung ablegen musste (wobei Helmholtz hoffte, dass sie nicht übereifrig sein würden, dies zu tun). Daneben gab es noch drei Studenten, die an »reiner Wissenschaft« interessiert waren. Helmholtz glaubte, dieses erste Semester werde sein schlimmstes sein. Die Heidelberger Studenten hielt er für besonders schlecht in Mathematik und auch für desinteressiert daran. Dies führte er auf Hegels schlechten Einfluss zurück, den dieser in seiner Heidelberger Zeit (1816 – 1818) ausgeübt habe!19 Auf der anderen Seite vermochten es Helmholtz’ großes Ansehen in ganz Europa und Heidelbergs angenehme Lage im Verbund miteinander, einige graduierte Studenten anzuziehen, was ihm im fernen Königsberg oder während seines kurzen Gastspiels in Bonn nicht gelungen war. So konnte er den Physiologen Hugo Kronecker, den Augenarzt Hermann Knapp, den Physiologen Gustav von Piotrowski und den Histologen (und künftigen Vorreiter beim Einsatz der Photographie in der biologischen Forschung) Gustav Fritsch nach Heidelberg locken. Allerdings studierten nur die allerwenigsten davon ausschließlich bei ihm. Fast alle hatten zuvor mit anderen Größen des Fachs zusammengearbeitet, so etwa mit Ludwig, du Bois-Reymond und Brücke, oder sollten dies später tun; einige kamen auch nach Heidelberg, um dort mit Bunsen oder Kirchhoff zu arbeiten. Den meisten dürfte es nicht darum gegangen sein, Helmholtz bei seinen Vorlesungen zu hören, sondern der Wert des Kontakts zu ihm lag in der Gelegenheit, direkten und persönlichen Rat zu erhalten und sich von dem Beispiel, das er als Forscher gab, inspirieren zu lassen. Außerdem konnte er ihnen bei der Publikation ihrer Arbeiten behilflich sein, denn nach Müllers Tod im Jahr 1858 übernahm du Bois-Reymond die Herausgeberschaft des Archivs für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medizin. In dieser Funktion bat
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er ausdrücklich darum, dass Helmholtz und seine Studenten ihm ihre Manuskripte zusenden sollten, und versicherte, dass es keine Schwierigkeiten machen werde, diese zu veröffentlichen.20 Um die Mitte des Jahrhunderts wurde Heidelberg zu einem regelrechten Mekka für russische Studenten der Naturwissenschaften. Viele von ihnen studierten bei einem oder allen drei Angehörigen des Trios Bunsen, Kirchhoff und Helmholtz. Dazu gehörten der Augenarzt Eduard Andrejewitsch Junge, der Pharmakologe I. M. Dogel und der Moskauer Physiker Constantin Raczinski. Junge, der gekommen war, um ophthalmologische Forschung zum Blutdruck im Auge zu betreiben, war für die Unterstützung und Anleitung durch Helmholtz besonders dankbar. Iwan Michailowitsch Setschenow war einer von Helmholtz’ ersten und fortgeschritteneren russischen Studenten; später wurde er zu dem führenden russischen Physiologen, der vor allem für seine Arbeiten über Reflexe und zur Neurologie bekannt war. Nachdem er bereits mit Müller, Magnus, du Bois-Reymond und anderen in Berlin sowie mit Ludwig in Leipzig zusammengearbeitet hatte, kam er 1859 für sechs Monate zu Helmholtz und Bunsen. Helmholtz hielt er für »einen so großen Physiologen in den Augen der ganzen Welt«, dass er »mit großer Ängstlichkeit [zu ihm] ging und den ganzen Verlauf des Gesprächs bereits in meinem Kopf erwog«. Er schlug seinerseits vier Forschungsthemen vor, von denen Helmholtz eines absegnete (über die Fluoreszenz brechender Medien im Auge). Helmholtz ließ ihn in seinem Labor arbeiten und vermittelte ihm den Kontakt auch mit Bunsen. Setschenow fühlte sich in wissenschaftlicher Hinsicht allerdings so schlecht vorbereitet, dass es ihm nicht gelang, sich Helmholtz zu nähern, und er »blieb in seiner Gegenwart immer still«. Er nahm ihn als eine »ruhige Gestalt mit nachdenklichen Augen« wahr, »die eine gewisse Ruhe atmete, so als sei er nicht von dieser Welt«. Und obwohl er nur wenig direkt mit Helmholtz zu tun hatte, erfuhr er (von Ludwig) zu seiner Überraschung, dass Helmholtz sich zufrieden über ihn geäußert hatte.21
Von Luftschwingungen und Vokalen Zwischen 1842 und 1859 veröffentlichte Helmholtz nicht weniger als 63 Artikel; allein in quantitativer Hinsicht wäre dies für jeden Wissenschaftler bereits eine herausragende, für eine ganze Karriere genügende Forschungsleistung gewesen. Doch Helmholtz war erst 38 Jahre alt, und seine besten, produktivsten Jahre lagen noch vor ihm. Mitte der 1850er-Jahre war zwar die Sinnesphysiologie zu seinem Hauptforschungsgebiet geworden – wie es die Veröffentlichungen der ersten beiden Teile (1856 und 1860) des Handbuchs und seine Befunde über die Kombinationstöne zeigen –, aber er hatte auch bereits sein erstes wichtiges Werk zur Hydrodynamik veröffentlicht und plante den dritten und letzten Teil (1866) des Handbuchs sowie einen Band über die physiologischen Grundlagen der Musik (1863). All dies gelang
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ihm trotz des Wechsels von Bonn nach Heidelberg und seiner täglichen Sorge um Olgas angeschlagene Gesundheit. Es war dieser größere Forschungsrahmen, der seine relativ randständigen Studien über Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden und über Vokale prägte. Im März 1859 beschloss Borchardt, der Herausgeber des Journals für reine und angewandte Mathematik, sofort nachdem er das Manuskript erhalten hatte, Helmholtz’ Theorie jener Luftschwingungen zu veröffentlichen; er hielt sie für einen »umfangreichen und werthvollen Beitrag zum Journal« und beabsichtigte, sie zum Leitartikel der nächsten Ausgabe zu machen. Gleichzeitig legte Helmholtz den Heidelberger Jahrbüchern der Literatur auch eine kürzere Fassung dieses Manuskripts vor.22 Schließlich war seine Theorie von potenziellem Interesse nicht nur für Studenten der Mathematik und der Physik, sondern auch für Studenten der schönen Künste. Daneben war Helmholtz damit beschäftigt, zwei außergewöhnliche Vorträge vorzubereiten und zu halten. Der eine fand im Karlsruher Museumssaal statt und war Teil einer vom Großherzog von Baden ins Leben gerufenen Vortragsreihe. Sein Thema waren musikalische Töne und Tonempfindungen; wahrscheinlich handelte es sich um eine überarbeitete Version eines Vortrags über nahezu denselben Gegenstand, den Helmholtz 1857 gehalten hatte. Der andere befasste sich mit den klanglichen Eigenschaften von Vokalen. Diesen Vortrag hielt er in München, und zwar anlässlich seiner Ernennung zum korrespondierenden Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Jahre 1858, die damals gleichzeitig auch ihr einhundertjähriges Bestehen feierte. Sogar Ludwig I. erschien zur Eröffnungssitzung, in der Folge ließ er sich dann durch Prinz Luitpold vertreten. Helmholtz schloss sich für die Feierlichkeiten einer Gesellschaft von fast hundert Akademiemitgliedern an. Während seines Aufenthalts in München machte er sich allerdings Sorgen um die Gesundheit von Käthe und Olga und fürchtete, dass Käthes aktuelle Erkrankung Olgas eigene Gesundheit noch weiter beeinträchtigen würde.23 Als es beiden besser ging, beschloss er, seinen Aufenthalt in München zu verlängern, und sah sich Die Brüder von Terenz an. Außerdem besuchte er zusammen mit Wilhelm Eisenlohr, Professor für Physik am Karlsruher Polytechnikum, und Philip von Jolly, Physikprofessor in München, das Atelier von Wilhelm von Kaulbach. Sie trafen ihn inmitten der Arbeit an seiner Schlacht bei Salamis an – einer frühen Version, die er anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Akademie ausstellte. Helmholtz hielt Kaulbach für einen recht talentierten Künstler mit einem breit gefächerten Interesse an allem, was mit Kunst zu tun hatte. Jolly lud Helmholtz zu sich nach Hause zum Abendessen ein, und auf dem Weg dorthin sahen sie sich noch Ferdinand von Millers Bavaria-Statue an. Am nächsten Morgen tauchte Ludwig I. nach einem »Gottesdienst mit einer ganz wackeren Predigt in der protestantischen Kirche« erneut auf, dieses Mal, um einige Akademiemitglieder, darunter Helmholtz, persönlich kennenzulernen. »Dieser Kerl ist eine reine Carricatur«, schrieb er Olga,
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und zeichnete ein wenig schmeichelhaftes Bild von Kleidung, Gesicht und Gang des Monarchen und seiner bevorstehenden Hochzeit mit einer Siebzehnjährigen. Ludwig seinerseits hielt Helmholtz irrtümlich für einen Niederländer – möglicherweise trug dieser bei dem Zusammentreffen den Orden (das Ritterkreuz des Ordens vom Niederländischen Löwen), den ihm die Niederländer im Jahr zuvor für seine Erfindung des Ophthalmoskops verliehen hatten. Im Anschluss hielt ein Orientalist eine Rede über die Geschichte der Akademie, die so voller wütender Attacken gegen die Jesuiten war, dass Helmholtz seinen Ohren kaum traute. Ein wenig Entspannung dürfte ihm zumindest das bayerische Bier verschafft haben, über das er sich lobend äußerte: Es sei »bei weitem« besser als das ausländische. Mit Christian F. Schönbein, Professor für Chemie und Physik in Basel, Theodor Bischoff, Liebig und Kaulbach verbrachte er eine »sehr amüsant[e]« Zeit und besuchte gemeinsam mit Eisenlohr die optische Werkstätte von Steinheil. Später nahm Helmholtz mit König Maximilian II. das Abendessen ein, »dem eine sehr lange und ausführliche Vorstellung vorausging«. Dieser war freundlich und sprachgewandt, hatte aber offensichtlich die »schlechte Ernährung« seines Vaters (Ludwig I.) geerbt. Der König hoffte, Helmholtz könne ihm einen Einblick in die Architektur des Auditoriums verschaffen, doch Helmholtz hatte in dieser Hinsicht nur wenig anzubieten. Im Anschluss ging er noch ins Theater, wo er sich eine Inszenierung von Sophokles’ Ödipus auf Kolonus mit Musik von Felix Mendelssohn zu Gemüte führte. Die Musik fand er hier indes weniger fließend als das, was er in einer neueren Inszenierung von Sophokles’ Antigone gehört hatte. Am nächsten Abend wurde im Rathaus ein Festmahl gegeben. Der König war anwesend, und eine erlesene Gruppe Münchner Gelehrter umgab ihn bei Tisch. Der König richtete einige Fragen an den ein oder anderen von ihnen, was prompt zu einer Reihe von Kurzvorlesungen führte: Der Ägyptologe Richard Lepsius sprach über Ägypten, Liebig über die »Unnahrhaftigkeit des Bieres« und Helmholtz über Klangfarben.24 Einige Tage später trug er vor der Akademie seinen Beitrag über die »Klangfarbe der Vocale« vor. Wie Brücke und Donders hatte sich nämlich auch Helmholtz seit geraumer Zeit mit der Entstehung menschlicher Sprachlaute beschäftigt. Indem er auf seinen Befunden zu den Kombinationstönen aufbaute und stets streng unterschied zwischen den Empfindungen, die im Ohr über die Nerven erfahren würden, und ihrer zeichenhaften Gestalt, die der Geist hervorbringe, definierte er den Ton als »die einfache Empfindung, wie sie durch eine einfache pendelartige Luftbewegung hervorgebracht wird«. Das Ohr arbeite dabei wie ein harmonischer Analysator (ein mechanisches Messinstrument zur Durchführung einer harmonischen Analyse). Bei dieser Gelegenheit sowie in einer späteren Arbeit für den Heidelberger Naturhistorisch-medicinischen Verein untersuchte er die Vokale der menschlichen Sprache mithilfe von Stimmgabeln und speziell angefertigten Glasresonatoren, wie sie zur Unterscheidung zwischen Kombinationstönen und Ober-
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tönen verwendet werden. Den Mund verstand er in diesem Zusammenhang als einen Hohlraum, der wie ein variabler Resonator funktioniere. Magnus für seinen Teil war von Helmholtz’ Studie sehr beeindruckt und beabsichtigte, ihn in Heidelberg zu besuchen, um sich seine Maschine zur Erzeugung von Vokallauten anzusehen.25
Olgas Tod: Verlust, Trauer, Depression und Arbeit Im Frühjahr 1859 lud Thomson Helmholtz zur Teilnahme am Treffen der BAAS im September in Aberdeen ein. Um ihn herzulocken, bot er ihm ein privates Quartier bei einem Verwandten an, wies ihn darauf hin, dass Königin Victoria und Prinzgemahl Albert anwesend sein würden (wobei der Prinz als Präsident der BAAS fungierte), und lud ihn privat auf die Isle of Arran ein. Thomson hatte Helmholtz »lange Zeit« nicht gesehen, und sie hatten viel zu besprechen. Er hatte zwischenzeitlich Helmholtz’ Arbeit über die Wirbelbewegung in Flüssigkeiten »mit großem Interesse« studiert und Fortschritte bei der Verbesserung der Widerstandsnormale und bei seinen See- und Landgalvanometern gemacht.26 Helmholtz hatte allerdings gleich mehrere Gründe dafür, eine positive Antwort an Thomson hinauszuzögern. Zum einen lag sein Vater im Sterben. Er reiste über Nacht nach Potsdam – und bezahlte dafür mit Kopfschmerzen und Nasenbluten – und traf dennoch erst einige Stunden nach dessen Ableben am frühen Morgen des 4. Juni 1859 vor Ort ein. (Seine beiden Eltern starben an dem, was er »Gehirnerweichung« nannte.) Verwandte und alte Freunde, darunter Betty Johannes und Wilhelm Puhlmann, sprachen ihm ihr Beileid aus. Die Familie Wilkens lud die Helmholtz-Kinder (Hermann, Marie, Julie und Otto) zum Mittagessen ein, und danach unternahmen die vier Geschwister einen Spaziergang durch Sanssouci. Hermann bot Julie, die mit dem Vater in Potsdam gelebt hatte, an, künftig bei ihm in Heidelberg zu wohnen. (Sie war nicht mittellos, da Ferdinand seinen vier Kindern ein Gesamtvermögen von 3566 Talern hinterließ.) Vor der Rückkehr nach Heidelberg wollte Helmholtz noch für je einen Tag Dahlem und Berlin besuchen und unterwegs eine Zwischenübernachtung in Frankfurt an der Oder einlegen, um weitere Migräneanfälle zu vermeiden. Er bat Olga, Wundt mitzuteilen, dass er seine Vorlesungen in etwa zwei Wochen wieder aufnehmen werde und Wundt in der Zwischenzeit die Laborarbeiten weiter beaufsichtigen solle.27 Die Nachricht von Ferdinands Tod erschütterte Immanuel Herrmann Fichte sehr und erfüllte ihn mit Bedauern darüber, dass er seinen alten und liebsten Freund nie wiedergesehen hatte, seit er als junger Mann aus Berlin fortgegangen war. So beschloss er, nun zumindest den Sohn, den er nie kennengelernt hatte, in Heidelberg zu besuchen. Als er dort eintraf, erfuhr er allerdings, dass Helmholtz noch nicht aus Potsdam zurückgekehrt war. Er hinterließ ihm ein Kondolenzschreiben, das er an den »glücklichen Sohne eines weniger glücklichen Vaters« adressier-
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te, und erklärte es für dessen »Sohnespflicht, ihm ein Denkmal zu stiften«, indem er Ferdinands gesammelte Aufsätze herausgab und veröffentlichte. Denn, wie Fichte an Hermanns Adresse gerichtet fortfuhr: »Ihr eigener berühmter Name macht Ihnen dies leicht, und das Gefühl, daß Sie glänzend erreicht haben, was Ihrem Vater bei tiefer Gelehrsamkeit und nicht geringen Geistesanlagen, gehindert durch einen kränklichen Körper und eine aufreibende Berufsbeschäftigung nicht vollständig gelang, wird Ihnen, neben Ihrer Sohnespietät, dies als eine heilige Pflicht erscheinen lassen.« Helmholtz hat allerdings nichts dergleichen getan. Neun Monate später aber, Mitte April 1860, besuchte er Fichte in Tübingen. Diesem gefiel sein »klar verständiges Wesen«, und er bat ihn erneut, einen Band mit den Aufsätzen Ferdinands herauszugeben, doch Helmholtz lehnte erneut ab.28 Dies war ihre erste und letzte Begegnung. An eine Reise nach Schottland in jenem Herbst war für Helmholtz auch aufgrund des Kriegsausbruchs in Europa, genauer der Kämpfe um die italienische Unabhängigkeit, die das deutsche Nationalempfinden ebenfalls neu entfachten, nicht zu denken. Im Frühjahr 1859 entbrannte der Krieg zwischen Österreich auf der einen und Frankreich und Italien auf der anderen Seite um die Herrschaft über das Königreich Lombardo-Venetien, das gemäß den Vereinbarungen des Wiener Kongresses zu Österreich gehörte. Die Süddeutschen, einschließlich der Badenser, leisteten den Österreichern massive Unterstützung, in einem gewissen Umfang taten dies sogar die Norddeutschen. Das antifranzösische Sentiment war in deutschen Landen generell stark ausgeprägt, nicht zuletzt, da ein von Napoleon III. geführter Krieg lebhafte Erinnerungen an die Behandlung der Deutschen durch Napoleon I. zu Beginn des Jahrhunderts wachrief. Die norditalienischen Kriegsschauplätze lagen zu dicht dran an Baden, als dass dessen Bewohner in diesen Zeiten ihr Zuhause leichten Herzens verlassen hätten, um zu verreisen. Selbst der Mitte Juli erreichte Waffenstillstand ließ Helmholtz nicht daran denken, sich in jenem Sommer zu weit von daheim wegzubewegen. Thomson zeigte Verständnis für die Situation, lud aber Hermann mitsamt Olga erneut ein, nach Schottland zu kommen, und hoffte einen Monat später immer noch, dass die etwas beruhigte politische Lage einen Besuch der Eheleute Helmholtz erlauben würde.29 Doch wenn Ferdinands Tod und die Kriegsgefahr noch nicht ausgereicht hätten, um Helmholtz von einer Schottlandreise abzuhalten, dann Olgas angegriffener und sich weiter verschlechternder Gesundheitszustand. Er teilte Thomson mit, »daß ich sie nicht wohl für so lange Zeit und auf so weite Entfernung verlassen kann, wie es mein Plan war«, und meinte, er müsse sie vielleicht im nächsten Winter zur Erholung in die Südalpen bringen. Er entschuldigte sich höflich dafür, dass er nicht nach Schottland kommen könne, und schrieb: »Ich hatte mich auf diese Reise und die Aussicht, mit Ihnen vielerley zu besprechen sehr gefreut, und halte die Hoffnung fest, in nicht zu ferner Zukunft nach England zu kommen, und Sie dann in Glasgow
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zu sehen.« Helmholtz hoffte, dass dies in den Osterferien des kommenden Jahres geschehen könnte. Die Thomsons waren enttäuscht. Fast das Gleiche über Olgas schlechten Gesundheitszustand und seine Angst, zu lange und zu weit fortzureisen, teilte Helmholtz auch dem Bonner Mathematiker Gustav Michaelis mit. Allerdings plante er, eine kurze Reise in die Schweiz zu unternehmen.30 Anstatt für die schottische Bergluft entschied er sich in jenem September also für die Schweizer und italienischen Berge. Helmholtz reiste ohne Olga und die meiste Zeit ganz allein. Mit Friedreich bestieg er die Rigi. Sie trafen mit weiteren Kollegen sowie mit Gisela von Arnim zusammen, der Dramatikerin und Tochter von Achim und Bettina von Arnim. Die Reisegefährten besichtigten Denkmäler und Gemälde, »welche [Wilhelm] Tells Apfelschuß verewigen«, und durchwanderten die Täler, die auch Tell einst durchquert hatte, bis hin zu dessen Geburtsort. Nach dem Besuch von Chur und St. Moritz ging er für einen Kuraufenthalt nach Pontresina, da er sich große Sorgen um seine eigene Gesundheit machte. Er und Friedreich hatten den Wallensee besucht (»klein aber sehr romantisch, von sehr schöner klarer Farbe«), und Helmholtz stieg in Pontresina bis auf etwa 2000 Meter hinauf; es war kalt, und die Luft war »prachtvoll«. Die Einheimischen lobte er mit den Worten: »Die Leute sind hier solide, freundlich, unterrichtet, und noch nicht auf Prellerei der Fremden abgerichtet.« Erneut entlockten ihm die Gletscher Begeisterung: »Diese Eisgebilde sind immer wieder großartig und interessant, so oft man sie wieder sieht.« Touristen brauchten normalerweise einen vollen Tag, um die Rigi zu besteigen, und Helmholtz war der Meinung, dass ihm all sein Training in den niedrigeren Bergen um Heidelberg herum an der Rigi sehr zupassgekommen sei: »[I]ch kam ganz bequem und hinreichend schnell herauf. Aber heut habe ich gejächelt, wie ein Hund, der eine Meile gelaufen ist.« Am nächsten Tag wollten sie zu Fuß nach Italien hinübergehen. Er bat Olga um Fotos von ihr und den Kindern und schickte ihr im Gegenzug zum Gruß zwei kleine Blumen. In Italien besuchte er Mailand, den Comer See, Lugano und Bellinzona. Die Reise tat ihm gut; er fühlte sich »sehr gestärkt und frisch«. Aber er erfuhr aus Olgas Brief, dass es um ihre eigene Gesundheit immer noch nicht gut stand.31 Tatsächlich verschlechterte sich ihr Zustand kurz nach seiner Rückkehr Ende September dramatisch. Im Laufe des Monats hatte eine Grippewelle die Region um Heidelberg heimgesucht; wer bereits an chronischen Atemwegsproblemen litt, war natürlich besonders gefährdet. Auch Olga steckte sich an, und die Schmerzen in ihrer Brust verschlimmerten sich merklich. Helmholtz schrieb an Thomson: »Sie ist seit jener Zeit in einem höchst jämmerlichen Zustande, der mich mit der größten Angst schon für die nächste Zukunft erfüllt.« Er war so sehr mit ihrer Krankheit beschäftigt, dass er weder die Zeit noch die innere Ruhe hatte, auf Thomsons Bemühungen bezüglich eines Aufsatzes von Stokes umgehend zu reagieren. In Helmholtz’ eigene Arbeit dieser Zeit floss Stokes’ Theorie der Reibung ein, welche ihm »ziemlich viel Kopfbrechens« bereitete. Thomson hatte er bereits seinen Beitrag
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über Vokalklänge und einen weiteren über die Mathematik der Tonbewegung in Röhren mit offenen Enden geschickt, und dieser hatte um Erlaubnis gebeten, den ersteren ins Englische übersetzen zu lassen. Helmholtz war einverstanden und teilte ihm außerdem mit, dass sich der zweite Teil seines Handbuchs im Druck befinde und er anschließend, wenn es seine Zeit erlaube, über physiologische Akustik schreiben wolle.32 Das Arbeiten half ihm, sich einen positiven Gemütszustand zu bewahren, und das sollte seine Rettung sein. Der Umzug in wärmeres und milderes Klima hatte Olgas Gesundheit, wenn überhaupt, dann nicht viel geholfen. Helmholtz ahnte, dass sie seit spätestens Anfang Dezember im Sterben lag. Auch ihre Freunde mögen dies gespürt haben, denn schon in den ganzen 16 Monaten ihrer Heidelberger Zeit erkannten sie in ihr nur noch einen Schatten ihres früheren Selbst. Während ihres letzten Lebensjahrs verlor sie auch nach Beobachtung ihrer Schwester allmählich das Interesse am Leben, und Helmholtz wurde zu einem einsamen Ehemann; er brauchte aber ihre Gesellschaft und ihre Fröhlichkeit. In allem, was in seinem Leben neben der Wissenschaft wichtig war, war sie ihm eine ebenbürtige Partnerin gewesen. Olga starb am 28. Dezember 1859, »klar, stark, schlicht, wie sie gelebt«, mit Helmholtz »zur Seite, ohne Zagen, wie immer schon im Leben, dem Höchsten zugewendet«. Sie ließ ihn allein zurück mit ihren beiden kleinen Kindern (der neun Jahre alten Käthe und dem sieben Jahre alten Richard), die er großziehen musste, sowie einer Schwiegermutter, die mit ihren 60 Jahren half, so gut sie konnte, und noch bis zum Jahr 1865 bei ihm und den Kindern blieb. Sie trugen Olga am Silvestertag auf dem Bergfriedhof in Heidelberg zu Grabe. »Ich habe das reinste und höchste Glück genossen, welches die Ehe bieten kann«, schrieb Helmholtz an seinen Freund Carl Binz, einen Pharmakologen an der Bonner Universität, »es war für diese Erde zu schön«.33 Freunde wie Heintz, die du Bois-Reymonds und die Thomsons schickten ihre Beileidsbekundungen – so auch Magnus, der seinem Glauben Ausdruck verlieh, dass die Rückbesinnung auf die Wissenschaft der einzige Weg für Helmholtz sei, seinen Schmerz zu lindern. Lipschitz äußerte sich ebenfalls dahingehend, dass, so schlimm dieser Schlag für Helmholtz auch sein möge, er ihn doch nicht davon abbringen werde, sein Leben weiterhin der Wissenschaft zu widmen: »Mit fester Hand hat die Natur Ihnen vorgeschrieben, eine Leuchte für Viele zu sein nach der Bahn der Wissenschaft: in solcher Tat Gott zu dienen, das ist ihr ganzes Leben gewesen, und zu solcher Tat werden Sie auch stets Kraft haben.« Wie Magnus wollte auch Ludwig Helmholtz’ Entschlossenheit stärken, sich der Zukunft zu stellen. Er schrieb ihm, der Tod eines geliebten Menschen sei gewiss »ein Wendepunkt im Leben«, und doch glaube er, der Umstand, dass Helmholtz seine große Liebe fortgerissen werde, bedeute, dass er »mit um so größerem Eifer dem zugewandt« sein solle, »was Dir bisher schon den größten Theil Deines Lebens so glücklich erfüllt hat«: »Die Wissenschaft wird Deinem hohen u. klaren Geiste Festigkeit und Ruhe
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geben, und die schmerhafte Sehnsucht zu einer sanften und beglückenden Erinnerung umwandeln«, wie er prophezeite.34 Wissenschaftlich tätig zu sein, sahen seine Freunde als Helmholtz’ Wesen, Bestimmung und Erlösung an. Ende der 1850er-Jahre hatte sein Leben tatsächlich sowohl in persönlicher als auch in beruflicher Hinsicht einen Wendepunkt erreicht. Seine Eltern und Olga waren verstorben, und er war nun ein Witwer mit zwei kleinen Kindern, die seiner Fürsorge bedurften. Er ging in Trauer und kämpfte etwa zwei Monate lang mit Depressionen. Helmholtz litt an Leib und Seele. »Es war eine sehr schwere Zeit«, teilte er seinem Freund Donders mit. »Da ich nicht arbeiten konnte, hatte ich auch das Hauptwiderstandsmittel gegen das Gefühl der Vereinsamung und Interesselosigkeit an der Welt eingebüsst. So habe ich zwei Monate langer Tage und endloser Nächte hingebracht. Seit Anfang März konnte ich mir wieder durch Arbeit aufhelfen.« Jahre später, als Knapps Frau starb, gestand Helmholtz ihm: »Ich weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt die liebsten Hoffnungen des Lebens vernichtet zu sehen und eine Zukunft vor sich zu haben, die für den Augenblick nur wie eine leere Öde aussieht. Mich hielt damals die Pflicht aufrecht, daß ich für meine Kinder, als eine Verlassenschaft und einen Theil gleichsam des Lebens der Verstorbenen und in ihrem Sinne weiter zu sorgen hatte. Sie sind in dem gleichen Falle; das wird auch Ihnen Halt geben und schon gegeben haben.« Knapp gelang es, die schlimmste Zeit durchzustehen, und Helmholtz schrieb ihm erneut: »Unter solchen Umständen ist der Zwang zum Arbeiten eine wirkliche Hilfe, wenn es auch anfangs nicht als eine solche empfunden wird. Sie wissen, daß ich durch eine ähnliche Prüfungszeit hindurchgegangen bin.«35
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Erholung Die späten 1850er-Jahre läuteten eine ganze Serie von Ehrungen und Auszeichnungen für Helmholtz ein. Nachdem er bereits von den Niederländern, den Bayern und den Hannoveranern (Göttingen) geehrt worden war, wurde er 1860 auch noch zum auswärtigen korrespondierenden Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Sektion der Wiener Akademie der Wissenschaften nominiert und gewählt. Bei dieser Gelegenheit hieß es, dass seine »hohen Verdienste um die Wissenschaft […] den Physikern und Physiologen […] und auch in weiteren Kreisen« hinreichend bekannt« seien. Die badischen Behörden nahmen ebenfalls Notiz. In
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jenem Frühjahr wurde er zudem zum Fellow (Foreign Member) der Royal Society of London gewählt, eine Auszeichnung, die Helmholtz »als die wertvollste Belohnung und die stärkste Ermutigung für die Entbehrungen und fortgesetzten Mühen der wissenschaftlichen Arbeit« ansah. Im folgenden Herbst war er unter jenen 22 Personen, die dazu auserkoren waren, zur Feier des fünfzigjährigen Gründungsjubiläums der Berliner Universität die Ehrendoktorwürde zu erhalten; Magnus spielte in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle.1 Mitte Oktober betrat er die Berliner Bühne als einer von zwei offiziellen Vertretern der Heidelberger Universität, dies in seiner Funktion als Dekan der medizinischen Fakultät. Der Ehrentitel war zum Teil wohl dazu gedacht, seine Verbindungen zu Preußen und Berlin wiederherzustellen, hatte man doch von offizieller Seite möglicherweise ins Auge gefasst, ihn letztlich doch in den preußischen Schoß zurückzuholen. Mit dem Tod seiner früheren Förderer Müller (1858) und Humboldt (1859) war er der wahrscheinlich prominenteste Vertreter der deutschen Wissenschaft und eine führende kulturelle Persönlichkeit in Deutschland geworden. Sechs Monate nach Olgas Tod hatte er sich von seiner Trauer und Depression leidlich gut erholt. Im August 1860 besuchte er Thomson auf der schottischen Isle of Arran. Das Meer und die Seeluft waren seiner Gesundheit zuträglich, nicht zuletzt, indem sie ihn weitgehend von seinen Kopfschmerzen »und anderen kleinen Übeln« befreiten, die ihn im vorangegangenen Winter geplagt hatten. Er besuchte Walter Crum, einen Industriechemiker in Glasgow, der Thomsons Schwiegervater war, und traf William Barton Rogers, der im folgenden Jahr Gründungspräsident des Massachusetts Institute of Technology werden sollte.2 Helmholtz war wieder da.
Anna von Mohl Die Hauptursache für seine Genesung waren jedoch nicht die wissenschaftlichen Ehrungen, die ihm zuteilwurden, oder der Besuch der schottischen Küste, sondern die Begegnung mit einer neuen Frau, Anna von Mohl. Anna wurde 1834 in Tübingen als Urenkelin von Johann Jakob Moser, einem prominenten Rechts- und Verfassungstheoretiker der deutschen Aufklärung, in eine württembergische Familie von hochrangigen Beamten und Gelehrten hineingeboren. Ihr Vater, Robert von Mohl, war ein bekannter Wissenschaftler, Parlamentarier, Staatsmann und einer der führenden Vertreter des deutschen Liberalismus. Auch seine drei Brüder wurden bedeutende Persönlichkeiten: Julius war ein führender Orientalist, Professor für orientalische Sprachen am Collège de France sowie Präsident der Société Asiatique und der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Hugo war Professor für Botanik in Tübingen und Moritz ein Politiker und Ökonom. Die Familie war vom Lernen durchdrungen und legte großen Wert auf Bildung. Aus Roberts erster Ehe stammte seine älteste Tochter Ida, die Franz Freiherr von Schmidt-Zabiérow heira-
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tete, einen österreichischen Regierungsbeamten, und aus seiner zweiten Ehe (mit Pauline Becher) gingen Anna und ihre drei Brüder hervor.3 1847 ging Robert von Mohl nach Heidelberg, wo er Professor für Politikwissenschaften wurde. Er vertrat die Universität im badischen Landtag in Karlsruhe und wurde ein enger Berater des Großherzogs. Von seiner Persönlichkeit her war er ein eher praktisch denn wissenschaftlich veranlagter Charakter; ein politischer Professor, der vor allem dafür bekannt wurde, dass er die liberale Idee des Rechtsstaats vertrat, (größtenteils) eine freie Marktwirtschaft verfocht und eine gleichberechtigte politische Vertretung für die unteren und mittleren Klassen forderte. 1848 war er im Frankfurter Parlament aktiv, wo er für ein vereintes Deutschland eintrat. Später war er Repräsentant des Landes Baden in München und, nach 1874, auch in Berlin. Von Mohl war einer der prominentesten Liberalen seiner Heimat. In seiner Heidelberger Zeit gehörten Gervinus, Häusser, Fischer, Vangerow, Henle, Chelius, Bunsen, Kirchhoff und Helmholtz zu seinem Umfeld. Seine Gattin Pauline war eine Frau mit gesellschaftlichen Umgangsformen und aristokratischer Veranlagung und machte ihr Haus zu einem eleganten Salon, einem zwanglosen und doch intellektuell gehobenen Treffpunkt. Mit der Zeit wurden auch seine Töchter Ida und Anna zu salonnières, Salondamen. Persönlichkeiten aus dem ganzen Spektrum des kulturellen Lebens gehörten zu ihren Gästen, darunter auch der englische Chemiker Henry Enfield Roscoe, der zuerst 1853 (um mit Bunsen zu arbeiten) und dann regelmäßig von 1857 bis 1863 zu Besuch war. Annas Eltern legten großen Wert auf die Ausbildung ihrer Tochter. Wie ihre Mutter war sie musikalisch veranlagt – sie spielte Klavier, mit Vorliebe Stücke von Beethoven –, interessierte sich sehr für die Künste und sprach ein ausgezeichnetes Französisch. Die Werte, die sie sich zu Hause und in der Schule angeeignet hatte – Kosmopolitismus, Eleganz, kulturelle Raffinesse und die Wertschätzung des Lernens – wurden noch verstärkt durch einen langen Aufenthalt in Paris und viele Besuche im Haus ihres Onkels Julius und seiner außergewöhnlichen Frau Mary Clarke, einer Engländerin, die zu einer der führenden salonnières von Paris wurde. Mary Clarkes Salon war der Treffpunkt der liberal gesinnten Elite der französischen Hauptstadt und zog auch bedeutende Männer und Frauen anderer Nationen an, darunter Engländer, Deutsche und Italiener. Mary betrachtete Ida und Anna als ihre Adoptivtöchter. In Paris lernte Anna den Geologen Elie de Beaumont, Graf Casanova, Victor Cousin, Leopold von Ranke, Leopold von Buch, Lady Elgin, Florence Nightingale, François Arago und andere große Persönlichkeiten kennen. Im Frühjahr 1853 nahm Mary Anna mit nach England. Dort machte sie die Nichte nicht nur mit weiteren Intellektuellen und liberalen Denkern von europäischem Rang bekannt, sondern gab ihr auch den letzten Schliff in Sachen Kleidung, Frisur, passender Lektüre und Salonetikette. Anna war von Mary und ihrem Haus zutiefst beeindruckt und geprägt.4 Kein Wunder, dass sie in der Mitte der 1850er-Jahre in
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Heidelberg als eine der besten Partien galt, und das nicht nur aufgrund ihrer hervorragenden Ausbildung, ihrer kulturellen Raffinesse und Eleganz, sondern auch ihrer Schönheit wegen. Sie und Helmholtz lernten sich kennen, als er gerade den zweiten Teil seines Handbuchs vollendete.
Das Handbuch (Teil II) Der zweite Teil des Handbuchs, der mit 236 Seiten eher ein zweiter Band hätte heißen sollen, erschien im Juli 1860, acht Jahre nachdem Helmholtz mit der systematischen Forschungsarbeit dafür begonnen hatte. Sein übergreifendes Thema war die Theorie der Gesichtsempfindungen, was im Einzelnen einen kritischen Überblick über den Forschungsstand zu neun Unterthemen beinhaltete: Reizung des Sehnervenapparats, Reizung durch Licht, einfache Farben, zusammengesetzte Farben, Intensität der Lichtempfindung, ihre Dauer, Veränderung der Reizbarkeit, Kontrast und schließlich ein Sammelsurium verschiedener subjektiver Phänomene. Alle Themen bis auf zwei waren auch mit einem kurzen historischen Abriss versehen.5 Der zweite Teil stellte, indem er die einschlägige Literatur ausführlich zu Wort kommen ließ, eine Synthese der bisherigen Arbeiten zur visuellen Wahrnehmung dar. Wie mit Blick auf den ersten Teil bereits angemerkt, sollte das vollständige Werk (Teile I bis III) später zur »Bibel« der physiologischen Optik, Augenheilkunde, Sinnesphysiologie und experimentellen Psychologie werden. Teil II bot dadurch Innovation in der Farbenlehre, dass Helmholtz frühere Arbeiten zum Thema, die zumeist aus der Feder anderer Autoren stammten, einer Synthese zuführte. Die Stärke der Ausführungen lag dabei in der theoretischen Erklärung verschiedener Farbphänomene und nicht in etwa berichteten neuen Beobachtungen oder empirischen Ergebnissen, von denen es relativ wenige gab – was Helmholtz nicht davon abhielt, manchmal zu viel Urheberschaft für sich selbst zu beanspruchen.6 In den frühen 1850er-Jahren hatte er Youngs Dreifarbentheorie (trichromatische Theorie) des Farbsehens noch abgelehnt; jetzt allerdings besann er sich anders, unterzog sie einer Revision und stellte sie in den Mittelpunkt seiner theoretischen Analyse, die eine Vielzahl von Farbwahrnehmungen zusammenführte. Wie Young ging auch Helmholtz davon aus, dass das Auge drei Arten von Nervenfasern enthalte, die (in unterschiedlichem Grade) vom Licht gereizt würden und dadurch den gesamten Bereich der Spektralfarben erzeugten. Allerdings betrachtete er seine revidierte Young-Helmholtz-Theorie – unter welchem Namen sie bekannt wurde, ungeachtet des sehr ähnlichen Ansatzes und der Ergebnisse, die von Maxwell bereits vorlagen – selbst nur als ein Anwendungsbeispiel von Müllers Gesetz der spezifischen Sinnesenergien (also des Prinzips: eine Art von Faser, eine Art von Empfindung). Helmholtz kannte Maxwells Arbeiten über Farben (und Farbblindheit) ziemlich sicher schon vor der Abfassung des Handbuchs, ebenso wie er
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Fechners Theorie der Nachbilder kannte und verteidigte (hierzu hatte er 1858 zwei Vorträge gehalten). Doch sowohl seine Habilitationsvorlesung von 1852 als auch sein Kant-Gedenkvortrag von 1855 legen nahe, dass er sich vor allem auf Müllers Gesetz als Basis für seine Arbeiten in der Farbenlehre gestützt hat. Die Frage nach der Priorität ist hier allerdings nicht eindeutig geklärt.7 Helmholtz berief sich nicht nur für seine Theorie der Farbwahrnehmung auf Young, sondern auch zur Erklärung von Phänomenen wie der Farbenblindheit, der Purkinje-Verschiebung, der Farbharmonie und der subjektiven Farben. Um Letztere zu erklären, griff er nicht nur auf physiologische (das heißt mechanische) Prozesse zurück, sondern brachte auch psychologische Urteile ins Spiel. Damit brach er die methodologische Einheitlichkeit und Einfachheit auf, die ansonsten den Großteil des zweiten Teils des Handbuchs durchzog. Auf die Arbeiten von Fechner und Brücke berief er sich wahrscheinlich, um seine Erklärung der subjektiven Farben plausibel zu machen. Allerdings war es erst seine Erweiterung der Young’schen Grundannahmen auf all die anderen Phänomene, die jene Theoriebildung rechtfertigte, die seither unter dem Schlagwort »Young-Helmholtz-Theorie« rangiert und sein eigenes Werk von Maxwells viel begrenzterer Arbeit über die Farben abhebt. Zum Schluss wandte er sich der Frage nach der Erklärung des Kontrasts zu, was ihn wiederum dazu brachte, die Rolle des psychologischen Urteils zu betonen. Unter seinen Händen wurde Farbe zu einem durch und durch subjektiven Phänomen oder, anders formuliert: Die wissenschaftliche Untersuchung von Farbe wurde zu einer Untersuchung des Farbsehens.8 Vor demselben Erklärungshintergrund von Young-Helmholtz-Theorie und psychologischem Urteil untersuchte Helmholtz auch Themen wie die Netzhaut, das periphere Sehen, den Vergleich von Farb- und Tonskalen, Farbmischung, Pigmente, Komplementärfarben, Farbtafeln, Methoden zur Mischung farbigen Lichts, das trichromatische und dichromatische Farbsystem, Ewald Herings (Gegen-)Farbtheorie, die Prinzipien der Photometrie und rotierende und stroboskopische Scheiben und Farbaufsätze, um nur einige zu nennen. Die Veröffentlichung des zweiten Teils des Handbuchs kam wie zur Bestätigung von Helmholtz’ steigendem Ruhm; einem pensionierten Arzt aus Potsdam galt er als »unser tüchtigster und practischer Meister der Physiologie«. Das bestätigte 1861 auch die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft in Frankfurt am Main, indem sie ihn in Anerkennung seines Gesamtwerks in der Physiologie und speziell des neuen Teils seines Handbuchs mit ihrem Soemmering-Preis ehrte. Was Brücke betraf, so las er den zweiten Teil, um herauszufinden, ob und wenn ja welche etwaige Nachlese Helmholtz ihm übriggelassen haben mochte. Du Bois-Reymond beschwerte sich nur über eines: Jedes Mal, wenn er das Handbuch aufschlage, sei er darüber verärgert, dass Helmholtz es in Karstens Reihe veröffentlicht hatte. Er fand nämlich, dass dies seine Leserschaft begrenze und zudem die Schriftgröße zu klein
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gewählt sei (»und wenn du etwas schreibst, ist ja gar kein Grund, es klein zu drucken«). Kurz, mit Teil II hatte Helmholtz die Literatur zur Farbenlehre von Newton bis in seine eigene Gegenwart systematisch aufgearbeitet. Er wurde zur Galionsfigur dieses Fachgebiets und gab ihm die Richtung vor (bis in die 1920er-Jahre hinein). Dennoch veröffentlichte er danach ironischerweise fast nichts mehr zu Fragen der Farbenlehre; vielmehr wandte er sich einem breiten Spektrum neuer, aber eher unsystematischer Studien zur Farbwahrnehmung zu.9
Brautwerbung Im Sommer 1860 war Anna von Mohl 26 und Helmholtz 39 Jahre alt. Zum ersten Mal hörte sie von ihm durch einen Zeitungsartikel, der seine Erfindung des Augenspiegels beschrieb. Und da der Kreis der Heidelberger Professoren, vor allem derjenigen mit einer liberalen Grundeinstellung, sehr überschaubar war, ist es kaum verwunderlich, dass sie einander kennenlernten. Anna war bereits mit Bunsen bekannt, den sie in seinem Labor besuchte und durch den sie auch Roscoe kennenlernte. Bunsen und er führten ihr einige ihrer Experimente vor und berichteten ihr von Bunsens und Kirchhoffs jüngster Entdeckung der Spektroskopie sowie weiteren Neuigkeiten aus der Wissenschaft. Anna erzählte ihrer Tante von Helmholtz: dass er verwitwet sei, ein hervorragender Physiologe und ein »exzellenter Musiker und ein sehr angenehmer Mensch«. »Da er aus dem Norden stammt, mag er kein Bier, ein Vorzug, den Sie gewiss ebenso zu schätzen wissen wie ich.« Sie hielt ihn für einen der ganz Großen in Deutschland und begann nun, ihn im Kreis ihres Vaters zu sehen. Es war ihre gemeinsame Liebe zur Musik, die sie im Sommer 1860 zum ersten Mal zusammenbrachte.10 Anna hatte ein Auge auf ihn geworfen. Ebenso wie er auf sie, wenn auch ein wenig zurückhaltender – Anfang 1861 gaben sie jedenfalls ihre Verlobung bekannt. Helmholtz berichtete Thomson, dass im vergangenen Winter immer deutlicher geworden sei, dass seine Schwiegermutter nicht mehr lange für seine Kinder sorgen und den Haushalt führen könne und er sich daher bald ein anderes Arrangement würde einfallen lassen müssen. Seine Beziehung zu Anna habe sich derweil schneller entwickelt, als er es erwartet hätte, »denn wenn die Liebe erst einmal Erlaubniss erhalten hat, aufzukeimen, fragt sie nachher die Vernunft nicht mehr um Erlaubniss, wie schnell sie wachsen darf«. Anna war, wie er sagte, »ein reichbegabtes, gegen mich verhältnissmäßig junges Mädchen, und wird, denke ich, zu den Heidelberger Schönheiten gerechnet. Sie hat sehr schnellen Verstand und Witz, ist sehr gewandt in der Gesellschaft […]«. Französisch und Englisch spreche sie fließend, sicherlich besser als er, wie er hinzufügte. »Uebrigens hat ihre fashionable Erziehung ihrem ruhigen, guten und reinen Wesen keinen Eintrag gethan. Kurz, Sie sehen, ich halte sie für einen Engel, wie es jeder Bräutigam mit seiner Braut zu thun pflegt, und Sie werden deshalb viel-
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Abb. 10.1: Helmholtz im Jahr 1861. akg-images / Science Photo Library / Hagley Museum and Archive.
Abb. 10.2: Anna Helmholtz im Jahr 1869. akg-images.
leicht nicht alles glauben wollen, was ich von ihr erzähle.« Er nahm an, dass Anna ihn bei seiner nächsten Reise zu Thomson und an die Küste – »wenn ich meine Gesundheit einmal wieder in den Wellen des Meeres suchen muß« – begleiten werde, und dann könne er, Thomson, sich selbst davon überzeugen, ob Helmholtz die Wahrheit über sie gesagt habe (siehe Abb. 10.1 und 10.2). Anna zu treffen und sie zu umwerben, hatte ihn in der jüngsten Vergangenheit so viel Zeit und Aufmerksamkeit gekostet, dass er mit seinem Buch über Physiologie und Musik nur wenig vorangekommen war. Darüber hinaus standen auf seinem Plan Vorlesungen über die
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physiologischen Grundlagen der Musik, die er in Deutschland und in London halten sollte. Statt das Buch zu schreiben, hatte er also Vorlesungen zusammengestellt, Diagramme und Versuchsanordnungen vorbereitet und so weiter.11 Helmholtz schrieb auch du Bois-Reymond von seiner Verlobung, wobei er sich ihm gegenüber offenherziger äußerte als gegenüber Thomson. Er gestand, dass Anna ihm »von Anfang an« als »ein sehr aufgewecktes Mädchen« vorgekommen war – obwohl er sie zunächst gar nicht so oft gesehen hatte. Nachdem er ihm von Annas äußerst kultiviertem Hintergrund und Wesen berichtet hatte, kam er auf den Altersunterschied zwischen ihnen beiden und seine Sorge um die Kinder zu sprechen: »Ich muß sagen, daß ich im vorigen Sommer Anna von Mohl noch mehr vermieden als gesucht habe, weil ich fühlte, daß ein Mädchen ihrer Art für mich gefährlich sein würde, und ich mir eigentlich nicht einbildete, als Witwer mit zwei Kindern und über das Jünglingsalter weit hinaus noch um die Hand einer viel jüngeren Dame werben zu dürfen, die alle Eigenschaften hatte, um in der Gesellschaft eine hervorragende Rolle zu spielen.« Doch habe er, wie er Thomson erklärte, im vergangenen Winter erkennen müssen, dass seine alternde Schwiegermutter nicht mehr lange fähig sein würde, ihm den Haushalt zu führen und sich um seine Kinder zu kümmern. Anna hatte in die Hochzeit eingewilligt, und Helmholtz sah daher »jetzt mit neuen, glücklichen Aussichten der Zukunft entgegen«. Sie heirateten in jenem Frühjahr.12 Anna sah die Dinge ganz ähnlich. Ihrer Tante Mary schrieb sie, dass sie hoffe, ihrer gewählten Aufgabe gewachsen zu sein. Helmholtz sei ein vierzigjähriger Witwer mit zwei Kindern, der »eine wunderbare Stellung in der Welt der Wissenschaften« innehabe und »ein charmanter, angenehmer Mann mit einem lieben und ausgeglichenen Charakter« sei, »voller esprit, mit einem Erscheinungsbild, das, wie ich mir gewiss bin, dir zusagen wird, und einer, der mir eine leidenschaftliche und unerklärliche Zuneigung entgegenbringt, an der ich selbst bis vor einigen Wochen noch gezweifelt habe«. Anna liebte alles an ihm: »Sein Geschmack, seine Persönlichkeit, sein Geist sind mir unendlich wohltuend und haben mich verzaubert, vor allem, da er seinen Antrag auf so elegante Weise vorzubringen wusste.« Zunächst versuchte sie noch, ihre eigene Entscheidung hinauszuzögern; doch »Herr Helmholtz war so unglücklich und wurde dann um so viel beredter – und meine Gründe erwiesen sich letztendlich als fehlender Mut –, so dass ich schließlich ja sagte – und dies, liebe Tante, tat ich aus vollem Herzen«. Ihr Vater war sehr angetan von ihrem Entschluss, und die beiden Männer verstanden sich bald schon recht gut, »obwohl der eine Naturwissenschaftler und der andere ein Mann des Staates« war. Die Kinder hatte sie erst ein einziges Mal zu Gesicht bekommen: »Sie sind ein wenig blass, aber sehr intelligent und haben große dunkle Augen. Sie sagen, ich sei zu jung, um ihre Mutter sein zu können, womit sie nicht unrecht haben.« Anna konnte, wie sie sagte, nur darauf hoffen, eben ihr Bestes zu geben. Für Helmholtz stand im März
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eine Reise nach England an, wo er einen Vortrag vor der Royal Institution halten sollte, und Anna versuchte, ihn davon zu überzeugen, hinterher noch Paris einen Besuch abzustatten.13 Das war allerdings nicht so einfach. Anna hatte bereits erfahren, dass Helmholtz den französischen Physiologen Pierre Flourens nicht mochte und der Meinung war, dass die französischen Physiologen »sich stets durch ihr mangelndes Mitgefühl den Tieren gegenüber auszeichnen«. Helmholtz’ künftige physiologische Studien hingegen sollten lebenden menschlichen Wesen gewidmet sein, was darauf hindeuten könnte, dass er gegen Experimente an Tieren eingestellt gewesen sei, wenn diese Annahme nicht sowohl mit seinen früheren Arbeiten an Fröschen als auch mit seiner generell ablehnenden Haltung der Antivivisektionsbewegung gegenüber im Widerspruch stünde. Anna jedenfalls blickte zu ihm auf: »Seine Augen und Ohren zu sehen, wie sie am Werke sind: das ist es, was sein hervorragendes Ansehen begründet.« Und sie behauptete – nicht ganz korrekt, aber verzeihlich für eine Verlobte, die nur wenig von wissenschaftlichen Auszeichnungen und Ehren wusste –, dass er Mitglied aller deutschen Akademien und ihrer englischen und niederländischen Pendants sei. »Ich stelle jeden Tag fest, dass ich Grund habe, mich noch mehr auf meine Zukunft zu freuen.« Sie und ihr Vater löcherten den Bräutigam mit wissenschaftlichen Fragen: »Wir haben ein fabelhaftes Wissen erworben.« Helmholtz’ Schwiegermutter würde im April des Jahres nach Potsdam reisen, um bei ihrer Tochter (Betty Johannes) zu bleiben; die Kinder sollten sie begleiten und den Sommer bei Betty verbringen. Anna und Hermann sollten Mitte Mai am Pfingstsonntag verheiratet werden. Dies alles bedeutete, dass Anna ihren gemeinsamen Haushalt allein aufbauen (also den seinen entsprechend umorganisieren) musste, was ihr auch ganz recht war. Im August würden sie auf Reisen gehen und anschließend die Kinder einsammeln und mit ihnen nach Heidelberg zurückkehren. Mit Blick auf Helmholtz’ bevorstehende Englandreise wurde die Bitte an sie herangetragen, ihm ein Bild von sich für seine britischen Freunde und Kollegen mitzugeben, die sie natürlich noch nicht kannten und neugierig darauf waren, »die Dame zu sehen, die das Glück hatte, Frau Helmholtz zu sein«. Anna war »sehr stolz« darauf, dass alle so voll des Lobes für ihren Verlobten waren: »Obwohl ich nie irgendwelche Zweifel hatte, sagen mir die einen, dass sie hofften, ich werde seiner Position würdig sein, und die anderen, dass sie sich für ihn freuten, dass er eine so charmante Frau hat. Kurz, unsere Eitelkeit bekommt viel Nahrung, von der sie zehren kann.« Sie räumte allerdings ein, dass es unwahrscheinlich sei, dass Helmholtz nach seinem Besuch in England einen Abstecher nach Paris machen würde.14 Anna war von seinem Wissen über die Dinge beeindruckt. »Er kennt die Gründe für alles, und er liebt es, darüber [über die natürliche Welt] zu sprechen, vorausgesetzt, dass die Fragen nicht zu dumm sind. Er hat in mir ein riesiges Terrain zu kultivieren, denn sicherlich sind nur wenige Menschen so unwissend in Bezug auf
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die Naturgeschichte wie ich; ihn hingegen scheint dies zu amüsieren, und ich versichere dir, meine liebe Tante, dass unsere täglichen Spaziergänge äußerst lehrreich sind.« Annas Vater las Helmholtz’ Aufsätze über das Sehvermögen und das Auge und war »voller Bewunderung« dafür. Sie versicherte ihrer Tante, dass sie zwar nicht versuchen werde, Helmholtz zu »einem Dandy werden zu lassen […], aber ich werde mich noch ein wenig mehr darum bemühen, aus ihm einen Mann von Welt zu machen«. Anna und er waren sich völlig einig darin, dass sie nicht, wie so viele andere in Heidelberg, die »Freuden der Tafel« allzu sehr betonen oder ihr Geld dafür ausgeben würden, ihren spätabendlichen Gästen noch Lachs zu servieren: »Sie werden eine Tasse Tee mit Sandwiches, einen fröhlichen Salon, die Freiheit, nach Belieben umherzugehen und ›Hallo‹ zu sagen, und die Musik bekommen, die sie hören wollen.«15 Anfang Februar las Helmholtz in Karlsruhe über die Erhaltung der Kraft (Energie). Unter seinen Zuhörern war der Berliner Sänger, Librettist und Theaterhistoriker Eduard Devrient, den Helmholtz 20 Jahre zuvor als Student in Berlin gehört hatte. Nun trafen sich die beiden zum ersten Mal persönlich, wobei Devrient mittlerweile Leiter des Hoftheaters in Karlsruhe war. Er hielt Helmholtz’ Vortrag, ebenso wie ähnliche öffentliche Vorlesungen von Wilhelm Eisenlohr und Ferdinand Redtenbacher, zwar für »gelehrt«, kritisierte jedoch, dass sie »in abgerissener Sprache« gehalten und »zuviel Wissen voraussetzend« seien. Außerdem war Devrient der Meinung, dass alle drei darin fehlgegangen seien, dass sie »zuwenig klare Resultate« geboten hätten, die den Laien interessierten.16 Helmholtz’ alte Freunde gratulierten ihm zu seiner bevorstehenden Heirat. Brücke, der ein reges Interesse an Sprache hegte, bat Helmholtz, sich bei seinem zukünftigen Schwager Julius von Mohl nach dem Prix Volney für das »allgemeine Alphabet« zu erkundigen – einem Preis für herausragende philologische Arbeiten, dessen Anwärter von der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres nominiert und vom Institut de France ausgezeichnet wurden –, da er, Brücke, der Meinung war, er könne selbst einen Beitrag dazu einreichen. Olshausen, der mittlerweile in der Universitätsabteilung des preußischen Kultusministeriums in Berlin tätig war, hatte »von allen Seiten« gehört, dass Anna eine »vorzüglich geeignete Gehülfin« sei. Als Orientalist und Philologe war er bereits mit seinem Kollegen Julius von Mohl befreundet, mit dem zusammen er 1829 ein Buch über den Zoroastrismus verfasst hatte. Magnus hoffte, dass das neue Ehebündnis »Sie [Helmholtz] mit neuer Kraft ausrichten [werde], um die Welt mit ähnlichen Arbeiten zu erfreuen wie die durch welche Sie so viel zu unserer [der wissenschaftlichen Gemeinschaft] Aufklärung beigetragen haben«. Aus Großbritannien kamen Glückwünsche nicht nur von den Thomsons und Henry Bence Jones, sondern auch von William Benjamin Carpenter, einem Londoner Physiologen und Naturforscher, der die Eheleute Helmholtz einlud, ihn zu besuchen und bei ihm Unterkunft zu nehmen.17
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Einige von Helmholtz’ Freunden taten sich zwar schwer damit, seine Verlobung und Heirat nur 18 Monate nach Olgas Tod zu billigen. Betty Johannes hielt allerdings dafür, dass diese (ungenannten) Personen seine Situation nicht bedächten und ihm Unrecht täten. Sie selbst erkannte an, dass Helmholtz Olga faktisch bereits in ihren letzten ein bis zwei Lebensjahren verloren hatte und dass er an die Kinder, ganz zu schweigen von ihrer alternden Großmutter, denken musste. Die Kinder brauchten eine Mutter so nötig wie er eine Ehefrau.18 Während Hermann und Anna die letzten Tage vor ihrer Hochzeit zusammen verbrachten, wurde ihre Achtung vor ihm nur noch größer – sowohl in Bezug auf seinen Charakter als auch auf seinen Geist. »Er sieht immer die größere Dimension der Dinge«, wie sie ihrer Tante mitteilte, und sei gleichzeitig »lieb und freundlich und ohne Häme gegen irgendwen«. Obgleich ihr Vater und Helmholtz einander respektierten und sich angefreundet hatten, konnte Robert von Mohl die von Helmholtz gegebenen Erklärungen zu akustischen Phänomenen nicht recht nachvollziehen, was zum Teil daran lag, dass er nur ein begrenztes Verständnis von Musik hatte. Helmholtz seinerseits hegte aber auch »nur ein mäßiges Interesse an Politik«. Bei einem gemeinsamen Spaziergang trafen Helmholtz und Anna auf Kirchhoff, und dieser stellte ihnen eine Frage über das Licht, wie es vom Meer reflektiert wird. Die beiden Männer verbrachten eine halbe Stunde damit, das Thema zu erwägen, während Anna mit ihren »Pfoten im Wasser« dasaß, als ein plötzlicher Regenguss über sie hereinbrach. Wissenschaftler, dachte sie, seien doch »drollige« Menschen, die »eine Seite der menschlichen Natur« repräsentierten, die ihr neu war.19
Vortragstätigkeit an der Royal Institution Nach 1826 wurde die Royal Institution zur zentralen britischen Bühne für populärwissenschaftliche Vorträge, und dies vor allem dank ihrer Friday Evening Discourses. Die im mondänen Stadtteil Mayfair abgehaltenen Discourses zogen die intellektuellen und gesellschaftlichen Eliten Londons an, wozu nicht zuletzt der Stil und würdevolle Charakter dieser Abendveranstaltungen beitrug. Die Referenten sprachen nicht nur informativ über die neuesten und interessantesten Entwicklungen in der Wissenschaft, sondern boten ihrem Publikum immer auch ein Stück Unterhaltung. Um die Jahrhundertmitte herum erlebte die Royal Institution ein geradezu goldenes Zeitalter. Geleitet wurde sie derzeit vom alten Michael Faraday, dem jungen John Tyndall, der seit 1853 den der Institution angegliederten Lehrstuhl für Naturphilosophie innehatte und das gesamte Management der Institution in Händen hielt, sowie dem Chemiker Edward Frankland. Die gut besuchten Vorträge wurden veröffentlicht und fanden so weltweite Verbreitung. Viele Persönlichkeiten des wissenschaftlichen Lebens auf der Höhe des Viktorianischen Zeitalters sprachen dort – nicht nur Faraday und Tyndall, sondern auch Charles Lyell, Richard Owen, Tho-
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mas Henry Huxley, Lyon Playfair, William Thomson und J. Norman Lockyer, um nur einige der prominentesten zu nennen. Auch einigen auserlesenen Ausländern wurde diese Ehre zuteil, darunter Helmholtz. In den 1860er-Jahren beliefen sich die Besucherzahlen im Allgemeinen auf zwischen 400 und 500 Damen und Herren.20 Die treibenden Kräfte hinter Helmholtz’ Besuch waren Faraday, Bence Jones und William Benjamin Carpenter. (Carpenter war Inhaber der Fuller-Professur für Physiologie an der Institution und förderte die Popularisierung der Wissenschaften.) Bence Jones und Faraday wollten, dass Helmholtz zur Krafterhaltung sprach. Dieser willigte ein, Mitte April 1861 drei Vorträge zu halten, von denen einer im Rahmen des Friday Evening Discourse stattfinden sollte. Man nahm an, dass er mit seinem Vortrag, für den die Institution übrigens gar nichts bezahlte, bis zu 1000 Besucher anziehen würde. Faraday verlangte, dass sich der Discourse speziell mit dem Gesetz der Krafterhaltung »in seiner Anwendung auf das Leben« befassen sollte. Dieses Thema werde, wie er sagte, »uns alle interessieren und uns aus der metaphysischen Furche herausholen, in die dieser Gegenstand hierzulande geraten ist«. Die beiden anderen Vorlesungen sollten sich stärker spezialisieren, und Helmholtz sollte dafür auch (mit 20 Pfund) entlohnt werden; man erwartete hier ein Publikum von etwa 300 Personen. Tatsächlich hätte Helmholtz lieber nicht zur Erhaltung der Kraft (Energie) gesprochen; Bence Jones und Faraday bestanden jedoch darauf, und da sie seine beiden anderen Vorträge (die beide die physiologischen Grundlagen der Musik behandelten) bezahlten, war er letztlich zur Einwilligung gezwungen. Er tröstete sich über diese englische Beharrlichkeit mit der Tatsache hinweg, dass sein kürzlich erschienener Artikel über die Bewegung einer schwingenden Violinsaite gerade in englischer Sprache erschienen war.21 Etwa einen Monat (Mitte März bis Mitte April) verbrachte Helmholtz in London, und alle Welt wollte ihn sehen. Carpenter gab eine Abendgesellschaft für ihn, an der Maxwell ebenso teilnahm wie Thomas Archer Hirst, ein eher unbedeutender, aber gut vernetzter Mathematiker. Wie sein Mentor und Freund Tyndall hatte Hirst in Deutschland studiert; neben seiner Lehrtätigkeit und der Wahrnehmung verschiedener Verwaltungsposten hatte er wissenschaftliche Arbeiten aus dem Deutschen (und Französischen) ins Englische übersetzt. Hirst »führte an diesem Abend lange Gespräche« sowohl mit Helmholtz als auch mit Maxwell: »Ersterer ist ein wenig reserviert, Letzterer dagegen gesprächig, und dies mit einem schottischen Akzent.«22 Die Thomsons wünschten, dass Helmholtz sie in Schottland besuchen komme, da Thomson durch Krankheit daran gehindert war, Helmholtz’ Vorträgen beizuwohnen. Und der Eingeladene wollte auch kommen, konnte aber nicht, weil seine Londoner Vorlesungen noch nicht vollständig absolviert waren. Er teilte Thomson zwar mit: »Ich habe mich in den letzten Jahren sehr daran gewöhnt, mich auf den Eisenbahnen Europas herumzutreiben«, aber es blieb ihm nicht genug Zeit für die Reise in den Norden.23 Helmholtz verkörperte den neuen und aufstrebenden Ty-
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pus des internationalen Wissenschaftlers, der mit den neuen, schnellen Eisenbahnen oder Dampfschiffen ins Ausland reiste, um seine neuesten Arbeiten vorzustellen, ausländische Kollegen zu treffen, von ihrer Arbeit zu erfahren und ganz generell seine Karriere voranzubringen. Er war ein Profi in modernem Sinne. Wie er den Thomsons mitteilte, plante er, am Abend jenes Tages an der Institution einen Vortrag von William Barton Rogers zu hören und diesen auch zu treffen. Roscoe, der Helmholtz in London sehen wollte, lud ihn auch ein, einige Tage mit ihm in Manchester zu verbringen. William Sharpey, Professor für Anatomie und Physiologie am Londoner University College und Sekretär der Royal Society, freute sich ebenfalls auf Helmholtz’ Besuch in der Hauptstadt und wollte wissen, ob dieser, als ausländisches Mitglied der Gesellschaft, bereit wäre, die diesjährige Croonian Lecture zu halten. Diese Vorlesungsreihe war, wie er erklärte, 1738 ins Leben gerufen worden und sollte ursprünglich das Verständnis »des Wesens und der Gesetze der Muskelbewegung« fördern. Doch Helmholtz könne zu jedem Thema der Physiologie oder Anatomie sprechen, das ihm am Herzen liege. (Sharpey hätte es gerne gesehen, dass er über seine »Experimente zur Muskelreizung und Nervenerregung« oder über das Sehvermögen sprach, überließ ihm aber selbst die Wahl.) Die Bezahlung war, wie er verschämt einräumte, »ein armseliger Hungerlohn, nicht ganz drei Pfund«.24 Helmholtz lehnte das Angebot vorerst ab. Anna brachte unterdessen ihren neuen Haushalt auf Vordermann. Sie vermisste ihren Mann furchtbar, machte sich Sorgen, dass er nicht genug Ruhe bekommen würde, und berichtete ihm, was eine ihrer Freundinnen gesagt hatte: dass die Menschen eines Tages so von Helmholtz sprechen würden, wie sie jetzt über Gutenberg und Luther sprächen. Und sie versuchte, seinen Schreibtisch aufzuräumen – »an und für sich kein leichtes Unternehmen bei der Quantität von Hindernissen in Gestalt von Papieren. Sieh Hermann, bin ich in Deiner Wohnung, so kommt meine bessere Natur heraus und der Friede zieht ein in die Seele«. Sie hatte einen ausgeprägten Sinn, um nicht zu sagen eine Obsession für Ordnung. Und wäre sie nicht nach dem Prinzip der »gelehrte[n] Unordnung« erzogen worden, hätte sie, wie sie sagte, die unbeschriebenen von den beschriebenen Papieren getrennt, seine Briefe in eine Schublade gelegt und dann, »nach Miss Nightingale’s Prinzip«, mit einem feuchten Tuch Staub gewischt. Sie war besorgt, dass ihr möglicherweise die Fähigkeiten fehlen könnten, eine gute Ehefrau und Mutter zu sein.25 Helmholtz’ erste zwei Vorträge vor der Institution beschäftigten sich mit den physiologischen Grundlagen der Musik, während der dritte, der Freitagabend-Vortrag, »Über die Anwendung des Gesetzes der Krafterhaltung auf die organische Natur« lautete. Hirst besuchte den zweiten Vortrag (über die Vokalklänge) und begegnete Helmholtz erneut bei einem Empfang zum Abendessen. Zu den Gästen gehörten Roscoe, Thomas Graham, Chemiker und königlicher Münzmeister (1855 – 1869), sowie die Carpenters. Hirst besuchte außerdem Helmholtz’ Vortrag über
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die Krafterhaltung, den er »lehrreich, aber nicht so interessant« fand, wie er es erwartet hatte. Bence Jones beurteilte ihn etwas positiver und erzählte seinem guten Freund du Bois-Reymond: »Helmholtz hat sich sehr gut [aber] nicht hervorragend geschlagen[;] sein Freitagabend war sehr gut & ich habe darüber berichten lassen & werde dir einen ausführlichen Bericht schicken. Seine akustischen Vorträge waren nicht so einnehmend[;] er erwähnte zu vieles, was bereits bekannt war & dies machte auch seine 2te Vorlesung zu sehr aus. Er hätte ein halbes Dutzend halten sollen – die, die am meisten Bescheid wussten, sagten, es sei sehr gut; aber einige der eingefleischten Nörgler amüsierten sich – wobei mir ein wenig Genörgel bei der Institution gar nichts ausmacht. In einem anderen Jahr erwarte ich einen größeren Erfolg, wenn ich ihn überreden kann, zu kommen.«26 Der vielleicht beste Beweis dafür, dass sein Vortrag durchaus erfolgreich war, ist aber der, dass Helmholtz nicht einmal zwei Jahre später tatsächlich wieder in die Institution eingeladen wurde, um erneut über die Erhaltung der Kraft (Energie) und ihre Anwendung zu referieren (wobei er dieses Mal sechs Vorträge zum Thema hielt). In seinem Friday Evening Discourse vertrat Helmholtz die These, dass das Prinzip der Krafterhaltung ein völlig allgemeines sei und »alle verschiedenen Zweige von Physik und Chemie umfasst und beherrscht«. Es sei nicht nur für das Verständnis »des Wesens der Kräfte« wichtig, sondern auch für das »unmittelbarer und praktischer Fragen bei der Konstruktion von Maschinen«. (Helmholtz verzichtete darauf, den letztgenannten Punkt genauer zu erörtern: »Sie werden diese Ergebnisse besser von Ihren eigenen Landsleuten erklärt bekommen.«) In Anlehnung an Rankine meinte er, man könne es ebenso gut »die Erhaltung der Energie« wie »die Erhaltung der Kraft« nennen. Diese Bemerkung ist nicht zuletzt ein Hinweis darauf, dass Wesen und Rang dieses Gesetzes in Helmholtz’ Denken nicht mehr exakt dieselben waren. Er erklärte, dass es zwar »in der Natur aller anorganischen Kräfte liegt, sich durch ihr eigenes Wirken zu erschöpfen, dass aber die Kraft des gesamten Systems, in dem diese Veränderungen stattfinden, sich in ihrer Quantität weder erschöpft noch erhöht, sondern nur ihrer Form nach verändert«. Er nannte die Schwerkraft als ein Beispiel für einen solchen Prozess und führte Schwere, Geschwindigkeit, Elastizität, Wärme und chemischen Brennstoff als Beispiele für »Triebkräfte« an. Joule habe, erklärte er weiter, das mechanische Wärmeäquivalent bestimmt und erkannt, dass Wärme als Triebkraft in mechanische Kraft umgewandelt werden könne, wie zum Beispiel durch den chemischen Prozess der Brennstoffverbrennung in einer Dampfmaschine.27 Die Menge an Energie (oder die »Arbeitsleistung«) des gesamten Universums müsse daher konstant sein, so seine Überzeugung. Geht man davon aus, dass Laplace’ Nebularhypothese zutrifft – dass also das Universum im Urzustand aus chaotischer Nebelmaterie bestand, die sich im gesamten Raum verteilte und sich dann unter der Einwirkung von Gravitationskräften zum gegenwärtigen Planetensystem
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verdichtet hat –, so muss dabei auch eine »immens große« Wärmemenge erzeugt worden sein, sodass speziell die Sonne auf 28 Millionen Grad erhitzt wurde. Das Zusammenziehen der Sonne hatte demzufolge Materie in (hauptsächlich) Wärmeenergie umgewandelt. Diese Kontraktionshypothese führte zu dem Schluss, dass die Erde als viel älter anzusehen sei, als viele Geologen, Physiker, Theologen und andere angenommen hatten. Auch hatten jüngste spektroskopische Analysen der Sonne durch Kirchhoff und Bunsen gezeigt, dass die Sonne heißer ist als jeder Körper auf der Erde und ihre Atmosphäre neben anderen Metallen auch verdampftes Eisen enthält. Im Gegensatz dazu befindet sich der größte Teil der Erdwärme im Inneren des Planeten und kann nicht an die Oberfläche gelangen (außer durch vulkanische Aktivität). Daher seien, so folgert Helmholtz, mit Ausnahme der Gezeitenkräfte alle Veränderungen auf der Erdoberfläche letztlich der Sonneneinstrahlung geschuldet. Temperaturunterschiede an der Erdoberfläche seien wiederum für die Entstehung der Erdatmosphäre (einschließlich Winden, Dämpfen, Wolken und Regen) verantwortlich. Kurzum, Helmholtz behauptete, dass die Meteorologie der Erde im Wesentlichen auf die Sonnenwärme zurückzuführen sei. In ähnlicher Weise bewirke die Sonne auch das Pflanzenwachstum. Es sei »sehr bemerkenswert und kurios«, dass zuerst Mayer und dann er selbst, beides Physiologen, »zu einem solchen Gesetz kommen sollten«. Er fuhr fort: »Es erscheint natürlicher, dass es von Naturphilosophen oder Ingenieuren entdeckt würde, wie es in England der Fall war; in der Tat besteht aber mit der Krafterhaltung eine enge Verbindung zwischen den grundlegenden Fragen der Technologie und den grundlegenden Fragen der Physiologie. Um Maschinen in Bewegung zu setzen, ist es immer nötig, Triebkraft zu haben, sei es in Form des Wassers, des Brennstoffs oder lebendigen animalischen Materials.« Das sei auch der Grund dafür, warum früher viele Maschinenkonstrukteure versucht hätten, eine Art Perpetuum mobile zu erschaffen. Sie hätten sogar angenommen, dass der tierische Körper ein solches sei, weil sie nicht erkannt hätten, dass die Nahrung, die das Tier verzehrt, in Wirklichkeit sein Treibstoff sei. Tatsächlich bestehe eine starke Analogie zwischen einem lebendigen Körper und einer Dampfmaschine: Tiere nehmen Nahrung (Brennstoff ) zu sich und atmen Sauerstoff aus der Luft ein, was den Quellen nicht unähnlich ist, die eine Dampfmaschine antreiben. Auch kann ein Tier eine bestimmte Menge an mechanischer Arbeit verrichten, entweder in Form von Wärme oder als »echte mechanische Arbeit« (also Muskelanstrengung). Aber die Analogie zwischen dem Körper und einer Dampfmaschine bleibe genau das, nämlich nur eine Analogie, so Helmholtz weiter. Was die Menge der geleisteten Arbeit betreffe, sei schließlich »der menschliche Körper […] eine bessere Maschine als eine Dampfmaschine[;] nur sein Brennstoff ist teurer als der von Dampfmaschinen«. Helmholtz schlussfolgerte daher: »Die Gesetze des animalischen Lebens stimmen mit dem Prinzip der Krafterhaltung überein, zumindest soweit wir es gegenwärtig in Bezug auf diesen Gegenstand beurteilen können.
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Noch können wir zwar nicht beweisen, dass die von lebendigen Körpern geleistete Arbeit ein exaktes Äquivalent der chemischen Kräfte ist, die in Gang gesetzt worden sind«, aber er hielt es dennoch für »höchst wahrscheinlich, dass das Gesetz der Krafterhaltung auch für lebendige Körper gilt«. Was seiner Ansicht nach dagegen nicht zur Diskussion stand, war, dass die Agenzien oder anorganischen Kräfte, die im Körper wirksam sind, dies aus Notwendigkeit tun, »und dass es keine willkürliche Wahl in der Ausrichtung ihres Wirkens geben kann«, wie er es ausdrückte. Seine im Wesentlichen deterministische und reduktionistische Sichtweise stand somit im Gegensatz zu der Rolle, die seine schottischen Freunde und Kollegen (die Thomsons, Maxwell, Tait und andere) dem freien Willen in der Natur zusprachen. Tyndall, dessen Ansichten und Bemühungen von Thomson und Tait wiederholt angegriffen oder ins Lächerliche gezogen wurden, brachte dagegen naturalistische wissenschaftliche Positionen zum Ausdruck.28 In dieser Hinsicht stand Helmholtz Tyndall mithin viel näher als seinem guten Freund Thomson.
Eine zweite Ehe, ein Salon und familiäres Leid Ende April war Helmholtz zurück in Heidelberg, wo du Bois-Reymond ihn besuchte. Helmholtz erwartete seinen engen Freund am Bahnhof. Sie speisten mit Bunsen in du Bois-Reymonds Hotel, und anschließend gesellte sich Kirchhoff zu ihnen; sie sahen sich Bunsens Laboratorium an, wo Kirchhoff ihnen einige Experimente vorführte. Dann stiegen sie zum Schloss hinauf und kehrten zum Tee zu Kirchhoff zurück. Dort begegnete du Bois-Reymond zum ersten Mal Anna. »Die Braut ist nichts weniger als hübsch, aber sehr lebhaft u. knowing, ich sollte meinen, sie hat an der Partie ebensoviel Anteil als Helmholtz«, berichtete er seiner Frau Jeannette. Er beneidete die enge Beziehung, die Helmholtz, Bunsen und Kirchhoff untereinander entwickelt hatten, und meinte, sie verschaffe ihnen einen »ganz unberechenbaren Vorteil«. Bei einer ihrer gemeinsamen Mahlzeiten überließ ihm der »Fisch«, wie er Helmholtz nannte, seine Schale mit Ananas, »die er […] verschmähte, da er bekanntlich kein Obst ißt«. Du Bois-Reymond hätte freilich auch erwähnen können, dass Helmholtz nicht rauchte und nur geringe Mengen Alkohol zu sich nahm, da er meinte, dieser behindere sein Denken und ergo seine Fähigkeit, wissenschaftliche Ideen zu entwickeln. Generell war er schlicht in allem, was er tat und konsumierte, auf Mäßigung bedacht. Der rundherum begnadete Zustand, in dem Helmholtz sich befand (in wissenschaftlicher, kollegialer und gesellschaftlicher Hinsicht), ließ du Bois-Reymond freilich in bedrückter Stimmung zurück. Im Gegensatz dazu verspürte Magnus, der Helmholtz im Mai besuchte und Anna kennenlernte, offenbar keinen Neid.29 Hermann Helmholtz und Anna von Mohl wurden am 16. Mai 1861 um 11.30 Uhr in Heidelberg kirchlich getraut (durch einen städtischen Geistlichen). Hermanns Kinder waren nicht anwesend; sie blieben vorerst in Dahlem.30 Anna büßte nun
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zwar ihr »von« ein, erhielt aber stattdessen einen der berühmtesten Familiennamen im kulturellen Leben der Zeit. Anna zog bei Helmholtz ein und machte sich an die Umgestaltung der Wohnung. Falls sie es nicht schon gewusst hatte, so erfuhr sie spätestens jetzt, dass er in der Regel früh aufstand und der Vormittag »seine beste Arbeitszeit« war, dass er gegen 13 Uhr eine Pause einlegte, die bis 16 Uhr dauerte, und dass er dann wieder an die Arbeit ging und die Abende für die Erholung und die Familie reservierte. Anfang August verbrachten sie ihre Flitterwochen in der Schweiz und in Norditalien. An Roscoe schrieb er: »Uns ist es in der bisher durchlebten ersten Zeit unserer Ehe in jeder Beziehung gut gegangen.« Er und sie passten sehr gut zueinander. Anna schrieb ihrer Tante Mary, dass die Flitterwochen »eine bezaubernde Reise« gewesen seien – und Hermann der perfekte Reisebegleiter.31 Den Haushalt hatte sie bereits reibungslos am Laufen. Wahrscheinlich spielte sie auf sein im Entstehen begriffenes Buch über Physiologie und Musik an, als sie festhielt: »Wenn Hermann mit seiner Arbeit fertig ist, es sei denn, dass es Mathematik war, von der es mich graust und die er vergöttert, versuche ich, mich auf den neuesten Stand über das zu bringen, was er gemacht hat, und wenn er mit einem Absatz fertig ist, so lässt er mich ihn lesen – und das gefällt mir sehr gut.« Seine täglichen und persönlichen Bedürfnisse waren und blieben nach Annas Auskunft schlicht. Ihr gemeinsames Haus machte Anna jedoch zu einem gesellschaftlich und intellektuell wichtigen Platz in Heidelberg. Es wurde bekannt als ein Ort anregender Konversation und guter Musik, während Essen und Trinken nur eine untergeordnete Rolle spielten; kurz, es wurde zu einem Salon, wie ihn ihre Mutter und ihre Tante unterhalten hatten. Zu den regelmäßigen Gästen des Paares zählten die Gelehrten Häusser, Vangerow, Gervinus und Zeller sowie Bunsen und Kirchhoff. (Zeller, ein gelernter Theologe und Experte für die alten Griechen, wurde ein guter Freund von Helmholtz, zum einen, weil er ebenso wie dieser an der Zurück-zu-Kant-Bewegung führend beteiligt war, und zum anderen, weil beide ähnliche liberale Gedanken und Ansichten hegten.)32 Anna brachte Helmholtz und seinem Haushalt Lebensart und Lebensfreude und blühte in ihrem Haus und in ihrer neuen Rolle als Frau Professor Helmholtz auf. Ihre Temperamente waren jedoch sehr unterschiedlich. Anna war lebhaft und energisch, warmherzig, eigensinnig und mit einem bissigen Humor ausgestattet, der oft ins Sarkastische abglitt und ihr den Ruf einbrachte, arrogant zu sein. Sie war eine ausgezeichnete Menschenkennerin, musste Ordnung und Schönheit im Haushalt und manchmal auch darüber hinaus schaffen, und sie war zwar gläubig, aber nicht dogmatisch.33 Hermann dagegen war ruhig, friedfertig und (manchmal) stur. Ihre Persönlichkeiten ergänzten einander, was möglicherweise dazu beitrug, dass ihre Ehe so gut funktionierte. Während Hermanns Ehe mit Olga eine affaire d’amour gewesen war, war sein Verhältnis zu Anna zumindest auch eine affaire
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d’intérêt. Seine Briefe an Olga zeugten von einer größeren Tiefe der Leidenschaft hinter seiner kühlen wissenschaftlichen Fassade als die an Anna. Doch in beiden Fällen herrschte die Liebe: Obgleich weder Olga noch Anna irgendeine weiterführende Ausbildung erhalten hatten und ihnen wissenschaftliches Verständnis fehlte, waren beide in der Ehe ihm praktisch ebenbürtig. Helmholtz fühlte sich wohl in ihrer Nähe, wie in der Nähe von Frauen generell – tatsächlich war ihm in Gegenwart des weiblichen Geschlechts vielleicht sogar wohler als im Umgang mit Männern. Er verspürte sehr stark den Wunsch danach, verheiratet zu sein – und nach Olgas Tod die Notwendigkeit, verheiratet zu sein –, und hatte einen starken Sinn für Heim und Familie. Die Ehe gab ihm ein stärkeres Gefühl von Stabilität und Verantwortung. Sie passte zu ihm. Trotz der vielen guten Seiten seiner neuen Ehe erwies sich der Winter 1861/62 für Helmholtz als schwierig. Er litt erneut enorm unter migränebedingten Kopfschmerzen, bis hin zu dem Punkt, dass er manchmal tagelang nicht arbeiten konnte (dabei empfand er eine Einreibung mit Veratrinsalbe seitlich der schmerzenden Augen als »sehr nützlich«). Es gelang ihm aber dennoch, sein Manuskript über Physiologie und Klang fertigzustellen. Außerdem erhielt er Besuch von Alexander Crum Brown, einem organischen Chemiker aus Edinburgh, den er recht gerne mochte und der gerade in eine Kontroverse mit Brewster, Carpenter und Wheatstone verwickelt war. Dabei ging es darum, ob eine Reihe von Zeichnungen eines italienischen Künstlers aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, die Crum Brown in einem Museum in Lille gefunden hatte, stereoskopisch waren oder nicht. Er schickte eine Kopie der Zeichnungen an Helmholtz, um seine Meinung dazu in Erfahrung zu bringen.34 Den größten Teil des Monats März 1862 war Helmholtz jedoch weniger mit seiner eigenen Gesundheit als vielmehr mit familiären Angelegenheiten beschäftigt. Am 3. März, weniger als zehn Monate nach der Hochzeit, gebar Anna ihr erstes Kind, Robert Julius Helmholtz. Die lange und für Mutter und Sohn schwere Geburt – es bedurfte einer Zange, um ihn zu holen – war bereits ein Vorzeichen für Roberts Zukunft. Von Anfang an machte sich das Paar große Sorgen um die Gesundheit ihres Neugeborenen. Anna selbst litt an einer lebensbedrohlichen Entzündung. Sie fürchteten zunächst, sie könnten Robert verlieren, aber zwei Wochen nach seiner Geburt erklärte Helmholtz seinen Sohn mit großer Erleichterung für so gesund wie irgend möglich. »Da Vater und Mutter dicke Köpfe haben«, scherzte er gegenüber du Bois-Reymond, »mußte er nach Darwin einen noch dickeren haben«, und er bat ihn darum, all diese Neuigkeiten bei der nächsten Versammlung der Akademie »privatim meinen Freunden Magnus, Dove, Olshausen, Weierstraß [und] Borchardt« zu berichten. Doch sein Gefühl der Erleichterung erwies sich als etwas verfrüht. Es dauerte noch einen weiteren Monat, bis Robert über den Berg war; im Mai hatten sich dann beide, Mutter und Sohn, vollständig erholt. Es schien daher so, als hätten sie das Schlimmste überstanden und könnten an ein weiteres Kind denken. Im Au-
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gust und September reiste Helmholtz zunächst für einen kurzen Kuraufenthalt nach Kissingen und anschließend weiter zum Bergsteigen. Seine Kopfschmerzen im vorigen Winter waren so heftig gewesen, dass seine Ärzte darauf bestanden, dass er für eine Trinkkur mit dem dortigen Mineralwasser nach Kissingen reiste. Eigentlich hätte er die See vorgezogen, gestand später aber ein, dass ihm die Behandlung geholfen habe, den folgenden Winter zu überstehen. Dies war die erste Trennung von Hermann und Anna seit ihrer Hochzeit, und Anna fühlte sich ohne ihn melancholisch und einsam. Im September verbrachten die beiden eine gemeinsame Zeit in den Bergen rund um Salzburg. In jenem Monat plante er zudem, Brücke in der Nähe von Wien zu besuchen. Im Oktober fand der Kongress für Augenheilkunde in Wien statt, wo in Anerkennung seiner Verdienste auf diesem Gebiet auf sein Wohl angestoßen wurde, auch wenn er nicht dabei war.35 Während des Winters 1863/64, als Anna wieder schwanger war, zeigte sich, dass Robert kein normales, gesundes Kind war. Die Eheleute stellten fest, dass er ernsthafte Entwicklungsprobleme hatte, und mit der Zeit wurde klar, dass er unter einer angeborenen Knochenfehlbildung im Bereich von Hüfte und Rücken litt. (Anscheinend waren Knochen hier nie richtig zusammengewachsen.) Robert war zwar geistig gesund, konnte aber nicht normal gehen oder laufen. Dies schmerzte Anna zutiefst; sie glaubte – und zwar zu Recht, wie sich später herausstellte –, dass er lebenslang behindert sein würde. Sein rechtes Knie war auch ein besonderer Schwachpunkt, und er hatte große Schmerzen. Helmholtz teilte mit, dass es seiner Familie gut gehe, fügte aber hinzu: »[U]nser kleiner Robert macht uns Sorge, weil er seit einiger Zeit in der Hüfte lahm ist und deshalb jetzt gar nicht gehen darf.« Er bat seinen Freund und Kollegen Wilhelm Busch, einen Professor für Chirurgie an der Universität Bonn, um Rat. Nachdem Busch nach Heidelberg gekommen war und Robert untersucht hatte, ließ er ihn eine maßgefertigte orthopädische Schiene tragen. Er nahm an, dass Robert genesen würde, und riet den Eltern, Geduld zu haben. Anna blieb jedoch äußerst besorgt über seinen Zustand. »Natürlich dreht sich unsere ganze Existenz um ihn«, teilte sie ihrem Onkel Julius mit. Über die Zeit wandten sich die Eheleute Helmholtz an zahlreiche Ärzte, um Diagnosen und Behandlungsvorschläge zu erhalten. Und obwohl sich Hermann gewiss Sorgen um Robert machte, scheint es so, als sei es Anna, die Mutter, gewesen, die sich im Alltag hauptsächlich um den Sohn kümmerte.36 Die Geburt ihres zweiten – gesunden – Kindes Ellen (am 24. April 1864) hat ihnen möglicherweise etwas Trost verschafft. Etwa zum Jahreswechsel 1865 erwähnte Helmholtz gegenüber Freunden, dass in den vergangenen zwei Monaten alle seine vier Kinder nacheinander die Masern gehabt hatten und Robert immer noch ans Bett gefesselt sei. »[U]nsere Häuslichkeit [war] eine Weile sehr unbequem […] und schließlich [half] doch nichts.« Diese Sorge betraf vor allem Anna, die selbst Fieber hatte. Einen Monat später hatte sich die Situation in seinem Haushalt weitgehend gebessert, allerdings nicht für
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Robert, dessen Zustand schlimmer denn je zu sein schien. »In unsrer Familie haben wir viel Noth und Krankheit gehabt«, berichtete Helmholtz, und sie sehnten sich »nach ruhigeren und gesünderen Zeiten«. Acht Monate später berichtete er Jacques-Louis Soret, einem Genfer Chemiker und Physiker, dass es Robert und Ellen zwar gut gehe, das Bein seines Sohnes allerdings »steif, aber schmerzlos« sei und er gerade erst wieder anfange, es ein wenig zu gebrauchen. Zwischenzeitlich habe er sich angewöhnt, sich auf Händen fortzubewegen. Anna ließ Robert von drei neuen Chirurgen untersuchen und fragte sich, ob es ihm, so leidend, wie er war, im »Himmel« nicht besser gehen würde. Sie dankte Gott jeden Tag dafür, dass er sie gesegnet hatte, und hasste es, Hermann mit all diesen Mühen und Sorgen zu belasten, während er versuchte, seine eigene Gesundheit wiederherzustellen. Roberts Befinden verbesserte sich schließlich stärker, als es die Ärzte erwartet hatten. Dennoch war er nun schon seit 18 Monaten in diesem Zustand, und als Folge davon war Anna merklich gealtert.37 Das Ehepaar Helmholtz vermutete, dass Robert den Winter 1865/66 nicht überleben würde. Doch er tat es, obwohl seine diversen medizinischen und chirurgischen Behandlungen ohne jedes positive Resultat blieben. Und während ihre anderen Kinder gesund waren und blieben, hatten sie weiterhin »viel Noth mit unserem kleinen lahmen Robert«. Dieser war zwar munter und kräftig, konnte aber, so Anna, »freilich […] sein krankes Bein noch gar nicht gebrauchen, und sich nur kriechend an der Erde fortbewegen«. Robert war so schwer behindert, dass er selbst im Alter von fünf Jahren noch nicht mit Krücken laufen konnte. Anna erkannte deutlich, welches Schicksal ihnen bevorstand. Sie schrieb an Hermann, der ohne seine Familie nach Berlin reisen musste: »Der liebe Gott hat dem armen Bubi nun einmal eine normale Existenz versagt und da muß er unsere erste Sorge sein und bleiben. Die Zukunft wird weder für ihn noch für uns leichter werden, das weiß ich mit jedem Tage mehr, wenn es auch nicht viel hilft, darüber zu reden.« Fast ein halbes Jahr später äußerte sie sich ihrer Tante in Paris gegenüber in fast der gleichen Weise. Robert war dennoch ein glückliches Kind, das den größten Teil des Tages mit Zeichnen und Spielen verbrachte, während es auf dem Sofa lag. Alle schienen sich darin einig zu sein, dass an seinem Gesundheitszustand wenig bis gar nichts zu machen sei. In der Zwischenzeit hatte er recht gut lesen gelernt, sich die französischen Buchstaben und einige Zahlen selbst beigebracht und wollte »sehnlichst Unterricht bei einem wahren Meister erhalten«. Die Leute mochten ihn, und er hatte Spielkameraden. Helmholtz schrieb an du Bois-Reymond: »Der kleine Robert ist viel kräftiger in seiner Gesundheit, aber leider arg verkrümmt, übrigens ein kluger und aufgeweckter Bube.« Sein Zustand blieb bis zu seinem Tod im Alter von 28 Jahren mehr oder weniger unverändert.38
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Wissenschaft und moderner Nationalstaat In den 1860er-Jahren wurden im Großherzogtum Baden liberale Reformen durchgesetzt, die auch die Universitäten betrafen. Ende 1861 sprach sich der Heidelberger Hochschulsenat, dem vor allem liberal gesinnte Professoren angehörten, mehrheitlich für eine Neuordnung der Universitätsleitung aus. Unter anderem wurden Professoren ohne Lehrstuhl mehr Rechte eingeräumt. Helmholtz befürwortete diese Reformen. Im Januar 1862 wählten ihn die ordentlichen Professoren mit überwältigender Mehrheit zu ihrem neuen Prorektor. Seine Hauptaufgabe bestand nun darin, das Tagesgeschäft der Hochschule zu überwachen.1 Helmholtz trat das Amt im April des Jahres an und behielt es für die kommenden zwei Semester. Seine Ernennung und anschließende Antrittsrede fügten sich nahtlos in die umfassenderen Veränderungen im Land Baden ein. Als Prorektor unterstand Helmholtz dem Innenministerium, das wiederum dem Großherzog Bericht schuldete. Helmholtz war von Anfang an klar, dass seine neue Aufgabe sehr zeitaufwendig sein würde. Als Dekan der medizinischen Fakultät in Königsberg hatte er bereits Erfahrung in der Verwaltung gesammelt und wusste also, welche Anforderungen eine solche Funktion stellte. Bei den über 700 in Heidelberg eingeschriebenen Studenten genoss Helmholtz jedenfalls breite Unterstützung.2 Schon im Mai berichtete Anna, er sei »fast nie zu Hause, weil er Studenten immatrikuliert oder sonstige Geschäfte hat«. Helmholtz selbst schrieb Thomson, seine Zeit sei beinahe ganz mit administrativen Pflichten angefüllt. Er plane, im Herbst ans Meer zu fahren, um dort seine Kopfschmerzen zu lindern, für einen Besuch in London jedoch, wo er sich gerne eine Ausstellung ansehen wolle, sei die Zeit wohl zu knapp. Als Prorektor könne er Heidelberg schließlich nur verlassen, wenn er für die Zeit seiner Abwesenheit einen Vertreter finde. Hinzu kam, dass er sich um die nicht abebbenden Bitten um Empfehlungsschreiben kümmern musste – unter anderem verfasste er eine solche Empfehlung für Nathanael Pringsheim, der sich in Heidelberg für die Botanikprofessur bewarb. Pringsheim war seinerzeit der führende Forscher auf diesem Gebiet und noch dazu ein exzellenter Lehrer. Er erhielt die Stelle nicht – offenbar, weil er Jude war.3 Selbst als Prorektor war Helmholtz’ Einfluss an der Universität beschränkt. So hatte er in diesem akademischen Jahr wenig Zeit für die eigene wissenschaftliche Arbeit, zumal sein Buch über physiologische Akustik und Musik in den Druck ging und er den Bau seines neuen physiologischen Instituts überwachte. Dennoch schaffte er es, im Wintersemester 1862/63 eine neue Vorlesung über »Die allgemei-
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nen Resultate der Naturwissenschaft« anzubieten. Es handelte sich dabei um eine populärwissenschaftliche Vortragsreihe, deren Vorbereitung ihm einige Arbeit abverlangte. Helmholtz nahm sich den Energieerhaltungssatz und dessen Folgen zum Leitthema, unter dem er nahezu alle Bereiche der Naturwissenschaft vorstellte und in einen größeren Zusammenhang stellte: »die astronomischen, geologischen, climatischen, meterologischen Erscheinungen und das Leben der Pflanzen und Thiere im Ganzen«. Dazu hatte er »natürlich vielerlei studiren müßen, was ich nicht mehr recht genau wüßte«. Besonders interessiert war er an Thomsons neuesten Ergebnissen zur Erdabkühlung und den Formveränderungen von elastischen Kugelschalen mit Blick auf die Erde. Die meisten Zuhörer seiner Vorlesung waren keine Studenten der Naturwissenschaft. So saß etwa Alfred Stern im Auditorium, der eigentlich Geschichte und Jura studierte und sich dafür begeisterte, wie »Helmholtz in formlosem, aber immer anregendem und geistreichem Vortrag die verschiedensten Gegenstände, wie die Tonempfindungen, den Bau des menschlichen Auges, die Spektralanalyse, den Neanderschädel behandelte«. Bei einer dieser Vorlesungen lernte Stern Aaron Bernstein kennen, einen jüdischen Buchhändler, Theologen, liberalen Politiker, Journalisten und Autor. Unter den zahlreichen Schriften Bernsteins befand sich eine viel gelesene naturwissenschaftliche Reihe für das breite Publikum, die Naturwissenschaftlichen Volksbücher (1. Auflage 1853 – 1857). Diese Bücher wiederum inspirierten den jungen Albert Einstein, der als Student am Züricher Polytechnikum von Stern unterstützt wurde, nachdem der die dortige Geschichtsprofessur übernommen hatte.4 Ende November 1862 hielt Helmholtz die obligatorische Antrittsvorlesung als Prorektor. Sein Thema war das Verhältnis der Naturwissenschaften zur Gesamtheit der Wissenschaft, betrachtet im institutionellen Rahmen der deutschen Universität und Gesellschaft. Er begann mit einer symbolischen Verbeugung vor Karl Friedrich, »einem erleuchteten Fürsten dieses Landes«, der die Universität während der Napoleonischen Zeit neu begründet hatte. Karl Friedrich, so erklärte Helmholtz, sei sich immer bewusst gewesen, dass die Erneuerung und Wiederbelebung der Universität ein wichtiges Mittel zum künftigen Wohl der Bevölkerung darstelle. Bildung, davon war Helmholtz überzeugt, diente dem gesellschaftlichen Fortkommen, und als Leiter der Universität fand er es angemessen, die Wissenschaften und ihr Studium in einem größeren gesellschaftlichen Zusammenhang zu betrachten, obgleich er von dem beschränkten Standpunkt wusste, den der Einzelne zwangsläufig einnehme.5 Helmholtz konstatierte, dass die gemeinsamen Beziehungen der Wissenschaften zueinander in jüngster Zeit immer lockerer geworden zu sein schienen. Er sah dies in Zusammenhang damit, dass die modernen Gelehrten sich innerhalb ihrer jeweiligen Disziplin so sehr ins Detailstudium vertieften, dass niemand mehr daran denken könne, mehr als ein kleines Teilgebiet der aktuellen Wissenschaft zu über-
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blicken. So gebe es beispielsweise innerhalb der klassischen Philologie heute neben jenen, die das Studium der klassischen Texte betrieben, andere Gelehrte, die damit beschäftigt seien, selbst »in einem unbekannten Winkel Ungarns, Spaniens oder Afrikas« empirische Beweisstücke zu sammeln und zu katalogisieren, damit sie »zum Gebrauch durch wieder andere« bereit seien.6 Helmholtz lag in seiner Rede daran, den großen Zusammenhang nachzuzeichnen und die Verbindungen zwischen den verschiedenen Wissenszweigen in den Blick zu rücken. Der modernen Naturwissenschaft, so sagte er, werde vorgeworfen, Überspezialisierung zu betreiben und den übrigen Wissenschaften, die durch humanistische Studien untereinander verbunden seien, fremd geworden zu sein. Daran sei etwas Wahres, räumte Helmholtz ein, doch als verantwortlich für diese Situation betrachtete er die Hegelianer und nicht etwa die Naturwissenschaftler. (Dies war nicht sein erster und auch nicht sein letzter rhetorischer Schlag gegen die Anhänger Hegels.) Eine solche Trennung habe es unter dem Einfluss der Kant’schen Lehre noch nicht gegeben, so Helmholtz, denn diese »stand vielmehr mit den Naturwissenschaften auf genau gleichem Boden«. Kants eigene naturwissenschaftliche Arbeiten waren doch eng mit den Namen Newton und Laplace verbunden, und seine kritische Philosophie hatte zum Ziel, »die Quellen und die Berechtigung unseres Wissens« zu erforschen. Hegels »Identitätsphilosophie« dagegen sah den Ursprung von Welt, Natur und Menschenleben im »Denken eines schöpferischen Geistes«. Entsprechend glaubten die Hegelianer, es könne allein durch den menschlichen Geist und A-priori-Folgerungen, auch ohne äußere Erfahrungen, Wissen über die Welt erlangt werden. Helmholtz gestand ein, dass dieses Vorgehen tatsächlich mit Blick auf die Geisteswissenschaften (also Disziplinen wie Religion, Recht, Staatswesen, Sprache, Kunst oder Geschichte) sinnvolle Ergebnisse liefern könne. Denn deren Forschungsgegenstände entstünden insofern wesentlich aus einer psychologischen Grundlage, als sie der Befriedigung gewisser geistiger Bedürfnisse des Menschen dienten. Helmholtz glaubte trotz aller äußeren Hindernisse und Zufälle an ein letztlich planvolles Wirken des menschlichen Geistes und hielt es deshalb auf diesen Gebieten durchaus für sinnvoll, aus einem genauen Verständnis ebendieses Geistes heraus mit A-priori-Abstraktionen zu arbeiten, vor allem wenn bereits ein breites empirisches Material vorliege. Auch Hegel habe viele früher gewonnene Einsichten zu seinem philosophischen System zusammenordnen können, das ihm »so viel Beifall seitens der Gebildeten seiner Zeit« eingebracht habe – vielleicht umso mehr, da seine abstrakte Sprache die Zusammenhänge des Systems eher verhülle als verständlich mache.7 Das war wohl der freundlichste Kommentar zu Hegel, den Helmholtz je äußerte. Im Gegensatz dazu glaubte er aber, dass man in den Naturwissenschaften, wo »die Tatsachen der Natur das entscheidende Prüfungsmittel« seien, mit einem A-priori-Ansatz nicht sinnvoll arbeiten könne. Denn die Natur folge nun einmal
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nicht den Denkwegen des Verstandes, und darum sei Hegels philosophischer Ansatz hier »vollständig« gescheitert. Die Hegelianer hätten aber vor allem Newton als den wichtigsten Repräsentanten der wissenschaftlichen Naturforschung angegriffen und die Naturforscher insgesamt »der Borniertheit geziehen«. Darum, so befand Helmholtz, habe sich die Naturwissenschaft immer mehr von der Philosophie entfernt und sie »als unnütz, ja sogar als schädliche Träumerei« verdammt. Erst der ungerechtfertigte Anspruch der Hegelianer auf Unterordnung der übrigen Disziplinen habe die Naturforscher dazu gebracht, sogar »die berechtigten Ansprüche der Philosophie« über Bord zu werfen, die darin bestünden, »die Kritik der Erkenntnisquellen auszuüben und den Maasstab der geistigen Arbeit festzustellen«.8 Die Argumente, die Helmholtz hier 1862 gegen Hegel vorbrachte, ähneln jenen, die er knapp zehn Jahre zuvor gegen Goethe geäußert hatte. Der scharfe Gegensatz zwischen Natur- und Geisteswissenschaften – der schon seit den 1830er- und 1840er-Jahren ein Thema war – habe den Naturwissenschaften bald zu einer ganzen Reihe »glänzender Entdeckungen und Anwendungen« und damit zu Ansehen verholfen. Auch in den Geisteswissenschaften habe sich die sorgfältige Erforschung der Tatsachen »gegen den allzu kühnen Icarusflug der Speculation« durchgesetzt. Doch das Hegel’sche Denken und andere philosophische Systeme hatten nach Helmholtz’ Ansicht auch ihre ganz eigenen und durchaus positiven Spuren in den Geisteswissenschaften hinterlassen. Er räumte zudem ein, dass sich durch die Verbreitung des empirischen Vorgehens der Gegensatz zu den Naturwissenschaften gemildert habe, doch sah er bei dieser Annäherung eindeutig Grenzen. Helmholtz war überzeugt, dass Geistes- und Naturwissenschaft verschiedene Formen geistiger Arbeit darstellten und sich natürlich auch mit ganz verschiedenen Inhalten befassten. Wie schon in seiner Ansprache zu Goethe brachte er vor, dass etwa der Physiker in einer Weise von den Phänomenen abstrahiere und sich geometrischer und mechanischer Anschauung bediene, der ein Philologe oder Jurist nicht folgen könne. Ein Ästhetiker oder ein Theologe dagegen fände die »mechanischen und materialistischen Erklärungen« der Naturwissenschaft wahrscheinlich trivial. Helmholtz mahnte, man müsse sich immer bewusst sein, dass sich die Geisteswissenschaften mit den wichtigsten Interessen des menschlichen Geistes und den von ihm ersonnenen, die Welt ordnenden Konzepten befassten, während die Naturwissenschaften auf das Studium der Materie beschränkt seien und trotz ihres praktischen Nutzens kein unmittelbares Interesse an der »Bildung des Geistes« zu haben schienen.9 So kam es, dass nach 1830 der schrittweise, aber doch gewaltige Aufstieg der Naturwissenschaften in den deutschen Ländern das bisherige Konzept einer (Universal-)Bildung herausforderte, wodurch wiederum die Struktur der Universität im Sinne Humboldts in Zweifel gezogen wurde. Da kein Einzelner noch die gesamte Bandbreite der Wissenschaften überblicken könne, stellte Helmholtz die rhetori-
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sche Frage, ob es überhaupt noch sinnvoll sei, Geistes- und Naturwissenschaften, an ein und derselben Institution zusammenzufassen. Dabei hatte er vor allem die aktuellen Entwicklungen im Blick. Denn das Land Baden erwog gerade, genau solche organisatorischen Veränderungen vorzunehmen. 1863 wurde in Tübingen, 1873 in Straßburg die philosophische Fakultät aufgelöst und durch zwei getrennte Fakultäten für Naturwissenschaften und sonstige Wissenschaften ersetzt. War die Idee der vier Fakultäten Recht, Medizin, Theologie und Philosophie damit nur ein organisatorisches Überbleibsel des Mittelalters? Warum, so spann Helmholtz den Faden fort, schloss man die medizinischen Fakultäten nicht gleich den Spitälern der großen Städte an? Warum schickte man die Naturforscher nicht an die polytechnischen Hochschulen? Und warum errichtete man nicht gesonderte Seminare und Schulen für Theologie und Recht? Helmholtz für seinen Teil hoffte, dass diese Entwicklung nicht eintreten würde, wäre damit doch der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Wissenschaften endgültig zerrissen. Auch hier, auf organisatorischer und institutioneller Ebene, war letztlich sein altes Konzept von der Krafterhaltung wirksam, das doch alle Zweige der Physik und womöglich sämtliches Naturwissen vereinte. Dahinter stand das im deutschsprachigen Kulturraum weit verbreitete Ideal einer ganzheitlichen Ausbildung, das man andernorts weniger stark verfolgte.10 Helmholtz sah formale (institutionelle) und materielle Gründe, die dafür sprachen, die vier Fakultäten zusammenzulassen und die existierende Universitätsstruktur fortzuführen. In formaler Hinsicht würde »das gesunde Gleichgewicht der geistigen Kräfte« erhalten bleiben, da doch jede Wissenschaft eigene Anforderungen stellte und auf diese Weise verschiedene Geistesfähigkeiten gestärkt wurden. Zudem galt es, die Ausdifferenzierung auch innerhalb einer Disziplin zu berücksichtigen. Denn so talentiert der einzelne Wissenschaftler auch sein mochte – es gab doch immer Fachgebiete und Themen, die ein anderer besser beherrschte. Eine zu eng gefasste organisatorische Gliederung aber würde die Fähigkeit einschränken, den Zusammenhang des Ganzen zu sehen. Eine starke Spezialisierung führe »leicht zur Selbstüberschätzung« und diese sei »der grösste und schlimmste Feind aller wissenschaftlichen Thätigkeit«. Um Forschung und Lehre erfolgreich zu betreiben, so Helmholtz, müssten Wissenschaftler unbedingt selbstkritisch bleiben. Dazu gehörte auch, das »fleißige Sammeln und Ordnen von Fakten nicht zu verschmähen«, so trivial und unbedeutend sie auch anmuten mochten, und leere Theorien zu vermeiden. Für Helmholtz ging es in der Wissenschaft genauso um Charakter wie um Intellekt: Sie erforderte moralische und geistige Befähigung gleichermaßen.11 Zudem brauchte es Ordnung und Struktur: Je mehr Fakten jeder Wissenszweig sammelte, desto größer der Bedarf nach Systematisierung. Diese umfasste zuerst einmal ganz banale Dinge wie Kataloge, Lexika, Register, Indices, Literaturübersichten, Jahresberichte, naturhistorische Systeme und so weiter. Helmholtz sah in Werken dieser Art den »Grundstock des wissenschaftlichen Vermögens« und ver-
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glich sie im metaphorischen Sinn mit »einem Capital, was in Ländereien angelegt ist«. Obgleich derlei Druckwerke womöglich langweilig und trocken wirkten, stellten sie doch wichtige Faktensammlungen dar, und für Helmholtz ging es genau darum: jede einzelne Tatsache aufzufinden, zu überprüfen, mit anderen abzugleichen und dabei Wichtiges von Unwichtigerem zu trennen. Um dies zu leisten, musste der Forscher oder Gelehrte in der Lage sein, den höheren Zweck und den größeren Zusammenhang seiner Untersuchung zu erkennen.12 Doch all das waren nur Vorbedingungen, denn »die Wissenschaft entsteht erst, wenn sich ihr Gesetz und ihre Ursachen enthüllen«. Die Logik der Wissenschaft erfordere, Ähnlichkeiten zwischen den Dingen festzustellen und sie in allgemeine Begriffe – oder, wenn es sich um eine Reihe von Vorgängen oder Ereignissen handele, in Gesetze – zusammenzufassen. Anhand von Begriffen und Gesetzen lasse sich Wissen aufbewahren, handhaben und erweitern. In den Geisteswissenschaften könne es sich aber schwierig gestalten, Ähnlichkeiten zu erkennen und in klar begrenzten Begriffen zusammenzuführen. Wie ließ sich zum Beispiel menschlicher Ehrgeiz erkennen, definieren oder messen? In einem solchen Fall gehe unser Urteil nur »aus einem gewissen psychologischen Tacte« hervor, nicht aus einem bewussten geistigen Schließen. Helmholtz meinte, diese »künstlerische Induction« bleibe hinter der eigentlichen Induktion, nämlich der vollendeten Form des logischen Schließens, zurück und sie könne daher nicht zur Aufstellung ausnahmslos geltender Gesetze führen. Dabei beruhe aber jede Sinneswahrnehmung auf dieser im menschlichen Leben quasi allgegenwärtigen künstlerischen Induktion. Und »wegen der ausserordentlichen Verwickelung der Einflüsse, welche die Bildung des Charakters und der momentanen Gemüthsstimmung des Menschen bedingen«, spiele sie auch eine überaus wichtige Rolle in den psychologischen Vorgängen. Denn eben weil der Mensch sich einen freien Willen zuschreibe und keinem strengen Kausalitätsgesetz unterworfen sei, bleibe die Möglichkeit außen vor, die Äußerungen der Seele auf strikte Gesetze zu reduzieren.13 Indem er solcherart zwischen verschiedenen Formen von Induktion und Wissenschaft unterschied, griff Helmholtz zurück auf John Stuart Mills System of Logic, Ratiocinative and Inductive (1843, die erste vollständige deutsche Übersetzung System der deductiven und inductiven Logik erschien 1862), obgleich er sicher nicht mit allem einverstanden war, was Mill geschrieben hatte. Helmholtz glaubte, dass menschliche Überzeugungen und Handlungsweisen in den Bereichen Moral und Recht von außen kommenden Geboten und nicht etwa immanenten Gesetzen folgten, und obgleich er durchaus einen Gutteil Logik in den Geisteswissenschaften sah, unterschied sich diese doch von der naturwissenschaftlichen Logik. Denn die Geisteswissenschaften besaßen nicht den gleichen Grad an Folgerichtigkeit und Ausnahmslosigkeit wie die Naturwissenschaften, und sie erforderten oftmals eine Untersuchung der zugrundeliegenden Absichten.14
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Die Naturwissenschaften erforderten wiederum eine andere Art der geistigen Arbeit. Sicher, auch hier konnte ein »instinctives Gefühl für Analogien und ein gewisser künstlerischer Tact« gefragt sein – und dies insbesondere in der Naturkunde, wie Goethes vergleichende anatomische Studien bewiesen. Doch im Vergleich zu den Geisteswissenschaften erzeugten die Naturwissenschaften viel leichter allgemeingültige Begriffe und Sätze. Letztere seien besonders in den experimentellen und mathematisch orientierten Fächern anzutreffen, am ausgeprägtesten in der reinen Mathematik. Nach Helmholtz’ Ansicht waren diese Wissenschaften am besten geeignet, all die einzelnen Beobachtungen und Erfahrungen in allgemeine Gesetze von umfassender Reichweite zu verwandeln. Eben dazu waren die Geisteswissenschaften nicht in der Lage. In der Mathematik sah man laut Helmholtz die »Tätigkeit unseres Geistes in ihrer reinsten und vollendetsten Form« – nämlich der Logik. Auch die mathematische Physik und die physische Astronomie setzten abstrakte Begriffe und Logik ein. Die Entdeckung des Newton’schen Gravitationsgesetzes und seiner Konsequenzen war nach Helmholtz’ Einschätzung »die imponirendste Leistung, deren die logische Kraft des menschlichen Geistes jemals fähig gewesen ist«. Die experimentellen Wissenschaften hätten gegenüber den rein beobachtenden Disziplinen den deutlichen Vorteil, dass sie die Bedingungen festlegen könnten, die zu einem bestimmten Ergebnis führten: Auf diese Weise ließen sich leichter allgemeine Gesetze finden. Eben aus diesem Grund, erklärte Helmholtz, hatten die physikalischen Wissenschaften – »nachdem einmal die richtigen Methoden gefunden waren« – auch so schnelle Fortschritte gemacht. Nun ermöglichten sie uns, bis zu den Anfängen unseres Universums zurückzuschauen, die Zusammensetzung der Sonnenatmosphäre zu erforschen und allgemein die Naturkräfte für unsere Zwecke zu nutzen und sie »unserem Willen dienstbar zu machen«. Die physikalischen Wissenschaften seien durch Gesetze geprägt, bei denen wir es »mit einem ganz strengen Causalnexus zu thun haben, der keine Ausnahmen zulässt«. Deshalb müssten die Wissenschaftler ihre Arbeit fortsetzen, bis ausnahmslos gültige Gesetze gefunden seien; dann erst trage die Wissenschaft den Sieg über die Natur davon. Der Weg dorthin sei lang und erfordere »grosse Hartnäckigkeit und Vorsicht«, nur selten gebe es »schnelle Geistesblitze«. Obwohl Helmholtz die großen Fortschritte der mathematisch geprägten Naturwissenschaften herausstellte, betonte er doch zugleich, dass er damit die übrigen Wissenschaften nicht herabsetzen wolle, da diese in ihrer Beschäftigung mit dem menschlichen Geist selbst doch »die höhere und schwerere Aufgabe« zu bewältigen hätten. Dennoch hielt er es für wichtig, dass sie die methodischen und substanziellen Erfolge der exakten Wissenschaften nicht aus dem Blick verloren, konnten sie von ihnen doch den Respekt vor Fakten und die Suche nach deren kausalen Zusammenhängen lernen.15 Helmholtz wandte sich daraufhin den Anwendungen von Wissenschaft und dem höheren Zweck der Wissenschaften als Ganzem zu und fragte nach ihrem Platz im
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größeren Zusammenhang von menschlichem Leben und Gesellschaft. Wie schon sein Vater sah er den letzten Zweck des Menschen nicht im Wissen an sich, denn die Wissenschaften brachten seiner Ansicht nach keine wirkliche Erfüllung des menschlichen Daseins. Helmholtz ging nicht konform mit jenen, die den höchsten Sinn in der Vermehrung des Wissens und der Bildung des Geistes fanden. In seinen Augen war es das Handeln, das dem Menschen ein würdiges Dasein verschaffen konnte, womit die praktische Anwendung bekannten Wissens ebenso gemeint sein konnte wie die Vermehrung der Wissenschaft selbst, denn auch das sei »ein Handeln für den Fortschritt der Menschheit«.16 Bacons platitüdenhaften Satz »Wissen ist Macht« sah Helmholtz in keiner vorherigen Epoche augenfälliger bestätigt als in seiner eigenen: Die Wissenschaftler hatten die Naturkräfte der unorganischen Welt gelehrt, den menschlichen Zwecken zu dienen – zum Beispiel durch den Einsatz der Dampfmaschine. Doch er machte auch klar, dass die Stärke einer Nation – er dachte womöglich an Preußen, das zu dieser Zeit eine Verfassungskrise und damit einhergehende politisch-militärische Spannungen erlebte – nicht nur in solchen Maschinen bestand, und auch nicht in militärischem Gerät oder in Vorräten an Lebensmitteln und Geld. Vielmehr befand Helmholtz, »dass auch die stolzesten und unnachgiebigsten der absoluten Regierungen unserer Zeit daran denken müssten, die Industrie zu entfesseln und den politischen Interessen der arbeitenden bürgerlichen Classen eine berechtigte Stimme in ihrem Rathe einzuräumen«. Der moderne Nationalstaat erfordere ebenso eine stabile »politische und rechtliche Organisation« wie »die moralische Disciplin der Einzelnen«. Ebendiese Eigenschaften machten »das Uebergewicht der gebildeten Nationen über die ungebildeten« aus. Staaten, in denen die kulturelle Entwicklung hinterherblieb, müssten unweigerlich zerfallen: »Wo kein fester Rechtszustand ist, wo die Interessen der Mehrzahl des Volkes sich nicht in geordneter Weise geltend machen können, da ist auch die Entwickelung des Nationalreichthums und der darauf beruhenden Macht unmöglich; und zum rechten Soldaten wird nur der werden können, welcher unter gerechten Gesetzen das Ehrgefühl eines selbständigen Mannes auszubilden gelernt hat; nicht der Sklave, der den Launen eines eigenwilligen Gebieters unterworfen ist.«17 Damit sprach Helmholtz im Geist der Zeit: 1862 hob Baden die Zunftordnung auf und führte Gewerbefreiheit ein, außerdem wurde ein Gesetz zur formellen Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung verabschiedet. Die Rede des neuen Prorektors enthielt eine eindeutige nationalistische und liberale Botschaft. Seine beiden Themen – das Wesen der Wissenschaft und das Wesen des modernen Nationalstaats – waren nach Helmholtz’ Überzeugung eng miteinander verknüpft. Denn selbst ohne Rücksicht auf »höhere ideale Forderungen« müsse ein moderner Nationalstaat, der »selbständig und einflussreich« sein wollte, schon im Sinne seiner Selbsterhaltung sämtliche Wissenschaften fördern, Natur- ebenso wie
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Geisteswissenschaften. Denn sein Interesse lag nicht nur in der Ausbildung von Naturwissenschaftlern und Technikern, sondern er musste sich auch Beamte und Anwälte heranziehen sowie Gelehrte auf den Feldern der Ethik, Geschichte und Philologie. Den »cultivirten Völkern Europas« sei dieser Zusammenhang klar, weshalb er sich auch in einer beispiellosen staatlichen Förderung von Schulen, Universitäten und wissenschaftlicher Forschung niederschlage. »In der That bilden die Männer der Wissenschaft eine Art organisirter Armee. Sie suchen zum Besten der ganzen Nation, und fast immer in deren Auftrag und auf deren Kosten, die Kenntnisse zu vermehren, welche zur Steigerung der Industrie, des Reichthums, der Schönheit des Lebens, zur Verbesserung der politischen Organisation und der moralischen Entwickelung der Individuen dienen können.«18 Helmholtz’ Rede spiegelte den Schwung wider, den die Industrialisierung im liberalen Großherzogtum Baden und anderswo aufnahm. Ihr Liberalismus, nationaler Eifer und Fortschrittsglaube standen für eine weit verbreitete Gefühlslage im Europa der 1860er-Jahre. Doch dann änderte Helmholtz plötzlich seinen Kurs und erklärte, man dürfe nicht erwarten, dass die Wissenschaft »unmittelbaren Nutzen« verfolge. Vielmehr sei jede wissenschaftliche Forschung, die Kenntnisse über die Naturkräfte und die Fähigkeiten des menschlichen Geists liefere, auf eine Weise nützlich – und zwar oftmals ganz unerwartet. Als Beispiele nannte er den entfernten Zusammenhang zwischen Galileis Pendelgesetzen und dem Konzept der geographischen Länge sowie den zwischen Galvanis Entdeckung der »tierischen Elektrizität« und der Erfindung des Telegraphen. »Vollständige Kenntniss und vollständiges Verständniss des Waltens der Natur- und Geisteskräfte ist es allein, was die Wissenschaft erstreben kann«, beharrte Helmholtz. Jede neue Entdeckung durch jeden einzelnen Wissenschaftler führe zu »neuen Siegen« gegen die Neigung der Natur, ihre Eigenschaften verborgen zu halten. So steigere sich der Sinn für die »ästhetische Schönheit«, die sich durch das wachsende Verständnis für die Ordnung der Dinge innerhalb der gesamten Wissenschaft offenbare, da doch »alles die Spuren der Herrschaft des Geistes zeigt«. Den Forschern genüge als Lohn schon das Wissen um ihren Beitrag »zu dem wachsenden Kapital des Wissens, auf welchem die Herrschaft der Menschheit über die dem Geiste feindlichen Kräfte beruht«. Auch in dem Umstand, dass die öffentliche Meinung wissenschaftliche Entdeckungen mit immer größerem Interesse wahrnehme, liege eine Form des Lohns für wissenschaftliche Arbeit, da »Regierungen und Völker im Ganzen das Bewusstsein der Pflicht gewonnen haben, dass ausgezeichnete Leistungen in der Wissenschaft durch entsprechende Stellungen oder durch besonders ausgeworfene Nationalbelohnungen zu vergelten seien«. 1861 war Helmholtz zum Großherzoglich Badischen Hofrat ernannt worden.19 Seine Antrittsrede verdeutlichte seine Führungsqualitäten: Als Wissenschaftsphilosoph und Prorektor war ihm daran gelegen, alle Forscher und Gelehrten anzusprechen. Den »gemeinsamen Zweck« der Wissenschaften sah er darin, »den Geist
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herrschend zu machen über die Welt«. Ihrem Wesen nach folgten die Geisteswissenschaften diesem Ziel ganz unmittelbar und bereicherten so das Leben, die Naturwissenschaften arbeiteten hier eher indirekt, indem sie beständig bestrebt seien, die Kräfte der äußeren Welt zu bändigen. Alle Forscher und Gelehrten trügen ihren Teil zur gemeinsamen Anstrengung der Wissenschaftsgemeinschaft bei. Der Einzelne, so betonte Helmholtz, war also in einem größeren Zusammenhang tätig und sollte seine Ergebnisse anderen »möglichst vollständig und leicht« verfügbar machen. Auf diese Weise könnten sich alle gegenseitig unterstützen: Kalendermacher seien auf astronomische Berechnungen angewiesen, Linguisten auf physiologische Erkenntnisse, Sprachforscher auf historische Daten, Bildhauer auf anatomisches Wissen. Auf ganz ähnliche Weise seien die Physik des Schalls und die Physiologie der Tonempfindungen für das Verständnis grundlegender Elemente der Musik hilfreich – »eine Aufgabe, die wesentlich in das Fach der Aesthetik hineingehört«. Ganz besonders eng sei das Ineinandergreifen natürlich zwischen einander nahe verwandten Wissenschaften. Der Einzelne solle sich daher als »Arbeiter an dem gemeinsamen grossen Werke« betrachten, »welches die edelsten Interessen der ganzen Menschheit berührt«, und nicht nur »zur Befriedigung seiner eigenen Wissbegier« tätig sein. Er glaubte, dass der Erhalt dieser Beziehung aller Forscher und aller Wissenszweige zueinander und zu ihrem gemeinsamen Ziel »die grosse Aufgabe der Universitäten« sei. Und dafür sei es nötig, dass die vier Fakultäten weiterhin Hand in Hand gingen.20 So liberal seine Rede sein mochte, sprach sie sich in diesem Punkt doch eindeutig für den Erhalt des Status quo aus. Die Grundstruktur der Universitäten sollte unangetastet bleiben. Helmholtz’ Antrittsrede erschien zunächst als Universitätsschrift, wodurch sie nur einer kleinen Gruppe zugänglich war. Brücke gehörte zu diesen wenigen, und er zeigte sich stark beindruckt von den Ausführungen. Helmholtz berichtete dem Verleger Friedrich Vieweg, seine Ansprache sei »sehr günstig aufgenommen« worden und er habe viele persönliche Anfragen nach einem Exemplar erhalten, doch sei sein Vorrat inzwischen erschöpft. Daher fragte er, ob Vieweg nicht an einer Veröffentlichung interessiert wäre – und bereit, ihm dafür ein Honorar zu zahlen. Vieweg war einverstanden: Zwei Jahre später erschien die Rede im ersten Heft der Populären wissenschaftlichen Vorträge (1865).21
Ein neues Institut und seine Assistenten Es dauerte fünf Jahre, bis die badische Regierung das 1858 versprochene Institut genehmigt und errichtet hatte. Die Verzögerung lag auch darin begründet, dass Helmholtz’ neuer Wirkungsort Teil eines größeren naturwissenschaftlichen Komplexes werden sollte. Anfang 1859 schickte er der Universität Baupläne für das neue Gebäude. Es beherbergte die Institute für Physiologie, Physik, Mathematik, medizini-
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Abb. 11.1: Der Friedrichsbau, Sitz der naturwissenschaftlichen Institute (ausgenommen Chemie) an der Universität Heidelberg, in einer Ansicht von 1863. Universitätsarchiv der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
sche Chemie und Räume für die wissenschaftlichen Sammlungen. Für Helmholtz war zudem eine Wohnung im Institut geplant, »so daß die Benutzung des Laboratoriums sehr bequem werden wird«, wie er Thomson erklärte.22 Das neue, als Friedrichsbau bezeichnete dreistöckige Gebäude in der Stadtmitte wartete mit einer Renaissance-Fassade und zwei zweistöckigen Nebenflügeln auf (Abb. 11.1). Im September 1863 waren die Arbeiten abgeschlossen und Helmholtz und Kirchhoff konnten die neuen Wohnungen mit ihren Familien beziehen. Das physiologische Institut befand sich auf der Westseite des ersten Stocks, das Physikinstitut auf der Ostseite. Es war das erste wirklich funktionierende Institutslabor für Helmholtz. Nun musste er nicht mehr zu Hause arbeiten, sondern hatte eine offizielle Wirkungsstätte. Die Ausstattung entsprach dem wachsenden Standard wissenschaftlicher Institute in Deutschland. Der Chemiker Adolphe Wurtz bereiste 1869 im Auftrag der französischen Regierung deutsche Forschungseinrichtungen und befand, das Heidelberger Institut gehöre zu den führenden und besten seiner Art. Zudem sei die Nachbarschaft von Helmholtz und Kirchhoff ein sehr glücklicher Umstand, da sie zwei herausragende Wissenschaftler zusammenbringe, »deren Namen ganz Europa kennt«. Die Ausstattung aber bleibe hinter dem Rang dieser Männer
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zurück: Es gebe nur wenige Räume und das physiologische Institut sei insgesamt eine »bescheidene Einrichtung«.23 Dennoch signalisierten die hier unter einem Dach zusammengefassten Institute sowie Bunsens eigenes neues Institut, dass die Naturwissenschaften nun mehr denn je ins Zentrum der Heidelberger Universität rückten und für die juristische oder historische Fakultät zu Nebenbuhlern wurden. Im März 1865 beendete Wundt seine Assistentenzeit bei Helmholtz und war fortan als unabhängiger Forscher an der Heidelberger Universität tätig. Er war immer unzufriedener mit seiner Stellung im Institut gewesen und wollte sich beruflich weiterentwickeln. Ganze sechs Jahre hatte er die Laborarbeit der Studenten überwacht und damit verbundene Lehrthemen vorbereitet, davon abgesehen aber kaum mit Helmholtz geforscht. Wundt war ein unabhängiger Geist, der sich ungern von Helmholtz oder irgendeiner anderen Person anleiten ließ: Am liebsten arbeitete er allein. Dasselbe traf auf Helmholtz zu. Dennoch kamen die beiden beruflich gut miteinander aus und Wundt hegte große Bewunderung für Helmholtz.24 Helmholtz hielt recht viel von Wundt, sowohl als Lehrer wie auch als Forscher, und war seinem Assistenten deshalb bei der Suche nach einer Professur für Philosophie (bzw. Psychologie) behilflich. Ende Oktober 1863 schrieb er nach Kiel, um Wundts Bewerbung auf eine dortige Professur zu unterstützen. Er lobte Wundt als guten Dozenten und wies insbesondere auf seine Vorlesungen über Fortpflanzung und anthropologische und psychologische Themen hin. Er schilderte, wie Wundt den Studenten im Labor zur Seite stand, sie anleitete und sorgfältig betreute, was »von den Studirenden immer dankbar anerkannt worden ist«. Zudem erwähnte er Wundts Veröffentlichungen zur Physiologie der Nerven, Muskeln und Sinne sowie seine Forschungen auf anderen Gebieten. Er bestätigte, dass Wundt wichtige Entdeckungen gemacht und stets engagiert gearbeitet habe, außerdem verfüge er über »eine umfaßendere allgemeine Bildung« sowie solide Kenntnisse zu physikalischen und mathematischen Methoden. Auch die hohe Moral seines Assistenten pries Helmholtz. Alles in allem stellte er Wundt als einen begabten jungen Physiologen dar, der für ein Amt an der Kieler Universität absolut geeignet sei.25 Wundt erhielt jedoch keinen Ruf. Daraufhin setzte sich Helmholtz dafür ein, dass man Wundt zum außerordentlichen Professor für Anthropologie und medizinische Psychologie an der Heidelberger medizinischen Fakultät ernannte. Er schrieb, er habe jeden Grund, Wundt für diese Position wärmstens zu empfehlen, und befürchte keinerlei Interessenskonflikt zwischen Wundts Assistentenfunktion und einer Stellung als unabhängiger außerordentlicher Professor.26 Im Jahr darauf erhielt Wundt die Ernennung. Fast ein Jahrzehnt später, 1872 nämlich, wurde eine Physiologieprofessur in Marburg frei und man erkundigte sich bei Helmholtz über die Eignung Wundts und anderer Kandidaten. Wieder empfahl er Wundt, der auf der Auswahlliste schließlich an zweiter Stelle landete. Im selben Jahr schickte Helmholtz ein Empfehlungsschrei-
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ben nach Gießen, wo Wundt eine Philosophieprofessur anstrebte. Erneut bestätigte er, Wundt sei in Heidelberg ein sehr beliebter Dozent gewesen, der bis zur Ankunft Zellers 1862 gut besuchte philosophische Vorlesungen gehalten habe. Helmholtz erwähnte auch, dass er für eine Professur Wundts in Heidelberg eingetreten war, und fügte hinzu: »aber unsere [die preußische] Regierung war für so ungewöhnliche Schritte noch nicht vorbereitet genug«. Helmholtz war in manchen Details mit Wundt uneins, fand dies aber unvermeidlich und erklärte: »In einem so neuen Gebiete [der Sinnesphysiologie] sind die Deutungen vieler Vorgänge zweifelhaft und die Beurtheilung ihrer Wahrscheinlichkeit hat breiten individuellen Spielraum«. Immerhin befand er, Wundt sei »auf dem richtigen Wege«. Die Stelle in Gießen bekam Wundt am Ende nicht, und auch auf die Professur in Würzburg, für die Helmholtz ihn ebenfalls empfohlen hatte, erhielt er keinen Ruf.27 Helmholtz bewunderte vor allem Wundts Versuch, die Philosophie (oder genauer die Erkenntnistheorie) durch die Beschäftigung mit der Physiologie der Sinne zu bereichern. Was ihm an Wundt missfiel, war seine politische Einstellung. Seine demokratischen Sympathien und seinen Einsatz für die Arbeiterklasse lehnte er ab. Du Bois-Reymond schrieb er dazu: »[Wundt] macht jetzt überwiegend in Politik, Arbeitervereinen etc.«28 Trotz dieser politischen Meinungsverschiedenheiten sicherte er Wundt seine volle Unterstützung zu. Nachdem Wundt die Assistentenstelle in Heidelberg verlassen hatte, wurde er durch Julius Bernstein, den Sohn von Aaron Bernstein, ersetzt. Julius Bernstein hatte vordem bei Rudolf Heidenhain und vor allem bei du Bois-Reymond studiert. Seinen medizinischen Abschluss machte er in Berlin und fing daraufhin im Frühjahr 1865 als Assistent bei Helmholtz an. Wie du Bois-Reymond und Helmholtz legte Bernstein großen Wert auf exakte Untersuchungsmethoden: In der Physiologie arbeitete er mit Thermodynamik, generell trat er für eine antispekulative Haltung und ein mechanistisches Verständnis organischer Phänomene ein. Aufbauend auf den Arbeiten und Ansätzen von du Bois-Reymond und Helmholtz avancierte Bernstein zu einem der wichtigsten Elektrophysiologen der zweiten Jahrhunderthälfte. 1868 lieferten Bernsteins Messungen des »Aktionspotenzials« mittels seines Differentialrheotoms sehr akkurate Ergebnisse zur Nerven- und Muskelfunktion. Noch aufschlussreicher waren seine späteren Arbeiten aus den Jahren 1890 bis 1902, die zur Entwicklung der Membrantheorie in Bezug auf das Aktionspotenzial in Zellen und Geweben führten. Wie sein Lehrer du Bois-Reymond und sein Mentor Helmholtz lieferte Bernstein grundlegende Erkenntnisse für die zukünftige Neurophysiologie und die im Entstehen begriffene Neurowissenschaft. Durch die Anwendung von Konzentrationszellen, Ionentheorie und elektrolytischer Dissoziation (die er zum Teil Helmholtz’ Arbeiten zur Elektrochemie und chemischen Thermodynamik aus den 1870er- und 1880er-Jahren verdankte) half Bernstein, die »organische Physik« von du Bois-Reymond und Helmholtz in die nächste Generation zu tragen.29
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Physiologiedozent mit hohem Attraktionsfaktor Die meisten deutschen Universitätsprofessoren unterrichteten sowohl Studienanfänger als auch fortgeschrittene Studenten. Nun waren aber nicht alle Professoren für beide Stufen gleichermaßen geeignet. Helmholtz etwa tat sich offenbar in Einführungsveranstaltungen für Mediziner oder andere Naturwissenschaftler nicht als besonders talentierter oder motivierter Dozent hervor. Laut Theodor Wilhelm Engelmann, der nur kurz bei Helmholtz hörte, aber dennoch zu seinen besten Studenten zählte, bereitete Helmholtz seine Vorlesungen nicht im Detail vor, sondern sprach weitgehend frei, und dies »langsam, abgemessen, gelegentlich ein wenig stockend«. Engelmann machte weitere Mängel am Vortragsstil seines Professors aus: So suchte Helmholtz keinen Augenkontakt mit seinen Zuhörern, sondern schaute redend in die Ferne. Auch schienen ihn die unterschiedlichen Vorkenntnisse seiner Studenten nicht zu interessieren, und er passte seine Vorträge nicht entsprechend an. Bernstein urteilte übrigens ähnlich: Seine Mitteilung, dass Helmholtz im gleichen Semester eine physiologische Überblicksvorlesung und einen speziellen Kurs zur Sinnesphysiologie abhielt, garnierte Bernstein mit einem euphemistischen Hinweis auf dessen seiner Ansicht nach unzulängliche pädagogische Eignung: »Er gehörte nicht zu denjenigen akademischen Lehrern, welche durch oratorische Beredsamkeit glänzen.« Der Ophthalmologe Albrecht von Graefe kam im Grunde zu demselben Schluss, ohne je eine Vorlesung bei Helmholtz besucht zu haben. Obgleich er auf den bekannten Züricher Ophthalmologen Johann Friedrich Horner einwirkte, damit der Helmholtz an die Züricher Universität holte, sprach Graefe doch eine Warnung zu dessen Vortragskünsten aus: »Allein es wäre, so glänzend der Name und der Mann selbst ist, allerdings zu überlegen, ob er dem Lehrbedürfnisse entspricht, da er sich keinesweg für alle Kapitel der Physiologie lebhaft interessirt und dementsprechend auch nur einzelne vollkommen gut vorträgt.«30 Auch andere stellten Unzulänglichkeiten fest: Laut Wundt lieferte Helmholtz in einer Vorlesung zwar eine Beschreibung seines Ophthalmometers, ließ aber seine Anwendung unerklärt. Setschenow berichtete, Helmholtz habe kaum Kontakt zu den Studenten, zumal Wundt die Übungen leite. Nur ab und zu bekämen sie ihren Professor zu sehen, wenn dieser einmal täglich im Labor auftauche, um nachzuschauen, woran dort gerade gearbeitet werde und ob er irgendwie helfen könne. Setschenow fand Helmholtz’ Vorlesungen für Studenten der Medizin eher schlicht und grundlegend, und mehr oder weniger langweilig. Einmal habe er aber auch einen heiteren Vortrag von Helmholtz erlebt – nämlich als dieser vor dem Heidelberger Naturhistorisch-medicinischen Verein über die Untersuchung von Schall mittels Resonatoren referierte.31 Helmholtz’ Student, jüngerer Kollege und Freund Hermann Knapp, ein klinischer Ophthalmologe, der 1859 in Heidelberg habilitierte, sah Helmholtz’ Lehrtätigkeit po-
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sitiver: Helmholtz, so heißt es bei Knapp, mochte die Lehre und nahm seine Aufgabe sehr ernst. Er vergaß nie eine Vorlesung und kam nie zu spät. Er blieb beim Thema und schweifte nicht mit Witzen oder lustigen Geschichtchen ab, denn eine unterhaltsame Lehre lag ihm fern. Laut Knapp war Helmholtz außerdem sehr geduldig mit seinen Studenten und stand ihnen über Stunden im Labor zur Seite. Knapp bezog sich dabei wahrscheinlich auf die Anleitung fortgeschrittener Studenten, denn er fügte hinzu, Helmholtz helfe seinen Studenten bei experimentellen oder mathematischen Schwierigkeiten sowie bei der Überarbeitung ihrer Manuskripte für die Veröffentlichung. Knapp und Helmholtz freundeten sich schließlich miteinander an: Sie gingen an Samstagen im Heidelberger Umland spazieren und aßen gemeinsam zu Abend.32 Auch Bernstein erkannte bei Helmholtz in pädagogischer Hinsicht manche Pluspunkte: Er trug einfach und klar vor, und die Studierenden nahmen ihn als »imponierende Persönlichkeit« wahr – jene, denen er bei ihrer Laborarbeit über die Schulter schaute, zeigten sich jedenfalls sehr beeindruckt. So fanden die fortgeschrittenen Studenten in Helmholtz einen besonnenen Lehrer, der sie vor allem durch sein Vorbild anleitete. Bernstein berichtete: »Wer Helmholtz hat experimentieren sehen, wird die Ruhe und Gelassenheit bewundert haben, die ihn dabei beherrschte und die durch keinerlei Mißgeschick erschüttert werden konnte. Das glückliche Temperament Helmholtz, in welchem sich Ernst und heitere Ruhe paarten, machte ihn auch zum geborenen Experimentator.« Von dieser Einstellung profitierten vor allem die höheren Semester, denen er mit Rat und Tat zur Seite stand.33 Wettgemacht wurden seine Unzulänglichkeiten als Dozent der Physiologie zum Teil durch seine offenbar sehr erfolgreichen und beliebten Vorlesungen für Studenten aller vier Fakultäten, in denen Helmholtz über ganz allgemeine und wichtige Erkenntnisse der Naturwissenschaften sprach. Dazu kamen die vielen gut besuchten Vorträge zu seinen Forschungsthemen, die er beim Heidelberger Naturhistorisch-medicinischen Verein hielt, dessen Vorsitzender er über Jahre war. Doch waren nicht alle von seinen Ansichten begeistert oder teilten diese. So etwa der junge John Theodore Merz, ein angehender britischer Historiker, der sich mit Wissenschafts-, Philosophie- und Religionsgeschichte beschäftigte und von 1862 bis 1864 privat in Heidelberg studierte. Er besuchte eine öffentliche Vorlesung von Helmholtz, bei welcher Gelegenheit er dessen berühmte Theorie von der Kontraktion der Sonne kennenlernte, nach der die Sonne ihre Leuchtkraft durch gravitative Bindungsenergie erhält. Merz empfand Heidelberg wie auch andere Orte in Deutschland als zu rationalistisch: Er konstatierte dort einen »antireligiösen Geist«, der seiner eigenen Sympathie für religiöses Denken widersprach. Im Grunde widerstrebte ihm die gesamte Haltung der modernen Philosophie – und so auch die Thesen von Denkern wie Zeller, Strauß und Helmholtz (den er dennoch sehr schätzte).34 Außer bei populärwissenschaftlichen Vorträgen konnte Helmholtz seine pädagogischen Stärken also vor allem bei fortgeschrittenen, forschungsorientierten Stu-
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denten ausspielen. Er hatte mehrere herausragende Physiologiestudenten – wenn auch nicht so viele wie Ludwig, Brücke, du Bois-Reymond und andere. In Deutschland besuchten Studenten während ihres Studiums oft zwei oder mehr Universitäten und hatten entsprechend oft auch mehrere universitäre Lehrer. Manchmal wurde ihnen schließlich der akademische Titel von einer Hochschule verliehen, an der sie nur ein oder zwei Semester verbracht hatten. Helmholtz’ Studenten lernten also auch bei Physiologen und anderen Professoren an anderen Universitäten. Zu »seinen« deutschen oder österreichischen Studenten gehörten Engelmann, der 1897 in Berlin du Bois-Reymond ablöste, Sigmund Exner, der anfangs bei Brücke in Wien studierte und nach seiner Zusammenarbeit mit Helmholtz 1891 Brückes Nachfolger wurde, sowie Hugo Kronecker, der bei du Bois-Reymond und Helmholtz studierte, dann als Ludwigs Assistent tätig war und ab 1884 die Physiologieprofessur in Bern innehatte. Sieht man einmal von der eigentlichen Physiologie ab, ließ Helmholtz’ reine Anwesenheit Heidelberg zu einem Zentrum der Augenheilkunde werden, obwohl Helmholtz das Fach nie lehrte und keine Augenklinik leitete. Seine Erfindung von Ophthalmoskop und Ophthalmometer, seine Forschungen zur physiologischen Optik und allein seine Zugehörigkeit zur medizinischen Fakultät machten Heidelberg für Studenten der Augenheilkunde attraktiv. So wählten dann auch Graefe, Donders, Carl Ferdinand Arlt sowie andere Altmeister des Fachs Heidelberg als Tagungsort für den jährlich im Herbst stattfindenden Ophthalmologenkongress aus.35 Die beiden besten Augenheilkunde-Studenten von Helmholtz waren Thomas Leber und Hermann Knapp. Leber war etwa zur selben Zeit wie Helmholtz nach Heidelberg gekommen. Helmholtz war seinem Studenten Inspiration und Ermutigung und legte ihm die experimentelle Physiologie nahe. Auf seinen Vorschlag hin reichte Leber bei der medizinischen Fakultät einen Preisaufsatz ein – und gewann (allerdings war er auch der einzige Teilnehmer). Mit der Zeit kam Leber jedoch zu der Ansicht, dass Helmholtz ihm zwar zeigen konnte, wo unerforschtes wissenschaftliches Terrain lag, ihn aber bei dessen Erkundung nicht ausreichend anzuleiten imstande war. Er setzte sein Studium also bei Ludwig in Wien fort. Im September 1864 hielt er beim Jahrestreffen der Ophthalmologen in Heidelberg einen erstaunlichen Vortrag über »Das Blutgefäßsystem des Auges«. Dieser machte ihn auf einen Schlag berühmt und markierte den Beginn der experimentellen Ophthalmologie. Theodor Leber übernahm 1870 eine Professur in Göttingen, gründete das erste Forschungsinstitut für Augenheilkunde und wurde zu einem der führenden Wissenschaftler seiner Generation.36 Knapp dagegen studierte bei Graefe in Berlin, bevor er als Assistent von Chelius nach Heidelberg ging und mit Helmholtz zusammenarbeitete. Acht Jahre, von 1859 bis 1867, blieb er an Helmholtz’ Seite, stieg vom Studenten zum jüngeren Kollegen auf und wurde schließlich zum lebenslangen Freund. Er forschte in Helmholtz’
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Labor und schrieb darauf seine Doktorarbeit über »Die optischen Konstanten des Auges«. Anschließend habilitierte er sich in Heidelberg und eröffnete dort 1862 das überaus erfolgreiche Universitätsklinikum für Augen- und Ohrenheilkunde, wo er als außerordentlicher Professor tätig war. Helmholtz und Knapp trafen sich beinahe täglich, am Institut und auch privat. Dabei gewann der Jüngere den Eindruck, Helmholtz sei trotz seiner bemerkenswerten wissenschaftlichen Originalität regelrecht autoritätsgläubig – womit er etwa Helmholtz’ festes Vertrauen in die Arbeiten von Young meinte. Zudem ging Helmholtz seiner Beobachtung nach nur Problemen nach, die er nach gründlicher Überlegung für lösbar hielt. Das mache seine Arbeit viel effektiver. Helmholtz opfere wenig Zeit für Personen, die er für »selbstsüchtig, eitel und leichtfertig« hielt, erkläre dafür aber auch Laien (zu denen unbedingt auch Frauen gehörten) geduldig jedes beliebige wissenschaftliche oder philosophische Thema, solange er ihnen ein echtes Interesse an der Materie anmerke. Knapp aber frustrierte, dass die Heidelberger medizinische Fakultät – wo Helmholtz sich für ihn einsetzte – seinem Wunsch nach einer unabhängigen, ordentlichen Professur und einer Klinik für Augenheilkunde nicht nachkommen wollte. Also emigrierte er 1868 nach New York und ließ einen enttäuschten Helmholtz zurück. Der Vorfall legt nahe, dass Helmholtz’ Einfluss an der Heidelberger Universität Grenzen hatte.37 Ein Großteil der ausländischen Physiologiestudenten von Helmholtz waren Amerikaner und Russen. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg wurden Berlin, Leipzig, Göttingen, Heidelberg, Straßburg und Wien die wichtigsten ausländischen Ziele für junge amerikanische Studenten. Die angehenden Mediziner, Physiologen und andere sahen hier die Ideale der Forschung verwirklicht, deutsche Universitäten galten als führend in allgemeiner und klinischer Medizin. Jeffries Wyman, ein vergleichender Anatom, Naturforscher und Archäologe aus Harvard, schrieb 1870 an seinen Bruder: »Ludwig und Helmholtz in Heidelberg sind auf kostspieligste Weise ausgestattet, mit großen Aufwendungen für Apparate« zur Durchführung von Experimenten. Wenn die jungen Ärzte und Physiologen nach Amerika zurückkehrten, taten sie dies voller Überzeugung von der Wichtigkeit von Forschung in der Medizin, in der Wissenschaft allgemein und insbesondere in der Physiologie. 1870 waren allein in Heidelberg 33 Amerikaner an der medizinischen Fakultät eingeschrieben, von denen manch einer mit Helmholtz in Kontakt gekommen sein dürfte.38 Zu den amerikanischen Studenten in Heidelberg gehörten Henry Pickering Bowditch und William James. Bowditch war Physiologe und wurde später Dekan der Harvard Medical School. In der Zeit von 1869 bis 1871 studierte der junge Bowditch mehrere Monate bei Max Schultze in Bonn, dann ein Jahr bei Ludwig in Leipzig und ein weiteres Jahr zuerst bei Helmholtz und dann bei Virchow. William James gelang es dagegen beim besten Willen nicht, an Helmholtz heranzukommen. Im
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Herbst 1867 schrieb er an einen Freund: »Ich studiere weiter, was schon bekannt ist, und bekomme vielleicht Gelegenheit, daran [in der experimentellen Psychologie] zu forschen. Helmholtz und ein Mann namens Wundt arbeiten in Heidelberg daran, und ich hoffe, dass ich diesen Winter überstehe, um dann im Sommer zu ihnen zu gehen.« James schrieb auch an Bowditch und sprach über seine Absicht, bei Helmholtz und Wundt zu studieren. »Der unsterbliche Helmholtz ist ein so eingefleischter Mathematiker, dass ich wohl kaum von ihm profitieren werde.« Aus Dresden richtete er einen weiteren Brief an Bowditch: »Helmholtz, der derzeit womöglich das größte wissenschaftliche Genie unter der Sonne ist, soll ein sehr schlechter Lehrer sein, obwohl er über das beste Labor verfügt.« Als James es Ende Juni 1868 schließlich doch nach Heidelberg schaffte, verfiel er in eine derart depressive Stimmung, dass er die Stadt bald wieder verließ – offenbar ohne Helmholtz getroffen oder eine seiner Vorlesungen gehört zu haben. Zumindest gelangte er an eine Photographie von Helmholtz, die er seinen Eltern mit den Worten schickte: »Bitte seht doch, wie gemein der untere Teil seines Gesichts wirkt. Dennoch ist er wahrscheinlich das größte lebende Genie, und in seiner Gegenwart kann Euer verschmähtes Kind die Pfeile Eures Spotts gut und gerne an sich abprallen lassen.«39 Wie die Amerikaner wurden auch junge Russen von der exzellenten Ausstattung und dem intellektuellen Führungsanspruch deutscher Forschungseinrichtungen angezogen. Die russische Wissenschaft der 1860er-Jahre verharrte auf ähnlich niedrigem Niveau wie die amerikanische, weshalb viele russische Mediziner und Naturwissenschaftler nach Deutschland gingen. Die angehenden Physiologen bevorzugten dabei die Labore von Müller, Purkinje, Bernard, Helmholtz, du Bois-Reymond und vor allem Ludwig. Helmholtz und seine Arbeiten waren in Russland weithin bekannt. Nach Zürich war Heidelberg Hauptanlaufpunkt für Studenten aus Russland. Zu den bedeutendsten russischen Schülern von Helmholtz gehörten Setschenow und Junge (der zu einer wichtigen Persönlichkeit der russischen Augenheilkunde wurde).40 Andere herausragende russische Studenten bei Helmholtz waren Kliment A. Timirjasew, ein ausgezeichneter Pflanzenphysiologe, Darwinist und Begründer einer populären Wissenschaft, und der Physiologe Elias von Cyon, der Iwan Pawlows hochbewunderter Mentor werden sollte. Dass diese ausländischen Studenten und Kollegen nach Heidelberg kamen, um bei Helmholtz im Bereich der Physiologie zu forschen und sich am Ende einen Namen auf dem Gebiet machen konnten, spricht für die herausragende Stellung, die Helmholtz dem Fach verlieh. Ab 1861 wurde sein Haus quasi zum kulturellen Zentrum Heidelbergs. Fortgeschrittene Laborstudenten – insbesondere jene, die aus dem Ausland kamen – wurden zusammen mit visitierenden Kollegen und Freunden aus ganz Deutschland zu Salonabenden eingeladen. Alle zwei Wochen gaben Anna und Hermann Helmholtz einen Musikabend, der von »befreundeten Künstlern und Dilettanten« bestritten wurde. Auf einem selbst gebauten Harmonium
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trug Helmholtz immer mal wieder Bachfugen und andere klassische Stücke vor. Sparsam wie die Eheleute Helmholtz waren, achteten sie darauf, dass an solchen Abenden nicht mehr als fünf Taler für Essen und Getränke ausgegeben wurden. Die Animateurin dieser kleinen Gesellschaften war Anna, Hermann jedoch stand im Mittelpunkt des Interesses und genoss die Zusammenkünfte sehr – ja, sie stärkten gar sein Wohlbefinden. Helmholtz hatte weiterhin großes Interesse am Theater und oft widmeten seine Frau und er einen ganzen Abend schauspielerischen Darbietungen. Helmholtz schlüpfte dabei gerne in die Rolle eines Engländers, der gebrochen Deutsch spricht. Wundt berichtete hierzu: »Er spielte die Rolle mit so überwältigender Komik, daß ihn schwerlich ein Komiker von Beruf übertroffen hätte.« Bei diesen Gelegenheiten konnte Helmholtz entspannen. Er mied Diskussionen über wissenschaftliche oder auch künstlerische Themen. Dagegen mochte er Lesungen aus klassischen Stücken: Don Carlos mit seinem Leitmotiv der Gedankenfreiheit war ihm am liebsten. Wundt beobachtete, dass Helmholtz die wichtigsten Rollen in dem Stück gesellschaftlich besonders hochstehenden Gästen zuteilte: So mochte den Hamlet ein Geheimrat geben, Rosenkranz und Güldenstern mimten Privatdozenten. Außerdem gewann Wundt den Eindruck, dass in Helmholtz’ Gunst britische vor amerikanischen und diese wiederum vor russischen Kollegen und Studenten rangierten.41
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Ein musikalisches Leben und ein Verleger Die konkrete Arbeit an seiner Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik begann Helmholtz im Jahr 1854. Tatsächlich hatte er dem Thema aber schon einen Großteil seines Lebens gewidmet. Seit der Jugend gehörte es zu seinem Alltag, selbst Musik zu machen, Musik zu hören und über sie nachzudenken. Schon als Kind hatte er Klavierspielen gelernt und blieb sein Leben lang dabei. (Helmholtz konnte offenbar auch Orgel und möglicherweise ein oder zwei weitere Instrumente spielen, er bevorzugte aber klar das Klavier.) Zu den von ihm bewunderten Komponisten gehörten Palestrina, Bach, Mozart, Händel und Beethoven. Dabei war Beethoven für ihn »der gewaltigste und erschütterndste aller Componisten«, und wenn er allein spielte, waren es meist »Beethovensche Sachen«. In Bezug auf den »Wohlklang« und wegen »der feinen künstlerischen Schönheit des Flusses der Harmonie« hielt er indes Mozart für den besten
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Komponisten – »wenn er uns auch nicht so mächtig erschüttert«. Mit dem Alter und den zunehmenden »Narben der Seele« war ihm Mozarts Freundlichkeit lieber als Beethovens Ausdruckskraft. Helmholtz sang auch gern, obgleich er keine besonders gute Stimme hatte. Später notierte er: »Jemand, der Musik liebt und fühlt, sie aber nicht machen kann, preist glücklich Andre, die sie lieben, fühlen und machen.« Von Zeit zu Zeit trat Helmholtz mit Freunden und deren Familien bei gemeinsamen Salonabenden auf. Musik brachte ihn anderen nahe. Er sah eine deutliche Verbindung zwischen seinen Untersuchungen zur physiologischen Akustik und seiner Liebe zur Musik.1 Noch bevor er über Musik (und Malerei) zu philosophieren begann, hatte sich Helmholtz mit der Schulung der Sinne und der Suche nach ästhetischen Bewertungsstandards beschäftigt. Die schönen Künste regten seinen Geist und seine Vorstellung ebenso an wie die Naturwissenschaften. Ende der 1850er-Jahre musste Helmholtz die Arbeit an seinem Buch über Physiologie und Musik zurückstellen, da er damit beschäftigt war, den zweiten Teil seines Handbuchs abzuschließen. Dann aber konnte er sich wieder den physiologischen Grundlagen der Musik widmen. Gegenüber Donders erklärte er, das Buch solle allgemein verständlich verfasst sein und »Musikliebhabern« die physikalischen und physiologischen Voraussetzungen für Harmonien nahebringen. Bis März 1861, knapp sieben Jahre nach dem Beginn der Arbeiten an der Lehre von den Tonempfindungen, hatte Helmholtz einen ersten Entwurf fertiggestellt. Doch im folgenden Winter setzten ihn schmerzhafte Migräneattacken matt, und so konnte er das Buch erst im Frühjahr 1862 zu Ende bringen.2 Nun ging es darum, den passenden Verlag zu finden: Helmholtz hatte dabei mehrere Optionen. Im Sommer 1861 hatte Eduard Vieweg, der Inhaber der Verlagsbuchhandlung Friedrich Vieweg & Sohn, Helmholtz zum wiederholten Male vorgeschlagen, ein Lehrbuch zur medizinischen Physik zu veröffentlichen. Vieweg strebte eine »literarische Verbindung« mit dem Heidelberger Professor an und war auch offen für andere Projekte, falls Helmholtz kein Lehrbuch vorschwebte. Der Verleger pflegte persönlichen Umgang mit bedeutenden Wissenschaftlern, zu denen neben Helmholtz auch Justus von Liebig und Johann Christian Poggendorff gehörten. Unter seiner Leitung legte der Verlag seinen Schwerpunkt auf Veröffentlichungen aus Technik und Wissenschaft, die den praktischen Nutzen theoretischer Arbeiten hervorhoben. Gefragt waren Werke, die eine Beziehung zwischen Wissenschaft und praktischem (vor allem wirtschaftlichem) Leben herstellten, mit besonderem Augenmerk auf der Chemie. Zu den hier verlegten Autoren gehörten etwa Friedrich Wöhler, Robert Wilhelm Bunsen und Rudolf Virchow.3 Helmholtz teilte Vieweg mit, dass er derzeit sehr »mit litterarischen Arbeiten« beschäftigt sei, womit er sein Manuskript über Akustik und Musik meinte, das ursprünglich Studien über physiologische und musikalische Akustik betitelt war. »Ich habe versucht es möglichst populär und allgemein verständlich zu halten, ähnlich
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dem Buche von [Friedrich] Zamminer über Musik und musikalische Instrumente, weil ich es den Musikern und Musikliebhabern zugänglich erhalten wollte, ebenso wie den Physiologen und Ärzten.« Sein Manuskript entwickele eine Theorie der Harmonie auf der Grundlage von physikalischen und physiologischen Prinzipien. Es werde zahlreiche Illustrationen benötigen, um seinen Lesern die im Text behandelten wissenschaftlichen Theorien und Experimente zu verdeutlichen. Der Leipziger Verleger Leopold Voss, berichtete Helmholtz, sei bereit, das Werk herauszugeben, wenn man sich auf dessen Umfang und die Zahl der Illustrationen verständigen könne. Sobald das Buch abgeschlossen wäre, wollte sich Helmholtz wieder seinen derzeit ausgesetzten Studien zur Physiologie der Optik widmen, so schrieb er Vieweg: »weil ich mir für die darin entwickelten neuen Thatsachen und Ansichten meine Priorität erhalten mußte.« Der Abschluss dieses Themas würde ihn mindestens ein Jahr kosten, sodass er keine Versprechungen machen könne. Zudem sei er das Verfassen von Lehrbüchern und Nachschlagewerken leid, obgleich er »die Verdienste, die Sie sich in dieser Beziehung um Verbreitung der Wissenschaft erworben haben, wohl zu schätzen« wisse. Vieweg antwortete, er habe Interesse an Helmholtz’ Manuskript über Akustik und Musik. Er erbat Einzelheiten zu Länge, Bebilderung und Honorar, wobei er Helmholtz versicherte, es würde ihm »so große Freude als Ehre« bereiten, sein Verleger zu sein.4 Helmholtz verlangte 600 Taler. Dies hätte das einzelne Buch aber erheblich verteuert, weshalb Vieweg ihm 500 Taler anbot, wofür er dann 1800 bis 2000 Exemplare drucken wollte. Falls es zu einer zweiten Auflage käme, versprach er Helmholtz weitere 400 Taler. Helmholtz stimmte dem Angebot zu und ging bei Vieweg unter Vertrag. Im Februar 1862 druckte Vieweg bereits Belegseiten. Seinem alten Verleger Georg Reimer, der mit einiger Verspätung Interesse an dem Werk zeigte, teilte Helmholtz mit, die Herstellung laufe bereits, und er habe Viewegs Angebot angenommen, da es »für mich am günstigsten« sei. Sein Kontrakt mit Vieweg stand am Beginn einer ganzen Serie von Veröffentlichungen in dem Braunschweiger Verlag, an den Helmholtz auch mehrere Arbeiten britischer Kollegen vermittelte.5 Als das Manuskript kurz vor seinem Abschluss stand, berichtete er Thomsons Frau Margaret über seine Arbeitsweise: Ich bin mit meinen physikalischen Theorien ziemlich weit in die Theorie der Musik eingedrungen, weiter als ich anfangs selbst zu hoffen wagte, und die Arbeit ist mir selbst äusserst amüsant gewesen. Wenn man aus einem richtigen allgemeinen Principe die Folgerungen in den einzelnen Fällen seiner Anwendung sich entwickelt, so kommen immer neue Überraschungen zum Vorschein, auf die man vorher nicht gefasst war. Und da sich die Folgerungen nicht nach der Willkühr des Autors sondern nach ihrem eigenen Gesetze entwickeln, so hat es mir oft den Eindruck gemacht, als wäre es gar nicht
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meine eigene Arbeit, die ich niederschriebe, sondern als ob ich nur die Arbeit eines Anderen nachstudire. Das klang, als wäre Helmholtz nur ausführende Instanz einer höheren Macht. Doch so leicht flossen die Ideen nicht aufs Papier. Zu der Ausarbeitung der theoretischen Grundlagen kamen zahlreiche Beobachtungen und Experimente, die Konstruktion von wissenschaftlichen Apparaten und Musikinstrumenten, aber auch historische Nachforschungen. Mit Unterbrechungen war das Buchprojekt eine acht Jahre andauernde Anstrengung. Die »Vorrede« zu den Tonempfindungen signierte Helmholtz erst im Oktober 1862. Anna betrachtete das Werk als das »Geisteskind« ihres Mannes. Gegenüber Thomson gestand Helmholtz, die Arbeit an dem Buch sei »sehr dankenswert, freilich aber auch sehr mühsam«.6
Dankesschuld Abgesehen von den vielen Physikern und Physiologen, auf deren Arbeiten Helmholtz aufsetzte, schuldete er für die Ermöglichung seiner Studien über Akustik und Musik in zweierlei Beziehung besonderen Dank. Hier sind zunächst die Anfertigung, Anwendung oder Anschaffung von musikalischen und wissenschaftlichen Instrumenten zu nennen. Helmholtz war sich natürlich bewusst, dass seine Forschung auf diese Mittel angewiesen war: Ohne all die Resonatoren und Sirenen, das Vibrationsmikroskop, ein Harmonium und, nicht zu vergessen, die Stimmgabeln war sie nicht denkbar. Die aufwendigen Apparate standen ihm und seinen Kollegen in anderen deutschen physiologischen Instituten normalerweise nicht zur Verfügung und ihr Bau überstieg die finanziellen Ressourcen eines einzelnen Wissenschaftlers bei Weitem. Helmholtz hielt engen Kontakt mit Instrumentenbauern. Ohne staatliche Hilfen hätte er seine Forschungen allerdings nicht durchführen können. Insbesondere schuldete er dem bayerischen König Maximilian II. Dank, dessen finanzielle Unterstützung ihm die spezielle Anfertigung eines Ur-Synthesizers ermöglichte, mit dem er Vokalklänge und Klangfarben untersuchte. Sein Sömmering-Preisgeld setzte er für den Bau eines Harmoniums ein, das ihm ausschließlich für Intonationsstudien diente. Helmholtz’ akustische Untersuchungen stützten sich in ihrer engen Verbindung mit Musik und Instrumentenbau auf eine (gerade in Deutschland sehr starke) theoretische Tradition, die mit Ernst Florens Friedrich Chladni bis ins späte 18. Jahrhundert zurückreichte, aber auch im 19. Jahrhundert vertreten war. Die physikalische (akustische) Theorie trug viel zum Musikverständnis und zum Fortschritt im Instrumentenbau bei, der Einfluss wirkte sich aber genauso auch in der anderen Richtung aus.7 In den 1850er-Jahren entwickelte Helmholtz seinen Resonator zur Schallanalyse und insbesondere zur Verstärkung von Obertönen, die den Kern seiner Klang-
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theorie bildeten. Jeder einzelne Resonator – eine Kugel mit einem kurzen Hals und einer Öffnung, die ans Ohr gehalten wurde – war auf eine bestimmte Frequenz gestimmt, die sich durch das Volumen der Kugel, die Länge des Halses und die Größe der Öffnung ergab. Helmholtz’ erste Resonatoren waren durchaus funktionierende, etwas primitive Glaskolben, mit denen die sonst schwer wahrnehmbaren Obertöne hörbar wurden. Doch wie schon bei der Entwicklung des Ophthalmoskops wandte sich Helmholtz im Folgenden an einen professionellen Instrumentenbauer, der diese erste Version eines Resonators verfeinerte und Helmholtz außerdem mit besseren Stimmgabeln zur Tonerzeugung versorgte. Dabei kamen ihm besonders die Dienste von Rudolf Koenig zustatten, der 1858 eine Werkstatt in Paris eröffnete. Koenig war spezialisiert auf akustische Apparate und brachte Helmholtz’ Studien entscheidend voran. So nutzte er etwa Messing für die Herstellung der Resonatoren, wodurch sie stabiler und präziser wurden. Seine Stimmgabeln waren verlässlicher und genauer als andere. Außerdem konstruierte er ein Tonometer (eine Anordnung mit Dutzenden oder sogar Hunderten Stimmgabeln), mit dem sich Kombinationstöne darstellen ließen. Auch die Doppelsirene, die zuerst Ferdinand Sauerwald für Helmholtz konstruiert hatte, baute er nach; sie diente unter anderem der Untersuchung von Kombinationstönen und Interferenzeffekten. Ein von Koenig geschaffener sogenannter manometrischer Flammenapparat machte Klangwellen sichtbar. Koenigs Entwicklungen trugen dazu bei, andere von der Richtigkeit der Helmholtz’schen Gedankengänge zu überzeugen: Die Stimmgabeln und Resonatoren, mit denen sich Klänge und Schwebungen erzeugen und analysieren ließen, wurden quasi zur Verkörperung von Helmholtz’ Theorie – auch wenn Koenig selbst diese später kritisierte. Koenigs Pariser Werkstatt verwandelte sich in eine Vorführ- und Verkaufsstelle für an Helmholtz’ Studien interessierte Besucher aus Europa, Nordamerika und anderen Ländern. Helmholtz-Resonatoren gehörten bald zur Standardeinrichtung in Physiklaboren und fanden auch in die späteren Psychologie-Institute.8 Helmholtz arbeitete an einer Weiterentwicklung des Vibrationsmikroskops und der dazugehörigen Methode zur Sichtbarmachung von Schwingungen. Das ursprüngliche Mikroskop hatte der französische Physiker Jules Antoine Lissajous entworfen, nach dem die dabei entstehenden »Lissajous-Figuren« benannt sind. Helmholtz erweiterte die Methode und wandte sie auf Streichinstrumente an, wodurch er die Schwingungsformen der Saitenabschnitte (und besonders die Reibschwingung beim Bogenstrich, die heute als »Helmholtz-Bewegung« bekannt ist) untersuchen und die Intensität der Obertöne bestimmen konnte. Seine Analyse der Schwingungen einer Geigensaite wurde zur (später von C.V. Raman und anderen bestätigten und erweiterten) klassischen Theorie. Helmholtz sah sich indes nicht nur die Schwingungsbewegungen von gezupften und gestrichenen Geigenoder Klaviersaiten an. Aufbauend auf den Arbeiten von Wilhelm Weber entwickel-
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te er zudem neue und tragfähige theoretische Ansätze zur Funktionsweise der Lippen- und Zungenpfeifen bei Orgeln sowie von Blasinstrumenten (Klarinette, Oboe, Fagott, Trompete, Posaune und Horn).9 Diese Instrumentenstudien sollten ausdrücklich die in den Tonempfindungen dargelegten Konzepte und Theorien durch Anschauung untermauern. Wie Darwins On the Origin of Species (1859; Über den Ursprung der Arten, 1860) illustrierte auch Helmholtz’ Text seine Theorie immer wieder am konkreten Beispiel. Damit bot er eine neuartige Lektüre für musikalisch gebildete Leser und solche, die es werden wollten. Zum anderen aber stand Helmholtz in der besonderen Schuld zweier musikalischer Frauen. Die eine war Anna, die als Testleserin für die nichtmathematischen Kapitel seines Buchs fungierte. Wenn sie etwas nicht gleich verstand, schrieb Helmholtz den Text um, bis es ihr einleuchtete. Sie war sein Maß für ein intelligentes, gebildetes, musikinteressiertes, aber wissenschaftlich unbedarftes Publikum. Seine zweite weibliche Unterstützung war die Sängerin Emma Seiler, die in den 1850er-Jahren in Heidelberg Gesangstunden gab. Sie schloss Freundschaft mit Bunsen und Kirchhoff und lernte dadurch auch Helmholtz kennen. Seiler suchte bei ihm fachliche Hilfe, um die menschliche Stimme wissenschaftlich zu untersuchen und auf dieser Basis die Gesangsqualität zu verbessern. Sie beteiligte sich also an Helmholtz’ Studien und erlernte bei ihm unter anderem den Gebrauch des Laryngoskops, mit dem sich die Physiologie des Kehlkopfs beim Erzeugen von Tönen beobachten ließ. Helmholtz unterstützte sie dabei, das wissenschaftliche Verständnis der menschlichen Tonerzeugung mit dem gezielten Training von Stimme und Gesang in Verbindung zu setzen. Doch war sie eben auch Helmholtz eine Hilfe: Während der Arbeit an seinem Buch besuchte er sie über mehrere Monate hinweg beinahe täglich, um ihren Rat einzuholen oder seine Berechnungen durch Experimente zu überprüfen. Emma Seiler zog später nach Philadelphia, wo sie eine Singakademie gründete und zum Mitglied in der American Philosophical Society gewählt wurde – als eine von nur sechs Frauen, denen man diese Ehre bis 1891 zugestand. In den Vereinigten Staaten machte sich die Gesangspädagogin mit den Werken The Voice in Singing und The Voice in Speaking einen Namen.10
Über die Tonempfindungen Helmholtz gliederte sein Buch in drei Hauptteile, womit er den Aufbau seines Handbuchs der physiologischen Optik übernahm (dessen dritter Teil jedoch noch geschrieben werden musste). Er begann mit den physikalischen Grundlagen, darauf folgte die Physiologie, und zum Schluss brachte er noch eine psychologische Komponente ein. In der Einleitung zollte er den aktuellen, wichtigen Beiträgen von Musikästhetikern wie Eduard Hanslick und Friedrich Theodor Vischer Anerkennung, stellte
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zugleich aber heraus, dass bisher niemand die physikalische Bewegung im Rahmen der Musik betrachtet habe. Damit fehle den Untersuchungen »ihr eigentlicher Anfang und ihre Grundlage«, also »die wissenschaftliche Begründung der elementaren Regeln für die Construction der Tonleiter, der Accorde, der Tonarten«. Helmholtz befand: »Die Musik steht in einem viel näheren Verhältniss zu den reinen Sinnesempfindungen, als sämtliche übrigen Künste.« Dichtkunst und bildende Künste würden vor allem »die Vorstellung eines äusseren Objects« hervorrufen wollen, während in der Musik die Tonempfindungen das »Material der Kunst« bildeten, ohne dass »Vorstellungen äusserlicher Gegenstände und Vorgänge« geweckt würden. Helmholtz war also überzeugt, dass das Verständnis der sinnlichen Wahrnehmung von Musik zentral für das Verständnis der musikalischen Ästhetik war. Im Gegensatz zu anderen bildenden Künsten habe die Musik keinen Bezug zur Natur: Töne und Tonempfindungen seien »ganz allein ihrer selbst wegen da«.11 Helmholtz begann damit, den akustischen Vorgang zu erklären, der »im Ohre selbst« stattfindet. Wie beim Auge gliederte sich auch beim Ohr die Untersuchung in drei Bereiche: einen physikalischen, in dem geklärt wird, »wie das Agens, welches die Empfindung erregt […] bis zu den Nerven hingeleitet wird«; einen physiologischen, in dem untersucht wird, wie Nerven Sinnesempfindungen hervorrufen; und einen psychologischen, in dem es darum geht, wie aus diesen Empfindungen geistige Wahrnehmungen werden. Die physiologischen und psychologischen Anteile stellten nach Helmholtz’ Ansicht die größte Herausforderung dar, um zu einem Verständnis der naturwissenschaftlichen Grundlagen der Musiktheorie zu gelangen. Die Tonempfindungen hatten also zum Ziel, die vorhandenen Forschungen zur physiologischen Akustik zusammenzufassen und um Helmholtz’ eigene, neue Erkenntnisse zu ergänzen. Dennoch fasste er seine Arbeit als »ersten Versuch« auf, der »ziemlich lückenhaft« bleiben müsse. Er räumte ein, dass er nur »die Grundzüge und die interessantesten Theile des betreffenden Gebiets« erläutern könne.12 Um auf den Aufbau und die Inhalte des Buchs zurückzukommen, so beschäftigte sich der erste Teil vornehmlich mit der physikalischen und physiologischen Akustik (»Die Zusammensetzung der Schwingungen«), insbesondere mit den Eigenschaften von harmonischen Obertönen und deren »Beziehung zu den Unterschieden der Klangfarbe«. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern sah Helmholtz in harmonischen Obertönen ein grundlegendes musikalisches Phänomen. Indem er das Zustandekommen der Wahrnehmung beginnend mit dem Reiz im Ohr untersuchte, gelangte er »zu einer Hypothese über die Erregungsweise der Hörnerven, welche geeignet ist, sämmtliche in das hier vorliegende Gebiet gehörige Thatsachen und Gesetze auf eine verhältnismässig einfache mechanische Vorstellung zurückzuführen«. Im zweiten Teil (in dem er »die Störungen des gleichzeitigen Erklingens zweier Töne« behandelte) begab Helmholtz sich auf eigentlich musikalisches Gebiet und analysierte Kombinationstöne und Schwebungen als Ausgangspunkte
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von musikalischer Konsonanz und Dissonanz. Helmholtz suchte nach dem physiologischen Grund für die dabei zutage tretenden Zahlenverhältnisse, auf die schon Pythagoras aufmerksam gemacht hatte. Der dritte Teil beschäftigte sich mit »der Construction der Tonleitern und Tonarten« sowie dem »Princip der Tonalität«. Hier kamen nun ästhetische Gesichtspunkte hinzu. Denn während sich die ersten beiden Teile seiner Tonempfindungen auf mathematische, physikalische und physiologische Tatsachen und Gesetze – also die Wissenschaft – stützten, ging es im letzten Teil um historisch beeinflusste »Differenzen des nationalen und individuellen Geschmacks«. An dieser Stelle demonstrierte Helmholtz seine langjährige praktische Erfahrung mit musikalischen Phänomenen, aber auch seine pädagogischen Fähigkeiten, indem er vielfältige gelehrte Beispiele gab, die von Aristoteles bis zur modernen Musikgeschichte und Ästhetik reichten. Daneben offenbarte er seine aufrichtige Sympathie für vormoderne und nichteuropäische (persische, arabische, indische und chinesische) Musik. Helmholtz war der Ansicht, dass die Naturwissenschaft in der Lage sei, zu einem Verständnis der Musik beizutragen, doch dass sich das Thema damit sicher nicht erschöpfe: Physik und Physiologie waren notwendige, aber nicht ausreichende Mittel, die weitere Studien ermöglichten. Obgleich er also betonte, dass seine Erörterungen »sich nur auf das niedrigste Gebiet der musikalischen Grammatik beziehen«, befürchtete er doch, dass einzelne Musiktheoretiker seine Ansätze »als zu mechanisch und der Würde der Kunst widersprechend«13 empfinden würden. Seine Vorahnung sollte sich bewahrheiten. Wie Helmholtz selbst betonte, glaubte er nicht, dass die Musik aus der Natur hervorgehe. Einige Musiker und Musiktheoretiker nahmen (oder nehmen) jedoch seine wichtige Unterscheidung zwischen der Natur als Bedingungsrahmen für Musik und dem musikalischen Stil als einem sich entwickelnden historischen Phänomen nicht zur Kenntnis. Oder ignorierten sie auch bewusst, da sie den Ursprung der Musik eben in der Natur sehen wollten. Helmholtz dagegen betrachtete Musik als ein historisch sich entwickelndes Stilphänomen. Die Natur legte die Bedingungen für Musik fest, sie war aber nicht das leitende Prinzip hinter der Musik.14 Helmholtz begann seine Ausführungen über »Die Zusammensetzung der Schwingungen« (im ersten Teil) mit der Schallempfindung im Allgemeinen, wobei er zwischen Geräuschen und musikalischen Klängen unterschied. »Die Empfindung eines Klanges«, so erklärte er, »wird durch schnelle periodische Bewegungen der tönenden Körper hervorgebracht, die eines Geräusches durch nicht periodische Bewegungen«. Des Weiteren unterschied er Klänge nach ihrer Stärke, ihrer Tonhöhe und ihrer Klangfarbe. Wie er erklärte, hört das Ohr »noch eine ganze Reihe höherer Töne«, nämlich die harmonischen oberen Teiltöne oder Obertöne – so benannt im Gegensatz zum Grundton oder ersten Ton, »der unter ihnen allen der tiefste und in der Regel auch der stärkste ist«. Ein musikalischer Klang ist demnach eine im Ohr wahrgenommene periodische Schwingung der Luft. Er setzt
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sich aus einer Reihe von Teiltönen oder Partialtönen zusammen und baut auf dem Grundton auf, dem die Obertöne folgen. Einfache Schwingungen rufen nur einen Ton hervor, meist aber bilden mehrere zusammengesetzte Töne einen Klang.15 In verständlicher Sprache beschrieb Helmholtz die physikalische Beschaffenheit von Wellen und erklärte, dass man Klänge als ebensolche Wellen betrachten könne. Über das Ohm’sche Gesetz und die Fourier-Transformation ließen sich diese in einfache Schwingungen zerlegen. Zudem erläuterte er, wie Resonatoren ansonsten kaum wahrnehmbare Töne hörbar machten, sodass sie auch Ungeübte hören konnten. Resonatoren waren für seine Forschungen demnach unabdingbar. Helmholtz erklärte, Obertöne seien »ein wesentliches Erforderniss einer guten musikalischen Klangfarbe«. Sie hören zu lernen, sei damit vergleichbar, die verschiedenen Zutaten und Gewürze in einem Gericht oder einem Wein herausschmecken und auf diese Weise Gutes von Schlechtem unterscheiden zu lernen. Beides sei schlicht eine Frage der Übung. Helmholtz beschrieb anatomisch detailliert den feinen Aufbau des Ohres, und hier besonders der membranbestückten Hörschnecke. Auf diesem Weg gelangte er zu seiner Resonanztheorie des Hörens: Schallwellen versetzen die Hörnerven in entsprechende Schwingungen, und zwar vermittels verschieden langer und dicker Fasern, deren Enden in oder auf der Basilarmembran in einem mit Flüssigkeit gefülltem Hohlraum verteilt sind. (Der Ursprung dieser Theorie findet sich schon im 18. Jahrhundert bei Domenico Cotugno, Giordano Raccati, Jean-Philippe Rameau, Albrecht von Haller und anderen.) Wie bei den gestimmten Saiten eines Musikinstruments (etwa einer Harfe, eines Cellos, einer Geige oder eines Klaviers) dienen Querfasern in der Grundmembran dabei als Resonatoren für Töne unterschiedlicher Frequenzen. Helmholtz’ Physiologie der akustischen Wahrnehmung lag also eine Untersuchung der Nervenfasern und insbesondere Müllers Gesetz der spezifischen Sinnesenergien zugrunde. Seine Ergebnisse und seine Synthese früherer Arbeiten aus vielen verschiedenen Feldern blieben für rund ein halbes Jahrhundert die vorherrschende Erklärung zur Funktion des Ohres und der auditiven Wahrnehmung. Obgleich seine Resonanztheorie nicht unangefochten blieb (etwa durch Ernst Mach), trat erst mit Georg von Békésys Wanderwellen-Theorie von 1928, für die er viel später (1961) den Nobelpreis für Medizin erhielt, eine überlegene Erklärung auf den Plan.16 Die Helmholtz’sche Theorie inspirierte [Alexander] Graham Bell bei der Erfindung des Telefons, auch fand sie Anwendung in der Ohrenheilkunde und in der Musikwissenschaft. Eng verbunden mit dem Thema Gehör und Hören war die Frage nach den Eigenschaften von Vokalen. Es war kein rein phonetisches Interesse, das Helmholtz die Sprachvokale untersuchen ließ, sondern sein Wunsch, den Vokalklang von Instrumenten und der menschlichen Singstimme zu verstehen. Das bedeutete, die Stimmbänder als »membranöse Zungen« aufzufassen, die »intermittierende Luftstöße« hervorbringen, die das Ohr als zusammengesetzte Klänge aufnimmt und in
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Partialtöne auflöst. Auch hier machte Helmholtz ausgiebigen Gebrauch von Stimmgabeln und Resonatoren.17 Der zweite Teil der Tonempfindungen war den »Störungen des Zusammenklangs« gewidmet und untersuchte »Combinationstöne und Schwebungen, Consonanz und Dissonanz«. Laut Helmholtz entstehen Kombinationstöne, »wenn zwei musikalische Töne von verschiedener Höhe gleichzeitig kräftig und gleichmässig« erklingen, wodurch sich normalerweise eine neue Tonhöhe ergibt. Er unterschied dabei Kombinationstöne von Schwebungen und stellte heraus, dass bei Kombinationstönen »ein ungestörtes Nebeneinanderbestehen der beiden Schwingungssysteme« gegeben ist, während die Addition der Schwingungen bei Schwebungen »Störungen erleidet«. Wohlklang oder Konsonanz entsteht, wenn zwei Töne eines bestimmten Intervalls zusammen erklingen, es aber nicht zu Schwebungen kommt: Die Tonempfindung ist gleichmäßig. Dissonanz entsteht, wenn die Schwebungen der Grundtöne und die Schwebungen der Obertöne eine unangenehme Störung hervorrufen: Es kommt zu einer gebrochenen Tonempfindung. Nach Helmholtz war die »classische Kunst« bestrebt, jeden Missklang zu vermeiden, die moderne Kunst aber, die neuartige (und überhaupt viel mehr) Instrumente zum Einsatz bringe, um einen stärkeren musikalischen Ausdruck zu ermöglichen, produziere zwangsweise auch mehr dissonante Klänge.18 Seine Ausführungen zu Obertönen, Kombinationstönen und Schwebungen gehörten unter Musikwissenschaftlern zum Standardwissen. Wie Helmholtz betonte, hatte er – wie schon bei seiner Arbeit am Ophthalmoskop – die bisherigen Erkenntnisse nur erweitert. Dies geschah maßgeblich durch den Einsatz des Resonators, der Obertöne hörbar machte und damit bewies, dass sämtliche Töne aus Partialtönen zusammengesetzt waren und gerade diese für einen angenehmen musikalischen Effekt von Bedeutung waren. Helmholtz legte Wert darauf, dass seine Arbeit keine leere theoretische Spekulation war, sondern größtenteils empirisch vorging und an bekannte physikalische Gesetze anknüpfte. In den Händen eines geübten Hörers, so erklärte er, sei der Resonator ein unentbehrliches Hilfsmittel für die musikwissenschaftliche Analyse. Obgleich Helmholtz betonte, es sei noch viel empirische Arbeit zu leisten, war er doch selbstbewusst genug zu verkünden, er habe »die wahre und ausreichende Ursache des consonanten und dissonanten Verhaltens der musikalischen Klänge dargelegt«. Zwar hätten verschiedene Kulturen ihre eigenen Tonsysteme entwickelt, doch nur das moderne, also europäische System arbeite mit harmonischen Akkorden: »In diesem System erst ist eine Berücksichtigung aller Anforderungen des Harmoniegewebes erreicht worden.«19 Er betrachtete es offenkundig als überlegen. Die Fähigkeit des Ohres, komplexe Klänge mittels den »Gesetzen des Mitschwingens« aufzulösen, und die damit verbundene Vorstellung, dass Harmonien sich in gleichmäßigen Nervenreizungen äußern, stellte in Helmholtz’ Augen
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eine Erklärung für die Zahlenbefunde des Pythagoras dar. Dieses wissenschaftliche Verständnis von Musik ließ ihn all die vorgeblich numerologischen und mystischen Ursprünge der Harmonie verwerfen. Solche Behauptungen seien ohnehin nur »Grundlage ausschweifender phantastischer Speculationen«, wie sie uns schon bei den alten Griechen und Chinesen, den »musikalischen Schriftstellern der Araber«, in den mittelalterlichen Vorstellungen von einer Sphärenharmonie und auch in Athanasius Kirchers harmonisch zusammengehaltenem Makro- und Mikrokosmos begegneten. All das waren für Helmholtz musikalische Hirngespinste. »Selbst ein Mann von tiefstem wissenschaftlichen Geiste, wie Keppler, konnte sich von dieser Art Vorstellungen nicht ganz frei machen, ja noch in allerneuester Zeit ergötzen sich daran einzelne naturphilosophische Gemüther, denen Phantasiren bequemer ist, als wissenschaftliche Arbeit«, schrieb er. Wilde Spekulationen dieser Art mussten dem Wissenschaftler Helmholtz widerstreben. Lieber wies er auf die Befunde von Mathematikern und Naturphilosophen wie Euler, Rameau, d’Alembert und Guiseppe Tartini hin, die den Weg zu einer Theorie der Konsonanz gebahnt hätten. Zwar machte er deutlich, wo er Unzulänglichkeiten und mangelnde Kenntnisse seiner Vorgänger sah, bestätigte aber zugleich, dass seine Arbeiten auf den ihren aufbauten.20 Der dritte Teil der Tonempfindungen behandelte »die Verwandtschaft der Klänge«. Mit ihm verließ Helmholtz die rein wissenschaftliche, in großen Teilen »mechanische« musikwissenschaftliche Analyse und wandte sich Themen wie Tonalität, Ästhetik und Stil zu. Es sei die Pflicht der Wissenschaft, so Helmholtz, ihre Arbeit fortzusetzen, bis alles Willkürliche aus den Gesetzen verschwunden sei – erst dann könne man, so wie er in diesem dritten Teil, »das Gebiet der Ästhetik« betreten.21 Helmholtz führte auf »historische und nationale Geschmacksverschiedenheiten« zurück, dass sich die »Grenze zwischen Consonanzen und Dissonanzen« und ebenso Tonleitern und Tonarten so verschieden ausformten, und das nicht nur »bei ungebildeten und rohen Völkern, sondern selbst in denjenigen Epochen der Weltgeschichte und bei denjenigen Nationen, wo die höchsten Blüten menschlicher Bildung zum Aufbruch kamen«. Er hielt dies für einen Aspekt, dem Musikwissenschaftler und Musikhistoriker bisher nicht gerecht geworden seien. Denn es sei nicht so, dass die Elemente der Musik »willkürlich« wären oder keinen »allgemeineren Gesetzen« folgten. Vielmehr sei es die Aufgabe der Wissenschaft, die Motive – »seien sie nun psychologischer oder technischer Art« – zu ermitteln, »die bei diesem Verfahren der Künstler wirksam gewesen sind«. Ältere musikalische Elemente und Stile sollten nicht auf Basis von späteren bewertet werden. Helmholtz machte drei Hauptprinzipien und Stilrichtungen aus: die homophone Musik des Altertums (zu der er auch die zeitgenössische Musik der orientalischen und asiatischen Kulturen zählte), die polyphone Musik des Mittelalters und die harmonische Musik der Moderne. Er zeigte große Bewunderung für die musikalischen Leis-
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tungen der Griechen, Perser, Araber, Inder und der mittelalterlichen lateinischen Welt, ohne ihre jeweiligen Grenzen zu übersehen. Allerdings sprach er auch vage von »ungebildeten und rohen Völkern«. Er gestand ein, dass die Wurzeln der harmonischen Musik bis ins Altertum und ins Mittelalter zurückreichten. Nach 1500 habe sich die Entwicklung dann beschleunigt. Doch sei die harmonische Musik in ihrer voll ausgebildeten modernen Form nur knapp 200 Jahre alt und beschränke sich »auf die germanischen, romanischen, celtischen und slavischen Völker«. Nach Helmholtz’ Ansicht erreichte die moderne, westliche, harmonische Musik den »höchsten Grad künstlerischer Schönheit«, jedoch betonte er wiederholt deren multikulturelle Wurzeln und Abhängigkeit von früheren Systemen.22 Sein historischer, evolutionistischer Ansatz fügte sich nahtlos in den allgemeinen intellektuellen Diskurs des 19. Jahrhunderts ein: Musik hatte – genau wie Organismen und Menschen, wie Ideen und Gesellschaften – eine Entwicklung und eine Geschichte. Helmholtz spickte seinen Text mit Verweisen auf Aristoteles, Boethius, Plutarch und verschiedene moderne Musikhistoriker und Musikwissenschaftler und zeigte damit die Breite seines Wissens. Zudem skizzierte er eine musikalische Ästhetik, führte diese aber nicht weiter aus. Die Instrumentalmusik drückte seiner Ansicht nach »die Art der Gemüthsbewegung aus […], die dem Gefühle verbunden ist«. Verschiedene Hörer derselben Musik hätten oft verschiedene Eindrücke und würden »ganz verschiedene Situationen oder Gefühle angeben, welche in der Musik geschildert worden seien«. Demnach gebe es keine richtige oder einzige Interpretation, so betonte Helmholtz, »weil die Musik nicht die Gefühle und Situationen schildert, sondern nur die Stimmungen«, die doch im Verlauf der Zeit und von Person zu Person variierten. Seinen Ausführungen lagen letztendlich ein hohes Maß an Toleranz und Einfühlungsvermögen zugrunde.23 In ästhetischer Hinsicht, so behauptete Helmholtz, würden Kombinationstöne mit harmonischen Obertönen von jeder Art Musik, melodischer ebenso wie harmonischer, bevorzugt – ein Umstand, den er auf den Bau des menschlichen Ohres zurückführte. Auf der anderen Seite aber sei die »Construction der Tonleitern und des Harmoniegewebes ein Produkt künstlerischer Erfindung, und keineswegs durch den Bau oder die natürliche Thätigkeit unseres Ohres unmittelbar gegeben«. An dieser Stelle machte Helmholtz noch einmal darauf aufmerksam, dass Musik letztendlich ein kulturelles Phänomen sei, kein Naturphänomen. Und doch bedeute dies nicht, dass »die natürlichen Gesetze der Thätigkeit unseres Ohres« unbeachtet bleiben dürften, denn »sie sind gleichsam die Bausteine, welche der Kunsttrieb des Menschen benutzt hat, um das Gebäude unseres musikalischen Systems aufzuführen«. Die Bauweise dieses Gebäudes könne man nur begreifen, »wenn man die Natur der Stücke, aus denen es aufgeführt ist, genau kennen gelernt hat«. Gerade dies sei die Absicht seiner Untersuchungen. Die Musikgeschichte zeige, dass die »glei-
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chen Eigenthümlichkeiten des menschlichen Ohres als Grundlage sehr verschiedener musikalischer Systeme dienen«. Für Helmholtz war Musik »ein Werk künstlerischer Erfindung« und den »Gesetzen der künstlerischen Schönheit« unterworfen.24 Indem er sich auf den »Grund und Charakter der künstlerischen Schönheit überhaupt« bezog, strebte Helmholtz eine Erläuterung der »dunkelsten und schwierigsten Punkte der allgemeinen Ästhetik« an. Diese Betrachtungen waren seiner Ansicht nach eng verknüpft »mit der Lehre von den Sinneswahrnehmungen und dadurch auch mit der Physiologie«. Zwar stimme man allgemein überein, »dass die Schönheit an Gesetze und Regeln gebunden sei, die von der Natur der menschlichen Vernunft abhängen«, doch weder Künstler noch Zuhörer (oder Betrachter) seien sich dessen bewusst, sodass diese Regeln unausgesprochen blieben. Kunst scheine daher nur keinem Plan zu folgen, ihre Wurzeln schienen nur im Unbewussten zu liegen. Dagegen hielt Helmholtz eine Kunst, die bewussten Regeln und Gesetzen entsprang, für armselig. Dennoch solle ein Kunstwerk eine gewisse »Vernunftmässigkeit« zeigen und einer kritischen Betrachtung standhalten. Durch diese offenbare sich im besten Fall seine Gesetzmäßigkeit, Kohärenz und Ordnung – mit einem Wort: seine Harmonie. Nach Helmholtz ermaß sich die Größe eines Kunstwerks darin, dass sein wiederholter Genuss und seine vertiefte intellektuelle Analyse es nur noch reicher und vernunftmäßiger machten. Denn das »Urtheil des künstlerisch gebildeten Geschmacks« drücke unmittelbar aus, ob etwas »gefalle oder nicht gefalle, ohne es mit irgend einem Gesetze und Begriffe zu vergleichen«. Ein Kunstwerk werde nicht wegen seiner Einzigartigkeit als schön empfunden, sondern weil es eine »gesetzmäßige Übereinstimmung mit der Natur unseres Geistes« zeige. Das bedeutete, dass auch andere diese Schönheit wahrnehmen mussten. Natürlich wusste Helmholtz, dass bei der Beurteilung eines Kunstwerks persönliche und nationale Vorlieben, Bildung und Erfahrung eine Rolle spielten, diese erachtete er aber als nachrangig. Die Schwierigkeit bestand nun darin, wie sich diese intuitiv empfundene »Gesetzmäßigkeit« bestimmen ließe. Die Unübersehbarkeit des zugrunde liegenden Plans wecke nämlich »das Gefühl einer Vernunftmässigkeit des Kunstwerks, die weit über das hinausreicht, was wir für den Augenblick begreifen, und an der wir keine Grenzen und Schranken bemerken«. An dieser Stelle zitierte Helmholtz eine seiner Lieblingsstellen aus Goethes Faust: »Du gleichst dem Geist, den Du begreifst«. Der Künstler werde ebenso wie der Zuhörer oder Zuschauer durch »Taktgefühl« und Geschmack geleitet, ohne dass sie sich der dem Kunstwerk innewohnenden Gesetze und Regeln bewusst wären. Die kritische Analyse könne uns aber die Regeln der Harmonie und Schönheit zu einem guten Teil, wenn auch nicht vollständig begreiflich machen.25 Für Helmholtz unterschieden sich Künstler in geistiger Hinsicht nicht von anderen Menschen – bis eben darauf, dass sie über »einen Genius, einen Funken göttlicher Schöpferkraft« verfügten, der »über die Grenzen unseres verständig und
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selbstbewusst rechnenden Denkens hinausgeht«. Wer sich in ein Kunstwerk versenke, erlebe ein Gefühl »der moralischen Erhebung« und »seliger Befriedigung«. Kunst lasse uns erkennen, dass im menschlichen Geist »der Keim zu einer vernünftigen und reicher Entwicklung fähigen Ordnung schlummert, und wir lernen, vorläufig zwar an gleichgültigem Stoffe ausgeführt, in dem Kunstwerk das Bild einer solchen Ordnung der Welt, welche durch Gesetz und Vernunft in allen ihren Theilen beherrscht wird, kennen und bewundern. Es ist wesentlich Vertrauen auf die gesunde Urnatur des menschlichen Geistes, wie sie ihm zukommt, wo er nicht geknickt, verkümmert, getrübt und verfälscht worden ist, was die Anschauung des rechten Kunstwerks in uns erweckt«.26 Kunst war für Helmholtz also ebenso rational wie die Wissenschaft – mit dem Unterschied, dass Kunst keine Artikulation der unbewussten Gesetze erlaube, die zu ihrer Entstehung und ihrer ästhetischen Wirkung führten. Ästhetische Erwägungen entsprachen also insofern den Sinneswahrnehmungen, dass wir »zusammengesetzte Aggregate von Empfindungen als die weiter nicht zu zerlegenden sinnlichen Symbole einfacher äusserer Objecte behandeln«. Gewiss könnten Musik und Kunst generell die Natur nachahmen, doch gingen sie weit über eine solche Imitation hinaus, beharrte Helmholtz. Er schloss sein meisterhaftes und epochales Werk mit der Bemerkung, er habe über die darin niedergelegten grundlegenden musikwissenschaftlichen Erkenntnisse und deren Beziehung zu physiologischen Phänomenen nicht hinausgehen können. Denn nicht nur die Rolle der Harmonie zu diskutieren, sondern etwa auch die Rolle von Rhythmus, Kompositionsform und musikalischen Ausdrucksmitteln, hätte ihn weit von der Naturwissenschaft entfernt. So verlockend dieses Ziel auch sei, zog er es doch vor, diese Untersuchungen anderen zu überlassen, »und selbst auf dem Boden der Naturforschung, an den ich gewöhnt bin, stehen zu bleiben«.27
Reaktionen Deutschland Die Reaktionen auf Helmholtz’ Buch ließen nicht auf sich warten und setzten sich – besonders immer dann, wenn neue Auflagen erschienen – bis ins frühe 20. Jahrhundert fort. Der große Erfolg des Buchs bei den deutschen (oder des Deutschen mächtigen) Lesern lässt sich schon daran ermessen, dass Vieweg von 1863 bis 1913 nicht weniger als sechs Auflagen der Tonempfindungen auf den Markt brachte. Schon 1865 erschien eine zweite Auflage, 1870 dann eine dritte, überarbeitete Ausgabe und 1877 die endgültige, erneut überarbeitete vierte Fassung. Nach Helmholtz’ Tod im Jahre 1894 brachte Vieweg zwei weitere Auflagen (1896 und 1913)28 heraus. Im Anschluss haben verschiedene deutsche Verlage bis ins Jahr 2007 Nachdrucke des Buchs veröffentlicht.
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Gute Freunde fanden gute Worte für das Werk: Brücke etwa teilte mit, er habe die Lektüre »nur unterbrochen um zu schlafen, Kaffe zu trinken und Dir diese Zeilen zu schreiben«. Helmholtz eröffnete seinem Freund offenbar neue Denkpfade – 1871 veröffentlichte Brücke einen kleinen Band über Sprache, der auf Helmholtz’ Studien zu Tonhöhe und Vokalen aufbaute. Die Tonempfindungen sprächen seinen »inneren Menschen« an, begeisterte sich Brücke. Ludwig – ebenfalls ein Liebhaber der Künste mit einem wissenschaftlichen Blickwinkel – war sicher, Helmholtz habe »viel Schönes« über sein Werk gehört. Im Herbst 1863 wurde das Buch zu seinem »stetigen Begleiter«, Ludwig verglich es gar mit einem Gemälde eines Renaissance-Meisters. Doch äußerte er auch den Verdacht, dass die Wiener Musikerkreise – mit Ausnahme Hanslicks, »der sehr für Dich schwärmt« – einfach »zu unreif« seien, um Helmholtz’ Ausführungen zu begreifen. Helmholtz antwortete Ludwig, seinem Eindruck nach habe das Buch »im Ganzen mehr succès d’estime gehabt, als es die Menschen überzeugt hat. Ich habe mir übrigens darüber, dass es so sein würde, niemals Illusionen gemacht«. Ludwig widersprach dieser Einschätzung, und als die zweite Auflage des Buchs erschien, sah er das als Beweis für dessen Publikumserfolg. Helmholtz’ langjähriger Bonner Freund, der Schriftsteller Klaus Groth, war absolut überzeugt von der Bedeutung der Tonempfindungen, aber auch er befürchtete, die Musiker könnten den wissenschaftlichen Teil nicht verstehen, und die Physiker und Physiologen hätten nicht genug Interesse an Musik, um den musikwissenschaftlichen Teil wertzuschätzen.29 Kritiker, die keine Freundschaft mit Helmholtz verband, äußerten sich weniger positiv. Der Philosoph Hermann Lotze begeisterte sich zwar für die musikwissenschaftlichen Arbeiten von Helmholtz. Wie viele andere beeindruckten ihn besonders die vielen neuen und interessanten Fakten zu Akustik und Physiologie, die Helmholtz im Zusammenhang mit Musik erläuterte. Weniger überzeugen konnte ihn die »ästhetische Bedeutung« dieser Fakten. Dennoch, so erklärte Lotze, sei ja die Wirkung der Tonempfindungen auf »die Seele« das eigentlich musikwissenschaftlich Interessante. Damit begriff Lotze eines der wichtigsten philosophischen Argumente in Helmholtz’ Werk (was man nicht von allen Interpreten sagen kann).30 Auch der junge Ernst Mach gehörte zu den frühen Lesern des Buchs und zeigte sich anfangs aufrichtig begeistert. In Wien, wo er sich 1861 in Physik habilitierte, studierte Mach bei Brücke, er lernte Ludwig kennen und entwickelte – nicht zuletzt durch Helmholtz’ Arbeiten – ein tiefes, lebenslanges Interesse an der Sinnesphysiologie. Da er als Privatdozent der Physik kaum über die Runden kam, gab er zusätzlich Privatunterricht und hielt unter anderem Vorträge über die Tonempfindungen. Diese Vorträge veröffentlichte er 1866 als Einleitung in die Helmholtz’sche Musiktheorie: Populär für Musiker dargestellt und lieferte damit eine zutreffende und gut lesbare Zusammenfassung von Helmholtz’ Gedanken. Ein Exemplar schickte er Helmholtz, der dem jungen, damals noch unbekannten Wissenschaftler einen
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verspäteten anerkennenden Gruß zukommen ließ, in dem er sich dafür bedankte, dass Mach sein Buch in eine verständlichere Form gebracht hatte.31 Obgleich die Tonempfindungen anfangs einen großen Einfluss auf Machs Denken hatten – sie spornten ihn etwa an, die Verarbeitung der Töne im Ohr mathematisch zu berechnen –, kam es später zu Differenzen mit Helmholtz nicht nur in Bezug auf das Hören, sondern auch auf musikwissenschaftlichem und erkenntnistheoretischem Feld. Nicht-Wissenschaftler konnten oder wollten die wissenschaftlichen Ausführungen der Tonempfindungen nicht verstehen. Die Niederrheinische Musik-Zeitung sah in Helmholtz’ Buch ein »bedeutendes« und »epochemachendes« Werk, was ja auch allgemein anerkannt werde. Doch wüssten gerade Musiker seine Ergebnisse nicht ausreichend zu schätzen: Der Text sei derart wissenschaftlich und enthalte so viel Physik, dass selbst Personen mit einem Interesse für Musiktheorie ihm nicht folgen könnten. Der renommierte Musikwissenschaftler Oskar Paul nannte Helmholtz mit Blick auf die Tonempfindungen »den grössten Akustiker der Jetztzeit«. Instrumentenbauer müssten sich fortan Helmholtz’ Theorie der Akustik aneignen, meinte er, zumal seine Arbeiten auf diesem Feld bereits ihre Spuren hinterlassen hätten, wie man an der Pariser Weltausstellung von 1867 sehen könne.32 Von musikwissenschaftlicher Seite wurde viel Gutes über das Buch gesagt. Die Allgemeine Musikalische Zeitung pries seinen Wert für Musiker, nicht zuletzt weil es Kunst und Wissenschaft zusammenführe. Das Musikalische Konversations-Lexikon widmete Helmholtz einen eigenen Eintrag voll des Lobes: Er sei »der bedeutendste neuzeitige Forscher auf dem Gebiete der Akustik«. Sein Buch bringe »Licht in die dunkelsten Parthien der Musikwissenschaft« und löse »auf die einfachste Art Räthsel, vor denen die Philosophen und Musiktheoretiker bisher ratlos gestanden haben«. Das Musikalische Wochenblatt: Organ für Tonkünstler und Musikfreunde brachte eine Rezension von Gustav Schubring, in der dieser einen Abriss von Helmholtz’ Leben und wissenschaftlicher Arbeit gab und feststellte, der Name des Heidelberger Professors sei seit 1863 »häufig genug« in Musikjournalen aufgetaucht. Sein neues Buch werde unter Musikern eifrig diskutiert, die Meinungen darüber gingen freilich auseinander. Dennoch sei es maßgebend für alle, die einen naturwissenschaftlichen Ansatz in der Musik anstrebten, und liefere zudem konkrete Hinweise für Musiker. Schließlich, so hieß es weiter, verhalfen die von Helmholtz ersonnenen Apparate zu einem klareren Verständnis verschiedener musikalischer Prinzipien und erlaubten insbesondere eine verbesserte Stimmung von Instrumenten und Gesang. Auch Die Musik war voll des Lobes für Helmholtz’ musikalische Betrachtungen, konstatierte aber zugleich, sein Buch sei »viel gelesen, aber wenig verstanden« worden. 33 Nach der Lektüre der Tonempfindungen schrieb der Psychophysiker Gustav Theodor Fechner in einem Brief an Helmholtz: »Die gerechte Bewunderung, welche die Welt, mich selbst eingeschlossen, Ihren Arbeiten zollt, hat durch Ihre Tonlehre nur
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erhöht werden können.« Er äußerte die Befürchtung, dass gewisse Philosophen, die auf dem Gebiet der Ästhetik unterwegs waren – vor allem Robert Zimmermann, der für eine abstrakte, formalistische Ästhetik eintrat – Helmholtz’ Ansichten in ihren eigenen Werken missbrauchen könnten. Der mit Helmholtz bekannte Jenaer Physiologieprofessor William Thierry Preyer gelangte derweil zu neuen Ergebnissen in der Akustik, die den Helmholtz’schen Theorien widersprachen. Dennoch versicherte er seinem Freund: »Jeder erkennt auf jeder Seite meiner Schrift deren Abhängigkeit von Ihren grundlegenden Arbeiten, ohne welche meine Versuche nicht hätten entstehen können.«34 Obgleich also viele Leser – wie auch Arthur von Oettingen, Physiker an der Universität Dorpat – befanden, dass Helmholtz’ Buch den Beginn einer modernen Musiktheorie markierte und sich dadurch auszeichnete, Wissenschaft und Kunst zusammenzubringen, gab es nur wenige, die wie Oettingen eine intelligente Kritik an den Tonempfindungen oder gar eine alternative Theorie formulieren konnten. Oettingen jedenfalls lieferte mit seinem harmonischen Dualismus einen respektvollen Gegenentwurf, der sich von Helmholtz’ Ansatz unterschied und dennoch auf ihm aufbaute. Die Allgemeine Musik-Zeitung stellte wie viele andere fest, nur wenige Musiker seien in der Lage, die physikalischen und physiologischen Teile der Tonempfindungen zu verstehen, weshalb sie den Inhalten des Buchs auch mehr oder weniger skeptisch gegenüberstünden. Selmar Bagge ließ in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung verlauten, die meisten Musiker begriffen Helmholtz’ Buch ganz einfach nicht. Auch der Physiker Felix Auerbach – ein ehemaliger Student von Helmholtz, der die Tonempfindungen 1881 der gebildeten, aber wissenschaftlich nicht versierten Leserschaft der Zeitschrift Nord und Süd zu erklären und nahezubringen versuchte – räumte ein, dass sein ehemaliger Professor gerade unter Musikern Gegner habe.35 Besonders harsche Kritik kam von Moritz Hauptmann und seinen Anhängern. Bis 1863 hatte sich Hauptmanns Die Natur der Harmonik und Metrik (1853) als das führende musiktheoretische Werk behauptet. Wie Helmholtz und andere anmerkten, war es aus idealistischer, wenn nicht hegelianischer Sicht verfasst. Hauptmann – der übrigens zugab, die Tonempfindungen nur stellenweise gelesen zu haben – vermisste in Helmholtz’ Buch eine Darstellung der allgemeinen musikalischen Architektur, wobei er zugeben musste, dass es zu einzelnen Teilbereichen der Musik wertvolle Erkenntnisse lieferte. Zwar fehle eine Musiktheorie, doch seien einige interessante empirische Erkenntnisse enthalten. Bagge, der Hauptmanns Ansichten teilte, brachte immerhin vor, dass die Tonempfindungen einen populäreren Charakter hätten als Hauptmanns eigenes Werk. Überdies seien Wissenschaftler schon dabei, Helmholtz’ Arbeit zu erweitern, was für Hauptmanns Ansatz nicht möglich zu sein schien.36 Die Tonempfindungen waren jedenfalls ein Publikumserfolg und verdrängten Hauptmanns Buch vom Markt.
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Wirklich ernstzunehmende Kritik an Helmholtz’ Ausführungen tauchte erst ab 1873 auf. Denn nun stellte Mach das Konzept der Schwebungen als Grundlage für musikalische Konsonanz und damit die gesamte Helmholtz’sche Harmonietheorie infrage und legte ein alternatives Modell vor. Auch Koenig, der für Helmholtz’ Theorien eingetreten war und seine Studien durch die Herstellung spezieller Resonatoren entscheidend vorangebracht hatte, begann, an der Idee der Kombinationstöne sowie der Erklärung für ihre Entstehung zu zweifeln und stellte stattdessen die Schwebungstöne in den Vordergrund. Hugo Riemann, der als junger Musikwissenschaftler und Musikpädagoge mit den Ansätzen der Tonempfindungen d’accord gegangen war, sah in Helmholtz’ Arbeiten mittlerweile einen »culturfertig gemachten Boden«, auf dem er seine eigenen Studien vorantreiben konnte. Er stimmte Helmholtz in wesentlichen Aspekten zu, wenngleich er dessen Verständnis der Obertöne nicht vollständig teilte. Als er sich auf eine Musikprofessur in Bonn bewarb, bat er Helmholtz um ein Empfehlungsschreiben – in der Erwartung, dass ein solcher Brief enorm hilfreich sein würde. (Den Brief bekam er, die Stelle nicht.) Riemann erwies sich für Helmholtz letztendlich als weitaus schwierigerer Gegner als Hauptmann. Denn anders als Hauptmann, und darin auf einer Linie mit Oettingen, vertrat er einen erklärtermaßen wissenschaftlichen, auf die Natur gegründeten Ansatz. Er entwickelte die auf Hauptmann und Oettingen zurückgehende Vorstellung von einem »harmonischen Dualismus« weiter, die auf der Annahme fußte, dass in allen harmonischen Reihen Unter- und Obertöne zu finden seien. Die Weiterentwicklung dieses Konzepts sollte Riemann zum führenden deutschen Musikwissenschaftler der Jahrhundertwende machen. Immerhin bauten Riemann und Oettingen auf Helmholtz’ musikwissenschaftlichen Grundlagen auf, auch wenn sie in entscheidenden Punkten davon abwichen. Das Gleiche galt für Carl Stumpf, einen experimentellen Psychologen und Philosophen, der Helmholtz’ Arbeit und empirischem Ansatz gegenüber grundsätzlich wohlgesonnen war, jedoch Konsonanz für das Ergebnis einer wahrgenommenen Verschmelzung von Tönen hielt. Wo Helmholtz den Akzent auf die Tonempfindungen legte, stellte Stumpf deren Wahrnehmung heraus.37 1863 wurde Helmholtz zum Großherzoglich Badischen Geheimen Rat ernannt, was zumindest teilweise seinem gesteigerten Ansehen durch die Tonempfindungen zu verdanken gewesen sein dürfte. Erst deren Veröffentlichung machte Helmholtz bei einem gebildeten, aber nichtwissenschaftlichen Publikum in Deutschland und darüber hinaus bekannt. So hatte etwa Nietzsche ein Exemplar in seiner Bibliothek. 1875 erschien Helmholtz’ Porträt auf dem Titelblatt der Sonntagszeitung Über Land und Meer: Allgemeine Illustrierte Zeitung. Der dazugehörige Artikel versicherte, die Tonempfindungen seien ein Werk, das auch Laien gelesen haben sollten. Eine weitere in der bürgerlichen Mittelschicht gern gelesene Zeitschrift namens Daheim brachte 1876 ebenfalls ein Bild des berühmten Professors und rühmte die Tonemp-
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findungen, »dieses bedeutendste Werk«, wegen seines Vorzugs, »daß es jedem Laien in der Physik, namentlich aber dem Musikverständigen eine klare Einsicht in die Rolle gewährt, welche dem menschlichen Ohr in der Wahrnehmung der Töne ertheilt ist«.38 Helmholtz’ Buch trug also dazu bei, das deutsche Bildungsbürgertum auch musikalisch zu schulen.
Frankreich Die Tonempfindungen steigerten Helmholtz’ Ansehen in Frankreich und der französischsprachigen Welt enorm. Dort markierte das Jahr 1863 einen regelrechten Wendepunkt. Bis dahin waren nämlich seine physiologischen Arbeiten nicht besonders gut aufgenommen worden, und seinen Schriften zur Physik hatte man wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Doch insbesondere nach Helmholtz’ erstem Besuch in Paris 1866 sollte sich das Blatt wenden. Rodolphe Radau etwa erklärte, eine wissenschaftliche Theorie der Musik sei eben erst im Entstehen, Helmholtz aber halte »den Schlüssel« dazu in der Hand. Der »berühmte Physiologe« stütze sich auf Denker der Aufklärung wie Rameau und d’Alembert und habe die physiologischen Grundlagen der Musik aufgezeigt. Im privaten Kontakt jedoch wies Radau Helmholtz in freundlich-respektvoller Art auf kleinere Schwachstellen des Buchs hin, die er entdeckt hatte.39 Die Veröffentlichung der Tonempfindungen vergrößerte auch Helmholtz’ Ruf als Mann von hoher Bildung. Mary von Mohl, die den berühmten Ehemann ihrer Nichte noch nicht kennengelernt hatte, schrieb an eine Freundin, sie könne nicht begreifen, wie Physiologie und Mathematik zusammengingen, doch sei sie in dieser Beziehung wohl ein Esel und wolle angesichts von Helmholtz’ grandiosem Ruf »ihr langohriges Haupt beugen«. Im April 1866 verbrachte Helmholtz zwei Wochen bei Mary und Julius von Mohl in Paris. Es kamen viele Gäste ins Haus, um den berühmten Professor kennenzulernen – unter anderem Auguste Laugel, ein gelernter Ingenieur, der über wissenschaftliche Themen schrieb und nach Auskunft der Hausherrin ganz »großartig« von Helmholtz sprach.40 Helmholtz war nach Paris gereist, um andere Wissenschaftler zu treffen, doch offensichtlich auch auf Drängen seiner frankophilen Frau. Sein erster Programmpunkt war der Louvre, wo er die italienischen Meister bewunderte. Doch schon am selben Vormittag musste er das Museum wieder verlassen, um mit den Mathematikern Charles Hermite und Henry J. S. Smith (der den Savilian-Lehrstuhl für Geometrie in Oxford innehatte) ein spätes Frühstück einzunehmen. Bei dieser Gelegenheit ließ Smith Helmholtz wissen, dass die Universität Oxford sich ihn auf die dortige Physikprofessur gewünscht hätte. Doch Friedrich Max Müller, der in Oxford Literatur lehrte, habe versichert, sein Landsmann würde das Angebot niemals annehmen, und deshalb sei es zu keinem offiziellen Ruf gekommen. Helmholtz fand Hermite ihm gegenüber »sehr schmeichelhaft«. Der damals führende Ma-
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thematiker Frankreichs war in Paris bestens vernetzt und machte Helmholtz mit dem Agronomen Louis Grandeau bekannt, der erst bei Henri Sainte-Claire-Deville und dann bei Claude Bernard als Assistent tätig gewesen war. Grandeau begleitete Helmholtz zur Ecole Normale Supérieure, wo ihn Sainte-Claude-Deville sehr herzlich begrüßte und dem Gast sein Physikinstitut vorführte. Als die beiden Männer einen Hörsaal betraten, begrüßten die Studenten Helmholtz mit Beifall. »Du siehst also«, schrieb er daraufhin Anna, »dass ich hier schon eine Art populären Charakter habe.« An der Ecole traf er außerdem den Ophtalmologen Louis-Emile Javal und den Schweizer Chemiker Jacques-Louis Soret.41 Helmholtz lernte die Schönheit von Paris zu schätzen, und seine alten Vorurteile gegen Frankreich begannen zu bröckeln. Mit Grandeau und Laugel besuchte er die Werkstatt von Aristide Cavaillé-Col, einem der berühmtesten Orgelbauer der Zeit. Helmholtz war von dessen Schaffen stark beeindruckt. Im Anschluss besichtigten sie noch Cavaillé-Cols Meisterwerk, die damals größte Orgel Europas, in der Kirche Saint-Sulpice. Grandeau begleitete Helmholtz außerdem zu einem Konservatorium, wo sie eine Haydn-Symphonie, Teile von Bachs Prometheus, den gesamten Sommernachtstraum, einen Bach-Chor und Händels Halleluja hörten. Den Chorgesang in Deutschland hielt er für besser, das Pariser Orchester aber fand Helmholtz einzigartig und allem überlegen, was man in Heidelberg zu Gehör bekam. Die Aufführung von Mendelssohns Ouvertüre imponierte ihm außerordentlich. Das Konzert und die Besichtigung der Venus von Milo bezeichnete er als »Genuss reinster Schönheit, der ein Lebensereignis bildet«. Mach gegenüber äußerte er sich angetan von dem Pariser Musikleben und hob besonders hervor, wie vertraut die dortigen Instrumentenbauer mit seiner Theorie seien. So verstärkte sich in ihm der Eindruck: »In Frankreich ist die mathematisch physikalische Bildung weiter verbreitet, als es leider in Deutschland der Fall ist, und gleichzeitig viel Kenntniß der Musik.«42 Weiter besuchte er den Jardin d’Acclimatation (einen zoologischen Garten zur klimatischen Eingewöhnung exotischer Tiere), das Aquarium, den Bois de Boulogne und Passy. Am Institut de France konnte er an einer Arbeitssitzung teilnehmen und führende Mitglieder der Akademie treffen. Er kam allerdings zu dem Schluss: »Die Académie nimmt sich gedruckt in ihren Comptes rendus bei weitem besser aus als in natura.« Die wenig schmeichelhafte Bemerkung spiegelte die schwindende Bedeutung von Gelehrtengesellschaften für den wissenschaftlichen Fortschritt. Am Abend dinierte Helmholtz mit dem Historiker François Mignet, dem Gelehrten und Staatsmann Jules Barthélemy-Saint-Hilaire, dem Chemiker Michel Eugène Chevreul, dem Juristen Louis Renault, dem Oxforder Zoologen Lovell Reeve (samt Familie) und dem dänischen Literaturkritiker, Philosophen und Historiker Georg Brandes.43 Als Helmholtz kurz darauf den Jardin des Plantes besuchte, führte ihm der Physiker Edmond Becquerel (Sohn des Physikers Antoine César Becquerel und Va-
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ter des Physikers Henri Becquerel) »sehr hübsch und interessant« vor, wie es zur Phosphoreszenz von Körpern kam. Anschließend begab sich Helmholtz zur Galérie d’Anthropologie und nochmals zur Ecole Normale, um dort Grandeau und Sainte-Claire-Deville zu treffen. Zu seiner Überraschung erschien im Anschluss der französische Kultusminister Victor Duruy mit einem seiner Berater und bat ihn, spontan eine Vorlesung zur Vokalanalyse zu halten, die Helmholtz dann auch tatsächlich ablieferte, »ohne stecken zu bleiben«. Duruy, der sich für die Stärkung der französischen Wissenschaft einsetzte, war auf Helmholtz zugekommen, um ihn »ausführlich« über die Ausstattung der medizinischen Lehre in Deutschland zu befragen, wobei der Minister laut Helmholtz »von den französischen Medizinern schlecht genug sprach und erklärte, er würde glücklich sein, wenn es ihm gelingen könnte, Bunsen, Kirchhoff und mich für Frankreich zu gewinnen«. Duruys Visite entsprang offenbar der Sorge um den Rang der französischen Forschung in den 1860er-Jahren und die immer unverhohlenere Rivalität zwischen Deutschen und Franzosen.44 Helmholtz’ Bemerkungen legen nahe, dass manch führenden Vertreter Frankreichs gegenüber den Deutschen ein immer stärkeres Gefühl der Unterlegenheit auf dem Gebiet von Wissenschaft und Medizin beschlich. Am Abend war Helmholtz zum Diner bei Javal geladen; zu den übrigen Gästen zählten Mitglieder der französischen Nationalversammlung ebenso wie der Ökonom Michel Chevalier und der Journalist Adolphe Guéroult. Man unterhielt sich über das »literarische Eigentum«, da die Regierung dazu eben ein neues Gesetz auf den Weg gebracht hatte. Einer der Tischgäste »erwies sich als ziemlich roter Sozialist«, was Helmholtz aber nicht unangenehm auffiel. Im weiteren Verlauf seines Aufenthalts besuchte er auch das Musée de Luxembourg, fand die Werke dort aber »widerlich krass oder leblos, oder beides zugleich«. Bei einer zweiten Besichtigung des Louvre sah er sich vor allem Zeichnungen an. Das Ehepaar Mohl lud nochmals in seinen Salon ein und bot damit ausgewählten Gästen die Möglichkeit, Helmholtz kennenzulernen. Dieses Mal waren der Historiker und Politiker François Guizot und der Naturkundler und Anthropologe Jean Louis Armand de Quatrefages de Bréau unter den Gästen. Das Frühstück am darauffolgenden Morgen nahm Helmholtz in Gesellschaft von Barthélemy-Saint-Hilaire ein.45 Bald schon konnte Helmholtz konkrete Erfolge seiner Parisreise ernten. Zwei Monate nach seinem Aufenthalt erschien immerhin eine französische Übersetzung seines Aufsatzes über Eis und Gletscher, wenngleich seine Abhandlung über die Krafterhaltung erst nach drei weiteren Jahren auf Französisch verfügbar war. Das Folgejahr brachte aber eine französische Ausgabe seines Handbuchs, außerdem französische Übersetzungen seiner Aufsätze über das Verhältnis der Naturwissenschaften zur Gesamtheit der Wissenschaft und über die physiologischen Ursachen der musikalischen Harmonie. Auch eine Übersetzung der Tonempfindungen wurde begonnen, die 1868 erschien. Helmholtz redigierte den Text und verfasste ein
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französisches Vorwort. Darin schrieb er, dass das theoretische Fundament seiner Ausführungen dasselbe geblieben sei, obwohl ihm bewusst sei, dass manche Kritiker seine Unterscheidung von großen und kleinen Akkorden infrage stellten. Was die Musikgeschichte angehe, war er sich seiner Sache nicht mehr so sicher, zum einen weil ihm Fachwissen gefehlt habe und ihm nur begrenzt Quellen zur Verfügung gestanden hätten, zum anderen weil das ganze Feld eben wenig erforscht sei. Franzosen und Belgier hatten nach seiner Einschätzung mehr zur Musikgeschichte beigetragen als Deutsche. Schließlich betonte er noch, während seiner beiden Parisreisen – die zweite fand im August 1867 statt – sei er von vielen französischen Gelehrten und Musikern sehr viel positiver aufgenommen worden, als er zu hoffen gewagt habe. Er äußerte nun öffentlich, was er Mach schon im Privaten gesagt hatte: Frankreich verfüge über ein umfassenderes Verständnis von Musik – in das auch wissenschaftliches Denken einfließe – als der Rest Europas. Eine zweite Auflage der französischen Ausgabe der Tonempfindungen erschien 1874.46 Helmholtz kam auch auf anderen Wegen in engeren Kontakt mit der französischen Kultur. 1867 trug sich Emile Alglave, der Herausgeber der Revue des Cours Littéraires et Scientifiques, mit der Idee, verschiedene Aufsätze zur mechanischen Wärmetheorie neu aufzulegen, darunter auch Helmholtz’ Arbeit über die Erhaltung der Kraft. Doch Alglave schreckte letztendlich vor dem Projekt zurück, da die geplanten Beiträge in Frankreich zwar noch unbekannt, aber doch schon älteren Datums waren. 1877 dann gab er Pietro Blasernas Le son et la musique heraus und stellte ihm Helmholtz’ Ausführungen zu den physiologischen Bedingungen der musikalischen Harmonie bei. (Ein Jahrzehnt später veröffentlichte Alglave auch eine französische Übersetzung von Helmholtz’ Vorlesung über die Grundlagen der Geometrie.) Blaserna war ein italienischer Physiker, der an der Universität Wien studiert hatte. 1872 wurde er zum Professor für experimentelle Physik an der Universität La Sapienza in Rom ernannt. Wie sein guter Freund Helmholtz interessierte er sich nicht nur für Physik, sondern genauso für Kunst und besonders für Musik. 1875 veröffentlichte er La teoria del suono nei suoi rapporti colla musica – eine Arbeit, die sich komplett im Rahmen der Helmholtz’schen Theorie bewegte. Der mit vielen Ehrungen ausgezeichnete Physiker und Gelehrte war ein Bewunderer der deutschen und französischen Wissenschaft. 1873 wurde er Mitglied der Accademia dei Lincei, 1877 bis 1879 amtierte er als ihr Untersekretär, 1904 bis 1916 schließlich als ihr Präsident. Er bezog sich auf die Théorie physiologique de la musique fondée sur l’étude des sensations auditives – so der französische Titel der Tonempfindungen – als einen »Klassiker« und strebte wie Helmholtz eine Verbindung von Akustik und Musikwissenschaft an. 1868 fertigte Louis Pérard, Physikprofessor in Liège, die erste französische Übersetzung von Helmholtz’ Über die Erhaltung der Kraft an. Das Buch war inzwischen vergriffen, und er musste sich ein Arbeitsexemplar von einem Kollegen leihen. Pérard meinte, Mayers und besonders Helmholtz’ Schriften seien außer-
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halb Deutschlands nicht so bekannt, wie sie es sein sollten – was freilich mehr über die französischsprachige Wissenschaftswelt als über Helmholtz aussagte. Pérard übersetzte dann auch dessen Vortrag über die Wechselwirkung der Naturkräfte.47 Laugel war es, der die französische Aufmerksamkeit auf die Tonempfindungen lenkte. Er fand Helmholtz’ Studien zur Akustik äußerst beeindruckend und glaubte, sie seien gleichermaßen von Interesse für Studenten der Physik wie der Ästhetik. Laugel nannte Helmholtz »den unermüdlichen Professor aus Heidelberg«, der die Akustik erneuert habe, indem er auf Newton, Euler, Laplace und Poisson aufbaute. Die Akustik, eigentlich ein »trockenes und banales Feld«, habe Helmholtz in einen »Zweig der universellen Dynamik und auch Ästhetik« verwandelt. So habe er die von Rameau begonnene Arbeit vollendet. Die von Helmholtz ersonnenen Instrumente hätten zu einem Verständnis von Konsonanz verholfen und die Klanganalyse um vieles leichter und genauer gemacht. Auch habe Helmholtz die Funktionsweise des Ohres genau untersucht. Für Laugel jedenfalls hatte Helmholtz die Akustik revolutioniert und das Geheimnis der musikalischen Harmonie gelöst.48 Doch nicht alle stimmten in die auf Helmholtz gesungene Hymne ein. In seiner Rezension zu Laugels La voix, l’oreille, et la musique (1867, »Stimme, Ohr und Musik«) fand Gustave Bertrand an Helmholtz’ musikwissenschaftlicher Analyse einiges auszusetzen: Gewiss sei Laugels Buch ebenso wie Radaus Aufsatz hilfreich, um Studenten der Musikwissenschaften das Verständnis der Tonempfindungen zu erleichtern. Doch habe er Zweifel, inwieweit es Helmholtz gelungen sei, Melodie, Harmonie und Ästhetik in rein akustische Begriffe zu fassen. Bertrand lobte durchaus Helmholtz’ Analyse der Klangfarbe, war aber der Ansicht, der »berühmte Heidelberger Physiker« habe zu viel gewollt, indem er wie Rameau sein gesamtes musikalisches System auf harmonischen Phänomenen aufbaute. Dieses Bemühen hielt Bertrand für utopisch, ihm missfiel Helmholtz’ systematisierende Herangehensweise.49 Ähnliche Kritik begegnete auf beiden Seiten des Rheins. Dennoch hatten sich Helmholtz’ Ansehen und Einfluss in Frankreich im Vergleich zur Situation um 1850 komplett gewandelt. Da kam es nicht überraschend, dass er im Januar 1864 zum Ehrenmitglied der belgischen Académie Royale de Médicine und 1870 zum korrespondierenden Mitglied der Académie des Sciences ernannt wurde.50
Großbritannien Der Umstand, dass Helmholtz seit den frühen 1850er-Jahren in der britischen Wissenschaftsgemeinde fest verankert war, ließ eigentlich vermuten, die Tonempfindungen würden in der englischsprachigen Welt schnell Aufmerksamkeit bekommen. Doch so einfach war die Angelegenheit nicht. Tyndall fand das Buch »herausragend« und war sicher, dass es in Großbritannien seine Leser finden würde – wenn es denn auf Englisch vorläge. Er wandte sich in der Sache an Longmans, der Ver-
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lag sah darin aber kein lohnendes Projekt. Immerhin gab er eine englische Version der Populären wissenschaftlichen Vorträge heraus.51 Tyndall war nicht der Einzige, der sich die Tonempfindungen in englischer Übersetzung wünschte, doch Longmans stand mit seiner Markteinschätzung nicht alleine da. Sechs Monate nach der Erstveröffentlichung erklärte Vieweg das Buch zu einem Wissenschaftsklassiker, betonte aber zugleich, seine Leserschaft sei im Wesentlichen auf die deutschsprachige Welt begrenzt. Ihm war zu diesem Zeitpunkt gar nicht an einer englischen Übersetzung gelegen, denn er glaubte, dass die des Deutschen mächtigen Leser in England und anderswo für ihn dann verloren wären.52 Ganz abgesehen davon: Wer würde die Übersetzung und Veröffentlichung besorgen? Als treibende Kraft stellte sich hier Müller heraus, dem 1858 in Oxford ein Lehrstuhl für vergleichende Sprachwissenschaft eingerichtet worden war. Kurz nach dem Erscheinen der Tonempfindungen schrieb er Helmholtz, den er da noch nicht persönlich kannte, er habe eben den ersten Teil »mit großem Interesse« zu Ende gelesen und eine »grosse Belehrung« aus ihm gezogen. Müller berichtete, er habe eben zwei gut besuchte Vorträge über Linguistik an der Royal Institution gehalten und sei daher besonders an Helmholtz’ Untersuchungen zu den Vokalen interessiert. Einer seiner Zuhörer sei Alexander John Ellis gewesen, ein Cambridge-Absolvent, der sich mit Phonetik beschäftigte und die Übersetzung der Tonempfindungen übernehmen wolle. Nach Müllers Auskunft beherrschte Ellis die deutsche Sprache perfekt und war außerdem in Mathematik und Akustik bewandert. Damit wäre er als Übersetzer von Helmholtz’ Buch kaum zu übertreffen. Ellis hatte Max Müller gebeten, sich in der Angelegenheit an Helmholtz zu wenden. Wie Tyndall vermutete auch Müller, das Buch würde sich in Großbritannien gut verkaufen. Er schrieb an Tyndall: »Mir gefällt das Buch von Helmholtz ausgezeichnet, außerdem würde ich viel dafür geben, Ihre Klang-Vorlesungen zu hören und Experimente zu sehen, die von Helmholtz zwar gut beschrieben werden, auf dem Papier jedoch unvollendet und unbefriedigend bleiben.«53 Ellis begann 1863 mit der Übersetzung der Tonempfindungen. Er bat Tyndall, der an der Royal Institution über Klangphänomene referiert und sich dabei oftmals auf Helmholtz bezogen hatte, um ein Empfehlungsschreiben an mögliche Verleger. Darin nannte Tyndall Helmholtz’ Werk »herausragend« und allen anderen Schriften zu dem Thema »ungleich überlegen«. Dazu sei es so klar verfasst, dass es auch für die Allgemeinheit verständlich sei. Tyndall beschrieb Helmholtz als »einen Mann mit höchstem wissenschaftlichen Ansehen« und beteuerte: »Allein sein Name ist ein Garant für die überragende Qualität eines jeden Werks, dem er beigestellt ist.« Dennoch fand sich niemand, der das Buch veröffentlichen wollte: Ganze sieben englischsprachige Verlage wiesen die von Ellis angebotene Übersetzung ab. Man fand die Herstellung zu kostspielig und den Markt dafür zu klein, obgleich man sich durchaus des Ansehens des Autors und der Qualität und kulturellen Bedeutung des
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Werks bewusst war. Ellis wollte es einfach nicht gelingen, seine Übersetzung der Tonempfindungen an den Mann zu bringen. Auch Helmholtz persönlich mischte sich ein, indem er den bedeutenden Oxforder Medizinprofessor Henry Wentworth Acland bat, einen seiner Verleger zu überzeugen, das Buch zu drucken. Erst 1871 nahm Tyndall einen zweiten Anlauf: Longmans schlug das Angebot nochmals aus, äußerte aber Interesse, eine gekürzte Version zu veröffentlichen.54 Musikinteressierte, die weder des Deutschen noch des Französischen (die französische Ausgabe erschien 1868) mächtig waren, konnten Helmholtz’ Gedanken derweil über zwei Umwege kennenlernen: John Tyndalls 1867 veröffentlichte Vorlesung Sound und ein Buch von Sedley Taylor. Taylor, seit Kurzem Mitglied des Trinity College in Cambridge und ehemaliger Vorsitzender der Musical Society und des Musical Club, präsentierte mit Sound and Music (1873) Helmholtz’ grundlegende musikwissenschaftliche Erkenntnisse in leicht verständlicher Form. Ellis berichtete Helmholtz, Taylors Buch biete dem englischen Publikum eine »Einführung« in dessen »Theorien und Entdeckungen«. Taylor war seit Langem ein Anhänger des Heidelberger Professors, lag jedoch mit Tyndall im Clinch über dessen Darstellung der Helmholtz’schen Musiktheorie. Helmholtz schrieb er, Tyndalls Sound gebe die Theorie der musikalischen Konsonanz völlig verkehrt wieder. Tyndall widersprach dem natürlich, und nun wollte Taylor von Helmholtz wissen, ob er Tyndalls Erwiderung für angemessen halte. Helmholtz gab Taylor insofern Recht, dass Tyndall keine »vollständige Darstellung« seiner Harmonietheorie liefere, doch sei dies, wie er hinzufügte, wohl auch gar nicht seine Absicht gewesen. Helmholtz fand, Tyndall habe in seinem Vortrag dennoch den Kern seiner Theorie getroffen, mehr könne man im Rahmen einer kurzen Darstellung nicht erwarten. »Ich denke, ein populärwissenschaftlicher Vortragsredner sollte frei entscheiden können, worüber er zu sprechen angemessen findet«, schrieb er. »Populärwissenschaftliche Vorträge haben ein hohes Maß an realem Nutzen, wenn sie dem Leser einen lebendigen Eindruck von bestimmten einfachen Tatsachen geben, doch natürlich können sie nicht zugleich wissenschaftliches Lehrwerk sein.« Taylor dagegen war der Ansicht, dass es hier nicht um irgendwelche Freiheiten im Rahmen eines Vortrags ging, sondern dass »Professor Tyndalls Ausführungen zur Harmonietheorie« nicht nur »unvollständig«, sondern »grundlegend falsch« waren. 1875 verteidigte Taylor die Hemholtz’sche Theorie gegen die ausführliche und scharfe Attacke, die von William Chappell geführt wurde. Helmholtz seinerseits hatte wenig für Chappell übrig, den er – nicht nur auf diesem Gebiet – für inkompetent hielt. Taylors Zusammenfassung seiner musikwissenschaftlichen Studien dagegen lobte er als »sehr brauchbar« und hoffte, dass bald eine deutsche Fassung davon verfügbar wäre. Sein eigenes Buch, so ließ er anderweitig wissen, sei »zwar vielfach benutzt worden von deutschen Musikern«, doch viele seiner Leser griffen nur einzelne Punkte heraus und passten sie ihren Bedürfnissen an, ohne den größeren Kontext zu beachten, in dem er diese Punkte erörtert habe.55
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All jenen, die aus erster Hand von Helmholtz’ Theorien erfahren wollten, genügten weder Tyndalls noch Taylors Zusammenfassungen der Tonempfindungen. Und Ellis gab sein Vorhaben keinesfalls auf. Zwischen 1863 und 1873 übersetzte er mit Unterbrechungen einen Großteil des Buchs und suchte immer wieder das Gespräch mit zwei Verlegern. Er hatte eine Mission zu erfüllen. Im Februar 1873 äußerte Longmans, der gerade die Populären wissenschaftlichen Vorträge auf Englisch herausgab, endlich vages Interesse. Ellis stellte die Übersetzung jedoch erst im August 1874 fertig: Sie war tatsächlich eine Herzensangelegenheit und enthielt viele ausführliche editorische Anmerkungen seinerseits. Den vielen Fußnoten und 19 Anhängen des Originals fügte Ellis in Klammern gesetzte Anmerkungen im Text, eigene Fußnoten und einen zusätzlichen 126 Seiten starken Anhang hinzu, der als Klärung und Kommentar zu verschiedenen Aspekten gedacht war. Es war also viel mehr als eine Übersetzung, was da im Juli 1875 schließlich erschien – zwölf Jahre nachdem Ellis das Projekt ins Auge gefasst hatte.56 Die Veröffentlichung der englischen Fassung vergrößerte Helmholtz’ Ansehen im Ausland weiter. In seinem Vorwort betonte Ellis den hohen wissenschaftlichen Rang, den die Tonempfindungen »gleich nach ihrer Veröffentlichung im Jahr 1862 [sic]« eingenommen hätten. Nach drei Auflagen sei das Buch nun »eine unverzichtbare Vorbereitung auf jede wissenschaftliche Beschäftigung mit den Eigenschaften der Musik und unserer Klangwahrnehmung im Allgemeinen«. Das Helmholtz’sche Werk, so Ellis, enthalte überzeugende Erklärungen zu Phänomenen, die »Philosophen und Musiker seit den Tagen von Pythagoras in Griechenland und schon Tausende Jahre vor Pythagoras in China« verwundert hätten, und das »bis ins Jahr 1862, als Professor Helmholtz seine Ergebnisse erstmals in zusammenhängender Form verfügbar machte«. Hier sei eine »Meisterhand« von einem »meisterlichen Verstand« geführt worden. Im Vorwort zur zweiten Auflage (1885) konstatierte Ellis, das Buch habe mittlerweile den Rang eines Standardwerks, das alle Kandidaten für einen musikalischen Grad kennen müssten. Ellis räumte ein, dass Helmholtz’ Theorien beim Erscheinen der ersten deutschen Ausgabe von 1863 vielen Musikern befremdlich erschienen seien, doch habe sich in den 22 Jahren, die seitdem vergangen seien, alles bestätigt gefunden »von jenen, die kompetent genug sind, ein Urteil abzugeben«.57 Nachfolgend erschienen weitere Auflagen der englischen Übersetzung – die letzte 1948. Der jüngste Nachdruck stammt von 2010. Helmholtz fand neben Tyndall, Taylor und Ellis einen weiteren englischen Exegeten, nämlich William Pole, einen Musiker und Professor für Ingenieurwissenschaften am University College London. Auf Anfrage von William Spottiswoode – ein Londoner Drucker, aber auch ein renommierter Physiker und Amateurmathematiker und Mitbegründer der British Musical Association – hielt Pole 1877 an der Royal Institution Vorlesungen zur Philosophie der Musik. Pole schrieb Helmholtz, er habe sich oftmals mit Spottiswoode »mit Bewunderung« über den musi-
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kalischen – wohlgemerkt nicht den physikalischen – Teil seines Werks ausgetauscht und sei von Spottiswoode gebeten worden, dessen Grundzüge allgemein verständlich darzustellen. Beigefügt schickte er Helmholtz die Ankündigung der Vorlesungsreihe sowie mehrere Textproben. Seine sehr wertschätzenden Ausführungen über die Tonempfindungen erschienen 1879 unter dem Titel The Philosophy of Music.58 Auf diese Weise war Helmholtz bei britischen Lesern bald gut bekannt. Viele führende Intellektuelle konsultierten – direkt oder indirekt – seine Ansichten zur Musik. Sie lernten seine Arbeiten durch verschiedene britische Interpreten, aber auch über Zeitschriften wie die 1869 gegründete Nature und die 1876 ins Leben gerufene Mind kennen. Die Beiträge im vierten Band der Mind (1879) bezogen sich größtenteils auf die Helmholtz’sche Akustik, Optik und Ästhetik. Der Dichter Gerard Manley Hopkins etwa las mit Begeisterung naturwissenschaftliche Abhandlungen, und hier besonders die Arbeiten von Tyndall und Helmholtz, die seine Vorstellung von Versmaß und Klangfarbe entscheidend prägten. Auch George Henry Lewes, ein viel gelesener Literat, Kritiker und Amateurphysiologe, war ein eifriger Leser von Helmholtz. Lewes, der eine von seiner Frau tolerierte, offene Liebesbeziehung mit der Schriftstellerin George Eliot führte, unternahm 1868 gemeinsam mit ihr eine Deutschlandreise und konnte Helmholtz in Heidelberg persönlich kennenlernen (Eliot war nicht dabei). Seine Tagebücher lassen darauf schließen, dass Lewes sowohl Helmholtz’ Handbuch als auch seine Tonempfindungen und die populärwissenschaftlichen und philosophischen Aufsätze gelesen hat. Auch Eliot vertiefte sich gern in wissenschaftliche Werke: Sie war genauso eine belesene Gelehrte wie eine talentierte Autorin. Eben zu dieser Zeit arbeitete sie an ihrem Meisterwerk Middlemarch (1871/72), das oftmals auf die Naturwissenschaft Bezug nimmt. 1869 schrieb sie in ihr Tagebuch: »Ich lese über Pflanzen, und zur Musik Helmholtz.«59 Es gab noch eine britische Geistesgröße, welche die musikwissenschaftlichen (und anderen) Schriften von Helmholtz studierte: Charles Darwin. In The Expression of the Emotions in Man and Animals (1872, Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren) griff er auf Helmholtz zurück, als er sich über die Vokalbildung äußerte, die er mit Gefühlsäußerungen wie Schmerz und Lachen in Verbindung stellte. Dem Adressaten eines an ihn gerichteten Briefs, der ihn gebeten hatte, ihm die Beziehung zwischen Klang und Ohr zu erläutern, riet Darwin: »Ich gehe davon aus, dass Sie die Helmholtz’schen Werke studiert haben.« Zum ersten Mal berief er sich 1871 in The Descent of Man (Die Abstammung des Menschen) auf Helmholtz: Soweit daher die blosse Wahrnehmung musikalischer Töne in Betracht kommt, scheint in Bezug auf den Menschen ebensowenig wie in Bezug auf irgend ein anderes Thier eine besondere Schwierigkeit vorzuliegen. Helmholtz hat mit physiologischen Gründen erklärt, warum Consonanzen dem menschlichen Ohre angenehm, Dissonanzen unangenehm sind; wir haben
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es aber hier nur wenig mit diesen zu thun, da harmonische Musik eine späte Erfindung ist. Wir haben es hier mehr mit der Melodie zu thun, und auch da ist es, Helmholtz zufolge, wohl einzusehen, warum die Töne unsrer musikalischen Tonleiter benutzt werden. Das Ohr zerlegt alle Klänge in dieselben zusammensetzenden »einfachen Schwingungen«, wenngleich wir uns dieser Analyse nicht bewußt sind. Darwin wusste, auf wen es sich zu stützen galt.60 Der gründlichste Helmholtz-Leser in Großbritannien war aber (zumindest was die Akustik betrifft) John William Strutt (Lord Rayleigh), ein ausgezeichneter Physiker und wohlhabender Aristokrat, der in Sachen Klangtheorie auf Helmholtz aufsetzte – und ihn letztendlich übertraf. Die Tonempfindungen veranlassten Rayleigh dazu, selbst über Resonanz zu arbeiten. Maxwell versicherte Rayleigh, dass das beste Buch zum Thema das von Helmholtz sei: »Sie sprechen bescheiden von einem Bedarf an englischen Werken zum Schall. In welcher Sprache gibt es diese, es sei denn Helmholtz, der das Thema verlässlich darstellt, und das nicht etwa, weil er deutsch, sondern weil er Helmholtz ist.« In der sogenannten Rede Lecture (einer öffentlichen Vorlesung) von 1878 sprach Maxwell in Cambridge über das Telefon und gab in diesem Zusammenhang seiner Einschätzung Ausdruck, Helmholtz’ Buch und allgemein seine Arbeiten zu Akustik und Musik seien »mutige Schritte […] über die unbegangene Wildnis zwischen Akustik und Musik – diesen Sibornischen See, in dem ganze Heere von wissenschaftlichen Musikern und musikalischen Wissenschaftlern versunken sind, ohne ihn füllen zu können«. Seiner Ansicht nach waren Helmholtz’ theoretische und experimentelle Studien zum Elektromagnetismus und zur Sinnesphysiologie eine entscheidende Grundlage, auf der Bell (und andere) das Telefon erfinden konnten. Wie aufmerksam zwei der herausragenden Physiker ihrer Zeit für technische Entwicklungen und Möglichkeiten waren, zeigt sich daran, dass 1878 sowohl Maxwell als auch Helmholtz unabhängig voneinander Beiträge zum Telefon veröffentlichten. 1877 veröffentlichte Rayleigh sein Meisterwerk The Theory of Sound (Die Theorie des Schalles, 1878). Darin hieß es: »Ein Großteil unseres Wissens zu diesem Thema gründet auf Helmholtz, doch die meisten Forscher, die seitdem ihre Studien veröffentlicht haben, pflegen abweichende Ansichten, in manchen Fällen offenbar, ohne zu erkennen, wie fundamental ihre Einwände eigentlich sind.« Rayleigh riet seinen Lesern, sich Helmholtz’ Ansichten selbst anzueignen, denn nur wer »gründlich bekannt mit den Tonempfindungen« sei, könne die Beobachtungen und Kritikpunkte nachfolgender Autoren nachvollziehen. Rayleigh bezog sich ausdrücklich auf Helmholtz’ »großartiges Werk« und hielt fest, dass das letzte Kapitel seines eigenen Buchs, die »Tatsachen und Theorien zur Audition«, auf Helmholtz’ Arbeiten aufbaue. »Der ständige Bezug auf das großartige Werk ist unentbehrlich. Obgleich, wie wir noch sehen werden, manche vom Autor eingenommene Positionen von nachfol-
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genden Autoren womöglich übereilt aufgegeben wurden, sichern ihm die Bedeutung der in ihm enthaltenden Beobachtungen und Folgerungen ebenso wie der Charme, mit dem sie dargelegt werden, ein langes Fortdauern als Ausgangspunkt für sämtliche Erörterungen in Bezug auf Tonempfindungen.« Das Verhältnis zwischen Helmholtz und Rayleigh, den beiden führenden Akustikern der Zeit, führte sogar zu gegenseitiger intellektueller Hilfeleistung: Als Rayleighs Buch 1877 erschien, äußerte sich Helmholtz lobend in der Nature und ermunterte seinen Assistenten Friedrich Neesen, eine deutsche Übersetzung anzufertigen, die schon 1878 erschien.61 In Cambridge, wo zuerst Maxwell (1871 – 1879) und dann Rayleigh (1879 – 1884) die Cavendish-Professur für experimentelle Physik innehatte, wurde die Akustik auf dem neuesten Stand gelehrt und erforscht. Das Studium der Musik wurde im Licht der Wissenschaft betrieben, und überhaupt wahrte die Musikwissenschaft ihren traditionellen Anteil an einer umfassenden, freien Bildung. Auf der wissenschaftlichen Seite geschah dies durch die Lehre von Rayleighs Theory of Sound, auf der »ästhetischen« Seite durch die Cambridge University Musical Society (einen Zusammenschluss der verschiedenen Ensembles der Universität) und die Vorlesungen von Sedley Taylor, bei denen »das Geheul der Sirene Musiker wie Mathematiker in die Tiefen ihres faszinierenden Seins« zog, wie Maxwell es formulierte. Von jedem Anwärter auf einen musikwissenschaftlichen Abschluss in Cambridge wurde erwartet, dass er die Tonempfindungen studierte. Diese Anforderung wurde ab 1881 durch das Lehrwerk Musical Acoustics or The Phenomena of Sound, as Connected with Music von John Broadhouse, dem »Helmholtz für Studierende«, erleichtert. Das Buch sollte auf den Akustik-Teil der Musikprüfung an den Universitäten London und Cambridge vorbereiten, war aber auch dazu gedacht, einer »kultivierten Leserschaft« musikalische Akustik nahezubringen. Es war ganz Helmholtz verpflichtet. Broadhouse zitierte freimütig aus den Tonempfindungen und anderen wichtigen Werken über Akustik (in Helmholtz’scher Tradition) von Pole, Tyndall, Taylor und anderen. Die im Anhang zur Verfügung gestellten Prüfungsfragen waren eine weitere Bestätigung für den Einfluss des deutschen Gelehrten auf die in Cambridge, London und anderswo gelehrte musikalische Akustik. Auf eher populärer Ebene nutzte der britische Musikpädagoge John Curwen, der Erfinder der Tonic-sol-fa-Lehrmethode für den Gesangsunterricht, Helmholtz’ Beobachtungen über die Stimme für sein eigenes Verständnis von Stimmqualität und berief sich auf dessen Autorität, was die Funktionsweise der Vokale im Gesang anging.62
Amerika Wie in Großbritannien fanden die Tonempfindungen auch in Amerika zahlreiche Leser und Anhänger. 1866 begann der junge Alexander Graham Bell mit der Untersuchung von Vokalklängen, als Teil seines Bestrebens, Sprachäußerungen genauer zu begreifen und so Hörgeschädigten zu helfen. Er wandte sich deswegen
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an Ellis, der zu dieser Zeit die Helmholtz’schen Stimmgabel-Versuche zur Bestimmung von Vokalklängen wiederholte. Ellis riet Bell, die Tonempfindungen zu lesen, was dieser auch tat: Das Buch begleitete ihn 1870 auf seiner Reise von Großbritannien nach Kanada. Bell vertiefte sich in den Text und wurde ein großer Bewunderer von Helmholtz’ akustischen Studien und insbesondere der Vokaltheorie. Seine Überzeugung, dass Sprache über telegraphische Leitungen übermittelt werden könne, brachte ihn dazu, sich auch in Elektrotechnik fortzubilden. Seine Versuche mit Stimmgabeln und Elektromagneten zur Analyse und Übermittlung von Sprache waren ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Erfindung des Telefons im Jahre 1876. Damit war Bells Beschäftigung mit den Tonempfindungen ein Grundstein für die Entwicklung des Fernsprechapparats.63 Etwa zur selben Zeit, im Juli 1875, begann auch Thomas Alva Edison im Auftrag der Western Union mit seinen Experimenten zur akustischen Telegraphie. Um sich auf dem Gebiet der Akustik fortzubilden, konsultierte er unter anderem Helmholtz, erwarb die eben veröffentlichte englische Übersetzung der Tonempfindungen und studierte sie sorgfältig – wie die zahlreichen Randbemerkungen in seinem Leseexemplar beweisen. Sein Interesse an der Übermittlung des gesprochenen Worts führte ihn ein Jahr darauf zur Konstruktion eines sogenannten »Wassertelefons« aus einer Stimmgabel und einem Resonanzkasten zur Sprachaufnahme. Dabei war der Resonanzkasten mit dem oberen Arm der Stimmgabel verbunden, während ihr unterer Arm in ein Behältnis mit Quecksilber eintauchte (Edisons Beschriftung lautete: »Quecksilber wie bei Helmholtz«). Edison wandelte die von Helmholtz ersonnene elektromagnetische Stimmgabel ab, um sie als telegraphisches Instrument zu nutzen. Auch einen Helmholtz-Resonator setzte er für seine Versuche ein. Helmholtz’ rationale, klar strukturierte Herangehensweise an die Fragen der Schallübertragung, -wahrnehmung und -empfindung machte auf den hörgeschädigten, musikliebenden Edison besonderen Eindruck und beflügelte seine Forschungen zu Telefon, Telegraph und Phonograph. Kurz nach Erscheinen erwarb er ein Exemplar der Popular Scientific Lectures. Im Gegenzug konnten 1877 der britische Ingenieur Fleeming Jenkin, der schottische Physiker James Alfred Ewing und der amerikanische Physiker Charles R. Cross die Helmholtz’sche Vokaltheorie dank Edisons Phonographen experimentell überprüfen.64 Doch in Amerika gab es noch andere, die Helmholtz und den Tonempfindungen einiges zu verdanken hatten: die Klavierhersteller Steinway & Sons. Der Aufstieg der Firma um die Jahrhundertmitte wurde durch mehrere Faktoren ermöglicht. Das waren zum einen das neue Verständnis für akustische Phänomene, die Verfügbarkeit von Präzisionsinstrumenten und, allgemeiner formuliert, die zunehmende Bedeutung von Wissenschaft in der Industrie, zum anderen aber auch der Aufstieg der Mittelschicht in Deutschland und Amerika und der Wunsch der Eliten hier wie anderswo, eine gewisse Kultiviertheit zu pflegen.
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12 Die Zusammenhänge in der Musik
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1850 emigrierten Heinrich Engelhard Steinweg und vier seiner Söhne nach New York, wo sie sich fortan »Steinway« nannten und eine Klavierfabrikation aufbauten. Durch eine Kombination aus klugem Geschäftssinn, intensiver Kontaktpflege und stetiger Innovation war der Firma ein außerordentlicher wirtschaftlicher Erfolg beschert. Man schätzte die hochwertige Bauweise der Instrumente: Fast alle großen technischen Verbesserungen, die moderne Konzert- und Salonflügel mit der Zeit auszeichnen sollten, wurden von Steinway entdeckt oder erfunden. Zu den wichtigsten Erfindungen gehören die Kreuzbesaitung und die fächerförmige Anordnung der Saiten, wodurch die Grundspannung des Instruments beträchtlich erhöht wurde. Zudem versetzte Steinway den Steg zum Anregen des Resonanzbodens in die Mitte des Instruments und führte die Duplex-Skala ein. Ab den späten 1860er-Jahren ließ Steinway & Sons sämtliche Konkurrenten weit hinter sich. Die Firma produzierte Flügel und Klaviere mit einem kräftigen und doch feinfühligen Klang, der in Volumen und Qualität bisher unerreicht war. So wurde der Name Steinway schnell zum Synonym für erstklassige Instrumente.65 Henry E. Steinway und sein Sohn Theodore waren die treibende Kraft hinter den technischen Innovationen des Unternehmens. Theodore hatte Physik (inklusive Akustik) studiert, er kannte Helmholtz persönlich und hatte seine Schriften zur Akustik gelesen. Unter Theodores Führung wurde die Wissenschaft zum Ratgeber in Sachen Klavierbau. Steinway & Sons ließ mehrere Erfindungen patentieren – darunter die 1872 angemeldete Doppelmensur, deren Entdeckung Helmholtz und seinen Untersuchungen zu Obertönen und Saitenschwingung zugeschrieben wird. Theodores Beschäftigung mit den Helmholtz’schen Theorien soll ihn auch auf die Idee gebracht haben, die Duplex-Besaitung einzuführen, bei welcher alle Saitenabschnitte in Schwingung versetzt werden, was zu einem mit Obertönen angereicherten Klang führt.66 Wie bei der Zusammenarbeit mit der deutsch-amerikanischen Sängerin Emma Seiler fanden Helmholtz’ Studien also in ganz praktischer Hinsicht Eingang in die amerikanische Kultur. Dank seiner Erkenntnisse konnte die Pianokonstruktion genauer verstanden und weiterentwickelt werden. Genauso wie Bell und Edison hatten auch die Steinways die Tonempfindungen gelesen, ihre Firma stand in Kontakt zu Helmholtz, und zum Stimmen der Akkorde kamen seine Resonatoren zum Einsatz. Hemholtz’ Studien halfen auch den Musikern, das Klavier in mechanischer Hinsicht zu verstehen, inklusive Formgebung, Klang, Pedalfunktion und Anschlag. Die Tonempfindungen waren daher unter Klavierbauern, Musiklehrern und Interpreten weithin bekannt. Rudolph H. Wurlitzer, dessen Vater der Gründer der Wurlitzer Musikinstrumentenfirma war, erwies sich als das »kreative Genie« der Familie und verließ 1891 Cincinnati, um in Berlin bei Helmholtz Akustik zu studieren, ergänzt um experimentelle Physik bei August Kundt und Musik bei verschiedenen anderen Professoren. Wurlitzer wurde am Ende eine Autorität nicht nur für das In-
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strument Geige, sondern auch auf dem Gebiet der Tonerzeugung und -messung. Zusammen mit seinen Brüdern machte er die Firma Wurlitzer zum führenden Hersteller von Musikautomaten.67
Coda Auch noch im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden die Tonempfindungen von herausragenden Persönlichkeiten der Musikwelt rezipiert. Der tschechische Komponist, Musiktheoretiker, Feuilletonist und Volkskundler Leoš Janáček, der österreichische Komponist und Dirigent Gustav Mahler und der französisch-amerikanische experimentelle Komponist Edgard Varèse – um nur ein paar zu nennen – waren begeisterte Leser des Buches. Auf ganz andere Weise studierte der Soziologe Max Weber die Tonempfindungen. Indem sie den historischen Charakter der Musikentwicklung betonten und zwischen Naturgesetzen und Ästhetik unterschieden, legten Helmholtz’ Studien den Grundstein für Webers Soziologie der Musik. Für Weber war Helmholtz einer seiner wichtigsten musikwissenschaftlichen und musikhistorischen Ratgeber, obgleich er in manchen Punkten uneins mit ihm war.68 Bis in seine letzten Jahre erreichten Helmholtz aus der breiten Öffentlichkeit Fragen zu musikalischen Themen oder Rückmeldungen zu seinem Buch. Ein Jahrhundert nach dem Erscheinen der Tonempfindungen bezeichnete das New Grove Dictionary of Music and Musicians die Periode von 1863 bis um 1900 als »Helmholtz’sche Ära«. Helmholtz’ Studien zum Phänomen des Schalls – seine Entstehung, Übertragung, Verstärkung oder Dämpfung und Aufnahme durch das Ohr – fanden Eingang in eine ganze Reihe technischer Erfindungen und Neuerungen, auch wenn dies manchmal eher auf indirektem als auf direktem Wege und eher durch seine Schüler als durch ihn selbst geschah. Das Telefon, die Besaitung von Klavieren, das Mikrofon, der Lautsprecher, Verstärker im Allgemeinen, Elektronenröhren und Röhrenverstärker, der Oszillator, das Oszilloskop, akustische Impedanz und Bauakustik – all das fußte auf den Tonempfindungen.69 Das Buch setzte Naturwissenschaft und Musik miteinander in Verbindung und zeigte auf diese Weise, wie die Wissenschaft die menschliche Kultur erhellen konnte, ohne dabei die Entstehung dieser Kultur auf bloßen Materialismus oder Mechanismus zu reduzieren. Es stellte Wissenschaft in den Dienst von Bildung in einem umfassenderen Sinn und zeigte vor dem Hintergrund des rasant aufziehenden wissenschaftlich-technischen Zeitalters die herausragende Bildung seines Autors.
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1 la d s in t D
Popularisierung der Wissenschaft in Großbritannien und Deutschland Großbritannien als geistige Badekur Für einen ausländischen Wissenschaftler hatte Helmholtz in der Mitte des viktorianischen Zeitalters in Großbritannien ein ganz ungewöhnliches Renommee, das er allerdings auch durch Besuche und persönliche Freundschaften mit führenden britischen Wissenschaftlern festigte. Im Frühjahr 1864 kehrte er wieder einmal für sechs Wochen nach Großbritannien zurück, um neben einer Reihe von Gastvorträgen an der Royal Institution auch die Croonian Lecture bei der Royal Society zu halten. Unterwegs besuchte er Freunde in London, Oxford, Glasgow und Manchester. Organisiert wurden die Vorlesungen der Royal Institution von Henry Bence Jones, der von den Vorlesungen gehört hatte, die Helmholtz 1862/63 in Heidelberg und Karlsruhe zu den allgemeinen Resultaten der Naturwissenschaften gehalten hatte. Bence Jones wollte, dass Helmholtz eine ähnliche Vorlesungsreihe an der Royal Institution hielt, und Helmholtz machte ihm passende Themenvorschläge: »1) Erläuterung des Prinzips der Energieerhaltung; 2) Mechanische Energie des Sternsystems; 3) Wärmeausstrahlung von Sonne und Sternen; 4) Entstehung der Erde; 5) Bewegungen der Atmosphäre und des Meeres; 6) Zirkulation des Wassers auf der Erde; 7) Nahrung von Pflanzen und Tieren; 8) Mechanische Energie von Pflanzen und Tieren«. Bence Jones war mit der Energieerhaltung als Rahmenthema einverstanden; im April 1864 sollten dazu acht Vorträge an der Royal Institution stattfinden, was Helmholtz 80 Pfund eintragen würde. Dass der Vorstand der Royal Institution Helmholtz zur Energieerhaltung sprechen lassen wollte, zeigt, dass die »Energiephysik« im Jahr 1864 zwar schon mehr als ein Jahrzehnt alt war, die Öffentlichkeit aber gerade erst davon erfuhr. Die Karlsruher Vorlesungen über Energieerhaltung hatte Helmholtz auch deswegen gehalten, weil er Geld für die Ausstattung seines neuen Physiologischen Instituts brauchte; er habe »die Erhaltung der Kraft als nährende Milchkuh behandelt«, schrieb er du Bois-Reymond. Die Londoner Vorlesungen sah er hingegen »hauptsächlich als eine billige und vorteilhafte Weise, in enge Verbindung mit Londoner Gelehrten und englischen Verhältnissen zu kommen«. Er erwartete, England werde ihm »eine Art geistiger Badekur« bieten, »um die Aktivität des Geistes aufzurütteln« – ein Ausgleich für das verschlafene Süddeutschland.1 Mit seinem 1862 in Heidelberg absolvierten Vortrag über das Verhältnis der Naturwissenschaften zur Gesamtheit der Wissenschaften und mit seiner Karlsruher
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Vortragsreihe vom Winter 1862/63 hatte Helmholtz sein Verständnis von Natur- und Geisteswissenschaften sowie der Unterschiede und Beziehungen zwischen beiden darstellen wollen; vor allem aber war es natürlich sein Ziel gewesen, »Anschauung von dem eigentümlichen Charakter derjenigen Wissenschaften zu geben, deren Studium meine Lebensaufgabe ist«. Von der Karlsruher Reihe ist nur noch der erste Vortrag (»Über die Erhaltung der Kraft«) erhalten. Darin rekapitulierte er Teile seiner 1854 in Königsberg gehaltenen Vorlesung über die Wechselwirkung der Naturkräfte und seiner Heidelberger Vorlesung aus dem Jahr 1862. In Karlsruhe erklärte er, dass die Naturwissenschaften seit der Renaissance »sämmtliche Verhältnisse des Lebens der civilisirten Nationen« stark umgestaltet hätten, und zwar ebenso in Form praktischer Anwendungen wie durch ihren Einfluss auf das Denken. Sie hätten zu mehr Wohlstand, mehr Lebensfreude, besserer Gesundheit und größerer industrieller und wirtschaftlicher Macht geführt. Daher müsse sich jede gebildete Person, die verstehen wolle, welche Kräfte die moderne Welt formten, für die moderne Wissenschaft interessieren.2 Die Gesetze der Naturwissenschaft seien zum »gehorsamen Diener« der Menschheit geworden, sagte er in Karlsruhe. Bei den Geisteswissenschaften, die (zumindest bisher) keine Gesetze hätten, gehe es hingegen um das Studium »eines civilisirten Lebens«. Die Wissenschaft insgesamt lohne sich nicht nur, weil sie geistige Befriedigung verschaffe oder die Fähigkeit verleihe, die Phänomene der Natur für die Zwecke des Menschen nutzbar zu machen. Darüber hinaus führe sie auch zu einer Art künstlerischer Befriedigung, indem sie die Komplexität der Natur als »gesetzmäßiges geordnetes Ganzes« erkennen lasse. Seine Vorlesungen sollten einen ersten Eindruck des kürzlich entdeckten allgemeinen Gesetzes aller Naturphänomene vermitteln: des Energieerhaltungssatzes. Er bediente sich dabei einer Metapher aus dem kapitalistischen Denken, um zu veranschaulichen, warum er ein Perpetuum mobile für unmöglich hielt: Eine solche Maschine zu erschaffen, hieße in Wahrheit, Geld zu drucken. »Arbeit ist Geld. Eine Maschine, die Arbeit aus nichts schaffen konnte, war so gut wie eine, welche Gold machte.« Der Energieerhaltungssatz, so erklärte er, gelte nicht nur für irgendwelche Phänomene in Laboratorien und Fabriken, sondern auch »für die großen Vorgänge in dem Leben auf der Erde und des Weltalls«. Er gelte für klimatische Prozesse ebenso wie für solche in Pflanzen und Tieren (einschließlich des Menschen). Und die Menschheit versuche nun, sich derartige Prozesse zunutze zu machen.3 Tatsächlich sagte er in Karlsruhe wenig, was er nicht schon 1854 in Königsberg und 1862 in Heidelberg gesagt hatte. Er behandelte eben »die Erhaltung der Kraft als nährende Milchkuh«, wie er ja selbst zugab. In Großbritannien machte er es nicht anders. Im Spätherbst 1863 erfuhr Bence Jones, nachdem er schon für die Helmholtz-Vorlesungsreihe für das folgende Frühjahr geworben hatte, dass Helmholtz’ Vorträge mit einer Vorlesungsreihe kollidieren könnten, die der Chemiker Edward
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Frankland an einer Londoner Universität halten sollte. Zwar erwartete Bence Jones bei den Vorlesungen der Royal Institution ein anderes Publikum – das gewiss eleganter, aber wissenschaftlich weniger gebildet sein würde – als an der Universität, dennoch kamen er und Faraday zu dem Schluss, dass ein Terminkonflikt mit Franklands Vorlesungen besser vermieden werden sollte. Bence Jones traf außerdem erste Vorkehrungen, um Helmholtz in den Athenaeum-Club aufzunehmen, und arrangierte, Helmholtz’ Zustimmung vorausgesetzt, dass eine medizinische Fachzeitschrift einen Reporter schicken würde, um während der Vorlesungen Notizen für eine Veröffentlichung in der Presse zu machen.4 Die Londoner Vorlesungsreihe stand, seine Lehre von den Tonempfindungen fand weithin Beachtung, das neue physiologische Institut befand sich im Bau, und er hatte ein Jahr lang als Prorektor gedient. Jetzt brauchte Helmholtz eine lange Pause von der Arbeit. Im September ging er mit Freunden in den Alpen wandern. Das Klettern lief gut für ihn, und er prahlte damit, dass er schneller war als der Bergführer – allerdings trug der auch einen 35 Kilogramm schweren Rucksack! Er schenkte (wie üblich) den hübschen Frauen große Beachtung und fand auch nichts dabei, derlei Dinge gegenüber Anna zu erwähnen. Seine Gruppe war in den italienischen Alpen unterwegs, aber in vier Stunden Wanderung sahen sie keine einzige Menschenseele. Er fühlte sich dort einsam und traurig.5 Sein Besuch in Großbritannien wurde mit Spannung erwartet, wie Tyndall ihm schrieb. Helmholtz plante seine Ankunft in London für Mitte März und wollte den Großteil der folgenden 30 Tage abwechselnd bei Bence Jones, den Enfields (Henry Roscoes Schwester) und seinem alten Freund William Benjamin Carpenter verbringen. Unter anderem war er sehr daran interessiert, an Sitzungen der Royal Society teilzunehmen. Die Thomsons luden ihn für Ende März zu sich nach Glasgow ein, denn Thomson hatte großen Bedarf angemeldet, sich mit Helmholtz ausgiebig über diverse Themen zu unterhalten. Allerdings ließ es die Reiseplanung nicht zu, dass Helmholtz, wie ursprünglich geplant, Cambridge besuchte, um sich mit dem mathematischen Physiker Stokes zu treffen.6 Helmholtz verließ Heidelberg am 11. März, Anna begleitete ihn zum Bahnhof und fuhr dann in Tränen aufgelöst zurück nach Hause. Sie schrieb ihm: »Dann ging ich in Deine Stube und räumte auf und weinte wieder, worauf Robert erschien und mich tröstete.« Sein Reiseweg nach London führte durch Utrecht, wo er Donders einen kurzen Besuch abstattete und herausfand, dass alle (auch Musiker) Die Lehre von den Tonempfindungen lasen, was mit daran lag, dass Donders selbst eine öffentliche Vorlesung über Akustik hielt. Die beiden besuchten gemeinsam ein Konzert. Im »großen Babel« London begab er sich zunächst zur Royal Institution, wo er zwar nicht Tyndall, aber immerhin Faraday vorfand, der »wie in alter Zeit äußerst liebenswürdig« war. Faraday erzählte ihm, dass sein Gedächtnis es ihm nicht mehr erlaube, Vorträge zu halten. Helmholtz dinierte an diesem Abend im Philoso-
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phical Club im St. James’ Hotel, »wo ziemlich die interessantesten Mitglieder der Royal Society zusammen kamen«. Nach dem Abendessen begab sich die Gruppe zum Tyndall-Vortrag in der Royal Society. Er fand die Räume der Gesellschaft »äußerst prächtig«; am meisten beeindruckte ihn »ein mächtiges goldenes Scepter«, das die königlichen Privilegien der Society symbolisierte. Spät am Abend fuhren er und Bence Jones zu William Gladstone, der an der Spitze der Liberalen Partei stand, Finanzminister war und später Premierminister werden sollte. Gladstone kannte viele führende britische Wissenschaftler – so etwa Huxley, Joseph Dalton Hooker, den Botaniker und Direkter der Kew Gardens, und Darwin – und hatte selbst zum Thema menschliches Farbensehen veröffentlicht. Seine wissenschaftlichen Interessen waren weit gefächert, auch die Klangfarbe der Vokale gehörte dazu, und er hatte Helmholtz’ Arbeiten zu diesem Thema gelesen.7 Helmholtz erlebte ein breites Spektrum des kulturellen Lebens in London. Er bewunderte die »schönen Stoffe und Kleider« der Damen, auch wenn er sich über ihre »hochtrabenden Kopfputze« amüsierte. Er lernte den Duke of Argyle und einige diplomatische Gesandte kennen, besuchte den liberalen schottischen Politiker M. E. Grant Duff und ging ins Kensington Museum, um sich Bilder anzuschauen. (Er pries die Ausstellung von William Mulready’s Ölgemälden und Aquarellen im Museum, deren warme Farben ihm besonders gefielen.) Er nahm an einer großen Dinnerparty in Bence Jones’ gut ausgestattetem Haus teil. Bence Jones hatte seit Helmholtz’ letztem Besuch die wissenschaftliche Arbeit aufgegeben und war nun ein äußerst beschäftigter und angesagter Londoner Arzt. Beim Abendessen saß Helmholtz neben der musikalisch begabten Miss Gabriel, die er Anna gegenüber als eine Frau beschrieb, »welche sehr schön spielt, sehr lebhaft und klug ist, auch erklärte, daß ich unter Deiner Leitung viel jünger geworden sei«. Miss Gabriel komponierte Kantaten für Orchester: »Ihre Compositionen haben in England viele Aufführungen erlebt. Ich habe mit ihr ein tief musikalisches Gespräch bei Tische geführt.« Nach dem Abendessen zogen die Gäste los, um sich einen öffentlichen Vortrag Tyndalls (»mit sehr glänzenden Experimenten aufgebaut«) in der Royal Institution anzuhören. Der Prince of Wales, »ein sehr gut aussehender junger Mann«, nahm ebenfalls teil.8 Am nächsten Morgen frühstückte er mit Grant Duff und »seiner sehr hübschen Frau«, einigen anderen schottischen Politikern, dem Schriftsteller und Politiker Arthur Russell, dem Berliner Militärhistoriker und Diplomaten Theodor von Bernhardi und anderen. Kronprinzessin Victoria von Preußen hatte Bernhardi nach England entsandt, um Erklärungen zu der ziemlich plumpen Drohung Preußens abzugeben, mit österreichischer Unterstützung die Herzogtümer Schleswig und Holstein von Dänemark einnehmen zu wollen. Preußens Plan stieß nicht nur im Badischen auf Ablehnung. Helmholtz schrieb du Bois-Reymond, die gegenwärtige politische Lage sei »wie der Geier des Prometheus«, sie fresse »einem jeden Morgen die Le-
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ber ab«. Die Bemerkung spiegelt Helmholtz’ Distanz und Abneigung gegenüber dem machtpolitischen Tagesgeschäft wider. Bernhardi habe die Menschen in England beleidigt, schrieb Helmholtz, und er war von der Qualität der preußischen Diplomaten deprimiert. Beeindruckt zeigte er sich dagegen von den schottischen Politikern, die sogar über das Werk so bekannter Intellektueller und Liberaler wie David Friedrich Strauß und Ernest Renan zu diskutieren verstanden. Wie Strauß versuchte Renan (in Vie de Jésus, 1863), die Jesus zugeschriebenen Wunder wegzuerklären und aufzuzeigen, wie dessen Jünger die historischen Geschehnisse in Legenden verwandelt hatten. Gott habe damit nichts zu tun. Renans Buch schockierte und erregte vor allem in Bourgeoisie und Kirche Anstoß; in der Folge verlor er seinen Lehrstuhl am Collège de France (wurde im Jahr 1870 aber rehabilitiert). Helmholtz selbst war mit dieser historisch-kritischen Methode in der Bibelforschung vertraut. Alles in allem fand er die Frühstücksgesellschaft »sehr interessant«. Danach ging er in den Hyde Park, um den Damen beim Reiten zuzuschauen, und traf sich anschließend im Regents Park mit Wheatstone, der dort »einige feine Zeichnungsinstrumente aufgestellt hatte, wie alles, was er macht, sehr geschickt«. London war aufregend für ihn.9 Dann wurde es etwas ruhiger. Er arbeitete an seiner Croonian Lecture und besprach mit Tyndall in der Royal Institution die Vorbereitungen für seine ersten beiden Vorträge dort. Er gönnte sich eine Pause von der Wissenschaft, malte ein wenig, »wobei ich in kühnen Farben und Wolken mit Turner zu wetteifern strebte«, und sah sich ein Theaterstück über den mythischen altgriechischen König Ixion an. Plötzlich empfand er London als dunkel und »melancholisch«. Bevor er die Stadt verließ, suchte er am College of Surgeons Huxley auf, »der jetzt hier der Hauptkämpfer für die Aufklärung und gegen die biblische Naturgeschichte ist, ein sehr junger, sehr intelligenter Mann«. Er besuchte auch das Britische Museum, um sich die »sehr reiche instruktive Sammlung urweltlicher Tiere« dort anzuschauen.10 Ende März verbrachte er zwei Tage in Oxford bei Max Müller. Alles an Max Müller, von seiner Intelligenz bis zu seiner Kleidung, ganz zu schweigen von seiner schönen, charmanten und gebildeten englischen Frau, beeindruckte Helmholtz, wie überhaupt fast alles in Oxford. »Man kann sich keine Idee davon machen, ehe man es gesehen hat und ich begreife nun auch die Liebe der Engländer zu ihrer Universität.« Doch verlor er seine Kritikfähigkeit nicht: »Um den Gentleman auszubilden, ist diese vortrefflich geeignet, für die Wissenschaft aber kann nicht gleich viel herauskommen und es gehört offenbar ein ungewöhnlich starkes Interesse für die Wissenschaft dazu, um als fellow nicht in Trägheit zu versinken. Max Müller ist im Augenblick vielleicht der einzige Mann, der hier arbeitet.« Gar nicht so wenige Wissenschaftler in Oxford und anderswo in Großbritannien teilten seine skeptische Ansicht über die Universität. Er besuchte die neuen naturwissenschaftlichen Institute (im Universitätsmuseum) von George Rolleston (dem ersten Linacre-Professor für Anatomie und Physiologie), George Griffith (einem Dozenten für Naturwis-
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senschaften und stellvertretenden Professor für experimentelle Philosophie) sowie Benjamin Brodie (dem Waynflete-Professor für Chemie). An einem Abend speiste er im All Souls, dem College von Max Müller, das ihn ebenfalls sehr beeindruckte.11 Danach verbrachte Helmholtz zwei »sehr interessante« Tage in Glasgow bei den Thomsons, die im University College lebten. Zu den vielen Themen, über die Helmholtz und Thomson vermutlich sprachen, gehörten elektrotechnische Standards (vor allem im Zusammenhang mit dem Widerstand) und das Vortex-Atommodell. Er nahm Thomsons umfangreiche Sammlung neuer physikalischer Apparate, darunter viele selbst konstruierte, raffinierte elektrische Messinstrumente, ebenso in Augenschein wie seine aktuellen Experimente (die beiden Männer verbrachten die meiste Zeit mit gemeinsamen Experimenten) und die vielen Studenten, die im Labor arbeiteten. Vor allem Thomsons geistige Aufgewecktheit beeindruckte Helmholtz stark. Die Thomsons behandelten ihn zuvorkommend, und er fühlte sich »in Schottland noch mehr zu Hause, als in England«. Er lernte James Thomson kennen, Williams Bruder, der Professor für Ingenieurwesen in Belfast war. Helmholtz schrieb, er sei »ein sehr gescheidter Kopf mit sehr guten Einfällen«, der aber intellektuell insofern etwas eingeschränkt sei, als er nur (und »fortdauernd«) über Ingenieurwesen sprach.12 Auf dem Rückweg nach London legte Helmholtz einen Zwischenstopp in Manchester ein, wo Roscoe ihn zu sich nach Hause eingeladen hatte. Helmholtz wollte das urbane Geschäftsleben in Manchester kennen lernen. In Roscoes Landhaus dinierte er mit Joule, dem »Haupterfinder der Erhaltung der Kraft«, und mit Robert Bellamy Clifton, einem ehemaligen Schüler Stokes’ und dem ersten (und jungen) Professor für Naturphilosophie am Owens College. Im Jahre 1865 wurde der aufstrebende und gesellschaftlich gut vernetzte Clifton zum neuen Professor für experimentelle Philosophie (d. h. Physik) in Oxford gewählt. Sein einziger ernsthafter Rivale um diesen Posten war Griffith, obwohl auch Helmholtz selbst als Kandidat in Betracht gezogen wurde. Während seiner fünfzigjährigen Amtszeit widmete sich Clifton dort der Lehre, forschte praktisch nicht, beaufsichtigte aber immerhin den Bau des neuen Clarendon-Labors in Oxford. Die physikalische Forschung stagnierte derweil, sodass Oxford zunehmend von anderen Forschungsstätten in Großbritannien und auf dem europäischen Festland abgehängt wurde. Helmholtz merkte an, dass die Roscoes im Gegensatz zu den Thomsons vor keiner Mahlzeit mehr beteten, und er schloss daraus, dass England in religiösen Fragen zunehmend liberaler wurde. Er und Roscoe diskutierten über die englischen Universitäten, »wobei wir ganz zusammenstimmten«. Roscoes »gut eingerichtetes Laboratorium« beeindruckte Helmholtz. Nach zwei Tagen kehrte er nach London zurück. Er wohnte im Athenaeum-Club, besuchte Carpenter und sprach während der Vorbereitungen für seine Vorlesungen in der Royal Institution erneut mit Faraday. Wie er schrieb, hätte er freilich das alles noch viel mehr genossen, wenn Anna bei ihm gewesen wäre.13
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Vorträge an der Royal Institution und der Royal Society Am Ende hielt Helmholtz an der Royal Institution sechs (statt acht) Vorträge über den Energieerhaltungssatz und seine Bedeutung über die Physik hinaus. Sein erster Vortrag war gut besucht, aber der Saal war (wegen Regenwetter) nicht ganz voll. Wie er seinen Zuhörern in London sagte, nahmen die Naturwissenschaften gegenwärtig »einen herausragenden Platz unter den verschiedenen Bereichen des menschlichen Wissens ein« und übten »einen großen und alles durchdringenden Einfluss auf die moderne Gesellschaft und das zivilisierte Leben insgesamt aus«. Da sei es nur natürlich, sich zu fragen, wie es in den letzten zwei oder drei Jahrhunderten dazu gekommen sei, während sich doch die Geistes- und Sozialwissenschaften seit »uralter Zeit« kaum weiterentwickelt hätten. Die Menschheit habe nämlich »entdeckt, dass überall in der Natur strenge Ordnung und Gesetzmäßigkeit herrschen«, und diese Entdeckung habe die Entwicklung der Naturwissenschaften in der Neuzeit vorangetrieben und den Unterschied ausgemacht zwischen dem Wachstum der Naturwissenschaften und dem der anderen Wissenszweige. Denn schließlich galt: »Wo immer die Fähigkeiten und Instinkte des menschlichen Geistes sich auswirken, ist es uns unmöglich, die Konsequenzen ohne jeden Zweifel zu bestimmen.« Helmholtz bezweifelte, dass Wissenschaftler jemals »eindeutige Gesetze für den menschlichen Geist« entdecken könnten. Es gebe einfach zu viele Faktoren zu berücksichtigen, um die Geistes- und Sozialwissenschaften auf eine gesetzähnliche Basis zu stellen. »Die Geistes- und Moralwissenschaften« erschienen ihm vage im Vergleich etwa mit »dem großartigen und bewundernswerten System der modernen Astronomie«, das er als »Ideal wissenschaftlicher Perfektion« ansah und das auf der klaren Grundlage des Newton’schen Gravitationsgesetzes beruhte. Es waren kaum mehr als »ein paar einfache Gesetze der Physik«, die es der Menschheit erlaubten, das menschliche Wissen und die natürliche Welt selbst zu ordnen und zu kontrollieren. Für Helmholtz gingen Wissenschaft und praktisches Tun dabei Hand in Hand. Seine Zuhörer sollten nur »nicht denselben Fehler begehen wie die Philosophen der Antike und des Mittelalters, die glaubten, sie könnten durch metaphysische Spekulationen Naturgesetze entdecken, und diese erdachten Gesetze auf die Außenwelt übertrugen«. Abgesehen von »dem angesehenen Logiker Mr. Stuart Mill« erwähnte er keine Philosophen namentlich. Stattdessen riet er dazu, durch Beobachtungen und Experimente nach Naturgesetzen zu suchen. Wie er hoffte, werde er im weiteren Verlauf einige dieser Behauptungen anhand des law of conservation of energy – und den Begriff energy benutzte er in diesem Moment vor seinem britischen Publikum – und seiner mannigfaltigen Auswirkungen mit Blick auf andere Bereiche der Wissenschaft und praktische Zwecke illustrieren können. Den Rest dieses ersten Vortrags widmete er der Erläuterung des genannten Gesetzes und zwei Experimenten zu seiner Demonstration. In diesem und keinem weite-
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ren seiner Vorträge verwendete Helmholtz je die Begriffe »Energiepotenzial«, »kinetische Energie« oder »Thermodynamik«. Noch im Jahr 1864 waren Spuren seiner Sprache (wenn nicht gar seines Denkens) der späten 1840er-Jahre zu finden.14 Im zweiten Vortrag, zwei Tage später, ging es um die Gesamtenergie des Universums. Der Energieerhaltungssatz impliziere, so Helmholtz, dass die für menschliche Zwecke benötigte Energie, ebenso wie generell die Energie auf der Erdoberfläche, aus dem Energievorrat des Universums insgesamt stammen müsse. Damit erklärte er weitgehend die Sonnenenergie und ihre Auswirkungen auf die Erde, einschließlich der Entstehung fossiler Brennstoffe. In ähnlicher Weise war die Sonnenund Planetenenergie auch verantwortlich für die Mechanik und Dynamik der Himmelskörper, da Wärme in mechanische Kraft umgewandelt werde. Entsprechend legte Helmholtz seinen Schwerpunkt bei diesem Vortrag auf »das Wesen der Sonne«. Er zeigte seinen Zuhörern eine Photographie von Sonnenflecken, um die typischen »heftigen Bewegungen« und die immens hohe und dichte Atmosphäre der Sonnenoberfläche zu illustrieren. Dann brachte er dieses empirische Wissen über Sonnenflecken mit der jüngst durch Bunsen und Kirchhoff entdeckten Spektroskopie in Verbindung. Da jedes chemische Element ein bestimmtes Spektrum belege, lasse sich mit solcherart Analysen (unter anderem) die chemische Zusammensetzung der Sonnenatmosphäre nachweisen. Er zeigte mithilfe von Dias verschiedene Linienspektren, wies auf die Kontinuität des Sonnenspektrums hin und erörterte die Fraunhofer’schen Linien (die dunklen Linien im Spektrum). Außerdem erklärte er, dass Kirchhoff die Absorption und Transmission von Sonnengasen analysiert habe, während Bunsen (und auch Kirchhoff, den er aber nicht erwähnte) mithilfe der Spektroskopie zwei neue Elemente (Cäsium und Rubidium) entdeckt habe. Dank dieser und anderer Forschungen (zum Beispiel von Roscoe) wusste man nun, dass die Atmosphäre der Sonne neben anderen Elementen auch sehr viel Eisen enthielt. Die wichtigste Schlussfolgerung aus dieser ganzen Solarastrophysik aber war für Helmholtz, dass die Sonne sehr heiß war, »sehr viel heißer, als jede Temperatur, die man mit irdischen Mitteln erreichen kann«. Dieser Punkt stehe im Widerspruch zu früheren astronomischen Ergebnissen bezüglich Sonnenflecken, nach denen das Sonnenlicht von einer »Photosphäre« abgegeben wurde, während »der Hauptkörper der Sonne selbst dunkel« war. Vielmehr war die Sonne, nach Kirchhoffs Analyse, von einer Gasschicht unterschiedlicher Dichte eingehüllt, und die Veränderungen der Sonnenflecken ergaben sich aus den unterschiedlichen Entfernungen der Gaswolken zur Oberfläche.15 Mit seinem Vortrag stellte Helmholtz zumindest teilweise die neue Teildisziplin der Astrophysik vor, die Bunsen und Kirchhoff durch die Spektralanalyse wesentlich ermöglicht hatten und die in den 1860er- und 1870er-Jahren aufkam. Dieser zweite Vortrag war besser besucht, und dank Tyndall funktionierten Helmholtz’ veranschaulichende Experimente gut. Helmholtz freute sich, dass die Zeitschrift Punch über den Vortrag berichtete, meinte aber, er habe wieder zu lang-
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sam gesprochen; der Vortrag hatte weit über eine Stunde gedauert. Am folgenden Tag besuchte er Thomas Graham, der nicht nur einer »der größten Chemiker Englands« war, sondern auch Master of the Mint, Münzmeister. Graham gab ihm eine Führung durch die Münzanstalt. Helmholtz hatte vor seinem dritten Vortrag sieben Tage Pause, und er verbrachte einen Vormittag mit der Vorbereitung des Vortrags, »wobei mir Mr. Faraday immer Cafe spendet zur Aufmunterung«.16 Im dritten Vortrag wollte Helmholtz zeigen, dass die relativ geringe Wärmemenge, die die Sonne an die Erde abgibt, doch ausreiche, um meteorologische Veränderungen, Wasserzirkulation usw. anzutreiben. Nur fünf Jahre nach dem Erscheinen von Darwins On the Origin of Species stellte Helmholtz fest, dass die Sonne seit weit mehr als 6000 Jahren Wärme abstrahlte, was ihn zu dem Schluss kommen ließ, »dass chemische Verbindungen nicht geeignet sind, eine entsprechende Wärmemenge zu erzeugen, wie sie die Sonne jährlich abgibt«. Laut den Analysen von Kirchhoff und Bunsen war die Sonne ähnlich zusammengesetzt wie die Erde. Die Sonne habe sich seit Beginn der Menschheitsgeschichte nicht wahrnehmbar abgekühlt, argumentierte Helmholtz. Aller Wahrscheinlichkeit nach verfüge sie daher über eine »Möglichkeit, um neue Wärme zu erzeugen«. Er vermutete, diese Möglichkeit liege in dem Zusammenspiel zwischen der Kontraktion der Sonne und der die Kontraktion bewirkenden Schwerkraft begründet. Er widersprach damit mehreren Wissenschaftlern (Mayer, dem schottischen Physiker John James Waterston und insbesondere William Thomson), die glaubten, dass die Sonnenwärme ihren Ursprung in gewaltigen Mengen von Meteoriten habe, die auf die Sonnenoberfläche aufschlügen und so Hitze erzeugten. Urbain Le Verriers Beobachtungen über die Präzession der Umlaufbahn des Merkur hatten bewiesen, dass diese Hypothese nicht haltbar war.17 Helmholtz folgte der Annahme von Laplace, wonach sich Nebelkugeln im interplanetaren Raum allmählich verdichteten. Jene »Kugeln«, die der Sonne am nächsten waren, wiesen demnach eine stärkere Rotation auf. Laplace hatte diese Nebelhypothese aufgestellt, um die einheitliche Bewegungsrichtung der Planeten zu erklären, dabei laut Helmholtz jedoch nicht erkannt, dass sie auch den Ursprung der Sonnenwärme und der Wärme im Erdinneren erklärte. Denn wenn sich die Massen unter dem Einfluss der Gravitation zusammenzögen, entstehe Wärme.18 Nach der dritten Vorlesung ging Helmholtz in den Athenaeum-Club und arbeitete dort bis 16 Uhr an seiner Croonian Lecture. Dabei saß er am Fenster, weil er hoffte, von dort aus eine Parade zu Ehren Giuseppe Garibaldis zu sehen. Der italienische Revolutionsführer hielt sich im April in Großbritannien auf und war das Gesprächsthema in ganz London. Wo immer er sich zeigte oder eine Ansprache hielt, versammelten sich enorme Menschenmengen. Helmholtz wartete bis 18.30 Uhr auf Garibaldi; dann musste er seinen Aussichtspunkt wegen einer Verabredung zum Dinner verlassen. Er sah ihn schließlich doch noch, offenbar zufällig, als Garibal-
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dis Kutsche vor der Royal Institution vorfuhr. Helmholtz fühlte sich »beneidet, weil er meinen Gruß freundlichst erwidert hat«. Das Dinner war eine Benefizveranstaltung für das Krankenhaus der University of London. Vorsitzender und Hauptredner des Abends war Charles Dickens. Im Gegensatz zu seiner ausgesprochen kurzen Begegnung mit Garibaldi kam Helmholtz mit Dickens ins Gespräch. In jenem Frühjahr hielt sich Dickens in London auf und arbeitete an Our Mutual Friend (Unser gemeinsamer Freund). Helmholtz »versicherte ihm die Bewunderung, welche wir in Deutschland für seine Bücher haben«, und schrieb an Anna, der ganze Abend sei »sehr interessant« gewesen. Am folgenden Abend dinierte er mit Huxley, Carpenter, Tyndall, dem Philosophen Herbert Spencer, dem Naturforscher, Archäologen und Bankier John Lubbock und einem Australier namens Wallace. »Sie waren alle sehr witzig und lebhafte Leute, die sich heftig neckten, und der Abend sehr amüsant.« Das wurde nur kurz unterbrochen, als Lubbock anfing, sich über die Schleswig-Holstein-Affäre zu echauffieren – eine Sache, der die anderen Gäste aus dem Bereich der Wissenschaften eher gelassen gegenüberstanden.19 Helmholtz verbrachte den Vormittag des 14. April damit, die Experimente für den vierten Vortrag, später am selben Tag, über Wind, Regen und das Wachstum der Pflanzen vorzubereiten.20 Er begann mit einem kurzen Bericht »über den Einfluss von Wärme auf die anorganischen Prozesse auf der Oberfläche unserer Erde«. Er wies darauf hin, dass die Temperatur zunimmt, je tiefer man in die Erde vordringt, und dass sich die Erde insgesamt sehr langsam abkühlt. Thomson hatte berechnet, dass es wohl 24 Millionen Jahre gedauert hatte, bis die Erde von 2000 Grad auf ihre aktuelle Temperatur abgekühlt war. Helmholtz beschrieb Veränderungen in den geologischen Strukturen der Erde, die wahrscheinlich auf diese Abkühlung zurückzuführen seien, insbesondere »dass die Erdoberfläche viele Male aufbrach und dass neue Massen aus dem Erdinneren herausdrangen; dass manche Teile der Erdoberfläche angehoben und andere heruntergedrückt wurden, und das nicht nur einmal, sondern viele Male«. Im Zusammenspiel habe all das äußerst komplexe geologische Strukturen hervorgebracht. (Hier verwies er auf Darwins geologische Arbeiten über die Anden.) Kurz, es gebe Veränderungen der Erdoberfläche, die »entweder im Stillen« oder auch in Form von Erdbeben erfolgten, aber in beiden Fällen, so vermutete Helmholtz, zurückzuführen seien auf »das langsame Abkühlen des Erdinneren, durch das sich das Erdinnere immer weiter zusammenzieht und immer weniger zur Form der festen Oberfläche passt«.21 Seine geophysikalische Überzeugung fasste er wie folgt zusammen: »Alle Bewegungen der Erde, Wind, Regen, Wetter, Schnee, Gletscher und Flüsse, die geologische Ablagerung neuer Erdschichten, sogar die elektrischen Prozesse in unserer Atmosphäre werden auf diese Art durch ein und dieselbe Ursache bewirkt: durch die Sonnenwärme, welche auf die Erdoberfläche trifft.« Die Sonnenstrahlung beeinflusse auch das organische Leben. Pflanzen bestünden hauptsächlich aus Kohlenstoff,
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Wasserstoff und Sauerstoff mit einem kleinen (aber entscheidenden) Anteil Stickstoff sowie anderen Elementen. Hier ging Helmholtz einigermaßen ins Detail, um zu erklären, wie Pflanzen durch die Absorption von Sonnenlicht Energie speicherten.22 An dem Abend hielt Helmholtz seine Croonian Lecture in der Royal Society über die Bewegungen des menschlichen Auges und wie sie mit der Wahrnehmung zusammenhingen. Diese Bewegungen erschienen ihm nicht nur mit Blick auf die Physiologie des Auges interessant, sondern auch vor dem Hintergrund willkürlicher Muskelbewegungen im Allgemeinen. Er hoffte, dass seine Ergebnisse Physiologen, Mediziner sowie »jeden Wissenschaftler, der den Mechanismus der Sinneswahrnehmungen verstehen will«, interessieren würden.23 Er legte der Society eine kurze, vereinfachte englischsprachige Version einer ganzen Reihe von theoretischen, mathematischen und experimentellen Überlegungen und Untersuchungen über die Augenbewegungen vor, die er kurz zuvor auf Deutsch veröffentlicht hatte. Der Augapfel habe grob die Form einer Kugel, die auf einen Fixpunkt zentriert sei und sich um diesen herum bewege, erklärte Helmholtz. Am Augapfel setzten sechs Muskeln an, die antagonistische Paare bildeten; die Augenbewegung könne daher als ein System starrer Muskelpaare verstanden werden. Seine Ausführungen stützte Helmholtz auf verschiedene empirische Ergebnisse und die Gesetze der Augenbewegung von Donders und Listing. Er erörterte kurz das stereoskopische Sehen, das monokulare und binokulare Sehen sowie den Horopter und wies darauf hin, dass Einzelheiten zu all diesen Themen in seinem Handbuch der physiologischen Optik zu finden seien.24 Anders als bei seinen populärwissenschaftlichen Vorlesungen an der Royal Institution sprach er vor der Royal Society über eine Stunde lang ohne Notizen; er war der Meinung, dass dieses Vorgehen seinen Vortrag merklich verbesserte. Der wurde anscheinend positiv aufgenommen, denn Edward Sabine, der Präsident der Gesellschaft, lobte sein Englisch und bestand darauf, dass er weitersprach. Er tat dies eine halbe Stunde lang, und in dieser Zeit meldeten sich mehrere Zuhörer zu Wort und unterstützten seine Ansichten. Zu diesen Zuhörern gehörten Hirst und Edward William Brayley, ein Wissenschaftsautor und Herausgeber, der für die London Institution tätig war. Brayley hatte einen Artikel über die Korrelation physikalischer Kräfte für die English Cyclopedia geschrieben, in dem er sich auf Helmholtz’ Energieerhaltungssatz bezog. Am nächsten Morgen nahm Helmholtz den Zug, um Alexander John Ellis zu besuchen. Dieser hatte mindestens einen Vortrag von Helmholtz gehört und ihn zum Essen und zu Gesprächen (unter anderem wohl über seine Übersetzung der Tonempfindungen) zu sich eingeladen. Bisher war es ihm noch nicht gelungen, Helmholtz’ Buch auf Englisch zu veröffentlichen. Ellis nahm Helmholtz auch in eine englische Schule mit, um den Kindern beim Singen zuzuhören.25 Je näher das Ende seines Aufenthalts in Großbritannien rückte, umso geschäftiger wurde Helmholtz in London. Eines Abends besuchte er in der Institution einen
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Vortrag über Schießbaumwolle. Er lernte den unitarischen Geistlichen und liberalen Moralphilosophen James Martineau kennen – die Schriftstellerin und Feministin Harriet Martineau war seine Schwester, der er sehr nahestand –, außerdem den angesehenen Mathematiker James Joseph Sylvester und Stokes, einen »der ersten mathematischen Physiker«. An einem Tag aß er, nachdem er den Text seiner Croonian Lecture für die Veröffentlichung vorbereitet hatte, bei Maxwell in Kensington zu Mittag. (Maxwell hatte ihn extra zum Mittagessen eingeladen, damit sie genug Licht für ein paar Experimente hatten.) Maxwell hatte seine Instrumente zum Farbenmischen endlich so weit vorbereitet, dass er Helmholtz und William Pole, der farbenblind war, zu sich bitten konnte. Er zeigte Helmholtz seine »schönen Apparate zur Farbenlehre«, möglicherweise ein Farbrad, und die beiden führten Experimente an dem kooperativen Pole durch. »Es gab dort ein festliches Luncheon mit Champagner und allen möglichen Herrlichkeiten«, beschrieb Helmholtz. Am nächsten Morgen, einem Sonntag, besuchte Helmholtz die Versammlung der Unitarier, um Martineau predigen zu hören: »sehr schön, vollkommen klar und doch warm und tief, sodass ich die Begeisterung der unitarischen Damen für ihn begreife; Liturgie und Gesang waren weniger schön«.26 Am folgenden Dienstag sprach Helmholtz in seinem fünften Vortrag in der Institution über die Bedeutung des Energieerhaltungssatzes für die Physiologie. Hier sah er die Schwierigkeit darin, dass physiologische Prozesse so komplex und empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen seien, dass es unmöglich erscheine, die Wirkung chemischer und physikalischer Kräfte zu verstehen. Er erklärte, die Physiologen früherer Generationen hätten oft vom »Lebensprinzip« oder von der »Lebenskraft« gesprochen, als etwas Seelenartigem, das im gesamten Körper mit all seinen chemischen und physikalischen Kräften walte. Diese Vorstellung habe jedoch den Fortschritt in der Physiologie behindert, so Helmholtz, weil sie ein Element von Willkür und Geheimnis eingeführt habe, statt eine »wirkliche Erklärung« zu liefern. So wie die Naturphilosophen entdeckt hätten, dass für himmlische und irdische Phänomene dieselben Gesetze gelten, so beruhten »die großen Entwicklungen der modernen Physiologie vor allem auf der Annahme, dass bei den Lebewesen im Inneren die gleichen Kräfte wirken, die bereits in der gesamten organischen Natur« beobachtet wurden. Mayer und Helmholtz hatten als Erste versucht, physiologische Prozesse allein durch anorganische Kräfte zu erklären und festzustellen, ob hier möglicherweise noch andere Kräfte am Werk seien. Genau das sollte mit dem Energieerhaltungssatz erreicht werden. Helmholtz räumte allerdings ein, dass das Gesetz »noch nicht zeigen kann, dass ein genaues Äquivalenzverhältnis besteht zwischen der Energie der Sonnenstrahlen, die Pflanzen über ihre grünen Blättern absorbieren, und der Energie, die in chemischer Form im Inneren der Pflanzen gespeichert wird«. Bisher könne man nur sagen, dass genügend Sonnenwärme vorhanden sei, »um die Vorgänge pflanzlichen Lebens zu ermöglichen«. Dasselbe galt
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im Wesentlichen auch für Tiere, die sich direkt oder indirekt von Pflanzen ernährten. Im Rest des Vortrags ging es überwiegend um die Biochemie von Nahrung.27 Nachdem Helmholtz im fünften Vortrag vor allem die Energieaufnahme des menschlichen Körpers analysiert hatte, beschäftigte er sich im sechsten und letzten Vortrag mit der Energieabgabe des Körpers, also mit den mechanischen Effekten und der Wärme. Die höheren Tiere erzeugten mechanische Effekte durch Muskelkontraktion, erklärte er. Muskeln seien, ebenso wie Luft und Dampf, elastisch, und die Muskelkräfte daher veränderlich. Er illustrierte dies mit einigen elektrophysiologischen Experimenten von du Bois-Reymond. Weiter sprach er über eine Reihe von Experimenten, die zeigten, wie durch die Kontraktion von Muskeln Wärme erzeugt wird, und beschrieb aus seiner Sicht die chemischen Prozesse, die dabei in den Muskeln ablaufen. Auch hier verwies er auf die Arbeiten von du Bois-Reymond, den er seinen Freund nannte, und Ludwig und insbesondere auf die Erfindung eines neuen physiologischen Instruments, »eines kleinen tragbaren Gasometers«, durch Edward Smith aus London. Letzteres diente zur Messung der Luftaufnahme. Smith testete sein Instrument an sich selbst, während er schlief, und auch Helmholtz stellte Experimente an: »Dabei stellte ich fest, dass ich tagsüber im wachen Ruhezustand in einer Minute 19-mal einatmete. Beim schnellen bergauf Gehen erhöhte sich meine Atemfrequenz auf 50-mal pro Minute. Im Ruhezustand schlug mein Herz 70-mal in der Minute, bei körperlicher Anstrengung erhöhte sich mein Puls auf fast 200 Schläge pro Minute.« Er schloss daraus, dass eine erhöhte Atemfrequenz zu vermehrten chemischen Prozessen führe. Das zeige, dass die Muskeln ohne eine erhebliche Zunahme der chemischen Prozesse keine mechanische Kraft entwickeln könnten. Zudem müsse »die Wärme, die der menschliche Körper im Ruhezustand entwickelt, der Differenz zwischen der Verbrennungsenergie der zugeführten Nahrung und der Verbrennungsenergie der Ausscheidungen entsprechen«. Auch wenn er es nicht beweisen konnte, so war sein genereller Standpunkt, dass »die Wärme, die im Körperinneren entsteht, der Verbrennungswärme entspricht. Wenn ein menschlicher Körper Arbeit verrichtet, dann muss diese Arbeit zumindest teilweise auf Kosten der vom Körper abgegebenen Wärme gehen«. Damit schloss er seinen Überblick über den Energieerhaltungssatz und seine Auswirkungen in der anorganischen und organischen Welt ab.28 Noch während seines Aufenthalts in London wurde diskutiert, ob du Bois-Reymond als ausländisches Mitglied in die Royal Society aufgenommen werden sollte. Helmholtz setzte sich natürlich für ihn ein, ebenso wie Bence Jones. Aber mehrere Fellows bevorzugten Carlo Matteucci »als Gegenkandidaten […] nicht, um ihn wirklich zu wählen, wie B. Jones meinte, sondern um Deine Arbeiten als zu sehr bestritten erscheinen zu lassen«, schrieb er an du Bois-Reymond. Allgemein war man der Meinung, du Bois-Reymonds experimentelle Arbeit sei »zu subtil, um sicher zu gelingen«. Helmholtz widersprach dieser Ansicht. Knapp 15 Jahre zuvor hatte
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du Bois-Reymond im Ausland (in Paris) die Rolle des Fürsprechers für Helmholtz übernommen, und jetzt tat Helmholtz das Gleiche für ihn (in London). Seinen früheren Bewunderer Matteucci hatte Helmholtz ohnehin bereits verloren, bevor die Vorlesungsreihe beendet war. Matteucci hatte nämlich mindestens eine von Helmholtz’ Vorlesungen an der Royal Institution, die in der Medical Times and Gazette abgedruckt wurden, gelesen und bemerkt, dass Helmholtz du Bois-Reymonds Arbeit über Elektrophysiologie erwähnte, Matteuccis Arbeit aber nicht. Dieser Mangel an Anerkennung erboste Matteucci, und er teilte Helmholtz seine Enttäuschung in zwei langen Briefen mit. Helmholtz versuchte noch, sich zu erklären, aber offenbar ohne Erfolg.29 Matteucci schrieb Helmholtz nie wieder. Helmholtz kam am 23. April 1864 um 16.00 Uhr wieder in Heidelberg an; am folgenden Morgen, um 2.30 Uhr morgens, wurde seine Tochter Ellen Ida Elisabeth geboren. Sein Aufenthalt in Großbritannien hatte sechs Wochen gedauert. Er berichtete du Bois-Reymond, dass er dessen Ansicht über die populärwissenschaftlichen Vorträge in der Royal Institution teile: Das nächste Mal werde er es sich zweimal überlegen, bevor er sich wieder dazu bereit erklärte. Die »äußeren Erfolge« seiner Vorträge hatten ihn zwar durchaus befriedigt (er hatte pro Vortrag etwa 300 Zuhörer gezählt), aber mit den Vorträgen selbst war er unzufrieden. In London sei die Konkurrenz unter den populärwissenschaftlichen Vortragsrednern so groß, dass diese dazu neigten, »in die allergemeinste Effekthascherei herabzusinken«. Englische Physiker warfen vor allem Tyndall derartige Tendenzen vor und beklagten, die Institution drohe dadurch auf das Niveau des Polytechnic Institute herabzusinken, wobei an Letzterem jedoch »noch größere Mittel für glänzende optische Experimente und elektrische Feuerwerke« aufgebracht würden. Helmholtz hatte Tyndall einen Freitagabend-Vortrag halten hören und stimmte seinen englischen Kollegen in ihrer Kritik zu. Bence Jones äußerte gegenüber dem Prince of Wales dieselben Vorwürfe gegen Tyndall. Andererseits würdigte Helmholtz durchaus Tyndalls »ausgezeichnetes Talent für populäre Vorträge« und die öffentliche Anerkennung, die ihm dafür zuteilwurde: »Ein Medium für Klopfgeister ließ neulich [Tyndalls] Namen im Himmel buchstabieren, welcher war: Poet of Science.« Du Bois-Reymond fällte ein schärferes Urteil über Tyndall als Helmholtz und die englischen Kollegen: »Er befindet sich in einer falschen Lage. Er will durchaus, er muss ein großer Mann sein, und das ist er doch nun in keiner Art.«30 Schon vor seiner Abreise nach Großbritannien hatte Helmholtz nicht erwartet, dort viel Neues über experimentelle Physiologie zu lernen. Wenig überraschend schrieb er nach seiner Rückkehr nach Heidelberg an du Bois-Reymond, dass er von der englischen Physiologie im Allgemeinen wenig halte. Er schloss dabei auch die Arbeiten von Sharpey ein, der für ihn dort zu den Besseren seines Fachs gehörte. Der Mediziner und Mikroskopiker Lionel Smith Beale, Professor für Physiologie und Anatomie am King’s College in London, war für ihn »ein prinzipmäßiger
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Obskurant«; und über Rolleston in Oxford sagte er, er sei »ein gescheuter [sic] und intelligenter Mann, aber vorläufig noch ohne eigene Ideen und weiß nichts zu tun als die Pes hippocampi in Affengehirnen zu untersuchen«. Über den armen Joseph Lister aus Glasgow, »ebenfalls ein gescheuter und fähiger Mann«, schrieb Helmholtz, er müsse »sich durch medizinische Praxis sein Brot erwerben«. Auch in die Zukunft der britischen Physiologie blickte Helmholtz ohne Optimismus. Doch 13 Jahre später beurteilte er gegenüber Alexander William Williamson, Professor für Chemie am University College in London und Außensekretär an der Royal Society, die englische Wissenschaft überraschenderweise wohlwollender. Anlass seines Schreibens an Williamson war seine Auszeichnung mit der Copley-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Royal Society überhaupt, was sein neu entdecktes Wohlwollen erklären könnte: Ich habe in Ihrem Land unter Männern verschiedener Gesellschaftsschichten und aus den unterschiedlichsten Berufen großen Enthusiasmus und viel intellektuelle Energie für die wissenschaftliche Arbeit erlebt. Ich erkannte, dass hierin die Quelle der großen individuellen Originalität liegt, durch die sich die englische Wissenschaft auszeichnet und die auch die Quelle ihrer praktischen Fruchtbarkeit ist. Auf dem Kontinent waren die allgemeinen Bedingungen für wissenschaftliche Tätigkeit andere; die meisten Wissenschaftler gehörten immer einer besonderen Klasse an, die von anderen Klassen isoliert war, durch Interesse und Beruf eng verbunden. Diese Bedingungen begünstigen die Entwicklung wissenschaftlicher Schulen, mit allen Vor- und Nachteilen, welche die Tradition und Disziplin einer solchen Schule mit sich bringen. Die Franzosen widmeten sich mehr der methodischen Ausarbeitung von Details. Wir Deutsche, teils getrieben von den uns eigenen Neigungen, teils von den sozialen und politischen Folgen unserer langen religiösen Streitigkeiten, wandten uns mehr den obersten Prinzipien des Wissens im Allgemeinen und der wissenschaftlichen Theorien im Besonderen zu. Ich kann diese nationalen Neigungen bei mir selbst nicht verleugnen; meine eigenen Bemühungen richteten sich zum Teil auf das große Naturgesetz der Energieerhaltung, das allen Fragen nach dem Wesen der Kraft zugrunde liegt, und zum Teil auf die physiologische Theorie der Nerventätigkeit und Empfindung, die zur Theorie der Wahrnehmung führt, der Quelle allen anderen Wissens. Aber ich verdanke England in Bezug auf meine eigene Geistesbildung sehr viel. Ich wuchs mit den Traditionen der hochfliegenden Metaphysik auf und habe durch das große Beispiel der englischen Wissenschaft die Realität der Fakten im Gegensatz zu theoretischen Wahrscheinlichkeiten schätzen gelernt. Dieses Beispiel hat mich zum großen Teil davor bewahrt, mich in überzogenen theoretischen Spekulationen zu verlieren.31
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Helmholtz hatte praktisch alle führenden britischen Wissenschaftler seiner Zeit kennengelernt (mit Ausnahme des zurückgezogen lebenden Darwin) und diverse wissenschaftliche Einrichtungen besucht. Sechs Wochen lang hatten die Briten in London, Oxford, Glasgow und Manchester mit ihm gegessen und getrunken. Der alte Faraday, führender britischer Chemiker und Physiker seiner Generation, hatte ihm Kaffee serviert, während er an seinen Vorträgen schrieb. Thomson und Maxwell, die führenden britischen Physiker ihrer Generation, hatten ihn zu sich nach Hause eingeladen, um ihn kennenzulernen und mit ihm zu experimentieren. Seine Vorträge in London hatten Hunderte Zuhörer angezogen, die Zeitungen hatten über ihn berichtet, er hatte das Land bereist und ganz nebenbei praktisch jede Person persönlich kennengelernt, die für die britische Wissenschaft von Belang war. Womöglich wurde kein anderer ausländischer Wissenschaftler in Großbritannien jemals so herzlich empfangen wie Helmholtz im Frühjahr 1864. All dies erklärt zum Teil auch, warum in den 1860er- und 1870er-Jahren eine Reihe führender britischer Schriftsteller und Intellektueller – Spencer, Eliot, Lewes und andere, auch so bekannte Wissenschaftler wie Darwin, Huxley und Tyndall – Helmholtz’ Schriften lasen. Er wurde schon bald und mehrfach wieder nach Großbritannien eingeladen, kehrte aber erst sieben Jahre später zurück.
Die Thermodynamik der Schönheit: Eis und Gletscher in den Alpen Mitte des 19. Jahrhunderts kam das Bergsteigen als Form der Entspannung und sportlichen Betätigung in Mode. Tyndall verhalf ihm durch Schriften wie The Glaciers of the Alps (1860), Mountaineering in 1861 (1862) und Hours of Exercise in the Alps (1871) zu größerer Popularität. Helmholtz gehörte bei seinen häufigen, fast schon alljährlichen Aufenthalten in den Alpen freilich nicht zu jenen Bergsteigern, die extreme körperliche Herausforderungen suchten; er ging in den Bergen wandern, um sich körperlich und geistig zu erholen, um die intensive akademische und geistige Arbeit hinter sich zu lassen, die er während des Studienjahres tagtäglich verrichtete und die sich in verschiedenen körperlichen Leiden manifestierte. Seine Wanderungen verschafften ihm auch genügend Erfahrungen aus erster Hand, um in Heidelberg und Frankfurt am Main populärwissenschaftliche Vorträge mit Titeln wie »Über die Eigenschaften des Eises« und »Die Bewegung der Gletscher« zu halten, die kurz darauf auch in Aufsatzform als »Eis und Gletscher« (1865) erschienen.32 Für Helmholtz hatten Schnee und Eis der Alpen »ihren ganz besonderen Zauber«: Sie offenbarten einen Teil der Erdgeschichte. Entsprechend nahm er die Schönheit der Alpen als gegeben hin und bemühte sich stattdessen, seinen Hörern und Lesern die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über ihre klimatischen Bedingungen zu präsentieren. Wie bei seinem Vortrag über Goethe und in den Ton-
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empfindungen vertrat er auch hier die Ansicht, dass man die Mechanik und die Oberflächenphänomene der Natur verstehen müsse, um die Natur selbst zu verstehen. Schönheit, ob natürlich oder von Menschenhand geschaffen, war für ihn Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchung.33 Er ging von den »kleinen Eigenthümlichkeiten des Eises« aus, um die »wichtigsten Vorgänge in den Gletschern« zu verstehen. Tatsächlich könnten die Gletscher uns etwas über die Menschheitsgeschichte verraten, weil sie »bis in das Dunkel der Urzeit« zurückführten. Die Erdatmosphäre betrachtete er als thermodynamisches System. Die Temperatur sinke, wenn man einen Berg hinaufsteige, weil die Atmosphäre fast alle Lichtstrahlen der Sonne durchlasse, aber einen Großteil der von der Erde ausgehenden Wärmestrahlung blockiere. Die Luftmassen heizten sich auf, und schließlich werde auch Wärme abgegeben. »Die Ausgabe der Wärme ist also verzögert im Verhältnis zur Einnahme, und dadurch wird ein gewisser Wärmevorrat längs der Erdoberfläche festgehalten.« (An dieser Stelle lieferte er außerdem, wenn auch en passant und eher skizzenhaft, eine Erklärung für die viel diskutierte Entstehung des Föhns, eines warmen und trockenen Fallwinds in den Alpen; seine thermodynamische Erklärung dieses lokal auftretenden Phänomens wurde ignoriert, aber nur ein Jahr später, 1866/67, gab der österreichische Meteorologe und Klimatologe Julius Hann mit mehr Erfolg eine ganz ähnliche Erklärung, die mit adiabatischen Temperaturänderungen arbeitete.) Da die schützende Atmosphäre oben in den Bergen dünner sei, entweiche die Wärmestrahlung dort schneller in den Weltraum, und Wärmevorrat und Temperatur seien niedriger.34 Das Ausdehnen und Zusammenziehen von Luftmassen bei unterschiedlichen Temperaturen und Druckverhältnissen und die damit verbundenen Bewegungen von Luftsystemen manifestierten sich meteorologisch in Form von Regen oder Schnee, Hitze oder Kälte, Wind oder Windstille, je nach den geographischen Gegebenheiten, auf die sie trafen. Dank des feuchten Klimas in Westeuropa seien nur wenige Orte auf der Erde (der Himalaya, Grönland, Nordnorwegen, Island und Neuseeland) in puncto Anzahl und Größe der Gletscher mit den Alpen vergleichbar. Die Höhe der Schneegipfel sah Helmholtz als begrenzt an, weil sie nur eine gewisse Schneelast aufnehmen könnten; wurden die Gipfel zu steil, konnten sie keinen neuen Schnee mehr aufnehmen. Dann musste, so Helmholtz weiter, ein Teil des Schnees gezwungenermaßen tiefer (und damit unter die Schneegrenze) gehen, wo er auf wärmere Luft traf, allmählich schmolz und in die Täler hinabfloss. Manchmal bewegte sich der Schnee schlagartig nach unten (etwa bei einer Lawine) und manchmal sehr langsam (etwa beim Vorschub eines Gletschers). Helmholtz unterschied daher bei einem Eisfeld zwei Teile: den Bereich oberhalb der Schneegrenze, wo Neuschnee fällt, und den Bereich darunter, der aus festem Eis besteht, das von oberhalb der Schneegrenze abgesunken ist. An der Oberfläche waren die meisten Gletscher seiner Beobachtung nach dreckig und mit allerlei Geröll und sonstigen
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Objekten gespickt; darunter zeigte der Gletscher jedoch »in seiner Reinheit und Klarheit ein prachtvolles Blau«. Hier gebe es echte Schönheit – »ein Schauspiel, das mit dem aufregenden Interesse der Gefahr stark gewürzt ist«.35 Helmholtz verglich die innere und äußere Gestalt der Gletscher mit einem langsam fließenden Strom (etwa von Wasser, Honig oder Teer). Diese Strömung sei messbar, auch wenn sie nicht immer sichtbar sei, erklärte er. Geologen hatten bewiesen, dass mehrere Alpengletscher in der Schweiz, Frankreich und Deutschland in die Täler hinabgewandert waren und dass es auch auf den Britischen Inseln, der Skandinavischen Halbinsel und anderswo ähnliche Gletscherbewegungen gegeben hatte. Helmholtz verwies dabei auf die empirischen und theoretischen Ergebnisse von Forschern wie Horace-Bénédict de Saussure, Louis Agassiz, Forbes, Tyndall, James und William Thomson, Clausius und anderen.36 Die Forscher beschäftigten sich auch mit der Frage, wie sich so große Gletschermassen über festen Boden bewegen konnten. Um diese Frage zu beantworten, erklärte Helmholtz, habe man auf die mechanische Wärmetheorie zurückgegriffen. Die Temperatur von Gletschern lag stets um den Gefrierpunkt von Wasser. James Thomson hatte jedoch in der Theorie bewiesen, dass der Gefrierpunkt von Wasser unter starkem Druck sinkt, und kurze Zeit später zeigte auch Clausius, unabhängig von Thomson, anhand der mechanischen Wärmetheorie, dass »starker Druck« den Gefrierpunkt von Wasser senkt und so die Temperatur im Gletscher verändert. William Thomson bestätigte daraufhin im Experiment die Erkenntnis, dass Wasser bei umso niedrigerer Temperatur gefriert, je stärker der ausgeübte Druck ist. Helmholtz erläuterte nun, dass Veränderungen von Druck und Temperatur in Mischungen aus Eis und Wasser auch das Volumen und den Zustand einer Masse, etwa eines Gletschers, verändern. Er folgerte daraus, dass Gletscher zwar als unbewegliche Massen erscheinen mögen, durchzogen von »öden, steinigen und schmutzigen Eisflächen«, in Wirklichkeit aber »majestätische Ströme« seien, die »ruhig und regelmäßig« dahinfließen und sich »nach fest bestimmten Gesetzen« umbilden. Tatsächlich stamme das Wasser der Alpenseen (Genfer See, Thunersee, Bodensee, Comer See, Gardasee usw.) überwiegend von Gletschern: »Die Klarheit und die wunderbar schöne blaue oder blaugrüne Farbe ihres Wassers ist das Entzücken aller Reisenden«, schrieb er. Über den ästhetischen Effekt hinaus sei aber nicht nur das aus der Gletscherschmelze stammende Wasser von wesentlicher Bedeutung für die alpine Pflanzenwelt, sondern auch die verschiedenen chemischen Stoffe, die die Gletscher transportieren oder durch den mechanischen Prozess des Abschleifens freizusetzen helfen. Was auf den ersten Blick kaum mehr als »wilde, tote Eiswüsten« scheine, erweise sich damit als die Quelle einiger besonders schöner und lebensspendender Bäche, Seen und Flüsse Europas.37 Der Vortrag zeigte eindrücklich, wie die Thermodynamik zu Erkenntnissen über die Umwelt im Allgemeinen führen konnte.
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Populärwissenschaftliche Vorträge In den Jahren 1865/66 wurde Helmholtz mit weiteren Ehrungen und öffentlicher Anerkennung bedacht. Er wurde zum auswärtigen Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien ernannt, der er seit 1860 bereits als korrespondierendes Mitglied angehörte. Brücke fragte bei Helmholtz wegen einer Ehrendoktorwürde in Philosophie an, welche die Universität Wien ihm verleihen wollte, was dann anlässlich des 500-jährigen Bestehens der Universität auch tatsächlich geschah. Helmholtz wurde außerdem, gemeinsam mit 23 anderen (darunter Purkinje, von Baer, Liebig, Bunsen und Bernard) zum Ehrenmitglied des Medizinischen Doctoren-Collegiums in Wien gewählt und erhielt bei dieser Gelegenheit einen weiteren Ehrendoktortitel. Im Jahr 1865 wurde er zum Großherzoglich Badischen Geheimen Rat III. Klasse ernannt und erhielt zudem den kaiserlich-russischen Sankt-Stanislaus-Orden (II. Klasse) und von König Maximilian II. von Bayern den Maximiliansorden für Kunst und Wissenschaft. Schließlich wurde ihm eine Anstellung am Wiener Josephinum angeboten, nachdem Ludwig, Brückes Kollege in Wien, im Jahr 1865 nach Leipzig gegangen war. Helmholtz lehnte ab mit der Begründung, der Wechsel führe zu keinem materiellen Gewinn für ihn, obwohl er eine Gehaltserhöhung (auf 2286 Taler) und ein größeres Budget für sein Institut erhalten sollte. (Danach wurde die Position Ewald Hering angeboten, der Ludwigs Assistent in Leipzig war und bald Helmholtz’ größter Rivale in Fragen der Wahrnehmungstheorie werden sollte, und der nahm sie rasch an.)38 Ende 1864 teilte Eduard Vieweg Helmholtz mit, sein Verlag wolle Helmholtz’ jüngste Rede als Prorektor veröffentlichen. Vieweg sicherte sich kurz darauf auch das Recht, eine Neuauflage von Helmholtz’ Aufsatz über Goethe zu publizieren, und er wollte eine Sammlung von Helmholtz’ Reden herausbringen. (Er versuchte auch, die Publikationsrechte an Helmholtz’ Handbuch der physiologischen Optik zu erhalten, jedoch vergeblich.) Daraufhin schrieb Helmholtz die beiden Reden sowie seine Vorträge über die physiologischen Ursachen der Harmonie in der Musik und über Eis und Gletscher teilweise neu. Vieweg hatte gerade noch rechtzeitig reagiert, denn kaum waren die Aufsätze als Populäre wissenschaftliche Vorträge (1865) erschienen, fragte auch der Verlag von Georg Reimer an, der ebenfalls eine Sammlung von Helmholtz’schen Aufsätzen herausbringen wollte.39 Wie diese Angebote von Vieweg und Reimer nahelegen, gab es in Deutschland einen regen und auf breiter Basis stehenden Markt für populäre Wissenschaft. Ihre Wurzeln hatte die Popularisierung in der Aufklärung, doch erst im 19. Jahrhundert, insbesondere nach 1848, nahm sie an Fahrt auf, und das nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten. Populäre Wissenschaftsliteratur suchte ihre Leser in verschiedenen Marktsektoren und sozioökonomischen Gruppen. So sprachen Werke von Liebig und Humboldt in der Regel das besser gebildete gehobene
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Marktsegment an, während Vogt, Moleschott und Büchner eher im weniger gebildeten Sektor reüssierten. Stets trug Popularisierung jedoch dazu bei – und hing zugleich davon ab –, dass mehr Menschen lesen lernten, dass die Anzahl der öffentlichen Bibliotheken, Zeitungen und allgemeinen Nachschlagewerke zunahm und dass unzählige Vereinigungen, Gesellschaften und dergleichen die Popularisierung der Wissenschaft durch Vorträge und Diskussionsrunden förderten. Viele dieser populärwissenschaftlichen Institutionen waren kurzlebig, und auch viele populär gehaltene Werke verschwanden innerhalb weniger Jahre (oder sogar nur Monate) nach Erscheinen wieder vom Markt. Die Popularisatoren versuchten nicht nur, ihre Zuhörer oder Leser wissenschaftlich zu bilden; viele sahen in der Wissenschaft auch die Hauptquelle für das technologische und damit wirtschaftliche Vorankommen Deutschlands und forderten eine stärkere staatliche Förderung der Wissenschaft. Andere Autoren legten den Akzent auf die philosophischen Dimensionen und Konsequenzen von Wissenschaft. Humboldt versuchte mit seinem Kosmos (vergeblich), alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammenzufassen; seine Schrift wurde nach der Bibel das meistgelesene Buch Deutschlands. Helmholtz’ Vorträge richteten sich an eine gebildete Leserschaft ohne naturwissenschaftliche Fachkenntnisse. Sie standen unter keinem übergeordneten Thema und waren ja auch eine Sammlung von Gelegenheitsarbeiten. Dennoch lässt sich sagen, dass sie in ihrer Gesamtheit bestrebt waren, die Leser über das Wesen und die Ergebnisse neuerer wissenschaftlicher Gesetze zu belehren und aufzuzeigen, wie diese Gesetze auch andere Bereiche des geistigen Lebens beeinflussten. Helmholtz’ Aufsätze veranschaulichten, was im 19. Jahrhundert einen rundum gebildeten Mann der Wissenschaft ausmachte – oder zumindest ausmachen konnte. Als Vortragsredner und Autor gehörte Helmholtz zu den führenden öffentlichen Stimmen des liberalen Bildungsbürgertums im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Mit der Veröffentlichung seines Sammelbandes reihte er sich neben älteren deutschen Wissenschaftlern wie Liebig und Humboldt unter die Crème de la Crème der im Lichte der Öffentlichkeit stehenden Wissenschaftler ein.40 Wenige Monate nach dem Erscheinen der Helmholtz’schen Aufsatzsammlung berichtete Eduard Vieweg, dass der Band »so großen Anklang« gefunden habe, dass er die Auflage gerade um 500 Exemplare erhöht habe und dem Buch eine aussichtsreiche Zukunft prophezeie. Wegen der guten Verkaufszahlen bat er Helmholtz, einen kleinen, der Physiologie gewidmeten Band zu produzieren, der denselben Markt ansprechen sollte wie die Tonempfindungen. Vieweg glaubte daran, dass es eine »gebildete« Öffentlichkeit gab, die sich weitere Unterweisungen vom »Herren der Wissenschaft« wünschte.41 Die Freunde und Kollegen von Helmholtz gehörten natürlich zu dieser gebildeten Öffentlichkeit. Ludwig hatte die Aufsätze zuvor als Einzelveröffentlichungen gelesen, doch er »sah beim wiederholten Lesen wie viel ich das erste Mal überse-
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hen«. Du Bois-Reymond empfand sowohl Neid als auch Bewunderung und schrieb, Helmholtz’ populärwissenschaftliche Aufsätze seien weitaus besser als Tyndalls. Tyndall selbst teilte Helmholtz mit, er habe die Vorträge mit extremem Vergnügen gelesen und mehrmals den darin geäußerten Gedanken applaudiert. In seiner berühmten – oder berüchtigten aus Sicht derer, die abstieß, dass er darin den methodologischen oder philosophischen Materialismus befürwortete und eine Trennung von Wissenschaft und Religion forderte – Belfast Address vor der BAAS im Jahr 1874 erklärte Tyndall: »Es wurde gesagt, dass die Wissenschaft sich von der Literatur abscheidet. Diese Aussage entstand, wie so viele andere auch, aus mangelnder Kenntnis. Ein Blick in die weniger fachspezifischen Schriften führender Wissenschaftler – Helmholtz, Huxley und Du Bois-Reymond – würde zeigen, welch breite literarische Kultur sie beherrschen.« Als der amerikanische Physiker und Sekretär des Smithsonian Institute, Joseph Henry, von der Veröffentlichung des Bandes erfuhr, bestellte er ein Exemplar und bemühte sich um eine Übersetzung; dass eine Übersetzung veröffentlicht werden würde, erschien ihm schon angesichts von Helmholtz’ Ruf als völlig gewiss. Auch Darwin las Helmholtz’ populärwissenschaftliche Aufsätze begeistert; besonders angetan war er von Helmholtz’ Abhandlung über die Unvollkommenheiten des Auges.42 Eliot, Edison, James, Dilthey, Nietzsche und Freud waren genauso angetan. Die beiden Letztgenannten verdienen hier besondere Aufmerksamkeit. Nietzsche begann nach 1870, sich in der Naturwissenschaft belesen zu machen (vor allem in den Bereichen Darwinismus, Physiologie und Physik). Er suchte bei Autoren wie Helmholtz nach Unterweisung. Seine Bibliothek umfasste Exemplare von Über die Erhaltung der Kraft, Über die Wechselwirkung der Naturkräfte und Die Lehre von den Tonempfindungen. Er las bei Helmholtz über den Energieverlust der Sonne, ein Thema, das ihn interessierte, weil er (vermutlich) dachte, es zeige, dass es auch im Reich der Astronomie nichts gebe, das sich nicht verändere – dass also das »Werden« für die Naturwissenschaften ebenso ein Thema sei wie für die Philosophie. Wenn Nietzsche den »Willen zur Macht« ins Zentrum seiner Lehre stellte, stützte er sich dabei zweifellos auch auf den Energieerhaltungssatz, wie er um die Jahrhundertmitte verstanden wurde (wahrscheinlich eher in der Version von Mayer als von Helmholtz), und die damals gerade entstehende Energiephysik im Allgemeinen. Er verknüpfte die Energieerhaltung noch mit einem weiteren Lieblingsthema: der »ewigen Wiederkunft«. Helmholtz’ Wahrnehmungstheorie lehnte Nietzsche jedoch ab, insbesondere die Hypothese des unbewussten Schlusses.43 Dem erkenntnistheoretischen Anspruch von Wissenschaft im Allgemeinen – nämlich eine objektive Realität abzubilden – stand er skeptisch gegenüber, sodass jeder Einfluss von Helmholtz oder irgendeinem anderen Wissenschaftler auf ihn bestenfalls recht begrenzt sein konnte. Er arbeitete nach dem Prinzip »Kenne deinen Feind«.
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Damit stand er im Gegensatz zu Freud, der sich im Jahr 1873 an der Universität Wien, wo Brücke ein wichtiger Lehrer für ihn wurde, mit ernsthaftem wissenschaftlichen Interesse als Medizinstudent immatrikulierte. Als Student beschäftigte sich Freud mit dem Energieerhaltungssatz und wurde ein Adept der organischen Physik. (Die Vorträge von Helmholtz gehörten nach seiner eigenen Einschätzung neben den Texten von Aristoteles und Thomas Carlyle zu seiner wertvollsten Lektüre.) Zu Beginn seiner Karriere habe sein Schwerpunkt auf dem Verständnis der biophysikalischen Grundlagen des Geistes und der Bedeutung der »Energie« (oder was er darunter verstand) in der Psychologie gelegen, schrieb er später selbst. Intellektuell verdankte er Helmholtz sehr viel.44
Gemeinsam für die Popularisierung der Wissenschaft: Tyndall und die Helmholtzens Helmholtz und Tyndall waren befreundet und bewunderten sich gegenseitig. Sie lasen die Beiträge des jeweils anderen über die Entstehung der Gletscher und knüpften daran an. Helmholtz unternahm seine Bergtouren in vielen Alpenregionen, die Tyndall in seinen Büchern beschrieb. Der wiederum ließ Helmholtz eine besondere Ehrung dadurch zuteilwerden, dass er in sein Hours of Exercise in the Alps ein eigenes Kapitel »Helmholtz on Ice and Glacier« einfügte. Während seines Aufenthalts in London hatte sich Helmholtz mit Tyndall getroffen, wie er es gelegentlich auch in den Alpen tat. Als Helmholtz im Philosophical Magazine las, dass Tyndall bei einem Vortrag an der Royal Institution die Zusammensetzung von Klängen mithilfe von elektrischem Licht demonstriert hatte, bedankte er sich bei Tyndall, dass dieser »die Grundlage der Tonempfindungen auf diese Weise den Leuten verständlich« gemacht habe.45 Doch die Freundschaft zwischen Helmholtz und Tyndall war von anderer Art als Helmholtz’ Freundschaft mit Thomson. Helmholtz bewunderte und schätzte Thomson als kreatives wissenschaftliches Genie mit erstaunlich schnellem Verstand; Tyndall bewunderte er als talentierten Wissenschaftler, vor allem aber als begnadeten Popularisator – und, nicht zu vergessen, als Kollegen, der sein (Helmholtz’) Werk in Großbritannien verbreitete. Auf Drängen des Herausgebers Norman Lockyer verfasste er sogar ein schmeichelhaftes Porträt von Tyndall für die Zeitschrift Nature. Die Beziehung von Helmholtz (und Anna) zu Tyndall basierte insbesondere auf ihrem gemeinsamen Interesse an der Popularisierung der Wissenschaft. Helmholtz schlug vor, Anna solle, unter seiner Aufsicht, Tyndalls Heat Considered as a Mode of Motion (1863), das Helmholtz gut gefiel, ins Deutsche übersetzen, und fragte bei Vieweg wegen einer Veröffentlichung an. Anna, die keine wissenschaftlichen Kenntnisse besaß, fand die Übersetzung schwierig. So wurde das Buch zu einem Familienprojekt: Helmholtz’ Tochter Käthe und Annas Bruder Ottmar halfen ihr bei der ersten Hälfte des Buches (Helmholtz selbst überprüfte und
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korrigierte die Übersetzungen auf wissenschaftliche Genauigkeit), und Gustav Wiedemann übersetzte die zweite Hälfte. Als Dank schickte Tyndall ihr eine kleine Brosche mit Einlegearbeiten aus Gold und Perlen. Die Übersetzung wurde ein Erfolg: Nach der Erstveröffentlichung von Die Wärme betrachtet als eine Art der Bewegung im Jahr 1867 gab Vieweg 1871 eine zweite, vermehrte Auflage heraus und druckte dann dreimal nach, bevor eine dritte (1875) und schließlich eine vierte jeweils erweiterte Ausgabe (1894) folgte. Auf der Titelseite hatten zuletzt die Namen von Anna von Helmholtz und Clara Wiedemann – Gustavs Frau und Tochter von Helmholtz’ altem Chemielehrer Eilhard Mitscherlich – die Namen ihrer Ehemänner ersetzt.46 Unmittelbar nach Erscheinen der Übersetzung wollten beide beteiligte Parteien, Tyndall und die Helmholtzens, auch schon mehr von dieser Art. Kurz nachdem Tyndalls Sound (1867) erschienen war, machte ein deutscher Verlag auch schon das Angebot, eine Übersetzung zu veröffentlichen. Ursprünglich war das Buch eine Sammlung von Tyndalls Vorträgen an der Royal Institution. Doch bevor er den Vertrag unterschrieb, fragte Tyndall vorsichtig bei Helmholtz nach, ob es seiner Meinung nach irgendeinen Konflikt mit den Tonempfindungen geben könnte. Überdies hatte er auch an Vieweg geschrieben und sich erkundigt, ob dieser eine deutsche Ausgabe herausgeben wolle. Helmholtz teilte er mit, dass er fieberhaft an der Fertigstellung seines Aufsatzes über Faraday (der im August 1867 verstorben war) arbeite und hoffe, diesen Aufsatz ebenfalls in deutscher Übersetzung zu veröffentlichen. Helmholtz antwortete umgehend, er glaube nicht, dass es eine Rivalität zwischen Tyndalls Sound und seinen eigenen Tonempfindungen geben werde; ganz im Gegenteil werde Tyndalls Buch dazu beitragen, das Wissen über seine (Helmholtz’) eigene Ansichten »auf das große Publicum und die Musiker, die sich hier in Deutschland sehr träge bewegen, zu erweitern«. Sound erschien im Jahr 1869 als Der Schall in der ersten deutschen Ausgabe (wieder übersetzt durch Anna unter Aufsicht von Helmholtz und Wiedemann) bei Vieweg, gefolgt von einer zweiten Ausgabe im Jahr 1874 und einer dritten im Jahr 1897. Anna nahm das Honorar, das Tyndall ihr für die Übersetzung schickte, nur widerstrebend an und fand, es stehe in keinem Verhältnis zu ihrem Aufwand. Sie lud Tyndall erneut ein, sie zu besuchen: »Es ist nicht gut, dass wir uns so gar nicht kennen«, schrieb sie.47 Auch Tyndalls Aufsatz Faraday as a Discoverer (1868) wollten Helmholtz und Anna selbst übersetzen; das heißt, Anna würde wiederum unter der Aufsicht von Helmholtz die Übersetzung übernehmen. Der wollte mit der Veröffentlichung des Aufsatzes auf Deutsch gerne in Verbindung gebracht werden, »da ich selbst noch eine große Schuld an Dankbarkeit gegen Faraday, der immer äußerst liebenswürdig und zuvorkommend gegen mich war, abzutragen habe«. Er rechnete damit, dass das Buch in Deutschland gut ankommen würde. Tyndall war natürlich hocherfreut darüber, schickte einen Teil seines Aufsatzes an Helmholtz, noch bevor das Manuskript ganz fertiggestellt war, und versprach, den Rest bald nachzureichen.48
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Doch Annas Schwangerschaft und die Geburt von Friedrich Julius (»Fritz«) am 15. Oktober 1868 verzögerten die Übersetzungsarbeit. Mitte November hatte sie nur die Hälfte des Textes fertig, den Helmholtz daraufhin korrigierte. Zu Beginn des Jahres 1869 schrieb Helmholtz an Tyndall, Anna habe die Übersetzung fertiggestellt, aber er die Überprüfung noch nicht abgeschlossen; das Vorwort werde er erst im Mai schreiben. Im Oktober des Jahres schickte er Tyndall schließlich ein Exemplar von Faraday und seine Entdeckungen. Tyndall hielt die Übersetzung für klar und überzeugend. Er pries sich glücklich, unter diesen Vorzeichen vor die deutsche Öffentlichkeit treten zu dürfen.49 Wie weitere Übersetzungen von Tyndalls Werken samt der damit einhergehenden Polemik innerhalb der Wissenschaft während der 1870er-Jahre zeigten, war Helmholtz’ Übersetzungsarbeit für Tyndall noch lange nicht zu Ende. Mit Fritz hatte Helmholtz nun insgesamt fünf Kinder: zwei mit Olga (Käthe und Richard) und drei mit Anna (Robert, Ellen und Fritz); dabei sollte es dann auch bleiben. Die Helmholtzens waren über die Geburt ihres Sohnes sehr glücklich. Anna schwärmte Tyndall gegenüber, wie groß und kräftig ihr kleiner Junge sei. Helmholtz schrieb, es gehe ihm gut und ihr kleiner Sohn bereite ihnen viel Freude. Das änderte sich indes bald, denn tatsächlich war Fritz körperlich schwach. Durch Roberts Krankheit und Fritz’ Bedürfnisse hatten die Helmholtzens (will heißen: Anna) alle Hände voll zu tun. Auch wenn Roberts Behinderung offenkundig schwerwiegender war – und manchmal lebensbedrohlich – als die schwächliche körperliche Konstitution von Fritz, litt der jüngere Bruder doch zusätzlich unter psychischen oder emotionalen Problemen und brauchte zeitlebens mütterliche (oder professionelle) Fürsorge. Ellen Helmholtz, die Tochter von Anna und Hermann, war hingegen ein körperlich gesundes und emotional normales Kind. Auch Helmholtz’ andere Tochter Käthe entwickelte sich (anscheinend) normal: Sie wollte Malerin werden, besuchte Bälle und reiste viel: nach München, Tirol, Oberbayern, Paris und England. Richard bekam zuerst Privatunterricht und besuchte dann das humanistische Gymnasium in Heidelberg. Hermann und Anna sahen es zunächst nicht gern, dass er eine Karriere in Eisenbahntechnik anstrebte, und wollten, dass er sich stattdessen auf die reine Wissenschaft konzentrierte, die sie für wert- und würdevoller hielten; die Eisenbahntechnik war in ihren Augen ein minderwertiger Beruf. Doch am Ende gaben sie nach. Kurz nach seiner Konfirmation begann Richard als Vorbereitung auf sein Technikstudium ein Mathematikstudium am Polytechnikum Stuttgart.50 Helmholtz war immer von seiner Familie umgeben, ob in Gesundheit oder Krankheit. Sie alle unterstützten und schützten einander. Das hieß freilich nicht, dass er ständig in die täglichen Probleme des Familienlebens einbezogen war; diese Rolle erfüllte Anna. Sie übernahm die tägliche Betreuung der beiden kranken Söhne, schirmte Hermann so gut wie möglich von den Alltagsproblemen der Familie und ihren eigenen ab und suchte nur bei wichtigen Entscheidungen die beiden
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Jungen betreffend seinen Rat und Beistand.51 Auf diese und manch andere Weise unterstützte sie ihn bei der Erfüllung seiner Mission – der Wissenschaft und ihrer Popularisierung.
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Die Welt sehen lernen Augenheilkunde in Heidelberg Ende des Jahres 1862, unmittelbar nachdem er die Tonempfindungen zur Veröffentlichung gebracht hatte, machte sich Helmholtz an die Arbeit für den dritten Teil seines Handbuchs der physiologischen Optik.1 Die Forschung für diesen Teil und das Verfassen des Textes nahmen in den kommenden vier Jahren den Großteil seiner irgend verfügbaren Zeit in Anspruch. Er wertete die einschlägige Sekundärliteratur systematisch aus, führte eigene Forschungen über den Horopter (zu dessen schwankender Definition siehe unten) und die menschlichen Augenbewegungen durch und schrieb ausführlich über Wahrnehmungstheorien. Neben all dem hatte er seine Verpflichtungen in der Lehre zu erfüllen, fungierte er als Heidelberger Prorektor (1862/63) und als Dekan der medizinischen Fakultät (1865/66) und hielt populärwissenschaftliche Vorlesungen in Heidelberg, andernorts in Deutschland und in London. Diese äußeren Umstände hatten keine Auswirkung auf die Inhalte von Teil III des Handbuchs, aber sie bestimmten, wann Helmholtz Zeit fand, zu forschen und zu schreiben; wie schnell die Wissenschaft voranschreitet, hängt zu einem guten Teil von mehr als nur der Wissenschaft selbst ab. Den unmittelbaren Kontext für Helmholtz’ Arbeit am dritten Teil bildete seine wissenschaftliche Führungsposition in der deutschen und insbesondere der Heidelberger Augenheilkunde. Um die Mitte des Jahrhunderts florierte die Augenheilkunde, und Heidelberg war eines ihrer Zentren. Als Mitglied der medizinischen Fakultät, das schon erheblich zur Augenheilkunde beigetragen hatte, stand Helmholtz den klinischen Augenärzten in Heidelberg wie auch dem medizinischen Fachgebiet insgesamt nahe. Doch er war sicher kein klinischer Ophthalmologe, auch wenn er Mediziner war. Vielmehr war er ein theoretischer und empirischer Erforscher des Auges und jemand, der das ophthalmologische Wissen durch Innovation und Synthese vorantrieb. In dieser Hinsicht ergänzte er seine klinischen Kollegen in Heidelberg.2 Der institutionelle (und klinische) Leiter der Augenheilkunde in der Anfangszeit von Helmholtz’ Tätigkeit in Heidelberg war Maximilian Chelius. Im Jahr 1819
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wurde er Professor für Chirurgie und später Direktor der chirurgischen Klinik der Universität. Chelius war ein angesehener Chirurg – er operierte erfolgreich einen Finger von Frédéric Chopin –, aber kein Forscher oder Neuerer auf dem Gebiet der Medizin. Dennoch stand die Augenheilkunde in Heidelberg fast ein halbes Jahrhundert lang unter seiner Kuratel, bis er 1864 in den Ruhestand ging. Sein Nachfolger, Karl Otto Weber, war Spezialist für pathologische Anatomie und Chirurg; Helmholtz hatte dabei mitgewirkt, ihn aus Bonn nach Heidelberg zu holen. Die vierte und letzte wichtige Persönlichkeit in Heidelberg war Knapp, der von Chelius Jahr für Jahr in seiner Position wiederernannt wurde. Mit Webers Berufung auf den Lehrstuhl für Chirurgie im Jahr 1865 war ein eigener Lehrstuhl für Augenheilkunde geschaffen worden, und Knapp wurde außerordentlicher Professor für Augenheilkunde. Nach Webers Tod im Jahr 1867 wurde eine ordentliche Professur für Augenheilkunde frei, die jedoch mit Otto Becker besetzt wurde. Knapp fühlte sich für seine Bemühungen, die Augenheilkunde in Heidelberg zu einer eigenständigen Disziplin zu machen, nicht ausreichend anerkannt, und so zog er 1868 nach New York, wo er eine gut laufende Praxis aufbaute und einer der führenden Augenärzte Amerikas wurde. Bis zu seiner Abreise erwiesen sich seine klinischen Forschungen und seine Unterstützung als sehr nützlich für Helmholtz’ Handbuch.3 Auch in anderer Hinsicht war Heidelberg führend in der Augenheilkunde. Im Jahr 1857 fand hier unter der Leitung von Albrecht von Graefe das erste informelle Treffen der deutschen Augenärzte statt. Die Gruppe traf sich fortan jährlich, bis die Ärzte im Jahr 1863 ihren Aktivitäten durch die Gründung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, die weiterhin jährlich in Heidelberg zusammenkam, einen formellen Rahmen gaben. Die ersten beiden Präsidenten der Gesellschaft waren die Helmholtz-Freunde Graefe (1863 – 1870) und Donders (1870 – 1889). Graefe gehörte zu den führenden klinischen Augenärzten in deutschen Landen und war Gründungsherausgeber des Archivs für Ophthalmologie (1854), einer der führenden Zeitschriften auf diesem Gebiet. Helmholtz’ Ophthalmoskop (das durch andere immer weiter verbessert wurde) wurde zum Hauptinstrument für die Untersuchung der Netzhaut und der Augenbewegungen, und im Archiv wurden regelmäßig Studien zu den Anwendungen des Instruments veröffentlicht. Noch näher stand Helmholtz allerdings Donders, der ein klinisch orientierter forschender Ophthalmologe war. Donders und Helmholtz lasen die Schriften des jeweils anderen genau und ließen einige von deren Ergebnissen in ihre eigenen späteren Arbeiten einfließen.4 Doch trotz der freundschaftlichen Beziehungen zu Graefe in Berlin und Donders in Utrecht nahm Helmholtz nur selten an den Tagungen der Gesellschaft teil, da sie im Spätsommer stattfanden, wenn er meist im Urlaub war. Die alle zwei Wochen stattfindenden Sitzungen des Heidelberger Naturhistorisch-medicinischen Vereins besuchte er jedoch regelmäßig. Er wurde zum Vorsitzenden des Vereins gewählt und behielt diese Position während seiner gesamten Heidelberger Zeit.
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Der Horopter und die Augenbewegungen Zwei besonders umstrittene (und eng miteinander verwandte) Themen in der physiologischen Optik um 1860 waren das Horopterproblem und die Augenbewegungen.5 Helmholtz wendete einen Großteil seiner Forschungszeit zwischen Ende 1862 und Anfang 1865 für die Arbeit daran auf. Die wissenschaftlichen Beiträge, die er in dieser Zeit veröffentlichte, erschienen zunächst als Vorveröffentlichung in den Verhandlungen des naturhistorisch-medicinischen Vereins zu Heidelberg, und anschließend in nationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Die Zeitschriftenpublikationen stellten die erste Stufe seiner Analyse dieser beiden Probleme dar, in der er seine Ideen entwickelte und seinen Fachkollegen in der Augenheilkunde und Physiologie zur Diskussion stellte. In einem zweiten Schritt nahm er seine Ergebnisse in den dritten Teil des Handbuchs auf. Im Oktober 1862 legte Helmholtz seinen Vereinskameraden ein kurzes Papier »Über die Form des Horopters, mathematisch bestimmt« vor. Er erklärte, der Horopter sei »der Inbegriff derjenigen Punkte des äußern Raumes, deren Bilder bei einer gegebenen Stellung der Augen in beiden Augen auf identische Netzhautpunkte fallen«. In dem Papier ging es hauptsächlich um Definitionen oder präzise Beschreibungen, die mit der Vermessung der strukturellen Geometrie des Auges zu tun hatten. Es behandelte Themen wie identische Netzhautpunkte, Gesichtslinien und verschiedene Meridiane, Ebenen, Flächen, Winkel, Schnitt- und Fixationspunkte. Helmholtz wies darauf hin, dass Wundt sich bereits mit dem Horopterproblem beschäftigt hatte, dass er (Helmholtz) einige von Wundts Messverfahren übernommen habe und dass Johannes Müller für den Horopter bereits eine Kreisgleichung gefunden hatte. Helmholtz selbst entwickelte mehrere Gleichungen, um den Horopter oder seine Bestandteile zu beschreiben, einschließlich des Radialhoropters, des Zirkularhoropters und der Kombination beider im Totalhoropter.6 Diese kurze Abhandlung war der erste von mehreren Versuchen der nächsten beiden Jahre, den Horopter genau zu beschreiben. Außerdem untersuchte Helmholtz die Augenbewegungen. Im Mai 1863 legte er dem Verein ein vorläufiges Manuskript zu diesem Thema vor. Das »Problem der Augenbewegungen« sah er darin, die verschiedenen Drehbewegungen (nach oben, unten, links, rechts) zu bestimmen, welche die Augen ausführen mussten, damit die beiden Netzhäute sich mit den Gesichtslinien (Sehachsen) auf einen bestimmten Punkt einstellen konnten. Zur Lösung dieses Problems wandte Helmholtz ein Gesetz an, das Donders (mit Georg Meissner) entwickelt hatte; außerdem bezog er sich auf Arbeiten von Adolf Fick, Friedrich von Recklinghausen und Wundt. Insbesondere behauptete er, ein optisches Prinzip für Augenbewegungen gefunden zu haben, für das er sich an der Wahrscheinlichkeitsberechnung und dem Prinzip der kleinsten Quadrate orientierte. Dieses sogenannte Prinzip der einfachsten Orien-
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tierung besagte, es müsse »eine Stellung des Auges geben, von welcher aus alle unendlich kleinen Bewegungen desselben ohne Drehung um die Gesichtslinie geschehen«. Dieses Prinzip baute auf früheren Gesetzen von Donders und Listing auf und stand im Einklang mit früheren Erkenntnissen von Ruete und Listing, die sie aber nicht bewiesen hatten. Helmholtz behauptete, er habe das Listing-Gesetz – dass die Stellung des Auges gleich bleibt, wenn es in eine bestimmte Blickrichtung schaut – mit seinen eigenen Augen experimentell bestätigt.7 Im Juni 1863 schickte er Graefe ein Manuskript mit dem Titel »Über die normalen Bewegungen des menschlichen Auges« für sein Archiv für Ophthalmologie. Graefe wollte es so bald wie möglich veröffentlichen und brachte es noch im Herbst desselben Jahres heraus. Diese Analyse im Umfang von 60 Seiten wurde zu Helmholtz’ finaler Stellungnahme zu dem Thema. Im ersten Abschnitt (von fünf ) ging es um die Theorie. Er schrieb, das Prinzip der einfachsten Orientierung erkläre die Augenbewegungen in Übereinstimmung mit dem Listing-Gesetz. Die Arbeiten von Donders, Meissner, Fick und Wundt bezeichnete Helmholtz als wegweisend für seine eigenen Analysen und Erkenntnisse, obwohl er sich, im Gegensatz zu den beiden Letztgenannten, die sich mit den Muskelmechanismen des Auges beschäftigt hatten, auf ein optisches Prinzip (der normalen Augenbewegungen) berief. Er meinte auch, sein Prinzip entspreche dem »von Darwin nachgewiesenen Einfluss der Erblichkeit individueller Eigenthümlichkeiten auf die zweckmässigere Ausbildung der Organismen«.8 Im zweiten Abschnitt berichtete er über »Eigene Versuche über Augenstellungen«. Er verwendete die Ergebnisse von Ruete, Donders und Wundt zu Nachbildern, um »dadurch eine directe Prüfung des Gesetzes von Listing« durchführen zu können. Er machte Beobachtungen, bei denen er seine eigenen Augen in seltsame Stellungen verdrehen musste, um das Gesetz zu überprüfen. Er überredete Knapp, diese Experimente zu beobachten und sogar selbst die Augen zu verdrehen. Im dritten Abschnitt ging es um die »Bestimmung der Augenstellungen mittels binocularer Doppelbilder«. Er beschrieb und besprach Meissners experimentelle Ergebnisse, wiederholte und korrigierte auch einige seiner Experimente. Im vierten Abschnitt berichtete er über die Ergebnisse von Experimenten zu Orientierungsstörungen des Auges durch Drehungen (insbesondere im Zusammenhang mit Nachbildern). Ganz typisch deutete er an, er glaube, die menschliche Willenskraft besitze eine große Fähigkeit zur Kontrolle von Augenbewegungen. »Alle unsere Willensacte beziehen sich, soweit sie bewusst sind, nicht auf die Contraction bestimmter Muskeln, von deren Existenz die meisten Menschen kaum etwas wissen, auch nicht einmal immer auf die Erreichung einer bestimmten Stellung eines Körpertheils, sondern vielmehr auf Erreichung eines bestimmten Zwecks«, schrieb er. Er schloss diesen Abschnitt und zugleich seine ganze Ausarbeitung mit der allgemeinen Behauptung, der Mensch habe gelernt, wie man die Muskeln im gesam-
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ten Körper trainiert: »Das Kind, welches gehen lernt, und der Knabe, der schwimmen lernt, sind anfangs ungeschickt, unsicher, und wenden große Anstrengung an. Übung lehrt sie schließlich diese Bewegungen [auszuführen]. […] Eine ähnliche Art zwingender Gewohnheit, hergeleitet aus dem Bedürfnisse der Orientirung meine ich, beherrscht auch die Augenbewegungen, und ich halte es deshalb nicht für nöthig nach anatomischen Einrichtungen zu suchen, die das Gesetz dieser Bewegungen bestimmen.« Der fünfte und letzte Abschnitt der Arbeit bestand aus einem mathematischen Anhang.9 Nachdem er seinen Aufsatz über die Augenbewegungen fertiggestellt hatte, veröffentlichte Helmholtz in mehreren Fachzeitschriften für Physik und Augenheilkunde Beiträge über die Form des Horopters, wie sie sich abhängig vom Fixationspunkt veränderte. Sein Erzrivale Hering hatte kürzlich behauptet, Helmholtz habe »nämlich irrthümlicher Weise der allgemeinen Horoptercurve zwei Zweige zugeschrieben, während sie nur einen habe«. Helmholtz’ Antwort fiel zunächst großmütig aus: »Ich will […] ihm nicht nachsagen, dass das Allgemeinergebnis seiner Rechnung über den Horopter unrichtig sei. Im Gegentheile kann ich seine Behandlung des Problems meinen Lesern nur als sehr elegant, übersichtlich und vollständig anempfehlen.« Doch dann wechselte er den Ton und griff Hering an: »Freilich ist die Assymmetrie [sic] der beiden Netzhäute, welche einen sehr wichtigen Einfluss auf die Gestaltung des Horopters hat, [von Hering] nur sehr nebenbei berücksichtigt worden.« Er räumte ein, dass er in seiner vorläufigen Veröffentlichung über den Horopter diesen mit einer Gleichung zweiten und vierten Grades beschrieben, inzwischen aber erkannt hatte, dass zwei Gleichungen zweiten Grades ausreichten. In seiner letzten Abhandlung über den Horopter versicherte Helmholtz, er habe »diese vereinfachte Darstellung noch vor Hrn. Hering’s entsprechenden Untersuchungen gegeben und veröffentlicht«.10 Hering hatte bei ihm einen Nerv getroffen. Zur selben Zeit, im Dezember 1863, sprach Helmholtz vor dem Verein über den Horopter. Er reagierte damit auf Recklinghausens jüngste Arbeiten über die Asymmetrie bei der Verteilung identischer Netzhautpunkte in beiden Augen. Er legte eine neue Definition »identischer Stellen in beiden Gesichtsfeldern« vor und schloss nun daraus: »Im Allgemeinen ergibt sich der Horopter als eine Linie doppelter Krümmung, die als die Schnittlinie zweier Flächen zweiten Grades dargestellt werden kann.«11 Im folgenden Frühjahr sprach er erneut vor dem Verein, diesmal jedoch zu einem Randthema: seinen Experimenten zum »Muskelgeräusch«. Die bloße Vorstellung dieses Phänomens war fesselnd und stand offensichtlich im Zusammenhang mit seinem anhaltenden Interesse an physiologischer Akustik (und war ein Beweis dafür). Er räumte ein, dass die Existenz eines solchen Geräuschs oft bezweifelt worden sei, versicherte aber, dass unter entsprechend vorbereiteten experimentellen Umständen und unter Verwendung entweder des Ohrs oder eines Stethoskops ein
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solches Geräusch tatsächlich »sehr deutlich« und bei einer Vielzahl von Muskeln gehört werden könne. Er meinte, das Phänomen lasse sich wahrscheinlich durch die Anwendung von du Bois-Reymonds Hypothese eines schnellen Austauschs elektromotorischer Molekülgruppen während der Muskelkontraktion erklären. Er vermutete, ein entsprechender Nachweis sei durch den Einsatz empfindlicherer Instrumente zur Schallaufnahme möglich. Im Juli 1866 kehrte er, wieder vor dem Verein, zu diesem Thema (jetzt unter dem Begriff »Muskelton«) zurück und berichtete, er habe feinere Hörgeräte konstruiert, die es ihm erlaubten, (vorher nicht wahrnehmbare) tiefe Muskeltöne zu hören und ihre Schwingungsfrequenzen visuell auf Papierstreifen darzustellen.12 Helmholtz’ Forschungsschwerpunkte lagen Mitte der 1860er-Jahre jedoch weiterhin beim Horopter und bei den Augenbewegungen. Im Jahr 1864 veröffentlichte er erneut in Graefes Archiv und präsentierte dort seine abschließende Arbeit über den Horopter. Er analysierte darin »Die Verteilung der correspondirenden Punkte in beiden Sehfeldern«, bestätigte einige seiner eigenen früheren Erkenntnisse und einige Erkenntnisse von Recklinghausen und Volkmann, diskutierte die Form des Horopters, analysierte seine »Bedeutung beim Sehen« und gab schließlich (erneut) eine mathematische Beschreibung des Horopters. Er lieferte genauere Definitionen des »Gesichtsfeldes« und des Horopters und betonte die Bedeutung von Lotzes Idee der »Lokalzeichen« (Empfindungen, die verschieden sind, je nach der von einer Lichtempfindung getroffenen Stelle auf der Netzhaut und die auf diese Weise Raumwerte erzeugen, die dabei helfen, Empfindungen in Wahrnehmungen umzuwandeln) sowie seine eigene Interpretation des Sehens als erlerntes Phänomen.13 Im Juni 1864 sprach Helmholtz wieder vor dem Verein, diesmal über das stereoskopische Sehen. Er führte erstmals sein neu konstruiertes Stereoskop vor, das, wie er behauptete, doppelt so stark vergrößerte wie ein Standardgerät. Außerdem berichtete er über seine Versuche zur binokularen Raumprojektion, insbesondere im Zusammenhang mit der Betrachtung eines Fadens oder eines Drahtes (genau wie bei Hering). Obwohl er andere Ergebnisse erzielte als Hering, äußerte er sich positiv über einige Resultate des Kollegen. Er wies auch auf die Forschungen Wundts hin, der gezeigt habe, dass in Fragen der Konvergenz unserer Augen auf einen fernen Punkt keine völlig exakten Ergebnisse zu erzielen seien. Schließlich setzte er sich mit Herings Theorie zur stereoskopischen Raumprojektion auseinander. Hier herrschte ein wissenschaftlicher Wettstreit. Im November wandte er sich erneut an den Verein mit dem Vortrag »Über den Einfluss der Raddrehung der Augen auf die Projektion der Retinabilder nach außen«. Diesen Vortrag veröffentlichte er, ebenso wie jenen über das Stereoskop, in den Verhandlungen. In seine Croonian Lecture bei der Royal Society im vorangegangenen Frühjahr hatte er eine Zusammenfassung dieser Arbeiten und weiterer aktueller Forschungen eingebaut. Die Details sparte er sich für das Handbuch auf.14
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Bei seinem letzten Auftritt vor dem Verein (im Januar 1865), bei dem er über seine jüngsten Ergebnisse zu den Augenbewegungen berichtete, erklärte er, wir könnten »die Intention unseres Willens auf keinen anderen Zweck richten […] als den, ein bestimmtes Object einfach und deutlich zu sehen, und dass wir deshalb abnorme Augenbewegungen ausführen lernen, sobald wir die Augen unter abnormen Bedingungen sehen lassen«. Er glaubte, dass eine »entsprechende Willensintention« wesentlich für das Erlernen des Sehens von Objekten sei. Sogar ein empirisches Gesetz wie das von Listing hänge letztlich davon ab, denn es resultiere, so Helmholtz, aus dem Training des Auges. Er berichtete von experimentellen Ergebnissen, die er, wie so oft in der Vergangenheit, aus Beobachtungen mit seinen eigenen Augen gewonnen hatte. Sein Vortrag erschien sowohl in den Verhandlungen des Vereins als auch in den bekannteren Heidelberger Jahrbüchern der Literatur.15 Ende Dezember 1864, nachdem er seine Forschungen über den Horopter und die Augenbewegungen abgeschlossen hatte, und während er intensiv an seinen Texten über Raumwahrnehmung und Wahrnehmungstheorie schrieb (genauer am letzten Abschnitt des dritten Teils), erhielt Helmholtz einen Brief des italienischen Geometrikers Luigi Cremona aus Bologna. Cremona hatte sich vor allem durch seine Arbeiten in der projektiven Geometrie und durch Forschungen zur Transformation von Kurven einen Ruf erworben. Cremona schrieb, weil ein Kollege ihm Helmholtz’ neueste Abhandlung über den Horopter geschickt hatte, die ihm besonders gefiel, weil Helmholtz’ Ergebnisse zu mathematischen Verallgemeinerungen über verschiedene Kurven führten. Cremona schrieb ausführlich über den mathematischen Aspekt.16 Falls Helmholtz es nicht bereits selbst erkannt hatte, konnte er aus Cremonas Brief ersehen, dass die Beobachtungsergebnisse über den Horopter zu mathematischen Fragen führten, die über eine einfache mathematische Beschreibung der Form des Horopters hinausgingen. Cremonas Brief nahm ein Umdenken über das Wesen der Geometrie voraus, das bei Helmholtz und den Mathematikern ab 1868 einsetzen sollte. Es waren jedoch Helmholtz’ Arbeiten über den Horopter und die Augenbewegungen gewesen, die ihn dazu veranlasst hatten, sein Verständnis von Geometrie, Raum und Bewegung neu zu bewerten. Gute vier Jahre später gab ihm der italienische Mathematiker Eugenio Beltrami einen weiteren Anstoß in Richtung der Erkenntnis, dass es noch andere Geometrien gab als die euklidische. Darin lag eine wissenschaftliche und mathematische Zukunft, die alle Träume übertraf.
Harte Arbeit, Rivalität und Ruhe Wie Helmholtz’ diverse Veröffentlichungen über den Horopter, die Augenbewegungen und andere Themen zwischen 1862 und 1864 erkennen lassen, arbeitete er sehr viel. Bis Ende 1864 hatte er 85 Publikationen vorzuweisen, darunter mehrere Monographien; allein zwischen 1862 und 1864 veröffentlichte er 13 Texte. Er arbei-
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tete ununterbrochen. Seine enorme Arbeitsmoral verdankte er den Vorbildern und Standards, die sein Vater, das Gymnasium und die medizinische Fakultät gesetzt hatten. Diejenigen, die ihm nahestanden, waren mit seiner Arbeitsmoral bestens vertraut. Ende 1864 schrieb Anna an ihren Bruder, er sei »sehr fleißig« und fände es »sehr bequem«, seine ganze Ausstattung zu Hause, im Friedrichsbau, »so schön zur Hand zu haben«. Sein Assistent Julius Bernstein erinnerte sich, so mancher Heidelberger Fakultätsmitarbeiter oder Student, der abends ausging, um sich zu amüsieren, und spät am Abend zufällig an Helmholtz’ Laboratorium vorbeikam, habe »gar oft die Helmholtzsche Studierlampe im Friedrichsbau noch leuchten sehen«. Knapp lobte Helmholtz’ Intellekt ebenso wie seinen Fleiß. »Wie oft habe ich ihn um 11 Uhr nachts oben im Haus vor seinem Schreibtisch stehen sehen, wenn ich von einem Amüsement zurückkam. Er war ein umsichtiger und unermüdlicher Arbeiter; er machte seine ganze Arbeit selbst. Bei seiner wissenschaftlichen Arbeit hatte er keinen Assistenten, noch nicht einmal einen Amanuensis.«17 Er war ein Getriebener. Ende 1864 teilte er seinem Freund Soret mit, er arbeite »möglichst eifrig« an der Fertigstellung des dritten Teils des Handbuchs, »aber gerade der noch fehlende Theil macht große Mühe und hat viel Schwierigkeiten«. Damit meinte er mit einiger Sicherheit den Abschnitt, in dem er sich mit den Wahrnehmungstheorien von Nativismus und Empirismus auseinandersetzte und der damit verbundenen Rolle der »unbewussten Schlüsse«. An du Bois-Reymond schrieb er: Ich selbst arbeite, so viel es geht, am dritten Teile meiner physiologischen Optik; das ist ein heilloses Kapitel, weil man notwendig stark in das Psychologische hineingerät und man gar nicht darauf rechnen kann, durch die bestüberlegten Gedanken die Leute zu überzeugen. Dabei wird im Augenblick sehr lebhaft in dieser Abteilung gearbeitet und zwischen vielem Unkraut schießen doch auch alle Augenblicke die unerwartetsten neuen Tatsachen auf. Ich selbst muss allmählich auch bei physiologisch optischen Versuchen auf meine Augen Rücksicht nehmen und mich als entschließen, den letzten Teil so gut fertig zu machen, als es im Augenblick eben geht, ohne ihn zu meinem eigenen Genügen fertig zu machen. Daneben habe ich vorläufig alle andren Versuche liegen lassen. Einen Monat später schrieb er du Bois-Reymond erneut, dass er noch immer am letzten Teil arbeite, der »während des Semesters freilich auch viele Unterbrechungen« erlitten habe. Dennoch »hoffe ich, nun in den Osterferien endlich mit dieser undankbaren Arbeit fertig zu werden«. Dann wurde er persönlich: Herr E. Hering hat mich sehr geärgert mit seiner unverschämten Weise, über andrer Leute Arbeiten abzuurteilen, die er zum Teil sich nicht einmal die
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Mühe genommen hat, ordentlich zu verstehen. Ich möchte ihn aber doch nicht unbillig behandeln, da er ein intelligenter Mensch ist in seiner Weise, wenn er sich vorläufig auch auf sehr queren Wegen befindet und wenigstens seinen Standpunkt konsequent ausarbeitet. Dazu ist er, wie ich höre, früher geisteskrank gewesen, und das hat mich bisher zurückgehalten, ihn abzutrümpfen, wie er es stellenweise verdient hätte. Das Merkwürdige an dieser neu entstandenen Feindseligkeit – die in Teil III schnell als große wissenschaftliche Rivalität erschien – war, dass Hering als junger Wissenschaftler Helmholtz als Meister (auch seinen persönlichen) der physiologischen Optik hochgehalten hatte. Er war jedoch äußerst temperamentvoll und polemisch und konnte Helmholtz (wie auch Wundt, Volkmann und andere) in einem Atemzug kritisieren und gleichzeitig als seinen Lehrer betrachten (ohne ihn je getroffen zu haben). Die Kluft zwischen den akademischen Positionen beider Männer hätte kaum größer sein können: Zwischen 1860 und 1865 praktizierte Hering in Leipzig Medizin und war nebenbei als Privatdozent an der Leipziger Universität tätig. Er trat mit einer Reihe einflussreicher Artikel zum binokularen Sehen und zur Tiefenwahrnehmung an die Öffentlichkeit, die er gemeinsam als Beiträge zur Physiologie (1861 – 1864) publizierte. Als Helmholtz Hering ins Visier nahm, sollte es noch mehr als ein Jahr dauern, bis er Teil III abschloss.18 In jenem Sommer 1865 brauchte Helmholtz ganz besonders seine Ruhe und Erholung. Er wanderte in den Bergen. Anna fand, er sehe müde aus, und war froh, dass er mehrere Wochen Gelegenheit haben würde, seine Gesundheit und Kraft wiederzugewinnen, sagte ihm aber: »Das Leben ist doch sehr öde und schal ohne Dich, Hermann!« Er antwortete existenzieller: »Sei überzeugt«, schrieb er ihr vom Courmajeur im Piemont, »dass ich in der Entfernung noch deutlicher empfinde, wie notwendig Deine Gegenwart zur Befriedigung meiner Existenz geworden ist und wie sehr ich Dir dafür dankbar bin.« Er entschuldigte sich bei ihr, dass er, wenn er an Migräne litt, Geldsorgen hatte oder sich »in wissenschaftlichen Spekulationen« verlor, manchmal entmutigt war und ihr so oft das Leben schwer machte. »Ich weiß es wohl, dass ich an solchen Tagen ein langweiliger oder ein müder Gefährte bin, und ich will versuchen, darüber noch mehr Herr zu werden als ich es bisher geworden bin.« Er dachte, er habe seinen Sinn für geistige oder seelische Ausgeglichenheit verloren. Er schrieb: »Ich kann ohne starke geistige oder körperliche Anstrengung nicht Ruhe halten und das ist selbst für die wissenschaftlichen Leistungen ein Fehler, denn die besten Ideen und Pläne entspringen immer nur aus Augenblicken oder Stunden vollkommenen Wohlseins.«19 Nach einer zweiwöchigen Bergwanderung mit seinem Freund und Kollegen, dem Augenarzt Rudolf Schelske, hatte er das Gefühl, seine körperliche Kraft wiedererlangt zu haben. Er wurde »durch einen brillanten Sonnenuntergang und herr-
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liche Beleuchtung der ganzen Mont-Blanc-Kette belohnt«. Danach fuhr er nach Genf weiter, wo er bei den Sorets wohnte und unter anderem den Genfer Physiker Auguste de la Rive kennenlernte, eine führende Persönlichkeit der Genfer Wissenschaftsgemeinde. Nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub trat er seine einjährige Amtszeit als Dekan der medizinischen Fakultät an.20 Dieser Verwaltungsposten kostete ihn viel Zeit und Energie. Mitte Januar 1866 schickte er das praktisch fertige Manuskript des dritten Teils an den Verlag. An du Bois-Reymond schrieb er, er befinde sich »jetzt nahe dem Gipfel eines großen Berges, der mir immer als Hindernis im Wege stand, nämlich der Physiologischen Optik«. Jetzt bleibe nur noch der letzte Paragraph, freilich ein häkeliger, den Wettstreit der Sehfelder betreffend, zu überarbeiten. Ich weiß noch gar nicht, wie ich, wenn dies vorbei ist, die Freiheit, arbeiten zu können, was ich will, benutzen werde. Diese letzte Abteilung der Optik hat mich schändlich gequält, weil die Sache gar noch nicht so weit bearbeitet ist, daß man sie rund zusammenfassen könnte, und weil ein einzelner außerdem mit seinen eigenen Beobachtungen die meisten Sachen gar nicht fertig machen kann, weil die individuellen Unterschiede hier eine große und wesentliche Rolle spielen. Dabei gibt es wenig eingeübte Beobachter, die frei sind von theoretischen Vorurteilen, und jeder glaubt natürlich seinen eigenen Augen mehr als denen der andern. Ich bin sonst gewohnt, meine Sachen mir fertig und klar zu machen, bis ich nichts Wesentliches mehr zu machen sehe; hier kann ich das nicht, und deshalb habe ich keine rechte Freude an der Arbeit gehabt.21 Die Freude wurde wohl noch weiter durch den Umstand getrübt, dass es fast ein weiteres Jahr dauern sollte, bis das Buch im Druck vorlag. Schuld an dieser Verzögerung waren freilich eher nicht Helmholtz oder sein Verleger, sondern die besonderen militärisch-politischen Umstände, die derzeit zwischen Preußen und Österreich herrschten.
Kriegszeiten Nur ein einziges Mal in Helmholtz’ Leben (während des Deutsch-Französischen Krieges) wurde er durch äußere politische oder gesellschaftliche Ereignisse in seinem Wirken gestoppt oder gebremst. Im Frühjahr 1866 provozierte Bismarck einen Krieg, um Preußen von dem langjährigen Einfluss Österreichs auf seine Politik zu befreien, um die liberale Opposition in Preußen zu spalten und, ganz allgemein gesprochen, um Preußen im deutsch dominierten Teil Europas zu stärken. Preußens Verbündeter in diesem Kampf, Italien, strebte selbst danach, sich vom Habs-
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burgerreich zu befreien. Die Österreicher hatten Frankreich und fast alle südlichen und kleineren deutschen Staaten auf ihrer Seite, darunter (zunächst) das liberal gesinnte Baden. Schon seit dem Jahr 1859, als in Preußen die sogenannte »Neue Ära« (mit dem Durchbruch des Liberalismus unter dem Prinzregenten Wilhelm) begonnen hatte, war in Baden der Ruf nach politischer Einheit Deutschlands laut geworden. Zu Beginn des preußisch-österreichischen Krieges sympathisierte Baden mit Österreich und wurde dessen Verbündeter; aber nachdem preußische Truppen die Österreicher und Sachsen in der Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866 entscheidend besiegt hatten, distanzierten sich Baden und seine Bevölkerung von Frankreich, und selbst jene, die zuvor Sympathie für Österreich gehegt hatten, unterstützten nun Preußen. Ende Juli besetzten preußische Truppen Heidelberg; im August unterzeichneten Baden und Preußen einen Waffenstillstand, dem ein Friedensvertrag folgte. Baden stellte seine Truppen unter das Kriegskommando Preußens. Preußen annektierte Hannover, und die Universität Göttingen unterstand fortan dem preußischen Kultusministerium.22 Der in Baden lebende Preuße Helmholtz wusste genau, wo seine Loyalitäten lagen. Zumindest im Vorfeld des Krieges versuchten die Helmholtzens, ein möglichst normales Leben zu führen. Er arbeitete noch am Abschluss des dritten Teils und verbrachte viel Zeit in seinem Labor und in seinem Studierzimmer. Als Anna wieder einmal wissen wollte, welchen praktischen Wert seine wissenschaftliche Forschung habe, versicherte er ihr, deren Nutzen sei »von zweitrangigem Interesse […], wenn die Fakten einmal feststehen, wird immer ein Weg gefunden werden, sie anzuwenden und für die Menschheit nützlich zu machen«.23 Mehrere Wochen lang befürchteten die Heidelberger, sie müssten preußische Truppen in ihren Häusern einquartieren, was in größerem Umfang jedoch nicht eintrat. Anna schrieb ihrem Bruder: »Das einzig Gute ist dabei, daß mein Mann nicht seine Ruhe verliert und sich nicht in Schrecken jagen lässt; auch durch meine Jammertöne sich noch nicht zur Melancholie trüben läßt.« Die meisten Studenten steckten ihre Studien auf. In Berlin schätzte Georg Quincke, dass wegen des Krieges die Klassenstärke auf ein Viertel der normalen Größe geschrumpft war. Helmholtz schrieb du Bois-Reymond: Eine Zeitlang drohte uns hier die Möglichkeit eines Kampfes um den Neckarübergang; da dies aber nicht eintrat, sind wir hier ohne Schwierigkeiten durch die Kriegszeit gekommen. Freilich war es eine aufgeregte Zeit, die die Gedanken sehr gefangen nahm, und wir hatten hier ziemlich schroff einander gegenüberstehende Parteien. Die Frankfurter Geldjuden warfen uns ihre schwarzgelbe Demokratie hierher, unsere Ultramontanen [die die römisch-katholische Kirche als höchste Autorität betrachteten] waren auch sehr aufgeregt und drohten bis zur Schlacht bei Königgrätz mit Aufständen
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gegen den Großherzog [von Baden], der hierbei mehr Einsicht als seine Ratgeber, aber nicht den nötigen Mut bewiesen hat, seine Meinung durchzusetzen. Dadurch ist Baden allerdings in eine sehr schiefe Lage gekommen. An William Thomson schrieb er in ähnlichem Tenor: Abgesehen von ein paar einquartierten Truppen von beiden Seiten sind wir mit den Kriegsereignissen des vergangenen Sommers kaum in Berührung gekommen. Natürlich gab es in dieser Zeit große politische Aufregung, weil die Sympathien für beide Seiten überall sehr geteilt waren und ganz erbittert aufeinanderprallten. Ich selbst stand auf der Seite meines Geburtslandes Preußen. Und auch wenn ich keineswegs alles, was von dieser Seite geschah, unterstützen konnte, so war ich in der Tat erfreut über den Erfolg, der, trotz allem, einen Fortschritt zum Besseren in unseren verworrenen deutschen [politischen] Verhältnissen bedeutet. Die Einquartierung der preußischen Truppen, die wir am Ende hatten, war leichter zu ertragen als die befreundeten bayerischen [Truppen], mit denen wir anfangs gesegnet waren.24 Die deutschen Staaten hatten sich nun der Idee einer politischen Union unter preußischer Führung deutlich angenähert. Bismarck ersetzte den alten Deutschen Bund, dem auch Österreich angehört hatte, durch einen neuen Norddeutschen Bund, der von Preußen geführt wurde und an dem Österreich nicht beteiligt war. Baden gehörte diesem neuen Staatenbund nicht an, war ihm aber verbunden durch seine Teilnahme am Deutschen Zollverein und durch das mit Preußen geschlossene Schutzund Trutzbündnis. Faktisch hatte sich Helmholtz der politischen Umlaufbahn Preußens angenähert. Nach dem Krieg verbrachte er drei Wochen zur Erholung im schweizerischen Engelberg, wo er Wiedemann und Clausius traf und sein »Gehirn etwas zu erfrischen« und seine »Taille etwas schlanker zu machen« hoffte. Im Oktober war das Manuskript des dritten Teils »längst fertig«. Er klagte, der Publikationsprozess dauere zu lange und sein Verleger versuche, Geld zu sparen. Er hatte bereits die Korrekturbögen der französischen Übersetzung des gesamten Handbuchs erhalten und glaubte, sie werde »in vielen Beziehungen besser werden […] als das Original«.25 Ende November 1866 schrieb er Tyndall und Thomson, er sei »beinahe fertig« damit, Teil III in den Druck zu bringen, und er freue sich darauf, jedem von ihnen bald ein Exemplar schicken zu können. »Es ist eine lange Arbeit gewesen, und ich bin froh, damit endlich zu Ende zu sein.« Vier Jahre lang hatte er so viel Zeit wie irgend möglich der Arbeit an diesem dritten und letzten Teil gewidmet. Nachdem der erste Teil 1856 erschienen war und der zweite 1860, hatten die Recherche und das Verfassen des Handbuchs insgesamt mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch genom-
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men (oder waren zumindest über diesen Zeitraum verteilt). Es sei alles »nur mechanischer Zeitvertreib«, schrieb er du Bois-Reymond. Ihm blieb nur noch wenig Zeit für anderes und er war erschöpft: »Es will mir vorkommen, als ginge einem mit fortschreitendem Alter die Erfindungskraft aus.«26 Die Fertigstellung des dritten Teils markierte einen intellektuellen Wendepunkt in Helmholtz’ Leben, so wie der preußisch-österreichische Krieg einen politischen Wendepunkt in der deutschen Geschichte darstellte. Helmholtz’ Ansehen wuchs und zog immer weitere Kreise. Sogar bis nach Australien drang sein Ruf vor, wo eine Pflanze nach ihm benannt wurde. Der Deutsche Ferdinand von Mueller, der im Jahr 1847 nach Australien ausgewandert war und dort als Naturforscher zu einer wichtigen Figur in der australischen Wissenschaft wurde, wollte Helmholtz, den er als großen Gelehrten bewunderte, schon lange ein Denkmal setzen. Mit der »Helmholtzia acorifolia« setzte er ihm ein bleibendes Denkmal, mit dem er Helmholtz’ Namen auch in der Pflanzengeographie unsterblich machen wollte, wie er Helmholtz schrieb.27 Das Jahr 1866 endete gut für Helmholtz.
Das Handbuch (Teil III) Der dritte Teil enthielt Helmholtz’ Ausarbeitungen der Jahre 1862 – 1865 über den Horopter und die Augenbewegungen; er erschien Ende 1866 in zwei Teillieferungen. Im Jahr 1867 gab der Verleger Leopold Voss alle drei Teile in einem einzigen Band neu heraus. Das gesamte Handbuch (mit allen drei Teilen) war 917 Seiten stark. Es war jedoch weit mehr als einfach ein Handbuch. Helmholtz entschuldigte sich bei seinen Lesern für die lange Verzögerung bei der Veröffentlichung des letzten Teils. Zu seiner Rechtfertigung führte er an, dass er während der Arbeit daran zweimal den Wohnort gewechselt und zudem neben der physiologischen Optik an anderen Themen gearbeitet hatte. Auch handelte es sich um ein schwieriges und komplexes Thema, dessen Bearbeitung viel Zeit und Überlegung erforderte. Obwohl die Lehre von den Gesichtswahrnehmungen gerade in jüngster Zeit mannigfaltig bearbeitet worden sei, so Helmholtz, stehe sie noch am Anfang ihrer Entwicklung, und schneller Fortschritt sei bei der Beantwortung der noch offenen Fragen nicht zu erwarten. Das liege zum Teil an den Beobachtungs- und Experimentiertechniken und der dafür erforderlichen Erfahrung, vor allem aber auch an der Bedeutung psychologischer Faktoren. Er habe nun versucht, »Ordnung und Zusammenhang« in dieses komplexe und weite Feld zu bringen, und zwar mithilfe seiner empiristischen Theorie des Sehens. Sie stelle das »Princip« oder den »Leitfaden« dar, der ohne Widersprüche durch das ganze umfangreiche Gebiet hindurchführe – und das war es auch, was sein Werk zu mehr als einem Handbuch machte. Helmholtz räumte ein, dass andere Forscher ihm auf diesem Weg vorausgegangen seien, glaubte aber, dass ihre Arbeiten teilweise unter
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der »materialistischen Neigung« der Epoche zu mechanischen Erklärungen gelitten hätten. Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass seine Arbeit über die ihre hinausgehe, indem sie den Zusammenhang der Einzelprobleme zu entwickeln versuche. Abschließend betonte er, seine eigenen physiologischen Beobachtungen und Experimente durchgeführt und die von ihm verwendeten Methoden der Beobachtung stets beschrieben zu haben – keinesfalls hatte er die Erkenntnisse anderer ohne kritische Überprüfung einfach wiederholt. Das Buch enthielt jedenfalls Hunderte von Fußnoten und ein Literaturverzeichnis, das ganz überwiegend Werke von Wissenschaftlern umfasste, nicht etwa von Philosophen.28 Der dritte Teil war mit fast 400 Seiten Text mehr als doppelt so umfangreich wie der erste Teil (»Die Dioptrik des Auges«, bis einschließlich Paragraph 16 des gesamten Handbuchs) und um fast 70 Prozent umfangreicher als der zweite Teil (»Die Lehre von den Gesichtsempfindungen«, Paragraphen 17 – 25). Der dritte Teil, »Die Lehre von den Gesichtswahrnehmungen«, war in acht Paragraphen (26 – 33) unterteilt. Der erste (26) und der letzte (33) davon waren besonders theorie- und rhetoriklastig und entsprechend umstritten. In Paragraph 26 befasste sich Helmholtz mit der menschlichen Wahrnehmung im Allgemeinen. »Wir benutzen die Empfindungen, welche Licht in unserem Sehnervenapparate erregt, um uns aus ihnen Vorstellungen über die Existenz, die Form und Lage äußerer Objekte zu bilden. Dergleichen Vorstellungen nennen wir Gesichtswahrnehmungen.« Allgemein bestand der Zweck des dritten Teils darin, die Bedingungen, die zu visuellen Wahrnehmungen aller Art führten, zu diskutieren und wissenschaftlich zu analysieren. Behandelt wurden unter anderem Sinnestäuschungen, die Schwierigkeit der Beobachtung subjektiver Empfindungen, der Einfluss der Erfahrung, die Übereinstimmung zwischen Anschauungsbildern und Objekten sowie unbewusste induktive Schlüsse.29 Helmholtz’ Kernaussage ging dahin, dass Wahrnehmungen immer Vorstellungen waren und diese Vorstellungen wiederum »immer Acte unserer psychischen Thätigkeit«. Wahrnehmungen zu untersuchen, hieß für ihn letztlich, sich mit psychischen Prozessen auseinanderzusetzen. Auch wenn der Wahrnehmung gewiss ein physikalisch-physiologisches Substrat zugrunde lag, das ebenfalls untersucht werden musste, war es für Helmholtz doch ganz und gar unabdinglich, die »Seelenthätigkeiten«, ihre »Gesetze und Natur« zu studieren.30 Helmholtz behauptete, dass einige dieser psychischen Abläufe (die an bestimmten Aspekten der Wahrnehmung beteiligt sind) »unbewusste Schlüsse« seien, eine Theorie, die er seit Mitte der 1850er-Jahre allmählich entwickelt hatte. Menschen könnten nur die sensorischen Wirkungen der »äußeren Objekte«, niemals die Objekte selbst wahrnehmen, wobei Empfindungen nicht mehr seien als »Mittel zur Erkenntnis der Außenwelt«. Solche Sinneseffekte erzeugten nur »die Vorstellung von einer Ursache«, nicht mehr. Das Studium der Wahrnehmungen sei also letztlich das
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Studium der »unbewussten Schlüsse«, die er von den »bewussten Schlüssen« unterschied, auch wenn er zwischen beiden eine Ähnlichkeit feststellte.31 Er behauptete, »Thatsachen lassen den ausgedehnten Einfluss erkennen, welchen Erfahrung, Einübung und Gewöhnung auf unsere Wahrnehmungen haben«. Leider könne weder er noch sonst jemand genau sagen, wie weit dieser »Einfluss« reiche, und in dieser Hinsicht könne man auch durch die Untersuchung von Neugeborenen und Tieren nichts lernen. Dennoch lehre uns »die Erfahrung, ein zusammengesetztes Aggregat von Empfindungen als das Zeichen für ein einfaches Object« zu erkennen. Er glaubte, dass »der hauptsächlichste principielle Gegensatz« zwischen den Wahrnehmungsforschern den Einfluss der Erfahrung betreffe. »Die einen sind geneigt, dem Einfluss der Erfahrung einen möglichst breiten Spielraum einzuräumen, namentlich alle Raumanschauung daraus herzuleiten; wir können diese Ansicht als die empiristische Theorie bezeichnen.« (Diese Ansicht vertrat natürlich Helmholtz.) »Die andern müssen allerdings den Einfluss der Erfahrung für eine gewisse Reihe von Wahrnehmungen zugeben, glauben aber für gewisse, bei allen Beobachtern gleichförmig eintretende elementare Anschauungen ein System von angeborenen und nicht auf Erfahrung begründeten Anschauungen, namentlich der Raumverhältnisse, voraussetzen zu müssen. Wir dürfen diese letztere Ansicht im Gegensatz zur ersteren wohl als die nativistische Theorie der Sinneswahrnehmungen bezeichnen.«32 Er räumte ein, dass eine Schwierigkeit bei seiner psychologischen Interpretation des Wahrnehmungsprozesses darin bestand, dass »wir überhaupt bisher von der Natur der psychischen Vorgänge so gut wie nichts wissen«. Aufgabe der empiristischen Theorie sei es daher, Wissen darüber zu entwickeln. Die Unzulänglichkeiten dieser Theorie seien jedoch längst nicht so groß wie die der nativistischen Theorie, da letztere lediglich auf der Annahme basiere, es gebe einen angeborenen Mechanismus, der das Entstehen von Sinneswahrnehmung erkläre. Trotz aller Defizite seiner eigenen Theorie vertrat Helmholtz die Meinung, man müsse einen Standpunkt wählen, »um wenigstens übersichtliche Ordnung in das Chaos der Erscheinungen bringen zu können«. Er hoffte jedenfalls, dass es »keinen Einfluss auf die treue Beobachtung und Beschreibung der Thatsachen« haben würde, für welche Sichtweise man sich entscheide.33 Er betonte, er habe »die Sinnesempfindungen nur als Symbole für die Verhältnisse der Außenwelt bezeichnet« und ihnen »jede Art der Ähnlichkeit oder Gleichheit mit dem, was sie bezeichnen«, abgesprochen. Er lehnte jede vermutete »prästabilirte Harmonie zwischen der Natur und dem Geiste« oder gar »die Identität der Natur und des Geistes« ab. Solchen Ansichten aber schließe sich die nativistische Theorie insofern an, als sie »einen angeborenen Mechanismus« und »eine gewisse prästabilirte Harmonie« für wirksam halte.34 Für Helmholtz waren die Vorstellungen das Endergebnis praktischen menschlichen Handelns. Den Zwischenschritt zwischen menschlichem Handeln und einer
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Vorstellung von den Dingen bildeten Symbole, »natürlich gegebene Zeichen für die Dinge, welche wir zur Regelung unserer Bewegungen und Handlungen benutzen lernen«. Die einzige Beziehung, in der eine wirkliche Übereinstimmung zwischen unseren Wahrnehmungen und der Wirklichkeit eintreten könne, sah er in der »Zeitfolge der Ereignisse mit ihren verschiedenen Eigenthümlichkeiten. Die Gleichzeitigkeit, die Folge, die regelmäßige Wiederkehr der Gleichzeitigkeit oder Folge kann in den Empfindungen ebenso stattfinden, wie in den [äußeren] Ereignissen.« Aber selbst das bedeute nicht, so warnte er, dass »die Zeitfolge« der Wahrnehmungen auch ein »getreues Abbild der Zeitfolge der äußeren Ereignisse ist«, da innerhalb des Körpers unterschiedlich viel Zeit benötigt werde, um Sinnesbotschaften von den verschiedenen Organen des Körpers, den Augen und Ohren an das Gehirn zu übermitteln.35 Helmholtz meinte damit nicht, dass unsere Vorstellungen von den Dingen falsch seien: »Jedes Bild ist seinem Gegenstande in einer Beziehung ähnlich, in allen anderen unähnlich«, schrieb er, unabhängig davon, ob es sich um ein Gemälde, eine Statue, ein Musikstück oder eine Theatervorstellung handele. »So sind die Vorstellungen von der Außenwelt Bilder der gesetzmäßigen Zeitfolge der Naturereignisse, und wenn sie nach den Gesetzen unseres Denkens richtig gebildet sind, und wenn wir sie durch unsere Handlungen richtig in die Wirklichkeit wieder zurückzuübersetzen vermögen, sind die Vorstellungen, welche wir haben, auch für unser Denkvermögen die einzig wahren; alle anderen würden falsch sein.« So wichtig die Körperorgane, die Augen und Ohren und das Gehirn für den Wahrnehmungsprozess waren, betonte Helmholtz doch: »Der menschliche Verstand bezwingt wunderbar viel in der Welt, und bringt es unter ein strenges causales Gesetz.« Freilich gebe es keine Garantie dafür, dass »er nothwendig alles müsse bezwingen können, was in der Welt bestehen und geschehen könne«.36 Um zu erklären, »wie unsere Vorstellungen und Wahrnehmungen durch inductive Schlüsse gebildet werden«, bezog sich Helmholtz erneut auf das System der deduktiven und induktiven Logik von John Stuart Mill, der seiner Ansicht nach das Wesen unserer Schlüsse »am besten« auseinandergesetzt habe. Insbesondere glaubte er, Sinnestäuschungen entstünden dadurch, dass »die Induction durch eine unbewusste und unwillkührliche Thätigkeit des Gedächtnisses gebildet ist, die eben deshalb unserm Bewusstsein als eine fremde, zwingende Naturkraft erscheint«. Die Stichhaltigkeit solcher induzierten, unbewussten Schlüsse werde von den Individuen durch die willkürlichen Handlungen ihrer Körper überprüft. So wie das Experiment zur »Sicherheit unserer wissenschaftlichen Überzeugungen« führe, so sei es auch der Weg zu den »unbewussten Induktionen unserer sinnlichen Wahrnehmungen. Erst indem wir unsere Sinnesorgane nach eigenem Willen in verschiedene Beziehungen zu den Objecten bringen, lernen wir sicher urtheilen über die Ursachen unserer Sinnesempfindungen.« Er glaubte, dass ein solches vom menschlichen
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Willen gelenktes körperliches Experimentieren bereits in der Kindheit begann und sich ein Leben lang fortsetzte.37 Gegen Ende dieses einleitenden Paragraphen legte Helmholtz seine reinsten philosophischen Überzeugungen dar. Er hegte keinerlei Zweifel am »Gesetz der Causalität« und erkannte es als ein »Gesetz unseres Denkens« an, das aller Erfahrung vorausgehe. »Wir können überhaupt zu keiner Erfahrung von Naturobjecten kommen, ohne das Gesetz der Causalität schon in uns wirkend zu haben, es kann also auch nicht erst aus den Erfahrungen, die wir an Naturobjecten gemacht haben, abgeleitet sein.« Zumindest in dieser Hinsicht war er Kantianer. Im Gegensatz zu Mill glaubte er, es gebe keinen empirischen Beweis für das Gesetz der Kausalität. Er ging davon aus, dass Tieren und Menschen ein »Princip des freien Willens« innewohne, von dem unser natürliches menschliches Bewusstsein wohl kaum je lassen werde.38 Wie Kant hielt er das menschliche Handeln für frei und von jenem Kausalgesetz ausgenommen, von dessen Wirksamkeit in den Naturphänomenen wir doch automatisch ausgingen. Wie in seinem Aufsatz über die Krafterhaltung (1847) griff Helmholtz auch hier die abstrakten Begriffe Materie und Kraft auf, die nicht voneinander getrennt werden könnten. Materien ebenso wie Kräfte könnten kein direkter Gegenstand der Beobachtung sein, sondern nur »die erschlossenen Ursachen der Erfahrungsthatsachen«. Für Helmholtz bestand das Verfahren zum Begreifen der Naturerscheinungen im Versuch, »Gattungsbegriffe und Naturgesetze« zu finden, wobei er Naturgesetze als Gattungsbegriffe für in der Natur vorkommende Veränderungen verstanden wissen wollte. Solche Naturgesetze seien »unabhängig von unserem Beobachten und Denken« gültig. Hierin liege unsere einzige Möglichkeit, Naturerscheinungen zu begreifen: wenn wir sie »auf ein Gesetz zurückführen« können, wenn wir sie also »der Herrschaft unseres Verstandes […] unterwerfen«. Dabei müsse ein Wissenschaftler stets davon ausgehen, dass alle Phänomene verstanden werden könnten. Helmholtz weiter: »Somit ist das Gesetz vom zureichenden Grunde eigentlich nichts anderes als der Trieb unseres Verstandes, alle unsere Wahrnehmungen seiner eigenen Herrschaft zu unterwerfen, nicht ein Naturgesetz. Unser Verstand ist das Vermögen, allgemeine Begriffe zu bilden; er findet an unseren sinnlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen nichts zu thun, wenn er nicht allgemeine Begriffe, Gesetze, bilden kann, die er dann objectivirt und Ursachen nennt.«39 Das klingt deutlich nach Kant. Ausdrückliche Erwähnung findet Kant im gesamten Handbuch nur sechsmal – und auch dann nur kurz, aber einigermaßen respektvoll. Seine positivste Äußerung gibt Helmholtz am Ende von Paragraph 26 ab, wo er (auf knapp zwei Seiten) einen geschichtlichen Abriss zur Theorie der Wahrnehmung von Descartes bis in seine eigene Zeit gibt (einschließlich der Standpunkte von Müller, Johann Georg Steinbuch, Johann Friedrich Herbart, Lotze, Wundt und anderen). Über Kant schreibt er hier:
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Der wesentlichste Schritt, um die Frage [der Theorie der Sinneswahrnehmungen] auf den richtigen Standpunkt zu stellen, wurde von Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft gethan, in der er allen reellen Inhalt des Wissens aus der Erfahrung ableitete, von diesem aber unterschied, was in der Form unserer Anschauungen und Vorstellungen durch die eigenthümlichen Fähigkeiten unseres Geistes bedingt ist. Das reine Denken a priori kann nur formal richtige Sätze ergeben, die als nothwendige Gesetze des Denkens und Vorstellens allerdings absolut zwingend erscheinen, aber keine reale Bedeutung für die Wirklichkeit haben, also auch niemals irgend eine Folgerung über Thatsachen einer möglichen Erfahrung zulassen können. Mit anderen Worten, Kant lieferte (nur) ein Schema, das die Bedingungen jeder möglichen Erfahrung darlegte. Erst Helmholtz’ Lehrer Johannes Müller »übertrug« Kants abstrakte philosophische Strukturen »in seiner Lehre von den specifischen Energien der Sinne« und machte daraus einen funktionierenden, wissenschaftlichen Rahmen, dem er und seine Physiologenkollegen folgen konnten, um zu einem naturwissenschaftlichen, empirischen Verständnis der menschlichen Wahrnehmung zu gelangen.40 Spätestens seit Mitte des Jahres 1866, als er seinen Text über die Gesichtswahrnehmungen beendete, war Helmholtz sich des allgemeinen philosophischen Problems des Raumes bewusst. Er kommentierte Kants Auffassungen von Raum (und Zeit): So betrachtete er namentlich die geometrischen Axiome auch als ursprünglich in der Raumanschauung gegebene Sätze, eine Ansicht, über welche sich wohl noch streiten lässt. Seinem Vorgange schlossen sich Joh. Müller und die Reihe von Physiologen an, welche die nativistische Theorie der Raumanschauung auszubilden suchten. Joh. Müller selbst nahm an, dass die Netzhaut in ihrer räumlichen Ausdehnung sich selbst empfinde vermöge einer angeborenen Fähigkeit dazu, und dass die Empfindungen beider Netzhäute miteinander verschmölzen. Als derjenige, welcher in neuerer Zeit am eloquentesten diese Ansicht durchzuführen und den neueren Entdeckungen anzupassen gesucht hat, ist E. Hering zu nennen. Kurzum, Helmholtz stellte Kant und Müller mit Hering in das Lager der Nativisten.41 Doch während er Kant und Müller als geachtete und verehrte Vorgänger behandelte, sah er in Hering einen Gegner. Helmholtz ging also in den Jahren 1866/67 auf Distanz zu Kant (wie er es zuerst 1855 getan hatte und wie er es jetzt, wenn auch auf höfliche Art und Weise, auch mit Müller tat). Fast zwei Jahrzehnte später, im Jahr 1884, machte er seinen intellektuellen Standpunkt zu Kant noch deutlicher:
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Ich war im Beginne meiner Laufbahn ein gläubigerer Kantianer als ich jetzt bin; oder vielmehr, ich glaubte damals, dass das, was ich bei Kant geändert zu sehen wünschte, unerhebliche Nebenpunkte wären, welche neben dem, was ich noch jetzt als seine Hauptleistung hochschätze, nicht in Betracht kämen, bis ich später gefunden habe, dass sich die stricten Kantianer der jetzigen Periode hauptsächlich da festheften und da die höchste Entwicklung des Philosophen sehen, wo Kant meines Erachtens die ungenügenden Vorkenntnisse seiner Zeit und namentlich ihre metaphysischen Vorurtheile nicht ganz überwunden und das Ziel, welches er sich gesteckt hatte, nicht ganz erreicht hat.42 Direkter hat er Kant nie kritisiert – oder sich selbst als »Kantianer« bezeichnet. Helmholtz’ Theorie der menschlichen Wahrnehmungen im Allgemeinen bildete das lange Eröffnungskapitel des dritten Teils. Es folgten sechs streng wissenschaftliche Paragraphen, die – indem sie weitgehend auf empirischen Beobachtungen und Experimenten beruhten – implizit (wenn auch stillschweigend) Beweise für Helmholtz’ empiristische Theorie des Sehens lieferten (oder dies zumindest tun sollten). In diesen Abschnitten berichtete Helmholtz über weite Strecken von den Arbeiten anderer Forscher und unterzog deren Ergebnisse einer kritischen Analyse. Daneben lieferte er eine etwas ausgereiftere, verbesserte Version dessen, was er selbst bereits in Fachzeitschriften veröffentlicht hatte, insbesondere seiner Arbeiten zwischen 1862 und 1866 über den Horopter, die Augenbewegungen im Allgemeinen, die Raddrehung der Augen und das Stereoskop. Der erste dieser wissenschaftlichen Paragraphen (27) behandelte die Augenbewegungen, insbesondere den Drehpunkt des Auges, das Gesetz der Raddrehung, den Einfluss der Konvergenz, die Wirkungsweise der Augenmuskeln, willkürliche Augenbewegungen, die Bedeutung des Bewegungsgesetzes für die Orientierung, die geometrische Betrachtung der Drehungen, die Ableitung des Drehungsgesetzes aus dem Prinzip der einfachsten Orientierung, die Beobachtungsmethoden zur Bestimmung des Drehungsgesetzes und die Veranschaulichung der Muskelbewegungen mittels des Ophthalmotrops (eines Modells der Augenmuskeln). In Paragraph 28 befasste er sich mit dem monokularen Gesichtsfeld, hier mit der flächenhaften Anordnung der Objekte im Gesichtsfeld, dem Augenmaß im direkten und indirekten Sehen, den Täuschungen des Augenmaßes durch besondere Bilder, der Kompensation des blinden Flecks, der Berechnung der Parallaxe des indirekten Sehens und Beobachtungen an Blindgeborenen. Dann wandte er sich (in Paragraph 29) der Richtung des Sehens zu: dem Innervationsgefühl der Augenmuskeln, dem Zentrum der Sehrichtungen und der Lokalisation der subjektiven Erscheinungen. In Paragraph 30 analysierte er die Tiefenwahrnehmung, einschließlich der monokularen und binokularen Wahrnehmung, die unvollständige Beurteilung der Kon-
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vergenz und ihre Folgen, die geometrische Darstellung der stereoskopischen Projektion, Recklinghausens Netzhautfunktionen (Normalfläche) und verschiedene Formen des Stereoskops. Es folgte (in Paragraph 31) eine Analyse des binokularen Doppelsehens mit Ausführungen zu folgenden Themen: die Bestimmung der korrespondierenden Punkte beider Sehfelder, der Horopter, die Genauigkeit der Tiefenwahrnehmung, die Trennung und Verschmelzung der Doppelbilder und die geometrische Darstellung der korrespondierenden Punkte und des Horopters. Der letzte wissenschaftliche Paragraph (32) befasste sich mit dem Wettstreit der Sehfelder, also dem Wettstreit der Konturen und Farben, außerdem mit Glanz und Kontrast. Jedem dieser sechs Paragraphen fügte Helmholtz einen kurzen historischen Abriss des behandelten Themas an, ohne sich dabei auf philosophische Diskussionen einzulassen.43 Der letzte Abschnitt (33, »Kritik der Theorien«) rekapitulierte die Grundlagen seiner eigenen empiristischen Theorie und kritisierte die Theorie der Nativisten (hauptsächlich in Form der theoretischen Ansätze von Peter Panum und vor allem von Hering). Helmholtz ging es darum, die zuvor dargestellten Fakten vor dem Hintergrund der nativistischen und der empiristischen Wahrnehmungstheorie zu bewerten. Auch wenn er selbst sich mit Nachdruck gegen die erstere und für die letztere aussprach, räumte er ein, dass das vorhandene Wissen in Wahrheit nicht ausreiche, um die eine Theorie der anderen definitiv vorzuziehen. »Bei der Wahl zwischen den verschiedenen theoretischen Ansichten scheint mir unter diesen Umständen bisher mehr eine Neigung zu gewissen metaphysischen Betrachtungsweisen, als der Zwang der Thatsachen, ihren Einfluss auf die verschiedenen Forscher ausgeübt zu haben«, urteilte Helmholtz. Insbesondere werde die überragende Rolle psychologischer Faktoren sehr verschieden eingeschätzt. In diesem Zusammenhang gestand Helmholtz ein, dass man von einem naturwissenschaftlichen Verständnis psychischer Phänomene noch weit entfernt sei. Für sein Teil wollte er sich aber weder denjenigen anschließen, welche die Möglichkeit eines solchen Verständnisses völlig ausschlossen, wie es die »Spiritualisten« taten, noch denjenigen, die diese Möglichkeit für sicher gegeben hielten, wie die »Materialisten«. Denn als Naturforscher, der sich an die Fakten halte und nach deren Gesetzen suche, fehlten ihm die Entscheidungsgründe in dieser Frage. »Man muss nicht vergessen, dass der Materialismus ebenso gut eine metaphysische Speculation oder Hypothese ist, wie der Spiritualismus«, schrieb er. Beide verdienten keine Aufnahme in die Wissenschaft, wo über faktische Verhältnisse eben auch auf faktischer Grundlage entschieden werde.44 Je aufmerksamer er selbst allerdings die »Erscheinungen« des Sehens untersucht habe, desto deutlicher habe sich »die Einwirkung der psychischen Vorgänge« gezeigt. Wheatstone, Volkmann Heinrich Meyer, Albrecht Nagel, August Classen und Wundt (und später Donders und Fick) sah er auf dieser seiner »empiristischen«
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Seite stehen. An der gebührenden Anerkennung ihrer Arbeiten – und auch der Arbeiten von Helmholtz selbst – mangelte es freilich aufgrund »der Abneigung unseres Zeitalters gegen philosophische und psychologische Untersuchungen«.45 Um die von ihm herangezogenen Prinzipien zu erklären, wiederholte er die von Empiristen und Nativisten eingenommenen Standpunkte. Zunächst die Empiristen: »Der Hauptsatz der empiristischen Ansicht ist: Die Sinnesempfindungen sind für unser Bewusstsein Zeichen, deren Bedeutung verstehen zu lernen unserem Verstande überlassen ist. Was die durch den Gesichtssinn erhaltenen Zeichen betrifft, so sind sie verschieden nach Intensität und Qualität, das heisst nach Helligkeit und Farbe, und ausserdem muss noch eine Verschiedenheit derselben bestehen, welche abhängig ist von der Stelle der gereizten Netzhaut, ein sogenanntes Localzeichen. Die Localzeichen der Empfindungen des rechten Auges sind durchgängig von denen des linken verschieden.« Dann kamen die Nativisten: Kernpunkt ihrer Theorien sei, »dass sie die Localisation der Eindrücke im Gesichtsfelde von einer angeborenen Einrichtung ableiten, entweder so, dass die Seele eine directe Kenntniss der Ausdehnungen der Netzhaut haben soll, oder so, dass in Folge der Reizung bestimmter Nervenfasern gewisse Raumvorstellungen vermittels eines angeborenen, nicht weiter definirbaren Mechanismus entstehen«. Er stellte erneut fest, dass Müller diese Ansicht vertreten und insofern Kants Behauptung, »dass Raum und Zeit ursprünglich gegebene Formen unserer Anschauungen seien«, erweitert habe. Nach Kant und Müller rekurrierte er noch auf die Beiträge weiterer Nativisten unter den Physiologen, darunter Recklinghausen, Hering, Panum und der Physiker Kundt.46 Helmholtz entschuldigte Kant für seinen Nativismus aufgrund von dessen Konzentration auf das Apriori, und er entschuldigte Müller, weil zu seiner Zeit noch nichts über die Augenbewegungen bekannt gewesen war. Recklinghausen und Kundt sparte er von der direkten Kritik weitgehend aus und kritisierte Panum nur relativ milde. Hering hingegen ließ er nicht so leicht davonkommen, sondern stellte ihn gleichsam als den nativistischen Hauptschuldigen dar. Er zollte ihm Anerkennung für seine Erkenntnisse zur scheinbaren Sehrichtung der betrachteten Objekte, widmete die letzten zehn Seiten des Handbuchs aber dennoch der Kritik an Herings Ergebnissen und theoretischen Ansätzen. Er warf ihm sogar vor, sich der Polemik bedient zu haben und in ironischer Weise psychische Interpretationen des Wahrnehmungsprozesses bemüht zu haben. Helmholtz behauptete, ziemlich herablassend, er habe Hering (»einen klar und consequent denkenden Kopf«) nur deshalb herausgegriffen, weil er so repräsentativ für die nativistische Theorie sei. Dennoch konnte er sich folgende Fußnote ganz am Ende des Handbuchs nicht verkneifen: Ich wünsche, dass man diese Kritik, die ich im Interesse der Sache gegen Herrn E. Hering’s Ansichten zu richten gezwungen war, nicht als einen Ausdruck persönlicher Gereiztheit wegen der Angriffe ansehen möge, die er ge-
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gen meine letzten Arbeiten gerichtet hat. Ich glaube, dass der Standpunkt einer nativistischen Theorie des Sehens, auf den sich Herr Hering gestellt hat, einen consequent denkenden Kopf ziemlich nothwendig zu der Art von Hypothesen führen musste, welche seiner Theorie zu Grunde liegen; und ich habe die Angriffe speciell gegen seine Ansichten gerichtet, weil sie mir die klarste und consequenteste Durchführung der nativistischen Theorie zu enthalten schienen, die zur Zeit noch möglich ist. Die Einwürfe, welche Herr Hering gegen meine Arbeiten gemacht hat, habe ich im Laufe dieser letzten Abtheilung zu beantworten gesucht, so weit sie sachliches Interesse haben. Die, welche nur persönliches Interesse haben, habe ich vorgezogen unerwähnt zu lassen, ausser, wo ich anerkennen musste, dass Herr Hering Recht gehabt hat. Diese Attacke gegen Herings Theorie unterschied sich von Helmholtz’ abwertenden Bemerkungen über den schädlichen Einfluss Hegels, Schellings und Schopenhauers auf die deutsche Kultur und das deutsche Denken, und sogar von seiner anhaltenden Kritik an Goethe als Naturwissenschaftler. Dieser Angriff war emotional aufgeladen, auch wenn er scheinbar nur gegen Herings Theorie gerichtet war. Ursache hierfür war zum Teil wohl, dass Helmholtz nach der langwierigen Arbeit an seinem Buch einfach erschöpft war. (Diese Untersuchungen haben »mich einen guten Theil meines Lebens hindurch beschäftigt«.) Vielleicht war es zum Teil auch ein Gefühl von Majestätsbeleidigung. Helmholtz könnte freilich auch einfach erkannt haben, dass die intellektuellen Differenzen zwischen ihm und Hering bezüglich der Wahrnehmungstheorie letztlich doch nicht so groß waren, wie er sie dargestellt hatte; schließlich hatte er zu Beginn des dritten Teils erklärt, dass es in der physiologischen Optik derzeit vor allem darauf ankomme, eine intellektuelle Ordnung in das Thema zu bringen. Die Kontroverse, die er zwischen sich und Hering entfachte, war zu einem erheblichen Teil strategische Rhetorik.47 In jedem Fall gehören diese letzten Seiten des Handbuchs mit ihrem Angriff auf Hering nicht zu Helmholtz’ Sternstunden.
Reaktionen Die Veröffentlichung des gesamten Handbuchs war nicht nur für die Physiologie, sondern auch für die Ophthalmologie, Psychologie und Philosophie (Erkenntnistheorie) ein wegweisendes Ereignis. Alle Physiologen, Ophthalmologen und Psychologen lasen es, und viele Philosophen waren mit den einschlägigen Abschnitten vertraut. Der Ophthalmologe und Philosoph August Classen schrieb Helmholtz von der Wirkung, die das Buch auf ihn hatte. Seit dessen Lektüre »befinde ich mich in einer Art von Begeisterung, die ich Ihnen aussprechen muß. Die Fülle des Ma-
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terials und die durchsichtige Klarheit der Darstellung versetzen den Leser in eine Art Paradies.« Vielleicht werde solche Begeisterung, die vor allem aus seiner »tiefen Verehrung« für Helmholtz’ »wissenschaftliche Größe« herrühre, Helmholtz überraschen, da sie in der Vergangenheit einige Differenzen bezüglich der Theorie des Sehens gehabt hätten; doch war er letztlich der Meinung, dass Helmholtz seine (Classens) Ansichten fair behandelt hatte.48 Wundt erklärte in seiner Rezension des dritten Teils: »Es würde unmöglich sein, hier auch nur eine dürftige Uebersicht des reichen Inhalts, den dieses ausgezeichnete Werk in seinen drei grossen Abschnitten […] darbietet, zu geben.« Stattdessen hob er »die längst anerkannte Bedeutung« des Buches hervor und beschränkte sich auf einige kritische Bemerkungen über Helmholtz’ empiristische Theorie. Er behauptete, er selbst habe bereits in den Jahren 1858/59 die Bedeutung unbewusster Schlüsse in der Wahrnehmung erkannt, und widersprach Helmholtz’ Auffassung von dem Vorgang, durch den unbewusste Schlüsse entstünden. Alles in allem war seine Besprechung jedoch sehr schmeichelhaft und respektvoll. Die gute Arbeitsbeziehung zwischen Helmholtz und Wundt überstand Wundts Anspruch, die Theorie von den »unbewussten Schlüssen« als Erster aufgestellt zu haben. (Bereits im Jahr 1863 hatte Brücke Helmholtz gewarnt, dass Wundt »mit großer Freiheit Deine Ideen benutzt habe«.)49 Als drittes und letztes Beispiel aus dem deutschen Raum sei Friedrich Ueberweg, Professor für Philosophie in Königsberg, genannt, der einen ellenlangen Brief an Helmholtz verfasste: Er habe das Handbuch aufmerksam gelesen und sei der Meinung, dass weder Herings nativistische noch Helmholtz’ empiristische Sicht der Tiefenwahrnehmung richtig sei; überhaupt mochte er die Einteilung der beiden Theorien in schwarz und weiß nicht. Er erhob Einwände gegen die empiristische Theorie und entwickelte seine eigene Raumtheorie auf der Basis von Müllers Ansichten. Wie Helmholtz behauptete er, weder Materialist noch Spiritualist (und damit Idealist) zu sein, vielmehr gehe er auf die Weise vor, »die ein jeder Naturforscher als solcher übt«. Er schloss seinen Brief mit den Worten: »Sie wissen, wie sehr ich Ihre grossen Leistungen achte.«50 Das Handbuch wurde zur Pflichtlektüre für alle, die sich mit physiologischer Optik befassten oder das auch nur anstrebten. Der junge Freud bat seinen Freund Eduard Silberstein in Berlin, für ihn ein günstiges Exemplar aus zweiter Hand zu erstehen. Freud war bereits dabei, das Buch zu studieren, hielt es aber für schweren Stoff. Doch nicht alle Wissenschaftler oder Philosophen waren von dem Buch oder, genauer gesagt, von Helmholtz’ darin geäußerten philosophischen Ansichten angetan. In den frühen 1870er-Jahren las es auch Nietzsche in dem Bestreben, Helmholtz’ Wahrnehmungstheorie zu verstehen. Mit der Theorie selbst war er nicht einverstanden, aber er verwendete sie – beziehungsweise, allgemeiner gesprochen, Helmholtz’ Erkenntnistheorie – dennoch, um seine eigenen ähnlich gelagerten Ideen über die Lo-
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gik der Träume, die hypothetische Natur der Wahrheit und ganz allgemein seine eher unhelmholtzianischen Ansichten über die Erkenntnistheorie zu entwickeln.51 Im Sommer 1867 erschien das Handbuch in französischer Sprache (unter dem Titel Optique physiologique) mit einem Umfang von etwas mehr als 1000 Seiten. Helmholtz nutzte diese Ausgabe, um den gesamten Band mit den neuesten Fakten zur physiologischen Optik zu aktualisieren, die bibliographischen Hinweise zu aktualisieren sowie Berechnungsfehler in der deutschen Originalfassung zu korrigieren. Als das Buch erschien, gab er Javal, einem seiner Übersetzer, Anweisung, dass druckfrische Exemplare an Chevreul, Soret, Regnault, Becquerel, Bernard, den Physiker Léon Foucault und andere geschickt werden sollten.52 So zeigte er, wen er als Freund betrachtete oder auch einfach nur für wichtig genug hielt, um ein Exemplar zu bekommen. Nachdem die Optique physiologique erschienen war, erwog Helmholtz, am Internationalen Kongress für Ophthalmologie und an der Weltausstellung teilzunehmen, die beide in jenem August in Paris stattfanden. Sein erster Besuch in Paris im Jahr 1866 war ein voller Erfolg gewesen, und jetzt wurden seine Werke ins Französische übersetzt. Seine Anwesenheit in der Stadt der Lichter würde zweifellos das Interesse an der Optique physiologique verstärken. Wie früher schon drängte Anna ihn auch diesmal zur Reise, obwohl sie wusste, dass sie ihn vermissen würde: »Du kommst nachher mit mehr Gemütsruhe zu mir und wir haben dann eine sehr klare Einsicht über die freie Verfügung unserer Zeit.« Sie ermunterte ihn, er solle bei seiner Entscheidung keine Rücksicht auf sie nehmen. Doch wusste sie auch, dass eine solche Reise anstrengend sein würde und dass er bereits im vergangenen Semester viel Stress gehabt hatte.53 Er beschloss zu fahren, fand die Stadt aber »höllisch« heiß und überlaufen. Er bedauerte, dass Anna nicht mitgekommen war – auch deshalb, weil die Weltausstellung sich als überaus anregend und amüsant erwies. Sie sei »wie ich nicht leicht etwas gesehen habe«, schrieb er. »Es ist wirklich ungeheuer prächtig, geschmackvoll und dabei auch wieder so reich an Belehrung, daß man sich das Amusement mit bestem Gewissen gefallen lassen und sich daran vollkommen erfreuen kann. Man braucht aber viel Zeit, denn man kann an einem Tage hinter einander nicht allzu viel sehen, selbst wenn man dazwischen Pausen mit tunesischem Cafe oder Dreherschem Biere oder Neuchateler Chokoladen-Eis macht.« Er erholte sich. Er besuchte zuerst die Ausstellung und verbrachte die nächsten drei Tage auf dem Kongress. Als seine Anwesenheit bekannt gemacht wurde, reagierten die Anwesenden – die Creme der Ophtalmologie – mit Standing Ovations: »Ich wurde feierlich mit Akklamation von der Gesellschaft empfangen.« Hierauf zwang man ihn, einen improvisierten Vortrag auf Französisch zu halten, »denn zum Präparieren war keine Zeit«. Am zweiten Tag hielt er einen Vortrag über das binokulare Sehen. Beim Bankett der Ophthalmologischen Gesellschaft brachte Graefe, der Präsident
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der Gesellschaft, den ersten Toast aus: »Auf die drei Gelehrten, die in den letzten zehn Jahren am meisten zum Fortschritt der wissenschaftlichen Augenheilkunde beigetragen haben: die Herren Helmholtz, Donders und Bowman.« Da Donders und Bowman nicht anwesend waren, konnte nur Helmholtz erwidern, und er tat dies mit diplomatischer Höflichkeit (und Bescheidenheit): »Auf den Gelehrten, […] der mehr als jeder andere dazu beigetragen hat, der Augenheilkunde die herausragende Stellung zu verschaffen, die sie innerhalb der Naturwissenschaften innehat: Herrn von Graefe.« Ein zweiter Toast auf Helmholtz sollte an das berühmte Loblied Alexander Popes auf Newton erinnern: Die Augenheilkunde lag in Düsternis; Gott sprach: Helmholtz werde geboren! Und es ward Licht. Helmholtz fühlte, wie er langsam sein Schamgefühl verlor; er schrieb Anna, dass er es kaum erwarten konnte, zu ihr zurückzukehren. Mehrere Pariser Wissenschaftler hofften, ihn vor seiner Abreise noch zu sehen. Der Mediziner, Hirnanatom und Anthropologe Paul Broca schickte ihm das Programm des anthropologischen Kongresses, der drei Tage nach Abschluss des augenärztlichen Kongresses beginnen sollte; Broca hoffte, Helmholtz werde daran teilnehmen. Wahrscheinlich tat er es nicht, aber als er gegen Ende des Monats zu seiner Familie stieß, die am Tegernsee Urlaub machte, fand Anna ihn »recht elend und angegriffen und es ist auch kein Wunder nach solch einer Strapatze«. Sie war aber hoffnungsvoll: »Der kühle See, die gute Luft auf den Bergen, nebst dem Nichtstun werden ihn bald wieder herstellen.«54 Helmholtz erste beiden Besuche in Paris (1866 und 1867) veränderten seine Einstellung zur französischen Wissenschaft und Kultur. Neben dem Handbuch wurden zwischen 1867 und 1873 vier seiner populären Vorträge ins Französische übersetzt. Sein Name erreichte nun auch den nichtwissenschaftlichen, aber kultivierten Teil der französischen Öffentlichkeit. Im Jahr 1868 weilte der russische Schriftsteller Iwan Turgenjew in Paris und besuchte auch den exklusiven Salon von Madame Mohl. Dort lernte er »den berühmten Augenspezialisten« Richard Liebreich kennen, der in Paris lebte. »Er sprach voll Bewunderung von Helmholtz, seinem Meister«, berichtete Turgenjew. Im selben Jahr war Etienne-Jules Marey sehr um Helmholtz’ Unterstützung für seine Bewerbung auf einen Lehrstuhl am Collège de France bemüht. Marey war Mediziner, Physiologe und vor allem ein wegweisender Chronophotograph, der auf den Arbeiten von Ludwig, Helmholtz, Vierordt, Bernard und anderen aufbaute. Für seine Forschung verwendete, verbesserte oder erfand er graphische Aufzeichnungsinstrumente und -techniken, die neuartige und geradezu dramatische Bilder von physiologischen und anderen Phänomenen lieferten.55 Im Jahr 1870 wurde er auf den Lehrstuhl für Medizin am Collège berufen.
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Im Jahr zuvor hatte Auguste Laugel L’optique et les arts veröffentlicht, das als Fortsetzung seines Werkes La voix, l’oreille, et la musique (1867) gedacht war. Im älteren Buch wurde musikalische Harmonie anhand der physiologischen Akustik erklärt, in seinem neuen Werk suchte Laugel durch die wissenschaftliche Analyse des Sehens einen Zugang zur Kunst zu gewinnen. Laugel wollte die optischen Gesetze als Grundlage der Ästhetik nutzen. Er schrieb: »In der Optik wie in der Akustik gibt es keinen besseren Führer als Herrn Helmholtz. Seine Optique physiologique gehört zu den schönsten Denkmälern der modernen Wissenschaft.« Außerdem veröffentlichte Laugel noch einen Artikel über Helmholtz’ physiologische Optik für die viel gelesene Revue des Deux Mondes, den Javal allerdings »verabscheuungswürdig« fand. Er drängte Helmholtz, darauf zu reagieren. »Ich treffe einige Leute, die über die Entdeckungen der Herren Laugel und Helmholtz sprechen. Das geht wirklich zu weit!«56 Hippolyte Taine berief sich in seiner eigenen, viel beachteten Studie De l’intelligence (1870) auf Helmholtz’ Optique physiologique. Dessen Arbeit fand unter anderem Eingang in Taines Behandlung der Themen Gesichtsempfindung und Netzhautanregung. Taine stützte sich auf Experimente von Helmholtz (und anderen), die das Verstreichen einer endlichen Zeitspanne zwischen dem physischen Erleben einer Empfindung und ihrer geistigen Wahrnehmung zeigen. Er übernahm sogar die erkenntnistheoretische Perspektive von Helmholtz: »All diese Details führen zum selben Schluss: Unsere reinen visuellen Empfindungen sind nichts als Zeichen. Allein die Erfahrung lehrt uns die Bedeutung; mit anderen Worten, allein die Erfahrung verbindet mit jedem [Zeichen] das Bild des entsprechenden taktilen und muskulären Erlebnisses.« Unter Berufung auf die Optique physiologique schrieb er weiter: »Heute haben Physiologen und Physiker durch eine Vielzahl von Tests und Gegenproben alle Einzelschritte dieser Verbindung bestimmt.« Schließlich zitierte er Helmholtz zum menschlichen Gesichtssinn sowie zur Energieerhaltung. Er verglich ihn in der Frage der »explikativen Vernunft« sogar recht vorteilhaft mit Bernard und erklärte, Bernard gebe gekünstelte axiomatische Erklärungen ab, während Helmholtz Fakten über den menschlichen Gesichtssinn und seine Beteiligung am Vorgang des Verstehens vorlege. Das Sichtbare und das intellektuell Vorstellbare (oder Erklärbare) waren für Taine voneinander abhängig.57 Helmholtz hatte nun auch in Frankreich Adepten. Im Gegensatz zur sofortigen französischen Übersetzung ließ eine englische Übersetzung des Handbuchs bis 1924/25 auf sich warten. Dennoch wurde Helmholtz’ Buch im englischsprachigen Raum begeistert gelesen, nur eben in deutscher oder französischer Sprache. Maxwell bewunderte Helmholtz’ Arbeit über Augenbewegungen sehr und studierte (zumindest) diese Teile des Handbuchs. George Henry Lewes war in den 1870er-Jahren ein begeisterter Leser des Handbuchs; bereits 1857 hatte er begonnen, Helmholtz’ Texte über Farbe und Optik im Allgemeinen und über Erkenntnistheorie zu rezipieren; später las er ihn zur Vorbereitung auf
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sein fünfbändiges Werk Problems of Life and Mind (1874 – 1879) erneut. Auch Darwin kannte zumindest Teile des Handbuchs, denn er schrieb in der sechsten Auflage von On the Origin of Species (1876): Natürliche Selektion bewirkt keine gänzliche Vollkommenheit, auch begegnet uns, soweit sich das beurteilen lässt, dieser hohe Maßstab in der Natur nicht immer. […] Helmholtz, dessen Urteil niemand anzweifeln wird, beschreibt voller Nachdruck die wunderbaren Leistungen des menschlichen Auges, nur um die bemerkenswerten Worte anzufügen: »Was wir in dem optischen Apparate und im Netzhautbilde an Ungenauigkeiten und Unvollkommenheiten gefunden haben, erscheint als durchaus unerheblich neben den Inkongruenzen, denen wir hier im Gebiete der Empfindungen begegnen. Fast könnte man glauben, die Natur habe sich hier absichtlich in den kühnsten Widersprüchen gefallen; sie habe mit Entschiedenheit jeden Traum von einer prästabilierten Harmonie der äußeren und inneren Welt zerstören wollen.« Wenn unser Verstand uns voller Begeisterung eine Vielzahl unnachahmlicher Einrichtungen in der Natur bewundern lässt, so sagt uns derselbe Verstand, auch wenn wir uns auf beiden Seiten leicht irren können, dass andere Einrichtungen unvollkommen sind. In ähnlicher Weise schrieb Darwin, jetzt Helmholtz’ Populäre wissenschaftliche Vorträge (1873) zitierend, in der zweiten Ausgabe von Descent of Man (1877), wie unwahrscheinlich »absolute Vollkommenheit« im Sehen sei, trotz »jenem wunderbaren Organe, dem menschlichen Auge«. Er fuhr fort: »Wir wissen ja, was Helmholtz, die höchste Autorität in Europa, über diesen Gegenstand, über das menschliche Auge gesagt hat, nämlich, dass er, wenn ihm ein Optiker ein so nachlässig gearbeitetes Instrument verkaufte, sich vollständig berechtigt halten würde, es ihm zurückzugeben.«58 Nicht nur britische Wissenschaftler, sondern auch die Begründer des amerikanischen Pragmatismus lasen das Handbuch und viele andere Helmholtz-Schriften. Der Pragmatismus, dieser Inbegriff amerikanischer Philosophie, wurde in den frühen 1870er-Jahren von Mitgliedern des Metaphysical Club geprägt. Chauncey Wright, Charles Sanders Peirce und William James sind drei der bekanntesten Pragmatiker, die die Schriften von Helmholtz lasen und von ihm beeinflusst waren. Der Psychologe Wright, der außerdem Professor für Philosophie in Harvard war, las Helmholtz’ Texte über die Physiologie der Farbwahrnehmung und über die optische Struktur des Auges, und das verhalf ihm zu einem besseren Verständnis von »Gewohnheit und Disziplin, deren Wert für das Leben im Allgemeinen offensichtlich in der Anwendung eines klaren Blickes liegt«. Der Mathematiker, Naturwissenschaftler und Philosoph Peirce zitierte beifällig aus dem Handbuch. Helmholtz’ em-
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piristische Theorie des Sehens war eine Quelle seines Pragmatismus (obwohl ihm gewisse Zweifel an der empiristischen Theorie blieben). Er stützte sich bei seiner eigenen Untersuchung über die Bedeutung von Zeichen und Empfindungen als Ursprung unserer Ideen auf das Handbuch.59 William James las zumindest einige der Populären wissenschaftlichen Vorträge von Helmholtz und interessierte sich sehr für dessen Energieerhaltungssatz und den Weg, auf dem er dorthin gekommen war. Über Helmholtz’ Arbeiten auf dem Gebiet der physiologischen Optik schrieb er bereits im Jahr 1874: »Bei der Erforschung der Sinne und ihrer Wahrnehmungen haben deutsche Forscher, unter denen wir Wundt […] und den unsterblichen Helmholtz mit seiner Optik erwähnen dürfen, viel geleistet.« Zwei Jahre später wiederholte er: »Die Experimente und Schlussfolgerungen, die Helmholtz’ Arbeiten zur Optik unsterblich machen werden, […] sind noch kaum zur ›lesenden Öffentlichkeit‹ durchgedrungen.« Aber im Jahr 1879 dachte er, »Helmholtz’ Abhandlung über Wahrnehmung« enthalte »eher unbestimmte und orakelhafte Aussagen über die Rolle des Intellekts darin, [die] vorübergehend dazu beigetragen haben, die psychologische Forschung zu verschleppen«. Im Jahr 1881 scheint er seine Meinung nochmals geändert zu haben, denn da kommentierte er: »In Helmholtz’ großem Werk über die physiologische Optik weiß man gar nicht, was am meisten zu bewundern ist, die mathematische Profundität, der mechanische Erfindungsreichtum, die experimentelle Originalität, die subtile psychologische Beobachtung oder die Gelehrsamkeit.« Sechs Jahre später jedoch äußerte er öffentlich erste Differenzen mit Helmholtz, als er in einer Rezension eines kurz zuvor erschienenen amerikanischen Lehrbuchs über physiologische Psychologie auch Helmholtz’ Äußerungen zur Raumwahrnehmung streifte: »Er [der Autor] gibt gar nicht vor, ein origineller Experimentator zu sein, und da ist es nur natürlich, dass er für die Tatsachen der Wundts und der Helmholtzes empfänglich ist und sie respektiert. Aber ein bisschen mehr Ungläubigkeit bezüglich jener Meinungen hätte seinen Seiten den Geist und Charakter verliehen, der ihnen fehlt.« Im Jahr 1890, als er über Helmholtz’ Arbeiten zur Raumwahrnehmung in seinem eigenen wegweisenden Band The Principles of Psychology (1890) schrieb, wurden James’ Differenzen mit Helmholtz endgültig offenbar. Er erklärte: Und was soll man nun über Helmholtz sagen? Kann ich an einem Buch [dem Handbuch] etwas auszusetzen haben, das ich im Großen und Ganzen als eines der vier oder fünf größten Denkmäler des menschlichen Genies in der Wissenschaft sehe? Der Wahrheit zuliebe will ich es gerne wagen und das Risiko eingehen. Helmholtz’ Genie scheint mir am stabilsten vorzugehen, wenn es sich strikt an bestimmte Fakten hält. Am schwächsten zeigt es sich jedenfalls in rein spekulativen Passagen, die mir in der Optik trotz vieler Schönheiten grundsätzlich schwankend und undurchsichtig erscheinen.
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Die »empiristische« Sicht, die Helmholtz verteidigt, besagt, dass die von uns wahrgenommenen Orientierungen im Raum in jedem Fall Produkte unbewusster Schlüsse sind. James stellte diesen Standpunkt Helmholtz’ infrage und behauptete, Helmholtz habe gar keine Theorie der Raumwahrnehmung, obwohl er »die Welt glauben macht, dass er eine hätte«. Er fuhr fort: Das Thema ist so schwierig, und die Schlagworte wirken so magisch auf das populärwissenschaftliche Ohr, dass höchstwahrscheinlich viele Anhänger seiner empiristischen Evolution in seinen Lehren nichts Lobenswertes gefunden hätten, wenn er (die von Hering vorgeschlagenen Synonyme verwendend) »physiologisch« statt »nativistisch« und »spiritualistisch« statt »empiristisch« verwendet hätte. Aber da er das andere schrieb, bejubeln sie ihn als eine Art zweiten Locke, der dem alten Schreckgespenst der »angeborenen Anschauungen« einen weiteren Todesstoß versetzt. Seinen »nativistischen« Widersacher Hering sehen sie wohl – Gott bewahre! – als Scholastiker in modernem Gewand. James’ Skepsis gegenüber Helmholtz’ Theorie des Sehens hat den Einfluss des Handbuchs während (mindestens) der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in keiner Weise geschmälert. Der Leiter der experimentellen Psychologie in Harvard zwischen 1920 und 1950, Edwin G. Boring, erklärte im Jahr 1950, das Handbuch sei immer noch »ein Evangelium auf diesem Gebiet«, und das Handbuch und die Tonempfindungen seien »heute noch Standardwerke für die experimentelle Psychologie des Sehens und Hörens«.60
Die Theorie des Sehens macht Popularisierungsfortschritte Herausgeber neuer Zeitschriften und neue Herausgeber bestehender Zeitschriften, die eine Erneuerung anstreben, wenden sich häufig an bekannte und verkaufsfördernde Autoren, um sich selbst (wieder) attraktiv zu machen. Auch Helmholtz bekam derlei Anfragen, nachdem er das Handbuch fertiggestellt hatte. Auf diese Weise erhielt er in den Jahren 1867/68 dreimal die Gelegenheit, seinen Ruf in der physiologischen Optik zu festigen, Philosophen direkt anzusprechen oder seine Erkenntnisse (oder die anderer) zur Theorie des Sehens populärer zu machen. Im Jahr 1868 gründete Eduard Pflüger, Professor für Physiologie in Bonn, das Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere, und er bat Helmholtz um einen Aufsatz für die erste Ausgabe der Zeitschrift. Wie er Helmholtz mitteilte, war es ihm um die Qualität der Manuskripte zu tun, weshalb er die Zusammen-
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arbeit mit ihm suchte. Helmholtz reagierte sofort und positiv auf Pflügers Bitte und bot ihm einen Beitrag für die neue Zeitschrift an. Um seiner Zeitschrift einen guten Start zu verschaffen, war Pflüger sogar bereit, den Erscheinungstermin der ersten Ausgabe zu verschieben, bis Helmholtz seinen Beitrag fertig hätte. Aber das war nicht nötig: Helmholtz’ Abhandlung »Die Mechanik der Gehörknöchelchen und des Trommelfells«, die zunächst in gekürzter Form (ohne den Teil über das Trommelfell) in den Verhandlungen des Heidelberger Vereins im August 1867 veröffentlicht worden war, erschien nun an prominenter Stelle in der ersten Ausgabe von Pflügers Archiv im Jahre 1869.61 Auch Brücke, Donders und Ludwig trugen zu dieser ersten Ausgabe bei; ihre Namen erschienen neben Helmholtz auf der Titelseite der Zeitschrift, und das Archiv wurde zur vielleicht führenden Zeitschrift für Physiologie in Deutschland. Eine weitere Einladung kam von dem Philosophen und Mathematiker Julius Bergmann, der im Jahr 1868 neuer Herausgeber der ein Jahr alten Philosophischen Monatshefte wurde. Bergmann wollte die Bandbreite der Zeitschrift erweitern, indem er Aufsätze über die Bedeutung naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse für die Philosophie einwarb. Er bat Helmholtz um einen Aufsatz, und der schickte ihm einen Text mit dem Titel »Ueber die Entwicklungsgeschichte der neueren Naturwissenschaft«, der kurze Zeit später in der Zeitschrift erschien.62 Im Jahr 1867 bat Heinrich von Treitschke Helmholtz um seine Mitwirkung an den Preußischen Jahrbüchern, deren Herausgeber er vor Kurzem geworden war. Treitschke war in jenem Jahr als Professor für Geschichte nach Heidelberg gekommen. Er war ein bekannter Chauvinist und Propagandist, und die badische Regierung hatte ihn gegen den Wunsch der Fakultät nach Heidelberg geholt. Sie wählte ihn als Nachfolger des liberalen Ludwig Häusser aus, weil bekannt war, dass Treitschke die nationale Einheit propagierte und zum ideologischen Schulterschluss der südwestdeutschen Staaten mit Preußen beitragen würde. Die Treitschkes und die Helmholtzens lernten sich kennen und verkehrten schon bald nach der Ankunft Treitschkes in Heidelberg gesellschaftlich miteinander. Die Treitschkes waren gern gesehene Gäste im Hause Helmholtz; Hermann Helmholtz wurde einer der wenigen Freunde Treitschkes in Heidelberg und der einzige Naturwissenschaftler, mit dem er sich überhaupt anfreundete. Treitschke empfand großen Respekt für Helmholtz und zog ihn bei wissenschaftlichen Fragen zurate.63 Treitschke übernahm die Herausgeberschaft im Jahr 1866 – in einer Zeit erhöhter politischer Spannungen zwischen den deutschen Staaten und vor allem zwischen Preußen und Österreich. Er wollte die Preußischen Jahrbücher neu beleben und zu einem Äquivalent der ehrwürdigen französischen Revue des Deux Mondes machen, die im Jahr 1829 erstmals erschienen war. Die Revue diente als allgemeines intellektuelles Besprechungsorgan und veröffentlichte führende Autoren wie Stendhal, Heine, Balzac, Hugo, Mérimée, Sand und Renan. »Wir werden nie zu einer revue
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des deux mondes«, schrieb Treitschke an Wilhelm Wehrenpfenning, der kurz darauf sein Mitherausgeber werden sollte, »wenn wir nicht auch über die Naturwissenschaften manchmal etwas sagen, dann aber nur aus classischer Feder. Nun war mir das Glück hold. Helmholtz, eine der ersten, wo nicht gar die allererste Autorität in der Physiologie, dabei eine leichte gewandte Feder, hat mir für Ende Dezember den ersten von 3 […] langen Aufsätzen versprochen, worin er die Resultate seiner Untersuchungen über den Gesichtssinn zusammenfassen will. Das gäbe also etwas wirklich Bedeutendes für Februar, März und April.« Treitschke bezeichnete Helmholtz und (ihren Heidelberger Kollegen) Bunsen als »gute Patrioten«. Er erhielt Helmholtz’ dreiteiligen Aufsatz Anfang des Jahres 1868 und hielt ihn für so wichtig, dass er bereit war, die Veröffentlichung eines anderen Aufsatzes zu verschieben und stattdessen Helmholtz’ Text in der Februar-Ausgabe zu veröffentlichen. Georg Reimer, der Verleger der Jahrbücher, bat Helmholtz um die Verwertungsrechte. »Ich bin Ihnen sehr dankbar«, schrieb Treitschke an Helmholtz, »und sehe mit Freude der Fortsetzung entgegen; das war es gerade, was den Jahrbüchern bisher fehlte.«64 Helmholtz’ Aufsatz »Die neueren Fortschritte in der Theorie des Sehens« machte seine diesbezüglichen Erkenntnisse und Ansichten einem größeren gebildeten Lesepublikum bekannt. Der Aufsatz war eine überarbeitete Fassung einer Reihe von Vorträgen, die er zuvor in Frankfurt am Main und Heidelberg gehalten hatte, und gleichzeitig eine Zusammenfassung des Handbuchs für Nicht-Wissenschaftler. Im Jahr 1871 wurde der Aufsatz, mit geringfügigen Änderungen, im zweiten Heft seiner Populären wissenschaftlichen Vorträge erneut veröffentlicht; mit geringfügigen Änderungen erschien er auch auf Französisch (1869) und Englisch (1873). In dem Text präsentierte Helmholtz seine Ansichten über »die allgemein interessanten Resultate der Optik« und versuchte auch, »einige Missverständnisse betreffs der vielbestrittenen unbewussten Schlüsse zu beseitigen«. Er schrieb du Bois-Reymond, leider habe er nicht vermeiden können, auf einige philosophische Fragen einzugehen: »Die Philosophie ist übrigens ein heilloses Wespennest, an dem man gar nicht rühren sollte.«65 Die Struktur seines dreiteiligen Aufsatzes entsprach im Wesentlichen der des Handbuchs. Im ersten Teil beschrieb er den optischen Apparat des Auges, im zweiten Teil seine Physiologie (die Gesichtsempfindungen) und im dritten die beteiligten psychischen Vorgänge (die Gesichtswahrnehmungen). Der Aufsatz insgesamt war gleichzeitig eine populäre Version seiner Argumentation für die empiristische Wahrnehmungstheorie. Wie er seinen Lesern erklärte, seien nämlich all die Hypothesen, mit denen die nativistische Theorie arbeite, völlig »unnöthig«. Es seien bisher noch keine Tatsachen bekannt, die unvereinbar mit der empiristischen Theorie wären, die nichts voraussetze als die »ihren wesentlichen Gesetzen nach wohl bekannten Associationen der Anschauungen und Vorstellungen«. Allerdings räumte
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er ein: »Es ist wahr, dass eine vollständige Erklärung der psychischen Thätigkeiten noch nicht, und wahrscheinlich auch nicht so bald in der Zukunft zu geben ist.« Da solche Tätigkeiten aber nun einmal faktisch vorlägen und auch die nativistischen Theorien ihre Wirksamkeit nicht völlig leugnen könnten, brauche auch der Naturforscher »die Geheimnisse des Seelenlebens« nicht als Mängel an der Theorie des Sehens zu betrachten.66 Den ersten, physikalischen Teil der Untersuchung sah Helmholtz als »wesentliche Basis« für die außerordentliche Entwicklung, welche die Augenheilkunde in den letzten 20 Jahren genommen hatte. Diese Entwicklung erspare nicht nur viel menschliches Leid, sondern sei auch dem Naturforscher in ihrem wissenschaftlichen Charakter ein Grund zu stolzer Freude. Helmholtz pries den Fortschritt – ein Begriff, der ja auch schon im Titel seines Aufsatzes enthalten ist –, der durch streng folgerichtiges, wissenschaftliches Vorgehen auf dem Gebiet der Augenheilkunde erzielt worden sei, und lobte die dadurch ermöglichten praktischen Heilerfolge. Stellvertretend für die herausragenden Köpfe, die diese rasante Entwicklung befördert hatten, nannte er Graefe, Donders und Bowman. Er zitierte aus Schillers Gedicht »Archimedes und der Schüler« (1795) das Wort des Weisen über die Wissenschaft, wonach die Kunst der Wissenschaft göttlich gewesen sei, bevor sie um ihrer Frucht willen betrieben wurde: »Wer um die Göttin freit, suche in ihr nicht das Weib.« Dennoch konnte in Helmholtz’ Augen die reine, um ihrer selbst willen betriebene Wissenschaft, und sei sie noch so theoretischer Natur, am Ende außerordentlich praktische Konsequenzen für das tägliche Leben der Menschen haben.67 Kurz nach Erscheinen des dritten und letzten Teils seines Aufsatzes schickte Helmholtz den kompletten Text an du Bois-Reymond, der ihn »mit großem Genuss« während der Zugfahrt zu Ludwig nach Leipzig und zurück las. Zum Thema Nativismus versus Empirismus kommentierte er: »Übrigens haben wir über diesen Gegenstand schon vor 20 Jahren verhandelt, als ich behauptete, das Gefühl für die Schönheit sei uns eingeboren, und Du meintest, wir nenneten schön nur das zweckmäßige, die weibliche Brust z. B. nur, weil wir ihr ansähen, daß sie gut zum Säugen sei. Ich muß gestehen, daß in diesem Punkte mein Kausalitätsbedürfnis einer größeren Resignation fähig ist als das Deinige.« In ähnlicher Weise schrieb Donders an Helmholtz, er stimme praktisch mit allem in dem Aufsatz überein, »nur nicht in Ihrer exclusiv empiristischen Theorie«. In seiner Antwort räumte Helmholtz ein, seine empiristische Theorie sei gegenwärtig »nur eine der möglichen Ansichten der Sache«; wenn die »Thatsachen« eines Tages seine Theorie entkräften würden, dann würde er sie aufgeben, in welchem Fall sie zumindest heuristisch von Nutzen gewesen wäre. Aber zumindest für den Augenblick hielt er diese Möglichkeit nicht für sehr wahrscheinlich.68 Mitte des Jahres 1867, nach der Veröffentlichung des Handbuchs und seiner französischen Übersetzung, bereitete sich Helmholtz darauf vor, die Physiologie als
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Hauptforschungsgebiet hinter sich zu lassen. Er schrieb Ludwig, er habe »absichtlich« eine Pause von der Arbeit in physiologischer Optik und Psychologie eingelegt und fühle sich durch physiologische Überlegungen angeregt, seine »elektrischen Studien« wieder aufzunehmen. Er hatte kürzlich außerdem zwei Beiträge über die faktischen Grundlagen der Geometrie veröffentlicht (1868) und hatte einstweilen genug von der Theorie. Er fuhr fort: Ich fand, dass das viele Philosophiren zuletzt eine gewisse Demoralisation herbeiführt und die Gedanken lax und vage macht, ich will sie erst wieder eine Weile durch das Experiment und durch Mathematik discipliniren und dann wohl später wieder an die Theorie der Wahrnehmung gehen. Es ist auch gut, inzwischen zu hören, was die Anderen dazu sagen, was sie einzuwenden haben, was sie missverstehen u. s. w., und ob sie sich überhaupt für diese Fragen [der empiristischen Theorie u. s. w.] schon interessiren. Bisher ist mein Anhang in diesen Sachen noch klein, aber es gehören gute Leute dazu. Spätestens im Oktober 1877 war das Handbuch vergriffen, und Helmholtz begann über eine zweite Auflage nachzudenken. Ihm war klar, dass dies viel Zeit in Anspruch nehmen würde; tatsächlich erschien diese zweite Auflage nur dank der Hilfe von Arthur König, der im Jahr 1882 Helmholtz’ Assistent wurde, in mehreren Fortsetzungen zwischen 1885 und 1896. Im Jahr 1877 beschäftigte sich Helmholtz überdies wieder sehr mit seiner empiristischen Theorie, denn er bereitete den philosophischsten Vortrag seiner Karriere vor. Herings Erkenntnisse hielt Helmholtz für »willkürlich, weil er sich nicht die Mühe zu nehmen pflegt, weitere Versuche zur Prüfung der Theorie anzustellen«. Helmholtz betonte die Bedeutung der »psychologischen Analyse« in der physiologischen Forschung, insbesondere für die Zukunft: »Ich halte diesen für den einzig fruchtbaren [Ansatz]. Wir müßten uns erst die einfachsten Formen psychologischer Thätigkeit aussondern und die Regeln ihres Verlaufs zu finden suchen. Ich selbst bin in der physiologischen Optik nur nebenbei an diese Aufgabe gekommen, und habe nicht systematisch consequent darin gearbeitet. Gerade das aber thut Noth.« Er beabsichtigte, diesen Zustand zu ändern. Da er aber in den folgenden Jahren die Physiologie zugunsten der Physik und der Anwendung der Physik auf andere Disziplinen (Chemie und Meteorologie) weitgehend aufgab und viel Zeit dem Aufbau des Instituts und dem Staatsdienst widmete, konnte Hering unangefochten von Helmholtz arbeiten. Es zeigte sich (spätestens ab 1880), dass viele Physiologen zunehmend geneigt waren, Herings nativistische Theorie der empiristischen von Helmholtz vorzuziehen. Hering selbst führte die Kritik an Helmholtz’ empiristischen Ansichten und Beobachtungsergebnissen an und entwickelte darüber hinaus seine eigene Farbtheorie (die »Gegenfarbentheorie«), die im späten 19. Jahrhundert und darüber hinaus breite Akzeptanz fand.69
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Lange bevor die vollständig überarbeitete zweite Auflage des Handbuchs erschien (1896), beschäftigten sich Helmholtz’ Kollegen intensiv mit der ersten Auflage, wie auch mit den Tonempfindungen, und griffen viele von Helmholtz’ Beobachtungs- und Versuchsergebnissen auf und diskutierten sie. Selbst diejenigen, die mit Helmholtz’ Wahrnehmungstheorie nicht einverstanden waren, mussten sich mit dem Handbuch auseinandersetzen. Beide Bücher wurden von ihrem ersten Erscheinen an zu wissenschaftlichen Grundlagenwerken für die – sich zum Teil überschneidenden – Disziplinen der physiologischen Optik und Akustik, der Augenheilkunde, der Psychologie und der Philosophie (Erkenntnistheorie). Darüber hinaus erwiesen die beiden Werke sich als intellektuell anregend für alle, die nach Gemeinsamkeiten zwischen den Wissenschaften und den Künsten suchten oder sich von der Wissenschaft Hilfe beim Verständnis der Kunst erhofften. In der Zwischenzeit richtete Helmholtz seine Aufmerksamkeit jedoch auf andere Bereiche.
15 Fast Physikprofessor Noch ein Fiasko mit Bonn Der Energieerhaltungssatz wurde allmählich zu einem Herzstück der Physik, und auch mit seinen Publikationen auf den Feldern der Optik, Akustik, Hydrodynamik und Elektrodynamik erwarb Helmholtz sich nach und nach international einen Ruf als Physiker. Mit Weber, Kirchhoff und Clausius gehörte er zu den besten Physikern Deutschlands. Ab 1867 interessierte Helmholtz sich nur noch wenig für Physiologie und konzentrierte sich ganz auf die Physik. Das Problem dabei war nur, dass er gelernter Physiologe, nicht Physiker war. In Heidelberg gehörte er der medizinischen, nicht der philosophischen Fakultät an, weshalb sich auch nur selten ein Physik- oder Mathematikstudent in seine Kurse verirrte. Die meisten von ihnen waren nach Heidelberg gekommen, um bei Kirchhoff oder den dortigen Mathematikern zu studieren. Darunter waren einige Russen, etwa der Physiker Alexander Grigorjewitsch Stoletow und der Psychophysiker Nikolai Baxt.1 Auch eine russische Studentin kam 1869 wegen der Mathematik nach Heidelberg: Sofja Kowalewskaja. Noch im späten 19. Jahrhundert ließen die meisten europäischen und nordamerikanischen Universitäten Frauen nicht zum Studium zu, was zuweilen mit einer offen feindseligen Haltung einherging. Manchmal wurden Frauen zwar angenommen, durften aber keinen Abschluss machen. Die deutschen Universitäten waren hier besonders rückschrittlich. Baden ließ Frauen erst ab 1900 regu-
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lär zu, Preußen sogar erst ab 1908. Kowalewskaja war daher eine große Ausnahme. Um ihr Studium als eine der ersten Frauen an einer deutschen Universität aufnehmen zu können, benötigte sie eine Sondererlaubnis jedes einzelnen Dozenten, dessen Veranstaltungen sie besuchen wollte, und dazu die allgemeine Genehmigung der Universität zur Aufnahme des Mathematikstudiums. Helmholtz und seine Kollegen waren ihr bei der Zulassung behilflich und unterstützten sie auch sonst. Von ihrer fachlichen Eignung konnte Kowalewskaja sie leicht überzeugen – schwerer wurde es mit dem Nachweis ihres Standes als verheiratete Frau. Helmholtz und einige weitere Fakultätsmitglieder hegten selbst dann noch Zweifel, als sie die entsprechenden Versicherungen Kowalewskajas und ihres Mannes akzeptiert hatten. Kowalewskaja belegte Kurse bei Kirchhoff, bei den Mathematikern Leo Koenigsberger und Paul du Bois-Reymond und bei Helmholtz in Physiologie. Sie blieb allerdings nur ein akademisches Jahr in Heidelberg und ging dann nach Berlin, um mit dem Mathematiker Karl Weierstraß zu arbeiten. Als Helmholtz 1871 selbst dorthin wechselte, kamen sie wieder in Kontakt und er lud sie oft zu sich ein. In Berlin durfte Kowalweskaja keinen offiziellen Abschluss anstreben, weshalb sie letztendlich ihren Abschluss in Göttingen ablegte (in absentia 1874). Mit ihrer Promotion über Differentialgleichungen war sie die erste Frau seit dem 18. Jahrhundert, die in Deutschland einen Doktortitel erwarb. Auch danach leistete sie Bemerkenswertes in der Mathematik und arbeitete bis zu ihrem Tod 1891 im Alter von 41 Jahren an der Stockholmer Universität.2 Man kann sagen, dass Helmholtz seinen Anteil an ihren ersten beruflichen Erfolgen hatte. Im Mai 1868 verstarb Julius Plücker, der gleichzeitig ordentlicher Professor für Mathematik und Physik an der Universität Bonn war. Plötzlich tat sich die Möglichkeit für Helmholtz auf, sein Nachfolger in der Physik zu werden. Pflüger informierte Helmholtz sofort über Plückers Tod und die Chancen, die sich für ihn daraus ergeben könnten: »Hier scheint sich Alles sehr vortrefflich für Sie zu gestalten.« Auch einer der beiden Chemieprofessoren vor Ort, Friedrich August Kekulé, wünschte sich, dass Helmholtz nach Bonn kommen würde. Ebenso Lipschitz, der 1864 als Mathematikprofessor in die Stadt zurückgekehrt war. Diese drei machten sich jetzt daran, andere Fakultätsangehörige für die Idee zu gewinnen, Helmholtz als Physikprofessor herzuholen. Pflüger informierte Helmholtz eifrig über die Positionen verschiedener Fakultätsmitglieder in dieser Sache, über die Kurse, die er geben würde, und über sein Gehalt beziehungsweise die Einkünfte aus Semestergebühren. Der Bonner Anatomieprofessor Max Schultze ließ ihn wissen, dass auch er hoffte, Helmholtz würde Plückers Nachfolger werden. Das Ministerium habe bereits beschlossen, (unter anderem) ein neues Physikinstitut zu gründen. Wenn Helmholtz käme, so Schultze, wäre dies ein Gewinn für ihn und Pflüger.3 Helmholtz war Bonn nicht abgeneigt, hauptsächlich, weil er dort Professor für Physik sein und einem Institut vorstehen könnte. Das war es, was er sich beruflich immer gewünscht hatte. Helmholtz fand, die Physiologie sei mittlerweile ausrei-
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chend als eigenständige Disziplin etabliert. Warum sollte er weiter hauptsächlich Medizinstudenten unterrichten, wo doch seine Stärken in einer mathematisch-physikalischen Herangehensweise lagen? Seiner Meinung nach benötigte die Physik jüngere, mathematisch orientierte Lehrer, um sich weiterzuentwickeln. In Heidelberg besuchten zwischen 20 und 25 Studenten seine Veranstaltungen, in Bonn, so behauptete er, würde er zwischen 120 und 150 anziehen. Für die Physik könne er mehr leisten als für die Physiologie. Helmholtz wollte jedoch noch aus einem weiteren Grund aus Heidelberg fort: Die medizinische Fakultät war ihm nicht progressiv genug und würde es seiner Ansicht nach auch nicht werden. Andererseits fand er sein Leben hier »angenehmer, bequemer und unabhängiger«, als er es sich für Bonn vorstellen konnte. Erst einmal kommunizierte er den preußischen Behörden daher nur, dass er – sofern seine Bedingungen erfüllt wären – ein Angebot aus Bonn jedenfalls nicht rundweg ablehnen würde. Wenn Preußen ihn zurückhaben wolle, müsse es ihm (zusammen mit Bonn) ein entsprechend attraktives Angebot machen. Anscheinend wusste er nicht, dass Anfang August Wilhelm Beseler (der Kurator der Bonner Universität, also der Ministeriumsvertreter vor Ort) Minister Heinrich von Mühler darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass die philosophische Fakultät eine Berufung Helmholtz’ zum Professor der Physik nachdrücklich empfohlen habe. Die medizinische Fakultät empfahl, im Interesse der Studenten alles zu tun, um ihn zu bekommen. Beseler führte Helmholtz’ langjähriges internationales Renommee an und betonte, dass bei seiner Forschungstätigkeit stets der physikalische Aspekt im Vordergrund stehe. Helmholtz an eine preußische Universität zu ziehen, würde Preußens Führungsstellung untermauern; und wenn man ihn als Physikprofessor nach Bonn holen könnte, wäre das ein großer Gewinn nicht nur für die Naturwissenschaften. Kurz, Helmholtz war in Beselers Augen für die Wissenschaft von ganz außerordentlicher Bedeutung. Die medizinische Fakultät von Bonn fügte dem hinzu, dass man ihren Wunschkandidaten in mancherlei Hinsicht am ehesten noch mit Leibniz vergleichen könne4 – was ungefähr gleichbedeutend damit war, zu sagen, er sei wohl einer der beiden größten Philosophen und Wissenschaftler, die Deutschland je hervorgebracht hatte. Mitten in den Verhandlungen mit Bonn lud die British Medical Association Helmholtz zu ihrem August-Treffen in Oxford ein, und auch Henry Wentworth Acland erkundigte sich hoffnungsvoll, ob Helmholtz kommen würde. Acland in Oxford war ein großer Streiter für die wissenschaftliche Sache im Allgemeinen und die wissenschaftsbasierte Medizin im Besonderen, wobei er sich gegen eine allzu frühe Spezialisierung und für die Einheit der Wissenschaften aussprach. Außerdem war er maßgeblich an der Planung und Ausgestaltung des University Museum beteiligt, ein modernes Wissenschaftszentrum, das 1860 seine Pforten öffnete. Acland versuchte, Helmholtz zum Kommen zu überreden und bat ihn, auf dem Kongress sein Ophthalmometer und ein akustisches Instrument vorzustellen, wo-
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für auch die Mediziner-Kollegen dankbar wären.5 Aber Helmholtz ließ sich nicht erweichen, vielleicht liebäugelte er bereits mit Bonn und wollte sich von einer mehrwöchigen Großbritannienreise nicht ablenken lassen. Und noch etwas anderes beschäftigte ihn in diesem Frühling. Schon zwanzig Jahre lang litt er unter Heuschnupfen, und im Frühling 1867 glaubte er nun, ein Heilmittel dagegen gefunden zu haben – oder zumindest sich selbst (weitgehend) kuriert zu haben. Dem Pharmakologen Carl Binz von der Universität Bonn, der an Chinin forschte, beschrieb er seinen Zustand: Er leide schon seit 1847 unter Heuschnupfen, der ihn jedes Jahr vom 20. Mai an bis Ende Juni begleite und sich durch häufiges Niesen äußere, vor allem bei warmen Temperaturen. Dazu kämen oft schmerzhafte Entzündungen der Schleimhäute und des Nasenäußeren, gepaart mit Fieber, starken Kopfschmerzen und Erschöpfung. Es waren immer dieselben Symptome und zur selben Zeit des Jahres. Das brachte ihn zu der Annahme, dass sie von einem Bakterium ausgelöst wurden, und er nahm zwischen 1865 und 1869 mikroskopische Untersuchungen der, wie er schreibt, vibrionenähnlichen Funde vor, die er während der Heuschnupfensaison in seinem Nasensekret machte. Binz schlug vor, Chinin dagegen einzusetzen, woraufhin Helmholtz eine Schwefelsäure-Chinin-Lösung zusammenbraute. Er entwickelte ein Verfahren, bei dem er sich flach auf den Rücken legte und vier Kubikzentimeter der Chinin-Lösung in jedes Nasenloch pipettierte. Dann drehte er seinen Kopf hin und her, damit die Flüssigkeit überall hingelangte. Wenn er dann aufstand, floss der Rest über den Gaumen in die Speiseröhre. Der Effekt setzte sogleich ein, und er konnte sich draußen in der Sonne aufhalten, ohne dass Symptome auftraten. Er musste nach seiner Beobachtung die Lösung jedoch dreimal täglich anwenden, um beschwerdefrei zu bleiben. Von 1867 an nahm er das selbst verordnete Mittel regelmäßig während der ganzen Heuschnupfensaison, sodass er gar nicht erst Symptome entwickelte. Er schrieb an Binz, dass höchstwahrscheinlich die Vibrionen im Nasensekret unter bestimmten Bedingungen den Heuschnupfen auslösten. Helmholtz berichtete auch William Thomson davon, der gerade segeln war. Dieser bat ihn um Einzelheiten, die er an Spottiswoode weitergeben wollte, den Präsidenten der London Mathematical Society – und ebenfalls ein Heuschnupfengeplagter. Helmholtz dokumentierte also sein selbst gebrautes Wundermittel inklusive Dosierung und Anwendung und merkte an, dass er das Übel nun mehrere Sommer in Folge besiegt habe und fast gänzlich frei davon sei.6 In den nächsten sieben Monaten ergab sich nichts weiter wegen der Stelle in Bonn, Helmholtz war zunehmend frustriert. In Bonn und Berlin (Preußen) gab es irgendwelche Hemmnisse, in Heidelberg und Karlsruhe (Baden) bemühte man sich nicht besonders, ihn zu halten. Während Helmholtz’ seine finanzielle Situation abwog, taten sich für ihn und die anderen beteiligten Parteien weitere Aspekte auf: die Höhe seiner Entschädigung, die volkswirtschaftliche Potenz zweier rivalisierender Staaten (Baden und Preußen), Helmholtz’ Stolz, das Vertrauensverhältnis
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zwischen den Parteien und vielleicht auch eine gewisse Autonomie, die der Verhandlungslogik innewohnte. Ein akademischer Wechsel, wie Helmholtz ihn vorhatte – von der Physiologie zur Physik, von der medizinischen zur philosophischen Fakultät – war außergewöhnlich, wenn nicht sogar ein vollkommenes Novum. Der Wechsel über die Staatsgrenzen hinweg, von Baden nach Preußen, verkomplizierte das Ganze noch weiter.7 Helmholtz erschien vielen in Bonn als ein verlockender Kandidat, und zwar sowohl innerhalb der medizinischen Fakultät als auch unter den Mathematikern der philosophischen Fakultät, zumal er Mitglieder aus beiden Lagern umschmeichelte und sein »Weltruhm« versprach, Bonn insgesamt zu mehr Attraktivität bei potenziellen Studenten zu verhelfen. Auch die oberen Verwaltungschargen sprachen von Helmholtz’ Ruf und seiner Anziehungskraft auf die Studenten und fanden es wünschenswert, ihn wieder an Preußen zu binden. Es gab aber auch von Helmholtz weniger begeisterte Bonner Wissenschaftler. Vielleicht waren sie nicht wirklich gegen ihn eingestellt und wussten durchaus um seinen Beitrag zur Physik, wünschten sich aber einfach etwas anderes von einem neuen Physiker. 90 Prozent der Kursteilnehmer an der Bonner Physik waren Medizinstudenten, die meisten der restlichen 10 Prozent zukünftige Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik. Darum wollten einige in Bonn lieber einen Dozenten mit beruflichem Schwerpunkt und Erfahrung in experimenteller Physik gewinnen, der seine Studenten in den Vorlesungen und vor allem im Labor kompetent anleiten konnte. Dieses Lager hatte vor allem drei von Magnus’ ehemaligen Studenten im Auge: Georg Quincke, Gustav Wiedemann und besonders Adolph Wüllner, der bereits außerordentlicher Professor für Physik in Bonn war. Um sowohl die Helmholtz-Befürworter als auch die Partei, die einen federführenden Physiker bevorzugte, zufriedenzustellen, kam man zu einem Kompromiss: Helmholtz wurde als Spitzenkandidat empfohlen, Clausius auf Platz zwei gesetzt, und die drei Experimentalphysiker teilten sich den dritten Platz. Helmholtz selbst war, wie er vor Lipschitz äußerte, nicht frei von Bedenken, der Physiologie für die Physik den Rücken zu kehren: »Aber ich muss sagen, es würde mir schwer werden, die Physiologie der Sinne aufzugeben, weil es der Gegenstand ist, mit dem ich mich am meisten im Leben beschäftigt habe; und eine Rivalität darin mit Pflüger würde mir äusserst unangenehm sein.« Gnädig überließ es Pflüger ihm daher, Physiologie der Sinne zu unterrichten und auch seine populäre Vorlesungsreihe »Resultate der Naturwissenschaften« zu halten.8 Nachdem in Heidelberg im Juli Gerüchte über Helmholtz’ Weggang nach Bonn laut geworden waren, zeigte sich der Universitätsprorektor und guter Helmholtz-Freund Zeller besorgt über den großen Verlust, den dessen Weggang bedeuten würde. Die Medizinstudenten ließen öffentlich die Forderung verlauten, Helmholtz zu halten. Der badische Innenminister Julius Jolly schlug in seinem Ministerium und an der Universität Alarm wegen Helmholtz’ möglichem Fortgang
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und dem allgemeinen Wunsch, ihn nicht gehen zu lassen. Am 31. Juli setzte Beseler das Ministerium in Berlin über die Empfehlungen der Bonner philosophischen Fakultät in Kenntnis, für die Helmholtz die erste Wahl war. Anfang August reisten Helmholtz und Zeller als offizielle Vertreter Heidelbergs zur fünfzigjährigen Gründungsfeier der Universität nach Bonn. Helmholtz hatte außerdem vor, inoffiziell über die vakante Position zu sprechen, die Bonner Fakultät kennenzulernen und sich selbst ein Bild von der Gesamtlage vor Ort zu machen. Er fuhr mit dem Gefühl zurück, dass die meisten Mitglieder der Bonner philosophischen Fakultät gegen seine Berufung als Physiker waren, obwohl Beseler doch erst wenige Tage zuvor seine Empfehlung ausgesprochen hatte. Max Schultze versicherte Helmholtz, er werde nach Bonn kommen, war aber, wie sich herausstellte, nicht gut informiert. Du Bois-Reymond berichtete Helmholtz aus Berlin, dass man im Vertraulichen über seine Rückkehr nach Bonn sprach und die preußischen Universitäten mit einer Erhöhung des Budgets rechnen durften, »von der aber ein ansehnlicher Posten sogleich durch Deine Besoldung würde absorbiert werden«. Man sei entschlossen, so fuhr er fort, »Dich zu haben, beinahe coûte que coûte; und wenn Du nicht kämest, würde es Dein Wille sein«. Ein Untersekretär des Ministeriums hatte du Bois-Reymond gebeten, ihm etwas von Helmholtz zum Lesen zu schicken, und der schickte dessen populäre wissenschaftliche Vorträge. Du Bois-Reymond spekulierte darüber, dass in nur wenigen Jahren die Professorenstelle in Berlin frei werden würde (wenn Magnus sich zur Ruhe setzte oder starb). Er ging davon aus, dass – sollte der Freund dann Physikprofessor im ebenfalls preußischen Bonn sein – »Du ebenso unfehlbar hiehergerufen werden würdest, und ich dies für das Gemeinwesen, wie für mich, für ein sehr großes Glück halten würde«.9 Monatelang hörte Helmholtz nichts aus Berlin und wenig aus Bonn, aber von anderer Seite wurde ihm Ehre zuteil: Im September verlieh ihm Baden den Titel »Großherzoglich-Badischer Geheimer Rat II. Klasse«, 1868 erhielt er das »Kommandeurkreuz II. Klasse des Orden von Zähringer Löwen«. Auch die American Academy of Arts and Sciences machte ihn zum ausländischen Ehrenmitglied. (In seinem Dankschreiben musste er den Sekretär der Akademie jedoch darauf hinweisen, dass sein Vorname »Hermann, nicht Heinrich« lautete, man möge dies korrigieren. So viel zum »Weltruhm«.) Außerdem erhielt er von der Società Italiana delle Scienze die erste Matteucci-Medaille. Dieser neue Physikerpreis war gemäß Verlautbarung der Akademie für italienische oder ausländische Physiker gedacht, welche in letzter Zeit besonders vielversprechende physikalische Entdeckungen gemacht hatten.10 Da war er also doch, der Weltruhm. Erst Ende 1868 war Preußen bereit, Helmholtz die Position anzubieten, und wollte mit ihm die Bedingungen aushandeln. Anfang Januar machte Baden ein Gegenangebot inklusive einer beträchtlichen Gehaltserhöhung. Heidelberg hatte zudem vor, ihn zum Ehrenbürger der Stadt zu machen. Dann platzten die Vereinba-
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rungen mit Bonn, Helmholtz zog sich zurück und noch am selben Tag, an dem er das Bonner Angebot ablehnte, trat man an Clausius heran, der im Laufe des Monats zusagte. Vor Ludwig äußerte Helmholtz, dass ihm Preußens Verhandlungstaktik gegen den Strich gegangen war: »Wenn ich so sagen darf, siegte schliesslich das Heimweh für Heidelberg, das heisst für seine moralische Atmosphäre.«11 Diese lakonische Erklärung ließ viel Interpretationsspielraum und war reichlich irreführend. Du Bois-Reymond hatte zwei Versionen gehört, warum die Verhandlungen mit Helmholtz gescheitert waren: Die erste besagte, Helmholtz habe nicht mit der Summe herausgerückt, die ihn dazu bringen würde, das Bonner Angebot anzunehmen, und sich so die Möglichkeit offen gelassen, weiter mit Baden zu verhandeln. Die zweite Variante war, dass er die lächerlich hohe Summe von 5000 Talern genannt hatte. In Berlin berichtete du Bois-Reymond: »Die einen wie die anderen sind bereit, Dich zu tadeln, weil sie sich ärgern, daß Preußen Dich nicht wiederkriegen kann, und weil es den Leuten immer Spaß macht, einer bedeutenden Erscheinung doch etwas anhaben zu können.« Er bat Helmholtz, das Ministerium zu kontaktieren und auch ihm zu berichten, was vorgefallen war.12 Helmholtz erklärte, er habe sich wegen der Aussicht, als Physiker arbeiten zu können, auf die Verhandlungen eingelassen. Daher sei er auch bereit gewesen, die Stelle »unter relative mäßigen äußeren Bedingungen anzunehmen«. Er habe angenommen, er solle Berlin nur sein derzeitiges Heidelberger Gehalt nennen und Berlin, nicht er, würde dann ein erstes Angebot machen. Lipschitz, der als Mittelsmann für die Bonner und Berliner Behörden fungierte, versuchte Anfang Juni jedoch zweimal, Helmholtz dazu zu bringen, eine konkrete Gehaltsvorstellung sowie eventuelle weitere Bedingungen zu nennen, die dann als Verhandlungsbasis dienen sollten. Helmholtz weigerte sich erst, lenkte schließlich aber in der Annahme ein, seine Forderungen würden mit dem notwendigen Respekt und Vertrauen behandelt. »Ich sehe bei dieser Gelegenheit einmal wieder«, schrieb er an Lipschitz, »wie schwer es ist, sich von der gut nährenden Milchkuh der medizinischen Facultät zu trennen, wenn man einmal an ihren Brüsten liegt, und zu der keuschen Muse der philosophischen Facultät sich hinzuwenden. Wenn man aber 4 ½ Kinder hat [Anna war schwanger mit Friedrich Julius], und eine Menge menschlicher Verbindungen und Verpflichtungen, und ausser den Producten des eigenen Gehirns nichts, um davon zu leben, ist es schwer nicht ein niedriger Rechner und Materialist zu werden«.13 Helmholtz war eben auch nur ein Mensch. Ob die Mediziner tatsächlich mehr verdienten als Mitglieder der philosophischen Fakultät, ist äußerst fraglich. Zum festen jährlichen Einkommen kamen noch die in der Höhe schwankenden studentischen Gebühren hinzu (die von der Kursgröße, der Anzahl abgenommener Prüfungen und mehr abhingen) sowie manchmal ein Wohnzuschuss und eventuell noch zusätzliche Leistungen (beispielsweise eine Witwenrente). 1868 verdiente Helmholtz in Heidelberg 4000 Gulden: davon
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3600 Gulden (2057 Taler) Gehalt, plus rund 10 Prozent (400 Gulden, also 229 Taler) Wohnzuschuss sowie 1750 Gulden (1000 Taler) studentische Gebühren. Insgesamt also 5750 Gulden (3286 Taler). Außerdem floss weiteres Geld in eine Rücklage, woraus eine Witwenrente in Höhe von 990 Gulden (566 Taler) jährlich fließen sollte. Helmholtz war nicht willens, für das gleiche Geld oder kaum mehr nach Bonn zu gehen. Er vertraute also (widerwillig) Lipschitz in Bonn und Olshausen in Berlin an, dass er sich nicht unter 3600 Taler handeln lasse, welchen Betrag er als Grundlage für jegliche Verhandlungen ansah. Die Summe hielt er gemessen an seinen wirtschaftlichen »Verhältnissen« für »relativ bescheiden« und nannte Lipschitz gegenüber Preußens Verhandlungen mit ihm »eine Beleidigung«.14 In einem Schreiben an Ludwig wog Helmholtz seine Optionen ab, in Heidelberg zu bleiben und sich weiter der Physiologie zu widmen, oder als Physiker nach Bonn zu wechseln. Erstens sei die Physik zwar einheitlicher als die Physiologie, weshalb er sie insgesamt lehren könne – anstatt immer nur Teile wie auf dem disparaten Feld der Physiologie (und ihrer Methoden). Das machte in seinen Augen jedoch auch eine größere geistige Herausforderung aus der Physiologie, die vielleicht auch von größerem Nutzen für die Menschheit sei. Zweitens fand er den eisernen Verhandlungsstil der Preußen ihm gegenüber unerfreulich. Baden hingegen sei bereit, Opfer zu bringen, um ihn zu halten. Drittens bevorzuge er Heidelbergs »moralische Atmosphäre« gegenüber der Bonns und wolle viel lieber unter Jollys badischem Ministerium arbeiten als unter Mühlers preußischem. Und schließlich waren da auch noch seine Heidelberger Freunde, die wollten, dass er blieb.15 Die Finanzen erwähnte er mit keinem Wort. Helmholtz mühte sich nicht einmal, Heidelberg um ein Gegenangebot zu bitten. 3000 Taler entsprachen kaum dem, was er bereits verdiente, und weitere 600 Taler hatte er einkalkuliert, um eine seinerseits etwa fehlerhafte Einschätzung der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in Heidelberg und Bonn und »die Mühe des Stellenwechsels« zu kompensieren. Obwohl er sich doch kooperativ hatte zeigen wollen, war Berlins Antwort nur »fünf Monate tiefsten Schweigens«. Erst als Helmholtz Schultze mitteilte, dass Baden alle seine Forderungen zu erfüllen gedachte, um ihn zu halten, erfuhr er durch Dritte, dass Berlin das Ergebnis einer Haushaltsgenehmigung abwartete, bevor es offiziell an ihn herantrat. Er habe Baden in keiner Weise ermutigt, behauptete Helmholtz, aber die Antwort liege »in der Natur der Dinge«. Im August besuchte Minister Jolly Helmholtz persönlich und überredete ihn, Preußen nicht endgültig zuzusagen, ohne vorher Baden die Gelegenheit zu einem Gegenangebot zu geben. Helmholtz fühlte sich Baden verpflichtet, »da sie mich immer mit der ausgesuchtesten Bereitwilligkeit und Achtung behandelt hatten«. Er würde nur gehen, um »eine mir besser geeignete und voraussichtlich fruchtbarere Tätigkeit« aufzunehmen.16 Das preußische Ministerium habe ihn am 26. Dezember gebeten, so erklärte er du Bois-Reymond weiter, sich mit Beseler in Mainz, »auf neutrale[m] Boden«, zu
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treffen, um über die Finanzen zu verhandeln. Helmholtz willigte ein, fühlte sich jedoch verpflichtet, die badische Seite zu informieren, die zwei Tage später einen Ministeriumsvertreter zu ihm schickte. Bevor Helmholtz Preußens Angebot auch nur genannt hatte, ließ Baden ihm schon eine Gehaltserhöhung um 1750 Gulden (1000 Taler) mitteilen – mehr sei Verhandlungssache. Helmholtz ließ ausrichten, dass es ihm nicht ums Geld gehe (obwohl er die Gehaltserhöhung gerne annahm), aber Badens Einsatz bestärkte ihn darin, in Heidelberg zu bleiben. Als er nämlich in Berlin angefragt hatte, ob eine Wohnung für ihn im neuen Bonner Physikinstitut eingeplant sei, behandelte man ihn »so kühl«.17 Sofort telegraphierte er Beseler von der badischen Gehaltserhöhung, woraufhin dieser darauf bestand, ihn am nächsten Tag (29. Dezember) zu treffen (Beseler hielt Helmholtz für sehr charmant und glaubte, er würde die Zierde einer jeden preußischen Universität sein). Es war aber schon zu spät, Beseler konnte ihm nicht genug anbieten: »Übrigens erklärte ich ihm, ich sei nicht der Bittende, und es sei nicht meine Sache, mich anzutragen; ich verlangte zu wissen, wie viel man mir anbieten wolle.« Beseler konnte Helmholtz leider nur 3000 Taler offerieren; nachdem er aber dem Minister telegraphiert hatte, dass er damit bei Helmholtz nicht weit komme, wurde er authorisiert, noch weitere 500 Taler in Form eines Wohnzuschusses draufzulegen. Helmholtz befand, er sei Preußen »bereitwillig und uneigennützig entgegengekommen«, aber die andere Seite sei mit ihrem Angebot geizig gewesen und habe ihm wohl nicht geglaubt, dass Baden sein Gehalt um 1000 Taler erhöht hatte. Berlin denke anscheinend, er sei einfach nur auf mehr Geld aus. Das Ganze hielt er für »ein Verfahren, durch welches meine Gutwilligkeit zu meinem Nachteil ausgebeutet werden sollte«. Im Nachhinein sagte er, er hätte sich an diesem Punkt auf seinen Instinkt verlassen und die Verhandlungen abbrechen sollen. Aber aus Höflichkeit gegenüber Beseler, und um eine Szene zu vermeiden, tat er es nicht. Als Beseler ihn in die Enge trieb, seine Gehaltsvorstellungen zu nennen, warf er die Summe von 7000 Gulden in den Ring (4000 Taler Gehalt plus Wohnzuschuss) und erwähnte sein Versprechen Jolly gegenüber, ein Gegenangebot abzuwarten, bevor er Preußen irgendetwas zusagte. Das »war ein Fehler« seinerseits, wie er zugab, da er dadurch ganz vergessen habe, warum er überhaupt nach Bonn wollte. Beseler versuchte, ihn davon abzubringen, auf ein badisches Gegenangebot zu warten, damit Preußen sich nicht gezwungen sähe, noch mehr Geld zu bieten, um der neuen Forderung gerecht zu werden.18 Die Verhandlungen zehrten an seinen Nerven, also entschied Helmholtz, in Zukunft auf persönliche Gespräche zu verzichten und nur noch schriftlich mit Preußen zu verkehren. Den nächsten Tag (den 30. Dezember) verbrachte er »mit schwerster Migräne im Bett, unfähig meine Gedanken zu ordnen«. Obwohl er »bedenkliche Schattenseiten« an Bonn wahrgenommen hatte, seit er kürzlich dort gewesen war, fiel es ihm nicht leicht, das preußische Angebot abzulehnen. Er war überzeugt
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davon, dass ein Großteil der Bonner Fakultätsmitglieder gegen ihn war, »in der Tat war mein Name nur durch ein für mich sehr wenig schmeichelhaftes Kompromiß in die Liste gekommen«. Sie wollten stattdessen lieber Wüllner, der, wie Helmholtz spitz feststellte, Katholik war. Helmholtz glaubte indes, mit ministerialem Rückhalt könne er seine Gegner überzeugen. Daher schrieb er am 31. Dezember ans Ministerium, wenn »sie sehr guten Willen« hätten, werde er sich etwas länger als die zwei vorgeschlagenen Wochen Zeit nehmen, um eine Entscheidung zu treffen, und inzwischen auch – wie versprochen – noch einmal mit Baden Rücksprache halten. Ein paar Tage später lehnte er den Bonner Ruf ab, und Jolly erhöhte sein Gehalt auf 5200 Gulden (2971 Taler).19 Das Resultat der vergangenen sieben Monate des Wartens und einer Woche Verhandlungen war, dass Helmholtz in Heidelberg blieb, wo sich sein Gesamteinkommen aus Gehalt, mietfreiem Wohnen und anderen Vorteilen alles in allem auf rund 3600 Taler summierte. Von ursprünglichen 4000 Gulden (2286 Taler) war sein reines Gehalt mit Abschluss der Verhandlungen auf 5200 Gulden (2971 Taler) gestiegen. Außerdem wurde die Situation seines Assistenten Bernstein vorteilhafter gestaltet, sodass dieser einige Aufgaben übernehmen konnte, die vorher Helmholtz zugefallen waren. Helmholtz berichtete du Bois-Reymond, er habe nie 5000 Taler verlangt. Um seinen guten Namen und seine Ehre zu wahren, bat er ihn, ihren gemeinsamen Freunden von den Verhandlungen zu berichten. Es beruhigte sein Gewissen, dass anscheinend Clausius und nicht Wüllner den Ruf nach Bonn erhalten würde. Wie schon in den Verhandlungen mit Bonn 1857/58 nahm Helmholtz einen gewissen Grad an Misstrauen und fehlendem Respekt vonseiten Bonns und Preußens ihm gegenüber wahr. Beseler für seinen Teil glaubte, Helmholtz habe einfach den Lockmitteln Badens nicht widerstehen können, obwohl er eigentlich Physikprofessor sein wolle.20 Zum zweiten Mal stellten sich die Verhandlungen mit Bonn beziehungsweise Preußen als Fiasko heraus. Helmholtz schrieb an Tyndall, er habe »beinahe« das Angebot Bonns akzeptiert, und kurz darauf auch an Knapp, dass er schließlich »nach vielen Zweifeln und Kämpfen« abgelehnt habe. Jetzt machte er sich daran, seine Vorlesungen zu überarbeiten, und plante zudem, diesen Herbst stärker auf seine Gesundheit zu achten (im vergangenen Winter hatte er wieder und heftiger denn je unter Migräne gelitten). Die Version, die Anna ihrer Tante von den Geschehnissen gab, war mehr oder weniger dieselbe, wenn auch wesentlich knapper. Die Schwierigkeiten seien durch die preußische Regierung entstanden, die sich knauserig gezeigt habe und es an der Achtung und dem Vertrauen habe fehlen lassen, die ihr Mann erwarten durfte. Daher bleibe er lieber in Heidelberg, unter einer Regierung, die sich ihm gegenüber immer äußerst großzügig gezeigt habe. Er müsse nur den Betrag nennen, den er für seine Instrumente und sein Labor benötige, und schon sei er bewilligt – ja, sie hatten sogar sein Gehalt um 1000 Gulden erhöht! Alles in allem sei das
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schon ein ganz schöner Kontrast, und entsprechend war Anna froh, in Heidelberg zu bleiben, wenngleich sie anzudeuten schien, dass sie eines Tages vielleicht doch nach Berlin gehen würden.21 In den letzten Julitagen des Jahres 1869 verstarb Professor Purkinje, der den Physiologielehrstuhl in Prag seit 1849 innegehabt hatte, im Alter von 80 Jahren. Prag bot Helmholtz »viel Geld«, damit er Purkinjes Nachfolger würde, er war jedoch nicht interessiert und lehnte sofort ab. Ein anderer Physiologielehrstuhl interessierte ihn nicht, in Heidelberg ging es ihm mittlerweile mehr als gut, und er glaubte, er könne in einem verschlafenen Städtchen wie Heidelberg ohnehin besser arbeiten als in großstädtischer Umgebung. Auch auf einen Umzug konnte er gern verzichten, hatte er doch mittlerweile ein Alter erreicht, in dem nach seinem eigenen Bekunden Komfort und Gesundheit besonders wichtig waren. Sein Gesundheitszustand sei ganz erträglich, berichtete er, solange er ausreichend Ruhe bekomme, maßvoll arbeite und noch maßvoller esse und trinke. Im Frühling noch hatte er mit Herzproblemen zu kämpfen gehabt, die jetzt überstanden waren. Wenn ihn etwas bedrückte, schlug sich das sofort auf seine labile Gesundheit nieder, aber dank verschiedener Behandlungen besserte sich sogar die Migräne. Mittlerweile hatte er zwölf Laborstudenten. Wundt hatte zusätzlich ein privates Labor eingerichtet, was eine große Hilfe für Helmholtz darstellte, der ansonsten zu wenige Plätze gehabt hätte. Gerade als das Angebot aus Prag eintraf, waren Gäste aus dem Ausland zu Besuch: Hirst und Tyndall. Das Zuhause der Helmholtzens war so etwas wie das Mekka für ausländische, vor allem britische Wissenschaftler, die sich eines herzlichen Empfangs sicher sein konnten. Helmholtz hatte wirklich keinen Grund, von hier wegzugehen. Prag machte am Ende Helmholtz’ Erzfeind Hering zu Purkinjes Nachfolger, der die nächsten 25 Jahre dort blieb.22 Besuch wie Tyndall und Hirst zu empfangen, war zeitaufwendig und anstrengend für Anna. Im Juli 1869 schrieb sie ihrer Tante Mary, sie werde ihre »Boutique« für einen Monat schließen. Sie genoss zwar jeden einzelnen Besuch, insgesamt wurde es ihr aber manchmal doch etwas viel. Manchmal traf Besuch schon um 11 Uhr morgens bei ihnen ein. Aus allen Teilen Europas, so schrieb Anna an ihre Tante, kamen ihre Gäste, ganz zu schweigen von den Amerikanern. Sie fände es ja angenehmer, wären die Naturwissenschaftler nicht gar so schüchtern, ihr Mann sei schließlich nicht gerade redselig. So war Anna dafür verantwortlich, das Gespräch am Laufen zu halten – da sei manchmal eine Menge zu tun. Kürzlich hatten sie einen Besucher aus Brasilien im Haus gehabt, dazu zwei Niederländer, eine Familie aus Nîmes sowie einen römischen Grafen mit seiner Frau. Anna musste also die Konversation und das Miteinander von Menschen aus fünf Nationen dirigieren. Zwar mochte sie die geselligen Teestunden in ihrem Salon, doch wenn die Gäste dann gingen, fühlte sie sich ein bisschen wie in einem Hotel. Für Tyndalls Besuch gelte all dies freilich nicht, berichtete sie der Tante, der sei ihr die größte Freude seit Langem gewesen. Tyndall hatte einen ganzen Tag mit den Helmholtzens verbracht und fuhr am nächsten
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Vormittag wieder ab. Anna fand ihn ganz reizend, lebhaft und offen, er habe so viele interessante Dinge zu berichten. Tyndall hatte ganz offenkundig Annas Herz gewonnen und sie hoffte, ihn bald wiederzusehen, doch sei er schwer zu erwischen.23
Rivalitäten in der Thermodynamik Helmholtz hatte mittlerweile viele freundschaftliche Kontakte mit britischen Wissenschaftlern aufgebaut, wobei das Verhältnis mit Roscoe, Tyndall und, vor allen anderen, Thomson besonders herzlich war.24 Sein Verhalten gegenüber Peter Guthrie Tait, dem schottischen mathematischen Physiker an der University of Edinburgh und engen Mitarbeiter und Freund Thomsons, lässt sich dagegen bestenfalls als distanziert bezeichnen. Mit Tait war es für Helmholtz eine schwierige Sache. Das ging damit los, dass Thomson und Tait nicht viel von Tyndall als Wissenschaftler hielten und wegen seiner Popularisierungsbemühungen auf ihn herabsahen. Helmholtz hingegen schätzte Tyndall als Wissenschaftler und noch mehr als Popularisator, wollte indes weder Thomson noch Tyndall vor den Kopf stoßen, indem er die eine oder die andere Seite bezog. Viel wichtiger aber noch: Tait war ein furchtbarer Chauvinist. Seine voreingenommene Haltung zugunsten seiner britischen Kollegen und gegen einige deutsche Fachvertreter brachte Helmholtz zuweilen in eine unangenehme Lage gegenüber seinen eigenen Landsleuten. Im Februar 1867 schickte Tait Helmholtz den Entwurf für zwei Kapitel einer kleineren Arbeit zur Geschichte der Thermodynamik, die er als Sketch of Thermodynamics veröffentlichen wollte. Das Buch war aus Taits Auseinandersetzung mit Tyndall über die jüngste Geschichte der Wärmetheorie hervorgegangen. Tait wollte damit erreichen, dass Joule und Thomson mehr Anerkennung für ihren Beitrag zu diesem Thema zukam als bisher. Da er fürchtete, Helmholtz und Kirchhoff könnten ihm dies übel nehmen, schrieb er: »Ich bitte Sie, mich auf alles hinzuweisen, was Ihnen an der Art und Weise, wie ich über Ihre Verbindung mit dem Thema gesprochen habe, anstößig erscheint, [und] gerne werde ich es berichtigen, bevor mein kleines Werk veröffentlicht wird.« Ganz ähnlich schrieb er auch an Clausius, der wegen Thomsons und Taits feindseligem Verhalten gegenüber Tyndall und ihrer ständigen Prioritätsansprüche zugunsten der britischen Wissenschaft keine gute Meinung von ihnen hatte. Helmholtz’ Antwort fiel denn auch kritisch aus: Er empfahl Tait, polemische Bemerkungen ebenso zu meiden wie Auseinandersetzungen darum, wem worin der Vorrang zukomme. Tait bat daraufhin um weitere Kritik. Zur Frage des Vorrangs bei der Entdeckung der Spektralanalyse hatte er bereits etwas veröffentlicht und Balfourt Stewart einen größeren Anteil daran eingeräumt (und Kirchhoff einen geringeren), als Helmholtz und andere es für angemessen hielten. Schlussendlich bekam Tait selbst Zweifel bezüglich seiner Einschätzung Kirchhoff betreffend. Auch Clausius maß er weniger Bedeutung zu, als Helmholtz es sich ge-
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wünscht hätte. Tait ging in diesem Punkt nun ebenfalls in die Defensive: Clausius’ Arbeit über das mechanische Äquivalent der elektrischen Entladung und über die Entropie werde vielleicht zu Unrecht vernachlässigt (obwohl er Rankine bezüglich der Idee der Entropie den Vorrang einräumte). Auch Mayers Verdienst bewertete Tait geringer, als Helmholtz es für richtig befand. Tait antwortete darauf, er habe Mayers »tiefgehender und äußerst origineller« Forschung stets die gebührende Anerkennung gezollt. Vor allem aber standen Thomson und Tait fest hinter Joule, was die Prioritätsdiskussion in Sachen Energieerhaltung anging. Tait fand zudem, Tyndall habe sich zu sehr für Mayer eingesetzt. Dennoch sorgte er sich, dass seine kleine Geschichte der Thermodynamik ihm bei Clausius schaden würde. Ein Jahr später sandte Tait daher die Druckfahnen seines Buches, soweit sie Kirchhoffs Priorität gegenüber Stewart betrafen, Helmholtz zu und bat um dessen Billigung – er fürchtete Clausius’ Kritik. Tait fragte bei Helmholtz außerdem um Erlaubnis an, ihn im Vorwort, an dem er noch arbeitete, mit einer Äußerung (aus einem Brief ) über Mayer zitieren zu dürfen. Er schrieb: »Ich möchte vollkommen unparteiisch sein und, obwohl ich entschieden eine eigene Meinung vertrete, meinen Lesern auch die andere Seite des Sachverhalts beleuchten.« Helmholtz ließ ihn die Zitate aus seinem Brief unter der Bedingung verwenden, dass er Taits Text noch einmal zum Gegenlesen erhalten würde. Tait stimmte zu.25 In seinem Vorwort bezeichnete Tait es als »nahezu unmöglich, streng unparteiisch zu sein, so sehr wir uns auch bemühen mögen«, und behauptete: »Joules großartige, aber sehr vernachlässigte Schriften von vor einem Vierteljahrhundert werden eben wiederentdeckt und anderen zugeschrieben.« Dabei räumte er durchaus ein, selbst womöglich »eine etwas zu britische Sichtweise« eingenommen zu haben. Es folgte ein langes Zitat von Helmholtz zu Kirchhoff und insbesondere Mayer, das Taits Ansichten über Mayer nicht teilte. Helmholtz hatte an Tait geschrieben: Robert Mayer war nicht in der Lage Versuche anstellen zu können; er wurde von den ihm bekannten Physikern zurückgewiesen (noch mehrere Jahre später ging es mir ebenso); er konnte nur schwer Raum für die Veröffentlichung seiner ersten zusammengedrängten Darstellungen gewinnen. Sie werden wissen, dass er in Folge dieser Zurückweisung zuletzt geisteskrank wurde. Es ist jetzt schwer sich in den Gedankenkreis jener Zeit zurückzuversetzen und sich klar zu machen, wie absolut neu damals die Sache [von der Krafterhaltung] erschien. Mir scheint, dass auch Joule lange um die Anerkennung seiner Entdeckung kämpfen musste. Fünf Jahre später ließ Helmholtz seinen Brief erneut veröffentlichen und merkte dazu an: »Ich war nachher einigermassen erstaunt über den Widerstand, dem ich in den Kreisen der Sachverständigen begegnete; die Aufnahme meiner Arbeit in
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Poggendorff ’s Annalen wurde mir verweigert, und unter den Mitgliedern der Berliner Akademie war es nur C. G. J. Jacobi, der Mathematiker, der sich meiner annahm. Ruhm und äussere Förderung war in jenen Zeiten mit der neuen Ueberzeugung [über die Erhaltung] noch nicht zu gewinnen; eher das Gegentheil.« Mit einem »Großteil« der Helmholtz’schen Einschätzung von Mayers Beitrag erklärte Tait sich einverstanden und gestand ein, dass er Teile des veröffentlichten Textes geändert hätte, wenn dies noch möglich gewesen wäre. Er fügte hinzu: »Ich halte es für das Beste, alles so beizubehalten, Mayer jedoch den Nutzen der berechtigten und gewichtigen Fürsprache von Helmholtz zu verschaffen.« Tait merkte auch an, dass sich seine Geschichte der Energieerhaltung weitgehend darauf beschränke, den Beitrag von Joule gegenüber dem von Mayer zu bestimmen, während er die Erkenntnisse anderer – wie Colding, Séguin und Helmholtz – lediglich bestätige.26 Clausius lehnte das Buch ab, vor allem wegen Taits Geringschätzung für Mayers Leistung. Tait gehe es doch vor allem darum, Joule, Rankine und besonders Thomson beizuspringen. Auch soweit seine eigene Arbeit betroffen war, empfand Clausius Taits Ausführungen als extrem beleidigend. Tait mangelte es seiner Meinung nach an der notwendigen wissenschaftlichen Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit. Clausius hielt zwar viel von Maxwell als Wissenschaftler, fand aber auch, dass dessen Theory of Heat (1870; Theorie der Wärme, 1878) die geschichtliche Entwicklung bezüglich Clausius’ Konzept der Entropie falsch darstelle. Zwei Jahre später, nachdem Maxwell ihm sein Buch über Elektrizität und Magnetismus geschickt hatte und Clausius sah, dass Maxwell Verständnis für seine (Clausius’) Einwände zeigte, entspannte sich Clausius’ Haltung gegenüber Maxwell.27 Helmholtz schrieb Thomson (auf Englisch und nicht ganz fehlerfrei) zu dessen Versuchen, eine Geschichte der Thermodynamik zu verfassen: »Ich freue mich, Ihrem Brief entnehmen zu können, dass Sie sich erneut echter wissenschaftlicher Arbeit zuwenden. Ich wünschte, Sie würden die Wissenschaftsgeschichte in Frieden lassen. Sie haben weder das Gemüt eines unparteiischen Richters noch das notwendige litterarische [sic, auf Englisch: litterary] Wissen, um gefälschte von echten Dokumenten zu unterscheiden.« In dieser konfliktgeladenen Atmosphäre wurde derweil Joule 1870 die Copley-Medaille der Royal Society »für seine experimentelle Forschung zur dynamischen Wärmetheorie« verliehen. Genau dafür hatte er freilich schon 1852 die Royal Medal bekommen. 1871 dann erhielt Mayer die Copley-Medaille »für seine Forschung zur Mechanik der Wärme«. Das war jeweils weit genug gefasst, um Ansprüche beider Seiten zuzulassen, wer denn nun den Energieerhaltungssatz »entdeckt« habe. Auch Helmholtz war ein Anwärter auf den Preis – und wurde 1870, 1871 und 1872 in Folge dafür nominiert –, ging damals jedoch leer aus. Hinter den Kulissen der Preisverleihung tobten die Grabenkämpfe.28 In der zweiten Auflage von Taits Sketch (1877) zeigte sich sein Streit mit Clausius und sein Eintreten für Thomson als Entdecker des Zweiten Hauptsatzes der Ther-
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modynamik noch deutlicher. Was die Streitfrage Joule gegen alle anging, schlussfolgerte er: »Also hatte in allen wissenschaftlich legitimen Schritten, welche die frühe Geschichte des Satzes umfasst, Joule die Priorität. Seine Arbeit wurde von anderen, besonders Clausius, Helmholtz, Mayer, Rankine und Thomson, in den von ihnen entwickelten Anwendungen des Prinzips in mancherlei Richtung erweitert. […] Die experimentelle Grundlage des Prinzips im Allgemeinen und die ersten Vorschläge für viele seiner wichtigsten Anwendungen stammen aber zweifellos von Joule.« Helmholtz bezeichnete er als »einen der erfolgreichsten der frühen Verfechter der Wissenschaft der Energie auf gesetzmäßigen Grundlagen«, seinen Aufsatz von 1847 nannte er »bewundernswert«.29
Die Entthronung Euklids: Geometrie als empirische Wissenschaft Bereits Anfang 1868 sah sich Helmholtz im Zuge seiner Forschung zu den empirischen Grundlagen der visuellen Wahrnehmung veranlasst, das Fundament der Geometrie systematisch zu hinterfragen. Ganz allgemein gesprochen hatte er durch seine Überlegungen zu den »Räumen« der Sinneswahrnehmung ab Anfang der 1850er-Jahre das Problem der Vermessung von Sinnesinhalten in ihren jeweiligen Räumen schärfer gefasst. Seine Forschung über die Krümmung des Auges in der Mitte des Jahrzehnts hatte den gleichen Effekt, ebenso seine Kant-Gedenkrede von 1855. Noch wichtiger mag aber die Fertigstellung des dritten Teils seines Handbuchs gewesen sein und damit das weitere Überdenken der empirischen Grundlagen der visuellen Wahrnehmung, denn dadurch rückte für ihn die Beziehung zwischen Geometrie und physischer Realität in den Vordergrund. Anfang 1868 schrieb er an Lipschitz: »Philosophische Studien zur Theorie der Sinnesempfindungen haben mich viel beschäftigt, darunter eine mathematische, ein analytischer Versuch über die algebraisch möglichen Systeme der Geometrie und den Ursprung der geometrischen Axiome. […] Das ist aber alles noch embryonal …«30 Das erste Mal sprach Helmholtz im Mai öffentlich von seiner Idee einer Neuordnung der Geometrie vor dem Naturhistorisch-medicinischen Verein zu Heidelberg. Wenig später erschien ein kurzer Text dazu in dessen Verhandlungen.31 Dass er sich ausgerechnet diesen Rahmen dafür ausgesucht hatte, zeigt sein vorsichtiges Herantasten an das Thema sowie dessen Verwurzelung in der Physiologie. Aus dem Titel von Helmholtz’ Artikel geht sein Standpunkt deutlich hervor: »Über die thatsächlichen Grundlagen der Geometrie«. Obwohl der Text sehr theoretisch angelegt war, enthielt er keine mathematischen Gleichungen oder Ableitungen. Schon die ersten Sätze sind bezeichnend: Die Untersuchungen über die Art, wie Localisation im Gesichtsfelde zu Stande kommt, haben den Vortragenden veranlasst, auch über die Ursprünge der
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allgemeinen Raumanschauung überhaupt nachzudenken. Es giebt hier zunächst eine Frage, deren Beantwortung jedenfalls in das Gebiet der exacten Wissenschaften gehört, nämlich die, welche Sätze der Geometrie Wahrheiten von tatsächlicher Bedeutung aussprechen, welche dagegen nur Definitionen oder Folgen von Definitionen und der besonderen gewählten Ausdrucksweise sind. Diese Untersuchung ist ganz unabhängig von der weiteren Frage, woher unsere Kenntnis der Sätze von thatsächlicher Bedeutung herstammt. Helmholtz führte weiter aus, dass mehr geometrische Axiome existierten als gedacht. Es gehe nicht nur um die Vervollständigung von Euklids Werk, sondern um die Erkenntnis, dass viele andere geometrische »Thatsachen« existierten.32 Helmholtz war, als er seinen Text schon fast vollendet hatte, auf die Publikation »Über die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen« des Mathematikers Bernhard Riemann gestoßen, »in welcher die gleiche Untersuchung mit unwesentlich abweichender Fragestellung durchgeführt ist«. Riemann hatte seine Ergebnisse ursprünglich im Rahmen seiner Habilitationsvorlesung in Göttingen 1854 vorgestellt, gedruckt erschienen sie erst posthum 1868. Anscheinend wurde Helmholtz durch diese Lektüre darauf aufmerksam, dass Riemanns Lehrer Gauß früher schon über die Krümmung des Raums geschrieben hatte. Helmholtz erklärte, dass Riemanns Ergebnisse »die allgemeinen Eigenthümlichkeiten des Raumes, seine Continuirlichkeit« sowie die mannigfaltige Natur seiner Dimensionen betrafen. »Eine ähnliche, dreifach ausgedehnte Mannigfaltigkeit [wie Riemanns Geometrie] ist auch das System der Farben«, legte er weiter dar. Diese Erkenntnis verdankte er größtenteils seiner früheren Forschung zur Farbwahrnehmung. Auch das Sichtfeld des Auges bilde ein weiteres solches System. Es gab jedoch einen entscheidenden Unterschied zwischen Riemanns und Helmholtz’ Herangehensweise an die Grundlagen der Geometrie: Während Riemann annahm, dass ds als Ausdruck für das Linienelement nur eine Hypothese sei, glaubte Helmholtz, seine generelle Form sei von der Tatsache bedingt, dass der Raum empirisch messbar sei. Zwar seien seine Ergebnisse zur Geometrie größtenteils schon in denen Riemanns enthalten, Riemanns Schlussfolgerung bilde aber seine eigene Ausgangsannahme, nämlich: »dass Raumgebilde ohne Formveränderung denjenigen Grad von Beweglichkeit haben sollen, den die Geometrie voraussetzt«. Diese Annahme beschränke die Anzahl potenzieller Hypothesen für die Beschreibung eines Linienelements. Kongruenz und Raummessung standen im Zentrum von Helmholtz’ Geometrieverständnis; Kongruenz wurde dabei gebraucht, um Raummessung möglich zu machen. Helmholtz schrieb dazu: »Mein Ausgangspunkt war der, dass alle ursprüngliche Raummessung auf Constatirung von Congruenz beruht, und dass also das System der Raummessung diejenigen Bedingungen voraussetzen muss, unter denen allein von Constatirung der Congruenz die Rede sein kann.« Weiter listete er vier spezifische Voraus-
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setzungen zur Definition von frei beweglichen festen Körpern auf. Wenn man von drei Dimensionen und der unendlichen Ausdehnung des Raums ausgehe, greife die euklidische Geometrie. Helmholtz legte bei seiner Theorie, im Gegensatz zu Euklid, Riemann und anderen Mathematikern, großen Wert darauf, zu zeigen, »wie ein bestimmter Charakter der Festigkeit und ein besonderer Grad von Beweglichkeit der Naturkörper vorausgesetzt wird, damit ein solches Messungssystem wie das in der Geometrie gegebene überhaupt eine thatsächliche Bedeutung haben könne. Die Unabhängigkeit der Congruenz fester Punktsysteme von Ort, Lage und relativer Drehung derselben ist die Thatsache, auf welche die Geometrie gegründet ist.« Er schlussfolgerte daraus: »Wie jede physikalische Messung muss auch die des Raumes sich auf ein unveränderliches Gesetz der Gleichförmigkeit in den Naturerscheinungen stützen.«33 Dass Helmholtz auf Riemanns Arbeit stieß, erklärt, warum und wo er kurz darauf 1868 seinen zweiten Artikel zu den Grundlagen der Geometrie veröffentlichte. Darin bewegte er sich nun, ganz anders als bei seinem ersten Text aus jenem Jahr, auf einem Gebiet, das bald als nichteuklidische Geometrie bekannt sein sollte. Zum ersten Mal hatte er im Frühling 1868 von Riemanns Arbeit gehört und gelesen, als er selbst gerade an seinem ersten Text zu den tatsächlichen Grundlagen der Geometrie saß. Am 21. April, einen Monat vor Helmholtz’ Vortrag vor dem Naturhistorisch-medicinischen Verein in Heidelberg, erkundigte er sich brieflich bei dem Mathematiker Christian Julius Schering, der in Göttingen studiert hatte und Gauß’ Schriften herausgab, nach einer Vorlesung Riemanns, auf die Schering kürzlich verwiesen hatte. Helmholtz schrieb ihm, in den letzten zwei Jahren, in denen er am dritten Teil seines Handbuches gearbeitet hatte, habe er sich auch mit den »Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen« beschäftigt. Die Arbeit sei jedoch »noch nicht abgeschlossen und veröffentlicht«, da er hoffe, einzelne Aspekte noch allgemeingültiger formulieren zu können. Er fragte an, ob der Vortrag von Riemann veröffentlicht sei oder bald erscheinen werde. Sollten Riemann und er zu denselben Ansichten gelangt sein, wäre seine eigene Arbeit »unnütz, und ich möchte dann nicht mehr so viel Zeit und Kopfschmerzen daran verwenden, als sie [die Fragen des Raums] mich schon gekostet haben«. Schering ließ ihm einen Nachdruck von Riemanns Vorlesungsskript zukommen und merkte dazu an, Riemanns Ergebnisse bauten seiner Meinung nach auf einigen von Gauß’ Ansichten zur Krümmungsmessung auf. Auch Gauß habe ausführlich die Möglichkeiten einer nichteuklidischen Raumauffassung erforscht – in der von ihm so genannten »Astralgeometrie«. Schering schrieb weiter, er selbst forsche an Möglichkeiten, die Gesetze der mathematischen Physik anders als in den Begriffen der euklidischen Geometrie auszudrücken. Am 18. Mai, vier Tage vor Helmholtz Vortrag in Heidelberg, dankte Helmholtz Schering für das Exemplar von Riemanns Habilitationsvorlesung und sandte seinerseits einen neuen eigenen Text zu den Grundla-
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gen der Geometrie, der sich mit Aspekten beschäftige, die Riemann nicht behandelt habe. Er bat Schering, diesen Text in derselben Zeitschrift zu drucken, in der auch Riemanns Vortrag erschienen war (wobei er vermerkte, dass er korrespondierendes Mitglied der Göttinger Gesellschaft sei). Sein zweiter Aufsatz über Geometrie sollte also in den Nachrichten der Göttinger Gesellschaft erscheinen, da dort auch schon Riemanns Arbeit publiziert worden war und folglich der Leserschaft bestens bekannt war. Helmholtz’ Titel »Über die Tatsachen, die der Geometrie zugrunde liegen« war zudem fast identisch mit dem von Riemanns Text. Es gab jedoch einen entscheidenden Unterschied: Wo Riemann von Hypothesen (lies: analytisch oder mathematisch) als den Grundlagen der Geometrie sprach, schrieb Helmholtz von den tatsächlichen Grundlagen (lies: empirisch oder physiologisch). Schering dankte Helmholtz am 24. Mai für die »so wichtig[e] Untersuchung« zur Geometrie, die er der Gesellschaft Ende der Woche zur Veröffentlichung zukommen lassen werde. Weiter drückte er seine Bewunderung für Helmholtz’ Arbeit auf diesem Gebiet aus. Eine Woche später teilte er Helmholtz mit, die Gesellschaft werde sehr gerne seinen Text veröffentlichen, die Fahnen seien unterwegs. Er bat Helmholtz, mehr Sonderdrucke als üblich anfertigen zu dürfen, da sein Aufsatz »von so fundamentaler Bedeutung und allgemeine[m] Interesse« sei, andernfalls wäre Helmholtz’ Text sicher ebenso schnell vergriffen wie der Riemanns.34 Helmholtz’ zweite Publikation zu den Grundlagen der Geometrie erschien am 3. Juni 1868. Darin erwähnte er eingangs erneut, dass es seine Untersuchungen zur Raumwahrnehmung gewesen seien, die ihn dazu veranlasst hätten, über den Raum an sich nachzudenken. Ihm habe sich dabei die Frage aufgedrängt, wie viel von den Sätzen der Geometrie wohl »objectiv gültigen Sinn« habe (und wie viel im Gegenteil nur Definition sei oder aus Definitionen folge). Wie schon in seiner ersten Publikation dazu erklärte er, dass er denselben Ansatz wie Riemann verfolge, und räumte ihm darin sogar die Priorität ein. Weiter schrieb er von zwei Beispielen aus der physiologischen Optik für Mannigfaltigkeiten – nämlich das System der Farben und die Ausmessung des Gesichtsfelds –, die sich von dem Messungssystem der Geometrie unterschieden.35 Für seine Auffassung der Geometrie, betonte Helmholtz, sei die Kongruenz der Ausgangspunkt. Im Gegensatz zu Riemann vertrat er die Ansicht, dass Raummessung auf der tatsächlichen Beobachtung der Kongruenz beruhte, was feste, frei bewegliche Körper voraussetzte. Im nächsten Teil seiner Abhandlung legte Helmholtz vier mathematische Hypothesen dar, aus denen er verschiedene Schlüsse zog. Der wichtigste Unterschied zwischen Helmholtz und Riemann lag dabei darin, dass Helmholtz’ Schlussfolgerungen dasselbe besagten wie Riemanns Annahmen. Mathematisch ausgedrückt, bedeutete dies, »dass ein homogener Ausdruck zweiten Grades von den Differentialien existiert, welcher bei jeder Bewegung zweier unter sich verbundener Punkte von verschwindend kleinem Abstande unverändert bleibt«. Daraus
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folgerte Helmholtz, »dass Riemann’s Annahme identisch ist mit der, dass der Raum monodrom ist [d. h. die Rotation eines festen Körpers um eine Achse führt dazu, dass jeder Punkt in seine Ausgangslage zurückkehrt] und unendlich kleine Raumelemente im Allgemeinen einander, von der Begrenzung abgesehen, congruent sind«. Je nachdem, wie viele Dimensionen man miteinbezog, waren verschiedene Geometrien möglich – und die euklidische war nur eine unter vielen, wie Helmholtz betonte. Da der physische Raum aber drei Dimensionen habe, greife Euklids Geometrie hier tatsächlich. Außerdem hänge jedwede Raummessung von der Existenz solcher Naturkörper ab, die dem Begriff fester Körper weitestgehend entsprächen. »Die Unabhängigkeit der Congruenz vom Orte, von der Richtung der sich deckenden Raumgebilde, und von dem Wege, auf dem sie [die Formen] zu einander geführt worden sind, ist die Thatsache, auf welche die Messbarkeit des Raumes basirt ist.«36 Diese zweite Publikation beschäftigte sich also im Gegensatz zur ersten auch mit nichteuklidischer Geometrie und mutete in ihrer Sprache und ihrem Erscheinungsbild mathematisch an. Die ersten Versuche einer nichteuklidischen Geometrie, wie man dieses neue Gebiet bald nannte, reichten ins späte 18. und frühe 19. Jahrhundert zurück. Ernsthafte Aufmerksamkeit (unter Mathematikern und anderen) entstand jedoch erst, als die Übersetzungsbemühungen des französischen Mathematikers Guillaume-Jules Hoüel und Helmholtz’ erste Beiträge zum Thema (1868 – 1870) ihre geballte Wirkung entfalteten. Hoüels französische Übersetzung von Helmholtz’ erstem Aufsatz zu den Grundlagen der Geometrie erschien bald nach der Veröffentlichung in Deutschland (1868 oder 1869). Hoüel war Professor für reine Mathematik an der Universität Bordeaux und veröffentlichte selbst mathematische Untersuchungen zur nichteuklidischen Geometrie, hatte aber kein großes Renommee als Mathematiker. Neben den Helmholtz’schen Texten übersetzte er die Schriften der Mathematiker Nikolai Iwanowitsch Lobatschewski, János Bolyai, Heinrich Richard Baltzer, Riemann und Beltrami sowie einschlägige Auszüge aus dem Briefverkehr zwischen Gauß und Heinrich Christian Schumacher. Aus dieser Korrespondenz wird deutlich, dass auch Gauß schon lange an der Vorstellung der euklidischen Geometrie als einzig möglicher seine Zweifel angemeldet hatte. Zwischen 1866 und 1870 spielte Hoüel demnach eine wichtige Rolle für den Wissensaustausch in Sachen nichteuklidische Geometrie, deren Begründer verschiedenen Nationalitäten angehörten. Es war Hoüels Übersetzungsdiensten, Helmholtz’ Veröffentlichungen sowie dem hohen Ansehen des Letzteren zu verdanken, dass dieses »neue« Fachgebiet plötzlich ein Thema unter Wissenschaftlern und Mathematikern war.37 Hoüel hegte, wenngleich er Helmholtz’ Aufsatz ins Französische übersetzt hatte, einige Zweifel an der Arbeit des »gefeierten Wissenschaftlers«. Er sandte Beltrami eine Leseprobe seiner in Kürze erscheinenden Übersetzung. Dieser antwortete ihm, dass er Helmholtz’ Herangehensweise an die Geometrie durch kongruenz-
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basierte Raummessung ablehne und das Gauß’sche Konzept der Raumkrümmung bevorzuge. Das ein oder andere Defizit an Helmholtz’ Aufsatz fiel Beltrami noch auf, beispielsweise habe er die Arbeiten Lobatschewskis und Bolyais vernachlässigt. Beltrami interessierte sich sehr für Mechanik und mathematische Physik, hatte bezüglich der Mathematik eine ähnliche Sichtweise wie Helmholtz (betrachtete sie also als ein Werkzeug zum Verständnis der Natur) und wandte sich daher mit einem Brief direkt an diesen. Er begann sein Schreiben mit Komplimenten, zählte Helmholtz zu den »Großen der Welt« und nannte ihn einen der »Geistesfürsten, die so großzügig dem Fortschritt der Menschheit dienen«. Er habe, so schrieb er weiter, die französischen Druckfahnen von Helmholtz’ Aufsatz gelesen und glaube, in zwei früheren Aufsätzen von 1868 – »Saggio di interpretazione della geometria non euclidea« und »Teoria fondamentale degli spazii di curvatura costante« –, die er beide Helmholtz hatte zukommen lassen, schon zu denselben Schlüssen gekommen zu sein. Einen Unterschied zwischen seiner Arbeit und der von Helmholtz sah er jedoch bezüglich der pseudosphärischen oder hyperbolischen Oberflächen (also solcher mit konstanter negativer Krümmung). Zwar basiere seine Forschung auf Gauß’ Vorstellung von Fläche im Raum, er habe jedoch einige andere Schlussfolgerungen gezogen und zudem Gauß’ Arbeit in Einklang mit der Riemanns gebracht. Beltrami räumte ein, dass es mehrere Herangehensweisen an die nichteuklidische Geometrie gebe (und erwähnte die frühen Arbeiten von Bolyai, Lobatschewski und Riemann). Trotz bestehender Differenzen in einigen Aspekten der Geometrie formulierte er seine Kritik äußerst liebenswürdig: »Das ist das Mindeste, was ein Schüler seinem Meister schuldet.«38 Helmholtz antwortete prompt, und Beltrami schrieb zurück, er fühle sich geehrt, dass Helmholtz ihm bezüglich der pseudosphärischen Oberflächen zustimme. Tatsächlich hatte der Briefverkehr mit Beltrami Helmholtz dazu gebracht, in der französischen Version seines Artikels eine Änderung in der Einleitung vorzunehmen und eine entsprechende Notiz an die Heidelberger Verhandlungen zu senden, wo er zuerst publiziert hatte. Beltrami hatte Helmholtz auf einen fundamentalen Fehler in seinen Überlegungen aufmerksam gemacht, nämlich dass ein unendlich ausgedehnter Raum flach sein musste. Beltrami hatte ihn zudem darauf hingewiesen, dass es imaginäre Konstanten gebe (neben den reellen Konstanten, von denen Helmholtz ausging). Helmholtz führte in seinem Nachtrag (30. April 1869) zur Publikation in den Verhandlungen außerdem die zwei miteinander verbundenen Aufsätze auf, die Beltrami kürzlich veröffentlicht hatte: zur Interpretation der nichteuklidischen Geometrie und zur grundlegenden Theorie von Räumen mit konstanter Krümmung. Beltrami hatte Oberflächen und Räume mit negativem Krümmungsmaß untersucht, und seine Ergebnisse stimmten völlig mit den viel älteren Lobatschewskis überein. Dank Beltrami erfuhr Helmholtz, dass Raumkrümmung nicht nur positiv und konstant, sondern eben auch negativ und konstant sein konnte.
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Kurzum, Beltramis Eingreifen hatte umfangreiche Korrekturen in Helmholtz’ Sicht der Dinge zufolge. Er konnte jetzt die nichteuklidische Geometrie sowie ihre historischen Vorläufer in den Arbeiten anderer – und nicht zuletzt von Beltrami selbst – besser einschätzen. Die beiden wurden gute Freunde, teilten sie doch nicht nur das Interesse für die nichteuklidische Geometrie, sondern auch für Elektrodynamik und Hydrodynamik.39 Helmholtz kann zwar nicht als »Erfinder« der nichteuklidischen Geometrie gelten, aber er bewies, wie wichtig die »Kongruenz« und die empirischen Bedingungen für Raummessung im geometrischen Denken waren. Er hatte intellektuelle Beweglichkeit und schnelle Auffassungsgabe gezeigt, indem er die kürzlich veröffentlichten relevanten Ideen von Riemann und Beltrami miteinbezog, was ihre Arbeiten in den Fokus der Mathematiker rückte.
Neue Geometrien für intelligente Wesen Helmholtz beließ es jedoch nicht dabei. Seine zweite Geometrieabhandlung von 1868 sollte zwar in mathematischer Hinsicht seine wichtigste zum Thema sein, blieb aber nicht sein letztes Wort zur nichteuklidischen Geometrie. Er machte sich nun daran, das Thema einem größeren gebildeten Publikum bekannt zu machen. 1870 – 1872 und erneut 1876 – 1878 brachte er mit »Die Axiome der Geometrie« und »Über den Ursprung und die Bedeutung der geometrischen Axiome« die neuen Erkenntnisse zur nichteuklidischen Geometrie (seine eigenen und die anderer) an die Öffentlichkeit. Der erste Text bot eine kurze Übersicht des Themas, der zweite war eine philosophische Verteidigung. Im Februar 1870 veröffentlichte er zudem eine dreiseitige englische Zusammenfassung seiner jüngsten Ergebnisse. »The Axioms of Geometry« erschien in einer neuen englischen Wissenschaftszeitschrift namens The Academy: A Monthly Record of Literature, Learning, Science and Art (gegründet 1869). Die Zeitschrift zielte darauf ab, das britische Geistesleben zu fördern, indem sie über Forschungsergebnisse aus Europa berichtete. Der Oxforder Herausgeber Charles Edward Appleton, der in Heidelberg und Berlin studiert hatte, hielt große Stücke auf die Deutschen, was ihre Forschung und vor allem den Forschungsethos anging – sowie das Bestreben, mit den Forschungsergebnissen große Teile der Gesellschaft zu erreichen. Er setzte sich für mehr Forschung an britischen Universitäten ein und war Teil der Bewegung zur Förderung wissenschaftlicher Forschung (Endowment of Scientific Research Movement). Seine Academy sollte der Nature Konkurrenz machen und bald auch Mind und der älteren Zeitschrift Athenaeum. Im September 1869 überredete er Helmholtz, ihm einen Text zur neuen Geometrie zu schicken. Zwei Monate später bekam er ihn und veröffentlichte dazu noch Kurzfassungen von Helmholtz’ kürzlich in Innsbruck gehaltener Rede (September 1869) und von seiner Veröffentlichung über Hörfasern. Er wollte noch mehr – und bekam am Ende doch nur »The Axioms
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of Geometry«, welche umgehend auch ins Französische übersetzt wurden und sowohl in der Revue des Cours Scientifiques de la France et de l’Etranger als auch im Moniteur Scientifique erschienen.40 In dem kurzen Aufsatz bot Helmholtz einen Überblick über seine eigenen Ergebnisse und auch die von Gauß, Riemann und Beltrami; auf verwandte Arbeiten von Elwin Bruno Christoffel und Lipschitz verwies er lediglich. Die Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie hielt er nicht nur für ein mathematisches Thema, sondern sie sei auch »unmittelbar verbunden mit den größten Problemen im Hinblick auf die Natur des menschlichen Verstandes«. Damit auch Nichtmathematiker seinen Text verstehen konnten, forderte Helmholtz seine Leser auf, sich vorzustellen, es gäbe »intelligente Wesen«, die auf zweidimensionalen Flächen, Sphären und Ellipsoiden lebten. Was die Geometrie anging, folgte daraus beispielsweise: »Die Summe der Winkel in einem Dreieck würde immer grösser sein als zwei Rechte, und umso grösser, je grösser die Fläche des Dreiecks.« Helmholtz verwies auf Beltramis elegante Darstellung pseudosphärischer Räume und darauf, dass dieser, wie bereits Lobatschewski vor ihm, eine Geometrie ohne parallele Linien entwickelt hatte. Während Euklids Geometrie jeder mehr oder weniger leicht verstehen könne, sehe das schon anders aus, wenn drei Dimensionen ins Spiel kämen, und »die erwähnten neuern Untersuchungen sind deshalb fast ausschliesslich mittels der rein abstracten Methoden der analytischen Geometrie geführt worden«. Dazu gehörte die Verwendung theoretischer Begriffe wie »Linienelemente«, Riemanns »Mannigfaltigkeit« und das »Gauß’sche Krümmungsmaß«. Er bekräftigte, dass all unsere Vorstellungen von Raum auf Kongruenz basierten, die ihrerseits feste, frei bewegliche Körper bedinge. Dies war der Ausgangspunkt, von dem aus Helmholtz die mathematischen Ergebnisse Riemanns ableiten konnte. Er schlussfolgerte: Die Axiome, auf denen unser geometrisches System beruht, sind keine notwendigen Wahrheiten, die nur von unumstößlichen Gesetzen unseres Denkens abhängen. Ganz im Gegenteil, ebenso gut ließen sich andere geometrische Systeme mit einer perfekten logischen Konsistenz entwickeln. Unsere Axiome, so Helmholtz weiter, sind in der Tat der wissenschaftliche Ausdruck einer sehr allgemeinen Erfahrungstatsache; nämlich dass sich in unserem Raum Körper frei bewegen können, ohne ihre Form zu verändern. Aus dieser Erfahrung lasse sich schlussfolgern, dass unser Raum ein konstant gekrümmter Raum sei, wobei der Krümmungswert lediglich mithilfe von Messungen ermittelt werden könne.41 Helmholtz und andere hatten Euklid entthront, der nun nur noch einer (wenn auch ein unsterblicher) von vielen Geistesfürsten war – und Helmholtz glaubte, er habe aus der Geometrie eine empirische Wissenschaft gemacht. Diese Meinung teilten längst nicht alle. Da war zum Beispiel William Stanley Jevons, ein führender politischer Ökonom, Logiker und Philosoph, der Helmholtz’ Thema in der Konkurrenzzeitschrift Nature aufgriff. Er behauptete, Helmholtz’
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»Meinungen« basierten auf »den neuesten Spekulationen deutscher Geometer«. Er verspottete Helmholtz’ heuristische Erfindung der »intelligenten Wesen«, die in der Pseudosphäre lebten, als viel zu weit hergeholt und irrelevant. Weiter tadelte er Helmholtz dafür, im Namen anderer zu sprechen, wo seine »Spekulationen« doch nur dazu dienten, »sie [die anderen Mathematiker] mit der Autorität seines eigenen großen Namens abzustempeln«. Jevons selbst zweifelte kein bisschen daran, dass es sich bei den »euklidischen Elementen« um Tatsachen handelte, und lehnte die Vorstellung von einer Raumkrümmung ab. Abschließend suchte er Helmholtz noch eines logischen Denkfehlers zu überführen: »Bei aller Hochachtung vor einem so bedeutsamen Mann wie Helmholtz muss ich feststellen, dass sein Artikel eine ignoratio elenchi enthält. Er hat auf die überaus interessante Tatsache hingewiesen, dass wir uns Welten vorstellen können, in denen die Axiome unserer Geometrie nicht gelten. Diese Erkenntnis scheint er jedoch mit der Falschheit von Axiomen zu verwechseln. Wo immer Linien parallel sind, wird das Parallelenaxiom wahr sein, aber wenn es keine parallelen Linien gibt, gibt es auch nichts, von dem ausgehend man die Wahrheit oder Falschheit des Axioms infrage stellen könnte.« Jevons kam nun zu dem Aspekt, der ihm wohl am wichtigsten war, nämlich »dass alle Versuche [wie die von J. S. Mill], geometrische Wahrheit auf Erfahrung und Induktion zurückzuführen, […] offensichtlich Fehlschläge sind.«42 Helmholtz schoss (in The Academy) mit einer eigenen Lehrstunde in Sachen Geometrie, Logik und Philosophie zurück: »Wenn ich von geometrischen Axiomen als wahr oder unwahr für Wesen spreche, die in einem Raum mit einer bestimmten Beschreibung leben«, belehrte er Jevons, dann »meine ich, dass sie wahr oder unwahr bezüglich der Punkte, Linien oder Flächen sind, welche in diesem Raum konstruiert werden können und welche für ebendiese Wesen Objekte reeller Wahrnehmung werden können«. Er illustrierte diesen Grundgedanken mit Details aus der nichteuklidischen Geometrie und belehrte »Mr. Jevons« dann weiter bezüglich der epistemologischen Herangehensweise von Mathematikern: »Unsere Mathematiker […] sprechen von imaginären Linien und Schnittpunkten […] und ihren imaginären Koordinaten, als existierten derlei imaginäre Raumdimensionen tatsächlich. Das tun sie der Analogie und Homogenität in den analytischen Ausdrücken halber. Dennoch ist noch nie ein Mathematiker zu dem Schluss gekommen, dass eine vierte Raumdimension tatsächlich existiert, selbst wenn er gerne seine Gleichungen so aufstellt, als wäre dem so. Und ich sehe nicht, warum die mathematischen Denker einer sphärischen oder pseudosphärischen Welt zu einem anderen Schluss kommen sollten.« Jevons, so schloss er, habe nicht zwischen der analytischen und der empirischen Wahrheit unterschieden.43 Die Antwort auf Jevons Kritik zeigt, dass sich Helmholtz selbst in die Defensive gedrängt weiter darum bemühte, Wissen über die nichteuklidische Geometrie zu verbreiten. In den 1870er-Jahren lernten viele englische Mathematiker die nicht-
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euklidische Geometrie vor allem durch Helmholtz’ Schriften zu schätzen. (Die führenden englischen Mathematiker William Kingdon Clifford und Arthur Cayley übten in dieser Hinsicht ebenfalls Einfluss aus.) Dennoch standen die meisten, wie Jevons, der Vorstellung von höherdimensionalen Räumen – empirisch oder nicht – im Allgemeinen skeptisch oder sogar ablehnend gegenüber. Im Großen und Ganzen betrachteten sie den empiristischen Ansatz der nichteuklidischen Geometrie als philosophische und kulturelle Infragestellung ihrer Auffassung von Geometrie als »notwendige Wahrheiten«. Der Impuls zur Neuerfindung und ersten Ausformulierung einer nichteuklidischen Geometrie ging eindeutig von Deutschland und Italien aus, keinesfalls von Großbritannien oder Frankreich.44 Auch seinen Deutschen ließ Helmholtz Unterweisung zuteilwerden. 1869 oder 1870 hielt er vor dem Heidelberger Docentenverein einen Vortrag zur nichteuklidischen Geometrie. Daraus und aus dem »wesentliche[n] Inhalt« seines Artikels für The Academy entstand danach in vielen Teilschritten eine Publikation, die im Rahmen der Populären wissenschaftlichen Vorträge (1876) veröffentlicht wurde. Im selben Jahr erschien in Mind auch eine englische Übersetzung unter dem Titel »The Origin and Meaning of Geometrical Axioms«.45 Da war sie nun, seine philosophische Auseinandersetzung mit dem Thema. Er schrieb, gerade eine so systematisch aufgebaute Wissenschaft wie die Geometrie habe von jeher die Aufmerksamkeit derer auf sich gezogen, die an erkenntnistheoretischen Fragen interessiert seien. Die Geometrie sei unter den Wissenschaften unübertroffen in ihrer Vollständigkeit und ihrer Erhabenheit über Widerspruch und Zweifel. Wer nach geometrischen Sätzen Raumverhältnisse berechne, sei noch niemals – vorausgesetzt, er rechne richtig und mit ausreichenden Daten – in seiner Erwartung enttäuscht worden.46 Geometrie war für Helmholtz ein geeigneter Ausgangspunkt für philosophische Analysen, da ihre Sätze reale Inhalte hatten, ohne empirisch abgeleitet worden zu sein. Für Helmholtz bildeten die Axiome der Geometrie bei der Beantwortung von Kants fundamentaler Frage, wie synthetische Sätze a priori möglich seien, die wohl besten Beispiele für das Zustandekommen solcher Sätze. Die offensichtliche Existenz solcher geometrischen Sätze habe Kant als Beleg gedient, »dass der Raum eine a priori gegebene Form aller äusseren Anschauungen sei«. Helmholtz dachte nun, dass auch seine Zuhörer und Leser sich für die erkenntnistheoretische Relevanz der Geometrie interessieren würden, und versicherte ihnen, dass ihre geometrischen Kenntnisse aus dem Schulunterricht für das Verständnis des Folgenden genügten. Ganz besonders aber lag ihm daran, seinem Publikum die nichteuklidische Geometrie nahezubringen.47 Woher kommen, so fragte er, die traditionellen (sprich euklidischen) Axiome der Geometrie? »Sind sie ein Erbtheil aus der göttlichen Quelle unserer Vernunft, wie die idealistischen Philosophen meinen, oder ist der Scharfsinn der bisher auf-
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getretenen Generationen von Mathematikern nur noch nicht ausreichend gewesen den Beweis zu finden?« Die Antwort darauf sei so schwierig, da man die Ergebnisse alltäglicher Erfahrungen oft mit »logischen Begriffsentwicklungen« vermische. Konstruktionsaufgaben spielten, fuhr er fort, eine zentrale Rolle im System der Geometrie. Auf den ersten Blick wirkten sie wie praktische Anwendungen, die zur Einübung von Schülern gedacht seien, tatsächlich »aber stellen sie die Existenz gewisser Gebilde fest«, vor allem Punkte, gerade Linien und Kreise. Nun war Helmholtz beim Kern der Sache angelangt: »Die Grundlage aller Beweise in der Euklid’schen Methode ist der Nachweis der Congruenz der betreffenden Linien, Winkel, ebenen Figuren, Körper u.s.w.« Das Schlüsselwort hier war wieder die »Congruenz«: Die geometrischen Gebilde mussten frei beweglich sein, ohne dabei ihre Form oder Dimension zu verändern. Daraus ergab sich die (rhetorische) Frage, »ob diese Annahme keine logisch unerwiesene Voraussetzung einschliesst«. Er glaubte nämlich, dass eine solche Voraussetzung – und zwar eine folgenreiche – durchaus existierte. Und in diesem Fall sei jeder Kongruenzbeweis, so gedachte er zu zeigen, »auf eine nur aus der Erfahrung genommene Thatsache gestützt«. Gleichzeitig versicherte er seinen Zuhörern und Lesern, dass die neueren Untersuchungen, also die nichteuklidische Geometrie, »fast ausschliesslich mittelst der rein abstracten Methode der analytischen Geometrie [also Geometrie der Mannigfaltigkeit]« geführt worden seien.48 Damit sein Publikum diese neue Geometrie besser verstehen konnte, forderte Helmholtz sie auf, sich verstandbegabte Wesen von nur zwei Dimensionen zu denken, die auf der Oberfläche eines festen Körpers lebten und ähnlich wie Menschen zur Wahrnehmung fähig seien. Ihre Geometrie würde natürlich ebenfalls nur zwei Dimensionen kennen und ihre Wahrnehmung wäre ebenso auf zwei Dimensionen beschränkt wie die des Menschen auf drei. Von einem dreidimensionalen Gebilde könnten sie sich ebenso wenig eine Vorstellung machen wie Menschen von einem vierdimensionalen.49 Diese Flächenwesen könnten sehr wohl kürzeste Linien in ihrem flächenhaften Raum ziehen, die wir geodätische Linien nennen würden, doch wären diese, wie Helmholtz anmerkte, nicht notwendigerweise gerade Linien in unserem menschlichen Verständnis. In diesem Gedankenexperiment über imaginäre intelligente, wahrnehmungsfähige, aber auf zwei Dimensionen beschränkte Wesen veranschaulichte er durch verschiedene Beispiele, dass diese Wesen sich keinen dreidimensionalen Raum vorstellen könnten, wie auch die Menschen sich keine vier (oder mehr) Dimensionen vorstellen können. Das Ganze sei keine Frage der Logik, sondern des physischen Raums. Die Flächenwesen würden eine eigene Geometrie etablieren, die ihrem Typus von Raum entspreche. Anders ausgedrückt: Der Ursprung der geometrischen Axiome lag in der Art des physischen Raums begründet, in dem der Geometer lebte.50 Geometrie, die scheinbar grundlegendste aller Wissenschaften, war demnach eine Funktion der menschlichen Raumwahrnehmung.
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Helmholtz hielt entsprechend auch eine Oberflächengeometrie für vorstellbar, in der das Parallelenaxiom (Euklids fünftes Postulat) nicht griff. Helmholtz bezog sich im Folgenden auf Beltramis Überlegungen zu sattelförmigen Pseudosphären. Schon 1829 habe Lobatschewski eine solche Geometrie ausgearbeitet, die das Parallelenaxiom fallen ließ. Beltramis pseudosphärische Flächen seien in völliger Übereinstimmung mit den Ergebnissen Lobatschewskis. Helmholtz kam zu folgendem Schluss: »Wir als Bewohner eines Raumes von drei Dimensionen und begabt mit Sinneswerkzeugen, um alle diese Dimensionen wahrzunehmen, können uns die verschiedenen Fälle, in denen flächenhafte Wesen ihre Raumanschauung auszubilden hätten, allerdings anschaulich vorstellen, weil wir zu diesem Ende nur unsere eigenen Anschauungen auf ein engeres Gebiet zu beschränken haben. […] Wenn wir deshalb zum Raume von drei Dimensionen übergehen, so sind wir in unserem Vorstellungsvermögen gehemmt durch den Bau unserer Organe und die damit gewonnenen Erfahrungen, welche nur zu dem Raume passen, in dem wir leben.« Weiter bezog er sich auf Riemanns Idee eines Systems von Verschiedenheiten, in welchem ein Ding durch n Größen bestimmt ist, »eine nfach ausgedehnte Mannigfaltigkeit oder eine Mannigfaltigkeit von n Dimensionen«. Man könne auch das System der Farben (nach Young und Maxwell) als eine dreifache Mannigfaltigkeit ansehen oder das Reich der einfachen Töne als eine zweifache (bei Unterscheidung nach Tonhöhe und Tonstärke). Helmholtz schlussfolgerte: »Somit zeigte sich, dass der Raum, als Gebiet messbarer Grössen betrachtet, keineswegs dem allgemeinsten Begriffe einer Mannigfaltigkeit von drei Dimensionen entspricht, sondern noch besondere Bestimmungen erhält, welche bedingt sind durch die vollkommen freie Beweglichkeit der festen Körper mit unveränderter Form nach allen Orten hin und bei allen möglichen Richtungsänderungen.«51 Helmholtz erklärte, dass Riemann auf einem anderen Wege das neue Gebiet der nichteuklidischen Geometrie betreten habe als er selbst, nämlich von den allgemeinsten Grundfragen einer Geometrie der Mannigfaltigkeit her. Er selbst hingegen sei »theils durch Untersuchungen über die räumliche Darstellung des Systems der Farben« und »theils durch Untersuchungen über den Ursprung unseres Augenmaasses für Abmessungen des Gesichtsfelds« dorthin gekommen. Dennoch seien sie »zu ähnlichen Betrachtungen« gelangt. Da Helmholtz schon in den 1850er- und 1860er-Jahren auf diesem Gebiet gearbeitet hatte, erhob er eine Art Urheberrechtsanspruch, zumindest jedoch den Anspruch darauf, unabhängig das Gebiet der nichteuklidischen Geometrie entdeckt zu haben. Der Unterschied zwischen Riemann und Helmholtz beschränkte sich jedoch nicht auf den zwischen Physiologe und Mathematiker: Riemann leitete aus einem algebraischen Ausdruck als seiner Grundannahme seine Sätze über die Beweglichkeit fester Raumgebilde her (Konvergenz), wohingegen Helmholtz »von der Thatsache der Beobachtung ausgegangen« war, »dass in unserem Raume die Bewegung fester Raumgebilde mit demjenigen Grade
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von Freiheit möglich ist, den wir kennen, und aus dieser Thatsache die Nothwendigkeit jenes algebraischen Ausdrucks hergeleitet habe, den Riemann als Axiom hinstellt«. Helmholtz hielt sein Werk also für elementarer, denn schließlich hatte er ableiten können, was Riemann nur vorausgesetzt hatte.52 Helmholtz betonte immer wieder, dass geometrische Messungen auf dem Prinzip der Kongruenz beruhten. Das führte ihn zu dem Problem der Messungen an sich, genauer gesagt zur Berücksichtigung der Messinstrumente. Abgesehen von Formveränderungen, wie sie etwa auf geänderte Temperatur oder Auswirkungen der Schwerkraft zurückgeführt werden könnten, gingen Wissenschaftler grundsätzlich davon aus, »dass unsere von uns für fest gehaltenen Messwerkzeuge wirklich Körper von unveränderlicher Form sind«. Die geometrischen Axiome sagten nicht nur etwas über den Raum an sich aus, »sondern gleichzeitig auch über das mechanische Verhalten unserer festesten Körper bei Bewegungen«. Helmholtz’ Überlegungen zu den geometrischen Axiomen ließen ihn, wie schon andere vor ihm, Zweifel an Kants Raumauffassung beziehungsweise an der kantianischen Auffassung der geometrischen Axiome als durch transzendentale Anschauung a priori gegebene Sätze äußern. Helmholtz war eben kein »strenger Kantianer«. Vielmehr war die Menschheit seiner Meinung nach nur allmählich zu ihrem Verständnis der Geometrie, zumindest der euklidischen, gelangt, und zwar durch einen Trial-and-Error-Prozess von mehr oder weniger exakten, manchmal rein vergleichenden Messungen von Objekten im Vergleich zur empirischen Realität. Nicht durch Logik, sondern durch alltägliche Erfahrung – beziehungsweise genauer gesagt durch die in unserem Gedächtnis durch wiederkehrende Eindrücke entstandene Kenntnis, also »unbewusste Schlüsse« – habe sich dieses Verständnis entwickelt, aus zahlreichen Beobachtungen von Raumverhältnissen und Messungen, die Menschen mit ihren physikalischen Instrumenten (oder ohne sie) durchführten. Gewiss waren viele geometrische Systeme – euklidisch oder nichteuklidisch – vorstellbar, aber das verlieh ihren Sätzen noch keine empirische Realität.53 Helmholtz’ Veröffentlichungen der Jahre 1868 – 1876 und sein allgemeines Ansehen machten die nichteuklidische Theorie in Mathematikerkreisen und darüber hinaus bekannter. Trotz all ihres Talents und ihrer Kreativität hatten Lobatschewski, Bolyai, Gauß, Riemann, Beltrami und viele mehr, die mit ihren Ideen zur Entwicklung einer nichteuklidischen Geometrie beigetragen haben, es nicht fertiggebracht, das Thema plausibel und überzeugend zu vermitteln – nicht einmal an ihre Mathematikerkollegen. Indem Helmholtz aus den Arbeiten Riemanns und Beltramis geschöpft und ihre Ideen weiterentwickelt hatte, brachte er das Thema der nichteuklidischen Geometrie voran und rückte es ins Licht der kulturellen, mathematischen und wissenschaftlichen Öffentlichkeit, wie es niemandem zuvor gelungen war. Seine Schriften zur nichteuklidischen Geometrie beeinflussten die schönen Künste – Malerei, Musik und sogar Literatur – wobei man hier mit eindeutigen Zu-
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schreibungen natürlich vorsichtig sein sollte. Es gab jedenfalls im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert eine ganze Reihe von Künstlern, die die nichteuklidische Geometrie für wichtig hielten, sich damit auseinandersetzten und sich davon inspirieren ließen. Die Kubisten (beispielweise Marcel Duchamp), der Architekt und Schriftsteller Claude Bragdon und der Komponist Edgard Varèse (mit seiner »musikalischen Geometrie«) bezogen sich auf Helmholtz. Im Grunde fühlten sich alle, die sich für die Krümmung des Raums oder »die vierte Dimension« interessierten, von der nichteuklidischen Geometrie, wenn nicht gar von Helmholtz direkt, auf die ein oder andere Weise inspiriert.54 An dieser Stelle verdient Edwin Abbott Abbotts bekanntes Werk Flatland – A Romance of Many Dimensions (1884, Flächenland – ein mehrdimensionaler Roman) besondere Erwähnung. Abbott hatte in Cambridge Altphilologie und Theologie studiert, wo er auch seine mathematische Grundausbildung erhielt. Helmholtz’ Abhandlungen zur Geometrie zu verstehen, dürfte ihm keinerlei Probleme bereitet haben, und dessen Aufsätze in The Academy (1870) und Mind (1876 und 1878) könnten gut zu den Quellen zählen, die in Flatland einflossen. Der Roman war alles zugleich: mathematische Fantasy, Science-Fiction, Gesellschaftssatire und spirituelle Reise. Abbott spielte darin mit den neuen Raumvorstellungen aus der nichteuklidischen Geometrie. In seinem Fantasiereich gab es wie bei Helmholtz Wesen, die die zweite, dritte und vierte Dimension zu verstehen suchten. Mochte er nun Helmholtz gelesen haben oder nicht, unumstößlich war, wie William James es 1880 ausdrückte: »Eine Diskussion über den Raum und die Raumbeziehungen des Bewusstseins, die [Shadworth] Hodgson, [Thomas Kingsmill] Abbott, Helmholtz, Wundt und Lotze nicht berücksichtigt, muss zwangsläufig als unvollständig gelten.«55
Ab hier übernehmen die Mathematiker Weder bevor noch nachdem er über Geometrie gearbeitet und geschrieben hatte, sah Helmholtz sich als Mathematiker, nicht einmal auf dem Feld der angewandten Mathematik. Aufgrund seiner Arbeiten zur Geometrie, der stark mathematisch orientierten Untersuchungen in der Hydrodynamik und Elektrodynamik und weiterer Beiträge aus der theoretischen Physik zählten ihn jedoch viele Mathematiker zu den Ihrigen. Überhaupt galt bis in die 1870er-Jahre jemand, der sich mit mathematischer Physik beschäftigte, oft als Mathematiker. Außerdem war Helmholtz mit Lipschitz, Koenigsberger, Weierstraß, Leopold Kronecker und anderen Mathematikern befreundet. Zu Plücker stand er immerhin indirekt, über den gemeinsamen Bekannten Felix Klein, in Kontakt. Zum Ende seiner Laufbahn hin wandte sich Plücker der Geometrie zu. Klein, der 1868 in Bonn mit einer Dissertation über Liniengeometrie und Mechanik promoviert wurde, war sein letzter Student. Nach Plückers Tod im selben Jahr vollen-
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dete Klein den ersten Band von Plückers geplanter zweibändiger Studie zur Raumgeometrie auf der Basis von Linienelementen. Mithilfe von Plückers Notizen und seiner eigenen Erinnerung an ihre gemeinsamen Gespräche stellte Klein auch den geplanten zweiten Band fertig und nutzte darin algebraische Formen zur Darstellung von Linienelementen.56 Unter Plückers anfänglicher Führung und Förderung legte Klein seinen Fokus ganz auf die Geometrie. Sowohl der Mentor also auch sein Schüler versuchten dabei, die Geometrie mit Mechanik und Optik zu verbinden. Helmholtz’ Veröffentlichungen aus den Jahren 1868 – 1870 zur nichteuklidischen Geometrie waren richtungsweisend für Kleins Karriere und inspirierten ihn. In seiner ersten Publikation von 1871 zur nichteuklidischen Geometrie zeigte Klein, dass, wenn man davon ausging, dass die euklidische Geometrie konsistent war, dies ebenso für die nichteuklidische galt. Beide Varianten gehörten für ihn dem größeren Feld der projektiven Geometrie an. Seine Arbeit und die Beiträge anderer trugen in den 1870er-Jahren zu einer Mathematisierung und Formalisierung der nichteuklidischen Geometrie bei, die sich von Helmholtz’ theorie- und physiologieorientierten Schriften grundlegend unterschied. Klein und seine Mathematikerkollegen, vor allem Sophus Lie, arbeiteten Helmholtz’ Ansatz weiter aus, wobei gerade Lie ihn harsch kritisierte. Klein kam zu dem Schluss, dass verschiedene Geometrien verschiedene Gruppen (mathematisch gesprochen) beinhalteten, Lie vertiefte das Verständnis von Gruppentransformationen im Verhältnis zur Geometrie, besonders bezüglich des sogenannten Helmholtz-Lieschen Raumproblems. Etwas später wurde die nichteuklidische Geometrie durch wieder andere – beispielweise Wilhelm Killing und Henri Poincaré – weiter mathematisiert, wodurch sie immer abstrakter und allgemeingültiger wurde. Zwar kamen die beiden letztendlich von Helmholtz’ geometrischen Vorstellungen ab, nahmen aber auch viel daraus mit. Diese und andere Vollblutmathematiker forderten und konstruierten weitaus analytischere und ausgefeiltere Versionen der Geometrie, um sie dann mit anderen hochanalytischen und sich schnell entwickelnden Gebieten wie der abstrakten Gruppentheorie und Algebra zu verknüpfen. Trotzdem lasen zahlreiche Mathematikkoryphäen wie Poincaré, (der junge) Bertrand Russell, David Hilbert und Hermann Weyl im späteren 19. und noch im frühen 20. Jahrhundert Helmholtz’ Schriften der Jahre 1868 – 1870 sowie seine philosophischen Abhandlungen von 1876 und 1878. Einige befürworteten Helmholtz’ Ansichten zu den Grundlagen der Geometrie und entwickelten sie weiter, andere lehnten sie ab und übten Kritik daran.57 Seine Ausführungen blieben also ein wichtiger Ausgangspunkt für alle, die Geometrie im »modernen« Sinne verstehen wollten, und auch für diejenigen, die sich fragten, ob und gegebenenfalls in welcher Beziehung sie möglicherweise zu physikalischen Phänomenen (Bewegung) stand. Klein wollte die verschiedenen Arten oder Zweige der Geometrie mithilfe von Transformationsgruppen in einen gemeinsamen Kontext bringen (sein sogenanntes Erlanger Programm). 1894 stellte er
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den jungen mathematischen Physiker Arnold Sommerfeld als Assistenten ein, der bald schon die theoretischen Physiker Werner Heisenberg, Wolfgang Pauli, Hans Bethe und viele andere unterrichtete. Auch Adolf Hurwitz, unter anderem Experte für die Riemann’sche Geometrie, war ein herausragender Schüler Kleins. 1892 ging Hurwitz an das Züricher Polytechnikum, vier Jahre später gesellte sich sein guter Freund Hermann Minkowski zu ihm. Einstein besuchte Hurwitz’ Mathematikvorlesung für Studienanfänger und später seinen Kurs über Differentialgleichungen. Anschließend schrieb er sich für eine Reihe von fortgeschrittenen Mathematikkursen bei Minkowski ein (die er nicht oft besuchte). Auch Marcel Grossmann, Einsteins Kommilitone, guter Freund, späterer Kollege sowie Mitentwickler der allgemeinen Relativitätstheorie, wurde zu einem Experten in nichteuklidischer Geometrie, der nach seinem ersten Abschluss am Polytechnikum den Doktortitel an der Züricher Universität erwarb. Helmholtz hatte also, indem er die Riemann’sche Mannigfaltigkeit in den Vordergrund stellte und 1868 seine nichteuklidische Geometrie formulierte, eine Entwicklung in Mathematik und Pädagogik angestoßen, die bis zu Einsteins Vollendung seiner allgemeinen Relativitätstheorie im Jahr 1915 reichte. Sein neuer Ansatz, die Grundlagen der Geometrie als empirische Vermessung eines multidimensionalen physischen Raumes zu sehen, und sein Verständnis von der engen Verbindung zwischen Geometrie und Physik trugen dazu bei, die Basis für Einsteins allgemeine Relativitätstheorie (1907 – 1915) zu bereiten.58 Auf diese und andere Weise bildete Helmholtz’ Arbeit die Grundlage für führende Mathematiker, mathematische Physiker und theoretische Physiker des 20. Jahrhunderts. Ursprünglich hatte er das Thema der Geometrie als eine Messproblematik in der Sinnesphysiologie aufgegriffen, aber nach 1870 wurde es von anderen zu einem wichtigen Werkzeug für das Verständnis des physischen Raums weiterentwickelt. An der Art, wie Helmholtz über Geometrie arbeitete, zeigt sich seine generelle Herangehensweise an wissenschaftliche Probleme, und vermutlich verdankte er diesem Ansatz zumindest teilweise seinen großen Erfolg. Beispielsweise gelangte er auf ähnliche Weise zur »Entdeckung« oder »Erfindung« der Kraft- beziehungsweise Energieerhaltung, indem er verschiedene Teilbereiche der Physik und seine physiologischen Überlegungen zur Körperwärme zusammenführte. Ähnlich entstand der Augenspiegel zu einem guten Teil daraus, dass Helmholtz sein Verständnis der Anatomie und Physiologie des Auges mit den geometrischen (notabene) Bahnen der Lichtstrahlen kombinierte. Seine Errungenschaften in der physiologischen Optik und Akustik verdankte er vor allem seiner Fähigkeit, Ergebnisse aus verschiedenen Wissenschaftsfeldern (besonders Physik und Physiologie) zusammenzubringen und so viele mathematische Analysen durchzuführen, wie es das Thema zuließ. Das galt auch für seine Rolle bei der Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie: Im Grunde hatten ihn physiologische Fragestellungen und seine empiristische Sichtweise der Wahrnehmung darauf gebracht, die Geometrie des
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Gesichtsfeldes des Auges weiter zu untersuchen, denn er hoffte, so besser verstehen zu können, wie das Auge Objekte lokalisieren konnte. Helmholtz’ Befähigung zur gedanklichen Synthese zeigte sich bald auch in seiner Arbeit über Hydro- und Elektrodynamik und später in seiner bahnbrechenden Forschung zur chemischen Thermodynamik und atmosphärischen Physik.
Freunde und Feinde in Hydrodynamik und Elektrodynamik Helmholtz erste größere Beiträge zur Hydrodynamik, die 1858/59 entstanden, fanden bei den mathematischen Physikern in Deutschland und Großbritannien sogleich Anklang. Bald schon diente Helmholtz’ Arbeit als Grundlage für die Erforschung der Hydrodynamik. Zudem erkannten er und andere Analogien zwischen seiner Arbeit in der Hydrodynamik und den derzeitigen Entwicklungen in der Elektrodynamik. Thomson und Tait waren besonders fasziniert von den potenziellen Anwendungsmöglichkeiten seiner Theorie zur Wirbelbewegung auf Atome. Tait griff auch auf die Helmholtz’sche Hydrodynamik zurück, um die Knotentheorie zu verstehen, die ein eigenes Forschungsfeld innerhalb der gerade im Entstehen begriffenen modernen Topologie wurde.59 Bis auf einen Text zur Flüssigkeitsreibung von 1860 publizierte Helmholtz jedoch bis 1868 nichts weiter zu Fragen der Hydrodynamik. Er konzentrierte sich auf andere Themen: seine Arbeit an den Tonempfindungen, den dritten Teil seines Handbuchs, seine Überlegungen zu den Grundlagen der Geometrie und seine umfangreichen administrativen Verpflichtungen als Prorektor und Dekan der medizinischen Fakultät. Als 1867/68 all diese Arbeit hinter ihm lag, weckten Tait und Thomson sein Interesse an der Hydrodynamik erneut. Tait übersetzte in jenem Jahr Helmholtz’ Abhandlung von 1858 über die hydrodynamischen Gleichungen ins Englische. Der Mathematiker hatte auch die pfiffige Idee, eine »smoke box« zu bauen, welche dramatisch wirbelnde Rauchringe hervorblies, die Helmholtz’ abstrakte Theorien gut veranschaulichten. Thomson fühlte sich dadurch wiederum inspiriert, sich derlei Ringe als die aller Materie zugrunde liegende Struktur vorzustellen. Sein »Wirbelatom« sollte das Denken britischer Theoretiker noch bis in die 1890er-Jahre beschäftigen.60 Mitte 1868 trat jedoch ein Problem auf: Tait wies Helmholtz darauf hin, dass der gut vernetzte Joseph Bertrand – er lehrte Analysis an der École Polytechnique sowie mathematische Physik am Collège de France und war ständiger Sekretär an der Pariser Akademie der Wissenschaften – sich in den renommierten Comptes Rendus, dem Publikationsorgan der Akademie, gegen Helmholtz’ Wirbeltheorie ausgesprochen hatte. Bertrand habe versucht, »die gesamte Theorie zu zerschlagen«. »Du wirst ihn erledigen müssen«, riet der streitsüchtige Tait Helmholtz und fügte hinzu, er habe Thomson gesagt: »Wir sollten es lieber dir überlassen, ihn [Bertrand] auf deine Weise fertigzumachen.« Thomson, der mit seiner Frau nach Kissingen
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gefahren war, damit sie sich im dortigen Bad erholen konnte, schlug Helmholtz ein Treffen in der Nähe von Heidelberg vor. Er arbeitete zum Thema Wirbel und hoffte zweifelsohne, darüber persönlich mit Helmholtz sprechen zu können. Helmholtz bot ihm an, nach Kissingen zu kommen.61 Helmholtz war nun gezwungen, sich mit seinem Widersacher Bertrand – »mon adversaire«, wie er ihn nannte – auseinanderzusetzen, nachdem dieser, der übrigens Hermites Schwager war, Helmholtz einen mathematischen Fehler gleich zu Anfang seiner Abhandlung von 1858 vorgeworfen hatte, der angeblich seine gesamten weiteren Ergebnisse in der Hydrodynamik zunichtemachte. Helmholtz war da anderer Meinung, sei sein Ansatz doch ein physikalischer, der Dynamik den Vorrang vor Geometrie und Kinematik einräume – und schließlich hätten auch Kirchhoff, Thomson und Stokes dieselbe Herangehensweise gewählt. Bertrand, der allgemein nicht viel von moderner Mathematik hielt, erwiderte, dass die Mathematik, nicht die Physik in diesem Disput über Hydrodynamik die Oberhand behalten solle. Nachdem Bertrands Landsmann Adhémar Barré de Saint-Venant sich aber auf Helmholtz’ Seite stellte, erhöhte Bertrand den Einsatz und behauptete, dass Helmholtz’ Text mathematische Unwahrheiten enthalte. Nun schlug Helmholtz einen weniger diplomatischen Ton an: Bertrand habe seine (Helmholtz’) mathematische Aussagen falsch dargestellt. Es half Bertrands Sache auch nicht gerade, dass Abbé (François-Napoléon-Marie) Moigno sich unnötigerweise einmischte, indem er sich in seinem populären Wissenschaftsjournal Les Mondes auf Helmholtz’ Seite schlug und einen Nebenschauplatz des Konflikts mit Bertrand eröffnete. Das Ganze verlief letztendlich im Sande, und Helmholtz ging als inoffizieller Sieger hervor. Seine Theorie galt bis ins 20. Jahrhundert hinein weiter als Grundstein der Hydrodynamik, bis sie mit der Relativitätstheorie abgewandelt wurde. Das große Finale dieses ganzen fruchtlosen Streits fand Anfang Januar 1870 statt, als Helmholtz zum korrespondierenden Mitglied der Académie des Sciences gewählt wurde. Er erhielt 37 (von 44) Stimmen und ließ damit sogar seine stärksten Konkurrenten weit hinter sich: darunter Anders Jonas Ångström, Dove, Grove, Henry, Joule, Kirchhoff, Mayer, Stokes, Thomson und Tyndall. Thomson gratulierte ihm brieflich und fragte: »Hat Bertrand sich jemals dazu bequemt, seinen Fehler einzugestehen?« Es wird ein Geheimnis bleiben. George Eliot, die intellektuell unersättliche englische Schriftstellerin, lernte in jenem Jahr jedenfalls »Helmholtz’ großartige hydrodynamische Theoreme« kennen, was zeigt, dass selbst die abstraktesten mathematisch-wissenschaftlichen Ideen ihren Weg in die Welt der Literatur finden konnten.62 Seine eigenen theoretischen Ausführungen über Orgelpfeifen (1863) sowie die Arbeit eines seiner Physiologiestudenten zu viskoser Flüssigkeit (Blutfluss) regten Helmholtz dazu an, 1868/69 die Frage der Wirbelbewegung erneut aufzugreifen. Nun wandte er energetische und Variationsprinzipien im Sinne Thomsons und anderer britischer Naturphilosophen an, um zu zeigen, dass unter festgelegten Rah-
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menbedingungen eine echte Fluidbewegung durch einen minimalen Verlust an Reibungsenergie charakterisiert wird. Seine Viskositätsanalysen ergaben, dass unter bestimmten Bedingungen Ähnlichkeiten zwischen dem Strömen von Luft (z. B. in Orgelpfeifen) und von Wasser und dem Fließen elektrischer Ströme bestanden. Unabhängig von Stokes und mithilfe von Tyndalls herausragenden empirischen Ergebnissen dazu, wie sich Rauch gegen Schall verhielt, schlug er den Begriff der Diskontinuitätsflächen vor und zeigte ihre inhärente Instabilität auf. Indem er Ergebnisse von d’Alembert zu komplexen Potenzialen, von Augustin-Louis Cauchy zu komplexen Funktionen und von Riemann zu komplexen Ebenen mit anderen mathematischen Verfahren kombinierte, verbesserte er auch das Verständnis für die diskontinuierliche Bewegung von Flüssigkeiten. Kirchhoff, Rayleigh und Stokes waren unter denjenigen, die Helmholtz’ Konzept zur diskontinuierlichen Flüssigkeitsbewegung bald weiterentwickelten (wenngleich Thomson sich skeptisch gegenüber Helmholtz’ Ergebnissen zeigte). Die wissenschaftlichen Fragestellungen, denen Helmholtz sich widmete, konnten somit ebenso gut aus physiologischen wie aus physikalischen Kontexten stammen, und seine Methoden aus scheinbar sehr unterschiedlichen mathematischen oder physikalischen Konzepten. Wenn einzelne Versuchsergebnisse dann seinen Ansatz zu belegen schienen, inspirierten sie ihn, ein Problem weiterzuverfolgen. Das Endergebnis war sowohl von theoretischem als auch praktischem Interesse.63 Genau so, wie er zuvor schon die Erkenntnisse zur Wärme (1847) und zur physiologischen Optik und Akustik (in den 1850er- und 1860er-Jahren) in einer Synthese zusammengeführt hatte, gedachte Helmholtz nach 1868, die Elektrodynamik zu ordnen und zu vereinheitlichen, da sie sonst zur »unwegsamen Wüste« würde. Später schrieb er: »Beobachtete Thatsachen und Folgerungen aus höchst zweifelhaften Theorien liefen ohne sichere Grenze durcheinander. In dem Streben, dieses Wirrsal übersehen zu lernen, hatte ich es übernommen, das Gebiet der Elektrodynamik, so weit ich sah, zu klären, und die unterscheidenden Folgerungen der verschiedenen Theorien aufzusuchen, um womöglich durch passend angestellte Versuche zwischen ihnen zu entscheiden.«64 Er nahm Bezug auf die Entdeckung oder Erfindung einer Vielzahl von unterschiedlichsten elektrischen und magnetischen, auch elektromagnetischen und elektrodynamischen Phänomenen und Theorien, die in die Zeit von den 1820er-Jahren bis gegen Ende der 1860er-Jahre fielen. Dazu gehörten, um nur die wichtigsten Namen zu nennen, die Arbeiten von Hans Christian Oersted, Poisson, Faraday, Ohm, Emil Lenz, Thomson, Wilhelm Weber, Maxwell, Franz Neumann und dessen Sohn Carl Neumann. 1868 galten Weber und Franz Neumann als die führenden deutschen Theoretiker in der Elektrodynamik. Ihr theoretischer Ansatz war partikelbasiert und Helmholtz war mit ihren Schriften vertraut. Das britische Pendant auf diesem Gebiet war Maxwell, der die sogenannte Feldtheorie entwickelte.
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Nach 1853 kannte Helmholtz sich wohl besser mit der britischen Physik aus als jeder andere nichtbritische Physiker. Er hatte mittlerweile enge persönliche Kontakte mit diversen britischen Physikern geknüpft. (Maxwell schätzte Helmholtz’ Arbeit über Farbe, Akustik und Hydrodynamik sehr. Vermutlich hatte er ebenso viel von Helmholtz gelesen wie Helmholtz von Maxwell.)65 Als Helmholtz also wieder das Gebiet der Physik betrat und 1867 begann, sich mit Elektromagnetismus zu beschäftigen, hatte er bereits eine hohe Meinung von Maxwells elektromagnetischer Theorie – zu einer Zeit, als viele seiner kontinentaleuropäischen Kollegen nur wenig oder gar nichts davon gehört haben dürften. Im Januar 1868 schrieb Helmholtz (auf Englisch) an Tyndall: Maxwells Theorie, welche die Theorie des Magnetismus mit Elektrizität und Licht in einer Hypothese vereint, gehört zu den brillantesten mathematischen Konzepten überhaupt. Sie weicht jedoch gleichzeitig so stark von allen bisherigen Vorstellungen vom Wesen der Kräfte ab, dass ich es wirklich noch nicht wagen möchte, ein offizielles Urteil darüber abzugeben. Ich glaube jedoch sehr wohl, dass man sie als eine Weiterentwicklung von Faradays Ideen bezeichnen kann, die in eine streng mathematische Form gebracht wurde. Daraus folgt die Möglichkeit, die Lichtgeschwindigkeit aus den elektrischen Konstanten in einen Zustand zu berechnen, der einen unheimlich beeindruckt. Man könnte vielleicht sagen, dass diese Umsetzung der Faraday’schen Ideen uns eine Ahnung von einem tieferen Zusammenhang aller Unwägbarkeiten eröffnet.66 Dies schrieb Helmholtz weniger als fünf Jahre, bevor Maxwells Treatise on Electricity and Magnetism (1873; Lehrbuch der Electricität und des Magnetismus, 1883) erschien, und fast zwanzig Jahre vor Heinrich Hertz’ experimenteller Demonstration der elektromagnetischen Wellen. Daraus wird deutlich, dass Helmholtz schon zu Beginn überaus beeindruckt von Maxwells Theorie war, wenngleich man ihn damals nicht (und im Grunde auch nicht bis 1888, wenn denn überhaupt) einen Anhänger Maxwells nennen konnte. Maxwell hingegen hielt viel von Helmholtz’ Arbeit zum Elektromagnetismus, war jedoch im Gegensatz zu ihm nicht vom Konzept einer elektrodynamischen Fernwirkung überzeugt. Zur Elektrodynamik war Helmholtz ursprünglich über ein ungelöstes Physiologieproblem gekommen: ungeschlossene Ströme. In seiner ersten Studie dazu im Jahre 1869 maß er mithilfe einer Induktionsspirale die Fortpflanzung von Impulsen an Froschnerven (wie schon Anfang der 1850er-Jahre) und stieß dabei auf eine Abweichung im Stromfluss zwischen dem ersten und dem zweiten Kreislauf. Die von ihm erzeugten und gemessenen oszillierenden Ströme ließen ihn einen Ladungsunterschied zwischen der Haut und dem Körperinneren der Frösche vermuten. Daraufhin untersuchte er systematisch die elektrischen Schwingungen in körperlich
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ausgedehnten Leitern, indem er Webers (via Kirchhoff ), Maxwells und Neumanns Theorien der Elektrodynamik in Zusammenhang mit seinen eigenen experimentellen Ergebnissen setzte. Er arbeitete diese drei Theorien zu Varianten seiner eigenen, allgemeineren Fernwirkungs-Potenzialtheorie um, die sich als geeignet erwies, je nachdem aus drei möglichen Werten gewählten Wert einer Konstante, die ursprüngliche Theorie von Weber, Maxwell oder Neumann zu ergeben. Während Webers (und Neumanns) Theorie von Teilchen ausging und diejenige Maxwells von Feldern, stützte sich Helmholtz auf Energiekonzepte. Das erlaubte es ihm, im Vergleich zu seinen drei Kollegen allgemeingültigere Gleichungen zu entwickeln, welche auf seine eigene Theorie »reduziert« werden konnten, wenn man den jeweiligen Wert der Konstante berücksichtigte. Wie immer wollte Helmholtz generalisieren, synthetisieren und vereinheitlichen. Genauer gesagt verallgemeinerte er Neumanns Elektrodynamik (die Theorie des Potenzials), um sie auf inkonstante Ströme anwenden zu können. Abhängig von der Bewegung der Elektrizität wurde das Neumannsche Potenzial mit dem einen konstanten Wert, das Weber’sche mit einem anderen und das Maxwell’sche mit einem dritten erreicht. Helmholtz glaubte, mit Webers Wert gerate das System aus dem Gleichgewicht, weshalb seine Elektrodynamik nicht im Einklang mit der Energieerhaltung stehe. Als Helmholtz dann die Polarisierbarkeit des Mediums (inklusive des Vakuums) zwischen den Leitern miteinbezog, brachte ihn das dazu, Maxwells Theorie zu unterstützen, die er als eine limitierende Form seiner eigenen Elektrodynamik sah und in den Begriffen der Potenzialtheorie formulierte. Erst erschienen die Ergebnisse als drei kurze Texte in den Verhandlungen des Heidelberger Vereins. Helmholtz schickte Borchardt ein Exemplar (zur mathematischen Theorie der Elektrodynamik). Borchardt maß seiner Theorie »größte Bedeutung« bei und bat Helmholtz, den Text ebenfalls in seinem Journal für die reine und angewandte Mathematik veröffentlichen zu dürfen, was schon zeigt, dass das Thema eher mathematisch als physikalisch aufbereitet war. Helmholtz war mit der Veröffentlichung dort einverstanden, entschied sich aber, eine weitaus längere Version zu verfassen. Borchardt ließ Helmholtz wissen, dass er gerne weitere Schriften von ihm zur mathematischen Theorie der Elektrodynamik drucken wolle. Der überarbeitete und vermehrte Text bildete am Ende die erste von drei fundamentalen Publikationen zu diesem Thema.67 Helmholtz glaubte, er habe die elektrodynamische Theorie klären können (andere waren da anderer Meinung). Zumindest hatte er Zweifel an Webers Theorie gesät und die Festlandphysiker auf Maxwells elektromagnetische Theorie des Lichts aufmerksam gemacht. Außerdem war es ihm gelungen, ein Rahmenwerk zu schaffen, in dem man mit den drei Theorien experimentieren und zwischen ihnen entscheiden konnte. In den 1870er- und 1880er-Jahren hatten seine Abhandlungen tiefen Einfluss auf wichtige Physiker, die sich mit der Elektrodynamik befassten. Seine Rolle beschränkte sich nicht mehr darauf, die populärwissenschaftlichen Be-
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mühungen der Briten nach Deutschland zu importieren, sondern er war zum Vermittler zwischen britischer und deutscher Physik geworden. Bald schon lehnten Weber, Carl Neumann und Johann Karl Friedrich Zöllner Helmholtz’ Theorie der Elektrodynamik ab. Besonders Weber verteidigte seine eigene Theorie geschickt gegen den Vorwurf, sie vertrage sich nicht mit dem Prinzip der Energieerhaltung. Maxwell, der ursprünglich auf Helmholtz’ Seite gewesen war, schloss sich ihm an, und es stellte sich heraus, dass Helmholtz in Teilen seiner Kritik irrte.68 Weber (mit zahlreichen Unterstützern in Deutschland) blieb, wie auch Bertrand, Helmholtz’ wissenschaftlicher Widersacher. In den 1860er-Jahren war Helmholtz auf dem Zenit seiner Geisteskraft, Kreativität und Produktivität angekommen. Zwar hatte er seine Fähigkeiten zu einem guten Teil schon bewiesen, bevor er nach Heidelberg kam, und tat es auch weiterhin während seiner Jahre in Berlin. Dennoch kam in Heidelberg zweifelsohne das volle Ausmaß seines Talents ans Licht, als er die letzten beiden Teile seines Handbuchs vollendete, die Tonempfindungen schrieb, die Grundlagen der Geometrie überdachte, für ein neues Grundverständnis der Hydrodynamik sorgte und die konkurrierenden elektrodynamischen Theorien einer Analyse unterzog. Seine ausgesprochen schöpferische wissenschaftliche Periode in Heidelberg ist vergleichbar mit der Newtons von der Mitte der 1660er- bis gegen Ende der 1680er-Jahre, mit derjenigen Darwins von Ende der 1830er- bis Ende der 1850er-Jahre und mit der Schaffensphase Einsteins etwa von 1900 bis 1916. In ihren ein oder zwei besonders arbeitsreichen und kreativen Jahrzehnten zeigten sie alle (auf ihre Weise und im Kontext ihres Themas und ihrer Zeit), was es bedeutet, kreative Wissenschaft auf höchstem intellektuellen und schöpferischen Niveau zu betreiben.
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Das Ziel und die Fortschritte in der Naturwissenschaft Obgleich er ansonsten vielleicht schon in den Ferien gewesen wäre, hielt Helmholtz im September 1869 drei öffentliche Vorträge vor der Naturforscherversammlung, die in Innsbruck, im österreichischen Tirol, ihre 43. Jahrestagung abhielt. Fast 1000 Personen nahmen daran teil, was dieses Treffen zu einer der meistbesuchten Tagungen der Vereinigung seit ihrer Gründung im Jahr 1822 machte. Und wie es oft bei solchen Treffen war, so war auch die Innsbrucker Tagung vom deutschen Nationalismus und den Glauben an einen durch die Naturwissenschaften vermittel-
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ten Fortschritt durchdrungen. Die deutschen Teilnehmer kamen von sämtlichen deutschen Universitäten mit Ausnahme von Kiel, aber es reisten auch Forscher aus der Schweiz, Italien, Frankreich, England, den Niederlanden, Belgien, Dänemark, Russland, der Türkei und aus den USA an. Brücke, der eingeladen worden war, einen Plenarvortrag zu halten, kam aus Wien und drängte auch du Bois-Reymond zur Teilnahme, wobei er darauf hinwies, dass Helmholtz und Mayer, der selten öffentlich auftrat, auch da sein würden. Die letzteren beiden waren sich zuvor erst ein einziges Mal begegnet, nämlich beim Treffen der Naturforscher 1858 in Karlsruhe. Anna Helmholtz traf Mayer ebenfalls in Innsbruck und fühlte sich schmerzlich berührt von seiner wirren Art, zu sprechen. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass dies der Mann sein sollte, von dem sie schon so viel gehört hatte. In Innsbruck wohnten Hermann und Anna bei Leopold Pfaundler, dem Professor für Physik an der dortigen Universität. Sie gingen auch ins Theater und besuchten den Bergisel im Süden der Stadt. Ob sie den zwölfstündigen Zugausflug nach Bozen unternommen haben, wie über tausend andere Tagungsteilnehmer und deren Begleitpersonen, ist nicht bekannt.1 Am 18. September 1869 hielt Helmholtz im Innsbrucker Nationaltheater vor den Teilnehmern der Tagung die erbetene Eröffnungsansprache, die Anna seine »grosse Rede« nannte. Als er das Podium betrat, gab es lauten und anhaltenden Jubel. Dass er überhaupt sprach, war unerwartet: Im Mai jenes Jahres hatte Wilhelm Foerster, Astronom und Direktor der Berliner Sternwarte, ihn im Namen des Wissenschaftlichen Vereins eingeladen, dort Anfang 1869 einen Vortrag zu halten. Foerster sagte, dass »die ganze gebildete Welt Berlin’s« es »freudig« zur Kenntnis nehmen würde, wenn Helmholtz, »de[r] Mann, dessen unvergleichliche Begabung für wahrhaftige und lichtvolle Darstellungen auf dem Gebiete der Naturforschung von Allen gewürdigt wird«, sprechen würde. Doch dieser lehnte ab, da seine Aufgaben in Heidelberg so beschwerlich seien, dass ihm die Zeit dafür fehle; außerdem habe er »gar kein paßendes Thema«, und Berlin habe ja auch selbst viele beliebte Vortragsredner. Die Einladung aus Innsbruck dagegen nahm er an, obschon er offenbar in letzter Minute als Ersatzredner gebeten wurde. Sein Vortrag trug ursprünglich den Titel »Über die Entwicklungsgeschichte der neueren Naturwissenschaften« und erschien sowohl im Tagungsband als auch in einer neuen Zeitschrift, den Philosophischen Monatsheften. In der Folge erfuhr der Text eine erhebliche Überarbeitung durch Helmholtz und erschien dann unter dem englischsprachigen Titel »Über das Ziel und die Fortschritte in der Naturwissenschaft« im zweiten Heft der Populären wissenschaftlichen Vorträge (1871). Helmholtz beabsichtigte in seinem Vortrag, »einen Blick auf die Entwickelung des Ganzen Kreises von Wissenschaften zu werfen, der hier vertreten ist«, wobei Helmholtz einräumte, dass er nur einzelne Felder der Wissenschaften berühren könne. Wie er glaubte, hätte selbst Humboldt, der einst die gesamte Naturwissenschaft überschaut und ihre verschiedenen Teile
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in einen großen Zusammenhang gebracht habe, dieselbe Aufgabe wahrscheinlich heute nicht mehr in derselben Weise lösen können. Spezialisierung sei mittlerweile die Regel im wissenschaftlichen Leben geworden, und jeder einzelne Wissenschaftler konzentriere all seine Kräfte auf ein eng begrenztes Feld.2 Wie andere Gelehrte, deren Arbeit sich in Bibliotheken und Archiven abspielte, hatten Helmholtz zufolge auch Naturwissenschaftler sich mit schriftlichen Materialien auseinanderzusetzen; doch anders als jene Büchergelehrten mussten sie seiner Ansicht nach auch die Natur selbst beobachten und erfassen. Dies erfordere viel Zeit und Arbeit, etwa bei der Eliminierung oder Messung (und Einbeziehung) von instrumentenbedingten Fehlern, und eine gute Vorbereitung auf die Forschungstätigkeit; erst nachdem derlei Aufgaben erledigt seien, könne die eigentliche Arbeit beginnen. Der Erwerb empirischen Wissens impliziere zudem, dass die Sinne selbst für die entsprechende Beobachtung geschärft und die erforderlichen Fertigkeiten entwickelt werden müssten. (Es ist bezeichnend, dass Helmholtz etwa verlangte, die Hand des Naturforschers müsse so geübt sein wie die des Violinspielers.) Manchmal brauche der Wissenschaftler sogar »den Muth und die Kaltblütigkeit des Soldaten«, wenn er etwa an Menschen oder Tieren Teile zerstören müsse, bevor er andere beobachten oder heilen könne. Wahrscheinlich wollte Helmholtz mit diesen allgemeinen methodologischen und philosophischen Bemerkungen der schweren alltäglichen Arbeit, die all die Spezialisten innerhalb der deutschen Wissenschaftsgemeinschaft verrichteten, Anerkennung verschaffen, und vielleicht waren sie auch zur Verteidigung gegen die aufkommende Antivivisektionsbewegung gedacht. Je mehr aber die Spezialisierung zunehme, desto größer werde auch, wie er behauptete, das gefühlte geistige Bedürfnis danach, die Gesamtheit der Wissenschaft und ihren größeren Zusammenhang zu verstehen. Ohne ein solches Verständnis fehle dem Experten das Zutrauen in die höhere Zweckmäßigkeit, den Nutzen und den bleibenden Wert seiner eigenen Arbeit und seiner Ergebnisse. Er müsse spüren, »dass auch er einen Baustein geliefert hat zu dem grossen Ganzen der Wissenschaft« und dass »die vernunftlosen Mächte der Natur den sittlichen Zwecken der Menschheit dienstbar unterw[o]rfen« wurden.3 Helmholtz zufolge ist mit »eine[m] unmittelbaren praktischen Nutzen« einzelner wissenschaftlicher Befunde allerdings nur selten zu rechnen und ein solcher auch gewöhnlich nicht vorherzusehen. Er war zwar durchaus der Überzeugung, dass die praktische Verwertung naturwissenschaftlicher Ergebnisse das Leben der modernen Menschheit völlig umgestaltet habe, hielt solche Anwendungsmöglichkeiten generell aber für unvorhersehbar, weshalb es auch nahezu sinnlos sei, ihnen nachzujagen, falls man nicht schon ganz sichere Anhaltspunkte habe, mit denen man arbeiten könne. Wie er glaubte, hatten sich in der ferneren Vergangenheit praktische Anwendungen von Wissenschaft immer nur dann ergeben, wenn überaus fähige Technologen ein Leben lang an einer Sache gearbeitet und dabei auch
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noch ganz viel Glück gehabt hatten. In jüngerer Zeit dagegen seien praktische Erfindungen zumeist die »Früchte der ausgebildeten wissenschaftlichen Kenntniss des betreffenden Gegenstandes«. Dennoch sei solche Kenntnis »zunächst immer ohne directe Aussicht auf möglichen Nutzen«. Wissenschaftliche Erkenntnis solle um ihrer selbst willen angestrebt werden.4 Die Naturforscherversammlung begrüßte Helmholtz als eine Gelegenheit, »eine grosse Anzahl von Theilnehmern aus den gebildeten Kreisen der Nation« miteinander und mit den anwesenden »einflussreiche[n] Staatsmänner[n]« in Kontakt zu bringen. Letzteres war ein wenig irreführend, da beim besten Willen nur drei »Staatsmänner« anwesend waren, nämlich der Tiroler Statthalter, ein weiterer regionaler Würdenträger und der Bürgermeister von Innsbruck. Laut Helmholtz erwarteten die Staatsmänner von den Wissenschaftlern »weitern Fortschritt in der Civilisation [und] fernere Siege über die Naturkräfte«. Staat und Gesellschaft stellten den Wissenschaftlern die materiellen Ressourcen für ihre Arbeit zur Verfügung und seien daher »auch nach den Ergebnissen dieser Arbeiten zu fragen berechtigt«. Zeit und Ort erschienen ihm daher genau passend dafür, »dass Rechenschaft gegeben werde über die Fortschritte des grossen Ganzen der Naturwissenschaften, über die Ziele, denen es nachstrebt, über die Grösse der Schritte, um die es sich diesen Zielen genähert hat«. Dies war genau sein Thema.5 Helmholtz warf die Frage auf, wie der Fortschritt in der Wissenschaft gemessen werden könne. Gewiss bedeute er nicht nur eine reine Anhäufung von Fakten, da diese für ein zunehmendes intellektuelles Verständnis oder eine »fortschreitend[e] Herrschaft des Menschen über die Naturmächte« wenig relevant seien. Intellektuelles Verständnis setze vielmehr Ordnung und Zusammenhang voraus, während die Herrschaft über die Natur voraussagbare Erfolge in Bereichen und unter Bedingungen erfordere, die noch unerforscht seien. Beides zu erreichen, verlange zunächst einmal ein Gesetz über die fraglichen Erscheinungen, was bedeute, einen allgemeinen Begriff zu finden, unter dem sich die Tatsachen dem Verständnis erschließen. Erst das verleihe den Tatsachen Wert. Ein solches Gesetz sei nun »nicht bloss ein logischer Begriff« oder ein Mittel, um Spekulationen anzustellen; es müsse vielmehr einen Begriff verkörpern, der zur Entdeckung von und durch Tatsachen führe, und dies durch immer wieder wiederholte Beobachtungen oder Versuche, anhand immer neuer Einzelfälle und unter immer wieder anderen Bedingungen. Die Naturgesetze seien »eine fremde Macht«, wie Helmholtz erklärte, und »nicht willkürlich zu wählen und zu bestimmen in unserem Denken«. Ein wahres Naturgesetz lasse keine Ausnahmen zu und sei keine Sache von »Willkür« oder »Wahl«. Vielmehr »tritt uns das Gesetz als eine objective Macht entgegen, und demgemäss nennen wir es Kraft«.6 Als Beispiele für Objektivität in den Naturwissenschaften führte Helmholtz die Gesetze der Lichtbrechung, der chemischen Wahlverwandtschaften, der elektri-
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schen Kontaktkräfte zwischen Metallen und der Adhäsions- und Kapillarkräfte an. Sie alle seien objektive Gesetze, wenn auch nur innerhalb einer relativ geringen Bandbreite von Naturvorgängen, für die sie Gültigkeit besäßen. Diese und andere Gesetze dienten als Basis für weitere Generalisierung. Den Wissenschaftlern sei es letztlich darum zu tun, die mechanischen Kräfte zwischen Massepunkten zu bestimmen, wobei deutlich zu erkennen sei, dass »die Kraft nur das objectivirte Gesetz der Wirkung ist«. Solche Gesetze seien notwendig und in keiner Weise willkürlich, denn Kausalität war in Helmholtz’ Sicht der Natur inhärent. Zu sagen, dass Fortschritt in der Wissenschaft »als Ganze[r]« eingetreten sei, hielt er für gleichbedeutend damit, zu sagen, dass der kausale Zusammenhang hinter einer Unmenge von Phänomenen verstanden worden sei. Als Beispiele nannte er Galileis Fallgesetze und die Kepler’schen Gesetze der Planetenbewegung, die nicht nur als Modelle für andere Gesetze dienten, sondern auch von praktischem Nutzen seien, nämlich für die Zwecke der Schiffsnavigation und der Geodäsie ebenso wie für »ein[e] Menge von industriellen und socialen Interessen«.7 Die Entwicklung der Chemie in diesem und im vergangenen Jahrhundert habe, so Helmholtz weiter, die vier metaphysischen Elemente der Antike durch die auf 65 vermehrten Elemente der neueren Chemie ersetzt, zum Teil dank der kürzlich erfolgten Erfindung der Spektroskopie. So seien auch in den Tiefen des Weltraums Spuren der Elemente gefunden worden, wodurch an der durchgehenden Gleichartigkeit der Stoffe nicht zu zweifeln sei und bewiesen werde, dass alle Masse im Universum aus den chemischen Elementen zusammengesetzt ist. Alle Veränderung führte Helmholtz zurück auf die Änderung der räumlichen Verteilung der elementaren Stoffe und damit in letzter Instanz auf Bewegung. Alle elementaren Kräfte seien Bewegungskräfte, weshalb es »das Endziel« der Naturwissenschaft sei, die allen Veränderungen zugrunde liegenden Bewegungen und deren Triebkräfte zu bestimmen, »also sich in Mechanik aufzulösen«. Dies sei die »ideale Forderung«, die die Wissenschaft zu erfüllen suche, auch wenn sie in der Realität weit davon entfernt bleibe. Die Astronomie habe in dieser Hinsicht bis dato am meisten erreicht, gefolgt von der Akustik, der Optik und der Elektrizitätslehre. Es seien auch wichtige, wenn auch eher zweitrangige Fortschritte in der Wärmelehre und in der Chemie erreicht worden, während die Physiologie kaum richtig begonnen habe. Das einzige Gesetz, das dieses Ziel der Reduktion auf die Mechanik »fast« erreicht habe, sei das Gesetz der Krafterhaltung. Und die Person, die dieses Gesetz zuerst »rein und klar erfasst und seine absoluten Allgemeingiltigkeit auszusprechen gewagt hat«, sitze, wie Helmholtz verkündete, vor ihm im Publikum und werde nach ihm ans Rednerpult treten, nämlich Julius Robert Mayer aus Heilbronn. (Das Publikum zeigte seinen guten Willen, wenn nicht gar seine Zustimmung, durch einen stürmischen Applaus.) Helmholtz merkte an, dass Mayers Entdeckung zwar aus dessen physiologischen Arbeiten und Joules Ansatz aus technischen Fragen des Maschinenbaus
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erwachsen seien, sie und andere aber eben doch einen neuen Begriff ausgearbeitet hätten, der als Quantität der Kraft oder auch als Quantität der Arbeit oder der Energie bezeichnet worden sei. Allerdings sei dieser Begriff schon teils in der theoretischen, teils in der praktischen Mechanik vorbereitet worden, und auch die Maschinentechnik habe ihren Beitrag dazu geleistet.8 Helmholtz erkannte eine enge Beziehung zwischen den Abstraktionen der theoretischen Mechanik und der Funktionsweise verschiedener praktischer Maschinen wie Wasser- oder Windmühlen darin, dass sie alle dem Energieerhaltungssatz gehorchten. Wasser- wie Windmühlen waren zudem von meteorologischen Prozessen abhängig, welche ebenfalls jenem Gesetz folgten. Es gebe unzählige Möglichkeiten, »mechanische Triebkraft« aus der Natur zu gewinnen, und viele kluge Köpfe hätten Wege gefunden, solche Triebkraft auf verschiedene Weisen für Industriemaschinen zu nutzen. Sie hätten, indem sie die Beziehung zwischen der geleisteten Arbeit und den Bewegungskräften der Natur in präzise, messbare Begriffe fassten, »ein[en] erste[n] und bedeutende[n] Fortschritt […] zu der Lösung der umfassenden theoretischen Aufgabe, alle Naturerscheinungen auf Bewegungen zurückzuführen«, vollzogen. Nach Helmholtz besagte das Gesetz, dass das Universum trotz beliebig vieler Veränderungen ausgestattet sei »mit einem Vorrathe an Energie, der durch allen bunten Wechsel der Naturprozesse nicht vermehrt, aber auch nicht vermindert werden kann«. Wie ausgeprägt und groß eine physikalische Veränderung auch sein mag, im Universum bleibt stets die gleiche Menge Energie erhalten. Wenn Energie in einer Form verschwindet, muss sie in einer anderen wieder auftauchen – Angebot und Nachfrage halten sich stets die Waage. Was den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik betraf, den Carnot zuerst festgestellt habe, der dann aber von Clausius »berichtigt« worden sei, so erwähnte Helmholtz ihn nur äußerst knapp am Rande. Er zeige, so Helmholtz, »dass dieser Wechsel im Allgemeinen fortdauernd in einer bestimmten Richtung fortschreitet, indem immer mehr von dem grossen Vorrathe der Energie des Weltalls in die Form von Wärme übergehen muss«.9 Helmholtz machte sich dann daran, die Rolle des Energieerhaltungssatzes in der Kosmologie, Meteorologie und Physiologie zu veranschaulichen. Der KantLaplace’schen Hypothese zufolge erhitzten sich unter dem Einfluss von Gravitationskräften lose und weit verstreute Teile interstellarer Materie, während sie sich durch den Raum bewegten und schließlich zu größeren Massen koagulierten. Die Spektralanalyse, die ihrerseits in theoretischer Hinsicht von der mechanischen Wärmetheorie abhänge, offenbare die chemische Zusammensetzung solcher Massen, darunter Meteoriten, Kometen, die Planeten des Sonnensystems und andere Teile interstellarer Materie. Und diese Massen enthielten, so erklärte Helmholtz weiter, Energie, die kontinuierlich in Form von Licht und Wärme abgestrahlt werde. Wenn Sonnenstrahlung auf die Erdoberfläche treffe, erzeuge sie Wind in der Atmosphäre
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und Strömungen in den Meeren – womit sie das gesamte meteorologische System der Erde in Bewegung setze. Und am Ende liefere die Sonnenstrahlung auch die Energie für die Pflanzen, die den Tieren zur Nahrung dienen. Das organische Leben und organische Phänomene würden also letztendlich von der Kosmologie und von physikalischen Gesetzen bestimmt. Diese sichtbar gewordenen Zusammenhänge aller naturwissenschaftlichen Prozesse untereinander waren Helmholtz ein klares Anzeichen dafür, dass bei der Suche nach den Naturgesetzen ein wichtiger Schritt nach vorn gemacht worden sei.10 Das Gesetz der Energieerhaltung gelte für Pflanzen und Tiere aber nicht nur in einem äußerlichen Sinne (also mit Blick auf den Gewinn oder die Umwandlung von Energie), sondern auch innerlich (mit Blick auf ihre eigene Physiologie). Aus diesem Verständnis heraus hatten er und Mayer ursprünglich, und unabhängig voneinander, ihre Untersuchungen begonnen. Dabei ging es um große Fragen, etwa darum, ob alle Lebensprozesse völlig gesetzmäßig ablaufen oder ein gewisses Maß an Freiheit zulassen. Wurden die organischen Prozesse im Menschen von der Seele gesteuert – bekannt als die »Lebensseele«, die »Lebenskraft«, »Archäus«, »Anima inscia« und so weiter –, die durch physikalische und chemische Kräfte ihre Wirkung entfaltete? Die Vorstellung einer lenkenden Seele und das Prinzip der Energieerhaltung widersprächen einander, erklärte Helmholtz, da eine solche hypothetische Seele eine beliebige Menge von Arbeit verrichten könnte, ohne irgendwelche Energie zu verbrauchen. Doch dafür gebe es keinerlei Belege. Im Gegenteil: Mit Blick auf die geleistete Arbeit bestehe vielmehr eine vollständige Ähnlichkeit zwischen Dampfmaschinen und Tieren. Denn beide benötigten Brennstoff und Sauerstoff für ihren Betrieb respektive ihre Bewegung, stießen Materie aus (verbrauchten sie) und erzeugten Wärme beziehungsweise Arbeit. Dennoch räumte er ein, dass für das Gesetz der Energieerhaltung in Bezug auf Pflanzen oder Tiere noch immer sämtliche »genaue[n] quantitative[n] Untersuchungen der verbrauchten und erzeugten Kraftäquivalente« ausstünden, weshalb es auf der Ebene der bloßen Vermutung verbleibe.11 Dessen ungeachtet gelangte Helmholtz aber zu der Auffassung, dass die physiologische Forschung in den 40 Jahren zuvor mehr Fortschritte gemacht habe als in den vergangenen beiden Jahrtausenden. Und zu diesen Fortschritten zählte er auch Darwins Theorie, die den Wissenschaften neue Perspektiven eröffnet habe. Sie ersetze die alten Erklärungen der »organischen Zweckmässigkeit«, die entweder eine leitende Seele oder »einen Act übernatürlicher Intelligenz« vorgesehen hatten. Ihre Neuartigkeit bestehe darin, dass sie aufzeige, wie organische Wesen allein durch das Walten der Naturgesetze – statt durch die Einmischung einer äußeren Intelligenz – entstehen und sich entwickeln konnten.12 Helmholtz begriff, dass Darwins Idee von der natürlichen Selektion das Ende der Zielgerichtetheit in der Entwicklung organischen Lebens und zugleich des dieser Entwicklung inhärenten Fortschritts implizierte und sein Erklärmechanismus im Kern materialistisch war.
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Helmholtz’ entscheidender erkenntnistheoretischer Punkt war allerdings weiterhin seine Behauptung, dass unsere Sinneseindrücke, je nach Typus, uns nur Zeichen für die äußeren Objekte, nicht aber Abbilder von irgendwelcher Ähnlichkeit lieferten. Diese Zeichen mussten lediglich gleichzeitig mit dem äußeren Objekt oder Prozess auftreten, das war auch schon alles. Mit der Zeit lernten die Menschen »durch Uebung und Erfahrung«, die Bedeutung dieser Zeichen zu »lesen« oder zu verstehen. Es sei wie mit einer Sprache. Zwischen der inneren geistigen und der äußeren physischen Welt gebe es keine »vorbestimmte Harmonie«, und tatsächlich hätten empirische Studien gezeigt, dass das Auge und das Ohr unvollkommene Instrumente seien, um mit ihnen in Beziehung zur Welt zu treten. Helmholtz war der Meinung, dass dieser (also Müllers) erkenntnistheoretische Standpunkt sich im Großen und Ganzen mit der Theorie Darwins decke.13 Damit schloss sich nun der Kreis. Denn Helmholtz hatte von Anfang an behauptet, dass es den Naturwissenschaften darum zu tun sein müsse, Kenntnis der Gesetze zu erlangen, womit letztendlich Bewegungsgesetze gemeint seien. Die zeitlich geordneten Zeichen, die uns die Sinne übermittelten, versetzten uns in die Lage, »die Gesetzmässigkeit in der zeitlichen Folge der Naturphänomene direct abzubilden. Wenn unter gleichen Umständen in der Natur die gleiche Wirkung eintritt, so wird auch der unter gleichen Umständen beobachtende Mensch die gleiche Folge von Eindrücken sich gesetzmässig wiederholen sehen.« Die Sinnesorgane seien von zentraler Bedeutung nicht nur im täglichen praktischen Leben des Menschen, sondern auch »gerade für die Erfüllung der Aufgabe der Wissenschaft«, nämlich Kenntnis der Gesetze zu erlangen.14 Abschließend stieg Helmholtz aus den hohen philosophischen Sphären wieder herab, um einige Überlegungen über die praktischen und politischen Implikationen von Wissenschaft anzustellen. Die Tatsache, dass »immer allgemeinere und umfassendere Gesetze […] sich enthüllt« hätten, bedeute, dass die Wissenschaft »ihre grossen praktischen Folgen deutlich erwiesen« habe. Die Medizin zum Beispiel sei eine »praktische Wissenschaft«, die von der Physiologie abhängig sei. Beide Felder hätten Fortschritte zu verzeichnen gehabt, nachdem die »genau[e] Beobachtung der Erscheinungen« mittlerweile mit der Entdeckung von Gesetzen verbunden worden sei. Dabei behauptete er, diesen Wandel persönlich miterlebt zu haben: Als Medizinstudent und als praktizierender Arzt habe er eine Medizin kennengelernt, die entweder noch von haltloser Theorie oder von »einem übertriebenen Empirismus« beherrscht gewesen sei. Ein Wandel sei hier erst durch »Einführung der mechanischen Begriffe« eingetreten, zum Beispiel in Bezug auf Wärmeerscheinungen im Körper oder auf den Gebieten der Nervenphysiologie, Mikroskopie und Augenheilkunde, die zuletzt zu einem Vorbild für andere medizinische Disziplinen geworden sei.15 Wenn seiner Ansicht nach im Verhältnis zwischen Wissenschaft und Technologie die Letztere von der Ersteren abhing, basierte das weitgehend auf seinen eigenen Erfahrungen.
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Zum Schluss wandte er sich noch der Beziehung zwischen Wissenschaft und Staat zu. Seiner Meinung nach war die wissenschaftliche Erforschung der anorganischen Natur in den europäischen Staaten etwa gleich schnell vorangeschritten, während Deutschland in der Physiologie und Medizin die Führungsrolle innehabe, wobei gerade die Fragen nach der Natur des Lebens nicht auf eine rein mechanische Ebene beschränkt werden könnten, sondern eng mit psychologischen und ethischen Fragen zusammenhingen. Doch auch hier gehe es zunächst um den »unermüdlichen Fleiss, der für ideale Zwecke und ohne nahe Aussicht auf praktischen Nutzen« investiert werden müsse. Und ebendieser unermüdliche und zugleich entsagende Fleiss, den Wissenschaft erfordere, habe den deutschen Forscher, der »für die innere Befriedigung und nicht für den äusseren Erfolg arbeitet«, stets ausgezeichnet. Tatsächlich war Helmholtz der Auffassung, dass sich die Deutschen vor allem durch »eine grössere Furchtlosigkeit vor den Consequenzen der ganzen und vollen Wahrheit […] als anderswo« hervortaten (und da seine Zuhörerschaft in Applaus ausbrach, schien sie ganz seiner Meinung gewesen zu sein). Er räumte zwar ein, dass es auch in England und Frankreich in jeder Hinsicht »ausgezeichnete Forscher« gebe, doch müssten sich diese »bisher fast immer beugen vor gesellschaftlichen und kirchlichen Vorurtheilen, und konnten, wenn sie ihre Ueberzeugung offen aussprechen wollten, dies nur zum Schaden ihres gesellschaftlichen Einflusses und ihrer Wirksamkeit thun«. Deutschland sei dagegen »kühner vorgegangen«, denn es habe erkannt, dass »die vollerkannte Wahrheit« das »Heilmittel« gegen die Gefahren und Nachteile sei, die von Halbwahrheiten ausgingen. Die Deutschen arbeiteten gerne, wie er befand, seien maßvoll und sittenstreng. Daher könnten sie »der Wahrheit voll in das Antlitz zu schauen suchen«, statt sich mit übereilten und einseitigen Theorien zufriedenzugeben. Ungeachtet dieser Bemerkungen – und der Tatsache, dass die Naturforscherversammlung, wie er selbst bemerkte, »an den Südgrenzen des deutschen Vaterlandes« stattfand – behauptete er schon im nächsten Atemzug: »In der Wissenschaft brauchen wir ja wohl nicht nach politischen Grenzen zu fragen, sondern da reicht unser Vaterland so weit, als die deutsche Zunge klingt, als deutscher Fleiss und deutsche Unerschrockenheit im Ringen nach Wahrheit Anklang finden.« Vielleicht sollten diese chauvinistischen Äußerungen dabei helfen, kulturelle und politische Bindungen wiederherzustellen, die durch den preußisch-österreichischen Krieg von 1866 gekappt worden waren. Seine Vorstellung eines deutschen Vaterlandes, dessen Ausdehnung mit der des deutschen Sprachraums identisch war, spielte jedenfalls auf eine berühmte Äußerung des bekannten antifranzösischen und antisemitischen deutschen Nationalisten und Historikers Ernst Moritz Arndt aus dem Jahr 1813 an. Dieser hatte an der Universität Bonn gelehrt, wo er und Helmholtz einander auch kennengelernt hatten. Es seien gerade Deutschlands »Cardinaltugenden« in der Wissenschaft, so gab Helmholtz abschließend seiner Hoffnung Ausdruck, die »das Heilmittel« für seine »körper-
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liche[n] Leiden« seien und die es zu einem intellektuellen Zentrum machen würden, das sich durch »geistig[e] Selbstständigkeit, Ueberzeugungstreue und Wahrheitsliebe« auszeichnen werde. Da das Publikum erneut in Applaus ausbrach, schien es ihm auch hierin zuzustimmen.16 Helmholtz’ Rede eröffnete die Veranstaltung, blieb jedoch nicht die einzige Plenarrede. Auf Helmholtz folgte direkt Mayer, der zur mechanischen Theorie der Wärme sprach. Seine Rede war kurz und bot wenig Neues. Mayer sprach zunächst davon, dass eine ganze Reihe von Männern – darunter Hirn, Joule, Colding und Helmholtz – »selbständig« das mechanische Wärmeäquivalent »entdeckt« hätten. sodann ging er zu der Idee über, dass es drei grundlegende »Kategorien von Existenzen« gebe: die Materie, die Kraft und die Seele. Daher dürfe und könne »eine richtige Philosophie nichts andres sein, als eine Propädeutik für die christliche Religion«. Der Kontrast zu Helmholtz’ Rede hätte größer nicht sein können. Während auch die Vertreter des Staates, die Organisatoren der Naturforscherversammlung und andere Redner im Plenum von Nationalismus, Fortschritt, Vernunft, Liberalismus und Freiheit sprachen, stellte Mayer das nicht Wissbare, Gott und das Christentum in den Mittelpunkt. Die gesamte Tagung war geprägt von diesem Kontrast zwischen liberal-progressiven und konservativ-klerikalen Ansichten. An seine Frau schrieb Mayer aus Innsbruck über seine und Helmholtz’ Reden: »Vor mir sprach Helmholtz als erster, in glänzender 1 1/2 stündiger Rede ›über die Entwickelungsgeschichte der neueren Naturwissenschaft‹, wobei er natürlich auch meiner Priorität gebührend gedachte, mit grossem Applaus. Auch ich wurde von der Versammlung mit Beifall empfangen und entlassen.«17 Die Versammlung bestand aber natürlich nicht nur aus Plenarvorträgen, sondern die einzelnen Forscher erhielten auch die Gelegenheit, über ihre speziellen Forschungsergebnisse in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu berichten. Als die Naturforscher im Jahr 1822 ihr erstes Treffen veranstaltet hatten, hatte es noch keine Sektionen gegeben, in denen über die neuesten Arbeiten in einer einzelnen Disziplin (oder auch zwei oder mehr miteinander verwandten Disziplinen) berichtet wurde. 1828 wurden sieben solcher Sektionen eingeführt; 1869 waren es bereits achtzehn. Diese organisatorische Entwicklung spiegelte auch die zunehmende Spezialisierung in den Wissenschaften des 19. Jahrhunderts wider. Helmholtz selbst sprach in der Sektion, die Physik und Mechanik gewidmet war, über das Thema der oszillatorischen Bewegungen der Elektrizität und die Theorie der Elektrodynamik. Später leitete er (gemeinsam mit Brücke, Virchow und Heidenhain) die Sektion Anatomie und Physiologie, wo er auch über eine Pumpe zur Blutentgasung und ein Modell der Gehörknöchelchen sprach.18 Zum Abschluss der Tagung wurden nochmals drei Plenarvorträge gehalten. Der Genfer Zoologe Karl Vogt, ein Darwinist und Materialist, sprach über die neuesten Forschungsergebnisse in der Vorgeschichte, der Wiener Psychiater Max Leidesdorf
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über das Verhältnis der Gesellschaft zu psychischen Krankheiten und wie man diesen vorbeugen könne, und Virchow über den gegenwärtigen Stand der Pathologie. Die Plenarvorträge von Helmholtz, Vogt, Leidesdorf und Virchow betonten den Fortschritt der Wissenschaft und wurden gut aufgenommen; sie gaben den versammelten Naturforschern jenes Gefühl von Stolz und Sendungsbewusstsein, das sie anstrebten. Dagegen wirkte Mayers Rede wie die eines randständigen Sonderlings.19
Eine freundliche Nicht-Verhandlung Innerhalb des preußischen Kultusministeriums und auch in Berliner Wissenschaftskreisen war schon lange darüber gesprochen worden, Helmholtz zurückzuholen nach Preußen, das hieß: nach Berlin. Obwohl es dem Ministerium 1868 nicht gelungen war, ihn für Bonn zu gewinnen, hegte es weiterhin die Hoffnung, ihn doch noch zurückzubekommen. Gespräche lagen in der Luft. Der badische Innenminister Jolly äußerte offen seine Sorge, dass Heidelberg Helmholtz an Berlin verlieren könnte, und Ludwig berichtete dem Freund, dass während eines Besuchs in Berlin »alle ohne Ausnahme für Deine Uebersiedelung sich aussprachen«. Magnus äußerte bei seinem Besuch bei Helmholtz in Heidelberg 1869 ebenfalls die Hoffnung, dass er eines Tages nach Preußen zurückkehren werde.20 Helmholtz’ ständig wachsende Reputation machte es für Heidelberg immer schwerer, ihn zu halten. Wie erinnerlich, war er zum korrespondierenden Mitglied der preußischen (1857), bayerischen (1858), Göttinger (1859), Wiener (1860), Pariser (1870) und belgischen (1870) Akademie der Wissenschaften gewählt worden. Allerdings war er noch kein auswärtiges Mitglied der preußischen Akademie (da bis 1870 keine Position frei war). Mit seiner Nominierung im März 1870 bekräftigten seine Fürsprecher, angeführt von du Bois-Reymond und Magnus, dass er ihrer Meinung nach in den Wissenschaften bereits all das erreicht habe, was jemand mit den höchsten Ambitionen normalerweise vielleicht am Ende seiner Karriere gelingen könne. Helmholtz als auswärtiges Mitglied zu haben, konnte ihrer Meinung nach für die Akademie nur von Vorteil sein. Ihre Kollegen in der physikalischmathematischen Klasse votierten einstimmig für Helmholtz, und auch das Plenum schloss sich an. Helmholtz’ Wahl wurde am 1. Juni 1870 offiziell.21 Das machte seine Bindung an Berlin etwas enger. Viel bedeutsamer aber war, dass Magnus am 4. April 1870 starb. Er hatte lange Zeit eine der wichtigsten wissenschaftlichen Positionen in Preußen innegehabt, wenn auch eine unscharf definierte. Ursprünglich hatte er einen Lehrstuhl für Technologie innegehabt, der in der chemischen Fakultät angesiedelt war; 1843 war es ihm jedoch gelungen, seiner Professur die Physik offiziell hinzuzufügen, was auch die Leitung des physikalischen Kabinetts und Labors inbegriff. Damit war er der Berliner De-facto-Professor für Experimentalphysik. An seinem Sterbetag ließ du
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Bois-Reymond Helmholtz wissen, dass »unser alter Freund« unter großen Schmerzen gelitten habe und an Darmkrebs verstorben sei, aber noch »auf seinem Sterbebette« den Brief unterschrieben habe, in dem er Helmholtz als auswärtiges Mitglied der Akademie unterstützte. Du Bois-Reymond schmiedete bereits Pläne, um Helmholtz’ warmen Körper für Berlin zu gewinnen, während Magnus’ Körper gerade erst erkaltete – oder zumindest noch nicht zu Grabe getragen worden war. Nach wie vor war er über sich selbst verärgert dafür, dass er 1868 den Kultusminister Heinrich von Mühler nicht darum gebeten hatte, die Verhandlungen mit Helmholtz wegen Bonn führen zu dürfen. Seine größte Befürchtung war jetzt die, dass der alte Dove der neue Leiter des Physikkabinetts werden könnte, und der junge Quincke, »der bedeutende Kräfte im Ministerium zur Verfügung hat«, zum zweiten Physiker in Berlin gemacht werden könnte. Angesichts der »sehr trüben« (d. h. unklaren) Beschaffenheit von Magnus’ Stelle könne alles passieren.22 Unabhängig davon, ob er selbst diesen Posten angeboten bekäme oder nicht, drückte Helmholtz seine Hoffnung aus, dass jedenfalls nicht Quincke Magnus’ Nachfolger werden würde. Er stellte zudem fest, dass er seit den Bonner Verhandlungen »gegen die Physiologie gleichgültig geworden« sei und ein wirkliches Interesse »nur noch […] für die mathematische Physik« hege. Er hoffte daher, irgendwie auf einen Lehrstuhl für Physik zu wechseln, hielt es aber für wahrscheinlicher, dass Kirchhoff und nicht er den Ruf erhalten würde. Wenn Kirchhoff berufen würde, wollte er selbst zufrieden sein, wenn er Kirchhoffs Stelle als Physikprofessor in Heidelberg bekäme. Zuwider wäre ihm nur, eine zweitrangige Figur »die erste Stelle Deutschlands in der Physik« erhalten zu sehen. Tatsächlich zog Berlin überhaupt nur Helmholtz und Kirchhoff in die engere Wahl – wie Werner Siemens bestätigte, als er nach Heidelberg kam, um über die Berliner Position zu sprechen.23 Abgesehen davon, dass Kirchhoff ein studierter und erfahrener Physiker war, hatte er in den Augen des Ministeriums noch einen weiteren Vorteil gegenüber Helmholtz vorzuweisen: Er würde viel weniger kosten. Allerdings besaß er auch einen Nachteil, und zwar in Gestalt eines Fußleidens – er war seit geraumer Zeit auf Krücken angewiesen –, was in einer kleinen Stadt wie Heidelberg vielleicht weniger zum Problem wurde als in einer Großstadt wie Berlin. Helmholtz selbst zog Heidelberg Berlin bei Weitem vor und hoffte daher, dass Kirchhoff den Ruf erhalten würde. (Es war keine Rivalität im Spiel, die beiden Männer waren und blieben gute Freunde.) Gerüchte begannen sich zu verbreiten: Ende April erfuhr Jolly aus den Zeitungen (»zu meinem nicht geringen Schrecken«), dass Helmholtz Heidelberg verlassen werde. Zu diesem Zeitpunkt war das Gerücht indes falsch. Aber Jolly war bereit, alles zu tun, um Helmholtz zu halten, und fragte ganz diplomatisch genau danach bei ihm an.24 Die Berliner Fakultät empfahl dem Ministerium beide, Helmholtz und Kirchhoff, als Magnus’ Nachfolger. Sie betrachtete Helmholtz zu Recht als den »genia-
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lere[n] und umfassendere[n] Forscher«, Kirchhoff aber als »geschultere[n] Physiker und […] bewährtere[n] Lehrer«. Sie war der Meinung, dass Helmholtz’ Stärke in der Forschung und Kirchhoffs in der Lehre liege (nicht zuletzt im Hinblick auf die Studienanfänger), und stellte fest, dass es wahrscheinlich leichter sein würde, Kirchhoff für Berlin zu gewinnen als Helmholtz. Du Bois-Reymond meinte, das Ministerium wolle nichts mit Helmholtz zu tun haben, da es immer noch wegen der beiden früheren Fehlschläge mit ihm irritiert sei, wolle dies aber wiederum nicht offen zugeben. Deshalb habe es (und das nicht zum ersten Mal) das Gerücht in die Welt gesetzt, dass Helmholtz drei Mängel aufweise: Er sei kein gelernter Physiker, seine Forderungen seien zu hoch, und er sei kein leidenschaftlicher Lehrer, oder zumindest kein guter Lehrer für den Durchschnittsstudenten. Diese Punkte fanden Eingang in einen scheinbar »schmeichelhaften« Zeitungsbericht über Helmholtz, den du Bois-Reymond »perfide« fand. Er kam zu dem Schluss, dass das Ministerium zunächst an Kirchhoff herantreten werde, befürchtete aber immer noch, dass der gesamte Prozess auch schiefgehen könnte – dass also Quincke irgendwie den Ruf erhalten oder zumindest zum Leiter der Instrumentensammlung ernannt werden könnte. Und er glaubte, wenn nur er und nicht irgendein Ministeriumsvertreter die Verhandlungen mit Helmholtz führen würde, er deren erfolgreichen Abschluss schon würde erzielen können. Als Helmholtz’ enger Freund und amtierender Rektor der Berliner Universität war du Bois-Reymonds Ausgangsbasis für eine solche Aufgabe tatsächlich exzellent.25 Helmholtz selbst betrachtete seine Aufnahme in die Akademie und seine Nominierung durch die Berliner Fakultät für die Magnus-Nachfolge als »wahre Ehre« und war gerührt, dass Magnus selbst noch seine Nominierung für die Akademie initiiert hatte. Wie er erklärte, habe er Magnus »immer sehr gern gehabt […]; ich hatte ihn, wie ich nun sehe, mit Unrecht in Verdacht gehabt, daß er gegen meine mathematische Richtung eine gewisse Opposition fühle«. Allerdings zeigte sich Helmholtz auch nicht im Geringsten überrascht über die kolportierten Winkelzüge des Ministeriums gegen seine Kandidatur. Er hatte viel über die Möglichkeit nachgedacht, nach Berlin zu gehen, und kam zu dem Schluss, dass es »zweifelhaft« sei, ob ein Ruf von dort ihm zum Vorteil gereichen würde. Er wusste, dass sein Einfluss als akademischer Lehrer in Berlin viel größer sein würde als in Heidelberg, dachte aber auch, dass ihn die Organisation und Leitung eines Labors völlig vom »produktiven Arbeiten« ablenken würde. In Berlin wäre er zudem nicht annähernd so frei wie in Heidelberg, denn ein Berliner Professor hatte weitaus mehr zeitaufwendige administrative und andere nichtwissenschaftliche Aufgaben wahrzunehmen als ein Heidelberger. Er war auch nicht gewillt, einen Gehaltsverlust in Kauf zu nehmen, nicht einmal im Tausch gegen eine Professur für Physik. Daher hoffte er aufrichtig, dass Kirchhoff den Ruf erhalten und auch annehmen würde, obwohl er Zweifel gerade an Letzterem hatte.26
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Während Kirchhoff sicherlich über einige professionelle Stärken und Erfahrungen in der Physik verfügte, die Helmholtz fehlten, war der doch der bei Weitem dickere Fisch, vor allem mit Blick auf die internationale Wissenschaftsbühne. In Großbritannien war er ein besonders gefragter Mann. 1869 schrieb Acland aus Oxford, genau wie bereits im Vorjahr, dass er und andere dort – darunter Robert Bellamy Clifton (der Professor für Physik), William Donkin (der Savilian Professor für Astronomie) und Henry J. S. Smith (der Savilian Professor für Geometrie) – »sehr darauf erpicht waren, Helmholtz in Oxford zu sehen und zu hören«, und dass sie hofften, dies werde im Sommer 1870 geschehen, wenn Cliftons neues Physiklabor, das Clarendon, nahezu fertiggestellt sein werde. Auch falls Helmholtz schon vorher, in diesem Herbst, nach England kommen würde, hoffte Acland, ihn dann zu treffen. Er wünschte sich auch, dass er in Oxford mehrere Vorträge über Physik und Medizin halten würde, die Oxford University Press dann veröffentlichen könnte. »Wir befinden uns in einem Übergangszustand, der gleichzeitig interessant, beängstigend & mühsam ist«, schrieb Acland und wollte wissen, ob Helmholtz im kommenden Sommer zum BAAS-Treffen in Exeter reisen werde.27 Helmholtz wurde außerdem (wiederum über Acland) von Lord Robert Cecil, dem dritten Marquess von Salisbury, eingeladen, im Rahmen der Feierlichkeiten zu seinem Dienstantritt als neu gewählter Kanzler der Universität von Oxford die Ehrendoktorwürde der Rechtswissenschaften entgegenzunehmen. Salisbury, der einen (viertklassigen) Abschluss in Mathematik gemacht hatte, war selbst als Amateur auf dem Gebiet der Naturwissenschaften unterwegs und förderte diese in Oxford, während er zugleich eine zu starke Ausrichtung der Lehre auf die klassische Bildung kritisierte. Er hatte auch Darwin, Tyndall und Huxley für Ehrendoktortitel nominiert; universitätsintern wurden die Verleihungen an Darwin und Huxley jedoch blockiert, während Tyndalls Name dem zuständigen Gremium nicht einmal vorgelegt wurde (1873 erhielt er die Ehrendoktorwürde dann doch).28 Helmholtz reiste im Juni dieses Jahres jedoch nicht nach Oxford, vermutlich weil er einerseits in die Lehre vertieft war und andererseits in Verhandlungen mit Berlin – in Person von du Bois-Reymond – steckte. Letzterer kam als Emissär des Ministeriums nach Heidelberg, um dort beide Kandidaten, Helmholtz und Kirchhoff, zu treffen. Alle drei unternahmen, in Gesellschaft von Bunsen, dem Chemiker Hermann Kopp und Koenigsberger, zunächst einen gemeinsamen Spaziergang in der Umgebung von Heidelberg. (Es war lange Zeit Helmholtz’ Gewohnheit gewesen, mit Kirchhoff und Bunsen spazieren zu gehen; ab 1869 schloss sich ihnen auch Koenigsberger an.) Doch Kirchhoff ging noch immer an Krücken, sodass du Bois-Reymond und Helmholtz – unter Zurücklassung von Kirchhoff, Bunsen, Kopp und Koenigsberger – ihren Weg das Rheintal hinauf alleine fortsetzten. Du Bois-Reymond stellte fest, dass er Helmholtz »so gut wie je« mochte: »[V]on seinem Großmannswesen läßt er wenigstens mich auch keine Spur merken.«29
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Du Bois-Reymond hatte zunächst ganz offen mit Kirchhoff über die Berliner Stellung gesprochen: Das Ministerium wolle wissen, was nötig sei, um ihn dorthin zu bringen. Er spürte, dass Kirchhoff das Angebot Berlins von jährlich 3100 Talern plus kostenloser Unterkunft als unerwartet großzügig erachtete, und war der Meinung, dass Kirchhoff bereit sei zu kommen. Dieser wollte die Angelegenheit jedoch zunächst mit Karlsruhe besprechen, das seinen eigenen Abgesandten schickte und ihm sofort eine Gehaltserhöhung um 1100 Gulden (etwa 629 Taler) plus einen Assistenten anbot. Kirchhoff beschloss daher, den Status quo beizubehalten, wobei er argumentierte, dass er seiner Fußerkrankung wegen in Heidelberg bleibe, die ihn daran hindern würde, seine Aufgaben in der Großstadt Berlin ordnungsgemäß zu erfüllen. (Koenigsberger behauptete später, dass er und Bunsen die ganze Zeit gewusst hätten, dass Kirchhoff nicht die Absicht hatte, fortzugehen.)30 Du Bois-Reymond telegraphierte die Neuigkeit von Kirchhoffs Antwort an Justus Olshausen, Helmholtz’ alten Freund und Kollegen aus Königsberg, der seit Ende 1858 ein hoher Beamter im preußischen Kultusministerium war. Er ließ sie auch andere in Berlin wissen, »um die Bekannten zu alarmieren u. eine energische Pression zugunsten Helmholtz auszuüben«. Du Bois-Reymond fand, dass das Verhandeln mit Helmholtz in gewisser Weise einfacher sei als mit Kirchhoff, da Karlsruhe Helmholtz nicht das geben könne, was er wollte, nämlich eine Professur für Physik. Zusätzliches Geld würde ihn jedenfalls nicht dort halten.31 Er und Helmholtz erzielten rasch eine vorläufige Einigung über die Bedingungen seiner Berufung nach Berlin als Professor für Physik: ein Jahresgehalt von 4000 Talern; die Zusage, ein neues physikalisches Institut zu bauen und auszustatten, und die Zusicherung, dass Helmholtz allein dessen Direktor sein und daher auch allein darüber befinden werde, wer dort arbeiten – »[g]egen Herrn Professor Dove würde natürlich von meiner Seite die allergrößte Rücksichtnahmer [sic] stattfinden« – und wer den Hörsaal nutzen dürfe; eine Wohnung für Helmholtz innerhalb des Instituts (und in der Zwischenzeit die Zahlung seiner Miete); einen provisorischen Standort für das Institut in der Nähe der Universität; einen oder mehrere Assistenten und, zu guter Letzt, die Übernahme seiner Umzugskosten. Falls der Minister diesen Bedingungen zustimmte, war Helmholtz bereit, nach Berlin zu kommen, um die Details zu besprechen und die Lage persönlich zu erörtern. Und wenn bis zum 1. Juli eine Einigung erreicht werden könnte, würde er sich bereit erklären, im Herbst des Jahres in Berlin mit der Lehre zu beginnen. In einem Brief an einen unbekannten Adressaten äußerte Helmholtz, dass er gerne im Januar des nächsten Jahres in Köln einen Vortrag über Kosmogonie halten würde, wenn er in Heidelberg bleibe, »was im Augenblick einigermaßen zweifelhaft ist«. Du Bois-Reymond berichtete daraufhin aus Berlin, dass einige dortige Fakultätsmitglieder »Deine [Helmholtz’] Forderungen zwar hoch, allein auch gerechtfertigt« fänden, und dass Mühler sich gerade um die finanziellen Mittel bemühe, um sie zu erfüllen. In der Zwischenzeit machte sich
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du Bois-Reymond zielstrebig daran, »aus der philosophischen Fakultät heraus eine Sturmpetition zu organisieren«, die Helmholtz zum Beginn des Wintersemesters nach Berlin bringen sollte. »Mühler hat die notion, daß Du fast ein so großer Gelehrter wie Humboldt seiest«, fügte er hinzu. (Und obgleich sowohl Humboldt, der 1859 starb, als auch Helmholtz bedeutende und im Licht der Öffentlichkeit stehende Wissenschaftler waren, könnte der Minister tatsächlich sogar gesagt haben, dass Helmholtz der bei Weitem größere Wissenschaftler sei.) Für Mühler war die Berufung von Helmholtz nach Berlin gewiss auch »politisch ein Act von grosser Bedeutung«. Ernst Curtius, der Dekan der Berliner philosophischen Fakultät, forderte den Minister auf, »in dieser hochwichtigen Angelegenheit« so schnell wie möglich zu handeln und nicht zu viel Zeit verstreichen zu lassen, wie es 1868 in Bezug auf Bonn geschehen war, damit Helmholtz nicht am Ende das Interesse an Berlin verliere.32 Anna Helmholtz erhöhte den Druck auf Berlin, indem sie du Bois-Reymond informierte, dass Wien Helmholtz haben wolle, worüber du Bois-Reymond das Ministerium sofort in Kenntnis setzte und dessen Entscheidungsfindung damit beschleunigte. Olshausen teilte du Bois-Reymond mit, dieser könne Helmholtz im Vertrauen darüber unterrichten, dass Mühler und der Finanzminister allen Forderungen von Helmholtz zugestimmt hätten. (Dessen persönliches Gehalt von 4000 Talern umfasste 2000 Taler von der Universität, das höchste damals gezahlte Salär, und weitere 2000 Taler von der Akademie.) Darüber hinaus würde Helmholtz noch Einnahmen aus seiner Mitgliedschaft in verschiedenen Prüfungsausschüssen erhalten. Diese Zusage sei immer noch inoffiziell und müsse noch vom preußischen Landtag abgesegnet werden, warnte du Bois-Reymond, teilte Helmholtz aber mit: »Du kannst sie indes für bar Geld nehmen.« Die Angelegenheit könne jedoch allerfrühestens am 1. Januar 1871 endgültig in trockene Tücher gebracht werden.33 Helmholtz dankte du Bois-Reymond umgehend und ausgiebig »für Deine rastlose Tätigkeit und die Liebe, die Du mir und für mich in dieser Berufungsangelegenheit erwiesen hast«, und fügte hocherfreut hinzu: »So ist dieser Ruf nun so ehrenvoll und vorteilhaft ausgefallen, wie ich nur irgend verlangen kann und ohne Deine wirksame Vermittlung nie hätte erwarten können. Abgesehen von der Aussicht, meine Tätigkeit jetzt auf das mir am meisten zusagende Feld der Wissenschaft [also die Physik] beschränken zu können, freue ich mich, bei diesem Übergange auch wieder mit Dir näher zusammen zu sein, denn so schätzenswert auch das Zusammensein mit Bunsen und Kirchhoff in den hiesigen Verhältnissen ist, so stimmten doch unsere Lebensgewohnheiten zu wenig zusammen, um diesen Verkehr eigentlich warm werden zu lassen.« Du Bois-Reymond war allerdings der Meinung, dass Helmholtz ihm in dieser Angelegenheit zu viel Einfluss zuschreibe, und sagte bescheiden, dass es Helmholtz’ Errungenschaften und Ruhm gewesen seien, die zu seiner Ernennung geführt hätten; alles, was er getan habe, sei, den Baum an der richtigen Stelle ein wenig zu schütteln, sodass die Früchte, die eindeutig reif
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zum Pflücken gewesen seien, einfach zu Boden fielen. Er gab Helmholtz den guten Rat, noch nicht sofort nach Berlin zu kommen, da mehrere wichtige Leute gerade abwesend seien, und da er, sobald er einmal dort sei, weniger wie ein Gigant erscheinen würde als jetzt im fernen Heidelberg.34 So war man sich Ende Juni im Großen und Ganzen einig darüber geworden, Helmholtz nach Berlin zu holen. Dieser teilte Mühler am 3. Juli mit, dass er das Angebot Berlins unter der Bedingung annehme, dass seinem Gehaltwunsch entsprochen werde und der preußische Landtag die Mittel zum Bau eines neuen physikalischen Instituts bewillige. Anna ging davon aus, dass sie irgendwann zu Beginn des folgenden Jahres nach Berlin ziehen würden. Sie war traurig, das kleine Heidelberg in Richtung des großen und fremden Berlin zu verlassen, wo sie ein neues Leben werde beginnen müssen. Freilich habe sie es ja, wie sie sagte, schon immer gewusst, dass sie eines Tages dorthin gehen würden.35
Im Deutsch-Französischen Krieg Die übliche Ungewissheit darüber, ob die Zustimmung der Legislative zu gewinnen war, wurde durch die anhaltenden politischen Spannungen zwischen Preußen und Frankreich, genauer gesagt zwischen Bismarck und Napoleon III., noch verstärkt. Du Bois-Reymond warnte Helmholtz, dass der drohende Krieg mit Frankreich zu weiteren Verzögerungen bei dessen Berufung führen könnte. Berlin sei in einer rabiaten antifranzösischen Stimmung, wie er sagte: »Es ist noch dasselbe, vor dem, wie unsere Eltern uns erzählten, die Offiziere der Gens d’armes 1806 die Säbel wetzten.«36 Und der Sohn von Ferdinand Helmholtz verstand diese historische Anspielung zweifellos richtig zu deuten. Helmholtz selbst befürchtete, dass der Krieg schon sehr bald ausbrechen könnte, und machte sich keine Illusionen darüber, dass er auch die Badener und andere Süddeutsche betreffen würde. Er war der Meinung, dass die Franzosen ebenso nach einem Vorwand suchten, um loszuschlagen, wie die Preußen – die ohnehin glaubten, dass der Krieg früher oder später kommen werde – nicht versuchen würden, ihn zu verhindern. »Das kann alle unsere Pläne und Aussichten gewaltig verändern«, äußerte er seiner Frau gegenüber. Seine Befürchtungen wurden von vielen in Europa geteilt. Anna nahm die jüngeren Kinder der Familie (Robert, Ellen und Fritz) mit nach Starnberg bei München; falls es zum Krieg käme, wollte Helmholtz sie dort bei Annas Eltern untergebracht wissen und verlangte, dass Anna nach Heidelberg zurückkehren solle. Dort herrschte, wie er berichtete, »grosse Kriegsbegeisterung«. Tatsächlich wurde bald (am 15. Juli) der Krieg zwischen Frankreich und Preußen erklärt und die badischen Truppen wurden noch an demselben Tag mobilisiert. Möglicherweise würden Soldaten im Hause Helmholtz einquartiert werden. Die Universität jedenfalls wurde zu einem Lazarett und die Studenten Soldaten.37
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Die Mehrheit der badischen Bevölkerung und auch Großherzog Friedrich I. hatten, wie alle Liberalen, schon lange die Einheit Deutschlands angestrebt und wollten sie unter preußischer Ägide bewerkstelligen. Baden hatte mit Preußen kooperiert. Preußische Truppen hatten 1848 dabei geholfen, die Herrschaft des badischen Großherzogs zu sichern, und blieben bis 1852 im Land. Daher gab es dort viel Sympathie für Preußen. Nach Königgrätz (1866) wurde Baden denn auch bereitwillig zu einem Verbündeten Preußens, und seine Truppen kamen unter preußischen Befehl. Den Badenern war nur allzu bewusst, dass sie den nahen französischen Truppen direkt ausgesetzt waren, und dass Frankreich darauf abzielte, Baden zu eliminieren. Als der Krieg schließlich am 29. Juli begann, kämpften die badischen Truppen an der Seite der Preußen an vorderster Front.38 Viele deutsche Ärzte, auch Helmholtz, leisteten während des Krieges Sanitätsdienst. (Anna betätigte sich in der Krankenpflege.) Von Mitte Juli bis Mitte September leitete Helmholtz in Heidelberg die Kommission für die Aufnahme und Verteilung der Verwundeten, dazu eine vergleichbare Dienststelle am Bahnhof; außerdem fungierte er generell als der Vertreter der Heidelberger Ärzteschaft. Er schätzte sich glücklich, eine solche Position innezuhaben und helfen zu können. Schon in den ersten zehn Tagen nach Kriegsbeginn begann sich das Heidelberger Lazarett mit Verwundeten zu füllen – Bayern, Preußen und Franzosen. Man fürchtete, dass Typhus und Ruhr ausbrechen könnten. Anfang August wurde Helmholtz nach Wörth und Sulz entsendet, um dort bei der Versorgung der Verwundeten zu helfen, und begleitete einen Transport von Verwundeten zurück nach Heidelberg. Gelegentlich der blutigen Schlacht bei Wörth, in der die Deutschen einen großen Sieg errangen, hatte er »die Schauer eines Schlachtfeldes nach der Schlacht kennengelernt«. Eine Zeit lang empfand er diese Tätigkeit als erquickend, auch wenn er oft zum Nachtdienst gerufen wurde, und fühlte sich als echter Patriot. Aber am Ende, besonders als die Dinge sich verlangsamten und er weniger zu tun hatte, kam die Erschöpfung. Seine Migräne kehrte zurück, und er litt unter Ohnmachtsanfällen. Sein Freund und Arzt Nikolaus Friedreich riet zu Ruhe und Erholung »von den Mühen und Aufregungen der letzten Zeit«. Mitte September gesellte er sich zu seiner Familie in Starnberg, wo es ihm allerdings zu kalt war. Und so ging Helmholtz, wie Friedreich ihm geraten hatte, für drei Wochen in die Berge (nach Meran), um Molke zu trinken, zu wandern und allgemein seine Gesundheit wiederherzustellen. Als er im Oktober nach Heidelberg zurückkehrte, nahm er seine Tätigkeit als Militärarzt nicht wieder auf, »da meine eigenen Arbeiten mich hinreichend beschäftigen, und ich mein Gehirn doch noch immer etwas vorsichtig behandeln muss«. Da die Universität in diesem Wintersemester nur wenige Studenten hatte, waren seine Lehrverpflichtungen ohnehin minimal. Dass er es sich hatte leisten können, Heidelberg fern zu sein, lag aber auch daran, dass der Krieg für Preußen, Baden und ihre Verbündeten sehr gut verlaufen war. (Anfang September wurde Napoleon III. bei Se-
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dan gefangen genommen, und seine Herrschaft brach zusammen.) Karl Christian Bruhns bat Helmholtz, für einen Sammelband zur Feier von Humboldts 100. Geburtstag einen Aufsatz über dessen physiologische Leistungen zu schreiben, was Helmholtz jedoch – aufgrund mangelnder Begeisterung oder Energie – ablehnte.39 Allerdings leistete Helmholtz, wenn auch unwissentlich, eine andere Art von Beitrag zu den Kriegsanstrengungen: Dank Thomson beteiligte er sich nämlich an einer Propagandakampagne. Ende Juli hatte Thomson ihm geschrieben, um sich für sein Kondolenzschreiben zum Tode seiner Frau zu bedanken und sein Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen, dass sie sich nun nicht treffen konnten. Thomson war in Sorge um Helmholtz, bat ihn um briefliche Nachricht und äußerte die Hoffnung, dass er im Herbst nach England kommen würde. Helmholtz antwortete ihm (auf Englisch), dass er vorhabe, zum kommenden April nach Berlin überzusiedeln – sofern der Krieg für die deutschen Staaten erfolgreich verlaufe und die preußische Legislative der Vorlage des Ministeriums wegen der Mittel zum Bau eines neuen physikalischen Instituts zustimme. Weiter schrieb er: »Zur Zeit bin ich von morgens bis abends vom Krankenhausgeschäft okkupiert. Wir haben hier bereits 500 Verwundete und bereiten die gleiche Anzahl an Betten für die Opfer vor, die bei Metz dahingeschlachtet wurden. Die Freude über die deutschen Siege wird durch die furchtbare Zahl der gefallenen Soldaten sehr getrübt.« Er habe, wie er erklärte, auch selbst Familie im Krieg: Einer von Olgas Neffen und einer von Annas Brüdern stünden »vor dem Feind«, während einer seiner eigenen Söhne, Richard, sich in der militärischen Ausbildung befinde. Richard hatte sich (auf Drängen von Helmholtz) zu Beginn des Krieges freiwillig zum Karlsruher Artillerieregiment gemeldet. Er diente im Winterfeldzug gegen General Bourbaki und wurde Ende Januar durch eine fehlgeleitete (deutsche) Granate leicht im Gesicht verwundet, bevor er im März 1871 aus der Armee entlassen wurde.40 Sollte Napoleon III. erfolgreich sein, so würde dies, wie Helmholtz weiter schrieb, für die Badener und andere die »politische Auslöschung« bedeuten, und diese Einsicht treibe die Deutschen an. »Jetzt sind wir verpflichtet, den Krieg bis zum Ende zu führen, [damit] eine Wiederholung eines solchen Raubzuges, wie ihn Napoleon sich vorgesetzt hatte, auf lange Jahre hin unmöglich wird.« Die Franzosen hätten Gräueltaten begangen und der französische Außenminister, der Herzog de Gramont, habe zudem »die heimtückische Lüge erfunden, dass die badische Armee explodierende Musketenkugeln verwendet und die [Sankt] Petersburger Konvention verletzt habe«. Und obwohl dem Minister inzwischen sehr wohl bekannt sei, dass das nicht stimmte, drohe dieser dennoch die Verwüstung ganz Deutschlands an. Zu diesem Zweck setzten die Franzosen sogar »die Turkos, diese afrikanischen Wilden« ein, die »an unsere Grenze geworfen wurden«. (Die »Turkos« oder tirailleurs indigènes waren als besonders unerbittlich bekannte Infanterieregimenter, die während 30 Jahren französischer Kriegshandlungen in Afrika aus Einheimischen
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gebildet worden waren.) Helmholtz behauptete trotzdem, dass diese »Turkos« den deutschen Soldaten nicht die Stirn bieten könnten; sie kämpften vielmehr »nur gegen Frauen und Kinder«. Er nahm zwar an, dass der Krieg bald vorbei sein werde, erklärte aber, dass er dennoch nicht so bald nach England kommen könne, da »[u]nsere Krankenhäuser […] nicht allzu bald evakuiert werden« dürften, und schloss sein Schreiben, indem er Thomson dafür dankte, dass er ihm »die Exemplare Ihres neuen Kopiertelegraphen« übersandt hatte.41 Diesen Brief ließ Thomson dann aus eigener Initiative und ohne Helmholtz’ Wissen oder Zustimmung (mit kleineren Korrekturen versehen) als »A German View of the War« im Glasgow Daily Herald vom 9. September 1870 veröffentlichen. Helmholtz hatte ihn in einem ziemlich aufgewühlten Zustand geschrieben. Andere unternahmen ähnliche propagandistische Anstrengungen – so sprach beispielsweise Theodor Mommsen die Italiener an, indem er offene Briefe an zwei Mailänder Zeitungen schrieb, David Friedrich Strauß wandte sich mit einem offenen Brief an Ernest Renan an die Franzosen, und Max Müller und Thomas Carlyle richteten offene Briefe an die Times respektive die Engländer. Allerdings waren ihre Briefe namentlich gezeichnet, während Helmholtz’ Schreiben anonym erschien. Thomson selbst missbilligte die französische Kriegserklärung und erinnerte sich, dass Helmholtz ihm 1859 in Arran gesagt hatte, dass Frankreich eine ständige Bedrohung für eine Vereinigung der deutschen Staaten darstelle. Er fuhr fort: »Ich glaube, dass der Kaiser, die Beamten, die Journalisten und das Volk eine vernichtende Niederlage verspüren müssen, um sich für immer von dieser Krankheit der Eitelkeit zu kurieren, von der Louis Napoleon als Kaiser nur ein Symptom ist [sic] war. Ich glaube, Frankreich selbst wird aufgrund der bitteren Lektion, die Sie ihm gerade erteilen, in zehn Jahren besser und glücklicher dastehen. Aber es ist ein schrecklicher Preis, den Sie für das zahlen müssen, was nur Ihr Recht ist.« Das Einzige, was Thomson unparteiisch betrachtete, waren die Verwundeten auf beiden Seiten, und so beteiligte er sich an Spendenaktionen zu ihren Gunsten. Er schickte 50 Pfund auch an Helmholtz, die dieser nach eigener Einschätzung entweder für die Arbeit im Krankenhaus oder für hinterbliebene Familien einsetzen sollte.42 Du Bois-Reymond hatte gehört, dass Helmholtz seine »alten militärärztlichen Künste« praktizierte. Alles, was er selbst »dem Vaterlande« zu geben gehabt hatte, war seine Rede vom 3. August unter dem Titel »Der Deutsche Krieg«, die mittlerweile bereits ihre dritte Auflage in Höhe von 2000 Exemplaren erlebte. Es war eine brillante, aber höchst chauvinistische Rede, in der du Bois-Reymond die Deutschen als friedliebende Unschuldsengel hinstellte, die lediglich ihr Land um jeden Preis gegen die Franzosen verteidigen wollten. Letztere hielt er dagegen für egoistische, militärisch aggressive und blutrünstige Imperialisten, unzivilisiert (allem Augenschein zum Trotz) und ganz allein verantwortlich für den Krieg. Die Berliner Universität bezeichnete er bei dieser Gelegenheit bekanntlich als das »geistige Leib-
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regiment des Hauses Hohenzollern«. Diese Rede sollte sein öffentliches Image entscheidend prägen. In Frankreich erregte sie viel Anstoß, wurde in Deutschland und anderswo allerdings überwiegend positiv aufgenommen. Helmholtz dankte seinem treuesten Freund für die Zusendung eines Exemplars und kommentierte: »Sie war mir aus der Seele gesprochen, und die starke Nachfrage nach derselben zeigt, bei wie vielen andern dies auch der Fall war.« Rhetorisch fragte er, was aus »der unglücklichen Nation« (also Frankreich) nur werden solle: »Wie weit wird sie sich in ihrer wahnsinnigen Eitelkeit und ihrem ohnmächtigen Hasse noch verzehren? Es ist eine furchtbare Tragödie und eine zermalmende Gerechtigkeit darin!«43 Im Herbst 1870 entfernte sich der Krieg immer weiter von Helmholtz und Heidelberg, abgesehen von den vier Baracken, die vor dem neuen, halb fertig gestellten Heidelberger Krankenhaus errichtet worden waren, und einigen Soldaten, die auf Krücken durch die Straßen der Stadt humpelten. Die deutschen Truppen hatten die Oberhand gewonnen, und das schnell und entschieden. Wären die Franzosen nicht ein »so entsetzlich leichtsinniges und fahrlässiges Volk«, dann hätten sie, wie Helmholtz gegenüber Knapp im fernen New York sinnierte, den Krieg vielleicht gleich zu Anfang für sich entscheiden können. Am 15. November löste Baden seine Verbindungen mit dem Norddeutschen Bund und trat dem neuen Deutschen Bund bei. Außerdem unterzeichnete es ein Abkommen, das seine Truppen dauerhaft unter das Kommando Preußens stellte, und seit Mitte Dezember gehörte es dem gerade im Entstehen begriffenen Deutschen Reich an. Der Großherzog von Baden (Friedrich I.) war am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles bei der Ausrufung dieses neuen Reiches und der Krönung von König Wilhelm I. von Preußen zum Deutschen Kaiser anwesend. Der badische Monarch und sein Volk, darunter auch Helmholtz, begrüßten die Einheit mit großer Begeisterung. Am 28. Januar 1871 kapitulierte Paris, und drei Tage später wurde ein Waffenstillstand verkündet. Für seine Unterstützung der deutschen Kriegsanstrengungen durch die Pflege Verwundeter verlieh der Großherzog von Baden Helmholtz ein für diesen Zweck neu geschaffenes Erinnerungskreuz.44
Verhandlungen mit Berlin Im Oktober besuchte du Bois-Reymond Helmholtz erneut in Heidelberg und berichtete ihm, dass sein persönliches Salär zwar beschlossene Sache sei, die Mittel zum Bau des neuen Instituts aber noch bewilligt werden müssten. Das geschah zwar innerhalb von Tagen, aber dann musste der Landtag neu einberufen werden, und es musste erneut in der Sache entschieden werden. Du Bois-Reymond warnte, dass angesichts der Unwägbarkeiten des Krieges die Mittel für das neue Gebäude notwendigerweise in der Schwebe bleiben müssten. Er schlug vor, dass Helmholtz im November nach Berlin kommen sollte, um sich dort eine Wohnung zu suchen,
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und lud ihn und seine Frau ein, bei ihm Quartier zu nehmen. Helmholtz war bereit, mit einer Verzögerung bei der Mittelbewilligung zu leben, vorausgesetzt dass erstens, sobald die finanzielle Situation des Staates wieder Vorkriegsniveau erreicht hätte, die Regierung die Sache unverzüglich der Legislative erneut vorlegen würde und dass zweitens die provisorischen Gegebenheiten am Institut ausreichend wären, damit er dort seine experimentelle Arbeit tun und ein Studentenlabor leiten könne. Allerdings hatte er nicht vor, nach Berlin zu kommen und sich dort eine Wohnung zu nehmen, bevor seine Berufung nicht definitiv genehmigt war. Weierstraß informierte ihn, dass das Ministerium die Finanzierung zwar in seinem Haushalt beantragt habe, dass aber er selbst und andere an der Universität die Befürchtung hegten, dass die Verzögerung bei der Mittelbewilligung dazu führen könnte, dass Helmholtz den Wechsel nach Berlin – »dies[e] für die Facultät so wichtigen Angelegenheit« – verschleppen werde. Deshalb brachte er einen Ministerialbeamten dazu, Helmholtz schriftlich zuzusichern, dass es keinen Grund zur Sorge gebe. Die Berliner Fakultät hoffte, dass Helmholtz zu Ostern 1871 vor Ort sein werde.45 »Es ist mir das [nämlich Weierstraß’ Mitteilung] sehr beruhigend«, teilte Helmholtz Bois-Reymond mit, »denn ich hatte auch angefangen zu fürchten, daß ich den nächsten Sommer noch würde hier bleiben müssen, und wenn man sich schon entschlossen hat, noch einmal eine solche Verpflanzung vorzunehmen, so ist es natürlich wünschenswert, es sobald wie möglich zu tun.« Er hatte Bedenken, dass der Landtag so sehr mit dem Abstimmungsprozedere und anderen Angelegenheiten beschäftigt sein könnte, dass sich die Dinge noch weiter verzögern würden. Sobald über die Mittel abgestimmt wäre, sei er bereit, für Berlin zu unterschreiben; in der Zwischenzeit wollte er Berlin nach Weihnachten besuchen, um das provisorische Labor einzurichten, eine Wohnung zu finden und sich um andere Angelegenheiten zu kümmern. Seine Erfahrungen mit den Berliner Geheimräten hatten ihn gelehrt, dass, sobald er seinen Rücktritt in Karlsruhe eingereicht hätte, »alles zu meinem Schaden entschieden werden« würde. Mitte Dezember unterbreitete das Ministerium ein definitives, schriftliches Angebot, setzte ihn aber auch darüber in Kenntnis, dass sich die Genehmigung der Mittel für ein neues Physikgebäude aufgrund der Kriegsausgaben um mindestens ein Jahr verzögern werde. Mühler versicherte aber, dass die Abgeordneten die beantragten Mittel auf jeden Fall bewilligen würden, und drängte Helmholtz, in Baden um seine Entlassung zu Ostern nachzusuchen. Der stets vorsichtige Helmholtz stimmte zu, erklärte aber, er werde den Brief nicht vor seiner Ankunft in Berlin abschicken. Zwischenzeitlich bat er du Bois-Reymond, ihm mithilfe eines Vermietungsbüros eine Liste mit verfügbaren Wohnungen zu besorgen, die in der Nähe des Tiergartens liegen sollten und bis zu 1000 Taler Miete im Jahr kosten durften. Wie immer sprang du Bois-Reymond seinem Freund zur Seite.46 Seiner Schwiegermutter teilte Helmholtz mit, dass sie im Begriff seien, dauerhaft nach Berlin umzusiedeln. Er dankte ihr für das jüngst erhaltene Weihnachts-
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geschenk, bestehend aus zwei Büchern von David Friedrich Strauß (Voltaire. Sechs Vorträge und Das Leben Jesu), die er nach eigenem Bekunden »sehr hoch« schätzte. Das letztgenannte Buch »muss man doch immer wieder von Zeit zu Zeit ansehen, um sich auf Diskussionen gerüstet zu halten, da man sonst einzelne Tatsachen leicht wieder aus dem Kopfe verliert. Am Ende kann sich Niemand, der für menschliche Bildung zu arbeiten hat und deren Interessen zu vertreten hat, religiösen Diskussionen entziehen, wie sie gelegentlich aufstossen, wenn man sie auch nicht suchen wird«, wie er ihr gegenüber sagte. Einen Monat später griff er das Thema ihr gegenüber erneut auf: Er müsse anerkennen, dass dieses Buch eine größere Liebe und Bewunderung für die Begründer unserer Religion zeige als sämtliche orthodox-kirchlichen Darstellungen der einen oder anderen Partei. »Der vermeintliche Gott blieb mir fremd, aber den Menschen verstehe ich.«47 Helmholtz und seine Frau reisten am 26. Dezember nach Berlin und kamen bei den du Bois-Reymonds unter. Während er das Ministerium konsultierte, suchte sie nach einer Bleibe »in allen gut gelegenen Strassen«. Sie fand eine Wohnung in der Nähe des Tiergartens für 1100 Taler, die freilich bei Weitem nicht ihren Vorstellungen entsprach. Helmholtz bekam alles, was er vom Ministerium verlangt hatte, trat in Verhandlung über ein Grundstück für das neue Gebäude und besichtigte die Räumlichkeiten des provisorischen Instituts. Alle hätten sich bemüht, »zuvorkommend und liebenswürdig« zu ihm zu sein. Gemeinsam mit Anna traf er alte Freunde und fand neue. Es wurden Abendessen und ganze Gesellschaftsabende für sie auf die Beine gestellt. Die du Bois-Reymonds »waren einzig freundlich und gastlich« zu ihnen und luden, wie Helmholtz berichtete, »Gott und die Welt ein für uns, ich sah sehr elegante und reizende Einrichtungen«. Sie lauschten auch einem Konzert in der Wohnung des Geigers Joseph Joachim. Insgesamt blieben sie acht Tage in der Stadt (»unsere Nordpolfahrt nach Berlin«, wie Anna ihre Reise nannte). Bevor sie wieder abreisten, wurden sie psychologisch in die Pflicht genommen: Anfang Januar bat Borchardt Helmholtz darum, ein Manuskript von Ludwig Boltzmann – gegen das er selbst Vorbehalte hegte – für sein Journal zu rezensieren, und fügte hinzu, dass sich alle darauf freuten, ihn ab Ostern in Berlin zu haben.48 Du Bois-Reymond schrieb an Ludwig, dass Helmholtz’ Besuch sehr gut verlaufen sei und alles für seinen Umzug vorbereitet sei. Tatsächlich bat Helmholtz am Neujahrstag 1871 Baden darum, ihn von seinen Dienstpflichten zu entbinden, damit er am 1. April seine Lehrtätigkeit in Berlin aufnehmen könne. Zugleich drückte er Jolly und dem Großherzog seine Hochachtung und Dankbarkeit für alles aus, was sie und das Land Baden im Laufe der Jahre für ihn getan hatten.49 Doch dann tauchte ein neues potenzielles Hindernis in Form einer Sondierung aus Cambridge auf. Großbritannien befand sich in der frühen Phase seiner »Endowment of Scientific Research Movement« (1868 – 1900), die darum bemüht war, die finanzielle Förderung der wissenschaftlichen Forschung, speziell in den exakten
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Wissenschaften, zu verbessern. Seit ihren allerersten Anfängen in den 1850er-Jahren hatte diese Bewegung sich vor allem an den deutschen Standards orientiert, und Helmholtz mit all seinen freundschaftlichen Beziehungen zu Vertretern der britischen Wissenschaft war genau das, was die neue Bewegung brauchte. Ende Januar schrieb ihm also Thomson, der von dem Angebot aus Berlin wusste, im Namen von Stokes und anderen in Cambridge und fragte ihn, ob er es in Erwägung ziehen würde, die dort neu eingerichtete Professur für Experimentalphysik samt der Leitung des ebenfalls nagelneuen Cavendish-Laboratoriums zu übernehmen. »Es gibt den starken Wunsch, in Cambridge eine Schule der Experimentalwissenschaft aufzubauen«, schrieb Thomson, »und zwar nicht nur durch die planmäßige Verbindung von Vorlesungen mit veranschaulichenden Experimenten, sondern mithilfe eines physikalischen Laboratoriums, in dem die Studenten unter der Leitung des Professors und seines Assistenten oder seiner Assistenten Experimente durchführen sollen und wo dem Professor sämtliche Möglichkeiten für seine eigene experimentelle Forschung zur Verfügung stehen werden.« Das neue Laborgebäude befand sich noch im Bau (der Herzog von Devonshire hatte 6000 Pfund dafür bereitgestellt). Helmholtz könnte mit einer jährlichen Vergütung von 500 Pfund nebst Studiengebühren rechnen. Darüber hinaus würde er zum Fellow des Peterhouse College ernannt, was ein zusätzliches Einkommen bedeutete (250 – 300 Pfund). Alles in allem würde sein Einkommen bei mindestens 800 Pfund jährlich liegen, wie Thomson annahm. Das war ein großzügiges Angebot, da ein britischer Professor zu jener Zeit von 500 Pfund im Jahr bequem leben konnte. Und wenn er auch noch die Mitgliedschaft am Trinity College erhielte, würde er weitere 600 Pfund verdienen, was dann insgesamt etwa 1400 Pfund pro Jahr ausgemacht hätte. Thomson fügte hinzu, dass Großbritannien neben dem finanziellen Anreiz noch andere Vorteile biete: »Der Wunsch nach der physikalischen Wissenschaft wird in der Universität stärker und stärker, und die Macht der öffentlichen Meinung zu ihren Gunsten nimmt stetig zu und wird diesen Wunsch wieder anfachen, sofern ein Anreiz vonnöten sein sollte.« Helmholtz müsste nur 20 Wochen pro Jahr Vorlesungen halten, die übrige Zeit bliebe ihm für seine eigene Forschung. »Ich brauche nicht zu erwähnen, dass es für englische Wissenschaftler eine große Befriedigung und ein Gewinn wäre, Sie bei uns zu haben, anstatt nur die sehr seltene Gelegenheit zur Begegnung mit Ihnen zu haben, und dass ich selbst den Unterschied in der Entfernung zwischen Glasgow und Cambridge und [zwischen Glasgow und] Berlin als großen Vorteil betrachten würde.« Helmholtz lehnte das Angebot ab, und im März 1871 nahm Maxwell die Cavendish-Professur an. Dennoch schickte Helmholtz eine Abschrift von Thomsons Brief an Olshausen im Ministerium, der antwortete, dass er und der Unterstaatssekretär sich darüber einig seien, dass Helmholtz keine Schwierigkeiten in Bezug auf seine Position oder das Institut zu gewärtigen haben solle. Der König werde bald die notwendigen Papiere unterzeichnen, um seine Berufung abzuschließen.50 Das Ministerium war nervös.
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Du Bois-Reymond setzte Helmholtz darüber in Kenntnis, dass die provisorische Unterbringung des physikalischen Instituts unter Dach und Fach war. Das Institut verfügte über sechs Räume im Ostflügel des Universitätsgebäudes (Prinz-Heinrich-Palais), nicht weit entfernt von den beiden Räumen im Erdgeschoss, welche die Instrumentensammlungen beherbergten, und dem Auditorium. Er hatte zwar auch schon mit einem hohen Ministeriumsbeamten über den Kauf eines Grundstücks für das neue Institutsgebäude gesprochen, doch über den konkreten Standort war noch nicht entschieden worden. Die gute Nachricht in Bezug auf die Räumlichkeiten war die, dass Helmholtz dort rechtzeitig zu Beginn des neuen Semesters über ein Laboratorium verfügen würde. Er hatte bereits drei amerikanische Besucher in Heidelberg, die mit ihm nach Berlin gehen wollten und sich erkundigten, wann das Labor zugänglich sein werde.51
Über die Entstehung des Planetensystems und des Lebens Helmholtz verbrachte die ersten drei Monate des Jahres 1871 damit, sich auf den Weggang aus Heidelberg vorzubereiten. Es war ein kalter Winter, in Heidelberg ebenso wie in Berlin, und die Heidelberger bekamen dazu drei Tage lang ein Erdbeben samt Nachbeben zu spüren. In diesem Winter konnten sie eine Aufheiterung gebrauchen. Bevor er abreiste, hielt Helmholtz mehrere Abschiedsvorträge. Einer davon, »Über die Entstehung des Planetensystems«, war ein Benefizvortrag zugunsten kriegsversehrter Soldaten. Das Auditorium war voll besetzt, die Bühne mit Lorbeeren geschmückt, und »das gesamte Publikum erhob sich, als er erschien«.52 Und Helmholtz gab ihnen die Stimmungsaufhellung, die sie brauchten. Sein Vortrag bestand allerdings zum Teil aus einer überarbeiteten früheren Rede; er hatte sie oder zumindest eine Version von ihr bereits im Rahmen des Vortragszyklus von 1862/63 gehalten, dessen Einführungsvortrag der Krafterhaltung gewidmet gewesen war. Einen Monat später in Köln sollte er sie noch einmal halten. Helmholtz plädierte in seiner Rede erneut für die Gültigkeit der Kant-Laplace’schen Hypothese zur Erklärung der Ursprünge des Planetensystems, warf aber auch Fragen nach dem Ursprung des Lebens und der letzten Bestimmung der Menschheit auf. Das waren Themen, die jedem auf der Seele brannten. Da er in einem populären Vortrag darüber sprach, glaubte er, die populärwissenschaftliche Vorgehensweise selbst rechtfertigen zu müssen, die normalerweise auf »wohlgesicherte[n] Thatsachen und fertige[n] Ergebnisse[n] der Forschung […] und nicht auf unausgereiften Vermutungen, Hypothesen oder Träumen« basieren solle. Die Frage nach dem Ursprung der Welt sei jedoch immer schon »der Tummelplatz ausschweifendster Speculationen gewesen«. Daher fühlte er sich wohl etwas unbehaglich, was das Spekulieren anging, ordnete er sich damit letztlich doch unter die antiken kosmologischen Mythenbildner ein. Dennoch sei, wie er sagte, das von allen seit jeher ge-
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fühlte Interesse unverkennbar, Bescheid wissen zu wollen über den Ursprung und das Ende des Menschen sowie über den Ursprung und das Ende der Welt, wobei die Frage nach dem Ende »vielleicht noch grösseres praktisches Interesse als die nach dem Anfange« habe.53 Er erinnerte seine Zuhörer daran, dass Kant bis zu seinem 40. Lebensjahr größtenteils Naturforscher gewesen sei und seine philosophischen Schriften erst spät entstanden. Kant habe gezeigt, dass man über kosmologische Fragen mittels der »inductive[n] Methode« sprechen könne, statt »zu den luftigen Speculationen einer angeblich ›deductiven Methode‹« greifen zu müssen. Helmholtz war davon überzeugt, dass die Plausibilität der Kant-Laplace’schen Hypothese zunehmende wissenschaftliche Bestätigung erfahren habe, und hielt daher ihre weitere Popularisierung für gerechtfertigt.54 Helmholtz erschienen das Gesetz von der universellen Gravitation und die Spektralanalyse als zwei ganz herausragende Entdeckungen, da sie es den Wissenschaftlern erlaubten, Rückschlüsse auf das Wesen und das Verhalten von Materie im gesamten Universum zu ziehen. Die Spektralanalyse zeige die Ähnlichkeiten zwischen irdischen und himmlischen Körpern, verhelfe zu der Erkenntnis, dass das meiste Licht durch gasförmige Staubwolken hindurch ausgestrahlt werde, und offenbare die chemische Zusammensetzung der Sonne (und anderer Himmelskörper) sowie die weit verbreitete Existenz von Stickstoff und Wasserstoff in den Himmelssphären.55 Obwohl man lange Zeit geglaubt habe, dass das Sonnensystem im Wesentlichen unveränderlich sei, habe die moderne wissenschaftliche Forschung herausgearbeitet, dass es sich in Wirklichkeit permanent verändere, dass der Weltraum nicht leer, sondern vielmehr überall mit Lichtäther (einem Medium, durch dessen Erschütterung Licht und strahlende Wärme entstünden) und unzähligen Bruchstücken schwerer Masse von ganz verschiedener Größe erfüllt sei, und dass bei der Bewegung der Planeten Reibung (und damit Wärme) erzeugt werde. Wenn Meteorsteine mit hoher Geschwindigkeit den Weltraum durchquerten und in die Erdatmosphäre eindrängen, erhitzten sie sich sehr stark, allerdings nur an ihrer Oberfläche und nicht im Inneren. Die kosmologische Geschichte der Erde unterschied sich nach Helmholtz nicht von der anderer Himmelskörper im Sonnensystem: Während sie sich seit Millionen von Jahren durch den Weltraum bewegen, ziehen sie lose Masse an und nehmen damit allmählich an Größe zu. Daraus folgte für Helmholtz, dass vielleicht die gesamte Masse einst lose zerstreut (also letztlich als Staub) durch den Weltraum geschwärmt sei.56 Helmholtz präsentierte seinen Zuhörern noch ein weiteres Argument, das die Kant-Laplace’sche Hypothese unterstützte: dass nämlich die Bahnebenen und Äquatorebenen aller Planeten und ihrer Trabanten kaum voneinander abweichen und, abgesehen von ein paar kleinen Monden, alle in die gleiche Richtung rotieren.
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Dahinter sah er ein nicht zufällig zustande gekommenes System, in dem Zusammenhänge zwischen den Körpern bestanden (obwohl er anmerkte, dass bei Kometen und Meteorschwärmen diesbezüglich »Regellosigkeit« herrsche). Die Ursache dieser Übereinstimmung suchte er in den gemeinsamen Ursprüngen der Planeten. Die verschiedenen Kräfte und Vorgänge im Universum hätten im Laufe der Zeit kleinste Materieteilchen zu größeren zusammengezogen, was schließlich in der Entstehung der Planeten und ihrer Trabanten resultierte, die sich auf elliptischen Bahnen um die Sonne drehen. Nach der von Kant und Laplace formulierten Hypothese, so Helmholtz weiter, war das Sonnensystem ursprünglich »ein chaotischer Nebelball«, in dem »viele Billionen Cubikmeilen kaum ein Gramm Masse enthalten konnten«. Dieser Ball habe zunächst eine langsame Rotationsbewegung besessen; während er sich aber unter dem Einfluss der gegenseitigen Anziehung seiner Teile verdichtete, habe die Rotationsbewegung zugenommen und ihn zur Form einer Scheibe auseinandergetrieben. Dabei trennten sich immer wieder Massen von dieser Scheibe ab und ballten sich selbst wiederum zusammen, was in einigen Fällen zur Entstehung eines Planeten geführt habe, in anderen zur Entstehung von Trabanten, im Falle des Saturns zu seinen Ringen und so weiter. Dieser Prozess sei nach wie vor im Gange.57 Die himmlische Thermodynamik sei zugleich die terrestrische, denn sie habe meteorologische, geologische und organische Systeme erzeugt und treibe sie an. Wie Helmholtz bereits in seinen Londoner Vorträgen von 1864 bemerkt hatte, ist es die Sonnenstrahlung, die in Form von Wärme und Licht sämtliches Leben auf der Erde erhält. Die Sonnenwärme sah er auch als die treibende Kraft in der Atmosphäre der Erde, in ihren Wassermassen und Winden und in anderen Dingen. Das organische Leben selbst entstehe aus Wasser in Verbindung mit Sonnenenergie; Pflanzen und Tiere dienten wiederum dem Menschen als Nahrung und Energiequelle. Tatsächlich brachte Helmholtz die kohlenstoffhaltige Materie (fossile Brennstoffe) direkt mit der modernen, industriellen Welt in Verbindung: »Sogar die Steinkohlen und Braunkohlen, die Kraftquellen unserer Dampfmaschinen, sind Reste urweltlicher Pflanzen, alte Erzeugnisse der Sonnenstrahlen.«58 Dürfen wir uns daher wundern, fragte er rhetorisch, dass »unsere Urväter arischen Stammes in Indien und Persien die Sonne als das geeignete Symbol der Gottheit ansahen? Sie hatten Recht, wenn sie in ihr die Spenderin alles Lebens, die letzte Quellen allen irdischen Geschehens erblickten.« Allerdings wollte er die Sonne nicht als geheimnisvolle Gottheit oder mystische Entität verstanden wissen, sondern als einen Körper aus Materie, den der Verstand begreifen kann. Daher fragte Helmholtz auch als Nächstes, woher die Kraft der Sonne denn stamme. Zweifellos leiste ja die Wärme der Sonne »eine grosse mechanische Arbeit« auf Erden und treibe die Sonne hier eine Art von äußerst starker Dampfmaschine an, deren Leistung jedes vorstellbare Maß weit übersteige. Doch woher stammte der unge-
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heure Energievorrat der Sonne? In seiner Antwort verwies Helmholtz zunächst auf die Wärme, die schon von Meteoriten und anderer himmlischer Materie erzeugt werde, wenn sie in unsere Erdatmosphäre eintreten. Zwar ging er davon aus, dass weit mehr Meteoriten auf die Sonne niedergingen als auf die Erde, wollte dies jedoch höchstens für einen Teil der Wärmeausgabe der Sonne verantwortlich machen. Vielmehr könne der kolossale Vorrat an Energie, der die Wärmeausgabe der Sonne decke, nur durch »kosmische Kräfte« erzeugt worden sein, die bei der Entstehung der Sonne durch Verdichtung unter dem Einfluss der Schwere wirkten.59 In der Sonne hatte sich nach Helmholtz genug Wärme angesammelt, um den Bedarf der Erde mindestens während der letzten 22 Millionen Jahre zu decken, und er vermutete, dass sie bei fortschreitender Verdichtung zusätzliche Energie akkumulieren werde, um für mindestens weitere 17 Millionen Jahre Wärme auf die Erde abzustrahlen. Er kam auch auf die hohe Kerntemperatur der Erde zu sprechen, »welch[e] kaum etwas anderes sein kann, als ein Rest des alten Wärmevorrathes aus der Zeit ihrer Entstehung«. Alles zusammengenommen hielt er die kühne und erstaunlich brillante Kant-Laplace’sche Hypothese für bestätigt. Dennoch werde die Sonne, indem sie den ihr innewohnenden Wärmevorrat allmählich abgebe, am Ende von selbst erlöschen – und damit auch das Leben. Uns Menschen falle es schwer, diesen Gedanken zu akzeptieren, räumte er ein, denn »er erscheint uns wie eine Verletzung der wohlthätigen Schöpferkraft, die wir sonst in allen, namentlich die lebenden Wesen betreffenden Verhältnissen wirksam finden«. Aber die Menschheit müsse eben lernen, sich in den Gedanken zu finden, und einsehen, dass wir Menschen, auch wenn wir uns gerne »als den Mittelpunkt und Endzweck der Schöpfung« betrachten, doch »nur Stäubchen sind auf der Erde, die selbst ein Stäubchen ist im ungeheuren Weltraume«. Die Dauer des menschlichen Geschlechts sei, ebenso wie die seiner verschiedenen Vorläufer, nichts im Vergleich zu den Zeiträumen, in denen Welten sich gebildet hätten und sich wohl auch noch weiter bilden würden – selbst dann, wenn die Sonne ihren Energievorrat erschöpft habe und die Erde in Kälte erstarre.60 Helmholtz’ Sichtweise der Ursprünge des menschlichen Lebens war nichtchristlich und dem Evolutionsgedanken zugeneigt. Vielleicht kam das menschliche Leben auch aus dem Meer, überlegte er. Und, so fragte er, wer wisse schon zu sagen, zu welchen neuen Lebensformen die Entwicklung in den nächsten 17 Millionen Jahren noch führen werde? Vielleicht würden unsere Knochenreste unsren evolutionären Nachfolgern eines Tages ebenso ungeheuerlich erscheinen wie uns heute die der Ichthyosaurier. »Ja, wenn Erde und Sonne regungslos erstarren sollten, wer weiss zu sagen, welche neue Welten bereit sein werden, Leben aufzunehmen.«61 Ganz neuartiges und umstrittenes Terrain sollte sein Vortrag aber erst noch betreten, als er nämlich darüber spekulierte, dass Meteoriten, Kometen oder andere interstellare Materie »Keime des Lebens« oder Mikroben (oder sonstiges or-
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ganisches Material) in ihrem Inneren enthalten könnten und diese Keime über einen langen Zeitraum und unter den richtigen Bedingungen zu gedeihen beginnen könnten. Tatsächlich hätte sich ein solcher Prozess nicht nur auf der Erde, sondern auch anderswo im Universum, also auf anderen Planeten, ereignen können. Von solchem Leben, so unterschiedlich seine Erscheinungsform auch sein möge, glaubte Helmholtz, dass es dem unsrigen vielleicht doch im Keime verwandt sein würde.62 Damit verbreitete Helmholtz öffentlich die Idee eines außerirdischen Ursprungs des Lebens, eine Vorstellung, die manchmal auch als »Panspermie« (wegen der überall im Weltraum vorhandenen lebensspendenden Samen) oder »kosmozoische Hypothese« bezeichnet wird. Und obgleich sein Name eng mit dieser Idee verknüpft wurde, war er tatsächlich weder der Erste noch der Letzte, der sie vertrat. Seit Mitte der 1860er-Jahre hatten vor allem Chemiker sie verfochten. Allerdings herrschte Uneinigkeit darüber, ob das organische Material in den Meteoriten selbst zur lebendigen Natur gehört habe oder auf eine frühere Synthese von Kohlenwasserstoffverbindungen zurückzuführen sei. Helmholtz war möglicherweise durch eine Veröffentlichung des französischen organischen Chemikers Marcellin Berthelot auf die Idee gestoßen. Seine eigene Hypothese war jedoch höchst spekulativ und die empirische Beweislage dünn. Gelehrte aus so unterschiedlichen Disziplinen wie der Zoologe und Evolutionstheoretiker Ernst Haeckel und der Theologe Rudolf Schmid hielten die Idee nicht für plausibel und kritisierten, dass die Frage nach dem Ursprung des Lebens damit einfach nur in eine andere Welt verlegt werde. Ein noch schärferer Gegner war der Astrophysiker Zöllner. Thomson, der an einen Schöpfer des Universums glaubte, griff Helmholtz’ Hypothese zwar auf, gab ihr aber eine ganz andere, nichtmaterialistische Deutung.63 Helmholtz und Thomson zogen also aus derselben spekulativen Hypothese ganz unterschiedliche Schlüsse, die ihre generellere Einstellung zum Leben widerspiegelten. Doch was »unser sittliches Gefühl« beim Gedanken an das einstige Ende irdischen Lebens beunruhige, war nach Helmholtz vor allem die Frage, ob das Leben irgendeinen Sinn habe oder »nur ein zielloses Spiel« sei. Darwins Theorie von der Evolution mittels natürlicher Auslese habe uns gezeigt, dass nicht bloss Lust und Freude, sondern auch Schmerz, Kampf und Tod die mächtigen Mittel sind, durch welche die Natur ihre feineren und vollendeteren Lebensformen herausbildet. Und wir Menschen wissen, dass wir in unserer Intelligenz, staatlichen Ordnung und Gesittung von dem Erbtheil zehren, welches unsere Vorfahren durch Arbeit, Kampf und Opfermuth uns erworben haben, und dass, was wir in gleichem Sinne erringen, das Leben unserer Nachkommen veredeln wird. So kann der einzelne, der für die idealen Zwecke der Menschheit, wenn auch an bescheidener Stelle und in en-
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gem Wirkungskreise arbeitet, den Gedanken, dass der Faden seines eigenen Bewusstseins einst abreissen wird, ohne Furcht ertragen. Aber mit dem Gedanken an eine endliche Vernichtung des Geschlechts der Lebenden und damit aller Früchte des Strebens aller vergangenen Generationen konnten auch Männer von so freier und grosser Gesinnung, wie Lessing und David Strauss, sich nicht versöhnen. Damit gab Helmholtz eindeutig seine eigenen Ansichten über den Sinn des Lebens und des menschlichen Tuns zu erkennen. So wie eine Flamme, die dem Anschein nach stets dieselbe bleibe, sich in Wirklichkeit ständig verändere (nämlich aufgrund ihres Verbrauchs von Sauerstoff ), und wie eine Welle, die im Wasser in unveränderter Form fortzueilen scheine, sich doch ständig neu aufbaue (aus neuen Wasserteilchen), so veränderten sich auch lebendige Körper im Allgemeinen durch die Erneuerung ihrer materiellen Bestandteile über kürzere oder längere Zeiträume hinweg. »Was als das besondere Individuum fortbesteht, ist, wie bei der Flamme und bei der Welle, nur die Bewegungsform, welche unablässig neuen Stoff in ihren Wirbel hineinzieht und den alten wieder ausstösst.«64 Für Helmholtz war die Menschheit eine in ständigem Wandel begriffene Ansammlung endlicher Wesen. Sein Heidelberger Publikum war hingerissen. Anna berichtete, der Vortrag sei »ganz wunderschön« gewesen und habe »alle Welt begeistert«; 35 Jahre später stimmte Helmholtz’ ehemaliger Assistent Julius Bernstein dem zu. Zumindest zum Teil dürften es der breite wissenschaftliche Ansatz und die Klarheit seiner Ausführungen gewesen sein, die das Publikum so inspirierten. Helmholtz’ Vortrag stellte sein enormes Potenzial zu Synthese und Imagination unter Beweis: Er hatte darin Aspekte der Astronomie, Kosmologie, Chemie, Physik, Geologie und Klimatologie bemüht und sich zunutze gemacht. Er war eine Art wissenschaftlicher Träumer, einer, der bekannte Tatsachen aufgreifen, sie mit kühnen Erklärungen versehen und ihnen einen Sinn verleihen konnte. Darüber hinaus passte der Vortrag aber auch einfach in die Zeit. Sein Fokus auf der Kant-Laplace’schen Hypothese – also der Hypothese eines Deutschen und eines Franzosen – erschien intellektuell und politisch passend für diesen politisch angespannten Moment der europäischen Geschichte, da das neue Deutsche Reich im Entstehen begriffen war und seine militärisch-politischen Arrangements mit dem zusammengebrochenen französischen Kaiserreich zum Abschluss brachte. Obwohl Helmholtz dies so nie gesagt hat, könnte er der Überzeugung gewesen sein, dass die Wissenschaft in gewisser Weise die Politik transzendiere, also ihr trotzen oder unabhängig von ihr agieren könne. Eine solche Haltung war bei Persönlichkeiten des deutschen kulturellen Lebens jedenfalls keine Seltenheit.65 Allerdings hegte Helmholtz nur wenig Interesse an politischen und sozialen Ereignissen, und insofern er es doch tat, konzentrierte er sich gewöhnlich auf deren negative Aspekte.
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Seine Auffassung von Kosmologie, Erde und Menschheitsgeschichte entsprach schließlich auch dem naturalistischen und materialistischen Tenor jener Zeit. Darwin hatte On the Origin of Species im Jahr 1859 veröffentlicht, und The Descent of Man erschien im Februar 1871, genau in dem Monat, in dem Helmholtz seine Rede hielt. Tyndall las 1868 und erneut in seiner berühmteren Belfaster Rede von 1874 über »Wissenschaftlichen Materialismus«, und Huxley schrieb 1869 On the Physical Basis of Life. Helmholtz’ Rede trug, genauso wie die Arbeiten von Darwin, Tyndall und Huxley, dazu bei, einer neuen, eher säkularen und wissenschaftlichen Sichtweise zum Durchbruch zu verhelfen. Niemals hat Helmholtz Gott ins Feld geführt oder sich auf das Christentum berufen. Vielmehr lieferte er eine streng naturalistische Darstellung über die möglichen Ursprünge und das weitere Schicksal des Universums und des Menschen. Materie und Bewegung sah er als die Grundlagen des Lebens, und die wissenschaftlichen Gesetze – besonders die der Thermodynamik, der Spektralanalyse, der Gravitation und der Evolution durch natürliche Selektion – erklärten ihm zufolge, wie die Materie zu jener Welt geformt worden war, wie die Menschheit sie kannte. So wie das Deutsche Reich einen neuen, vereinheitlichten politischen Rahmen für die deutschen Staaten bildete, so formulierte Helmholtz’ Rede auf ihre ganz eigene Weise ein vereinheitlichtes Verständnis von anorganischer, organischer und menschlicher Evolution. Sein Thema sollte jedenfalls viel Gesprächsstoff bieten und, wie er selbst später sagte, Lieblingsgegenstand von populärwissenschaftlichen Besprechungen werden.66
Fortgang aus Heidelberg Die letzten drei Monate in Heidelberg waren so reichlich mit festlichen Abendessen, Ehrungen, Freundschaftserweisen und guten Abschiedswünschen gefüllt, dass der Familie Helmholtz ihre Abreise besonders schwerfiel. Mitte März trafen die Möbelpacker ein. Noch mittendrin fand Helmholtz die Zeit, um die jüngste Ansprache von du Bois-Reymond mit dem Titel »Das Kaiserreich und der Friede« zu lesen. Du Bois-Reymond erklärte es zur Pflicht der Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, »im Sturme der Zeit ruhig die uns anvertraute Fahne der Wissenschaft empor[zu]halten, obgleich auch unsere Herzen mit Kaiser und Heer, mit Söhnen und Brüdern, draussen im winterlichen Feldlager sind«. Er unterstrich die Loyalität der Akademiemitglieder gegenüber dem Hohenzollern-Regime, dessen Könige die Akademie seit ihrer Gründung im Jahr 1700 und bis in das neue Deutsche Reich hinein unterstützt hätten, erklärte jedoch gleich im nächsten Atemzug: »Denn es giebt nur Eine Wissenschaft, wenn auch die Art ihr zu huldigen bei verschiedenen Völkern verschieden sein kann. Unsere Art ist es, zwischen deutschen und fremden Entdeckungen nicht zu unterscheiden, und«, wie er überraschend hinzusetzte, »die Heroen der französischen Wissenschaft, einen [Antoine] Lavoisier, Lap-
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lace, [Georges] Cuvier, [Augustin-Jean] Fresnel, Ampère, [den Orientalisten Antoine Isaac] Sylvestre de Sacy und [den Archäologen Jean Antoine] Letronne, mit unseren eigenen Heroen, wie mit denen jeder anderen Nation, auf gleicher Stufe zu verehren.« Er äußerte Bedauern über die physischen Schäden, die die deutschen Streitkräfte an den französischen (das heißt Pariser) wissenschaftlichen Einrichtungen und deren Beständen verursacht hatten, und wünschte nichts mehr als Frieden und die wissenschaftliche und künstlerische Erneuerung Frankreichs in der Nachkriegszeit. Im Gegensatz zu der chauvinistischen, aggressiven Kriegsrede, die er im August des Vorjahres gehalten hatte, war diese Ansprache vom 26. Januar 1871 versöhnlich. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Deutschen den Krieg bereits gewonnen, und es war kaum eine Woche vergangen, seit Bismarck und die militärische Führung im Spiegelsaal von Versailles das neue Reich ausgerufen hatten. Helmholtz urteilte über die Rede: »Dieselbe gefällt noch allgemeiner als die frühere, weil sie keine Sympathien verletzt.« Am 1. April 1871 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften ernannt; zwei Tage später reisten er und seine Familie nach Berlin ab.67 Helmholtz betrachtete seine Heidelberger Jahre – abgesehen von Olgas letzten Monaten der Krankheit und ihrem Tod – als die glücklichsten und erfolgreichsten seines Lebens. In Heidelberg lernte er Anna kennen, womit sein persönliches Leben eine Erneuerung erfuhr, und besaß er einen anregenden Freundeskreis. Er liebte die dortige Universität – ein Punkt, den er noch 1891 wiederholt zum Ausdruck brachte –, und seine Spaziergänge in den schönen grünen Hügeln und Wäldern rund um die Stadt halfen ihm, einen klaren Kopf zu behalten, regten seine Fantasie zu neuen Ideen an, erfrischten ihn geistig und ließen ihn innere Ruhe finden. Sie trugen dazu bei, Licht und geistige Ordnung in das hineinzubringen, was zuvor Dunkelheit und Chaos war.68 Die 1850er- und 1860er-Jahre waren auch die Glanzzeit in der langen Geschichte der Universität Heidelberg, vor allem in den Naturwissenschaften. Bunsen, Kirchhoff und Helmholtz hatten eine Troika gebildet, die der Universität internationales Ansehen und Studenten einbrachte und dazu beitrug, Heidelberg zu einer gesuchten Adresse für Wissenschaftler aus ganz Europa und Amerika zu machen. Diese drei hatten nicht nur kreative wissenschaftliche Arbeit geleistet, sondern auch die Universitätsinstitute vorangebracht und eine für ihre Benutzung förderliche intellektuelle Atmosphäre geschaffen. Anfang der 1870er-Jahre war der alternde Bunsen mit seiner Fokussierung auf anorganischer statt organischer oder physikalischer Chemie wissenschaftlich längst passé. Auf Helmholtz’ Weggang im Jahre 1871 folgte 1875 der Kirchhoffs (ebenfalls nach Berlin). Zum Teil als Folge davon ging es mit Heidelberg als Zentrum der Naturwissenschaften bergab und die Universität geriet in eine institutionelle Krise. Der Tod oder Fortgang einer ganzen Reihe geisteswissenschaftlicher Größen – darunter Vangerow, Bluntschli, Zeller, Fischer, Häusser,
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Treitschke und Gervinus – untergrub das Ansehen Heidelbergs noch weiter. Selbst die Reichsgründung des Jahres 1871 schwächte Heidelberg, denn es verlor nun seine Sonderrolle als Bollwerk für die politische Einheit Deutschlands.69 Heidelbergs Blütezeit war vorüber. Berlin wurde nun das aufstrebende Machtzentrum des deutschen akademischen und politischen Lebens.
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befürchtete, dass die Sache im Falle seines Nachgebens zu einem Präzedenzfall werden könnte und das Ministerium beginnen würde, seine Kompetenzen zu beschränken, bevor er überhaupt nach Berlin gekommen war. Also saß er mit seiner Familie am Eckfenster im Erdgeschoss gegenüber vom riesigen Blücherdenkmal und vom Opernhaus, die du Bois-Reymonds an einem anderen Fenster, Dove und Magnus’ Witwe wieder an einem anderen. Zum Teil aus Höflichkeit bekamen zwei Ministerialbeamte ebenfalls einen Fensterplatz. Um sich gegenüber dem Ministerium weiter kooperativ zu zeigen, erlaubte er dem Universitätsrichter und dessen Gönnerin, der Gemahlin von Prinz Adalbert, weitere Gäste einzuladen, die an den restlichen Fenstern würden sitzen dürfen. »Herrliche Plätze«, schwärmte Anna, die ganz beeindruckt war von den endlosen Reihen der Truppen (um die 42 000 Soldaten), die an ihnen vorbeizogen, angeführt vom Kaiser und seiner Familie, von Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke, anderen ranghohen Offizieren sowie Bismarck.1 Das war also Helmholtz’ Institut – mitten im politischen Zentrum der preußisch-deutschen Macht. Berlin wuchs schnell zur Großstadt heran: Kurz nach Helmholtz’ Weggang 1849 zählte die Bevölkerung 432 000 Personen. Als er 1871 zurückkehrte, waren es mit 826 000 fast doppelt so viele und bis 1890 verdoppelte sich die Zahl noch einmal auf nun 1,6 Millionen Einwohner. Die Elite lebte in Stadtpalästen oder Villen in der Nähe des historischen Zentrums (Mitte), die Arbeiterklasse in Mietskasernen, die immer größere Areale an der Peripherie bedeckten. Die Mittelschicht war, wie auch sonst in Deutschland, irgendwo dazwischen angesiedelt und sah sich politisch ebenso in die Enge getrieben zwischen den aufkommenden Massenbewegungen der Arbeiter auf der einen und einem zunehmend anachronistischen Adel und der preußisch-deutschen absolutistischen Monarchie auf der anderen Seite. Die Entwicklung Berlins zu einer modernen Industriestadt, die in den 1860erJahren eingesetzt hatte, schritt nach 1871 besonders schnell voran. Wirtschaftlich war die Stadt von Industrie-, Handels-, Finanz- und Verkehrsunternehmen geprägt. In den Gründerjahren von 1871 bis 1873 erlebte Berlin einen regelrechten Boom: Zahlreiche neue Unternehmen schossen aus dem Boden, die Eisenbahn- und die Bauindustrie erlebten goldene Jahre. Die Straßen wurden nach und nach gepflastert und ein unterirdisches Abwassersystem wurde installiert, an der schlechten Gesundheitsversorgung der Bevölkerung änderte sich jedoch nichts. 1873 kam es zu erheblicher Börsenpanik und einem Einbruch an den Finanzmärkten, doch die Lage beruhigte sich relativ schnell wieder. Das war zum Teil in starkem Wachstum befindlichen Unternehmen wie Siemens & Halske und, etwas später, der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft zu verdanken. Berlin erhielt den Spitznamen »Elektropolis«. Für Helmholtz war die Stadt mit ihren unaufhörlichen Bauprojekten »ein äußerst unbequemer Aufenthalt. Unglaublich theuer, furchtbar weitläufig und noch ohne die Organisatoren und Hilfsmittel einer älteren Großstadt, so daß
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man eine Menge Zeit unnütz verliert«. Alles in allem fand er das Leben in der Metropole »unnatürlich«.2 War Berlin in den 1870er-Jahren noch eine große Baustelle gewesen, hatte es sich in den 1880ern zur Weltstadt gemausert.
Chez Helmholtz Die Helmholtzens mieteten eine Wohnung in der Königin-Augusta-Straße 45 (heute Reichpietschufer 82). Gegen Ende ihres ersten Jahres dort war das Geld so knapp, dass sie sich nur eine sehr bescheidene Weihnachtsfeier leisten konnten.3 Sie blieben jedoch bis Dezember 1876 weiter in diesem angesagten, wohlhabenden Oberschichtviertel nahe am Stadtzentrum wohnen, direkt südlich vom Tiergarten bei der Matthäuskirche. Von hier aus ging Helmholtz zu Fuß zu seinem Institut Unter den Linden. Anna, als gebürtige Badenserin, hatte einen Großteil ihres Lebens in einer kleinen Universitätsstadt verbracht und fühlte sich im großen, dunklen, unwirtlichen Berlin entwurzelt. Auch als sie sich an das Leben dort gewöhnt hatte, vermisste sie ihre Familie, ihre Freunde und ihre Heimat. Allein dass es für ihren Mann so wichtig war, in Berlin zu sein, machte ihr das Leben dort erträglich. Sie ging darin auf, ein schönes Zuhause zu gestalten und alles recht ordentlich zu halten. (Einer ihrer Freunde unterstellte ihr einen Ordnungsfimmel.) Anna hatte ein Gespür für Farben und Materialien und wusste die Möbel harmonisch zu arrangieren. Das Heim der Familie war mit ausgewählten Büsten, Statuen und Blumenvasen geschmückt sowie mit perfekt aufgehängten Bildern, die sie sofort nachjustierte, sobald irgendetwas auch nur leicht verrutschte. Die neueste Literatur lag schmückend aus.4 Auch die zweite Sammlung von Helmholtz’ Populären wissenschaftlichen Vorträgen, die noch 1871 erschien, mag dort ausgestellt gewesen sein. Vier von Helmholtz’ fünf Kindern lebten noch etwa das erste Jahr in Berlin bei ihm und Anna. Die beiden machten sich weiterhin Sorgen um Käthes, Roberts und Fritz’ geistiges und körperliches Wohlbefinden. Die schon immer kränkliche Käthe war eine Idealistin, die ihren Vater verehrte, aber beruflich nicht Fuß fassen konnte. Sie versuchte sich kurz als Übersetzerin – sie war an der Übersetzung von Tyndalls Heat beteiligt –, und sie malte. Anna versuchte, Käthe dabei zu unterstützten, ihr künstlerisches Talent auszubauen, aber die Tochter kam nicht zur Ruhe. 1872 heiratete sie Wilhelm Branco (nach 1895 von Branco und nach 1907 von Branca), den ältesten Sohn von Helmholtz’ langjährigem Freund und einstigem Vorgesetzten bei den Potsdamer Gardes du Corps, Friedrich Wilhelm Branco. Wilhelm Branco war Offizier und Landwirt, später wurde er Professor für Geologie und Paläontologie. 1873 bekam Käthe ihr erstes und einziges Kind Edith. Helmholtz war zum ersten Mal Großvater geworden (und fühlte sich dadurch, wie er Knapp wissen ließ, daran erinnert, dass er alt wurde). Aber von Ediths Geburt an verschlechterte sich Käthes Gesundheitszustand zusehends – sie litt an einer Erkrankung der Lungen,
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vermutlich einer Rippenfellentzündung oder Lungenschwindsucht (Tuberkulose), was im Grunde schon ihrer Mutter das Leben gekostet hatte. Helmholtz und Anna schickten sie auf ausgedehnte Reisen in wärmere Gebiete, Käthe erholte sich jedoch kaum und Helmholtz war in ständiger Sorge um sie. Franz Boll, der selbst schwer an Tuberkulose erkrankt war, vertraute Helmholtz an, dass Käthe schon mehrmals an der Schwelle des Todes gestanden habe. Sie starb am 25. April 1877 mit 27 Jahren im Hause ihrer Tante in Dahlem, und ihr Tod stürzte die ganze Familie in tiefe Niedergeschlagenheit. Ihr Stiefbruder Robert litt weiter unter seinem gebrechlichen, missgebildeten Körper und seiner schwachen Gesundheit, und seine Eltern litten mit. Er unterzog sich einer Reihe von chirurgischen Eingriffen und physiotherapeutischen Maßnahmen, und es wurde ein spezieller Betreuer zu seiner Unterstützung eingestellt. Erst für das letzte Gymnasialjahr besuchte er eine Schule, genauer gesagt das Französische Gymnasium, um sein Abitur zu machen. Auch Helmholtz’ jüngstes Kind Fritz war körperlich schwach und oft kränklich, was die Sorgen seiner Eltern noch vermehrte. Er blieb in der Entwicklung hinter seinen Altersgenossen zurück und litt anscheinend unter Antriebslosigkeit.5 Wenigstens seine beiden anderen Kinder scheinen keinen Anlass zu Sorgen gegeben zu haben. Für seinen Sohn Richard suchte Helmholtz eine Stelle, bei der dieser praktische Erfahrungen im Eisenbahnbau sammeln konnte. Im Herbst 1871 begann Richard ein Praktikum bei der Lokomotivenfabrik Borsig in Berlin. Drei Jahre lang (1873 – 1876) studierte er dann Maschinenbau an der polytechnischen Schule München, wo Wilhelm von Beetz, Physikprofessor und einer von Helmholtz’ ältesten Freunden, ihn im Auge behielt. Beetz ließ Helmholtz wissen, er höre nur Gutes über Richard, der mit Abstand der beste Schüler an der Hochschule sei. Nach seinem Abschluss 1876 begann Richard bei der angesehenen Münchner Lokomotivenfirma Krauss & Co. Auch Helmholtz’ Tochter Ellen war gesund und lebhaft. Zwar war ihr als Mädchen beziehungsweise junger Frau der Besuch eines Gymnasiums oder einer Universität verwehrt, doch bekam sie von dem Mathematiker Leopold Kronecker zusammen mit dessen eigener Tochter private Mathestunden, und Kronecker hielt sie für überaus talentiert. (Helmholtz befand, es gebe viele junge Frauen, die zeigten, dass sie völlig in der Lage waren, mathematische Studien zu betreiben.)6 Ellen bereitete ihren Eltern viel Freude. (Siehe Abb. 17.1.) Natürlich brachten Helmholtz’ Kinder Liebe und Freude in sein Leben, doch war es auch eine Bürde für ihn, sich um sie zu kümmern und ständig in Sorge um das emotionale oder körperliche Befinden von Käthe, Robert und Fritz zu sein. Anna als Ehefrau, Mutter und Stiefmutter übernahm den Bärenanteil, und doch blieb es eine Belastung für beide. Als Helmholtz 1875 nach Italien reiste, um sich gesundheitlich zu erholen, drängte sie ihn, so lange zu bleiben, wie er es für nötig halte. Mit Blick auf die Gesundheit ihrer Kinder schrieb ihm Anna: »Ich finde, daß das Schicksal zu brutal ist gegen uns und muß wenigstens die Zeit des Alleinseins zum
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Abb. 17.1: Helmholtz im Jahr 1876 mit seinen drei jüngsten Kindern Friedrich Julius, Ellen und Robert. Siemens Historical Institute, München.
Ausweinen benutzen.« Als ihr Bruder, der Orientalist Julius von Mohl, im Januar 1876 verstarb, schrieb die damals 42-jährige Anna: »Mir ist als sei ich sechzig Jahre!«, und weiter: »Ich bin steinalt geworden und alles ist mir einerlei.« Sie hatte das Gefühl, ihre Jugend eingebüßt zu haben. Ein Jahr später fuhr sie nach Paris zu ihrer Tante Mary, die an zunehmendem Gedächtnisverlust litt, und nahm sie schließlich widerstrebend für einen Besuch mit nach Berlin.7 In guten wie in schlechten Zeiten war Helmholtz’ Familie immer bei ihm. Sein aktives Sozialleben mit Freunden und Kollegen und seine Urlaube in Süddeutschland und im Ausland waren ein Ventil für die familiäre und berufliche Belastung. Gleiches galt für die Musik. Natürlich gab es im Hause Helmholtz einen Flügel (beide Eltern spielten Klavier). Kurz nach dem Einzug bekamen sie das neueste Stutzflügelmodell von Steinway & Sons geliefert, das deren technische Experimentierfreude einmal mehr belegte. Bei dem Instrument handelte es sich um eine Dauerleihgabe an Helmholtz, »einmal«, schrieb Steinway, »weil Sie so viel Nutzbringendes für uns über die Erscheinung des Tones gearbeitet haben und wichti-
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ger noch weil wir hoffen daß dieses Piano Sie für ferner werthvolle Entdeckungen im Reiche der Töne anregen möge«. In seinem Dankesschreiben lobte Helmholtz die Fähigkeit des Pianos, den Ton zu halten, seinen leichten, zarten Anschlag, die Dämpfung und allgemeine Präzision und Klarheit. Alles in allem sei es das perfekte Instrument, besonders, um damit seine geliebten Bachfugen zu spielen. Theodore Steinway besuchte Helmholtz zweimal im Sommer 1873, um selbst zu überwachen, wie das Piano mit den modernsten »hohen Saiten« bestückt wurde, und um kleine Reparaturarbeiten vorzunehmen. Er demonstrierte Helmholtz das Innenleben des Instruments, und der versprach, Vorschläge zur weiteren Verbesserung zu schicken. Steinway bat ihn auch um eine schriftliche Äußerung dazu, was er an dem Flügel schätze. Helmholtz hob daraufhin in seinem Schreiben die neue Duplexskala von Steinway & Sons besonders hervor, die »sich auf wissenschaftliche Prinzipien stützt«.8 Dieses Schreiben publizierte die Firma in ihrem Katalog für 1873 mit einigen einführenden und werbenden Worten: »Steinway & Sons und seinen Pianos wurde durch Professor Helmholtz, der den Lehrstuhl für Akustik [sic] an der Universität Berlin innehatte und der einstimmig als die höchste Autorität in der Wissenschaft der Akustik anerkannt ist, eine große Ehre zuteil.« Weiter hieß es, »die verschiedenen Neuerungen von Steinway & Sons« hätten »die Aufmerksamkeit des Professors erregt und nach sorgfältiger Prüfung der Steinway-Flügel und derer anderer Hersteller kam er zu dem Schluss, dass nur die Steinway-Flügel höchste Perfektion erreicht haben. Er veranlasste die Anschaffung eines Steinway-Flügels, den er ausdrücklich für seine Experimente und Vorlesungen zur Akustik an der Berliner Universität verwenden möchte« – was er dann auch tatsächlich tat. 1885 veröffentlichten Steinway & Sons die zwei Briefe von Helmholtz erneut, zusammen mit einem Auszug aus einem dritten. Des Professors Empfehlungen verfolgten eine offensichtliche kommerzielle Absicht, und sie waren dann auch fast zwanzig Jahre lang in den Steinway-Katalogen präsent. Helmholtz war dabei in guter Gesellschaft: Weitere prominente Unterstützer waren Franz Liszt, Richard Wagner, Anton Rubinstein und Hector Berlioz. Es war ein Geben und Nehmen: Helmholtz bekam einen Flügel, das Unternehmen bekam die Empfehlung des führenden und äußerst angesehenen Gelehrten auf dem Gebiet der Akustik – und konnte vielleicht sogar seinen Umsatz steigern.9 Die Liebe zwischen Helmholtz und seiner Frau wuchs im Laufe ihres Ehelebens. Zu seinem 56. Geburtstag (1877), sie waren mittlerweile 17 Jahre verheiratet, schrieb sie ihm: »[A]ber sagen will ich Dir, daß ich mit jedem Jahre mehr Dein Eigen bin, und daß meine Liebe und Verehrung, die zu Anfang vielleicht mehr Instinkt war, zum freudigen Bewußtsein geworden ist.« Er antwortete ihr: »Glaube mir nur, daß ich nie vergesse, wie Deine Liebe der beste Schmuck meines Lebens ist.« Auch auf Außenstehende wirkte die Ehe überaus glücklich. Es hieß, dass die
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beiden sich gut ergänzten: Sie entscheide in den kleinen, er in den großen Fragen. (Boltzmann schrieb, dass niemand Helmholtz gegen seinen Willen lenke.) Helmholtz verstand sich auch bestens mit seinen Schwiegereltern und pflegte einen vertrauten und herzlichen Umgangston mit ihnen. 1873 wurde Robert Mohl, ein großer Befürworter der Reichseinheit und ein Nationalliberaler, für Baden in den Reichstag gewählt. In den beiden letzten Jahren vor seinem Tode 1875 wohnte er zeitweise bei der Familie Helmholtz. Für seinen Schwiegersohn empfand Mohl größten Respekt und Bewunderung, nicht nur, was seine wissenschaftlichen Leistungen anging, sondern auch hinsichtlich seiner Bildung im Allgemeinen – einschließlich seines Sinns für Poesie, Musik und Sprachen – und seines generell einfachen, bescheidenen und disziplinierten Lebensstils. Sein Schwiegersohn erwiderte diese Wertschätzung.10
Der Aufstieg der Berliner Universität Die Friedrich-Wilhelms-Universität, wie die Berliner Universität (zwischen 1828 und 1949) offiziell hieß, befand sich im historischen Stadtzentrum; ihr Hauptgebäude Unter den Linden lag gegenüber vom Opernplatz und dem kaiserlichen Schloss. Durch Namen, Lage und die allgemein konservative politische Einstellung des Lehrkörpers war sie der Obrigkeit in Preußen und im Reich verbunden. Die Universität war 1810 im Zuge der Preußischen Reformen gegründet worden und damals auch als Ersatz für die Universität Halle gedacht, die durch die territorialen Regelungen zwischen Napoleon und Preußen verloren gegangen war. Bis zur Mitte des Jahrhunderts besaß sie lediglich eine Fakultät von bescheidenem Ansehen mit noch bescheideneren Räumlichkeiten. Sie diente vor allem der Ausbildung von Fachkräften für Verwaltung, Recht, Kirche, Medizin und Schulwesen und galt als »Arbeitsuniversität«. Zwar bewahrte sie sich den Geist akademischer Freiheit und ab den 1870er-Jahren herrschte eine etwas liberalere Atmosphäre vor, doch war sie alles andere als ein Ort für intellektuelle oder politische Radikale. Ihre Mentalität entsprach eher derjenigen all der Militärs und Bürokraten in ihrem Umfeld, die Preußen und das Reich lenkten, als der weitaus liberaleren Einstellung eines Teils der Stadtbevölkerung. Studenten- ebenso wie Professorenschaft gaben sich äußerst nationalistisch, vor allem nach 1870.11 (Siehe Abb. 17.2.) Bereits in den 1860er-Jahren und besonders nach 1871 konnte die Universität ihre Immatrikulationszahlen gehörig steigern, mehr Professorenstellen schaffen und ihre Räumlichkeiten ausbauen. 1860 wurden 1620 Studenten zugelassen, 1871 schon 2603 und 1884 dann 5000. In den frühen 1890er-Jahren gingen die Studentenzahlen zwar langsamer nach oben, jedoch waren 1903 bereits 7000 Studenten eingeschrieben. Im Vergleich mit ihren beiden Hauptkonkurrenten konnte die Berliner Universität 1881 mehr Studenten als die Leipziger und doppelt so viele wie die Münchener vorweisen. Die 1870er- und 1880er-Jahre waren die große Zeit der uni-
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Abb. 17.2: Die Berliner Universität um 1872 mit dem alten Physikinstitut im Ostflügel (rechts) des Universitätsgebäudes. Universitätsarchiv, Universitätsbibliothek, Humboldt-Universität zu Berlin.
versitären Bauvorhaben. In den Naturwissenschaften wurden ganze zehn neue ordentliche Professorenstellen und entsprechende Institute (Chemie, Geographie, Astronomie, Physik, Botanik, Mathematik, Meteorologie, mathematische Astronomie, Petrographie und Zoologie) eingerichtet, dazu kamen weitere acht Lehrstühle in den Geistes- und Sozialwissenschaften.12 Berlin galt als Zentrum der deutschen Wissenschaft. Mit diesem beeindruckenden institutionellen Wachstum stieg auch das akademische Ansehen der Fakultät deutlich. Schon vor 1871 waren berühmte Persönlichkeiten an der Berliner Universität tätig gewesen: die Mathematiker Ernst Eduard Kummer und Karl Weierstraß, Emil du Bois-Reymond als Physiologe, der Chemiker August Wilhelm von Hofmann, der Botaniker Alexander Braun, der Pathologe und Anthropologe Rudolf Virchow, die Mediziner und Wissenschaftler Heinrich Adolf von Bardeleben, Friedrich Theodor Frerichs und Bernhard von Langenbeck, die Historiker Johann Gustav Droysen und Theodor Mommsen, der Archäologe Ernst Curtius, der Ägyptologe Richard Lepsius und der Altphilologe Hermann Diels. Nach 1871 bewerkstelligte das preußische Kultusministerium Berlins Aufstieg zur Spitzenuniversität ganz Deutschlands. Neben Helmholtz holte man sich weitere große Namen an die Hochschule: die Physiker Gustav Robert Kirchhoff (1875), August Kundt (1888) und Max Planck (1889), die Mathematiker Leopold Kronecker (1883) und Immanuel Lazarus Fuchs (1884), den Historiker Heinrich von Treitschke
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(1874), den Philosophen Eduard Zeller (1872), die Volkswirtschaftler Adolph Wagner (1870) und Gustav von Schmoller (1882), den Anatomen Heinrich Wilhelm von Waldeyer-Hartz (1883) sowie den Internisten und Neurologen Ernst Viktor von Leyden (1876). Manche gaben zu bedenken, dass einige dieser neuen Fakultätsmitglieder ihre besten Jahre bereits hinter sich hatten, oder dass die Energie, die sie in ihre umfangreichen Lehr- und Verwaltungsaufgaben steckten, besser in kreative Forschung investiert wäre. Diese Kritik mag berechtigt gewesen sein, und doch war Berlin zum zentralen Ort im Reich geworden, wenn es um Mathematik, Physik und Physiologie ging. Im Oktober 1879 kam der junge Karl Pearson, der später als Mathematiker, Biostatistiker und Eugeniker einen Ruf erwarb, nach Berlin, um (ursprünglich) Physik zu studieren. Er interessierte sich besonders für Helmholtz’ und Kirchhoffs Vorlesungen und wollte in Helmholtz’ Labor arbeiten. Pearson nannte Berlin »die Hauptstadt allen Geistes«.13 Auch viele andere sahen Berlin an der Spitze des dynamischen, miteinander wetteifernden höheren Bildungs- und Forschungssystems, um das man Deutschland so beneidete. Helmholtz war entschlossen, zu Wachstum, Erneuerung und Renommee der Universität beizutragen. Daher stellte er sich auch gegen alle Kandidaten, die ihm weniger als erstklassig erschienen, und verhalf nur jenen zu Würden, die er für erste Wahl hielt. In der philosophischen Fakultät galt er als eine treibende Kraft des Wandels. »Mein Mann ist als jugendlicher Revolutionär in der Fakultät aufgetreten«, schrieb Anna zehn Monate nach ihrer Ankunft in Berlin, »und entsetzt öfter die alten Herren.« Als sich 1872 eine zweite Stelle für einen ordentlichen Professor der Chemie auftat, lehnte er einen potenziellen Kandidaten ab, weil dieser »wissenschaftlich nicht bedeutend genug« sei. Ein höheres Dienstalter galt ihm jedenfalls nicht als ausschlaggebender Grund für eine Berufung.14 Helmholtz zog nicht nur Kirchhoff, Kundt und Planck nach Berlin, sondern seine Anwerbeversuche betrafen mit Zeller und Treitschke auch zwei führende Geisteswissenschaftler. Anfang 1872 hatte Berlin ein Auge auf Zeller geworfen, den liberal gesinnten Neukantianer und Spezialisten für griechische Philosophie, der in Heidelberg lehrte. Die Zellers waren dort gut mit der Familie Helmholtz bekannt gewesen. Nachdem es dem Abgesandten des Ministeriums nicht gelungen war, Zeller für Berlin zu gewinnen, schickte man ergo Helmholtz mit einem besseren Angebot zu ihm. Daraufhin kam Zeller für eine Woche in die Hauptstadt, wo er bei Familie Helmholtz wohnte. Letztendlich entschied er sich tatsächlich für den Wechsel und war dankbar für die Freundschaft, welche die Helmholtzens ihm entgegengebracht hatten. In Berlin wurde er bald Teil von Helmholtz’ Kreis enger Freunde und Kollegen, zu dem viele führende liberale Fakultätsmitglieder zählten.15 Auf der Suche nach einem Historiker, der Leopold von Ranke beerben sollte, dachte das Ministerium erst an den bekannten Schweizer Historiker Jacob Burckhardt. Als dieser ablehnte, befasste sich die philosophische Fakultät selbst mit der
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Suche. 1873 wurde Helmholtz der wichtigste (und anfänglich einzige) Fürsprecher Treitschkes, der durchaus Gegner in ihren Reihen hatte. Nach und nach ließen sich jedoch selbst seine ärgsten Widersacher überzeugen. Als Treitschke schließlich die Stelle angeboten wurde, fragte er brieflich bei Helmholtz an, mit welchem Einkommen man gut in Berlin leben könne. Außerdem äußerte er sich besorgt darüber, dass seine Anwesenheit in der Stadt Droysen irgendwie behelligen könnte. Wie dachte Helmholtz, der mit Droysen befreundet war, über diesen potenziellen Konflikt? Helmholtz schrieb zurück, dass die Universität dringend mehr Enthusiasmus benötige, die konservative preußische Bürokratie sie aber so vieler unabhängig denkender Köpfe beraube. Daraus ergebe sich ein gewisser »wissenschaftlicher Conservativismus« in der Fakultät. Weiter schrieb Helmholtz, die Universität brauche »noch einige Leute von frischem Sinn und Energie, voll wirklicher Begeisterung für die Sache, die sie vertreten und ohne Menschenfurcht nach rechts und nach links hin«. Er glaubte, die kürzlich erfolgte Berufung von Zeller sei ein Schritt in diese Richtung. Auch Treitschke könne seinen Beitrag leisten, denn er habe »hier eine Mission zu erfüllen« – »auch in Bezug auf die erste Universität des Preussischen Staates«. Das Fakultätskomitee – samt Droysen – sprach sich einstimmig für Treitschke aus, was zeigt, wie dringend man einen Wandel herbeiführen wollte. Was Treitschkes Frage zum Gehalt anging, so vermutete Helmholtz, er werde mindestens 6000 Taler verdienen. »Das ist auch meine Einnahme«, verriet er. Damit hätte Helmholtz gehaltstechnisch wohl zu den obersten zwei Prozent gehört. Er selbst behauptete aber, sich nicht reich zu fühlen und nicht bequemer zu leben als in Heidelberg. »Zeit und Kräfte werden stark in Anspruch genommen; aber es ist ein belebtes Treiben, Vieles darin recht unschön, immerhin doch mit einem grossen Hintergrunde und mit dem Gefühl, dass die Anstrengung nicht fruchtlos ist.« Treitschke stattete dem neuen Kultusminister Paul Ludwig Adalbert Falk in Berlin einen Besuch ab und wohnte drei Tage bei der Familie Helmholtz. Seine darauffolgende Entscheidung für Berlin wurde mit Helmholtz’ Wahl zum neuen Dekan der philosophischen Fakultät gleichsam untermauert.16 Helmholtz hatte auch großen Anteil daran, Mommsen in Berlin zu halten, der 1873 einen Ruf nach Leipzig erhielt. Sie waren gute, ja wirklich enge Freunde geworden. Mommsen war nicht nur Philologe, Althistoriker und Jurist, sondern saß auch im preußischen Landtag. Als Professor und Politiker war er ein bedeutender Vertreter des preußischen und deutschen Liberalismus. Als er den Ruf nach Leipzig erhielt, äußerte Helmholtz Besorgnis, dass sein Weggang die Fertigstellung der Monumenta Germaniae Historica (eine Quellensammlung zum Studium der deutschen Geschichte, die 1872 unter der Schirmherrschaft der Akademie begonnen wurde) gefährden würde. Zudem glaubte Helmholtz, die Leipziger Fakultät oder das sächsische Kultusministerium habe gegen Mommsen intrigiert und ihn zu einer mündlichen Zusage verleitet, ohne ihm ihrerseits ein schriftliches Angebot zu
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unterbreiten. Mommsen bestätigte das zwar nicht, beteuerte Helmholtz aber, wie wichtig ihm ihre Freundschaft sei. Helmholtz antwortete ihm, dass Mommsens Abschied ein trauriger Tag für Berlin wäre.17 Mommsen blieb.
Über Ideale in der Kultur, Geschichte und Wissenschaft: Eloge auf Gustav Magnus Kultur war lange die Essenz der deutschen nationalen Identität, und die Begriffe »Kulturnation« oder »Kulturstaat« entstanden lange vor der politischen Einheit Deutschlands. Der Staat war der wichtigste Förderer der Kultur – insbesondere was Kunst und Wissenschaft anging. Kultur war an den Gymnasien und Universitäten in hohem Maße institutionalisiert, wodurch der akademischen Elite (insbesondere der Berliner Professorenschaft) eine große Bedeutung zukam. Staatliche Schulen und Universitäten waren als Vermittler von Wissenschaft und Bildung maßgeblich für die Förderung der Kultur – und damit einer nationalen Identität der ansonsten so verschiedenartigen Deutschen.18 Wissenschaftsakademien – und besonders die Berliner Akademie – erfüllten ihre kulturelle Funktion hauptsächlich dadurch, dass sie die Forschung förderten.19 Helmholtz war »ordentliches« und somit vollwertiges Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Deutschlands angesehenster wissenschaftlicher Institution, mit der sich nur die Royal Society of London und die Pariser Académie des Sciences messen konnten. Die Akademie stand unter dem Schutz und Schirm des deutschen Kaisers und preußischen Königs sowie des preußischen Kultusministeriums. Von diesen Formalitäten abgesehen, war sie eine eigenständige Einrichtung, was bedeutete, dass Helmholtz und seine Kollegen – die ordentlichen Mitglieder – viel Zeit in sie investieren mussten. Die Akademie war in zwei gleichberechtigte »Klassen« unterteilt – die physikalisch-mathematische und die philosophisch-historische –, die von vier ständigen Sekretären (zwei pro Klasse) verwaltet wurden. Zu jeder Klasse gehörten 25 ordentliche Mitgliedschaften, die (informell) auf die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen aufgeteilt waren. Diese 50 ordentlichen Mitgliedschaften konstituierten zusammen die Akademie (das Plenum). Unterhalb dieser Ebene gab es noch drei weitere Formen der Mitgliedschaft: auswärtige Mitglieder, Ehrenmitglieder und korrespondierende Mitglieder. Die auswärtigen Mitglieder (16 pro Klasse) lebten außerhalb Berlins und waren aufgrund ihrer hervorragenden wissenschaftlichen Arbeit (oder ihrer Beziehungen) zur Aufnahme vorgeschlagen worden. Zu den ebenfalls auswärts angesiedelten korrespondierenden Mitgliedern (100 pro Klasse) unterhielt die Akademie offizielle Kontakte. Die wissenschaftliche Arbeit der Akademie bestand ausschließlich aus der ihrer Mitglieder und Partner, sie selbst betrieb keine wissenschaftlichen Einrichtungen. Ihren Sitz hatte sie
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zusammen mit der Akademie der Künste in einem Gebäude Unter den Linden neben der Universität. Das Plenum der Akademie traf sich einmal pro Woche, 39 Wochen im Jahr (Helmholtz nahm regelmäßig teil). Von jedem ordentlichen Mitglied wurde pro Jahr ein Vortrag über ein abgeschlossenes Projekt erwartet, der vor der versammelten Akademie gehalten und dann in einer ihrer Schriftenreihen veröffentlicht wurde (in den Monatsberichten, den Abhandlungen oder Denkschriften). Jede Klasse hielt außerdem einmal monatlich ein Treffen ab, nur nicht in der Ferienzeit. Die ordentlichen Mitglieder mussten in ihrer Klasse einen weiteren Vortrag halten, der jedoch noch nicht veröffentlichungsreif sein musste. Außerdem hielt das Plenum der Akademie drei Sondersitzungen jährlich zu Ehren ihrer Schirmherren ab: Die erste (am 24. Januar) feierte den Geburtstag ihres »Erneuerers« Friedrich II. (der Große). Auf der zweiten, dem sogenannten Leibniztag (um den 1. Juli), hielten die während des vergangenen Jahres neu gewählten ordentlichen Mitglieder ihre Antrittsreden. Außerdem wurde der verstorbenen Mitglieder mit Gedenkreden gedacht und Preise wurden verliehen. Zu guter Letzt gab es noch die Festsitzung zum Geburtstag des regierenden preußischen Monarchen (auch an diesen Treffen nahm Helmholtz regelmäßig teil). Die Akademie gewährte ihren Mitgliedern oder auch anderen Wissenschaftlern finanzielle Unterstützung, wenn beispielsweise ein Forschungsprojekt mehr als einen ausführenden Wissenschaftler benötigte oder wenn Forschungsvorhaben sich über einen längeren Zeitraum erstreckten. Alle zwei Jahre schrieb sie zudem eine Preisaufgabe aus, womit sich die beiden Klassen und in den Klassen die beiden Sektionen abwechselten. Im Großen und Ganzen stand die Akademie für die Einheit der Wissenschaften – oder drückte zumindest die Hoffnung und Sehnsucht aus, dass es eine solche Einheit geben möge. Mit diesem Streben unterschied sie sich von ihren Gegenstücken in Paris und London.20 Am 6. Juli 1871 hielt Helmholtz auf dem jährlichen Leibniztag seine Gedenkrede für Gustav Magnus. Als dessen Nachfolger war er dazu verpflichtet, über ihn als Physiker zu sprechen (Hofmann sprach über ihn als Chemiker). Auch wenn Helmholtz dies so nicht sagte, war Magnus’ Bedeutung für die Wissenschaft im Allgemeinen und für die Physik im Besonderen jedoch weniger seinen physikalischen Erkenntnissen geschuldet als vielmehr der Art und Weise, wie er andere, besonders jüngere Wissenschaftler, unterstützt und sich um sie gekümmert hatte. In Helmholtz’ Ansprache ging es tatsächlich weniger um Magnus als um sein eigenes Ideal von einem Wissenschaftler, um deutsche Geschichte und ihren Einfluss auf die Wissenschaft sowie um den Stand von mathematischer und experimenteller Physik und ihre Beziehung zueinander. Zwar sprach er von sich als »dankbarem Schüler« des Geehrten, als dessen Freund und Nachfolger, hatte indes nie bei ihm studiert und nur drei Monate in seinem Labor als »Postdoktorand« gearbeitet.21 In seiner Rede wollte er wohl etwas anderes ausdrücken: Helmholtz schätz-
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te eine bestimmte Einstellung zur Wissenschaft und zur Welt, die er in Magnus zu erkennen glaubte. Mit Blick auf dessen familiären Hintergrund erwähnte er seine Herkunft aus einer Familie von Händlern, nicht aber seine jüdische Abstammung und äußerte großen Respekt gegenüber dem Geschäftsleben und der praktischen Anwendung von Wissenschaft. Es sei dieser Hintergrund gewesen, der Magnus die Wissenschaft nicht nur als eine auf Vorlesungssäle und Laboratorien beschränkte Tätigkeit betrachten ließ. Er habe vielmehr gewollt, »dass sie direct hinauswirke in alle Verhältnisse des Lebens«. Auch Magnus’ »rege[m] Interesse für die Technologie« sowie seiner »eifrigen Theilnahme an den Arbeiten des Landes-Oekonomie-Collegiums« zollte Helmholtz in seiner Ansprache Anerkennung.22 Er bewunderte Männer wie Magnus, Siemens und Graefe, die es verstanden, Theorie und Praxis zusammenzubringen. In seinem Vortrag stellte er Magnus als »beherrscht von Besonnenheit« dar, als Mann »von künstlerischer Harmonie, die das Maasslose und Unreine scheute«. Die Ziele seiner Arbeit habe er fast immer erreicht, weil er sie weise gewählt habe. Die innere Harmonie seines Wesens habe sich auch äußerlich gezeigt in seinem charmanten Betragen, seiner heiteren Selbstsicherheit, seiner menschlichen Wärme im Umgang mit anderen.23 Trotz der geschäftlichen Erfolge seiner Familie habe Magnus sich für eine akademische Laufbahn entschieden. Er habe verstanden, so Helmholtz, »dass nicht der behagliche Genuss einer sorgenfreien Existenz und des Verkehrs in dem liebenswürdigsten Kreise von Angehörigen und Freunden eine dauernde Befriedigung gibt, sondern nur die Arbeit, und zwar nur die uneigennützige Arbeit für ein ideales Ziel«. Magnus habe nicht gearbeitet, um seinen eigenen Reichtum zu vermehren, »sondern für die Wissenschaft; nicht dilettantisch und launisch, sondern nach einem festen Ziel und unermüdlich; nicht in Eitelkeit nach auffallenden Entdeckungen haschend, die seinen Namen hätten schnell berühmt machen können, sondern er wurde im Gegentheil ein Meister der treuen, geduldigen und bescheidenen Arbeit, welche ihr Werk immer wieder prüft und nicht eher davon ablässt, bis sie nichts mehr darin zu bessern weiss«. Helmholtz porträtierte Magnus als einen methodisch vorgehenden, präzisen und vertrauenswürdigen Arbeiter.24 Seine »Reinheit und Uneigennützigkeit« habe sich ganz besonders daran gezeigt, wie er junge Wissenschaftler in sein Privatlaboratorium zu holen und sie auf dem einmal gewählten Weg zu bestärken verstand. Hatte er einmal »Eifer und Fähigkeit für die Wissenschaft« an einem Forscher entdeckt, öffnete er ihm sein Laboratorium und stellte ihm dessen Instrumente und Hilfsmittel zur Verfügung. Dabei sei er von wissenschaftlicher Eifersucht frei gewesen und habe mit freundlicher Gleichmut hingenommen, wenn das ein oder andere kostbare Instrument durch das Ungeschick junger Experimentatoren versehentlich zu Schaden kam. Auch habe Magnus nie die Arbeitskraft der Jüngeren für seine eigenen Zwecke ausgebeutet,
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wie es die Gelehrten anderer Nationen zuweilen täten; ihm war bei all dem stets nur an den besten und verlässlichsten Ergebnissen gelegen.25 Helmholtz bewunderte ihn für diese Eigenschaften. Er nutzte die Gelegenheit außerdem dazu, sich zur deutschen Geistes- und politischen Geschichte zu äußern. Die Wissenschaften hatten sich in Deutschland nach seinem Dafürhalten eher »spät und zögernd« entwickelt. Er wiederholte, was er erst kürzlich in Innsbruck mit Blick auf die deutsche Wissenschaftskultur angemerkt hatte: »Wir dürfen uns doch sonst einer leidenschaftlichen, rücksichtslosen und uneigennützigen Liebe zur Wahrheit rühmen, die vor keiner Autorität und vor keinem Scheine Halt macht, kein Opfer und keine Arbeit scheut und sehr genügsam in ihren Ansprüchen auf äusseren Erfolg ist.« Die Deutschen verfolgten seiner Meinung nach immer die prinzipiellen Fragen, und zwar bis in ihre tiefsten Gründe. Im Gegensatz zu dem eben über Magnus Gesagten beschäftigten sie sich allerdings kaum mit den praktischen Konsequenzen ihrer Ergebnisse oder ihren Anwendungsmöglichkeiten in der Geschäftswelt. Helmholtz wies darauf hin, dass die moderne Entwicklung des deutschen Geisteslebens im politischen Kontext der Reformation begonnen habe, also in einer Zeit, in der die Theologie noch das zentrale Studienfeld gewesen sei. Deutschland habe damals Europa von der Zwingherrschaft der katholischen Kirche »befreit« – aber zu einem hohen Preis. Denn die Religionskriege hatten Deutschland physisch, politisch und wirtschaftlich als Scherbenhaufen zurückgelassen, »an seinen Grenzen beschädigt, übermüthig gewordenen Nachbarn wehrlos preisgegeben«. Die Machtkämpfe mit Rom waren Helmholtz zufolge auch am geistigen Leben Deutschlands nicht spurlos vorübergegangen. Zunächst machte es die vielfältige äußere Bedrohungslage dem Einzelnen unmöglich, eine etwa von seiner Partei abweichende Meinung offen zu äußern. Das sei kein Moment gewesen, um Wissenschaft zu betreiben, so Helmholtz. Aber »der deutsche Geist« habe sich mit dieser Situation nicht zufriedengeben und seine Zweifel nicht schweigen lassen können. Deshalb widmeten sich die wissenschaftlich Gebildeten hauptsächlich der Theologie und suchten mithilfe der klassischen Philologie und Philosophie die »neu auftauchenden sittlichen, ästhetischen und metaphysischen Probleme« zu lösen. Auch »Kritik der Erkenntnissquellen musste vorgenommen werden, und sie wurde es mit viel tieferem Ernst als früher«. Die positiven Resultate der deutschen Aufklärung riefen indes auch große Hoffnungen hervor, »und die Metaphysik hat, wie sich nicht leugnen lässt, eine gefährliche Anziehung für den deutschen Geist; er konnte nicht eher von ihr wieder ablassen, als bis er alle ihre Schlupfwinkel durchsucht und sich überzeugt hatte, dass dort für jetzt nichts mehr zu finden sei«. Wie Helmholtz weiter ausführte, habe das erneuerte geistige Leben der Nation nach 1750 künstlerische Blüten getrieben und auch die Sprache zu einem verfeinerten Werkzeug des Geistes entwickelt. Doch gerade als sich das Leben in den verarmten Landen von der Verheerung der Religionskriege erholt hatte und man
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begann, auf eine bessere Zukunft zu hoffen, folgte das Elend der Napoleonischen Kriege. Aus dieser politischen und militärischen Lage der Dinge ergaben sich laut Helmholtz wiederum tiefgreifende Konsequenzen auf das Geistesleben, etwa in Gestalt der Flucht in die Gefilde der Poesie oder der Philosophie. Im Vergleich zu »den grossen Conceptionen der Philosophien und Dichter« erschien die tägliche Arbeit der deutschen Naturwissenschaftler (Astronomen ausgenommen) dieser Zeit kleingeistig. Helmholtz würdigte ausdrücklich »die sittliche Kraft« der Intellektuellen aus vornapoleonischer Zeit, »welche das Napoleonische Joch brach«. Ihre Nachfahren verdankten ihnen »die grossen Dichtungen, welche der edelste Schatz unserer Nation sind«. Das Ganze habe jedoch auch etwas Irreales gehabt, »und Individuen wie Nationen, welche zur Mannesreife sich entwickeln wollen, müssen lernen der Wirklichkeit in das Gesicht zu schauen, um die Wirklichkeit unter die Zwecke des Geistes zu beugen«. Stattdessen hatte das intellektuelle Erbe laut Helmholtz für »Verirrungen einer Geistesrichtung« gesorgt, genauer gesagt waren die romantische Schule und Hegels Identitätsphilosophie schließlich in ein »sentimentales Haschen nach Erhabenheit und Begeisterung« verfallen. Eine Reaktion auf diese Verirrungen habe sich über alle Gebiete der Wissenschaften hinweg bemerkbar gemacht – auch in den Naturwissenschaften. Letztendlich habe »man begriffen, dass man erst die Thatsachen kennen muss, ehe man ihre Gesetze aufstellen kann«.26 So spannte Helmholtz den Bogen zu Magnus, der für den Empirismus zu Felde gezogen war. Dabei kämpfte Magnus stets an zwei Fronten: einerseits für die Physik (als die Grundlagen der gesamten Naturwissenschaft) und andererseits gegen bloße Vermutungen, wobei die gut besuchte Universität Berlin Helmholtz zufolge die »am längsten gehaltene Festung der Speculation« gewesen war. Magnus »predigte seinen Schülern fortdauernd«, dass man, um die Natur verstehen zu können, beobachten und experimentieren müsse. Räsonnement allein reiche nicht aus, und sei es noch so plausibel. Magnus’ Forschung auf dem Gebiet der Biochemie (im Bereich der Blutgase) rüttelte im Grunde am Vitalismus, und seine Forschung zur »organischen Physik«, besonders zum Thema organischer Stoffwechsel, legte »den wissenschaftlichen Grund für die richtige Theorie der Athmung« – worauf andere dann wieder aufbauten.27 Helmholtz einzige Kritik an Magnus als Wissenschaftler betraf seine nur oberflächliche Kenntnis der mathematischen Physik und seine Skepsis ihr gegenüber, die aus Magnus’ Misstrauen gegenüber jedweder Spekulation entstand. Hier, so Helmholtz, habe Magnus sein Misstrauen zu weit getrieben. Er räumte jedoch ein, dass noch eine Generation zuvor die mathematische Physik auf einer verwirrenden Mischung aus erfahrungsgestützten Tatsachen, Wortdefinitionen und Hypothesen beruht habe, sodass Magnus’ Misstrauen nicht unbegründet war. Helmholtz drückte seine eigenen Zweifel an Hypothesen über die atomare Struktur der Materie aus. Damit wolle er sich nicht gegen die Existenz der Atome per se erklären, »sondern
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nur gegen das Streben aus rein hypothetischen Annahmen über Atombau der Naturkörper die Grundlagen der theoretischen Physik herzuleiten«. Selbst die mathematische Physik werde mittlerweile als »eine reine Erfahrungswissenschaft« verstanden – was gewiss für Thomson, Maxwell, Kirchhoff und andere galt, sicher aber nicht für alle. Er fuhr fort: Unmittelbar in der Erfahrung finden wir nur ausgedehnte mannigfach gestaltete und zusammengesetzte Körper vor uns; nur an solchen können wir unsere Beobachtungen und Versuche machen. Deren Wirkungen sind zusammengesetzt aus den Wirkungen, welche alle ihre Theile zu der Summe des Ganzen beitragen, und wenn wir also die einfachsten und allgemeinsten Wirkungsgesetze der in der Natur vorgefundenen Massen und Stoffe auf einander kennen lernen und diese Gesetze namentlich befreien wollen von den Zufälligkeiten der Form, der Grösse und Lage der zusammenwirkenden Körper, so müssen wir zurückgehen auf die Wirkungsgesetze der kleinsten Volumtheile, oder wie die Mathematiker es bezeichnen, der Volumelemente. Diese aber sind nicht, wie die Atome, disparat und verschiedenartig, sondern continuirlich und gleichartig. In dieser Passage wird deutlich, dass er Gauß, Neumann (und seine Schüler, samt Kirchhoff ), Faraday, Stokes, Thomson und Maxwell für die idealen Physiker hielt. Mehr noch, es handelte sich im Grunde um eine Ankündigung, seine Physik der Kraft gegen eine Physik der Energie einzutauschen. Seiner Ansicht nach basierte die mathematische Physik ebenso auf empirischen Erscheinungen wie die experimentelle Physik. Im Prinzip gab es keine großen Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen, wo doch »die mathematische nur das Geschäft der experimentellen Physik fortsetzt, um immer einfachere und allgemeinere Gesetze der Erscheinungen zu entdecken«. Moderne experimentelle Physik setzte ebenso Verständnis und Anwendung der Theorie voraus, wie moderne theoretische Physik Experimentiererfahrung erforderte. So, berichtete Helmholtz, sei er selber in der Physik vorgegangen, und wenngleich Magnus kein Freund der mathematischen Physik gewesen sei, habe er dennoch »bei ihm stets die bereitwilligste und freundlichste Anerkennung gefunden«. Unter Wissenschaftlern sei man sich darüber einig, »dass die Wissenschaft zur Aufgabe hat, die Gesetze der Thatsachen zu finden«. Einige bevorzugten es, Theorien über neue mögliche Gesetze anhand bekannter Fakten aufzustellen, andere suchten nach neuen Fakten, mithilfe derer sich neue Gesetze aufdecken ließen. Helmholtz wandte sich gleichermaßen gegen ein leeres Theoretisieren als auch gegen »übertriebenen Empirismus«, der kein Interesse daran hat, neue Gesetze zu finden.28 Helmholtz endete mit der Feststellung, dass Magnus alles zugefallen sei, was die meisten Menschen sich im Leben wünschten (das heißt Geld und materielle Güter), »aber er wusste die äusseren Güter zu adeln, indem er sie in den Dienst eines
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uneigennützigen Zweckes stellte. Was dem Gemüthe eines edlen Menschen am theuersten ist, in der Mitte einer liebenswürdigen Familie, in einem Kreise treuer und bedeutender Freunde sich zu erwärmen, war ihm vergönnt. Als das seltenste Glück aber möchte ich es preisen, dass er in reiner Begeisterung für ein ideales Princip arbeiten durfte und dass er die Sache, der er diente, siegreich wachsen und sich entfalten sah zu ungeahntem Reichthum und zu breithin wirkendem Segen«. Hier beschrieb Helmholtz sich selbst – oder zumindest das ideale Selbst, das er anstrebte. Überhaupt ging es in Helmholtz’ Ansprache weniger um Magnus als um ihn selbst: sein Idealbild von einem Wissenschaftler, seine heroische Sichtweise der deutschen Geschichte und sein Ideal der Physik. Dem Philosophen Wilhelm Dilthey, der Helmholtz’ Rede persönlich beiwohnte, erschien Helmholtz im Nachhinein wie »die Verkörperung des naturwissenschaftlichen Geistes«.29
Segelturn um die schottischen Inseln Nach seinem ersten Semester in Berlin benötigte Helmholtz viel Ruhe und Entspannung. Für Mai 1871 hatte ihn Thomson, der designierte Präsident der BAAS, zum Treffen der Vereinigung in Edinburgh eingeladen und danach zu einer mehrwöchigen Bootstour entlang der West Highlands und der Hebriden auf seiner neuen Schoneryacht Lalla Rookh. Die Reise wurde Helmholtz dadurch noch schmackhafter gemacht, dass sowohl der britische Physiologe und Pathologe John Hughes Bennett wie auch der Chemiker Alexander Crum Brown, Taits Schwager, ihn einluden, während des Treffens bei ihnen in Edinburgh zu wohnen. Helmholtz entschied sich letztendlich gegen die Konferenzteilnahme, sagte für Thomsons Segeltour jedoch zu. Dieser war überaus erfreut und brachte in Vorschlag, sie könnten die Reise vielleicht auch mit ein wenig Arbeit verbinden. Tait war verärgert, fürchtete er doch, Helmholtz wieder nicht treffen zu können – wo er ihn doch in St Andrews in die »Geheimnisse des Golfspiels« einzuweihen gedachte.30 Anfang August reiste Helmholtz mit seiner Familie an die Ostseeküste bei Kiel, wo er sie Mitte des Monats für Thomson und Schottland zurückließ. Das Hügelland um Edinburgh und die Bucht von St Andrews fand er äußerst beeindruckend. Hier gab es »grosses Leben von Badegästen, eleganten Damen und Kindern, Gentlemen in Sportkostümen, welche Golfing spielen«. (Außerdem gab es in St Andrews zu seiner Überraschung nackt badende Männer.) Helmholtz aß mit Tait, dem Belfaster Chemiker Andrews und Huxley zu Abend: »lauter angenehme und interessante Leute«. Andrews zeigte ihnen einige bemerkenswerte Experimente und Tait war vom Golfen ebenso begeistert wie Thomson vom Segeln. Er brachte Helmholtz dazu, eine Runde zu spielen – wobei er wie zu erwarten abschnitt.31 Am 24. August reiste Helmholtz zu Thomson nach Glasgow. Die neue University of Glasgow fand er großartig, Thomsons neues Zuhause jedoch im Vergleich
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zu dem, das er mit der inzwischen verstorbenen Mrs. Thomson bewohnt hatte, eher trist. Im Esszimmer hing ein ausdrucksvolles Porträt von ihr, was Helmholtz an seine Gefühle für Olga erinnerte. »Ich mußte die Thränen zurückhalten. Es ist halt sehr traurig, wenn die Männer ihre Frauen verlieren und ihr Leben verödet«, schrieb er an Anna. Er flanierte im »prachtvollen Park« des Duke of Argyle, bewunderte den dortigen »prächtigen Wasserfall« und bekam am herzoglichen Schloss ein Feuerwerk zu sehen. Dann begann die Segeltour auf der Lalla Rookh. Neben Thomson und Helmholtz befanden sich zeitweilig unter anderem Thomsons Bruder James und Crum Brown an Bord (nicht aber die weiteren ursprünglich Eingeladenen: Maxwell, Huxley, Tyndall und Tait). Helmholtz zeigte sich beim Segeln ziemlich furchtlos, selbst bei stürmischem und regnerischem Wetter. An Bord des Schiffes sah er seine ersten Nordlichter. Während sie zwischen Schottland und Irland segelten, las er Charles Kingsleys Hypathia (1853), »ein verkünsteltes Machwerk«, und diskutierte mit Thomson über die Theorie der Wellen, »was er am liebsten auch als eine Art von ›race‹ zwischen uns Beiden behandeln möchte«. Thomsons Konkurrenzdenken überraschte Helmholtz. Als Thomson in Inveraray alleine von Bord ging, warnte er Helmholtz: »Aber Achtung, Helmholtz, arbeiten Sie mir nicht an den Wellen, während ich weg bin.«32 Thomsons Gruppe verbrachte mehrere Stunden in der Bucht von Belfast und segelte dann entlang der schottischen Atlantikküste zur Isle of Skye. Helmholtz fühlte sich immer wohler an Bord der Lalla Rookh und war beeindruckt, wie schnell und gut manövrierbar all die Yachten waren, die er unterwegs zu Gesicht bekam. In Belfast stattete er Andrews und dessen Labor einen Besuch ab, wohnte einer Regatta bei und aß mit James Thomson, einem Professor für Ingenieurwissenschaften und Bruder von William, zu Abend. Helmholtz hielt sie allesamt für »sharp people«. Nordirland wurde von dem protestantischen irischen Oranier-Orden regiert. Helmholtz glaubte, diese »Orangists« seien »womöglich noch preussischer, als die Preussen selbst«. Sie hofften darauf, dass Preußen ein neues Reich ähnlich dem Karls des Großen errichten würde, »um Celten und Slaven nieder zu halten und die Civilisation zu retten«. Helmholtz gewann den Eindruck, dass die Schotten die Franzosen noch härter aburteilten als die Deutschen, indem sie sie »geradezu für savages, deren Civilisation ganz verloren gegangen sei« erachteten.33 Einen Tag verbrachten sie auf dem Landsitz des hochrangigen britischen Diplomaten und Politikers Lord Dufferin (Frederick Temple Hamilton-Temple-Blackwood) in Oban an der Westküste Schottlands. Lady Dufferin beschrieb Helmholtz als »ungewöhnlich schön«. Allerdings hatte ihre Mutter, Lady Hamilton, Verbindungen zum französischen Hof und war demnach nicht gerade ein Fan von Deutschland. Lord Dufferins Haus war voller Bilder und anderer Kunstobjekte aus Ägypten und Asien. Dufferin führte Helmholtz und seine Begleitung überall
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herum, »so daß ich es vollständig kennen lernen konnte. Da ich ein vornehmes englisches [sic] Haus noch nicht so vollständig kannte, war mir das sehr interessant«. Am Sonntag konnte Helmholtz nicht umhin, einem anglikanischen Gottesdienst in Dufferins Privatkapelle beizuwohnen: »Es war aber nur Lithurgie, ohne Predigt.«34 Von der Lalla Rookh aus beschrieb er die öden Berge und die spärliche Vegetation auf der Fahrt von der Isle of Skye zum schottischen Festland. Sie segelten nach Tobermory und gingen auf der Isle of Mull spazieren. Danach machten sie sich schnell auf zum Landsitz von Hugh und Jemima Blackburn in Roshven, der von »den einsamsten Bergen« umgeben war. Blackburn war Thomsons bester Freund und Mathematikprofessor an der Glasgower Universität – welche Position zuvor Thomsons Vater bekleidet hatte. Jemima, einer Cousine Thomsons, die zu den besten britischen Naturzeichnern des Viktorianischen Zeitalters gehörte (besonders Vögel), bescheinigte auch Helmholtz ein besonderes Talent für die Tiermalerei: Sie »spürt den Thieren in allen ihren Sitten und in ihrer Lebensweise nach«. Viele ihrer Bilder waren als Lithographien reproduziert worden, und einige waren sogar in London ausgestellt worden. Helmholtz beschreibt, wie sehr sich Thomson dort zu Hause fühlte, dergestalt nämlich, »daß er stets sein mathematisches Heft mit sich führt und sobald ihm etwas einfällt, mitten in der Gesellschaft zu rechnen anfängt, was man allgemein mit einer gewissen Ehrfurcht betrachtet. Wie wäre es«, fragte er sich, »wenn ich die Berliner auch daran gewöhnte!« Während sie an Bord der Lalla Rookh durch den Sound of Mull schipperten, führten Helmholtz und Thomson Experimente durch: Sie ließen eine Angelleine ein paar Fuß ins Wasser hängen und suchten so, die minimale Ausbreitungsgeschwindigkeit der kleinsten Wellen auf der Wasseroberfläche zu bestimmen, ein Thema, an dem Thomson schon seit einiger Zeit saß und worüber er schließlich auch etwas publizierte. Während ihrer Experimente schwammen kleine Wale nah an ihr Schiff heran und lieferten ihnen ein (weiteres) Gesprächsthema.35 Trotz der Freude, die ihm das Segeln, die Geselligkeit, die Besichtigungstouren und dann auch noch die Experimente bereiteten, fühlte sich Helmholtz irgendwann einsam ohne die Gesellschaft seiner Frau. Er schrieb an Anna: »Ich finde, daß ein nicht mehr ganz junger Ehemann sich auf die Dauer doch nicht wohl fühlt, wenn er ohne höhere Leitung sich selbst überlassen in der Welt herumschwärmt, und daß die Welt wahrscheinlich nicht viel Schönheiten darbieten würde, wenn sie allein mit Männern bevölkert wäre, sondern sehr praktisch und unerquicklich sein möchte.« Er hatte eine gute Zeit gehabt, aber als sie ein paar Tage später Glasgow erreichten, verließ er Thomson und fuhr zurück zu Anna.36 Der Segelturn und die ganze Reise sollten sich für Helmholtz als äußerst vorteilhaft erweisen. Er hatte einige britische Wissenschaftler kennengelernt, darunter der Chemiker John Ferguson (der bald Regius Professor für Chemie an der Universität Glasgow werden sollte), der junge Chemiker John Millar Thomson und die Fa-
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milie Strutt. Auch seiner Gesundheit hatte die Segeltour gutgetan: »Vor einer Woche habe ich meine Vorlesungen aufgenommen«, schrieb er Anfang November an Thomson, »und fühle mich zur Zeit viel wohler als im Sommer. Ich habe Zeit, für mich selbst zu arbeiten«.37
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Die Physik aufbauen Am provisorischen Institut Helmholtz genoss es, nicht länger ein verhinderter Physiker zu sein. Berlin hatte in ihm nun einen theoretischen und experimentellen Physiker in einem. Seine Berufung spiegelt wider, wie sehr die theoretische Physik in Deutschland damals an Bedeutung gewann. Helmholtz glaubte, dass die theoretischen Physiker ebenso Experimente zu verstehen hatten wie die Experimentalphysiker die Theorie.1 Am Berliner Physikinstitut standen jedoch – genauso wie überall sonst – Versuche ganz oben auf der Tagesordnung. Helmholtz hielt Einführungskurse in die Physik vor vielen Studenten im ersten oder zweiten Studienjahr, die sich wenig oder überhaupt nicht für theoretische Physik interessierten. Auch wenn es in diesen Kursen um die Grundlagen der Physik ging, lag ihr Fokus klar auf den Experimenten, die er entweder zur Veranschaulichung im Hörsaal vorführte oder die seine Studenten im Labor selbst durchführten. Selbst die weit fortgeschrittenen Studenten und Helmholtz’ wissenschaftliche Mitarbeiter in Berlin (und überall sonst) konzentrierten sich hauptsächlich auf die experimentelle, nicht die theoretische Physik. Um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, benötigte Helmholtz ein großes, gut ausgestattetes Physikinstitut – und es kostete ihn sieben Jahre, es aufzubauen. Das Berliner Physikinstitut in einer quasi embryonalen Form entstand in den 1840er-Jahren unter Magnus’ Leitung, mit seiner finanziellen Unterstützung und in seinem Haus in der Nähe der Universität. Da er über gewisse Mittel verfügte, konnte er die benötigten Instrumente selbst anschaffen und ein Kabinett aufbauen. Später spendete oder verkaufte er einige dieser Instrumente an den Staat und hinterließ schließlich seine Sammlung, seine Gerätschaften und seine Bibliothek der Universität. Damit legte er den Grundstein für Helmholtz’ Institut von vor 1878. Im Jahr zwischen Magnus’ Tod und Helmholtz’ Ankunft führte der mittlerweile etwas in die Jahre gekommene Experimentalphysiker und hervorragende Meteorologe Dove das Institut interimsweise. Quincke, Physikprofessor an der Gewerbeakademie in Charlottenburg, übernahm derweil das Colloquium. Dove war es auch,
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der den Umzug von Magnus’ Kabinett und Büchern in den Ostflügel des Universitätsgebäudes überwachte, wo Helmholtz’ vorläufiges Institut Teile von zwei Stockwerken einnahm, die Richtung Unter den Linden schauten. Dieses provisorische Institut verfügte über einen Hörsaal, Räumlichkeiten für die Instrumentensammlung, eine Bücherei im Erdgeschoss und sechs Laborräume im ersten Stock. Zudem gab es ein eigenes Zimmer für Helmholtz und eines für seinen Assistenten. Hörsaal und Labor waren jedoch viel zu klein, um den Studenten genug Platz zu bieten und um Helmholtz’ Instrumente alle aufstellen zu können.2 Helmholtz, seine Mitarbeiter und seine Studenten mussten sich bis 1878 mit diesen beengten Gegebenheiten arrangieren, die ihn dazu zwangen, seine eigenen Experimente in den Gang zu verlagern. Es kostete viel Zeit und Schweiß, die Instrumente einfach nur vor und nach jeder Vorlesung hin- und herzubewegen, ganz zu schweigen von dem langen Fußweg von Helmholtz’ Wohnung ins Institut. Anna fand den Hörsaal »scheußlich«. 1875 gab es bereits doppelt so viele Bewerber für das Labor als Plätze. Zumindest ein Student konnte den beengten Verhältnissen indes etwas abgewinnen: Arthur Schuster, ein gebürtiger Frankfurter, war im Herbst 1854 als britischer »Postdoktorand« in Berlin; später stand ihm eine lange Karriere als britischer Physiker bevor. Dass die Forschungsstudenten zusammen an Tischen in kleinen Räumen arbeiteten, brachte sie seiner Meinung nach näher zusammen und förderte den Austausch. Wie Schuster festhielt, verbrachte Helmholtz jeden Tag eine Stunde mit seinen fortgeschrittenen Studenten, besprach ihre (und seine) Arbeit mit ihnen und erteilte ihnen Ratschläge.3 Um sein Institut betreiben zu können, benötigte Helmholtz Unterstützung und Geld – und von beidem immer mehr. Mit der Ausnahme von Friedrich Neesen suchte und fand er seine Assistenten unter seinen fortgeschrittenen Studenten. Anfang bis Mitte der 1870er-Jahre zählten (neben Neesen) Heinrich Friedrich Weber, Paul Glan, Wilhelm Giese, Ernst Hagen und Heinrich Kayser zu seinen Assistenten. Von all diesen stellte sich lediglich Glan als Fehlgriff und unangenehme Überraschung heraus: Im März 1878 erfuhr Helmholtz, dass Glan, mittlerweile seit sieben Jahren sein Assistent, sich nicht um die Studenten kümmerte und jüngst sogar »Eigenmächtigkeiten und Nachlässigkeiten« sich hatte zuschulden kommen lassen. Helmholtz legte ihm also die Kündigung nahe, und als Glan dem nicht nachkam, entließ er ihn. Was das anfängliche Institutsbudget anging, so ließen sich daraus ein Diener, zwei (bald drei) Assistenten und Labormaterialien finanzieren, außerdem die Miete für Helmholtz’ Wohnung am Tiergarten. Ein Assistent verdiente – je nachdem, ob er der erste, zweite oder dritte Assistent war – zwischen 300 und 500 Talern pro Jahr. Das gesamte Jahresbudget bewegte sich zwischen 2800 und 3500 Talern. 1876/77 verfügte das Institut, das mittlerweile aus einem Professor (Helmholtz) und seinem sechsköpfigen Mitarbeiterstab (einem außerordentlichen Professor, drei Assistenten, einem Diener und einem Pförtner) bestand, über ein
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Budget von circa 33 000 Mark, wobei das Salär für Helmholtz und den außerordentlichen Professor extra dazukam. Mittlerweile gab es zwischen 20 und 24 Studenten, die einen Laborplatz bei Helmholtz haben wollten, aber nur Raum und Mittel für 15 von ihnen. Helmholtz rechnete mit noch mehr Anfragen nach Laborplätzen, sobald er in das neue Institut eingezogen wäre, und einem entsprechend wachsenden Bedarf an Assistenten und finanziellen Mitteln. Als der außerordentliche Professor (Poggendorff ) 1877 verstarb, suchte Helmholtz nach einem Nachfolger. Er fühlte sich überfordert und schrieb an das Ministerium: »Meine Zeit ist durch die Vorlesungen, Berücksichtigung des Laboratoriums, Directorial- und Facultätsgeschäfte, wozu noch gelegentlich solche für die Akademie der Wissenschaften kommen, so in Anspruch genommen, daß mir nur außerordentlich sparsam Reste zu Arbeiten verwendbarer Zeit für wissenschaftliche Untersuchungen übrig bleiben.«4
Politik und Verkehrserschütterungen Dass es ganze sieben Jahre dauerte, um das neue Institut unter Dach und Fach zu bringen, hing mit den bürokratischen und politischen Verstrickungen zusammen, mit denen wissenschaftlicher Gründergeist im Deutschland des 19. Jahrhunderts zu kämpfen hatte. Der Prozess zog sich tatsächlich nicht deshalb so in die Länge, weil sich etwa die Behörden quergestellt hätten, und es mangelte (nach 1871) auch nicht an Geld. Wilhelm I. setzte sich weitaus stärker für die Wissenschaften ein als seine beiden direkten Vorgänger (Friedrich Wilhelm III., der nur sporadisch wissenschaftliche Institutionen unterstützt hatte, und Friedrich Wilhelm IV., der sich mehr für Kunstakademien interessierte). Um 1870 waren auch viele führende Politiker davon überzeugt, dass die Beförderung von Wissenschaft und Technologie in Forschung und Lehre zugleich den Staat und die Gesellschaft stärken würde. Viele Berliner Wissenschaftler profitierten von der Gründung des Deutschen Reichs und dessen Bestrebungen, Berlin zur deutschen Wissenschafts- und Kulturhauptstadt zu machen. Man kann sagen, dass die deutschen Siege auf dem Schlachtfeld zwischen 1864 und 1871 (einschließlich der von Frankreich gezahlten Kriegsentschädigung in Höhe von fünf Milliarden Franc, zuzüglich Zinsen) Helmholtz’ Weg nach Berlin ebneten und den Aufbau seines und anderer Berliner Institute überhaupt erst ermöglichten. Und doch erwartete ihn dort ein siebenjähriger zermürbender Kampf, zunächst um die Genehmigung des geplanten Standorts und die Finanzierung seines Instituts (1871 – 1873), später um die Bauaufsicht (1873 – 1878). Bürokratische Ungewissheit, politische Grabenkämpfe und die Sorge, durch den Verkehr draußen auf der Straße verursachte Erschütterungen könnten sich auf die empfindlichen Instrumente des Instituts auswirken, führten zu den ersten Verzögerungen. Im Juli 1871 bat das Ministerium Helmholtz, ein potenzielles Baugrund-
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stück bei der Universität hinsichtlich seiner Eignung für ein neues Institut zu prüfen. Im Oktober bereitete Helmholtz Pläne für das Institut inklusive seiner Wohnung vor, die dem preußischen Landtag vorgelegt werden sollten. Im Ministerium kam es derweil zu einem Durcheinander: Im Januar 1872 hatte Falk als Minister Mühler abgelöst und benötigte noch etwas Zeit, um sein Portefeuille in den Griff zu bekommen. Außerdem musste der Baugrund erst noch gekauft werden. Anna bemerkte in einem Brief an Tyndall: »Alles, was hier nicht militärisch ist, ist äußerst erbärmlich.« Ein weiteres Problem war, dass die Pläne für das physikalische und das physiologische Institut möglicherweise in Konflikt mit dem neuen zentralen Straßenbahnnetz geraten würden, das großen Rückhalt im Handelsministerium hatte. Das und überhaupt der Standort im Herzen der Stadt ließ befürchten, dass mechanische Vibrationen und elektromagnetische Felder von außen die Präzision der wissenschaftlichen Arbeit im Institut beeinträchtigen könnten. Das aber war etwas, das Helmholtz und du Bois-Reymond um jeden Preis vermeiden oder so gering wie irgend möglich halten wollten. Um die potenziellen Risiken zu ermitteln, führte du Bois-Reymond unterirdische galvanometrische Tests zur Schwingungskonstanz durch.5 Anna glaubte, sie könne den Kauf des Baugrunds beschleunigen, wenn sie direkt mit Kronprinzessin Viktoria über den Stellenwert des Instituts sprechen und damit den »saumseligen Ministerien« einen Schubs geben würde – wo doch Hermann schließlich nie jemanden schubste. Der Universitätssenat seinerseits wandte sich mit der Bitte direkt an den Kaiser, er möge den Landwirtschaftsminister veranlassen, die Landrechte an das Kultusministerium abzutreten. Sollte das nicht funktionieren, waren Helmholtz und du Bois-Reymond bereit, mit ihrer beider Rücktritt zu drohen, »denn um sich von königlich preußischen Cultusministerium jahrelang hinhalten zu lassen, ist Hermann nicht hierher gekommen«. Der Plan für den Landtransfer ging anscheinend auf, und du Bois-Reymond verkündete: »Nun sind Helmholtz und ich Alleinherrscher über all das.« Die beiden Herrscher verbrachten dann zusammen mit dem Architekten und staatlichen Bauinspektor Paul Spieker den Herbst und Winter 1872 mit der Erstellung von Bauplänen. Helmholtz steckte so tief drin in den Planungen, dass er sogar seinen Freund Beetz bat, ihm die Pläne für die Magazinräume am Erlanger Institut zu senden. Du Bois-Reymond versprach Bence Jones, Baupläne nach London zu senden, damit er seinen Freunden zeigen konnte, dass die Preußen »nicht so ausschließlich militärisch sind, wie es aus der Ferne scheinen mag, und dass einige der französischen Millionen ihren Weg in die Wissenschaft finden«. Helmholtz und du Bois-Reymond mussten sich gegen einen neuen Plan der Straßenbahngesellschaft wehren, eine Überführung über die Spree zu bauen, die den Instituten gefährlich nahegekommen wäre. Auch diese Schlacht gewannen sie. Dennoch äußerte Helmholtz mehrfach vor Anna, dass er liebend gerne nach Heidelberg zurückkehren würde, müsste er dort nur nicht Physiologie unterrichten. Den
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Alltag in Berlin fand er anstrengend und klagte, dass so viel Zeit verloren ging, wenn er jeden Tag ein- oder zweimal von seiner Wohnung ins Institut und zurück lief.6 Die Arbeit war eine ständige Belastung, und der Stress beeinträchtigte Helmholtz’ Gesundheit, um die er und Anna sich schon seit jeher endlose Sorgen machten. Im Dezember 1871 schrieb sie an ihre Mutter, dass Hermann am Vortag so viel zu tun gehabt hatte, dass er erst um Mitternacht nach Hause gekommen war. Ähnlich hieß es ein halbes Jahr später: »Hermann sehe ich fast gar nicht mehr, er kommt abends totmüde heim, ißt, schläft und muss drei bis viermal wöchentlich nochmals in Sitzungen sein. Es ist eine wahre Hetzjagd, aber kein Leben zu nennen.« Also machte er sich, wie bereits früher, in den Semesterferien auf, um sich in Süddeutschland, der Schweiz, Italien oder auch Österreich zu erholen. Regelmäßig verbrachte er ein paar Wochen alleine (oder mit Freunden), die er für Wanderungen durch die Schweizer oder italienischen Alpen nutzte, und ein paar Wochen zusammen mit der Familie in Oberbayern (in Ambach am Starnberger See). Im September 1872 machte er beispielsweise Urlaub in Thun. Sein Gesundheitszustand verbesserte sich etwas, es plagten ihn aber weiterhin Migräne-Kopfschmerzen und Herzrasen. »Er ist traurig und mutlos«, schrieb Anna an ihre Tante. Er fuhr für einige Tage nach Genf, um Auguste de la Rive zu besuchen, und unternahm Ausflüge um den See. Seine Hoffnung, in Genf auch Soret zu treffen, wurde enttäuscht, da dieser unterwegs war.7 Trotzdem tat ihm die Schweiz gut. Zurück in Berlin lasteten seine Pflichten und Bürden wieder schwer auf ihm, weder die Morgenstunden noch die Nachmittage hatte er für sich. Studentische Prüfungen und Treffen mit Kollegen fraßen noch mehr von dem, was seine Freizeit hätte sein sollen. Immerhin gelang es ihm, ungebetene Gäste in anderen als beruflichen Angelegenheiten abzuwehren, diese »lästigen Besucher mit allerlei Anliegen, größtenteils Unsinn«, wie er an Thomson schrieb. »Mein Leben besteht darin«, so wieder Anna, »ihm zu Hause die paar Stunden so ruhig als möglich zu machen; ihn nie zu quälen mit Alltagsdingen.« Alles in allem bereute Helmholtz es dennoch nicht, nach Berlin gekommen zu sein und diese große Verantwortung übernommen zu haben. Lipschitz gegenüber äußerte er seine grundsätzliche Zufriedenheit. Er freute sich darüber, einen gewissen Einfluss auf die Studenten zu haben, und gesundheitlich ging es ihm sogar besser als in Heidelberg.8
Die Copley-Medaille und andere wissenschaftliche Ehren In Großbritannien versuchte derweil Thomson, Helmholtz die Copley-Medaille zu sichern.9 Diese höchste von der Royal Society of London vergebene Auszeichnung war wohl die prestigeträchtigste wissenschaftliche Ehrung in ganz Großbritannien. Nur sehr wenige Deutsche hatten sie bisher erhalten: als erster Gauß (1838), dann Liebig (1840), Ohm (1841), Humboldt (1852), Dove (1853), Müller (1854), Wilhelm
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Weber (1859), Plücker (1866), von Baer (1867) und Mayer (1871). Im Oktober 1871, nur vier Monate nachdem Helmholtz Thomson dazu verholfen hatte, korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu werden, und weniger als zwei Monate nach ihrer gemeinsamen Segeltour startete Thomson seinen ersten Versuch, Helmholtz für den Preis ins Rennen zu bringen. Was läge näher unter alten Freunden, als sich gegenseitig zu Auszeichnungen zu verhelfen? Wie Thomson es Stokes gegenüber formulierte, als er um dessen Unterstützung für Helmholtz warb: »Je besser ich Helmholtz’ Arbeit kennenlerne, umso mehr weiß ich sie zu schätzen, und mir ist sehr daran gelegen, dass die meiner Meinung nach richtige Person den Preis erhält.«10 Er wurde jedoch enttäuscht: An Helmholtz’ statt erhielt Mayer in diesem Jahr die Medaille für seine Untersuchung des mechanischen Wärmeäquivalents. Damit reagierte man im Grunde darauf, dass Joule 1870 den Preis für seine Arbeit zum selben Thema bekommen hatte. Auch im folgenden Jahr hatte Helmholtz kein Glück, als wieder ein Deutscher, der Chemiker Friedrich Wöhler, die Auszeichnung einheimste. Zwar ging die Copley-Medaille zunächst an Helmholtz vorbei, doch wurden ihm andere, kleinere Ehrungen zuteil: Im April 1872 konnte er sich darüber freuen, zum Ehrenmitglied des Naturhistorisch-medicinischen Vereins zu Heidelberg gewählt worden zu sein. Die Auszeichnung weckte gute Erinnerungen an seine Zeit bei diesem Verein. Im selben Jahr wurde er außerdem erneut zum auswärtigen Ehrenmitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien gekürt. (Das war jedoch reine Formsache: 1865 war er als Mitglied aus Baden gewählt worden, da er aber mittlerweile in Preußen lebte, musste man ihn gemäß den Wiener Regularien erneut wählen.)11 Ende 1872 schlug Thomson dem Oberhaupt des Peterhouse, eines prestigeträchtigen Cambridger Colleges, und dem Vizekanzler der Universität vor, Helmholtz nächstes Jahr als Redner für die jährliche »Rede Lecture« (»für ein gebildetes Publikum«) einzuladen. Sie stimmten zu, woraufhin Thomson Helmholtz im Namen der Universität einlud. Doch dieser lehnte ab, war er doch zu sehr mit seiner Arbeit beschäftigt und unsicher, ob sein Englisch für einen solchen Vortragsrahmen ausreichen würde. Statt seiner fragte man Tait an, der Helmholtz schrieb, er werde »versuchen, bezüglich des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik Gerechtigkeit zwischen Thomson & Clausius zu schaffen«.12 Thomson hatte noch ein weiteres Anliegen an Helmholtz: Er betrieb die Berufung seines Bruders James, eines langjährigen Professors für Ingenieurwesen am Belfaster Queen’s College, auf den Lehrstuhl für Ingenieurwesen in Glasgow (als Nachfolger von Rankine). Zu diesem Zweck hatte er bereits Empfehlungsschreiben von Andrews, Tait und Joule gesammelt und erwartete ein weiteres von Maxwell. Auch Helmholtz bat er um seine Empfehlung. Die gesammelten Schreiben wollte er dem Innenminister vorlegen, in dessen Zuständigkeitsbereich die Berufung
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fiel. Es war nicht das erste Mal, dass britische Ingenieure an Helmholtz herantraten. 1868 hatte James Forrest, der Sekretär der Londoner Bauingenieursvereinigung (Institution of Civil Engineers in London), ihn darauf angesprochen, dass die Vereinigung aktuelle Informationen zum Stand der Ingenieursausbildung in verschiedenen Ländern sammelte, und Helmholtz gebeten, ihm sein Wissen über die Ausbildungsmöglichkeiten besonders in Deutschland mitzuteilen.13 In seiner Empfehlung für James Thomson beschrieb Helmholtz diesen als »Mann mit sehr scharfem Urteilsvermögen in Fragen der physikalischen, mechanischen und mathematischen Wissenschaften und einem überaus umfangreichen Wissen in diesen Bereichen«. Er lobte dessen theoretische Arbeit zu druckbedingten Änderungen der Gefriertemperatur von Wasser als »originelle Idee von höchster Bedeutung« und würdigte auch dessen hydrodynamische und meteorologische Studien. James Thomson war nach seinem Dafürhalten jemand, der wissenschaftliche Probleme aufs Genaueste untersuchte. »Ein solcher Mann wäre meiner Meinung nach der beste Lehrer für junge Ingenieure.« Zwei Monate später wurde der solcherart Empfohlene tatsächlich an den Glasgower Lehrstuhl für Ingenieurwissenschaften berufen. Sein Bruder, William Thomson, glaubte, Helmholtz Brief müsse »einen größeren Einfluss hinsichtlich seiner Berufung gehabt haben als jedes andere Dokument, das Innenminister Mr. Bruce erhielt«.14 Im September 1873 deutete Tyndall schließlich an, dass die Copley-Medaille diesmal an Helmholtz gehen werde. Zwei Tage bevor Helmholtz es dann offiziell von der Gesellschaft erfuhr, sandte Tyndall ihm per Telegramm die rätselhafte Nachricht: »Wenn du vorbeikommst, mache ich Faradays eigenes Bett für dich zurecht.« Helmholtz verstand die Botschaft freilich erst nach Erhalt des offiziellen Schreibens aus London. Demnach erhielt er den Preis für seine »Forschung in der Physik und Physiologie« und nicht speziell und ausschließlich für seine »Entdeckung« des Energieerhaltungssatzes. Ein paar Tage darauf schrieb Tyndall erneut mit der Nachricht, dass die Medaille an Helmholtz gegangen war, und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, der werde sie in London persönlich in Empfang nehmen. Helmholtz antwortete, dass diese Auszeichnung eine große Ehre für ihn sei, aber eine Reise nach London, um die Medaille entgegenzunehmen und seine Dankbarkeit auszudrücken, käme nicht in Frage. Selbst wenn er sich vier oder fünf Tage für den Trip freischaufeln könnte, so erklärte er, wären eine derart eng getaktete Reise und die Feierlichkeiten in London zu viel für seine labile Gesundheit.15 Dafür schrieb er einen überschwänglichen, äußerst schmeichelhaften Brief an die Royal Society, der, wie er wusste, beim Fellows’ Dinner vorgelesen werden würde. Hier ein Auszug seines (auf Englisch verfassten) Briefs: Die teure Erinnerung an jene Zeit, als ich das Glück hatte, an Ihren [der Royal Society] Treffen teilzunehmen, hat sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt.
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Dabei spürte ich gleichermaßen die wissenschaftliche Bedeutung eines Zusammenschlusses derlei bedeutender Männer wie auch die Herzlichkeit, mit der ich als ausländischer Gast willkommen geheißen wurde. Bei diesen Gelegenheiten habe ich die Organisationsweise dieser Gesellschaft bewundern gelernt, die allein durch die Liebe zur Wissenschaft und den ehrenamtlichen Einsatz ihrer Mitglieder zusammengehalten wird, die sich selbst regiert und deren 200-jährige Geschichte von Newton über Faraday bis heute eine ununterbrochene Abfolge glorreicher Siege gewesen ist, welche der menschliche Geist über die blinden Kräfte der Natur errungen hat. Er schloss mit den Worten: »Große Männer und große Persönlichkeiten haben das Privileg, ohne eine Spur von [nationalem] Neid jegliche Leistungen anderer anerkennen zu können. Ich wünsche mir, dass die Royal Society auch weiterhin dieses Privileg genießen möge, welches die höchsten und besten Ergebnisse des internationalen wissenschaftlichen Austausches ermöglicht.« Damit lag Helmholtz nicht falsch, hatte die Royal Society doch in der Vergangenheit schon diverse ausländische Wissenschaftler ausgezeichnet. Praktisch zur gleichen Zeit wurde Helmholtz außerdem zum Ehrenmitglied der Royal Medical and Chirurgical Society of London gewählt, und ein halbes Jahr später lud man ihn erneut nach England ein, um einen Preis entgegenzunehmen, diesmal von der Universität Cambridge. Wieder entschied er sich gegen die Reise, mit der Begründung, dass es weder seine Lehrtätigkeit noch seine Pflichten als Dekan der philosophischen Fakultät, durch die er verantwortlich sei »für eine Vielzahl von Tätigkeiten, die sich nicht so einfach auf jemand anderen übertragen lassen«, erlaubten, Berlin während des Semesters zu verlassen.16 Damit nicht genug der Ehrungen, die Helmholtz während seiner ersten Jahre in Berlin erhielt: Man wählte ihn 1873 zum Mitglied der American Philosophical Society. 1875 machte die altehrwürdige, aber neu aufgestellte römische Reale Accademia dei Lincei eine ganze Reihe namhafter ausländischer Wissenschaftler zu ihren Mitgliedern, um so ihr Prestige zu steigern. Neben Helmholtz waren darunter der Astronom Otto Struve, der Mathematiker Michel Chasles, der Botaniker Joseph Dalton Hooker, der Geologe James Dwight Dana, Bunsen und Darwin. Auf Helmholtz entfielen in der Kategorie Physik mehr Stimmen als auf jeden anderen ausländischen Physiker, darunter als Spitzenreiter Kirchhoff, Clausius, Regnault und Thomson. Der Präsident der Akademie, der Mineraloge und hochrangige italienische Politiker Quintino Sella, hielt Helmholtz für den »unter […] den noch lebenden Physikern vielleicht größten Geist, den originellsten« Denker. Der antiklerikale Sella und andere liberale Anführer des italienischen Risorgimento wollten Wissenschaft und Technologie in Stellung bringen, um mit ihrer Hilfe den neuen italienischen Nationalstaat nach 1870 aufzubauen. Die Akademie hatte jedoch ein Prob-
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lem mit ihren neu gewählten ausländischen Mitgliedern: Wie konnte man sie dazu bringen, an den Treffen in Rom teilzunehmen? Als Helmholtz drei Monate später seinen üblichen Herbsturlaub allein genoss, tauchte er zu Annas Missfallen unerwartet in Rom auf. Sella stattete ihm einen Gegenbesuch in Berlin ab und regte an, er solle doch der Accademia dei Lincei ein Manuskript zur Veröffentlichung zukommen lassen. Die beiden Männer pflegten ihre Beziehung weiterhin, und Helmholtz wurde einer der wichtigsten deutschen Forscher, mit denen italienische Wissenschaftler nach 1871 in Kontakt standen. Als er beispielsweise von seinem Freund Beltrami erfuhr, dass im April 1878 in Pavia ein Denkmal für Volta enthüllt werden sollte, informierte Helmholtz die Akademie der Wissenschaften darüber und stellte zur Debatte, ob die Akademie nicht ihrerseits ebenfalls ein Zeichen setzen sollte. Beltrami lud ihn im Namen der Universität Pavia zur feierlichen Enthüllung des Monuments ein und hob besonders Helmholtz’ Bedeutung für die Weiterentwicklung der Physik – eines Fachgebietes also, zu dem auch Volta mit seiner Erfindung der Batterie beigetragen hatte – und sein »Wohlwollen gegenüber Italien« hervor. Eine weitere Ehre, die Helmholtz 1876 zukam, war seine Wahl zum auswärtigen Mitglied der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften.17 Zu guter Letzt bedachte ihn auch noch seine eigene Universität mit Auszeichnungen und Ehrungen. Im Juli 1873 machte Helmholtz einem Freund gegenüber die grundsätzliche Zusage, im Zuge einer geplanten Reise durch West- und Süddeutschland im kommenden Frühling vor dessen lokalem Verein zu sprechen. (Im vorigen März hatte er öffentliche Vorträge vor dem Verein für wissenschaftliche Vorträge in Barmen und vor der Erholungsgesellschaft in Aachen gehalten.) Die endgültige Entscheidung müsse jedoch warten, bis er Bescheid wisse, ob er im nächsten Jahr an der Universität ein Amt innehaben werde. Sollte das der Fall sein, könnte er den Vortrag nicht halten.18 Die Entscheidung fiel am Freitag, dem 1. August 1873, einem besonders geschäftigen Tag für Helmholtz: Er beaufsichtigte die Grundsteinlegung seines Physikinstituts, nahm an einem wichtigen Treffen der Akademie teil, bei dem Zeller einen langen Vortrag über Sokrates und Platon hielt, wohnte mehreren Prüfungen von Studenten und schließlich auch noch einem Fakultätstreffen bei, auf dessen Tagesordnung die Wahl des nächsten Universitätsrektors und des Dekans der philosophischen Fakultät für das kommende akademische Jahr (1873/74) standen. Dabei handelte es sich um wichtige Posten: Die Universität wurde formell von einem Gremium geleitet, das aus dem Rektor (jährlich gewählt), dem Universitätsrichter und den vier Dekanen (einer aus jeder Fakultät, ebenfalls jährlich gewählt) bestand. Helmholtz, Weierstraß und Mommsen waren die Finalisten für den Rektorenposten. Weierstraß war schließlich die erste Wahl, Helmholtz landete an dritter Stelle, wurde dafür aber zum Dekan der philosophischen Fakultät gewählt, »was zwar recht ehrenvoll, aber ziemlich mühsam ist«, wie er an Anna schrieb. Sie weilte be-
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reits mit den Kindern im Urlaub, während ihr Mann seinen letzten Unterricht für das Semester vorbereitete. In dieser Zeit las er auch Zellers Schrift Kirche und Staat (1873), die eine Unterordnung der Kirche unter den Staat forderte und die Kirche, besonders die katholische, als Staatsfeind betrachtete. »Das Buch ist mir doch interessant gewesen«, schrieb Helmholtz in seinem Brief an Anna, »trotzdem es einen so übermäßig viel besprochenen Gegenstand behandelt. Ich habe noch nichts so wohl Begründetes darüber gelesen.« Helmholtz hatte einen langen Tag hinter sich, war doch auch noch Theodore Steinway mit einem Techniker bei ihm aufgelaufen, um sein Klavier zu stimmen. Unter all den Ehrungen, die Helmholtz dieses Jahr erhalten hatte, war nicht die gewesen, nach der er sich am meisten sehnte: der Rektorenposten. 19
Dekan und Bauaufseher Später in 1873 berichtete Anna, dass ihr Mann kaum noch zu Hause sei, denn zusätzlich zu allem anderen stehe dieses Jahr auch noch ständig etwas im Rahmen seiner Dekanstätigkeit an. In demselben Tenor schrieb Helmholtz im Oktober an einen Bekannten aus Dortmund, seine Zeit werde dermaßen von seinen Dekanspflichten in Anspruch genommen, dass er alle Einladungen an den Rhein für nächsten Frühling absagen müsse.20 »Alles andere«, das war auch die Beaufsichtigung der Bauarbeiten am neuen Physikinstitut, das Teil eines großen neuen Wissenschaftskomplexes war. Dazu gehörten neben dem Physikinstitut neue Institute für Physiologie, Pharmakologie, Chemie (das zweite seiner Art) und Technologie. Die Institute für Physik und Physiologie beherbergten Wohnungen für ihre Direktoren, waren gleich dimensioniert und mit Abstand die größten Institute des fünfteiligen Neubaukomplexes, der insgesamt 7763 Quadratmeter einnahm. Das physikalische Institut am neu angelegten Reichstagsufer schaute Richtung Norden auf die Spree. Die Feuchtigkeit des Flusses und seine industrielle Nutzung in Kombination mit der mechanischen Vibration und den elektromagnetischen Feldern, die der Straßenverkehr erzeugte, verhießen einen ungünstigen Standort für wissenschaftliche Institute, die sich der experimentellen Forschung widmeten, insbesondere wenn diese Präzisionsmessungen mit empfindlichen Instrumenten erforderten.21 Helmholtz, du Bois-Reymond und Spieker beaufsichtigten ab Frühling 1873 ein Jahr lang den Bau eines speziellen Fundaments, das den Einfluss der durch das dichte Verkehrsaufkommen in der Umgebung verursachten Erschütterungen auf das physikalische und das physiologische Institut so gering wie möglich halten sollte. Die aufwendige Vorbereitung des eigentlichen Baus und Brückenbauarbeiten über die Spree in unmittelbarer Nachbarschaft bremsten den Bauprozess. Mehrfach äußerte Helmholtz gegenüber Tyndall seine Verärgerung über den schlep-
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penden Baufortschritt. Zu allem Übel erhob der Finanzminister Einwände gegen die Größe der Dienstwohnungen für Helmholtz und du Bois-Reymond, und in der Folge mussten die Baupläne überarbeitet werden. Helmholtz beklagte sich bei Tyndall, er habe »schon oft bereut«, dass er damals den Ruf an die Universität Cambridge abgelehnt hatte (und vergaß dabei ganz, dass er bereits unterschrieben hatte, nach Berlin zu gehen, als das informelle Angebot von Thomson für Cambridge einging). Alles in allem war er ziemlich frustriert: »Wenn man nur noch etwa 10 oder höchstens 20 Jahre Arbeitszeit vor sich hat, und Jahr nach Jahr aus einfältigen und plumpen Hindernissen verdorben wird, kann man zuweilen recht muthlos werden.« Anna teilte seine Frustration.22 Er war urlaubsreifer denn je. Bevor er im August 1873 die Stadt verließ, schrieb er einen Artikel über das Ballonfahren, speiste mit Mitgliedern der Reichs-Cholera-Kommission und verbrachte viel Zeit mit (ernstzunehmenden) Menschen, die ihn sprechen wollten. Dann machte sich die Familie auf nach Wien, wo sie die Weltausstellung und den Stephansdom besuchten, eine Tour auf der Ringstraße machten und im Stadttheater Maria Stuart sahen. Danach fuhren sie ins schweizerische Engelberg, wo Helmholtz sich ausruhte und dem ärztlichen Rat folgte, das dortige Mineralwasser zu trinken – wenngleich er dessen Effekt anzweifelte. Er reiste alleine weiter nach Italien, unter anderem um einen Abstecher nach Rom zu machen. Allerdings bereute er schon vor seiner Abfahrt, die Reise ohne Anna zu tun. Als er nach Florenz kam, dessen »verzauberte« Kunstschätze ihn ganz überwältigten, fehlte sie ihm mehr denn je. An seinem ersten Tag dort wurde er mittags »fast ohnmächtig vor Müdigkeit; es ist anstrengender, als einen Alpenpass in freier Luft zu überschreiten«. Er hoffte, Anna werde ihn nächstes Jahr nach Florenz begleiten, und schrieb ihr: »Möge Dir das Leben in unserer nordischen Heimat [Berlin], in welche Du mir gefolgt bist, leichter werden wie bisher und etwas freier von Hindernissen sein.« Als Nächstes fuhr er nach Bologna, wo er sich mit Beltrami traf. Sie hatten viel zu bereden, war Helmholtz’ Arbeit zur Hydrodynamik doch von großer Bedeutung für Beltramis Untersuchungen zur Strömungsmechanik.23 Im Herbst 1874 stattete Helmholtz Venedig einen Besuch ab und reiste auch wieder nach Bologna und Florenz, dieses Mal mit Anna. In Florenz trafen sie Brücke, der fand, Helmholtz sehe gut aus. Anna hingegen war mit seinem Gesundheitszustand weniger zufrieden. Sie hatte zwei Ärzte »wegen Hermanns Ohnmachten« konsultiert. »Beide warnen vor Ermüdung des Gehirnes durch Arbeit – wie vor späten Stunden und Schlafverkürzung.« Um seine Gesundheit zu schonen, hütete sie ihn vor allen unnötigen sozialen Aktivitäten, wo sie schon nichts gegen die spätabendlichen Komiteesitzungen tun konnte »und die amtliche Hetze und Überbürdung mit Geschäften«. Sie wollte all seinen »Ärger, Sorgen und Müdigkeit« so gering wie möglich halten, hatte damit aber wenig Erfolg. Fünf Monate später, als er sich gerade in Düsseldorf aufhielt, erlitt Helmholtz eine Vergiftung, und man tele-
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graphierte nach Anna. Die fürchtete um das Leben ihres Mannes, aber als sie ankam, hatte er sich größtenteils erholt und sie konnte ihn mit nach Hause nehmen. Im Herbst fuhr er wieder nach Engelberg, um sich zu entspannen, sein Mineralwasser zu trinken (»was ihm gut tut«) und die Schweizer Alpen zu besteigen.24 Im Frühwinter 1874 waren die Fundamentarbeiten für die Institutsneubauten endlich beendet und man begann mit dem oberirdischen Bau. Die Helmholtzens fanden, dass die Bauarbeiten nur im Schneckentempo vorankamen – sie zogen sich tatsächlich bis ins Jahr 1878 hin – und waren weiterhin frustriert. Helmholtz wünschte sich »mehr freie Zeit« für seine wissenschaftliche Arbeit. Zwar lernte er in Berlin viele wichtige und von ihm liebenswürdig genannte Persönlichkeiten kennen, empfand das Leben dort jedoch als »Hetze« und beklagte die viele verschwendete Zeit, die für die Wege zwischen seinem Zuhause und seinem provisorischen Institut draufging.25 Sein New Yorker Freund und Kollege Knapp lud ihn ein, in Amerika Vorlesungen zu halten. Zwar reizte Helmholtz die Aussicht auf eine Amerikareise, er konnte jedoch bis zur Fertigstellung seines Instituts nicht fort. Außerdem war er erschöpft: »Das Berliner Treiben macht mich schon sehr müde.« Zum Ende des Semesters wollte er niemanden mehr sehen, sondern mit seinen Gedanken allein sein. »Ich habe noch mancherlei, was ich für die Wissenschaft thun möchte, und darf nicht mehr allzuviel Zeit verlieren. Ich fange deshalb an zu glauben, daß ich in diesem Leben nicht mehr nach America kommen werde.«26 In diesem letzten Punkt irrte er sich jedoch. Zwei Jahre später versuchten Knapps amerikanische Kollegen, Helmholtz für den International Congress of Ophthalmology nach New York zu holen. Sogar seine Reisekosten wollten die Organisatoren übernehmen. Helmholtz’ Anwesenheit würden sie als eine Ehre für seine vielen amerikanischen Freunde betrachten, wie sie schrieben: Wir treten in der Brüderlichkeit der Wissenschaft an Sie heran und glauben, damit an das Gefühl zu appellieren, das Sie in Ihrem Leben angetrieben hat. Wir bitten Sie nicht um Ihr Kommen, um unsere wissenschaftlichen Errungenschaften zu bezeugen – es ist nicht an uns, in dieser Angelegenheit zu urteilen –, sondern damit Ihnen amerikanische Wissenschaftler persönlich versichern können, wie sehr sie Ihre Arbeiten schätzen und wie sehr sie sich Ihren Leistungen zum Dank verpflichtet fühlen. Wir vermuten, dass Sie sich kaum eine Vorstellung davon machen, wie begeistert man Ihren Besuch hier aufnehmen würde. Es gibt keine Stimme unter den Wissenschaftlern, die freudiger vernommen würde als die Ihrige. Nicht nur unter den Mitgliedern und Freunden des Kongresses würde man Sie willkommen heißen, in allen gebildeten Kreisen unserer Gesellschaft würde man Sie auf das herzlichste empfangen.27 Das war überaus schmeichelhaft gesagt.
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William James brachte zur selben Zeit, aber unabhängig davon, die Wertschätzung der Ophthalmologen vielleicht noch besser auf den Punkt: »Helmholtz […] kann besser als jeder andere lebende Mann für sich in Anspruch nehmen, dem wissenschaftlichen Geist eine Stimme zu verleihen.« Helmholtz war indes noch immer zu sehr mit der Bauaufsicht seines neuen Instituts beschäftigt, um ins ferne Amerika zu reisen (er hatte nicht einmal Zeit und Energie, um in Aachen einen Vortrag zu halten). Er ließ dem amerikanischen Wissenschaftler George Bancroft, der früher (1867 – 1874) als Gesandter in Berlin tätig gewesen war, ein Exemplar des kürzlich erschienenen dritten Heftes seiner Populären wissenschaftlichen Vorträge zukommen; die beiden ersten hatte Bancroft bereits nach Amerika mitgenommen. Die aktuelle Sammlung enthielt den Vortrag über Magnus sowie die Ausarbeitungen zu Ursprung und Bedeutung geometrischer Axiome, zur Optik der Malerei und zur Entstehung des Planetensystems. Bancroft wollte wissen, ob das Ministerium ihm endlich das versprochene Physikinstitut gebaut habe. »Wenn sie Sie in Berlin nicht besser behandeln«, schrieb er hoffnungsvoll, »wünschte ich, es läge im Bereich des Möglichen, Sie für mein Land zu gewinnen.«28 Die amerikanische Wissenschaft wuchs schnell und gewann an Bedeutung, war jedoch (noch) nicht bedeutend genug, um den geschäftigen Berliner Dekan und Bauaufseher zu einem Amerikabesuch zu bewegen.
Die Annalen der Physik und Chemie Dass Helmholtz in Berlin Physikprofessor wurde, führte zu einer engen Zusammenarbeit mit Deutschlands wichtigster Physikzeitschrift, den Annalen der Physik und Chemie, die noch immer (seit 1824) Poggendorff herausgab. Zuerst waren es kleinere Aufgaben, die Helmholtz übernahm. 1872 sorgte er beispielsweise dafür, dass ein Artikel über die Aurora borealis (das Nordlicht) von Auguste de la Rive erschien. Als Johann Jakob Müller, Professor für technische Physik am Züricher Polytechnikum und ehemaliger Helmholtz-Schüler in Heidelberg, 1875 verstarb, veranlasste er die posthume Veröffentlichung seines Manuskripts zur Elektrodynamik in den Annalen. Heinrich Friedrich Weber, Helmholtz’ Assistent, wurde 1875 Müllers Nachfolger in Zürich – und 1896 Einsteins wichtigster Lehrer in der Physik.29 Helmholtz erhielt auch Gelegenheit, als eine Art diplomatischer Vertreter der Annalen zu agieren, eine Rolle, die ihm dank seiner ausgiebigen Italienreisen und zahlreichen Freundschaften zu dortigen Wissenschaftlern von alleine zuwuchs. Im Februar 1874 beging man Poggendorffs fünfzigjährige Herausgeberschaft der Annalen, und einige prominente Berliner Wissenschaftler veranstalteten zu diesem Anlass eine Feier. Die Kollegen aus Rom – unter anderem Corrado Tommasi-Crudeli, Blaserna und Sella – sandten ein Glückwunschtelegramm, waren jedoch verstimmt, als sie darauf keine Antwort erhielten. Helmholtz rügte du Bois-Reymond,
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der die Feier organisiert hatte und der offizielle Empfänger des Telegramms war: »Man legte es als Hochmut von seiten der Deutschen aus, und es habe Veranlassung gegeben zu den hämischsten Bemerkungen von seiten der französischen und klerikalen Partei: Die Freunde der deutschen Wissenschaft hätten eine schwierige Stellung den Gegnern gegenüber, und es sei unsere Pflicht, sie moralisch zu unterstützen.« Er drängte darauf, dass Poggendorff und die anderen in Berlin schnell eine freundliche Antwort schickten, um ihren italienischen Kollegen zu danken, und du Bois-Reymond machte sich sogleich daran.30 Als Poggendorff 1877 starb, wurde Gustav Wiedemann sein Nachfolger als Herausgeber der Annalen. Er war ein Experimentalphysiker, früherer Student von Magnus und gut mit Helmholtz befreundet. Er bekleidete erst die Professur für physikalische Chemie (1871 – 1887) und dann die für Physik (nach 1887) an der Universität Leipzig. Wiedemann gab die Zeitschrift – und das war neu – in Kooperation mit der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin und vor allem mit Helmholtz heraus. Helmholtz hatte es weit gebracht: War er 1847 noch ein Außenseiter gewesen, dessen Manuskript man ablehnte, war er inzwischen zum Insider avanciert, der die Ausrichtung und weitere Entwicklung der Zeitschrift begleitete. 1878 zog die Gesellschaft in einen eigenen Raum im neu gebauten Institut, und Helmholtz wurde ihr neuer Präsident, überließ jedoch du Bois-Reymond (der jetzt Ehrenpräsident war) oft die Leitung der alle zwei Wochen stattfindenden Sitzungen, in denen Studenten und andere ihre Projekte vorstellten. Weil die Fortschritte der Physik mittlerweile ihrem Publikationsplan weit hinterherhinkten – zeitweise bis zu sieben Jahre! –, gründete die Gesellschaft 1877 die Beiblätter zu den Annalen der Physik und Chemie, um die rechtzeitige Bekanntmachung neuer Forschungsergebnisse zu gewährleisten. Wiedemann gab die Annalen heraus, bis er 1899 verstarb, und Helmholtz arbeitete bis zu seinem eigenen Tod, fünf Jahre vor dem Wiedemanns, mit ihm zusammen. Wiedemann kümmerte sich hauptsächlich um die experimentelle Physik, Helmholtz um die theoretische – was die allmähliche Herausbildung der theoretischen Physik als Teildisziplin innerhalb der Physik widerspiegelt. Unter Helmholtz’ Leitung widmete sich die Physikalische Gesellschaft nach und nach gänzlich der Physik (wobei die meisten Beiträge eher die experimentelle als die theoretische Physik betrafen) und verabschiedete sich von ihren multidisziplinären Themen. Für Physiologie und Elektrotechnik gab es bald eigene Gesellschaften und wissenschaftliche Journale, und entsprechend konzentrierten sich die Annalen immer mehr auf die Physik.31 Sein Engagement in der Physikalischen Gesellschaft und ihren verschiedenen Publikationsorganen verschaffte Helmholtz jedenfalls noch größere institutionelle Bedeutung.
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Intellektueller Bannerträger: Elektrodynamik und Optik Als Institutsleiter und führende Persönlichkeit der deutschen Wissenschaft setzte Helmholtz die intellektuellen Standards und Maßstäbe für das gesamte Institut – wenngleich er als Gelehrter ein Einzelgänger blieb. Er schloss sich keiner »Schule« der Physik an und gründete auch keine eigene. Selbst bei seinen früheren Beziehungen zum Kreis derjenigen, die Physiologie als »organische Physik« betrieben, ging es im Grunde nur um lockere Übereinstimmung im allgemeinen wissenschaftlichen Standpunkt, nicht um engen intellektuellen Kontakt oder um gemeinsame Forschungsprojekte. Auch seinen Studenten schrieb er nicht vor, was sie zu tun hatten, sondern präsentierte ihnen nur manchmal Probleme, an denen sie dann arbeiteten. Willy Wien, einer seiner besten und letzten Studenten, berichtete später, Helmholtz habe keinerlei Anstalten gemacht, seine Studenten auf ein bestimmtes Thema anzusetzen, sondern sie selbst entscheiden lassen.32 Dennoch kristallisierte sich in den 1870er-Jahren eine klare Präferenz in Helmholtz’ eigener Forschung und der seiner Studenten heraus: die Elektrodynamik. Seine verschiedenen Ämter gaben Helmholtz die Möglichkeit, anderen Türen zu öffnen, die zu beruflicher Anerkennung und Aufstieg führten. Als Akademiemitglied sorgte er regelmäßig dafür, dass die Texte anderer Wissenschaftler in den Monatsberichten oder den Physikalischen Abhandlungen erschienen. Allein im Zeitraum zwischen 1871 und 1878 vermittelte er um die 28 Abhandlungen anderer Forscher zur Veröffentlichung in diesen Zeitschriften. Darunter waren Deutsche wie Julius Bernstein, Eugen Goldstein, August Kundt, Emil Warburg und H. F. Weber, die Russen Nikolai Baxt, Sergei Lamansky und Wladimir Dobrowolski, die Amerikaner Henry A. Rowland und Elihu Root und der Wiener James Moser. Helmholtz selbst stellte der Akademie etwa einmal im Jahr eine Forschungsarbeit vor und platzierte in dieser Zeit insgesamt 13 Veröffentlichungen in den Monatsberichten. All dies trug dazu bei, Akademie und Institut zu stärken und sie internationaler zu machen.33 Zwischen 1871 und 1878 verfasste und veröffentlichte Helmholtz eine Reihe substanzieller und einflussreicher Artikel zur Elektrodynamik (und zu Elektromagnetismus im Allgemeinen) sowie zur Optik (zur Theorie des Mikroskops und zur anomalen Dispersion). Diese Artikel hingen eng miteinander zusammen, zum Teil, weil sie die Gültigkeit von Maxwells Ansatz untersuchten. Außerdem veröffentlichte Helmholtz einen wichtigen (wenn auch populärwissenschaftlichen) Aufsatz über Atmosphärenphysik. Auf dem sich rasch entwickelnden Gebiet der Elektrodynamik war Helmholtz bald führend in der kritischen Analyse und Synthese von vorliegenden Arbeiten, wobei er Maxwells eigener kürzlich formulierter Synthese noch einmal ein Schlaglicht aufsetzte. Bereits 1869/70 in Heidelberg hatte er versucht, den Forschungsstand der Elektrodynamik zusammenzufassen, und Maxwells Ansatz – als einen
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Grenzfall seines eigenen Ansatzes – zum wahrscheinlich vielversprechendsten erklärt. In Berlin befasste er sich weiter mit der Sache. Seine erste Berliner Publikation zum Thema – über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der elektrodynamischen Wirkungen – erschien, als er kaum zwei Monate in der Stadt war. Dies und der Umstand, dass der Artikel ausschließlich experimentelle Ergebnisse berichtete, legt nahe, dass Helmholtz bereits in Heidelberg daran gearbeitet hatte. Er hoffte, seine jüngsten Ergebnisse würden zu einer Entscheidung zwischen Wilhelm Webers, Carl Neumanns und Maxwells Auffassungen von Elektrodynamik beitragen, was ihm als »eine Frage von principieller Wichtigkeit für die Grundlagen der Naturwissenschaft« galt.34 Zwar schien er in jedem Fall Maxwells Ansatz gegenüber dem Webers und Neumanns vorzuziehen, erkannte aber auch an, dass das Thema alles andere als abgeschlossen war. Kein Ansatz, ob nun der eines Einzelnen oder einer bestimmten Denkrichtung, vermochte allein vollends zu überzeugen. Letztendlich bewährte es sich, unterschiedliche (manchmal gegensätzliche) Ansätze (z. B. partikelbasiert versus feldbasiert) zu analysieren und heranzuziehen, mühsam erworbene Einsichten aus einer Vielzahl philosophischer Ansätze zu verbinden und über Ländergrenzen hinweg zu kommunizieren. In all diesen Punkten leistete Helmholtz Außerordentliches, was sich besonders deutlich in drei Arbeiten (1872 – 1874) zeigt, die ein erstes Rahmenwerk für eine elektromagnetische Theorie bildeten.35 Helmholtz stützte sich auf seine Ergebnisse der Jahre 1868 – 1871, um eine erschöpfende kritische Analyse der drei Hauptansätze zur Elektrodynamik durchzuführen. Er kam zu dem Schluss, dass Webers Ansatz nicht mit dem Energieerhaltungssatz konform ging und auf ein Perpetuum mobile hinauslief, wohingegen Neumanns Ideen zu energetischer Instabilität führten. Helmholtz’ hochmütiger Ton dabei kam ihn jedoch teuer zu stehen. Zöllner in Leipzig suchte vehement, seinen älteren Kollegen Weber zu verteidigen, und unterstellte Helmholtz sogar unpatriotisches Verhalten. Webers Kollegen in Göttingen, Ernst Schering und Eduard Riecke, versuchten ebenfalls, ihr Vorbild zu verteidigen. Der Streit endete ergebnislos.36 Helmholtz führte nur in bescheidenem Umfang Experimente durch, darunter zur galvanischen Polarisation von Platin oder in gasfreien Flüssigkeiten. Er hatte gehofft, mithilfe von Experimenten zwischen dem Ampère’schen Gesetz und seinem eigenen elektrodynamischen Potenzialgesetz (also seiner Neuinterpretation des Maxwell’schen Ansatzes) entscheiden zu können. Letzteres sei aus Gauß’ und Neumanns allgemeiner Potenzialtheorie abgeleitet, die er für »eine der glücklichsten und glänzendsten Errungenschaften der mathematischen Physik« hielt. Mit mehr Erfolg führte er Experimente zu Polarisationsströmen durch – und berichtete von ähnlichen Untersuchungen seines früheren Studenten Baxt, der mittlerweile in Moskau lebte –, die ebenfalls darauf abzielten, zwischen den verschiedenen Theorien der Elektrodynamik zu entscheiden. Experimentalphysik war nichtsdes-
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totrotz das, womit seine Studenten und »Postdoktoranden« sich hauptsächlich beschäftigten. Helmholtz berichtete von den Experimenten, die sein amerikanischer »Postdoktorand« Rowland zur elektromagnetischen Wirkung elektrischer Konvektion durchgeführt hatte, sowie über die Arbeiten seines amerikanischen Studenten Root zum Galvanismus. Beide Untersuchungen waren in Helmholtz’ Laboratorium durchgeführt worden. Mit Rowlands Arbeit war er zwar zufrieden, doch erlaubten ihre Ergebnisse seiner Meinung nach keine Entscheidung zwischen den elektrodynamischen Theorien. Vor allem jedoch gab er – dieses eine Mal anders als von Willy Wien behauptet – seinem jungen Studenten Heinrich Hertz ein elektrodynamisches System vor (seine Version von Maxwells), das dieser im Grunde experimentell bestätigen sollte. Helmholtz’ eigene Arbeit jedoch wurde immer mehr die eines theoretischen Physikers. Er konnte noch nicht mit Sicherheit sagen, ob Maxwells oder seine Variante der Elektrodynamik das Verhalten offener Strömungssysteme zu erklären vermochten, sondern nur, dass es für die Entscheidung noch (weiterer) experimenteller Arbeit bedurfte. Und er konnte andere dazu anregen, diese durchzuführen.37 Mochten auch seine Maxwell-ähnlichen Ansichten damals vielleicht niemanden überzeugen, so bereiteten sie zweifelsohne den Weg für die spätere Entwicklung der Elektrodynamik in Europa, die nicht zuletzt mit den Namen Hendrik Antoon Lorentz und Hertz verbunden ist. Zwar fanden Helmholtz’ Ansichten in Großbritannien weit weniger Beachtung, doch fasste er 1874 für ein breites englischsprachiges Publikum den aktuellen Kenntnisstand zu Elektromagnetismus und Elektrodynamik zusammen. Die Gelegenheit zur Veröffentlichung seines Beitrags, der in zwei großen wissenschaftlichen Publikationsorganen – The Academy (London) und Annual Report der Smithsonian Institution – erschien, ergab sich auch aus dem kürzlichen Erscheinen von Maxwells Treatise on Electricity and Magnetism (1873; Lehrbuch der Electricität und des Magnetismus, 1883). Helmholtz schrieb: [Diese beiden Bände] enthalten nicht nur diese [Maxwells] neue Theorie, sondern auch eine sehr vollständige, methodische und klare Darstellung aller Bereiche elektrischer Wissenschaft, welche sich unter präzise theoretische Begriffe fassen und mathematisch entwickeln ließen. Mit seiner Arbeit hat er jedem Schüler der Physik einen großen Dienst erwiesen. […] Ich halte seine Methode, neue theoretische Begriffe zu formulieren, die zugleich in ihrer quantitativen Bestimmung vollkommen eindeutig und doch so allgemein wie möglich sind, und nicht stärker spezifiziert, als nötig ist oder als es unsere gegenwärtige Kenntnis der Tatsachen zulässt, für ein Muster für behutsamen wissenschaftlichen Fortschritt.38 Für Helmholtz war Maxwell ein mustergültiger Physiker.
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Es passierte Helmholtz mehrfach – mit Mayer und der Erhaltung der Kraft (Energie) 1847, mit Brücke und dem Augenspiegel 1850, mit Brücke und der Akkommodationstheorie 1851, mit verschiedenen Mathematikern und der nichteuklidischen Geometrie 1868 –, dass er unabhängig von anderen, aber mehr oder weniger gleichzeitig mit ihnen eine wichtige wissenschaftliche Entdeckung oder Erfindung machte. Die Möglichkeit weiterer derartiger Zusammenstöße ließ ihn im Frühjahr 1871 mit Wilhelm Weber darin übereinkommen, dass es, ungeachtet etwaiger Differenzen in wissenschaftlichen oder Urheberfragen, keine persönliche Feindschaft zwischen ihnen geben sollte.39 Helmholtz’ Beziehung zu Weber war höflich, wenn auch nicht besonders eng. Die Frage der Priorität war auch bei Helmholtz’ und Ernst Abbes mehr oder weniger parallel laufenden Bemühungen zur Theorie des Mikroskops 1873/74 ein Thema. Sich mit ihrem gemeinsamen Untersuchungsgegenstand näher zu befassen, ist an sich schon spannend, umso mehr aber wegen des Schlaglichts, das dabei auf die Herausbildung der angewandten Physik und die zunehmende Interaktion von Physik und Technik fällt. Vor 1873/74 beschäftigten sich fast ausschließlich Physiker und Astronomen mit der Theorie der Optik, und was die praktische Anwendung angeht, so waren sie an Teleskopen interessiert, nicht an Mikroskopen.40 In den Jahrzehnten vor 1870, als sich die Mikroskopie nach und nach als nützliches wissenschaftliches Werkzeug herausstellte, waren es daher die Hersteller von Präzisionsinstrumenten gemeinsam mit Naturwissenschaftlern und Medizinern, die zur Verbesserung der Instrumente beitrugen. Je wichtiger das Mikroskop für ihre Forschung wurde, desto stärker waren sie daran interessiert, die Bildgebung zu verbessern. Sie wollten den inneren Zusammenhang verstehen zwischen den Mikroskopbildern und den biologischen Präparaten, von denen sie stammten. Insbesondere seit Ende der 1830er-Jahre die Zelltheorie aufkam und die organischen Physiker dafür plädierten, organisches Leben ausschließlich mit den Gesetzen der Physik und Chemie zu erklären, wurde das Mikroskop allmählich zu einem entscheidenden Instrument, das bei der Verfolgung dieser allgemeinen Ziele und beim Studium der Zellularpathologie dienlich war. Einige Botaniker und andere Forscher – Matthias Schleiden, Hugo von Mohl, Virchow, Hermann Schacht, Pieter Harting, Carl Nägeli, Simon Schwendener und Leopold Dippel – setzten sich mit dem Mikroskop und seinem Gebrauch auseinander. Besonders wichtig waren ihnen dabei methodologische und erkenntnistheoretische Fragen bezüglich der Aussagekraft und der Interpretation der Mikroskopbilder. All diese »Theorien« des Mikroskops beschränkten sich auf die Diskussion seiner geometrischen Optik. Die physikalische Optik des Mikroskops lag jenseits ihres Interesses und für die meisten wohl auch jenseits ihres Verständnishorizonts. Ende der 1860er-Jahre hatte sich das Instrument jedenfalls in der wissenschaftlichen und medizinischen Forschung sowie in der Lehre etabliert, und es gab haufenweise konkurrierende Leitfäden, die das Mikroskop und seine Nutzung erklär-
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ten. 1873 kamen dann auf einmal die Publikationen von Abbe und Helmholtz, die eine Theorie des Mikroskops lieferten. Abbe war zu jener Zeit ein junger, praktisch unbekannter Physiker und Berater für optische Messtechnik in Jena. Er promovierte 1861 bei Weber in Göttingen über die experimentelle Begründung des Satzes von der Äquivalenz zwischen Wärme und mechanischer Arbeit. Damals hatte er noch keinerlei Expertise in der Optik. Ab 1863 unterrichtete Abbe in Jena. Er war kein guter Dozent, und obwohl er es schaffte, ein eigenes Physiklabor aufzubauen, war er durch dessen bescheidene Größe und die schlechte Qualität der wenigen Instrumente stark eingeschränkt. 1870 veröffentlichte er zwei Artikel – seine beiden ersten überhaupt – in der Jenaischen Zeitschrift für Medicin und Naturwissenschaft. Damit wollte er das lokale Publikum beeindrucken in der Hoffnung, dadurch seine Beförderung zum außerordentlichen Professor zu erwirken – was später im selben Jahr auch geschah. In dieser Zeit entstand ein guter Kontakt zwischen Abbe und Carl Zeiss, der eine kleine und finanziell schwächelnde Firma für mechanische und optische Instrumente in Jena besaß. Zeiss stellte erstklassige Mikroskope her, jedoch nicht auf wissenschaftlicher Basis, sondern mittels der Trial-and-Error-Methode – und hieran wollte er etwas ändern. Da ihm das notwendige wissenschaftliche Know-how fehlte, um seine Mikroskope und anderen optischen Instrumente zu verbessern, stellte er Abbe als Berater ein. Abbes berufliche Situation und sein Renommee zu Anfang der 1870er-Jahre waren mit Helmholtz’ nicht zu vergleichen. Den einen kannte man überall, wohingegen außerhalb der Provinzstadt Jena kaum jemand etwas von dem anderen gehört hatte. Und doch teilten Helmholtz und Abbe in dieser Zeit drei eng miteinander verbundene Interessen, die sie zu denselben Schlüssen in der Mikroskoptheorie führten und sie später auch den Stand der wissenschaftlichen Gerätetechnik vorantreiben lassen sollten. Erstens hatten sie beide eine große Vorliebe dafür, wissenschaftliche Instrumente theoretisch zu ergründen, zu konzipieren und zu nutzen. Zweitens musste Helmholtz sein neues Berliner Physikinstitut mit Geräten ausstatten. Abbe hatte ähnliche Sorgen, wenn auch in geringerem Ausmaß. Drittens wurde Helmholtz nach dem Deutsch-Französischen Krieg in eine kleine, aber hochrangige preußische Kommission berufen, die sich mit der Verbesserung der Präzisionstechnik in Preußen befassen sollte. Mitte 1872 veröffentlichte diese Kommission einen Bericht über den Stand der Dinge, worin sie mehr institutionelle Unterstützung einforderte, um Anzahl und Qualität der Instrumente sowohl im preußischen Wissenschaftsbetrieb als auch in den verschiedenen Wirtschaftszweigen zu steigern. (Das Militär wollte die Landvermessung per Triangulation und das Telegraphensystem verbessert wissen.) 1873/74 fand Helmholtz sich in einem neuen, ähnlich ausgerichteten Gremium wieder. Diesmal lautete die Forderung nach einem Institut zur Förderung der wissenschaftlichen Mechanik, das die Entwicklung und Verbesserung von Instrumenten vorantreiben würde, die nicht nur für die Physik,
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Astronomie, Chemie, Geodäsie usw. von Nutzen wären, sondern auch zum Fortschritt der preußischen Industrie beitragen würden. Diese drei Gründe also veranlassten Helmholtz und Abbe 1873 (unabhängig voneinander) dazu, sich neben anderen Instrumenten mit Mikroskopen zu befassen und theoretische Überlegungen über das Auflösungsvermögen und die Optimierung von Mikroskopen anzustellen. Im Frühjahr 1873 veröffentlichte Abbe eine ausführliche Studie über die Theorie des Mikroskops und der mikroskopischen Wahrnehmung. Sie erschien im Archiv für mikroskopische Anatomie, einer Zeitschrift, die nicht von seinen Physikerkollegen, sondern von Mikroskopikern, Biowissenschaftlern und Medizinern gelesen wurde.41 Die allgemeine Botschaft dieser Publikation war, dass es möglich war, Mikroskope auf einer theoretischen Grundlage zu bauen. Bisher, so schrieb Abbe, sei die Konstruktion der Mikroskope fast ausschließlich eine Sache der Empirie gewesen, des ständigen Ausprobierens, mit höchstens gelegentlicher Anwendung theoretischer Erkenntnisse. Seiner Meinung nach war es aber möglich, die technischen Schwierigkeiten bei der Herstellung in einer gut geführten optischen Werkstatt zu überwinden und Linsen und Linsensysteme nach genau vorgeschriebenen Maßen herzustellen. Genau das taten er und Zeiss in dessen Jenaer Werkstatt bereits. Optische Theorie und Praxis gingen in der Zeiss-Werkstatt, wie Abbe wiederholt erklärte, Hand in Hand. Um die Theorie und Bauweise des Mikroskops zu verstehen, war für Abbe die Größe des Öffnungswinkels am Linsensystem geradezu der Schlüssel. Aber obwohl seiner Meinung nach eine ernstzunehmende Theorie des Mikroskops eine mathematische Analyse seiner Dioptrik erforderte, lieferte er keine solche Analyse. Dennoch enthielten seine Ausführungen einen zentralen und grundlegend neuen Aspekt, nämlich dass man beim Mikroskopbau bisher denselben dioptrischen Gesetzmäßigkeiten gefolgt war wie für Teleskope und Fotokameras, wobei man vollkommen den entscheidenden physikalischen Vorgang der Beugung vernachlässigt hatte. Die Mikroskopbauer mussten aber nicht nur die chromatische und sphärische Abberation verhindern, indem sie die richtige geometrische Optik für ihre Instrumente fanden, sondern sie mussten auch die entstehenden Beugungseffekte berücksichtigen. Die Bedeutung des Öffnungswinkels war also nicht zu unterschätzen. Abbe untersuchte auch die dioptrischen Bedingungen für die Leistungsfähigkeit von Mikroskopen. Die gesamte Theorie und Konstruktion des Mikroskops, so Abbe, sollte um einen Lehrsatz herum aufgebaut sein, den er weder benannte noch mathematisch darstellte, der aber bald als Sinusbedingung bekannt wurde: Alle Strahlen, die von einem Objekt ausgehen, müssen Bilder mit genau der gleichen Vergrößerung erzeugen, unabhängig von ihrem Einfallswinkel. Daraus ließ sich Abbe zufolge eine Theorie der Abbildungsfehler bei Mikroskopen ableiten. Für ein maximales Auflösungsvermögen schlug Abbe vor, große Blenden zu verwenden und schräg zu beleuchten, damit das Mikroskop die Erfassung von gebeugtem Licht maximie-
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ren und gleichzeitig seine Sinusbedingung erfüllen konnte. Unter Abbes weiteren Schlussfolgerungen war eine von besonderem Interesse für sein Zielpublikum, also die Mikroskopnutzer: Er hielt die Ähnlichkeit zwischen Objekt und Bild für willkürlich. Denn, so argumentierte er, durch die Beugungseffekte stehe das Bild eines untersuchten Objekts in keiner konstanten Beziehung zu dessen tatsächlicher morphologischer Form. Daraus folgte für ihn zugleich auch, dass es eine Grenze gab, über die die mikroskopische Auflösung nicht hinausgehen konnte. Im Oktober 1873, sechs Monate nach dem Erscheinen von Abbes Studie, von der Helmholtz nichts wusste, veröffentlichte er eine zweiseitige Vorstudie über die Grenzen der Leistungsfähigkeit von Mikroskopen in den Monatsberichten der Akademie. Wie Abbe betonte er, dass man die Fransen der Diffraktion berücksichtigen müsse, untermauerte seine Behauptungen aber im Gegensatz zu Abbe mit einer Gleichung zur mikroskopischen Bestimmung der Größe des kleinsten wahrnehmbaren Abstands innerhalb eines Objekts.42 Ein halbes Jahr später veröffentlichte er eine weitaus ausführlichere Version seiner Abhandlung in den Annalen. Die jeweiligen Publikationsorgane, in denen Abbe und Helmholtz veröffentlichten, und ihr jeweiliger Ruf führten unweigerlich dazu, dass Helmholtz’ Arbeit, und nicht Abbes, unter Physikern und anderen am Thema Interessierten weithin bekannt wurde. In der Langversion seines Aufsatzes stellte Helmholtz fest, wie auch schon Abbe, dass Fortschritte in der Mikroskopie »nur noch in sehr kleinen und zögernden einzelnen Schritten« gemacht würden; doch warum dies so sei, wisse man sich nicht zu erklären. Er würdigte den wichtigen Beitrag vieler »praktischen Optiker« und merkte an, man sei sich einig darüber, dass man »eine sehr grosse Apertur« benötige. Anders als Abbe konnte Helmholtz sich bei seinen Überlegungen aber auf die Lichtbrechungs- und Beugungsvorgänge stützen, die im Auge stattfinden. Noch wichtiger war vielleicht, dass Helmholtz, während Abbe immer wieder auf die praktische Anwendbarkeit seiner Ergebnisse hinwies, wissenschaftliche Allgemeingültigkeit anstrebte. Sein Text war im Gegensatz zu dem Abbes voller Gleichungen und Ableitungen und mündete schließlich in die Erkenntnis, dass die kleinste unterscheidbare Distanz im Objekt dem Abstand zwischen den Diffraktionsstreifen entsprach. Der Schlüssel zu künftigem Fortschritt in der Mikroskopie, so seine These, liege darin, die Beugung zu verstehen und zu minimieren. In einem Nachtrag zu seinem Aufsatz fügte Helmholtz an, dass er diesen bereits fertiggestellt hatte, als er von Abbes Publikation erfuhr. Seiner Einschätzung nach stimmten ihre Ergebnisse »zum grossen Theil« überein, wenngleich nur er allein Beweise für die Kernthesen zur Diffraktion vorgelegt habe. Dies und die Tatsache, dass sein Text in einem Jubelband der Annalen anlässlich der fünfzigjährigen Herausgeberschaft Poggendorffs erscheinen sollte, genügte ihm als Rechtfertigung für eine eigene Publikation.43 Über die folgenden zwei Jahrzehnte blieb Abbes Publikation weitgehend unbekannt. Nahezu jeder – außer Helmholtz selbst – verband einzig und allein seinen
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Namen mit der Mikroskoptheorie und den Erkenntnissen zu den Grenzen der Leistungsfähigkeit von Mikroskopen. Helmholtz veröffentlichte nie wieder etwas zu diesem Thema, während Abbe sich in seinen Publikationen auf die verschiedenen Verbesserungen beschränkte, die in seiner Werkstatt an Mikroskopen vorgenommen wurden. Es gibt keine Hinweise darauf, dass er in seinen Mikroskopen jemals tatsächlich seine Theorie umsetzte, oder dass Mikroskopiker sich übermäßig dafür interessierten (auch nicht für Helmholtz’ Variante). Anscheinend war die Frage nach den Grenzen des Auflösungsvermögens für sie nicht von Belang, bis in den 1880er-Jahren Robert Koch seine Forschungen an Bakterien mit Zeiss-Mikroskopen durchführte und die Aufmerksamkeit der Mikroskopiker darauf lenkte. Angesichts von Kochs Forschung bezweifelte niemand mehr den funktionalen Zusammenhang zwischen Öffnung und Auflösung, aber die Mikroskopiker zeigten nie großes Interesse an der Mikroskoptheorie an sich. Was sie interessierte, waren die Qualität und Nützlichkeit der Zeiss-Mikroskope.44 Vor diesem Hintergrund mag es vielleicht überraschen, dass Abbe und Helmholtz nach 1874 eine herzliche und für beide Seiten gewinnbringende Beziehung pflegten. Im Mai 1878 besuchte Helmholtz Abbe in Jena, um ihm eine eigens für ihn geschaffene Spezialprofessur für Optik an der Universität Berlin anzubieten. Abbe lehnte ab, erhielt aber weiter Helmholtz’ Unterstützung bei verschiedenen Projekten. Anfang der 1880er-Jahre machte sich Abbe mit seinem Unternehmen daran, ein neues Spezialglas für Zeiss-Mikroskope und andere optische Geräte zu entwerfen. 1882 tat er sich mit dem Glastechniker und Chemiker Otto Schott zusammen, um gemeinsam ein Glas von höchster Qualität mit den von Abbe spezifizierten optischen Eigenschaften zu produzieren, das wirtschaftlich rentabel wäre. Als Abbe einen geübten Physiker als Assistenten für die Zeiss-Werke suchte, bat er Helmholtz um eine Empfehlung. Dieser schlug ihm Siegfried Czapski vor, der 1884 bei ihm seinen Abschluss gemacht hatte. Czapski sollte in den kommenden Jahrzehnten zu einer wichtigen Persönlichkeit bei Zeiss aufsteigen.45 Das begrenzte Auflösungsvermögen von Mikroskopen war nicht das einzige Thema der Optik, für das sich Helmholtz interessierte. Er forschte auch zum Effekt der anormalen Dispersion: Bei bestimmten absorbierenden Körpern verhält sich die Kurve, die durch den Brechungsindex in Abhängigkeit von der Wellenlänge erzeugt wird, in der Nähe der Absorptionslinien oder -bänder im Absorptionsspektrum des Mediums plötzlich anomal. Im Zeitraum zwischen 1840 und 1871 hatte man das Phänomen mehrfach beobachtet, aber nicht erklären können. Bei der anomalen Dispersion veränderte sich die normale Reihenfolge der Farben, und das hing auf irgendeine Weise ab von irgendeiner Form der selektiven Absorption. 1871/72 stellte schließlich Wolfgang von Sellmeier eine Theorie zur Erklärung des Phänomens vor. Demnach verursachte die Schwingung des Äthers die Schwingung von materiellen Oszillatoren, was für die beobachtete anomale Dispersion verant-
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wortlich gemacht wurde. Es gelang Sellmeier auch, ein empirisches Gesetz abzuleiten, das die anomale Dispersion in Form von Absorptionsfrequenzen beschreibt.46 Helmholtz war fasziniert von Sellmeiers Theorie. Er erarbeitete, erst als Kurzversion für die Monatsberichte (1874), dann für die Annalen (1875), eine vereinfachte und mathematisierte Variante von Sellmeiers Theorie, indem er mechanische Bewegungsgleichungen aufstellte, die beides, Absorption und Dispersion, berücksichtigten. Seine Theorie, die ein Paar von Gleichungen beinhaltete, mithilfe derer sich alles, was zur Dispersion beobachtet worden war, erklären ließ, wurde später entscheidend für andere, die sich mit physikalischer Optik beschäftigten. 1893 nutzte Helmholtz sie selbst für seine allgemeinere elektromagnetische Theorie der optischen Dispersion. Thomson, der ursprünglich nicht von Helmholtz’ Theorie überzeugt war und sie »schön«, aber »rückschrittlich« nannte, sprach später in seinen berühmten Baltimore Lectures von 1884 darüber.47 Strukturell gab es demnach starke Parallelen zwischen Helmholtz’ elektrodynamischer Theorie, der Theorie des Auflösungsvermögens von Mikroskopen und seiner Erklärung der anomalen Dispersion. Alle drei zeigten, wie sorgfältig er die aktuelle Literatur zur Physik studierte und wie gut er darin war, Probleme neu anzugehen, die andere aufgetan hatten, und sie in mathematische Form zu bringen – eine Fähigkeit, die er bereits in seinem Aufsatz zur Erhaltung der Kraft an den Tag gelegt hatte. Und alle drei waren Arbeiten in theoretischer, nicht experimenteller Physik.
Atmosphärenphysik als populäre Wissenschaft In den 1860er- und 1870er-Jahren begann ein neuer Abschnitt in der Ballonfahrt und zugleich im Verständnis der Erdatmosphäre. Ballons wurden ursprünglich zu Aufklärungszwecken im Amerikanischen Bürgerkrieg und im Deutsch-Französischen Krieg genutzt. Weitsichtigen Zeitgenossen standen bereits die zukünftigen Möglichkeiten des Fliegens im zivilen und militärischen Bereich vor Augen. So setzte sich beispielsweise Heinrich von Stephan, Staatssekretär im Reichspostamt, 1874 dafür ein, den Luftweg für den Posttransport zu nutzen, und das deutsche Heer richtete eine Lufttransportabteilung in Berlin ein. Beide, Post und Militär, waren frühe Befürworter des Luftverkehrs.48 Anfang der 1870er-Jahre kam Helmholtz erstmals in Kontakt mit dem Thema der steuerbaren Ballons. Sein Interesse an der Atmosphärenphysik und am Klima war über lange Zeit von seinen Bergwanderungen inspiriert worden. In seinem Aufsatz »Eis und Gletscher« wurde dieses Interesse zum ersten Mal öffentlich. Mithilfe seiner hydrodynamischen Gleichungen versuchte er nun, die Beziehung zwischen Luftwiderstand und der benötigten Geschwindigkeit zum Abheben und Fliegen zu verstehen. Die praktischen Folgen solcher theoretischer Überlegungen lagen auf der Hand und waren zweifelsohne auch der Grund, warum ihn die preußische Re-
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gierung bat, sich mit Ballonsteuerung zu befassen, und warum er seine Ergebnisse im Polytechnischen Journal publizierte, das sich mit vielfältigen Aspekten des Wirtschaftslebens auseinandersetzte. Zwar behandelte sein Artikel ausschließlich Ballons (keine Luftschiffe oder Flugzeuge), doch waren für ihn auch motorisierte Ballons denkbar. Er untersuchte das Verhältnis zwischen Größe und Muskelkraft bei Tieren und schloss daraus, dass Menschen nicht in der Lage wären, mit Flügeln allein aufgrund ihrer Muskelkraft zu fliegen. Diese Ergebnisse zu den Grenzen der menschlichen Muskelkraft führten zu dem weit verbreiteten Missverständnis, dass er nicht daran glaubte, dass der Mensch irgendwann würde fliegen können. Dennoch machte ihn die preußische Regierung 1875 zum Vorsitzenden eines Komitees, das die Möglichkeiten der Luftfahrt weiter ausloten sollte. Im März 1878 stellte er dazu einen Bericht vor, und viele Jahre später (1894) berichtete er erneut vor einer Kommission, die Ferdinand Graf von Zeppelins Ideen zum Fliegen bewerten sollte.49 Eine ähnliche Mischung aus wissenschaftlichem Interesse und Dienst an der Öffentlichkeit lag Helmholtz’ Publikation über Wirbelstürme und Gewitter zugrunde, die 1875 in der Deutschen Rundschau erschien. Das Thema (das die Frage der Vorhersehbarkeit des Wetters miteinschloss) war nicht ohne Bezug zu den Möglichkeiten des Fliegens. 1874 gründete Julius Rodenberg die Deutsche Rundschau, die sich an eine gebildete Leserschaft richtete. Die Intention war, fachwissenschaftliche Ergebnisse auf eine Weise zu erklären, die eine fundierte Diskussion unter den Lesern ermöglichen und generell aufklärerisch wirken würde. Rodenberg versuchte wie Treitschke und seine Preußischen Jahrbücher, der deutschen Leserschaft das zu bieten, was die Revue des Deux Mondes lange für die französischen Leser gewesen war: ein Kulturjournal, das dem gebildeten Leser die interessantesten Fortschritte und neuen Erkenntnisse in den Natur- und Geisteswissenschaften nahebrachte und auch für schöngeistige Literatur und die Künste ein Forum bot. Rodenberg überredete Helmholtz, du Bois-Reymond, Zeller und den Historiker Heinrich von Sybel, Beiträge zu verfassen. Mit diesen vier ganz Großen an Bord, da war er sicher, würde er den denkbar besten Start haben. Die Auflage belief sich auf ungefähr 9000, was die Deutsche Rundschau zum wichtigsten Magazin von intellektuellem Anspruch in ganz Deutschland gemacht haben dürfte, und viele Persönlichkeiten des geistigen und kulturellen Lebens im Kaiserreich veröffentlichten dort Beiträge.50 Helmholtz plante, einen Essay für Rodenberg zu schreiben, war aber einfach zu beschäftigt. Er berichtete, dass ihn ständig so viele Leute sprechen wollten, dass ihm die Zeit zum Schreiben fehle. Daher könne er Rodenberg nicht versprechen, dass er es bis zum Abgabetermin schaffe. Ein Jahr später jedoch hatte er etwas Vorzeigbares anzubieten. Ursprünglich hatte er angedacht, über den Einfluss der physikalischen Forschung auf die Theorie der Erdentstehung und des Erdinneren zu schreiben, stattdessen schickte er den Aufsatz »Wirbelstürme und Gewitter«, den er zunächst vor einem Hamburger Publikum vorgetragen hatte.51
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Helmholtz’ Thema war auf einer Ebene die Natur und die Entstehung von Stürmen, auf einer tieferen Ebene suchte er jedoch auch, die Gesetze hinter den meteorologischen Erscheinungen darzustellen und dadurch die Möglichkeiten der Wettervorhersage zu verbessern. Seinen Aufsatz leitete er gewitzt mit einem bekannten Goethespruch über die (scheinbar) willkürliche Natur des Regens ein (»Es regnet, wenn es regnen will …«), der ihm schon lange im Kopf herumschwirrte – vielleicht, wie er meinte, weil er gewisse Defizite der Meteorologie und der Physik berühre. Astronomen und Physiker hätten Gesetze entdeckt, welche den Himmelserscheinungen zugrunde lagen, meteorologische Phänomene wie Wolken, Regen und Winde dagegen dürften sich scheinbar völlig launenhaft gebärden. Diese Unvorhersehbarkeit und Ungenauigkeit des Wissens über Wettererscheinungen stand für Helmholtz in starkem Gegensatz zu dem sicheren Wissen über astronomische Phänomene. Die Meteorologen verstanden zwar die wirksamen physikalischen Kräfte (zum Beispiel Hydrodynamik und Thermodynamik) und hatten auch empirisches meteorologisches Wissen gesammelt, so Helmholtz weiter, doch ließen sich die abstrakten Erkenntnisse nicht ins Konkrete übersetzen, sprich: nicht auf einen einzelnen Ort und eine bestimmte Zeit anwenden. Er empfand daher den Stand der Meteorologie als Wissenschaft als unbefriedigend. Und doch glaubte er nicht, dass hier, wie es das Goethezitat nahelegt, der Zufall das Feld gegenüber dem Gesetz behauptete. Vielmehr wollte er zeigen, dass das begreifende Denken (also Wissenschaft) an die Stelle von Unwissenheit, Aberglauben und Skepsis bei der Betrachtung meteorologischer Erscheinungen treten konnte. Die Erkenntnis, dass das Wetter in bestimmten Regionen der Erde und zu bestimmten Jahreszeiten recht gut berechenbar war, ließ ihn vermuten, dass das größte Manko der Meteorologie im Fehlen von umfangreichem, langfristigem Datenmaterial (für bestimmte Orte) aus Beobachtungen von Durchschnittstemperatur, Luftdruck, Niederschlag, Windrichtung und Ähnlichem bestand.52 Wie andere vor ihm – beispielsweise die Gebrüder Thomson, der amerikanische Geophysiker William Ferrel, der deutsche Mathematiker Theodor Reye und der französische Bergbauingenieur Henri Peslin – wurde Helmholtz zu einer Schlüsselfigur bei der Einführung des thermodynamischen Denkens (besonders der adiabatischen Temperaturänderung) in die Meteorologie (und sein Essay ein Schlüsseltext). Helmholtz war der Ansicht, dass die Klimatologie (sprich Atmosphärenphysik) weiter entwickelt sei als die Meteorologie, weil es auf diesem Gebiet einfacher sei, die Ursachen hinter den Erscheinungen und ihre Zusammenhänge zu erklären. Was nun die Erde anging, so werde sie von den Sonnenstrahlen erwärmt, die zwischen dem Äquator und den Polen ungleichmäßig verteilt auf ihre Oberfläche treffen, und verliere zugleich ihre Wärme durch eine nahezu gleichmäßige Abstrahlung in den kalten Weltraum. Im Ergebnis erhitze sich die Luft in Äquatornähe am meisten und werde am ausgedehntesten und am leichtesten, während sie an den Polen
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am kältesten, dichtesten und schwersten sei. Helmholtz schreibt weiter, dass dieses Wärmegefälle eine Luftzirkulation um die Erde erzeuge, »die am Boden überwiegend vom Pole zum Aequator, in der Höhe dagegen vom Aequator zum Pole gerichtet ist«. Auch die tägliche Rotation der Erde um ihre eigene Achse nehme, wie er weiter ausführte, erheblichen Einfluss auf die Richtung der Luftströme. Es gab sie also, die wohlbekannten und allgemeinen physikalischen (atmosphärischen) Kräfte, die gewissermaßen hinter dem Wettergeschehen standen und sich rational erklären ließen. 53 Im Weiteren wendete Helmholtz sich einigen besser bekannten Einzelphänomenen wie den Passatwinden zu. Er zollte Doves Beitrag zum Verständnis der wechselseitigen Beziehung zwischen den Polar- und den Äquatorialwinden Respekt und analysierte die thermodynamischen Prozesse, die Wasser zwischen der Erde und ihrer Atmosphäre zirkulieren ließen. Wie er festhielt, gab es große Gebiete auf der Erde, in denen sich die Zirkulation des Wassers und der Luft in der Atmosphäre auf eine regelmäßige, gesetzesähnliche Weise abspielte. Daneben gebe es aber auch Orte, an denen es mehr oder weniger regelmäßig zu Störungen komme: So unterbrächen in den Tropen häufig Wirbelstürme das System der regelmäßigen Luftzirkulation. Helmholtz hob die führende Rolle seines Kollegen Dove bei der Weiterentwicklung der Meteorologie hervor, der (in den 1820ern) die Wirbelnatur der tropischen Stürme beschrieben hatte, die von anderen später bestätigt wurde. Er ließ unerwähnt, dass in den 1870er-Jahren die Führerschaft des betagten Dove längst an Strahlkraft eingebüßt hatte, etwa weil Doves Erklärung für den warmen, trockenen Föhnwind in den Alpen, den er größtenteils auf Feuchtigkeit aus den Tropen zurückführte, inzwischen überholt war. An ihre Stelle trat die Theorie des Österreichers Julius Hann, der den Föhn als Folge lokaler adiabatischer (thermodynamischer) Veränderungen betrachtete. (Tatsächlich hatte Helmholtz zehn Jahre zuvor im Rahmen seines Vortrags über Eis und Gletscher von 1865 die Quintessenz von Hanns Theorie selbst entwickelt, doch letztendlich erwies sich Hanns Version als überzeugend.) Ungeachtet der unbestreitbaren Verluste an Menschenleben und Besitz, die mit Wirbelstürmen einhergingen, hoffte Helmholtz doch, die Ängste vor solchen Stürmen durch eine wissenschaftliche Erklärung zumindest zu mindern. Ganz praktisch schlug er vor, mithilfe eines Telegraphennetzes, das rechtzeitig herannahende Wirbelstürme und andere Wetterereignisse meldete, ein Frühwarnsystem zu etablieren.54 Helmholtz hob besonders die aktuelle meteorologische Arbeit von Theodor Reye von der Universität Straßburg hervor, die nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 eine deutsche Universität geworden war. Reye forschte daran, wie Temperaturschwankungen, die lediglich schwache Druckunterschiede in der Atmosphäre hervorriefen, dennoch starke Stürme auslösen konnten. Er entwickelte das Konzept des »labilen Gleichgewichts« (für schnelle Veränderungen in der Atmosphäre),
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indem er jüngste Erkenntnisse (besonders von Clausius) in der mechanischen Wärmetheorie heranzog, um die Rolle des Druckunterschieds zu verstehen. Helmholtz nutzte Reyes Konzept des »labilen Gleichgewichts« sowie seine eigenen theoretischen Erkenntnisse aus der Hydrodynamik und Mechanik, um die allgemeine Beschaffenheit, Geometrie und Bewegung von Wirbeln in der Atmosphäre zu verdeutlichen. Er wollte Hurrikane und Tornados mithilfe von Wirbeln erklären, indem er die konvektive (oder thermale) Theorie der Zyklone verbesserte und weiterentwickelte. Teils haben ihn wohl seine vielen Wanderungen in den Alpen dazu gebracht, die Natur und die Ursachen von Stürmen zu beobachten und zu untersuchen, doch galten seine Ausführungen zur Wirbelnatur von Stürmen nur für tropische Stürme, nicht für solche in mittleren Breitengraden.55 Er schloss seinen Aufsatz mit der Feststellung, das größte derzeitige Problem der Meteorologie habe weniger mit Theorie zu tun als vielmehr mit der Erfassung genauer Daten über (oft sehr geringe) Schwankungen von Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windrichtung usw. für bestimmte Zeiten und Orte. Reyes Untersuchungen zeigten, dass schon geringe Änderungen der lokalen meteorologischen Bedingungen enorme atmosphärische Veränderungen auszulösen vermochten. Die Kenntnis bloßer Durchschnittswerte genüge jedenfalls nicht, um die drängenden Fragen der Meteorologie zu beantworten, und insbesondere nicht, um dem Ziel der Vorhersagbarkeit des Wetters für eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort näherzukommen. Helmholtz räumte zwar ein, dass der Zufall bei meteorologischen Untersuchungen weiterhin eine Rolle spielen werde, glaubte aber an die prinzipielle Möglichkeit, ihn auszuschließen. Seine Ausführungen schloss er ganz im Sinne von Laplace – und nicht von Goethe – mit dem Hinweis, dass eines Tages ein Geist, der ausreichende und genaue Kenntnis der Tatsachen mit einem raschen Kombinationsvermögen verbände, in der Lage sein würde, in den scheinbaren Launen des Wetters das Walten der Gesetze zu erkennen und also auch meteorologische Ereignisse vorherzusagen. Seine konvektive (oder thermische) Theorie der Wirbelstürme blieb vorherrschend – obwohl sie bald von Hann kritisiert wurde, bis sie im 20. Jahrhundert durch die Polarfronttheorie ersetzt wurde.56 Die Ergebnisse von Reye und Clausius mit seinen eigenen in einer konvektiven Theorie der Stürme zusammenzuführen, war ein geradezu klassisches Beispiel für Helmholtz’ Synthesefähigkeiten in der Wissenschaft. Hier in der Meteorologie, aber ebenso in der Augenheilkunde, Physik, Psychologie, Chemie und der Mathematik erwuchs seine Bedeutung, wenn nicht gar seine Erkenntnis, zu einem großen Teil aus der Synthese der Ergebnisse anderer, unter Zuziehung von physikalischer Theorie und Mathematik. Ende der 1880er-Jahre sollte Helmholtz nochmals das Gebiet der Meteorologie betreten, als er zu den Problemen und Gesetzen der Atmosphärenbewegung zurückkehrte. Er betrachtete sich freilich ebenso wenig als Meteorologe wie als Ophthalmologe, Psychologe, Chemiker oder Mathematiker, obwohl
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ihn all diese Disziplinen als einen der Ihren, wenn nicht gar als Pionier ansahen. Sein Aufsatz trug jedenfalls dazu bei, dass die Atmosphärenphysik (Meteorologie und Klimatologie) in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit als Wissenschaft verankert wurde. Und er festigte seine Position als Humboldts Nachfolger: als führender deutscher Vermittler von Wissenschaft an die Öffentlichkeit.
Das neue Institut Helmholtz’ Pflichten in Forschung und Lehre, die Aufsicht über den Bau des neuen Instituts, sein Vorsitz beim Colloquium des Instituts (immer mittwochs), seine Aufgaben und wöchentlichen Treffen an der Akademie (immer donnerstags) und (jeden zweiten Freitagabend) mit der Physikalischen Gesellschaft – all dies erschöpfte seine Energiereserven und verursachte ihm Stress. In der zweiten Hälfte der 1870er-Jahre benötigte er immer mehr Erholungszeit von der Arbeit – und zwar nicht erst am Ende des akademischen Jahres, sondern auch zwischendurch. »Mein Mann hat mehr zu thun, als er bewältigen kann«, schrieb Anna an einen alten Freund. Sie war besorgt, dass er sich übernehmen werde, wenn man weiter seine Zeit so beanspruchte, und dass seine Gesundheit darunter leiden könnte. Trotzdem nutzte er die Semesterferien im April 1876 nicht zur Erholung, sondern um seine Tonempfindungen für eine neue Ausgabe zu überarbeiten. Anna fuhr fort: »[U]nd während ich schreibe, hat er schon die erstaunlichsten Dinge neben mir aus dem Flügel herausklingen lassen.« Sein Arbeitsdrang ebbte kaum ab. Er nahm sich nur zurück, wenn er das Gefühl hatte, es sei absolut notwendig. Das war etwa der Fall, als er eine Einladung Tyndalls nach London ausschlug: »[I]ch habe mich im Winter überanstrengt und stehe jetzt unter ärztlichem Regimente, welches mir die grösste Ruhe zur Pflicht gemacht hat.« Er hielt den normalen Vorlesungsbetrieb aufrecht, zog sich jedoch zeitweise aus allen anderen Projekten und sozialen Engagements zurück. Die gewonnene Freizeit nutzte er, um in den Berliner Wäldern spazieren zu gehen und etwas Sonne zu genießen. Solange er sich ausruhe, bekundete Helmholtz, fühle er sich wohl. Brücke hörte »nichts Gutes von Helmholtz’ Gesundheit […] Er soll schlecht aussehen, wieder Ohnmachten gehabt haben, intermittirenden Puls zeigen«. Helmholtz ließ Soret wissen, dass er im letzten Frühjahr zu viel gearbeitet habe und mittlerweile an Herzrhythmusstörungen leide.57 In diesem Herbst (1876) besuchte er Franz Boll, einen jungen deutschen Mediziner, der sich mit mikroskopischer Anatomie beschäftigte, in der Schweiz. Boll war auf die neu eingerichtete Professur für vergleichende Anatomie und Physiologie an der Universität La Sapienza in Rom berufen worden, jedoch schwer an Tuberkulose erkrankt. Das kalte Wetter verschlechterte Bolls Gesundheitszustand weiter. Helmholtz besuchte ihn zweimal täglich und erteilte ihm ärztliche Ratschläge, die Boll auch befolgte. Der Anatom lag im Clinch mit Helmholtz’ Nachfolger in Hei-
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delberg, dem physiologischen Chemiker Willy Kühne. Bei ihrem Streit ging es um die Entdeckung eines lichtempfindlichen Netzhautpigments, bekannt als »Sehpurpur« (Rhodopsin), mit dem sich ein Optogramm, ein auf dem Sehpurpur fixiertes visuelles Bild, erzeugen ließ (auch »Photogramm« genannt). Helmholtz riet ihm, sich über die Sache nicht zu sehr zu ärgern, und behauptete, dass unvoreingenommene Zeugen gegen Kühne sprächen. (Boll hatte als Erster das Pigment entdeckt, Kühne den eng damit verbundenen Bleichprozess.) Er unterstützte beide Männer darin, ihre unabhängig voneinander getätigten Entdeckungen zum Rhodopsin zu veröffentlichen.58 1877 machte Helmholtz mit seiner Familie Urlaub in Ambach. Sechs Wochen lang hatte er einen »pariglitischen Schmerz unter dem linken Calcaneus« verspürt, dem er mit warmen Fußbädern beizukommen suchte. Er notierte, dass er gesünder als im Vorjahr sei, sein Gesundheitszustand jedoch noch nicht ganz so, wie er ihn sich wünsche. Im schweizerischen Belalp wohnte er bei den Tyndalls in ihrem Sommerhaus und traf sich mit Knapp und Rudolf Schelske sowie William Rutherford, seines Zeichens Physiologieprofessor in Edinburgh. Von dort aus ging er allein in Zermatt bergsteigen und traf danach Anna in Luzern. Im Anschluss bereisten sie für einen Monat Italien: Stresa, Mailand, La Spezia, Rom und Florenz. Er hatte gehofft, Boll, Tommasi-Crudeli und Blaserna in Rom zu treffen, aber sowohl er als auch Anna litten leicht an Malaria-Fieber, weshalb sie sich schnell nach Fiesole (über Florenz) aufmachten, um sich vor ihrer Rückreise nach Berlin zu erholen.59 Im Dezember 1876 war immerhin die neue Institutswohnung bezugsbereit für ihn und seine Familie; Klassenräume und Labore hinkten jedoch noch hinterher. Die Wohnung allein war 442 Quadratmeter groß und kostete mit Möbeln 315 000 Mark.60 Die Haustür führte auf die Neue Wilhelmstraße, eine der exklusivsten Adressen Berlins. Die Familie Helmholtz lebte dort über zwölf Jahre lang bis Mai 1889. Anfang 1878, noch bevor das Institut ganz fertiggestellt war, bezogen Helmholtz und seine Mitarbeiter ihre Arbeitsräume. Das Institutsgebäude nahm eine Grundfläche von 1350 Quadratmetern ein. Der Mitteltrakt des Instituts war im obersten (zweiten) Stockwerk darauf ausgerichtet, optische Forschung durchführen zu können, und beherbergte einen großen Hörsaal (mit 212 Plätzen) und einen kleineren (mit 60 Plätzen) ausschließlich für theoretische Physik im ersten Stock. Im zweiten Stock lagen auch die zwei Räume der Bibliothek, von denen einer als ständiger Sitzungssaal der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin diente. Alles in allem beliefen sich die Baukosten für das Institut auf 800 000 Mark, mit Ausstattung und Möbeln kamen 1 264 000 Mark zusammen. (Der Bau des gesamten Institutskomplexes kostete 4,5 Millionen Mark.) Noch vor seiner Fertigstellung lockte das Institut bereits Schaulustige an.61 (Siehe Abb. 18.1.) Helmholtz und seine Mitarbeiter machten sich nun daran, die Labore und die Bibliothek zu bestücken. Er erwarb viele neue Geräte, besonders Präzisionsinst-
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Abb. 18.1: Frontansicht des physikalischen Instituts der Universität Berlin mit der Wohnung von Helmholtz (vordere rechte Ecke) und dem technologischen Institut (vordere linke Ecke). Illustrierte Zeitung, 29. Dezember 1877, 532, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin.
rumente. Viele davon bezog er von Carl Bamberg, einem Berliner Instrumentenmacher, der Physik und Astronomie studiert hatte. Auf Drängen der Berliner Wissenschaftler hatte Bamberg 1871 ein Unternehmen für mechanische Instrumente aufgezogen. So fühlte man sich in Berlin weniger abhängig von den Pariser Instrumentenherstellern. Der Moment für die Firmengründung war günstig, denn viele wissenschaftliche und technologische Institute Preußens und des Reichs sowie militärische Einrichtungen verfügten über entsprechende Finanzmittel und würden künftig auf Bambergs Dienste angewiesen sein. 1873 hatte Bamberg bereits schriftliche Zusicherungen darüber in der Hand, dass er Lieferverträge mit der Kaiserlichen Marine, dem Generalstab des Heeres, der militärischen Abteilung für Landvermessung, der Berliner Sternwarte und dem Astrophysikalischen Observatorium sowie von Helmholtz bekommen würde.62 Mehr oder weniger das gesamte Jahr 1878 verbrachte Helmholtz mit dem Aufbau des Instituts. Dadurch sah er sich beispielsweise gezwungen, die Einladung der Royal Society of Chemistry abzulehnen, in diesem Jahr die Faraday-Vorlesung zu halten. Stattdessen beschäftigte er sich mit so trivialen Dingen wie der Frage, ob der Reinigungsdienst in seinem Mietvertrag mit dem Staat enthalten war. Er küm-
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merte sich auch darum, dass acht Büsten von Physikern – namentlich bekannt ist nur die von Faraday – im Institut aufgestellt wurden, die symbolisch für die größten Helden der Physik und ihre Errungenschaften stehen sollten. Für Helmholtz war ein Institut mehr als ein Ort, an dem man Vorlesungen hörte, Gleichungen löste und Beobachtungen und Experimente durchführte, nein, es war auch ein Ort, um sich auf Traditionen zu besinnen und sich inspirieren zu lassen. Für die Büste von Faraday bat er Tyndall, der ihm gerne behilflich war, um eine Kopie der Faraday-Büste der Royal Institution. Sie sandten ihm eine »ausserordentlich schöne Büste« zu, die Helmholtz im großen Vorlesungssaal platzierte.63 Die Idee zu solchen ikonischen Büsten war nicht neu, vielmehr war es schon geradezu eine Tradition geworden, Büsten berühmter Wissenschaftler anfertigen zu lassen und aufzustellen. Das ging noch etwas weiter als die nach 1850 im Wissenschaftsbetrieb gängige Praxis, Fotos von bekannten Wissenschaftlern aufzunehmen und in Umlauf zu bringen. Im Oktober 1872 bereitete etwa der Leidener Physiologe Adrian Heynsius zu Ehren von Donders’ zwanzigjährigem Jubiläum als ordentlicher Professor in Utrecht ein Fotoalbum »der grössten Physiologen unseres Jahrhunderts« vor, darunter Johannes Müller und Hermann Helmholtz. Letzterer hatte bereitwillig zugestimmt, ein Porträtfoto von sich einzusenden. Heynsius bat ihn jedoch stattdessen, für eine Marmorbüste Porträt zu sitzen (und veranlasste auch, dass eine solche Büste von Müller angefertigt wurde, die sich an früheren Porträts von ihm orientierte). Sie fanden einen Bildhauer, der den Auftrag für 800 Taler übernahm (Müllers Büste kostete lediglich 400). Die beiden Stücke waren rechtzeitig fertig für die Feierlichkeit in Utrecht. Als du Bois-Reymond fünf Jahre später nach Utrecht kam, besuchte er Donders zuhause und bekam in dessen Studierzimmer die beeindruckende (und teure) Helmholtz-Büste zu Gesicht. In Utrecht fand man sie, wie er berichtete, »unverschämt«.64 Helmholtz’ fachlicher Wechsel vom Professor für Physiologie zum Professor für Physik und der Bau eines brandneuen Instituts – das mit Abstand größte, am besten ausgestattete und vielleicht auch schönste seiner Zeit – symbolisierten den aufgewerteten Stand der Physik in den 1870er-Jahren. Der junge amerikanische Physiker Edward L. Nichols, der zwischen 1876 und 1878 bei Helmholtz studierte, hielt das Institut für »einen Bau, der unter den Physiklaboratorien seiner Zeit wohl unübertroffen ist«. Karl Pearson fand die Physiklabore genau wie die gesamte Universität »fürstlich«. Für viele war das neue Institut ein Vorbild oder sogar eine direkte Inspiration. Der brasilianische Kaiser Dom Pedro II., der sich sehr für Bildung und Wissenschaft interessierte und diese in seinem Heimatland förderte, bat Helmholtz um eine Kopie der Baupläne. Als Adolph Wurtz, ein geborener Elsässer und mittlerweile Lehrstuhlinhaber für organische Chemie in Paris, im Jahr 1882 die Berliner Universität besuchte, nannte er Helmholtz’ neues Institut »monumental«. Es vermittle »eine Vorstellung von den großen Möglichkeiten, die einigen der heuti-
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gen deutschen Professoren zur Verfügung stehen«. Für Helmholtz war es auch ein monumentaler Verwaltungsaufwand, was sich am Jahresbudget des Instituts (für 1878) von 27 330 Mark ablesen lässt.65
Lehrer, Mentor und Förderer Als Direktor eines so großen Instituts musste Helmholtz viel Zeit für die Unterrichtung, Betreuung und Förderung seiner Studenten und ihrer Arbeit aufwenden. Seine Anstrengungen entlohnte man ihm Mitte der 1870er-Jahre mit fast 19 000 Mark Jahresgehalt. Diese Summe beinhaltete 8400 Mark Salär seitens der Universität, 6900 seitens der Akademie und ungefähr 3400 Mark sonstige Einkünfte (vermutlich aus studentischen Gebühren). Eine Lohnerhöhung über die Jahre war eingebaut.66 Er gehörte zweifelsohne zu den am besten bezahlten Universitätsprofessoren seiner Zeit. Er arbeitete hart für sein Geld. Schon als Jugendlicher war er früh aufgestanden, seine beste Arbeitszeit (zum Forschen) war morgens. Zwar änderte sich sein üblicher Tagesablauf im Jahr 1888, als er sich zugunsten seiner Position als Präsident der neuen Reichsanstalt aus der Lehre weitgehend zurückzog, doch waren die Mittagsstunden für gewöhnlich der Lehre gewidmet. Darauf folgte eine Nachmittagspause, nach der er weiterarbeitete. Abends ruhte er sich meist aus und verbrachte Zeit mit seiner Familie. Anna beklagte sich oft, dass sie ihn an die Arbeit verloren habe oder dass er, wenn sie ihn dann schließlich zu Gesicht bekam, zu müde oder gehetzt für Geselligkeit war.67 Zwischen seinem ersten (Sommer 1871) und seinem letzten Semester (Winter 1888) in Berlin hielt er täglich Vorlesungen (außer Donnerstags) von 12 bis 13 Uhr und von 13 bis 14 Uhr. Wenn Experimente vorzubereiten waren, begab er sich gegen 11 Uhr ein Stockwerk tiefer in den Vorlesungssaal, wo er meist selbst die Apparate aufbaute. Zudem war er verantwortlich für Laborübungen, die täglich von 10 bis 15 Uhr stattfanden, an Samstagen bis 13 Uhr. Mindestens einer seiner zwei (manchmal drei) Kurse pro Semester war allgemein der experimentellen oder der theoretischen Physik gewidmet, wobei die experimentellen Physikkurse (meistens Einführungen) eine größere Hörerschaft anzogen. Manchmal unterrichtete er jedoch auch speziellere Kurse, wie beispielsweise zur mathematischen Theorie von Elektrizität und Magnetismus, zur mathematischen Optik und Akustik oder zur mathematischen Theorie der Elektrodynamik. Hin und wieder zwischen 1871 und 1875 hielt er Veranstaltungen, die sich mit einem bestimmten Aspekt der Physiologie oder, seltener, mit den logischen Prinzipien der experimentellen Wissenschaften befassten. Ab dem Sommersemester 1875 lehrte er jedoch ausschließlich Physik. Bereits im Sommersemester 1874 hielt er eine Vorlesung über die mathematische Theorie der Elektrodynamik, von der auch seine letzte angekündigte, aber nie gehaltene Vorlesung im Wintersemester 1894/95 handeln sollte.68 Im Gegensatz zu
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einem heutigen Professor an einer forschungsorientierten Universität konnte er kein Sabbatjahr oder Forschungssemester einlegen oder seine Lehrverpflichtungen auf andere Art reduzieren (etwa durch course buyout). Streng genommen war Helmholtz als Magnus’ Nachfolger angestellt worden, also als Experimentalphysiker. Wie schon erwähnt, war er jedoch mehr ein theoretischer als ein experimenteller Physiker und wünschte sich einen Kollegen mit ähnlicher Orientierung für Berlin. Dabei hatte er Kirchhoff im Auge. Also ließ er ihn wissen, dass das Ministerium ihn für Berlin haben wollte, und kümmerte sich darum, ihn auch tatsächlich dorthin zu holen und ihn zu einem ordentlichen Mitglied der Akademie zu machen. Kirchhoff wurde ausdrücklich mit der Lehre der theoretischen Physik beauftragt. Ab 1875 hielt er regelmäßig Vorlesungen zu Mechanik, Optik, Wärme, Elektrizität und Magnetismus. Seine Berufung, zusammen mit der von Helmholtz, machte Berlin zu einem wahren Zentrum der theoretischen Physik, vielleicht dem ersten überhaupt.69 Die meisten Studenten, die Helmholtz’ Einführungsvorlesungen in Physik besuchten, waren an der philosophischen Fakultät eingeschrieben. Doch zog er auch eine erhebliche Anzahl (ungefähr ein Drittel seiner Studenten) von der medizinischen, gelegentlich sogar von der juristischen oder theologischen Fakultät an. In den Jahren zwischen 1871 und 1888 besuchten nach Angaben von Helmholtz jährlich zwischen 400 und 600 Studenten seine Einführungsvorlesungen in die Physik. Neben den Vorlesungen musste er Laboraufsicht führen (meist übernahm dies ein Assistent) und gelegentlich Prüfungen abnehmen. Ungefähr die Hälfte seiner Studenten kam aus dem Ausland (es waren hauptsächlich Amerikaner und Briten, aber auch einige Russen und ein paar Franzosen, Italiener, Belgier, Niederländer und Japaner). Bereits in den ersten Semestern nach Eröffnung des neuen Instituts waren alle zur Verfügung stehenden Sitz- und Laborplätze belegt. Mitte der 1880er-Jahre mussten Studenten abgewiesen werden.70 Das Institut verkörperte und symbolisierte damit ein neues Phänomen des deutschen akademischen Lebens: den Beginn der Breitenbildung, insbesondere in den Naturwissenschaften und der Medizin. Helmholtz hatte sicher wenig Freude am Abhalten voll besetzter Veranstaltungen für Studienanfänger. Bei mindestens einer Gelegenheit überließ er Dove die Unterrichtsverantwortung für den Einführungskurs, damit er selbst sich auf anspruchsvollere Themen konzentrieren konnte. (Er hatte in diesem Semester etwa 50 Studenten in seinem anderen Kurs.) Anna beschwerte sich, er unterrichte »stets sehr abstruse Collegia der höheren Mathematik und Physik«. Und das, wo diese doch so »anstrengend« seien und »wenig einbringen, die ihn aber mehr freuen, als die lukrativen Dinge [die Einführungskurse]«. Sie bemerkte noch: »Er hat überhaupt eine sehr bedauerliche Abneigung gegen profitable Sachen, was zwar an und für sich sehr schön ist, aber der Mammon ist in diesem teuren Jammertale doch auch etwas wert.«71
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Ab der Mitte des Jahrhunderts wurden die studentischen Übungen im Physiklabor nach und nach zu einem festen Bestandteil der Kurse und ergänzten die Vorlesungen des Professors. In Helmholtz’ Berliner Institut wurden die Laborübungen, besonders die für Anfänger, von seinen Assistenten geleitet. Er selbst ging jedoch durch die Reihen, um festzustellen, wie seine fortgeschrittenen Studenten und »Postdoktoranden« vorankamen. Ende der 1870er-Jahre hatte er jedes Jahr drei Assistenten. Sie halfen ihm manchmal im Haupthörsaal beim Versuchsaufbau für seine Vorlesungen, aber meistens überwachten sie die Laborarbeiten der Studenten und, die einfachste Tätigkeit, betrieben die Bibliothek. Sie (nicht Helmholtz) hatten den meisten Kontakt zu denjenigen Studenten, die nur den Einführungskurs in die Physik belegten. Im provisorischen Institut, wo die Platzverhältnisse äußerst beengt gewesen waren, hatten überhaupt nur wenige fortgeschrittene Studenten im Labor arbeiten können. Heinrich Kayser behauptete, dass er 1877/78 dort der einzige gewesen sei, und dass Helmholtz, der gelegentlich Kaysers Arbeit begutachtete, ihm nur selten Ratschläge erteilt habe – aber wenn er es tat, fand Kayser es sehr ermutigend. Jahre nachdem er in Helmholtz’ altem Institut gearbeitet hatte, besuchte Arthur Schuster erneut Berlin und fing die dortige Stimmung ein. Zwar musste er gestehen, dass Helmholtz’ neues Institut »nobel« sei und »von außen beeindruckend, für den gelegentlichen Besucher vielleicht auch von innen«, aber »die Seele und der wissenschaftliche Geist des alten Standorts waren verschwunden«. Gerade weil jetzt jeder sein eigenes Arbeitszimmer hatte, mangelte es dem Institut Schuster zufolge an »Zusammengehörigkeit« und »wissenschaftlicher Inspiration«, und Helmholtz habe nicht genug Zeit für alle.72 Andererseits ermöglichte er seinen Studenten genau dadurch, dass er ihnen nicht die ganze Zeit über die Schulter schaute, ein gutes Maß an Freiheit und mehr Selbstvertrauen (zumindest denjenigen, die ihren Weg erfolgreich gingen) hinsichtlich ihrer Themenwahl, Methodik und Arbeit im Allgemeinen. Wie Weber, Kayser und Hertz legten manche seiner Assistenten beachtliche wissenschaftliche Karrieren hin. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Helmholtz als Lehrer für die Einführungskurse, und vielleicht nicht nur für diese, einiges zu wünschen übrig ließ. Hertz berichtete, was die Physikeinführungen angehe, habe Helmholtz nicht gerade den Ruf eines brillanten Universitätsdozenten. Julius Hirschberg, später ein bedeutender Medizinhistoriker, behauptete, dass die Medizinstudenten Helmholtz’ Einführungsvorlesung in die Physik zu schwierig fanden. Laut Heinrich Rubens, der später ein führender Experimentalphysiker werden und selbst in Berlin lehren sollte, sei es Anfängern schwergefallen, Helmholtz’ Vorlesungen zu folgen, und dieser habe »kein Verständnis« für ihre Schwierigkeiten gezeigt. Auch Friedrich Paulsen, aus dem später ein bekannter Philosoph wurde, der unter anderem eine Geschichte des gelehrten Unterrichts schrieb, besuchte 1871 Helmholtz’ Lehrveranstaltung zur experimentellen Physik. Er hielt fest: »[D]ie Vorlesung über Experimentalphysik: sie hat mir wenig Nutzen
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gebracht, obwohl ich es an Eifer und Fleiß auch außerhalb der Vorlesung nicht fehlen ließ. Der Vortrag ließ viel zu wünschen übrig, und was ich suchte: grundlegende Begriffe und zusammenfassende Anschauungen, das wurde nun gar nicht geboten.« Carl Runge, der 1877 nach Berlin kam, um Mathematik zu studieren, und der zu einem großen mathematischen Physiker aufsteigen sollte, konnte weder mit Helmholtz’ noch mit Kirchhoffs Lehrstil viel anfangen und ging daher woandershin.73 Dafür hatte Helmholtz (viel) mehr Erfolg bei den höheren Semestern oder zumindest bei den Forschungsstudenten. Hertz äußerte sich dahingehend, dass Helmholtz’ Persönlichkeit wichtiger war als das, was er sagte, und auch Rubens befand, dass Helmholtz talentierten, fortgeschrittenen Studenten dabei half, ihre Kreativität zu entfalten. Max Planck jedoch, vielleicht Helmholtz’ berühmtester Student, sah das etwas anders. Nach drei Jahren Studium in München wechselte Planck 1877 nach Berlin, um Helmholtz’ und Kirchhoffs Vorlesungen beizuwohnen. Hier erst merkte er, wie provinziell seine Münchner Lehrer gewesen waren: Berlin erweiterte seinen »wissenschaftliche[n] Horizont«. Aber genau wie seinen Kommilitonen und Freund Runge ließen ihn die Vorlesungen, die er hörte (Helmholtz zu theoretischer Physik), kalt. »Helmholtz hatte sich offenbar nie richtig vorbereitet«, erinnerte Planck sich später, »er sprach immer nur stockend, wobei er in einem kleinen Notizbuch sich die nötigen Daten heraussuchte, außerdem verrechnete er sich beständig an der Tafel, und wir hatten das Gefühl, daß er sich selber bei diesem Vortrag mindestens ebenso langweilte wie wir. Die Folge war, daß die Hörer nach und nach wegblieben; schließlich waren es nur noch drei, mich und meinen Freund, den späteren Astronomen Rudolf Lehmann-Filhés, eingerechnet.« Planck wechselte nach einem Semester also wieder nach München, wo er 1879 seinen Abschluss mit einer Dissertation zur Thermodynamik machte. In München krähte kein Hahn danach, Kirchhoff zog die Arbeit inhaltlich in Zweifel, Helmholtz machte sich nicht einmal die Mühe, sie zu lesen. Selbst du Bois-Reymond, seit jeher Helmholtz’ größter Fan, äußerte sich verhalten über dessen Lehrtätigkeit. Zwar »gab er in eindringlicher Weise das Beste, was er hatte, aber freilich mehr an die Minderzahl sich wendend, welche imstande war, es zu empfangen und zu würdigen«. Der Physiker Richard Wachsmuth, später Helmholtz’ Assistent in der Reichsanstalt und ein enger Freund der Familie, erklärte: »Helmholtz war weder ein glänzender Redner noch ein leicht verständlicher Lehrer und doch vermochte niemand sich dem Eindruck seiner Grösse zu entziehen.«74 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass selbst Studenten, denen es gewiss nicht an Intelligenz und Motivation mangelte, mit Helmholtz’ Vorlesungen ihre Probleme hatten. Dass er bis 1871 keinerlei Erfahrungen als Physiklehrer gesammelt hatte, machte sich bemerkbar. Weder sein einziger als Student selbst absolvierter Physikkurs (bei Dove, etwa 1839/40) noch seine 23-jährige Lehrerfahrung in der Physiologie scheinen ihm in dieser Beziehung eine große Hilfe gewesen zu sein.
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Dennoch mag er einige seiner Studenten auf eine weniger direkte und greifbarere Weise beeinflusst haben. Zu seinen Schülern zählte der Philosoph August Stadler, der später am Züricher Polytechnikum Philosophie unterrichtete und auch Einstein zum Schüler hatte. Oskar Bolza studierte unter Helmholtz und Kirchhoff Physik, wechselte dann zur Mathematik und ging schließlich in die USA, wo er eine bemerkenswerte Karriere machte und am Aufbau der mathematischen Abteilung der University of Chicago beteiligt war. Auf unzählige junge Wissenschaftler übte der Name Helmholtz große Anziehungskraft aus, selbst wenn sie sich später für andere Bereiche oder Mentoren entschieden oder sogar, wie der junge Freud, gar nicht bei ihm studierten. Anfang der 1870er-Jahre entschied sich Freud, der gerade in Wien bei Brücke studierte, ein Semester in Berlin zu verbringen, um du Bois-Reymond, Helmholtz und Virchow zu hören. Noch während seines Medizinstudiums in Wien nannte er Helmholtz vor seiner Verlobten eines seiner »Idole«. Tatsächlich ging Freud nie nach Berlin und wandte sich Mitte der 1890er-Jahre seinem stärker psychologischen Ansatz zur Erforschung des menschlichen Geistes zu. Dennoch hielt er an dem allgemeinen Blickwinkel der organischen Physiker von 1847 fest und hoffte weiter darauf, dass sich bei der Erforschung des Geistes wachsende Verbindungen zwischen neurophysiologischen und psychologischen Aspekten ergeben würden. Noch Ende der 1890er-Jahre sah er in Helmholtz sein wissenschaftliches Vorbild.75 Anfang der 1870er-Jahre gab es ein paar Studenten, wie Ferdinand Karl Braun, die ihr Studium hauptsächlich bei Magnus absolviert hatten, dann noch kurz unter Helmholtz studierten und bei ihm ihre Prüfungen ablegten. Helmholtz half Braun dabei, eine Professur in Marburg (1877) zu bekommen. Später wurde er für seine Erfindung der Kathodenstrahlröhre bekannt, für die er auch den Physiknobelpreis bekam (1909).76 Eugen Goldstein hingegen, der 1870 nach Berlin kam und viele Jahre mit Helmholtz arbeitete, machte seinen Doktor erst 1881. Er forschte an elektrischen Entladungen im Vakuum; bekannt wurde er durch seine Kathodenstrahlenexperimente (unter Helmholtz) und, allgemeiner gesprochen, für seine Untersuchungen zu elektrischen Entladungen in Gasen. Zwischen 1871 und 1878 war Helmholtz als Mitglied von Prüfungskommissionen an insgesamt 27 Promotionsverfahren beteiligt. Mit Abstand die meisten Kandidaten kamen aus der Chemie, gefolgt von der Physik und einigen wenigen aus den Feldern der Philosophie, Mathematik, Astronomie und Geschichte der Astronomie. Seine berühmtesten Prüflinge waren Braun und Auerbach. Helmholtz nahm auch an einigen Habilitationsprüfungen teil oder leitete sie sogar. Die meisten davon waren mehr oder weniger Routine und führten zu positiven Ergebnissen, wie die Habilitationen von Neesen und Glan in Physik, Benno Erdmann in Philosophie, Eugen Baumann in Chemie und Hermann Ebbinghaus in Psychologie. Selten einmal ging etwas schief. 1872 war Helmholtz neben dem Chemiker Hofmann der zweite Gutachter für die Habilitationsschrift des Chemikers Eugen Dreher. Helmholtz
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glaubte, dass Drehers Manuskript nicht von ihm selbst stamme, sondern eine überarbeitete Version eines bereits gedruckten Textes sei, als dessen wahrer Autor wohl Drehers Lehrer gelten müsse. Helmholtz schrieb: »Daß wir also diese Arbeit nicht als specimen eruditionis annehmen können ist evident.« Es handele sich um einen »plumpen und dummen, Versuch einer Täuschung der Fakultät«, um als Dozent zugelassen zu werden. Fast drei Jahre später war Helmholtz erneut Drehers Zweitprüfer und stimmte wieder gegen ihn. Er fand Drehers Arbeit »äußerst oberflächlich, wahrscheinlich nur aus populären Darstellungen zusammengelesen, sehr lückenhaft und durch die gröbsten Irrtümer entstellt«. Er schloss daraus: »Daß Herr Dr. Dreher übrigens nicht eine Spur von Selbsterkenntnis und auch nicht die entfernteste Ahnung von dem, was wissenschaftliche Arbeit ist, hat, habe ich in vielen amtlichen Unterredungen, die ich als Dekan mit ihm hatte, konstatieren können.« Daher sprach er sich erneut gegen ihn aus und hoffte, er werde sich von der Universität fernhalten.77 Er agierte, wie immer, als Hüter der Qualität der akademischen Arbeit und der akademischen tätigen Personen. Zahlreiche Amerikaner kamen, um bei Helmholtz zu studieren. Allgemein erlebte das Studium in Deutschland unter amerikanischen Studenten in den Jahren zwischen 1870 und 1900 eine nie gekannte Hochkonjunktur.78 Die deutschen Ideale der universitären Forschung und der akademischen Freiheit beeindruckten weithin, der deutsche Doktortitel stand für hohe akademische Qualifikation und obendrein war das Studieren in Deutschland vergleichsweise kostengünstig. Helmholtz war eine der Hauptattraktionen: Es war sein Name, der sie dazu bewog, sich in seine Kurse einzuschreiben, bei ihm einen Abschluss zu machen, weitergehende Forschung in seinem Labor zu betreiben oder ihn einfach nur treffen und sein Institut kennenlernen zu wollen. Mit den Einkünften aus seiner Vortragsreise durch Amerika 1873 stiftete Tyndall im selben Jahr die Tyndall Fellowship. Jedes Jahr sollten zwei amerikanische Physikstudenten ein Stipendium für eine europäische Universität ihrer Wahl erhalten, wobei Tyndall hoffte, dass sie sich für Heidelberg oder Berlin (also die Universitäten von Bunsen oder Helmholtz) entscheiden würden.79 In den frühen Berliner Jahren gehörten zu Helmholtz’ amerikanischen Studenten Elihu Root (Doktortitel 1876) und Edward L. Nichols, der erst bei Helmholtz studierte (1876 – 1878), dann aber in Göttingen promovierte (1879) und danach mit Edison in Menlo Park arbeitete, um schließlich seine akademische Karriere in Kansas und später an der Cornell University weiterzuführen. 1893 wurde er dort zum Gründungsherausgeber der Physical Review. Francis R. Upton legte bei Helmholtz seine Abschlussprüfung ab (1878) und arbeitete danach wie Nichols für Edison. Er wurde sein wichtigster wissenschaftlicher Mitarbeiter und bald auch Partner, als Edison gerade daran arbeitete, die Glühlampe zu perfektionieren. Uptons Wert für Edison lag weniger in seinem Verständnis der neuesten elektromagnetischen Theorie als in seinem experimentellen Geschick, seinen mathematischen Fähigkeiten
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(die Edison fehlten) und seinem allgemeinen Verständnis der Physik samt zugehöriger Literatur. Edison setzte Upton auch an die Überprüfung von Patentverletzungen. Er erwies sich zwischen 1878 und 1881 als wichtiger Teil von Edisons Team, das die Kohlefadenlampe erfand, verbesserte und patentieren ließ. Upton unterstützte Edison auch bei der Entwicklung des Dynamos und des Zentralkraftwerks. Alles in allem trug er mit seiner Arbeit und Auffassungsgabe dazu bei, die grundlegenden physikalischen Prinzipien und Systemwirkungsgrade für die Glühbirne, den Dynamo und andere elektrische Systeme zu entwickeln. Edison selbst erkannte, wie nützlich es war, mit Helmholtz in Verbindung gebracht zu werden: Als er 1877 mit dem britischen Erfinder David Hughes in einen Streit darüber geriet, wem der Vorrang bei der Erfindung des Mikrofons zukomme, nannte er Helmholtz’ (und Siemens’) Namen, um seinem eigenen Anspruch Rückhalt zu verleihen.80 An Helmholtz’ Institut forschten in den 1870ern auch zahlreiche »Postdoktoranden« aus anderen Ländern, von denen einige die Spitze der nächsten Physikergeneration bilden sollten. Zwei davon seien besonders hervorgehoben: Ludwig Boltzmann, damals ein junger Physikprofessor an der Universität Graz, war Helmholtz’ erster ausländischer »Postdoc-Forscher«. Im Frühling 1870 kam Boltzmann nach Heidelberg, um sich Helmholtz, Kirchhoff und Koenigsberger vorzustellen. Er hatte Helmholtz’ Schriften zu Elektro- und Thermodynamik gelesen und hielt seinen Lehrer Josef Stefan und Helmholtz für die einzigen Physiker auf dem europäischen Festland, die mit Maxwells elektromagnetischer Theorie vertraut waren. Er war der Meinung, Maxwell habe sich bei der Bestimmung der Dielektrizitätskonstanten in seiner Theorie geirrt, und ließ sich für das Wintersemester 1871/72 von Graz beurlauben, um in Helmholtz’ Berliner Labor zu arbeiten und die Konstanten experimentell zu bestimmen. Wie fast allen seiner »Postdoktoranden« gab Helmholtz ihm lediglich Ratschläge, ohne eng mit ihm zusammenzuarbeiten. Boltzmann fand, dass man an Helmholtz im Institut nur schwer herankomme (es war immerhin überhaupt möglich). Aber als Helmholtz auf einer Sitzung der Physikalischen Gesellschaft einen Vortrag über das Wärmegleichgewicht von Gasen hielt, war Boltzmann nach eigener Einschätzung der Einzige, der den Vortrag verstand, und sie hatten danach ein gutes Gespräch. Wie viele andere war Boltzmann beeindruckt von der Instrumentenausstattung in Helmholtz’ Labor. Seine Zeit am Berliner Institut war richtungsweisend für seine Zukunft, brachte ihn in Kontakt mit der deutschen Wissenschaftsszene und ließ ihn sich als Teil der Physikergemeinde fühlen. Nach Boltzmanns Rückkehr nach Graz korrespondierten Helmholtz und er über Maxwells Theorie. Helmholtz verhalf ihm zu weiteren Daten für seine experimentelle Arbeit, und Boltzmanns Experimente zur Bestimmung der Dielektrizitätskonstanten unterstützten schließlich die Maxwell’sche Theorie. 1874 konnte er Helmholtz seine bedeutende Abhandlung über die elektrostatische Fernwirkung dielektrischer Körper zuschicken. Darin wandte er Helmholtz’ Idee von der Wir-
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kung der geladenen Kugelschale auf das Dielektrikum an. Er berichtete zudem, dass er alle Maxwell’schen Beziehungen zwischen Dielektrizitätskonstanten und Brechungsindizes bestätigt hatte. Boltzmanns Zeit in Berlin trug jedenfalls dazu bei, dass Helmholtz’ Institut zu einer Art Zentrum für Maxwell-Studien wurde.81 Ein weiterer bemerkenswerter »Postdoc-Forscher« während dieser ersten Jahre in Berlin war Henry Augustus Rowland, ein junger, damals noch unbekannter Physiker, der gerade zum Professor für Physik an der neuen (1876) Johns Hopkins University in Baltimore ernannt worden war. Rowland klapperte 1875/76 die Physiklabore Europas ab und stattete auch Berlin einen Besuch ab. Er wollte sich mit Blick auf wissenschaftliches Personal, Instrumente und Labororganisation inspirieren lassen, bevor er seinen eigenen Physikbereich an der neuen Universität eröffnete – der unter seiner Führung bald zum wichtigsten institutionalisierten Zentrum der amerikanischen Physik, wenn nicht sogar zu ihrem geistigen Zentrum überhaupt im letzten Viertel des Jahrhunderts wurde.82 Rowland kam unangekündigt und stellte in allen Einzelheiten zwei Experimente zur elektromagnetischen Wirkung elektrischer Konvektionsströme vor, die er in Helmholtz’ Labor durchzuführen hoffte. Helmholtz begrüßte den Vorschlag und fand, obwohl das Labor bereits überbelegt war, ein Plätzchen für Rowland im Souterrain. »Der hiesige Prof. Helmholtz ist der beste Physiker des gesamten Kontinents«, schrieb Rowland an seine Mutter. Er hielt ihn für »sehr ruhig und ehrwürdig«. Obwohl er nach seiner Beobachtung »denjenigen, die unter ihm arbeiten, sehr wenig Aufmerksamkeit zukommen lässt«, schenkte er Rowland und dessen Experimenten durchaus welche. Auch an den Präsidenten der Johns Hopkins Universität, Daniel Coit Gilman, schrieb Rowland: Prof. Helmholtz’ Charakter interessiert mich sehr. Obwohl der führende europäische Physiker, ist er keineswegs brillant und in manchen seiner Vorschläge steckt meiner Meinung nach bisweilen ein Funke Dummheit. Seine großartige Begabung ist seine Konzentrationsfähigkeit. Wenn er über eine beliebig komplexe Sache nachdenkt, richtet er seinen ganzen Verstand darauf: Ich habe manchmal gedacht, dass man ihn dann umwerfen könnte, ohne dass er es spürte oder merkte. So kommt er zu seinen großartigen Ergebnissen, aber wenn er nicht so tief in Gedanken versunken ist, sind seine Gedanken fast wie die anderer Menschen. Als Experimentator ist er ziemlich dürftig. In dieser Hinsicht erinnert er an Newton, der allem Anschein nach nicht sehr »intelligent« war, aber dennoch eine wunderbare Konzentrationsfähigkeit besaß, wie Helmholtz und, wie man hört, Tait. Um noch einen Vergleich anzuführen: Arthur Schuster hielt Helmholtz für geistig genauso beweglich wie Thomson, wenn es galt, von einem Thema zu einem ande-
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demie der Bildenden Künste in Amsterdam geworden – und sehnte sich danach, nach Deutschland zurückzukehren. Also bat er Helmholtz erneut, sich für ihn zu verwenden, diesmal mit Blick auf eine Professur für Ästhetik und Kunstgeschichte am Polytechnikum Aachen. Zwei Monate später hatte er die gewünschte Professorenstelle.85 Dann war da noch eine bunte Mischung weiterer Personen, mit denen Helmholtz es gelegentlich zu tun bekam, ohne dass sie eine direkte Verbindung zu ihm oder Berlin hatten. Er wurde oft gebeten, ausländische Besucher zu empfangen, die einfach den berühmten Helmholtz treffen oder sein Institut besichtigen wollten. Tyndall schrieb ihm beispielsweise 1874: »Ein junger Heldenverehrer, der dich zu einem Objekt seiner Anbetung macht, wünscht sich zwei Minuten Unterhaltung mit dir.« Es gab auch unzufriedene oder Möchtegern-, Halb- oder Nicht-Wissenschaftler, die ihre Situation oder ihre wissenschaftliche Arbeit mit Helmholtz besprechen wollten. Sie bewunderten ihn, sehnten sich nach seiner Anerkennung oder zumindest seinem Urteil und seiner Hilfe bei ihren eigenen wissenschaftlichen Bemühungen oder festgefahrenen Karrieren. Da wäre beispielsweise John Cleves Symmes zu nennen, ein US-Hauptmann, der 1871 in Berlin lebte. Er hatte sich bereits 1867 in Heidelberg an Helmholtz gewandt, um ihm seine Theorie eines Perpetuum mobile zu unterbreiten, das auf »Atomrotation« basierte. Nun, im Jahre 1871, erinnerte er Helmholtz daran, ihm damals »einen kleinen Anflug von überraschtem, zweifelndem, aber freundlichem Lachen« entlockt zu haben. Weiter behauptete er, dass seine Idee mittlerweile so weit gereift sei, dass er eine solche Maschine bauen könne. Wenn es ihm gelänge, würde sie »viele physikalische Vermutungen beweisen: die Rotation der Atome und Moleküle, die tatsächliche Existenz des Äthers, den Unterschied zwischen elektrischem und leuchtendem Äther, die Eigenschaften der Gravitationskraft«. Er hatte ein dreißigseitiges Manuskript zu diesem Thema verfasst und wollte gern Helmholtz’ Meinung darüber hören. Zu diesem Zweck wollte er ihn aufsuchen und ihm das Manuskript vorlesen, nicht zuletzt, weil er dann »einige ›physikalische Tropfen‹ aus höchstmöglicher Quelle aufsaugen« könne. Es gibt allerdings keinen Hinweis darauf, dass Helmholtz einem solchen Treffen je zugestimmt hätte.86 Von allen Nichtwissenschaftlern, die Helmholtz’ Anerkennung suchten, war Alexander Wilford Hall wahrscheinlich der frustrierteste, der ganz gewiss das Gegenteil dessen bewirkte, was er anstrebte. Hall war ein methodistischer Pfarrer aus New York City, Autor des ausschweifenden und streitbaren Werkes Evolution of Sound: A Part of the Problem of Human Life Here and Hereafter Containing a Review of Tyndall, Helmholtz, and [Alfred] Mayer (1878) sowie der »überarbeiteten Fassung« desselben unter dem Titel The Problem of Human Life: Embracing the ›Evolution of Sound‹ and ›Evolution Evolved‹, with a Review of the Six Great Modern Scientists. Darwin, Huxley, Tyndall, Haeckel, Helmholtz, and Mayer (1880). Helmholtz wurde darin ei-
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nerseits als einer der sechs größten modernen Wissenschaftler gewürdigt, andererseits für seine Untersuchungen zur Akustik scharf angegriffen. Sich selbst stellte Hall als »Erforscher der Wissenschaft und Philosophie im Interesse der Religion und gegen den Materialismus in all seinen Erscheinungsformen« dar. Sein Buch war ein Musterbeispiel für Laienforschung in ihrer schlimmsten Form. Hall lastete Helmholtz (und anderen) »Oberflächlichkeit«, »zahlreiche Selbstwidersprüche und Ungereimtheiten« sowie »fatale Annahmen« an, und dies in einem Ton, der keine Zurückhaltung kannte. Sich selbst stilisierte er zum großen Krieger in einer Gigantenschlacht, der das Zeitalter (und die Religion) vor solchen Wissenschaftlern rettete und sie in ihre Schranken wies. Um sicherzustellen, dass Helmholtz auf sein Buch auch aufmerksam wurde, schickte ihm Hall, der anscheinend sein eigener Verleger war, ein Exemplar.87 Helmholtz bekam es eben mit ganz verschiedenen Menschen zu tun: von Top-Physikern der jüngeren Generation bis hin zu Spinnern.
19 Teil der Elite Optisches über Malerei und ein gemalter Helmholtz Beginnend im 18. Jahrhundert und verstärkt im 19. Jahrhundert entstand in Berlin eine beeindruckende Ansammlung wissenschaftlicher, technikorientierter und medizinischer Einrichtungen. Bald trat die Stadt auch als Mittelpunkt von Kunst und Literatur hervor. Schon lange bot Berlin mit der Akademie der Künste, der Oper, mehreren großen Theatern, der Singakademie, bedeutenden Museen (etwa Altem Museum und Neuem Museum) und seinen vielen Architekturdenkmälern ein beachtliches kulturelles Angebot. Nun wurde es auch ein pulsierender Ort des Zeitungs- und sonstigen Verlagswesens, und immer mehr literarische, künstlerische und musikalische Vereine wurden gegründet. Die konservative Haltung der Berliner politischen Führung, der hohe künstlerische Rang manch kleinerer Stadt wie München oder Weimar und generell der regional geprägte Charakter des deutschen Kulturlebens erlaubten es Berlin allerdings erst im letzten Drittel des Jahrhunderts, auch im Hinblick auf die schönen Künste, in den Vordergrund zu rücken. Auf der Museumsinsel etwa wurde Altem und Neuem Museum die Nationalgalerie zur Seite gestellt (1866 – 1876); zu Berlin als neuem Zentrum der Künste gehörten auch das Opernhaus Unter den Linden und die Singakademie. Es gab eine breite gesellschaftliche Basis für eine vielfältige Musikkultur – so luden etwa zahlreiche Musikvereine regelmäßig zu Konzerten ein. Vor allem mit der Gründung der Hochschule
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für Musik im Jahre 1869 avancierte Berlin zur ersten Adresse für eine musikalische Ausbildung. Der preußische König ernannte den Violinisten Joseph Joachim zum Direktor der Hochschule, und diesem gelang es, hochrangige Musiker als Lehrkräfte zu gewinnen. Die Singakademie hatte ein exzellentes Konzertquartett, und 1882 wurde zudem das Philharmonische Orchester ins Leben gerufen. Berlin entwickelte sich zu einem regelrechten musikalischen Hotspot. Über seine in engerem Sinne wissenschaftliche und akademische Tätigkeit hinaus war Helmholtz dem Berliner Kulturleben vielfach verbunden: so etwa als Experte für die wissenschaftlichen Grundlagen von Malerei und Musik, als Ehemann einer führenden Berliner salonnière (also quasi als Hausherr des Salons) und als jemand, der oft und gerne mit Mäzenen und Künstlern Umgang pflegte. Er stand an der Spitze des vom preußischen König finanzierten Wissenschaftlichen Vereins der Universität, der alljährlich von Januar bis März öffentliche Samstagsvorlesungen in der Singakademie veranstaltete. Im Januar 1872 hielt Helmholtz den Eröffnungsvortrag der Reihe unter dem Titel »Optisches über Malerei«.1 Zu diesem Thema gab er zwischen 1871 und 1873 insgesamt drei Vorlesungen (die anderen zwei in Düsseldorf und Köln). Später veröffentlichte Helmholtz die Vorträge in zusammengefasster und überarbeiteter Form als Aufsatz, der seine Ansichten zur menschlichen Wahrnehmung (inklusive der physiologischen Optik) und besonders zum Problem des Binokularsehens in der Malerei darlegte. Als die vier grundlegenden künstlerischen Kategorien der Malerei benannte er darin Formen, Helligkeitsstufen, Farbe und Farbenharmonie – seine Absicht war eine »Erörterung der Wirksamkeit d[ies]er elementaren Mittel«, mit denen Kunst arbeite. Helmholtz sah »mannigfache Berührungspunkte« zwischen der Sinnesphysiologie und der »Theorie der schönen Künste« und wollte diese ebenso beleuchten, wie er es bei früherer Gelegenheit für die Beziehungen zwischen der Physiologie des Gehörsinns und der Musik getan hatte. Ein vollumfängliches Verständnis von Malerei erforderte nach Helmholtz’ Ansicht auch die Würdigung der physiologischen Prozesse, über die unsere Sinne auf Malerei reagieren.2 Zu Beginn seiner Rede räumte Helmholtz ein, manche seiner Zuhörer oder Leser hätten sicher reichere Erfahrung in der Anschauung von Kunstwerken oder bessere Kenntnis in der Kunstgeschichte als er.3 Aber daraus sprach vielleicht falsche Bescheidenheit, denn seine Ausführungen gingen weit über die Fakten der physiologischen Optik hinaus. Schon als Kind war Helmholtz ja von seinem Vater für die Bedeutung von Kunst und Ästhetik sensibilisiert worden, später, als junger Dozent, hatte er an der Kunstakademie Anatomie unterrichtet, und wenn er auf Reisen war, verwendete er immer viel Zeit darauf, sich in Museen einen unmittelbaren Eindruck von Gemälden und anderen Kunstobjekten zu verschaffen. »Der nächste Zweck des Malers«, erklärte er, »ist, durch seine farbige Tafel in uns eine lebhafte Gesichtsanschauung derjenigen Gegenstände hervorzurufen,
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die er darzustellen versucht.« Der Künstler sei also bemüht, »eine Art optischer Täuschung« zustande zu bringen, die im Betrachter eine Vorstellung jener Gegenstände hervorrufe, und dies »so lebensvoll und sinnlich kräftig, als hätten wir die Wirklichkeit vor uns«. Die Sinnesphysiologie, so glaubte Helmholtz, könne »von den Mitteln und Methoden der Darstellung« lernen, welche die begabtesten Künstler »in langer Überlieferung« gefunden hätten, bildeten sie doch eine »Reihe wichtiger und bedeutender Thatsachen«, die der Physiologe nicht vernachlässigen dürfe. Das Studium großer Kunstwerke könne ebenso viel über physiologische Optik lehren, wie die Gesetze der Sinnesempfindungen und sinnlichen Wahrnehmungen ihrerseits zur Theorie der Kunst beitragen könnten. Anhand der Kunstgeschichte lasse sich verstehen, wie der Betrachter die verschiedenen Elemente eines Gemäldes, ihre Anordnung und Beziehung zueinander – kurz: die Mittel, mit denen Kunst ihre Wirkung erziele – wahrnehme.4 Zunächst behandelte Helmholtz die Formen, die erste seiner vier Hauptkategorien in der Malerei. Hier wollte er untersuchen, »welchen Grad und welche Art von Ähnlichkeit« ein Maler in der Darstellung äußerer Gegenstände erreichen könne. Ein Betrachter mit ausgeprägtem Kunstsinn erwarte mehr und anderes als eine reine Kopie der Natur, nämlich »eine künstlerische Auswahl, Anordnung und selbst Idealisirung der dargestellten Gegenstände«. So solle etwa die künstlerische Darstellung von Menschen diese nicht als ganz alltägliche Menschen zeigen, wie es Photographien täten, sondern als ausdrucksvolle und schöne Gestalten, die »eine Sorte des menschlichen Wesens in voller und ungestörter Entwickelung zur lebendigen Anschauung bringen«.5 Helmholtz hielt schon die Vorstellung, ein Gemälde habe »die wirklich getreue Abbildung der Naturobjecte« zu geben, für problematisch. Denn zum einen führe der Künstler sein Gemälde auf einer ebenen Fläche aus, das menschliche Auge aber bilde auf der gebogenen Netzhaut in Reaktion auf das einfallende Licht nur perspektivische Ansichten der Außenwelt. Anders als bei einem an der Wand hängenden Gemälde verändere sich diese Ansicht von der Außenwelt, wenn sich der Standpunkt des sehenden Auges verändere. Denn es sei ja (normalerweise) so, dass Menschen die Welt binokular betrachteten, also mit zwei Augen, und damit aus zwei etwas verschiedenen Perspektiven, was entscheidend für die Beurteilung von Entfernungen und die Tiefenwahrnehmung sei. Wenn man nun aber ein flaches Gemälde anschaue, fielen diese beiden Standpunkte zusammen, und wenn sich der Betrachter vor dem Bild bewege, verstärke sich nur der Eindruck der flächigen Darstellung.6 Damit ergebe sich eine unüberbrückbare »Inkongruenz zwischen dem Anblick eines Gemäldes und dem Anblicke der Wirklichkeit«. Maler brächten nun, um diese Inkongruenz zu mindern, verschiedene Hilfsmittel etwa in Bezug auf die Auswahl, Anordnung und Beleuchtung von Gegenständen zur Anwendung, die in Begriffen
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der wissenschaftlichen Theorie untersucht werden könnten. Besonders gut zeigten sich die Fertigkeiten eines Künstlers etwa in der Vermittlung von Tiefe durch die Mittel der Perspektive: Der Maler setze die dargestellten Gegenstände in Bezug zueinander, was eine Unterscheidung zwischen Näherem und Fernerem ermögliche. Hierzu bilde er Dinge von bekannter wirklicher Größe – je nachdem, wo sie sich im Gemälde befinden – verschieden groß ab. Weiterhin nutze er Schatten, Licht und Luftperspektive, um den Eindruck von Tiefe weiter zu fördern. Wichtiger noch als die Darstellung der Gegenstände sei es aber, »eine ungestörte und lebendige Wirkung des Gemäldes auf das Gefühl und die Stimmung des Beobachters« zu erzielen.7 Sodann sprach Helmholtz über seine zweite künstlerische Kategorie, nämlich den Einsatz verschiedener Helligkeitsstufen. Er betonte, dass es ein großer Unterschied sei, ob man tatsächliche Gegenstände betrachte oder aber deren Darstellung auf einem Gemälde. Die künstlerische Geschicklichkeit könne diesen Unterschied zwar mindern, doch jeder Künstler wisse, dass bestimmte Gegenstände eben nicht darstellbar seien. Theoretisch könne ein Maler versuchen, ein Netzhautbild im Auge des Betrachters auszulösen, das genau jenem Bild entspreche, das beim Betrachten des jeweiligen Ausschnitts der Wirklichkeit entstünde. Da aber die Farben des Lichts in der realen Welt anders als die Farben auf einem Gemälde absorbiert und reflektiert würden, könne die Diskrepanz nicht ganz überwunden werden.8 Helmholtz erklärte, »das wichtigste Moment der Ausgleichung« zwischen verschiedenen Helligkeitsstufen sei »die verschiedene Abstumpfung unseres Auges durch Licht«, also dessen Ermüdung. Mit der Zeit setze jede Tätigkeit der Nervenapparate deren Leistungsfähigkeit herab: Muskeln und Gehirn ermüdeten, und das Auge werde unempfindlicher gegen Lichteindrücke. Diese physiologischen Faktoren stellten den Maler vor ein Problem, denn er müsse seine Farben auf eine solche Weise einsetzen, dass beim Betrachter der Gemälde in einer Galerie derselbe Eindruck entstehe wie beispielsweise beim Betrachten des Mondes in der Dunkelheit oder einer Wüstenszene bei gleißendem Tageslicht. Der Künstler müsse also die Eigenschaften und die begrenzte Belastbarkeit des physiologisch-optischen Apparats des Betrachters berücksichtigen. Daher bestehe seine Aufgabe auch gar nicht darin, die Realität abzubilden, sondern darin, die Sinneseindrücke aus der Wirklichkeit auf die Leinwand zu übertragen und sie damit von einer »Empfindungsskala« auf eine andere umzurechnen. An dieser Stelle brachte Helmholtz das von dem »geistreichen Forscher« Gustav Theodor Fechner entdeckte »Gesetz für die Empfindungsscala des Auges« ins Spiel. Demnach blieben Unterschiede in der Helligkeit von betrachteten Körpern innerhalb eines bestimmten Rahmens auch bei veränderter Beleuchtung gleich deutlich. Das Auge, so Helmholtz, könne ein breites Spektrum an Helligkeit wahrnehmen, ein Maler aber sei nur daran interessiert, das stets konstante Verhältnis der Helligkeiten, in dem uns
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die Flächen verschiedener Körperfarben erschienen, im Gemälde nachzubilden. Denn anhand dieses Verhältnisses beurteile der Betrachter, wie hell oder dunkel ein betrachteter Gegenstand einzuschätzen sei. Der Maler habe also nicht etwa die kindliche Absicht, die Farben der Dinge eins zu eins wiederzugeben, sondern versuche, die Körperfarben durch ihre Lichtwirkung auf das Auge nachzuahmen. Das sei es, was die alten Meister, allen voran Rembrandt, zur Perfektion gebracht hätten.9 Bei der Farbe, der dritten Kategorie in Helmholtz’ Vortrag, ging es ebenso wie bei der Helligkeit um physiologisch bedingte Abstufungen, da die Empfindungsskala auch für die verschiedenen Farben unterschiedlich ausfalle. Denn die Empfindlichkeit für das Licht einer bestimmten Farbe sei von der Reaktionsweise des Nervenapparats abhängig. Wie Thomas Young gezeigt habe, seien alle unsere Farbempfindungen Mischungen aus den drei einfachen Empfindungen Rot, Grün und Violett, die »durch drei verschiedenartige Systeme von Nervenfasern ganz unabhängig von einander percipirt werden«. Helmholtz kam hierbei auf verschiedene Kontrasterscheinungen zu sprechen und stellte fest, dass auch eine teilweise Ermüdung der Netzhaut in Bezug auf die verschiedenen Grundfarben möglich sei. Maler müssten ihre Farben so einsetzen, dass sie diese Kontrast- und auch die Irradiationseffekte (das Ausstrahlen eines sehr hellen Objekts auf die Nachbarschaft) in ihre Darstellung einbezögen.10 Helmholtz widmete sich außerdem der Frage, warum der Himmel (oft) blau erscheine, und sprach allgemein über Färbungen und Trübungen der Atmosphäre in verschiedenen Höhen und an unterschiedlichen Orten. Zum Verdeutlichen von Entfernung und Tiefe sei vor allem die Kenntnis der Luftperspektive entscheidend, also die farblich abgestufte Wiedergabe der Lufttrübung.11 Die künstlerische Darstellung von Licht und Farbe war für Helmholtz eine »Übersetzung«. Eine »getreue Abschrift« könne sie schon wegen der veränderten Helligkeitsskala nicht sein. Und wie in jeder Übersetzung spiele die individuelle Vorliebe des Malers ebenfalls eine Rolle. Als herausragende Beispiele nannte er Rembrandt und Fra Angelico, dessen Fresken er in Florenz im Kloster San Marco gesehen hatte. »Fra Angelico ist hinreissend liebenswürdig in dem, was er wirklich durchgeführt hat«, schrieb er Anna. »In jeder Zelle des Klosters ist ein Frescobild von ihm selbst oder nach seinen Entwürfen gemalt, davon Einiges allerersten Ranges. Eine Krönung Maria durch Christus im Himmel, beide in weissen Gewändern, unten der Heilige zuschauend, ist von einer Zartheit und Reinheit, dass ich Nichts Ähnliches je gesehen habe.« Die Uffizien fand Helmholtz dem Louvre gleichrangig, nicht zuletzt wegen der einzigartigen Raphaels und Tizians, die er dort bewundern konnte.12 Die vierte und letzte Helmholtz’sche Kategorie der Malerei war die Farbharmonie. Die höchsten Meisterwerke überhaupt seien, so Helmholtz, »mit den verhältnissmässig dunkeln Tempera- und Oelfarben ausgeführt, und für Räume mit ge-
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mässigtem Licht bestimmt«, obgleich es eine »natürliche Lust an den Farben« gebe. Anders als bei den Kombinationstönen könne man jedoch bei den Farbzusammenstellungen keine festen Regeln erkennen, ja es sei schwer, überhaupt empirisch festzustellen, durch welche Kombinationen Farbharmonien entstünden. Ihre Bedeutung für die Malerei lasse sich deshalb nur sehr allgemein formulieren.13 Wie Helmholtz abschließend zusammenfasste, könne im Idealfall ein Kunstwerk »unsere Aufmerksamkeit fesseln und beleben« und eine »reiche Fülle von schlummernden Vorstellungsverbindungen und damit verknüpften Gefühlen in mühelosem Spiele wachrufen und sie zu einem gemeinsamen Ziele hinlenken«. So würden sich »die sämtlichen Züge eines idealen Typus« aus bruchstückhaften Erinnerungen im Betrachter »zu lebensfrischer Anschauung« verbinden. Für Helmholtz hatte Kunst eine größere Kraft über das menschliche Gemüt als die Wirklichkeit, weil nämlich, während »die Wirklichkeit immer Störendes, Zerstreuendes und Verletzendes in ihre Eindrücke mengt, die Kunst alle Elemente für den beabsichtigten Eindruck sammeln und ungehemmt wirken lassen kann«. Ein Kunstwerk sei umso eindrücklicher, so Helmholtz, »je eindringlicher, je feiner, je reicher die Naturwahrheit des sinnlichen Eindruckes ist, welcher die vorstellungsreichen und die mit ihnen verbundenen Affecte wachrufen soll«. Es müsse »sicher, schnell, unzweideutig und genau bestimmt wirken«, wenn es einen »lebendigen und kräftigen Eindruck machen« wolle.14 Mit diesen Ausführungen zu seinem Verständnis von Malerei aus der Optik heraus sicherte Helmholtz sich seinen Platz im Berliner Kunstleben. Sein Aufsatz beeinflusste zusammen mit seinem Handbuch der physiologischen Optik und weiteren Schriften über Farbe, Tiefenwahrnehmung und nichteuklidische Geometrie eine ganze Reihe von Malern, insbesondere Impressionisten und Neo-Impressionisten – wenn dieser Einfluss auch schwer zu fassen bleibt. Lasen diese Künstler unmittelbar die Helmholtz’schen Texte oder erfuhren sie aus Arbeiten anderer von seinen Ansichten? Viele Künstler zeigten in den 1870er- und 1880er-Jahren jedenfalls ein gesteigertes Interesse an der Optik, den physiologischen Vorgängen bei der Wahrnehmung von Farbe und Licht, aber auch an der Chemie der Farben und an der Farbmischung. Helmholtz’ Schriften dürften sich hier mal direkt, mal indirekt ausgewirkt haben, und sicher im Verbund mit Arbeiten anderer Wissenschaftler wie Young, Maxwell, Chevreul und Ogden Rood, aber auch Brücke und Wilhelm von Bezold.15 Helmholtz’ Aufsatz »Optisches in der Malerei« wurde ins Französische übersetzt und gewann damit eine noch größere Leserschaft. Im französischen Sprachraum spielten zweifellos auch die einflussreichen Schriften des Physiologen Charles Henry eine Rolle, der mit seinem Cercle chromatique (1888) und dem Versuch, eine Ästhetik auf der Grundlage von Mathematik und Psychophysiologie zu entwickeln, Bekanntheit erlangte. (Henry redete Helmholtz übrigens mit »illustre Maître« an.)
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Auch der Maler Georges Seurat dürfte Helmholtz’ Aufsatz gelesen haben, zumal dieser in der französischen Ausgabe von Brückes Principes scientifiques des beaux-arts […] suivis de l’optique et la peinture par H. Helmholtz (1878) enthalten war. Wahrscheinlich kannte er auch die Helmholtz’schen Ausführungen zur Optik in der Optique physiologique. Genauso konsultierte wohl auch der französische Impressionist Camille Pissaro Helmholtz’ Arbeiten zur physiologischen Optik.16 Der Aufschwung neuer Fachrichtungen (wie Sinnesphysiologie oder Psychophysik) und Ideen (etwa zu Farbenlehre oder Wahrnehmung) ermunterte jedenfalls ab den 1870er-Jahren bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht wenige Schriftsteller, Maler, Musiker und Photographen, die Möglichkeiten einer »wissenschaftlichen« Grundlegung der Kunst auszuloten und eine wissenschaftliche Ästhetik zu entwickeln. In der englischsprachigen Welt wurden die Helmholtz’schen Überlegungen zu Farbe und Malerei vor allem durch die Arbeiten des amerikanischen Physikers Ogden Nicholas Rood bekannt. Rood hatte in Deutschland Physik und Chemie (bei Liebig) studiert und Zeichen- und Malunterricht genommen. 1863 wurde er auf den Lehrstuhl für Physik an der Columbia University berufen und forschte dort zu physiologischer Optik, zur Farbentheorie, zu thermoelektrischen Strömen, elektrischen Entladungen und zum Photometer. 1874 hielt er eine Vorlesung über die Optik in der Malerei, und ab 1879 wurde er bei Künstlern wie Wissenschaftlern durch seine Modern Chromatics bekannt. Es war die mit Abstand bedeutendste Farbenlehre der Epoche, welche die Farbwahrnehmung auf der Grundlage von Youngs Theorie erklärte, in ihrer von Helmholtz und Maxwell modifizierten Form. Rood schenkte darin Helmholtz’ Studien über Farben, Farbmischung und Farbwahrnehmung große Aufmerksamkeit und erläuterte sie für Künstler.17 Auf ähnliche Weise versuchte in den 1880er-Jahren der englische Photograph Peter Henry Emerson, seiner Kunst eine wissenschaftliche Grundlage zu geben – das Ergebnis nannte er »Naturalistic Photography«. In seinen Ausführungen stützte er sich ausdrücklich auf »Optisches in der Malerei« und das Handbuch. Emerson lag daran, die Photographie zu einer rationalen Kunst zu machen.18 Welchen Einfluss Helmholtz’ wissenschaftliche Herangehensweise an die Malerei auch auf Künstler gehabt haben mag – am Ende wurde er selbst zum Motiv zweier bekannter Gemälde. Eines schuf Franz von Lenbach (1876), das andere Ludwig Knaus (1881). Zudem taucht Helmholtz in einer (sozial enthüllenden) Skizze Adolph Menzels (1874) auf, die eine Salonszene zeigt. (Siehe Abb. 19.1, 19.2 und 19.3.) Die beiden Porträts spiegelten einen neuen Stil in der deutschen Malerei, die sich in der ersten Jahrhunderthälfte von ihren religiösen und patriotischen Verstrickungen befreit hatte. In den 1870er-Jahren trat nun neben dem erwachenden Impressionismus und der fortbestehenden Monumentalkunst die Malerei der Gründerzeit hervor, welche eine Art Kompromiss zwischen dem Intimen und dem Großformatigen darstellte. Als allgemein charakteristisch für die Zeit kann die Sicht des Indi-
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Abb. 19.1: Helmholtz, 1876. Porträt von Franz von Lenbach.
viduums als öffentliche Figur, der hohe Rang von politischer Macht, Gewerbefleiß und Wohlleben sowie die Bewunderung für große Persönlichkeiten gelten – etwa von Bismarck in der Politik, Siemens in der Industrie, Wagner in der Musik, Nietzsche in der Philosophie, Mommsen in der Geschichte und eben von Helmholtz in der Wissenschaft. Dem ganz entsprechend tat sich die deutsche Malerei durch Per-
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Abb. 19.2: Helmholtz, 1881. Das Gemälde von Ludwig Knaus zeigt mehrere physiologische Instrumente: eine Stimmgabel auf einem hölzernen Resonanzkasten, einen HelmholtzResonator aus Messing, ein Ophthalmometer (ganz rechts) und davor auf dem Tisch liegend ein Ophthalmoskop. Helmholtz’ linke Hand fasst ein Prisma auf einem Ständer, daneben liegt ein geöffnetes Notizbuch. bpk / Nationalgalerie, SMB / Klaus Göken.
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sonen- und Heldenkult hervor.19 Menzel, Lenbach und Knaus feierten Helmholtz als ein Idol – und ihr idealisierender Blick auf ihn lässt sich vielleicht vor dem Hintergrund der damaligen Berliner Salonkultur noch besser verstehen.
Annas Salon Berlins Salontradition reichte bis in die späte Aufklärungszeit zurück, doch erst nach 1860 konnten immer mehr wohlhabende Familien in der Stadt Fuß fassen. Mit zunehmender wirtschaftlicher, politischer und kultureller Bedeutung Berlins wuchs auch die Salonkultur. Zwischen 1860 und 1890 gab es etwa 25 Salons, in denen die gesellschaftliche Elite verkehrte, darunter der von Anna Helmholtz. Wie ihre Vorgänger im Paris der Aufklärung waren diese Salons Ausdruck der gesellschaftlichen und kulturellen Präsenz einer kleinen, gesellschaftlich und finanziell prominenten Gruppe, die kulturelle Interessen und soziale Bande miteinander teilte. Die Salons brachten politisch und künstlerisch herausragende Persönlichkeiten zusammen, im besonderen Fall der Helmholtzens kamen auch noch wissenschaftliche Größen hinzu. Es ging um entspannte Gespräche in einem angenehmen Ambiente. Geführt wurde ein Salon stets von einer Frau, der salonnière, deren Aufgabe es war, die Diskussion über literarische, künstlerische, politische und andere Themen anzuregen. Außerdem gab es musikalische Vorführungen. Die Salondame hielt also sozusagen Hof, und dies (außer im Sommer) mehr oder weniger wöchentlich an einem jour fixe. Es gab Stammgäste und einmalig Eingeladene – das konnte etwa ein auswärtiger Schriftsteller sein, der sein neues Buch vorstellte. Da die Gäste aus unterschiedlichen Berufen und Lebensbereichen kamen, förderten die Zusammenkünfte einen gewissen Austausch zwischen verschiedenen gesellschaftlichen oder politischen Gruppen. Außen vor blieben freilich die Arbeiterklasse und die Mittelschicht, auch von einem Bohème-Einschlag konnte keine Rede sein.20 Mit Ausnahme von Anna Helmholtz waren die großen Salondamen wie Gräfin Marie (»Mimi«) von Schleinitz und Anna von Roth entweder von Adel oder hatten Ehemänner, die zu den reichsten Männern in ganz Berlin gehörten. Die Salons sorgten wohl auch dafür, das schnell wachsende Ungetüm von einer Hauptstadt etwas zu zivilisieren. Gräfin Schleinitz, deren Ehemann Alexander der preußische Minister des königlichen Hauses war, unterhielt den elegantesten und exklusivsten Berliner Salon. Bei »Mimi« versammelten sich liberale Geister, die oft auch die Gegnerschaft zu Bismarck einte. Die Helmholtzens gehörten zu den Stammgästen. So waren sie auch an jenem Abend im Mai 1873 anwesend, als der russische Pianist Anton Rubinstein spielte – sie hatten ihn in derselben Woche sogar schon einmal gehört, nämlich bei Gustav Richter, einem bekannten Porträtmaler. Das war aus ihrer Sicht nicht ganz unproblematisch, denn Rubinstein war immer erst nach Mitternacht nach Klavier-
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Abb. 19.3: Salon der Frau von Schleinitz am 29. Juni 1874, Zeichnung von Adolph von Menzel vom selben Tag. Die Zeichnung zeigt (von links nach rechts) Helmholtz, Heinrich von Angeli, Marie Gräfin von Schleinitz (zurückgelehnt auf dem Sofa), Anna Helmholtz, Götz Graf von Seckendorff (hinten), Hedwig Gräfin von Brühl, Kronprinzessin Victoria (sitzend in der Mitte), Wilhelm Graf von Pourtalès (hinten), Kronprinz Friedrich (stehend, nach links schauend), Alexander Graf von Schleinitz, Anton von Werner und Prinz Victor von Hohenlohe-Langenburg (rechts sitzend). Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin.
spielen zumute, »so daß wir nicht selten vor zwei Uhr heimkommen«. Im Juni 1874 waren bei Gräfin Schleinitz zu Gast: Kronprinz Friedrich Wilhelm und Kronprinzessin Victoria, das Ehepaar Helmholtz, die Maler Adolph Menzel und Anton von Werner sowie Wilhelm von Bode, damals Direktor der Skulpturenabteilung der königlichen Museen zu Berlin. Der Kronprinz war ganz erpicht darauf, über das Sammeln von Kunst zu sprechen. Die Gastgeberin hatte derweil den Wunsch, den Abend »zu verewigen«, und bat Menzel, spontan ein Gruppenporträt ihrer prominenten Gäste anzufertigen. (Menzel, so sei erinnert, war eng mit dem Potsdamer Militärarzt Wilhelm Puhlmann befreundet.) Das Ergebnis war die Zeichnung Salon der Frau von Schleinitz am 29. Juni 1874 (Abb. 19.3).21 Das Blatt verewigte zugleich die Zugehörigkeit der Helmholtzens zur gesellschaftlichen und kulturellen Elite Berlins. Den-
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noch: Mochte Helmholtz auch eine hochstehende Persönlichkeit sein, und darüber hinaus einer der bestbezahlten Professoren Deutschlands, so war doch seine finanzielle und gesellschaftliche Stellung nicht mit dem Rang der Familie Schleinitz oder anderer Gäste vergleichbar. Den Kontakt zur gesellschaftlichen Elite hatten Anna und Hermann bald nach ihrem Umzug nach Berlin gefunden. George Bancroft, ein amerikanischer Historiker und Diplomat, der die hauptstädtische Hautevolee bestens kannte, berichtete kurz nach dem Eintreffen der Familie: »Unser Berliner Kreis wurde eben durch die Ankunft von Helmholtz, dem großen Meister der Naturwissenschaft, erweitert.« Bald gehörten neben vielen anderen auch Hildegard Freifrau von Spitzemberg und ihr Mann zu Helmholtz’ Bekanntenkreis. Die beiden hatten dessen Vortrag über »Optisches in der Malerei« besucht, und schon kurz darauf lud man sich gegenseitig zum Diner ein oder traf sich bei einem der vielen Salonabende.22 Nach sechs Monaten in Berlin hatte Anna ihren eigenen Salon ins Leben gerufen. Jeden Dienstagabend empfing das Ehepaar Helmholtz zehn bis zwölf regelmäßige Besucher, zu denen jeweils ein oder zwei besondere Gäste des Abends kamen. Im Gegensatz zu anderen Salons oder auch Abendgesellschaften, wie sie Helmholtz’ Hochschulkollegen zuweilen ausrichteten, gab es bei diesen Gelegenheiten nur eine minimale Verpflegung mit Tee und Schnittchen. Anna führte ihren Salon fast drei Jahrzehnte lang an ihren vier verschiedenen Berliner Wohnsitzen. Aus ihrer eigenen Familie schauten etwa ihr Vater Robert, ein Politiker, und ihr Bruder Ottmar, der als Diplomat tätig war, an den Salonabenden vorbei.23 Annas emotionale und temperamentvolle, dabei aber warmherzige und einfühlsame Art ergänzte Hermanns besonnenes, entrückt feierliches Auftreten. Annas enge Freundschaft mit Mimi von Schleinitz, das politische Ansehen und die Beziehungen ihres Vaters, die Bekanntschaft mit dem Kronprinzenpaar und Annas wohltätiges Engagement steigerten die Anziehungskraft des Hauses Helmholtz. Die Mischung der Gäste im Salon war hier eine besondere: illustre Köpfe aus Wissenschaft, Kunst, Politik, Diplomatie, Militär, aber auch aus Hof- und Adelskreisen. Es war ein Salon der Aufklärung mitten im kaiserlichen Deutschland. Anna selbst sah darin den »Geist von Weimar«, den Glanz der Goethezeit wiederbelebt. Natürlich spiegelte sich in den Zusammenkünften auch Helmholtz’ eigene Weltläufigkeit, sein Rationalismus und seine Kunstliebe wider. Dennoch war es vor allem ein bürgerlicher Salon, einer von nur zweien, die es in den ansonsten exklusiven Berliner Kreisen gab. Obgleich nicht blind für die Anziehungskraft des Hofes und hochrangiger Positionen allgemein, waren Anna und Helmholtz doch nicht übermäßig beeindruckt von Noblesse. Was sie bewunderten und bei ihren Gästen suchten, waren ein aufgeweckter Geist und Bildung. Mimi von Schleinitz’ Gesellschaft war aristokratisch und reich, Anna aber unterhielt einen Gelehrtensalon, der vor allem durch den besonderen Intellekt seiner Besucher hervorstach.24
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Helmholtz’ Ansehen als Wissenschaftler und seine Bekanntheit bei Musikern und Malern ließen viele auf eine Einladung in Annas Salon hoffen. Wenn es auch sein Name war, der die Gäste anlockte, so war es Anna, die sie bleiben ließ. Sie führte durch den Abend, sie regte Gespräche über Themen von allgemeinem Interesse an und sorgte für eine entspannte Atmosphäre, während Helmholtz meist in einer Zimmerecke stand oder auf einem Stuhl saß, hier und da auf Fragen antwortete und ansonsten die Gesellschaft genoss. Im November 1872 etwa unterhielt sich Fanny Lewald, eine bekannte liberal eingestellte Schriftstellerin, mit Helmholtz über das gerade erst erschienene Werk Der alte und der neue Glaube von David Friedrich Strauß. Strauß wollte den Glauben an das Christentum durch den Glauben an die Natur und Wissenschaft ersetzen, er lehnte Gott und jegliche Teleologie ab. (Übrigens war Strauß ein eifriger Leser der Helmholtz’schen Werke.) Auch Lewald, die aus Königsberg stammte und inzwischen bedauerte, in ihrer Jugend vom Judentum zum Christentum übergetreten zu sein, war Freidenkerin. Sie versuchte, etwas über Helmholtz’ Ansichten zu Gott und dem ewigen Leben herauszubekommen, erhielt aber offenbar nur die knappe Antwort, »wissenschaftlich könne niemand beweisen, daß nach dem Tode alles aufhöre«. Bei anderer Gelegenheit soll Helmholtz allerdings geäußert haben, er »könne nicht recht an eine persönliche Fortexistenz nach dem Tode glauben«.25 Die Helmholtzens luden Wissenschaftler verschiedenster Couleur, aber auch Industrielle und Ingenieure zu ihren Salons, es kamen Kollegen ebenso wie ältere Studenten.26 Unter ihnen waren die Physiologen du Bois-Reymond und Sigmund Exner; der Zellpathologe, Anthropologe und Politiker Virchow; Medizinprofessoren wie Ernst von Bergmann, Ernst von Leyden und Richard Liebreich; die Physiker Kirchhoff, Hertz, Planck und Kundt, der Chemiker Hofmann, der Botaniker Pringsheim; Geographen und Geologen wie Wilhelm Reis und Ferdinand von Richthofen; Mathematiker wie Borchardt und Leopold Kronecker; Ingenieure wie Siemens, Friedrich Hefner von Alteneck und Franz Reuleaux. Planck wurde 1877/78 zum ersten Mal eingeladen, da war er ein neunzehnjähriger Student: In Helmholtz’ Salon lernte er die beiden ältesten Töchter von du Bois-Reymond kennen und unterhielt sich mit ihnen über Musik.27 Nach 1888 wurde Planck, nun als Helmholtz’ jüngerer Kollege, zu einem der Stammgäste des Salons. Die Helmholtzens gaben ihren Gästen gerne Gelegenheit, führende Persönlichkeiten aus anderen Lebensbereichen kennenzulernen. Wenn ausländische Wissenschaftler wie der Physiker Blaserna (1872) oder Raoul Pictet in Berlin waren, bat man sie in den Salon, damit der Abend durch ihre Anwesenheit bereichert würde. Auch Professoren der Geistes- und (gelegentlich) der Gesellschaftswissenschaften fanden sich im Hause Helmholtz ein. Die Historiker Mommsen, Sybel, Treitschke und Ranke kamen regelmäßig, ebenso wie der Jurist Heinrich Rudolf von Gneist, der Ökonom Gustav von Schmoller, der Philologe Ernst Curtius, der Ägyptologe
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Richard Lepsius, der Soziologe Wilhelm Dilthey, der Philosoph Zeller, der Theologe Adolf von Harnack, die Kunsthistoriker Hermann Grimm und Julius Meyer oder der Germanist Erich Schmidt. Der englische Historiker Lord John Acton war ein einmaliger Gast, ebenso Max Müller. Die Eheleute Mommsen und Helmholtz luden einander regelmäßig ein.28 Auch viele berühmte Künstler konnte man in Annas Salon antreffen: die Maler Arnold Böcklin, Menzel, Ferdinand von Harrach, Ludwig Passini, Gustav Richter, Werner und Lembach; die Bildhauer Reinhold Begas und Adolf von Hildebrand; den Komponisten Richard Wagner (über ihn später mehr); Musiker wie den Geiger Joachim und seine Frau, eine äußerst talentierte Sängerin; den Dirigenten Karl Eckert; den Pianisten, Komponisten und Dirigenten Anton Rubinstein; Sänger und Sängerinnen, etwa Marianna Brandt; dazu Berthold Auerbach, Lewald und Rodenberg aus der Reihe der Schriftsteller. Anna und Hermann Helmholtz freundeten sich insbesondere mit Amalie und Joseph Joachim an und man besuchte sich bald regelmäßig.29 1872 waren die beiden gemeinsam mit Franz von Lenbach bei Mimi von Schleinitz zum Essen geladen, und Lenbach drückte gegenüber Anna den Wunsch aus, Helmholtz zu malen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits Franz Liszt und Richard und Cosima Wagner porträtiert. »Lenbach ist übrigens bei gekrönten Häuptern Mode«, schrieb Anna ihrem Vater. »Ausser Kaiser Wilhelm muss er noch seinen Schwanenkönig, wie er die Bayerische Majestät nennt und alsdann den Kaiser von Österreich und den Kronprinzen Rudolph in Wien malen.« Erst im September 1876 willigte Helmholtz ein, in Lenbachs Münchener Atelier Modell zu sitzen. Dennoch ärgerte er sich über die vertane Zeit. Während er malte, soll Lenbach ihn über die neuesten Entdeckungen auf dem Gebiet der Elektrizität befragt haben. Cosima Wagner zeigte sich sehr beeindruckt von dem fertigen Gemälde und schrieb an Nietzsche: »Das Portrait von Helmholtz ist das schönste, was er gemacht hat, vielleicht die Verklärung der Schlichtheit.«30 (Siehe Abb. 19.1.) Im Juli 1880 ließ sich Helmholtz erneut malen, dieses Mal von Knaus. Fast drei Stunden habe er Modell gesessen, beklagte er sich bei Anna. Das ebenfalls von Knaus angefertigte Porträt Mommsens werde ein interessantes Gegenstück zu seinem sein, mutmaßte er, und wusste im Übrigen noch nicht so recht, was er von seinem eigenen Porträt halten sollte (siehe Abb. 19.2). Das Gemälde, dem es an Wärme fehlen mag, zeigt Helmholtz als großen Wissenschaftler mit mehreren symbolträchtigen Forschungsinstrumenten, die das Thema Wahrnehmung nicht nur als wissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand, sondern auch in der Beziehung zwischen Dargestelltem und Betrachter ins Bewusstsein rufen. Alles auf dem Bild drückt Präzision, Genauigkeit und Allgemeingültigkeit aus. Die von Knaus geschaffenen Porträts von Helmholtz und Mommsen wurden 1885 und 1893 zu den Weltausstellungen nach Antwerpen und Chicago geschickt. Sie sollten die kulturelle Vorreiterrolle Deutschlands verdeutlichen.31
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Natürlich wurde im Helmholtz’schen Salon regelmäßig musiziert: Musik war ja für Hermann und Anna elementar. Mitunter kam es zu erstklassigen Darbietungen. »Unvergeßlich ist mir der Abend«, schrieb Planck, »als ich zum erstenmal Joseph Joachim die von ihm bearbeiteten, damals neu erschienenen Ungarischen Tänze von Brahms spielen hörte, oder auch, als Marianne Brandt mit dem Baritonisten Oberhauler Wotans Abschied aus der Walküre vortrug, natürlich bei einer anderen Gelegenheit.« Helmholtz selbst, so Planck, habe ein paar Lieblingsstücke, die von so verschiedenen Komponisten wie Brahms und Wagner stammten. Vor allem bewunderte der Jüngere, dass Helmholtz in der Musik wie in der Wissenschaft »allem Dogmatischen abhold war und das Schöne und Echte anerkannte, wo er es antraf«. Richard Wachsmuth, einer von Helmholtz’ späteren Assistenten, war ähnlich beeindruckt von der Salonmusik: »Unvergesslich sind die Stunden, wo die Räume erfüllt waren von dem süssen Wohlklang der Amati und Stradivari und der auserlesene Flügel ertönte, den Steinway dem Begründer der Lehre von den Tonempfindungen als Zeichen seiner Bewunderung dargebracht hatte.«32 Bei den Abenden waren auch Größen aus der Finanz- und Geschäftswelt anwesend: Adolf von Hansemann, der Direktor der Disconto-Gesellschaft; Robert von Mendelssohn und Ernst von Mendelssohn-Bartholdy (der Neffe des Komponisten) vom Bankhaus Mendelssohn & Co.; der Bankier Adolph von Rath und mehrere Mitglieder der Familie Siemens. Daneben lud Anna gezielt Gäste ein, die ihren eigenen Einsatz für eine verbesserte Ausbildung von Krankenpflegerinnen unterstützten oder anderweitig sozial engagiert waren. Die Verbindungen zwischen ihren Gästen gingen manchmal über die Generationen hinweg. So gehörten etwa Hermann von Schelling, der jüngste Sohn des idealistischen Philosophen, und Prinz Max von Baden, der 1918 der letzte Reichskanzler des Deutschen Kaiserreichs werden sollte, zu den Salonteilnehmern. Einer war allerdings nie unter den Gästen: Bismarck. Anna und Hermann lernten ihn nicht einmal kennen, obwohl Anna sehr beeindruckt von den veröffentlichten Briefen Bismarcks war, die sie Hermann zum Lesen empfahl. Arthur von Brauer dagegen, einer der engsten Vertrauten des Kanzlers, genoss die Abende im Hause Helmholtz sehr. Anna und er knüpften Freundschaft, womit zumindest eine indirekte Verbindung zu Bismarck bestand. Nach Brauers Einschätzung hatte Anna nahezu ein Jahrzehnt gebraucht, um ihren Salon zu etablieren, mit der Zeit aber sei er zum besten Berliner Salon seit den Tagen von Henriette Hertz avanciert. Er fand die Treffen gerade deswegen so anregend, weil viele gebildete Persönlichkeiten und »die besten Leute der Hofgesellschaft« zusammenkamen: »Hier verkehrte alles, was in Berlin Bedeutung hatte«, lobte er. Dazu gehörten Mitglieder der Opposition wie der Liberale Mommsen und der Linksliberale Ludwig Bamberger, der für die Deutsche Freisinnige Partei im Reichstag saß. Das Ehepaar Helmholtz, Anna mehr noch als Hermann, war mit Bamberger gut befreundet. Dieser hatte seinen jüdischen Glau-
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ben aufgegeben, ohne zum Christentum überzutreten. Bamberger war ein führender liberaler Politiker, der Bismarck äußerst kritisch gegenüberstand. Arthur von Brauer schätzte Annas Salon auch deswegen, weil die Treffen ihm Gelegenheit gaben, mit politischen Gegnern wie Bamberger ins Gespräch zu kommen. In Helmholtz sah Brauer einen Mann »von rührender Bescheidenheit und Einfachheit. Wenn man ihn auf seine Erfindungen und Entdeckungen brachte, sprach er davon in einer Weise, als ob er hierwegen um Entschuldigung bitten müßte. Stolz war er nur darauf, daß er sich aus kleinen schwierigen Verhältnissen heraufgearbeitet hatte«. Brauer fand Helmholtz derart zurückhaltend und still, dass er vermutete, wenn jemand den Hausherrn nicht kenne, würde der ihm gar nicht auffallen. Helmholtz dagegen versicherte Brauer, dass er die Salonabende sehr genoss, denn sie ließen ihn seine Arbeit vergessen und waren ihm eine anregende Ablenkung.33 Offenbar waren die Salongäste und Freunde der Familie Helmholtz größtenteils liberal gesinnt – doch gab es unter ihnen auch Personen mit einer konservativen Haltung.
Wagner Das Ehepaar Helmholtz traf erstmals im Januar 1873 mit Richard und Cosima Wagner zusammen, und zwar im Hause des berühmten Dirigenten Karl Eckert. Die Wagners waren zu Besuch in Berlin, um Spenden für das geplante Festspielhaus in Bayreuth zu sammeln. In Mimi von Schleinitz’ Salon las Wagner aus seiner Götterdämmerung, vor einem Publikum aus Hof- und Adelsleuten, Ministern und Botschaftern, Reichen und Industriellen, Künstlern und Wissenschaftlern – und dem Ehepaar Helmholtz. Cosima berichtete Nietzsche über den Berlinbesuch und den Abend: »Im deutschen Reich habe ich grossen Enthusiasmus für das Buch von D. Strauss [Der alte und der neue Glaube] angetroffen, das auf Grund einiger Helmholtzschen Citate uns von Erlösung, Gebet, und Beethovenscher Musik befreit. Helmholtz selbst habe ich mit Freude kennen gelernt, er gehörte zu dem auserlesenem Publikum, das bei Frau v. Schleinitz der Vorlesung der Götterdämmerung beiwohnte.« Zwei Jahre später waren die Wagners erneut in Berlin, um Gelder für das Festspielhaus zusammenzubekommen. Anna und Hermann aßen mit ihnen bei Mimi von Schleinitz zu Abend, und eine Woche darauf besuchte Helmholtz die Generalprobe eines Wagnerstücks. Cosima schrieb in ihr Tagebuch: »Viele Freunde; und große Ergriffenheit (Pr. Helmholtz unter beständigen Tränen die göttlichen Dinge angehört).« Am letzten Abend, den die Wagners in Berlin verbrachten, gaben Anna und Hermann Helmholtz im Anschluss an eine Aufführung ein Fest für sie. Im März 1876 kehrte Wagner nach Berlin zurück, um nochmals für sein Bayreuther Projekt zu werben. Er sah die Premiere von Tristan und Isolde und besuchte Mimi von Schleinitz, Bismarck und Helmholtz.34 Die ersten Bayreuther Festspiele fanden im August 1876 statt und wurden mit Der Ring des Nibelungen eröffnet. Tausende Gäste strömten zu dem Ereignis, bis
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hinauf zu gekrönten Staatshäuptern: Der deutsche Kaiser Wilhelm I. und Kaiser Dom Pedro II. von Brasilien waren ebenso anwesend wie der bayerische König Ludwig II. und König Karl von Württemberg, weiter Großherzog Karl Alexander von Sachsen-Weimar, Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin und Großfürst Wladimir von Russland, nebst zahlreichen weiteren Fürsten und Fürstinnen. Die adligen Spitzen der Gesellschaft wie die von Schleinitz, von Dönhoff, von Keudell und von Radowitz reisten nach Bayreuth, desgleichen ihre österreichischen Standesgenossen – und drei deutsche Parlamentarier (darunter kein Sozialist und kein Zentrumspolitiker). Auch Größen aus der Musik- und Kunstwelt kamen: Franz Liszt, Anton Bruckner, Edvard Grieg, Peter Tschaikowsky, Camille Saint-Saëns, Gottfried Semper und die Maler Hans Makart, Franz von Lenbach und Anton von Werner, dazu viele Orchester- und Theaterleiter, Schauspielerinnen und Schauspieler. Die Direktoren und Dirigenten sämtlicher deutscher Opernhäuser waren anwesend, daneben Musikkritiker wie Eduard Hanslick, Ernst Dohm und Ludwig Pietsch. Es war extrem heiß, überfüllt und anstrengend. Doch handelte es sich wahrscheinlich um das extravaganteste, meistbeachtete Kulturereignis des Jahrhunderts, ja um einen bedeutenden Moment der modernen Kulturgeschichte.35 Und Anna und Hermann Helmholtz gehörten dazu. Die Züge nach Bayreuth waren voller Reisender verschiedenster Couleur, selbst Besucher aus England hatten sich aufgemacht, wie Anna berichtete. Die meisten fanden nur schwer eine Unterkunft und kamen nicht einmal an eine Mahlzeit. Das Ehepaar Helmholtz dagegen wurde am Bahnhof von Eckert in Empfang genommen, dem Dirigenten vieler Wagnerwerke. Die beiden konnten außerhalb von Bayreuth auf seinem Landsitz nächtigen. Anna schrieb an ihre Kinder: Wir assen unter erschwerenden Umständen zu Mittag und eilten alsdann den Kaiser zu empfangen, fanden Frau von Schleinitz, Frau von Loe, Usedoms, den Grossherzog von Weimar und unterschiedliche Altenburger Herzöge versammelt, wurden begrüsst und es war, als wären wir in Berlin – alle guten Bekannten zusammen, alle Künstler, Menzel, Meyerheim, Mackart, Lenbach, kurz alle netten Menschen Europas zusammen. Dazu eine ungeheuere Volksmenge, sämtliche Behörden, Cordons gezogen von der Feuerwehr, wir hurrahten, knixten und begrüssten den Kaiser nach Kräften. Er sah brillant aus und freute sich über alle die bekannten Gesichter. In Bayreuth begegneten sie überall Freunden und Bekannten. Sie besuchten den Meister persönlich und verbrachten den Abend im Hause Wagner. Bei der Soiree trafen sie auch Liszt »und viele viele liebe und prächtige Leute«. Der Meister ging früh zu Bett, fand aber noch Zeit, Helmholtz im Scherz zu fragen, »ob dieser hier dirigiere«. Am Tag darauf waren die Helmholtzens in das Bayreuther Haus von
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Mimi von Schleinitz zum Tee eingeladen, wo sie mit Lenbach und Mitgliedern der Familie Rothschild zusammenkamen und sich »im Schatten der Cultur von den etwas böhmischen Zuständen« ausruhen konnten. Anschließend, so berichtete Anna, ging es nach einem Umkleidestopp »ins Rheingold, welches das Vorspiel ist zu den Nibelungen. Wir hatten sehr gute Plätze auf der Wagnerbank, zwischen Radowitz und dem grossen Architekten Semper, […] vor uns Lenbach und dann kamen alle schönen Damen, Liszt und so weiter«. Die Aufführung an diesem Abend dauerte zwei Stunden und wurde am folgenden Nachmittag fortgesetzt. Insgesamt forderte Der Ring sagenhafte fünfzehn Stunden, auf einen Vorabend und drei Tage verteilt. Aus Bayreuth schrieb Helmholtz dem Mathematiker Lipschitz, wie sehr ihn die beiden Teile des Rings beeindruckt hatten. Doch er äußerte auch Kritik: »Das viele Mythologische dazwischen ist merkwürdig geschickt behandelt, aber doch nicht eigentlich musikalisch lebendig, oder wenigstens nur theilweise so; wo sich aber Schopenhauerische Philosophie oder seine theoretischen Wunderlichkeiten einmischen, ist er [Wagner] auch oft genug öde und abstrus.«36 Womöglich fand Helmholtz die gelegentlichen persönlichen Begegnungen mit Wagner anregender als seine Musik. Nach 1876 gab es allerdings keine weiteren Treffen, bis Wagner 1881 nach Berlin kam, um den Ring zu dirigieren. An einem Abend dinierten die Wagners im Hause von Schleinitz, Anna und Hermann kamen später hinzu. Es heißt, Helmholtz habe sich dort »die augenscheinlichste Mühe« gegeben, sich gegenüber Wagner »als dessen Freund zu zeigen«. Eine Woche später, kurz vor Abreise der Wagners, ging Helmholtz den Komponisten noch einmal allein besuchen. Es war ihre letzte Zusammenkunft. Helmholtz schätzte Wagner, so viel ist sicher, und er schätzte vor allem, sich mit ihm über musikalische Ästhetik auszutauschen. Sein Gefallen an Wagners, aber auch Beethovens Musik offenbart eine romantische Ader, die bei Helmholtz sonst nur selten zutage tritt. Er selbst berichtete, als Student habe er vor allem Werke von Gluck bewundert und auch selbst eingeübt. In Gluck sah er Wagners »echten Vorläufer«. Obgleich ihn Wagners Musik bei einer Gelegenheit zu Tränen rührte, deutet nichts darauf hin, dass er Wagner als herausragende Figur der Musikgeschichte sah. In den Tonempfindungen beispielsweise wird Wagner nur einmal, und das in neutralem Ton, erwähnt. Laut einer Anekdote soll Helmholtz gewitzelt haben, nachdem man sich in Parzival oder Tristan »ausgeschwelgt« habe, falle einem die Differenzialrechnung gleich nochmal so leicht. Wagner mag so etwas wie Freundschaft gegenüber Helmholtz empfunden haben und ehrte ihn gar mit einem kleinen Gedicht: Grau wäre alle Theorie? Dagegen sag’ ich, Freund mit Stolz: uns wird zum Klang die Harmonie fügt sich zum Helm ein edles Holz.37
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Jedenfalls gingen die Meinungen der beiden in einigen Punkten auseinander. Als 1876 der Widerstand gegen die Vivisektion auch in Deutschland an Fahrt aufnahm, wurden du Bois-Reymond, Ludwig und praktisch alle experimentellen Physiologen in die Defensive gedrängt. Wagner sprach sich leidenschaftlich gegen Tierversuche aus, der Forschergeist Helmholtz war ein entschiedener Befürworter. Wagner engagierte sich in einem Antivivisektionskomitee, und Cosima beklagte sich bei Mimi von Schleinitz, Helmholtz’ Eintreten für die Vivisektion habe die Bemühungen ihres Mannes »paralysiert«: »Die Wissenschaft, das ist das große Wort, mit welchem die Teilnahme für diese Agitation ad acta gelegt wird. Er [Wagner] frug mich, ob Sie nicht imstande wären, den Einfluß der Helmholtzens zu neutralisieren.« Auch Wagners fanatischem Streben nach nationaler Erlösung und einer nationalen Mission konnte Helmholtz nichts abgewinnen, ganz zu schweigen von dessen rassistischem Messianismus, Antisemitismus und völkischer Gesinnung. Dennoch distanzierte er sich nicht von dem Autor der Schandschrift Das Judenthum in der Musik (1850). Anders als Wagner war Helmholtz kein politischer Reaktionär oder Romantiker, noch war er – wie einst Wagner – je Revolutionär, Sozialist oder Antikapitalist gewesen. Wo Wagner der Moderne mit germanischen Mythen und Sagen entgegentrat, wollte Helmholtz sie durch seine Wissenschaft voranbringen, indem er Forschungsthemen in eine breitere Öffentlichkeit trug und Musik und Malerei als zumindest teilweise wissenschaftlich analysierbar behandelte. Die Freundschaft mit Wagner endete mit dessen Tod im Februar 1883. Anna schrieb ihrer Schwester Ida: »Dass wir ganz niedergeschmettert sind vom Tode des grossen Mannes, kannst Du Dir denken.«38 Die Beziehung zwischen Helmholtz und Wagner war freundschaftlich, aber nicht wirklich beständig, während Anna wie viele andere ganz Cosimas Zauber erlag und noch lange nach Wagners Tod mit ihr befreundet blieb.39 Es liegt eine gewisse Ironie in dieser Vertrautheit, denn ganz anders als das bürgerliche Ehepaar Helmholtz lebten die Wagners in einer abenteuerlichen Alliance: Cosima, die uneheliche Tochter von Franz Liszt, wurde sehr jung mit dem Pianisten Hans von Bülow verheiratet, und Wagner, ebenfalls bereits verheiratet, wurde ihr Geliebter. Die beiden hatten drei uneheliche Kinder. Erst 1870, als Wagners Frau gestorben war und Cosima die Scheidung von Bülow erreichen konnte, heirateten die beiden. Ein solcher Lebensstil entsprach sicher nicht den Vorstellungen im Hause Helmholtz.
Lobbyarbeit zur Finanzierung der Stazione Zoologica Nach 1871 schloss sich Helmholtz den Bemühungen an, im italienischen Neapel eine zoologische Station zur Erforschung der Meeresfauna zu errichten. Die Idee dazu stammte von Anton Dohrn, einem deutschen Zoologen, der bei Carl Gegenbaur und Ernst Haeckel in Jena studiert hatte. Dohrn war finanziell unabhängig
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und in der deutschen Wissenschaftselite bestens vernetzt. In die Helmholtz’schen Berliner Kreise passte er perfekt. Seine Beschäftigung mit komparativer Physiologie und Embryologie hatte in ihm den Wunsch geweckt, ein Labor zu gründen, das sich diesen Themen widmen würde. Planung, Aufbau und Leitung dieser Forschungsstation wurden zu seinem Lebenswerk – und stellten einen bedeutenden Beitrag zur internationalen Forschung dar.40 Dohrns Pläne reiften im Jahre 1870, kurz nachdem er Helmholtz bei der Naturforscherversammlung in Innsbruck zum ersten Mal begegnet war. Die größte Herausforderung war die Finanzierung der Station. Zuerst konnte Dohrn seinen Vater überzeugen, in das Projekt zu investieren, und auch ein Teil der Mitgift seiner Frau floss hinein. Doch war ihm bewusst, dass noch viel größere Summen benötigt wurden, die wohl nur von staatlicher Seite kommen konnten. Seine Bemühungen in diese Richtung fielen auf einen günstigen Moment, denn Berlin war derzeit an der Realisierung neuer Prestigeobjekte gelegen. Nach der deutschen Reichsgründung war man bestrebt, die eigene kulturelle Präsenz im Ausland auszubauen. Auch Italien war eben in einem Staat vereinigt worden, und nach 1871 galt Deutschland dort in Politik und Wissenschaft als Vorbild. Ein deutsch-italienisches Forschungsprojekt erschien daher durchaus sinnvoll.41 Im August reiste Dohrn nach Berlin und traf Helmholtz, um ihm seine Pläne und die angedachte Finanzierung vorzustellen. Er bat ihn – ebenso wie du Bois-Reymond, Haeckel, Darwin, Huxley und andere – um ein Empfehlungsschreiben für seine zoologische Station. Helmholtz bestätigte darin, das Vorhaben sei »von großem Werth und Intereße für die Wissenschaft«. Auf die logistischen Schwierigkeiten hinweisend, mit denen Zoologen und Botaniker allerorten zu kämpfen hatten, stellte er fest: »so blieben auch nothwendig die Beobachtungen an den merkwürdigen Formen und Zuständen der Meeresfauna sehr lückenhaft«. In einer Zeit, da Darwins Theorien viele Wissenschaftler beschäftigten – On the Origins of Species war 1859, The Descent of Man im Februar 1871 erschienen –, schrieb Helmholtz als früher und enthusiastischer Unterstützer der Darwin’schen Ansichten: »Gerade die Verwandlungen der verschiedenen Formen in einander, die von so hohen Intereße für die ganze Entwickelung der lebenden Schöpfung geworden sind, sind nach dem bisherigen System der Beobachtung meist auffallend spät, und offenbar nur erst sehr unvollkommen gefunden worden. Hierfür scheint mir Ihr Plan ein dauerndes Observatorium herzustellen besonders viel zu versprechen, und bei der reichen Fauna gerade des Mittelmeeres möchte Neapel einer der günstigsten Orte dafür sein.« Jede Unterstützung für Dohrns Projekt, so versicherte Helmholtz, leiste »der Wissenschaft einen wirklichen und reellen Dienst«. Dohrn bat Helmholtz um Erlaubnis, seine Empfehlung zu veröffentlichen, und Helmholtz willigte anstandslos ein, fragte sich aber zugleich, ob es für Dohrn wirklich vorteilhaft sei, sich auf ihn zu berufen, stehe er doch »der Zoologie zu diletthantisch gegenüber«.42 Sicher-
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lich trugen auch seine vielen Italienbesuche und seine engen Verbindungen zu italienischen Wissenschaftlern dazu bei, dass Helmholtz sich für das deutsche Institut in Neapel einsetzte. Dohrn veröffentlichte also Helmholtz’ und weitere Unterstützungsschreiben und setzte sie erfolgreich zur Spendeneinwerbung ein. Weil seinem Projekt immer noch Geld fehlte, kam er auf eine neue Idee: Er würde die Forschungsplätze in seiner Station an Universitäten, sonstige Forschungseinrichtungen oder einzelne Wissenschaftler vermieten oder verkaufen. Im Oktober 1872 bat er du Bois-Reymond den preußischen Kultusminister Adalbert Falk und den Kanzleramtschef Rudolf von Delbrück in die Akademie der Wissenschaften, wo er ihnen sein Projekt in Anwesenheit von Helmholtz vorstellen wollte. Die zoologische Station in Neapel, so erläuterte Dohrn, werde das Deutsche Archäologische Institut in Rom ergänzen. Er sei sehr dankbar für die Unterstützung durch Helmholtz, du Bois-Reymond und Virchow und beteuerte: Wenn die Akademie nur aus diesen drei Mitgliedern bestünde, so hätte er das Forschungsschiff seiner Station nach ihnen benannt. (Stattdessen wurde Johannes Müller der Namenspate.) Die staatliche Akademie stellte in der Folge tatsächlich eine gewisse Summe zur Verfügung. Damit begann die Reichsregierung eine finanzielle und politische Unterstützung der Wissenschaft, obgleich die Verantwortung für Bildung und Forschung verfassungsgemäß den Ländern oblag. Mit der politischen Rückendeckung durch von Delbrück, Robert von Keudell (den deutschen Botschafter in Rom) und Falk sowie mit der wissenschaftlichen Schützenhilfe durch Helmholtz, du Bois-Reymond, Virchow und andere konnte die Stazione Zoologica 1872 ihre Tore öffnen.43 Aber Dohrn musste weiter in Berlin um Mittel ersuchen. Im Juni 1875 wandte er sich erneut an Helmholtz und bat ihn, beim Kronprinzen für sein Projekt zu werben. Er hoffte, Friedrich Wilhelm würde sich finanziell beteiligen – so wie es schon Darwin, die Royal Society und andere britische Wissenschaftler getan hatten – und einzelne deutsche Forscher würden es ihm nachtun. Helmholtz hielt sich in der Meereszoologie nicht für ausreichend bewandert, war aber bereit, mit du Bois-Reymond und Virchow über die allgemeine »wissenschaftliche Bedeutung« der Station zu sprechen. Er machte Dohrn keine großen Hoffnungen auf eine Finanzspritze seitens des Kronprinzen, da dessen Mittel recht begrenzt seien: »Er und die Cronprinzessinn thun viel für die Kunst, die allerdings bei uns noch mehr hat betteln gehen müßen, als die Wissenschaft, und für welche beide auch mehr originelles Interesse haben.« Später im selben Jahr betätigte sich Helmholtz erneut als wichtiger und letztlich entscheidender akademischer Unterstützer von Dohrns Station. Er gab Dohrn guten Rat für das Vorgehen beim Kronprinzen und erwirkte die Einwilligung der Akademie, ein Forschungsschiff für die Station zu finanzieren.44 Innerhalb eines Jahres nach ihrer Eröffnung wurde die Stazione Zoologica zur erstrangigen Forschungseinrichtung für Meereszoologie und Evolutionsbiologie. Getragen
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wurde sie zu großen Teilen von Deutschland, doch konnte sie durch den Verkauf von Präparaten und die Vermietung von Arbeitsplätzen auch eigenes Einkommen generieren. Sie war beeindruckend international in der Zusammensetzung ihrer Forscher und Unterstützer und brachte die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Meeresfauna entscheidend voran. Dohrn setzte seine Bemühungen fort und versuchte, langfristige finanzielle Sicherheit für sein Institut zu erreichen. Die konnte nur vom Reichstag kommen, und so reiste er Anfang 1879 nochmals nach Berlin und bemühte dort wiederum seine treuen Helfer Helmholtz, du Bois-Reymond, Virchow und Siemens. Die ersten drei richteten eine Petition an den Reichstag, in der sie erklärten, seit dem Aufschwung der beschreibenden Naturwissenschaften im 18. Jahrhundert und vor allem nach 1850 sei das Bestreben gewachsen, die Entwicklungs- und Transformationsprozesse von Organismen zu begreifen. Es gehe hier mithin um weit mehr als das Sammeln und Kategorisieren von Objekten. Die Zoologen benötigten Zugang zum Meer und eine angemessene räumliche und instrumentelle Ausstattung zur Untersuchung ihrer Fundstücke. Dank Dohrn, so die Unterzeichner der Petition, sei ein Institut ins Leben gerufen worden, das sich diesen neuen Aufgaben widme. Bis dato habe die Forschungsstation von verschiedenen Seiten finanzielle Unterstützung erhalten: von Privatleuten, der Akademie der Wissenschaften, verschiedenen Regierungen und mehreren britischen Institutionen. Die Station sei darauf ausgelegt, dass dort pro Jahr 25 Forscher tätig sein könnten, aber ihre Zahl gehe inzwischen auf die 30 zu – von denen zwei Drittel Deutsche seien. Um die Arbeit auf diesem Niveau fortzusetzen, werde dringend Geld benötigt. Andernfalls würden die Wissenschaft und Deutschlands Ruf Schaden nehmen, argumentierten die Unterzeichner. Daher ersuchten sie den Reichstag, er möge die Zukunft der Station sichern.45 Während seines Berlinaufenthalts traf Dohrn bei zwei Gelegenheiten mit Helmholtz zusammen. Er schätzte die Lage dieses Mal sehr optimistisch ein und schrieb seiner Frau über ein Abendessen bei den Kroneckers: »Ich habe hier immer eine Art Ehrenplatz, sass gestern wieder neben Helmholtz, gegenüber Mommsen etc. kurz ich steige sehr hoch in der Schätzung der Menschen.« Auch zu einem Empfang im Hause Helmholtz ging er: »Aus Klugheit will ich dabei nicht fehlen, besonders der Frau halber.« Während er seine Bemühungen um staatliche Hilfen fortsetzte, wurde Dohrn von der Berliner Gesellschaft hofiert. Er bat seine Frau, die von Helmholtz und anderen unterschriebene Petition ins Italienische übersetzen zu lassen, da er sie in der Rassegna veröffentlichen wollte. Auch eine englische Übersetzung für die Nature leitete er in die Wege.46 Im Frühjahr 1880 war die Förderung aber immer noch nicht gesichert und Dohrn unternahm eine weitere Berlinreise. »Auch hier in Berlin werden schliesslich nur die grossen Gelehrten meine aufrichtigen Freunde bleiben«, schrieb er, »die übrigen werden in den Neider-Chor eintreten. Aber Helmholtz, besonders Frau Helmholtz!,
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Dubois, Virchow, Siemens, ausserdem als persönlicher Freund Roth, die bleiben mir von Herzen geneigt, die übrigen würden mit dem grössten Entzücken sehen, dass ich endlich mal stürzte.« Dieses Mal konnte er der Akademie der Wissenschaften sowie Helmholtz, du Bois-Reymond und Virchow den ersten Band einer Studienreihe der Station zur Flora und Fauna des Mittelmeeres präsentieren.47 Während Dohrn auf die Bewilligung der Gelder wartete, ging die Rede, er könne in Berlin eine Professorenstelle angeboten bekommen und diese, wenn er wolle, mit der Leitung des Forschungsinstituts in Neapel vereinbaren. Dohrn bat du Bois-Reymond, diese Überlegungen öffentlich zu machen. Er hoffte zudem, auch die Italiener würden einen finanziellen Beitrag zu seinem Forschungsinstitut leisten, und schlug vor, Virchow möge sich in dieser Angelegenheit an den italienischen Bildungsminister Guido Baccelli wenden. Noch zweimal suchte Dohrn Helmholtz auf, um sich dessen Unterstützung für sein Projekt zu vergewissern. Immer wieder dachte er, eine Förderung sei nun in greifbarer Nähe – doch der neue Kultusminister Gustav von Gossler forderte noch mehr Engagement von Dohrn. Er ließ ihn die von Helmholtz und anderen verfasste Erklärung an »alle hervorragenden Männer Berlins« versenden und lud zu einer Versammlung im Reichstag. Bei dieser Gelegenheit, so planten es Dohrn und Gossler, sollten Helmholtz, Virchow und Siemens kurze, eindrückliche Reden halten »und darauf die Subscriptionslisten in Bewegung setzen«. Sogar der Kronprinz steuerte ein Unterstützerschreiben bei. Aber trotz der vielen Fürsprecher für das Meeresinstitut machte sich niemand Dohrns Sache wirklich zu eigen. Helmholtz, so schrieb Dohrn, sei »kühl u. seiner Natur nach zurückhaltend«.48 Erst fünf Jahre später sicherte der Reichstag der Stazione Zoologica endlich eine dauerhafte Förderung zu.
Pour le Mérite Kontakte zu höfischen und adligen Kreisen hatten die Helmholtzens schon in Baden gehabt. In Berlin dann häuften sich diese Gelegenheiten, und im Hause Helmholtz gingen zahlreiche hochkarätige Einladungen von liberal gesinnten Mitgliedern des preußischen Königshauses und Adels ein. Helmholtz gehörte zudem dem Montagsclub an, einem 1749 gegründeten Verein, der aus Staatsbeamten, Wissenschaftlern, Künstlern, Ärzten, Offizieren und anderen hochstehenden Personen bestand. Die Mitglieder trafen sich jeden Montagabend im Englischen Haus in der Mohrenstraße, speisten zusammen und hörten anschließend einen Vortrag über ein gelehrtes oder wissenschaftliches Thema.49 Sogar mit dem Berliner Herrscherhaus wurden Anna und Hermann gut bekannt. Kaiser Wilhelm I. und Kaiserin Augusta luden sie zu mehr oder weniger privaten Treffen ein. Wilhelm war der kommandierende General von Helmholtz’ ehemaligem Regiment, den Gardes du Corps, gewesen, das stellte ein Band zwischen den
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beiden Männern dar. Die Kaiserin war im Gegensatz zu ihrem Mann sehr kultiviert, liberal und anglophil und gegen Bismarck eingestellt. Annas jüngerer Bruder Ottmar, ein Berufsdiplomat und Staatsbeamter, arbeitete damals gerade sechs Monate lang als Augustas Kabinettssekretär. Die Kaiserin ließ Anna wissen, sie sei sehr zufrieden mit seiner Arbeit.50 Vor allem aber standen Anna und Hermann in der Gunst des preußischen Kronprinzenpaares Friedrich Wilhelm und Victoria (»Vicky« war die Erstgeborene von Königin Victoria von Großbritannien und Prinzgemahl Albert). Der Kronprinz begeisterte sich für die Wissenschaften und die Künste gleichermaßen, genoss aber auch seine militärischen Pflichten. Die Kronprinzessin war in Malerei und Musik bewandert, liebte die Künste im Allgemeinen und hatte auch sonst eine umfassende Bildung genossen. Das Paar lud bevorzugt Professoren in seine Residenz ein: Helmholtz, Lepsius, Mommsen, Zeller und Curtius samt Gattinnen waren regelmäßig zu Gast. Auch der Kunstsammler Wilhelm Graf von Pourtalès, die Schleinitzens und von Radziwills, Prinz von Hohenlohe-Langenburg, der britische Botschafter Lord Odo Russell mit Gattin und die Maler Menzel, Richter, Heinrich von Angeli und Anton von Werner waren oft und gern gesehen – und allesamt mit den Helmholtzens bekannt. Vicky, die Bismarck als ihren Erzfeind betrachtete, lag sehr an der Förderung von Künstlern und Wissenschaftlern. Der Sohn des Kronprinzenpaares, der zukünftige Kaiser Wilhelm II., erinnerte sich, Helmholtz (und Virchow) oft im Hause seiner Eltern angetroffen zu haben. Seine Mutter und Anna seien gut befreundet gewesen und hätten viel Zeit miteinander verbracht.51 Helmholtz war sogar noch mit einem weiteren Kaiser bekannt: Dom Pedro II. von Brasilien, der seit der Kindheit großes Interesse an Wissenschaft und Technik zeigte. Er war ein äußerst gebildeter Mann, ein Generalist, der die Entwicklungen auf vielen Wissensgebieten interessiert verfolgte. 1877 wurde er zum associé étranger der Pariser Académie des Sciences gewählt. Während der 1870er-Jahre unternahm er zwei Berlinreisen und stattete Helmholtz mindestens einmal einen Besuch ab, bevor er mit Bismarck zusammentraf.52 Sein Renommee als Wissenschaftler, sein Dienst an der Allgemeinheit, sein offenbarer Patriotismus und zweifellos auch seine gesellschaftlichen Kontakte führten dazu, dass Helmholtz am 17. August 1873 in den preußischen Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste berufen wurde. Die prestigereiche Auszeichnung wurde in ihrer zivilen Form 1842 von Friedrich Wilhelm IV. gestiftet, um herausragende Persönlichkeiten der Kunst, Literatur und Wissenschaft zu ehren. Die »Friedensklasse« des Ordens sollte die berühmte militärische Auszeichnung ergänzen, welche ein Jahrhundert zuvor von Friedrich dem Großen ins Leben gerufen worden war. Das ursprüngliche Statut sah vor, dass der Orden 30 deutsche und 26 nichtdeutsche Mitglieder haben sollte. Sein erster Kanzler war von 1842 bis 1859 Alexander von Humboldt. Zu den Trägern des zivilen Pour le Mérite gehör-
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ten im Laufe der Zeit: die Naturwissenschaftler Johannes Müller, Carl Friedrich Gauß, Friedrich Wilhelm Bessel, John Herschel und Michael Faraday, die Geisteswissenschaftler Jakob Grimm, Franz Leopold Ranke, George Bancroft und Theodor Mommsen, die Künstler Jean-Auguste-Dominique Ingres, Franz Liszt, Giacomo Meyerbeer, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Adolph von Menzel. Der Orden half dabei, den preußisch-deutschen Nationalismus zu festigen und das kulturelle und gesellschaftliche Ansehen deutscher Künstler, Wissenschaftler und Gelehrter (weibliche Mitglieder waren nicht zugelassen) in den Augen ihrer europäischen und amerikanischen Gegenüber zu stärken.53 Die Auszeichnung ehrte Helmholtz’ wissenschaftliche Leistungen, sie diente aber auch dazu, ihn noch enger an den Staat zu binden. Nichts hätte besser demonstrieren können, dass er vollends Angehöriger der kulturellen Elite geworden war.
20 Kulturkampf in der Wissenschaft I Kulturkampf Die 1860er- und 1870er-Jahre bildeten einen neuen Höhepunkt des europäischen Nationalismus. Bismarcks Triumph über die Liberalen und andere Befürworter konstitutioneller Regierungsformen in Kombination mit seinen zahlreichen Provokationen, die zum Krieg gegen Dänemark, Österreich und Frankreich führten, sorgte für eine übersteigert nationalistische Atmosphäre in Deutschland. Dem standen die nationalistischen und imperialistischen Kräfte der Erzrivalen Großbritannien und Frankreich gegenüber. Diese politischen (und kulturellen) Rivalitäten fanden ihre Entsprechung in der Welt der Wissenschaft: Wie in der Politik gab es auch in der deutschen, britischen und französischen Wissenschaftsgemeinschaft aggressiv nationalistische Ansichten und Tendenzen. Helmholtz und viele andere Wissenschaftler bemühten sich, eine Balance zu finden zwischen einer Sichtweise von Wissenschaft als universellem, internationalem Phänomen auf der einen Seite und als Angelegenheit des nationalen Stolzes auf der anderen. Berlin stand im Zentrum des Kulturkampfes, eines kulturellen und politischen Konflikts mit der katholischen Kirche, der bereits in den 1850er- und 1860er-Jahren schwelte, von 1871 bis 1878 das deutsche politische und kulturelle Leben weitgehend beherrschte und erst 1887 wirklich zu Ende war. Der Konflikt lag einerseits in der antimodernen Haltung der Kirche begründet – die sich besonders in Papst Pius’ IX. Syllabus errorum (1864) und dem Dogma von der päpstlichen Unfehlbar-
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keit (1870) manifestierte –, andererseits in Preußens Sieg über Österreich im Jahre 1866, der die süddeutschen Katholiken in immer stärkere Opposition gegen die preußische Hegemonie trieb. Bismarck stellte (etwas zynisch) die politische Loyalität der deutschen Katholiken infrage und unterstellte, dass sie mehr Rom und der Kirche als Berlin gelte. Das Entstehen der katholischen Deutschen Zentrumspartei und die Germanisierung der polnischen Katholiken im preußischen Osten festigten ältere Vorurteile gegen die Katholiken. Besonders um die Mitte der 1870er-Jahre setzte Bismarck sich an die Spitze seiner konservativen Mitstreiter wie auch seiner liberalen Gegner, indem er dem preußischen Landtag und dem deutschen Reichstag half, eine Reihe von antikatholischen Gesetzen und bürokratischen Vorschriften zu erlassen. Doch trotz des weit verbreiteten Antikatholizismus erwies sich der Kulturkampf für Bismarck und die Liberalen als Fehlschlag. Als er nach 1878 allmählich abflaute, wurde er sogar zu einer Bedrohung für die Konservativen und Liberalen selbst.1 Der Kulturkampf zwang Helmholtz in die Öffentlichkeit, wie er es nie zuvor erlebt oder erwartet hatte. Die Reden, Schriften und Aktivitäten einiger Freunde oder Kollegen (du Bois-Reymond, Virchow, Tait und Tyndall) sowie zweier Feinde (Zöllner und Eugen Dühring) bildeten den Hintergrund seiner eigenen, unfreiwilligen Verwicklung in den deutschen Kulturkampf und bestimmten deren Inhalt und Timing.
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Wissenschaft und Nationalismus: Reden von du Bois-Reymond und Virchow Im Oktober 1869 hielt du Bois-Reymond anlässlich des Antritts seines Rektorats eine Rede vor der Universität Berlin. Er sprach darin über das deutsche Universitätssystem, dessen entscheidendes, unübertroffenes Charakteristikum die Freiheit der Lehre sei: Der »deutsche Geist« selbst kenne in der Forschung weder intellektuelle Schranken, noch schrecke er vor Folgen des Denkens zurück. In der Einrichtung des Privatdozenten sah du Bois-Reymond geradezu den entscheidenden Mechanismus, durch den die deutsche Universität ihre Lehrkräfte fortwährend ergänze und erneuere. Einen Teil der akademischen Freiheit bilde auch die Freiheit der Studierenden, zu hören, was und bei welchem Dozenten sie wollten. Auch wenn das deutsche Universitätssystem gewiss noch vervollkommnet werden könne, hätten die Universitäten doch eine glorreiche Rolle in der deutschen Geschichte gespielt. Sie seien die Stätten gewesen, von denen aus im 16. Jahrhundert der deutsche Geist »das Brechen der Römischen Geistesknechtschaft« begonnen habe und Deutschland sich nach 1800 reformiert habe.2 Virchow war von den Wissenschaftlern in Bismarck-Deutschland der am stärksten politisch engagierte: Er war (1861) an der Gründung der Deutschen Freiheitspartei beteiligt, war langjähriges Mitglied des Preußischen Landtags, des Deutschen
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Reichstags und der Berliner Stadtverordnetenversammlung. Zahlreiche Treffen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte standen unter seiner Leitung. Er setzte sich immer wieder dafür ein, die Wissenschaft vor äußerer Einflussnahme zu schützen, betonte ihren Beitrag zur Vereinigung und Bildung des deutschen Volkes, ihren Einfluss auf die moralische Erziehung, ihren Anteil an der Gestaltung einer liberalen Gesellschaft, ihre Anwendungen in Industrie und Medizin und ganz allgemein ihre Bedeutung als Quell des Fortschritts.3 1871 sprach Virchow in Rostock vor der Naturforscherversammlung über Naturwissenschaften und das nationale Leben Deutschlands. Er erinnerte an die bisherige Bedeutung der Naturforscherversammlung für Deutschland und die Wissenschaft, wie er sie sah, und erläuterte seine Vision von der neuen Rolle der Naturwissenschaften im gerade entstehenden Deutschen Reich. Er hielt die deutschen und österreichischen Wissenschaftler für Vorreiter bei der Schaffung eines deutschlandweiten Einheitsgefühls, und zwar sowohl auf wissenschaftlichem als auch auf national-politischem Gebiet; die Naturforscherversammlung bringe naturgemäß Wissenschaftler zusammen und trage so zu einem einheitlicheren Reich bei. Seine Rede spiegelte seine Verbundenheit als Linksliberaler mit Bismarcks antikatholischer Politik wider. Er kritisierte scharf den Angriff der Kirche auf den Staat durch den Syllabus errorum und hielt den staatlichen Gegenangriff in Reaktion darauf für gerechtfertigt. Virchow zog eine scharfe Trennlinie zwischen den Auffassungen der Kirche und denen der Naturwissenschaften, wobei die Letzteren seiner Ansicht nach für intellektuellen und moralischen Fortschritt, individuelle und gesellschaftliche Entwicklung, materiellen Wohlstand, die Gelegenheit, sich von Irrtümern und Illusionen zu befreien, und die Chance auf nationale Einheit standen. Die Bedeutung der Wissenschaft lag für Virchow nicht nur in ihrem materiellen Nutzen, sondern auch in ihrem ideellen Wert als Fundament des nationalen Lebens.4 Im August 1872 trat wieder du Bois-Reymond ans Rednerpult, um, wie Virchow ein Jahr zuvor, zur Naturforscherversammlung zu sprechen. An der Leipziger Versammlung nahmen diesmal fast 1300 Naturforscher und Ärzte teil. Du Bois-Reymond sprach über die Grenzen des Naturerkennens. Seine Rede – vielleicht die intellektuell herausragendste seiner bemerkenswerten zweiten Karriere als wissenschaftlicher Redner – behandelte die beiden Themen, die seiner Überzeugung nach die Wissenschaftler niemals verstehen würden: das Wesen von Materie und Kraft und das menschliche Bewusstsein. Auch wenn die Wissenschaftler immer weiter empirische Daten über diese Erscheinungen sammelten, würden sie sie doch niemals erklären können. Vielmehr waren und blieben die Wissenschaftler diesbezüglich unwissend: »Ignoramus et Ignorabimus« (Wir wissen es nicht und werden es niemals wissen) lautete sein berühmter Ausspruch. Aus seinen erkenntnistheoretischen Zweifeln lässt sich ablesen, dass der alte Konflikt zwischen materialistischen und vitalistischen Ansichten eine neue Ebene erreicht hatte, auf der du Bois-Rey-
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mond, wie Helmholtz und im Gegensatz zu Haeckel, sinnlose philosophische Debatten vermeiden oder minimieren wollte. Die Rede galt sofort als eine seiner berühmtesten (und kontroversesten).5 Schließlich hielt auch Virchow im Januar 1873 eine ähnlich historisch zu nennende Ansprache, diesmal vor dem preußischen Landtag. Darin prägte er den Begriff Kulturkampf für die Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Kirche, welche die aktuelle Geschichte bestimmte. Er sprach sich dafür aus, Gesetze gegen die Kirche zu erlassen, hielt keinen Kompromiss mit den katholischen Bischöfen Deutschlands für möglich und war davon überzeugt, dass die Interessen der Kirche (einschließlich des Papstes und seiner vorgeblichen Unfehlbarkeit) denen des Reiches feindlich und entgegengesetzt seien. Kirche und Reich, so schrieb er, befänden sich »schon gegenwärtig im offenen Kriege«.6
Zöllners Attacke In dieser politisch aufgeladenen Atmosphäre sah sich Helmholtz zwei regelrechten Feinden – denn »Gegner« wär hier ein zu schwaches Wort – gegenüber. Es war kein Zufall, dass sie ihn zu einer Zeit herausforderten, als er als Wissenschaftler immer stärker glorifiziert wurde und zugleich eine starke nationalistische Stimmung von Deutschland Besitz ergriff. Einer dieser Feinde war Johann Karl Friedrich Zöllner, Professor in Leipzig und ein versierter, wenn auch unbedeutender Astrophysiker, der Helmholtz nicht mochte und ihm seine herzlichen Beziehungen zu britischen Wissenschaftlern und das, was er als mangelndes Nationalbewusstsein ansah, übel nahm. Der andere Widersacher war Eugen Dühring, ein Philosoph und Nationalökonom, der als Privatgelehrter an der Berliner Universität tätig war. Er sah sich selbst als Wissenschaftler, lässt sich jedoch treffender als demagogischer Redner und Autor beschreiben, als Aufwiegler und zukünftiger Anführer der eben aufkommenden rassistischen, antisemitischen Bewegung. Er war wild entschlossen, dem deutschen akademischen Establishment so viel Ärger wie möglich zu bereiten. 1872 wurde Helmholtz zum Gegenstand einer chauvinistischen Hetzschrift Zöllners in Buchlänge. Ironischerweise hatte Zöllner seine Karriere als eher folgsamer Student der Helmholtz’schen Schriften begonnen. Noch zehn Jahre zuvor hatte er Helmholtz angeschrieben und von seinem neuen Photometer berichtet. Er hatte ein Manuskript über die Augenbewegungen verfasst, und Helmholtz’ Arbeit hatte ihm für einen Teil des Phänomens die Erklärung geliefert, die er gesucht hatte. Stolz verkündete er, dass seine psychologische Theorie über optische Täuschungen Helmholtz’ »Anerkennung« gefunden habe. 1864 habilitierte er sich in Leipzig, wo er vier Jahre später außerordentlicher Professor für »physikalische Astronomie« wurde (d. h. Astrophysik, ein Begriff, den er offenbar 1865 prägte). 1872 wurde er dann zum ordentlichen Professor ernannt.7
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Genau zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte Zöllner Über die Natur der Cometen: Beiträge zur Geschichte und Theorie der Erkenntniss (1872), ein langes, mit der heißen Nadel gestricktes, schrulliges Buch, dessen Titel nicht hielt, was er versprach. Es ging weniger um Kometen und Erkenntnis, als es sich um einen polemischen Angriff voller deutsch-nationalistischer Rhetorik handelte, gepaart mit allgemeiner Feindseligkeit gegenüber den britischen Wissenschaftlern (vor allem Tyndall, Thomson und Tait) und dem treulosen Helmholtz, der angeblich mit ihnen kollaborierte und ihnen mit seinen Spekulationen über Kometen und die Entstehung des Lebens auf der Erde Vorschub geleistet hatte. Zöllner behauptete, dass ihn eine Rede, die Thomson und Tait bei einer Versammlung der BAAS im Jahr 1871 gehalten hatten, und die deutschsprachige Ausgabe ihres Handbuchs über theoretische Physik zu seiner eigenen Schrift angeregt hätten.8 Äußerst verärgert war er über Thomsons Behauptung, Stokes und Stewart hätten die Spektralanalyse vor Bunsen und Kirchhoff entdeckt. Entsprechend verteidigte er Kirchhoffs Priorität bei der Entdeckung seines Strahlungsgesetzes zur Absorption und Emission gegenüber Thomsons fadenscheinigen Versuchen, eine britische Urheberschaft zu behaupten. Des Weiteren attackierte er die deutsche Version von Thomsons und Taits Handbuch der theoretischen Physik, das Gustav Wertheim übersetzt hatte. Helmholtz hatte das Projekt begleitet und selbst die Einleitung übersetzt. Noch härtere Kritik übte Zöllner an der deutschen Übersetzung von Tyndalls Werk, die er als unpatriotisch hinstellte. Thomsons und Taits Kritik an Wilhelm Webers elektrodynamischen Hypothesen ließ er gleichfalls nicht gelten. Vielmehr sei Helmholtz’ Behauptung, Webers Theorie widerspreche dem Energieerhaltungssatz, selbst falsch, was er und (unabhängig davon) Carl Neumann gezeigt hätten.9 Zöllners Pamphlet war gespickt mit antienglischen Seitenhieben. (Generell schrieb er von Engländern und England, obwohl weder Thomson noch Tait Engländer waren, sondern beide in Schottland lebten und arbeiteten.) Er behauptete, die Quelle aller englischen Unzulänglichkeiten sei die allgemeine Überbewertung induktiver Verfahren, die der englischen Wissenschaft eigne. Die in England weit verbreitete Popularisierung von Wissenschaft habe die Dinge noch verschlimmert, da sie (wie er behauptete) nichts als Unwissenheit verbreite. Zöllner schrieb weiter: »Deutschland allein ist berufen der Träger und Schauplatz dieser Epoche zu werden, denn nur der germanische Geist birgt in seinen Tiefen jene Fülle deductiver Bedürfnisse und Fähigkeiten, welche zur erfolgreichen Bewältigung des durch die exacten Wissenschaften aufgespeicherten inductiven Materials erforderlich sind.«10 Zöllner kritisierte – was später ein typischer antimodernistischer Schachzug werden sollte – auch die nichteuklidische Geometrie und erwies sich zudem als Antisemit und Vivisektionsgegner. Seine größten erkenntnistheoretischen Differenzen mit Helmholtz betrafen jedoch die Frage der Begreifbarkeit der Natur und die Rolle der Sinneswahrnehmung. Indem Helmholtz sich so sehr darauf verlege, dass ein
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Kausalitätsgesetz existiere, um unbewusste Schlüsse zu ermöglichen, kopiere er im Grunde nur, was Schopenhauer bereits vor fast sechzig Jahren gesagt habe. Zöllner warf Helmholtz vor, Schopenhauer zu imitieren, wenn nicht sogar seine Ideen zu stehlen, unterstellte jedoch gleichzeitig, dass Helmholtz Schopenhauer nie auch nur gelesen habe. Er beklagte, dass Helmholtz nicht weniger als acht Seiten seines Handbuchs der Erklärung verschiedener optischer Illusionen auf Basis der Augenbewegungen gewidmet habe, der von Zöllner ebenfalls zur Erklärung derselben entwickelten Theorie der unbewussten Schlüsse jedoch nur drei Zeilen einräume. Und dabei sei es noch obendrein zu einem »gänzlichen Missverstehen meiner Theorie der unbewussten Verstandesoperationen« gekommen. Er bezog sich auf seine frühere Abhandlung, um nochmal hervorzuheben, dass Helmholtz’ Theorie über die Rolle der Augenbewegung jedenfalls vollkommen falsch war.11 Erste Reaktionen auf Zöllners Buch stellten sich rasch ein: Tait war begeistert, eben weil Zöllner über Tyndall, Thomson, Helmholtz und Hofmann »her fiel« und er sich auf den »prächtigen Krach« freute. Helmholtz gegenüber äußerte er: »Du bist noch übler malträtiert worden als Thomson & ich.« Er hielt es für sinnlos, Zöllner zu antworten, bestand aber darauf, dass seine und Thomsons wissenschaftliche Differenzen mit Weber in keiner Weise »unhöflich oder unverschämt« gewesen seien.12 Tyndall tat sich schwerer mit Zöllners Buch. Bis zu dessen Erscheinen habe er, wie er Helmholtz schrieb, Zöllner nur für einen »bescheidenen, hart arbeitenden Mann, der Gutes auf dem Gebiet der Photometrie und mit dem Spektroskop geleistet« habe, gehalten. Wenn er sich jetzt jedoch das Buch anschaue, »traue ich kaum meinen Augen, die Feindseligkeiten mir gegenüber waren so aggressiv und die Veranlassung dazu so unzulänglich. Von deutscher Seite hätte ich einen solchen Angriff nicht erwartet«. Weiter hielt Tyndall Zöllners Einwände gegen seine Bemühungen um die Popularisierung der Wissenschaft für irrelevant und schrieb an Helmholtz: »Sein Groll, so will ich meinen, ist für mich eine Bagatelle, wo du doch diese populären Bücher für würdig einer Veröffentlichung in Deutschland befunden hast.« Es war Tyndall vollkommen unverständlich, wie irgendjemand »von Sinn und Verstand« gegen Popularisierung sein konnte.13 Helmholtz war vollkommen auf Tyndalls Seite: »Zöllner’s Buch«, schrieb er an Tyndall, »hat auch uns in Deutschland in das äusserste Erstaunen gesetzt.« Man habe Zöllner erst für geisteskrank gehalten. »Indessen ist er vorläufig noch nicht so weit gekommen, dass man ihn hätte einsperren können in ein Irrenhaus. Im Gegentheil die Leipziger haben ihn noch erst nach der Veröffentlichung dieses Buches zum Professor Preliminarius gemacht, und er soll viele Freunde in Leipzig haben, die ihn bewundern.« Zudem gab es wohl »eine Art von Rivalität zwischen den kleineren Geistern der Universität Leipzig und Berlin, und man rechnet es ihm dort vielleicht als Verdienst an auf die Berliner losgeschlagen zu haben«. Dennoch hielt
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Helmholtz das Buch für »toll«. Der »giftige Neid« auf die Erfolge anderer spreche aus Zöllner, der mit seiner eigenen Arbeit nicht weiterkomme. Was seine Theorie über die Natur der Kometen anging, so befand Helmholtz sie für »zu unsinnig, als dass ein gesunder Mensch, der so viel Kenntnisse und Talent hat, wie Zöllner anfangs jedenfalls gehabt hat, sie hatte vorbringen können«. Zuerst wollte Helmholtz gar nicht auf Zöllners Schrift reagieren, denn »[m]an macht sich lächerlich, wenn man ihm geantwortet hätte«. Dann verfasste er doch eine Antwort auf die von Zöllner angeführten Äußerungen Neumanns zugunsten des Weber’schen Gesetzes der Elektrodynamik. Was Helmholtz an Zöllners Buch freilich am meisten störte, war »die Feindschaft des Metaphysikers gegen die Naturwissenschaft«. Allzu spürbar waren ihm »die alten naturwissenschaftlichen (die metaphysischen) Schwärmereien [die] noch in vielen deutschen Gemüthern verborgen liegen, und nur nicht gewagt haben laut zu werden«. Helmholtz schien es, als wenn Leute, die der Metaphysik nahestanden, Zöllner Glauben schenkten. Etwas pikiert bemerkte er weiter: »[I]ch selbst habe schon erfahren müssen, wie viel Neid auch gegen meine, wahrlich sehr mässigen äusseren Erfolge im Leben in manchen Herzen geschlummert hat.« Die Philosophen hielten Zöllner für eine »sachverständige Autorität für Naturwissenschaft, und sie benutzen dies gern, um ihrem gepressten Herzen Luft zu machen«. (Nietzsche mochte das Buch und sah in Zöllner einen Gleichgesinnten, der Deutschlands Akademiker angriff. Auch der neukantianische Philosoph Alois Riehl war ein Fan des Buchs, obwohl er seinen polemischen Stil und die Kritik an Helmholtz bedauerte.) Und dann gab es auch noch die deutschen Chauvinisten, die – wie Helmholtz es formulierte – im Deutsch-Französischen Krieg »nichts gethan und nichts gelitten haben« und die dann »eines schönen Morgens als die Sieger von Sedan aufgewacht sind, und sich nun vor Nationalstolz nicht zu lassen wissen. Für diese hat Zöllner sein Buch sehr geschickt zurecht gemacht«.14
Kein großer Auftritt in Leipzig Die absurden Vorwürfe Zöllners an Helmholtz’ Adresse erreichten diesen, als er gerade seinen Aufsatz zur Krafterhaltung zur erneuten Veröffentlichung überarbeitete. Lipschitz hatte ihn auf einen Fehler darin hingewiesen, wofür Helmholtz sich bei ihm bedankte und weiter schrieb: Ich brauche Ihnen wohl nicht zu versagen[?], wie ärgerlich es mir war, durch C. Neumann’s hochnäsige Unbesonnenheit und Zöllner’s Verrücktheiten zu einer nochmaligen Polemik gegen den alten W. Weber genöthigt zu sein, gegen den ich absichtlich in meiner ersten Arbeit möglichst wenig gesagt hatte in der Meinung, das Gesagte würde für jeden Sachverständigen genügen. Überhaupt muß ich gestehen, den Zweck, mich auf viele Wochen in meinem
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Gemüthe zu beunruhigen, hat Zöllner wirklich erreicht. Wenn man plötzlich eine solche Fülle von leidenschaftlichen Haß auf sich selbst losgelaßen sieht, und zwar von einem Manne, mit dem man vollkommen freundlich zu stehen glaubt, so wird man naturlich mißtrauisch gegen sich selbst, und grübelt, ob man wirklich gerechte Veranlaßung zu solchen Ausbrüchen gegeben habe. Die Differenzen zwischen Weber und Helmholtz waren ausschließlich inhaltlich-wissenschaftlicher Art und beeinträchtigten die begrenzte, aber herzliche und respektvolle persönliche Beziehung der beiden Männer nicht. 1873 teilte Weber Helmholtz beispielsweise brieflich mit, er freue sich auf die Eröffnung von Helmholtz’ neuem Institut und Labor, in dem er »ein Muster für alle« sah. Im selben Jahr stellte Helmholtz – teils auf Anraten Webers – Friedrich Neesen als seinen ersten Assistenten ein. Neesen hatte zuvor als Webers Assistent in Göttingen gearbeitet. Dann war es nochmal Helmholtz, der die Initiative ergriff und bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften anregte, sie möge doch dem auswärtigen Mitglied Weber zu seinem bevorstehenden Doktorjubiläum (1876) gratulieren.15 Zöllners Attacke auf Helmholtz war mehr als bloße nationalistische Rivalität, persönlicher Neid und (angebliche) Geistesgestörtheit. Er war zugleich Ausdruck einer politisch und kulturell feindseligen Beziehung zwischen Preußen und Sachsen (beziehungsweise Berlin und Leipzig), die schon lange bestand. Sie ging bis auf den Siebenjährigen Krieg und die Koalitionskriege zurück (als Sachsen sich auf Frankreichs Seite geschlagen hatte und schließlich im Wiener Kongress große Gebietsverluste an Preußen hinnehmen musste). 1866 besetzten preußische Truppen Sachsen (Österreichs Verbündeten), um die Eisenbahnlinien unter seine Kontrolle zu bringen und so seinen Truppen den Weg nach Böhmen zu eröffnen. Nachdem Sachsen zu den Verlierern des Kriegs gehörte, wurde es im Norddeutschen Bund Preußen unterstellt und war nicht mehr in der Lage, eigene Außenpolitik zu betreiben.16 Die beiden Länder waren zudem vom Charakter her sehr unterschiedlich. Das weitaus liberalere Sachsen war nach 1831 eine konstitutionelle Monarchie und lange schon die Heimat vieler Druckereien, Buchhändler und einer renommierten Buchmesse. Das Königreich versuchte, ein Gegengewicht zu Preußen zu bilden, indem es seine wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Stärken entwickelte. Dies führte zeitweilig zu einer allgemeinen Rivalität zwischen den Universitäten in Berlin und Leipzig, Spannungen bezüglich der Berufung von Professoren inbegriffen. Zöllners Vorwürfe spielten in diesen langjährigen innerdeutschen politischen Zwist hinein. Von seiner universitären Festung in Leipzig aus behauptete Zöllner: »Mit dem Begriffe eines ›einfachen Professors‹ verbindet mancher Berliner Gelehrte heutzutage die Vorstellung eines eleganten Mannes, der in einem glänzend eingerichteten Institute grosse Gesellschaften zu geben und populäre Vorlesungen
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vor Damen und Herren zu halten versteht.«17 Kaum ein deutscher Akademiker hätte in dieser Beschreibung nicht Helmholtz erkannt. Der Name Weber war eng mit Leipzig verbunden, alle drei Weber-Brüder stammten aus Sachsen. Ernst Heinrich Weber (1795 – 1878) hatte sein ganzes Berufsleben lang, bis 1871, als Professor für Physiologie und Anatomie in Leipzig gelehrt. Wilhelm Eduard Weber (1804 – 1891) war dort für eine Zeit des »Exils« von seinem sonstigen Wirkungsort Göttingen, zwischen 1843 und 1848, als Physikprofessor tätig. Der dritte im Bunde war Eduard Friedrich Weber (1806 – 1871), der als Privatgelehrter Physiologie in Leipzig unterrichtete. Obwohl Helmholtz mit allen dreien freundlichen Umgang pflegte, vertraten Wilhelm und er unterschiedliche Theorien in der Elektrodynamik, und möglicherweise bestand auch eine Rivalität mit den anderen beiden Brüdern in der Physiologie. Immerhin hatte Helmholtz in Leipzig auch einen Bewunderer, nämlich den neuen Philosophieprofessor Ludwig Strümpell. Auch mit Fechner, der dort bis zu seiner krankheitsbedingten vorzeitigen Emeritierung (1839) als Professor für Physik tätig gewesen war, verband ihn ein herzliches Verhältnis. Wie Helmholtz und Wundt war er eine bekannte Persönlichkeit, wenn nicht sogar ein Mitbegründer der experimentellen Psychologie. Seine manchmal mystisch angehauchten Ansichten ließen jedoch auch erkennen, dass er in wissenschaftlicher Hinsicht aus anderem Holz geschnitzt war als Helmholtz. Dennoch behandelten die beiden sich respektvoll, auch noch nach Zöllners beleidigendem Ausbruch, und Fechner beriet sich mit Helmholtz zum Beispiel über die Entstehung von Tönen und die Physiologie des Sprechens. Was Zöllner anging, war Fechner der Meinung, dessen photometrische Arbeiten seien ebenso wie sein Buch über Kometen nicht vorsichtig genug formuliert und nicht ausreichend faktenbasiert; er fürchtete, dass Zöllners Polemik in ihrem Ton und ihren Zielen den zukünftigen wissenschaftlichen Diskurs untergraben werde. Offenbar teilten auch andere in Leipzig Fechners Bedenken gegen Zöllners Buch. Zöllner wiederum ließ Fechner gegenüber die Äußerung fallen, Helmholtz verkehre hauptsächlich in Diplomaten- und reichen jüdischen Kreisen, nicht in wissenschaftlichen, und lebe über seine Verhältnisse.18 Vor allem aber lebte auch Helmholtz’ guter Freund Carl Ludwig in Leipzig. Im Juni 1872 lud dieser ihn ein, der für August anberaumten Naturforscherversammlung beizuwohnen und währenddessen sein Gast zu sein. Helmholtz war zögerlich, aber Ludwig versicherte ihm: »Wenn Du kämest so würdest Du Dich überzeugen wie unwahr alle Gerüchte von einer Rivalität sind welche zwischen Leipzig u. Berlin ausgebrochen sei. Du hast hier soviel Verehrer u. Freunde als es hier Menschen giebt die Dich kennen, und wenn die kleinen Leute sich von Berlin nach Leipzig u. umgekehrt über die Achsel ansehn, so lasse die bessern zeigen, dass wir nur die Eifersucht kennen welche das Herz bessert und die Kräfte reger macht.« Als Helmholtz schließlich zusagte, waren Ludwig und einige andere hocherfreut. Die Si-
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tuation mit Zöllner blieb jedoch schwierig. Nachdem Zöllner in seiner jüngsten Publikation Zitate aus privaten Briefen von du Bois-Reymond, dem Leipziger Physiker Berend Wilhelm Feddersen und dem Leipziger Chemiker Hermann Kolbe veröffentlicht hatte, änderte Ludwig, der eigentlich mit Zöllner befreundet gewesen war, seine Meinung von ihm und sah ihn nun als Polemiker, der sich »unedler Motive« bediene. Er distanzierte sich vollkommen von ihm, und Helmholtz entschied sich gegen die Teilnahme an der Leipziger Versammlung. Er schrieb Karl Thiersch, dem Leipziger Professor für Chirurgie und geschäftsführenden Direktor der Naturforscherversammlung, dass er dessen Anfrage, ob er in Leipzig einen öffentlichen Vortrag bei einer Plenarsitzung halten würde, abschlägig beantworten müsse. Seine derzeitige Arbeit sei nicht mit den Anforderungen eines solchen Vortrags vereinbar. Zwar würde er gerade angesichts der »Anfeindungen der Naturforscherversammlung gegenüber, welche von Leipzig ausgegangen sind«, sich »gern für einen Vortrag eingestellt haben, wenn ich ein Thema gefunden hätte, was ich für stichfest gegen übelwollende Kritik gehalten hätte, auf welche ich noch mehr als andre Redner in gewißen Kreisen der Leipziger Universität mich gefaßt machen muß«. Letztendlich entschied er sich doch dafür, nach Leipzig zu fahren, hielt seine Teilnahme aber unauffällig. Er beschränkte sich auf eine kurze Präsentation seiner jüngsten Ergebnisse zur galvanischen Polarisation von Platin und besuchte das Gewandhaus, wo er Felix Mendelssohns Ouvertüre Ein Sommernachtstraum hörte.19
Die Briten übersetzen Helmholtz hatte keinen Grund, sich dafür zu verteidigen, dass er an der Übersetzung mehrerer britischer Wissenschaftstitel ins Deutsche beteiligt war, sondern war sogar stolz darauf. Er ermöglichte und überwachte nicht nur die Übersetzungen, sondern fungierte – zumindest im Falle von Tyndall, Tait und Thomson – auch als der entscheidende Mittelsmann zum deutschen Verleger Friedrich Vieweg. Dessen großer Wissenschaftsverlag bediente hauptsächlich die Gebiete der Physik und Technik. Hier wurden Forscher wie Humboldt, Clausius, Wiedemann und Alfred Wegener verlegt.20 Auch mehrere Schriften von Helmholtz erschienen bei Vieweg, darunter seine Tonempfindungen (sechs Auflagen zwischen 1863 und 1913) und seine dreibändigen Populären wissenschaftlichen Vorträge (1865, 1871 und 1876), die ab 1884 in zwei Bänden als Vorträge und Reden erneut publiziert wurden (dritte Auflage, mit einer vierten Auflage 1896 und einer fünften Auflage 1903). Später brachte der Verlag Vieweg auch Koenigsbergers dreibändige Biographie Hermann von Helmholtz (1902/03) heraus, dazu eine einbändige gekürzte Volksausgabe. Vieweg und das Leipziger Verlagshaus Leopold Voß, das Helmholtz’ dreiteiliges Handbuch herausgab, und Johann Ambrosius Barth, der die drei Bände Wissenschaftliche Abhandlungen (1882, 1883 und 1895) veröffentlichte, waren Helmholtz’ wichtigste deutschsprachige Verleger.
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Dank Helmholtz’ Vermittlerbemühungen erschienen bei Vieweg auch die deutsche Übersetzung von Thomsons und Taits Handbuch der theoretischen Physik (zwei Teile, 1871 und 1874) sowie einige Bücher von Tyndall: Faraday und seine Entdeckungen (1870), Fragmente aus den Naturwissenschaften (zwei Bände und zwei Auflagen: 1874, übersetzt von Anna Helmholtz mit einem Vorwort von Hermann Helmholtz, und 1898/99, übersetzt von Anna von Helmholtz und Estelle du Bois-Reymond mit einem Vorwort von Hermann Helmholtz), Die Gletscher der Alpen (1898, übersetzt von Gustav Wiedemann), In den Alpen (zwei Auflagen, 1872 und 1899, übersetzt von Gustav Wiedemann), Das Licht (zwei Auflagen, 1876 und 1895, übersetzt von Gustav Wiedemann), Der Schall (drei Auflagen, 1869 bis 1897) und Die Wärme, betrachtet als eine Art der Bewegung (vier Auflagen zwischen 1867 und 1894, davon die dritte, erweiterte Auflage 1875 bearbeitet von Helmholtz und Wiedemann, mit einem Vorwort von Helmholtz). Im Hause Vieweg erschien auch die deutsche Übersetzung von Maxwells Theorie der Wärme (1878) und Rayleighs Die Theorie des Schalles (zwei Bände, 1879/80), beide übersetzt von Helmholtz’ Assistent Neesen.21 Kurz, Helmholtz tat viel, um britische Physiker in Deutschland publik zu machen und auch, über Tyndall, um die Wissenschaft in populären Darstellungen zu verbreiten. Popularisierung gelang ihm sogar in Großbritannien. 1873 rief Norman Lockyer, seines Zeichens Astronom und Gründungsherausgeber der Nature, eine Serie von kurzen, hagiographisch angehauchten Porträts mit dem Titel »Scientific Worthies« ins Leben. Das vierte dieser Porträts war Tyndall gewidmet, und sein Autor war Helmholtz. Lockyer hatte Helmholtz um eine Besprechung von Tyndalls Schriften und ein biographisches Porträt für die Nature gebeten, doch der hatte abgelehnt: »Ich möchte mich nicht vorsätzlich und aktiv in diese Diskussionen einmischen [d. h. zwischen Tyndall auf der einen und Thomson und Tait auf der anderen Seite]. Ich hatte viel freundschaftlichen Austausch mit Tyndall, Sir W. Thomson und auch mit Professor Tait. Ich muss sagen, ich habe das starke Gefühl, dass meine schottischen Freunde durch eine Art nationalen Neid getäuscht wurden, aber es ist nicht an mir, öffentlich aufzutreten und es [jemandem] ins Gesicht zu sagen, obwohl ich sehr oft Tyndall im privaten Gespräch gegen sie verteidigt habe.« Lockyer war auf Taits Seite, glaubte zumindest Tyndall. Helmholtz entschied sich letztendlich dazu, in der Nature einen Auszug aus seinem Vorwort zur deutschen Ausgabe von Tyndalls Fragments of Science zu veröffentlichen.22 Drei Jahre später verfasste Maxwell ein Porträt über Helmholtz. Lockyer schickte Helmholtz den Entwurf zur Durchsicht und bat um einige »persönliche Informationen«, wie er »gerne dargestellt sein würde«. Maxwell sei »begierig zu wissen, was ihn dazu gebracht« habe, Naturwissenschaften zu studieren, und Lockyer hoffte, er werde »nichts dagegen haben, mir dies mitzuteilen«. Lockyer ließ gerade ein ähnliches Porträt auch über Thomson verfassen, das im September 1876 erscheinen sollte, wenn Thomson als Präsident der Mathematisch-Physikalischen Sekti-
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on der BAAS eine prominente Figur bei der Jahrestagung in Glasgow sein würde. Lockyer bat Helmholtz daher um eine »Einschätzung« von Thomsons »Rang in der Wissenschaft«. »Ich lasse gerade eine Stellungnahme zu seiner Arbeit verfassen, aber Kritik von Nachbarn ist nicht das, was wir in unserer Reihe wollen.« Darauf antwortete Helmholtz: [Thomsons] besonderer Verdienst besteht meiner Meinung nach in seinem Umgang mit mathematischen Problemen der Physik. Mit großer Beharrlichkeit hat er sich darum bemüht, die mathematische Theorie von hypothetischen Annahmen zu säubern, die nicht reiner Ausdruck von Fakten waren. So hat er einen großen Beitrag dazu geleistet, die alte, unnatürliche Trennung zwischen experimenteller und mathematischer Physik aufzuheben, und letztere zu einem präzisen und reinen Ausdruck der Gesetze der Erscheinungen zu reduzieren. Er ist ein hervorragender Mathematiker, aber die Gabe, reale Fakten in mathematische Gleichungen zu übersetzen und umgekehrt, ist weitaus seltener, als die, die Lösung eines vorgegebenen mathematischen Problems zu finden. Das versteht Sir W. Th. geradezu ausgezeichnet und originell. Seine elektrischen Instrumente und Beobachtungsmethoden, durch die er unter anderem die elektrostatischen Phänomene so genau messbar machte wie magnetische oder galvanische Kräfte, zeigen eindrucksvoll, wie viel man durch einen tiefen Einblick in theoretische Fragen für praktische Zwecke gewinnen kann. Diese Einschätzung erschien in der Nature (7. September 1876) als Teil eines von Tait zusammengestellten biographischen Artikels. Was Helmholtz selbst anging, so stellte Maxwell ihn in seinem Porträt schmeichelhaft dar als »das glänzendste Beispiel nicht nur für umfassende wissenschaftliche Kenntnis, verbunden mit Gründlichkeit, sondern für eine Gründlichkeit, die von sich aus die Beherrschung vieler Wissenschaften verlangt und so jeder ihren Stempel aufdrückt«. Er war, so Maxwells Fazit, »ein intellektueller Gigant«. Hier gab es eine Kultur der gegenseitigen Bewunderung, die dazu beitrug, die britische Wissenschaftsgemeinschaft zu stärken und auch in Richtung Deutschland die Hand auszustrecken. Macmillan, der Verleger der Nature, bat um ein Foto von Helmholtz. Man war im Verlag »erpicht darauf, Ihren Kopf in eine Serie von Porträts bedeutender Wissenschaftler aufzunehmen, die wir von Zeit zu Zeit herausgeben«. (Sie hatten bereits die Köpfe von Faraday und Lyell.) Anna schickte ihnen das Gewünschte.23 1876 drängten Helmholtz’ beste britische Freunde und Kollegen ihn, sie wieder einmal zu besuchen. Wie schon erwähnt wollte Tyndall, dass er nach London kam, und desgleichen Richard Liebreich, ein deutscher Ophthalmologe, der dort lebte. Helmholtz lehnte aus gesundheitlichen Gründen ab. Er hoffte jedoch, im September
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nach London reisen und vielleicht auch am Treffen der BAAS in Glasgow teilnehmen zu können. Thomson schrieb aus New York City, wo er gerade angekommen war. Er absolvierte einen längeren Amerikabesuch, der auch Vorlesungen an der Johns Hopkins University beinhaltete. Er hatte gehört, dass Helmholtz nach Glasgow kommen wollte, und drängte ihn und Anna, ihn zu besuchen und die neue Mrs. Thomson kennenzulernen. »Wir werden noch einiges zu bereden haben, wenn du kommst.« Roscoe sprach eine ähnliche Einladung nach Manchester aus und Helmholtz deutete nun an, dass er im September tatsächlich nach England und Glasgow zu reisen beabsichtige. Er hatte zudem vor, mehrere Tage in London zu verbringen und sich die Ausstellung wissenschaftlicher Geräte im South Kensington Museum anzuschauen. Für diese Ausstellung war er als einer von 23 Berliner Delegierten aufgeführt (daneben gab es viele weitere aus anderen deutschen Städten), das Kronprinzenpaar hatte die deutsche Schirmherrschaft übernommen. Zwei von Helmholtz’ eigenen Instrumenten (ein elektromagnetisches Gerät und ein Pendel) würden dort ausgestellt werden. Familienprobleme machten Helmholtz jedoch einen Strich durch die Rechnung: Anna war besorgt über den Gesundheitszustand ihrer Tante Mary und auch Helmholtz selbst fühlte sich nicht gut. Am Ende fuhr er im Herbst nicht nach London, sondern saß stattdessen zum ersten Mal Lenbach Porträt. Anfang September war er in Pontresina, nicht in Glasgow. Er habe ja nach Großbritannien fahren wollen, erklärte er Soret, fürchte aber, dass die Menschenmengen in Glasgow, ähnlich wie jüngst bei seinem Besuch in Bayreuth erlebt, seiner Gesundheit nicht zuträglich wären – und entschied sich, stattdessen »ins Gebirge zu gehen«.24
Erster Streich: Über wissenschaftliche Methodik und Metaphysik Helmholtz plante einen doppelten Konterschlag gegen Zöllners Buch. Den ersten Streich bildete das Vorwort zum zweiten Teil der deutschsprachigen Übersetzung von Thomsons und Taits Treatise on Natural Philosophy, und hierin konzentrierte Helmholtz sich auf das, was er als die philosophischen Unzulänglichkeiten bei Zöllner und allgemein als die Unangemessenheit von Metaphysik in der Wissenschaft betrachtete. Der zweite Streich folgte als Vorwort zur deutschen Übersetzung von Tyndalls Fragments, und bei dieser Gelegenheit ging Helmholtz das Thema der Popularisierung der Wissenschaft an. Es war natürlich kein Zufall, dass er ausgerechnet die deutschen Übersetzungen dieser britischen Titel für eine Reaktion auf Zöllner nutzte.25 Thomson und Tait hatten sechs Jahre gemeinsam an ihrem Treatise gearbeitet, bevor der erste Band 1867 erschien. Seit 1866 korrespondierten Helmholtz und Thomson über den Fortschritt des Werks. Bei Helmholtz’ letztem Aufenthalt in Glasgow hatte Thomson ihm den redigierten Teil des ersten Bandes gezeigt, und da
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Helmholtz selbst ein Jahrzehnt lang am dritten Teil seines Handbuchs und den Tonempfindungen gesessen hatte, brachte er dem langsamen Arbeitstempo von Thomson und Tait besonderes Verständnis entgegen. Er motivierte Thomson, indem er ihm schrieb, für ein solches Buch über mathematische Physik gebe es »ein dringendes Bedürfniß«. 1871 erschien unter Helmholtz’ Federführung und mit einem kurzen Vorwort von ihm eine deutsche Übersetzung des ersten Teils des ersten Bandes. Im Frühjahr 1873 sponserte und betreute Helmholtz die deutschsprachige Übersetzung des zweiten Teils der Treatise, im Herbst arbeitete er an der Vorrede dafür.26 Sein Thema lautete »Induction und Deduction«, und die Vorrede war nicht nur zur Selbstverteidigung gedacht, sondern sollte Zöllner und anderen eine Lektion in einem grundlegenden Problem der Wissenschaftsphilosophie erteilen. Helmholtz sprach von Zöllners Angriff auf die britischen Kollegen als von einer »mehr als lebhaften Kritik«. Er selbst entschied sich für den rechten Weg und vermied persönliche Bemerkungen: »Auf eine Kritik wissenschaftlicher Sätze und Principien zu erwidern, habe ich der Regel nach nur dann für nöthig gehalten, wenn neue Thatsachen beizubringen oder Missverständnisse aufzuklären waren, in der Erwartung, dass, wenn alle Data gegeben sind, die wissenschaftlichen Fachgenossen schliesslich sich ihr Urtheil zu bilden wissen auch ohne die weitläufigen Auseinandersetzungen oder sophistischen Künste der streitenden Gegner.« Nun richtete sich aber Thomsons und Taits Handbuch nicht ausschließlich an ein Fachpublikum, wie Helmholtz betonte, sondern auch an Lernende. Daher fühlte er sich verpflichtet, im Vorwort auf Zöllner zu reagieren, damit nicht etwa ein Student über die richtige Art und Weise, wissenschaftliche Kritik zu äußern, irregeführt werde.27 Helmholtz war der Meinung, dass ein wesentliches Merkmal von Thomsons Physik in seinem Versuch bestand, »die Naturwissenschaften von allen metaphysischen Erschleichungen und von allen willkürlichen Hypothesen zu reinigen«. Thomson ziele darauf ab, sie »zum reinen und treuen Ausdruck der Gesetze der Thatsachen zu machen«. Dies war für Helmholtz einer der Gründe, weshalb Thomson zu den führenden Wissenschaftlern zähle, und »ein Hauptverdienst des vorliegenden Buches«. Zöllner dagegen sehe genau diese Abwesenheit von metaphysischem Denken in dem Buch als »seinen fundamentalen Mangel«. Helmholtz versuchte nun, die Debatte begrifflich auf eine andere Ebene zu heben: Thomson stelle die induktive Methode in den Vordergrund, während Zöllner die deduktive betone. Zöllners Buch verkörpere die Metaphysik Schopenhauers: »Die Gestirne sollen sich einander lieben und hassen, Lust und Unlust empfinden und sich so zu bewegen streben, wie es diesen Empfindungen entspricht.« Helmholtz’ Aussage war eindeutig: So konnte man keine Wissenschaft betreiben. Zöllner versuche, wissenschaftliche Meinungsverschiedenheiten auf alle »möglichen persönlichen Schwächen der Gegner« herunterzubrechen. Das entsprach laut Helmholtz »ganz der intoleranten Weise, in der Anhänger von metaphysischen Glaubensartikeln ihre
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Gegner zu behandeln pflegen, um sich und der Welt die Schwäche ihres eigenen Standpunktes zu verhüllen«. Wie Helmholtz an Tyndall schrieb: »In den gebildeten Klassen Deutschlands interessiert man sich wenig für naturwissenschaftliche Grundsätze, dafür gibt es eine heimliche Neigung zur Metaphysik, und Schopenhauer hat viele Anhänger. Sie schämen sich zwar meist, ihre metaphysischen Hoffnungen [öffentlich] zu bekennen, sind aber erfreut, wenn sie einen Fürsprecher finden, der mit einem gewissen Anschein von Sachkenntnis geschickt über die für sie so unbequemen führenden Männer der Naturwissenschaft herzieht.« Tyndall war dankbar für Helmholtz’ Unterstützung, besonders hinsichtlich dieses »schottischen Irrsinns. Ich scheute davor zurück, dir gegenüber William Thomsons Namen in Verbindung mit diesem Thema zu erwähnen, da ich um deine enge Freundschaft mit ihm weiß. Er ist zwar ein brillanter Geist, ihm fehlt jedoch die Charakterstärke, die Tait besitzt, grob und ungehobelt zwar, aber dennoch stark. Thomson ist also der Gnade von Tait ausgeliefert«.28 Helmholtz kritisierte Zöllner auch dafür, den Nationalismus in eine wissenschaftliche Debatte zu tragen. Thomson und Tait hatten, wie Helmholtz weiter schrieb, gefordert, dass Hypothesen sich eng an beobachtbaren Tatsachen orientieren sollten. Als Beispiel für eine Hypothese, die genau dies in ihren Augen nicht tat, nannten sie Webers Gesetz der elektrischen Fernwirkung, welches Ähnlichkeiten mit Newtons Emissionstheorie des Lichts aufweise. An dieser Behauptung sei nun aber rein gar nichts Antideutsches, so Helmholtz. Vielmehr solle jeder Wissenschaftler und jede wissenschaftliche Idee offen für Kritik sein. Ganz egal, wie weit verbreitet eine wissenschaftliche Hypothese sein möge, solle jeder, der sie für falsch halte, dies nicht nur sagen, sondern auch seine Gründe dafür erklären. Zöllners Text hingegen weise Züge einer Schmähschrift auf und trage nicht dazu bei, irgendein Problem zu lösen – ganz im Gegenteil.29 Jetzt kam Helmholtz auf Zöllners Verwendung der deduktiven Methode zu sprechen. Deduktion hielt er in der Wissenschaft für vollkommen gerechtfertigt, wenn sie angewendet werde, um Hypothesen zu überprüfen und auf diese Weise neue Tatsachen ans Licht zu bringen. Tatsachen und Gesetze standen für Helmholtz in ständiger Interaktion miteinander. Deshalb dürfe auch die Nutzung der induktiven Methode keinesfalls den Vorwurf der »Impietät« nach sich ziehen, »selbst wenn die Ergebnisse der Untersuchung sich als unbequem für den Icarusflug der Speculation herausstellen sollten«. Zöllner hatte Thomson und Tait »grobe Denkfehler, absoluten Nonsens u. s. w.« unterstellt. Dabei war es Helmholtz zufolge genau das, was Zöllner selbst betrieb.30 Auf einen Kritikpunkt an Thomson ging Helmholtz noch näher ein: die Hypothese, dass organische Keime in den Meteorsteinen vorkommen könnten, die vermittels dieser »den kühl gewordenen Weltkörpern zugeführt« würden. Diese Möglichkeit hatte Thomson 1871 in seiner Eröffnungsrede vor der BAAS in Edinburgh
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vorgeschlagen, wie es ähnlich auch Helmholtz im Frühling desselben Jahres getan hatte. Helmholtz gab zu, dass es sich hierbei um bloße Spekulation handelte, eine reine Möglichkeit, weshalb er es niemandem zum Vorwurf mache, die Idee abzulehnen. Dennoch bestand er darauf, dass diese Art Spekulationen als wissenschaftliches Verfahren ihre Daseinsberechtigung habe, wenn es keine Alternative dazu gebe. Da Organismen sich aus lebloser Substanz nicht zufriedenstellend erklären ließen, müsse man sich fragen, ob Leben an sich vielleicht nie wirklich entstanden sei, sondern selbst so alt sei wie die Materie, »und ob nicht seine Keime von einem Weltkörper zum anderen herübergetragen sich überall entwickelt hätten, wo sie günstigen Boden gefunden«. Unabhängig davon hielt er wenig von Zöllners eigener physikalischer Erklärung.31 Helmholtz schickte Tyndall eine Kopie seiner Replik auf Zöllner, die Tyndall für »stark und würdevoll« hielt. Ihm gefiel auch, wie Helmholtz Thomson (bezüglich der Übertragung von Keimen) und Kirchhoff verteidigt hatte. Bald schon wurde Helmholtz’ Vorrede ins Englische übersetzt und erschien in der Nature.32 Sie war sowohl ein Zeugnis dafür, dass der Nationalismus innerhalb der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft seine Grenzen hatte, als auch ein Ausdruck der persönlichen Netzwerke, welche die Briten und Helmholtz miteinander verbanden.
Zweiter Streich: Über die Popularisierung der Wissenschaft Im Frühling 1873 begleitete Helmholtz die Übersetzung von Tyndalls Fragments. Er teilte Vieweg mit, dass er ein starkes Vorwort als Antwort auf Zöllners Attacke plane.33 Insgeheim gestand er ein, dass Thomson und Tait teilweise für die Kontroverse verantwortlich waren, und schrieb an Tyndall: Ich muss leider sagen, dass unsere schottischen Freunde voller Nationalstolz sind. Die Geschichte mit [dem schottischen Physiker und Glaziologen] Forbes ist wirklich eine unschöne Angelegenheit, und ich weiß nicht, was man gegen ihre Darstellung erwidern wird. Weil sie in Schottland zum ersten Mal von Forbes über Gletscher gehört haben, glauben sie, dass es dem Rest der Welt genauso geht. Tait ist vollkommen voreingenommen in dieser wissenschaftlichen Boxerei und leider lässt sich Sir W. Thomson nur allzu bereitwillig an der Nase herumführen. Die Gewichtung [der Briten] von Stokes gegenüber Kirchhoff bezüglich der Entdeckung der Spektralanalyse ist äußerst ungerecht und wird bei uns sehr schlecht aufgenommen. Zöllner hat dies ausgenutzt und für sich das Beste dabei herausgeholt. Viele, die die ganze Sache für [einfach] verrückt erklären, sagen auch, dass ein oder zwei Punkte darin durchaus vernünftig sein mögen, und verweisen dann wieder auf diese Geschichte.34
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Auch Tyndall selbst konnte ein ziemlicher Polemiker sein. Als Präsident der BAAS hielt er im August 1874 seine schon bald berühmt-berüchtigte Belfast Address. Die Ansprache war zum Teil eine Abrechnung mit dem wissenschaftlichen Materialismus – viele hielten die Rede für pro-atheistisch –, zum Teil eine weitere Schlacht im andauernden Kampf zwischen Wissenschaft und Religion, und zum Teil eine Verteidigung der Freiheit der Wissenschaft selbst und ihrer Unabhängigkeit von der Religion. Dieser Kampf für die Freiheit der Wissenschaft wurde in den 1870er-Jahren sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien und Amerika geführt. Tyndall vergaß entsprechend auch nicht, Helmholtz, Huxley und du Bois-Reymond zu erwähnen, deren Schriften er für ihre Klarheit und für »die Breite ihrer literarischen Kultur« lobte. Außerdem verkündete er, das Prinzip der Energieerhaltung sei »von noch größerer Tragweite und radikalerer Bedeutung« als selbst Darwins Theorie von der Entstehung der Arten. Er hielt es für gleichermaßen anwendbar auf organische wie anorganische Phänomene.35 Derweil stellte Anna Helmholtz ihre Übersetzung von Tyndalls Fragments fertig. Für diese von ihr selbst als sehr schwierig bezeichnete Arbeit hatte sie gut zwei Jahre benötigt. Ihr Mann hatte die Übersetzung auf wissenschaftliche Stichhaltigkeit und Genauigkeit überprüft. Als sie die Übersetzung im Frühling 1874 abschloss, schrieb er sein Vorwort dazu, stieß jedoch bald auf ein Problem. Zöllner hatte »leider« recht mit einem seiner Argumente gegen Tyndalls Kometentheorie. Hinzu kamen zwei weitere Schwierigkeiten: Vieweg hatte »On Spirits« ursprünglich nicht in seine Sammlung von Tyndalls Aufsätzen aufgenommen, Helmholtz bestand jedoch nun darauf, da die Weglassung den Anschein erwecken würde, dass Zöllner recht hätte. Helmholtz stieß noch auf weitere kürzere Aufsätze, die Vieweg weggelassen hatte, einschließlich eines Beitrags über Mayer. Tyndall habe in England für Mayer, den Träger der Copley-Medaille 1871, »gekämpft, gegen die Versuche ihn herabzusetzen. Eben deshalb darf dieser Aufsatz auch nicht wegbleiben«. Dieses Vorwort, nicht jenes für Thomson und Tait, betrachtete Helmholtz als seine Hauptantwort auf Zöllner. Obwohl mit wissenschaftlichen und administrativen Tätigkeiten überlastet, hatte er sich diesem Projekt gewidmet, »weil ich die Verbreitung gelungener populärer Darstellungen der wichtigeren und durchgebildeteren Theile der Naturwissenschaft für ein nützliches Werke halte«.36 In seinem Vorwort entwickelte Helmholtz das Thema der Popularisierung von Wissenschaft. Wie in Großbritannien wachse auch in Deutschland in gebildeten Kreisen der Wunsch »nach naturwissenschaftlicher Belehrung«. Dieses Verlangen hielt Helmholtz für mehr als die Suche nach einer neuen Art von Unterhaltung oder bloße Neugierde, »sondern für ein wohlberechtigtes geistiges Bedürfnis«. Für die heutige Generation seien »Naturwissenschaften von dem allererheblichsten Einfluss auf die Gestaltung des gesellschaftlichen, industriellen und politischen Lebens der civilisirten Nationen geworden«. Es war nicht nur so, dass man die Kräfte
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der Natur mittlerweile hinreichend verstand, um sie für menschliche Zwecke nutzbar zu machen und das materielle Leben zum Besseren zu verändern – ein Punkt, den viele bereits zu schätzen wüssten. »Viel tiefer« greife der Einfluss der Wissenschaft »auf die Richtung des geistigen Fortschreitens der Menschheit.« Helmholtz gestand ein, dass durch die Naturwissenschaften »ein Zwiespalt in die Geistesbildung der modernen Menschheit« gekommen sei, doch werde ein solcher von jeder großen »geistigen Entwickelung hervorgerufen«.37 Weiter führte er aus: »Der bisherige Bildungsgang der civilisirten Nationen hat seinen Mittelpunkt im Studium der Sprache gehabt.« Die moderne europäische Kultur sei historisch mit den klassischen Sprachen und ihrer Literatur verbunden, und das Studium von Sprache sei wiederum stark verknüpft mit dem Studium der Denkformen. Doch diese Art Studium habe sich stets auf bekannte Wahrheiten bezogen, nicht darauf, wie man neue Wahrheiten fand. Die Logik lehrte, wie man aus Prämissen die richtigen Schlussfolgerungen zog, aber sie sagte nichts über die Quellen dieser Prämissen aus. Dafür benötigte man Helmholtz zufolge »Kenntniss der Einzelfälle«, welche dann »freilich auch als Folgerungen aus dem Gesetze aufgefasst werden können«. All diese führten uns jedoch nicht »an die eigentliche Quelle des Wissens, stellen uns nicht der Wirklichkeit gegenüber, von der wir zu wissen verlangen«. Es gebe tatsächlich »eine unverkennbare Gefahr«, dass eine Kombination von Bild und Wort zu Mythenbildung und metaphysischen Systemen führe.38 Helmholtz war also der Meinung, dass das Studium von Sprache, Literatur und der damit verbundenen Logik einen für die Ausformung und das Verständnis der menschlichen Kultur entscheidenden Punkt missen ließ: Es fehle an methodischer Schulung, wie man das ungeordnete, scheinbar irrationale Material der wirklichen Welt einem geordneten Begriffssystem unterwarf und es dadurch in Sprache ausdrückbar machte. Ein solches Beobachten und Experimentieren sei bisher fast ausschließlich in den Naturwissenschaften zu finden. Die Hoffnung, dass auch die »Sozialwissenschaften« – Helmholtz nannte hier die Psychologie von Individuen und Völkern, die Erziehungswissenschaften, die Soziologie und Politikwissenschaft – zu einem ähnlichen Ziel gelangen würden, sei bestenfalls etwas für »eine ferne Zukunft«.39 Die erfolgreiche naturwissenschaftliche Forschung zeige, dass es fruchtbringend sei, erst die Fakten zu ermitteln und dann daraus Gesetze zu entwickeln. Dies hätten in besonderem Maße diejenigen Wissenschaften bewiesen, die sich mit der anorganischen Natur beschäftigten. Und wenn erst einmal faktenbasierte Naturgesetze aufgestellt seien, könne man beginnen, daraus logische Konsequenzen abzuleiten. Dann wiederum lasse sich eine weitere Prüfung dieser Schlussfolgerungen an der empirischen Realität durchführen. Es gebe kaum ein anderes »menschliches Gedankengebäude«, das mit diesem naturwissenschaftlichen Prozess an »Folgerichtigkeit, Sicherheit, Genauigkeit und Fruchtbarkeit« mithalten könne. Helm-
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holtz befand daher, dass »die Naturwissenschaften ein neues und wesentliches Element der menschlichen Bildung von unzerstörbarer Bedeutung auch für alle weitere Entwickelung derselben in der Zukunft sind, und dass eine volle Bildung des einzelnen Menschen, wie der Nationen, nicht mehr ohne eine Vereinigung der bisherigen literarisch-logischen und der neuen naturwissenschaftlichen Richtung möglich sein wird«.40 Gebildete Menschen – auch Staatsmänner, Lehrer, moralische Vorbilder einer Gesellschaft, Historiker und so weiter – seien zumeist nicht in der Naturwissenschaft und ihren Methoden geschult worden. Dennoch obliege es ihnen, die Modernisierung des Bildungssystems voranzutreiben, und dafür bräuchten sie entsprechende Ermutigung. Jeder – und hier nannte Helmholtz explizit auch Frauen –, dem am Fortschritt der Wissenschaft und an deren Einfluss auf Bildung, Kultur und allgemeine intellektuelle Entwicklung gelegen sei, solle sich dafür einsetzen, »dass den gebildeten Classen Einsicht in die Art und die Erfolge der naturwissenschaftlichen Forschung gegeben wird«. Allein die beträchtliche vorliegende Menge an populärwissenschaftlichen Büchern und Vorträgen verdeutliche ja, dass Menschen, die über einen ordentlichen Bildungshintergrund in den Sprachen und der Literatur verfügten, durchaus daran interessiert seien, sich mehr naturwissenschaftliches Wissen anzueignen.41 Nach Helmholtz’ Einschätzung waren die streng wissenschaftlich geschulten Spezialisten mit ihrem häufigen Rückgriff auf abstrakte Begriffe und ihrem Hang zum Analytischen nicht gut auf die Bedürfnisse eines gebildeten Publikums vorbereitet, das ein allgemeines Verständnis für die moderne Wissenschaft entwickeln wollte. Vielmehr sei »ein gewisses künstlerisches Talent der Darstellung, eine gewisse Art von Beredtsamkeit nothwendig« – das genaue Gegenteil von der üblichen Vorgehensweise in wissenschaftlichen Abhandlungen und Büchern. Normalerweise bestehe »eine Art von Schranke« zwischen Laien und Wissenschaftlern. Es sei schon ein Glücksfall, wenn ein ausgewiesener Wissenschaftler wie Tyndall zugleich enthusiastisch dabei voranschreite, diese Schranken zu überwinden. Tyndall verstand es laut Helmholtz, »die neu errungenen Einsichten und Anschauungen seiner Wissenschaft auf breite Kreise des Volkes wirken zu lassen«, und zwar »mit Beredtsamkeit und der Gabe anschaulicher Darstellung«.42 In England, so merkte Helmholtz an, gab es eine ältere Tradition populärwissenschaftlicher Vorträge als in Deutschland, was der Wissenschaft in der englischen Kultur zu größerer Verbreitung verholfen habe als in der deutschen. Die von der Londoner Royal Institution angebotenen Vorträge samt der begleitenden Demonstrationen seien dafür ein gutes Beispiel. Aus diesen Gründen habe er es unternommen, Tyndalls populärwissenschaftliche Schriften in Deutschland zu verbreiten – wobei er sich durch die erfolgreiche, breite Rezeption der deutschsprachigen Ausgabe von Tyndalls Heat a Mode of Motion in dieser Entscheidung bereits bestätigt sah.43
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Um die Naturgesetze zu erforschen, fuhr Helmholtz fort, könne man entweder auf abstrakte Begriffe oder auf Experimente zurückgreifen. Den ersten Weg könne man jedoch nur gehen, wenn mithilfe von Versuchen ein Gebiet schon mehr oder weniger erschlossen sei. Ein gewisser Grad an Gesetzmäßigkeit, der auf induktiver Arbeit beruhe, müsse der stärker analytischen Untersuchung der Natur (d. h. der Anwendung mathematischer und logischer Schlussfolgerungen) vorausgehen. Auf dem Weg der Erforschung der Natur durch Beobachtung und Experiment gelange man zu einer Kenntnis von Naturkörpern, »bei welcher zunächst das Gesetzliche nur in der Form, wie es die Künstler auffassen, in sinnlicher lebendiger Anschauung des Typus seiner Wirksamkeit erkannt wird«, um erst später die Gestalt von Begriffen anzunehmen. Egal wie begabt ein Physiker in der induktiven oder deduktiven Arbeit auch sein mochte, so Helmholtz, dürfe er doch das eine nie zugunsten des anderen völlig vernachlässigen. Denn dies würde bedeuten, dass der Theoretiker die empirische Basis all seiner begriffsbildenden Tätigkeit und der Experimentator das Ziel der Wissenschaft, nämlich Erkenntnisse in Form von präzisen Begriffen auszudrücken, aus den Augen verloren habe. Tyndall beispielsweise sei überwiegend ein Experimentator, der seine Einbildungskraft in die Arbeit einfließen lasse – und genau diese Arbeitsweise mache ihn offenbar auch zu einem so erfolgreichen Redner.44 Dass sich Zöllner von allen nichtdeutschen Wissenschaftlern ausgerechnet Tyndall vorgenommen hatte, und das dann auch noch aus einem übersteigerten deutschen Nationalgefühl heraus, überraschte Helmholtz. Schließlich habe Tyndall unter deutschen Wissenschaftlern einen ausgezeichneten Ruf. Er hatte in Deutschland studiert (hauptsächlich in Marburg), liebte die deutsche Literatur und Wissenschaft und hielt sich diesbezüglich auf dem Laufenden. Er hatte nicht gezögert, öffentlich den Beitrag Mayers bei der »Entdeckung« des Krafterhaltungssatzes anzuerkennen. Das Gleiche galt für Kirchhoffs »Entdeckung« der Spektralanalyse (was Tyndall in England teuer zu stehen gekommen war). Aktuell unterstützte Tyndall Forschungsarbeiten über Gletscher, die von Schweizer Seite betrieben wurden (Louis Rendu, Louis Agassiz und Pierre Jean Edouard Desor), was auf Kosten des Schotten Forbes ging. Und zu guter Letzt: Er hatte eine Stiftung für amerikanische Studenten gegründet, damit sie in Deutschland Physik studieren konnten. Zöllners Anfeindungen gegen Tyndall speisten sich laut Helmholtz vielmehr aus philosophischen Quellen, nämlich dem »Gegensatz gegen die inductive Methode der Naturwissenschaften«. Die Naturwissenschaften hätten immer dann die größten und schnellsten Fortschritte gemacht, wenn sie »angebliche Deductionen a priori« vermieden. Laut Helmholtz hatten die deutschen Naturforscher – besonders im Vergleich zu ihren britischen Kollegen – lange gebraucht, um dies zu begreifen, sich jedoch nun, wo sie es begriffen hatten, entschieden von solcher Art, Wissenschaft zu betreiben, abgewandt. Von dieser Kehrtwende und dem damit verbundenen Fort-
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schritt, so Helmholtz, könne die deutsche Physiologie ein Liedchen singen. Zöllner dagegen bedeute einen Rückschritt in eine frühere Phase der deutschen Wissenschaft, als sich noch zwei Parteien gegenüberstanden, deren eine die hohe Arbeit des reinen Denkens und deren andere die niedere Arbeit der Beobachtung und des Experiments favorisierte.45 Helmholtz wollte Philosophie nicht mit Metaphysik verwechselt wissen, wobei er das Verhältnis zwischen diesen beiden mit dem zwischen Astrologie und Astronomie verglich. Die Metaphysik habe schon immer »wissenschaftlichen Dilettanten« den Weg hin zur Philosophie gewiesen, was dieser mehr geschadet habe, als es ihre erbittertsten Gegner je vermocht hätten. Das Interesse vieler an der Philosophie beruhe auf der Hoffnung, auf einem »verhältnissmässig schnellen und mühelosen Wege Einsicht in den tiefsten Zusammenhang der Dinge und das Wesen des menschlichen Geistes, in die Vergangenheit und Zukunft der Welt erlangen zu können«. Die Philosophie sei für den Wissenschaftler allerdings durchaus von Interesse, so Helmholtz, hatte dabei jedoch ausschließlich die Epistemologie im Blick: Wie und in welchem Ausmaß können Menschen Wissen über die Welt erlangen? Er hielt es allerdings für äußerst unwahrscheinlich, dass Dilettanten sich ausgerechnet diesem Feld als dem Gegenpol der Metaphysik in größerem Umfang zuwenden würden, sei doch auch die mathematische Mechanik des Planetensystems nie so populär gewesen wie die »astrologische Afterweisheit alter Zeit«. Die moderne Metaphysik habe ihre kühnsten Pläne aufgegeben, ein System alles Wissenswerten aus dem reinen Denken zu entwickeln. Manch moderner Metaphysiker sei inzwischen bereit, mit dem Material aus den Erfahrungswissenschaften zu arbeiten und Hypothesen aufzustellen, die auch als solche verstanden würden. Andere hingegen – wie beispielsweise Zöllner – seien entschlossen, apriorische Sätze beizubehalten. Leser mit einer metaphysischen Neigung, die Zöllners Darstellung der Prinzipien naturwissenschaftlicher Methode und der Geschichte naturwissenschaftlicher Entdeckungen Glauben schenkten, rückten damit aus Helmholtz’ Sicht freilich nur den Tag in die Ferne, an dem Natur- und Geisteswissenschaften ihren Zwiespalt versöhnen würden.46 Mit diesem Konter beendete er den zweiten Teil seines Gegenangriffs auf Zöllner. Um sich bei Anna für ihre Übersetzung der Fragments zu bedanken, schickte Tyndall ihr ein Armband. Anna schrieb, dass ihre ersten Entwürfe noch Mängel aufgewiesen hätten, aber dass Hermann die Übersetzung durchweg korrigiert und verbessert habe. Was Zöllner anging, so befand sie, ihr Mann lasse ihm schon eine zu große Ehre zuteilwerden, indem er ihm überhaupt antworte. Die erste Auflage der Fragmente war bald ausverkauft und Tyndall überließ den Helmholtzens geschenkweise die Lizenzrechte für alle Neudrucke. Bereits im Mai 1876 saß Anna an einer neuen Ausgabe der Fragmente. Das Buch verkaufte sich über Jahrzehnte hinweg gut. 1898/99 wurden daraus zwei Bände gemacht, und eine zweite deutsche Übersetzung wurde von der achten englischen Auflage angefertigt.47
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Das Vorwort zu Tyndalls Fragmenten war natürlich weder Anfang noch Ende von Helmholtz’ Bemühungen um die Popularisierung der Wissenschaft, die sich auch nicht auf geschriebene Texte beschränkten. Mitte der 1870er-Jahre war er auf Vortragsreise im Westen Deutschlands unterwegs und hielt mehrere Vorträge vor nichtuniversitärem Publikum. Er besuchte Bochum, wo sein Bruder Otto als technischer Direktor in der Gussstahlfabrikation arbeitete. Ein Vortrag im nahe gelegenen Hamm lief seiner Meinung nach nicht besonders gut. Hamm sei »ein enges ärmliches Städtchen mit einem ziemlich unwirtlichen Hôtel«, urteilte er. Nach dem Vortrag musste er »mit dem Vorstande soupieren, was weniger auf das Essen, als auf das Trinken angelegt war, und es gelang mir erst um ein Uhr nachts mich los zu winden und die Herren sitzen zu lassen. Die Folge davon war, daß ich mit ziemlich schwerem Haupte erwachte«. Das mag der Grund gewesen sein, warum er in Dortmund – wo er auch im Vorstand des ausrichtenden Vereins tätig war – gleich ankündigte, dass er und sein Bruder Otto direkt nach dem Vortrag würden aufbrechen müssen.48 Der Vortrag in Dortmund lief ebenfalls nicht rund, da die Gastgeber es versäumt hatten, für die Gerätschaften zu sorgen, die Helmholtz für seine Experimente brauchte. Zumindest ein Teil konnte noch herangeschafft werden und Helmholtz gab sein Bestes, was unter diesen Umständen möglich war. Trotzdem kam der Vortrag nicht richtig in die Gänge, »so dass ich mit mir selbst unzufrieden war«. Er besuchte die Fabrik, in der sein Bruder Otto arbeitete, »und wir erklommen mit größter Mühe, bald im Lehmschlamme versinkend, bald über Schlackenabhänge kletternd, einen neu gebauten, noch nicht angezündeten Hochofen, den er [Otto] selbst als das Neueste am Interessantesten fand – und von dessen Höhe allerdings eine sehr gute Übersicht der verwickelten Anlagen und der Umgegend zu gewinnen war. Es ist ein riesiges Werk, sehr interessant und gibt Einem eine Menge neuer Anschauungen über das Wirken der Naturkräfte in großen Dimensionen«. Gegen Mittag fuhr Helmholtz nach Krefeld und hielt einen Vortrag mit dem Titel »Leben und Sonnenlicht«. Am nächsten Tag ging es nach Barmen, dann weiter nach Essen und schließlich zurück nach Dortmund. Von Elberfeld aus schrieb er, dass sein Vortrag »Cirkulation des Wassers« nach Wunsch verlaufen sei. »Das Schwerste ist jetzt überstanden, der Rest der Vorträge sind Wiederholungen.«49 Wie manche Naturphilosophen des 18. Jahrhunderts und einige Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts war er, wenn auch nur vorübergehend, zum Vortragsreisenden geworden. Während er unterwegs war, beklagte sich Anna, dass sie nicht wusste, wo er sich gerade aufhielt oder seine »Weisheit zu Markte« trug. Wenn er wieder zu Hause sei, wolle sie mit ihm über seine Vorträge sprechen. Vielleicht würde er sie ihr ja diktieren, schlug sie vor, solange er sie noch frisch im Gedächtnis habe. »Später kommt es doch nicht mehr zum Aufschreiben. Es wäre gerade eine nette Ferienarbeit – denke doch daran, lieber Hermann.« Von Düsseldorf aus schickte er auch das schon
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erwähnte Telegramm, dass er sehr krank geworden sei, eine »heftige Vergiftung« – und niemand sei da, der ihm helfen könne. Sie fuhr sofort los, aber als sie ankam, ging es ihm bereits viel besser.50 Seine Beteiligung an den Übersetzungen populärwissenschaftlicher Werke von Tyndall und anderen, die von ihm verfassten Einleitungen zu den Bänden von Thomson und Tait, seine Vortragsreise durch mehrere deutsche Städte und die Veröffentlichung seiner eigenen populärwissenschaftlichen Vorträge – all dies war eine Menge Arbeit. Noch weiter konnte oder wollte Helmholtz in dieser Hinsicht nicht gehen. 1871 schrieb ihm Tyndall, dass Edward L. Youmans vom New Yorker Verlag Appleton ihn treffen wolle. Youmans war Helmholtz bereits ein Begriff, da dieser 1865 einen Sammelband unter dem Titel The Correlation and Conservation of Forces: A Series of Expositions herausgegeben hatte. Darin waren Texte von Grove, Mayer, Faraday, Liebig und Carpenter ebenso enthalten wie Tyndalls Übersetzung von Helmholtz’ »Ueber die Wechselwirkung der Naturkräfte und die darauf bezüglichen neuesten Ermittelungen der Physik« (1854). Youmans wollte nun Helmholtz persönlich seine neue Reihe vorstellen, die populärwissenschaftliche Darstellung mit hohem Niveau verbinden sollte und als International Scientific Series Bekanntheit erlangte. »Er beschäftigt sich mit einem Projekt«, so Tyndall, »das sehr wichtige Ergebnisse verspricht.« Zudem hätten Huxley, Spencer, Alexander Bain und Darwin allesamt »ein großes Interesse an diesem Projekt« gezeigt und erhofften sich viel davon. Tatsächlich umfasste die Reihe später einmal um die 120 Titel in vier Sprachen. In Deutschland agierte Isidor Rosenthal als Youmans Bevollmächtigter für dieses Projekt. Rosenthal hatte bei du Bois-Reymond studiert und war mittlerweile Physiologieprofessor in Erlangen. Er schloss für die deutschsprachige Ausgabe der Reihe einen Vertrag mit Brockhaus und stellte eine Liste von potenziellen Autoren zusammen, angefangen mit Virchow und Aaron Bernstein. Helmholtz sollte ihm bei der Liste helfen und auch sonst Leute mit ins Boot holen. Doch Helmholtz hatte keine Energie mehr für diese Art Popularisierungsbemühungen und lehnte eine Beteiligung an dem Projekt ab.51 Mitte der 1870er-Jahre legte Helmholtz’ Name nochmal an Bekanntheit in der Mittelschicht zu. 1875 prangte sein Bild auf der Titelseite der allsonntäglich erscheinenden Über Land und Meer: Allgemeine Illustrirte Zeitung (Stuttgart). Der zugehörige Artikel nannte seine Arbeit »epochenmachend« und lobte den praktischen Nutzen seines Augenspiegels für das Verständnis von Augenkrankheiten. Auch das konservative Familienblatt Daheim, das oft über die neuesten Entwicklungen in der Naturwissenschaft berichtete, brachte 1876 ein Helmholtz-Porträt in einer Rubrik über deutsche Professoren. Schwärmerisch wurde Helmholtz gepriesen als »Hauptvorkämpfer in diesem Bestreben des menschlichen Geistes, die Natur mittelst einer tieferen Einsicht in ihren Mechanismus zu beherrschen«. Helmholtz selbst wendete sich weiterhin hauptsächlich an eine elitäre Leserschaft. Nachdem er 1875 das
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dritte und letzte Heft seiner Populären wissenschaftlichen Vorträge vorgelegt hatte, sandte er ein Exemplar an seinen Freund Julius Meyer, einen Kunsthistoriker, der Direktor der Königlichen Gemäldegalerie in Berlin war. Meyer las dieses dritte Sammelbändchen aus Helmholtz’ Feder voller Freude: »Was sein[en] Inhalt und dessen Bedeutung für mich anlangt, so drängt es mich offen Ihnen einmal auszusprechen: nicht bloss in den Gebieten, die mir fremd sind, sondern auch in denjenigen, worin ich eher heimisch zu sein glaube, lerne ich von Keinem soviel wie von Ihnen; sowohl durch das Problem, das Sie stellen, als durch die Weise der Behandlung und die Form der Darstellung.«52 Meyer war genau die Art von Mensch, die Helmholtz mit seinen populärwissenschaftlichen Schriften immer zu erreichen gehofft hatte.
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Kulturkampf in der Wissenschaft II Die Dühring-Affäre Eugen Dühring verstand etwas von vielen akademischen Fachgebieten, meisterte aber keines wirklich. Er veröffentlichte Bücher über die Philosophie der Mathematik, über Naturwissenschaft, Dialektik und Nationalökonomie, war aber weder Mathematiker noch Naturwissenschaftler noch Nationalökonom. Das einzige Fach, das er wirklich beherrschte, war das der Demagogie und Polemik, in mündlicher wie in schriftlicher Form. Und diese spezielle Befähigung setzte er ein, um Helmholtz zu verleumden und den rassistischen Antisemitismus zu begründen – hierin in seiner Zeit noch fast ohnegleichen. Seinen Lebensunterhalt verdiente Dühring vor allem als Dozent für Nationalökonomie und Philosophie an der Universität Berlin. Sein Ruf als akademischer Autor gründete vor allem auf der Veröffentlichung des preisgekrönten Buchs Kritische Geschichte der allgemeinen Principien der Mechanik (1873).1 Er hoffte, dass dieser Erfolg ihm endlich – zu diesem Zeitpunkt war er 40 Jahre alt und blind – die Beförderung zum außerordentlichen Professor einbringen werde. Seit 1872 war Dühring auch noch als Dozent für Literatur und Philosophie am neuen Victoria-Lyzeum tätig, das der »höheren Bildung von Frauen« gewidmet war. Das Lyzeum war eine weiterführende Schule für junge Frauen oder auch höhere Töchterschule. Den Namen hatte es von der preußischen Kronprinzessin Victoria, unter deren Schirmherrschaft es stand und die ihm – gemeinsam mit der Mitgründerin und Direktorin Miss Georgina Archer – einen ausgesprochen britischen Anstrich verlieh. Unterrichtet wurde am Lyzeum unter anderem Kunstgeschichte,
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englische Literatur, italienische Lyrik, Astronomie und Botanik, und es gab zusätzliche Angebote in Wissenschaft und Literatur. Allerdings hatte das Institut Schwierigkeiten, qualifizierte Dozenten zu finden, weil viele führende Berliner Professoren es offenbar für unter ihrer beruflichen Würde hielten, Vorlesungen vor Frauen zu halten. Dem Direktorium des Lyzeums gehörten die Kronprinzessin, Anna und Hermann Helmholtz, Gneist, Virchow, du Bois-Reymond und Fanny Reichenheim an. Anna Helmholtz, die sich besonders für die Bildung von Frauen und für Sozialreformen interessierte, war in der Leitung des Lyzeums auch aktiv; sie setzte sich maßvoll für das Wohl junger Frauen ein, war aber keine Feministin. Sie förderte außerdem die Krankenpflegeausbildung und unterstützte das Victoriahaus für Krankenpflege in Verwaltungsangelegenheiten.2 Dührings akademische Probleme begannen 1874/75, als er Adolph Wagner angriff, einen Konservativen, der aber auch zu den sogenannten Kathedersozialisten gehörte und Bismarcks Politik unterstützte. Die beiden führten einen hässlichen Schlagabtausch in den Kolumnen der Berliner Börsen-Zeitung, der die Affäre öffentlich machte und Anlass zu einer administrativen Überprüfung Dührings gab. Was man Dühring dann jedoch am meisten anlastete, waren seine wiederholten Verleumdungen gegen Helmholtz und die harsche Kritik, die er an der universitären Praxis der Bestellung von Fakultätsangehörigen übte.3 Dühring behauptete, nicht Helmholtz, sondern Mayer sei der Entdecker des Energieerhaltungssatzes; Helmholtz habe kaum mehr getan, als die Ansichten von Newton und Leibniz neu zu formulieren, und Mayer habe er mit keinem Wort erwähnt. Dühring schrieb ein ganzes Buch, in dem er Mayer als Märtyrer der Wissenschaft, ja als den Galilei des 19. Jahrhunderts darstellte. Es stimmte zwar, dass Helmholtz Mayer in seinem Aufsatz von 1847 nicht erwähnt hatte, aber zu jener Zeit hatte das auch sonst niemand getan; tatsächlich nahm Helmholtz Mayers Arbeit und deren Prioritätsanspruch in seinen Kommentaren zu den Fortschritten der Physik zwischen 1850 und 1855 und in seiner populären Vorlesung von 1854 über Energieerhaltung als Erster überhaupt zur Kenntnis. Er verteidigte dieses Erstrecht von Mayers Arbeit gegenüber Joules Arbeiten auch in einem Brief, der in P. G. Taits Sketch of Thermodynamics (1868) veröffentlicht wurde. Mayer beschuldigte Helmholtz auch nie, ihn plagiiert oder die Leser in der Prioritätsfrage irgendwie in die Irre geführt zu haben; im Jahr 1866 sprach er positiv von Helmholtz’ Fassung des Energieerhaltungssatzes und dessen dadurch erfolgter Popularisierung. Dühring ging sogar so weit zu behaupten, im Jahr 1869 sei es in Innsbruck zu einer »Szene« zwischen Helmholtz und Mayer gekommen: Damals habe aus dem Publikum jemand gerufen, Helmholtz sei der »Entdecker« des Energieerhaltungssatzes (und somit nicht Mayer), und Mayer habe daraufhin die Versammlung vorzeitig verlassen. Nichts von all dem stimmte.4 Dührings Wut auf Helmholtz und Universitätsprofessoren im Allgemeinen war zumindest teilweise der Grimm des wissenschaftlichen Amateurs gegen den Pro-
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fi, was ein Stück weit erklärt, warum Dühring sich zum ungebetenen Verteidiger Mayers aufschwang. Dühring hatte nur eine geringe formale naturwissenschaftliche Ausbildung erhalten, was ihn aber nicht davon abhielt, Bücher mit Titeln wie Neue Grundgesetze zur rationellen Physik und Chemie (1878) zu schreiben, in denen er Helmholtz als »Schaustückpersonnage der Physik« bezeichnete, die von allzu freundlichen Kollegen in Berlin auf ihren Platz in Berlin »avancirt« worden sei. Dühring griff Helmholtz wiederholt an, schrieb verächtlich über ihn und stellte seine Ansichten falsch dar. Er machte nicht nur Helmholtz’ Arbeiten zur Energieerhaltung schlecht, sondern griff auch die nichteuklidische Geometrie und Helmholtz’ Beiträge dazu an: »Es überrascht nicht, dass der unklar ein wenig philosophelnde, physiologische Physikprofessor Herr Helmholtz sich auch in diesem Falle die Gelegenheit nicht entgehen liess, an der Discussion [um die nichteuklidische Geometrie] theilzunehmen.« Sein Aufsatz über die nichteuklidische Geometrie sei »Widersinn«. Wie Zöllner lobte auch Dühring Webers elektrodynamische Theorien. Er griff die Berliner Mathematiker insgesamt sowie die Preußische Akademie der Wissenschaften im Besonderen an und feuerte Breitseiten gegen Professoren im Allgemeinen. Er kritisierte ein Lehrbuch von Kirchhoff ebenso wie Clausius’ mathematische Darstellung der mechanischen Wärmelehre. Er verunglimpfte wissenschaftliche Zeitschriften generell und behauptete, die meisten Artikel seien wertlos. Darüber hinaus äußerte er sich antisemitisch gegen Jacobi und andere Menschen jüdischer Abstammung.5 Die Angriffe auf die nichteuklidische Geometrie und die zunehmende Mathematisierung und Abstraktion der Physik kündigten die Antirelativität und die antitheoretische Einstellung an, die einige deutsche Physiker nach 1914 einnahmen. Damit war Dühring ein Vorläufer antisemitischer und antimathematischer Physiker wie Philipp Lenard, Johannes Stark und Willy Wien. Im März 1876 hielt Dühring im Berliner Rathaus einen Vortrag über höhere Berufsbildung für Frauen. Später behauptete er, dieser Vortrag sei der Hauptgrund für seine letztendliche Entlassung aus dem Lyzeum gewesen. Er erklärte, namenlose »Wissenschaftsautoritätler« würden ihn beneiden, sie seien allesamt Ignoranten und wüssten nichts von den Hoffnungen der Frauen. Er sprach von »den gelehrten Zünften« und deutete an, die Universitätsprofessoren hätten Angst vor dem freien Wettbewerb, sie schlössen sich in »mittelalterlichen Zunftgebilden« zusammen, praktizierten »die Wissenschaft von der Unfreiheit« und bildeten »gelehrte Monopole«. Er behauptete, seine Vorlesungen am Lyzeum seien im Schuljahr 1874/75 die bestbesuchten gewesen, und nach drei Jahren habe er eine Festanstellung dort verdient. Doch zwei Monate nach dem Vortrag wurde er entlassen. Er behauptete, dass die »jüdische Literatin Hirsch« gegen ihn intrigiert habe und es überhaupt eine Verschwörung gegen ihn gegeben habe: ein »Complott«, angeführt von einer Kombination aus Universitätsprofessoren und dem »jüdischen Element« – auch Anna Helmholtz habe später dazugehört.6
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Dühring machte sich zu Lebzeiten viele Feinde. Berühmt wurde er nicht durch seine Feindschaft mit Helmholtz, sondern durch die mit Friedrich Engels. Engels und andere Sozialisten sahen in Dühring eine Bedrohung für ihre marxistisch-sozialistische Ideologie und Bewegung. Engels kämpfte mit ihm um die Führerschaft im sozialistischen Denken und verfasste zu diesem Zweck eine Reihe von Artikeln für die sozialistische Zeitung Vorwärts. Kurze Zeit später erschienen diese Artikel auch in Buchform unter dem Titel Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (1878), besser bekannt als »Anti-Dühring«. Engels studierte Helmholtz’ Schriften sehr genau, ohne mit allem einverstanden zu sein. Nach 1870 beschäftigte er sich mit Physik und Chemie, las unter anderem Helmholtz’ Aufsatz über die Energieerhaltung. Besonders interessierte er sich für die Frage der Kausalität und den Sinn und Zweck theoretischer Naturwissenschaft. Bei der Lektüre des zweiten Bandes von Helmholtz’ Populären wissenschaftlichen Vorträgen konzentrierte er sich auf das erkenntnistheoretische Verhältnis der Begriffe Subjekt und Objekt und versuchte, ein tieferes Verständnis für die Art und Weise zu erlangen, wie die Theorie die Natur widerspiegele. Er polemisierte auch gegen Helmholtz, in seiner Dialektik der Natur, die jedoch vorerst unveröffentlicht blieb (Erstveröffentlichung 1925).7 Er hielt sich mit seinem Urteil über Helmholtz’ wissenschaftliche Arbeit nicht zurück und hatte auch viele philosophische Differenzen mit ihm. Im Frühjahr 1877 führten die Universität Berlin und das Ministerium erneut eine Untersuchung gegen Dühring durch, und am 7. Juli entzogen sie ihm die Lehrerlaubnis und stellten seine Lehrveranstaltungen mit sofortiger Wirkung ein. Noch bevor die Entscheidung gefallen war, schaffte es die Angelegenheit Ende Juni irgendwie in die Berliner Zeitungen, und am 12. Juli ging eine große Studentenmenge auf die Straße, um für Dühring zu protestieren. Die sogenannte Dühring-Affäre wurde zu einer cause célèbre, einem Kampf um die akademische Freiheit, mit dem akademischen Establishment auf der einen Seite und dem blinden, unterbezahlten Dozenten Dühring und seinen studentischen Anhängern auf der anderen. Als Reaktion veröffentlichte das Ministerium alle Erkenntnisse, die zu Dührings Entlassung geführt hatten. Dies war ein höchst ungewöhnlicher, vielleicht beispielloser Schritt. Angelastet wurden ihm vor allem seine öffentlichen Äußerungen gegen Wagner und Helmholtz sowie eine Reihe von Aussagen über die Universität im Allgemeinen. Neben manch anderen Folgen führte die ganze Affäre jedenfalls dazu, dass Dühring eine lebenslange Verbitterung gegen Helmholtz hegte. Der bedeutende dänische Literat Georg Brandes, der Berlin gut kannte, wohnte einem Vortrag bei, den Dühring nach seiner Entlassung im Architektenverein hielt. Brandes erlebte ihn als hasserfüllten Fanatiker, der nicht nur gegen Helmholtz austeilte, sondern auch auf bösartige Weise gegen Juden, Lessing, Goethe und andere Dichter und Denker wetterte.8 Diesen Hass und Fanatismus legte Dühring bis zu seinem Tod im Jahr 1921 nicht ab.
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Denken (und empirische Realität) in der Medizin Frühling und Sommer des Jahres 1877 waren für Helmholtz eine trübe Zeit. Er musste miterleben, wie die Angelegenheit Dühring und mit ihr die Pro-DühringStudentenproteste ihren Lauf nahmen, und wie sein Name als der eines Schwergewichts im Establishment durch den Dreck gezogen wurde. Dennoch bemühte er sich, die Situation philosophisch zu betrachten. Einer guten Freundin schrieb er, er sei »einigermaßen gewöhnt an schlechte Behandlung von Seiten der Metaphysiker aller Secten, Spiritualisten oder Materialisten«. Und weiter: »Ich habe mich mein Leben lang bemüht ihnen ihre Trugschlüsse mit Thatsachen zu durchhauen, und schließlich sind die Leute klug genug den Thatsachen mehr zu glauben als den subtilsten Theorien.« Schwer tat er sich jedoch damit, wenn Menschen – zum Beispiel die Gegner der nichteuklidischen Geometrie –, denen er nie etwas persönlich angetan hatte, wütend auf ihn waren. Über Dühring schrieb er: »[I]ch habe ihm nie etwas gethan, ihn nie genannt, weder in Briefen noch in Vorlesungen, bei der Wagner Affaire habe ich hauptsächlich für seine Schonung gesprochen […]. Die Entfernung aus dem Victoria-Lyceum ist durch Miss Archer und Prof. Lazarus bewerkstelligt; meine Frau hat daran erst gehört, als es sich darum handelte Miss Archer gegen Dührings schamlosen Angriff zu schützen.« An den Studentenprotesten erstaunte ihn, wie leicht die Studenten offensichtlichen Lügen, Verzerrungen und Gerüchten erlagen – etwas, das so zu seiner Studentenzeit, dachte er, niemals passiert wäre. Vergeblich hatte er gehofft, dass die Anhänger Dührings einfach still verschwinden würden. All dies habe Anna jedoch mehr Kummer verursacht als ihm selbst. Gewiss habe auch er ein Auge auf das Lyzeum gehabt, doch Anna habe sich wirklich dafür engagiert.9 In jenem Frühjahr und Sommer erlebte Helmholtz auch privat eine schwere Zeit. Im April starb seine Tochter Käthe im Alter von 27 Jahren. Weit weniger dramatisch war ein wochenlanges Fußproblem; er behandelte sich mit warmen Fußbädern. Anfang Juli fuhr Anna mit den Kindern nach Ambach und ließ ihn in Berlin allein. Verschiedene Aufgaben, darunter eine Rede vor dem Friedrich-Wilhelms-Institut, erforderten, dass er zu Hause blieb. Er sehnte sich danach, Berlin den Rücken zu kehren, sich seiner Familie anzuschließen, (allein) in die Schweiz weiterzufahren und dort Tyndall und Knapp zu treffen. Einem Freund schrieb er: »In Berlin ist jetzt nicht viel Freude zu haben; fast alle Bekannte verreißt, die Spree stinkt, und es ist arg heiß.« Seine Stimmung besserte sich wohl vor seiner Abreise, denn am 1. August wurde er zum Rektor der Universität für das kommende Studienjahr (1877/78) gewählt. Das war nicht nur eine Ehre, sondern auch Ausdruck des Vertrauens und der Unterstützung für ihn; in Reaktion auf die Dühring-Affäre dürfte er einige Stimmen aus Solidarität erhalten haben.10 Als Rektor der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin hatte er symbolisch die Spitze des institutionellen akademischen Lebens in Deutschland erreicht. (Siehe Abb. 21.1.)
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Abb. 21.1: Kaiser Friedrich als Kronprinz auf dem Hofball 1878. Anton von Werners Gemälde aus dem Jahr 1895 zeigt Helmholtz in illustrer Gesellschaft auf dem Hofball. Zugegen sind: der Kronprinz (Mitte, nach links gewandt), Max von Forckenbeck, Reichstagspräsident und Bürgermeister von Berlin (ihm gegenüber), der nationalliberale Politiker Robert von Benda (links hinter Forckenbeck), der Archäologe Ernst Curtius (zwischen Benda und Forckenbeck, teilweise verdeckt), Rudolf Virchow (im Talar), Helmholtz selbst (zur Rechten des Kronprinzen), der Maler Ludwig Knaus (rechts hinter dem Kronprinzen) und der Maler Adolph von Menzel (im Hintergrund am Fenster). Das Gemälde befindet sich in der Alten Nationalgalerie Berlin. bpk / Nationalgalerie, SMB / Klaus Göken.
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Am nächsten Tag, dem 2. August 1877, hielt er vor Fakultät und Studenten des Friedrich-Wilhelms-Instituts im Rahmen der jährlichen Gründungsfeier einen Vortrag mit dem Titel »Das Denken in der Medizin«. Vordergründig verglich Helmholtz in seiner Rede das medizinische Niveau der Jahre 1842 und 1877, doch legte er darin auch seine Auffassung von der richtigen, der »wissenschaftlichen« Medizin dar: Sie sollte auf Erfahrung gründen und das richtige Gleichgewicht von Induktion und Deduktion halten. Er begann mit einem Verweis auf den Vortrag, den er genau 35 Jahre zuvor als Student über Blutadergeschwulste gehalten hatte. Damals habe er sich notwendigerweise auf Erkenntnisse aus Büchern stützen müssen: »Aber Büchergelehrsamkeit spielte damals noch eine viel breitere und angesehenere Rolle in der Medicin, als man sie ihr heutzutage einzuräumen geneigt ist.« Der moderne, wissenschaftliche Geist stütze sich hingegen auf Erfahrung. Wie die Weltgeschichte habe sich auch die Medizin in dieser Zeit enorm verändert, und die traditionelle Medizin sei »wie in einer vergessenen Sprache geschrieben«.11 Da bei der medizinischen Diagnose und Behandlung menschliches Leiden und sogar Leben auf dem Spiel stehe, müsse der Arzt alles Wissen und alle Instrumente aufbieten, die irgend verfügbar seien. Das bringe mit sich, so Helmholtz, dass »erkenntnisstheoretische Fragen über die Methodik der Wissenschaft auch eine bedrängende Schwere und eine fruchtbare praktische Tragweite erlangen« könnten. Das Ganze sei keine rein theoretische Angelegenheit, sondern der Arzt stelle sich »den feindlichen Mächten der Wirklichkeit«. Dabei könne er »nur das grelle harte Licht der Thatsachen brauchen, und muss es aufgeben, sich in angenehmen Illusionen zu wiegen«. Der »Grundfehler« der Medizin (und anderer Wissenschaften) vor etwa 1840 sei gewesen, so Helmholtz, dass sie auf einem »falschen Ideal von Wissenschaftlichkeit« beruht und insbesondere die Bedeutung »der deductiven Methode« überbetont habe. Daher sei in der Medizin, wohl mehr als in jeder anderen Disziplin, »eine richtige Kritik der Erkenntnissquellen eine auch praktisch höchst wichtige Aufgabe der wahren Philosophie«. Er verspottete die Anhänger »eines beliebigen welterklärenden Systems«, sogenannte Philosophen, die »die Thatsachen der Wirklichkeit« ignorierten. Vor dem Jahr 1840 hätten die Mediziner wenig »von den Gesetzen der Natur« gewusst. Sie hätten in logischen Begriffen und Begriffssystemen gedacht und im Allgemeinen die Bedeutung des Denkens für die Medizin überschätzt. Er räumte ein, dass die Überlegenheit des Menschen gegenüber den Tieren tatsächlich in seiner Denkfähigkeit liege. Daher sei es nur natürlich, dass die Mediziner früher großen Wert auf deduktive Denksysteme gelegt und Beobachtung und Experimente vernachlässigt hätten, »um den Ikarusflug der metaphysischen Speculation zu beginnen«. Aber die Fähigkeit, Wissen über Generationen hinweg zu erwerben und weiterzugeben, bedeute, dass Wahrheiten regelmäßig hinterfragt werden müssten, um sicherzustellen, dass sich keine Fehler, Verzerrun-
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gen oder blindes Vertrauen auf Autoritäten einschlichen. Wahrheit müsse immer wieder neu von Unwahrheit geschieden werden, während Wissen weitergegeben werde und seine Ursprünge in Vergessenheit gerieten. Menschen bildeten Begriffe, die »als ordnende Mächte auch in der objectiven Welt der Dinge« dienten, bei denen aber ständig geprüft werden müsse, ob sie der »Welt der Dinge« entsprächen. Der Arzt müsse, wie jeder Wissenschaftler, einen »psychologischen Anthropomorphismus« vermeiden. Als Beispiele für einen solchen nannte Helmholtz die Ideen Platons, Hegels »immanente Dialektik des Weltprozesses« und Schopenhauers »unbewussten Willen«. Wenn man sich übermäßig auf deduktive Methoden und konzeptuelle Systeme stütze, mache das die Medizin ineffektiv und führe zu Intoleranz gegenüber Neuem. Der Grundfehler aller Systeme sei die Annahme, dass es für alle Krankheiten im medizinischen Sinne und die ihr jeweils zugedachten Behandlungen eine einzige und erschöpfende Erklärung geben müsse. Dies habe zu einer dogmatischen Intoleranz der traditionellen Mediziner geführt, weil das gesamte System zusammenbreche, wenn sich ihre Grundhypothese als falsch erweise. Wer dagegen sein medizinisches Verständnis auf einer empirischen, unsystematischen Basis aufbaue, könne es sich leisten, gelegentlich Fehler zu machen und sie zuzugeben.12 Helmholtz stellte fest, dass die Medizin im Verlauf seines Berufslebens auf den Gebieten der mikroskopischen und pathologischen Anatomie, der Physiologie, der experimentellen Pathologie, der Arzneimittelforschung und medikamentösen Behandlung, der Augenheilkunde und der physiologischen Chemie große Fortschritte gemacht hatte. Er betonte die diagnostische Bedeutung neuer Instrumente wie des Fieberthermometers, des Ophthalmoskops, des Otoskops und des Laryngoskops. Die kürzlich entwickelte Fähigkeit, parasitäre Organismen zu erkennen, habe »mystische Krankheits-Entitäten« abgelöst und sei von enormer Bedeutung für die Ärzte. Doch der Kampf gegen hypothetische Systeme sei noch nicht gewonnen; er werde so lange andauern, wie es Individuen gebe, die glaubten, Ergebnisse ließen sich »durch Blitze der Genialität« erzielen statt »durch mühsame Arbeit«, oder die keine Kritik zuließen an dem, was sie wahrhaben wollten.13 Metaphysische Systeme sah er durch einen von zwei Kerngedanken gekennzeichnet: Spiritualismus oder Materialismus. Der Arzt müsse derartige Systeme meiden und »die Gesetze der Thatsachen durch Beobachtung kennen zu lernen suchen«. Wenn ein Gesetz durch Induktion anhand von Fakten definitiv bestimmt sei, dann könne man mit Deduktion fortfahren unter dem Vorbehalt, dass die deduktiven Ergebnisse ständig anhand der empirischen Realität überprüft werden müssen. Dies wiederum bedeute, dass ein Wissenschaftler niemals zur »unbedingten Wahrheit« gelange. Stattdessen gelte jedes Gesetz mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit. Echte Resultate bringe nur die induktive Methode.14 Um ein Gesetz zu entdecken, so Helmholtz weiter, gelte es zunächst, eine zuvor verborgene oder unbemerkte Ähnlichkeit in natürlichen Vorgängen zu finden. Da-
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für brauche man, was anderweitig als »Witz« bezeichnet werde; und es entspreche dem, was Künstler täten, wenn sie zu »künstlerischer Anschauung« eines Phänomens gelangten. Dabei gebe es keine Regeln oder Algorithmen, nach denen man vorgehen könne, und es erfordere oft harte Arbeit. Jedes neu entdeckte Gesetz müsse dann auf seine Übereinstimmung mit den Tatsachen hin geprüft werden. Alle »gewissenhaften Arbeiter« müssten ihre Arbeit einer gründlichen Prüfung unterziehen, bevor sie veröffentlicht werde. Helmholtz warnte, »die jetzige Art, Prioritätsfragen nur nach dem Datum der ersten Veröffentlichung zu entscheiden, ohne dabei die Reife der Arbeit zu beachten«, habe »dieses Unwesen sehr begünstigt«. Jedes Jahr würden Hunderte Artikel veröffentlicht, die lediglich unbewiesene Hypothesen »über Aether, Beschaffenheit der Atome, Theorie der Wahrnehmung« und mehr enthielten. Sie bestünden aus reiner Spekulation und seien ohne jeden wissenschaftlichen Wert; das Schlimmste sei jedoch, dass man die wertvollen Teile nicht von den wertlosen unterscheiden könne. Für jeden, der neue und vertrauenswürdige Fakten suche, bedeute dies eine enorme Verschwendung an Zeit und Mühe. Helmholtz nannte keine Namen, dennoch klangen seine Ausführungen wie verschleierte Anspielungen auf Dühring, Zöllner und metaphysische Philosophen aller Art, vielleicht auch auf Mayer.15 Helmholtz glaubte, dass seine eigene Generation unter der spiritualistischen (idealistischen) Version der Metaphysik gelitten habe – und dass die kommende Generation wahrscheinlich unter der materialistischen Version leiden werde. Zwar gab er zu, dass die Wissenschaft von materialistischen Hypothesen erheblich profitiert habe, warnte aber ausdrücklich, die materialistische Metaphysik sei ein dogmatisches hypothetisches System, das der Naturwissenschaft ebenso schaden könne wie andere Systeme dieser Art. Unter Berufung auf Sokrates und Kant behauptete er, dass »alle bis dahin aufgestellten metaphysischen Systeme nur Gewebe von Trugschlüssen« seien, und dass Kants Kritik der reinen Vernunft »eine fortlaufende Predigt gegen den Gebrauch der Kategorien des Denkens über die Grenzen möglicher Erfahrung hinaus« sei. Laut Helmholtz bedeute naturwissenschaftliche Forschung, »die Gesetze der Thatsachen« zu suchen: »Indem wir das gefundene Gesetz als eine Macht anerkennen, welche die Vorgänge in der Natur beherrscht, objectiviren wir es als Kraft.«16 Am Schluss betonte er, dass seine Feindseligkeit gegenüber der Metaphysik nicht als Feindseligkeit gegenüber der Philosophie an sich angesehen werden solle, auch wenn die Metaphysiker immer versuchten, sich den Anschein zu geben, sie seien die einzigen, die wahren Philosophen. Die »philosophischen Dilettanten« seien für gewöhnlich Anhänger der »weitfliegenden Speculationen der Metaphysiker«; sie suchten nach Abkürzungen zu Erkenntnissen über die Welt. Die Metaphysik sei für die Philosophie das, was die Astrologie für die Astronomie sei: Effekthascherei für die Massen. Er glaubte, dass der Philosophie, wenn sie auf die
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Metaphysik verzichte, immer noch »ein grosses und wichtiges Feld, die Kenntniss der geistigen und seelischen Vorgänge und deren Gesetze« offenstehe. Die wahre Aufgabe der Philosophie bestehe darin, das »Hauptinstrument« des Wissenschaftlers auf die Probe zu stellen, »das menschliche Denken«, das man »nach seiner Leistungsfähigkeit genau studiren« müsse. Wer »eine wahrhaft wissenschaftliche Begründung [der] praktischen Thätigkeit« anstrebe – wie praktische Anwender von Medizin, Staatskunst, Recht, Theologie und Lehre –, müsse »auf die Kenntniss der Gesetze der psychischen Vorgänge« aufbauen. Seine eigene Arbeit habe ihm, mehr als den meisten Naturwissenschaftlern seiner Generation, Angriffe vonseiten der Metaphysiker eingebracht. Er schloss: »Dass Jemand, der solche Meinungen hat, wie ich sie Ihnen vorgetragen habe, der seinen Schülern, wo er kann, den Grundsatz einschärft: ›Ein metaphysischer Schluss ist entweder ein Trugschluss oder ein versteckter Erfahrungsschluss‹, von den Liebhabern der Metaphysik und der Anschauungen a priori nicht günstig angesehen wird, brauche ich nicht auseinanderzusetzen. Metaphysiker pflegen, wie Alle, die ihren Gegnern keine entscheidenden Gründe entgegenzusetzen haben, nicht höflich in ihrer Polemik zu sein; den eigenen Erfolg kann man ungefähr an der steigenden Unhöflichkeit der Rückäusserungen beurtheilen.«17 Es war nicht Helmholtz’ letzte Botschaft dieser Art.
Haeckel und Virchow über akademische Freiheit Vor allem in den 1870er-Jahren trieb die deutschen Akademiker die Sorge um die akademische Freiheit um. Im September 1877, etwa einen Monat nach Helmholtz’ Rede über »Das Denken in der Medizin« und kurz vor seinem Amtsantritt als Rektor, erklärte der Biologe Ernst Haeckel vor der Naturforscherversammlung in München, die Evolutionstheorie sei nun ein anerkannter Teil der Naturwissenschaft. Er behauptete, seine eigene Philosophie, der »Monismus« oder die »Einheit der Weltanschauung«, sei die wahre Philosophie, weder materialistisch noch spiritualistisch; sie führe zu Darwins Evolutionstheorie; sie habe praktische Auswirkungen auf Medizin, Staatsführung, Recht, Theologie und andere Bereiche, einschließlich der Bildung. Haeckel drängte daher darauf, dass Darwins Theorie – deren führender Verfechter in Deutschland er war – in den Schulen gelehrt werden müsse; sie sei »das wichtigste Bildungsmittel«, weil sie die Schüler lehre, in Begriffen von Entwicklung zu denken. Die historischen Naturwissenschaften ordnete er dabei zwischen den traditionellen klassischen, historisch-philosophischen Wissenschaften und den exakten, mathematisch-physikalischen Wissenschaften ein. Darüber hinaus, so Haeckel, habe die Entwicklungstheorie einen praktischen Nutzen bei der Ausbildung der persönlichen Moral. Denn es handele sich dabei um eine Naturreligion, und als solche stehe sie im Gegensatz zur dogmatischen Religion einer Kirche. Haeckel glaubte, die Mittel zur Überwindung der sozialen Probleme der Mensch-
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heit seien nicht in der sogenannten Offenbarung zu finden, sondern in Darwins Entwicklungstheorie.18 Auf derselben Naturforscherversammlung antwortete Virchow vier Tage später Haeckel mit einer eigenen Rede. Virchow fand, es sei an der Zeit, eine Diskussion über wissenschaftliche und gesellschaftliche Fragen zu beginnen. Er sagte, die Freiheit der Wissenschaft sei (immer noch) durch die Kirche bedroht, und warf die Frage in den Raum, ob die derzeit in Deutschland herrschende Freiheit der Wissenschaft Bestand haben werde. Mit Blick auf Haeckels Rede erklärte er dies für möglich – vorausgesetzt, die Wissenschaftler handelten und äußerten sich gemäßigt und erhielten sich damit das Vertrauen der Nation. Das bedeute aber eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit in dem Sinne, dass Äußerungen »beliebiger persönlicher Speculation« zu vermeiden seien. Die Wissenschaftler müssten sich in Erinnerung rufen, dass es in der Wissenschaft einen großen Unterschied zwischen Spekulation und empirisch fundierten, erwiesenen Ideen oder Theorien gebe. Von Letzteren solle die Nation ganz gewiss erfahren; sehr vieles im praktischen Leben – Virchow nannte hier Dampfmaschinen, Telegraphie, Photographie, Färbetechnik und so weiter – hänge ja im Wesentlichen von erwiesener Wissenschaft ab. Das sei die »materielle Bedeutung« der Wissenschaft. Daneben gebe es aber auch ihre »geistige Bedeutung«, die sich in den Ansichten des Einzelnen von den Dingen und Menschen äußerte. Die große praktische Frage war in diesem Zusammenhang der Inhalt des Biologieunterrichts in Deutschlands vielen (und immer noch mehr werdenden) Schulen. Im Gegensatz zu Haeckel war Virchow – übrigens genauso wie du Bois-Reymond – nicht der Meinung, dass Darwins Theorie empirisch ausreichend verankert sei, um in den Schulen gelehrt zu werden. Spekulationen über den Ursprung und die Abstammung des Lebens sollten im universitären Raum diskutiert und nicht Schulkindern gelehrt werden. Zwischen Lehre und Forschung wollte er eine strikte Grenzlinie ziehen: Nur wissenschaftlich fundierte Ergebnisse, keine wissenschaftlichen Fragen, sollten der Öffentlichkeit vermittelt werden. Andernfalls, so Virchow, untergrabe man den Einfluss der Wissenschaft.19 Im folgenden Jahr gab Haeckel eine Erwiderung auf Virchows Rede. In der Zwischenzeit, kaum einen Monat nachdem die Kontroverse zwischen Haeckel und Virchow angehoben hatte, hielt Helmholtz einen eigenen Vortrag zur Freiheit der Wissenschaft. Der Kulturkampf hatte seinen Höhepunkt erreicht, und war in der Wissenschaft ebenso gegenwärtig wie in der Politik.
Über akademische Freiheit (und eine Warnung vor ihrem Missbrauch) Als Rektor hatte Helmholtz die Aufsicht über die Geschäfte der Universität und vertrat sie nach außen. Er saß dem Kuratorium der Universität vor und besprach sich mit den Dekanen der vier Fakultäten, dem Rektor des Vorjahres, einer handver-
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lesenen Gruppe von fünf ordentlichen Professoren und dem Universitätsrichter. Helmholtz war für alles verantwortlich, was intern oder extern geschah. In jenem akademischen Jahr (1877/78) musste er, neben seinen sonstigen administrativen Aufgaben, noch den Umzug in das neue Physikinstitut beaufsichtigen. Auch wegen dieser Verantwortlichkeiten lehnte er die Übernahme der Faraday-Vorlesung ab, als die Chemical Society sie ihm für das Jahr 1878 anbot.20 Am 15. Oktober 1877, dem Tag seines Amtsantritts als Rektor, hielt Helmholtz eine Antrittsrede mit dem Titel »Ueber die akademische Freiheit der deutschen Universitäten«. Angesichts des aktuellen Schlagabtauschs zwischen Haeckel und Virchow und der Dühring-Affäre war es in jenem Herbst Helmholtz’ größtes Anliegen als Rektor, das Wesen der akademischen Freiheit zu erklären und die Berliner Studenten vor deren Missbrauch zu warnen. In jenem Wintersemester waren in Berlin etwa 5000 Studenten immatrikuliert, im folgenden Sommersemester etwa 4300. Jeder von ihnen konnte für Probleme sorgen. Helmholtz wollte die Freiheit der Wissenschaft innerhalb der Universität und innerhalb des autoritären preußisch-deutschen Staatswesens bewahren. Damit reihte er sich in eine längere Tradition ein, die zu Beginn des Jahrhunderts von J. G. Fichte, Friedrich Schleiermacher, Wilhelm von Humboldt und anderen verkündet worden war.21 Helmholtz war der Meinung, an den deutschen Universitäten sei die akademische Freiheit tief und breit verwurzelt, insbesondere im Vergleich zu ihrem relativen Mangel an englischen und französischen Universitäten. Unter Berücksichtigung ihrer Geschichte und Eigenheit erörterte er für deutsche wie ausländische Universitäten verschiedene Aspekte seines Themas: die Lehrfreiheit innerhalb der Grenzen einer Disziplin, die studentische Lernfreiheit, die Merkmale eines guten akademischen Lehrers, das beste Verhältnis zwischen Forschung und Lehre, die Rolle der Privatdozenten und der Wettbewerb unter den deutschen Universitäten. Er stellte die Naturwissenschaft als »ein etwas fremdartiges Element [im] Kreise des Universitätsunterrichts« dar, das für viele strukturelle Veränderungen in den Universitäten verantwortlich sei. Er betonte andererseits, wie er es bereits in seiner Heidelberger Prorektoratsrede von 1862 getan hatte, dass zwischen Geistes- und Naturwissenschaften, trotz aller Unterschiede in Methode und letztendlichem Zweck, »in Wahrheit die engste Verwandtschaft im innersten Wesen der wissenschaftlichen Methode« bestehe. Wenn sich nun an den Universitäten Veränderungen vollzögen, dann nicht nur aufgrund des Aufstiegs der Naturwissenschaften, sondern auch dadurch, dass sich das politische und gesellschaftliche Leben der Außenwelt in den Universitäten bemerkbar mache. Die Studentenschaft sei vielfältiger geworden, der Staat stelle neue Anforderungen an die Universitäten, die Spezialisierung schreite voran, und es würden neue institutionelle Ressourcen (aus externen Quellen) benötigt. Es sei schwer vorauszusehen, welche Anforderungen in Zukunft auf die Universität zukommen würden. Für den Moment jedoch befand Helmholtz, dass die
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deutschen Universitäten zu Hause in Ehren gehalten würden und »die Augen der civilisierten Welt […] auf sie gerichtet« seien. Gerade weil aber alle auf sie blickten, könnten sie sich keinen »falschen Schritt« erlauben. Vor diesem Hintergrund fragte er rhetorisch, was die deutschen Universitäten so erfolgreich gemacht habe. Worin bestand ihr institutioneller Kern? Was war ihr »unberührbares Heiligthum«? Und was konnte, falls nötig, über Bord geworfen werden?22 Die große Transformation der mittelalterlichen zur modernen deutschen Universität sei darauf zurückzuführen, so Helmholtz, dass der Staat zum Hauptträger der Universitäten wurde. Der Staat erhielt damit das Recht, an der Leitung der Universität mitzuwirken. Im Gegensatz dazu hatten sich die englischen Universitäten – womit Oxford und Cambridge gemeint waren, da Helmholtz die schottischen und die neueren »Red Brick«-Universitäten außen vor ließ – kaum verändert. Tatsächlich blieben sie im Grunde »Schulen für Kleriker«. Ihre Studenten und Fellows gehörten zu Englands wohlhabender Elite mit entsprechendem Lebensstil. Das Unterrichtsniveau entspreche in etwa dem eines guten deutschen Gymnasiums, urteilte Helmholtz. Anspruchsvoll seien nur die Prüfungen, die hauptsächlich aus dem Wiederkäuen ausgewählter Inhalte aus ausgewiesenen Lehrbüchern beständen; nur in Einzelfällen umfassten sie fortgeschrittene Kenntnisse in Spezialgebieten. Den Hauptteil des Unterrichts übernahmen die Fellows der Colleges, und zwar in ihrer Eigenschaft als Privatlehrer. Es gab nur wenige Professoren, von denen einige nicht einmal auf dem Campus oder in der Nähe des Campus wohnten; sie hielten schlecht besuchte Vorlesungen über Spezialthemen, die nur für wenige fortgeschrittene Studenten von Interesse waren. Die Colleges selbst waren vollständig voneinander getrennt, nur die Durchführung von Prüfungen, die Verleihung akademischer Grade und die Ernennung von Professoren waren gemeinsame Universitätsangelegenheiten. Laut Helmholtz trug die Kombination aus kirchlichem Einfluss, Fellowship-System und persönlichen Verbindungen zur Politisierung der Wissenschaft an den englischen Universitäten bei. Gleichwohl gebe es dort viele herausragende Einzelwissenschaftler. Auch verschaffe das Fellowship-System zumindest einigen talentierten Männern die Zeit, um Forschung zu betreiben, auch wenn sie selbst als Studenten nie mit echter Forschung in Berührung gekommen seien.23 Helmholtz erkannte an, dass die englischen Universitäten gebildete Männer hervorbrächten, auch wenn diese in politischer und religiöser Hinsicht engstirnig seien. Die Studenten könnten sich hier ein ausgezeichnetes Verständnis für die Antike aneignen, und sie lernten, gut zu sprechen. In diesen beiden Punkten hielt er die Ausbildung der deutschen Studenten für mangelhaft und er meinte, dass die deutschen Universitäten darin dem englischen Beispiel folgen sollten. Außerdem legten die englischen Universitäten großen Wert auf körperliche Fitness, was er sehr begrüßte (und er warnte die deutschen Studenten vor dem »Missbrauch des Tabaks und der berauschenden Getränke«); er würdigte auch die schöne physische Umge-
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bung und die große Bedeutung von Spiel und sportlichem Wettkampf an den englischen Universitäten. Auch in diesen Bereichen hielt Helmholtz das englische System für überlegen gegenüber dem deutschen.24 Helmholtz’ hartes Urteil über Oxford und Cambridge blieb weder unbemerkt noch unwidersprochen – einige Gelehrte waren da doch anderer Meinung. Der Engländer Walter Copland Perry, der über eine solide Kenntnis des deutschen Universitätswesens verfügte, widersprach Helmholtz in der Deutschen Rundschau scharf. Helmholtz erwiderte, ihre Differenzen seien weitgehend semantischer Natur, wobei er einräumen musste, dass an beiden englischen Universitäten mittlerweile Reformen eingeleitet worden seien – inspiriert durch das deutsche Beispiel, wie er betonte –, sodass seine Kritik etwas verspätet komme. Auch stammte sein Wissen über die englischen Universitäten teils aus Büchern, teils aus persönlichen Gesprächen – vielleicht habe er ein zu düsteres Bild gemalt, lenkte er ein. Auch Max Müller widersprach Helmholtz’ Darstellung vehement; seiner Meinung nach waren die englischen Universitäten in puncto Governance und Unabhängigkeit ihren staatlich geförderten deutschen Pendants überlegen. Sogar Edmund Atkinson, ein Übersetzer von Helmholtz-Texten ins Englische, meinte, mit einigen Behauptungen sei Helmholtz zu weit gegangen, und die nach 1854 an den englischen Universitäten stattgehabten Reformen stünden auch dagegen.25 Auf jeden Fall falsch war Helmholtz’ Behauptung, die Akademiker in Cambridge dürften nicht über den Darwinismus diskutieren. Im Jahr 1875 war der Darwinismus in den Naturwissenschaften vielmehr sogar in den Rang von Prüfungsaufgaben erhoben worden. Auf der anderen Seite gab es eine ganze Anzahl britischer Wissenschaftler, die Helmholtz’ Standpunkt vorbehaltlos teilten. Im Jahr 1868 hatte Huxley in Oxford und Cambridge mehr oder weniger die gleichen Schlussfolgerungen über die universitäre Ausbildung und Forschung gezogen wie Helmholtz im Jahr 1877. Roscoe, der die deutschen Universitäten aus erster Hand kannte, teilte Helmholtz’ Ansicht über die Unzulänglichkeiten von Oxford und Cambridge voll und ganz, insbesondere was die Naturwissenschaften betraf, und hatte dies einige Jahre vor Helmholtz sogar in gedruckter Form geäußert. In ähnlicher Weise hatte Maxwell im Jahr 1873 bedauert, dass die Zahl der britischen Naturwissenschaftler und Wissenschaftsstudenten zwar ebenso zunehme wie die allgemeine wissenschaftliche Bildung, bei all dem jedoch »die originäre Forschung, die Quelle des Wohlstands einer Nation«, in Großbritannien rückläufig sei.26 Oxford und Cambridge waren in puncto wissenschaftliche Lehre und Fortschritt der Wissenschaft seit 1850 mehrfach zum Gegenstand offizieller Untersuchungen geworden – etwa durch die Oxford University Commissions von 1850/51 und 1877, die Devonshire Commission von 1870 und weitere. Als Hauptproblem wurde ein ungenügendes Niveau in der Forschung erkannt. Im Jahr 1873 erinnerte die Devonshire Commission beide, Oxford und Cambridge, an die Bedeutung wissenschaftli-
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cher Forschung für Universitäten und zog einen Vergleich zur Berliner Universität, bei dem sie schlecht wegkamen. Ganz ähnlich konstatierte Matthew Arnold in seinem Buch Higher Schools and Universities in Germany (1868, zweite Ausgabe 1882) eine deutliche Unterlegenheit der englischen (und französischen) Universitäten gegenüber ihren deutschen Pendants. Zumindest was die Vermittlung von Fachwissen betraf, hielt er sie für kaum mehr als hauts lycées.27 Der Helmholtz-Freund Henry Wentworth Acland, der ein führender Verfechter der Wissenschaftsreform in Oxford war, hatte darauf gedrängt, dass eine wissenschaftliche Grundausbildung in den Lehrplan aufgenommen werden sollte. Bis 1877 hatten die liberalen Köpfe in Oxford die Mehrheit der Fakultät sogar dazu bewegt, einem naturwissenschaftlichen Abschluss prinzipiell zuzustimmen. Darüber hinaus eröffnete Oxford im Jahr 1869 das Clarendon Laboratory (unter Cliftons Leitung) und Cambridge im Jahr 1873/74 das Cavendish Laboratory (unter Maxwells Leitung). Zumindest in der Physik und unter einer Reihe herausragender Direktoren (Maxwell, Rayleigh und J. J. Thomson) wurde Cambridge zu einem weltweit anerkannten Zentrum der Forschung. Im Jahr 1873 bekam Oxford außerdem ein neues Observatorium und konnte Ende der 1870er-Jahre auch sein Chemielabor erweitern. Oxford schien also in den 1870er-Jahren in eine neue Phase der Stärke einzutreten. Doch Clifton forschte nicht, und zwar während seiner ganzen, ein halbes Jahrhundert dauernden Tätigkeit nicht. Also siechte die Physik in Oxford dahin. Der Chemieprofessor William Odling hielt es ähnlich wie Clifton. All dies führte dazu, dass die Naturwissenschaften in Oxford und Cambridge ab der Jahrhundertmitte zwar allmählich an Ansehen gewannen, in Oxford mit anderen wissenschaftlichen Institutionen allerdings »nicht Schritt halten« konnten. Was die wissenschaftliche Forschung in Oxford betraf, stand Helmholtz mit seiner Beurteilung keineswegs allein da.28 In den anhaltenden Auseinandersetzungen um die Hochschulbildung in Großbritannien flammte ein altes Problem wieder auf, das im späten 17. Jahrhundert seinen Anfang genommen hatte. Zunächst wurde es als die »Schlacht der Bücher« (Battle of the Books) und in Frankreich als der »Streit der Alten und der Neuen« (Querelle des Anciens et des Modernes) bekannt, bis es im Jahr 1959 C. P. Snow schließlich unter den Begriff der »Two Cultures« fasste. Es ging dabei um den Konflikt zwischen jenen, die wie Arnold den Unterrichtsschwerpunkt an Schulen und Universitäten auf die Geisteswissenschaften legen wollten, und jenen, die wie Huxley für einen stärkeren Akzent auf den Naturwissenschaften eintraten.29 Für Helmholtz, wie für deutsche Denker im Allgemeinen, ging es nicht um »zwei Kulturen« und das richtige Gleichgewicht zwischen ihnen; vielmehr ging es um die Einheit unter »den Wissenschaften« als Ganzem. Für die Deutschen gab es nur eine Kultur. Danach wandte sich Helmholtz kurz den französischen Universitäten zu, die er nicht aus erster Hand kannte. Er hatte nur wenige französische Kollegen und keine französischen Freunde. Dennoch vertrat er die Meinung, die französischen Uni-
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versitäten seien das genaue Gegenteil der englischen. Sie hätten alles Historische über den Haufen geworfen und versuchten stattdessen, alles auf Rationalität auszurichten. Die französischen Universitäten seien zu »reinen Unterrichtsanstalten« für spezialisierte Berufe geworden, mit festen Ordnungen und Lehrveranstaltungen, vielen Regeln und häufigen Prüfungen. Sie existierten getrennt von den grandes écoles, und selbst die einzelnen Fakultäten einer Universität hätten nichts miteinander zu tun. Der Unterricht an den französischen Universitäten beschränke sich auf gesichertes Wissen, das geordnet und gut verständlich vermittelt werde. Aber die tieferen Grundlagen des bekannten Wissens, Zweifel daran oder Ungewissheiten blieben unbemerkt. Das Wort des Dozenten werde nie infrage gestellt. Es war in Helmholtz’ Augen die Art von Unterricht, die für den durchschnittlichen Studenten, der sich auf einen klar definierten Berufsweg vorbereitet, gut geeignet ist. Der französische Staat unterstützte seine Universitäten finanziell kaum, sodass die Lehrer für ihr Einkommen weitgehend auf die Studiengebühren angewiesen waren. Die Studenten untereinander bildeten keine Gruppensolidarität aus und waren keiner universitären Aufsicht unterworfen. Ausgeglichen wurde dieses höchst negative Bild nur dadurch, wie Helmholtz herablassend hinzufügte, dass Frankreich als Nation »begabt, lebhaft und ehrgeizig« sei.30 Seine Einschätzung war einigermaßen zutreffend, aber es fehlte ihr an Ausgewogenheit, da er die grandes écoles nicht weiter thematisierte. Die französischen Universitäten des 19. Jahrhunderts, oder genauer gesagt die Rolle der Naturwissenschaft dort, schnitt im Vergleich mit dem deutschen universitären Wissenschaftsbetrieb in der Tat schlecht ab. Die Wissenschaftler an französischen Universitäten konnten ihre Ideale von einer freien und universellen Wissenschaft nur schwer mit der Tatsache in Einklang bringen, dass sie streng kontrollierte Staatsbeamte waren, die sich weitgehend der Lehre widmeten und kaum Gelegenheit zur Forschung hatten. Allgemein herrschte ein Gefühl der institutionellen Stagnation vor. In den 1860er- und 1870er-Jahren gab es gewisse Reformbemühungen, die auf eine größere wissenschaftliche Unabhängigkeit und die Einrichtung moderner Laboratorien, Zeitschriften und Gesellschaften sowie auf neue Finanzierungsformen abzielten. Doch vor 1870 waren die Wissenschaftler an französischen Universitäten in erster Linie Gelehrte, deren wichtigste Aufgabe, wie Helmholtz erklärte, in der Lehre lag, wobei besondere rhetorische Fähigkeiten gefordert waren, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Erst ab den späten 1870er-Jahren verlagerte die universitäre Wissenschaft den Schwerpunkt auf die Forschung und spielte zunehmend eine vom Staat unabhängige Rolle. Einige französische Wissenschaftler verwiesen auf die deutsche Universität als institutionelles Modell, obwohl viele sie auch als die größte Rivalin betrachteten.31 Dann kam Helmholtz auf sein Hauptthema zu sprechen: die deutschen Universitäten. Diese unterschieden sich von ihren englischen und französischen Pendants
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dadurch, dass es ihnen an eigenen finanziellen Mitteln und politischer Unabhängigkeit vom Staat mangele; sie seien traditionell der staatlichen Autorität und Macht unterworfen, und das Verhältnis sei zeitweise ziemlich feindselig gewesen. Im vergangenen Jahrhundert hätten die deutschen Staaten jedoch ein positiveres Verhältnis zu ihren Universitäten entwickelt, da die für Kultur und Bildung zuständigen Beamten zumeist selbst an den Universitäten ausgebildet worden seien und der Ruhm der Universitäten eines Staates diesen in ein gutes Licht setzte. Während der politischen Umwälzungen vom Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1806) bis zur Gründung des Deutschen Kaiserreiches (1871) hätten die deutschen Universitäten, so Helmholtz, »einen viel grösseren Kern innerer Freiheit und zwar der werthvollsten Seiten dieser Freiheit gerettet, als in dem gewissenhaft conservativen England und dem der Freiheit stürmisch nachjagenden Frankreich«.32 Genauer gesagt genössen die deutschen Studenten größere Lernfreiheit, die es ihnen erlaube, nach eigenem Gutdünken zu lernen oder Nachforschungen anzustellen. Das bedeute, dass in der Universität eine »alte Auffassung der Studirenden als selbstverantwortlicher junger Männer« vorherrsche, »die aus eigenem Triebe die Wissenschaft suchen und denen man es frei überlässt ihren Studienplan sich einzurichten, wie sie es für gut befinden«. Abgesehen von Studiengängen, bei denen der Staat im Rahmen seiner Aufsicht über gewisse Berufe von den Studenten spezielle vorberufliche Kurse zur Vorbereitung auf bestimmte Examensteile verlangte, stellten die Universitäten es den Studenten völlig frei, bei jedem beliebigen Dozenten, der an einer deutschsprachigen Universität Veranstaltungen anbot, diese in der von ihnen gewünschten Reihenfolge zu besuchen oder eben auch nicht. Darüber hinaus bedeute Lernfreiheit auch, dass die Universität ihre Studenten im außeruniversitären Leben nicht beaufsichtigte. Dies hatte in Helmholtz’ Augen weitreichende Auswirkungen. Dazu gehörte, dass ein Student sich in ehrenhafter, friedlicher, anständiger und allgemein verantwortlicher Weise zu verhalten habe. Andernfalls, so warnte er, könne ein Eingreifen der Behörden notwendig werden, oder die Studenten könnten sogar unter eine solche Aufsicht gestellt werden, wie es an englischen Universitäten üblich sei. Daher forderte er die Studenten auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ihre Lernfreiheit zu bewahren und sie an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Freiheit bedeute Verantwortung. All dies habe »das Beste und Edelste« hervorgebracht, »was das Menschengeschlecht bisher im Stande war an Wissen und Anschauungen zu gewinnen«, weil die Studenten »in freundschaftlichem Wetteifer« miteinander und »in täglichem geistigen Verkehr mit Lehrern« stünden. Es fördere zudem die intellektuelle Unabhängigkeit, behauptete Helmholtz, und als Beispiel nannte er seine eigene Erfahrung als Student bei Johannes Müller.33 Das zweite Charakteristikum der deutschen Universität bestand für Helmholtz in der Lehrfreiheit. Auch hierin unterschieden sich die deutschen Universitäten von den englischen und französischen. Deutsche Hochschullehrer qualifizierten sich für
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die Lehre in der Regel durch ihre nachgewiesene Befähigung zur Forschung. Dazu gehöre auch die an deutschen Universitäten bestehende Verpflichtung zur Habilitation. Die Fähigkeit, Forschung zu betreiben, sei ohne Frage »die hauptsächlichste Qualification des Lehrers« – ein Standpunkt, der Engländer und Franzosen in Erstaunen versetze, die »mehr Gewicht […] auf die Fähigkeit in wohlgeordneter klarer Form, und wo möglich in beredter, die Aufmerksamkeit fesselnder und unterhaltender Weise die Gegenstände des Unterrichts auseinanderzusetzen« legten. Die Deutschen dagegen standen nach Helmholtz’ Beobachtung rhetorischen Fähigkeiten im Unterricht eher gleichgültig oder gar misstrauisch gegenüber und vernachlässigten sie oft. Natürlich sei es aber leichter, musste Helmholtz zugeben, einem klar strukturierten Vortrag zu folgen, und einige deutsche Universitätslehrer seien zwar wissenschaftlich sehr begabte und originelle Persönlichkeiten, aber unbestreitbar schlechte Redner. Dennoch sei es ihm lieber, wenn sich jemand mit dem Inhalt seiner Vorträge gut auskannte und aus eigener wissenschaftlicher Erfahrung sprach, als wenn jemand Inhalte lediglich in einen gut gehaltenen Vortrag zu kleiden wusste. Und in der Tat schienen auch die deutschen Studenten so zu denken, denn sie besuchten hauptsächlich Vorlesungen von wissenschaftlich versierten, wenn auch pädagogisch mittelmäßigen Dozenten. Das deutsche Universitätssystem vertraute also darauf, dass seine Studenten – als einem weiteren Aspekt von Lernfreiheit – zwischen dem Oberflächlichen und dem Tiefgründigen unterschieden. Es ermutigte die Studierenden, »selbst zu den Quellen des Wissens« zu gehen, »soweit diese in Büchern, Denkmälern, oder in Versuchen und in Beobachtungen natürlicher Objecte und Vorgänge liegen«. Das sei auch der Sinn und Zweck von Bibliotheken, Sammlungen und Laboratorien, wobei gerade die Letzteren in Deutschland allem überlegen seien, was man anderswo finden könne.34 Helmholtz betonte, »oft genug« sei die Freiheit, zu lernen und zu lehren, nicht geschützt worden, weder in den deutschen Ländern noch in anderen Nationen. Aber die Zeiten hätten sich, zumindest im neuen Deutschland, geändert. »Die vorgeschrittene politische Freiheit des neuen deutschen Reichs hat auch hierfür Heilung gebracht. In diesem Augenblicke können auf deutschen Universitäten die extremsten Consequenzen materialistischer Metaphysik, die kühnsten Speculationen auf dem Boden von Darwin’s Evolutionstheorie ebenso ungehindert wie die extremste Vergötterung päpstlicher Unfehlbarkeit vorgetragen werden.« Individuelle Motive sollten nicht infrage gestellt, Gegner nicht persönlich angegriffen, verleumdet oder anderweitig diffamiert werden, und illegale Betätigung dürfe nicht gefördert werden. Ein solches Verhalten war in der Wissenschaft nicht zulässig. (Helmholtz hatte dabei, neben anderen, vermutlich Zöllner und Dühring im Sinn.) Abgesehen davon stehe jede wissenschaftliche Frage oder Angelegenheit zur freien, ungehinderten Diskussion offen, was für englische und französische Universitäten nicht gelte, und nicht einmal für das Collège de France.35
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Helmholtz erklärte seinen Zuhörern und Lesern auch, dass habilitierte Privatdozenten an deutschen Universitäten die gleichen gesetzlichen Rechte hätten wie die ranghöheren Professoren, wobei Letztere jedoch die Kontrolle über Gerätschaften, Labore und Budgets ihrer Institute besaßen und für die Abnahme der studentischen Prüfungen zuständig waren. Für Ausländer war die Institution des Privatdozenten laut Helmholtz der erstaunlichste Aspekt im deutschen Universitätswesen überhaupt, den sie neidvoll betrachteten. Es verblüffte sie, dass sich so viele junge Gelehrte und Naturforscher für solche Positionen interessierten, die kein festes Gehalt boten – sondern nur die Einnahme kleiner Vorlesungsgebühren von ihren Hörern – und keine gesicherte Zukunft. Ebenso werde mit Erstaunen registriert, dass die Professoren diese Dozenten bereitwillig akzeptierten (obwohl sie eine potenzielle Konkurrenz darstellten, konnten sie doch selbst von einem Tag auf den anderen Professoren werden). Daher komme es hier zu einem »einigermassen delicaten Verhältnisse«.36 Das war euphemistisch ausgedrückt. Helmholtz unterschätzte die schwierige wirtschaftliche und berufliche Situation der Privatdozenten stark. Bei der Auswahl neuer Fakultätsmitglieder und Dozenten sah Helmholtz die potenziell besten Dozenten bevorzugt. Das liege erstens daran, dass jeder möglichst viele und besonders gute Studenten für seine Veranstaltungen gewinnen wolle – nicht zuletzt deshalb, weil ein beträchtlicher Teil des Einkommens eines Dozenten von der Anzahl seiner Studenten abhing. Zweitens wolle jeder von »ausgezeichneten Collegen« umgeben sein. Daraus folge, dass »das Gespenst der Rivalität zwischen den Universitätslehrern« – von dem in der Öffentlichkeit immer wieder die Rede war – gar nicht existiere, wenn Dozenten und Studenten nur »von rechter Art« seien. Tatsächlich könne eine solche Rivalität nur an den größeren Universitäten auftreten, wo es gelegentlich zwei Vertreter desselben Fachgebiets gab. Aber, so Helmholtz weiter, in solchen Fällen wüssten die beiden Männer in der Regel am besten, wie sie das jeweilige Fachgebiet aufteilen konnten, und machten ihre Disziplin gemeinsam stark, ohne dass die Studenten deshalb fortblieben. Nur dann, wenn einer der beiden beruflich unsicher sei, entfalteten solche Rivalitäten eine »unerfreuliche Wirkung«.37 Die institutionelle Anziehungskraft der Universitäten zeige sich darin, so Helmholtz, dass es in Deutschland nur wenige »bahnbrechende Männer« gebe, die außerhalb des Universitätssystems arbeiteten; als Ausnahmen nannte er etwa David Strauß, der aus »kirchlichen oder politischen Gründen« ausgeschlossen wurde, die Brüder Humboldt und Leopold von Buch, die als Mitglieder einer Akademie der Wissenschaften allerdings ebenfalls das Recht hatten, an einer Universität zu lehren. In England sei das Gegenteil der Fall. Deutsche Wissenschaftler würden von deutschen Universitäten angezogen, weil sie dort erwarten könnten, gut vorbereitete, fleißige und unabhängig denkende Studenten vorzufinden. »So zieht sich durch die ganze Organisation unserer Universitäten diese Achtung vor der freien
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selbständigen Überzeugung, die«, so glaubte Helmholtz, »den Deutschen fester eingeprägt ist als ihren Arischen Verwandten Romanischen und Celtischen Stammes. Bei diesen wiegen politisch praktische Motive schwerer. Sie bringen es fertig, wie es scheint in aller Aufrichtigkeit, den forschenden Gedanken zurückzuhalten von der Untersuchung solcher Sätze, die ihnen als das nothwendige Fundament ihrer politischen, socialen und religiösen Organisation undiscutierbar erscheinen; sie finden es vollständig gerechtfertigt ihre jungen Männer nicht über die Grenze hinausschauen zu lassen, die sie selbst nicht zu überschreiten Willens sind.« In Frankreich und England könne, im Gegensatz zu Deutschland, »von freier Überzeugung nur noch in bedingter Weise die Rede sein«.38 Abschließend betonte er, wie wichtig es sei, einen unabhängigen Standpunkt zu entwickeln und beizubehalten. Auch wenn sich der Staat in der Vergangenheit in die universitären Angelegenheiten eingemischt habe, so habe er doch die Meinungsfreiheit an den Universitäten nie vollständig ausgemerzt: »In ihrem innersten Herzen haben [die Staaten] das Vertrauen nicht fallen lassen, dass die Freiheit allein die Missgriffe der Freiheit und das reifere Wissen die Irrthümer des unreiferen heben könne.« Es bedürfe harter Arbeit, betonte er, um zu einem unabhängigen Standpunkt zu gelangen. Von der Reformation bis zur Gegenwart habe Deutschland »im Vorrang dieses Kampfes« gestanden. Er erklärte: »Ihm ist eine erhabene, weltgeschichtliche Aufgabe zugefallen, und Sie [die Studenten] sind jetzt berufen, daran mitzuarbeiten.«39 Mit dieser Rede richtete sich Helmholtz in erster Linie an die Berliner Studenten, und sie war auch eine Warnung vor der Art von Studentenprotesten, zu denen es im Rahmen der Dühring-Affäre gekommen war. Schon kurze Zeit später war sie in gedruckter Form allgemein zugänglich (und wurde damit zu einem Bestandteil des Kulturkampfes). Es folgte eine Besprechung in der Nationalzeitung und eine Übersetzung ins Französische samt Veröffentlichung in der Revue des Cours Littéraires et Scientifiques. Dass Helmholtz’ Lagebeschreibung allzu rosig war und dazu noch parteiische und chauvinistische Züge trug, ist offensichtlich. Es war die bei Weitem politischste der vielen Ansprachen von Helmholtz. Tatsächlich gehörte sie in eine Reihe mit den Reden von du Bois-Reymond, Haeckel, Virchow und anderen, die jeweils auf ihre Weise das Thema der akademischen Freiheit und damit die Sorge um den Zustand des deutschen Universitätssystems behandelt hatten.40 Die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, obwohl durch die preußische Verfassung und die Reichsverfassung garantiert, geriet ganz offensichtlich unter Druck. In den 1860er- und 1870er-Jahren kam es in Deutschland zu einer intellektuellen wie politischen Autoritätskrise, zu der wachsende religiöse Voreingenommenheit und ein rascher wirtschaftlicher Wandel beitrugen. Die aufgeheizte Atmosphäre umfasste viele Facetten: das Unfehlbarkeitsdogma des Papstes und seine allgemein antimoderne Haltung; Bismarcks Behauptungen, die deutschen Katho-
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liken seien Rom gegenüber loyaler als gegenüber Berlin; weit verbreiteter Antisemitismus; du Bois-Reymonds antifranzösische Rede während des Deutsch-Französischen Krieges; die Schriften von Renan und Strauß, in denen der historische Jesus neu bewertet wurde; Virchows Reden über die Bedeutung der Wissenschaft für die deutsche Nation und seine Kulturkampf-Rede vor dem preußischen Parlament; du Bois-Reymonds Reden über die deutschen Universitäten und die Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis; die mit dem Darwinismus verbundenen Fragen, also ob er gelehrt werden sollte und was allgemein über die Ursprünge der Menschheit daraus folgte; die ganzen Kriege der letzten Zeit gegen Dänemark, Österreich und Frankreich und die damit einhergehende Gründung eines neuen deutschen Reiches von oben; die Angriffe auf die sozialdemokratische Partei; und nicht zuletzt die deutsche Finanzkrise nach 1873, die auf eine zu schnelle wirtschaftliche Entwicklung und zügellose Finanzspekulation zurückzuführen war. All dies machte die Atmosphäre so angespannt, in der Helmholtz seine Rede über die akademische Freiheit und die deutschen Universitäten hielt.
Über Philosophie und Philosophen Im Großen und Ganzen hatte Helmholtz ein distanziertes und manchmal angespanntes Verhältnis zur deutschen Philosophengemeinde. In seiner Heidelberger (ab 1862) und Berliner Zeit (ab 1872) war er mit dem Philosophiehistoriker, neukantianischen Erkenntnistheoretiker und Theologen Zeller befreundet. Aber abgesehen von Zeller, dessen Frau mit Anna Helmholtz verwandt war, pflegte er keine Freundschaften mit Philosophen, und er nahm ganz sicher nicht an ihren Fachdiskussionen teil. Während er in Königsberg, Bonn, Heidelberg oder Berlin lehrte, hatte er bestenfalls minimale kollegiale Kontakte zu den Philosophen vor Ort. Ihm missfiel die gesamte philosophische Sichtweise, die von Hegel, Schelling und ihren Epigonen ausging, zu denen auch Schopenhauer und Eduard von Hartmann zu zählen sind. (»Einen ›Montblanc neben einem Maulwurfshaufen‹ nennt sich Schopenhauer, wenn er sich mit einem Naturforscher vergleicht. Die Schüler bewundern das grosse Wort und suchen dem Meister nachzuahmen.«) Zwar erhielt er intellektuelle Unterstützung von Johann Erdmann, Benno Erdmann, Friedrich Ueberweg (von diesem aber auch Kritik), Kuno Fischer und Zeller. Aber er hatte keine nennenswerte Beziehung zu Immanuel Herrmann Fichte, trotz der Verehrung seines Vaters Ferdinand für die Schriften und die Person Johann Gottlieb Fichtes und trotz Immanuel Herrmanns positiver Aufnahme von Helmholtz’ Arbeiten zu Sinneswahrnehmung und Sinnesphysiologie.41 Obwohl die Gelehrten viel und bisweilen heftig darüber gestritten haben, ob oder inwieweit Helmholtz als »Kantianer« bezeichnet werden kann, bleibt die Tatsache bestehen, dass Helmholtz’ Kant ein selektiver Kant war. Mit der Kritik der rei-
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nen Vernunft war Helmholtz zweifellos gut vertraut, unbekannt ist allerdings, ob das auch für die Kritik der praktischen Vernunft und die Kritik der Urteilskraft gilt. Wahrscheinlich kannte er die Letztere recht gut, da es dort um Ästhetik und die natürliche Teleologie geht; an manchen Stellen lesen sich seine Schriften über die Künste fast schon wie eine Glosse dazu. Zu Kants moralischem oder politischem Denken hat Helmholtz sich nie im Druck oder in der Öffentlichkeit geäußert. Kants Bedeutung für Helmholtz lag also vor allem in der Erkenntnistheorie (und damit verbundenen methodologischen Fragen, soweit sie die Wissenschaft betrafen), wie sie in der Kritik der reinen Vernunft begegnete. Wahrscheinlich ebenso passend hob Helmholtz (auch) die Bedeutung von Kants »vorkritischen Schriften« hervor, in denen es vor allem um die exakten Wissenschaften und die Naturphilosophie geht. Mit Sicherheit gelesen hat er die Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755). Er schrieb, »der jugendliche Kant« sei ein herausragender Wissenschaftler gewesen, und vermutete, nur ein Mangel an wissenschaftlichen Hilfsmitteln, die starke philosophische Strömung der Zeit und sein isoliertes Leben in Königsberg hätten Kant von der Wissenschaft weg und hin zur reinen Philosophie geführt. Helmholtz beklagte dessen in seinem 57. Lebensjahr (1781) stattgehabte Wandlung vom Naturphilosophen zum Philosophen.42 Auch war es schwerlich »kantianisch«, erst implizit Kants Wahrnehmungstheorie zu kritisieren (wie Helmholtz es im Jahr 1855 in seiner Kant-Gedenkrede tat) und dann sogar explizit (und sei es noch so behutsam) Kritik an Kants Raum- und Wahrnehmungstheorie zu äußern (wie er es 1867 im Handbuch und später durch seine Äußerungen zur nichteuklidischen Geometrie tat). Helmholtz’ Wissenschaft enthält schlicht zu wenig, das es rechtfertigen würde, ihn als »Kantianer« zu bezeichnen – was immer dieses Etikett genau bedeuten mag –, und sein philosophischer Standpunkt ergibt kaum mehr Anhaltspunkte in dieser Richtung. Tatsächlich begegnen manche Differenzen, Ambiguitäten und Ambivalenzen in Helmholtz’ Ansichten zu Kants Philosophie. Kant war für Helmholtz sehr allgemein gesprochen wohl dreierlei: ein allgemeiner Rahmen, in den er als junger Wissenschaftler, der an der Einleitung zu Ueber die Erhaltung der Kraft (1847) schrieb, seine naturwissenschaftliche Arbeit stellen konnte; ein Impuls, um sich mit erkenntnistheoretischen Fragen zu beschäftigen, und als Wissenschaftler insbesondere die Instrumente und andere methodologische Werkzeuge, die dem Wissenserwerb dienten, kritisch zu hinterfragen; und ein Akzent darauf, wie wichtig die Naturwissenschaften für die Philosophie waren – ein Akzent, der das Ziel und die Hoffnung in sich trug, die beiden am Ende einander anzunähern. Darüber hinaus repräsentierte der »Kantianismus« für Helmholtz eine breite kulturelle Haltung: gegen Persönlichkeiten wie Hegel und Schopenhauer, für die zentrale Bedeutung der Vernunft im Leben, für ein aufklärerisches Weltbild der Toleranz in allen menschlichen Angelegenheiten. Im Jahr 1868 hatte Helmholtz an du Bois-Reymond geschrieben: »Die Philosophie ist übrigens ein heilloses Wespennest, an dem man gar nicht rühren sollte.«
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Etwa in den Jahren von 1869 bis 1871 scheint Helmholtz dann wieder Hoffnung auf ein besseres, produktiveres Verhältnis zwischen Naturforschern und Philosophen gefunden zu haben. Im Jahr 1869 schrieb er an Ludwig, er habe »absichtlich« eine Pause von der Arbeit in physiologischer Optik und Psychologie eingelegt und fühle sich nun durch physiologische Überlegungen angeregt, seine »elektrischen Studien« wieder aufzunehmen. Er berichtete, dass er erst kürzlich die Veröffentlichung von zwei Abhandlungen über die tatsächlichen Grundlagen der Geometrie (1868) abgeschlossen habe, und fuhr dann fort: »Ich fand, dass das viele Philosophieren zuletzt eine gewisse Demoralisation herbeiführt und die Gedanken lax und vage macht.« Zwei Jahre später, im Jahr 1871, schrieb der Philosoph und Theologe Johann Erdmann an Helmholtz, er habe aus seinen Schriften viel gelernt. Helmholtz antwortete diplomatisch, er sei sehr froh, »dass sich allmählig ein besseres Verständniss zwischen Philosophen und Naturforschern wieder eröffnet«. Er hoffe, »dass beide sich wieder so eng an einander schliessen werden wie es in alter Zeit war. Ich habe das Bedürfniss einer solchen Vereinigung immer gefühlt, da ich an den Grenzen der Wissenschaft herumarbeitete, theils an den allgemeinsten geometrischen und mechanischen Axiomen wegen der Erhaltung der Kraft, theils an der Lehre von den Wahrnehmungen«. Er äußerte jedoch einige Zweifel an Erdmanns Äußerung, man solle Naturgesetze als »einen subjektiven Schein« verstehen. Ein Jahr später äußerte er sich dann gegenüber dem Historiker Wilhelm Oncken noch pessimistischer über die Philosophie: »Die ganze Philosophie hat sich zur Zeit in Deutschland in Geschichte der Philosophie verflüchtigt; oder die wenigen Philosophen, die noch etwas Anderes zu treiben versuchen, sind einflußlos und vereinzelt, abgesehen von der den Schwächen der Zeit schmeichelnden Schopenhauerschen und Hartmannschen Metaphysik.« Damit nicht genug: Aus Verzweiflung an der Metaphysik hat man aufgegeben auch das zu treiben, was die Philosophie ganz berechtigter Weise leisten könnte und sollte, nämlich die Kritik der Erkenntnißquellen und die Methodenlehre des wissenschaftlichen Denkens. Das ist freilich ein viel unscheinbareres Geschäft, als die speculative Construction von Gott und Welt; aber schon bestraft es sich mit vielen Seiten, daß man es vernachläßigt hat. Positiver Inhalt ist meines Erachtens für die Philosophie nur durch Untersuchung der thatsächlichen Wege unseres Erkennens von seinen Anfängen in den Sinnesempfindungen an wieder zu gewinnen.43 Er vertrat – in anerkannt führender Position – den Neukantianismus (oder genauer gesagt, eine Version davon), vor allem, was die Ablehnung der Metaphysik und die starke Gewichtung der Erkenntnistheorie betraf. Sein Kant war der epistemologische Kant, nicht der metaphysische. Das war auch seit seiner Rede aus dem Jahr
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1855 über die menschliche Wahrnehmung seine öffentlich vertretene Position gewesen. Seine eigenen Äußerungen, ob öffentlich oder privat, lassen zudem vermuten, dass er spätestens im Jahr 1868 – bei allem Respekt gegenüber den zahlreichen Wissenschaftsphilosophen, die ihn in eine lange Reihe von philosophisch orientierten Wissenschaftlern stellen wollten, die von Galilei bis Einstein und Bohr reichte – nur noch sehr wenig von der Philosophie und ihrem Nutzen für die Wissenschaft hielt. Mitte der 1870er-Jahre wurde er sogar von seinen neukantianischen Kollegen wegen seiner Schlussfolgerungen über die (neue) nichteuklidische Geometrie und darüber, was diese für die Wahrheit von Kants Vorstellungen von Raum und Wahrnehmung bedeuteten, kritisiert (siehe unten). Diese Distanz gegenüber den Vertretern der Philosophie zeigte sich auch daran, dass Helmholtz nur zwei Artikel in Philosophiezeitschriften veröffentlichte, beide Male auf Anfrage. Im Jahr 1874 schrieb George Croom Robertson, Professor für mentale Philosophie und Logik am University College London, Helmholtz in einem Brief, dass er eine neue Zeitschrift mit dem Titel Mental Science Quarterly gründen wolle – die am Ende doch Mind hieß. Er hoffte, dass Helmholtz für diese neue Zeitschrift einen Artikel über visuelle Wahrnehmung schreiben werde. Robertson wollte Philosophie und Psychologie einander annähern, und ein Artikel von Helmholtz über die Wahrnehmung war genau das, was er brauchte, um diesem Ziel näherzukommen. Helmholtz lehnte ab und empfahl Robertson stattdessen, bei Donders, Pflüger, Mach oder Fechner (»unseren ehrwürdigen Veteranen der Psychophysik«) anzufragen. Er fügte jedoch hinzu, er hoffe, eines Tages für Robertson etwas zu einem anderen Thema schreiben zu können, nur fehle ihm derzeit ein geeignetes Thema. »Ich rechne und hoffe von Jahr zu Jahr auf etwas freie Zeit, um meine Gedanken über Erkenntnisstheorie zusammenhängend niederschreiben zu können, aber meine Zeit ist so in Anspruch genommen, dass ich niemals dazu komme.« In Deutschland, so klagte er, seien seine Ansichten so oft auf »so viel Missverständnisse« und »so viele metaphysische Voreingenommenheit« von idealistischer wie materialistischer Seite gestoßen, dass er hoffe, eines Tages seinen gesamten erkenntnistheoretischen Standpunkt in seiner ganzen Komplexität in einem einzigen Aufsatz darstellen zu können. Aber es werde wohl noch eine Weile dauern, bis seine Ansichten verstanden würden, und er frage sich, ob es die Mühe überhaupt wert sei.44 Ende des Jahres 1875 hatte er endlich etwas, das er Robertson schicken konnte: die Druckfahne seines zur Veröffentlichung anstehenden Artikels über den Ursprung und die Bedeutung der geometrischen Axiome, der im folgenden Jahr im Rahmen seiner Populären wissenschaftlichen Vorträge erscheinen sollte. Der erste Teil des Aufsatzes war bereits in der Academy erschienen, aber der zweite Teil war »ganz neu«. Er hatte wesentliche Änderungen daran vorgenommen, damit er philosophisch genug war, um eine Veröffentlichung in Mind zu rechtfertigen. Robertson antwortete postwendend, dass er den Text für Mind haben wolle.45
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Was als »The Origin and Meaning of Geometrical Axioms« in Mind erschien, entsprach der deutschen Fassung, die im Juli 1876 im Druck vorlag. Diese wiederum war eine leicht erweiterte und überarbeite Version des Vortrags »Über den Ursprung und die Bedeutung der geometrischen Axiome«, den Helmholtz im Dozentenverein in Heidelberg im Jahr 1870 gehalten hatte; die deutsche Druckfassung enthielt lediglich am Anfang vier zusätzliche Absätze. Später sollte Helmholtz seinen deutschen Lesern erklären, der Aufsatz sei »durch die unglaublichen Missverständnisse und Entstellungen veranlasst worden, denen Riemann’s und meine Arbeit in der philosophischen Polemik begegnet war«.46 In der deutschsprachigen Fassung des Aufsatzes fügte Helmholtz eine Fußnote ein, in der er Wilhelm Tobias’ kürzlich geäußerten Vorwurf (in Grenzen der Philosophie, constatirt gegen Riemann und Helmholtz, vertheidigt gegen von Hartmann und Lasker, 1875) zurückwies, er (Helmholtz) habe Kant (und mehr) missverstanden. Helmholtz zitierte drei Abschnitte aus Kants Kritik der reinen Vernunft, um zu belegen, dass er Kant sicher nicht missverstanden habe. Offenbar wollte er den Eindruck vermeiden, Kant zu kritisieren, dessen Name in den drei Versionen von Helmholtz’ Aufsatz kaum auftaucht. Doch der Hauptkritikpunkt an Kants Sicht auf die Ursprünge der Geometrie – und damit das Wesen des Raumes – war ein entscheidender: In welchem Verhältnis standen Kants Erkenntnistheorie und die Ursprünge der Geometrie zueinander? Helmholtz stellte Kants Behauptung, auf dem Feld der Geometrie seien synthetische Sätze a priori möglich, vorsichtig infrage. Er räumte ein, dass solche Sätze tatsächlich als Form transzendentaler Anschauung möglich seien, das heißt ohne jede Beziehung zu empirischen Inhalten oder mechanischen Aussagen. Aber wenn man erst einmal reale, empirische Inhalte hinzufüge, seien alle Arten von Geometrien (zum Beispiel euklidische, sphärische und pseudosphärische) möglich. Entgegen der Behauptung Kants sei die euklidische Geometrie nicht die einzige.47 Stattdessen gab es, wie Helmholtz und Mathematiker wie Beltrami, Klein und Lie gezeigt hatten, zumindest mehrere Arten von Geometrie. Diese Entwicklung war eine entscheidende Herausforderung (und, wie manche befürchteten, womöglich der Todesstoß) für das neukantianische Denken. Mit Jan Pieter Nicolaas Land, Professor für Philosophie an der Universität Leiden, fanden Kant und die Neukantianer einen weiteren Verteidiger. In der Januar-Ausgabe der Zeitschrift Mind des Jahres 1877 erklärte Land, dass Helmholtz’ »bemerkenswert moderne Spekulationen« über den nichteuklidischen Raum »wahrscheinlich als eine der Hauptschwierigkeiten begrüßt werden dürften, mit denen die Kant’sche Raumtheorie« sich werde beschäftigen müssen. Doch hinter Helmholtz’ Argument, so Land, stecke »ein grundlegender Fehler«, der offenbar »viele Adepten der positiven Wissenschaft« daran hindere, »die wahre Natur der Probleme zu erkennen, die zur Erkenntnistheorie oder kritischen Metaphysik gehören«. Dieser Fehler liege darin, »zu vergessen, dass es unmöglich ist, sich gleich-
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zeitig auf beiden Seiten der Grenze« zwischen Wissenschaft und Philosophie zu bewegen. »Wer sie überschreitet«, so belehrte der praktisch unbekannte niederländische Professor hochmütig einen der besten und erfahrensten Wissenschaftler Europas, »verschiebt sowohl sein Problem als auch seine Methode«. Wahrheit in der Wissenschaft sei eine Sache des Sammelns einer ausreichenden Menge an Beobachtungen und des »korrekten Schlussfolgerns«; in der Philosophie dagegen sei es gerade die Wahrheit selbst, die geklärt werden müsse. Die Wissenschaft, wie fehlbar ihre Ergebnisse auch sein mochten, basiere auf der Welt der Sinnesdaten. Dies gelte auch für die Geometrie, die Land als empirische Wissenschaft betrachtete. Er behauptete, die Epistemologie habe mit Geometrie oder Physik nichts gemein. »Die Begriffe ›Objektivität‹ und ›Realität‹, die bisher gleichgesetzt werden, müssen sorgfältig auseinandergehalten werden, weil es sonst unmöglich wird, die strittigen Fragen auch nur zu verstehen.« Laut Land können die »Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung« nicht »rechtmäßig als Beweismittel gegen philosophische Lehrsätze verwendet werden«, die die Gültigkeit der wissenschaftlichen Forschung verneinen. In einem beleidigenden, persönlichen Angriff gegen Helmholtz schrieb Land: Einem Wissenschaftler, der frisch von der Sinnesphysiologie kommt, fällt es schwer, sich vor Augen zu halten, dass das wahrnehmende, sich vorstellende und denkende »Subjekt« der Philosophie nicht ganz dasselbe ist wie das, mit dem er sich in seinen früheren Arbeiten auseinandersetzen musste. Dort betrachtete er es als eine Einheit von Körper und Geist, als Teil einer Klasse von Objekten in der Welt, die wir beobachten. Hier ist es nichts weiter als das Korrelat eines jeden Objekts, der Beobachter und Denker, der ihnen allen entgegengesetzt ist. Der Naturforscher [gemeint ist Helmholtz] ist an diese Art der Abstraktion nicht gewöhnt und arrondiert sie rasch zum vollen anthropos der Physiologie, ohne sich bewusst zu sein, dass er die fatale Grenze überschritten hat, und dass ein großer Teil des in seinem eigenen Fachgebiet gängigen Schlussfolgerns hier keine Gültigkeit mehr hat. Land erklärte, die Vorstellungskraft der Kantianer reiche nicht über drei Dimensionen hinaus. Die nichteuklidischen Objekte, die Beltrami und Helmholtz erdachten, seien für die Kantianer unvorstellbar, »es sei denn, der Begriff der Vorstellbarkeit wird weit über das hinaus ausgedehnt, was Kantianer und andere unter diesem Wort verstehen«. Der einzige vorstellbare Raum sei der euklidische Raum, der Raum des »Sinnes-Erlebens«. Die »kantianische Raumtheorie« war laut Land eine Form der Intuition, a priori und transzendental.48 Helmholtz war zweifellos ganz und gar nicht erfreut, von einem niederländischen Professor über die Grenze zwischen Wissenschaft und Philosophie und
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(verbotene) Grenzüberschreitung belehrt zu werden. Im April 1877 schrieb er Robertson, er wolle auf Lands Kritik in Mind antworten, sei aber momentan »durch offizielle Angelegenheiten behindert«. Er hoffe jedoch, seine Antwort bis Juli an Robertson schicken zu können. Später im Monat wiederholte Helmholtz gegenüber James Sully die Klage, dass ihm die Zeit fehle, einen längeren Beitrag zur Erkenntnistheorie zu verfassen. Sully war ein ehemaliger Helmholtz-Schüler, inzwischen Philosoph und Psychologe, und wurde später Robertsons Nachfolger am University College. Er hatte Helmholtz um eine Ausarbeitung seiner Ansichten zur räumlichen Wahrnehmung gebeten. Helmholtz antwortete ihm: »Zeit ist für mich eine der grössten Seltenheiten geworden, d. h. freie Zeit ohne Ermüdung.« Er hatte schon lange geplant, ein Buch über Raumwahrnehmung zu schreiben, sich sogar Notizen dazu gemacht, aber ihm fehlte die nötige Zeit. Stattdessen empfahl er Sully Bücher von August Classen, der »strenger Kantianer« sei: »Ich theile seine Ansichten grossen Theils nicht.«49 Schließlich veröffentlichte Helmholtz im April 1878 in Mind eine lange, bissige Erwiderung auf Lands Kritik. Er argumentierte gegen jeden einzelnen von Lands Punkten und wies sie alle zurück, wobei er seine eigene Position im Wesentlichen in zwei Punkten zusammenfasste: Erstens sei die physikalische Geometrie eine Wissenschaft, deren Aussagen der Erfahrung entstammten; und zweitens sei »Wissenserwerb über Axiome durch transzendentale Intuition«, die keine Grundlage in der Erfahrung habe, nichts weiter als eine Hypothese, die weder bewiesen noch notwendig noch relevant sei.50 Helmholtz’ Antwort an Land (und seine anschließende philosophische Rede »Die Thatsachen in der Wahrnehmung«) scheint seine Gegner wenig befriedigt zu haben. Manche bezweifelten schon allein die Vorstellung einer nichteuklidischen Geometrie, darunter zunächst sogar einige wenige Mathematiker (zum Beispiel Angelo Genocchi). Sowohl Zöllner als auch Dühring hatten Helmholtz dafür geschmäht, dass er die nichteuklidische Geometrie erst erdacht und dann auch noch populär gemacht hatte. Albrecht Krause sah in Helmholtz’ Aufsatz über den Ursprung und die Bedeutung geometrischer Axiome aus dem Jahr 1876 einen »Angriff« auf die Grundfesten des Kantianismus. Auch der russische Philosoph Nikolaj Gawrilowitsch Tschernyschewskij – der führende Kopf des russischen Nihilismus, einer der ersten russischen Materialisten und ein führender Sozial- und Literaturkritiker – bemängelte Helmholtz’ Ansichten zur Geometrie und zu Kant in demselben abfälligen Ton und mit derselben herablassenden Rhetorik, die auch Dühring verwendete, und behauptete darüber hinaus, Helmholtz habe Kant nicht verstanden.51 Zusammen mit Jevons, Tobias und anderen schafften es seine Kritiker, ihn hinreichend zu ärgern; einigen antwortete er sogar. Naturgemäß degradierte die nichteuklidische Geometrie die Geometrie Euklids zu lediglich einer von mehreren (ja unzähligen) möglichen Geometrien. Nur jemand
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wie Helmholtz, dessen Name so eng wie kein anderer mit einem klassischen Verständnis von Wissenschaft und von Denken im Allgemeinen verbunden war, konnte es sich erlauben, Euklid nur einen Platz unter vielen in der geometrischen Diskussion zuzuweisen. Dazu kam, dass gerade als die nichteuklidische Geometrie in den 1870er-Jahren allmählich an Boden gewann, die neue spiritistische Bewegung sich den Begriff der »vierten Dimension« zu eigen machte, was der nichteuklidischen Geometrie in manchen Kreisen einen schlechten Ruf einbrachte. Die Spiritisten nahmen die nichteuklidische Geometrie – mit ihrer vierten Dimension und im Falle von Helmholtz sogar imaginären Geschöpfen, die zum Verständnis verschiedener Dimensionen beitrugen (oder auch nicht) – als wissenschaftlichen Indikator für die Existenz einer spirituellen Welt. Angesichts seiner zahlreichen Kritiker und seines eigenen Wunsches, seine Erkenntnistheorie ausführlicher darzulegen, hatte Helmholtz noch eine unerledigte philosophische Aufgabe zu erfüllen.
»Die Thatsachen in der Wahrnehmung« Helmholtz erfüllte diese Aufgabe ein Jahr, nachdem er Robertson und Sully mitgeteilt hatte, dass ihm die Zeit und die Gelegenheit fehle, einen längeren Text über Erkenntnistheorie zu schreiben – inzwischen hatte er beides gefunden. Das Ergebnis war seine Abschiedsvorlesung als Rektor mit dem Titel »Die Thatsachen in der Wahrnehmung«. Um sie umfassend zu würdigen, muss man allerdings ihren unmittelbaren politischen Kontext kennen. Das Jahr 1878 markierte einen Wendepunkt im politischen Leben Deutschlands. Es brachte das Ende des Freihandels, ein erneutes Aufflammen des Antisemitismus, den Tod von Papst Pius IX. (und damit die Versöhnung zwischen Bismarck und der katholischen Zentrumspartei), das Sozialistengesetz und zwei Attentate auf das Leben von Wilhelm I., wobei ihn der zweite Attentäter schwer verletzte. In jenem Sommer ergriff eine Belagerungsmentalität und eine regelrechte Hysterie das Land – selbst unbedachte Äußerungen über den Kaiser wurden der Polizei gemeldet, und die Behörden erhoben eine noch nie dagewesene Zahl von Anklagen wegen Majestätsbeleidigung.52 In Deutschland, und insbesondere in Berlin, herrschte eine angespannte politische Atmosphäre. Das Land vollzog einen Rechtsruck. Helmholtz gingen die Attentatsversuche persönlich nahe. Annas Bruder Ottmar hatte Zugang zur königlichen Familie und erzählte Helmholtz, dass der Kaiser nun die rechte Hand bandagiert trug und am Stock ging. Helmholtz gingen zwei Dinge im Kopf herum, wie er Anna gegenüber äußerte: Er hatte beschlossen, bei den anstehenden Wahlen für die Konservativen (und insbesondere für ihren Kandidaten Feldmarschall Helmuth von Moltke) zu stimmen, weil diese pro-Bismarck und pro-deutsch eingestellt seien, und nicht wie sonst für die Nationalliberalen, die ein Bündnis mit der Fortschrittspartei geschlossen hatten. Die andere Sache war
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seine Abschiedsvorlesung als Rektor, an der er im Juli ständig arbeitete. Er zog dafür verschiedene Titel in Erwägung: Vielleicht würde er sie »Was ist wirklich?« nennen oder, unter Verwendung einer seiner liebsten Zeilen Lyrik, »Alles Vergängliche ist nur ein Gleichniss« (aus Goethes Faust) oder »Ein Gang zu den Müttern« oder, nüchterner ausgedrückt, »Principien der Wahrnehmung«.53 Auf jeden Fall spiegelte die konservative Ausrichtung der Rede die Wende wider, die ganz Deutschland in jenem Jahr vollzog: weg vom Liberalismus und hin zum Konservatismus. Als Rektor der Universität war Helmholtz auch direkt an der Reaktion auf die Attentate beteiligt. Karl Nobiling, der den zweiten Attentatsversuch auf den Kaiser (am 2. Juni) verübte, war Sozialist und gehörte einer Studentenorganisation an, die sich Akademische Lesehalle nannte. Vor allem dank des sozialistischen Kustos der Lesehalle schaffte die Organisation aktiv sozialistische Zeitungen und andere radikale Literatur an. Die Lesehalle wurde unter die Aufsicht des Universitätssenats gestellt, dem Helmholtz in seiner Eigenschaft als Rektor vorstand. Kurz nach Nobilings Attentat ließ Helmholtz die beiden studentischen Anführer der Lesehalle, Mommsen und Georg Beseler, einen liberalen Juristen, vorladen. Er kündigte eine Durchsuchung der Räumlichkeiten der Lesehalle an, bei der dann sozialistische Zeitungen und andere radikale Literatur gefunden wurden, woraufhin die Studenten zunächst dem Kustos kündigten. Es wurde ihnen zudem mitgeteilt, dass sie von der Polizei überwacht würden und dass weitere Maßnahmen gegen die Organisation ergriffen würden. Da beschlossen die Studenten, die Lesehalle ganz zu schließen, und teilten Helmholtz mit, dass sie ihr Amt mit sofortiger Wirkung niederlegten.54 In dieser politisch aufgeladenen Situation hielt Helmholtz zum Abschluss seiner einjährigen Amtszeit als Rektor seine Rede. Er sprach am 3. August 1878, einem hohen Festtag an der Universität, an dem der Geburtstag ihres Gründers, des »vielgeprüften Königs Friedrich Wilhelm III.«, gefeiert wurde. Für die Zeremonie trug Helmholtz seine Rektorenrobe mit ihrem goldenen Mantel. Er sprach eine Stunde lang in der voll besetzten Aula der Universität, was dazu führte, dass es »sehr heiß unter meinem warmen Sammetmantel« wurde.55 Er hatte seiner Vorlesung den Titel »Die Thatsachen in der Wahrnehmung« gegeben und damit Bezug genommen auf seine Schriften von 1855 und aus den 1860er-Jahren über die empirischen Grundlagen der menschlichen Wahrnehmung und die faktischen Grundlagen der Geometrie. In seiner Rede ging es überwiegend um philosophische (insbesondere erkenntnistheoretische) Fragen, doch er begann mit einem kurzen historisch-politischen Rückblick, in dem er die Gründungszeit der Universität beschrieb und sie der Gegenwart gegenüberstellte. Gegründet worden war die Universität im Jahre 1810, im laut Helmholtz prekärsten Moment der Geschichte Preußens, als viel Territorium verloren gegangen war und die Nation sich infolge von Krieg und ausländische Besatzung völlig erschöpft und zutiefst gedemütigt fühlte. Doch rückblickend sei der Moment auch geistig reich gewesen, nämlich
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reich an »Begeisterung, Energie, idealen Hoffnungen und schöpferischen Gedanken«. In der aktuellen Zeit jedoch, in der sich Deutschland und das deutsche Volk in einer »verhältnismässig glänzenden äusseren Lage« befänden, herrsche ein Gefühl von »Neid« angesichts der Kühnheit der Universitätsgründung durch Friedrich Wilhelm in einem solchen Moment der nationalen Not. Der König hatte nach Helmholtz’ Darstellung »Thron und Leben auf das Spiel [gesetzt], um sich der entschlossenen Begeisterung der Nation im Kampfe gegen den [französischen] Ueberwinder anzuvertrauen«, was zeige, dass er ein Mann gewesen sei, bei dem »das Vertrauen auf die geistigen Kräfte seines Volkes wirkte«. Helmholtz beschwor die Kultur der damaligen Epoche herauf: Schiller, Kant, Herder und Haydn waren alle erst kürzlich verstorben; Goethe und Beethoven lebten noch; und unter Deutschlands führenden akademischen Persönlichkeiten waren Männer wie Wilhelm von Humboldt, Barthold Georg Niebuhr, Friedrich August Wolf, Friedrich Carl von Savigny, Friedrich Schleiermacher und Johann Gottlieb Fichte, »der zweite Rector unserer Universität, der gewaltige unerschrockene Redner, [der] seine Zuhörerschaft fort[riss] durch den Strom seiner sittlichen Begeisterung und den kühnen Gedankenflug seines Idealismus«.56 Hegel und Schelling erwähnte Helmholtz mit keinem Wort. Obwohl er auf »die leicht erkennbaren Schwächen der Romantik« hinwies, anerkannte er doch die »schönen Gefühle«, die sie kultiviert hatte, und verteidigte die Bedeutung der Fantasie (auch wenn sie auf Kosten des Verstehens ging), »dem trocken rechnenden Egoismus gegenüber«. Die Romantik habe zwar »viel Eitelkeit« bewiesen, dennoch sei sie »Eitelkeit, die für hohe Ideale schwärmte«. Er sagte, er habe Männer gekannt – seinen eigenen Vater nannte er nicht ausdrücklich, aber er hatte ihn sicher im Sinn –, die sich freiwillig zum Militärdienst gemeldet hatten und dennoch »stets bereit [waren,] sich in die Erörterung metaphysischer Probleme zu versenken«. Solche Männer hätten die großen deutschen Dichter gelesen, »noch glühend vom Zorn, wenn vom ersten Napoleon, von Begeisterung und Stolz, wenn von den Thaten des Befreiungskrieges die Rede war«. Mittlerweile allerdings stellten sich die Dinge völlig anders dar, behauptete er: Man lebe in einer Zeit, »wo sich die cynische Verachtung aller idealen Güter des Menschengeschlechts« auf den Straßen und in der Presse verbreitet habe. Dies habe in »zwei scheußlichen Verbrechen gegipfelt«, die den Kaiser offenbar nur deshalb zum Ziel gewählt hätten, »weil in ihm sich Alles vereinigte, was die Menschheit bisher als würdig der Verehrung und der Dankbarkeit betrachtet hat«. Es koste inzwischen fast schon Mühe, sich an das Gefühl der Einigkeit, der Opferbereitschaft und der patriotischen Begeisterung zu erinnern, das »alle Stände« des deutschen Volkes noch wenige Jahre zuvor empfunden hätten, als die deutschen Länder gegen Frankreich gekämpft hatten und zu einem Reich vereint worden waren. Das Volk habe dies auf »den Ruf« des Monarchen hin getan, behauptete Helmholtz, und ließ Bismarcks zentrale Rolle in diesem Krieg und bei der Reichseinigung unerwähnt. In den acht Jahren, die seither
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vergangen waren, sei es auch immer schwerer geworden, sich daran zu erinnern, dass die gebildeten Schichten »auch den ärmeren Ständen unseres Volkes ein sorgenfreieres und menschenwürdigeres Dasein« ermöglicht hätten. »Es scheint die Art der Menschheit einmal zu sein«, folgerte Helmholtz düster, »daß neben viel Licht immer viel Schatten zu finden ist; und die politische Freiheit giebt zunächst den gemeinen Motiven mehr Schrankenlosigkeit, sich zu zeigen und sich gegenseitig Muth zu machen, so lange ihnen nicht eine zu energischem Widerspruch gerüstete öffentliche Meinung gegenübersteht.« Dennoch glaubte er, es gebe Hoffnung für diese Zeit, auch wenn er davor warnte, sich von einer solchen Hoffnung hinreißen zu lassen. Er hielt es für geboten, dass jeder Einzelne »in dem Kreise, in dem er zu arbeiten hat, und den er kennt, Umschau halte, wie es mit der Arbeit für die ewigen Ziele der Menschheit bestellt ist, ob sie im Auge gehalten werden, ob man sich ihnen genähert hat«. Seine Zuhörer sollten über den »untergeordneten« und »praktisch nützlichen Aufgaben« seiner Generation nicht »die ewigen Aufgaben der Menschheit aus dem Auge« verlieren.57 Diese historisch-politischen Äußerungen waren in Art und Ton deutlich konservativer als jene in seinen Reden von 1862 in Heidelberg und 1869 in Innsbruck und spiegelten sowohl den Wandel der Zeit – den Kollaps des Liberalismus und die Attentate auf den Kaiser – als auch seine eigene veränderte berufliche Situation wider. Immerhin war er nun ein Professor der Physik in der preußisch-deutschen Hauptstadt, gehörte zum innersten Kern des akademischen Establishments und musste Angriffe von Leuten wie Zöllner und Dühring erdulden. Die Rede war Teil des Kulturkampfes. Dann wandte sich Helmholtz von Politik und Geschichte ab und seinem Hauptthema zu: der Erkenntnistheorie. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts sei die Erkenntnistheorie der »Anfang aller Wissenschaft« gewesen. Sowohl die Philosophie als auch die Naturwissenschaft suchten auf ihre je eigene Weise zu erkennen, was wahr sei und welche Ideen mit der Wirklichkeit übereinstimmten. Die Philosophie nähere sich diesem erkenntnistheoretischen Problem unabhängig von der physischen Welt; ihr Reich sei das des Geistes, also der Definitionen, Bezeichnungen, Vorstellungsformen und Hypothesen. Die Naturwissenschaft behalte hingegen »rein übrig […], was der Welt der Wirklichkeit angehört, deren Gesetze sie sucht«. Helmholtz stellte die wissenschaftlichen Reiche der Philosophen und der Naturforscher als komplementär dar. Zwar tauchten erkenntnistheoretische Fragen in allen Wissenschaften auf, dennoch seien sie in »der Theorie der Sinneswahrnehmungen und in Untersuchungen über die Grundprincipien der Geometrie, Mechanik und Physik« unausweichlich. Im Allgemeinen seien sowohl Fakten (Erfahrung) als auch Theorie (Urteil) erforderlich, um zur Wahrheit zu gelangen.58 Er begann mit einer Analyse der Wahrnehmungen, ein Thema, das er natürlich auch im dritten Teil des Handbuchs intensiv behandelt hatte. Er sprach von den verschiedenen Qualitäten der Empfindung, die er im Wesentlichen für übereinstim-
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mend mit Fichtes »Qualitätenkreis« hielt. Gleichzeitig stützte er diese Qualitäten aber auch auf Müllers Ideen, da die Physiologie gezeigt habe, dass die Empfindung nicht »von der Art des äußeren Eindrucks« bestimmt wird, sondern »durch den Sinnesnerven, der von dem Eindruck getroffen worden ist«. Menschliche Empfindungen seien »Wirkungen, welche durch äußere Ursachen in unseren Organen hervorgebracht werden, und wie eine solche Wirkung sich äußert, hängt natürlich ganz wesentlich von der Art des Apparats ab, auf den gewirkt wird«. Insofern die Qualitäten der Empfindung dem Menschen Information liefern über die äußeren Ursprünge, die zu den Empfindungen stimuliert haben, seien sie als Zeichen, nicht jedoch als Abbilder zu betrachten; es gebe keine Ähnlichkeit zwischen dem äußeren Gegenstand und der entsprechenden Empfindung im Körper, wie sie etwa zwischen einer Statue und einer Zeichnung davon bestehe. Es galt laut Helmholtz: »Die Beziehung zwischen beiden [d. h. dem Zeichen und dem, wofür es steht] beschränkt sich darauf, dass das gleiche Object, unter gleichen Umständen zur Einwirkung kommend, das gleiche Zeichen hervorruft, und daß also ungleiche Zeichen immer ungleicher Einwirkung entsprechen.« Dennoch beharrte er darauf, dass »dieser Rest von Ähnlichkeit« zwischen den beiden eine »Abbildung der Gesetzmäßigkeit in den Vorgängen der wirklichen Welt« ergebe. »Jedes Naturgesetz sagt aus, dass auf Vorbedingungen, die in gewisser Beziehung gleich sind, immer Folgen eintreten, die in gewisser anderer Beziehung gleich sind. Da Gleiches in unserer Empfindungswelt durch gleiche Zeichen angezeigt wird, so wird der naturgesetzlichen Folge gleicher Wirkungen auf gleiche Ursachen auch eine ebenso regelmäßige Folge im Gebiete unserer Empfindungen entsprechen.« Zeichen seien daher »doch nicht als leerer Schein zu verwerfen«; vielmehr wiesen sie auf die Existenz eines Gesetzes hin.59 Helmholtz traf dann mehrere wichtige Unterscheidungen, zunächst jene zwischen räumlichen und mentalen Zusammenhängen in der Wahrnehmung. Empfindungen, deren Quellen außerhalb des Körpers liegen, seien räumlich bestimmt. Demnach erscheine uns der Raum auch physisch und »behaftet mit den Qualitäten unserer Bewegungsempfindungen«. Von diesem Standpunkt aus erscheine Raum »als die nothwendige Form der äußeren Anschauung […], weil wir eben das, was wir als räumlich bestimmt wahrnehmen, als Außenwelt zusammenfassen«. Davon unterschied er dasjenige, an dem keine räumlichen Beziehungen wahrnehmbar seien und das wir »als die Welt der inneren Anschauung, als die Welt des Selbstbewußtseins« begriffen. Weiterhin unterschied er zwischen dem, was er als Kreis der »zeitweiligen Präsentabilien« bezeichnete (d. h. »die ganze Gruppe von Empfindungsaggregaten, welche während der besprochenen Zeitperiode durch eine gewisse bestimmte und begrenzte Gruppe von Willensimpulsen herbeizuführen sind«), und dem Kreis der »präsenten« Empfindungen (d. h. »dasjenige Empfindungsaggregat aus dieser Gruppe, was gerade zur Perception kommt«). Diese beiden »Krei-
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se« könnten unter bestimmten Bedingungen ineinander übergehen. Die für den ersteren verantwortlichen Veränderungen nannte er, hierin Fichte folgend, die Kräfte des Ich, die für den letzteren verantwortlichen die Kräfte des Nicht-Ich. Auf diese Weise ließen sich »die wesentlichsten Züge der Raumanschauung« ableiten. Damit stellte er sich bezüglich Raumanschauung (und Geometrie) in Widerspruch zu Kant, ein Punkt, den er noch weiter ausführte.60 Helmholtz bemerkte ferner, dass das »tägliche Leben« – und insbesondere die Kunst – reich an Beispielen dafür sei, wie der Prozess der Bildung von Vorstellungen funktioniere. Das Schauen des Künstlers erfasse eine ruhende oder bewegte Erscheinung, und wenn sich diese Wahrnehmungen oft genug gleichartig wiederholten, würden sie gesetzmäßig. Der Künstler gewinnt dadurch »ein Anschauungsbild des typischen Verhaltens der Objecte, die ihn interessirten, von dem er nachher ebenso wenig weiß, wie es entstanden ist, als das Kind Rechenschaft davon geben kann, an welchen Beispielen es die Bedeutung der Worte kennen gelernt hat«. Der Künstler und der Betrachter (oder Zuhörer) wissen, dass sie »Wahres« erschaut haben, weil der Künstler die wesentlichen, von den Störungen des Zufalls bereinigten Züge eines Gegenstandes oder Vorgangs darstellt. Der dabei ablaufende psychische Prozess ähnele »unbewussten Schlüssen«. (Er fügte jedoch hinzu, dass er ansonsten beschlossen habe, diesen Begriff zu vermeiden, nachdem Schopenhauer und seine Anhänger ihn in verwirrender Weise verwendet hätten.)61 Anschließend erläuterte er kurz seine Verwendung von Lotzes Begriff der »Lokalzeichen« in der visuellen Wahrnehmung sowie seine eigene Unterscheidung zwischen Nativismus und Empirismus in Bezug auf die »erworbene Kenntniss des Gesichtsfeldes«. Die Unterscheidung beruhe auf den Auswirkungen der »gehäuften Gedächtniseindrücke«. Die Nativisten glaubten, das Wissen sei weitgehend »auf einen angeborenen Mechanismus zurückzuführen in dem Sinne, dass bestimmte Empfindungseindrücke bestimmte fertige Raumvorstellungen auslösen sollten«. Helmholtz meinte allerdings, diese Ansicht widerlegt zu haben, indem er feststellte, dass Erfahrung durch Bewegung die »angeborene Anschauung« überwinde. Der Nativismus erkläre nichts, er werfe vielmehr Fragen auf. Er stütze sich zu sehr auf den Glauben, dass Vorstellungen »durch den organischen Mechanismus« produziert werden (im Gegensatz zu der Annahme des Empirismus, dass Vorstellungen von Empfindungen aus der äußeren Welt stammen, die dann »nach den Gesetzen des Denkens« transformiert werden). Zudem seien die Annahmen des Nativismus ganz einfach unnötig. Demgegenüber liege der einzig mögliche Einwand gegen den Empirismus in den motorischen Fähigkeiten »vieler neugeborener oder eben aus dem Ei gekrochener Thiere«. Aber auch hier verwies Helmholtz auf den Lernprozess in den ersten Lebenstagen. Er bezweifelte, dass ein großer Teil des Sehens von den Eltern vererbt und nicht von Neugeborenen gelernt wurde, räumte aber ein, dass diesbezüglich noch mehr Forschung notwendig sei.62
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Er hielt einen extremen subjektiven Idealismus, der sich das Leben als einen Traum vorstellte (wie beispielsweise in Pedro Calderón de la Barcas philosophischem Stück Das Leben ist ein Traum aus dem Jahr 1635), für ebenso unglaubwürdig wie logisch unwiderlegbar. Dasselbe galt für Fichtes Unterscheidung zwischen dem Ich und dem Nicht-Ich, auch wenn Fichte zumindest die anderen Menschen für real gehalten hatte. Für Fichte waren alle individuellen Ichs »Teile oder Ausflüsse des absoluten Ich«. Damit wurde die sie umgebende Welt zur »Vorstellungswelt, welche der Weltgeist sich setzte, und konnte wieder den Begriff der Realität annehmen, wie es bei Hegel geschah«. Die gegenteilige Ansicht, also die Helmholtz’ eigene, bezeichnete er als »realistische Hypothese«. Sie beruhe auf »der gewöhnlichen Selbstbeobachtung, wonach die einer Handlung folgenden Veränderungen der Wahrnehmung gar keinen psychischen Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Willensimpuls haben. Sie sieht als unabhängig von unserem Vorstellen bestehend an, was sich in täglicher Wahrnehmung so zu bewähren scheint, die materielle Welt außer uns«. Die »realistische Hypothese« sei daher »die Grundlage für das Handeln«. Sowohl der Idealismus als auch der Realismus seien »metaphysische Hypothesen, welche so lange sie als solche anerkannt werden, ihre vollkommene wissenschaftliche Berechtigung haben, so schädlich sie auch werden mögen, so bald man sie als Dogmen oder als angebliche Denknothwendigkeiten hinstellen will«. Die Naturwissenschaft und mehr noch »das Handeln« beinhalteten immer metaphysische Hypothesen, »unwürdig eines wissenschaftlich sein wollenden Denkers aber ist es, wenn er den hypothetischen Ursprung seiner Sätze vergisst. Der Hochmuth und die Leidenschaftlichkeit, mit der solche versteckte Hypothesen vertheidigt werden, sind die gewöhnlichen Folgen des unbefriedigenden Gefühls, welches ihr Vertheidiger in den verborgenen Tiefen seines Gewissens über die Berechtigung seiner Sache hegt«. Im Gegensatz dazu sei »das Gesetzliche in der Erscheinung«, das wir wahrnehmen, nicht hypothetisch, da es seinen Ursprung im »Anerkennen einer gesetzlichen Verbindung zwischen unsern Bewegungen und den dabei auftretenden Empfindungen« habe. Die Vorstellungen ergäben sich also effektiv daraus, »dass der Begriff einer in der Zeit wechselnden Reihe von Erscheinungen das zusammenzufassen suchen muss, was in allen ihren Stadien gleich bleibt«. Er zitierte in diesem Zusammenhang aus einem seiner Lieblingsgedichte, Schillers »Der Spaziergang« (1795), einem Gedicht über Freiheit, Fortschritt und Zivilisation. Der Weise, wie der Dichter es formulierte, Sucht das vertraute Gesetz in des Zufalls grausenden Wundern, Sucht den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht.63 Ganz ähnlich hatte er nur vier Monate zuvor in seiner Antwort an Land von dem geistigen Drang der Menschen gesprochen, alles, was geschieht, als gesetzmäßig zu betrachten und damit zugleich als verständlich.64
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Wie Helmholtz bereits bei früheren Gelegenheiten dargelegt hatte, war für ihn ein Gesetz »das gleichbleibende Verhältnis zwischen veränderlichen Größen: das sie verbindende«. Es sei das »erste Product des denkenden Begreifens der Erscheinung«. Gut formulierte und gut verstandene Gesetze seien kausaler Natur. Wenn Wissenschaftler zu der Überzeugung gelangten, dass ein Gesetz »eindeutig bestimmt« sei und dass es für immer und überall existiert habe und existieren werde, »und in allen Fällen: dann erkennen wir [das Gesetz] als ein unabhängig von unserem Vorstellen Bestehendes an und nennen es die Ursache, d. h. das hinter dem Wechsel ursprünglich Bleibende und Bestehende«. Den Begriff der »Kraft« reservierte er hingegen für etwas anderes: Wenn »wir dann das Gesetz als ein unsere Wahrnehmung und den Ablauf der Naturprocesse Zwingendes, als eine unserem Willen gleichwertige Macht anerkennen, nennen wir es ›Kraft‹«. Damit griff er auf Fichte zurück, denn hier unterschied auch Helmholtz zwischen willentlich herbeigeführten und willensunabhängigen Akten. »Der Nachdruck fällt hierbei auf die Beobachtungsthatsache, dass der wahrgenommene Kreis der Präsentabilien nicht durch einen bewussten Act unseres Vorstellens oder Willens gesetzt ist.« Helmholtz behauptete: »Fichtes ›Nicht-Ich‹ ist hier der genau zutreffende negative Ausdruck. Auch dem Träumer erscheint, was er zu sehen und zu fühlen glaubt, nicht durch seinen Willen oder durch die bewusste Verkettung seiner Vorstellungen hervorgerufen zu sein, wenn auch unbewusst das letztere in Wirklichkeit oft genug der Fall sein möchte; auch ihm ist es ein Nicht-Ich. Ebenso dem Idealisten, der es als die Vorstellungswelt des Weltgeistes ansieht.« Das »Wirkliche«, also das Materielle, ist das, »was hinter dem Wechsel der Erscheinungen stehend auf uns einwirkt«. Letztendlich kam Helmholtz zu dem Schluss, dass wir eines trotzdem erreichen könnten, und zwar »die Kenntniss der gesetzlichen Ordnung im Reiche des Wirklichen; diese freilich nur dargestellt in dem Zeichensystem unserer Sinneseindrücke«. Auch hier holte er sich literarische Unterstützung, diesmal Goethes Faust: Alles Vergängliche Ist nur ein Gleichniss. Er sah sich, »wo es sich um weite Ausblicke handelt«, mit Goethe »auf demselben Wege« zur Wahrheit. (Diese Einschätzung war eine völlig andere als im Jahr 1853.) Das Wissen, so Helmholtz schließlich, bleibe lückenhaft: Der Mensch könne nie sicher sein, »die zu Grunde liegenden Substanzen und Kräfte« gefunden zu haben. Es werde immer ein gewisses Vertrauen in die Gesetzmäßigkeit all unserer Beobachtungen brauchen, und damit gleichzeitig auch ein »Vertrauen auf die Begreifbarkeit der Naturerscheinungen«. Wenn wir voraussetzen, dass das Begreifen abgeschlossen werden kann, dass die letztendliche Ursache aller Veränderungen
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ermittelbar ist, so sei das Denkprinzip, dem wir dabei folgen, »das Causalgesetz«, welches »das Vertrauen in die vollkommene Begreifbarkeit der Welt« zum Ausdruck bringe. »Das Begreifen, in dem Sinne, wie ich es beschrieben habe, ist die Methode, mittels deren unser Denken die Welt sich unterwirft, die Thatsachen ordnet, die Zukunft voraus bestimmt.«65 Für Helmholtz ist also das Kausalgesetz »wirklich ein a priori gegebenes, ein transcendentales Gesetz«; dennoch sei es der Erfahrung unterworfen. Hier gelte nur der eine Rat: »Vertraue und handle!« Im Großen und Ganzen fand er Kants Philosophie bei der Wahrheitsfrage am überzeugendsten, obwohl er bei untergeordneten Fragen – wie dem Wesen der Anschauung, insbesondere hinsichtlich der geometrischen Axiome – anderer Meinung war. Während Kant dachte, die Axiome seien transzendentalen Ursprungs, hielt Helmholtz sie für empirisch bedingt. Doch solange sich die Naturwissenschaft darauf beschränke, »die Gesetze des Wirklichen« zu suchen, bleibe sie auf sicherem Boden, und werde »von idealistischen Zweifeln nicht getroffen. Solche Arbeit mag bescheiden erscheinen im Vergleich zu den hochfliegenden Plänen der Metaphysiker«, so Helmholtz. »Etwas von dem Blicke des Künstlers, von dem Blicke, der Goethe und Lionardo [sic] da Vinci auch zu grossen wissenschaftlichen Gedanken leitete, muss der rechte Forscher immer haben. Beide, Künstler und Forscher, streben, wenn auch in verschiedener Behandlungsweise, dem Ziele zu neue Gesetzlichkeit zu entdecken. Nur muss man nicht müssiges Schwärmen und tolles Phantasiren für künstlerischen Blick ausgeben wollen. Der rechte Künstler und der rechte Forscher wissen beide recht zu arbeiten und ihrem Werke feste Form und überzeugende Wahrheitstreue zu geben.« Im Gegensatz dazu sagten »die ungeheuerlichen Ausgeburten Indischer Träumerei«, die Scholastik und die Metaphysik im Allgemeinen, wenig über die Wirklichkeit aus. Sieben Jahre nach der Veröffentlichung von Darwins The Descent of Man und Helmholtz’ eigenen Ausführungen über die Ursprünge des Lebens (beide im Jahr 1871) beendete Helmholtz seine Rektoratsrede mit folgenden Worten: Wir, Stäubchen auf der Fläche unseres Planeten, der selbst kaum ein Sandkorn im unendlichen Raume des Weltalls zu nennen ist, wir, das jüngste Geschlecht unter den Lebendigen der Erde, nach geologischer Zeitrechnung kaum der Wiege entstiegen, noch im Stadium des Lernens, kaum halb erzogen, mündig gesprochen aus gegenseitiger Rücksicht, und doch schon durch den kräftigeren Antrieb des Causalgesetzes über alle unsere Mitgeschöpfe hinausgewachsen und sie im Kampf um das Dasein bezwingend, haben wahrlich Grund genug stolz zu sein, dass es uns gegeben ist »die unbegreiflich hohen Werke« in treuer Arbeit langsam verstehen zu lernen, und wir brauchen uns nicht im Mindesten beschämt zu fühlen, wenn dies nicht gleich im ersten Ansturm eines Icarusfluges gelingt.66
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Hier, wie auch anderswo und früher schon, beschrieb er das Universum und die Menschheit mit evolutionären Maßstäben. Die Rektoratsrede samt ihrer veröffentlichten Schriftform war Helmholtz’ wichtigste und umfassendste Darstellung seiner erkenntnistheoretischen Ansichten und rundete seine früheren Arbeiten von 1855 und 1866/67 ab. Helmholtz stützte sich dabei grundlegend auf eine Mischung aus Kant, Fichte und Müller, auf den Empirismus im Allgemeinen und insbesondere auf seine eigenen Erkenntnisse in physiologischer Optik und nichteuklidischer Geometrie. Helmholtz war Opportunist und Pragmatiker: Er verwendete alles, von dem er dachte, es könnte funktionieren. Tatsächlich nahm er sogar Bezug auf die romantisch-philosophische Sicht von Ferdinand Helmholtz zur ästhetischen Bildung des Menschen. Im Jahr 1837 hatte Ferdinand erklärt: »[N]ur in der That lebt der Geist wahrhaft, als schöpferische Kraft der Erscheinung, die die Natur bildet nach ihrer Klarheit.« Philosophie- und Wissenschaftshistoriker haben Helmholtz und besonders seine Rektoratsrede als eine Hauptfigur beziehungsweise einen Kerntext der neukantianischen Bewegung betrachtet. Vor allem wegen seiner antikantianischen Ansichten zur Raumwahrnehmung wurde allerdings auch darüber debattiert, inwieweit man ihn zu Recht als Kantianer bezeichne.67 »Neukantianisch« mag überhaupt ein zu eng gefasstes Etikett sein, um für Helmholtz zu passen. Seine philosophische Position basierte nicht überwiegend auf einer einzigen Quelle (außer seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit). Auf Helmholtz’ intellektuell anspruchsvolle, philosophische Ansprache folgte eine weitere Stunde mit Gesang und Preisverleihungen. Die Rede war so weit planmäßig verlaufen, doch war es wenig verwunderlich, dass einige seiner Kollegen, die ebenfalls ihre schweren akademischen Talare trugen, dabei eingeschlafen waren. Immerhin hatte Helmholtz an einem heißen Augusttag in Berlin eine Stunde lang in einem warmen Raum zu einem so tiefgründigen Thema gesprochen. Beifall kam von seinen engen Kollegen Zeller, du Bois-Reymond und Kronecker, aber die meisten enthielten sich jeglichen Kommentars. An Anna schrieb Helmholtz: »Ich wußte übrigens, dass es nicht nach dem Geschmack der Majorität sein würde. Ich aber hatte mir gesagt, wenn ich einmal arbeiten müßte, so wollte ich auch etwas machen, an dessen Ausarbeitung ich selbst Interesse hätte; denn schließlich ist es immer besser, daß sie mich zu gelehrt finden, als zu trivial.«68 Wie bei manch anderer derart philosophischer Rede war es vielleicht besser, sie zu lesen als sie zu hören. Ziemlich viele Menschen wollten sie jedenfalls lesen. Schon wenige Tage nach der Ansprache fragte der Heidelberger Musikwissenschaftler Ludwig Nohl bei Helmholtz wegen eines Exemplars an. Der überzeugte Nationalist und Liberale Bluntschli aus Heidelberg teilte Nohl seine Meinung mit, die Rede werde die »idealen Interessen an den deutschen Universitäten« fördern und so »die schlimmen Folgen eines krassen Materialismus« vermeiden. Andere,
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wie Borchardt, bedankten sich einfach bei Helmholtz für die Zusendung eines Exemplars der Rede. Die Schriftstellerin Marie von Olfers, eine Freundin der Familie, schrieb Helmholtz, sie und ihr Mann seien von der Rede »begeistert«. »Über Traum und Wahrheit – Schein oder Wirklichkeit habe ich mir schon viel Gedenken gemacht.«69 Für jene, die bereits mit Helmholtz’ philosophischen Ansichten vertraut waren, enthielt die Rede wenig Neues, doch sie bestätigte, dass Helmholtz im Jahr 1878 zu einem maître à penser geworden war. Nach Absolvierung der Rektoratsrede kehrte Helmholtz Berlin den Rücken und reiste, nach einem kurzen Aufenthalt bei seiner Familie in Ambach, allein weiter in die Schweiz und nach Italien, um sich dort fünf oder sechs Wochen lang auszuruhen und zu regenerieren. Zum ersten Mal besuchte er Davos. Mitte September ging es dann nach Pontresina und von dort aus weiter nach Italien. Er traf sich zunächst mit dem italienischen Mathematiker Francesco Brioschi, der eine auch politisch einflussreiche Figur und der Gründer des Mailänder Polytechnikums (1863) war, und dann mit Ruggiero Bonghi, der bis 1876 italienischer Bildungsminister gewesen war und die medizinische Fakultät in Italien nach deutschem Vorbild reformieren wollte. Aus Nervi schrieb er Anna einen Brief über die lokale Flora, aus Siena einen über die Architektur der Stadt (vor allem die Kathedrale) und ihre Gemäldesammlungen: »Um Siena ganz gerecht zu werden, müsste man sich tiefer in die Kunsthistorien vertiefen, als es mir bisher gelungen ist.«70 Von dort fuhr er nach Neapel, um Dohrn und die noch junge Zoologische Station zu besuchen. Die natürliche Umgebung Neapels fand er »wirklich unglaublich schön«. Er besuchte das örtliche Museum und besichtigte die Kunstwerke von Pompeji: »Obgleich fast aller Schmuck von den Wänden genommen ist, bleibt der merkwürdige Eindruck einzig in seiner Art und macht einen hohen Eindruck von der Civilisation einer kleinen Provinzialstadt jener Zeit und von deren Handwerkskünsten und Luxus.« Er verbrachte mehrere Tage am Vesuv, der auf ihn großen Reiz ausübte. Er kletterte in den Krater hinab und es gelang ihm, unverbrannt durch heiße Lava wieder herauszukommen. »Es ist eine einzige Gelegenheit, Dinge zu sehen, die man sich doch nicht vorstellen kann, wenn man sie nicht [mit eigenen Augen] gesehen hat. Nachdem ich so viel über innere Erdwärme philosophiert habe, musste ich sie doch auch einmal vor Augen haben.« Er und Dohrn spazierten durch die neapolitanische Landschaft und unternahmen (gemeinsam mit Dohrns Frau) »eine herrliche Seefahrt« an Bord der Johannes Müller, des Dampfschiffs der Station, nach Amalfi. Auf der Rückreise nach Berlin besuchte er Boll in Rom und schließlich Florenz.71 Die Besuche bei Dohrn und Boll waren keine reinen Freundschaftsbesuche, die ihm die Gelegenheit boten, mit jüngeren, aufstrebenden Kollegen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Seit dem Jahr 1871 hatte Helmholtz Dohrn beim Aufbau der Station unterstützt, indem er in Berlin um finanzielle Unterstützung dafür warb. Er hatte sich auch für Boll eingesetzt, und als dieser im Jahr 1879 starb, sorgte er mit
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anderen für die Veröffentlichung einiger hinterlassener Manuskripte über physiologische Optik.72 Auch auf diese praktische Weise bemühte er sich weiterhin, die Wissenschaft voranzubringen. Weder Helmholtz’ Verteidigung der nichteuklidischen Geometrie noch seine philosophische Analyse erkenntnistheoretischer Fragen der Wahrnehmung scheinen seine eingefleischten Gegner besonders interessiert zu haben. Das Gefühl beruhte mehr oder weniger auf Gegenseitigkeit. Im Jahr 1881 schickte Lipschitz Helmholtz einen erkenntnistheoretischen Aufsatz, den er kürzlich veröffentlicht hatte, mit dem Hinweis, seine Ansichten ähnelten Helmholtz’ eigenen. Helmholtz antwortete: Ich habe mit Interesse gesehen, dass Sie auch auf meine Ideengänge in der Erkenntnisstheorie gefallen sind. Das ist mir lieb und macht mir Muth, obgleich ich die Hoffnung gänzlich aufgegeben habe, eine Reformation der Philosophie selbst noch zu erleben. In meinen Gedanken schimpfe ich wie Schopenhauer auf die Philosophen von Fach; aber ich will es nicht zu Papier bringen. Jeder liest nur sich selbst und ist unfähig, sich in die Gedanken Anderer hineinzudenken. Wenn ich aber sehe, dass die Mathematiker [wie Lipschitz] und Physiker allmählich in meine Wege einlenken, so habe ich wenigstens Hoffnung für die Zukunft. Seine Verachtung für die Philosophen, wenn nicht für die Philosophie selbst, war erkennbar, blieb aber privat. Während des nächsten halben Jahrhunderts, das auf die Rede von 1878 folgte, fanden seine Ansichten zur Erkenntnistheorie und zu Raum und Geometrie immer neue Anhänger, neue Gegner – und eine Mischung aus beidem. Helmholtz galt als ein führender Neukantianer. Hermann Cohen, Wilhelm Wundt, Henri Poincaré, Ernst Mach, Alois Riehl, Leonhard Nelson, Bertrand Russell, Ernst Cassirer, Moritz Schlick und andere verfolgten das Thema weiter und argumentierten für oder gegen einzelne Punkte, die Helmholtz in »Die Thatsachen in der Wahrnehmung« und anderen erkenntnistheoretischen Schriften zum Ausdruck gebracht hatte.73 Helmholtz bemühte sich, seine Erfahrungen mit der Philosophie und den Philosophen an seinen Sohn Robert weiterzugeben. Zwar freute es ihn, dass sich Robert für Philosophie interessierte, aber er ermahnte ihn, zunächst ein breit angelegtes Studium der Naturwissenschaften zu absolvieren, bevor er sich mit Philosophie beschäftigte. »Von 100 Leuten, die sich auf die Philosophie werfen, sind 99 nichts als geistige Bummler, welche hohe Ziele erreichen möchten, ohne Mühe daran zu wenden – sie aber noch nie erreicht haben.« Die vorrangige Befassung mit Wissenschaft sei die Grundlage für die anschließende Beschäftigung mit Erkenntnistheorie, auch wenn dies »wenig Aussicht auf Zustimmung von der Masse der Phi-
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losophie-Dilettanten« habe. Diese Art von Stellungnahme veranlasste wiederum Maxwell zu der Aussage, Helmholtz sei »kein Philosoph im ausschließlichen Sinne, wie Kant, Hegel, [und Henry] Mansel Philosophen sind, sondern einer, der Physik und Physiologie verfolgt und dabei nicht nur die Fähigkeit erwirbt, Desiderata zu entdecken, sondern auch die Weisheit, zu erkennen, was ein Desideratum ist«.74
22 Noch ein »Anti-Helmholtz« Zöllners erneute Attacke und der Spiritismus Ungeachtet des Titels hatte der erste Band von Zöllners Wissenschaftlichen Abhandlungen (1878) so gut wie nichts mit substanziellen wissenschaftlichen Fragen zu tun; stattdessen war das Buch ein weiterer langer Angriff auf Helmholtz und Kollegen. Zöllner kritisierte Helmholtz, Thomson, Maxwell, du Bois-Reymond und Tyndall, jeden einzeln und alle zusammen, wobei er sich einer sarkastischen, verächtlichen und hetzerischen Sprache bediente. Er machte Helmholtz – als dem Hauptziel seiner Attacke – nebst zahlreichen weiteren Schwächen zum Vorwurf: seine angebliche Fehlinterpretation des Werks von Newton und Faraday über Atome, seine Theorie über den Ursprung des Lebens auf der Erde, seine Erkenntnistheorie, seine Theorie (von 1847) zur Bedeutung von Fernwirkung im Rahmen des Energieerhaltungssatzes. Zöllner behauptete, dies sei die Ursache von Helmholtz’ (angeblich) falscher Kritik an Webers Elektrodynamik, was Helmholtz später (1872), so Zöllner, auch zugegeben und Maxwell (1873) bewiesen habe. In Zöllners Augen hatte Helmholtz in urheberrechtlichen Fragen seine deutschen Landsleute verraten, indem er englischen Wissenschaftlern den Vorrang einräumte. Zöllner stellte sich auf Dührings Seite gegen Helmholtz. Er machte viel Aufhebens um Menzels Zeichnung Salon der Frau von Schleinitz (1874, siehe Abb. 19.3), welche die Helmholtzens im gesellschaftlichen Umgang mit Mitgliedern des preußischen Königshauses und der Aristokratie zeigte, und ließ seinem Groll über Helmholtz’ hohen sozialen Status freien Lauf. Um gerecht und unvoreingenommen zu wirken, lobte Zöllner Newton, Faraday und Kant und schimpfte über die Missinterpretation dieser beiden britischen Unsterblichen durch seine Gegner.1 Doch es gab noch einen weiteren Streitpunkt zwischen Helmholtz und Zöllner: den Spiritismus. Trotz der positivistischen und materialistischen Lebensauffassung, die sich seit den 1830er-Jahren zunehmend verbreitete, nahm in den 1860er- bis 1880er-Jahren auch der Glaube an Spiritismus (oder Spiritualismus) und psychi-
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sche Forschung (die oft nicht voneinander zu unterscheiden waren) merklich zu. Zahlreiche Wissenschaftler, insbesondere die neuen Experimentalpsychologen, interessierten sich sehr für beides; einige waren regelrecht enthusiastisch und gläubig, andere nur aufgeschlossen, wieder anderen ging es um Entlarvung. Zu ihnen zählten William Benjamin Carpenter, Simon Newcomb, Alfred Russel Wallace, J. W. Strutt (Lord Rayleigh), William Crookes, Oliver Lodge, William Huggins, Augustus De Morgan, Gustav Theodor Fechner und William James. Der Höhepunkt des Interesses am Spiritismus fiel zeitlich mit dem erneuten Versuch der Psychologie zusammen, eine experimentelle Wissenschaft zu werden – was sich schon in der ersten Jahrhunderthälfte angedeutet hatte. Fechners psychophysikalische Experimente, das Fechner’sche Gesetz und sein allgemeiner Einfluss auf die Messtheorie, Ernst Heinrich Webers Untersuchung des »eben merklichen Unterschieds« bei der taktilen Wahrnehmung, Helmholtz’ Bestimmung der Geschwindigkeit der Nervenreize, du Bois-Reymonds elektrophysiologische Studien – diese und andere Arbeiten ermöglichten eine Reihe neuer Experimente (zum Beispiel von Donders und Wundt), mit denen menschliches Empfinden, Wahrnehmen und Denken in ihren zeitlichen Dimensionen erforscht wurden. Die »Neue Psychologie«, wie diese experimentelle Physiologie des Geistes manchmal genannt wurde, strebte den Status einer vollwertigen Wissenschaft an, entsprechend den physikalischen Wissenschaften. Die Eröffnung von Wundts experimentellem Psychologielabor in Leipzig in den späten 1870er-Jahren war ein wichtiger Meilenstein in der allmählichen Transformation der Psychologie als Disziplin. Während einige experimentelle Psychologen sich bemühten, ihr Fachgebiet vom Spiritismus zu distanzieren, beförderten ihn andere noch geradezu in der Hoffnung, von dieser Seite finanzielle Unterstützung für ihre psychologische Forschung zu erhalten. James zum Beispiel hielt sehr viel von psychologischer Forschung. »Die Orthodoxie ist in der Wissenschaft fast so sehr eine Frage der Autorität wie in der Kirche«, schrieb er. »Wir glauben an alle möglichen Naturgesetze, die wir selbst nicht verstehen, nur weil Männer, die wir bewundern und denen wir vertrauen, für sie bürgen. Wenn die Herren Helmholtz, Huxley, Pasteur und Edison gleichzeitig verkünden würden, sie wären zu Hellsehen, Gedankenübertragung und Gespenstern bekehrt worden, wer könnte dann daran zweifeln, dass es eine prompte massenhafte Volksbewegung in diese Richtung geben würde?«2 Allein es wurde keiner von ihnen bekehrt. Einer der berüchtigtsten Spiritisten war Henry Slade, ein amerikanischer Praktiker der sogenannten Psychographie, des »Geistschreibens« auf Papier, Schiefer oder menschlicher Haut. Slade war ein geschickter Trickkünstler, der angeblich spontan und in gut beleuchteten Räumen geistschreiben konnte. Dabei saß er oder ein Medium (oder beide) an einem Tisch und presste eine Schiefertafel und einen Griffel von unten an die Tischplatte. Nach angemessener Zeit hörten die Teilnehmer der Séance ein Schreibgeräusch, und auf der Schiefertafel erschien eine Bot-
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schaft. In New York wurde er dabei erwischt, wie er unter dem Séancetisch heimlich schrieb. Er floh nach Großbritannien, wo er im Jahr 1876 erneut entlarvt, für schuldig befunden und zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt wurde; das Urteil wurde jedoch wegen eines Formfehlers wieder aufgehoben.3 Danach floh er nach Deutschland, und Ende 1877 hielt er in Leipzig Séancen ab, an denen auch Zöllner teilnahm. Zöllner berichtete, Slade habe mit spiritistischen Mitteln rasch vier Knoten in ein Stück Schnur gemacht, dessen beide Enden fixiert waren. Zöllner stellte eine Verbindung zwischen Slades »Experimenten« und seiner eigenen Raumtheorie her. In Slades Experimenten sah Zöllner »thatsächliche Beweise von der Richtigkeit meiner durch ›synthetische Urtheile a priori‹ gefundenen Theorie«. Er hielt Slade für einen ehrbaren Mann und keineswegs für einen Schwindler, und behauptete, Spiritisten seien in ihrem Denken logischer, aufgeschlossener und schlicht besser als die sogenannten Männer der Wissenschaft. Er kritisierte Helmholtz dafür, dass dieser Tyndall gegen die Spiritisten verteidigt hatte, und erklärte, einige von Thomsons und Maxwells Behauptungen über physikalische Phänomene entsprächen jenen der Spiritisten. Es waren seiner Meinung nach »unsere modernen ›Männer der Wissenschaft‹«, die die Regeln dafür erschufen, was als rational zu gelten habe, aber er stellte ihre angeblich moralisch, intellektuell und akademisch überlegene Position, die sie dazu berechtigte, infrage. Er verteidigte Slade und die parapsychologischen Untersuchungen im Allgemeinen und versah Letztere mit dem Etikett »transzendentale Physik«.4 Zöllners Begegnung mit Slade erregte Aufmerksamkeit. Wie der damals noch junge amerikanische Experimentalpsychologe G. Stanley Hall, der in Leipzig bei Wundt und Ludwig studierte, feststellte, waren nicht wenige Leipziger Studenten »glühende Anhänger von Professor Zöllner« geworden. Zöllner tat alles, um den Anschein zu erwecken, er verteidige deutsche und vor allem Leipziger Wissenschaftler (Fechner und Ernst Heinrich Weber) gegen ausländische und Berliner Wissenschaftler. Er hatte sich auch stark dafür eingesetzt, Helmholtz’ ehemaligen Assistenten Wundt nach Leipzig zu holen; Wundt wurde dort im Jahr 1875 der neue Professor für Philosophie. Zöllner schätzte an Wundt vor allem seine Theorie der Sinneswahrnehmung, die den Ansichten von Helmholtz und Hering widersprach. Wundt wiederum bewunderte Zöllners Arbeit auf diesem Gebiet, aber er war kein Freund des Spiritismus, weswegen sich Zöllner einige Jahre nach Wundts Ankunft in Leipzig enttäuscht von ihm abwandte. Hall hielt Zöllner später nicht nur für verblendet, weil er Slade und dem Spiritismus auf den Leim gegangen war, sondern für völlig verrückt. Mit seinen Äußerungen über Helmholtz hatte Zöllner aus Halls Sicht gegen die Regeln »kollegialen Anstands« verstoßen. Dabei hatte auch Hall selbst weder Verständnis für Helmholtz’ populäre Darstellungen der nichteuklidischen Geometrie (und damit des Raumes) noch für die nichteuklidische Geometrie selbst, von der er meinte, sie »errege auf indiskrete Weise die wissenschaftliche
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Vorstellungskraft« und habe die Öffentlichkeit in die Irre geführt. Der Berliner Astronom Wilhelm Foerster glaubte ebenfalls, Zöllner habe in seinen späteren Lebensjahren den Verstand verloren. Helmholtz schrieb indessen an Tyndall: »Von Zöllner ist wieder ein neues Buch da, was schon ganz in das Irrenhaus gehört. Am meisten wird E. du Bois darin vorgenommen, auch wir beide [d. h. Helmholtz und Tyndall] haben die Ehre, als vernichtete Sünder zuweilen erwähnt zu werden.« Tyndall antwortete: »Ich muss mir Zöllners Buch beschaffen, um mich über diese neue Phase seines Wahnsinns zu informieren.« Dass Zöllner dem Spiritismus Glauben schenkte und ihn mit der Physik und der nichteuklidischen Geometrie in Verbindung brachte, wurde allgemein, wenn auch nicht ausnahmslos von allen, verurteilt. Als Zöllner starb (im Jahr 1882), hatte ihn die wissenschaftliche Gemeinschaft praktisch bereits abgeschrieben. Helmholtz für sein Teil strafte die Spiritisten (jeglicher Couleur) mit Nichtachtung und zeigte lediglich ein gewisses Interesse daran, die psychologische Leichtgläubigkeit ihrer Anhänger aufzudecken.5
Juden und Antisemitismus Die 1860er- und 1870er-Jahre waren eine turbulente Zeit in der deutschen Geschichte. Nicht nur waren diverse oder sogar alle deutschen Länder an drei Kriegen in Folge beteiligt, sondern sie schlossen sich schließlich auch zu einem zweiten deutschen Kaiserreich zusammen. Von 1866 bis 1873 erlebte Deutschland ein außerordentliches Wirtschaftswachstum, aber auch eine starke Inflation. Letztere war zum Teil auf die rund vier Milliarden Mark zurückzuführen, die das Deutsche Reich gemäß dem Friedensvertrag nach dem Deutsch-Französischen Krieg an Entschädigungszahlungen von Frankreich erhalten hatte. Keine Stadt spürte die Auswirkungen des wirtschaftlichen Auf und Ab stärker als Berlin. Bismarck hatte Deutschland vereint, doch viele hielten dies für eine Scheinvereinigung, für eine bloße Zentralisierung der politischen und militärischen Angelegenheiten auf höchster Ebene in Berlin und nicht für eine »gewachsene« soziale und kulturelle Vereinigung der deutschen Völker selbst. Mehrere deutsche Länder standen Berlin und Preußen (immer noch) feindselig gegenüber. Die feindselige Haltung vieler Deutscher richtete sich auch gegen die römisch-katholische Kirche als eine ausländische Institution, gegen die polnischen Einwanderer, die wachsende Zahl von Sozialisten und die Juden. Obwohl die Vorfahren der Letzteren oft schon seit dem Mittelalter im Land gelebt hatten und ihnen seit der napoleonischen Ära in zivilen Angelegenheiten zeitweilige Zugeständnisse gemacht worden waren, hatten sie doch erst kurz zuvor (1869 – 1872) endgültig die vollen staatsbürgerlichen Rechte erhalten. An den Universitäten kam es derweil unter den Studenten zu einem Rechtsruck, durch den völkische Themen an Bedeutung gewannen: ein romantisches Naturbild, der Glaube an spiritistische Kräfte, der Ruf nach der »wah-
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ren« geistigen Einheit des deutschen Volkes und der Antisemitismus. In der zweiten Hälfte der 1870er-Jahre flammte der Antisemitismus – der als Begriff ebenfalls in dieser Zeit geprägt wurde – in Deutschland, insbesondere in Berlin, wieder auf, mit erneuten Hasstiraden, Drohungen und ideologischen Umbrüchen. Mit dem Ende des Wirtschaftsaufschwungs der Gründerzeit brauchte man einen Sündenbock für die wirtschaftlichen und politischen Probleme Deutschlands.6 Die Helmholtzens hatten zahlreiche Freunde und Bekannte mit jüdischen Vorfahren oder einem jüdischen Hintergrund. Dazu gehörten der Musiker Joseph Joachim, die Schriftstellerin Fanny Lewald, die Familie Martin Levy, die Musiker-Brüder Nikolai und Anton Rubinstein, der Schriftsteller Berthold Auerbach, der nationalliberale Politiker Ludwig Bamberger und verschiedene Mitglieder der Familie Mendelssohn beziehungsweise Mendelssohn-Bartholdy (Nachfahren des großen jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn). Alle waren mehr oder weniger regelmäßig im Hause Helmholtz zu Gast. Auerbach war nicht nur ein gefeierter Romancier, sondern auch ein wichtiger Förderer der jüdischen Kultur. Er war außerdem der deutschsprachige Herausgeber von Spinozas Sämtlichen Werken und im Jahr 1876 Vorsitzender eines Komitees, das anlässlich des 200. Todestages des Philosophen Gelder für die Errichtung einer Spinoza-Statue in Den Haag sammelte. Das Komitee trug eifrig eine Unterstützerliste von korrespondierenden und Ehrenmitgliedern zusammen, darunter führende Wissenschaftler, Philosophen und Literaten aus Europa und darüber hinaus; auch Helmholtz schloss sich ihnen an. Im Frühjahr 1879 wurde er als auswärtiges Mitglied in die Niederländische Akademie der Wissenschaften in Haarlem gewählt.7 Helmholtz hatte auch auf wissenschaftlicher Ebene Dutzende von Freunden, Kollegen und Studenten, die jüdisch oder jüdischer Herkunft waren. Zu ihnen gehörten die Mathematiker Carl Gustav Jacob Jacobi, Carl Wilhelm Borchardt, Immanuel Lazarus Fuchs, Rudolf Lipschitz, Leo Koenigsberger und Leopold Kronecker, der Physiker und Chemiker Heinrich Gustav Magnus, die Physiker Peter Theophil Riess und Emil Warburg, die Physiologen Hermann Munk, Ludimar Hermann, Robert Remak, Julius Bernstein, Rudolf Heidenhain und Richard Liebreich, der Anatom Jacob Henle, der Botaniker Nathanael Pringsheim, die Chemiker Victor Mayer und Adolf von Baeyer (Nobelpreis für Chemie 1905), der Immunologe und Begründer der Chemotherapie Paul Ehrlich (Nobelpreis für Medizin und Physiologie 1908), der Arzt und Medizinhistoriker August Hirsch und der auf dem Gebiet der Präzisionsmechanik tätige Physiker Leopold Loewenherz. Zahlreiche Helmholtz-Studenten (auf verschiedenen Niveaus und zu unterschiedlichen Zeiten) waren jüdischer Abstammung, darunter die Physiker Leo Arons, Felix Auerbach, Emil Wilhelm Cohn, Eugen Goldstein, Heinrich Hertz (Helmholtz’ höchstgelobter Schüler), Ernst Pringsheim und Heinrich Rubens, die Physiologen I. F. Tsion und Hugo Kronecker (Leopolds Bruder) sowie der Geograph Franz Boas, der später (amerikanischer) An-
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thropologe wurde. Auch der Chemiker Fritz Haber und der Elektrochemiker, Industrielle und Staatsmann Walther Rathenau – zwei bedeutende Persönlichkeiten aus Industrie und Politik des frühen 20. Jahrhunderts – studierten bei Helmholtz. Zu Helmholtz’ jüdischen »Postdoktoranden« gehörten der in Deutschland geborene britische Physiker Arthur Schuster und der in Preußen geborene amerikanische Physiker Albert Abraham Michelson (Nobelpreis für Physik 1907). Wahrscheinlich waren, wenn überhaupt, nur wenige von ihnen gläubige oder praktizierende Juden. Einige konvertierten aus beruflichen oder persönlichen Gründen zum Christentum, manche waren bereits als Kind getauft worden. Unter Helmholtz’ Kollegen wurden zum Beispiel Magnus, die Brüder Kronecker (Hugo und Leopold), Fuchs und Lipschitz als Juden geboren, aber später getauft. Dennoch konnte allein der Umstand (oder sogar nur die Vermutung), dass jemand Jude war, ausreichen, um die akademische Karriere dieser Person zu verhindern. Du Bois-Reymond schrieb im Jahr 1858 an Helmholtz: »Ich setze voraus, daß Ihr [d. h. die medizinische Fakultät in Heidelberg] nicht an Pringsheim denkt, der natürlich jetzt lange princeps der Pflanzenphysiologen ist. Aber er ist Jude.« Im Jahr 1864 wurde Pringsheim trotzdem Professor für Botanik an der Universität Jena.8 Helmholtz’ zahlreiche Kontakte zu Männern (und Frauen) jüdischer Abstammung könnten insgesamt betrachtet auf eine sehr positive Haltung seinerseits gegenüber dem Judentum hindeuten. Als einen Freund der Juden per se sollte man ihn sich aus verschiedenen Gründen dennoch nicht vorstellen. Erstens machte er bei einigen Gelegenheiten wenig schmeichelhafte Bemerkungen über Juden. So bezeichnete er zum Beispiel den Briten James Joseph Sylvester als einen großen Mathematiker, zwar in der Erscheinung sehr jüdisch, ansonsten aber vorzeigbar. Zweitens zählten Anna und er Richard Wagner, einen bekennenden, öffentlichen und notorischen Antisemiten, zu ihren guten Freunden. Ähnliches galt für Heinrich von Treitschke, einen vollmundigen Konservativen und preußisch-»germanischen« Nationalisten, der ein großer Bewunderer Bismarcks und ein führender und lautstarker Antisemit war. Er war Professor für Geschichte an der Universität Berlin, außerdem als Journalist und Politiker aktiv und damit einer der prominentesten deutschen Historiker seiner Zeit. Im November 1879, auf dem Höhepunkt der antisemitischen Welle, die sich in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts aufbaute, schrieb er einen Artikel mit dem Titel »Unsere Aussichten« für die angesehenen Preußischen Jahrbücher. Darin erklärte er unverblümt: »Die Juden sind unser Unglück.« Der ganze Beitrag war ein Angriff gegen das Judentum, wenn auch »nur« aus nationalistischen und religiösen Motiven, nicht aus rassistischen. Treitschke betrachtete die Juden, vor allem jene aus Osteuropa, als fremdes Element im neuen Reich, als eine Gefahr für sein kulturelles und soziales Zusammenwachsen. Er hielt sie für minderwertig und eine Bedrohung für die Deutschen und Deutschland, auch wenn er gleichzeitig von ihnen forderte, sich besser in das deutsche Leben zu
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integrieren. Treitschkes berühmt-berüchtigter und einflussreicher Artikel verhalf dem Antisemitismus zu akademischer und gesellschaftlicher Akzeptanz. Wie Dühring vor ihm wurde Treitschke für viele Studenten an der Universität Berlin und anderswo zum Helden.9 Was nun Helmholtz anging, so hat er Treitschke nie in dieser oder einer anderen Hinsicht kritisiert, sondern sie blieben lebenslang Freunde. Drittens und letztens unterließ Helmholtz es bei zwei Gelegenheiten, sich gegen die Verfolgung der Juden auszusprechen. Im November 1880 übermittelte ihm du Bois-Reymond im Rahmen einer Gegenbewegung gegen das Wiederaufleben des Antisemitismus in Berlin und gegen Treitschkes provokativen Artikel eine entsprechende Petition und forderte ihn auf, zu unterschreiben, wie er selbst es gerade getan hatte. Helmholtz lehnte dies ab mit der Begründung: »Ich finde es zu schlecht redigiert. Einzelne Sätze sind unverständlich, andre von höchst zweifelhafter Richtigkeit. Der ganze Schritt erscheint mir vollkommen hoffnungslos und, solange der ganze Streit sich auf Maulheldentum beschränkt, auch unnütz. Unter diesen Umständen finde ich es nicht nötig, um des guten Zwecks willen wegzusehen über einzelne Sätze, die ich nicht mit meiner Unterschrift veröffentlicht sehen möchte.« Fünfundsiebzig andere – darunter die Historiker Droysen und Mommsen, der Bürgermeister von Berlin, Max von Forckenbeck, die Astronomen Arthur Auwers und Wilhelm Foerster, der Chemiker Hofmann, der Jurist Heinrich Rudolf von Gneist, Georg Siemens (der Direktor der Deutschen Bank), Werner Siemens und Virchow – waren freilich bei den fraglichen Sätzen nicht so penibel und unterzeichneten. Zwei Tage später teilte du Bois-Reymond Mommsen, von dem er seinerseits die Petition erhalten hatte, mit, dass Helmholtz sie ihm aus den genannten Gründen unsigniert zurückgeschickt habe. Bei der Rückgabe an Mommsen war sein eigener Name nun auch durchgestrichen. Er muss deswegen aber Schuldgefühle gehabt haben, denn er sah sich zu der Erklärung veranlasst, er sei der »Schwager von Ewald, Freund von Riess, Kronecker, Pringsheim [und] so vielen anderen Juden«, und daher »wird Niemand über meine Meinung in Zweifel sein«.10 Zwischen 1882 und 1892 flaute der Antisemitismus zwar ab, aber nur um Ende 1892 erneut aufzuflammen, angefacht durch eine antisemitische Klausel, die auf dem Berliner Tivoli-Kongress ins Programm der Deutschkonservativen Partei aufgenommen wurde. Im Jahr 1893 bat Bamberger, ein führender Nationalliberaler, seinen guten Freund Helmholtz um Unterstützung für einen seiner jüdischen Protegés. Helmholtz antwortete: »Ueber die sogenannte Judenfrage vollends, was soll man sagen, als ganz vage und unbestimmte allgemeine Sätze? Die das Gros der Leser dann doch für absolut allgemein nimmt, wobei sie dann immer Ungerechtigkeiten einschliessen, wenn sie nicht gänzlich nichtssagend sind. Ich für mein Theil kenne zu wenige Individuen, und diese nur aus besonderen Lebensbedingungen, um mich berechtigt zu fühlen über die Eigenschaften der Majoritäten oder über die Charakterzüge der ›Volksseele‹ abzusprechen.« Er lehnte es ab, sich für Bamber-
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gers Schützling einzusetzen, fügte jedoch schuldbewusst hinzu: »Bitte, verzeihen Sie, daß ich Ihrer Empfehlung für Ihren Schützling nicht besser nachkomme. Daß ich liebenswürdige, intelligente und ehrenwerthe Freunde zu schätzen weiss, ohne nach ihrer Religion oder Abstammung zu fragen, wissen Sie.«11 In der Wissenschaft und im gesellschaftlichen Leben beurteilte Helmholtz die Menschen als Individuen, also nach persönlichen Begabungen und Vorzügen. Umgekehrt zeigte er den Juden als ethnischer oder religiöser Gruppe gegenüber keine Solidarität oder gar Sympathie, obwohl er wusste, dass sie in Deutschland und Europa seit jeher in unterschiedlichem Maße von Diskriminierung, Intoleranz und Gewalt betroffen waren. Wie viele andere deutsche Akademiker und Intellektuelle schätzte er durchaus seine kultivierten und angepassten Bekannten, Kollegen und Studenten jüdischer Herkunft. Aber das war etwas anderes, als sich, wie zum Beispiel Mommsen, für die Rechte von Minderheiten einzusetzen oder auch diejenigen zu akzeptieren, die keine deutsche oder säkulare Lebensweise angenommen hatten.
In Spanien und Nordafrika Im Frühjahr 1880 reiste ein dringend erholungsbedürftiger Helmholtz in Begleitung von Ernst von Mendelssohn-Bartholdy und dessen Schwager Dr. Rudolph Schelske nach Spanien und Nordafrika. Sie trafen sich im französischen Lyon und fuhren gemeinsam mit dem Zug durch das Rhônetal. Lyon, Nîmes und die umgebende Landschaft beeindruckten Helmholtz; in Nîmes besuchte er (wie überall) das örtliche Kunstmuseum. Zwei Tage später waren sie in Barcelona, »eine grosse Fabrikund Handelsstadt«, die seiner Meinung nach manch einer modernen italienischen Stadt ähnelte, obwohl er ihre Einwohner als »kleiner, schwärzer, energischer als die Italiener, auch in der Kleidung weniger französiert« beschrieb. Im dortigen Theater sahen er und seine Gefährten sich ein Passionsspiel an, und obwohl die Schauspieler Katalanisch sprachen, fanden sie die Aufführung so gut gemacht, dass sie dem Stück im Wesentlichen folgen konnten. Nach dem Abendessen schlossen sie sich einer Palmsonntagsprozession durch die Stadt an. Sie klapperten alte Kathedralen ab und verbrachten viel Zeit damit, eine Sammlung von japanischen Elfenbeinfiguren und Zeichnungen zu besichtigen, die Helmholtz ebenso gut fand wie ihre europäischen Pendants. Sie besuchten das Labor eines ortsansässigen Chemieprofessors; er führte sie mit mehreren Kollegen durch die neu errichtete Universität. Helmholtz stellte erfreut fest, dass seine Kollegen aus Barcelona über Exemplare fast all seiner akustischen Apparate verfügten. In Madrid, ihrer nächsten Station, verbrachte er vier Stunden im Prado und sah sich Gemälde von Velázquez, Murillo, Tizian und Raffael an. Er besichtigte den Escorial und stellte fest, dass es »von dem fanatischen Philipp II. doch ein Bild von ernster Größe und künstlerischem Geschmack [gibt], worin er allen seinen Nachfolgern überlegen war und man er-
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kennt, daß es ihm furchtbar ernst war mit dem, was er wollte«. Die Kirche des Escorial beeindruckte ihn, und er fand sie erheblich geschmackvoller als den Petersdom in Rom. Doch er bemerkte auch große Armut in Madrid: »[V]or den Kirchen sieht man entsetzliche Ausstellungen von Individuen, die in die Hospitäler gehören.« Zu seiner eigenen Überraschung hinterließen die katholischen Gottesdienste wenig Eindruck bei ihm. Insgesamt sah er in Madrid eine heruntergekommene Version von München. »Nur die Bildersammlung ist imponierend. Diese Sammlung von Leuten, welche Velásquez dargestellt hat, ist so ungeheuer lebendig und eindrucksvoll, dass sie wie Mitlebende erscheinen.«12 In Toledo, ihrem nächsten Halt, stellte die gotische Kathedrale (mit Kuppel) für Helmholtz alle anderen Kirchen, die er je gesehen hatte, in den Schatten, selbst den Mailänder Dom. Außerdem gab es in der Stadt noch das beeindruckende Monasterio de San Juan de los Reyes, oder zumindest das, was die Franzosen davon übriggelassen hatten. »Diese haben grimmig in Spanien gehaust.« Die drei Reisenden blieben nicht lange in der Stadt. Ihr Fremdenführer in Toledo war ein kluger Bursche, aber ihre einzige gemeinsame Sprache war Französisch, was Helmholtz »reichlich müde« machte. Er nahm den Nachtzug nach Córdoba. Dort besichtigte er die Große Moschee, die zur Kathedrale umfunktioniert worden war, »ein Wunderwerk der Architektur, ganz fremdartig und märchenhaft – ein immenses flaches Zeltdach«. An Anna schrieb er: »Man kann sich der Frage nicht erwehren, wie eine so fein ausgebildete Cultur [wie die der Mauren] verschwinden konnte.« Er und seine Begleiter machten auch einen Ausflug in die Sierra Morena, nördlich der Stadt. Sie besuchten den »sehr gepflegten Garten« des Marqués de la Vega sowie einen Bauerngarten, und auf dem Weg zurück in die Stadt stiegen sie auf den Turm einer Kathedrale.13 Aus Granada berichtete er, sie hätten die Alhambra besichtigt, die »ganz so zauberhaft wie Beschreibungen und Bilder sie zu malen streben« sei, und einen Stierkampf besucht. Die Toreros seien »schöne Kerls, schlank, beweglich, geschickt und verwegen«; er war sehr beeindruckt von ihren »höchst prächtigen und eleganten Kostümen« und der Geschicklichkeit, mit der sie die Stiere dirigierten. Dass die Tiere getötet wurden, kümmerte ihn wenig, weil sie andernfalls auch auf der Schlachtbank des Metzgers gelandet wären. »Wahrhaft empörend« fand er allerdings, wie beim Stierkampf, aber auch anderweitig die Pferde behandelt wurden: »die eigentlich gräßliche Seite des Schauspieles«. Helmholtz und seine Begleiter setzten ihre Reise nach Málaga fort, wo sie sich zwei Tage lang ausruhten, bevor sie nach Gibraltar weiterfuhren.14 Von Tanger aus schrieb er Anna, sie seien »nun wirklich in einem anderen Weltteile [d. h. Nordafrika] eingelaufen«. So »plötzlich mitten in die mohammedanische Welt« versetzt registrierten sie voll Erstaunen alles, was sie hörten und sahen. Ein paar Tage zuvor hatten sie in Gibraltar bereits eine Kostprobe davon bekommen, als sie dort eine wilde Mischung ethnischer Gruppen erlebt hatten – »schot-
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tische Regimenter, spanische Priester und maurische Kaufleute mit Schiffsvolk aus aller Welt«. In Tanger gelangten sie nur dank einem »maurischen Dragomann« glücklich von Bord und an Land; dort sprang »eine große Schaar weißer, schwarzer, brauner nackter Kerls, mit denen man sich nur durch Zeichen verständigen kann, auf das Dampfboot« und stritt »sich im aufgeregtesten Geschrei um die Reisenden und ihr Gepäck«. Nachdem sich Helmholtz und Begleiter in ihrem Hotel eingerichtet hatten, suchten sie den deutschen Konsul auf, den Helmholtz von früher her kannte, einen ehemaligen Theologen, der sich in der arabischen Welt gut auskannte. Sie gingen auf einem Basar einkaufen, besichtigten die Stadt, saßen in Cafés und tranken Kaffee im arabischen Stil, sahen zu, wie Waren von Kamelkarawanen abgeladen wurden, und ritten auf Eseln einen Berg hinauf, von dem aus sie das Meer, die grünen Hügel und das ferne, schneebedeckte Atlasgebirge sehen konnten. Über die Einheimischen berichtete Helmholtz: »Die Mannigfaltigkeiten der Trachten und Nacktheiten ist gar nicht zu beschreiben.« Ihm gefielen die Turbane der Muslime und die weiten Kapuzenmäntel der älteren Männer. Frauen sah man auf der Straße nur wenige, und wenn er welche sah, waren sie vollständig bedeckt mit ihren »Badelaken«, wie er sie nannte, »die sie nicht allzu streng um das Gesicht zusammen ziehen«. Er fand es verständlich, dass die Muslime sich selbst als die Elite im Völkergemisch von Tanger betrachteten, »denn sie waschen sich, sie betrinken sich nicht und sind, solange sie es sein wollen, sehr höflich, mit einer gewissen Natürlichkeit; selbst Leute, welche für geleistete Dienste um ein Trinkgeld bitten, thun es ganz leise und bescheiden«. Alle trugen Sandalen, was Helmholtz für vernünftig hielt, sei man doch gehalten, Wohnräume barfuß zu betreten. Tanger erschien ihm als ein Labyrinth aus gewundenen Gassen; Ausländer bräuchten einen Fremdenführer. Er warnte Anna, er sei inzwischen so braun gebrannt, dass er »mit der Gesichtsfarbe eines Arabers zurückkehren« werde. Sie verließen Afrika (das Helmholtz »the dark continent« nannte) ohne Zwischenfall und kehrten per Dampfer und mithilfe eines »vortrefflichen arabischen Courier auf dem Schiffe«, der sich um all ihre geschäftlichen Belange kümmerte und Unerwünschtes von ihnen fernhielt, auf europäischen Boden zurück. Ihre Rückreise führte sie durch Cádiz, Sevilla, Bordeaux, Bayonne und Biarritz.15 Der sechswöchige Besuch in Spanien und Nordafrika schärfte, in historischer und vergleichender Hinsicht, Helmholtz’ Gespür für Europa und seine nordafrikanischen Nachbarn.
Ratschläge und Sorgen eines Vaters Nachdem seine älteste Tochter Käthe im Jahr 1877 gestorben war, gaben Helmholtz zwei seiner vier überlebenden Kinder wenig Anlass zur Sorge – und zwei von ihnen viel. Sein ältester Sohn, Richard, arbeitete immer noch in der Lokomotivfabrik von Krauss & Co. in München, wo er seit 1881 das Konstruktionsbüro leitete.16
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Sein jüngstes Kind, die einzig verbliebene Tochter Ellen, lebte noch zu Hause und bereitete ihren Eltern ebenfalls keine besondere Sorge. Ganz anders verhielt es sich mit der körperlichen und geistigen Gesundheit der beiden anderen Söhne Robert und Fritz, wie sich bereits in ihrer Kindheit gezeigt hatte. Robert war von Geburt an schwer behindert: Er litt an einer deformierten Wirbelsäule und daraus resultierenden Komplikationen. Im Jahr 1879 überlegten Anna und Hermann (wieder einmal), wie und von welchem Arzt sie eines von Roberts Gelenken richten lassen wollten. Sie beschlossen, das Richten und die damit verbundene physikalische Therapie einem Nichtmediziner zu überlassen. Anna begleitete Robert in die Klinik in der Nähe von Augsburg, während Hermann, mitten im Semester, mit Fritz und Ellen in Berlin zurückblieb. Nach der Prozedur trug Robert ein Stützkorsett oder eine ähnliche Apparatur und musste sich mehrere Wochen lang Behandlungen unterziehen, die zu helfen schienen. Helmholtz schrieb Thomson vier Jahre später: Unser älterer Sohn, Robert, ist lahm und hat einen krummen Rücken, weil er unter der Eiterung eines Wirbels und des Hüftgelenks litt. Die Wunden sind seit 15 Jahren verheilt, doch Anfang dieses Jahres öffneten sie sich unter dem Einfluss der schnelleren Entwicklung der Knochen, die sein Alter bedingt, wieder. Bevor er Berlin verließ, waren seine Wunden wieder geschlossen, und sowohl er als auch seine Mutter schreiben mir, dass er sich stärker und besser fühlt als vor diesem neuerlichen Vorfall. Aber Sie können sich vorstellen, dass wir sehr ernsthaft beunruhigt waren, und obwohl unser Kummer derzeit sehr nachgelassen hat, müssen wir doch unsere Schritte vor allem nach dem Gesundheitszustand meines Sohnes ausrichten.17 Hermann und Anna litten, wie es nur Eltern leidender Kinder tun. Roberts körperliche Behinderung hinderte ihn jedoch nicht daran, ansonsten ein mehr oder weniger normales Leben zu führen. Er interessierte sich ernsthaft für Wissenschaft, und das zeigte, dass er von allen Helmholtz-Kindern seinem Vater in puncto Intellekt und Geisteshaltung am ähnlichsten war. Er erwog, ein Semester außerhalb Berlins zu studieren, entweder in Heidelberg, Bonn, München oder Genf. Hermann war das recht, vor allem, wenn Robert nach Heidelberg gehen würde, wo er Freunde hatte, »die sich Deiner liebevoll annehmen und im Falle der Not, wo Gott vor sei, Dir ein wenig helfen können«, wie er Robert sagte. Auch gegen ein Studium in Bonn, wo Robert seiner Ansicht nach ebenso fähige Lehrer finden würde, aber die Umgebung nicht so attraktiv wäre wie in Heidelberg, hatte Helmholtz nichts einzuwenden. In München würde Robert hingegen außer in der organischen Chemie (bei Baeyer) nicht so gute Lehrer finden wie in Heidelberg oder Bonn. An der Qualität der Lehrer in Genf hatte Helmholtz noch größere Zweifel, und im All-
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gemeinen hielt er es für das Beste, »die Elemente der Wissenschaft« in dem Land zu erlernen, in dem man am Ende voraussichtlich arbeiten werde.18 Helmholtz beriet Robert auch bei der Wahl der Studienfächer. Er fand Grundkenntnisse in Chemie für weiterführende Arbeiten in den Naturwissenschaften im Allgemeinen unerlässlich; Chemie sei aber nur interessant, wenn man selbst Experimente durchführen könne (»um lebendige Anschauungen von den Verhältnissen zu haben«). Er schlug daher vor, Robert solle das Wintersemester in Bunsens Laboratorium verbringen, um seinen Kurs in anorganischer Analyse zu besuchen. Außerdem riet er ihm, sorgfältig ein Notizbuch über die von ihm besuchten mathematischen Vorlesungen zu führen, »dadurch zwingt man sich, sich Alles klar zu machen«. Von sich selbst sagte er, er interessiere sich nur für angewandte Mathematik, also mathematische Physik. »[U]nd ich habe Alles, was ich von Mathematik weiß, nur gelegentlich für Zwecke der Anwendung studiert.« So vorzugehen sei allerdings sehr aufwendig, was Zeit und Vollständigkeit der mathematischen Kenntnisse anbelange. Robert solle zuerst Differenzialgleichungen lernen und sich dann später mit Physik beschäftigen, insbesondere mit mathematischer Physik. Was Anatomie und Physiologie betraf, warnte Helmholtz ihn: Wolle man auf diesen Gebieten hinreichend brauchbare Kenntnisse erlangen, müsse man sie systematisch erlernen und dürfe nicht nur hier und da etwas davon aufschnappen. Er riet Robert, in Erfahrung zu bringen, ob Carl Gegenbaur vergleichende Anatomie lehrte, »in der er Meister ist«. Robert würde dessen Vorlesungen folgen können, ohne vorher menschliche Anatomie gehört zu haben, versicherte Helmholtz. Noch war jedoch nicht klar, inwieweit Robert tatsächlich ein Studium der Biowissenschaften beginnen würde; wenn er dies täte, müsse er, so Helmholtz, auch Kurse in Botanik und Zoologie belegen. Wie sein Vater interessierte sich auch Robert für Philosophie. Helmholtz riet ihm in dieser Hinsicht jedoch zur Vorsicht. Ein Wissenschaftler, »der breite Kenntnisse der Naturwissenschaften hat und wissenschaftlich streng zu arbeiten gelernt hat, der könnte auch schon in der Erkenntnistheorie Vieles thun«. Er meinte jedoch: »Wir können das in den Ferien besprechen.« Am Ende studierte Robert zwei Semester lang (1880/81) in Heidelberg.19 Helmholtz war seinem Sohn ein guter Ratgeber. Der jüngste Helmholtz-Sohn, Fritz, litt an einem unklaren, aber dennoch realen mentalen oder emotionalen Problem, das sich in einem Mangel an Motivation zeigte und in der Unfähigkeit, seine Pläne auszuführen, sowie an chronischer körperlicher Schwäche. Im Jahr 1880 brachten ihn seine Eltern mit zwölf Jahren in die Salzmann’sche Erziehungsanstalt in der Nähe von Gotha, damit er dort besondere Pflege und Zuwendung erhalten konnte. Ende Juli verbrachte Fritz etwas Zeit mit Hermann in Pontresina. Im Herbst desselben Jahres begleitete Anna ihn in die Anstalt zurück und schrieb an Hermann:
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Der arme Junge war sehr, sehr betrübt, klammerte sich an mich und flehte mich an, ihn nicht zu verlassen. Aber es könnte ja nichts helfen, ich mußte gehen. Wir fuhren von Gotha direkt mit dem Wagen hinaus, da hielt sein Mut noch stand. Dann gingen wir in Schnepfenthal in das Haus. Der Direktor bat mich die Sache als einen Versuch anzusehen; er finde Fritz über Erwarten aussehend und antwortend; aber wenn er nicht die Überzeugung gewinnen könne daß er in die Anstalt passe, dann könne er auch die Verantwortung nicht übernehmen. Das Irdische bekümmert mich heute nicht mehr, nur das Seelische. [Doktor] Ausfeld verspricht, daß gewiß jede Rücksicht genommen werde. In wenigen Tagen werde es sich ja zeigen, ob das Kind sich eingewöhne. Der Abschied vom Kinde scheint mir noch ganz unmöglich. Wenn der arme Friedel mich noch braucht, dann muß ich noch bleiben. Wie lange genau Fritz dort blieb, ist unklar; später nahm er jedoch seine Ausbildung in Berlin wieder auf.20 Er blieb für den Rest ihres Lebens das Sorgenkind seiner Eltern, vor allem Annas. Weit weg von Berlin und im Urlaub fühlte sich Helmholtz im Sommer 1880 wieder besser: Eine Wunde war verheilt, das übliche Herzrasen und andere Stresssymptome hatten aufgehört. Er plante einen erneuten dreiwöchigen Aufenthalt in Pontresina, einem Ort, der Ruhe und Erholung suchende Menschen aus ganz Europa anzog. »Das ist immer das Mittel gewesen, was mir am besten geholfen hat«, schrieb er an du Bois-Reymond. Er und Anna wohnten (wie üblich) im Hotel Saratz. Mit seinen italienischen Freunden Tommasi-Crudeli und Blaserna bestieg er den nahe gelegenen Piz Languard. Im Hotel war er »ein so geliebter Stammgast, dass Wirt und Kellner uns [Hermann und Anna] mit besonderer Höflichkeit behandeln, was nicht unangenehm gegen die Sitten am Kochel- und Walchensee absticht«. Sie speisten mit seinem guten Freund Blaserna und mit dem italienischen Staatsmann und Wirtschaftswissenschaftler Stefano Jacini, den sie im Jahr zuvor in Pontresina kennengelernt hatten. Danach reiste Helmholtz allein von Pontresina nach Italien weiter. Er besuchte den Monte Generoso, Florenz und Bologna (wo er Beltrami sah) und fuhr dann nach Wien, wo er sich mit Anna wiedertraf. Im September dieses Jahres vertrat er Deutschland beim Internationalen Kongress für Geodäsie in München und saß für sein Porträt bei Lenbach Modell.21 In Italien stand der Name Helmholtz an der Spitze des intellektuellen Rankings oder zumindest weit oben. Giacomo Barzellotti, ein bekannter Philosophiehistoriker, hatte kürzlich in der Nuova Antologia Helmholtz »in erster Linie« der zeitgenössischen deutschen Philosophie verortet. Barzellotti glaubte, um das intellektuelle und soziale Leben Italiens werde es besser bestellt sein, »wenn wir uns in einer engen und inneren Beziehung mit der höhern modernen Cultur Europa’s gestellt haben werden«. Er war ein Neukantianer, der sich gegen den Materialismus,
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den Empirismus, die theologische Metaphysik und den Hegelianismus stellte. Er wollte die Wissenschaft auf eine neukantianische Sicht der Dinge verpflichten und bemühte sich, eine solche Sicht in Italien zu fördern. Er sandte Helmholtz seinen neuen Artikel über die zeitgenössische kritische Strömung in der deutschen experimentellen Philosophie, »in der Sie eine so große Rolle spielen«. Sein Text machte Helmholtz’ philosophische Ansätze und damit verbundene experimentelle Arbeit einem breiten italienischen Publikum bekannt.22 Als ausländisches Mitglied der Accademia dei Lincei, des alten Ordens Galileis, war Helmholtz um seine Mitwirkung in der Kommission für Biologie gebeten worden, die ein Preisgeld von 10 000 Lire verleihen sollte. Tommasi-Crudeli hatte bereits mit ihm darüber gesprochen, und Blaserna räumte ebenfalls ein, die Kommission habe Probleme bei der Preisvergabe. Deshalb wollten die Italiener Helmholtz mit seiner großen Autorität und seinem Urteilsvermögen, wie Blaserna es formulierte, in die Kommission berufen. Damit würde Helmholtz der Akademie und Italien einen großen Dienst erweisen, sagte er, allerdings sei es erforderlich, dass Helmholtz nach Rom komme. Noch obendrein hatte Blaserna ein nagelneues Laboratorium vorzuweisen, das er im Jahr 1881 eingerichtet hatte. Das wollte er Helmholtz gern zeigen und seinen Rat in einigen Angelegenheiten, die das Labor betrafen, einholen.23 Das war ganz sicher eine angenehmere Tätigkeit, als sich wieder von Dühring schikanieren zu lassen.
Dührings erneuter Angriff Dühring wurde nicht müde, die Geschichte seiner Entlassung zu erzählen und auf Helmholtz’ angebliche Intrigen gegen ihn hinzuweisen. In Robert Mayer der Galilei des neunzehnten Jahrhunderts (1880) beschrieb er Mayer erneut als Märtyrer der Wissenschaft, insbesondere als Opfer jener Unwahrheiten im Hinblick auf die »Entdeckung« des Energieerhaltungssatzes, die Helmholtz angeblich verbreitete. Wie immer setzte Dühring die ganze Palette von Anspielungen über persönliche Verunglimpfungen bis zu purem Chauvinismus ein, um seine Argumente vorzubringen. Er versuchte, Helmholtz herabzusetzen – »der resonatorische Professor Helmholtz mit seinen Reclameresonanzen [bei Steinway & Sons]«, der »eine Art Salonphysicus« sei. Er wiederholte seinen Vorwurf, Helmholtz habe ebenso wie Joule versucht, sich die Leistung Mayers anzueignen. Er beschimpfte Helmholtz dafür, dass er es versäumt habe, Mayer im Jahr 1849 bei einem Meinungsaustausch über angewandte Physiologie zwischen Mayer und Otto Seyffer, einem Privatdozenten für Physik in Tübingen, zu unterstützen. Die deutschen Universitätsprofessoren versuchten, so der Vorwurf Dührings, Entdeckungen in Deutschland zu unterdrücken und sie erst zu enthüllen, nachdem sie auf ausländische Märkte exportiert und dann nach Deutschland reimportiert worden seien.24
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Dühring warf Helmholtz außerdem vor, die nichteuklidische Geometrie als ein angeblich verwirrendes Thema verbreitet zu haben, und beschimpfte ihn, weil er die Übersetzung von Tyndalls Werk ins Deutsche gefördert hatte. Helmholtz habe sich selbst ungerechtfertigterweise den Anschein gegeben, Physiker zu sein, ja gar ein »entdeckender Physiker«. Doch entgegen diesem Anschein habe Helmholtz im Vergleich zu Ohms Arbeiten über Elektrizität und Akustik (insbesondere der Theorie des Tones) kaum mehr getan, als ein paar Experimente von geringer Bedeutung durchzuführen. Auch Helmholtz’ populäre Aufsätze über die Energieerhaltung seien nutzlos, so Dühring weiter, und gäben sich nur den Anschein, als wären sie »wissenschaftlich«. Helmholtz selbst sei in seinen populärwissenschaftlichen Aufsätzen nie über das Niveau des Modischen hinausgegangen und könne es auch gar nicht. Niemand habe sich für Helmholtz’ »Broschürchen« über die Erhaltung der Kraft interessiert, behauptete er weiterhin (und dies sogar zu Recht). In den 1850er-Jahren hätten Helmholtz und seine Anhänger den Energieerhaltungssatz und das mechanische Wärmeäquivalent entdeckt, Mayer dabei aber mit keinem Wort erwähnt, der daher so gut wie unbekannt geblieben sei, bis Dühring in den 1870er-Jahren erstmals auf ihn aufmerksam gemacht habe.25 Dühring machte Helmholtz weiterhin schlecht wegen der Rolle, die er angeblich bei Dührings Entlassung gespielt hatte. Helmholtz und andere Professoren hätten die »in den Händen der Juden befindliche Presse« manipuliert. Sie hätten versucht, Dühring »zu discreditiren«, indem sie behaupteten, er litte unter Größen- und Verfolgungswahn. Die jüdischen Pressebarone (allesamt Liberale) seien auf Helmholtz’ Seite gewesen und hätten Dühring verleumdet.26 So ging es in der ersten Hälfte der 1880er-Jahre in einem fort weiter: Dühring führte seine Kampagne gegen Helmholtz mit einer Tirade sich wiederholender Verlautbarungen und Anklagen fort.
Verteidigung gegen »eine Handvoll Lügen« Dührings Behauptung, Mayers Werk sei von Helmholtz und anderen vernachlässigt und von ihm selbst entdeckt worden, war ganz einfach falsch. Bereits im Jahr 1862 hatte Tyndall Vorträge über Mayers Arbeit gehalten (und bald darauf veröffentlicht). Tyndall hatte an Clausius und auch an Helmholtz geschrieben, um sich nach ihren Ansichten zu Mayers Schriften und Ergebnissen zu erkundigen.27 Helmholtz hingegen plante, zu diesem Thema zu schweigen, »da Dühring hier bei uns, als ein aus Neid und Bosheit zusammengesetzter Mensch bekannt ist, dem es auf eine Handvoll Lügen nicht ankommt«, schrieb er Tyndall. Jede Antwort, die er geben könnte, wäre entweder schwach oder in einem Tonfall verfasst, der für den wissenschaftlichen Diskurs unpassend wäre, dachte er. (»Wir haben leider schon genug davon durch die Nachahmer Schopenhauers wie, zum Beispiel, Zöllner und Dühring.«) Außerdem müsse er, falls er doch antworten sollte, zugeben, dass er sei-
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ne eigene Arbeit zur Energieerhaltung gegenüber Mayers für überlegen hielt. In den späten 1840er-Jahren sei die Energieerhaltung »noch als eine Narrheit betrachtet« worden, und als er »Mayers erste Schriften kennen lernte, ist er mir zunächst nur als ein compromittirender Parteigenosse erschienen«. Er habe damals einen Streit über das Erstrecht als Entdecker vermieden und beabsichtige dies auch in Zukunft zu tun. »Hier in Deutschland hat Dührings Buch nur Gelächter erregt, wenigstens bei allen Menschen, an deren Urtheil etwas liegt.« Mayer sei von Zeit zu Zeit (geistes-)krank gewesen, sagte Helmholtz, und er habe sich dem Alkohol zugewandt, um Erleichterung zu finden, wie er den Physikern Poggendorff und Adolph Paalzow gestand.28 Tatsächlich war dies aber nicht Helmholtz’ letztes Wort in der Angelegenheit Mayer. Entweder hatte Dühring einen Nerv getroffen, oder, was wahrscheinlicher ist, Helmholtz dachte, er könne Dührings wilde Vorwürfe nicht völlig unbeantwortet lassen, selbst wenn er auf eine detaillierte Widerlegung verzichten wollte. Drei Jahre später (im Jahr 1883) hielt er im Anhang zu einem Nachdruck seiner populären Vorlesung von 1854 jedenfalls fest, er habe als Erster Mayer zitiert und dabei »das Gesetz von der Erhaltung der Kraft in seiner Allgemeinheit richtig aufgefasst«. Er schrieb, er habe Mayers Rang als Erstentdecker gegenüber Joule vor seinen englischen Freunden verteidigt, »welche geneigt waren, jede Berechtigung Mayer’s zu leugnen«. Er verwies insbesondere auf die Veröffentlichung seines Briefes an Tait in der Einleitung zu Taits Sketch of Thermodynamics (1868) und in seiner eigenen, kürzlich erschienenen Sammlung wissenschaftlicher Arbeiten. Er merkte aber auch an, dass er die ersten beiden Veröffentlichungen Mayers für ziemlich spekulativ hielt. Im Übrigen seien Helmholtz und die anderen »Entdecker« des Energieerhaltungssatzes, wenn auch nicht von Mayer selbst, so doch von anderen unhöflich behandelt worden: Habe man doch diejenigen, die Experimente durchgeführt und empirische Forschung zur Untermauerung des Gesetzes betrieben hätten, verunglimpft, ihnen fehle eben »das Schauen des Genius«. Ich selbst bin als einer der schlimmsten Uebelthäter dargestellt worden und verdanke dies, wie ich voraussetze, dem Umstande, dass ich durch meine Untersuchungen über Sinneswahrnehmungen mehr als andere meiner Fachgenossen mit erkenntnisstheoretischen Fragen in Berührung gekommen bin. Ich habe mich bestrebt, Alles was ich noch von Nebeln eines falschen scholastischen Rationalismus vorfand, zu zerstreuen. Dass ich mich dadurch bei den stillen und offenen Anhängern metaphysischer Speculation nicht beliebt gemacht habe, wusste ich längst vor diesen Streitigkeiten über Robert Mayer, und hatte auch längst schon eingesehen, dass es nicht anders sein könne.29 Helmholtz behauptete, er habe 1847 einfach nicht von Mayers Arbeit gewusst, habe später aber Anstrengungen unternommen, durch seine Vorträge in den Jahren 1862
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und 1869, »die Aufmerksamkeit des wissenschaftlichen Publikums auf ihn zu lenken«. Das half ihm bei seinen Gegnern (namentlich Dühring) nicht viel. Trotz der »Maasslosigkeiten« von Dürings Angriffen versuchte Helmholtz, einen rhetorischen Schlagabtausch über nichtwissenschaftliche Fragen mit ihm zu vermeiden. Auf der wissenschaftlichen Ebene erforderten jedoch die allgemeinen methodologischen Fragen von Spekulation versus Empirie und von Deduktion versus Induktion, die zu den unterschiedlichen Einschätzungen von Mayers Leistung geführt hatten, noch einige Diskussion. Helmholtz gestand, Mayer oft aus Mitleid wegen seiner Krankheit von Kritik verschont zu haben; nun aber, da Mayers Name benutzt werde, um »wissenschaftliche Principien« zu propagieren, die Helmholtz »für radical falsch« hielt »und die leider für die gebildeten Klassen Deutschlands ihre verführende Kraft noch immer nicht ganz verloren haben«, war er entschlossen, sich zu diesem Thema zu äußern.30 In seiner eigenen Arbeit, wie auch in der von Mayer und allen anderen, die den Energieerhaltungssatz »entdeckt« hätten, gehe es »keineswegs um eine durchaus neue Induction, sondern nur um die letzte Präcisirung und vollständige Verallgemeinerung einer schon längst herangewachsenen inductiven Überzeugung die sich schon mannigfach ausgesprochen hatte«. Das Gesetz sei ganz allmählich durch die Arbeiten von Leibniz, Daniel Bernoulli, Sadi Carnot, Rumford, Davy und anderen zutage getreten. Das sei der Stand der Dinge Mitte der 1840er-Jahre gewesen, als er begann, sich mit dem Thema der Energieerhaltung zu beschäftigen. Er fügte hinzu, er sei »selbst diesen Weg gegangen […], ohne von Mayer und anfangs Joule etwas zu wissen«. Seine eigene Arbeit zu diesem Thema sei eine »rein kritische und ordnende« gewesen, »deren Hauptzweck nur sein konnte, eine alte, auf inductivem Wege gewachsene Überzeugung an dem neu gewonnenen Material zu prüfen und zu vervollständigen«. Sein eigenes wissenschaftliches Leitmotiv sei nicht neuartig gewesen, und deshalb habe er »auch die Bezeichnung meines Aufsatzes: ›Über die Erhaltung der Kraft‹, so gewählt, um ihn als eine Erweiterung des alten Princips ›von der Erhaltung der lebendigen Kraft‹ zu charakterisiren, ebenso wie ich in der Einleitung an die alte Frage von der Möglichkeit des Perpetuum mobile angeknüpft habe«.31 Er rühmte Mayers Befähigung und Leistung – »ein höchst selbständiger und scharfsinniger Kopf« –, und glaubte doch, dass Mayer viel mit seinen Vorgängern gemeinsam habe. Seine Ergebnisse sollten nicht als originelle Wissenschaft überbewertet werden, warnte er. Insbesondere Mayers erster Aufsatz (1842) »giebt keine Beweise, wenigstens nichts, was ein Naturforscher als Beweis anerkennen würde, sondern stellt nur ›Thesen‹ auf«. Mayers Rang als Erstentdecker stellte Helmholtz indes nicht infrage und vermutete sogar, Mayers erster Aufsatz habe vielleicht nur diese Priorität sichern und gar nicht das Gesetz beweisen sollen. Doch gerade in einer Zeit, die starke Vorbehalte gegen spekulative Erkenntnisansätze in der Art He-
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gels hatte, sei Mayers Beweisführung als unzureichend angesehen worden, was »jeden aufgeklärten Naturforscher« dazu gebracht habe, nach der ersten Seite nicht mehr weiterzulesen. Zumindest in seinen ersten beiden Aufsätzen habe sich Mayer als Gefangener der Metaphysik und ohne ausreichende empirische Ergebnisse gezeigt. Rückblickend könne man allerdings erkennen, dass Mayers erster Aufsatz im Wesentlichen eine kluge und stichhaltige Formulierung des Energieerhaltungssatzes enthalte, »wenn auch die Art, wie er seine Erkenntniss darzustellen sich bemüht, noch von ziemlich starker Befangenheit in dem falschen Rationalismus der damaligen medicinischen Schulen und der damaligen Naturphilosophie zeugt«. Helmholtz wies auch darauf hin, dass seine eigene Arbeit ebenso wie die von Joule und anderen zunächst ignoriert worden sei. »Auch für uns [Helmholtz und Joule] war das Beharrungsvermögen der bestehenden Meinung [gegenüber der Energieerhaltung] nicht ganz leicht und nicht sehr schnell zu überwinden. Das höchste Interesse für den Träger einer neuen Idee sollte vor Allem sein, dass diese Idee die Überzeugung der Menschen für sich gewinne.« Erst seit 1854 seien Mayers Arbeit und sein Prioritätsanspruch anerkannt. »Mayer’s Schicksal« zeige, wie wichtig es sei, eine Theorie beharrlich zu bearbeiten, »bis der überzeugende Beweis für ihre Richtigkeit geführt ist«. Keine von Helmholtz’ Erklärungen hielt Dühring indes davon ab, seine Vorwürfe in endlosen Angriffen auf ihn zu wiederholen und weiter auszuführen. So geschah es etwa fünf Jahre später in einer Zweitauflage seines Berichts über seine Zeit am Victoria-Lyzeum und erneut an die zwanzig Jahre später in der zweiten Auflage seiner Autobiographie.32
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Einladungen aus Großbritannien Im Februar 1878 lud der Präsident der Londoner Chemical Society Helmholtz dazu ein, die von der Society ausgerichtete Faraday Lecture zu übernehmen, die alle drei Jahre von »einem Ausländer von hohem wissenschaftlichen Ansehen« gehalten wurde. Die erste Faraday Lecture fand 1869 statt, zwei Jahre nach dem Tod ihres Namensgebers, und die bisherigen Referenten waren allesamt Chemiker: der Franzose Jean-Baptiste André Dumas (1869), der Italiener Stanislao Cannizzaro (1872) und der Deutsche August Wilhelm von Hofmann (1875). Helmholtz wurde gebeten, zur »chemischen Philosophie oder chemischen Physik« zu sprechen. Mit Bedauern lehnte er ab, da er in Berlin als Rektor »mehr als üblich zu tun« habe und
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zudem »die Vorbereitungen für den Umzug in das neue Institut ebenfalls viel Zeit in Anspruch nehmen«.1 Damit war die Sache allerdings noch nicht erledigt. Fast drei Jahre später nämlich bat ihn Roscoe, Inhaber des Lehrstuhls für Chemie am Owens College in Manchester und mittlerweile Präsident der Chemical Society, erneut darum, die Faraday Lecture zu halten, und merkte an, dass Helmholtz bereits seit einer ganzen Weile nicht mehr in England gewesen sei (nämlich seit 1871). Dieser willigte ein, die Lecture des Jahres 1881 zu geben, und teilte Roscoe mit: »Ich habe in letzter Zeit über Elektrolyse und über Elektrodynamik mehr oder minder in den von Faraday angegebenen Bahnen gearbeitet und will versuchen, wieviel davon ich für Chemiker, ohne allzu abstrakt zu werden, verständlich machen kann.«2 Der von Roscoe umrissene Verlauf seiner Reise umfasste ein Abendessen bei William Crooke in London, die Abhaltung der Faraday Lecture (5. April), die Teilnahme am Faraday Dinner und an der Abendgesellschaft der Royal Society, ein Abendessen bei Warren De la Rue, Chemiker, Astronom und unmittelbarer Vorgänger von Roscoe im Amt des Präsidenten der Chemical Society, und schließlich den Besuch von Tyndalls Vortrag an der Royal Institution. Roscoe bemerkte zudem: »Eine Einladung der Universität Cambridge zur Festlegung eines Termins für die Verleihung der LLD [d. h. in diesem Fall des Ehrendoktortitels in den Rechtswissenschaften] an Sie befindet sich auf dem Weg zu Ihnen.« Bis dahin erwartete Roscoe einen schriftlichen Entwurf von Helmholtz’ Vortrag zur Durchsicht und Veröffentlichung im Druck. Anna plante, ihren Mann zu begleiten.3
Britische, irische und italienische Erwartungen In den Monaten vor Helmholtz’ Eintreffen in Großbritannien waren die Erwartungen an seinen Besuch in britischen und irischen Wissenschaftskreisen hoch. Manch einer hoffte, Helmholtz treffen oder zum Besuch seiner Einrichtung bewegen zu können. Zum Faraday Dinner lud Roscoe William Bowman, Sedley Taylor, Coutts Trotter (einen früheren Studenten von Kirchhoff und Helmholtz, der inzwischen Physikdozent am Trinity College in Cambridge war), Thomson, Tyndall »und die Hauptrepräsentanten der Wissenschaften« ein, neben all denen, die von Helmholtz noch benannt würden. Roscoe wurde für die Dauer des Besuchs Helmholtz’ Impresario und der Mann für die Organisation.4 Tyndall war sehr darauf erpicht, Helmholtz zu treffen. Er hoffte, ein Abendessen mit ihm und anderen im Rahmen ihres X-Clubs arrangieren zu können, eines kleinen privaten Zirkels, der sich zum Dinner traf, daneben aber den Gedanken der natürlichen Selektion und des wissenschaftlichen Naturalismus nach Kräften förderte. Dem Grüppchen ging es auch darum, die Royal Society zu reformieren und generell die Wissenschaften in Großbritannien zu modernisieren und weiterzuent-
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wickeln. Obwohl zahlenmäßig wenige, übten die Clubmitglieder erheblichen Druck aus, um den von ihnen favorisierten Kandidaten prestigeträchtige Auszeichnungen und Positionen zu verschaffen und ihre politische Linie durchzusetzen. Zwischen 1864 und 1893 trafen sich die neun Mitglieder einmal im Monat; damals gehörten Tyndall, Huxley, Spencer und Hooker zum Club, plus fünf weniger bedeutende Männer (Frankland, Lubbock, Hirst, Spottiswoode sowie der Zoologe und Chirurg George Busk). Doch Helmholtz schaffte es nicht; er teilte Tyndall zudem mit, dass er für seine Faraday Lecture ein Elektrometer und ein Galvanometer benötige, »damit es für die Zuhörer zu erkennen ist«. Auch werde es sich dabei nicht um einen populärwissenschaftlichen Vortrag handeln, sondern eher um etwas im Stile einer Ansprache des BAAS-Präsidenten. Das Ehepaar Helmholtz freute sich auf Tyndalls eigenen Freitagabendvortrag.5 Tyndall wandte sich oft an Helmholtz, um von ihm Ratschläge und Unterstützung zu erhalten. So informierte er ihn im September 1880, dass er den Vorschlag einbringen wolle, die Royal Society möge ihre Royal Medal an Joseph Lister verleihen: »Ihre Unterstützung würde mir wesentlich dabei helfen, seine Sache vor dem Council der Royal Society vorzubringen.« Helmholtz antwortete sofort mit einer äußerst positiven Beurteilung von Listers Leistungen und sprach seine Unterstützung aus. Zwei Monate später berichtete Tyndall an Helmholtz, dass sein (oder ihr) Bemühen darum, Lister jene Auszeichnung zu verschaffen, gefruchtet hatte. Ebenso erbat er Helmholtz’ Hilfe in der Frage patentrechtlicher Ansprüche auf die Nutzung des Telefons: »Stets mache ich Ihnen Umstände; wenn Sie aber in der Lage sein sollten, der Sache der Gerechtigkeit in diesem Land zu helfen, dann bin ich versucht, an Sie zu appellieren.« Was hier in Rede stand, waren die Bemühungen der Post, »die Nutzung des Telefons zu unterbinden, mit der Behauptung, dass es unter die Patente falle, die für den elektrischen Telegraphen ausgestellt worden sind«. Thomson, Stokes, Rayleigh »und weitere gute Männer« hatten gegen dieses Vorgehen protestiert. Tyndall beabsichtigte, dies ebenfalls zu tun, wollte aber zunächst Helmholtz’ Meinung dazu in Erfahrung bringen. Zwei Jahre zuvor, als dieser erstmals von der Erfindung des Telefons gehört hatte, war er der Auffassung gewesen, dass eine wissenschaftliche Erklärung seiner Physik (der akustischen und elektrischen Zusammenhänge) »auf der Hand liegend« sei, da »ich […] Jahre lang mit Fourierschen Reihen im Kopfe zu Bett gegangen und wieder aufgestanden bin«. 1878 veröffentlichte er, ohne dabei irgendwelche Ansprüche auf Originalität zu erheben, seine Ergebnisse zur Akustik des Telefons. Jetzt antwortete er Tyndall, dass er zwar über keine Kenntnisse des englischen Patentrechts verfüge, das Telefon aber nichts grundlegend Neues gegenüber bekannten physikalischen Prozessen sei. Doch, so sagte er, »[d]ie Umsetzung ist originell und bemerkenswert. Schon das Telefon von [Johann Philipp] Reis übertrug Klang innerhalb bestimmter Grenzen einer Tonhöhe. Bell hatte seinen Apparat für einen weit größeren Bereich der Tonleiter brauch-
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bar gemacht, und daher ist die Übermittlung von Sprache möglich geworden. Seine mechanische Umsetzung ist auch eine originäre Idee. Das Mikrofon ist dagegen eher eine Verfeinerung des Reis’schen Apparats.«6 Es gab noch mehr Erwartungen an Helmholtz. Crookes, ein ausgezeichneter Chemiker und Physiker, Herausgeber der Chemical News und dem Spiritismus gegenüber aufgeschlossen, ließ Helmholtz wissen, dass er »begierig sei, ihm die Ehre erweisen zu dürfen«, ihn während seines Aufenthalts in London zum Abendessen zu empfangen. Er schlug vor, einige führende Vertreter der britischen Wissenschaft ebenfalls einzuladen. G. Johnstone Stoney, ein irischer Physiker, schrieb Helmholtz, um ihm mitzuteilen, dass die Royal Dublin Society dort gerne eine Wiederholung von Helmholtz’ Faraday Lecture veranstalten wollte. In Dublin werde sein Kommen mit großer Begeisterung erwartet. Man habe dort gerade erst einen »großen Wiener Refraktor« (mit einem Durchmesser von 68 Zentimetern) installiert, und Stoney meinte, dass Helmholtz gewiss interessiert sein würde, dieses Teleskop (damals das weltgrößte) zu sehen. Helmholtz sagte sein Erscheinen zu. Die Universität von Dublin wollte ihm eine Ehrendoktorwürde verleihen, und der Verband irischer Chirurgen wollte ein Bankett zu seinen Ehren ausrichten und ihn zum Ehrenmitglied ernennen. Darüber hinaus hatte auch Lord Rayleigh davon gehört, dass Helmholtz nach Großbritannien kommen würde, und bat Schuster darum, Helmholtz in seinem Namen zu schreiben und der Hoffnung Ausdruck zu geben, der Gast würde auch etwas Zeit in Cambridge verbringen. (1879 war Rayleigh als Professor für experimentelle Physik und als Leiter des Cavendish-Laboratoriums auf Maxwell gefolgt.) Schuster schrieb ihm wie gebeten und setzte noch hinzu, dass er nicht glaubte, dass Helmholtz das Cavendish sonderlich interessant finden würde, weil dieses Labor es mit Helmholtz’ eigenem in Berlin nicht aufnehmen könne.7 Auch Thomson bekam Wind davon, dass Helmholtz die Faraday Lecture halten würde, und wollte ihn selbstverständlich während seines Aufenthalts in Großbritannien treffen. »Ich komme von Glasgow nach London herauf, um Sie am 5. April vortragen zu hören«, teilte er ihm mit, »und um Sie beim Dinner der Chemical Society am 6. zu treffen.« Er hoffte, dass Helmholtz im Anschluss an Tyndalls Vortrag mit ihm gemeinsam nach Glasgow zurückkehren würde, und fügte hinzu, dass Helmholtz ihn auch für einen Tag in sein Landhaus in Largs begleiten und dass sie in seinem Labor in Glasgow den Großteil der Woche über arbeiten könnten. Anschließend könnten sie nach Edinburgh fahren, um Tait zu treffen und einer Versammlung der Royal Society of Edinburgh beizuwohnen. Helmholtz nahm Thomsons Einladung an, obwohl er sich sorgte, dass der Besuch in Cambridge zu viel von seiner Zeit in Anspruch nehmen könnte.8 Nun traf auch eine Einladung zu einem Besuch in Italien ein. Quintino Sella, der Präsident der Reale Accademia dei Lincei, hatte von ihrem gemeinsamen Freund Tommasi-Crudeli (einem pathologischen Anatomen, öffentlichen Hygieniker und
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Bakteriologen, der auch italienischer Senator war) erfahren, dass Helmholtz nach Rom kommen würde, um sich an der Entscheidungsfindung der Accademia zu beteiligen, was die Vergabe eines hochdotierten Preises auf dem Gebiet der biologischen Wissenschaften anging. Doch Helmholtz sagte seinen Besuch in Rom ab: An der dortigen Versammlung könne er nicht teilnehmen, weil sie mitten im Semester stattfinden sollte. Außerdem hegte er Bedenken bezüglich seiner Eignung als Richter in einem solchen Entscheidungsprozess, da er den Fortschritt in den biologischen Wissenschaften über die vergangenen neun Jahre hinweg nur sehr bruchstückhaft verfolgt habe. Davon abgesehen würde er, wie er Tommasi-Crudeli vor Kurzem in Pontresina erklärt hatte, jedoch sehr gerne an die Accademia kommen, wenn die Sitzungsperioden in die Zeit seines Urlaubs fallen würden. Sella und seine Kollegen entschieden sich daher, die Beratung über die Preisverleihung bis zu einem Zeitpunkt hinauszuzögern, an dem Helmholtz würde nach Rom kommen können. Helmholtz zeigte sich darüber sehr überrascht und erklärte, dass er bereits zugesagt habe, die Faraday Lecture im April 1881 zu halten, sodass er einem Treffen der Accademia erst zwischen Mitte September und Mitte Oktober beiwohnen könne. Wie sich letztlich zeigte, traf sich das physiologische Komitee der Accademia am 10. Oktober in Florenz mit Helmholtz. Die Führungsriege der italienischen Wissenschaften war dazu entschlossen, Opfer zu bringen, um seinen Namen mit den Wissenschaften in Italien in Verbindung zu bringen.9
Manchester und Cambridge Die Londoner Times hielt Helmholtz’ Besuch für bedeutend genug, um (zweimal) darüber zu berichten. Ende März verbrachten die Eheleute Helmholtz einige Tage mit Roscoe in Manchester. Roscoe verehrte Helmholtz und hielt ihn für den größten Heidelberger Wissenschaftler und Gelehrten der Jahrhundertmitte. Beide Familien wurden, wie er stolz berichtete, »eng befreundet«. »Helmholtz führte eine äußerst mäßige Lebensweise, er rauchte nicht, und ich erinnere mich von ihm gehört zu haben, das kleinste Quantum Alkohol vertreibe aus seinem Gehirn ›alle guten Ideen‹ wie er sich ausdrückte, d. h. wenn er irgendein großes Problem aus dachte, mußte sein Hirn völlig frei von Alkohol sein.«10 Die Helmholtzens verbrachten anschließend zwei kalte und windige, aber »wundervolle« Tage in Cambridge. Nach dem Mittagessen mit dem Vizekanzler begab man sich zum Senate House, das Anna mit einem Dogenpalast verglich. Rayleigh leitete die Zeremonie, in der Helmholtz die Ehrendoktorwürde in den Rechtswissenschaften verliehen wurde. Helmholtz musste seinen Namen in die Universitätsmatrikel eintragen, was mit lautstarkem Beifall seitens der Studenten quittiert wurde. Seine Doktorwürde nahm er vom Vizekanzler kniend in Empfang, woraufhin die beiden sich die Hände schüttelten. »Es war sehr schön«, berichtete Anna nach Hause.11
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Im Anschluss luden die Rayleighs die Familie Helmholtz zu sich nach Hause ein. Lady Rayleigh war die Schwester von Arthur James Balfour, der später ein führendes Mitglied der Tories und sogar Premierminister von Großbritannien werden sollte. Die Rayleighs und die Balfours gehörten dem britischen Hochadel an. Balfour hatte die Helmholtzens »oft« in Berlin besucht, und nun tranken diese mit den Rayleighs Tee zu viert. Später aßen sie gemeinsam zu Abend, ebenfalls zugegen waren Trotter, Schuster und Mrs. Eleanor Mildred Sidgwick (geborene Balfour; sie war Arthur Balfours Schwester und die Gattin von Henry Sidgwick, dem bis heute berühmten Professor für Moralphilosophie in Cambridge).12 Aus Rayleighs Sicht scheint Helmholtz’ Besuch jedoch in gewisser Weise enttäuschend verlaufen zu sein. Beide hatten zwar in wissenschaftlicher Hinsicht sehr viel gemeinsam, und Rayleighs Interesse an der Physik war dem seines Gastes an der Akustik und der Wellentheorie ebenbürtig; trotzdem berichtete Rayleigh: »Es ist zwar im Gespräch nicht viel aus ihm herauszubringen, aber dennoch ist er ein sehr kluger Kopf.« Robert John Strutt, Rayleighs Sohn und zu jener Zeit noch ein kleiner Junge, war jedenfalls schwer beeindruckt, als er erfuhr, dass Helmholtz »ein noch cleverer Mann« als sein Vater war. Helmholtz zeigte ihm nämlich, wie die Anziehungskraft seines Hufeisenmagneten in dessen Enden konzentriert war.13
London: Elektrochemie und die Faraday Lecture Am 4. April fuhren die Eheleute Helmholtz und Roscoe gemeinsam nach London. Am Nachmittag dieses Tages begaben sich die Ersteren zur Royal Institution, wo Helmholtz’ Rede am folgenden Nachmittag stattfinden sollte und wo Tyndall »sämtliche Faraday’sche Details für ihn hatte vorbereiten lassen«. Das Dinner nahmen sie an jenem Abend bei den Crookes ein. Roscoe fand, dass »Frau v. Helmholtz […] ein außerordentlich sensitives und aktives Temperament« besaß, und berichtete: »Ich erinnere mich, wie sie am Morgen des Tages der Faraday-Vorlesung zum Frühstück herunterkam und zu unserer aller Heiterkeit erzählte, sie wäre so aufgeregt, ob die Vorlesung auch Erfolg haben würde, daß sie in der Nacht geglaubt hätte sterben zu müssen. Worauf er in seiner ruhigen gleichmütigen Art bemerkte: ›Ach, das geht nicht so schnell!‹« Anschließend legte er sich wieder schlafen.14 Der Vortragssaal der Royal Institution platzte bei Helmholtz’ Rede aus allen Nähten; über 1100 Eintrittskarten waren für die Veranstaltung ausgegeben worden. Im Publikum saßen viele Angehörige des Adels, viele Frauen und auch viele führende Repräsentanten der britischen Wissenschaft, darunter Thomson und Lubbock. In seinen einleitenden Worten porträtierte Roscoe Helmholtz als »gleich ausgezeichnet als Anatom, als Physiologe, als Physiker, als Mathematiker« und fügte hinzu, dass »wir Chemiker ihn nun auch als einen der unseren in Anspruch nehmen [wollen]«. Tyndall hielt anschließend eine kurze Ansprache zu Faraday, be-
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vor Helmholtz schließlich ans Rednerpult gebeten – und dort begeistert empfangen wurde.15 Obgleich sich Helmholtz nie als Chemiker verstanden hatte, hatte er ganz zu Beginn seiner Karriere zur physiologischen Chemie, zur tierischen Wärme und zu den chemischen Implikationen der Energieerhaltung (Elektro- und Thermochemie) gearbeitet. Wichtiger noch: In den 1870er- und 1880er-Jahren führte er Forschungsarbeiten in der Elektrochemie durch, die zwischen der sogenannten chemischen Theorie der galvanischen Zelle und der Kontakttheorie eine Entscheidung herbeiführen sollten. Dabei versuchte er, das Wesen und die Quellen elektrischer Ströme und die Beziehungen zwischen Strömen, elektromotorischen Kräften und Widerständen in verdünnten Lösungen zu verstehen, wozu auch Arbeiten zur galvanischen Polarisation und zu Konzentrationszellen (von Elektrolyten) gehörten. Diese Forschungen führte er zum Teil mit dem Ziel durch, die Folgen für die Elektrochemie (Elektrolyse), die sich aus den Entdeckungen des ersten und zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik ergaben, sowie für die Elektrodynamik herauszuarbeiten. Ein großer Teil dieser Arbeit war, wie er betonte, langwierig und heikel; zweifellos griff das viele Hantieren mit Batterien, Elektroden, Drähten, Voltametern, chemischen Lösungen und Ähnlichem seine Hände an. Parallel verfolgte Helmholtz sorgfältig die Literatur zur Elektrolyse und zur Elektrochemie im Allgemeinen und verglich und kontrastierte seine Arbeit stets mit der von anderen.16 Obwohl sein Versuch, zu einer Entscheidung zwischen der umstrittenen Kontakttheorie und den chemischen Theorien der galvanischen Zelle zu kommen, anscheinend nur wenige Chemiker oder Physiker – wenn überhaupt – überzeugen konnte, bereitete er dennoch die Bühne für die einflussreiche Entwicklung der chemischen Thermodynamik (durch Helmholtz, in den frühen 1880er-Jahren) und des neuen und eng damit zusammenhängenden Gebiets der physikalischen Chemie (durch andere, in den späteren 1880er-Jahren und darüber hinaus). Zugleich war damit auch die Bühne für seine Faraday Lecture von 1881 bereitet, die den Titel »On the Modern Development of Faraday’s Conception of Electricity« (späterer deutscher Titel: »Die neuere Entwickelung von Faraday’s Ideen über Elektricität«) trug. Helmholtz’ berühmtester Beitrag zur Chemie bestand darin, dass er in dieser Vorlesung die Idee der atomaren Natur der Elektrizität wieder einführte – er selbst hatte sich schon 1847 und erneut gerade erst im Jahr 1880 wieder für sie ausgesprochen. Sein cleverer und diplomatisch gewählter Vorlesungstitel ehrte einen von Großbritanniens größten Männern der Wissenschaft, indem er suggerierte, dass Faradays (kontroverse) Vorstellungen über Elektrizität nach wie vor aktuell seien. Er pries Faraday überschwänglich.17 Die Vorlesung selbst setzte recht viele chemische Kenntnisse voraus und war die im striktesten Sinne chemische Ausarbeitung, die er je abliefern sollte; er hätte sie gar nicht halten können, hätte er nicht einen Teil des vorigen Jahrzehnts mit experimenteller Arbeit und The-
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oriebildung auf dem Feld der Elektrolyse verbracht. Sie kam genau in jenem Moment, als Chemiker und Physiker nach einem oder mehreren theoretischen Ansätzen suchten, um die enorme Menge an chemischen Daten ganz oder zumindest teilweise zu erklären, die sie in den vergangenen rund einhundert Jahren zusammengetragen hatten. Die elektrische Theorie stand auch in Faradays Werk im Zentrum. Helmholtz charakterisierte dessen Herangehensweise an die wissenschaftliche Theorie als dicht dran an den beobachteten Tatsachen und fernab von hypothetischen Annahmen. Faradays Ziel sei es gewesen, »die Naturwissenschaft von den letzten Ueberbleibseln der Metaphysik zu befreien«; allerdings räumte er auch ein, dass Faraday weder der erste noch der einzige Wissenschaftler gewesen sei, der dieses Ziel verfolgte. Als weitere Beispiele führte er, was in diesem Kontext recht eigenartig war, Goethe und Humboldt an.18 Der Kern von Faradays elektrischen Untersuchungen bestand nach Helmholtz darin, dass sie sich mit »dem Wesen der Kräfte« befassten, also mit physikalischen Kräften, die auf Distanz wirken, oder mit chemischen Kräften, die zwischen nahe beieinander befindlichen Molekülen wirken, oder aber eben mit dem größeren Zusammenhang zwischen diesen physikalischen und chemischen Kräften. Helmholtz brachte Faradays elektrische Untersuchungen mit denen von Newton, Coulomb, Ørsted und Ampère in Verbindung und fügte hinzu, dass Faraday »instinctiv« von so etwas wie dem Energieerhaltungssatz angeleitet worden sei, noch bevor dieser entdeckt worden war.19 Helmholtz ging auch auf Faradays Entdeckung der induzierten Ströme, der elektromotorischen Kräfte, der dielektrischen Polarisation und des Diamagnetismus ein. Wie er bemerkte, hatte Faraday ein System von Spannungen zwischen elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Phänomenen und Kräften begrifflich auf den Punkt gebracht und Maxwell dieses Faraday’sche System dann anschließend präzisiert und mathematisiert. Es stimmte sowohl mit den relevanten Tatsachen als auch mit dem Energieerhaltungssatz und dem dritten Newton’schen Gesetz (über die Gleichheit von Aktion und Reaktion) überein. Tatsächlich habe Maxwell nachgewiesen, dass Licht und Elektromagnetismus nur verschiedene Manifestationen ein und derselben Sache seien, nämlich des unwägbaren, den Raum ausfüllenden Äthers.20 Helmholtz hielt jedoch auch die Theoretiker der Fernwirkung (zum Beispiel Franz Neumann) immer noch für sehr lebendig; er selbst verfolgte diesen Ansatz, allerdings auf Grundlage des Potenzialgesetzes. Damit sei er in der Lage, alle bekannten elektromagnetischen Gesetze abzuleiten und die entsprechenden Phänomene zu erklären, sofern diese geschlossene Ströme beträfen; offene Ströme blieben dagegen unerklärt. Jedenfalls stünden seine Ergebnisse vollkommen im Einklang mit den Gesetzen der Mechanik. Wilhelm Weber und andere »Männer von hervorragender Bedeutung« verfolgten seiner Meinung nach ebenfalls einen Fern-
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wirkungsansatz und boten Theorien an, die die Phänomene geschlossener Ströme erklärten; ihre Theorien widersprächen allerdings, wie er meinte, den Grundsätzen der Mechanik, wenn sie auf offene Stromkreise angewandt würden.21 Anschließend wandte sich Helmholtz den elektrochemischen Prozessen zu. Wie Faraday behauptete auch er, die Tatsachen von seinen Hypothesen getrennt zu halten. Dennoch führte er schon bald eine Hypothese ein, da er nämlich annahm, dass Elektrizität eine Substanz sei und es zwei – entgegengesetzte – Arten von ihr gebe (positive und negative). Damit verknüpfte er Faradays und zugleich seinen eigenen Namen mit der Atomtheorie der Elektrizität. Sodann ging er zum Verhältnis von elektrischen und chemischen Kräften über. Nach einer Betrachtung von Berzelius’ Theorie der Elektrolyse, die von den Chemikern abgelehnt worden war, weil sie von positiver und negativer Elektrizität sprach, stellte Helmholtz heraus, dass es Faraday gelungen sei, Berzelius’ Theorie zu transformieren. Das habe er getan, indem er nach der Menge des Zersetzungsprodukts fragte, das sich bei einem elektrischen Strom von einer bestimmten Stärke und Dauer bilde. So sei Faraday zu seinem Gesetz der bestimmten elektrolytischen Wirkung geführt worden. Helmholtz prüfte dieses Gesetz und deutete es im Sinne der modernen Theorie der chemischen Wertigkeit um. Das gesamte moderne Verständnis der Gesetze elektrischer Prozesse habe sich, wie er erklärte, auf der Grundlage des gut bestätigten Faraday’schen Gesetzes entwickelt.22 Abschließend wandte sich Helmholtz der Ionentheorie zu, nicht ohne anzumerken, dass Faraday das »Ion« und verwandte Begriffe zuerst eingeführt hatte. Er diskutierte diese Theorie ausführlich und interpretierte das Faraday’sche Gesetz dahingehend um, dass »durch jeden Querschnitt eines elektrischen Leiters wir immer äquivalente elektrische und chemische Bewegung haben«. Mit jedem einwertigen Ion bewege sich die gleiche Menge an positiver und negativer Elektrizität. All dies betreffe beobachtbare Phänomene und ihre Beziehungen zueinander, beruhe aber »auf der Präexistenz unzerstörbarer Atome«. Die atomare Theorie erklärte für Helmholtz alle diese chemischen Tatsachen und Beziehungen, und das bedeute, wie er schloss, dass die Elektrizität »in bestimmte elementare Quanta getheilt ist«.23 Die Vorlesung war ein großer Erfolg. Anna fand sie »sehr glänzend und gut«, obwohl sie gestand, nicht alles verstanden zu haben. Der Vortrag wurde durch eine Reihe von »Cheers« unterbrochen, wenn Helmholtz seine eigenen Ansichten und Berechnungen vorstellte. Roscoe nannte die Vorlesung zu Recht »einen Wendepunkt in der Geschichte des Gegenstandes«, also der Elektrizität, und sagte, sie habe »die Grundlagen« für die heutigen »Anschauungen über das Wesen der Elektrolyse gelegt«.24 Sie brachte die Vorstellung von der atomaren Natur der Elektrizität erheblich voran, wobei diese, wie Helmholtz erkannte, nicht mit Maxwells elektromagnetischer Theorie übereinstimmte, in der Elektrizität als eine Spannung im Äther betrachtet wurde.
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Nachdem er die Vorlesung glücklich hinter sich gebracht hatte, begann Helmholtz mit der Anbahnung und Pflege von Kontakten und mit seiner Tournee durch London. Die Eheleute Helmholtz und andere wurden zum Tee bei den Tyndalls eingeladen, und sie nahmen (mit etwa 150 anderen Gästen) am Faraday Dinner und der Abendgesellschaft der Royal Society teil. Der Abend umfasste Ansprachen, die von fröhlichem Gesang unterbrochen wurden. Am folgenden Abend dinierten die beiden bei De la Rue, und einen Tag später hatte der Maler und Direktor der National Gallery, Frederick William Burton, dort eine Stippvisite für Helmholtz angesetzt. An diesem Abend dinierten die Eheleute Helmholtz und Roscoe im Haus von William Bowman, bevor sie sich alle auf den Weg machten, um Tyndalls Vortrag in der Royal Institution zu hören. Die London Times berichtete, dass Helmholtz sich mit Mitgliedern der Vereinigung der Telegrapheningenieure und Elektriker (Society of Telegraph Engineers and Electricians) treffen werde; diese stand eben im Begriff, eine Soiree im University College abzuhalten: »[Sie] wird durch das elektrische Licht beleuchtet werden, und es steht zu hoffen, dass es eine vollständige Präsentation sämtlicher der jüngsten Neuerungen in der elektrischen Wissenschaft geben wird.« William Grylls Adams, ein Professor für Naturphilosophie am King’s College, der jüngst zum Mitentdecker des photovoltaischen Effekts geworden war, wollte Helmholtz ebenfalls treffen und ihm das Wheatstone-Laboratorium an seiner Universität vorführen. Adams war in den wissenschaftlichen Kreisen Londons besonders gut vernetzt: Er war der Bruder des Astronomen John Couch Adams, der 1865 Maxwells Nachfolger am King’s College wurde, und der ehemalige Präsident der Londoner Physical Society. Am Ende ihrer Woche in der britischen Hauptstadt schrieb Anna nach Hause: »Unsere bewegteste aller Wochen liegt hinter uns und ich kann nicht dankbar genug sein, daß Papa Alles so gut überstand und frischer und fröhlicher war, als in langer Zeit.« In jenem Juni schrieb Tyndall an sie: »Es muss für Sie in höchstem Maße erfreulich gewesen sein, die Wertschätzung zu beobachten, die Ihr Mann in diesem Land genießt. Möge er noch lange in der Lage sein, die Arbeiten fortzusetzen, die ihm diese Wertschätzung eingebracht haben.«25
Kurzbesuche in Irland, Schottland und Paris Helmholtz reiste anschließend allein nach Irland und Schottland, während Anna in England zurückblieb. Stoney setzte für ihn an einem Nachmittag eine Vorlesung vor der Royal Dublin Society an und plante, am Abend Freunde einzuladen, die, wie er Helmholtz sagte, »ihn sehr gerne kennenlernen würden«. Doch Helmholtz’ Aufenthalt sollte sich als so kurz erweisen, dass Stoney nicht genug Zeit hatte, ihm Dublin zu zeigen. Später in diesem Jahr wurde Helmholtz (in Abwesenheit) eine Ehren-Fellowship des King and Queen’s College of Physicians in Dublin verliehen. Das College hatte ihm diese Auszeichnung eigentlich schon während sei-
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nes Besuchs in Dublin verleihen wollen, sah sich aber aus formalen Gründen daran gehindert.26 Von Dublin aus reiste Helmholtz nach Glasgow, wo er einige Tage bei Thomson blieb. Dann fuhren sie gemeinsam nach Edinburgh, und Helmholtz hielt einen Vortrag (möglicherweise über ein Instrument zur Bestimmung des Verhältnisses von elektromotorischer Kraft, Widerstand und Stromstärke) vor der dortigen Royal Society. Andrews, ein Belfaster Chemiker und Physiker, der durch seine Arbeiten über Phasenübergänge zwischen Gasen und Flüssigkeiten bekannt war, stand kurz vor dem Ruhestand, weshalb seine Freunde und Kollegen ein Anerkennungsschreiben für ihn aufsetzten. Sie wollten, dass auch einige Ausländer unterschrieben, und Crum Brown war gebeten worden, sich diesbezüglich an Helmholtz zu wenden,27 was er vermutlich auch getan hat. Auf jeden Fall verließen die Eheleute Helmholtz dann Großbritannien für einen kurzen Frühjahrsbesuch in Paris. Helmholtz’ Besuch in Großbritannien war in jeder Hinsicht ein voller Erfolg gewesen. Roscoe schrieb ihm: »Unsere Gesellschaft ist Ihnen zu großem Dank verpflichtet für das, was Sie für uns getan haben. Der Herausgeber der Zeitschrift der Chemical Society ist darauf erpicht, Ihre korrigierten Druckfahnen der Faraday-Vorlesung so bald wie möglich zurückzuerhalten, damit sie in der Juni-Ausgabe erscheinen kann.« Noch in Paris schrieb Helmholtz an Roscoe, dass während seines Aufenthalts in Großbritannien jeder einzelne Augenblick »so besetzt« gewesen sei, dass er nicht dazu gekommen sei, »die kurzen Notizen zu schreiben, die nötig sind, um meine Faraday-Vorlesung druckreif zu machen«.28
Berlin Am 11. Mai waren Helmholtz und seine Frau wieder in Berlin. Sie besuchten eine Aufführung von Wagners Ring und empfingen die Wagners privat bei sich zu Hause. Es war das erste Mal, dass alle vier Teile des Opernzyklus in Berlin aufgeführt wurden. Die Inszenierung und die Anwesenheit der Wagners erregten großes Aufsehen in der Stadt, und so beschränkten die Wagners ihre Besuche auf die Helmholtzens und Mimi von Schleinitz – und kamen »nur unter der Bedingung, daß Niemand [sonst] dort sein werde«. Die Helmholtzens konnten auf diese Weise zwei »lange und ausführliche« Gespräche mit ihren Gästen führen. Anna war von beiden sehr angetan, besonders aber von Cosima. Knapp drei Wochen später verbrachten die Eheleute Helmholtz einen verregneten Tag im »reizenden Landhause« in Charlottenburg, das Ernst von Mendelssohn-Bartholdy gehörte, der gemeinsam mit seinem Cousin Franz von Mendelssohn das Bankhaus Mendelssohn und Co. leitete. Die Simsons, die Schelskes und Joseph Joachim waren auch da, »und die Herren stritten über Wagner, was zwischen Papa und Joachim recht hoffnungslos war«, so Anna. Mitten in der freundlichen Diskussion rief Franz von Mendelssohn sie aus
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der Stadt an und spielte am Telefon auf seiner Geige eine Komposition Joachims vor. Also scharten sich alle so eng wie möglich um den Apparat. Die Klänge waren, wie Anna berichtete, »bis in die feinste Nuancen deutlich und bis auf den Klang der Geige [zu] hören«, sodass Joachim sagen konnte, es sei »die Amati, nicht die Stradivari«, die Franz von Mendelssohn gerade spielte. »Unheimlich und gespenstisch wirkte diese Allgegenwart der Ferne.«29 Im Juli 1881 lud Thomson in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender des Glasgower Vereins für wissenschaftliche Vorträge Helmholtz ein, irgendwann gegen Ende des Jahres oder am Anfang des kommenden Jahres einen populärwissenschaftlichen Vortrag in der Vorlesungsreihe des Rates zu halten. Dieser lehnte jedoch ab, da es zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde, den Vortrag auf Englisch auszuarbeiten. Und, wie er hinzufügte: »Ich habe allen Grund, eifersüchtig mit meiner Zeit umzugehen, da ich in diesem Jahr 60 Jahre alt werde und noch eine Menge Arbeit vor mir habe, die ich gerne abschließen möchte.« Ende August reiste Hermann allein nach Pontresina und ins Engadin. Anna und die Familie verpassten somit die Feier seines 60. Geburtstags (am 31. August 1881). Sie schrieb ihm: »Ich habe gar Vieles auf dem Herzen und im Herzen für Dich und werde mir Mühe geben, meine Pflicht in Deinem Sinne zu thun, so helfe mir Gott.«30 Sie trafen einander in Klagenfurt.
Paris: Internationale Elektrizitätskongresse Nach 1815 nahm der Nationalismus stark zu und erfuhr nach den Revolutionen von 1848 und vor allem durch die nationalen Einigungsbewegungen in Italien (1860 – 1870) und Deutschland (1871) weiteren bedeutenden Zuwachs. Auch die Wissenschaftsgemeinden waren mancherorts an dieser Entwicklung beteiligt. Zwischen 1880 und 1914 kam es überall in Europa und in Nordamerika zu einer Blüte nationaler wissenschaftlicher Unternehmungen, die beides zugleich waren: äußerst nationalistisch und internationalistisch. Einerseits präsentierten sich die Wissenschaftler oft als stolze Patrioten und Nationalisten, andererseits waren sie in ihrem wissenschaftlichen Ethos und der Praxis bekennende Internationalisten. Die nationalen Wissenschaftsprojekte wie auch die einzelnen Wissenschaftler verhielten sich zu- und untereinander sowohl kompetitiv als auch kooperativ. Nach 1870 kam es zu einer spürbaren Zunahme internationaler Kongresse, Gesellschaften und Forschungsvorhaben, vor allem von beobachtender und metrologischer Art. Diese verstärkte internationale Aktivität bedeutete wiederum eine deutlich erhöhte weltweite Reisetätigkeit von Wissenschaftlern, die ohne den Auf- und Ausbau von Eisenbahnnetzen und Verbesserungen im Postversand, wie sie nach 1830 stattfanden, nicht möglich gewesen wäre. Auch die Fähigkeit, wissenschaftliche Ergebnisse schnell zu kommunizieren und Wissenschaftler und ihre Aktivitäten zu koordinieren, nahm
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in dieser Zeit deutlich zu. Mit diesen Veränderungen entstand ein Bedürfnis nach neuen, international festgelegten Normen in Bezug auf die wissenschaftliche Nomenklatur, die Maßeinheiten und Standards. Der starke Geist des Internationalismus wirkte in den Wissenschaften bis 1914 fort; danach wurde er erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg wiedererlangt.31 Zur selben Zeit herrschte eine besonders tiefsitzende Rivalität zwischen der französischen und der deutschen wissenschaftlichen Gemeinschaft, auch wenn ihre nationalistischen Impulse durch das universalistische Ethos der Wissenschaft etwas abgemildert wurden. Um die Jahrhundertmitte hatte die französische Wissenschaft viel von ihrer Vitalität und ihrer intellektuellen Strahlkraft eingebüßt und sich ein Stück weit isoliert. Vor allem nach 1860 übernahmen die deutschen Staaten jene führende Rolle, die einst ihr Rivale jenseits des Rheins innegehabt hatte. Deutschland übertraf Frankreich nun in Bezug auf die Größe seiner wissenschaftlichen Gemeinschaft und das Niveau seiner Infrastruktur (wissenschaftliche Institute und Zeitschriften). Überall in deutschen Landen wurden neue wissenschaftliche Einrichtungen ins Leben gerufen, was für eine immer größere Zahl deutscher (und ausländischer) Wissenschaftler die Möglichkeit schuf, dort ihren Beobachtungen und experimentellen Arbeiten nachzugehen. Im Gegensatz dazu fehlte den französischen Wissenschaftlern nach der Jahrhundertmitte jene größere finanzielle Unterstützung, die ihre deutschen Kollegen vom Staat erhielten. Die Franzosen bewunderten und beneideten die deutsche Wissenschaft zugleich; und zwischen den beiden Wissenschaftsnationen entspann sich in dem halben Jahrhundert nach 1860 ein Kalter Krieg, der in unterschiedlicher Intensität bis 1914 fortdauerte.32 Frankreich (das heißt Paris) wurde allerdings zu einem wichtigen Standort für internationale Konferenzen, Kongresse und Komitees – was ihm den Ruf eines Landes von Rednern einbrachte –, während Deutschland weiterhin Laboratorien baute, darunter die Physikalisch-Technische Reichsanstalt, und damit als eine Nation von Machern galt. Der gerade erfundene oder erneuerte Dynamo, das Telefon, die elektrische Glühbirne und die elektrische Straßenbahn mit ihren großtechnischen Systemen machten es – im Verbund mit älteren elektrischen Technologien (wie dem Land- und dem Seetelegraphen) und den jüngsten Entwicklungen in der Elektrizitäts- und Magnetismusforschung – erforderlich, international anerkannte und einheitliche elektrische Nomenklaturen, Einheiten und Standards zu etablieren. Es brauchte drei Jahrzehnte mit unregelmäßig stattfindenden Elektrizitätskongressen – in den Jahren 1881, 1882, 1884 und 1889 in Paris, 1893 in Chicago, 1900 wieder in Paris, 1904 in St. Louis, 1908 in London und 1911 dann in Turin – und zahlreiche Regierungsabkommen, um die praktischen und rechtlichen Probleme der elektrischen Metrologie (mehr oder weniger) zu lösen.33 Helmholtz nahm an den ersten drei Kongressen (in Paris) und am fünften (in Chicago) teil und war eine Schlüsselfigur der internationalen wissenschaftlichen Metrologie.
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Der erste und letztlich wichtigste Kongress war der des Jahres 1881 in Paris. Hier wurde eine Reihe von heiklen theoretischen und politischen Fragen der elektrischen Metrologie gelöst. Der Internationale Elektrizitätskongress, wie er genannt wurde, fand im größeren Rahmen der ersten Internationalen Elektrizitätsausstellung vom 15. September bis 5. Oktober des Jahres statt und war eine offizielle französische Konferenz, die mit Unterstützung des französischen Ministers für Post und Telegraphie abgehalten wurde. Insgesamt nahmen etwa 250 Personen an dieser nur für geladene Gäste vorgesehenen Tagung teil. Helmholtz zeigte sich von vielen der Eingeladenen beeindruckt.34 Der Kongress bestand aus drei Sektionen: eine für theoretische Elektrizität (wobei die Teilnehmer Physiker, Chemiker und Physiologen waren), eine für Telegraphie und Telefonie und eine für alle anderen elektrischen Anwendungen (einschließlich Beleuchtung). Es gab drei französische und drei ausländische Vizepräsidenten (den Deutschen Helmholtz, den Briten Thomson und den Italiener Gilberto Govi). Neben Frankreich entsandten noch 27 weitere Länder Delegierte auf den Kongress. Eleuthère-Elie-Nicolas Mascart, Professor für Physik am Collège de France und Leiter des kürzlich (1878) gegründeten Bureau Central Météorologique, wurde zum Sekretär des Kongresses ernannt und war dort der französische Hauptvertreter; er blieb in seiner Heimat für die nächsten 25 Jahre die führende Figur in Fragen der elektrischen Metrologie.35 Die zahlenmäßig stärksten Delegationen kamen (abgesehen von Frankreich) aus Deutschland, Belgien, Spanien, Großbritannien und Russland. Andere europäische und lateinamerikanische Länder sowie die USA und Japan waren ebenfalls vertreten. Die führenden Persönlichkeiten auf dem Kongress waren Physiker; tatsächlich war dies wohl das erste Mal überhaupt, dass Vertreter dieser Disziplin aus so vielen Ländern in nennenswerter Zahl zusammenkamen. Der eigentliche raison d’être des Kongresses ergab sich, wie Helmholtz einige Wochen später in einem Vortrag vor dem Elektrotechnischen Verein in Berlin erklärte, aus dem Umstand, dass es in der rasch wachsenden Elektroindustrie um enorme Summen ging. (Diesem Verein war Helmholtz Anfang des Jahres 1880 beigetreten, innerhalb von nur 60 Tagen nach seiner Gründung, und er nahm gelegentlich an seinen Sitzungen teil und konnte ab und zu seinen Namen in der durch den Verein herausgegebenen Elektrotechnischen Zeitschrift lesen.) Ernsthafte rechtliche Auseinandersetzungen innerhalb der Branche ließen den Ruf laut werden, dass eine Art Rechtsordnung etabliert werden müsse – die ihrerseits wiederum die Schaffung eines Systems von elektrischen Einheiten und Normen nötig machte. Denn die Hersteller von elektrotechnischen Geräten und Apparaten mussten in der Lage sein, Eigenschaften wie den Widerstand eines Drahts, die elektrostatische Kapazität eines Drahtkabels oder die elektromotorische Kraft eines Dynamos innerhalb bestimmter definierter und verlässlicher Grenzen genau zu bestimmen. Folglich
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musste unter den Herstellern eine Einigung über die Werte verschiedener elektrischer Einheiten und Normen erreicht werden. Helmholtz vertrat die Ansicht, dass auch die Wissenschaftler von der Einführung solcher Normen profitieren würden. So könnten sie zum Beispiel größeres Vertrauen in die in Massenproduktion hergestellten Instrumente setzen und spezialisierte Sonderanfertigungen zu geringeren Kosten und mit einem besseren Gefühl der Kontrolle über Gerätefehler erwerben. »So ist die Wissenschaft sehr wesentlich daran mitbetheiligt, wenn einmal für die Technik und für die praktische Rechtsprechung gesetzliche Maasseinheiten festgestellt werden sollten, dass dieselben so hergerichtet werden, wie sie der Wissenschaft möglichst gut dienen.«36 Mit der Organisation des Kongresses in Paris vollbrachten die Franzosen eine diplomatische und politische Meisterleistung, die der von Talleyrand auf dem Wiener Kongress ebenbürtig war. Bisher nämlich waren sie auf dem Gebiet der elektrischen Metrologie nicht sonderlich aktiv gewesen; vielmehr waren die Briten und die Deutschen die maßgeblichen Mächte. Vor allem England und die englischsprachige Welt brauchten nach Helmholtz solche gesetzlichen Normen, da es dort viele verschiedene Hersteller und damit auch Widerstandsnormale gab. Deutschland hingegen hatte sein eigenes, einheitliches Widerstandsnormal, nämlich das von Werner Siemens, »dessen Fabrik fast die einzige war, die Widerstandsetalons in grösserer Menge lieferte«. Daher sahen sich die Deutschen nicht ganz so sehr wie die Engländer dazu genötigt, gesetzlich festgelegte Widerstandsstandards oder andere Normen zu etablieren.37 Bevor der Kongress zusammentrat, waren also mehrere Systeme elektrischer Einheiten und Normen in Gebrauch. Darunter waren zwei absolute Systeme (ein älteres, ursprünglich von Gauß und Weber entwickeltes, und ein neueres, entwickelt von der BAAS) und das von der BAAS verwendete »Zentimeter-Gramm-Sekunden«-System (CGS-Einheitensystem). Es gab allerdings empirische Befunde (zum Widerstand und zur elektromotorischen Kraft), die in keines dieser Systeme passten. Verwirrung wurde auch durch unterschiedliche Nomenklaturen gestiftet. So waren zum Beispiel zwei Einheiten mit dem Namen »Weber« (für Spannung) im Spiel, eine britische und eine deutsche, die unterschiedliche Grundlagen hatten; außerdem betrachteten die praktischen Elektriker den »Weber« als Maß für die Elektrizitätsmenge und nicht für ihre Stärke. Zudem war unklar, ob das Einheitensystem an das elektrostatische System (wie es die Deutschen wollten) oder an das elektromagnetische System (wie es die Briten verlangten) geknüpft sein sollte. Wissenschaftliche, wirtschaftliche und nationale Interessen, ganz zu schweigen von der Macht der Tradition, kamen hier also allesamt ins Spiel.38 Das britische CGS-System, auch bekannt als BA-System (kurz für BAAS), war ein »praktisches System«. Die Franzosen hingegen entwickelten ein »theoretisches System«, das ebenso wie das kurz zuvor (1875) übernommene metrische System
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darauf abzielte, universell und »natürlich« zu sein. Die Deutschen ihrerseits entwickelten ein drittes System, dessen Wurzeln in den Arbeiten von Gauß und Weber lagen und das auf dem Millimeter, dem Milligramm und der Sekunde beruhte. Helmholtz lobte die Bemühungen von Gauß und Weber, die mit dem Ampère’schen Gesetz über die Stromstärke eine elektromagnetische Grundlage für die Widerstandsbestimmung geschaffen hatten. Das Vorhandensein von Eisen in Gebäuden sowie der Erdmagnetismus könnten, wie er anmerkte, leicht zu schwankenden Ergebnissen in der elektrischen Metrologie führen. Er argumentierte allerdings auch, dass das Weber’sche Einheitensystem Zahlen produziere, die in der Praxis zu groß waren, um mit ihnen arbeiten zu können. Er favorisierte letztlich den Ansatz der BAAS, der auf dem metrischen System basierte. Zwischenzeitlich unterstützte er das deutsche System, also die von Siemens vorgeschlagene Quecksilbereinheit, und war der Meinung, dass auch Österreich, Russland (zum Teil) und andere östliche Länder dahinterstünden. Das wichtigste Problem war jedoch, die numerischen Äquivalente zwischen den britischen, französischen und deutschen Systemen zu finden.39 Dies war also in etwa der ungeklärte Stand der Dinge zwischen den drei Hauptansätzen zur Festlegung der elektrischen Metrologie, als der Kongress im September 1881 zusammentrat. Seitens der Physiker und anderer führender Theoretiker des elektrischen Messwesens, die sich in der ersten Sektion des Kongresses (theoretische Elektrizität) scharten, wurde die Frage der internationalen elektrischen Einheiten »als die wichtigste Arbeit des Kongresses angesehen«.40 Präsident dieser Sektion war Dumas; Kirchhoff und De la Rue waren ihre Vizepräsidenten und Mascart und Eric Gérard ihre Sekretäre. Die mit Abstand wichtigsten der 31 Delegierten waren Mascart, Helmholtz, Thomson und Siemens. In den ersten beiden Sitzungen sprach Thomson über das BA-System (das »praktische« System), rief zu seiner allgemeinen Annahme auf und gab bekannt, dass mehrere Teilnehmer bereits zugestimmt hätten, es zu übernehmen. Helmholtz sagte, die Frage der elektrischen Einheiten und Normen sei für die Zukunft wichtiger als für die unmittelbare Gegenwart: Sicherlich benötige man aktuell praktische Einheiten, aber es werde Zeit brauchen, sie festzulegen. Er lobte das englische System, forderte aber auch die Übernahme des Siemens’schen Widerstandsnormals. Daneben erwähnte er noch eine Reihe weiterer Probleme und regte an, dass eine Kommission sie untersuchen solle. Die Deutschen wollten also die Dinge verlangsamen und verlangten weitere Klärungen der Probleme, bevor endgültige Entscheidungen getroffen werden sollten. Diese ganze Diskussion fand auf Französisch statt. Du Bois-Reymond, dessen Muttersprache Französisch war, fand es »für eine kurze Zeit amüsant, dann schmerzhaft, Ausländer wie Sir William Thomson und Prof. Helmholtz aus Berlin schrecklich französisch sprechen zu hören«. Helmholtz war im Wesentlichen der gleichen Meinung und schrieb Anna, dass sie ihn »glückli-
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cherweise« nicht französisch sprechen hören musste. Ein Beobachter der hitzigen Debatte zwischen Thomson und Helmholtz in französischer Sprache hielt sie für eine »unvergessliche Szene der Komik«. Doch wie sprachlich unelegant auch immer die Sache ablief, die unterschiedlichen nationalen Positionen und Interessen waren jetzt jedenfalls für alle sichtbar dargelegt worden.41 Der Freundschaft zwischen Helmholtz und Thomson taten diese tagelangen Auseinandersetzungen in schlechtem Französisch keinen Abbruch und hielten auch die Delegationsmitglieder nicht davon ab, sozialen Umgang miteinander zu pflegen. Helmholtz bekam für sich und seine Gäste an einem Abend hervorragende Plätze in der großen Oper und lud die Thomsons ein, ihn zu begleiten (sie sahen Gaetano Donizettis La Favorite). Thomson gab, da er den Tag nicht entweihen wollte, seine Karten für die Sonntagsvorstellungen im Théâtre Français an Helmholtz, William Siemens, du Bois-Reymond, Kirchhoff und Clausius weiter, die dort Aufführungen von Molière (L’Avare) und George Sand (Le Mariage de Victorine) zu sehen bekamen, »beide Sachen höchst ausgezeichnet aufgeführt«. An einem anderen Abend suchten Helmholtz, du Bois-Reymond, Kirchhoff, Thomson, die Gebrüder Siemens, Clausius, Mach, Johann Wilhelm Hittorf und Kundt Rudolph Koenig, einen führenden Hersteller akustischer Instrumente, in seiner Wohnung auf, »wo es heiß und langweilig war«. Von der elektrischen Ausstellung selbst hatte Helmholtz bisher nur wenig gesehen, wobei es ihm – nebst Thomson, den Brüdern Siemens, Kirchhoff, Edison, Bell, Tyndall und dem Marquess von Salisbury – irgendwann dann doch gelang, die hervorragende Demonstration des Norwegers Carl Anton Bjerknes und seines Sohnes Vilhelm zu sehen. (Vilhelm wurde später einer der Vorreiter in der Entstehung der modernen Meteorologie.) Auf der Ausstellung erzeugten Vater und Sohn Bjerknes mithilfe elektromagnetischer Instrumente verblüffende hydrodynamische Analogien.42 Solcherlei Vergnügungen waren mehr als nur ein Mittel zur Erholung von den Anspannungen des Tages und der Langeweile der Komiteesitzungen in diesem sehr heißen September in Paris. Die Freundschaft, die Helmholtz und Thomson in den vergangenen drei Jahrzehnten aufgebaut hatten, erwies sich für die Lösung des zentralen Streitpunkts des Kongresses, sprich für die Definition und Messung des elektrischen Widerstands, als wesentlich. In der Eröffnungssitzung war es Mascart zufolge um Prinzipien gegangen, nicht um praktische Dinge, und in der zweiten Sitzung darum, ob das zur Anwendung kommende System ein logisches oder ein konventionelles sein sollte, und insbesondere darum, ob die Siemens’sche Einheit des Widerstands verwendet werden sollte. Darüber herrschte große Uneinigkeit, und als der Sitzungspräsident Dumas sah, dass man zu keinen Ergebnissen kommen würde, brach er die Sitzung vorzeitig ab. Am folgenden Sonntagabend wurde auf Thomsons Initiative hin im Hôtel Chatham ein Abendessen für einen ausgewählten Kreis veranstaltet, bestehend aus Thomson und William Siemens (für die Engländer), Helmholtz, Clausius, Kirchhoff,
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Wiedemann und Werner Siemens (für die Deutschen) und Mascart. Der Vorschlag stand im Raum, das britische System zu übernehmen, es aber »für die Praxis« zu nennen. Auch Werner Siemens stimmte dem nun zu. Dieses praktische System basierte auf den elektromagnetischen Einheiten des CGS-Systems. Ohm und Volt wurden definiert, und die zugehörigen Standards sollten von einer noch zu gründenden Kommission festgelegt werden. Allerdings blieb es schwierig, sich auf die Einheit für die Stromstärke zu einigen: Es gab zwei »Webers«, von denen der eine einen zehnmal höheren Wert hatte als der andere. Helmholtz legte, wie Mascart im privaten Rahmen erzählte, bei dieser Gelegenheit »große Weisheit« an den Tag und half den Versammelten, einen Kompromiss zu finden. Es war nicht zuletzt seine alte Freundschaft mit Thomson, die dies ermöglichte. Lady Thomson hatte an diesem Tag nicht zu Mittag gegessen, und so begaben sich alle in ein Restaurant nahe der Kongresshalle, und während sie dort wie ein »kleines Komitee um einen gewöhnlichen weißen Marmortisch saßen, einigte man sich auf die drei […] Einheiten – Ampère (statt Weber), Coulomb und Farad«.43 Am nächsten Morgen lieferte die erste Sektion ihren Bericht ab. Sie empfahl, der elektrischen Metrologie das CGS-Einheitensystem zugrunde zu legen. Die »praktischen Einheiten« für das Ohm (Widerstand) und das Volt (elektrisches Potenzial) sollten 109 beziehungsweise 108 betragen und die Einheit des Widerstands sollte »durch eine Quecksilbersäule mit einer Querschnittsfläche von einem Quadratmillimeter« bei null Grad Celsius festgelegt werden. Eine Kommission würde »für praktische Zwecke« bestimmen, wie lang diese Säule sein musste, um zum OhmWert zu gelangen. Künftig sollte »Ampère« als Bezeichnung für die Stromstärke, »Coulomb« für die Elektrizitätsmenge und »Farad« für die Kapazität verwendet werden. (Wie von Helmholtz vorgeschlagen, wurde »Weber« als Einheitenname fallen gelassen.) Der Kongress nahm diese Empfehlungen an. Zwei Tage später fand eine Vollversammlung statt, und die Überraschung bei den Delegierten war groß, als sie von den Ergebnissen erfuhren, die ein kleines Grüppchen bei einem Dinner und einem Lunch erzielt hatte.44 Die Briten und die Deutschen bekamen jeweils, was sie wollten, und zum Teil auch die Franzosen. Das britische BA-System wurde übernommen, war aber ein »praktisches System«; sein Schlüsselwert, der für die Widerstandsnorm, blieb noch offen, so wie es die Deutschen gewollt hatten. Die Franzosen, die in Fragen dieser Art eher neutral waren, hatten gehofft, die Gründung eines internationalen Instituts für elektrische Metrologie in ihrem Land zu erleben, und obwohl sie ein solches Institut nicht bekamen, wurde Paris de facto zum Ort mehrerer zukünftiger Konferenzen. Die Deutschen versuchten, die Entscheidungsfindung so lange wie möglich hinauszuzögern, und hofften ihrerseits, jenes Institut schließlich in Deutschland einzurichten. Man einigte sich auf einen Kompromiss, indem man eine Kommissi-
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on zur Klärung der offen gebliebenen praktischen Details einrichtete. Wie Helmholtz abschließend urteilte: »Der Congress hat erreicht, was unter diesen Umständen zu erreichen war; er musste eben bei einem Compromiss bleiben.« Etwa sechs Wochen danach verlieh der französische Staatspräsident Helmholtz in einem offiziellen Akt die Ehrenlegion. Dies geschah allerdings in Abwesenheit des Geehrten, denn Helmholtz war zu krank, um der Zeremonie in Paris beizuwohnen. Neben Helmholtz’ sonstigen Titeln und Ämtern hob der Präsident speziell dessen jüngste Rolle als Vizepräsident des Internationalen Elektrizitätskongresses hervor.45 Helmholtz erkannte sehr wohl, dass der – besonders auf Basis der Maxwell’schen Theorie des Elektromagnetismus vorgenommene – Versuch, Systeme absoluter Maße für elektrische und magnetische Größen zu begründen und davon ausgehend praktische Maße für die verschiedenen Größen zu entwickeln, nicht nur eine Frage »rein wissenschaftlicher Zwecke« war – auch wenn er es, wie Helmholtz in den Annalen der Physik und Chemie (1882) erklärte, durchaus auch war. Sein Artikel dort war teils als Antwort auf einen ähnlichen Beitrag von Clausius aus demselben Jahr gedacht, teils aber auch als ein Vorschlag dazu, wie die grundsätzlichen metrologischen Anliegen des jüngst stattgehabten Internationalen Elektrizitätskongresses in Paris angegangen werden könnten.46 Helmholtz war sich von Anfang an der kommerziellen und industriellen Dimensionen sowie der wissenschaftlichen Bedeutung der elektromagnetischen Theorie genau bewusst. Die Briten waren sehr darauf erpicht, Helmholtz wieder im Lande zu haben. William Siemens, Bruder von Werner Siemens und Präsident der BAAS, lud ihn offiziell zur anstehenden BAAS-Tagung in Southampton ein. Thomson tat es ihm gleich und schlug vor, dass sie hinterher nach Largs weiterreisen sollten. Helmholtz fuhr jedoch stattdessen mit Anna und ihrer Tochter Ellen für einen Monat nach Pontresina und von dort aus weiter nach Klagenfurt. Thomson teilte er mit, dass er Southampton nicht besuchen könne, selbst wenn er »geneigt gewesen wäre, die majestätische Stille der Wälder und Berge für die Betriebsamkeit und die Erregung einer Menge gelehrter Menschen zu verlassen«, und schrieb: »Nach zehn Monaten Arbeit wünsche ich mir sehr eine ungestörte Zeit der Ruhe, wofür, wie ich feststellte, Pontresina einer der besten Orte der Welt ist.« Doch bald schon sollte Helmholtz nach Paris reisen, um an der zweiten internationalen Kommission für elektrische Normen teilzunehmen, und war der Hoffnung, dass Thomson auch dort erscheinen würde: »Sie und Lord Rayleigh sollten vor Ort sein, wenn dort irgendetwas von Wert geschehen soll. Ich hoffe daher, dass ich [Sie] dort sehen werde.«47 Vor seiner Abreise in den Urlaub und dem anschließenden Treffen der internationalen Kommission in Paris schrieb Helmholtz an den Innenminister Karl Heinrich von Boetticher bezüglich der internationalen Kommission für elektrische Wissenschaft und Praxis und teilte ihm mit, dass er sich mit Friedrich Kohlrausch und Wiedemann darin einig sei, dass die französischen Physiker vermutlich ein inter-
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nationales Laboratorium für elektrische Metrologie in Frankreich anstrebten. Ein solches Institut würde fast zwangsläufig einen Franzosen als Direktor haben und schließlich andere Nationen dazu bringen, auf derartige eigene Arbeiten zu verzichten und sie stattdessen dort stattfinden zu lassen. Er nahm an, dass nur die »romanischen Nationen« Frankreich in dieser Hinsicht unterstützen würden, während die Deutschen und die Engländer sich dem entgegenstellen würden. Tatsächlich jedoch seien, wie er fortfuhr, die Franzosen bislang ohne Verdienste in der elektrischen Metrologie, während die Briten und die Deutschen die meiste Arbeit geleistet hätten. Die Deutschen hätten bereits eine gute, wenn auch nicht perfekte Maßeinheit für den elektrischen Widerstand (die Siemens-Quecksilber-Einheit), während die Franzosen das englische Maß übernehmen wollten und deshalb darum bemüht seien, die Entwicklung zu beschleunigen. Helmholtz selbst war dagegen der Meinung, dass es im deutschen Interesse sei, ein endgültiges statt ein schnelles Ergebnis zu erzielen.48 Dies war ein wenig subtiler Hinweis darauf, dass die Deutschen ein eigenes Institut gründen sollten, und das sehr bald. Der zweite Internationale Elektrizitätskongress wurde am 16. Oktober 1882 in Paris in den Räumlichkeiten des Außenministeriums eröffnet. Er war, im Vergleich zu seinem Vorgänger, eine kleinere, eher bescheidene Veranstaltung. Das Hauptthema war die Bestimmung des Ohm-Wertes, das heißt die Diskussion der Arbeitsergebnisse der Kommission, die zu diesem Zweck eingesetzt worden war. Die Deutschen, die in der Minderheit waren, beharrten weiterhin auf den Vorteilen der Siemens-Einheit für den Widerstand. Sie hielten es für verfrüht, eine definitive Widerstandsnorm einzuführen. Außerdem hatte noch keine Regierung einen der Vorschläge des Kongresses von 1881 übernommen. Die Deutschen hielten, ebenso wie Dumas, die Errichtung eines internationalen Instituts zur Festlegung des Widerstandsnormals (und vielleicht der elektrischen Metrologie im Allgemeinen) für unangebracht, da es die Bemühungen einzelner Forscher ausbremsen würde und es zudem schwierig sein würde, Physiker dafür zu gewinnen. Außerdem wurde angemerkt, dass ein solches Institut zwar für die Präzisionsphysik gut sein mochte, nicht aber für kreative Arbeit, die Forschungsfreiheit erforderte. Unter dem Strich sprach sich niemand mehr für ein internationales Institut aus. Die Deutschen waren der Überzeugung, dass sich letztlich die BA-Norm stillschweigend durchsetzen würde, was ein allgemeines elektrisches Maßsystem sinnlos machen würde. Gegen Ende des Kongresses wurde eine Zusammenkunft im Elysée-Palast abgehalten, und der französische Staatspräsident Jules Grévy sprach ganz unbekümmert von »den großartigen Fortschritten der Wissenschaftler und dem Stolz Frankreichs, eine solche Gruppe von Männern in seiner Hauptstadt versammelt zu haben«. Bezüglich des Ohm-Werts wurde keine abschließende Entscheidung getroffen.49 Während seines Aufenthalts in Paris besuchte Helmholtz eine Abendgesellschaft im Haus von Étienne-Jules Marey, der seinen Gästen – darunter Bjerknes,
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Govi, Crookes »und mehrere Persönlichkeiten der französischen Wissenschaft« – die neue Chronophotographie vorführte. Er hörte auch von seinem Freund Gabriel Lippmann, einem französischen Physiker, den er 1873 kennengelernt hatte. Damals war Lippmann an einer französischen Regierungsmission beteiligt gewesen, die den naturwissenschaftlichen Unterricht in Deutschland begutachten sollte; Lippmann hatte bald darauf in Heidelberg bei Kirchhoff promoviert (1874). Lippmann und der Mathematiker Charles Hermite baten Helmholtz nun um Unterstützung für Lippmanns Berufung auf den vakanten Lehrstuhl für mathematische Physik an der Sorbonne. Helmholtz äußerte sich denn auch gegenüber zwei einflussreichen Persönlichkeiten, von denen eine Hermite selbst war, sehr positiv über Lippmann, und diese Parteinahme erwies sich für Hermite als »entscheidend«. Lippmann, der auf mehreren Gebieten der Physik tätig war, unter anderem in der optischen und elektrischen Messtechnik, wurde tatsächlich auf jenen Lehrstuhl berufen. Später wurde er für seine Arbeiten zur photographischen Wiedergabe von Farben bekannt, für die er 1908 den Nobelpreis für Physik erhielt. Kurz nach seiner Rückkehr nach Berlin berichtete Helmholtz in einer Sitzung der Physikalischen Gesellschaft über die Arbeit des Kongresses.50
Der Aufstieg: Nobilitierung und Reichtum Neue Anzeichen deuteten darauf hin, dass Helmholtz nun zu den ganz Großen gehörte. Im Jahr 1881 war sein berufliches Ansehen so groß, dass zwei Verleger – Barth und Reimer – Interesse an der Veröffentlichung seiner gesammelten wissenschaftlichen Abhandlungen bekundeten.51 Helmholtz entschied sich für Barth, weil dessen Angebot zuerst kam und viele seiner Aufsätze bereits in dessen Annalen erschienen waren. Der erste Band seiner Wissenschaftlichen Abhandlungen erschien 1882, der zweite 1883 und der dritte und letzte Band 1895. Ende Januar 1883 wurde Helmholtz, anscheinend auf Betreiben des Kronprinzen und der Kronprinzessin, in den Adelsstand erhoben; künftig war er als »von Helmholtz« bekannt. In einer Gesellschaft, die enormes Gewicht auf Titel legte, wie es in Preußen und im kaiserlichen Deutschland generell der Fall war, beförderte ihn dies in eine gesellschaftliche Klasse oberhalb seiner Wissenschaftlerkollegen (und fast aller anderen Menschen). Allerdings äußerte er gleich den Wunsch, dass dies an seinen Freundschaften nichts ändern solle. Ansonsten würde diese neue Ehre, die er seinen geliebten Kindern und Enkelkindern nicht gut vorenthalten könne, für ihn zu einer Strafe geraten, wie er einer Freundin gegenüber äußerte.52 Dennoch zeigte Helmholtz durchaus Stolz über seine gesellschaftliche Aufwertung und prahlte, dass in Preußen seit Jahrhunderten niemand seiner wissenschaftlichen (also nicht militärischen oder politischen) Verdienste wegen nobilitiert worden sei. Tatsächlich hatte Bayern kurz zuvor Liebig geadelt und Preußen
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den Historiker Leopold von Ranke; zudem wurden ab 1883 weitere Gelehrte in den Adelsstand erhoben. Trotzdem kam die Nobilitierung eines Bürgerlichen vergleichsweise selten vor. Helmholtz freute sich für Anna und die Kinder wie auch »aus öffentlichen Gründen« darüber. Am Tag seiner Erhebung in den Adelsstand, dem 28. Februar 1883, überreichte die Kronprinzessin Anna eine Medaille mit den Porträts des Kronprinzenpaares zum Andenken an ihre Silberhochzeit. Jules Laforgue, ein Franzose, der in Berlin lebte und den preußisch-kaiserlichen Hof gut kannte, betrachtete Helmholtz’ Adelserhebung in einem recht strengen Licht und glaubte, der savant Helmholtz habe sich nur nobilitieren lassen, um seine Frau zufriedenzustellen – denn diese hatte ja mit ihrer Heirat ihre Adelspartikel eingebüßt. Doch all dem gesellschaftlichen Prestige zum Trotz, das jene Partikel, also das »von«, im preußisch-deutschen Leben mit sich brachte, war es politisch nur von geringer Bedeutung. Helmholtz war und wurde nie ein politisch aktiver Mensch in dem Sinne, dass er einer Partei angehört oder ein politisches Amt innegehabt hätte, wie es etwa bei Virchow der Fall war. Bis auf wenige gelegentliche Bemerkungen äußerte er sich auch nicht zu politischen Fragen. Dem Staat gegenüber war er stets loyal eingestellt, wie es seine frühen Jahre im Dienste des preußischen Militärs belegen, und hatte die gelegentliche Nähe zum badischen, bayerischen und preußischen Herrscherhaus mit Stolz quittiert, sodass es ihm leichtfiel, sich nun mit dem Hause Hohenzollern voll und ganz einzulassen. Dass im Gegenzug auch sein Name mit der preußischen Monarchie und Aristokratie in Verbindung gebracht wurde, verlieh dieser wiederum einen Hauch mehr Legitimität – ein Umstand, der von einiger Bedeutung war, als Helmholtz 1887 Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt wurde. Seine Nobilitierung hatte zwar keinen Einfluss auf seine Arbeitsbeziehungen zu seinen wissenschaftlichen Kollegen, ließ ihn in den Augen mancher aber möglicherweise als etwas erhabener erscheinen. Gewiss war sie ein neues Element in der Konstruktion seiner öffentlichen Person und Identität. Er selbst betrachtete diese gesellschaftliche Anerkennung als nützlich für die Wissenschaft – und das war sie zweifellos. Drei Monate später, im April 1883, wurde er zum ausländischen Mitglied der National Academy of Sciences der Vereinigten Staaten gewählt.53 Helmholtz und seine Frau waren die gesellschaftliche Leiter gewiss ein gutes Stück nach oben geklettert. Später in jenem Jahr verbesserte sich auch seine finanzielle Lage ganz entscheidend. Die Ursache dafür lag in Annas sehr enger Bindung an ihre Tante Mary von Mohl, vor allem nachdem Annas Onkel Julius (Marys Ehemann) 1876 verstorben war. Anna besuchte sie 1877 in Paris und überredete sie dazu, mit ihr für eine Weile nach Berlin zu kommen. Mary war einsam und wurde immer stärker von ihr abhängig, und das bedeutete, dass auch Helmholtz seine Pläne von Zeit zu Zeit an Marys Bedürfnissen ausrichten musste. In Paris war Hermite, der führende französische Mathematiker, mit Madame von Mohl bekannt und nahm sich ihrer ein
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wenig an. Mitte der 1870er-Jahre war er Inhaber der Professur für Analysis sowohl an der École Polytechnique, wo er einer von Henri Poincarés Lehrern war – dem gegenüber er die Bedeutung der deutschen Mathematik und Physik betonte –, als auch an der Sorbonne, wo er nach 1876 ausschließlich lehrte. Hermite war für seine Arbeiten zur Theorie der Funktionen wohlbekannt und ein großer Bewunderer nicht nur von Helmholtz, sondern auch von dessen Kollegen und Freunden Weierstraß und Borchardt. Er förderte die deutsche Mathematik und Physik in Frankreich, um so zur Modernisierung dieser Fachgebiete beizutragen. Mindestens dreimal berichtete er Helmholtz brieflich über den Gesundheitszustand von Mary, die er von Zeit und Zeit besuchte. Ende Mai 1882 schrieb er, dass er sie auf der Couch liegend vorgefunden habe, kaum fähig zu sprechen, dass sie sich aber in der Zeit seiner Anwesenheit wieder etwas erholt habe. (Am Rande bemerkte er, dass er einen seiner Studenten darangesetzt habe, eine Arbeit von Helmholtz ins Französische zu übersetzen.) Ein Jahr später starb Mary von Mohl im Alter von 90 Jahren. Anna fuhr nach Paris, um die Beerdigung zu organisieren – an der auch Hermite teilnahm – und sich um Marys Nachlass zu kümmern. Sie war von ihrer Tante begünstigt worden.54 Wie viel sie wohl geerbt hat? Brücke erwähnte im November 1883 gegenüber du Bois-Reymond, dass Helmholtz und Siemens ihn kürzlich in Wien besucht hatten und Helmholtz im Anschluss an seine Reise nach Rom (siehe unten) einen guten Eindruck gemacht habe, und merkte an: »[Er] ist ein reicher Mann geworden […], oder doch der Mann einer reichen Frau; denn wahrscheinlich wird diese die Testamentserbin sein.« Im selben Monat berichtete Dilthey einem Freund, dass langfristige Pläne geschmiedet würden, um für Helmholtz eine Stelle zu schaffen, die ihn von seinen Lehrverpflichtungen entbinden würde, und fügte hinzu: »Er hat ein großes Vermögen geerbt und wünscht sich augenscheinlich eine Lage, in welcher seine Zeit seinen Arbeiten gehöre.« Kurz nach ihrer Rückkehr aus Paris setzten die Eheleute Helmholtz ihren letzten Willen und ein Testament auf. Den Großteil ihres Erbes vermachten sie ihren drei überlebenden gemeinsamen Kindern (Robert, Ellen und Fritz) und Hermanns einzigem überlebenden Kind (Richard) aus der Ehe mit seiner ersten Frau Olga. Zudem vermachten sie Hermanns unverheiratet gebliebener Schwester Julie eine kleine jährliche Rente und bedachten auch Annas Bruder Erwin. Den Umfang ihres Erbes bezifferten sie auf etwa 60 000 Mark.55 Es dürfte nicht unwahrscheinlich sein, dass einige, wenn nicht sogar die meisten dieser Vermögenswerte den Helmholtzens erst durch Annas Erbschaft zugeflossen waren. Zusammen mit seinem hohen Gehalt, einer bezuschussten Wohnung und seiner unbefristeten Stellung war Helmholtz nun finanziell abgesichert. Wie die Thomsons besaßen auch die Eheleute Helmholtz Anteile an der Tharsis Sulphur and Copper Company, einem Bergbau- und Chemieunternehmen mit Sitz in Glasgow. Die in diesem Jahr (1886) erwartete Dividende war nur halb so hoch
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wie in der Vergangenheit, und der Wert der Aktie war im vergangenen Jahr »erheblich« gesunken. Helmholtz’ Beteiligung an Tharsis war aber möglicherweise nicht seine einzige: Kuno Fischer, der Heidelberger Philosoph, beklagte sich gegenüber Bunsen darüber, seine gesamte Investition in südamerikanische Eisenbahnaktien verloren zu haben. Als Bunsen nichts darauf erwiderte, setzte Fischer noch einmal an: »Helmholtz ist es ebenso ergangen«, schrieb er, worauf der schockierte Bunsen entgegnete: »So, so – von Helmholtz hätte ich das nicht erwartet.«56 Vielleicht waren seine finanziellen Verhältnisse also doch weniger stabil als gedacht? Im Sommer jenes Jahres 1883 reiste Helmholtz, wie schon in den vergangenen zehn bis zwölf Sommern, wieder nach Pontresina. Die Ärzte hatten empfohlen, dass Anna für ihre Gesundheit mit den drei Kindern ans Meer fahren solle, und so reisten sie nach England. Im späten August erhielt Helmholtz einen Brief vom Ministerium für öffentlichen Unterricht in Berlin. Er sollte in einer Kommission mitwirken, die ein neues Institut für Physik und Technik mit ihm selbst als Leiter etablieren sollte. »Es ist eine wichtige Sache für die Wissenschaft«, wie er Thomson mitteilte, »und auch für mein persönliches Interesse, da ich wohl hoffen darf, dass ich in der Lage sein würde, meine Schaffenskraft, oder das, was mir von ihr noch geblieben ist, in eine rein wissenschaftliche Richtung zu lenken.«57 Geld hatte für ihn nun weniger Nutzen, Zeit dafür umso mehr.
Rom: Internationale Geodäsie In jenem Herbst machte sich Helmholtz auf den Weg zur siebten allgemeinen Konferenz der europäischen Gradmessung in Rom. In eine italienische Stimmung versetzte er sich, indem er fünf Verse im Gedenken an Casamicciola schrieb, einen Kurort mit heißen Mineralquellen an der Nordküste der Insel Ischia, der im Juli durch ein schreckliches Erdbeben zerstört worden war. Helmholtz war damit eine von 300 »personaggi illustri« (illustren Persönlichkeiten), die das taten.58 Mitte Oktober 1883 nahm er an der Konferenz in Rom teil. Die moderne Geodäsie nahm ihren Anfang zu Zeiten Newtons, als man versuchte, die Gestalt der Erde zu erfassen und zu vermessen und vor allem Gradmessungen durchzuführen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unternahmen Gauss und Bessel solche geodätischen Bemühungen in Mitteleuropa. 1862 übernahm die preußische Regierung, vertreten durch Generalmajor Johann Jacob Baeyer, mit der Gründung der mitteleuropäischen Gradmessungskommission, die 1867 zur europäischen Gradmessungskommission wurde, hierin die Führungsrolle. Baeyer, der zuvor für die topographischen Bemühungen der preußischen Armee zuständig gewesen war, begann nun eine zweite Karriere als führender Pionier auf dem Gebiet der internationalen geodätischen Messvorhaben. Deren Zentralbüro war am Preußischen Geodätischen Institut (gegründet 1867) in Berlin angesiedelt; Baeyer war
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Institutsleiter und Präsident des Zentralbüros der (mittel-)europäischen Organisation in einer Person, wobei das Büro unter seiner Ägide zumeist kaum mehr als ein Publikationszentrum war. Das rapide Anwachsen von Verkehr und Kommunikation auf internationaler Ebene machte allerdings ein verstärktes Zusammenwirken der einzelnen nationalen Büros erforderlich. Es bestand ein weithin verspürtes Bedürfnis nach weltweiten Normen für die Zeitmessung, für Maße und Gewichte und für die Elektrizität. Zweifellos zum Teil aus diesem Grund und angesichts seiner ohnehin schon starken Einbindung in die Entwicklung internationaler Elektrizitätsnormen stimmte Helmholtz 1881 seiner Ernennung in den Vorstand von Baeyers Institut zu. 1886 wurde die europäische Gradmessungskommission zur internationalen Erdmessungskommission.59 Bereits 1880 hegte Baeyer die Befürchtung, dass die topographische Arbeit in Europa im Wesentlichen abgeschlossen sei, und war der Meinung, dass Preußen/ Deutschland nur dann eine Chance darauf haben würde, das Zentralbüro zu behalten, wenn, wie Siemens es auf Bitten Baeyers hin Helmholtz gegenüber zum Ausdruck brachte, eine europaweit unumstrittene Autorität wie er, Helmholtz, zum künftigen Chef des Zentralbüros bestimmt werden könne. 1883 war der 89-jährige Baeyer nicht mehr in der Lage, die Konferenz in Rom zu besuchen, sodass Helmholtz als sein Vertreter geschickt wurde. Er kam dort bei seinem Freund Blaserna unter und residierte in dessen neuem Physikinstitut an der römischen Universität Sapienza. Dabei umsorgte Blaserna ihn ganz vorzüglich: Helmholtz’ Unterkunft bot einen hervorragenden Blick über weite Teile des Südens und Westens der Stadt, und Blaserna lud alle Tage Helmholtz’ italienische Freunde ein, mit ihm zu dinieren. An mehreren Abenden gingen Helmholtz und Blaserna ins Teatro Vale, wo sie »die famose Schauspielerin Signora Eleonora Duse« sahen. Helmholtz schrieb: »Dieser Theatereindruck hat meinem Italienisch sehr vorwärts geholfen, wenn ich auch nicht viel vom Dialog verstand.« Blaserna wurde Zeuge davon, »welch regen Antheil Helmholtz an den feinsten und kleinsten Details ihres ungemein reichen Spieles nahm« (er weinte am Schluss, ohne sich dessen zu schämen), und der überraschte seinen Gastgeber auch »mit seinen ausgedehnten und gründlichen Kenntnissen des modernen französischen Theaters«. Zur weiteren Verblüffung Blasernas stellte sich heraus, dass Helmholtz auch Victorien Sardous Stück Fédora gut kannte, das die Grundlage von Umberto Giordanos Oper Fedora bildete. Helmholtz sah sich während seines Besuchs in Rom zudem so viele Kunstwerke und antike Stätten an, wie es ihm die Zeit nur erlaubte. »Er war überhaupt die reichste Natur, die mir je vorgekommen ist«, resümierte Blaserna, und fügte hinzu, dass er sich »für alles […] interessirte« und auch in allem bewandert war.60 Zur Eröffnung der Konferenz erschienen auch einige italienische Minister, unter anderem Bildungsminister Guido Baccelli, den Helmholtz als »mein[en] Freund« bezeichnete und der sich auf Latein an die Versammelten wandte! Früher in jenem
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Jahr hatte Baccelli Helmholtz’ allgemeinen Rat zu Fragen der höheren Bildung erbeten, als er einen Gesetzesentwurf vorbereitete, den er dem italienischen Parlament vorlegen wollte. Baccelli ging mit seinen Empfehlungen im Großen und Ganzen konform – vor allem darin, das italienische System mehr wie das deutsche zu gestalten – und hielt sehr große Stücke auf Helmholtz’ Urteil.61 Wie Helmholtz berichtete, gab es unter den laut verlesenen offiziellen Berichten einen »über das Motiv der Einführung einer internationalen Zeitzone und des dazu gehörigen ersten Meridians. Dieses Thema«, so fürchtete er, »wird der Tummelplatz aller Schönredner bei diesem Congresse werden, wenn es nicht gelingt, die Sache in einer gestern gewählten Commission zu begraben«. Das Hauptziel der römischen Konferenz bestand darin, eine Einigung über einen Nullmeridian zu finden. Sie zog Beobachter auch aus Übersee an, darunter aus den Vereinigten Staaten. Zum Nullmeridian und damit zur Ausgangsbasis für die Bestimmung der Weltzeit wurde Greenwich bestimmt.62 Die Konferenz hatte allerdings auch einen gesellschaftlichen Aspekt und erlaubte es Helmholtz, ältere Freundschaften mit italienischen Wissenschaftlern zu vertiefen und neue zu knüpfen. Blaserna lud ihn eines Abends dazu ein, mit den Astronomen Giovanni Schiaparelli und Pietro Tacchini zu speisen; im Anschluss stießen noch drei junge Physiker zu ihnen hinzu. Helmholtz erwartete auch, Tommasi-Crudeli zu treffen. Der Kongress setzte ein großes offizielles Abendessen an und organisierte speziell für die Delegierten auch einen Besuch im Vatikan. Eine Woche später war für den gesamten Kongress eine Ausflugsfahrt nach Neapel und zum Vesuv vorgesehen. In Rom besuchte Helmholtz zudem Cannizzaros chemisches Institut und die polytechnische Schule, außerdem die Sixtinische Kapelle im Vatikan. Auch bei einer Sitzung der Accademia dei Lincei musste er »anstandswegen« erscheinen. In Begleitung eines jungen Architekten besuchte er das Forum Romanum. Baeyer wurde für seine langjährigen Dienste vom Kongress mit einer Goldmedaille ausgezeichnet, die Helmholtz stellvertretend für ihn entgegennahm. Anschließend wurde im Hotel Quirinale für den gesamten Kongress ein Abendessen ausgerichtet. Helmholtz schrieb an Anna: »Ich saß neben Contessa Lovatelli, einer verwitweten schönen stattlichen Frau, als Philologin Mitglied der Lincei, Cousine des uns bekannten Conte Lovatelli und des Principe [Leopoldo] Torlonia, Bürgermeisters von Rom. Viele Toaste, ich habe deren letzten ausgebracht auf die städtischen Behörden Roms und habe großen Beifall geerntet. Das ist aber eigentlich bisher meine einzige That auf dem Congresse. Sonst finde ich mich ziemlich unnütz hier.« Am folgenden Tag wollte er erneut ins Theater gehen, und die Stadt Rom plante, am 20. Oktober für den gesamten Kongress eine Feier auszurichten. Er und Blaserna besuchten zwischenzeitlich noch die Albaner Berge, fuhren nach Frascati und hinüber zum Castel Gandolfo, wo der Papst seine Sommerresidenz hatte, und dann weiter nach Albano Laziale, Genzano und zum Nemisee. Nach der
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Konferenz trat er die Heimreise über Florenz und Wien an. Zurück in Berlin, erhielt er später in jenem Oktober Besuch von den Thomsons, was ihr erster und einziger Besuch in der Stadt sein sollte.63
Berlin: An der Akademie Ganze 24 Jahre lang, von 1871 bis 1894, fungierte Helmholtz als ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften.64 In dieser Funktion und im Rahmen seiner Aktivitäten als Professor der Physik trug er dazu bei, dass Berlin – neben London, Paris, Edinburgh und Rom – zu einer der Wissenschaftsmetropolen Europas wurde. Die Akademie war die bedeutendste wissenschaftliche Organisation im Staate Preußen. Ihr anzugehören hieß, dass man ganz oben angelangt war, selbst wenn das kreative Potenzial manch alternden Akademikers schon weit in der Vergangenheit liegen mochte. Während des ersten Jahrzehnts von Helmholtz’ ordentlicher Mitgliedschaft operierte die Akademie nach wie vor unter den Statuten, die sie sich im Jahre 1838 gegeben hatte. Diese blieben bis 1881 bestehen, als ein neues, überarbeitetes Regularium in Kraft trat. Die Akademie stand unter der Schirmherrschaft des Kultusministers und war in zwei gleichrangige Klassen aufgeteilt, die physikalisch-mathematische und die philosophisch-historische. Diese traten einmal im Monat getrennt voneinander zusammen, während sich die gesamte Akademie (das Plenum) einmal wöchentlich versammelte. Zudem kam sie auch noch zu drei speziellen Sitzungen zusammen: zum Gedenken an Friedrich II. (den Großen) als Erneurer der Akademie (am 24. Januar), zu Ehren von Leibniz (Anfang Juli), dem ersten Präsidenten der Akademie, und zu Ehren des regierenden preußischen Monarchen. Für diese und weitere Dienste erhielt jedes ordentliche Mitglied Stand 1838 200 Reichsthaler und im Jahr 1881 dann 900 Mark. Für ein gewissenhaftes Mitglied bedeutete schon die bloße Teilnahme an den Sitzungen, dass es über das akademische Jahr hinweg wohl mehrere Stunden wöchentlich auf Akademieangelegenheiten verwenden musste. Helmholtz nahm am 17. April 1871 an seiner ersten Sitzung teil, im selben Monat, in dem er auch zum ersten Mal an der Berliner Universität unterrichtete. Seine eigentliche Initiation erfolgte allerdings erst im Juli desselben Jahres, als er die Gedenkrede auf seinen Vorgänger Magnus im Rahmen der Leibniz-Sitzung hielt. Helmholtz hatte an der Akademie zwar nie ein Amt inne, verbrachte jedoch, wie alle anderen ordentlichen Mitglieder auch, eine Menge Zeit schlicht mit der Teilnahme an den regulären Zusammenkünften. So nahm er im Jahr 1872 beispielsweise an 30 und 1882 an 24 Sitzungen teil. Gelegentlich wurden auch Sondertreffen anberaumt, auf denen Angelegenheiten von allgemeinerem staatlichen Interesse zur Diskussion standen. Mitte der 1870er-Jahre etwa war Helmholtz dabei, als Vorschläge erörtert wurden, um die
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industrielle Präzisionsmechanik und -technologie zu fördern, den Schutz vor Blitzschlag, die Meridianbogenmessung und die deutsche Sprache und Literatur. Die Teilnahme an den regulären wöchentlichen und den außerplanmäßigen Treffen zusätzlich zu seinen Lehrverpflichtungen, seiner Forschungsarbeit und seinen administrativen Aufgaben an der Universität bedeutete für Helmholtz, dass sein Tag normalerweise mit Versammlungen ausgefüllt, um nicht zu sagen überfrachtet war.65 Helmholtz erwies sich auf verschiedene Weise als förderlich für die Mission und den Ruf der Akademie: Zunächst einmal trug er dort regelmäßig über seine aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten vor und publizierte diese in den Monatsberichten der Akademie beziehungsweise, ab 1881, in deren Nachfolgezeitschrift, den Sitzungsberichten. Diese Vortragstätigkeit bildete seinen wichtigsten Beitrag zum wissenschaftlichen Leben der Einrichtung. Zwischen 1872 und 1892 hielt er 21 Vorträge vor der physikalisch-mathematischen Klasse und zwischen 1871 und 1894 auch 16 Vorträge vor dem Plenum. Insgesamt veröffentlichte er in den Monatsberichten, den Sitzungsberichten und den Denkschriften 51 Beiträge, eine Zahl, die diverse Berichte, in mehreren Teilen erscheinende längere Artikel sowie zwei persönliche Reden umfasste. Mit Ausnahme der Jahre 1885, 1886 und 1894 (sein Sterbejahr) veröffentlichte er damit mindestens einmal jährlich in einer Zeitschrift der Akademie. Dem Ruf der Akademie war er auch dadurch förderlich, dass er die Wahl weiterer Wissenschaftler zu Mitgliedern unterstützte, sich darum kümmerte, dass deren Manuskripte in den Publikationsorganen der Akademie erschienen, und ihnen bei der Beschaffung von Geldern für ihre Forschungsarbeiten half. In der Generation vor ihm hatten Dove, Poggendorff und Magnus (und vielleicht sogar Riess) die Physik an der Akademie repräsentiert; in seiner Zeit an der Akademie sorgte Helmholtz dafür, dass diese drei durch moderne Fachvertreter ersetzt wurden. So nominierte er zwischen 1873 und 1892 sieben Personen für die ordentliche Mitgliedschaft. Für vier von ihnen verfasste er selbst die entsprechenden Eingaben (Siemens, Kundt, Boltzmann und Planck), für die übrigen drei war er Mitunterzeichner der Vorschläge (Hans Landolt, Wilhelm von Bezold und Hermann Carl Vogel). (Boltzmann, der zusammen mit Kundt Helmholtz an der Universität ersetzen sollte, als dieser die Leitung der Reichsanstalt übernahm, entschied sich am Ende doch dagegen, nach Berlin zu kommen.) 1894 nominierte Helmholtz als eine seiner letzten Amtshandlungen Max Planck zum Mitglied, der letztlich sowohl an der Akademie als auch in vielerlei weiterer Hinsicht Helmholtz’ Platz einnehmen sollte. In dem Maße, in dem ein Einzelner überhaupt das Helmholtz’sche Vermächtnis an der Akademie verkörpern konnte, tat dies Planck, und das für fast die ganze erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und schließlich trug Helmholtz dadurch, dass er (gemeinsam mit du Bois-Reymond) eine wichtige Rolle beim Wechsel seines Freundes Kirchhoff von Heidelberg nach Berlin spielte, zugleich dazu bei, dass dieser ein ordentliches Mitglied der Akademie wurde, weil (wie bereits angemerkt) auswär-
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tige Mitglieder beim Zuzug nach Berlin automatisch zu ordentlichen wurden. Mit diesen Nominierungen trug Helmholtz dazu bei, die Verbindungen der Akademie in die Physik zu modernisieren. Helmholtz schloss sich auch der Empfehlung zur Aufnahme des Mathematikers Georg Frobenius als ordentliches Mitglied an, und es ist sehr wahrscheinlich, dass er 1875 auch für Weierstraß votiert hat. Zu jener Zeit berichtete er einem Freund, dass er, Kirchhoff und Mommsen für Weierstraß als Deutschlands wichtigsten Mathematiker der Gegenwart stimmen würden.66 Ebenso interessant ist, dass Helmholtz 1866 den unüblichen Schritt unternahm, die Nominierung eines potenziellen neuen ordentlichen Mitglieds zu blockieren, und Zweifel an der Eignung des Anatomen und Anthropologen Gustav Fritsch äußerte. Er behauptete, dass andere, beispielsweise Robert Koch, als Vertreter der biologischen Wissenschaften besser qualifiziert seien. Eine Entscheidung über die Sache wurde vertagt. 1893 nominierten Fritschs Fürsprecher ihn erneut, aber gewählt wurde er wiederum nicht. (Der weltbekannte Bakteriologe Koch wurde erst 1904 zum ordentlichen Mitglied gewählt.) Zwischen 1871 und 1893 war Helmholtz auch daran beteiligt, insgesamt 14 Wissenschaftler zu korrespondierenden Mitgliedern der Akademie zu machen. In drei Fällen (Thomson, Hittorf und Hertz) verfasste er das Gesuch auf Ernennung und war bei drei weiteren (Clausius, August Toepler und Kohlrausch) Mitunterzeichner. Seine Unterstützung für acht dieser Kandidaten – den in Glasgow ansässigen Iren (und britischen Imperialisten) Thomson, den Russen P. L. Tschebyschow, die Italiener Cremona und Felice Casorati, den Franzosen Hermite, den Österreicher Hann und die Niederländer Donders und C. H. D. Buys-Ballot – zeigt, dass es ihm darum zu tun war, die internationale Dimension der Akademie zu fördern (oder zu bewahren). Helmholtz war zudem die treibende Kraft hinter der Nominierung seines Freundes Siemens zum ordentlichen Mitglied. Dies war besonders heikel, weil Siemens ein führender Geschäftsmann und Unternehmer war und seine wissenschaftlichen Leistungen daher im Grundsatz, wenn auch nicht ausschließlich, die angewandte Physik und die angewandte Mechanik betrafen. Die Akademie stand aber für die reine Wissenschaft, sodass seine Nominierung und Bestätigung – die einstimmig ausfiel – im Jahr 1873 ohne Beispiel war. In anderer Weise ebenso heikel war der Versuch, Virchow zu einem ordentlichen Mitglied zu machen. Bei diesem Unterfangen hielt du Bois-Reymond, der schon in der Vergangenheit bestrebt gewesen war, Virchow zu installieren, die Fäden in der Hand. Doch Virchow wurde abgelehnt, angeblich weil er auf dem Gebiet der Pathologie tätig war, also in einer medizinischen Wissenschaft und damit einem Feld, das von der Akademie nicht repräsentiert wurde. (Seine linksliberale Politik dürfte ein weiterer, wenn nicht sogar der eigentliche Faktor hinter dieser Entscheidung gewesen sein.) Helmholtz war Mitunterstützer von Virchow, der 1873 im zweiten Anlauf dann doch gewählt wurde, allerdings nicht einstimmig. Die Akademie als Institution galt lange Zeit als der
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angewandten Wissenschaft und Technik gegenüber gleichgültig, wenn nicht sogar unverhohlen feindselig eingestellt, da die Anwendungswissenschaften als nachteilig für das deutsche akademische und kulturelle Leben angesehen wurden. Dies könnte allerdings gerade ein Grund dafür gewesen sein, warum die Akademie – in einem ansatzweisen Bemühen darum, ihr diesbezügliches Image zu verbessern – Siemens und Virchow als Mitglieder zuließ. Bei der Einwerbung und Vermittlung von Manuskripten zur Veröffentlichung in den Publikationsorganen der Akademie spielte Helmholtz eine wesentliche Rolle. Zwischen 1871 und 1894 vermittelte er 91 Artikel an die Monatsberichte oder ihr Nachfolgeorgan, die Sitzungsberichte, und weitere Aufsätze an die Physikalischen Abhandlungen. Die meisten davon stammten von deutschen Physikern oder, in einigen Fällen, von physikalisch ausgerichteten deutschen Physiologen. Manche stammten auch aus der Feder junger amerikanischer Physiker. Viele davon waren Werke seiner aktuellen oder ehemaligen Studenten. War Helmholtz der Meinung, dass ein vorliegendes Manuskript wissenschaftlich hinreichend verdienstvoll war, dann unterstützte er es vorbehaltlos. So arbeitete beispielsweise in den 1870er- und 1880er-Jahren Eugen Goldstein in Helmholtz’ Labor, und der sorgte für die Veröffentlichung der wegweisenden Arbeiten Goldsteins, speziell über die elektrische Entladung in Gasen. Während der 1880er- und frühen 1890er-Jahre unterstützte Helmholtz die bahnbrechende spektroskopische Forschungsarbeit von Kayser und Runge. 1887 und 1888 arrangierte er die Veröffentlichung von vier Aufsätzen von Hertz, die einen experimentellen Beweis für Maxwells elektromagnetische Lichttheorie vorlegten; es war vor allem Hertz’ Werk, das sowohl im physikalischen Denken als auch in der modernen Kommunikation einen Wendepunkt markierte. In den späten 1880er- und frühen 1890er-Jahren unterstützte Helmholtz zudem die Arbeiten von Heinrich Friedrich Weber, Willy Wien, Otto Lummer und Ferdinand Kurlbaum, die alle Wegweisendes für das Verständnis der Schwarzkörperstrahlung und für die Formulierung eines Gesetzes über die Verteilung der Strahlungsenergie geleistet und dadurch zur Ausbildung der Quantenphysik beigetragen hatten, die in den späten 1890er-Jahren Gestalt anzunehmen begann. Unter dem Strich gelang es Helmholtz, durch seine eigenen Vorträge und Veröffentlichungen, seine Unterstützung und Wahl neuer Akademiemitglieder (Physiker) und durch die Kommunikation ihrer Forschungsergebnisse (und der Ergebnisse anderer) an die Akademie eine ganze ältere Generation von akademischen Physikern durch eine jüngere zu ersetzen, die den Problemen der Gegenwart zugewandt war. Zwischen 1870 und 1883 starben Magnus, Poggendorff, Dove und Riess; diese Physiker waren allesamt experimentell tätig gewesen, und entsprechend waren auch die physikalischen Veröffentlichungen der Akademie unter ihrer Ägide nahezu ausschließlich experimenteller Natur. Nach 1871 wurde Helmholtz der neue führende Repräsentant der Physik an der Akademie, und das nicht nur aufgrund sei-
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ner eigenen Arbeit und der Vermittlung von Manuskripten von Kollegen, sondern auch deshalb, weil er für Siemens, Kirchhoff, Kundt und Planck als seine Mitstreiter aus der Physik den Weg zur Aufnahme in die Akademie ebnete und die theoretische Physik, jene neue Unterdisziplin der Physik, in den wissenschaftlichen Zeitschriften der Akademie zu Wort kommen ließ. Schlussendlich war Helmholtz der Mission und dem Ansehen der Akademie auch dadurch dienlich, dass er in diversen Komitees saß, die in der ein oder anderen Angelegenheit die Akademie in der Welt »draußen« repräsentierten. Manchmal geschah dies auf Betreiben der Akademie selbst, häufiger aber in Reaktion auf Anfragen an die Akademie seitens des Ministeriums. Ein solcher Service der Akademie, an dem Helmholtz mitwirkte, war beispielsweise die Aufsicht über andere preußische wissenschaftliche und technologische Einrichtungen. In den frühen 1870er-Jahren wurde er etwa in eine Kommission der Akademie berufen, die sich dem Aufbau des neuen astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam widmen sollte, und, um noch ein zweites Beispiel anzuführen, 1876 in eine Kommission, die die Möglichkeit eruieren sollte, das preußische Zentralbüro für europäische Gradmessung an die Akademie anzugliedern. (Diese Idee wurde allerdings nie umgesetzt.) Wichtiger war aber vielleicht, dass Helmholtz ab 1881 einem Komitee angehörte, das die Aufsicht über das Preußische Geodätische Institut innehatte, und in den späten 1880er- und frühen 1890er-Jahren auch in jenem Komitee saß, das das Meteorologische Institut beaufsichtigte. Nach 1888 ließ Helmholtz’ tätiger Einsatz für die Akademie anscheinend nach, was seinen weiteren Verpflichtungen und, nach seinem 70. Geburtstag 1891, auch seinem Alter geschuldet war. Durch die vielerlei Arten von Unterstützung, die er anderen Wissenschaftlern angedeihen ließ, trug er jedenfalls dazu bei, die Akademie auf dem Stand der zeitgenössischen Wissenschaften zu halten und ihren Ruf in Berlin, im Reich und auch über Deutschland hinaus zu stärken.
Noch einmal Großbritannien und Paris Anfang des Jahres 1884 lud die Universität von Edinburgh zur Feier ihres 300-jährigen Bestehens im April ein, und auch die Preußische Akademie der Wissenschaften wurde gebeten, einen Vertreter zu entsenden. Helmholtz erklärte sich dazu bereit und hängte anschließend noch eine Reise nach Paris an. Seine Idee war, Anna, Robert und Ellen mitzunehmen, doch ein schweres Lungenproblem zwang Robert, stattdessen Erholung in einem Kurort zu suchen. Daher unternahm Helmholtz die einmonatige Reise allein mit Ellen; Anna stieß später in Paris zu ihnen. Sein Reiseplan umfasste Besuche in London, Manchester, Glasgow und Edinburgh.67 Nach seiner Ankunft in London am 3. April machte Helmholtz sich auf, De la Rue einen Besuch abzustatten. Am Abend hielt er vor der Royal Society einen Steg-
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reifvortrag – möglicherweise über seine Konstruktion einer sogenannten elektrodynamischen Waage zur Messung von galvanischem Strom. Hinterher lud Tyndall ihn in seinen Club ein, wo er Spencer, Lubbock, Huxley (den Präsidenten der Royal Society von 1883 bis 1885) und Hooker traf und mit ihnen dinierte. Am nächsten Tag fuhr er durch die Stadt, besuchte das British Museum und Sir Henry Verney, aß dann mit Tyndall zu Abend und hörte einen geologischen Vortrag. Roscoe brachte Helmholtz und Ellen anschließend nach Manchester, wo sie bei ihm zu Hause wohnten. Beide Männer tauschten sich über chemische Thermodynamik aus. Roscoe war ein enger Freund von Joule, und nachdem Helmholtz bekundet hatte, dass er diesen gerne kennenlernen würde, brachte Roscoe ihn zu ihm. Joule litt unter einer »überaus starken Reserviertheit und seiner Schüchternheit«, wie Roscoe sagte, und hatte einen »Hang zum Einsiedlertum«; später in seinem Leben wurde er zudem noch von »Gedächtnisschwäche« geplagt. (Joule war damals 64 Jahre alt und nicht mehr in der Lage, zu arbeiten.) Roscoe berichtete, dass das Treffen zwischen ihm und Helmholtz »höchst unbefriedigend« verlief und Letzterer sehr enttäuscht davon war.68 Am Abend des 12. April kamen Hermann und Ellen in Thomsons Landhaus Netherhall in Largs nahe Glasgow an. Sie besuchten sein Labor an der Glasgower Universität. Thomsons Instrumente waren, wie Helmholtz fand, zu raffiniert (»zu subtil«). Er hielt es für Verschwendung, sie Handwerkern und Beamten in die Hand zu geben, die keine hinreichende physikalische Ausbildung erfahren hätten. Die deutschen Instrumente, zumindest die von Siemens und Friedrich von Hefner-Alteneck, erachtete er für das universitäre Umfeld als zweckmäßiger. Er fand zudem, dass Thomson »seinen eminenten Scharfsinn« zu sehr auf industrielle Belange verwende und besseren Gebrauch davon machen könnte, indem er mehr reine Wissenschaft betreiben würde. Und er war der Meinung, dass Thomson den Kopf voll von allen möglichen theoretischen Spekulationen habe – etwa über die eigentliche Natur der Dinge –, diese aber nie in ein befriedigendes Ergebnis mündeten. Diese Kritik richtete er allerdings ebenso auch an sich selbst.69 Helmholtz hatte viele Einladungen nach Schottland erhalten, lehnte jedoch alle nichtakademischen ab. In Edinburgh, wo unzählige Festivitäten geplant waren, wohnten er und Thomson bei Crum Brown. Helmholtz wurde gebeten, auf dem großen Festbankett zur Dreihundertjahrfeier das Glas zu erheben und zur Studentenschaft der Universität zu sprechen. Dies waren Bitten, die er nicht abschlagen konnte.70 In Edinburgh weilte er nicht nur als Vertreter der Preußischen Akademie, sondern war auch in eigener Sache als Empfänger eines Ehrendoktortitels vor Ort. Die Edinburgher Harveian Society (benannt nach William Harvey) hielt gerade ihre Jahresversammlung mit anschließendem Abendessen ab und lud Helmholtz zur Teilnahme ein. Ein weiteres Dinner war für den 18. April geplant, wo Donders, Bowman und John Scott Burdon-Sanderson, der Inhaber des Waynflete-Lehrstuhls für
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Physiologie in Oxford war, zugegen sein sollten. Ebenfalls in Edinburgh erwartet wurden unter anderem Lord Rayleigh, die Thomsons, die Cayleys, die Taits und Dmitri Mendelejew.71 Die Dreihundertjahrfeier selbst war, wie Hermann an Anna schrieb, »sehr großartig, interessant und enthusiastisch«, und er bedauerte, dass sie nicht mitgekommen war. Es war »wirklich eine große Menge interessanter Menschen aus allen Enden der Welt« versammelt – darunter Virchow und Pasteur. Helmholtz und auch die Edinburgher Universitätsangehörigen waren erstaunt darüber, dass zur Jubiläumsveranstaltung »so viele bedeutende Leute zusammenkommen würden«. Die dortigen Studenten empfand er als sehr lebhaft, war aber von den vielen sich wiederholenden Ansprachen gelangweilt, die von acht Uhr abends bis Mitternacht dauerten; er selbst war einer der letzten Redner. Toasts auf Literatur, Wissenschaft und Kunst wurden ausgebracht. Der Rektor der Universität bat den amerikanischen Botschafter darum, den Toast auf die »Literatur« zu übernehmen; Sir Frederic Leighton, ein Maler, Bildhauer und führender Vertreter der Kunstszene, wurde aufgefordert, ein paar Worte zur »Kunst« zu sprechen, und Helmholtz oblag der Toast auf »die Wissenschaften«. Er war dafür vermutlich eine gute Wahl. William James berichtete 1881 an das Unitarian Ministers’ Institute in Princeton, Massachusetts: »Man hat heutzutage eine höhere Chance, gehört zu werden, wenn man Darwin und Helmholtz statt nur Schleiermacher oder Coleridge zitieren kann.« Bei einem Abendessen im Royal Society Club wurde wieder Helmholtz gebeten, einen Toast auf alle Anwesenden auszusprechen. Danach hielt er vor der Royal Society of Edinburgh einen kurzen Vortrag, den er am Morgen noch eilig vorbereitet hatte. Bevor er die Stadt wieder verließ, besuchte er gemeinsam mit Ellen einen Gottesdienst in der St. Giles’ Cathedral. »Die schottische Established Church macht eigentlich einen guten Eindruck. Die Geistlichen sind streng in der praktischen Anwendung des Christentums. Predigt und Musik waren im Wesentlichen eine Wiederholung der Tercentenary Service. Der Geistliche betonte«, wie er zustimmend berichtete, »sehr vernünftig, es sei nicht anzunehmen, daß Wissenschaft und Religion auf die Dauer sich widersprechen können.« Vater und Tochter kehrten nach Glasgow und bald darauf nach London zurück, wo die Stadt ihn und August Wilhelm von Hofmann zu einem Empfang mit conversazione eingeladen hatte. Sie dinierten mit Bowman, der noch Frederick William Burton hinzugebeten hatte, um Helmholtz und seiner Tochter eine spezielle Einladung in die National Gallery zu verschaffen. Von London aus fuhren Hermann und Ellen dann, gemeinsam mit den Thomsons, nach Paris, wo sie sich mit Anna treffen wollten.72 In Paris nahmen Helmholtz und Thomson an der dritten internationalen Konferenz über elektrische Maßeinheiten (1884) teil. Deren Ergebnisse waren zwar in Bezug auf das Ohm erneut nicht endgültig, aber man kam doch so weit überein, dass eine Grundlage für eine gesetzliche Definition geschaffen werden konnte. Heinrich
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(von) Wild, der (Schweizer) Direktor des Physikalischen (meteorologischen) Zentralobservatoriums in St. Petersburg, berichtete Helmholtz, dass die russische Regierung um einen Bericht über die Rechtsgültigkeit des Ohms als internationaler Maßeinheit gebeten habe. Weil man in Deutschland vor allem auf Helmholtz hören werde, wollte er von ihm wissen, was dort in Bezug auf die elektrischen Maßeinheiten geschehen werde. In Russland wolle man sich an das halten, was Deutschland in der Angelegenheit unternehme, und er, Wild, wäre Helmholtz für einige Zeilen über das in dieser Hinsicht Geplante sehr dankbar. Helmholtz antwortete ihm, dass noch keine endgültige Entscheidung getroffen sei, die Deutschen aber die Errichtung eines Instituts für Präzisionsmechanik – vielleicht in Verbindung mit einem Observatorium – diskutierten und er selbst am Schluss an der Entscheidungsfindung über ein solches Institut beteiligt sein werde. Er bat Wild, ihn über alle Petersburger Arbeiten, die den Wert des Ohms betrafen, auf dem Laufenden zu halten (was dieser auch tat). Es sollte noch viele Jahre dauern, zu einer Übereinkunft über einen gesetzlichen Standard zu gelangen. Alle folgenden Kongresse (1889 bis 1911) befassten sich mit untergeordneten Fragestellungen und nicht, wie der Kongress von 1881, mit allgemeinen theoretischen (ganz zu schweigen von politischen) Fragen. Sie widmeten sich vielmehr der Präsentation bereits erzielter empirischer Ergebnisse. Mit der Zeit nahmen dann die Industriellen und die Elektrotechniker die ganze Angelegenheit den Physikern aus den Händen.73 Am 28. Mai 1884, zwei Tage nachdem die Eheleute Helmholtz ihren Nachlass rechtsverbindlich geregelt hatten, ging Ellen mit Arnold von Siemens, Werners ältestem Sohn, im Rahmen einer Feier im Charlottenburger Haus der Siemens die Verlobung ein. Dohrn war eingeladen – er war wieder in Berlin und warb um Unterstützung für seine Zoologische Station – und besuchte die Helmholtzens in jenem Monat mehrfach. Vielleicht nicht ganz zufällig publizierte ebenfalls in jenem Jahr Adolf Kohut in Westermanns Illustrierten Deutschen Monatsheften (die den Untertitel Ein Familienbuch für das gesamte geistige Leben der Gegenwart trugen) einen neun Seiten langen zweispaltigen Artikel (mit Photographien) über Helmholtz’ Leben und Werk.74 Für die belesene deutsche Mittel- und Oberschicht war es mittlerweile ein Leichtes geworden, von Helmholtz zu hören oder gehört zu haben. Im Juli traf Anna bei einem Aufenthalt in München Lenbach, der, wie sie Hermann schrieb, melancholisch gestimmt, »sonst [aber] der alte liebe Freund« gewesen sei. Sie überredete ihn dazu, ein Bild von Siemens anzufertigen. In seinem Atelier konnte sie Porträts von Helmholtz, Bismarck und dem Papst bewundern. Lenbach sollte demnächst nach Berlin kommen, um dort Bismarck zu malen, und wollte bei dieser Gelegenheit auch Helmholtz besuchen, »da er Dich mit Bismarck und Moltke am Höchsten stelle«. Eine Woche später, Anfang August, weilte Anna in Berchtesgaden, während Helmholtz nach Bayreuth gereist war, um den Parzival zu hören.75
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Als im Herbst jenes Jahres Ellen von Helmholtz und Arnold von Siemens dann heirateten, waren die Väter von Braut und Bräutigam schon rund vierzig Jahre lang befreundet. In dieser Zeit hatten beide enorme Leistungen auf ihrem jeweiligen Gebiet erzielt, und es verschaffte ihnen vermutlich eine große Befriedigung, mitzuerleben, wie sich ihre Familien durch die Hochzeit ihrer Kinder vereinigten. Ellen war laut ihrer guten Freundin Marie von Bunsen ein aschblondes, hübsches junges Mädchen. Sie und Arnold bekamen letztendlich fünf Kinder, und Ellen widmete den Großteil ihres Lebens deren Erziehung und der Führung ihres Haushalts am Wannsee.76 Für ihre Eltern bedeutete Ellens Auszug eine starke Einbuße an häuslichem Wohlempfinden. Anna weinte über den »Verlust« Ellens, die Annas »höchste Lebensfreude« und der Mittelpunkt all ihren Tuns in den vergangenen Jahren gewesen sei: Mit ihrem Fortgang seien »mit einem Schlage Jugend und Frohsinn und Schönheit aus dem Haus gewichen«, was Anna mit der Last zurückließ, sich um ihre (und Hermanns) beiden kranken Söhne Robert und Fritz zu kümmern, die viel Aufmerksamkeit brauchten. »Bis dahin deckte Ellen und alles Drum und Dran von ihr den Schatten zu; die vielen Mädels, die da kamen und gingen, das ganze Leben und Treiben, die Fröhlichkeit, das Singen und Lachen – Alles ist stille geworden.« Was Hermann anging, so war er »nie zu sehen, außer abends«. Zumindest dann war er »immer sehr liebenswürdig«, sodass es »etliche erquickliche [gemeinsame] Viertelstunden« gab. Er selbst sah die Situation ähnlich. Thomson gegenüber berichtete er, dass es seiner Familie gut gehe, obgleich ihr Haus »durch Ellens Hochzeit viel einsamer« geworden sei. »Jedoch sehen wir sie und ihren kleinen Sohn häufig; ihm geht es gut und er ist sehr niedlich. Was mich selbst betrifft, so habe ich in diesem Winter zum Teil an der neuen Ausgabe meiner physiologischen Optik und zum Teil mathematisch gearbeitet und kam dadurch unglücklicherweise nicht zum Experimentieren.«77 Das Ende des Jahres 1884 hielt für Helmholtz noch ein anderes Vergnügen bereit, nämlich die Neuausgabe seiner »populären« wissenschaftlichen Vorträge. Ende 1882 hatte er seinen Verleger Vieweg darum gebeten, eine Neuausgabe des dritten Hefts seiner Populären wissenschaftlichen Vorträge (unter Hinzufügung einiger neuer Texte) herauszubringen und sie alle in einem einzigen Band zu vereinen. Ein Jahr später schlug Vieweg stattdessen vor, dass sie die drei Sammelbändchen in zwei Bänden zusammenfassen könnten. Helmholtz erläuterte seinen Lesern den neuen Titel (Vorträge und Reden) und gestand ein, dass einige der darin versammelten Vorträge kaum »populär« zu nennen seien. Wie er es aber sah, war »ihnen allen, wie den neu hinzugekommenen, gemeinsam […], dass sie Versuche sind, die Ergebnisse mathematischer, naturwissenschaftlicher oder speciell physikalischer Forschung einem Kreis von Zuhörern und Lesern mitzutheilen, deren Studien nicht gerade in dieser besonderen Richtung gelegen haben«. Die Neuausgabe umfass-
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te alles von den älteren Populären wissenschaftlichen Vorträgen, einige zusätzliche populäre Wissenschaftsvorträge, einige akademische Reden und die Vorworte zu den deutschen Übersetzungen der Werke von Thomson und Tait sowie von Tyndall, »weil dieselben Erörterungen über erkenntnistheoretische Fragen und über Popularisirung der Wissenschaft enthalten, die durch ihren Inhalt mit anderen Aufsätzen dieser Sammlung in Verbindung stehen«. Und obwohl er seine Vorträge unverändert ließ, räumte er dennoch ein, dass er manche Dinge mittlerweile anders ausdrücken würde.78
24 Institutionelle Brillanz Führungskräfte gesucht Das Berliner Institut für Physik war, wie alle deutschen Universitätsinstitute zu jener Zeit, hierarchisch aufgebaut: An der Spitze stand Helmholtz, der von 1871 bis 1888 dessen Direktor (und ordentlicher Professor) war. Eher ungewöhnlich war es, dass Berlin noch einen zweiten ordentlichen Physikprofessor hatte (nämlich Kirchhoff 1875 – 1887). Ihnen nachgeordnet waren einer oder mehrere außerordentliche Professoren, Privatdozenten, Assistenten und Dienstpersonal (ein Hausmeister, ein Diener und ein Mechaniker). Während Helmholtz für das gesamte Institut verantwortlich war, trug jeder der Professoren und Dozenten die Verantwortung für ein genau umrissenes Lehrgebiet (oder mehrere). Die große Mehrheit der Studenten nahm nur an einer grundlegenden (und experimentell orientierten) Vorlesungsreihe zur Physik teil; nur sehr wenige von ihnen besuchten auch weiterführende Veranstaltungen. Um all dies am Laufen zu halten, war Helmholtz sowohl auf Unterstützung für sein Institutspersonal als auch auf eine adäquate Finanzierung des Instituts im Ganzen angewiesen. Im Zeitraum von 1878 bis 1888 verfügte das Institut über ein jährliches Budget (ohne die Gehälter seiner ordentlichen und außerordentlichen Professoren) von etwa 27 000 Mark. Helmholtz’ Gehalt belief sich (um 1878) auf 10 703 Mark, ein Jahrzehnt später lag es bei 16 540 Mark. Daneben erhielt er weitere 8400 Mark von der Akademie (später auf 6900 Mark reduziert), was einen Gesamtbetrag von 19 103 Mark um das Jahr 1878 und 23 440 Mark um das Jahr 1888 ergibt. Dem müssen allerdings noch kleinere Einnahmen hinzugerechnet werden, die aus Studiengebühren und aus seiner Verbindung mit der Militärakademie stammten.1 Sein Einkommen lag damit nicht nur weit über jedem Durchschnittseinkommen,
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sondern überstieg auch das Gehalt der meisten seiner Kollegen an der Universität. Kirchhoff, der andere ordentliche Professor, verdiente (Mitte der 1880er-Jahre) ungefähr 16 900 Mark (wovon etwa die Hälfte von der Akademie kam). Der Dritte im Bunde der Berliner führenden Physiker war Wilhelm von Bezold, der sich der theoretischen Meteorologie zugewendet hatte. Er war zwar kein Angehöriger des Physikinstituts, wurde aber 1885 auf den ersten Berliner Lehrstuhl für Meteorologie berufen; zusammen mit Helmholtz tat er viel dafür, die Stadt zu einem Zentrum der Erforschung der atmosphärischen Thermodynamik zu machen. Von 1884 bis 1888 erlebte das Institut auf der Leitungsebene eine Zeit des Übergangs und der Unsicherheit. Helmholtz war damals hauptsächlich mit der Planung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt beschäftigt, deren Gründungspräsident er wurde (siehe unten). 1887/88 wurde seine Hauptanstellung von der Universität, wo er weiterhin theoretische Physik lehrte, an die neue Reichsanstalt verlegt. Seit 1884 litt Kirchhoff stark unter Nervenlähmungen und war zur Lehre nicht mehr in der Lage; er starb im Oktober 1887. Mithin brauchte das Institut 1887/88 gleich zwei neue ordentliche Professoren, für theoretische und für experimentelle Physik. Anfang des Jahres 1888 brachte Helmholtz zwei Offerten auf den Weg, nämlich an Kundt, der neuer Berliner Professor für (experimentelle) Physik werden sollte, und an Boltzmann, der die zweite Physikprofessur (für mathematische oder theoretische Physik) erhalten sollte. Helmholtz setzte sich zudem an der Spitze einer Gruppe von Kollegen dafür ein, dass die beiden Neuen auch zu ordentlichen Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften ernannt werden sollten.2 Kundt, ein früherer Magnus-Schüler und einer der führenden Experimentalphysiker seiner Zeit, nahm das Angebot bereitwillig an und kam nach Berlin. Anders als Helmholtz und Kirchhoff war er ein engagierter und talentierter Lehrer. Er strukturierte die Lehrlaboratorien neu und baute sie für die Studenten in den unteren Semestern aus, ließ den Hörsaal von 240 auf 330 Plätze erweitern und nahm dem Kolloquium etwas von dem strengen Charakter, den es unter Helmholtz und Kirchhoff gehabt hatte.3 Kundt wurde zur neuen Galionsfigur der Physik in Berlin. Für Boltzmann hingegen erwies sich der Ruf nach Berlin schlicht als Überforderung. Boltzmann war ein vornehmlich theoretisch orientierter Physiker, wobei er durchaus Talent als Experimentalphysiker besaß. Unter Helmholtz’ Federführung bot das Ministerium ihm, einem Österreicher, den Posten im März 1888 an, und es sah so aus, als würde er auch tatsächlich kommen. Doch dann wies er im Juni die Offerte aus Berlin zurück und erklärte (zunächst), dass er unter schweren Augenproblemen leide und seine Lehrtätigkeit einschränken müsse; später gab er dann zu, dass er der Stelle schlicht nicht gewachsen sei, (auch) unter einer Nervenkrankheit (Depressionen) leide und die Lehre in einer neuen und anspruchsvollen Disziplin wie der mathematischen Physik in Berlin nicht übernehmen könne. Helmholtz und das Ministerium gaben ihre Bemühungen um ihn daher letztlich auf.4
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Später in jenem Sommer und im Herbst des Jahres nominierte das Ministerium für die Position in theoretischer Physik auf Helmholtz’ Drängen hin zunächst Hertz und dann Planck. Der Erstere zögerte, nach Berlin zu kommen, wo er als Nachfolger Kirchhoffs die experimentelle Physik würde aufgeben müssen. Planck, der zu jener Zeit in Kiel lehrte, willigte schließlich ein. Berlin hatte nun seine zwei neuen Physiker: Kundt als Ordinarius für experimentelle Physik und Planck als außerordentlichen Professor für theoretische Physik. 1889 wurde Planck dann der Leiter eines neuen Instituts für theoretische Physik an der Universität. Helmholtz lernte er sowohl auf persönlicher als auch auf beruflicher Ebene kennen. Mehr als ein halbes Jahrhundert später schrieb er über ihn: [I]n seiner ganzen Persönlichkeit, seinem unbestechlichen Urteil, in seinem schlichten Wesen verkörperte sich die Würde und die Wahrhaftigkeit seiner Wissenschaft. Dazu gesellte sich eine menschliche Güte, die mir tief zu Herzen ging. Wenn er im Gespräch mich mit seinem ruhigen, eindringlich forschenden, und doch im Grunde wohlwollenden Auge anschaute, dann überkam mich ein Gefühl grenzenloser kindlicher Hingabe, ich hätte ihm ohne Rückhalt alles, was mir am Herzen lag, anvertrauen können, in der gewissen Zuversicht, daß ich in ihm einen gerechten und milden Richter finden würde; und ein anerkennendes oder gar lobendes Wort aus seinem Munde konnte mich mehr beglücken als jeder äußere Erfolg.5 Planck verehrte Helmholtz. Berlin erwies sich als der richtige Ort für ihn, und zusammen mit Kundt brachte er frischen Wind in die Führungsebene der dortigen Physik.
Studenten, Assistenten und »Postdocs« Wie im Abschnitt »Lehrer, Mentor und Förderer« in Kapitel 18 detailliert gezeigt, hatte Helmholtz sehr anspruchsvolle Lehrverpflichtungen zu erfüllen. Er behauptete allerdings – woran Zweifel erlaubt seien –, dass die Lehre ihm stets viel Freude gemacht habe, nicht zuletzt, da sie ihn dazu nötige, seine Wissenschaft in ihrer Gänze ins Auge zu fassen.6 Um ihm bei der Bewältigung dieser Last zu helfen, waren ihm drei Assistenten zur Seite gestellt, die aus dem Budget des Instituts bezahlt wurden und (um 1885 – 1888) zwischen 1200 und 1500 Mark (zuzüglich Unterbringungskosten) im Jahr verdienten, je nach Rang und Dauer ihrer Beschäftigung. Zudem beantragte Helmholtz mehrfach einmalige Sonderzahlungen, zum Beispiel für die Ausstattung des Instituts. Die stattlichste Anfrage dieser Art kam allerdings um 1888 (nachdem er fortgegangen und Kundt eingetroffen war), als nämlich das Institut für rund 310 000 Mark umgebaut wurde.7
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Die Einführungsveranstaltungen des Instituts wurden weit überwiegend von Studenten besucht, die nicht vorhatten, Physiker zu werden; typischerweise waren viele Medizin- und Chemiestudenten darunter, von denen die meisten wenig bis gar keine Arbeiten im Labor durchführten. Neben diesen Einführungsvorlesungen und der Leitung kleiner Fortgeschrittenenkurse in Physik bestand Helmholtz’ größte Verpflichtung im Rahmen der Lehre in seiner Mitwirkung in (bezahlten) Prüfungsausschüssen für Promotionen und Habilitationen. Die meisten dieser Promotionen fanden im Fach Chemie und in einem viel geringeren Maße auch in der Physik statt; einige waren in der Astronomie und der Mathematik angesiedelt, sehr wenige in Philosophie, Musik, Musikgeschichte, Geschichte und Astronomiegeschichte. Insgesamt war Helmholtz im Laufe des Jahrzehnts von 1878 bis 1888 Mitglied in 185 solchen Ausschüssen. Unter seinen bekanntesten Studenten waren die Physiker Weber, Kayser, König, Johannes Pernet, Willy Wien, Theodor Des Coudres, Kurlbaum, Max Wien, Hertz, Goldstein, Ernst Pringsheim und Lummer, die Philosophen Benno Erdmann und Georg Simmel sowie der Psychologe Hermann Ebbinghaus. Auch Robert von Helmholtz arbeitete unter seinem Vater und Kirchhoff; er wurde anscheinend bei Kirchhoff promoviert.8 Gelegentlich hörte Helmholtz auch von ehemaligen Studenten, üblicherweise dann, wenn sie um seine Hilfe bei der Publikation ihrer Schriften baten oder ein Empfehlungsschreiben benötigten. Mehrere von ihnen waren ausgebildete Physiker, die später maßgeblich zum technologischen Fortschritt beitrugen, wie etwa Paul Nipkow, der Erfinder einer frühen Form des Fernsehens, Franz Schulze-Berge, den Helmholtz zu Edison schickte, um mit ihm an der Entwicklung des Phonographen zu arbeiten,9 und Michael Pupin, ein ausgezeichneter Physiker und Elektroingenieur, dessen bedeutendste Erfindung die der elektrischen Übertragungsleitung war, welche die Langstreckentelefonie ermöglicht hat. Auch später gab es noch viele prominente Studenten, die ein oder mehrere Semester lang bei Helmholtz studierten, aber kein Examen bei ihm ablegten. Der Physiologe Jacques Loeb, der in Bezug auf das Phänomen des Lebens letztendlich einen sehr anderen Ansatz als Helmholtz verfolgte und seine Karriere in Amerika bestritt, studierte bei ihm, ebenso wie Julius Stieglitz, der Physik bei ihm hörte und später an der Universität von Chicago ein namhafter physikalischer Chemiker wurde. (Chicago profitierte sowohl von Stieglitz’ als auch von Oskar Bolzas physikalischer Ausbildung bei Helmholtz in Berlin.) Fritz Haber, der ein herausragender Chemiker (und umstrittener Wissenschaftler) des frühen 20. Jahrhunderts werden sollte, studierte ein Semester lang bei ihm, ebenso wie Walther Rathenau, Elektrochemiker und späterer Industrieller, Essayist und Staatsmann, der für eine kurze Zeit Physik bei Helmholtz hörte. Der englische Statistiker (und Germanophile) Karl Pearson verbrachte ein paar Wochen in Helmholtz’ und Kirchhoffs Physikveranstaltungen, entschied letztlich aber doch, dass seine Talente anderswo lagen. Auch
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Franz Boas kam mit Helmholtz in Kontakt. Er begann sein Studium der Physik unter Clausius in Bonn und hegte die Hoffnung, bei Helmholtz in Bonn arbeiten zu können. Als ihn jedoch familiäre Umstände daran hinderten, erwarb er seinen Doktor der Physik in Kiel. Anschließend studierte er Geographie in Berlin und habilitierte sich in dem Fach, wobei Helmholtz in seinem Habilitationsausschuss saß; sein Forschungsthema war die Beschaffenheit des arktischen Eises. (1865 hatte Helmholtz, wie erinnerlich, zu den Themen Eis und Gletscher publiziert.) Boas’ intellektueller und beruflicher Entwicklungspfad führte ihn jedoch von der Physik zur Ethnologie und von Deutschland nach Amerika, wo er an der Columbia University zu einem führenden Sozialwissenschaftler des 20. Jahrhunderts wurde.10 Eine Vielzahl ausländischer Physikstudenten kam, um Helmholtz kennenzulernen, sein Institut zu sehen, bei ihm für eine gewisse Zeit zu studieren oder sogar einen höheren akademischen Abschluss bei ihm zu erwerben. Pupin hat die in seinen Augen höchst bemerkenswerte Erscheinung von Helmholtz im Jahr 1885 eindrucksvoll beschrieben: Helmholtz war damals 64 Jahre alt, habe aber älter ausgesehen. Die tiefen Falten in seinem Gesicht und die hervortretenden Adern an den Schläfen und über seinen markanten Brauen verliehen ihm laut Pupin das Aussehen eines tief in sich versunkenen Denkers, wohingegen seine hervorstehenden, prüfenden Augen ihn als einen Mann auswiesen, der bestrebt sei, in die verborgenen Geheimnisse der Natur einzudringen. Sein Kopf sei sehr groß gewesen, und der muskulöse Hals und der gewaltige Brustkorb schienen Pupin ein geeignetes Fundament für das intellektuelle Gewölbe darüber zu bilden. Seine Hände und Füße seien klein und wohlgeformt gewesen, sein Mund habe von einem freundlichen und sanften Gemüt gezeugt. Gesprochen habe er mit einem äußerst angenehmen Akzent, wenn auch wenig, doch seine Fragen seien direkt und auf den Punkt gewesen. Wie Pupin kamen viele Studenten aus Amerika, und Helmholtz gehörte zu jenen, die die künftige dortige Physik-Elite des Gilded Age prägten. Einige darunter, wie Michelson, waren »Postdocs« avant la lettre. (Es war am Berliner Institut, dass Michelson im Gespräch mit dem kritischen, aber wohlwollenden Helmholtz sein Interferometer und damit zusammenhängende Verfahren zur Messung der Erdbewegung durch den Äther entwarf, für die er später [1907] den Nobelpreis für Physik erhielt.) Als frisch gebackener Universitätsstudent verbrachte Alfred Stieglitz, ein Amerikaner deutsch-jüdischer Herkunft und künftiger Photograph und Kunstmäzen, ein kurzes Semester in Helmholtz’ Vorlesungen zur Experimentalphysik, die für seinen Geschmack allerdings zu abstrakt waren. Als Nicholas Murray Butler 1884/85 an der Berliner Universität Philosophie studierte, hörte er auch Helmholtz’ Vorlesungen zur Wellentheorie, die sich für ihn freilich seiner eigenen Aussage nach bald schon als viel zu technisch erwiesen, als dass er ihnen wirklich hätte folgen können. Butler wirkte später an der Umwandlung des Columbia College in die Columbia University mit und war über weite Strecken der ersten Hälfte des
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20. Jahrhunderts hinweg ihr Präsident. Obwohl die meisten von Helmholtz’ ausländischen Studenten aus Amerika kamen, waren auch einige aus Russland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan und anderswo darunter. Gelegentlich wurde das Institut mit dem Besuch eines berühmten nichtwissenschaftlichen Gastes beehrt. So waren Anfang Dezember 1878, kurz nach seiner Fertigstellung, beispielsweise der deutsche Kaiser, die Kaiserin und der Kronprinz dort zu Gast, und im Juli 1881 stattete Andrew Dickson White, der von 1879 bis 1881 als Gesandter der USA diente und Präsident der Cornell University war, dem Institut einen Besuch ab.11 Unter dem Strich hatte Helmholtz bis 1888 den Aufbau und laufenden Betrieb einer vorzüglichen physikalischen Einrichtung beaufsichtigt, durch gutes Management die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt, hochtalentierte neue Kollegen an Bord geholt, eine beachtliche und talentierte Studentenschaft angezogen und dem Berliner Physikinstitut eine herausragende intellektuelle Führung angedeihen lassen. Unter seiner Leitung feierte das Institut glänzende Erfolge.12
Wie man einen Starstudenten aufbaut: Heinrich Hertz Aus Helmholtz’ zahlreichen talentierten Physikstudenten ragte in seinen (und aller) Augen einer ganz besonders hervor: Heinrich Hertz (1857 – 1894).13 Im Herbst 1878 kam dieser, nachdem er zunächst Ingenieurwesen in Dresden und München studiert hatte, zum Physikstudium zu Helmholtz, im ersten Semester, in dem dessen gerade fertiggestelltes Institut seine Türen öffnete. Für jemanden wie Hertz, der die experimentelle Physik der theoretischen vorzog, hielt Helmholtz’ Institut alles bereit, was er sich nur wünschen konnte. Hertz teilte ihm mit, dass er an einer Preisaufgabe (der philosophischen Fakultät) arbeiten wolle, in der es um die Bestimmung des Trägheitsanteils an Induktionsströmen (dielektrischen Strömen) ging. Helmholtz hatte diesen Gegenstand als Teil seines viel größeren Forschungsprogramms zur Elektrodynamik vorgesehen. Er hoffte, in dem weiten Rahmen, den sein Potenzialgesetz als Grundlage aller Elektrodynamik bildete, auf empirischer Basis bestimmen zu können, inwieweit Äther und Materie polarisierbar seien. Er diskutierte das Preisthema mit Hertz, empfahl ihm einschlägige Literatur, führte ihn bei seinen Assistenten ein und stellte ihm einen kleinen, aber gut ausgestatteten Raum zum Arbeiten zur Verfügung. In der Folgezeit besuchte Helmholtz ihn regelmäßig, wenn auch nur kurz, und überwachte seine Arbeit genau. Er ermutigte Hertz in seiner experimentellen Arbeit, wenn ihm Zweifel an ihrem möglichen Erfolg kamen. Hertz besuchte auch Helmholtz’ Vorlesungen über mathematische Akustik und hörte Kirchhoff zur Mechanik.14 Im August 1879 gewann Hertz den ausgelobten Preis. Seine Arbeit war jedoch eine strikt empirische: Er hatte nicht den geringsten Hinweis darauf aufgenommen, dass seine Ergebnisse negative Folgen für Webers Theorie haben könnten –
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ein Punkt, den Helmholtz ihm erst später klarmachte. Und obgleich Hertz selbst sich offensichtlich nicht im Unklaren war über die größeren Zusammenhänge, die in Bezug auf die Theorie der Elektrodynamik infrage standen, so lagen diese damals doch jenseits dessen, was er, als Neuling, hätte thematisieren können. Er wandte sich an Helmholtz, um zu besprechen, ob er seine Preisschrift veröffentlichen oder ein neues Thema für seine Dissertation suchen sollte. Seinen Eltern berichtete er: »Prof. Helmholtz […] war […] ausnehmend freundlich, gratulierte mir vielmals und schlug mir eine neue Arbeit vor, die mich aber zwei bis drei Jahre vollständig in Anspruch nehmen würde, und an die ich mich nicht machen würde, wenn nicht Helmholtz’ Aufforderung dazu und die Art, wie er mich aufforderte, ganz besonders ehrenvoll wäre und mir in jeder Richtung seinen Beistand und sein Interesse verspräche.« Helmholtz erklärte später, dass er sofort erkannt habe, »es hier mit einen Schüler von ganz ungewöhnlicher Begabung zu thun« zu haben. Meister und Schüler hatten sich gefunden. Helmholtz trug Hertz also ein neues Projekt an, bei dem es um die Bestimmung der Elektrodynamik der Dielektrika ging. Dies war ebenfalls eine Preisaufgabe, dieses Mal allerdings eine von der Akademie gestellte. Tatsächlich zielte das Projekt darauf ab, im Lichte von Maxwells Theorie ein Urteil über die Polarisierung zu fällen. Hertz sagte, dass er das Thema zu schwierig fand, und außerdem nicht drei Jahre lang »geheime Arbeit« verrichten könne, wie Helmholtz es verlangte. Er lehnte es daher ab und wählte stattdessen ein anderes Dissertationsthema: die Messung der Induktion in rotierenden Kugeln. Die Bearbeitung dieses Themas machte ihn gründlich mit Helmholtz’ Elektrodynamik vertraut. Anfang Februar 1880 stellte er sich seinem Promotionsausschuss, der aus Helmholtz, Kirchhoff, dem Mathematiker Kummer und dem Philosophen Zeller bestand, um sich dort einer mündlichen Vorprüfung zu unterziehen, die zwei Stunden dauerte und der Verteidigung seiner Dissertationsschrift galt. Er bestand sie mit Leichtigkeit.15 Dennoch wollte Helmholtz ihn noch weiter formen – und Hertz sich von ihm formen lassen. Nach erfolgter Promotion arbeitete er, auf der Suche nach einem neuen Forschungsthema, weiterhin in dessen Labor. Helmholtz setzte in jenem Sommer das Ministerium darüber in Kenntnis, dass Hertz bereits seit 18 Monaten bei ihm arbeite und in ebenso exzellenter Manier den kürzlich verliehenen Physikpreis gewonnen wie die Promotionsprüfung abgelegt habe. Dabei enthalte Hertz’ Preisarbeit, ebenso wie seine Dissertationsschrift, experimentelle Teile, die auch in dieser Hinsicht auf eine außergewöhnliche Befähigung hindeuteten. Während er Urlaub in Pontresina machte, gab er mit Stolz bekannt, dass Hertz (nach Hagen und Kayser) sein neuer und damit dritter Assistent werden würde. Seine Hauptaufgabe bestand darin, an der Vorbereitung von Helmholtz’ Vorlesungen und den damit verbundenen Experimenten mitzuhelfen; zudem war er (anfangs) auch teilweise für die Bibliothek verantwortlich. Seinen Eltern teilte Hertz mit, dass Helm-
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holtz seinen Assistenten zwar eine Menge Verantwortung auflade, aber auch dazu bereit sei, für sie größere und teurere Apparate anzuschaffen, solange die Käufe irgend zu rechtfertigen seien.16 Helmholtz wusste sich auch sonst um seine Assistenten zu kümmern. Kurz nachdem Hertz die Anstellung erhalten hatte, wurde er zu Helmholtz nach Hause eingeladen – zum Tee mit der Familie. Die Unterhaltung drehte sich um viele Dinge, obgleich Hertz dies alles eher »peinlich« fand, da das Gespräch stets drohte, »ins Wissenschaftliche« abzukippen, statt eine beiläufige Plauderei zu sein. Doch Anna Helmholtz hielt die Dinge in Bewegung. Helmholtz’ Heim war, wie Hertz urteilte, »äußerst prächtig eingerichtet, die Zimmer sind außerordentlich groß. Helmholtz selbst war sehr liebenswürdig, aber ich glaube, er ist kein guter Unterhalter, er spricht so langsam und abgemessen, daß es mir wenigstens unmöglich ist, ihm aufmerksam zuzuhören, außer wenn es sich um Dinge handelt, bei denen wirklich jedes Wort erwogen sein will. Dann aber hört wieder die Unterhaltung auf, da ich dann meine Meinung nicht gegen seine stellen mag.« Später im selben Monat frühstückte Hertz auch bei Familie Helmholtz, nur dass die Atmosphäre (oder Hertz selbst) dieses Mal um einiges entspannter war.17 Im Jahr 1878 hatte, wie erinnerlich, die Berliner Physikalische Gesellschaft ihren Hauptsitz in das neue Institutsgebäude verlegt, und Helmholtz war zu ihrem Präsidenten gewählt worden. Er leitete ihre Sitzungen, die jeden zweiten Freitagabend in der kleinen Institutsbibliothek oder im großen Hörsaal stattfanden. Gelegentlich waren auch auswärtige Gäste anwesend. Der schwedische physikalische Chemiker Svante Arrhenius nahm zum Beispiel einmal an einer Sitzung teil und hörte Helmholtz reden. Dieser erweckte bei ihm den Eindruck einer außerordentlichen Originalität, wie er an seinen Berufskollegen Wilhelm Ostwald berichtete. Auf jeden Fall stimme, was allgemein bekannt sei, so Arrhenius weiter, dass nämlich Helmholtz sich oft verwirrend ausdrücke. Ostwald selbst hielt sich 1882/83 in Berlin auf, wo er Helmholtz’ Vorlesungen hörte und ihn auch persönlich kennenlernte. Er beschrieb ihn als »mittelgroße[n], stämmig gebaute[n] Herr[n] mit kahler Stirn und ergrauendem Schnurrbart. Mit seinem seltsam gebauten Riesenschädel, den langsamen, abgemessenen Bewegungen und den abstrakten Augen wirkte er statuenhaft, fast monumental«. Seinen Vortrag fand er sprachlich perfekt – »ein Meisterstück an Knappheit und Genauigkeit; er hätte unmittelbar gedruckt werden können« –, allerdings »sah [man] dem Vortragenden die ungeheure Langeweile an, die ihm das elementare Kolleg machte und war für ihn froh, als die Glocke schlug«.18 Nach einer Sitzung gingen die Teilnehmer üblicherweise noch etwas trinken. Du Bois-Reymond und Kirchhoff nahmen häufig teil, während »der alkoholscheue Helmholtz« nur selten dabei war. »Sein Fortbleiben von den Nachsitzungen war für die Lebendigkeit des Tons in ihnen [jedoch] nicht unvorteilhaft«, wie es ein Teilnehmer später diplomatisch ausdrückte, »denn wenigstens bei den jüngeren Mit-
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gliedern der Gesellschaft war die Ehrfurcht vor Helmholtz so groß, daß in seiner Gegenwart und Hörweite keiner von ihnen das Wort zu nehmen gewagt hätte.«19 Helmholtz griff Hertz auch noch in einer weiteren Hinsicht unter die Arme: Er half ihm nämlich dabei, veröffentlicht zu werden. Da Helmholtz Mitherausgeber der Annalen war, wurde jedes Manuskript von Hertz, das Helmholtz als publikationswürdig erachtete, dort auch veröffentlicht. In seinen Studentenjahren (1878 – 1883) erschienen acht Artikel von ihm in dieser Zeitschrift. Helmholtz war zudem der Hüter des Zugangs zu den Publikationen der Physikalischen Gesellschaft. 1882, also unter seiner Präsidentschaft, begann die Gesellschaft mit der Veröffentlichung der Verhandlungen der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin. Diese neue Zeitschrift enthielt die Druckfassungen von Vorträgen, die auf den Sitzungen gehalten worden waren, sowie kurze Forschungsberichte. Das Publikationsorgan war ein Indikator für das Wachstum der Gesellschaft und ihren Wunsch, die wissenschaftlichen Ergebnisse ihrer Mitglieder zeitnah publik zu machen. Hertz veröffentlichte, während er noch Student in Berlin war, zwei Artikel in den Verhandlungen. Die Gesellschaft publizierte zudem auch weiterhin in großen Abständen die offiziell (in Wirklichkeit aber nie) jährlich erscheinenden Fortschritte der Physik, für die Hertz mehrere Literaturberichte verfasste.20 Für Hertz wie auch für andere eröffnete der Aufenthalt am Institut zudem die Möglichkeit, auf mancherlei Weise professionelle Kontakte zu knüpfen. So lernte er dort zahlreiche Besucher kennen, darunter den englischen Physiker Oliver Lodge; später in den 1880er-Jahren spielte dieser ebenso wie Hertz eine große Rolle in der Neuformulierung der Maxwell-Gleichungen. Einmal wurde Hertz in seiner Zeit am Institut auch auf einen offiziellen Ball eingeladen, bei dem Helmholtz, Siemens und Weierstraß zugegen waren; die Bühne war – als »die erste in Deutschland« – elektrisch beleuchtet. Während seiner Assistentenzeit aß Hertz immer wieder einmal mit Familie Helmholtz zu Abend, manchmal als ihr einziger Gast, was für ihn »die angenehmste Art der Geselligkeit« war, wie er seinen Eltern berichtete.21 Unter dem Strich half ihm Helmholtz also dabei, nicht nur zu einem professionellen Physiker zu avancieren, sondern sich auf dem gesellschaftlichen Parkett einigermaßen behaglich zu bewegen. Hertz verbrachte als Student viel Zeit damit, im Labor wissenschaftliche Effekte zu erzeugen (und nicht einfach nur Messungen vorzunehmen) und sich mit Laboraufbauten und der Handhabung von Geräten vertraut zu machen, ohne ein besonderes Interesse an der Theorie zu hegen.22 Gleichwohl war ihm Maxwells Theorie sehr wohl bekannt – selbst wenn er sie zu jener Zeit noch nicht experimentell bestätigen konnte (und sie vielleicht noch nicht einmal gänzlich verstanden hatte). War Helmholtz doch immerhin derjenige Physiker, der die größte Energie darauf verwendete, Maxwells Theorie der Elektrizität und des Magnetismus auf den Kontinent zu bringen. Dazu gehörte auch, dass er die Übersetzung von Maxwells
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Meisterwerk A Treatise on Electricity and Magnetism (1873) ins Deutsche vorantrieb. Bernhard Weinsteins Übersetzung des Buchs – Weinstein habilitierte sich zwei Jahre später bei Helmholtz – erschien 1883 (als Lehrbuch der Electricität und des Magnetismus).23 Helmholtz gab Hertz ein Thema (die Elektrodynamik), das er bearbeiten sollte, dazu wissenschaftliche Anleitung, die Mittel und die Freiheit zum Experimentieren sowie die Ermutigung und die professionellen Kontakte, die er zur Förderung seiner Karriere würde brauchen können. Anfang des Jahres 1883 begann dieser Karriereweg Fahrt aufzunehmen. Kirchhoff setzte Hertz darüber in Kenntnis, dass Kiel einen Privatdozenten für die mathematische Physik einstellen wolle und dass er und Weierstraß ihn dem Ministerium empfohlen hatten. Hertz suchte in der Angelegenheit Rat bei Helmholtz. Dieser wusste schon Bescheid, war sich zunächst aber unsicher, ob die Stelle für Hertz vorteilhaft wäre. Denn die Einrichtungen und Ausstattung in Kiel umfassten nur das Minimum, und zudem hätte Hertz keinen Anspruch darauf, da sie dem dortigen Professor für Physik, Gustav Karsten, unterstanden. Helmholtz war zudem der Meinung, dass Karsten, obgleich ein alter Freund von ihm, Berlin gegenüber möglicherweise nicht sehr wohlwollend eingestellt sei (vielleicht weil sein, Helmholtz’, neues und teures Institut Kiel de facto die finanziellen Mittel entzogen hatte, die ansonsten vom preußischen Staat in einen dortigen Neubau geflossen wären). Seinen Eltern teilte Hertz mit, dass Helmholtz den Posten letztlich für eine gute Stellung für ihn hielt und ihm darüber hinaus »versprach […], mich an andere Professoren zu empfehlen. Er bewegte sich nach seiner Gewohnheit in sehr reservierten Grenzen und war, ich möchte sagen, sichtbar bemüht, keinen Einfluß auf meine Entscheidung zu nehmen, während ich doch gerade solchen Einfluß wünschte«. Von seinem alten Freund Albert Ladenburg, der in Kiel Chemieprofessor war und seine Ausbildung bei Bunsen und ihm in Heidelberg erhalten hatte, erfuhr Helmholtz, dass Karsten und Leo Pochhammer von Hertz’ bisherigen Arbeiten begeistert waren und ihm gegenüber so wohlwollend eingestellt, dass sie, wenn er nach Kiel käme, nicht einmal auf seiner dortigen Habilitierung bestehen würden. Wie Ladenburg an Helmholtz schrieb, standen die Dinge in Sachen seines Studenten Dr. Hertz mithin allesamt zum Besten. Im April gab Hertz seine Assistentenstelle in Berlin auf und wurde Dozent in Kiel. Zudem brachte er eine wegweisende Arbeit zur Glimmentladung, das heißt zu Kathodenstrahlen, zu Ende. Helmholtz schrieb ihm, dass er diese Arbeit mit dem größten Interesse zur Kenntnis genommen habe, und zollte ihm seinen Beifall. Die Sache schien ihm von höchster Bedeutung zu sein – und das war sie auch, zumindest bis zu J. J. Thomsons »Entdeckung« des Elektrons 14 Jahre später. Inzwischen aber war Helmholtz’ Lobesbrief für Hertz »zugleich der stärkste und der angenehmsten Ansporn zur [weiteren wissenschaftlichen] Thätigkeit, welcher mir werden kann«.24 Hertz’ Forschungsarbeiten in Kiel waren so herausragend, dass er nach rund anderthalbjähriger Tätigkeit dort bereits als Kandidat für die gerade vakant geworde-
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ne Physikprofessur am Polytechnikum im badischen Karlsruhe gehandelt wurde. Ende des Jahres 1884 reiste er nach Berlin, um dort mit verschiedenen Personen, auch mit Helmholtz, über Karlsruhe zu sprechen. Friedrich Althoff, ein Autokrat, der das preußische Hochschulwesen unter sich hatte, wollte ebenfalls Helmholtz’ Meinung zu Hertz und Karlsruhe hören, desgleichen zu Heinrich Friedrich Webers Fortgang aus Breslau sowie zum Wechsel von Königsberg nach Breslau und von Auerbach nach Kiel; alle drei waren Helmholtz’ Studenten gewesen, die ersten beiden sogar seine Assistenten.25 Hertz wurde die Stelle in Karlsruhe angeboten und er nahm das Angebot an, wobei das hohe Ansehen, das Helmholtz bei den für das Hochschulwesen zuständigen Behörden in Baden genoss, zweifellos den ganzen Vorgang begünstigte. In seiner Karlsruher Zeit (1885 – 1889) wurde Hertz (nach seiner streng theoretischen Arbeit in Kiel) wieder zum Experimentator, der über Funkenentladung und Induktion forschte. Im Dezember 1886 berichtete er Helmholtz über seine jüngste Arbeit: die Induktionseffekte eines offenen, direkten Stroms auf einen anderen. Darüber hinaus hatte er es zuwege gebracht, stehende Wellen darzustellen. Helmholtz teilte er mit, dass er seine Arbeit über schnelle elektrische Schwingungen noch vollenden müsse: »Mit Einzelheiten möchte ich Ihre Zeit, hochverehrter Herr Geheimrat, nicht in Anspruch nehmen; hoffentlich rechnen Sie es mir nicht als unbescheiden an, daß ich überhaupt Ihnen von diesen Versuchen berichtet habe, ehe dieselben zum Abschluss gekommen sind.« Die Ergebnisse erschienen bald darauf in den Annalen des Jahres 1887. Im Mai jenes Jahres berichtete er Helmholtz, dass er bedeutende experimentelle Befunde zum Einfluss von ultraviolettem Licht auf elektrische Entladungen zu vermelden habe. Als Helmholtz kurz darauf das Manuskript von Hertz erhielt, entschied er sich dazu, es in die nächste Ausgabe der renommierten Sitzungsberichte der Akademie aufzunehmen, um für die rasche Mitteilung dieser Ergebnisse an alle zu sorgen. Hertz’ Arbeit wurde schon bald als seine Entdeckung des photoelektrischen Effekts bekannt. Dies war eine zentrale Entdeckung, deren Bedeutung erst mit ihrer Erklärung als Quantenphänomen durch Einstein im Jahr 1905 im vollen Sinne erkannt wurde.26 Im Oktober 1887 stand Hertz kurz davor, seine Experimente zu den Induktionseffekten abzuschließen und damit die Preisfrage beantworten zu können, die Helmholtz ihm zuerst im Jahr 1879 gestellt hatte: »Helmholtz forderte mich damals, nachdem ich die Universitätsaufgabe gelöst hatte, zur Bearbeitung [der Akademieaufgabe] auf, aber ich stand davon ab, da ich gar keinen gangbaren Weg sah. Jetzt ist es mir fast spielend geglückt, auf einem Wege, der damals freilich nicht zu vermuten war.« Tage später hielt er in seinem Tagebuch fest, dass er seine Arbeit zu den Induktionseffekten von Isolatoren (also etwa offenen Strömen) abgeschlossen und sie an Helmholtz geschickt habe, den er um die Veröffentlichung seines Manuskripts in den Sitzungsberichten der Akademie gebeten habe (was erneut für eine
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prompte und weitreichende Bekanntmachung sorgen würde); er bekannte, dass Helmholtz ihm diese Arbeit schon vor Jahren erstmals vorgeschlagen habe. Dieser antwortete ihm: »Manuskript erhalten. Bravo! Werde es Donnerstag überreichen zum Druck. H. v. Htz.« Wie Hertz’ Ehefrau Elisabeth schrieb, bereitete ihnen dies »große Freude«. Einen Monat später berichtete Hertz an Helmholtz, dass er neue Experimente zu stehenden Wellen abgeschlossen habe.27 Dies war ein Nachweis von »Effekten« – Hertz sprach noch nicht von »elektromagnetischen Wellen« – und wurde daher auch (noch) nicht als ein Beweis für die Maxwell’sche Theorie betrachtet. Als Helmholtz bei einem Treffen der Physikalischen Gesellschaft Hertz’ neueste Arbeit ankündigte und inhaltlich umriss, war auch Michel Pupin anwesend. Dieser berichtete von der Veranstaltung, dass unter dem Vorsitz von Helmholtz viele wissenschaftliche Größen der Universität versammelt gewesen seien. Es habe eine Atmosphäre der Erwartung geherrscht, als ob etwas Ungewöhnliches geschehen sollte. Helmholtz habe sich erhoben und feierlicher gewirkt als je zuvor, wobei Pupin auch ein Aufscheinen des Triumphs in seinen Augen bemerkte. Wie ein Wotan, der auf die vollendete Gestalt eines himmlischen Walhalla blickte, habe Helmholtz ausgesehen, und Pupin wollte intuitiv gespürt haben, dass eine ungewöhnliche Ankündigung folgen würde – was dann auch geschah. Helmholtz gab also Hertz’ experimentelle Befunde wieder. Auch wenn er bisher nur einen vorläufigen Bericht darüber erhalten hatte, erkannte er doch, wie man Pupin entnehmen kann, ihre Bedeutung für die Faraday-Maxwell’sche Theorie der Elektrodynamik und betonte, dass diese Experimente eine vollständige experimentelle Bestätigung jener bemerkenswerten Theorie lieferten. Weiter hielt Pupin fest, dass alle Anwesenden begeistert gewesen seien, besonders als Helmholtz mit einer Lobrede auf seinen geliebten Schüler Hertz schloss und der deutschen Wissenschaft zu dem Glück gratulierte, ein weiteres‚ »schönes Blatt zu ihrem Lorbeerkranz« hinzufügen zu können. Im Januar 1888 schickte Hertz ein weiteres Manuskript an Helmholtz, dieses Mal über die Ausbreitungsgeschwindigkeit elektrodynamischer Effekte, und bat ihn erneut um eine Veröffentlichung in den von der Akademie herausgegebenen Sitzungsberichten. Fast traute er sich nicht, Helmholtz noch ein weiteres Manuskript zu schicken: »Ich bin in Verlegenheit, ob ich mich deshalb entschuldigen soll. Auf der einen Seite denke ich, daß es der Entschuldigung gar sehr bedarf, wenn ich Ihnen so oft Zeitverlust und Mühe verursache, auf der anderen Seite denke ich auch wieder, daß ein Schüler sich vor seinem Lehrer nicht wegen einer glücklichen Arbeit entschuldigen soll. So wird es am besten sein, ich überlasse es ganz Ihrer Güte, was Sie für mich tun wollen.« Wie dieser Sprachgebrauch zeigt, sah sich Hertz immer noch als Helmholtz’ Schüler im engen Sinne an, fast wie ein Schuljunge. Bei dem hier in Rede stehenden Werk handelte es sich jedoch um Hertz’ epochalen experimentellen Beweis für die Identität von elektromagnetischen Wellen und Lichtwellen, eine Arbeit, die Helmholtz als »ganz genial« bezeichnete. Er bat du Bois-Reymond da-
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rum, Hertz’ Manuskript schnellstmöglich in den Sitzungsberichten zu publizieren, was auch kurz darauf geschah. Allmählich (irgendwann zwischen 1884 und 1892) ging Hertz dazu über, von elektrodynamischen Wellen zu sprechen, und wurde »Maxwellianer«. 1888 war ihm klar geworden, dass Maxwells Theorie (verglichen mit denen von Weber und Neumann) absolut überlegen war. Dennoch hörte er zwischen 1887 und 1891 erst nach und nach damit auf, innerhalb eines Helmholtz’schen Bezugsrahmens zu denken, und wurde stattdessen zu einem Anhänger Maxwells. Denn wie Helmholtz dachte er nach wie vor in Begriffen von fernwirkenden elektrodynamischen Kräften, statt, wie die Maxwellianer, in Begriffen von Feldwirkungen; diese Denkweise kam allerdings nun nicht nur für ihn, sondern auch für andere deutsche Forscher, darunter Helmholtz selbst, an ihr Ende.28 Nun taten sich für Hertz neue Möglichkeiten auf. Helmholtz empfahl ihn mit Nachdruck dem Chemiker Emil Fischer in dessen Eigenschaft als Dekan der philosophischen Fakultät in Würzburg, wo eine Stelle frei geworden war. Hertz sei, wie er sagte, ein wahrhaft genialer und sehr vielversprechender junger Mann, der die höchsten Abstraktionen der mathematischen Physik beherrsche und zugleich wisse, wie er sie auf sehr kundige Weise auf experimentelle Entdeckungen übertragen und für sie fruchtbar machen könne. Für seine Arbeit hatte er ausschließlich lobende Worte übrig. Als Zeichen für Helmholtz’ sicheres Urteil über Nachwuchsphysiker sei angemerkt, dass der andere von ihm mit voller Überzeugung empfohlene Kandidat für die dortige Stelle Wilhelm Conrad Röntgen war, der nicht bei ihm, sondern bei Kundt in Zürich und Straßburg studiert hatte. Gelegentlich übermittelte Helmholtz Röntgens Manuskripte an die Akademie (wie er es in jenen Jahren auch für die Studenten Braun, Weber, Kayser, König und Ebbinghaus tat). Röntgen war, wie Helmholtz sagte, ein sehr kluger Kopf und ein fähiger Experimentator mit einem guten Auge für Problemstellungen. Er würde seiner Meinung nach einen sehr geeigneten Lehrer für ein mehrheitlich aus Medizinstudenten bestehendes Publikum abgeben und wäre dennoch zugleich auch in der Lage, diejenigen individuell voranzubringen, die tiefer in die Physik einsteigen wollten. Am Ende ging die Stelle an Röntgen. Sieben Jahre später (1895/96) machte dieser in Würzburg seine spektakuläre Entdeckung der nach ihm benannten Strahlen und wurde damit zum ersten Träger des Physiknobelpreises (1901). Während über die Stelle in Würzburg noch verhandelt wurde, meldete Hertz an Helmholtz, dass er elektromagnetische Wellen reflektiert habe, und noch einige weitere Befunde mehr. Bald darauf publizierte er zu den Kräften der elektrischen Schwingungen nach Maxwells Theorie und präsentierte sich damit in zunehmendem Maße als »Maxwellianer«.29 Obgleich Würzburg also Röntgen gegenüber Hertz den Vorzug gab, taten sich für diesen neue Gelegenheiten an einem anderen Ort auf. Im September 1888 beriet Helmholtz’ Freund Lipschitz mit diesem in Bonn darüber, einen Nachfolger für den kürzlich verstorbenen dortigen Physikprofessor Clausius zu finden. (Helmholtz
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verfasste für die Berliner Physikalische Gesellschaft eine Gedenknotiz für Clausius, eine von nur zwei, die er überhaupt jemals schrieb.) Unter der Annahme, dass Bonn Kohlrausch nicht bekommen würde, den Helmholtz eigentlich für diesen Posten am besten geeignet hielt, sprach er eine Empfehlung für Hertz aus: »Für den talentvollsten und an originalen Ideen reichsten unter den jüngeren Physikern glaube ich Professor Hertz in Karlsruhe (zur Zeit auch Kandidat für Gießen) ansehen zu müssen. Er war früher kurze Zeit mein Assistent und ist ebenso befähigt, die abstraktesten mathematischen Theorien zu beherrschen, wie die daraus hergeleiteten Fragen experimenteller Art mit großer Geschicklichkeit und Erfindungsgabe in den Methoden zu lösen. Seine letzten Untersuchungen über die Fortpflanzung der elektrodynamischen Wirkungen zeigen ihn als einen Kopf ersten Ranges.« Weniger als einen Monat später war Hertz in Althoffs Büro in Berlin zu Besuch, wo ihm in mehr oder weniger freundlicher Manier gleich drei mögliche Professorenstellen (in Berlin, Bonn und Göttingen) angetragen wurden. Am Mittag wurde er in das Büro des Ministers Gustav von Gossler selbst geladen, der zunächst allein mit ihm sprach, bevor später Althoff hinzukam. (Dieser hatte, nachdem er von Helmholtz über Hertz in Kenntnis gesetzt worden war, seinerseits den Minister über ihn unterrichtet.) Hertz bekundete, dass er nicht nach Berlin zurückkehren wolle (was bedeutet hätte, dort als Vertreter der theoretischen Physik an die Stelle Kirchhoffs zu treten). Er hoffte vielmehr auf Bonn oder alternativ auf Göttingen – beides Stellen, die für einen Experimentalphysiker ausgeschrieben waren; sollte beides nicht funktionieren, dann würde er wohl oder übel das Angebot aus Berlin akzeptieren. Das Treffen dauerte drei Stunden, und Hertz war erschöpft. Um sich zu stärken, ging er zunächst etwas essen und anschließend sofort zu Helmholtz, wo er die Familie ebenfalls beim Essen antraf. Diese bestand darauf, dass er sich zu ihr gesellte. Anschließend nahmen Helmholtz und Hertz in den wenigen Minuten, die noch blieben, bevor er sich mit Anna zum Theater aufmachen musste, eine kurze Besprechung von Hertz’ Lage vor. Hertz hegte die Befürchtung, sich für seine Entscheidung vor Helmholtz rechtfertigen zu müssen. Zu seiner großen Erleichterung fand dieser aber, dass er auf jeden Fall die richtige Wahl getroffen habe; falls er sich doch für Berlin entscheiden sollte, wolle er Platz für ihn an der neuen Reichsanstalt schaffen, sodass er dort auch experimentelle Forschung betreiben könne.30 Der Minister stimmte Hertz’ Entscheidung für Bonn zu und ernannte in der Folge, wie schon erwähnt, Planck (allerdings nur als außerordentlichen Professor) zu Kirchhoffs Nachfolger in Berlin. Im November 1888 schrieb Hertz erneut an Helmholtz, dieses Mal, um zu berichten, dass er Kurzwellen reproduziert (und manipuliert) habe – zuvor hatte er mit Langwellen gearbeitet – und den Zusammenhang von Licht und Elektrizität habe aufklären können, »über welchen es mich daher drängt, Ihnen zu berichten«. Er schloss seinen kurzen Brief mit dem Satz: »Verzeihen Sie, hochverehrter Herr Ge-
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heimrat, meinen Eifer, wenn ich suche, diese Beobachtungen so bald an Ihr Ohr zu tragen.« Helmholtz leitete die Veröffentlichung von Hertz’ neuen Arbeitsergebnissen in den Sitzungsberichten in die Wege, bevor sie, wie andere Beiträge von Hertz auch, in den Annalen erschienen. Helmholtz antwortete Hertz also, dass er dessen jüngstes Manuskript der Akademie übermittelt habe. Am folgenden Tag schrieb er ihm erneut, und nun in einem eher kollegialen denn professoralen Tonfall: Verehrter Freund, über Ihre letzten Taten habe ich mich sehr gefreut. Es sind Dinge, an deren Möglichkeit ich jahrelang herumgenagt habe, um ein Loch zu finden, wie man ihnen beikommen könnte, und mir ist deshalb auch der ganze Gedankenkreis [hier] vertraut und ihre große Wichtigkeit gleich einleuchtend. Ich habe, nachdem sie [Hertz’ Manuskripte] am Donnerstag der Akademie offiziell übergeben waren, am Freitag auch der Physikalischen Gesellschaft vorgetragen in Anschluß an einen Vortrag von Dr. [Robert] Ritter, der den Einfluß des ultravioletten Lichts auf die Funken gezeigt hatte. Und er fuhr fort: Es tut mir persönlich leid, daß Sie nicht nach Berlin kommen wollen, aber wie ich Ihnen schon früher sagte, ich glaube allerdings, daß Sie in Ihrem eigenen Interesse ganz richtig handeln, wenn Sie Bonn zunächst vorziehen. Wer noch viel wissenschaftliche Aufgaben vor sich sieht, die er angreifen möchte, bleibt den großen Städten besser fern. Am Ende des Lebens, wenn es mehr darauf ankommt, den errungenen Standpunkt für die Heranziehung der neuen Generation und für die Staatsverwaltung zu verwerten, ist es anders.31 Ganz offensichtlich sprach Helmholtz hier von sich selbst. Der intellektuelle Weg und die Problemstellungen, die Helmholtz für Hertz in dessen Zeit als Student in Berlin zurechtgelegt hatte, kamen an ihr Ende (oder zumindest an ein bedeutsames Ende), während Hertz Professor in Karlsruhe war. Unter Helmholtz’ Ägide veröffentlichte er in seiner Zeit dort vier Aufsätze über seine Forschungen zur Elektrizität in den Sitzungsberichten der Akademie und neun in den Annalen. Bald kannte jeder in der Welt der Physik seine experimentellen Ergebnisse, auch wenn sie nicht leicht zu reproduzieren waren und manch einer ihre volle Bedeutung für die Gültigkeit von Maxwells Theorie (noch) nicht überblickte. Webers Theorie und kurz darauf auch Helmholtz’ theoretischer Bezugsrahmen verschwanden nun von der Bildfläche. Im Frühjahr 1889 ging Hertz nach Bonn und nahm dort seine Tätigkeit auf. Auf einen Vorstoß von Helmholtz hin wurde er zu einem korrespondierenden Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften ernannt,32
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und im Herbst jenes Jahres erklärte er auf einer historischen Zusammenkunft der Heidelberger Naturforscherversammlung seine Ergebnisse und ihre theoretischen Implikationen den deutschen Physikern (und anderen) dann auch persönlich.
Ein zweiter Blick auf Helmholtz als Physiklehrer Bis 1878 hatte Helmholtz sieben Jahre Lehrerfahrung auf dem Gebiet der Physik angesammelt. Es ist äußerst schwierig, seine (oder überhaupt jemandes) Befähigung und Effizienz als Lehrer einzuschätzen, besonders wenn es an festen Standards und methodologischen Grundlagen dafür mangelt. Am Ende haben wir nur die Meinungen von Studenten und Kollegen – und davon auch nur die, die irgendwo festgehalten wurden, die Zeit überdauert haben und wieder aufgefunden werden konnten. Auf der Ebene der physikalischen Grundlagen ließ Helmholtz als Lehrer viel zu wünschen übrig. Es liegen keine bekannten Äußerungen vor, wonach er ein guter Lehrer auf diesem Niveau gewesen wäre, trotz seiner vielen wissenschaftlichen Errungenschaften und der Freundlichkeit, die er gegenüber den Studienanfängern an den Tag legte. Kayser, der siebeneinhalb Jahre lang sein Assistent war und danach zu einem der weltweit führenden Spektroskopiker wurde, kannte ihn als Lehrer gewiss recht gut. Er berichtete, dass Helmholtz sich manchmal im zur Demonstration der Vorlesungsinhalte gedachten Experiment vor seinen Studenten verzettelte. So veränderte er beispielsweise die Parameter eines Experiments, nur um zu sehen, was passieren würde, statt es einfach nur zur Demonstration eines physikalischen Prinzips zu benutzen. Kayser schrieb: »Ich meine überhaupt, dass Helmholtz kein guter Lehrer war, oder präciser gesagt, dass er nur für ganz wenige Menschen ein guter Lehrer sein konnte; er sah alles von so hoher Warte, dass die Schüler auch ganz ungewöhnlich fortgeschritten sein mussten, um ihn verstehen zu können.« Allerdings trug gerade dieser permanente Wunsch danach, die Bedingungen eines Experiments zu variieren, dazu bei, dass Helmholtz, ebenso wie Hertz, ein so ausgezeichneter experimenteller Forscher war.33 Viele ehemalige Studenten urteilten ähnlich, so beispielsweise Friedrich Martius, der bereits seinen Doktor in Medizin hatte, aber zum Forschen an die Universität zurückgekehrt war und im Jahr 1883 Vorlesungen bei du Bois-Reymond und Helmholtz besuchte. Er fand, dass man es den »Schülern« nicht habe zum Vorwurf machen können, wenn diese nach einiger Zeit damit begannen, die Sitzungen zu »schwänzen«, denn sie hätten Helmholtz einfach nicht verstanden. Martius selbst hatte erlebt, wie Helmholtz zu Beginn der Veranstaltung von einer komplizierten Apparatur einige Messergebnisse ablas, die er zu erklären vergaß, und dann an der Tafel Berechnungen anstellte, bis sie randvoll mit den kompliziertesten Formeln war. Am Ende habe er dann erklärt, dass, wie man ja sehe, die Ergebnisse sich mit den Hypothesen hinreichend deckten, woraufhin er den Hörsaal verlassen habe.
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Nur sehr wenige der verbliebenen Studenten hätten auch nur gewusst, worum es überhaupt ging. Ähnlich äußerte Albert Magnus-Levy, der ebenfalls zu einem herausragenden Forscher auf dem Feld der Medizin wurde und kurz bei Helmholtz studiert hatte, dass »er kein guter Dozent war, zumindest nicht in den Grundlagen der Physik«. Ein letztes Beispiel stammt von Alexander Tschirch, der bei Hofmann und Helmholtz in Berlin studierte und später Professor für Pharmazie und Pharmakognosie an der Universität Bern wurde. Er schrieb über Helmholtz, dass er ein sehr schlechter Lehrer gewesen sei, der immer etwas von oben herab durch seine Nase gesprochen und in der Hauptvorlesung sehr gelangweilt gewirkt habe. Seine Experimente, bei denen ihm Dr. König assistierte, seien selten erfolgreich gewesen, aber nie wiederholt worden. »Irgendetwas stimmt mit dem Apparat nicht. Nun, Sie haben ja gehört, worum es geht«, habe Helmholtz gesagt, sich sofort wieder umgedreht und wieder an der Tafel gerechnet. Während die Veranstaltungen seines Kollegen Hofmann immer bis auf den letzten Platz und bis zum Ende des Semesters besetzt gewesen seien, hätten sich Helmholtz’ Lehrveranstaltungen bald geleert, und von den verbliebenen Studenten habe die Hälfte geschlafen, da es im Hörsaal zur Mittagszeit im Sommer gegen 12 Uhr sehr warm gewesen sei. Helmholtz habe diese Veranstaltungen offenbar als eine lästige Pflicht empfunden, der er sich nur widerwillig gestellt habe. Selbst Heinrich Rubens, um die Jahrhundertwende herum einer der führenden experimentellen Physiker, räumte ein: »Für Anfänger freilich war es oft nicht leicht, dem Gedankenflug des Meisters zu folgen, welcher für menschliche Schwäche des Erfassens und Begreifens kein Verständnis hatte. Aus diesem Grunde ist seine Vorlesung über Experimentalphysik von vielen Studenten nicht nach Gebühr gewürdigt worden. Es kam wohl noch hinzu, daß er auf die äußere Form des Vortrages keinen so großen Wert legte, wie viele seiner Kollegen, insbesondere wie sein Vorgänger Gustav Magnus und sein Nachfolger im Berliner Lehramt August Kundt.«34 Aus dem Munde eines Physikprofessors an der Berliner Universität (von 1906 bis 1922), der zudem auch der Leiter des von Helmholtz aufgebauten Instituts war, war dies ein recht freimütiges Urteil. Auch auf fortgeschrittenem Niveau scheint die Lage nur geringfügig besser gewesen zu sein. G. Stanley Hall, der mehrere Jahre in Deutschland studierte und später ein bekannter amerikanischer Experimentalpsychologe wurde, schrieb 1878 aus Berlin an William James: »Ich habe Helmholtz & Kirchhoff jeweils fünfmal pro Woche in theoretischer Physik gehört. […] Helmholtz ist ein schlechter Dozent. Macht Fehler, ist unsicher usw., während Kirchhoff der klarste ist.« Einige Jahre später schrieb James an den Psychologen Carl Stumpf, dass er kürzlich für eine Woche in Berlin gewesen sei und dort – ebenso wie in Leipzig, Prag und Lüttich – einige Vorlesungen gehört habe. »An jedem Ort hörte ich alle universitären Vorlesungen an, die ich konnte, und sprach mit mehreren der Professoren. Von einigen erhielt ich
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sehr gute Hinweise dazu, wie man nicht dozieren sollte. Helmholtz zum Beispiel präsentierte mir die schlechteste Vorlesung, die ich – bis auf eine (von unserem herausragendsten amerikanischen Mathematiker) – in meinem ganzen Leben je gehört habe.« Um noch einen deutschen Studenten zu zitieren, so berichtete der Chemiker Richard Willstätter: »Helmholtz sprach in der Vorlesung leise und wenig und rechnete an der Tafel; sein Kolleg war zu schwierig. Hofmanns Vorlesung war [dagegen] ein elegantes Theater, sie verband vorbildliche Experimente mit beschreibendem Text, ohne viel Nachdenken oder Arbeit zu fordern.« Selbst Planck, der ansonsten ein Anhänger und Freund von Helmholtz war, empfand dessen Vorlesungen als unvorbereitet, wenig gewinnbringend und zutiefst langweilig. Der amerikanische Physiker W. F. Magie, der kurze Zeit bei Helmholtz studierte und ihn als Lehrer vielleicht noch am wohlwollendsten sah, notierte: In unserem gewöhnlichen Sinne kann man kaum sagen, dass Helmholtz ein großer Lehrer war. Seine Vorlesungen waren gut gehalten, in schöner und verständlicher Sprache, doch da war immer dieses gewisse Zögern und eine Unsicherheit; wenn er mit einer eigenartigen Ungenauigkeit die Einzelheiten eines Arguments darlegte, drängte sich einem das Gefühl auf, dass man dies bei einem populären Redner oder bei einem unserer College-Professoren so auffassen würde, dass er seinen Gegenstand nicht durchdrungen habe. Seine Fehler beim Gebrauch der einfachsten mathematischen Ausdrücke waren berüchtigt, und zumindest in den späteren Jahren seines Professorenamts, als die Vorbereitung seiner Experimente seinen Assistenten zufiel, war es nicht ungewöhnlich, dass er seine Vorlesung unterbrach, während feuerfeste Apparate hin und hergeschoben, eingestellt und wieder neu eingestellt wurden für eine Demonstration, zu der es nie kommen sollte.35 Pupin, ein weiterer Amerikaner, der (1885/86) Helmholtz’ Vorlesungen in Experimentalphysik besuchte, vertrat dagegen eine Minderheitenmeinung: Seine Vorlesungen seien höchst inspirierend gewesen, weniger wegen der vielen interessanten Experimente, die gezeigt wurden, als der wunderbar anregenden Bemerkungen wegen, die Helmholtz hier und da unter der Inspiration des Moments habe fallen lassen. Helmholtz habe, so Pupin weiter, sozusagen das Schlaglicht seines ungeheuren Intellekts auf die Bedeutung der Experimente geworfen. Indem er Kirchhoff und Helmholtz als Lehrer verglich und zugleich das Thema Inspiration weiterverfolgte, schrieb Pupin, dass Kirchhoffs Vorlesungen druckreif gewesen seien, während Helmholtz kaum jemals den gesamten Umfang des Themas abgedeckt zu haben schien, das er sich für das Semester vorgenommen hatte. In Kirchhoffs Veranstaltungen sei die Zahl der Studenten über die gesamte Vorlesungszeit hinweg konstant geblieben; bei Helmholtz sei sie dagegen immer mehr zurückgegangen, je weiter
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das Semester voranschritt, vor allem wenn er über mathematische Physik gesprochen habe. Aber Kirchhoff lehrte eben, befand Pupin, während Helmholtz inspirierte. In seinen Augen war Kirchhoff ein Apostel und Helmholtz ein Prophet. Für ihn seien die physikalischen Begriffe das Entscheidende gewesen, nicht die mathematischen Strukturen, Analysen oder Details. Viele Studenten hätten seinen Vorlesungen einfach nicht folgen können, und das habe zu der Meinung geführt, dass Helmholtz ein schlechter Dozent sei. Die ihn verstanden, hätten jedoch eine rückhaltlose Bewunderung für seine Vorlesungen und ein Gefühl der tiefen Zuneigung und Dankbarkeit dem Mann gegenüber gehegt, dessen inspirierenden Worten sie intellektuell so viel zu verdanken hätten. Und diese Zuneigung seiner Schüler habe er in ruhiger und würdevoller Weise erwidert. Viel später merkte Arrhenius einmal an, dass Kundt und Kohlrausch (der Letztere als zweiter Präsident der Reichsanstalt 1895 – 1905) unter der Last ihrer Berliner Ämter gelitten hätten und dass auch Emil Warburg (Physikprofessor in Berlin 1895 – 1905 und im Anschluss daran dritter Präsident der Reichsanstalt 1905 – 1922) dem dort herrschenden Druck gerade so habe standhalten können, während Paul Drude, der 1905 dort Physikprofessor wurde und sich im darauffolgenden Jahr das Leben nahm, dies eindeutig nicht vermocht habe. Helmholtz seinerseits habe seine Lehrverpflichtungen nur durch Geringschätzung aushalten können, was niemand von geringerem Rang zu tun gewagt hätte.36
Die Gründung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt Nach dem Deutsch-Französischen Krieg hegte eine Berliner Gruppe führender Vertreter aus Wissenschaft, Technik, Militär und Industrie – darunter Helmholtz und Siemens – die Hoffnung, ein Institut für Präzisionstechnologie in Berlin errichten zu können, durch das vor allem die Lage der wissenschaftlichen Instrumentenherstellung in Preußen verbessert werden sollte.37 Siemens erhoffte sich die Gründung eines breiter aufgestellten Instituts, das sich als unabhängige Einrichtung auf physikalisch-mechanischem Gebiet betätigen, sowohl reine als auch angewandte Wissenschaft betreiben und auch konkretere technologische Fragen in Angriff nehmen sollte. Ein besonderes Augenmerk legten Siemens, Helmholtz und andere auf das gerade im Entstehen begriffene Feld der elektrischen Metrologie und den damit eng verknüpften Aufstieg der Elektroindustrie – Bereiche, die national wie international Macht und Prestige einbringen würden. Um nun der Gründung eines solchen Instituts auf die Sprünge zu helfen und diese nationalen Belange zu adressieren, hatte Siemens ursprünglich die Idee, eine Spende an die Akademie zu leisten. Diese jedoch war eher technologiefeindlich eingestellt – ganz zu schweigen von jeglichen institutionellen Neuerungen, die ihre traditionelle Mission hätten beeinträchtigen können – und distanzierte sich daher von Vorhaben, bei denen es um angewandte Wissenschaft und Technik ging.
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Zwischenzeitlich fand ein paralleler Versuch zur Förderung der Glas- und Instrumentenforschung in Jena statt. Helmholtz war ein ausgesprochener Unterstützer der dortigen gemeinschaftlichen Bemühungen des Chemikers Otto Schott und des Physikers Ernst Abbe. Schott wollte auf einer stärker wissenschaftlich orientierten Basis verbesserte Glassorten für Mikroskope, Teleskope und andere Instrumente entwickeln und Abbe die optische Theorie bei den Zeiss-Werken voranbringen. 1882/83 war Abbe federführend an Bemühungen beteiligt, finanzielle Unterstützung aus Berlin zu erhalten, um damit Schotts Forschungs- und Entwicklungsarbeit auf dem Glassektor zu fördern. Er setzte auch deshalb Hoffnungen auf Berlin, weil er wusste, dass Helmholtz und Siemens dort einen Vorstoß zum Aufbau einer neuen Art von nationalem Labor für Physik und Präzisionsinstrumente unternahmen. Ein Komitee unter der Leitung des Berliner Astronomen Wilhelm Foerster, dem auch Helmholtz angehörte, wurde gegründet. Anfangs war Abbe der Meinung, dass Helmholtz die Dinge verzögern würde, indem er darauf beharrte, dass dieses Komitee zuerst ein neues physikalisches Labor für metrologische Zwecke genehmigen müsse, bevor er sich zur Unterstützung von Zeiss’ und Schotts Bemühungen bereit erklären würde. Doch hatte dieser in Wirklichkeit Abbes und Schotts Anfrage nach finanzieller Unterstützung zur Erprobung ihrer optischen Theorie und damit zusammenhängender Ideen für neue Glaszusammensetzungen von Anfang an unterstützt. Abbe berichtete Helmholtz von Schotts neuesten Ergebnissen und bat ihn um Mithilfe bei der Einwerbung staatlicher Mittel für Schott, damit dieser seine Arbeit fortsetzen konnte. Wie er hoffte, könnte eine solche Hilfestellung möglicherweise im Rahmen von Helmholtz’ Bemühungen um die Errichtung des neuen Labors in Berlin erfolgen. Er erklärte, dass Schotts Arbeit bis zu einem Punkt herangereift sei, an dem sie sie entweder gänzlich aufgeben oder in einem größeren Rahmen weiterbetreiben müssten. Um dieses Anliegen mit Helmholtz persönlich zu besprechen, reiste Abbe nach Berlin. Helmholtz half Abbe zumindest teilweise dadurch, dass er ihn Foerster vorstellte, der der Normal-Eichungs-Kommission vorstand und damit für die Festlegung und Pflege standardisierter Maße und Gewichte zuständig war. Foerster war nämlich an der Verbesserung von Thermometerglas interessiert. Bald schon legten er, Abbe und Schott dem preußischen Kultusminister einen Bericht zu der Angelegenheit vor, und das Ministerium signalisierte rasch seine Zustimmung für die Idee eines Glaslabors in Jena. Abbe schrieb über seinen Besuch bei Helmholtz, dass er Helmholtz dazu gebracht habe, sich aktiv für die Angelegenheit zu interessieren, und dass er seine Fürsprache erhalten habe, die in Berlin von erheblichem Gewicht sei. Zudem gelang es ihm, Virchow, selbst einmal ein führender medizinischer Mikroskopiker und aktuell liberaler Politiker im preußischen Landtag, für sein Vorhaben zu begeistern. Und auch der Landtag selbst konnte überzeugt werden und gewährte Abbe, Schott und anderen 60 000 Mark für die Erforschung und Entwick-
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lung neuer Glassorten. Ihr Jenaer Unternehmen errichtete nun das Glastechnische Laboratorium Schott & Genossen. 1885 war es bereits mit der kommerziellen Herstellung diverser Glassorten befasst – deren Zahl bald in die Hunderte ging –, die den präzisionsoptischen Vorgaben der Zeiss-Werke entsprachen. Zu den Spezifikationen gehörten ihre chemische Zusammensetzung, ihr Brechungsindex, das Verhältnis von Lichtbrechung und Lichtstreuung, ein spezifisches Gewicht und die Härte des Glases. Die Investition der preußischen Regierung zahlte sich rasch aus, sowohl mit Blick auf die nun verbesserte Ausstattung mit präzisionsoptischen Instrumenten und die wissenschaftlichen Resultate als auch mit Blick auf die bei Zeiss erzielten höheren Verkaufszahlen. Zeiss wurde zum führenden deutschen Hersteller von Mikroskopen und anderen ausgesuchten optischen Produkten. Das galt gleichermaßen für Artikel des täglichen Bedarfs wie für wissenschaftliche High-End-Produkte oder Spezialanfertigungen – und eben auch, was die Umsatzzahlen anging.38 In den Jahren 1883/84 beschloss Siemens, sein Vorhaben aufzugeben, der Akademie eine testamentarische Schenkung für ein physikalisch-mechanisches Institut zu machen. Stattdessen entschied er sich dafür, das zu finanzieren, was in den nächsten vier Jahren die Reichsanstalt werden sollte, als eine von der Akademie, den Universitäten oder sonstigen auf dem Gebiet der Technik tätigen Instituten vollkommen unabhängige Einrichtung. Er bot dem Deutschen Reich – denn es sollte ein Reichsinstitut werden, kein preußisches – also ein Grundstück an, das er im Berliner Vorort Charlottenburg besaß, gegenüber der (1879) neu gegründeten Technischen Hochschule Charlottenburg, unmittelbar westlich des Tiergartens gelegen. Im Gegenzug sollte das Reich die Physikalisch-Technische Reichsanstalt bauen, ausstatten und (dauerhaft) finanzieren. Seine Motive für diesen Schritt waren vielfältig. In erster Linie wollte er die reine Physik und die physikbasierte Technologie voranbringen. Wie Helmholtz war er besonders an dem sich rasch entwickelnden Feld des elektrischen Messwesens interessiert, hier besonders daran, Briten und Franzosen bei der Festlegung elektrischer Normen nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. Er glaubte nämlich, dass die Fähigkeit, solche Standards zu setzen, der einheimischen Elektroindustrie eines Landes Vorteile verschaffen werde. Nebenbei wollte er damit aber auch seinem alten Freund Helmholtz helfen, der sich danach sehnte, von seinen Lehrverpflichtungen erlöst zu werden. Anna, die damals in Paris weilte, um die persönliche Habe ihrer verstorbenen Tante zu veräußern, schrieb an Hermann: »Sehr gespannt bin ich auf den Ausgang der Charlottenburger Verhandlungen. Je mehr ich daran denke, daß wir ein Leben außerhalb der Stadt und für Dich ohne Vorlesungen führen könnten, desto mehr leuchtet dies mir ein.« Und Helmholtz antwortete: Gestern Abend war ich bei Siemens. Er zeigte mir das Terrain, welches er für das Projekt der Reichsanstalt abgeben will […]. Gestern früh hatten wir noch
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eine Sitzung mit [Wilhelm] Wehrenpfennig [der für die Technischen Hochschulen in Preußen zuständig war] um die Form des Antrages für das Budget zu besprechen. Werner Siemens sagte, er habe ursprünglich eine Summe zu gleichem Zwecke testamentarisch der Akademie vermacht. Er glaube aber nun, die Sache besser fördern zu können, wenn er den Staat bewege, dieselbe dauernd zu unterstützen. Er ist in dieser Richtung sehr großartig und ich glaube, daß diese Schenkung sehr stark für die angeregten Pläne ins Gewicht fallen wird. Helmholtz berichtete zudem, dass er eingeladen worden sei, sich einer dreißigköpfigen deutschen Delegation anzuschließen, die eine 67-tägige Reise bis an den Pazifik antreten sollte, deren Höhepunkt die Eröffnung der Northern Pacific Railway sein würde. »Will man sich Amerika noch in diesem Leben ansehen, wäre dies die günstigste Gelegenheit, die man sich denken kann. Ich habe noch nicht nein gesagt, obgleich es eigentlich nicht nötig ist, Amerika zu sehen, wenigstens nicht für das, was ich in der Welt zu tun habe.«39 In der Folge sagte er seine Teilnahme ab. Dass Helmholtz sich aus der Lehre zurückziehen wollte, war für ihn ein wichtiger Grund, sich an der Gründung der Reichsanstalt zu beteiligen und schließlich das Amt ihres Präsidenten zu übernehmen. Anfang September 1883 schrieb er (auf Englisch) an Thomson, dass er nicht nach Netherhall kommen könne, um ihn und seine Frau dort später in diesem Monat zu sehen, da er mit diversen Ministerialbeamten über das geplante Institut sprechen müsse: »Das Ziel ist es, in Berlin eine Art von wissenschaftlichem physikalischen Observatorium zu bauen; dieser Plan ist im Grundsatz von Dr. Werner Siemens und mir entworfen worden. Ich bin dazu gedrängt worden, dessen Leitung zu übernehmen. […] Es ist für die Wissenschaft eine wichtige Sache, und auch für mein eigenes persönliches Interesse, weil ich nun die Hoffnung hegen darf, meine Arbeitskraft, so viel mir von ihr geblieben ist, ganz auf eine rein wissenschaftliche Richtung zu konzentrieren.« Achtzehn Monate später schrieb er an Rayleigh in noch deutlicheren Worten: »Ich muss sagen, dass ich mittlerweile von den Vorlesungen auch wirklich genug habe. Wir bekommen hier nun wahrscheinlich, in Form einer Schenkung von Dr. Werner Siemens, ein wissenschaftliches, physikalisches Observatorium, ein Institut ohne Ausbildungsfunktion, dessen Leitung mir angetragen worden ist. Diese Sache geht allerdings nur allzu langsam voran, angesichts des Umstands, dass ich schon 63 Jahre alt bin.«40 Wie immer bei der Errichtung von Institutionen ging alles nur langsam voran. Zwei weitere Jahre verstrichen, bevor die Pläne des Architekten und eine potenzielle Liste von Vorstandsmitgliedern – Helmholtz nannte sie sein »physikalisches Parlament« – vorlagen. Gleichzeitig war der preußische Kultusminister in Sorge wegen des drohenden Verlusts von Helmholtz für die Universität.41 Dieser verbrachte zwischen 1883 und 1887 zusammen mit Siemens und anderen viel Zeit bei Treffen
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mit diversen Ministeriumsvertretern. Er erschien sogar vor einem Ausschuss des Reichstags. Solcherart war Helmholtz federführend beteiligt an der Planung und Formulierung der wissenschaftlichen und technologischen Ziele der Reichsanstalt, ihrer Verwaltungsstruktur, Finanzierung, architektonischen Ausgestaltung sowie bei der Auswahl ihres Personals. Vonseiten Bismarcks, verschiedener Abgeordneter und Interessengruppen gab es zwar einige Widerstände gegen die Planungen, doch zwischen 1883 und 1887 gelang es den Befürwortern, mit Siemens an der Spitze, diese Opposition zu überwinden. Die Zustimmung der Legislative – samt einer Finanzierungszusage in Höhe von rund 700 000 Mark – erfolgte schließlich im März 1887. (Siehe Abb. 24.1.) Nach ungefähr anderthalbjährigem Ringen willigte der Reichstag im Juni 1887 endlich auch darin ein, dass dem Präsidenten der Reichsanstalt ein jährliches Gehalt von 24 000 Mark gezahlt werden sollte, was mehr war als das, was selbst ein Unterstaatssekretär verdiente, und bei Weitem mehr als das, was ein normaler Physikprofessor bekam. Bismarck verlangte jedoch, dass Helmholtz – von dem jeder wusste, dass diese Position für ihn geschaffen worden war – zusätzlich pro Jahr eine Lehrveranstaltung in theoretischer Physik an der Universität anbieten sollte. Helmholtz stimmte bereitwillig zu. Im Juli wurde er offiziell an die Spitze der Kommission berufen, unter deren Aufsicht die neue Reichsanstalt derzeit stand, und verbrachte 1887 und 1888 viel Zeit damit, in den Räumlichkeiten der Technischen Hochschule Charlottenburg, also nahe der Baustelle, zu arbeiten. Im Juni 1888 wurde Helmholtz dann zum Präsidenten der Reichsanstalt ernannt. Offiziell öffnete die Reichsanstalt ihre Pforten im Oktober 1888, mit Helmholtz als ihrem Präsidenten. Von ihren zwei Arbeitsbereichen befasste sich die physikalische Sektion (ebenfalls unter Leitung von Helmholtz) mit wissenschaftlicher Grundlagenforschung (»reiner« Wissenschaft) und die technische (unter Leopold Loewenherz) mit den angewandten (vornehmlich den elektrischen, optischen und präzisionstechnischen) Wissenschaften und ihrer Erprobung. Metrologie und das Messwesen generell waren der Daseinszweck der Reichsanstalt. Auf persönlicher Ebene jedoch bildete sie den Höhepunkt von Helmholtz’ Karriere als professioneller Physiker. Außerdem war sie die Erfüllung seiner wiederholten Forderungen nach mehr staatlicher Unterstützung für die deutsche Wissenschaft. Dennoch war der Übergang von der Universität zur Reichsanstalt – obwohl er den Kontakt zur Ersteren nie vollständig verlor – nicht einfach. Helmholtz nahm Lummer, einen seiner Assistenten an der Universität, als seinen Mitarbeiter mit und drängte darauf, dass ein weiterer Assistent, nämlich König, dort verblieb und seiner Verantwortung gemäß entlohnt wurde. Auch Anna von Helmholtz hatte einen gewissen gestalterischen Anteil an der neuen Einrichtung, indem sie Entscheidungen für Haus und Garten der Familie Helmholtz traf, die auf dem Gelände der Reichsanstalt lagen. Gegen Ende Mai 1889 fand der Umzug der Familie in ihr neu-
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Abb. 24.1: Die geplante Reichsanstalt, gezeichnet zwischen 1884 und 1887. National Institute of Standards and Technology.
es Heim statt. Anna war gedrückter Stimmung. »Um die Vorlesungen und Examina los zu werden, die ihn ermüdeten«, schrieb sie an ihre Schwester Ida, »hat Hermann diesen Sprung ins Ungewisse, Unfertige gethan. Er fühlte, daß seine eigene Arbeitskraft zu Grunde gehe im wear and tear des Digirierens [sic] von Anfängern, fühlte daß er mehr leisten könne, wenn er seine Zeit für sich, statt für die Studierenden habe.«42
Neue Grundlagen für die theoretische Chemie und Physik Zwischen der Eröffnung des neuen physikalischen Instituts der Universität im Jahr 1878 und seinem Wechsel zur neuen Reichsanstalt im Jahr 1887/88 konzentrierte sich Helmholtz’ eigene wissenschaftliche Forschung auf Elektromagnetismus, chemische Thermodynamik, monozyklische Systeme (Mechanik) und das Prinzip der kleinsten Wirkung. Seine in dieser Periode veröffentlichten Arbeiten zum Thema Elektromagnetismus inklusive Elektrodynamik waren vergleichsweise unbedeutend; seiner Publikationsliste aus jener Zeit nach zu urteilen hatte er die elektrodynamische Theorie offensichtlich zurückgestellt. Neben seinen Einzelstudien zum Telefon, zu elektrischen Grenzschichten (Doppelschichten), Bewegungsströmen an polarisiertem Platin, einer elektrodynamischen Waage, der galvanischen Polarisation sowie zur elektrischen Messkunde befasste sich nur eine einzige Arbeit mit Elektrodynamik
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im eigentlichen Sinne. Er untersuchte die Kräfte, die auf das Innere magnetischer oder dielektrischer polarisierter Körper wirken, und kam dabei zu Ergebnissen, die sich mit dem Standpunkt der Nahwirkungstheorie von Faraday, Thomson und Maxwell deckten. Er publizierte auch einige Beobachtungen darüber, wie eine Waage zur Bestimmung magnetischer Momente am besten einzusetzen wäre.43 Daneben fand Helmholtz noch die Zeit, eine (bewundernde) Besprechung von Thomsons Mathematical and Physical Papers für die Nature zu verfassen. Die ersten zwei Bände beinhalteten Thomsons Veröffentlichungen zur Elektrostatik und zum Magnetismus (bis 1856) und zum transatlantischen Telegraphen. Helmholtz erklärte wohlwollend: »Ein großes Verdienst der wissenschaftlichen Methode von Sir William Thomson besteht in der Tatsache, dass er, indem er dem von Faraday gegebenen Exempel nacheifert, Hypothesen über unbekannte Gegenstände so weit wie irgend möglich vermeidet, und in seiner mathematischen Behandlung von Problemen danach strebt, schlicht die Gesetzmäßigkeit beobachtbarer Prozesse zum Ausdruck zu bringen.« Besonders seit den 1860er-Jahren hatte Helmholtz diese Methode zunehmend zu seiner eigenen gemacht und schätzte es sehr, dass Thomson es, wie er schrieb, »aus Achtung vor den unbekannten inneren Mechanismen der Phänomene« unterließ, Hypothesen über sie zu bilden.44 Nach seiner Faraday Lecture von 1881 wandte sich Helmholtz – wie andere Physiker und Chemiker der damaligen Zeit auch – der Anwendung der Thermodynamik auf chemische Prozesse zu, so wie er es bereits in Bezug auf die Erdatmosphäre getan hatte (und später erneut tun sollte). Seine grundlegenden Aufsätze zur Thermodynamik chemischer Prozesse hatten ihn zu diesem Punkt geführt. Obwohl mehrere andere (zum Beispiel Julius Thomsen und Marcellin Berthelot) den ersten Hauptsatz der Thermodynamik (damals verstanden als Äquivalenz von Arbeit und Wärme) bereits zur Anwendung gebracht hatten, um die Wärme in chemischen Prozessen zu verstehen, wandte Helmholtz auch den zweiten Hauptsatz an (im Sinne der Zunahme der Entropie in einem geschlossenen System im Verlauf der Zeit), wie es auch schon August Horstmann oder Josiah Willard Gibbs getan hatten; die Ergebnisse des Ersteren erwiesen sich allerdings als zu begrenzt, während die von Gibbs schlicht unbeachtet blieben.45 Zwar hatte Helmholtz den ersten Hauptsatz schon oft ins Feld geführt, und das sowohl in seinen streng wissenschaftlichen als auch in seinen populären Vorträgen, den zweiten allerdings, was bemerkenswert ist, bisher erst zweimal – in seiner Rede von 1854, als er den »Wärmetod« des Universums diskutierte, und, noch knapper, in seinem Vortrag von 1869 über die Ursprünge des Planetensystems und des Lebens. Mittlerweile hatte dieser zweite Hauptsatz der Thermodynamik allerdings einen weitaus größeren Nutzen und höheren Stellenwert in der Physik erlangt als zu jener Zeit, da Clausius und Thomson ihn (in den Jahren 1850 und 1851) erstmals formuliert hatten. Im Laufe der dazwischenliegenden Jahrzehnte und trotz einiger intellektueller Auseinandersetzungen
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mit Clausius hatte Helmholtz ein tieferes Verständnis für den zweiten Hauptsatz entwickelt und gebrauchte ihn jetzt auf neue Weise. Helmholtz’ Erfolg und seine führende Rolle in der chemischen Thermodynamik beruhten zu einem guten Teil auf seinen eigenen früheren Arbeiten in der Elektrochemie. In den 1870er-Jahren hatte er versucht, die chemische Energie verdünnter Lösungen zu verstehen, und hier vor allem die Beziehung zwischen chemischer Veränderung und elektromotorischer Kraft. Im Februar 1882 veröffentlichte er den ersten (und grundlegendsten) von drei Aufsätzen über die Thermodynamik chemischer Prozesse. In dieser ersten Arbeit, die sich ausschließlich theoretischen Fragen widmete, gab er die althergebrachte sogenannte thermische Theorie der Affinität auf, die er und alle anderen beim Versuch, die chemische Energie zu verstehen, bisher angewandt hatten. Stattdessen verwendete er das Konzept der Entropie, um aufzuzeigen, dass die chemische Energie aus zwei Teilen bestand: einem »gebundenen« Teil (der nur als Wärme in Erscheinung tritt) und einem »freien« Teil (dem »nützlichen« Teil oder der »Arbeit«, die die Richtung des chemischen Prozesses vorantreibt, wobei er übrigens feststellte, dass diese Arbeit aus einer galvanischen Batterie gewonnen werden konnte). Obwohl andere vor ihm – etwa François Massieu, Gibbs und Thomson – zu ähnlichen thermodynamischen Befunden gekommen waren, hatte keiner von ihnen diese auf die Chemie angewendet. Helmholtz profitierte dagegen von seinen eigenen früheren Arbeiten in der Elektrochemie; es war seine Idee der »freien Energie« und ihre Anwendung auf die Chemie (die »Helmholtz-Gleichung«), die seine große Neuerung darstellte und das Feld der chemischen Thermodynamik faktisch etablierte. In einer zweiten (Juli 1882) und einer dritten Arbeit (1883) untermauerte er seine theoretischen Schlussfolgerungen, indem er ihre Anwendbarkeit auf verschiedene Beobachtungen oder experimentelle Fragen in der Elektrochemie (etwa in Bezug auf Salzlösungen) und für das Verständnis der galvanischen Polarisation aufzeigte (wobei er insbesondere bewies, dass die »freie Energie« die elektromotorische Kraft von galvanischen Zellen bestimmt). Mit diesen drei Aufsätzen war die sogenannte klassische Thermochemie der chemischen Thermodynamik gewichen. Helmholtz veröffentlichte zwar noch eine weitere Forschungsarbeit zur Elektrochemie und lehrte auch weiterhin chemische Thermodynamik, aber seine Forschung auf diesen Gebieten (und in der Chemie insgesamt) endete nach der Veröffentlichung dieser Trilogie in den Jahren 1882/83. Wie so oft überließ er es anderen, das Feld weiter zu bearbeiten.46 Abgesehen von der theoretischen Chemie erwies sich Helmholtz’ Neuerung in der chemischen Thermodynamik (und ihre Weiterentwicklung durch andere) als äußerst anregend für die Forschung auf einem neuen, eng damit verwandten Gebiet, das bald als physikalische Chemie bekannt wurde. Von den späten 1880er-Jahren an bauten Gibbs, Jacobus Henricus van’t Hoff, Pierre Duhem, Ostwald, Arrhenius, Walther Nernst, Planck und viele andere mehr oder weniger auf Helmholtz’ Ergeb-
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nissen auf und leisteten wichtige Beiträge auf diesem neuen Feld. Doch trotz seiner zahlreichen Beiträge zur Chemie (und deren Anerkennung vonseiten der Chemiker) zeigte Helmholtz nie großes Interesse an diesem Fach; er glaubte, dass die Chemie wie die Anatomie im Wesentlichen aus empirisch verstreuten Tatsachen und nicht aus Gesetzen bestehe.47 Die physikalischen Chemiker fingen an, statt der »Helmholtz-Gleichung« die thermodynamisch allgemeiner gefasste »Gibbs-Helmholtz-Gleichung« zu verwenden, und die neue Lösungstheorie wurde neben der chemischen Thermodynamik zur zweiten der beiden Säulen einer »neuen« physikalischen Chemie. Helmholtz hegte jedoch Zweifel an jener Theorie, vor allem an Arrhenius’ Theorie der elektrolytischen Dissoziation und van’t Hoffs Theorie des osmotischen Drucks. Als der Schwede Arrhenius 1890 Deutschland besuchte, stellte er fest, dass die deutschen Wissenschaftler zwar die jüngsten Ergebnisse der Theorie der elektrolytischen Dissoziation weitgehend anerkannten, aber dennoch darauf warteten, was Helmholtz zu dieser Theorie äußern würde, bevor sie sich offen zu ihr bekannten. Arrhenius selbst glaubte, dass Helmholtz sich überhaupt nicht damit befasste und dass seine Autorität die Entwicklung der physikalischen Chemie in der Tat ausbremste. Das war allerdings nicht ganz richtig. Helmholtz schrieb 1891 privat, dass sich die verschiedenen Theorien von Nernst, van’t Hoff und Ostwald »schon vielfältig als höchst fruchtbar erwiesen und zu einer Menge thatsächlich richtiger Folgerungen geführt [hätten], obgleich in ihnen einige willkürliche Annahmen stecken, die mir nicht erwiesen erscheinen«. Dennoch hielt er dafür, dass die physikalischen Chemiker solche Annahmen brauchten, um chemische Vorgänge zu verstehen, »da sich das ganze ungeheuer umfassende System der organischen Chemie in der unrationellsten Weise entwickelt« habe, wobei sich willkürliche Fakten aufeinandertürmten. Immerhin war er der Ansicht, dass in dieser ganzen Richtung der »Anwendung der Thermodynamik auf die Chemie« so etwas wie »ein gesunder Kern« lag. Was es brauchte, damit dieser Kern sich weiterentwickeln konnte, war nach Helmholtz’ Meinung die mathematische Analyse. Nernst erhielt von ihm Rückendeckung: Er entwickelte die »Gibbs-Helmholtz-Gleichung« und setzte sie solcherart zu thermodynamischen Größen in ein Verhältnis, dass sie in den dritten Hauptsatz der Thermodynamik (den Wärmesatz) überging. Dies wurde zu einer weiteren großen Errungenschaft der physikalischen Chemie.48 Für ihre Beiträge dazu erhielten van’t Hoff (1901), Arrhenius (1903), Ostwald (1909) und Nernst (1920) den Nobelpreis für Chemie. Ihre Arbeiten bauten mehr oder weniger stark auf denen von Helmholtz auf. Allgemein formuliert erhielten diese vier ihre Preise zum Teil dafür, dass sie die Chemie physikalischer und theoretischer gemacht hatten – was genau das war, was auch Helmholtz getan hatte. Während er die Entwicklung der physikalischen Chemie im Auge behielt, wurde Helmholtz zugleich Zeuge der Entstehung eines weiteren neuen Gebiets, nämlich
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der Tieftemperaturphysik. Rasch erkannte er deren potenzielle industrielle Bedeutung; tatsächlich hatte er als Präsident der neuen Reichsanstalt mehr denn je Grund dazu, empfänglich zu sein für die möglichen Anwendungen von Wissenschaft in der Technik, etwa mit Blick auf die Wärmemessung einschließlich der Thermometrie. Es ist vor diesem Hintergrund zu sehen, wenn er 1887 eine Stellungnahme zu den jüngsten Tieftemperaturarbeiten (von 1885) seines Freundes Raoul Pictet und Max Corsepius’ vorlegte. Deren Untersuchung konzentrierte sich besonders auf Flüssigkeiten in Eismaschinen. Pictet war ein Experimentalphysiker, der sich auf die Verflüssigung von Gasen bei niedrigen Temperaturen und hohen Drücken spezialisiert hatte; er machte sich 1877 einen Namen, als er als Erster Sauerstoff verflüssigte (gleichzeitig mit Louis Cailletet, aber unabhängig von ihm). Danach wurde er als Professor für Industriephysik an der Universität Genf auf dem Gebiet der Verflüssigung von Gasen (Tieftemperaturphysik) und der Kältetechnik führend. Nachdem er 1886 einen erbittert geführten Patentstreit in Genf verloren hatte, ging er nach Berlin. Dort richtete er ein eigenes Forschungslabor ein, das sich mit der großtechnischen Herstellung flüssiger Gase beschäftigte, und arbeitete gleichzeitig für eine deutsche Kältemaschinenfirma, die mehrere seiner Patente erworben hatte. Helmholtz stellte mit Blick auf die jüngsten Arbeiten von Pictet und Corsepius fest, dass »[f]ür die industriellen Zwecke der Eisfabrikation« ihre Herangehensweise unter Verwendung von liquide Pictet (einer Mischung aus Kohlendioxid und Schwefeldioxid) zur Erzeugung niedriger Temperaturen »offenbar grosse Vortheile« hatte. Beim genauen Studium ihres Berichts stellte er jedoch fest, dass sie errechnete (und nicht gemessene) Temperaturwerte verwendeten und ihre thermodynamische Analyse der chemischen und elektrochemischen Prozesse, bei denen die Pictet-Flüssigkeit im Gefrierprozess verwendet wurde, infolgedessen gegen den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik verstieß.49 Diese Kritik sowie der Umstand, dass Pictet den zweiten Hauptsatz für auf den Kühlprozess nicht anwendbar hielt, trugen nicht gerade zu dessen Ruf als Wissenschaftler bei. Er verließ Berlin im Jahr 1895 und ging nach Paris. Abgesehen davon, dass er die Entwicklungen in der physikalischen Chemie und der Tieftemperaturphysik verfolgte, widmete Helmholtz ab 1883 den größten Teil seiner geistigen Energie der Statik monozyklischer Systeme, dem Prinzip der kleinsten Wirkung, der Erkenntnistheorie des Zählens und Messens, der Atmosphärenphysik und der elektromagnetischen Theorie. Statt seine Ergebnisse aus der chemischen Thermodynamik auf die physikalische Chemie zu übertragen, nutzte Helmholtz sie – und zwar besonders die Konzepte der »gebundenen« und der »freien« Energie – als Ausgangspunkte für die Entwicklung eines komplizierten Forschungsthemas, das er die Statik monozyklischer Systeme nannte. Damit zielte er darauf ab, die Grundlagen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik in mechanischen Begriffen neu zu überdenken. Zwischen
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März und November 1884 veröffentlichte er zwei sehr abstrakte Aufsätze – in der Tat die abstraktesten (das heißt theorielastigsten) seiner Laufbahn –, die keinerlei Bezug zu Beobachtungs- oder experimentellen Ergebnissen hatten. Wie bei seinen Arbeiten zur chemischen Thermodynamik war es auch hier wieder vor allem der zweite Hauptsatz, der seine Aufmerksamkeit erregte. Speziell versuchte er, wie Maxwell es für die elektromagnetische Theorie getan hatte, eine mechanische Analogie zu liefern, um diesen Satz verständlich zu machen.50 Unter einem monozyklischen System verstand Helmholtz jedes beliebige mechanische System, in dem »stationäre, in sich zurücklaufende Bewegungen« auftraten, deren Geschwindigkeit nur von einem Parameter abhing. Solche Systeme konnten – unter der Annahme, dass sich ihre Parameter extrem langsam veränderten – als verborgene und »statische« Wärmesysteme betrachtet werden. Als Beispiel für einen derartigen stationären Monozyklus führte er einen reibungsfreien Kreisel auf einer festen Achse an und versuchte dann, mit solchen Systemen eine mechanische Analogie – also keinen Beweis und erst recht keine Erklärung – für den zweiten Hauptsatz herzustellen.51 Zu der Absicht, eine mechanische Analogie für die Thermodynamik zu finden, war Helmholtz durch zweierlei angespornt worden: durch das Studium von Boltzmanns erfolglosem Versuch (1866), die mechanischen Grundlagen der Thermodynamik zu beweisen, und durch das Studium von dessen recht erfolgreichen Ansätzen (1871, 1872 und 1877) zur Überwindung des neu erkannten Widerspruchs zwischen der klassischen Mechanik (deren Systeme ein vollständig reversibles Verhalten zeigen) und dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (mit seinen irreversiblen Prozessen). Boltzmanns probabilistische Interpretation des zweiten Hauptsatzes legte den Grundstein für das neue Gebiet der statistischen Mechanik. Anders als Clausius, Maxwell und Boltzmann vermied Helmholtz in seinen Schriften die Verwendung probabilistischer Argumente hingegen vollkommen. Statt also eine die Wahrscheinlichkeit berücksichtigende Interpretation des zweiten Hauptsatzes vorzunehmen, präsentierte er seine monozyklische Analogie (und viel mathematische Manipulation der Lagrange’schen Bewegungsgleichungen), um zu zeigen, dass die Wärme eines solchen Systems, die letztlich aus den verborgenen Bewegungen seiner Moleküle bestehe, nicht vollständig in Arbeit umgewandelt werden kann. In diesem Sinne blieb er der klassischen Mechanik treu, wie sie von Newton bis in seine eigene Zeit hinüberfloss, einschließlich seiner eigenen Abhandlung von 1847 über die Erhaltung der Kraft (Energie).52 Helmholtz’ Analyse monozyklischer Systeme erregte die Aufmerksamkeit von Boltzmann und Hertz. Ersterer reagierte sehr positiv auf Helmholtz’ Analogie; wie dieser bewunderte er Maxwells generellen Gebrauch von Analogien in der Physik. In drei Aufsätzen zu monozyklischen Systemen, die zwischen 1884 und 1886 erschienen, stieß Boltzmann zwar auf einige Unzulänglichkeiten in Helmholtz’ Ar-
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beit, denn dessen Ergebnisse waren, wie sich zeigte, weniger allgemeingültig als angenommen. Dennoch baute er sie weiter aus, indem er zeigte, dass seine eigene probabilistische Interpretation des zweiten Hauptsatzes mithilfe eines Ensembles von Systemen mit Helmholtz’ mechanischer Analogie in einen Zusammenhang gebracht werden konnte, was das Verhältnis zwischen Wärme und Arbeit weiter verdeutlichte. Darüber hinaus zeigte Boltzmann, dass die Ringe des Saturns ein monozyklisches System darstellten, und stellte damit unter Beweis, dass die Idee eines solchen Systems sowohl die physikalische Realität repräsentieren als auch als imaginäre, analogische Entität dienen konnte. Als Boltzmann das Manuskript eines dieser Aufsätze bei Crelles Journal einreichte, bat dessen Mitherausgeber, Helmholtz’ Freund Leopold Kronecker, diesen darum, es für eine mögliche Veröffentlichung zu prüfen. Helmholtz sprach eine Empfehlung aus, versehen mit dem Hinweis, dass er selbst einmal (erfolglos) einen ähnlichen Ansatz verfolgt habe, und fügte als Schlussfolgerung hinzu: »Es tröstet mich übrigens zu sehen, dass B. nicht viel weitergekommen ist [als ich].«53 Auch mit 64 Jahren waren sein Ehrgeiz und sein Konkurrenzdenken also (immer noch) durchaus lebendig. Nachdem er seine Analyse der Statik monozyklischer Systeme abgeschlossen hatte, wandte sich Helmholtz der Untersuchung eines weiteren Aspekts aus dem Bereich der physikalischen Grundlagen zu, der sich aus seiner Erfindung jener monozyklischen Systeme ergab, nämlich der physikalischen Bedeutung des Prinzips der kleinsten Wirkung (wonach, grob gesagt, in einem konservativen System die Bahn eines Teilchens mit der kleinsten »Wirkung«, also der kinetischen abzüglich der potenziellen Energie, integriert über die Zeit, dem zweiten Newton’schen Bewegungsgesetz gehorcht). Er benutzte dabei Hamiltons Version des Prinzips (1834/35), die selbst wiederum mithilfe der Newton’schen Bewegungsgesetze beweisbar ist, um sowohl Lagranges Bewegungsgleichungen als auch dessen eigene Reihe von dynamischen Gleichungen (also die Hamilton-Gleichungen) abzuleiten. Hamilton hatte damit den Großteil des physikalischen Werkzeugkoffers hergeleitet, den er und andere für weitere Analysen in der Mechanik benötigen würden. 1886, 50 Jahre später und inspiriert von Maxwells Begriff des »kinetischen Potenzials« in seinen elektromagnetischen Gleichungen (analog zu Helmholtz’ Gedanken der »freien« Energie in thermodynamischen Systemen), erweiterte Helmholtz Hamiltons Prinzip der kleinsten Wirkung. Von diesem Prinzip ausgehend leitete er alle Bewegungsgleichungen ab (die Newton’schen Gesetze ebenso wie die Lagrange- und Hamilton-Gleichungen), zusammen mit den Differenzialgleichungen, die zur Erklärung von Wärme- und Elektrizitätsphänomenen erforderlich waren. Obwohl er der Auffassung war, dass das Prinzip irreversible Prozesse nicht erklären könne, glaubte er, dass seine monozyklischen Systeme dies könnten. Anders als Maxwell, Boltzmann und andere hielt er es (erneut) nicht für nötig, auf eine probabilistische Interpretation des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik zurückzugreifen. Viel-
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mehr nahm er, wie auch schon in seiner Arbeit über Monozyklen, an, dass verborgene, stationäre Bewegungen der Moleküle letztlich für die thermische Bewegung verantwortlich seien; und wie in seinem Aufsatz von 1884 behauptete er, nur eine auf Analogie beruhende Darstellung des zweiten Hauptsatzes geliefert zu haben, keine Erklärung desselben. Seine Resultate insgesamt verstärkten (wie es zweifellos schon die ganze Zeit seine Absicht war) seinen lang gehegten Glauben an die Erklärbarkeit aller physikalischen Phänomene ausschließlich in Begriffen der Gesetze der Mechanik. Unter dem Strich hatte er Hamiltons Variante des Prinzips der kleinsten Wirkung in einer Weise erweitert, die es zu etwas machte, was, wie er hoffte, als die neue Grundlage der Physik dienen könnte. Poincaré (1889) und Paul Ehrenfest (1906) erhoben später Einwände gegen Helmholtz’ Analyse, während seine einstigen Schüler Hertz und Planck andere Wege suchten, um ein umfassendes mechanisches Weltbild zu rekonstruieren.54 Helmholtz schickte einen Sonderdruck seiner Abhandlung über die kleinste Wirkung an Boltzmann, den dieser wohlwollend zur Kenntnis nahm. Über seine gesamte Laufbahn hinweg hegte Boltzmann Bewunderung für Helmholtz’ Arbeit, zögerte aber auch nicht zu sagen, wie er es fast ein Jahrzehnt später privatim mit Blick auf das Prinzip der kleinsten Wirkung tat, dass er Helmholtz hierin für seinen Gefolgsmann hielt und nicht etwa für seinen Führer. Im Januar 1887, weniger als ein Jahr nach der Veröffentlichung, hielt Helmholtz an der Akademie einen öffentlichen Vortrag über die Geschichte des Prinzips. Bald fand er heraus, dass Adolph Mayer, ein Mathematiker in Leipzig, bereits über genau dieses Thema publiziert hatte; daher beschränkte er seine eigene veröffentlichte Fassung auf eine Diskussion von Leibniz (auf den Mayer nicht eingegangen war) und von Lagrange und Hamilton (über die Helmholtz mit Mayer uneins war). Der unveröffentlichte Vortrag wie vor der Akademie gehalten, Helmholtz’ einziger Streifzug durch die Wissenschaftsgeschichte, erschien posthum im Jahr 1900 in einem Werk zur Geschichte der Akademie.55 Der öffentliche Rahmen des Vortrags – zu Ehren Friedrichs II. (des Großen), des Erneuerers der Akademie – zwang Helmholtz zu einer nichtmathematischen Darstellungsweise seines Themas. Wie er erklärte, hatte ihn in den letzten Jahren seine Arbeit über die Ausweitung des Prinzips auf andere Teilbereiche der Physik und über seine allgemeine Bedeutung dazu geführt, »die alte Literatur« darüber durchzugehen. Demnach habe es zwar Vorläufer gegeben, das Prinzip sei aber zuerst von Pierre-Louis Moreau de Maupertuis formuliert worden. Helmholtz berichtete, wie der König kurz darauf Maupertuis – damals einer der führenden Mathematiker, Naturforscher, Geodäten und Philosophen Europas – aus Paris an die Berliner Akademie geholt hatte, um sie zu erneuern und ihre internationale Strahlkraft zu erhöhen, und schilderte die dortigen Vorgänge während der umstrittenen Amtszeit des Franzosen als Präsident (1745 – 1753). Sodann erläuterte Helmholtz’ Vortrag in einer für Laien verständlichen Art und Weise, worum es bei dem Prinzip ging und worin seine Bedeu-
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tung für die Gegenwart lag. Diesen Teil fasste er mit den Worten zusammen: »Alles Geschehen [in der Natur] wird dargestellt durch das Hin- und Herfluthen des ewig unzerstörbaren und unvermehrbaren Energievorraths der Welt, und die Gesetze dieses Fluthens sind vollständig zusammengefasst in dem Satze der kleinsten Action.«56 Mit einem Anflug von Sarkasmus charakterisierte er Maupertuis als einen brillanten Mann von enormer Energie, der Ehrgeiz, aber auch Eitelkeit, Selbstbezogenheit, Arroganz, mangelnde Bescheidenheit, Eifersucht und Kleinlichkeit an den Tag gelegt habe. Maupertuis hatte in Helmholtz’ Augen tatsächlich viel zur »Regeneration der Akademie« beigetragen – wofür der König ihn großzügig entlohnt habe. Er erinnerte auch daran, dass Leibniz – der Friedrich I. ursprünglich den Rat zur Gründung der Akademie gegeben hatte (1700/01) – ein wissenschaftliches Theorem vorgeschlagen hatte, das an Maupertuis’ Version des Prinzips der kleinsten Wirkung sehr dicht dran gewesen sei. Leibniz hatte auch den berühmten Ausspruch getan, wonach diese Welt die beste aller möglichen Welten sei – worin manche laut Helmholtz eine Art allgemeinen Vorläufer von Maupertuis’ präziser und mathematischer gefassten Formulierung des Prinzips der kleinsten Wirkung sahen. Tatsächlich führte Leibniz’ vermeintliche Formulierung des Prinzips avant la lettre – wie primitiv sie auch gewesen sein mochte – später zu einem unschönen Streit zwischen Maupertuis und Johann Samuel König, welcher, so Helmholtz, »ein Mann von etwas ungehobelten Sitten gewesen zu sein [scheint], der mit seinem republicanischen Gleichheitsgefühl zu prunken liebte«. König hatte nämlich ein Fragment eines unveröffentlichten Briefes offengelegt, das suggerierte, dass Leibniz das Prinzip der kleinsten Wirkung vor Maupertuis »entdeckt« haben könnte. Dies wiederum veranlasste Maupertuis dazu, seinen einstigen Schützling und Verbündeten König als Plagiator anzuklagen, da er einen angeblich »gefälschten« Brief vorgelegt hatte. (Helmholtz selbst blieb bezüglich der Authentizität des Briefes neutral; die meisten, jedoch nicht alle Wissenschaftler halten ihn heute für echt.) Nach einer Untersuchung der Akademie in dieser Sache zog König sich aus der Akademie zurück. Voltaire, den der König ebenfalls kurz zuvor in die Akademie geholt hatte, zeigte bei dieser Gelegenheit laut Helmholtz »großen Muth und große Wärme«, indem er König verteidigte, so wie er (Voltaire) es zuvor auch schon bei anderen getan hatte. Sein satirisches Pamphlet über die Maupertuis-König-Affäre verwendete zwar fiktive Namen, doch es war für jeden ersichtlich, um wen und was es dabei ging. Das Pamphlet führte bald zu Maupertuis’ Ruin und seinem Rückzug aus der Akademie (ganz zu schweigen von Voltaires eigenem Fortgang).57 Helmholtz berichtete auch, dass Euler 1744 der »Entdeckung« des Prinzips noch näher gekommen sei als Leibniz. Dem König war es gelungen, Euler als den führenden Mathematiker und Naturphilosophen jener Zeit 1741 an die Akademie zu holen; drei Jahre später leitete er ihre physikalisch-mathematische Sektion. Dennoch hatten aus Helmholtz’ Sicht weder Maupertuis noch Euler eine mathematisch
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und begrifflich zufriedenstellende Formulierung des Prinzips zuwege gebracht. Erst Lagrange habe, aufbauend auf Eulers Arbeit, 1760/61 einen allgemeinen mathematischen Beweis des Prinzips erbracht. Fünf Jahre später, im Jahr 1766, trat dann Lagrange, ein italienisch-französischer Mathematiker und Astronom, die Nachfolge seines Lehrers Euler als Direktor der physikalisch-mathematischen Sektion der Akademie an. Helmholtz schloss seinen historischen Abriss der »Entdeckung« des Prinzips der kleinsten Wirkung mit der Bemerkung, dass der König nach dem Weggang von Maupertuis wohl »sah, dass die Ernennung eines Präsidenten, der selbst nach dem Ruhm eines Schriftstellers und Philosophen geizt, nicht unbedenklich sei«.58 Sein Vortrag schilderte mithin die bisweilen hasserfüllte Kultur und nicht gerade hehre Wissenschaftspolitik an der Akademie. Zugleich nutzte er die Gelegenheit, um einem teilweise aus Laien bestehenden Publikum das Prinzip der kleinsten Wirkung zu erläutern, die Akademie und ihren königlichen Förderer des 18. Jahrhunderts zu preisen und seine Zeitgenossen vor den potenziell gefährlichen Folgen für die Akademie zu warnen, wenn zweifelhafte Personalentscheidungen getroffen würden oder die Akademiemitglieder Fehlverhalten zeigten. In den späten 1880er-Jahren, als Helmholtz gerade im Begriff stand, der Universität zugunsten der Reichsanstalt den Rücken zu kehren und in die letzte Phase seiner Karriere einzutreten, muss er erkannt haben, dass er selbst zu einem Teil der Wissenschaftsgeschichte geworden war. Seinen ursprünglichen Aufsatz von 1847 über das Gesetz der Energieerhaltung (Kraft) betrachtete er nun als ein historisches Dokument. Und während er eine Anfrage zwecks Neuveröffentlichung im Jahr 1861 noch abgelehnt hatte (da ihm die Zeit für die notwendige Überarbeitung fehlte), ließ er den Aufsatz 1882 im ersten Band seiner Wissenschaftlichen Abhandlungen nachdrucken, versehen allerdings mit einer Reihe von Kommentaren und Korrekturen. Ebenso erlaubte er es Ostwald im Jahr 1889, den Text mit einem Bündel von Kommentaren und Korrekturen als ersten Band in dessen neuer Reihe »Klassiker der exakten Wissenschaften« neu zu veröffentlichen.59 Vielleicht änderte er seine Meinung, weil er Mitte der 1880er-Jahre das Prinzip der kleinsten Wirkung als grundlegendes, allumfassendes Prinzip der Physik an die Stelle des Energieerhaltungssatzes gesetzt hatte. In den frühen 1890er-Jahren sollte er sich erneut daranmachen, den Nutzen dieses Prinzips zu untersuchen; in der Zwischenzeit konzentrierte er seine Aufmerksamkeit aber auf einen anderen Aspekt der physikalischen Grundlagen, nämlich auf die Epistemologie des Zählens und Messens.
Die Erkenntnistheorie des Zählens und Messens In den Jahren 1883/84 schrieb Dilthey an Helmholtz von seinen Plänen für eine Festschrift zum bevorstehenden 50. Jubiläum von Zellers Promotion (1887) und lud ihn ein, sich daran zu beteiligen. Da Zeller ein guter Freund von Helmholtz war, er-
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klärte er sich gerne bereit, einen Aufsatz für den geplanten Band zu schreiben, der sich mit »Zählen und Messen, erkenntnisstheoretisch betrachtet« beschäftigte.60 Dies sollte Helmholtz’ letztes großes philosophisches (erkenntnistheoretisches) Werk werden. Dass er die Grundlagen des Messens als Thema wählte – ein Gegenstand, der nur selten behandelt worden war, und wenn, dann nicht von Physikern –, ist nicht verwunderlich, denn es passte ebenso in sein eigenes aktuelles wissenschaftliches Forschungsprogramm wie auch in den wissenschaftlichen und politisch-ökonomischen Zeitgeist. Im vorangegangenen Jahrzehnt hatte Helmholtz, wie bereits geschildert, Deutschland bei internationalen Zusammenkünften zur Festlegung von elektrischen Einheiten und Normen vertreten, und war gerade dabei, die Reichsanstalt zu gründen – eine Einrichtung, die ganz der Metrologie gewidmet war. Die jüngste Festlegung und rechtsgültige Umsetzung von internationalen Zeitzonen und Normen für Maße und Gewichte deutete nun aber auf die weitere politische und institutionelle Notwendigkeit einer umfassenden Neubetrachtung des Messwesens hin. Zur selben Zeit, und ganz unabhängig davon, überdachten einige Mathematiker die logischen Fundamente ihres Fachs, Physiker die Bedeutung der Temperaturmessung und Psychologen die Möglichkeiten und Mittel zur Messung psychologischer Phänomene. Was die Grundlagen des Messens betraf, so befand sich Helmholtz an den Schnittstellen von wissenschaftlichem Denken und politisch-ökonomischem Handeln. Das Messen war zu einem Markenzeichen der Physik des 19. Jahrhunderts und der Wissenschaften generell geworden, und er sah sich dazu gezwungen, seine Grundlagen neu zu bewerten, so wie er die Grundlagen der Mechanik und der Thermodynamik ebenfalls einer neuen Einschätzung unterzogen hatte. Was bedeutete es aber, etwas zu messen? Indem Helmholtz sich diese Frage stellte, legte er sein Hauptaugenmerk auf die Ordnungszahlen als zeitlich nacheinander erfolgende schöpferische Bewusstseinsakte, die Ableitung arithmetischer Axiome, (physikalische und mathematische) Gleichheit, die Bedeutung von Zahlzeichen sowie das Wesen der Quantität und ihr Maß.61 Für Helmholtz hieß zu messen im Wesentlichen, Quantitäten in gleiche Einheiten zu unterteilen. Diesen abstrakten Vorstellungen versuchte er, ein empirisches Fundament oder Verständnis zu geben, die Grundlagen der Arithmetik durch empirisch begründete Gesetze neu zu bestimmen und dennoch gleichzeitig zugunsten der Rolle der Psychologie (Anschauung) in der Arithmetik zu argumentieren, da er die Psychologie als eine empirische Wissenschaft ansah. Sein synthetischer Begriff von Zählen und Messen bedeutete, dass er die Zahl als definitorisch unabhängig von der Quantität betrachtete; dies trug dazu bei, eine Wende hin zu der modernen oder repräsentationalen Auffassung zu markieren, dass nämlich »Quantität und Zahl getrennt definiert werden«. Und zuletzt ergänzte Helmholtz’ Analyse der Arithmetik an dieser Stelle de facto seine zwei Jahrzehnte zuvor vorgenommene Analyse der Geometrie; in bei-
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den Fällen betonte er, dass es von zentraler Bedeutung sei, eine empirische Basis für den jeweiligen Bereich der Mathematik bereitzustellen. Außerdem verschaffte ihm dieses Unternehmen eine weitere Gelegenheit, sich – wie er es schon in Bezug auf die menschliche Wahrnehmung (1855, 1866/67 und 1878) und die Geometrie (seit 1868) getan hatte – zu distanzieren von jenen, die er »stricte Anhänger Kant’s« nannte. In Bezug auf die Grundlagen von Arithmetik und Geometrie betrachtete er sich selbst als Empiriker; seine allgemeine Bewunderung für Kant zwang ihn jedoch zu einem intellektuellen Ausweichmanöver, indem er erklärte, dass Kants Ansichten über den Raum durch die empirische Wissenschaft nicht vollständig entkräftet würden.62 Helmholtz glaubte, dass beide Gebiete, Arithmetik und Geometrie, ihre Wurzeln letztlich in der Physiologie der Wahrnehmung hätten. In seinem Aufsatz nahm er daher auf eine ganze Bandbreite von Wissenschaftlern Bezug: die Schriften diverser Mathematiker (der Brüder Robert und Hermann Grassmann, von Ernst Schröder und Paul du Bois-Reymond), mehrere Physiker (Adolf Elsas und vielleicht Maxwell und Mach) und mehrere Psychologen und Physiologen (Fechner, Wundt und Johannes von Kries), die sich für Möglichkeiten und Methoden zur Messung psychologischer Phänomene interessiert hatten. Allerdings akzeptierte er keineswegs alle ihre Positionen und Argumente (und auch sie selbst standen untereinander oder mit Dritten auf dem Kriegsfuß). Helmholtz selbst hatte sich bereits früher – anscheinend Mitte der 1840er-Jahre – mit einigen der mathematischen, physikalischen und philosophischen Fragen auseinandergesetzt, die er hier ansprach; in einem gewissen Sinne begleiteten ihn diese Probleme also über seine gesamte Laufbahn hinweg.63 Insgesamt betrachtet wurde Helmholtz’ Abhandlung nicht gut aufgenommen oder auch einfach ignoriert. Die beste Rezension erhielt sie von dem russischen Mathematiker Alexander Wassiljew, der sie auch ins Russische übertrug. Die Mathematiker Richard Dedekind, Georg Cantor, Gottlob Frege sowie der junge Bertrand Russell, die Helmholtz’ Ausführungen zur Geometrie aufmerksam lasen, sich aber für deren logische (oder mengentheoretische) Grundlegung aussprachen, standen seiner empirisierten Arithmetik mehr oder weniger ablehnend gegenüber. Seine Vorstellung von Masse wurde von dem wenig bekannten Leipziger Mathematiker Otto Hölder und von Poincaré freundlicher aufgenommen, der einige von Helmholtz’ Ansichten über Zahl und Masse in sein Werk La science et l’hypothèse (1902; Wissenschaft und Methode, 1914) aufnahm und erweiterte. Ernst Mach, der sich ständig mit den Grundbegriffen von Physik, Physiologie und Psychologie beschäftigte, nahm Helmholtz’ empiristische Herangehensweise an die Arithmetik (mit neuen Definitionen von Masse, Temperatur und so weiter) in sein Werk Erkenntnis und Irrtum (1905) auf, und auch der französische Physiker Pierre Duhem und der englische Physiker Norman Robert Campbell fanden bei Helmholtz viel Lobenswertes. Im Großen und Ganzen ignorierten die Physiker seine Abhandlung jedoch.
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Anfang der 1890er-Jahre stellte Helmholtz seine Gedanken über das Zählen und Messen in seiner Lehrveranstaltung für fortgeschrittene Studenten erneut vor, und der Text erlebte eine fast unveränderte Neuerscheinung im ersten Band seiner Vorlesungen über theoretische Physik. Zwar stieß er insbesondere unter Physikern weiterhin auf kein großes Echo, doch zitierten die Schöpfer der modernen Messtheorie (Russell, Campbell, Ernest Nagel, S. S. Stevens, Brian Ellis und Patrick Suppes, um nur die prominentesten zu nennen) alle Helmholtz, auch wenn sie sich in ihrem Bemühen, Quantität und Zahl definitorisch voneinander getrennt (aber in Korrelation miteinander) zu halten, von seinem Ansatz entfernten. Sein Aufsatz markierte damit einen wichtigen Wendepunkt im Übergang von der klassischen zur modernen Messtheorie.64
25 Feierlichkeiten Silberhochzeit und Pour le Mérite Den Monat März 1886 verbrachte Helmholtz mit grippeähnlichen Symptomen einschließlich Fieber. Im April, als das Semester zu Ende war, fuhren er und seine Frau gemeinsam mit ihrem Sohn Fritz nach Baden-Baden, damit Hermann sich dort weiter erholen konnte. Sie wohnten im Englischen Hof, wo Bunsen, Koenigsberger, Fuchs, Kirchhoff und Virchow zu ihnen stießen. Helmholtz hatte Schwierigkeiten, seine Erkrankung ganz zu überwinden. Zudem arbeitete er an einem mathematischen Problem, das er nicht lösen konnte; Anna kam zu der Einschätzung, beides zusammen habe ihn »etwas melancholisch« gemacht.1 Zurück in Berlin und im Kreise von Familie, Freunden und Kollegen feierten die Eheleute Helmholtz am 16. Mai ihre Silberhochzeit im Physikinstitut, das zu diesem Anlass mit Girlanden geschmückt wurde. An diesem Morgen fanden sich die Helmholtz-Kinder und der einzige Enkel Hermann im Hörsaal des Instituts ein, der für diesen Anlass festlich hergerichtet worden war: Er war silbern geschmückt, und überall waren Blumenbuketts, Bronzemedaillen, Silberkörbe, Gemälde und Ähnliches drapiert. Die Anwesenden drängten sich im Auditorium, Ellen und ihr kleiner Sohn Hermann standen in der Mitte. Als Anna und Hermann eintraten, wurden sie von den Anwesenden begrüßt, während die musikalischen Freunde des Paars Händels »Seht er kommt mit Preis gekrönt« dazu intonierten. Die Eheleute wurden reich beschenkt und erhielten außerdem von denen, die nicht kommen konnten, viele Telegramme, Briefe und Karten. Die Feierlichkeiten dauerten den ganzen
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Tag und bis weit in den Abend hinein, inklusive Abendessen und einem geselligen Beisammensein. Auf einer eigens zu diesem Anlass errichteten Bühne wurde Musik zu Gehör gebracht und Theater gespielt. Zum Abschluss sang ein Galeriechor aus Wagners Lohengrin, und die Eheleute Helmholtz kehrten in ihre Wohnräume zurück und tranken auf das Wohl aller. Es war 2 Uhr morgens, als sie zu Bett gingen; sieben Stunden später hielt Helmholtz bereits wieder seine Vorlesung.2 Einen Monat später wurde Adolph Menzel, der bisherige Vizekanzler (seit 1882) des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste, dessen neuer Kanzler – und Helmholtz sein neuer Stellvertreter. Die Aufgabe eines Vizekanzlers bestand vor allem darin, darauf zu warten, eines Tages die Nachfolge des Kanzlers anzutreten. Als einflussreiche Figur in Preußens elitärster kultureller und intellektueller Vereinigung hatte Helmholtz zweifellos bei den Ordensverleihungen an einige Freunde seine Hand im Spiel: Darunter waren Kirchhoff und Max Müller (1874), Bancroft (1875), du Bois-Reymond und Zeller (1877), Brücke (1878), Stokes (1879), Hofmann (1883), Thomson (1884), Joseph Lister (1885), Siemens (1886), Treitschke (1887), Clausius (1888), Ludwig (1889), Hildebrand (1891) sowie Kundt und Pflüger (1893).3
Die Heidelberger Fünfhundertjahrfeier Im August 1886 verbrachte Helmholtz zehn Tage in Heidelberg, wo er an den Feiern zum 500-jährigen Bestehen der Universität teilnahm und selbst als Träger der ersten Graefe-Medaille der Ophthalmologischen Gesellschaft gefeiert wurde. Allein die Feierlichkeiten zum Universitätsjubiläum dauerten fünf Tage.4 Zur Eröffnung wurde ein Gottesdienst in der Heiliggeistkirche zelebriert; Helmholtz genoss die Bachmotetten und -choräle und sogar die Predigt des Universitätspfarrers. Viele führende Persönlichkeiten der badischen Politik erschienen, darunter Großherzog Friedrich und seine Familie, 19 Angehörige des Hofes sowie Friedrich Wilhelm (der spätere Friedrich III.), deutscher Kronprinz und Kronprinz von Preußen. Ebenso war natürlich der gesamte Lehrkörper der Universität anwesend, dazu etwa 200 Ehrengäste, viele Vertreter der Stadt, Hunderte von Studenten und etwa 3500 weitere Teilnehmer. Der Festakt am ersten Tag in der neu gestalteten Alten Aula der Universität stand unter der Schirmherrschaft des Großherzogs. Zeller verlas offizielle Grußworte im Namen aller deutschen Universitäten, die Otto Becker, der Rektor der Universität und ein alter Freund Helmholtz’, erwiderte. Helmholtz aß mit Becker und seiner Frau zu Mittag, weitere Gäste waren Theodor Leber aus Göttingen, ein führender Ophthalmologe, Generalmajor Bernhard Oktav von Beck, Angehöriger des badischen (später preußischen) Sanitätsdienstes, und Karl Hoff, Maler und Professor an der Karlsruher Kunstschule, der für die Gestaltung des Jubiläums-Festzuges verantwortlich zeichnete. Am Abend gingen die Feierlichkeiten oben im Schloss und im Landhaus weiter. Der Kronprinz erkundigte sich nach
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Anna, und Prinz Karl von Baden führte ein langes Gespräch mit Helmholtz. Der Großherzog erschien, und eine Menschenmenge drohte, das Landhaus zu stürmen, wo das Bier an diesem Abend reichlich und kostenlos floss. Als die Menge hereinbrach, war die Situation »nicht ungefährlich«; Helmholtz und die anderen Honoratioren schlüpften durch die Hintertür hinaus.5 Zwei Tage später hielt Kuno Fischer vor der ganzen Feiergemeinde in der evangelischen Hauptkirche eine Rede, die allgemein die »politischen und wissenschaftlichen Geschicke« der Universität zum Thema hatte. Helmholtz fand, dass Fischer energisch und gekonnt sprach, und hielt die Rede für spannend. Er hatte einen guten Platz und hörte so das meiste, »ohne in den mehr als zwei Stunden müde zu werden«. Im Gegensatz dazu fand der ebenfalls anwesende Roscoe nicht nur, dass es in der Kirche sehr heiß war, sondern auch, dass Fischers mehr als zweistündige Rede »lang und ermüdend« und »ihre Wirkung auf das Auditorium natürlich sehr einschläfernd« war.6 Nach dem Mittagessen sprach Helmholtz zu der Versammlung. Heidelberg liege ihm sehr am Herzen, beteuerte er, und seine zwölf Jahre dort hätten ihn davon überzeugt, dass Heidelbergs Schönheit ewig sei. Er hielt es nicht für einen Zufall, dass die spektroskopische Analyse der chemischen Zusammensetzung des Himmels – eine erstaunlich kühne Leistung, wie er anmerkte – zuerst »von diesen grünen Hügeln aus« erfolgt sei. Der wissenschaftliche Forscher brauche, so Helmholtz weiter, bei all seiner »mühsame[n] und geduldige[n] Arbeit« eben auch das Schauen des Dichters. Ideen entstünden nicht durch harte Arbeit allein. Vielmehr, so behauptete er, springen [sie] wie Minerva aus dem Haupte des Jupiter unvermutet, ungeahnt: – wir wissen nicht von wannen sie kommen. Nur das ist sicher: dem, der das Leben nur zwischen Büchern und Papier kennen gelernt hat und dem, der durch einförmige Arbeit ermüdet und verdrossen ist, dem kommen sie nicht. Die Empfindung von Lebensfülle und Kraft muß da sein, wie sie vor allem das Wandern in der reinen Luft der Höhen gibt. Und wenn der stille Frieden des Waldes den Wanderer von der Unruhe der Welt scheidet, wenn er zu seinen Füssen die weiche, üppige Ebene mit ihren Feldern und Dörfern in einem Blicke umfasst und die sinkende Sonne goldene Fäden über die fernen Berge spinnt, dann regen sich wohl auch sympathisch im dunklen Hintergrunde seiner Seele die Fäden neuer Ideen, die geeignet sind, Licht und Ordnung in der innern Welt der Vorstellungen aufleuchten zu machen, wo vorher Chaos und Dunkel war. Das Publikum applaudierte heftig. Jeder wollte ihm persönlich zuprosten (obgleich er tatsächlich nur wenige Gäste kannte). Beim Bankett am Abend brachte er einen Toast auf die Stadt aus – es war der letzte Trinkspruch des Abends, und das Publi-
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kum war schon »unruhig« geworden. Er erklärte, dass Stadt, Schloss und Universität eigentlich eins seien, und zusammen mit Theodor Mommsen verfasste er eine Erklärung in Latein – vermutlich in Mommsens Latein – zum Lobpreis aller drei.7 Der folgende Tag war der Verleihung von Ehrendoktorwürden gewidmet, insgesamt 45 an der Zahl. Zwei Monate zuvor hatte die Heidelberger medizinische Fakultät Helmholtz ihre Absicht mitgeteilt, drei Physikern – Thomson, Siemens und August Töpler – den Ehrentitel zu verleihen. Der Dekan der Fakultät hatte Helmholtz gebeten, ihm die Arbeit jedes einzelnen der drei kurz zusammenzufassen, damit er ihre wissenschaftlichen Verdienste auf den Ehrenurkunden sachlich richtig würdigen könne. Auch Roscoe erhielt den Ehrendoktortitel, ebenso wie ein anderer Freund von Helmholtz, nämlich Francesco Brioschi, der nach Sellas Tod 1884 neuer Präsident der Accademia dei Lincei geworden war. (Weitere Personen, die ausgezeichnet wurden, aber nicht anwesend waren, waren Helmholtz’ Kollegen Alexander Graham Bell, Chevreul, Koch, Newcomb, Pflüger und Rayleigh.) Helmholtz führte private Gespräche mit mehreren Freunden (Trotter, Blaserna, Hermite sowie dem schwedischen Physiologen Alarik Frithiof Holmgren) oder versuchte zumindest, solche Gespräche zu führen – »[a]ber der Schwarm der Unbekannten und Gleichgültigen, die sich überall vorstellen wollten, war zu groß. Sie unterbrachen jedes vernünftige Gespräch.« Allerdings gelang es ihm, einen Teil des Tages bei Koenigsberger zu verbringen; dieser hatte Helmholtz, Hermite, Fuchs, Bunsen, Roscoe, Brioschi und andere zu sich eingeladen. Später in der Woche folgte auch noch eine Nachmittagseinladung nach Karlsruhe, wo der Großherzog »ein sehr hübsches Gartenfest« veranstaltete.8
Reine und angewandte Wissenschaft: Graefe-Medaille und Ophthalmologie Nach der Heidelberger Jubiläumswoche blieb Helmholtz noch einige Tage in der Stadt, um an der Sitzung der Ophthalmologischen Gesellschaft teilzunehmen. Bisher hatte er erst einmal (1867 in Paris) an dieser jährlich stattfindenden Zusammenkunft teilgenommen. Knapp ein Jahr zuvor hatte ihn die Gesellschaft einstimmig zum ersten Träger ihrer neu ins Leben gerufenen Graefe-Medaille gewählt. Er freute sich über die Anerkennung, war aber auch überrascht, »da lange Jahre vergangen waren«, seit er in diesem Bereich tätig gewesen war, und sich seine Forschungen mittlerweile »andern Gebieten zugelenkt haben«; seiner Einschätzung nach war seine ophthalmologische Arbeit eigentlich schon fast »in das Gebiet des Historischen« eingegangen. Tatsächlich war so viel Zeit vergangen, dass selbst seine früher häufigen Migräneattacken inzwischen aufgehört hatten, ihn zu plagen.9 Vielleicht war dies auch der Grund dafür, warum Donders, der Präsident der Gesellschaft, die Wahl von Helmholtz so genau begründete. Unter den zeitgenössi-
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schen Naturwissenschaftlern stand nach seinem Dafürhalten niemand über Helmholtz und »nur sehr wenige neben ihm«. In der Tat habe Helmholtz »[bereits jetzt] unter den grossen Männern aller Zeiten für immer eine Stelle eingenommen«. Er sei intellektuell so begnadet, dass er sogar von der Physiologie zur Physik habe die Disziplin wechseln können. Als Beleg für seine Beiträge zur Ophthalmologie verwies Donders vor allem auf das Handbuch der physiologischen Optik. Es vermittele nicht nur Kenntnisse über die Anatomie des Auges, sondern stelle auch »die Grundlage unserer Kenntniss der pathologischen Processe [des Auges] und de[n] Schlüssel zur Erklärung der [medizinisch-diagnostischen] Symptome« dar.10 Anschließend wandte er sich Helmholtz’ Erfindung des Augenspiegels zu. Während Helmholtz selbst bescheiden anerkannt habe, dass andere einen großen Beitrag zum Verständnis der Akkommodation geleistet hätten, so behauptete Donders, dass es »Helmholtz und Helmholtz allein« gewesen sei, der das Ophthalmoskop erfunden habe. Als Graefe das Gerät zum ersten Mal benutzt habe, solle er gesagt haben: »Helmholtz hat uns eine neue Welt erschlossen!« Zuvor hätten die Ärzte der Krankheit des »schwarzen Stars« unwissend und verwirrt gegenübergestanden und keine wirksame Behandlung anbieten können; das habe sich nun geändert. Donders zitierte Graefe mit den Worten, das Ophthalmoskop habe »für die Therapie ein ungeahntes Feld gewonnen«, aus dem schon nach wenigen Jahren »schöne Früchte« hervorgegangen seien. Graefe selbst habe Helmholtz schon früher (1858) einen silbernen Pokal mit der Inschrift »Dem Schöpfer neuer Wissenschaft, dem Wohlthäter der Menschheit, in dankbarer Erinnerung an die Erfindung des Augenspiegels« verliehen, und nun erhalte Helmholtz also die erste Graefe-Medaille zum Andenken an ihn. Donders schloss mit der Bemerkung, dass sich Helmholtz »in unverwelkter Frische des Körpers und Geistes« befinde und von jenen umgeben sei, die ihn liebten. Helmholtz war von Donders’ überschwänglicher Ansprache gerührt (aber auch verlegen).11 Helmholtz antwortete der Gesellschaft, dass er sich durch ihre Anerkennung sowohl geehrt als auch belastet fühle. Zwar habe sein Instrument sich bewährt, doch habe er erkannt, dass spätere ophthalmologische Neuerungen und Forschungen seine eigenen Bemühungen überholt und die Disziplin umgeformt hätten. Vor den versammelten Ophthalmologen erklärte er, »dass eigentlich Einer der großen Ärzte die Medaille hätte erhalten sollen, da ich ihnen nur das Werkzeug für ihre Kunst geliefert habe«.12 Dies war keine gänzlich falsche Bescheidenheit. Daher betrachtete er die erwiesene Anerkennung ein Stück weit als Glücksfall, zumal andere lange und hart dafür gearbeitet hätten, um ihre wissenschaftlichen Ziele zu erreichen, und fuhr fort: »Ja vielleicht liegt es in der Natur menschlicher Verhältnisse, dass neue ursprüngliche Gedanken sich um so schwerer Anerkennung erringen, je wahrhaft ursprünglicher, je fruchtbarer und werthvoller sie sind.« Und eben darin liege die Quelle seiner »Verlegenheit«. Diesem Punkt hatte er schon einmal Ausdruck verliehen, nämlich in einer Rede zur feierlichen Enthüllung ei-
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ner Graefe-Statue an der Berliner Charité, weshalb Helmholtz sich selbst zitierte: »›Der Augenspiegel war mehr eine Entdeckung, als eine Erfindung‹, d. h. wenn ein gut geschulter Physiker kam und die Wichtigkeit eines solchen Instruments begriff, so waren die optischen Mittel erprobt, und alle Kenntnisse entwickelt, die nöthig waren, um dasselbe zu verfertigen.«13 Helmholtz glaubte, dass es in deutschen Landen um 1850 fünf bis zehn andere junge Forscher gegeben habe, die das Ophthalmoskop ebenso gut hätten erfinden können wie er. Seinen Erfolg schrieb er nicht sich selbst zu, sondern »eigentlich meinem grossen Lehrer, dem gewaltigen Johannes Müller«. Damit spielte er nicht auf einen speziellen Unterricht an, den Müller ihm etwa hätte zuteilwerden lassen, sondern auf das Vertrauen, das dieser ihm entgegenbrachte, und seine Unterstützung bei der Erlangung einer akademischen Stelle. »Darin sprach sich die damals neue Einsicht in die Grösse der Rolle aus, welche die Physik in der Physiologie zu spielen habe. Uebrigens war es ein kühner Griff, und durch die Ertheilung Ihrer Ehrengabe sprechen Sie heute im Grunde eine Anerkennung für Johannes Müller aus.«14 Dies war eine mehr als großzügige Interpretation. Helmholtz bezeichnete seine Erfindung des Ophthalmoskops als eine pädagogische »Nöthigung«, die sich daraus ergeben habe, dass er seinen Physiologiestudenten »die Theorie des Augenleuchtens vorzutragen« hatte. Sobald er die richtigen Fragen gestellt habe, so erzählte er, habe er auch die richtigen Antworten bekommen, und mit ihnen die geeigneten instrumentellen Mittel, um den Hintergrund des menschlichen Auges zu beleuchten und zu betrachten. Im Gegensatz dazu habe sich die Ophthalmometrie aus widersprüchlichen Auffassungen über die Theorie der Akkommodation entwickelt, und er merkte an, dass er selbst beim Versuch, dieses Phänomen zu verstehen, viele Fehler gemacht habe. Was die Theorie der Farben, seinen dritten und letzten Beitrag zur Ophthalmologie, angehe, so sei es Müllers Theorie der spezifischen Sinnesenergien gewesen, die ihn darauf aufmerksam gemacht habe. Auch hier habe die Pädagogik eine Rolle gespielt, denn er halte nur ungern Vorträge über Themen, zu denen er keine Beobachtungen oder Experimente angestellt habe. Also habe er damit begonnen, Farben zu mischen – und andere Ergebnisse als die anderweitig berichteten erhalten. Dies habe »eine eingreifende Abänderung aller bisher aufgestellten Gesetze der Farbenmischung« zur Folge gehabt; vor allem widersprachen seine experimentellen Ergebnisse beim Mischen von Gelb und Blau den Aussagen von »zwei Meister[n] ersten Ranges«, nämlich Goethe und Brewster. Diese Farbmischung ergebe Grün, hatten sie behauptet. »Es war dies eine der Thatsachen, die mich zuerst zur empiristischen Theorie der Wahrnehmungen herüberdrängte«, so Helmholtz. Denn weder Goethe noch Brewster, und erst recht nicht Hering und seine Anhänger, hätten verstanden, dass eine bestimmte Farbe nicht einfach aus der Mischung von Grundfarben entstehe. Seine farbtheoretischen Überlegungen hätten ihn, Helmholtz, dann wiederum dazu veranlasst,
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das gesamte Gebiet der physiologischen Optik neu zu überdenken und sein Handbuch zu schreiben. Alles in allem beurteilte er seine Leistungen in der Ophthalmologie – die Erfindung des Augenspiegels, die Theorie der Akkommodation und die Farbtheorie – als höchstens gut und wenig inspiriert. Er selbst sei »besten Falls und mit den Augen eines sehr wohlmeinenden Beurtheilers angesehen, ein aufmerksamer, fleissiger, gut geschulter Arbeiter« gewesen.15 Dies war falsche Bescheidenheit. In seiner Rede stellte Helmholtz auch »die Frage nach dem verschiedenen Charakter, den die wissenschaftliche Thätigkeit in den verschiedenen Zweigen der Wissenschaft aufweist«. Er wies auf die unterschiedlichen Begabungen hin, über die ein Wissenschaftler verfügen musste, ob er nun Beobachtungen durchführte oder theoretisch arbeitete. In ihrem Extrem liefere die theoretische Physik die vollendete Beherrschung des Stoffes durch genau definirte, ausnahmslos herrschende Gesetze, deren Folgerungen mit der feinsten Schärfe des mathematischen Denkens zu entwickeln sind. Soweit das gelingt, wird der ursächliche Zusammenhang von allem Dunkel, allem Mystischen befreit; die Kräfte der Natur, die so bezwungen sind, fügen sich nicht nur theoretisch dem Wissen des Menschen, sondern sind auch die Diener seines Willens. Die Erringung neuer Einsichten dieser Art erfordert eben deshalb oft genug die höchste Entwickelung menschlicher Verstandesthätigkeit, zu der nur wenige Individuen fähig sind. Was aber an solchen Kenntnissen einmal errungen und in der genauen und durchsichtigen Form der Wissenschaft zusammengefasst ist, lässt sich sicher und vollständig anderen Geschlechtern überliefern. Doch auch das Feld der theoretischen Physik beurteilte er als »leider sehr eng«. So sei es ihr zum Beispiel »grössthenteils« versagt, »die organische Welt« in den Blick zu nehmen. Zu dieser Welt gehörten aber Entscheidungen in Sachen Krieg, Staat und Medizin, und auf diesen Feldern sei tausendfaches Handeln erfordert, unabhängig davon, ob man eine »klare Einsicht in den Zusammenhang der Dinge« habe oder nicht. Der Künstler verfüge über eine andere intellektuelle Kraft als der theoretische Wissenschaftler, nämlich die der Darstellung von Erfahrungen und Erscheinungen. Damit meinte Helmholtz nicht, dass sich diese beiden Begabungen gegenseitig ausschlössen oder der Künstler nicht auch etwas von einem Wissenschaftler in sich hätte und umgekehrt. Doch der Künstler könne nicht erklären, warum und wie er etwas tue. Das veranlasste Helmholtz zu dem Vergleich, dass »die grossen Aerzte« wie Künstler seien: Man könne zwar »eine Art allegorischer Darstellung« vom Tun großer Ärzte geben, aber man könne es nicht im Sinne der »physiologische[n] Theorie« erklären. Würde man dies tun, hieße das, einen verkehrten Maßstab anzulegen. Ein Physiker könne die Unzulänglichkeiten der Medizin nur auf theoretischem Grund erkennen, und selbst ein in der Physik geschulter
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Arzt »handelt unsicher und ohne Erfolg, er fühlt sich unbefriedigt und unglücklich, ist deshalb ohne moralischen Einfluss auf die Patienten und deren Pfleger; kurz, er erkennt hier die Grenzen seines Könnens«. Dies war nicht zuletzt auch ein Selbstporträt von Helmholtz zu Beginn seiner Karriere als Arzt. »Aber die grossen Genies sind, wie ich immer gesehen, bescheiden gerade in Beziehung auf das, worin sie Anderen höchst überlegen sind. Gerade das wird ihnen so leicht, dass sie schwer begreifen, warum die Anderen es nicht auch machen können.« Er schloss mit dem Satz: »Mit der hohen Begabung ist aber auch immer die entsprechende grosse Feinfühligkeit für die Fehler ihrer eigenen Werke verbunden«, und verglich sich selbst mit dem einfachen »Schmied«, der den Künstlern (also den Genies) die Werkzeuge oder Materialien zur Verfügung stellt.16 Noch mehr falsche Bescheidenheit. An diesem Abend fand im Sanatorium Schloss Heidelberg ein Dinner für 60 Augenärzte samt Gattinnen statt. Es wurde viel getrunken und viele Toasts ausgebracht, und von der Terrasse des Hotels aus konnte man, wie Helmholtz an Anna zu Hause in Berlin berichtete, einen schönen Mond sehen. Anna bedauerte es ihrerseits bitter und tränenreich, dass sie nicht bei ihm sein konnte, um die ihm zuteil gewordene Ehre mitzuerleben. Aber ihr Sohn Robert erholte sich noch von einer weiteren Operation an der Wirbelsäule, »einem alten Knochenleiden«, wie Helmholtz gegenüber Lady Thomson angab. Zwei Tage später berichtete Anna, dass Carl Ludwig im Auftrag von Helmholtz dessen »wundervoll[e]« Graefe-Medaille nach Berlin mitgebracht habe – Helmholtz selbst war nach Interlaken weitergereist – und ihr alles genau geschildert habe. Die Zeitungen hätten über seine Ansprache berichtet, die Anna viel zu bescheiden fand. (»Bloß der Schmied bist Du denn doch nicht.«) Und die jungen Ophthalmologen wüssten sehr wohl, dass sie ihrem Ehemann »die Möglichkeit ihrer wissenschaftlichen Specialität« zu verdanken hätten; für diese sei der Augenspiegel eine Selbstverständlichkeit, »[so] wie wir Gabel und Messer ansehen«.17
Dem Tode nahe in Interlaken In Interlaken, wohin er gereist war, um Ellen und ihren Sohn zu treffen, wurde Helmholtz schwer krank. Glücklicherweise war ein Freund bei ihm, der bekannte Schweizer Ophthalmologe Johann Friedrich Horner. Denn weder Helmholtz noch seine behandelnden Ärzte waren sich jemals vollkommen über die Art der Krankheit im Klaren, die ihn befallen hatte und die etwa als »Darmkolik« oder »Magendarmaffektion« beschrieben wurde. Horner jedenfalls half ihm sehr.18 Helmholtz wurde so krank, dass er Anna zu kommen bat, was sie in die Zwickmühle brachte, sich zwischen ihrem Sohn Robert und ihrem Mann entscheiden zu müssen. Sie machte sich große Sorgen über die »trüben und deprimierten Stimmungen« ihres Gatten und kam zu der Einschätzung, dass Robert sich hinreichend
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erholt hatte, damit sie ihn verlassen und sich um Hermann kümmern konnte. Sie fürchtete, dass sein Zustand lebensbedrohlich sein könnte. Als sie in Interlaken ankam, berichtete er ihr, dass er dem Tode nahe gewesen sei, sich inzwischen aber so weit erholt habe, dass er schon wieder einen Schritt auf sie zu machen könne. Zweimal täglich, für sechs Stunden am Stück, litt er an Schmerzen, die er für Muskelschmerzen hielt. Seine Nächte waren fast unerträglich. »Er ist ganz anders, als er sonst ist«, schrieb Anna an Robert und fand es in Interlaken »moralisch niederdrückend«. Nachdem er sich ein wenig erholt hatte, begaben sich Anna und Hermann nach Bern, wo er »weniger Mattigkeit« zeigte. Sie trug schwer an der Verantwortung, mit ihm zu reisen und ihn zu betreuen.19 In den Berner Alpen (Rigi Kaltbad) erholte sich Helmholtz ein gutes Stück, aber immer noch nicht vollständig. Er litt nun unter einer leichten »Fiebererregung« am Morgen und einer »Leibschwerung« am Abend. Außerdem hatte er Herzklopfen und ihn plagte Schlaflosigkeit. Helmholtz nahm Chinin ein und glaubte, dass das Mittel und die frische Luft halfen, seine malariaähnlichen Symptome zu bekämpfen. Der deutsche Botschafter in Rom, Robert von Keudell, ein Intimus Bismarcks und ein hervorragender Konzertpianist, weilte ebenfalls für ein paar Tage in Rigi Kaltbad, und das Ehepaar Helmholtz stellte fest, dass er »ein wunderbarer Musiker« war. Morgens und abends spielte er stundenlang Bach und Beethoven – und was immer die beiden sonst noch wünschten. Die drei machten auch einen kurzen Tagesausflug ins nahe Selisberg, um sich mit Blaserna und Marco Minghetti zu treffen, einem wichtigen Mann im italienischer Finanz-, Politik- und Kulturleben. Als es auf der Rigi zu kalt wurde, reisten Helmholtz und Anna nach Engelberg weiter. Hermann war immer noch besonders empfindlich gegenüber Kälte und Feuchtigkeit und gab noch mehr als sonst auf seine Ernährung acht. Er litt weiterhin unter Magenschmerzen, konnte nicht schlafen und fühlte sich »matt und elend«. Sie fuhren weiter nach Locarno, aber auch das half nicht. Anna blieb um ihn herum und kümmerte sich, war aber ständig hin- und hergerissen zwischen der Sorge um ihn und um Robert, der inzwischen in eine Kurklinik nach Falkenstein im Taunus geschickt worden war.20 Die Eheleute Helmholtz suchten daraufhin in Straßburg einen führenden Internisten und Freund auf, Adolf Kussmaul. Dieser untersuchte und befragte Helmholtz zwei Stunden lang »und fand Nichts«: Sein Herz schlug normal, wenn auch »etwas schwach«, und alle seine Organe waren grundsätzlich gesund. Bezüglich der Krankheit, an der er litt, konnte Kussmaul nur vermuten, dass entzündliche Vorgänge an inneren Kavitäten eine Rolle gespielt hatten. Nach der Konsultation besserte sich Helmholtz’ Gesundheitszustand: Er schlief und aß besser, sein Herz schlug regelmäßiger, und Anna fand, dass er nun »wunderbar« aussah. Kussmaul urteilte jedoch, dass Helmholtz’ allgemeiner Gesundheitszustand schlecht war, und ordnete an, dass er die nächsten drei Wochen in einer Kurklinik in Baden-Baden verbringen und »das dortige heiße Wasser mit ganz wenig (1 Theelöffel voll auf 2 Gläser)
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Carlsbader Sprudelsalz trinken« solle. Zudem verordnete er ihm »für Nachts einen hydropathischen Umschlag um den Leib«. Beide Behandlungen waren wirksam, und er gewann seinen Appetit zurück. Donders berichtete einige Monate später einem Kollegen gegenüber, dass Helmholtz fünf Kilogramm abgenommen habe, und schloss daraus, dass dies entweder zeige, dass er sein seelisches Gleichgewicht noch nicht vollständig wiedererlangt habe oder er unter Blutmangel leide.21 Als es in Baden-Baden kalt und nass wurde, kehrten die Eheleute nach Berlin zurück. Wieder dort zu sein half: »[A]llmählig [kommen] das alte Wesen und Gesicht bei meinem Manne wieder zu Tage«, so Anna. Und obwohl er noch Ruhe brauchte, konnte er an einem internationalen Geodätentreffen teilnehmen, das gerade in Berlin stattfand. Er besuchte auch Versammlungen der Akademie (wo er sogar einen Vortrag hielt), Fakultätssitzungen der Universität und Promotionsprüfungen. »Und das ist der sogenannte Ruhedonnerstag!« Anna tat nun alles, um zeitraubende Ereignisse »wie Besuche, Briefe oder kleinere geschäftliche Dinge« zu eliminieren. »Stimmung und Schlaf« seien bei ihm nun »ganz gut«, da er wieder »daheim« sei. Anna und Hermann achteten nun sehr auf seine Ernährung und hielten sich an nahrhafte und häufige, aber leichte Mahlzeiten, um ihn zu stärken.22 Hermann, Anna und Ellen empfanden große Dankbarkeit gegenüber Horner für seine Hilfe während Helmholtz’ schwerer Erkrankung in Interlaken. Helmholtz schrieb Anfang September an Horner, um ihm zu danken. Das tat auch Ellen und übersandte ihm ihr liebstes Porträt ihres Vaters, eine Ölskizze von Lenbach. Es sei das beste, das die Familie von ihm habe, wie sie sagte. Früher hatte es im Wohnzimmer der Familie gehangen; als Ellen jedoch heiratete, nahm sie es mit und stellte es in ihrem eigenen Haus auf ihren Schreibtisch. »Den Eindruck, den Ihr [wachendes] Auge in seiner Krankheit auf ihn und auf uns Alle machte, werde ich nie vergessen und mit unendlichem Dank bewahre ich diese liebe heilige Erinnerung an die schweren und wiederum so einzigen Stunden, wo Ihr Trost so wahrhaft zum Herzen sprach«, schrieb sie Horner und berichtete, dass sich der Zustand ihres Vaters in der Zwischenzeit weiter gebessert habe. Auch Anna dankte Horner aus tiefstem Herzen und fügte, trotz aller anhaltenden Sorgen, noch hinzu, sie habe »nie […] vergessen, wie vielen Dank wir den befreundeten Aerzten oder ärztlichen Freunden schulden – und ich wollte nur, es wäre uns vergönnt, Ihnen auch einmal einen Beweis dieses Dankes zu geben.« Damit gemeint war dies: Helmholtz war im Besitz von drei Exemplaren der Graefe-Medaille und wollte Horner gerne eines davon zum Geschenk machen. Er war nun gesund genug, um wieder selbst auf sich aufzupassen; am Abend zuvor hatte er, wie Anna notierte, mit dem Kultusminister eine musikalische Soirée besucht. Zu Weihnachten schickte Helmholtz Horner die Gesamtausgaben seiner Wissenschaftlichen Abhandlungen und seiner Vorträge und Reden, mit persönlichen Widmungen versehen. Anna legte einen Brief bei, in dem stand, dass Helmholtz zu Weihnachten von Horner erinnert werden wolle und hof-
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fe, dieser werde einen Platz für die übersandten Bände auf seinem Bücherregal finden. Horner hatte allerdings wenig oder gar keine Zeit mehr, sich an ihnen zu erfreuen; am 20. Dezember 1886 starb er.23
Reine und angewandte Wissenschaft: Lobrede auf Fraunhofer Die Unterscheidung zwischen reiner und angewandter Wissenschaft ist eine recht moderne; sie entstand im 19. Jahrhundert. Viele Wissenschaftler nahmen die Erkenntnis mit Kusshand auf, dass ihr Metier eine doppelte Natur hatte, während andere überhaupt keinen derartigen Unterschied machten. In einem gewissen Maße hatten Disziplinen wie Astronomie, Mathematik und Botanik immer schon auch einen Bezug zu Aspekten des täglichen Lebens gehabt. Eine wirtschaftlich signifikante, praktisch ausgerichtete Interaktion von Wissenschaft und Technik begann allerdings (nicht immer erfolgreich) erst mit dem Einsatz der organischen Chemie in Landwirtschaft und Industrie in den 1830er- und 1840er-Jahren, gefolgt von Anwendungen der Physik in den neuen elektrischen und optischen Industrien. Dies trägt zur Erklärung der Tatsache bei, warum die meisten Wissenschaftler bis zum Ende des Jahrhunderts der ganzen Unterscheidung wenig Bedeutung beimaßen. Wie Helmholtz’ Arbeiten in der Ophthalmologie sind auch die von Josef Fraunhofer in der Optik und optischen Technologie ein Beleg für diesen Umstand. Am Sonntag, dem 6. März 1887, feierte die Deutsche Gesellschaft für Mechanik und Optik im Saal des Berliner Rathauses Fraunhofers 100. Geburtstag. Ziel dieser Gesellschaft war es nicht nur, an das Leben und die Leistungen Fraunhofers in der theoretischen und praktischen Optik zu erinnern, sondern sie wollte die neuen Industriezweige auch generell fördern und kündigte zu diesem Zweck die Gründung einer Fraunhofer-Stiftung an, die junge Talente auf den Feldern der optischen und mechanischen Technologie unterstützen sollte. Wilhelm Foerster, der Berliner Astronom und eine der treibenden Kräfte hinter der Festveranstaltung, bat Helmholtz, den Ehrenpräsidenten der Gesellschaft, einen Vortrag über Fraunhofer zu halten. Unter den vielen Teilnehmern waren führende Vertreter der deutschen mechanischen und optischen Industrie, gewöhnliche Mitglieder der Gesellschaft – darunter mechanische und optische Instrumentenbauer –, Staatsminister, auch aus den Reihen des Militärs, führende städtische Vertreter, Mitglieder der Akademie der Wissenschaften sowie verschiedene Professoren und Dozenten aus ganz Berlin. Die Berliner Feier – eine weitere fand in München statt, mit Abbe als Hauptredner – war von gesellschaftlicher wie politischer Bedeutung. Zur Mittagszeit hieß Helmholtz nach einer kurzen musikalischen Einlage des Gesangvereins Caecilia die Anwesenden willkommen.24 Für Helmholtz war Fraunhofers Geburtstag »in der That ein Gedächtnisstag des deutschen Bürgerthums«, der sie alle stolz machen sollte. Er bezeichnete »die
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Kunst der praktischen Mechanik« als eine der herausragenden Formen »bürgerlicher Arbeit«, auch wenn sie nicht zu den finanziell lukrativsten zähle. Aber die Mechanik besitze die höchste Tugend von allen, verkündete er, da sie »nach der höchsten Genauigkeit, Sauberkeit und Zuverlässigkeit ihrer Arbeit« strebe. Er selbst habe lange beobachten können, »wie hoch diese ersten und höchsten Tugenden bürgerlicher Arbeit bei den leitenden Mechanikern gesteigert sind«.25 Helmholtz stellte die Behauptung auf, dass jeder Physiker sich zumindest ein wenig auch als praktischer Mechaniker versuchen müsse. Wie er bemerkte, habe er selbst es stets nützlich gefunden, wenn er ein neues Forschungsthema in Angriff nehmen wollte, »mir Modelle der erforderlichen Instrumente, freilich zerbrechlich und aus schlechtem Material vorläufig zusammengeflickt, herzustellen, die wenigstens so weit reichten, dass ich die ersten Spuren des erwarteten Erfolges wahrnahm und die wichtigsten Hindernisse kennen lernte, die ihn vereiteln konnten«. Zu einem späteren Zeitpunkt habe er sich dann um Rat an professionelle mechanische Instrumentenbauer gewandt und viel von ihnen gelernt. Er behauptete, es sei der »intelligente[n] Hilfe der praktischen Mechanik« zu verdanken, dass die Physik und die Astronomie, »unsere Vorstellungen vom Weltgebäude« und von der Atmosphäre, ganz zu schweigen von der Entwicklung solcher Technologien wie dem Fernrohr, dem elektrischen Telegraphen, dem elektrischen Licht und den Instrumenten für die Seefahrt und die Landvermessung, solche Fortschritte hätten machen können. Präzisionsinstrumente hätten die Wissenschaften vorangebracht, sowohl in Bezug auf ihre allgemeinen Grundlagen als auch durch einzelne Messergebnisse. Wissenschaft wie Technik seien den Instrumentenbauern und den von ihnen verkörperten Tugenden zu tiefstem Dank verpflichtet.26 Dies sei auch der Grund, aus dem die praktischen Mechaniker und Optiker Fraunhofer verehrten, einen Menschen, der »die besten Tugenden deutschen Bürgerthums« glänzend verkörpert habe. Helmholtz charakterisierte Fraunhofer als einen Mann, »der, aufsteigend aus den ärmlichsten Verhältnissen, durch eigene Kraft und Fleiss unter schweren Hemmnissen sich emporgearbeitet hat zum Inhaber der ihrer Zeit berühmtesten optischen Werkstatt der Erde und wissenschaftliche Entdeckungen gemacht hat, die unsere Kenntnisse vom Weltgebäude in einer nie vorher geahnten Weise ausgedehnt haben«. (Obwohl er es nicht aussprach, waren die Parallelen zu seinem eigenen Aufstieg und seiner erfolgreichen Karriere doch offensichtlich genug.) Fraunhofer habe das Verständnis für optische Phänomene vorangetrieben. Besonders hob Helmholtz hervor, dass er Newtons Entdeckung der Farben dünner Schichten zum Verständnis der Krümmung geschliffener Linsenflächen herangezogen habe. Erst gegen Ende seines kurzen Lebens (1787 – 1826) sei Fraunhofer dann zur reinen Wissenschaft gelangt, »d. h. zu Untersuchungen, die keinen unmittelbaren technischen Zweck vor sich hatten, sondern nur nach Vollständigkeit unserer optischen Kenntnisse strebten«. Seine Forschungsarbeit zu
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Farbphänomenen habe ihn zu einer verfeinerten Analyse der prismatischen Spektralfarben geführt, und diese wiederum zur Untersuchung »verwandter farbiger Erscheinungen, die die trübe Atmosphäre um Sonne und Mond erzeugt«. Aufgrund dieser und anderer Arbeiten, darunter die Gründung einer optischen Werkstatt von Weltrang in Bayern, sei Fraunhofer 1817 zum Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt worden »und war durch das ganze wissenschaftliche Europa gefeiert und berühmt«. Helmholtz erkannte zudem starke Parallelen im Lebens- und Karriereweg zwischen Fraunhofer und Faraday. Auch jener habe als Buchbinderlehrling ohne materielle Mittel begonnen und sei später vor allem aus eigener Kraft zu einem der »grossen Physiker Europas« geworden. Solche Menschen legten ebenjene Tugenden an den Tag, die Helmholtz so bewunderte: harte Arbeit, autodidaktische Fähigkeiten, Sparsamkeit, Scharfsinn und Hingabe an Präzision und Genauigkeit in ihrer Arbeit, kurzum, den »rastlosen Fleiss und die Treue in der Arbeit, die die wahre Quelle der grossen Leistungen ist«.27 Doch es gab ihm zufolge auch einen großen Unterschied zwischen Fraunhofer und Faraday. Ersterer nämlich sei, anders als Faraday, seinen handwerklichen Wurzeln treu geblieben, und seine streng wissenschaftliche Arbeit habe von dort aus ihren Ausgang genommen. Er habe nie mehr (oder weniger) sein wollen als ein exzellenter Technologe. David Brewster habe, so Helmholtz, einmal behauptet, dass Fraunhofers Leistungen bei der Verbesserung achromatischer Linsen dazu geführt hätten, dass England seinen Vorsprung auf diesem Gebiet verlor – eine für die Engländer in wissenschaftlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht schmerzhafte Tatsache. Helmholtz münzte diese Warnung Brewsters an England in eine eigene an die Adresse Deutschlands um: »Sobald eine grosse Nation aufhört, in den Künsten Triumphe zu feiern, dann ist die Besorgniss nicht unbegründet, sie möchte auch aufhören durch die Waffen zu triumphiren«, zitierte er Brewster. Großbritannien hatte seiner Meinung nach dessen Warnung letztlich beherzigt und seinen Vorsprung »vielleicht« schon wieder zurückgewonnen. Doch auch Deutschland sei nicht untätig gewesen: Helmholtz erinnerte seine Zuhörerschaft daran, dass die preußische Regierung kürzlich den optischen Glaswerken von Abbe und Schott in Jena Hilfen gewährt und dem Reichstag »einen noch viel umfassenderen Plan für Förderung der Mechanik« (betreffend die Reichsanstalt) vorgelegt habe. Diese Rede war also auch als Teil der öffentlichen Bemühungen von Helmholtz (und anderen) gedacht, unter den Präzisionstechnikern Unterstützung für die geplante Reichsanstalt zu gewinnen.28 Auf Helmholtz’ Vortrag folgte eine kürzere Rede von Foerster, die ähnliche Themen anschnitt. Vor allem betonte sie, wie wichtig eine kontinuierliche staatliche Förderung der praktischen Mechanik und Optik für die deutsche Wissenschaft und Technik sei. Dann wandte sich Rudolf Fuess aus dem Vorsitz der Gesellschaft mit knappen Worten an die Zuhörer. Ihm war es ein besonderes Anliegen, dass
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Deutschland talentierte junge Männer ausfindig mache und fördere, die sich an Fraunhofer ein Beispiel nähmen. Mit diesem Ziel vor Augen verkündete er offiziell die Gründung der Fraunhofer-Stiftung durch die Gesellschaft. Die Stiftungsgelder sollten jungen Deutschen zugutekommen, die nicht über die finanziellen Mittel für eine fundierte theoretische und praktische Ausbildung zum Mechaniker und Optiker verfügten. Zwei Jahre zuvor habe die Stadt Berlin bereits eine »eigene Fachschule für junge Mechaniker und Optiker« eingerichtet. Die Fraunhofer-Stiftung werde fortan bedürftige junge Männer bei der Ausbildung an dieser und ähnlichen Schulen in ganz Deutschland unterstützen und auch ihre Lehrzeit in Werkstätten im Inund Ausland finanziell fördern. Die Feier, die mit der Aufführung eines Stücks von Beethoven endete, trug dazu bei, der Eröffnung der Reichsanstalt später im selben Jahr die öffentliche Bühne zu bereiten.29
26 Altmeister Das Dreikaiserjahr Im November 1887 dinierten Anna und Hermann von Helmholtz in aristokratischer Runde bei Cornelia und Gustav Richter. Das Gespräch bei Tisch drehte sich vor allem um den besorgniserregenden Gesundheitszustand des Kronprinzen. Bei Friedrich Wilhelm war vor kurzem Kehlkopfkrebs diagnostiziert worden, und die Voraussage seiner Ärzte, dass sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtern werde, bewahrheitete sich schneller als befürchtet. Schon im Februar 1888 benötigte er einen Luftröhrenschnitt. Die Helmholtzens hatten des Öfteren mit dem Kronprinzenpaar zu tun: Man traf sich bei Abendgesellschaften, Helmholtz war regelmäßig bei Friedrich Wilhelm zu Gast und Anna und die Kronprinzessin waren gut befreundet.1 Als Angehörige des engeren Kreises um den Kronprinzen waren die beiden also über seinen Zustand informiert. Die Erkrankung Friedrich Wilhelms deprimierte Anna und viele in ihrem Umfeld. Denn auf dem Kronprinzenpaar hatte die Hoffnung auf einen Wandel gelegen. Victoria und Friedrich Wilhelm standen in Annas Augen für die ideale, schöne und geistige Welt, im klaren Gegensatz zum preußischen Militarismus. Bismarck machte keinen Hehl daraus, dass er den Kronprinzen nicht mochte, und arbeitete gegen ihn. Im Grunde aber war Friedrich Wilhelm gar nicht so liberal. Er beugte sich vielmehr den politischen Ansichten seiner Frau und wählte liberale Geister wie den mit dem Ehepaar Helmholtz befreundeten Ludwig Bamberger zu seinen Beratern. Die
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gesundheitliche Situation des Kronprinzen verschlechterte sich noch durch eine Entscheidung Victorias, die dem Rat ihres englischen Arztes Sir Morell Mackenzie – eines führenden Laryngologen, der bei Friedrich Wilhelm keinen Halskrebs feststellen konnte – darin folgte, dass ihr Mann (noch) keine Operation benötige.2 Am 9. März 1888 starb Kaiser Wilhelm I. Der Kronprinz, der zur Erholung in San Remo weilte, kam zwei Tage zu spät, um seinen Vater noch lebend anzutreffen. Dieser missliche Umstand schwächte seine Position noch mehr. Als Friedrich III. übernahm er den Thron, und Bismarck tat alles, um den neuen Kaiser zu isolieren. Dabei wurde der Name Anna von Helmholtz’ (auch von Bismarck) mit dem neuen Herrscherpaar in Verbindung gebracht, und das nicht allein wegen Annas Freundschaft mit Victoria und mit Ludwig Bamberger. Tatsächlich war Anna auch federführend an einem fehlgeschlagenen Versuch beteiligt gewesen, der neuen Kaiserin Solidarität zu bekunden: Etwa fünfzig Frauen aus höfischen, adligen und intellektuellen Kreisen hatten einen Willkommensgruß für Victoria unterzeichnet, ihre Unterschriften dann aber – wahrscheinlich auf Druck von Bismarck und aus Militärkreisen – wieder zurückgezogen. Als Bismarck am 21. März der Kaiserin seine Aufwartung machte, war sie in Gesellschaft von drei liberal gesinnten Unterstützerinnen – eine davon war Anna von Helmholtz. Auf die Bitte der Kaiserin hin lud Anna den Laryngologen Mackenzie zu einer Abendgesellschaft in ihrem Hause ein. Zu den weiteren Gästen zählten die Kaiserin selbst, Bamberger, Hofmann, Siemens und du Bois-Reymond. Helmholtz hatte Mackenzie zusammen mit Ernst von Leyden und du Bois-Reymond in Berlin willkommen geheißen, soll aber später gesagt haben, er habe sich sowohl in dessen Charakter als auch in dessen Fähigkeiten geirrt. Die fragile Situation hielt ganze neunundneunzig Tage: Friedrich III. starb am 15. Juni 1888. Zum Zeichen der Trauer wurden alle Universitätsvorlesungen abgesagt. Am folgenden Abend begab sich Helmholtz nur deswegen zum regelmäßig anberaumten Treffen der Physikalischen Gesellschaft, um die Versammelten wieder nach Hause zu schicken. Nun stieg Kronprinz Wilhelm zum preußischen König und deutschen Kaiser auf. Er war definitiv kein Anhänger der liberalen Ansichten seiner Mutter. Doch er war begeistert von Wissenschaft und Technik: Ende der 1870er-Jahre hatte er vier Semester in Bonn studiert, wo er Kurse in Physik (bei Clausius) und Chemie (bei Kekulé) besucht hatte. Als Wilhelm II. war er der dritte der drei Kaiser des Jahres 1888.3
2
Weitere britische (und andere) Ehrungen Im Dreikaiserjahr erhielt Helmholtz zwei weitere Auszeichnungen von britischen Kultureinrichtungen. Im Februar wurde er zum Ehrenmitglied der Londoner Musical Association ernannt, im Juli verlieh ihm die Society of Arts die Albert-Medaille und würdigte damit seine Forschungen »in verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen und deren praktische Ergebnisse für die Musik, Malerei und angewand-
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ten Künste«. Die Auszeichnung wurde in Gedenken an Prinz Albert vergeben, der lange Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung der Künste gewesen war. Helmholtz fühlte sich sehr geehrt ob dieser Anerkennung durch »Künstler und Künstlerfreunde«, doch war er so gefangen genommen von seinen neuen Aufgaben bei der Reichsanstalt, dass er nicht nach London reisen konnte, um den Preis in Empfang zu nehmen. Auch nach Portugal schaffte er es nicht – dort ernannte man ihn im April 1888 zum Ehrenmitglied der Academiae Scientiarum Olisiponenis, der Lissaboner Akademie der Wissenschaften. Im Juni 1888 bekam Helmholtz von der Universität Bologna die Ehrendoktorwürde verliehen, doch den Feierlichkeiten im Rahmen des 800-jährigen Bestehens der Universität konnte er ebenfalls nicht beiwohnen. Von deutscher Seite erhielt Helmholtz in diesem Jahr den Königlichen Kronen-Orden zweiter Klasse mit Stern.4 1890 bahnten sich weitere britische Ehrungen an. Im Januar erfuhr Helmholtz, dass Thomson und Roscoe ihn zum Mitglied im International Joule Memorial Committee machen wollten. »Wir möchten Ihren Namen auf der Liste des Generalkomitees«, schrieb ihm Thomson. »Die Auszeichnung wird international sein, und sie soll die Arbeit von jungen Wissenschaftlern überall auf der Welt fördern.« Im Februar dann sprach sich der Senat der Universität von Edinburgh dafür aus, Helmholtz die Gifford-Vorlesungsreihe für die nächsten zwei Jahre anzutragen (mit zehn Terminen pro Jahr). Die Gifford Lectures zur »natürlichen Theologie« sollten sich zu einer äußerst prestigeträchtigen wissenschaftlichen Veranstaltung in Großbritannien entwickeln. Ihre ursprüngliche Idee war, naturkundliche und physikalische Themen zu verbinden und die Einheit und Harmonie der Natur zu diskutieren. Helmholtz lehnte die Übernahme aufgrund seiner administrativen und wissenschaftlichen Verpflichtungen in Berlin indes ab.5 Auch andere britische Einladungen schlug Helmholtz aus – so zum 50. Jahrestag der Chemical Society im Februar 1891 und zu den Feierlichkeiten zu Faradays 100. Geburtstag an der Royal Institution. Wie er den Veranstaltern schrieb, war er zum Ehrenvorsitzenden der Prüfungskommission für die Internationale Elektrotechnische Ausstellung in Frankfurt gewählt worden, die eben zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal zusammenkommen sollte. Dennoch wurde Helmholtz eine Urkunde übersandt, die ihn zum Ehrenmitglied der Royal Institution ernannte.6
Bitten um Rat und Hilfe Besonders nach 1871 wurde Helmholtz in den Augen der Öffentlichkeit immer mehr zur Verkörperung des idealen Wissenschaftlers. Seine Populären wissenschaftlichen Vorträge, die Tonempfindungen, die öffentlichkeitswirksame Verleihung so vieler Ehrungen und das gelegentliche Auftauchen seines Namens in Zeitungen und Zeitschriften – all das steigerte seine Bekanntheit erheblich. Eine Folge davon war, dass
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er von amtlicher Seite oder von Privatpersonen immer öfter um wissenschaftlichen oder beruflichen Rat gebeten wurde. Solche Anfragen erreichten ihn aus allen gesellschaftlichen Schichten, und sie konnten fast alle Themen von Mathematik bis Musik betreffen – und in den meisten Fällen wurden sie von Helmholtz auch beantwortet. An ein paar Beispielen lässt sich ermessen, welche Bedeutung Nicht-Wissenschaftler seiner Meinung beimaßen: Im Mai 1888 besuchte der preußische Kultusminister Gustav von Gossler mit einem Bekannten eine Kunstausstellung in Berlin, wo sie einen japanischen Wandspiegel aus Metall bestaunten, der das Licht auf ungewöhnliche Weise reflektierte. Die beiden legten sich eine Hypothese für die seltsamen Spiegelungen zurecht, baten aber auch Helmholtz um seine Meinung dazu. In ähnlicher Weise erkundigte sich Rudolf Helmbold, ein Jenaer Medizinstudent, nach Helmholtz’ Urteil über die von ihm konstruierte Dreiteilung eines Winkels. Ein Lehrer einer höheren Bürgerschule schrieb vom Bodensee, er beschäftige sich mit dem Feuermachen und habe schon viel zu dem Thema gelesen. Nun wollte er von Helmholtz gerne wissen, »wie der Mensch zur Feuererfindung geführt« worden sei.7 Viele Personen richteten Fragen zur Musik an Helmholtz. So wollte etwa der Volksschullehrer Carl Andreas Eitz ein Harmonium bauen und bat Helmholtz, seine Pläne zu begutachten. Mit einem pensionierten preußischen Gymnasiallehrer wechselte Helmholtz mehrere Briefe über ein von diesem verfasstes Manuskript über das Harmonium, bei dessen Veröffentlichung Helmholtz helfen sollte. Aus Frankreich erreichte Helmholtz eine Anfrage von Georges Le Gorgeu, einem Anwalt und Archäologen, der sich nach den akustischen Eigenschaften und der Erhaltung von Resonanzgefäßen in Kirchen erkundigte. Friedrich Schön aus Worms, der früher dem Verwaltungsrat der Bayreuther Festspiele angehört hatte und Helmholtz persönlich kannte, fragte an, ob Helmholtz bei der Beschaffung eines Gongs für eine geplante Aufführung im örtlichen Theater behilflich sein könne. Auch Oskar von Chelius, ein Berufsoffizier und Komponist, der mit Anna bekannt war, bat um Rat wegen eines Instruments, nämlich wegen des neuartigen Elektrophons, mit dem sich Töne verstärken oder verändern ließen. Helmholtz erreichten zudem regelmäßig bewundernde Schreiben von Amateurwissenschaftlern, von eher unbedeutenden Forschern am Rande der Wissenschaftswelt, von Lehrern auf Suche nach einer geeigneten Stelle im Bereich der Naturwissenschaften, von praktizierenden Ärzten und ähnlichen Personen. Die meisten baten um seinen wissenschaftlichen Rat oder seine Hilfe, aber manche wollten sich auch nur für die eine oder andere seiner Schriften bedanken.8 Dazu kamen zahllose Anfragen von Nicht-Wissenschaftlern, die physiologische oder physiologisch-optische Themen betrafen. Dr. E. Jaesche aus Dorpat berichtete ausführlich über seine Untersuchungen und Ergebnisse zu Doppelbildern. Henri Stassano aus Neapel schrieb Helmholtz über seine Erkenntnisse zur Anpassungsfä-
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higkeit des Auges. W. E. Bryan aus dem englischen Bath wandte sich an Helmholtz als »die größte lebende Autorität zur Farbwissenschaft« und erkundigte sich, ob er es nicht auch für sinnvoll erachte, eine »Kunst der Farbenmelodie« zu entwickeln, die »durch die rhythmische Abfolge geeigneter Farben einen der Musik ähnlichen Effekt hervorbringen« könne.9 Und es kamen Briefe von wissenschaftlichen Talenten. Ferdinand Lorenz, ein »einfacher Arbeiter« aus Berlin, wandte sich mit einem elektrotechnischen Problem an Helmholtz, erhielt von ihm eine persönliche Antwortnote und bedankte sich in leicht holprigem Deutsch aufs Herzlichste. Carl Kutschera, Jurastudent aus Graz, wollte Helmholtz’ Meinung über seine kosmologischen Ansichten erfahren. Nachdem ihm von verschiedener Seite eine Abfuhr erteilt worden sei, wende er sich nun an Helmholtz als »erstrangige Autorität«.10 Manch einer der Anfragenden wollte auch einfach nur von Helmholtz’ Ruf profitieren. Dr. Julius Friedländer, ein Berliner Arzt, der 1874 Vorlesungen bei Helmholtz gehört hatte, die ihn stark beeindruckt hatten, verfasste 1890 einen Brief an seinen ehemaligen Professor: Neben seinem persönlichen Interesse für die Philosophie Spinozas hätten ihn Helmholtz’ Vorträge dazu bewegt, »die Beziehungen dieses großen Denkers zur modernen Naturwissenschaft aufzudecken«. Friedländer hatte eben gemeinsam mit Martin Berendt eine kleine Schrift über Die rationelle Erkenntniss Spinozas verfasst, und nun arbeiteten die beiden an dem Thema »Spinoza im Lichte der modernen Naturwissenschaft und Philosophie«. Ihr Manuskript enthielt Überlegungen aus Helmholtz’ populärwissenschaftlichen Aufsätzen und Vorlesungen und seinen Schriften zur Sinnesphysiologie. Die Autoren hofften, Helmholtz werde ihr Werk, das sie ihm gerne widmen wollten, mit Wohlwollen lesen. Wenn Helmholtz beipflichte, so Friedländer, würde er damit ihrer zentralen These Gewicht verleihen, dass nämlich Spinoza eine wichtige Figur für die Entwicklung der modernen Wissenschaft sei. Helmholtz jedenfalls gab seine Einwilligung und erhielt zum Erscheinungstermin 1891 sein Exemplar von Spinoza’s Erkenntnisslehre in ihrer Beziehung zur modernen Naturwissenschaft und Philosophie.11 Ein letztes Beispiel für einen Brief, der Rat und Hilfe suchte, stammt von Dr. Phil. Paul Otto Schmidt aus Berlin, der nach eigenem Bekunden vor einer »Lebensfrage« stand. Schmidt hatte das Realgymnasium in Halle besucht, war aber mit 16 Jahren der Marine beigetreten, da seine Eltern ihn nicht länger unterstützen konnten. Er habe schon immer großen Wissenshunger verspürt und alles gelesen, was ihm in die Finger kam, beteuerte der Briefschreiber. Und dann sei er eines Tages in einer Kieler Buchhandlung auf Helmholtz’ Populäre wissenschaftliche Vorträge gestoßen. »Von da ab las ich fast nichts als diese Vorträge«, schrieb er, und fühlte sich von deren Inhalt und Darstellungsweise gleichermaßen angezogen. »Wenn mir auch zum vollen Verständnis vieler Dinge damals noch die nöthigen Vorkenntnisse fehlten, so ahnte ich doch bereits, um was es sich handelte, und das liess in mir
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den heissen Wunsch entstehen, mich ganz den exakten Naturwissenschaften, für welche ich übrigens auch schon auf der Schule Neigung und Verständniss gezeigt hatte, widmen zu dürfen.« Nach seiner Ausbildung zum Marinesoldaten habe er daher sein Abitur nachgeholt. Er sei fest entschlossen gewesen, Mathematik und Physik zu studieren, weshalb seine Wahl auf die Universität Halle fiel. Da er aber wegen Stellenmangels keine Aussicht gehabt habe, als Lehrer zu arbeiten, sei er zum Schreiben übergegangen und habe 1887 eine Doktorarbeit über den Raumund Zeitbegriff in der modernen Physik verfasst. Darauf sei 1888 Das aristokratische Prinzip in Natur- und Menschenleben gefolgt. Beide Werke seien positiv besprochen worden, doch hätte ihn das eher »philosophische« Schreiben von seinem eigentlichen Interesse weggeführt, das vor allem in der Forschung liege. Und nun stehe er also an einem Wendepunkt in seinem Leben und müsse eine Entscheidung treffen. »Ohne Sie, Hochverehrter Herr, wäre ich jetzt wohl schon längst wohl bestallter Marine-Zahlmeister«, schrieb er Helmholtz. Ob es nicht eine Möglichkeit gebe, in irgendeiner Funktion für Helmholtz zu arbeiten? Er bat, sich persönlich vorstellen zu dürfen. Helmholtz, der ja als junger Mann aus bescheidenen Verhältnissen ebenfalls keine Möglichkeit gehabt hatte, seiner Begeisterung für die Physik nachzugehen, konnte sich offenbar gut in Schmidts Lage einfühlen. Seine Randnotiz auf Schmidts Brief lautet jedenfalls: »Erschien persönlich zu einer Unterredung.«12
Tod des Sohnes Allein die Menge der an Helmholtz gerichteten Briefe mochte eine Last sein, doch erscheint diese vollkommen unbedeutend im Vergleich zu den Sorgen, die sich Anna und Hermann wegen ihres Sohnes machten. Trotz seiner Behinderung und oftmals schlechten Gesundheit versuchte Robert Helmholtz stets, ein möglichst normales Leben zu führen. Nach dem Abschluss des Gymnasiums in Berlin studierte er zunächst Naturwissenschaften in Heidelberg (bei Bunsen) und kehrte anschließend nach Berlin zurück, um sein Studium mit Mathematik und Physik (bei Kirchhoff und seinem Vater) fortzusetzen. Sein guter Freund Otto Lummer, ein Student und (ab 1887) Assistent von Helmholtz, beschrieb Robert als einen Menschen mit großen intellektuellen Fähigkeiten, viel Ausdauer und einem hohen Arbeitsethos. Robert war offenbar ein guter Beobachter, Experimentator und Mathematiker. Schon früh wusste er, dass für ihn nur die Forschung infrage kam. 1885 promovierte er in Berlin mit Untersuchungen über Dämpfe und Nebel, besonders über solche von Lösungen. Im Sommer 1886 aber erkrankte er erneut schwer und musste sich wie bereits erwähnt einer Operation an der Wirbelsäule unterziehen. Während der folgenden drei Jahre widmete er sich der angewandten Forschung und veröffentlichte unter anderem eine Abhandlung über die Beeinflussung des Gefrierpunkts, für welche er das von seinem Vater formulierte Konzept der freien Energie nutzte.
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Zudem verfasste er ein Manuskript über die Strahlungsenergie von Flammen, mit dem er an einem Wettbewerb des Berliner »Vereins für Gewerbefleiss« teilnehmen wollte. Der mit 5000 Mark dotierte Preis und die Gewinnermedaille wurden ihm posthum verliehen. Für die Deutsche Rundschau verfasste er einen Nachruf auf Kirchhoff. Bis 1889 hatte Robert sieben Publikationen vorzuweisen. Laut Otto Lummer war er ein exzellenter Redner, charmant und angenehm im Umgang und ein selbstloser Mensch mit großem Pflichtgefühl.13 Im Juni 1889 erkrankte Robert erneut schwer. Er sei »so deprimiert und moralisch herunter, wie ich ihn nicht kenne«, klagte Anna. Er hatte an nichts mehr Freude – auch nicht an der Aussicht, ab Oktober des Jahres als Assistent in der Reichsanstalt tätig zu werden. »Kein Wunder, wenn er zum ersten Male im Leben bitter wird«, schrieb Anna. Zum Ende des Monats litt Robert immer stärker unter Erschöpfung und verlor vollends den Appetit. Er hörte auf zu arbeiten und war fortan ans Bett gefesselt. Anna und Hermann fühlten sich hilf- und hoffnungslos. Ende Juli erlitt ihr Sohn einen Herzinfarkt, auf den zwei letzte, qualvolle Wochen folgten. Anna schrieb ihrer Mutter und Schwester über Roberts Tod: »Ich halte ihn in den Armen, rufe, reibe, lasse Hermann holen, der ihm Luft einbläst – kein Atem kommt, kein Laut, kein Ton – es ist Alles aus.« Am 5. August 1889 starb Robert Julius von Helmholtz mit 28 Jahren im Hause seiner Eltern in Charlottenburg. Vier Tage danach versammelte sich laut Lummer »die physikalische Welt Berlins« zu seinem Begräbnis, um Robert die letzte Ehre zu erweisen und seiner Familie Trost zu spenden. Carl Runge, ein junger Mathematiker, der kurze Zeit bei Helmholtz studiert hatte und mit einer der Töchter der du Bois-Reymonds verheiratet war, schrieb darauf an Planck: »Sehr traurig ist es für die Eltern.« Planck und andere enge Freunde spürten, dass Roberts Krankheit und Tod »eine tiefe Tragik« für die Eltern hatte.14 Mit seinem Tod ging zudem der Gedanke verloren, dass eines der Kinder den Namen Helmholtz auf dem Gebiet der Wissenschaft weiterführen könnte. Der Schmerz über den Verlust ihres Sohnes brachte Anna und Hermann näher zusammen denn je. Nach dem Begräbnis fuhr Hermann in die Berge – zunächst allein, um zur Ruhe zu kommen. Anna wollte sich ihm anschließen, sobald beide sich bereit fühlten. Eigentlich hatte er weiterarbeiten wollen, doch er merkte, dass ihm die Arbeit gleichgültig geworden war. Aus Pontresina schrieb er Treitschke, obwohl Robert »von Jugend auf ein Kind der Angst und der Sorge für uns gewesen war, und wir oft genug daran erinnert wurden, dass sein Leiden nur schlummerte und nicht beendet war, so waren die letzten Jahre doch so gut vergangen, dass wir weitergreifende Hoffnungen gefasst hatten«. Sein Tod sei daher »ein verhältnissmässig unerwartet eintretender Schlag« gewesen. In seinen letzten Jahren habe Robert dennoch viel Unternehmenslust gezeigt. »Trotz aller Bitterkeit des Schmerzes«, schrieb Helmholtz, »hat sein Ende für mich etwas von dem Versöhnenden einer hohen Tragödie. Er hat den Kampf des Geistes mit einem siechen Körper durchgefochten, so
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schwer, wie es selten geschieht, ohne Missgunst gegen Andre, gegen seine Freunde hat er sich sein Leben voll und reich gemacht und mitten im Siege ist er gefallen.« Helmholtz blieb ein stolzer Vater, wie er Treitschke anvertraute. Als Anna Anfang September zu ihm kam, war er sonnengebräunt und erholt, er fühlte sich wie ein neuer Mensch. Ihr Mann habe, so Anna, »das unaussprechliche Glück, dass seine Gedankenwelt und sein Beruf weit, weit ab vom Leben liegen« und er sich »dahinein flüchten« könne, »wenn alles Andere versagt«. Anna selbst brauchte viel länger, um sich von dem Schlag zu erholen. Ihrer Tochter Ellen schrieb sie: »Wieviel reden wir, Papa und ich, über das Wesen von Körper und Geist, über das Ewige von Beiden und das Getrennte und das Vereinte …« Ellens gute Freundin Marie von Bunsen berichtete, wie eines Sommerabends, als sie mit der Familie Helmholtz und Helmuth von Moltke bei Tisch saß, die Rede auf das Leben nach dem Tod gekommen sei: »Helmholtz lehnte die Möglichkeit ab und meinte: ›Ich kann nicht recht an eine persönliche Fortdauer nach dem Tod glauben.‹ Dann, nach einer kleinen Pause: ›Eher könnte ich eine Form der Seelenwanderung annehmen … für einzelne … für solche, die den Drang und die Kraft in sich fühlen.‹« Von Pontresina aus reiste Helmholtz allein in den Schwarzwald, wo er sich um das weitere Studium von Fritz kümmerte. Anschließend nahm er an der Naturforscherversammlung in Heidelberg teil.15 Er war wieder da.
Edison, Hertz und eine historische Zusammenkunft in Heidelberg Vom 18. bis 23. September 1889 fand in Heidelberg die 62. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte statt. Sie war aus mehreren Gründen ein historisches Ereignis. Zum einen fanden sich knapp 2000 Teilnehmer in Heidelberg ein, was die Zusammenkunft zu einer der größten und bedeutendsten in der Geschichte der Gesellschaft machte. Hertz notierte, es seien die besten Physiker nach Heidelberg gekommen: Helmholtz, Kundt, Kohlrausch, Siemens und »fast alles, was Namen hat«. Auch die Chemiker Fischer, Meyer, Baeyer, Hofmann und Roscoe waren zugegen, dazu die Mediziner Virchow, Adolf Strümpell und Ernst von Bergmann, der Mathematiker Koenigsberger, aber auch die Physiker Boltzmann, Wiedemann und Paalzow. Es war eine einzigartige Gelegenheit, sich mit Kollegen mit ähnlichen Forschungsinteressen auszutauschen oder Wissenschaftler persönlich kennenzulernen, deren Aufsätze oder Bücher man gelesen hatte. Der Mathematikprofessor Victor August Julius aus Utrecht etwa, ein begeisterter Leser der akustischen Studien von Helmholtz und Koenig, nutzte in Heidelberg die Chance, Helmholtz zu begegnen. Und auch Rudolph Koenig und Helmholtz trafen erneut zusammen (sie hatten sich 1881 in Paris kennengelernt), als Helmholtz den Vorsitz über eine Sitzung führte, in der Koenig seine neuesten Arbeiten zu Klangfarben und Schwebungen vorstellte. Helmholtz konnten Koenigs Ergebnisse auch dieses Mal
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nicht überzeugen und ihre Kontroverse über Kombinations- und Schwebungstöne blieb ungelöst. Koenig versuchte, Helmholtz auf das Thema anzusprechen, der aber zeigte wenig Interesse an einer Diskussion. Hertz für seinen Teil befand, in Heidelberg habe auch ein Regentag sein Gutes, denn dann könne man »um so gemütlicher zusammen mit den Fachgenossen« plaudern.16 Das gemeinsame Essen und das entspannte Zusammensein waren den Teilnehmern sehr wichtig. Bedeutend war die Zusammenkunft auch durch die Anwesenheit von Thomas Edison. Nach dem Besuch der Pariser Weltausstellung war er nach Berlin gereist, um dort unter anderem Helmholtz zu treffen. Er schrieb: In Berlin besichtigte ich alles Sehenswerte, und auf meinem Heimweg dann fuhr ich mit Helmholtz und Siemens in einem privaten Abteil zum Treffen der Deutschen Wissenschaftlergesellschaft nach Heidelberg und verbrachte dort zwei Tage. Als die Reise ab Berlin losging, fing ich an, amerikanische Geschichten zu erzählen. Siemens mochte diese Geschichten sehr und lachte ungeheuer, denn dank seiner Vorstellungskraft erkannte er den Sinn und Humor, Helmholtz aber konnte keins von beidem erkennen. Siemens erklärte dann schnell auf Deutsch, worum es ging, aber Helmholtz begriff es nicht, obwohl er Englisch verstand, das Siemens auch sprechen konnte. Dennoch wurden die Erklärungen auf Deutsch gegeben. Am ersten Abend in Heidelberg aßen die drei Männer (und Edisons Frau) im Schlosshotel mit Blick über die Stadt. Seiner Frau schrieb Helmholtz über Edison: »Er ist ein bartloser, Napoleon I. etwas ähnlicher, nur gutmütigerer Mann mit sehr klugen Augen.« Nach dem Essen begab sich die kleine Gruppe ins Heidelberger Museum, um eine Demonstration des neuartigen Phonographen zu erleben. Dicht umringt von Neugierigen ließen sie sich Edisons Apparat von seinem Assistenten vorführen. Dessen Klang war »ausserordentlich deutlich«, wie Helmholtz fand. Man hörte unter anderem »den Radetzkymarsch, ausgeführt von einer vollbesetzten Militärkapelle, so dass man die einzelnen Instrumente heraushören konnte«. Edison versprach, Helmholtz einen Phonographen zu schicken – tatsächlich übersandte er dann fünf. Jeweils einer war für Helmholtz und Siemens gedacht, die anderen drei gingen an die Urania und die Reichsanstalt, um sie dort auszustellen und vor Wissenschaftlern oder interessiertem Publikum vorzuführen. In der Reichsanstalt testete Joachim den Phonographen mit seiner Geige, und auch Gesang wurde mit dem Apparat aufgenommen. Helmholtz berichtete Edison davon und auch von den neuesten akustischen Experimenten, welche von wissenschaftlicher Seite mit Edisons Phonographen durchgeführt worden waren (so hatte er etwa Teile seiner früheren theoretischen Arbeit über Töne bestätigt gefunden), und von dessen jüngsten technischen Modifikationen. »Kurzum«, schrieb Helmholtz seinem Kollegen,
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sei dessen Erfindung »in Deutschland absolut und überall King of the Day«. Edison arbeitete da bereits an einer Weiterentwicklung seines Prototypen und teilte Helmholtz über seinen Privatsekretär mit, dass er ihm den verbesserten Apparat nach dessen Fertigstellung zuschicken lassen werde.17 Der dritte und intellektuell betrachtet mit Abstand wichtigste Faktor aber, der die Heidelberger Versammlung zu einem historischen Ereignis machte, war die Plenarrede von Hertz über die »Beziehungen zwischen Licht und Elektrizität«. Sie behandelte seine aktuellen Ergebnisse zu Maxwells Theorie und deren experimentellem Beweis in Form von elektrischen Wellen. Hertz zeigte, dass Licht tatsächlich ein elektromagnetisches Phänomen war, dass Licht und Elektrizität identisch waren – genau so, wie Maxwell es die ganze Zeit vorausgesagt hatte. Hertz’ großes Anliegen, so erklärte er einmal seinen Eltern gegenüber, war die Einheit der Physik. Helmholtz selbst hielt aus dem Stegreif eine Eröffnungsrede, doch es war eindeutig Hertz’ einstündiger Vortrag über seine neu entdeckten elektrischen Wellen, der den intellektuellen Höhepunkt der Versammlung bildete. Helmholtz zeigte sich sehr beeindruckt von der Rede. Am Abend hielt er zunächst seinen eigenen Vortrag auf Papier fest, dann schloss er sich den Bankettgästen im Museum an.18 Ein vierter und letzter Grund für den historischen Charakter des Treffens lag in dem organisatorischen Wandel, der innerhalb der Wissenschaftlervereinigung angestoßen wurde. Die Gesellschaft war immer recht locker organisiert gewesen, aber nun wurden die Jahresversammlung in ihrer bisherigen Form und die gesamte Organisationsstruktur diskutiert. Die Reformpartei führte Virchow an, der seit Längerem als De-facto-Vorsitzender der Gesellschaft fungierte. Seine stärksten Unterstützer fand er in Helmholtz, Hofmann, Bergmann und Wilhelm His. Die Gruppe verlangte wesentliche Änderungen am Statut und eine Straffung der Organisation: Man wollte regelmäßig einen Tätigkeitsbericht veröffentlichten, der Gesellschaft einen festen Standort geben und ihr generell eine stärkere öffentliche Präsenz verleihen, wie dies bei der BAAS der Fall war. Die Reformer konnten sich durchsetzen und die Gesellschaft ging erneuert aus der Debatte hervor.19
Montpellier Im Dezember 1889 reiste Anna von Helmholtz allein für einen längeren Aufenthalt nach Frankreich. In Cannes verkehrte sie fast vier Monate lang in elitären Kreisen und versuchte, den Schmerz über Roberts Tod zu lindern. Noch nie waren Hermann und sie so lange voneinander getrennt gewesen: Sie vermisste ihn schrecklich. Am Palmsonntag dann kam er zu ihr nach Cannes. »Auch auf ihm lastet eine grosse Müdigkeit«, spürte sie. In Antibes kam Helmholtz zur Ruhe und fand sein Gleichgewicht wieder. »Er braucht mich als Zwischenglied zwischen sich und der Aussenwelt«, schrieb sie Ellen, »und hat mich zu lange entbehren müssen.«20
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Anfang Mai kehrten die beiden nach Berlin zurück, planten aber, Ende des Monats wieder in Frankreich zu sein, denn Helmholtz war zum offiziellen Repräsentanten der Berliner Universität für die bevorstehende Sechshundertjahrfeier der Université de Montpellier ernannt worden. Anna und er reisten gemeinsam nach Paris. Sie fuhren den Eiffelturm hinauf – er hatte nur ein Jahr zuvor eröffnet – und legten auf jeder Etage einen Halt ein, um den Ausblick zu genießen. Anschließend besuchten sie im Salon du Champ-de-Mars eine Ausstellung mit Bildern von JeanLouis-Ernst Meissonier, Carolus-Duran und verschiedenen Impressionisten. Helmholtz begleitete Anna nach Vert Bois und ließ sie dann acht Tage allein, da er nach Montpellier reiste.21 Die Feierlichkeiten an der dortigen Universität erstreckten sich über vier Tage und brachten mehr als 200 000 Besucher in die Stadt, darunter Politiker (allen voran Staatspräsident Sadi Carnot), ranghohe Militärs und viele führende Akademiker aus dem In- und Ausland. So ergab sich eine interessante Mischung aus Politik und Wissenschaft. (Helmholtz war sicher nicht entgangen, dass Präsident Marie François Sadi Carnot der Neffe des Ingenieurs und Physikers Nicolas Léonard Sadi Carnot war, des Begründers der Thermodynamik, der wiederum den bekannten Mathematiker, Ingenieur und Politiker Lazare Carnot zum Vater hatte.) Am Bahnhof von Montpellier wartete eine studentische Abordnung auf Helmholtz. Einer der Studenten erblickte einen »schlichten älteren Herrn«, der sich suchend umschaute, weshalb die Studenten untereinander berieten, ob der Mann nicht einer der Jubiläumsgäste sein könne und ob sie ihn also ansprechen sollten – die meisten waren dagegen. Einer von ihnen ging dann doch auf Helmholtz zu, der beinahe entschuldigend um Auskunft bat, wo sich denn der Veranstaltungsort befinde. Der Angesprochene stellte sich als deutscher Medizinstudent vor, worauf Helmholtz bescheiden geantwortet haben soll: »Es freut mich, hier unter den Studenten einen Landmann zu finden. Mein Name ist Helmholtz.« Als sich die Nachricht von seiner Ankunft dann wie ein Lauffeuer ausbreitete, gab es spontanen, herzlichen Beifall auf dem Bahnsteig. Zu seinem Empfang stand auch Charles-Paul-Henri Gide bereit, der als Professor für politische Ökonomie an der juristischen Fakultät der Universität tätig war. Gide und seine aus der Schweiz stammende Frau geleiteten Helmholtz zu ihrem Haus, wo er für die Tage in Montpellier ihr Gast war.22 Er fühlte sich dort sehr wohl – vor allem, da sein Zimmer einen Balkon zur Straße hatte. Er war freudig überrascht, dort nicht nur französische, belgische und italienische Fahnen, sondern auch die deutsche Flagge wehen zu sehen: »zum ersten Male … seit zwanzig Jahren«. An seinem ersten Tag aß er mit anderen Delegierten zu Mittag, bevor die Eröffnungsfeier begann. Am Abend saß er mit dem Zoologen Armand Sabatier von der Universität Montpellier zu Tisch, er lernte den Kanzler der Universität kennen, und auch einen Professor aus Marseille, der wie Helmholtz’ Großmutter den Namen Sauvage trug. Am Tag darauf traf er zum Mittages-
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sen mit André Prosper Crova, der Physikprofessor in Montpellier war, zusammen und nahm dann an der »feierlichen Sitzung« mit Präsident Carnot teil. Sie fand auf Le Peyrou statt, dem höchsten Punkt der Stadt, und Helmholtz konnte von dort zugleich das Meer und den Mont Ventoux sehen.23 Später berichtete Helmholtz dem preußischen Staatsminister von Bötticher, worüber er in seiner Ansprache im Rahmen der Festivitäten gesprochen hatte. Eingangs habe er festgestellt, die Zusammenkunft in Montpellier sei der Beweis, dass »unter dem Einfluss der richtigen naturwissenschaftlichen Methode« die alten »theoretischen Gegensätze« zwischen konservativen und linken Einstellungen in der Medizin verschwunden seien. Und weiter habe er gesagt: »Diese einigende Kraft der Wissenschaft aber habe viel allgemeinere und umfassendere Bedeutung. Keiner von uns könne wissenschaftlich arbeiten und irgendein werthvolles Ergebniss erreichen, ohne dass der Vortheil davon nicht bloss seiner Nation, sondern bald auch der ganzen civilisierten Menschheit zufliesse. Die sämmtlichen Nationen, die an der Arbeit der Wissenschaft Theil nehmen, hätten ein gemeinsames Arbeitsfeld und unterstützten sich nothwendig gegenseitig. Diese Erkenntniss werde am Ende doch durchdringen und ein befreundetes Verhältniss darstellen müssen.« Geschlossen habe er seine Ansprache »mit dem Hinweis, dass die Medicin es namentlich sei, die diesen friedenstiftenden Beruf der Wissenschaft schon längst ausübe und vor die Augen der Welt bringe«. Darauf habe er ein »Hoch auf die einigende Kraft der Wissenschaft« ausgesprochen.24 Den Abschluss der Feierlichkeiten bildete ein Festzug, der am 25. Mai unter einem gigantischen Zelt auf Le Peyrou stattfand. Es herrschte schönstes Wetter und Helmholtz hatte den Eindruck, als sei ein Gemälde von Tizian oder Veronese zum Leben erwacht. Die bunten Professorentrachten taten ein Übriges zur Vervollkommnung des Bildes. Helmholtz fand das Ereignis »zauberhaft schön«. Aber auch die Reden gefielen ihm. »Im Ganzen ist es mir sehr gut gegangen. Ich bin mit Zuvorkommenheiten überhäuft worden, habe Schmeicheleien schlucken müssen, wie kaum je zuvor und habe dabei doch den Eindruck, dass ich politisch ein gutes Werk gethan habe.« Am nächsten Tag verließ er Montpellier. Albert Vigié, der Dekan der juristischen Fakultät, bedankte sich später noch einmal schriftlich im Namen der gesamten Rechtswissenschaft für Helmholtz’ Besuch. Auch von Louis Lortet, dem Zoologieprofessor aus Lyon, erhielt Helmholtz einen Brief, in dem dieser bedauerte, Helmholtz beim Bankett der medizinischen Fakultät verpasst zu haben, weil er Montpellier früher hatte verlassen müssen. Ansonsten hätte er ihm im Namen der Lyoner Fakultät persönlich versichert, »wie hoch wir Ihre Person und Ihre beeindruckende Arbeit schätzen«. Er hoffe übrigens sehr, »die Bemühungen der Wissenschaftler« würden sich als erfolgreicher erweisen als die der »Politiker, welche die Schicksale der Menschheit lenken«.25 Mit diesem Gefühl war er nicht allein.
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Die Nicht-Reform der preußischen Schulen In diesem Herbst hatte Helmholtz die heikle Aufgabe, das preußische Schulsystem zu evaluieren. Preußens Führung war immer bestrebt gewesen, den Zugang zum Bildungssystem zu begrenzen. Nur der relativ kleine Kreis von Gymnasialabsolventen kam für eine Beamtenprüfung für den mittleren Dienst in Betracht, und nur Kandidaten mit Universitätsabschluss konnten sich für den höheren Dienst bewerben. Denker wie Hegel und Macher wie Bismarck verlangten gleichermaßen von der Bildung, dass sie dem Staat zu dienen habe. Als am 8. Dezember 1890 die erste preußische Schulkonferenz zusammentrat (Bismarck war im März entlassen worden), war die Sorge um das Schulsystem und das wachsende akademische Proletariat, das es hervorbrachte, längst gegenwärtig.26 Verschiedene europäische Politiker legten Wert auf Helmholtz’ Meinung und baten um seinen Rat in Sachen Bildung und Wissenschaft – so auch der französische Bildungsminister Victor Duruy und sein italienischer Kollege Ruggiero Bonghi, der auch der erste Direktor des Mailänder Polytechnischen Instituts war. Und 1885 erkundigte sich John Tyndall bei Helmholtz, wo genau es nochmal gewesen sei, dass er sich zu dem kulturellen Nutzen geäußert habe, der aus Wissenschaft und Sprache erwachse. Helmholtz verwies ihn auf seine Heidelberger Rede von 1862 über die Beziehungen unter den Wissenschaften. In den dazwischenliegenden 28 Jahren hatte sich seine Meinung nicht sonderlich gewandelt. Er war wenig beeindruckt von der Leistung der Realgymnasien (die dem altsprachlichen Zweig weniger, den Naturwissenschaften mehr Raum gaben). Auf die Absolventen der klassischen humanistischen Gymnasien, die später als Studenten in seinem Labor standen, hielt er größere Stücke als auf die Realgymnasiasten, obgleich er gegenüber Tyndall eingestand, dass Letztere auf die Anforderungen in Mathematik und Physik besser vorbereitet seien. Doch habe er Schwierigkeiten, die Abgänger der Realgymnasien zum eigenständigen Denken anzuregen. Und so äußerte er die Sorge, »dass die Mitglieder derjenigen Stände, welche die geistigen und politischen Interessen der Nation zu vertreten haben, mit derjenigen Art des Denkens, welch die größten Erfolge gehabt und die größte und sicherste Consequenz entwickelt hat, und mit den Grundlagen unserer Naturkenntniss, auf denen wesentlich die Macht der civilisirten Völker beruht, so gut wie gänzlich unbekannt bleiben«.27 Auch die politische Führung Preußens interessierte sich für Helmholtz’ Ansichten zur Bildung. Einen Anlass zur Einholung von Expertise boten insbesondere die Bestrebungen Wilhelms II. zu einer Reform der höheren Schulen. Der Wunsch nach einer Neuordnung bestand seit den 1870er-Jahren und wurde von verschiedenen Gruppen unterstützt. Der Kaiser selbst erhoffte sich von einer Schulreform vor allem eine Stärkung des nationalistischen und patriotischen Geistes und die Bekämpfung sozialistischer Bestrebungen. Ihm war zuvorderst daran gelegen, dass man in
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den Gymnasien mehr Deutsch (und weniger Latein) lehrte und die moderne deutsche (und preußische) Geschichte inklusive der Rolle der preußischen Monarchie in den Vordergrund rückte. Unter dem Vorsitz von Gustav von Gossler wurde dann im Dezember 1890 eine Konferenz im Kultusministerium abgehalten. Der Kaiser und das Ministerium hatten einen Fragenkatalog zusammengestellt, den sie einem sorgfältig ausgewählten Expertenkreis vorlegten. Als eines der 44 Mitglieder der Kommission äußerte sich Helmholtz zur Eignung von Absolventen der höheren Schulen für das Universitätsstudium in den Naturwissenschaften. Zusammen mit Virchow war er der einzige Vertreter des naturwissenschaftlichen Zweigs (Koch hatte seine Teilnahme abgesagt). Die große Mehrheit der Kommissionsmitglieder trat dafür ein, den Status quo (also die Privilegien) bei den Gymnasien beizubehalten und die Absolventen der Realgymnasien von einem Hochschulstudium auszuschließen. Damit tat sich der Beraterstab gewiss nicht als besonders aufgeschlossen oder reformfreudig hervor.28 In seiner Stellungnahme sprach sich Helmholtz grundsätzlich dafür aus, dass die besten Schüler auch die beste Ausbildung erhalten sollten. Er versicherte, »das beste Mittel nun, um die beste Geistesbildung zu ertheilen« sei das Erlernen alter Sprachen. Besonders das Griechische bereite die Schüler auf das Studium der Naturwissenschaften vor, denn es fördere »die feine Bildung des Geschmackes«. Helmholtz erläuterte, er lehre nun seit 17 Jahren Physik und habe bei 400 bis 600 Studenten jährlich (mit dieser Zahl übertrieb er wohl) Prüfungen abgenommen und viele von ihnen auch bei der Laborarbeit erlebt. Daher könne er »über die Geistesrichtung und Geistesfähigkeit verschieden unterrichteter Schüler ziemlich gute Vergleichungen« anstellen. Etwa ein Drittel seiner Studenten seien Medizinstudenten mit guter mathematischer Vorbildung. Ein weiteres Drittel benötige mehr Vorbereitung in Mathematik, Physik und anderen Naturwissenschaften. Dennoch sah Helmholtz in den klassischen humanistischen Fächern die wertvollste Ausbildung und mochte lieber andere Bereiche einschränken als diese. Obwohl die Absolventen der Realgymnasien in Mathematik und Naturwissenschaften firmer seien als jene der klassischen Gymnasien und ihnen daher die ersten beiden Studiensemester leichter fielen, pflege sich am Ende des zweiten Studienjahres herauszustellen, dass die humanistisch gebildeten Schüler einen entscheidenden Vorteil darin hätten, dass sie unabhängiger arbeiten könnten. Natürlich gebe es immer Ausnahmen, räumte Helmholtz ein, und bei besonders talentierten Studenten spiele es kaum eine Rolle, welches Gymnasium sie besucht hätten. In jedem Fall sah er keine Notwendigkeit, die mathematische Bildung in Gymnasien zu reformieren.29 Das wichtigste Bildungsgut, das ein Gymnasium vermittle, war für ihn »eine humane Bildung […], dass die Leute die klassische Sinnesweise, Schriftsteller und Kunstwerke lieben lernen«. Doch wies er auch darauf hin, dass die Schüler die deutsche Sprache besser beherrschen müssten. Wenn er schriftliche Berichte von La-
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borstudenten bekomme, so müsse er diese manchmal drei bis vier Mal zurückgeben, bis er einen ordentlichen Text mit sauber dargelegten Fakten und passenden Schlussfolgerungen erhalte. Helmholtz war sogar der Ansicht, dass es auch manchen Kollegen an der Fähigkeit mangele, etwa einen logisch strukturierten Bericht zu verfassen. Dabei betrachtete er sich selbst keineswegs als jeder Kritik enthoben: »Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie viel Mühe es mir später gemacht hat, als ich die Nothwendigkeit strengen Ausdrucks kennen lernte, mir selbst zu helfen, wie oft ich mein Manuskript umgeschrieben habe, ehe ich vollständig zufrieden war; ich habe es immer wieder liegen lassen und wenn es mir fremd geworden war, habe ich es wieder gelesen, bis ich keine Fehler mehr fand.« Aus seiner eigenen Gymnasialzeit berichtete er, dass die Schüler damals freier hätten wählen können, welche klassischen Autoren ihnen zusagten. Das Problem heute sei aber nicht, dass den Gymnasiasten zu viel Stoff aufgebürdet würde, sondern dass viele Schüler ganz einfach nicht ans Gymnasium gehörten. In Bezug auf das Studium der modernen wie der alten Sprachen habe das elitäre höhere Schulwesen in England und Frankreich mittlerweile das deutsche Niveau erreicht, wenn nicht gar übertroffen. Manche seiner Studenten aus Großbritannien oder auch den USA seien jedenfalls besser als ihre deutschen Kommilitonen in der Lage, ordentliche und präzise Laborberichte zu verfassen.30 Helmholtz wünschte sich zudem, dass mathematische Theoreme gründlicher diskutiert und schriftlich ausgearbeitet werden sollten: »Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass ich mich niemals sicher fühle, wenn ich einen neuen mathematischen Satz herausgearbeitet habe, ehe ich ihn aufgeschrieben habe. Man kommt zu wirklicher Kontrolle der Richtigkeit des mathematischen Raisonnements erst, wenn man alles genau zu Papier gebracht hat.« Der Sprachunterricht fördere ein ausgeprägtes »Sprachgefühl«, daneben gebe es aber »die eigentliche reine Verstandesthätigkeit«, die ein Naturverständnis, also Faktenkenntnis im Verbund mit methodischer Sicherheit, verlange. Sprache sei sehr wohl geeignet, logische Zusammenhänge auszudrücken, aber sie sei eben auch willkürlich und voller Ausnahmen, während die Gesetze der Naturwissenschaft gerade keine Ausnahmen erlaubten. Die Studenten der Geisteswissenschaften müssten zumindest einen Blick dafür entwickeln, wie die Naturwissenschaften arbeiteten: »Wie oft passirt es mir, dass ich versuche, irgend einem literarisch unterrichteten Manne einen mir relativ leicht erscheinenden Satz aus den Naturwissenschaften auseinanderzusetzen, und dass ich die Erfahrung mache: der Mann versteht mich gar nicht. Ich habe gar keinen Anhaltspunkt für ihn, und es ist nicht bloss Unkenntniss des Stoffs, sondern sie haben nicht gelernt, die Thatsachen als solche in ihrer unbedingten Zuverlässigkeit anzuerkennen und damit zu rechnen.« Nach Helmholtz’ Einschätzung hingen bis kurz nach 1800 viele Gebildete einem »falschen Rationalismus« an – und dies gelte aktuell noch genauso für die »ungebildeteren Klassen«. Sie verstünden
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schlicht nicht den Unterschied zwischen einem reinen Wortspiel und dem wirklichen Verständnis der Ursachen von Naturphänomenen. Bildung habe daher »das Verständniss zu eröffnen für die Anwendung dieser Geisteskräfte und Methoden, welche zu faktisch enorm wichtigen Resultaten geführt haben, deren Wichtigkeit jetzt unser ganzes Leben beherrscht«. Das beinhaltete eine stärkere Betonung der mathematischen Bildung. Dies waren seiner Ansicht nach die Hauptanliegen, derer sich die deutschen Gymnasien annehmen müssten.31 Helmholtz’ Ansichten zur höheren Schulbildung waren im Wesentlichen noch dieselben, die er beinahe dreißig Jahre zuvor in seiner Heidelberger Rede vorgetragen hatte. Ohne die persönliche Intervention des Kaisers (die mehrheitlich auf Ablehnung stieß) wäre dieser Schulkonferenz wohl nur wenig Beachtung geschenkt worden. Das Ministerium beschloss unter anderem, die Realgymnasien abzuschaffen, doch gegen diese Entscheidung formierte sich Widerstand im Reichstag, den liberale wie auch konservative Kräfte unterstützten. Auch die Berliner Universität reichte eine Petition mit 69 Unterschriften ein (darunter die von Dilthey, Helmholtz, Mommsen, Schmoller, Treitschke und Virchow), die sich gegen den Beschluss aussprach. Man befürchtete, dass mit einer solchen Entscheidung den Kirchen als den Gegnern eines »aufgeklärten« Deutschlands zu großer Einfluss gewährt würde. Am Ende wurden seitens des Ministeriums nur wenige neue Bestimmungen durchgesetzt (zu denen mehr Deutsch- und weniger Lateinunterricht gehörte). Gossler trat ab, und Wilhelm und sein neuer Kanzler Leo von Caprivi legten ihre Reformbestrebungen vorerst auf Eis.32
Alles Helmholtz: Stiftung, Medaille und Büste Im Juni 1891 stellten Helmholtz und Mommsen ein Komitee auf die Beine, das eine Feier zum 20. Jahrestag des Deutsch-Französischen Krieges und der deutschen Reichsgründung organisieren sollte. Helmholtz schlug vor, man solle König Albert von Sachsen, den deutschen Kriegsminister General Julius von Verduy du Vernois und Bismarck an Bord holen, »der offenbar vom innersten Wesen des Kriegs mehr weiss, als sämmtliche Generale zusammengenommen«. Helmholtz dachte offenbar besser von Bismarck als dieser von ihm: Der antiintellektuelle ehemalige Reichskanzler konnte sich nicht einmal an Helmholtz’ Namen erinnern – es sei denn, um ihn zusammen mit Virchow und du Bois-Reymond gedanklich in ein Dreierpack von besserwisserischen Professoren zu stecken, die nicht einmal die wahren Ursachen der Dinge nennen könnten.33 Helmholtz’ Organisationsbemühungen reichten am Ende nicht weiter als Bismarcks Kenntnis der Wissenschaften. In diesem Jahr stand außerdem Helmholtz’ 70. Geburtstag an. Kollegen und Freunde wollten dies zum Anlass nehmen, seine wissenschaftlichen und kulturellen Leistungen zu ehren, indem sie eine Stiftung auf seinen Namen gründeten, die in Zukunft eine Helmholtz-Medaille verleihen würde. Zudem sollte eine Marmorbüste
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von Helmholtz in Auftrag gegeben werden. Zur Finanzierung von Stiftung, Medaille und Büste bildete man ein Komitee aus 172 Mitgliedern, das unter der Leitung von du Bois-Reymond, Leopold Kronecker, Kundt, Ernst von Mendelssohn-Bartholdy und Zeller stand. Zusammen warb man bei Wissenschaftlern und anderen Persönlichkeiten um finanzielle und ideelle Unterstützung. Die meisten Beiträge kamen aus Deutschland, doch auch aus dem Ausland erhielt das Komitee Spenden – insgesamt beteiligten sich etwa 700 Einzelpersonen und Organisationen.34 Die Akademie der Wissenschaften erklärte sich bereit, die Verwaltung der Stiftung zu übernehmen, und so formulierten die beiden Sekretäre der Akademie gemeinsam mit Helmholtz und Kronecker eine Satzung. Zweck der Stiftung sollte sein, herausragende Wissenschaftler auf Gebieten, die von der physikalisch-mathematischen Klasse der Akademie abgedeckt wurden, oder auf dem Feld der Erkenntnistheorie auszuzeichnen. Dazu sollte eine recht beeindruckende, 620 Gramm schwere Goldmedaille verliehen werden, die auf der einen Seite ein Porträt von Helmholtz und auf der anderen den Namen des Ausgezeichneten und eine kurze Information zu dessen Leistungen trug. Man plante, ab 1898 alle zwei Jahre eine Helmholtz-Medaille zu vergeben.35 Die Auszeichnung sollte also Leistungen auf jenen Gebieten gelten, auf denen auch Helmholtz tätig gewesen war. Der Namengeber wirkte nicht nur an der Ausarbeitung der Satzung mit, sondern sprach außerdem eine Empfehlung aus, an wen die ersten vier Medaillen verliehen werden sollten. So ging die Auszeichnung 1892 an du Bois-Reymond (Physiologie), Weierstrass (Mathematik), Bunsen (Chemie) und Thomson (Physik) und damit an seine engsten Kollegen und Freunde. Die vier sollten dann den Grundstock eines Kollegiums bilden, das über die künftige Vergabe der Medaille entscheiden würde.36 Die Ehrung von Freunden, deren wissenschaftliche Leistungen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurücklagen, war indes kein vielversprechender Anfang. Obgleich die erste Helmholtz-Medaille fast neun Jahre vor dem ersten Nobelpreis (1901) verliehen wurde, reichte sie nie an dessen Bedeutung heran. Die Marmorbüste war eine Arbeit des Bildhauers Adolf von Hildebrand, der bereits viele Büsten oder Reliefs von Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft des kaiserlichen Deutschlands geschaffen hatte. Helmholtz schätzte den Bildhauer und Medailleur sehr, und Anfang 1891 äußerte auch Hildebrand gegenüber einem Freund, der Auftrag sei ihm »sehr viel werth« und eine »schöne Gelegenheit, diesem Mann näher zu kommen«. Die beiden Männer verstanden sich auf Anhieb. Die ersten Modellsitzungen fanden in Florenz statt, und der dortige Bürgermeister lud Helmholtz, Hildebrand und weitere Wissenschaftler und Künstler zu einer Besichtigung des Palazzo Vecchio ein. Daraufhin schrieb Hildebrand seinem Freund Conrad Fiedler über Helmholtz: »Mit ihm konnte ich mich gut verstehn, leider konnte ich ihn nicht mehr viel sprechen, als die Frau Helmholtz nach-
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kam.« Anna von Helmholtz schränkte die Gespräche zwischen den beiden ein, da sie wohl befürchtete, die Sitzungen würden für ihren Mann zu anstrengend. Hildebrand aber schätzte den Austausch sehr.37 Während Hildebrand an der Büste weiterarbeitete, verbrachten die Helmholtzens gemeinsame Urlaubstage in Italien und Österreich. Am 31. August 1891 feierte die Familie in Madonna di Campiglio in den Dolomiten seinen 70. Geburtstag. Gegenüber Ludwig, den er als seine »Hauptautorität« auf dem Gebiet der Physiologie betrachtete, gestand Helmholtz, die Familienfeier sei »gänzlich misslungen«. Immerhin erreichten ihn enorme Mengen an Geburtstagsgrüßen: Neben rund 190 Telegrammen kamen unendlich viele Briefe und Geschenke in Italien an. Dennoch waren einige Familienmitglieder darüber irritiert, dass der neue preußische Kultusminister Robert Graf von Zedlitz nicht erschien und offenbar auch den Kaiser nicht von dem Ereignis unterrichtet hatte. Der König von Schweden dagegen war über den runden Geburtstag im Bilde und verlieh Helmholtz zu diesem Anlass den Großstern des Nordstern-Ordens. Kundt und Hertz verfassten Zeitungsartikel, die das Loblied auf Helmholtz’ Persönlichkeit und seine wissenschaftlichen, medizinischen und anderweitigen Leistungen für die Allgemeinheit sangen. Die Londoner Zeitschrift Electrician hatte Helmholtz schon im Vorhinein angekündigt, dass die Augustausgabe ihm anlässlich des Jubiläums eine biographische Notiz inklusive Porträt widmen werde. Geschrieben wurde die Notiz (lies: Eloge) von Hugo Kronecker.38 Schon bevor die Geburtstagsgrüße eintrafen, fühlte sich Helmholtz überfordert von all der zeitraubenden Korrespondenz. Gegenüber dem Historiker Alfred Dove (dem Sohn von Heinrich Wilhelm Dove und Herausgeber der Allgemeinen Zeitung) klagte er, viele dieser belanglosen oder gar »thörischen« Briefe könnten auf eine Antwort zwar warten. »Aber die Zeit und Kraft des Menschen ist endlich«, fuhr er fort, »und je mehr man das sogenannte Glück hat bekannt zu werden, desto mehr wird man in die Defensive gedrängt, wobei die rücksichtsvollen und gern gesehenen Freunde schließlich doch mehr leiden müßen als die Zudringlichen und Thoren.«39 Im September schrieb Helmholtz seinem Freund Ludwig, er habe in den vergangenen zwei Wochen bei Hildebrand Modell gesessen, sei guter Gesundheit und gewappnet für die Geburtstagsfeierlichkeiten, die im November in Berlin zu seinen Ehren stattfinden sollten. Dennoch verspüre er »etwas gemischte Freude« mit Blick auf das Ereignis, das er kaum »ein Fest zu nennen« wage. Er fragte sich zudem, ob die Lobeshymnen auf ihn gerechtfertigt seien: »Abgesehen von allen Fragen der Eitelkeit ist es schliesslich für unser einen, der sein Leben lang schwer gearbeitet hat, doch eine berechtigte Frage: Ist das, was Du geleistet, nützlich und schätzenswerth? und diese können nur die Anderen beantworten, die davon Nutzen und Vortheil haben.«40
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An einem regnerischen Septemberabend kamen die Helmholtzens wieder in Berlin an. In den vergangenen zwei Wochen hatte Annas »Freund Lenbach« ihr »grünes Zimmer« renoviert, in dem sie nun Hildebrands Büste präsentieren wollte. Am 2. November gebe es keine Feier, erklärte Anna, sondern Helmholtz werde lediglich den Tag über Glückwünsche entgegennehmen und abends zu einem Festessen im »Kaiserhof« laden. Da dort aber keine Frauen zugegen sein würden, plante sie ihrerseits einen Empfang und »vielleicht auch ein dîner und dann ist es genug des grausamen Spiels«. Während der Monate November und Dezember wurde die Büste von Helmholtz in einer Berliner Galerie ausgestellt. Ein Hildebrand-Kenner sprach ihr monumentalen Charakter zu, und Marie von Bunsen befand, sie sei Hildebrands »Meisterwerk«.41 (Siehe Abb. 26.1.)
Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache Angesichts der öffentlichen Aufmerksamkeit rund um seinen 70. Geburtstag willigte Helmholtz in ein Interview ein, das Hanns von Zobeltitz, der Herausgeber von Daheim: Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen mit ihm führen wollte. In einer der vorigen Ausgaben hatte die Zeitschrift über Helmholtz’ wissenschaftliche Arbeit berichtet, nun sollte aus seinem Privat- und Alltagsleben erzählt werden.42 Als Zobeltitz frühmorgens zum Termin erschien, wurde er von einem Hausangestellten zu Anna von Helmholtz in den Salon geführt. Von ihr erfuhr er, dass ihr Mann früh aufstehe, denn die Vormittagsstunden seien »seine beste Arbeitszeit«. Eine erste Pause lege er etwa um ein Uhr ein, diese dauere bis etwa vier Uhr nachmittags. Dann widme er sich erneut der Arbeit, bis zum Abend, der meist der Entspannung und dem Familienleben vorbehalten sei. Zobeltitz bekam mitgeteilt, dass Helmholtz regelmäßig das Theater besuche, viel musiziere und bevorzugt die deutschen Klassiker lese. Seine Lieblingsautoren, ließ Anna wissen, seien Shakespeare und Goethe, »aber er stehe auch unserer modernen Litteratur keineswegs fremd gegenüber, es müsse nur nicht gerade Ibsen sein«. Helmholtz verehre Wagner: Er habe sich sehr gern mit ihm über Musik unterhalten, man habe dem Komponisten persönlich nahegestanden. An den Wänden des Salons hingen zwei Helmholtz-Porträts von Lenbach, zu denen Anna anmerkte, der Kopf ihres Mannes habe es dem Maler besonders angetan. Ein anderes Porträt von ihm (Abb. 26.2) war 1891 in Florenz entstanden. Wie Anna erklärte, gebe ihr Mann eigentlich keine Interviews, mache aber für Daheim eine Ausnahme: Somit führte sie Zobeltitz in Helmholtz’ Arbeitszimmer, einen recht großen, aber »schlichten« Raum, mit wohlgeordneten Bücherregalen an zwei Wänden und einem großen, beidseitig nutzbaren Eichenpult.43 (Siehe Abb. 26.3.) Zobeltitz hatte Helmholtz schon zehn Jahre zuvor für Daheim befragt und war bei diesem zweiten Treffen überrascht, wie wenig sich Helmholtz verändert hat-
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Abb. 26.1: Die 1891 von Adolf von Hildebrand geschaffene Marmorbüste von Hermann von Helmholtz. Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin.
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Abb. 26.2: Helmholtz 1891 (in Florenz). Deutsches Museum, München, Nr. 22197.
te: Seine Haltung sei immer noch aufrecht, das Gesicht habe einen frischen Ausdruck, und es begegneten ihm »dasselbe scharfblickende, durchdringende Augenpaar« und »dasselbe wohlwollende Lächeln auf den Lippen, die nie etwas lieber sprechen, als ein Wort warmer Anerkennung«. Gekrönt aber werde das Gesicht durch einen Kranz weißer Haare.44
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Abb. 26.3: Helmholtz’ Arbeitszimmer in der Präsidentenwohnung der Reichsanstalt, aus: Vom Fels zum Meer 14 (Oktober 1894 – März 1895), S. 118. Mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbibliothek Chicago.
Das Gespräch entspann sich wie von selbst, und so verzichtete Zobeltitz auf seine lange Liste vorbereiteter Fragen. Die beiden unterhielten sich zuerst über Helmholtz’ Jugend und frühen Berufsjahre. Helmholtz erinnerte sich noch lebhaft, wie er etwa 44 Jahre zuvor seine Abhandlung über die Erhaltung der Kraft an Poggendorfs Annalen geschickt hatte: »Es ging mir, wie anderen jungen Autoren auch: sie wurde einfach abgelehnt.« In seinem späteren Artikel berichtete Zobeltitz auch über die Erfindung des Ophthalmoskops: Helmholtz hatte es dem alten Jüngken, »unseren damals bekanntesten Augenartzt«, geschickt, der nichts mit dem Instrument anzufangen gewusst habe und es »ziemlich mißmutig« retourniert habe. Es bedurfte des Geschicks und der Aufgeschlossenheit des jungen Graefe, so erzählte Helmholtz, um den Nutzen des Ophthalmoskops zu erkennen und seine Möglichkeiten zu nutzen.45 Zobeltitz erkundigte sich bei Helmholtz, ob sein wissenschaftliches Bemühen um die physiologische Akustik und seine Musikliebe miteinander zu tun hätten:
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»Dieser Zusammenhang ist zweifellos, bestätigte der Herr Geheimrat.« Als Jugendlicher habe er »trotz« seines Klavierlehrers die Musik lieben gelernt. Während seines Studiums habe er dann Bekanntschaft mit dem Werk Glucks gemacht: »und zumal seine Armide begeisterte mich derart, daß sie mich wieder an das Klavier zwang«. Er betrachte Gluck als »den echten Vorläufer Richard Wagners«. Neben dem Klavierspiel hatte sich Helmholtz nach eigenem Bekunden aus wissenschaftlichen wie ästhetischen Gründen an verschiedenen Instrumenten versucht. Auch dem Theater räumte er einen hohen Stellenwert in seinem Leben ein, sei es doch »die sicherste und angenehmste Art, mich nach angestrengter Arbeit aus meinen Gedankenreihen loszulösen, was mir sonst oft sehr schwer fällt«.46 Nachdem sich Zobeltitz und Helmholtz eine Weile über die Heidelberger Jahre ausgetauscht hatten, ging es zuletzt um Helmholtz’ Bestreben, Wissenschaft allgemein verständlich darzubieten. Zobeltitz erzählte, er habe immer bewundert, wie Helmholtz durch seine »meisterhaft klaren Vorträge« das wissenschaftliche Denken »zum bleibenden Besitz der Gebildeten unseres Volkes« gemacht und in breiten Kreisen »die Liebe zu den Naturwissenschaften« und »das Verständnis für ihr Studium« geweckt habe. Daraufhin führte Helmholtz aus: Meine Vorträge haben mir viel Freude gemacht […] Die Schwierigkeit, im guten Sinn populär zu sein, liegt wesentlich in der so sehr mannigfachen Zusammensetzung des Auditoriums, man weiß nie genau, welche Grundlagen man als bekannt voraussetzen darf. Daher bedingen sie auch eine höchst sorgfältige, zeitraubende Vorarbeit, und dies ist wohl einer der Gründe, weshalb sich so wenig Forscher dazu gern verstehen, vor einem Laienauditorium zu sprechen. Unsere Zeit ist eben ein kostbares Ding. Und anderseits ist der Erfolg des gesprochenen Wortes bei solch einem Vortrag hoch fraglich – anders und besser, nachhaltiger wirkt derselbe schon, wenn er gedruckt vorliegt«.47 Helmholtz wusste offensichtlich um die Bedürfnisse von Zuhörern wie Lesern. Nach beendetem Interview kehrte Zobeltitz zu Anna in den Salon zurück, wo die beiden sich noch kurz über die Feierlichkeiten zu Helmholtz’ 70. Geburtstag und über die Helmholtz-Stiftung unterhielten. Anna sprach »mit rührender Bescheidenheit« über diese Dinge, fand Zobeltitz, »und doch zugleich mit der sichtbaren Freude einer Frau, die auf ihren Gatten stolz ist«. Zum Schluss zeigte sie Zobeltitz die Medaillen, die man Helmholtz im Laufe seiner Karriere verliehen hatte, allen voran die Graefe-Medaille, und merkte noch an, dass durch die neue Stiftung nun ja auch eine Helmholtz-Medaille geschaffen werde.48 Mit Zobeltitz’ Artikel war die Bewerbung des Jubiläums abgeschlossen und die offiziellen Feierlichkeiten konnten beginnen.
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Die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag Da Helmholtz’ Geburtstag am 31. August in die Ferienzeit fiel, verlegte man die offizielle Feier auf den 2. November – den Tag, an dem ihm 49 Jahre zuvor sein Doktortitel in der Medizin verliehen worden war. In den Wochen vor und nach dem Ereignis erhielt Helmholtz erneut Dutzende von persönlichen und offiziellen Glückwunschschreiben. Insgesamt zwanzig medizinische, musikalische, wissenschaftliche oder technische Vereine und Institute trugen ihm ihre Ehrenmitgliedschaft an. Würdigungen erreichten ihn nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Belgien, Italien, den Niederlanden, aus Kongresspolen, Russland, Schweden, der Schweiz und vielen anderen Orten. Helmholtz wurde zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt Potsdam ernannt und erhielt die Ehrendoktorwürde der Universität Utrecht. Die Geburtstagsfeier war also ein internationales Ereignis. Helmholtz hatte so vielen Personen und Institutionen für ihre Glückwünsche zu danken, dass er manches Mal nur einen vorgefertigten Antwortbrief mit seiner Unterschrift verschickte. Seine Kollegen aus der Augenheilkunde stellten ihm zu Ehren eine Festschrift zusammen. Und neben dem Interview mit Zobeltitz in der Daheim erschien in der Deutschen Rundschau eine ausführliche Würdigung von Helmholtz’ Leben und Wirken aus der Feder Emil Schiffs, eines langjährigen Berliner Korrespondenten der Wiener Neuen Freien Presse.49 Nun wusste in Deutschland wirklich fast jeder kulturell Interessierte von dem Ereignis: An Publicity mangelte es nicht. Trotz aller Feierlichkeit war der 2. November 1891 ein langer und hochoffizieller Tag für Helmholtz. Er begann mit einem Empfang in seinem Hause, zu dem sich Vertreter von Behörden und Körperschaften, aber auch Freunde und Studenten einfanden. Etwa siebzig Personen bekundeten Helmholtz ihre Verehrung und Freundschaft – darunter der Kultusminister, eine vom Rektor angeführte Abordnung der Universität, Vertreter des preußischen militärärztlichen Bildungsinstituts (Friedrich-Wilhelms-Institut) und der Reichsanstalt sowie mehrere ehemalige Studenten, darunter Hertz und Kronecker. Am Abend fand im Hotel Kaiserhof ein Festessen mit 260 Gästen statt. Es gab drei Dutzend Tischreden, gehalten vom preußischen Innenminister Heinrich von Boetticher und dem Kultusminister Zedlitz sowie einer Vielzahl von Repräsentanten deutscher und ausländischer Universitäten und wissenschaftlicher, medizinischer und technischer Institute. Helmholtz’ engste Mitarbeiter und Kollegen waren zugegen: allen voran du Bois-Reymond, Zeller, Siemens, Kundt, Bezold, Mommsen, Treitschke, Sybel, Virchow, Hofmann und Pictet aus Berlin, dazu Ludwig, Wiedemann, Ostwald, Hertz, Exner, Boltzmann, Kronecker und Blaserna von außerhalb. Von seinen Künstlerfreunden waren der Musiker Joachim und der Maler Menzel gekommen. Die Anwesenden, hieß es in der New York Times, bildeten »eine einmalige Versammlung von führenden Köpfen der deutschen Wissenschaft und Philosophie«. Das Titelblatt der aktuellen Ausgabe der An-
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nalen schmückte ein Bild des Gefeierten. Ein Deutschlandreisender, der zu dieser Zeit entlang des Rheins unterwegs war, wusste zu erzählen, dass die Zeitungen in allen Einzelheiten über die Festivitäten berichteten und Helmholtz gleich mehrere Artikel widmeten. Selbst wenn sich einmal ein Artikel über das Ereignis lustig machte, behandelte man Helmholtz doch stets mit Respekt – es seien »alle Augen auf die Feierlichkeiten in Berlin gerichtet«.50 Anlässlich seines Geburtstags wurden Helmholtz Ehrungen verschiedener europäischer Staaten zuteil, und Preußen verlieh ihm gar den Titel »Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikate Excellenz«. Damit nahm er den 19. Platz (von 26) in der offiziellen Rangfolge der preußisch-deutschen Hofgesellschaft ein. Helmholtz stand nun über allen anderen akademischen Funktionsträgern am Hofe und sogar über vielen Regierungs- und Militäroberen: Hermann und damit auch Anna waren offiziell »hoffähig«. Die Auszeichnung rührte und ehrte ihn. Daneben erhielt Helmholtz das Badener Großkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen, den österreichisch-ungarischen Verdienstorden für Kunst und Wissenschaft, und vom italienischen König Umberto I. das Große Schulterband des St. Mauritius- und Lazarus-Ordens. In seiner Ansprache bei Tisch dankte Helmholtz du Bois-Reymond und der Akademie der Wissenschaften für die Begründung der Stiftung: Damit bringe man seinen Namen mit »der Förderung der Wissenschaft« in Verbindung, und dies sei doch »die höchste Ehre«, die ihm erwiesen werden könne. »Die Wissenschaft«, so erklärte er, »ist ja eigentlich bei der modernen Menschheit das einzig einigende Band geworden, welches unbedingt Frieden predigt.« Denn der einzelne Wissenschaftler arbeite idealerweise nicht für den eigenen Nutzen, sondern »für das Wohl seines Volkes«, »für das Wohl der ganzen Menschheit« – ein Anspruch, dem er selber im Laufe seiner Karriere nur teilweise gerecht wurde, wie er später eingestand.51 In etwas abgewandelter Form wurde Helmholtz’ Tischrede zu einem Teil seiner niedergeschriebenen Erinnerungen. Auch darin räumte er der Wissenschaft höchsten Stellenwert ein: »Die Wissenschaft und die Kunst sind zur Zeit ja das einzig immer übrig gebliebene Friedensband der civilisirten Nationen. Ihr immer höher wachsender Ausbau ist ein gemeinsames Ziel Aller, das in gemeinsamer Arbeit Aller, zum gemeinsamen Vortheil Aller angestrebt wird. Ein grosses und heiliges Werk!« Oftmals sei es ein steiniger Weg dorthin, räumte er ein. Helmholtz betonte, dass er in seiner Arbeit auf Methoden zurückgegriffen habe, die andere vor ihm entwickelt hätten, und dass manches Mal auch Glück im Spiel gewesen sei, um auf die richtigen Ergebnisse zu kommen. Er betonte, dass seine Studien sich schrittweise entwickelt hätten und er unterwegs auch falsche Pfade eingeschlagen habe. Die Öffentlichkeit jedoch habe immer nur das Endergebnis zu sehen bekommen. Er war sich seiner Irrwege also durchaus bewusst: »Ich musste mich vergleichen einem Bergsteiger, der, ohne den Weg zu kennen, langsam und mühselig hinaufklimmt, oft umkehren muss, weil er nicht weiter kann, der bald durch Ueberlegung, bald durch Zufall neue
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Wegspuren entdeckt, die ihn wieder ein Stück vorwärts leiten, und endlich, wenn er sein Ziel erreicht, zu seiner Beschämung einen königlichen Weg findet, auf dem er hätte herauffahren können, wenn er gescheidt genug gewesen wäre, den richtigen Anfang zu finden.« Dem Forschungsergebnis sähen seine Leser diese Mühen nicht an. Wie bei manchen anderen Wissenschaftlern oder Künstlern sei aber auch bei ihm eine »bevorzugte Natur« zumindest teilweise verantwortlich für das, was er erreicht habe. Zudem habe er sich auf Forschungsgebiete konzentriert, bei denen es eine reelle Aussicht auf Erfolg gab. Weiter sinnierte er über die Quellen und Begleitumstände seiner wissenschaftlichen Ideen und Kreativität: Da ich aber ziemlich oft in die unbehagliche Lage kam, auf günstige Einfälle harren zu müssen, habe ich darüber, wann und wo sie mir kamen, einige Erfahrungen gewonnen, die vielleicht Anderen noch nützlich werden können. Sie schleichen oft genug still in den Gedankenkreis ein, ohne dass man gleich von Anfang ihre Bedeutung erkennt; später hilft dann zuweilen nur noch ein zufälliger Umstand, um zu erkennen, wann und unter welchen Umständen sie gekommen sind; sonst sind sie da, ohne dass man weiss woher. In anderen Fällen aber treten sie plötzlich ein, ohne Anstrengung, wie eine Inspiration. So weit meine Erfahrung geht, kamen sie nie dem ermüdenden Gehirne und nicht am Schreibtisch. Ich musste immer erst mein Problem nach allen Seiten so viel hin- und hergewendet haben, dass ich alle seine Wendungen und Verwickelungen im Kopfe überschaute und sie frei, ohne zu schreiben, durchlaufen konnte. Es dahin zu bringen, ist ohne längere vorausgehende Arbeit meistens nicht möglich. Dann musste, nachdem die davon herrührende Ermüdung vorübergegangen war, eine Stunde vollkommener körperlicher Frische und ruhigen Wohlgefühls eintreten, ehe die guten Einfälle kamen. Oft waren sie wirklich, den citirten Versen Goethe’s entsprechend, des Morgens beim Aufwachen da […]. Besonders gern aber kamen sie, wie ich schon in Heidelberg berichtet, bei gemächlichem Steigen über waldige Berge in sonnigem Wetter. Die kleinsten Mengen alkoholischen Getränks aber schienen sie zu verscheuchen. Das seien die »Momente fruchtbarer Gedankenfülle«. Es gebe aber auch die Kehrseite, wenn er wochen- oder gar monatelang nicht von der Stelle komme.52 Seinen Gästen erzählte Helmholtz von einem weiteren Wissensgebiet, das ihn dauerhaft begleitet habe: der Erkenntnistheorie. Ein Forscher müsse nicht nur die Möglichkeiten und Grenzen seiner Instrumente kennen, sondern auch die Leistungsfähigkeit des Denkens untersuchen. Die Prozesse der Wahrnehmung seien »objective Thatsachen«, die bestimmten Gesetzen folgten: »Mein wesentlichstes Ergebniss war, dass die Sinnesempfindungen nur Zeichen für die Beschaffenheit der Aussenwelt sind, deren Deutung durch Erfahrung gelernt werden muss.« Sein
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Interesse an erkenntnistheoretischen Fragen sei schon in seiner Jugend geweckt worden, da er seinen Vater, »der einen Tiefen Eindruck von Fichte’s Idealismus behalten hatte, mit Collegen, die Hegel oder Kant verehrten, oft habe streiten hören«. Wirklich zufrieden sei er aber mit seinen epistemologischen Untersuchungen nur selten gewesen und habe sich außerdem damit oft Feinde gemacht: »namentlich habe ich immer alle Metaphysiker, auch die materialistischen, und alle Leute von verborgenen metaphysischen Neigungen dadurch aufgebracht«. Im Übrigen habe er sich nicht zur »Selbstbewunderung« verleiten lassen, denn zu oft habe er die verderblichen Auswirkungen von »Grössenwahn« beobachtet: »Ich wusste, dass strenge Selbstkritik an eigenen Arbeiten und Fähigkeiten das schützende Palladium gegen dieses Verhängniss ist. Aber man braucht nur die Augen offen halten für das, was andere können, und man selbst nicht kann, dann, finde ich, ist die Gefahr nicht gross.« Alle seine Arbeiten betrachte er als verbesserungsfähig.53 An diesem Punkt nun gestand Helmholtz, dass gerade nicht das »Wohl der Menschheit« von Anbeginn an der Ansporn zu seiner Arbeit gewesen sei, sondern vor allem seine wissenschaftliche Neugier: Es war in Wahrheit die besondere Form meines Wissensdranges, die mich vorwärts trieb und mich bestimmte alle brauchbare Zeit, die mir meine amtlichen Geschäfte und die Sorge für meine Familie übrig liessen, für wissenschaftliche Arbeit zu verwenden. Diese beiden Vorbehalte verlangten übrigens auch keine wesentliche Abweichung von den Zielen, nach denen ich strebte. Mein Amt gab mir die Pflicht, mich für die Universitätsvorträge fähig zu halten; die Familie, meinen Ruf als Forscher zu befestigen. Der Staat, der mir Unterhalt, wissenschaftliche Hülfsmittel und ein gut Theil freier Zeit gewährte, hatte meines Erachtens dadurch ein Recht zu verlangen, dass ich in geeigneter Form Alles, was ich mit seiner Unterstützung gefunden hatte, frei und vollständig meinen Mitbürgern mittheile. Wie Helmholtz weiter berichtete, war es ihm stets schwergefallen, seine Ergebnisse in Schriftform zu fassen, und oft habe er vier bis sechs Entwürfe für eine Abhandlung anfertigen müssen, bis er »einigermaassen zufrieden« mit dem Text gewesen sei und seine Ausführungen für vollständig und folgerichtig befand. Während des Schreibens habe er sich immer gefragt, was seine befreundeten Kollegen von seiner Arbeit halten würden: »Sie schwebten vor mir als die Verkörperung des wissenschaftlichen Geistes einer idealen Menschheit und gaben mir den Maasstab.«54 Zwar sei es nicht so, dass in der Anfangsphase seiner Karriere, als er »noch für eine äussere Stellung zu arbeiten hatte, nicht höhere ethische Beweggründe mitgewirkt hätten« neben seiner »Wissbegier« und dem »Pflichtgefühl als Beamter des Staates«. Doch sei es schwerer gewesen, sich dessen bewusst zu sein, »so lange noch
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egoistische Motive zur Arbeit trieben«. Dies gelte für die meisten Forscher. Sobald aber eine gesicherte Stellung erreicht sei, müsse man diejenigen, die keinen »inneren Drang zur Wissenschaft« (mehr) spürten und folglich die Forschung aufgaben, von jenen unterscheiden, die »eine höhere Auffassung ihres Verhältnisses zur Menschheit« hätten. Letztere würden an diesem Punkt erkennen, wie ihre Gedanken in der wissenschaftlichen Gemeinschaft und insbesondere in der jüngeren Generation kursierten, wie sie ein Eigenleben bekämen und von anderen weiterentwickelt würden. Dies sei für den einzelnen Forscher eine sehr befriedigende Erfahrung, und er selbst spüre »eine Art von Vaterliebe« für seine von Jüngeren weitergetragenen Ideen.55 Helmholtz sah hier etwas entstehen, das über den einzelnen Forscher und seine Gedanken hinausging: »Gleichzeitig aber tritt in ihm auch die ganze Gedankenwelt der civilisirten Menschheit als ein fortlebendes und sich weiter entwickelndes Ganzes entgegen, dessen Lebensdauer, der kurzen des einzelnen Individuums gegenüber, als ewig erscheint. Er sieht sich mit seinen kleinen Beiträgen zum Aufbau der Wissenschaft in den Dienst einer ewigen heiligen Sache gestellt, mit der er durch enge Bande der Liebe verknüpft ist. Dadurch wird ihm seine Arbeit selbst geheiligt.« In der Theorie sei dies vielleicht ganz einfach zu verstehen, befand Helmholtz, doch nur wer ein solches Gefühl der Verbundenheit erfahren habe, könne es voll und ganz wertschätzen.56 Indem er die groß angelegten, lang vorhaltenden und sozialen Dimensionen von Wissenschaft andeutete, verlieh er ihr den Anstrich einer geradezu religiösen Erfahrung. Seiner Auffassung nach glaubten die meisten Menschen nicht an derartige »ideale Motive«, sondern eher an das Verlangen nach Ruhm und Ehre. Um zwischen diesen beiden Gefühlslagen zu unterscheiden, könne man sich selbst fragen, ob man erzielte Forschungsergebnisse ganz und gar sich selbst zuschreibe oder sie zum Teil auch anderen anrechne. Er selbst jedenfalls schätze sich glücklich, für eine Tätigkeit Dank zu erfahren, die er aus Interesse verfolgt habe, und beteuerte, in der Wissenschaftsgemeinde »den Maasstab der geistigen Fähigkeiten des Menschen gefunden« zu haben: »Durch ihre Theilnahme an meinen Arbeiten haben sie mir die lebendige Anschauung von dem Leben der gemeinsamen Geisteswelt der idealen Menschheit erweckt, welche mir selbst den Werth meiner Bemühungen in ein höheres Licht rücken musste. Unter diesen Bedingungen kann ich den Dank, den Sie mir entgegenbringen wollen, nur als eine freie Gabe der Liebe betrachten, gegeben ohne Gegengabe und ohne Verpflichtung.«57 In Wien widmete die Neue Freie Presse den autobiographischen Anmerkungen des Jubilars drei lange Spalten, zählte auch einige der Gäste auf und nannte Helmholtz schlichtweg »ein Genie«, dessen Rede einen Einblick in seine Welt und seine Denkweise gegeben habe. In Großbritannien glaubte der Chemiker Edmund Atkinson, ein wichtiger Übersetzer der Helmholtz’schen Werke, dass eine derart bedeutende Feier bisher wohl kaum einem Wissenschaftler zu Lebzeiten zuteil ge-
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worden sei. Siemens sah das wohl ähnlich, wenn er auch einen persönlicheren und politischeren Tonfall wählte: »Mit der Helmholtz-Feier wären wir denn glücklich zu Ende! Es ist schliesslich doch ganz erfreulich, daß auch mal ein Gelehrter auf den Schild gehoben wird und nicht nur Soldaten und Beamte.«58
Ein Kommers und Mark Twain Siemens mochte die Feierlichkeiten für beendet erklären – für Helmholtz waren sie es nicht. Denn es war auch seitens der Studenten eine Feier angesetzt, mit der sie gleich zwei Jubilare, nämlich Helmholtz und Virchow, zu ihrem 70. Geburtstag hochleben lassen wollten. Also fand am 7. November 1891 ein großer Kommers – ein studentischer Umtrunk – in einer Brauerei im damaligen Berliner Arbeiterbezirk Friedrichshain statt, zu dem sich mindestens 2000 Studenten einfanden. Helmholtz und Virchow hielten Reden, und im Namen der Fakultät hatte Wilhelm Foerster das Wort: Er sprach von Helmholtz und Virchow als zwei Wissenschaftlern, welche »die geistige Stärke unseres Volkes, den Ruhm und das Ansehen unseres Vaterlandes bei den anderen Nationen unserer Erde zu erhalten und zu erhöhen mächtig geholfen haben, in anderer Weise, aber vielleicht noch tiefer und nachhaltiger, als dies durch die herrlichsten politischen und militärischen Erfolge geschehen kann«.59 Die Botschaft war eindeutig: Die Wissenschaft war der überlegene Weg. Unter den Anwesenden befand sich ein unerwarteter Gast: der amerikanische Schriftsteller Samuel Langhorne Clemens alias Mark Twain, der den Winter 1891/92 in Berlin verbrachte. Er hatte hier beste gesellschaftliche Verbindungen, denn seine Kusine Alice Bryan Clemens aus St. Louis hatte den deutschen Offizier Maximilian von Versen geheiratet, der schließlich zum General befördert wurde und den Berliner Hofkreisen angehörte. Twain wurde daher zu vielen diplomatischen Ereignissen eingeladen, er traf gar den Kaiser persönlich und war bald allseits bekannt und beliebt. Er fand, Berlin sei »ein leuchtendes Zentrum der Intelligenz – ein Ort, wo die Errungenschaften der gesamten Forschung dem zur Verfügung stehen, der danach sucht […] Sie lehren hier alles. Ich glaube, es gibt nichts auf der ganzen Welt, was du in Berlin nicht lernen kannst, außer der deutschen Sprache.«60 Aus Berlin schrieb Twain mehrere »Reisebriefe« für die New York Sun und das McClure-Zeitungssyndikat. Im sechsten Brief mit dem Titel »The German Chicago« berichtete er über die Geburtstagsfeierlichkeiten für Virchow (Mitte Oktober) und Helmholtz. Und im Anschluss auch über den studentischen Kommers zu beider Ehren, »der in einem mit Fahnen und Standarten geschmückten, glänzend erleuchteten Riesensaal gehalten wurde«. Nach Twains Schilderung waren über die ganze geräumige Brauereihalle zahllose Tische (für je 24 Personen) verteilt, wovon ein halbes Dutzend für rund einhundert Professoren reserviert waren, in deren Mitte »die beiden Helden des Abends« saßen. Twain freute sich, einen Platz am Tisch von
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Helmholtz und Virchow zugewiesen zu bekommen, obgleich er sich »durchaus nicht gelehrt genug« fand, »um eine derartige Ehre zu verdienen«. Und so schrieb er: »Es bereitete mir ein seltsam angenehmes Gefühl, mich in solcher Gesellschaft zu befinden, mit dreiundzwanzig Männern zusammen zu sein, welche an einem Tage mehr vergessen, als ich je gewußt habe.« Es sei zugegangen wie in einem Bienenstock, so Twain, doch »die frischen, jugendlichen Gesichter« hätten sich unverwandt auf Virchow und Helmholtz gerichtet: »Sie verschlangen die beiden Geistesriesen förmlich mit den Augen und die Verehrung der Herzen strahlte aus allen Mienen.« Dann sei ein Marsch erklungen, der ganze Saal habe sich erhoben: »es folgte der Toast auf den Kaiser, bei dessen Schluß alle Gläser auf einmal geleert und mit einem Schlage auf den Tisch gestoßen wurde. Es klang täuschend wie Donnergetöse.« In der folgenden Stunde sei gesungen worden, und dabei hätten die Studenten immer mal wieder im Gleichtakt die Säbel gezogen, sie zweimal auf den Tisch gehauen und wieder weggesteckt. Zum Ausklang des Abends habe es noch zwei Reden von Studenten gegeben, samt Erwiderungen von Virchow und Helmholtz.61 Damit waren die Geburtstagsfeierlichkeiten endgültig abgeschlossen. Im Dezember befiel Helmholtz die Grippe. Einmal während der drei Wochen, die er krank zu Hause verbrachte, war Mimi von Spitzemberg bei den Helmholtzens zum Essen eingeladen. Ihrem Bericht zufolge führten Helmholtz und der ebenfalls anwesende Professor Raoul Pictet »anknüpfend an die letzte Samstagsvorlesung« an diesem Abend »hochinteressante Gespräche über die Seele als physikalischen Begriff und Motor«. Twain, der in Berlin geblieben war, zog ins Hotel Royal, Unter den Linden. Mitte Januar erkrankte auch er an der Grippe und hatte mehrere Wochen damit zu kämpfen. Mitte Februar aber hatten sich beide, Twain und Helmholtz, ausreichend erholt und konnten endlich zu einem privaten Treffen in Twains Hotel zusammenkommen.62 So traf deutsche Wissenschaft auf amerikanischen Humor.
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27 Wissenschaft, Kunst und elektrische Standards Freispruch für Goethe Im April 1892 reiste das Ehepaar Helmholtz ins südliche Österreich und verweilte anschließend in Abbazia (dem heutigen Opatija), einem mondänen Seebad an der Adria, das besonders gern von der österreichischen Noblesse frequentiert wurde. Wie immer hatte Helmholtz ein Büchlein für seine wissenschaftlichen Notizen im Gepäck. »Papa Mathematisches spintisierend, ich nähend« – so solle sich El-
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len ihre urlaubenden Eltern vorstellen, schrieb ihr Anna. Sigmund Exner, der eben als Nachfolger Brückes den Wiener Lehrstuhl für Physiologie übernommen hatte, kam für drei Tage zu Besuch. Zusammen besichtigten sie Fiume (das heutige Rijeka) und andere Orte in Istrien und staunten über die dort anzutreffende Mischung aus Sprachen und ethnischen Gruppen.1 Im Mai verstarb der Chemiker Hofmann. Mit ihm verlor Helmholtz einen geschätzten Kollegen und beide Eheleute einen guten Bekannten. Zu Hofmanns Nachfolger wurde Emil Fischer ernannt. Sein neuer Wirkungsort, die Berliner Universität, bot offensichtliche Vorteile: eine intellektuell anregende Wissenschaftskultur, eine exzellente Ausstattung und eine Vielzahl an Studenten. Doch gab es auch Nachteile, wie Fischers ehemaliger Professor Kundt ihm verlautbarte: »Na, Fischer, Sie werden sich wundern über den Pack Arbeit, den man hier einem Professor aufladet.« Über sein neues Arbeitspensum war sich der frisch ernannte Berliner Chemieprofessor nur allzu bald im Klaren. Nachdem er sich für Berlin entschieden hatte, reisten Fischer und seine Frau ein erstes Mal an, um sich nach einer Wohnung umzusehen. Anna nutzte die Gelegenheit, um das Paar zu einer Abendgesellschaft einzuladen. Fischer zeigte sich beeindruckt von der »prächtigen Dienstwohnung« und den anwesenden Gästen. Er freute sich besonders, den alten Siemens zu treffen. Helmholtz hielt eine kurze Rede, in der er die Fischers in Berlin und in ihrem Kreise willkommen hieß. Im Juli fand in der eben eröffneten Philharmonie eine große Gedächtnisfeier für Hofmann statt. Beinahe die gesamte naturwissenschaftliche Fakultät inklusive Helmholtz nahm daran teil. Die verwitwete Kaiserin Victoria ordnete an, ihrem Denkmal im Tiergarten Büsten von Hofmann und Helmholtz zur Seite zu stellen2 – doch dazu sollte es nicht kommen. Im Sommer 1891 besuchten der Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach und Carl Ruland, der Präsident der Weimarer Goethe-Gesellschaft, die Internationale Elektrotechnische Ausstellung in Frankfurt, für die Helmholtz als Ehrenvorsitzender der Prüfungskommission tätig war. Die drei Männer unterhielten sich über Goethes Einstellung zur modernen Wissenschaft, und der Großherzog bat Helmholtz daraufhin, vor der Goethe-Gesellschaft eine Rede über das Weimarer Universalgenie zu halten. Helmholtz willigte ein, als Termin wurde der 11. Juni 1892 avisiert, und so verbrachte er das Frühjahr mit dem Entwurf eines Vortrags über Goethe und die Wissenschaft.3 Die Goethe-Gesellschaft war relativ neu: Sie war erst 1885 ins Leben gerufen worden und verfolgte das Ziel, das kulturelle Erbe des Dichters zu bewahren und Forschungen zu Goethe zu unterstützen. So veröffentlichte sie die Weimarer Ausgabe von Goethes Werken und das Goethe-Jahrbuch und stand zudem in enger Verbindung zum Goethe-Archiv, der Goethe-Bibliothek und dem Goethe-Museum – allesamt Weimarer Einrichtungen. Schirmherr der Gesellschaft war der Großherzog, ihre größte Förderin Großherzogin Sophie von Weimar. Aber auch viele
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bekannte Berliner Salondamen und ein Großteil der deutschen gesellschaftlichen Elite standen hinter ihr. Helmholtz’ ehemaliger Königsberger Bekannter Eduard von Simson, inzwischen Präsident des Reichsgerichts, fungierte als ihr Vorsitzender. Bis 1892 hatte die Goethe-Gesellschaft knapp 3000 Mitglieder und avancierte zum größten und wahrscheinlich einflussreichsten Literaturverein Deutschlands. (1899 wurden auch die Schriften Schillers und anderer klassischer Autoren in das umbenannte »Goethe- und Schiller-Archiv« in Weimar aufgenommen.) Getragen von der feudal-aristokratischen Elite war die Gesellschaft zugleich fördernde Instanz und Nutznießerin des deutschen Kulturnationalismus.4 Erich Schmidt, der dem Vorstand der Gesellschaft angehörte, hatte Helmholtz vorgeschlagen, er solle seine Rede über »Goethe’s Vorahnungen kommender naturwissenschaftlicher Ideen« in der Deutschen Rundschau veröffentlichen. Mit seiner Bitte entsprach Schmidt dem Wunsch des Herausgebers Julius Rodenberg. Helmholtz hatten bereits andere Angebote erreicht, daher stellte er eine Reihe von Bedingungen – unter anderem das Recht, den Text auch in seine Vorträge und Reden aufzunehmen. Rodenberg wollte das Manuskript vorab sehen, doch Helmholtz schloss es erst am Tag selbst ab. Zudem hatte er der Goethe-Gesellschaft bereits zugesichert, dass sie die Rede in ihrem Jahrbuch würde abdrucken dürfen. Dennoch akzeptierte Rodenberg die Konditionen für eine Veröffentlichung in der Deutschen Rundschau – inklusive eines Honorars von 500 Mark. Aus seinen Bemühungen spricht, dass das Interesse an Goethe als Wissenschaftler und das Interesse von Wissenschaftlern an Goethe nach wie vor groß waren.5 Am Abend vor der Rede waren die Helmholtzens zum traditionellen dîner geladen, das Großherzog und Großherzogin im Schloss Belvedere gaben. Der Großherzog – ein jüngerer Bruder von Kaiserin Augusta – sei »voll Respekt für geistige Grösse, wo immer sie zu finden ist«, berichtete Anna ihrer Tochter Ellen. Die Zuhörer von Helmholtz’ Vortrag waren Aristokraten und Wohlbetuchte, abgesehen von wenigen Ausnahmen handelte es nicht um Universitätsprofessoren und sicher nicht um Intellektuelle.6 Nach Helmholtz’ erstem Aufsatz über Goethe und die Wissenschaften aus dem Jahr 1853 hatten sich auch andere bekannte Wissenschaftler – Dove 1853, Virchow 1861, Tyndall 1880 und du Bois-Reymond 1882 – kritisch mit Goethes Farbenlehre auseinandergesetzt oder allgemein seine Qualitäten als Naturforscher infrage gestellt. Trotz seiner Bewunderung für den Dichter und seiner (teilweise übertriebenen) Wertschätzung für Goethe als Naturkundler und Osteologen hatte Helmholtz eine verheerende Kritik der Goethe’schen Farbenlehre verfasst. Im Jahre 1892 war Goethes Ansehen als Wissenschaftler stark geschwunden. (Haeckel war einer der wenigen, die noch wissenschaftliche Anregung bei ihm fanden.) Schon in früheren Äußerungen – seiner Eloge auf Magnus (1871), seinem Nachwort zu einem Nachdruck seines Goethe-Aufsatzes (1875) und seiner Rede »Die Tatsachen in der
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Wahrnehmung« (1878) – war Helmholtz’ Meinung über Goethe etwas gnädiger geworden, obgleich dessen Farbenlehre inakzeptabel für ihn blieb. Was von Goethe wie von Humboldt Bestand hatte, war ihre Eigenschaft als Symbolfigur für Wissenschaft und Bildung. Beide verkörperten die gemeinsamen Bestrebungen von Wissenschaft und Kunst, ihre Verbundenheit und Übereinstimmung. Indem er dies betonte, fand Helmholtz einen Mittelweg in der Beurteilung Goethes: weder bedeutungslos für die moderne Wissenschaft (so wie du Bois-Reymond und viele andere glaubten) noch weiterhin im Sinne einer konkreten Inspiration Nutzen bringend (wie etwa im Transformationismus Haeckels).7 Nicht nur im Blickwinkel, auch im Ton unterschied sich Helmholtz’ 1892 gehaltene Rede von seinen Äußerungen des Jahres 1853. Er nannte Goethe nun einen »unvergleichlichen Mann« und erklärte, dieser habe die Kultur seiner Ära aufgesogen, ohne seine individuelle Unabhängigkeit und unverstellte Empfindsamkeit zu verlieren. Goethe habe damit den Maßstab »für das Echte und Ursprüngliche in der geistigen Natur des Menschen« gesetzt.8 Hatte Goethe, so wie Helmholtz glaubte, um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Gebildeten Europas noch größeren Einfluss gehabt als die Naturwissenschaftler, dann hatte sich das Gewicht in den folgenden Jahrzehnten verschoben: Die Wissenschaften hatten so starke Fortschritte gemacht, dass ihre Erkenntnisse über die Natur – als Beispiele nannte Helmholtz Darwins Evolutionstheorie und den eigenen Energieerhaltungssatz – »die Zuverlässigkeit und Fruchtbarkeit ihrer Grundsätze« demonstrierten. Inzwischen gebe die Wissenschaft Auskunft über die »praktischen Verhältnisse des Lebens«. Sobald einmal anerkannt worden sei, dass sich über den menschlichen Sinnesapparat »richtige Wahrnehmungen« einstellten, habe sich die induktive Methode als Weg der Forschung durchgesetzt. Dennoch müsse man die Sinne und ihre Wirksamkeit sorgsam untersuchen und begreifen lernen. So habe die Forschung auf dem Gebiet der Sinnesphysiologie fundierte, empirisch belegte Gesetze hervorgebracht. Die Wissenschaft habe nicht nur zu Erkenntnissen über die Natur geführt, sondern zudem die Macht des Menschen über die Natur verdeutlicht, die sich auch in verschiedenen Technologien äußere. Inzwischen sei der Mensch in der Lage, den Lauf der Natur vorauszusagen, so wie einst die »Propheten und Magier«.9 Doch gab es nach Helmholtz noch einen anderen Weg – nämlich den der künstlerischen Darstellung –, der Einsicht in die Natur und den menschlichen Geist gewähre und auf dem man andere erreichen könne. Ebenso wie die Wissenschaft könne auch die Kunst zu einem Verständnis der Natur und des Menschen führen. Die Wahrheit der Kunst sei »die innere Wahrheit der dargestellten Seelenvorgänge, ihre Folgerichtigkeit, ihre Uebereinstimmung mit dem, was Sie [Helmholtz’ Zuhörer] selbst bisher von der Entwickelung solcher Stimmungen kennen gelernt haben, d.h. es ist die Richtigkeit in der Darstellung des naturgemässen Ablaufes dieser Zustände«. Die innere Wahrheit des Künstlers müsse für sein Publikum zu erkennen
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sein, sie betreffe »Seelenbewegungen, Charaktereigenschaften, Entschlüsse von Individuen«. Eine solche Wahrheit ergebe sich nicht aus empirischer Forschung oder philosophischer Reflexion, sondern aus »speciell künstlerischer Anschauung«. Dabei sei diese spontane Anschauung prinzipiell das Gegenteil der gedanklichen Folgerung.10 Helmholtz war überzeugt, dass bestimmte Prinzipien oder Techniken (etwa die Regeln der Perspektive) in der Malerei eine große Rolle spielten – jedoch nur, insofern sie eine Brücke zu bereits gemachten Erfahrungen bildeten, die dem Künstler wie dem Betrachter das Erkennen der dargestellten Gegenstände erlaubten. Dabei sei oft schwer zu unterscheiden, »was dem physiologischen Mechanismus der Nerven angehört, was ausgebildete Erfahrung über unveränderliche Gesetze des Raumes und der Natur dazu gegeben hat«. Als Empiriker sah er aber vor allem den Einfluss des Letzteren. 11 Nach Helmholtz’ Ansicht waren sinnesphysiologische Aspekte entscheidend für das Verständnis der künstlerischen Anschauung. Denn diese Anschauung entstehe unerwartet, ganz ohne Anstrengung, und selbst der Künstler wisse nicht, woher sie komme. Dies bedeute aber nicht, dass sie keine Verbindung zu früheren Erfahrungen habe, in denen ein Gesetz erkennbar sei. Helmholtz sah in der künstlerischen Anschauung, die nicht durch den Verstand herbeigeführt werde und nicht durch Worte zu beschreiben sei, »eine Kenntniss des Typus der betreffenden Erscheinung«. Diese Art der Anschauung sei viel reicher als alles, was durch Worte allein beschrieben werde. Da die Kunst wie die Wissenschaft Wahrheit darstelle und vermittele, müsse der Künstler über »eine feine Kenntniss des gesetzlichen Verhaltens der dargestellten Erscheinungen und auch ihrer Wirkung auf den Hörer oder Beschauer« verfügen. Dennoch dürfe die künstlerische Darstellung keine »Copie des einzelnen Falls« sein, sondern vielmehr »eine Darstellung des Typus der betreffenden Erscheinungen«.12 Worin, fragte Helmholtz, liege nun das Wesen oder das Geheimnis der Schönheit in der Kunst? Er gab darauf nur eine ungefähre Antwort. Da er der Ansicht war, dass Wahrheit in der Kunst nicht durch eine Kopie der Natur entstehe, müsse der Künstler die »Gesetzlichkeit des Typus« herausstellen: »Je genauer also sein Anschauungsbild des letzteren ist, desto freier wird er sich den Forderungen der Schönheit und des Ausdrucks gegenüber bewegen können.« Als Beispiele nannte er Versmaß und Reim in der Lyrik und die musikalische Ausgestaltung eines dramatischen Textes oder Liedes, bei der die Übersetzung in eine andere Sprache zeige, dass die »gegebenen Wortformen der Sprache« nur eine Nebenrolle spielten. Bei einer Bühnenaufführung beispielsweise seien es doch vor allem der Rhythmus und der Reim eines Gedichts oder Lieds und nicht die eigentlichen Worte, die dem Zuhörer »die Seelenbewegungen der handelnden Personen« nahebrächten, nämlich »durch die viel reicheren, feineren und ausdrucksvolleren Bewegungen der Töne«.
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Und so kam Helmholtz zu der Einsicht: »Überhaupt dürfen wir die sinnlich angenehmen Empfindungen als Element der Schönheit nicht verachten; denn die Natur hat unseren Leib in langer Arbeit der Generationen so ausgebildet, dass wir Wohlgefallen finden in einer solchen Umgebung, wo die percipirenden Thätigkeiten unserer Seele sich in freister und sicherster Thätigkeit entfalten können.« Dies zeige sich auch an dem »hervorragenden Einfluss des Schönen auf das Gedächtniss des Menschen«. Denn die Erinnerung trage ja erheblich dazu bei, den Sinn für die Gesamtheit eines Gegenstands und seines Kontextes auszubilden.13 Seine Analyse führte Helmholtz an einen Punkt, »wo die Wege des Forschers und des Künstlers sich zu trennen beginnen«. Denn das Gedächtnis eines Künstlers für einzelne Dinge sei viel ausgeprägter als das des Wissenschaftlers, und Erinnerung spiele daher in der Kunst eine viel bedeutendere Rolle. Dies gelte vor allem für die Musik. Dennoch bezweifelte Helmholtz, dass Musiker und Dirigenten Millionen von Noten und Pausen in ihrem Gedächtnis abgespeichert hätten. Vielmehr behielten sie die »musikalischen Phrasen des Musikstücks« im Ohr inklusive deren Abfolge und Verbindung miteinander und des Wechsels der Klangfarben. Um nun das Musikstück nach ihrer Vorstellung zu Gehör zu bringen, müssten sie ihre Idee sozusagen in die Partitur zurückübersetzen, um so »ihren Musikern die richtigen Winke« geben zu können.14 In der Wissenschaft dagegen stütze sich die Erinnerung auf Begriffe und Sprache. »Nur der erste erfinderische Gedanke, der der Wortfassung vorausgehen muss, wird bei beiden Arten der Thätigkeit immer in derselben Weise sich bilden und auftauchen müssen; und zwar kann das zunächst immer nur in einer der künstlerischen Anschauung analogen Weise, als Ahnung neuer Gesetzmässigkeit geschehen.« Wenn es beispielsweise dazu komme, dass ein Forscher auf einmal Ähnlichkeiten bei ansonsten verschiedenen Phänomenen entdecke, benötige er hierzu einen gewissen »Witz«, denn eine solche »plötzlich auftauchende Erkenntnis« könne man »nicht methodisch durch Nachdenken erreichen«, sie erscheine vielmehr »wie ein plötzliches Glück«.15 Wie schon vier Jahrzehnte zuvor befand Helmholtz, Goethe habe sich auf dem Gebiet der Wissenschaften am erfolgreichsten mit der Tier- und Pflanzenmorphologie beschäftigt. Dabei sei Goethe überzeugt gewesen, dass die tierischen und pflanzlichen Körperformen einem »gemeinsamen Bauplan« folgten. Für die Anatomen und Zoologen seiner Zeit aber habe die ständige Veränderung organischer Formen im Vordergrund gestanden, und sie hätten Goethes Ansicht daher nicht zur Kenntnis genommen, geschweige denn wertgeschätzt. Helmholtz ließ Goethe damit als Vorreiter Darwins erscheinen, der wie er Überzeugungen auf den Kopf gestellt und neue Denkweisen eröffnet habe. »Weniger glücklich« habe sich Goethe jedoch in der Farbenlehre betätigt. Der Hauptgrund für sein Scheitern, so hatte es Helmholtz schon 1853 dargestellt, sei seine unzulängliche wissenschaftliche Aus-
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stattung gewesen, mit der er »die entscheidenden Thatsachen« nicht habe beobachten können: »Er hat niemals vollständig gereinigtes, einfaches, farbiges Licht vor Augen gehabt und wollte deshalb nicht an dessen Existenz glauben.« Helmholtz machte also »die Mangelhaftigkeit von Goethe’s Experimenten« und nicht etwa Goethes theoretische Grundlagen oder seine Einstellung zu Newton (und damit zur modernen Wissenschaft) für seine gescheiterte Farbenlehre verantwortlich. (Im Gegensatz zu seiner 1853 formulierten deutlichen Kritik an Goethes Fähigkeiten als Physiker ging er an dieser Stelle nicht ins Detail.) Goethe habe in der Physik wie in der Naturkunde der Überzeugung angehangen, dass es hinter der »Mannigfaltigkeit der Erscheinungen« ein »Urphänomen« gebe, dem die Wissenschaft nachspüren müsse. Mit Abstraktionen habe Goethe nichts anfangen können, sie seien für ihn nur »anschauungsleere Begriffe« gewesen. Helmholtz dagegen betrachtete Konzepte wie Materie und Kraft als wesentlich für die theoretische Physik. Dass Goethe an »solchen übersinnlichen, unausdenkbaren Abstractionen« kein Interesse gehabt habe, sei durchaus nachvollziehbar, so Helmholtz, wenn man an die Missverständnisse bei »verwirrten und abergläubischen Köpfen« denke, die an animalischen Magnetismus oder die »Lehre von der Lebenskraft« glaubten.16 Helmholtz vertrat nun plötzlich die Einschätzung, die zeitgenössische Physik habe »schon ganz die Wege eingeschlagen, auf die Goethe sie führen wollte«. Dabei bezog er sich auf den phänomenologischen Ansatz. Sicherlich habe Goethe manche »unrichtige Interpretation« für seine Beobachtungen geliefert und sei so in eine »erbitterte Polemik gegen die Physiker« geraten. Hätte er aber Huyghens Wellentheorie des Lichts gekannt, vermutete Helmholtz, hätte diese ihm »ein viel richtigeres und anschaulicheres ›Urphänomen‹ an die Hand gegeben […], als der dazu kaum geeignete und sehr verwickelte Vorgang, den er sich in den Farben trüber Medien zu diesem Ende wählte.« Damit wären es weniger Goethes physikalische Methoden als seine schlecht gewählten Beispiele, die ihn in die Irre geführt hatten.17 Helmholtz stellte Goethes Herangehensweise in Zusammenhang mit dem phänomenologischen Ansatz von Faraday und Kirchhoff. Kirchhoffs Betonung der beschreibenden Physik zum Verständnis der Materie sei »nicht weit entfernt von dem Goetheschen Urphänomen«. Helmholtz selbst hatte sich in den vergangenen drei Jahrzehnten mehr und mehr einem beschreibenden, also phänomenologischen Ansatz zugewandt und seine Gewichtung zwischen Begriffen und empirischen Phänomenen mehr hin zu Letzteren verschoben. Tatsächlich verlor die Unterscheidung zwischen Wahrnehmung und Vorstellung in Helmholtz’ Denken immer mehr an Deutlichkeit.18 Helmholtz’ Goethe-Ansprache war in ihrer Hinwendung zur Epistemologie eine Weiterentwicklung seiner 1878 gehaltenen Rede »Die Thatsachen in der Wahrnehmung«. Diese wiederum hatte sich aus seinem Vortrag über Kant aus dem Jahr 1855 ergeben. Erneut zitierte Helmholtz (in leicht abgewandelter Form) seine liebsten
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Verse aus Schillers Elegie »Der Spaziergang«, die den Fortschritt der Zivilisation zum Thema hat.19 Ein Naturgesetz, so Helmholtz, sei »nicht nur ein Leitfaden für unseren beobachtenden Verstand; es beherrscht auch den Ablauf aller Vorgänge in der Natur, ohne dass wir darauf zu achten, es zu wünschen oder zu wollen brauchen, ja leider oft genug auch gegen unser Wünschen und Wollen«. Unter den passenden Voraussetzungen wirke dieses Gesetz als Kraft und damit als »Ursache der Veränderungen«: »Sie ist das hinter dem Wechsel der Erscheinungen verborgene Bleibende.« Die Begriffe »Gesetz« und »Kraft« seien so lange gerechtfertigt, wie sie sich auf Tatsachen bezögen, und hätten »richtig gebraucht den großen Vorzug, dass die abstracte Bezeichnungsform einen viel kürzeren sprachlichen Ausdruck zulässt, als die in Bedingungssätzen entwickelte Beschreibung des Urphänomens«. Dennoch warnte Helmholtz davor, sich von bloßen Worten in die Irre leiten zu lassen, und wiederholte sein ablehnendes Urteil zur Goethe’schen Farbenlehre.20 Um Goethes Abneigung gegen Kant wissend, hob Helmholtz damit selbst zu einer Kantkritik an und unterstellte, dass ein neu gedachter Kant (also der Helmholtz’sche Kant) Goethe wahrscheinlich näher gewesen wäre. Helmholtz sprachen die Abschlussverse des Faust aus dem Herzen, in denen der Chorus mysticus singt: »Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis«, und nach seiner Lesart besagten diese Worte: »Was in der Zeit geschieht, und was wir durch die Sinne wahrnehmen, das kennen wir nur im Gleichnis.« Dem fügte er hinzu: »Ich wüsste das Schlussergebnis unserer physiologischen Erkenntnislehre kaum prägnanter auszusprechen.« Er fühlte sich mit Goethe verbunden, ja im Bunde. Das Goethe’sche »Unbeschreibliche« sah er als das, was nicht in Worten, sondern nur in der künstlerischen Darstellung ausgedrückt werden könne. Goethe habe epistemologische Erwägungen hinter sich gelassen und sei »in ein höheres Gebiet« vorgestoßen, welches »im Dienste der Menschheit und des sittlichen Ideals« stehe und »durch das Ewig-Weibliche« symbolisiert werde. Dies zeige zugespitzt Goethes berühmte Umformulierung von »Am Anfang war das Wort« – was in verschiedenen Kontexten ein Wort, ein Begriff oder ein Naturgesetz sein konnte – zu »Am Anfang war die That«. Handeln sei notwendig für den Menschen, und zwar auch auf dem Feld des Wissens. Die epistemologische Grundlage der Wissenschaft verlange die Wertschätzung, ja genaue Untersuchung der Rolle, die die Sinne spielten, indem sie das individuelle Wissen über die Tatsachen und Gesetze des täglichen Lebens und der Welt allmählich und induktiv formten.21 Helmholtz gelangte sodann zu dem Schluss, Goethe habe sich vor allem dann als erfolgreicher Forscher erwiesen, wenn es um »Anschauungsbilder« wie jene der Dichter gegangen sei, während er an der induktiven Methode gescheitert sei. Dennoch war Helmholtz der Überzeugung: »Wo es sich um die höchsten Fragen über das Verhältnis der Vernunft zur Wirklichkeit handelt, schützt ihn sein gesun-
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des Festhalten an der Wirklichkeit vor Irrgängen und leitet ihn sicher zu Einsichten, die bis an die Grenzen menschlicher Vernunft reichen.«22 Im Vergleich zu seiner früheren Rede über Goethe als Wissenschaftler, die er beinahe vierzig Jahre zuvor in Königsberg gehalten hatte, war dies quasi Helmholtz’ Freispruch für Goethe als Denker. Die seither vergangene Zeit, der Rahmen der Veranstaltung mit ihren vornehmen und prominenten Gästen aus dem Kreise der Goethe-Gesellschaft, aber auch Helmholtz’ eigene Entwicklung hin zu einem eher phänomenologischen Verständnis der Natur und seine eigene soziale Evolution zu einem bedeutenden Kulturträger Europas – all dies stimmte ihn offenbar sanftmütig, nahm seiner epistemologischen Kritik an Goethe die Schärfe und verstärkte seine Wertschätzung Goethes als Wissenschaftler und Denker. Aus Weimar schrieb Anna an Ellen: »Papas Rede über die Grenzgebiete von Kunst und Wissenschaft. Es war sehr schön, vielleicht etwas zu hoch und abstract für die Gelegenheit. Der gesamte Hof war anwesend; Frau Grossherzogin war tief bewegt und voll Dank, der Erbgrossherzog und Alle sehr erfüllt.« Nach dem Vortrag gab die Gesellschaft ein weiteres diner, und am selben Abend fand eine Soiree bei Lilly von Richthofen statt, die auch der Großherzog besuchte. Am folgenden Morgen besichtigten Anna und Hermann die Kunstsammlung der Großherzogin und ließen sich »Handzeichnungen von den grössten Meistern aller Zeiten« zeigen. Helmholtz übersandte dem großherzoglichen Paar später die veröffentliche Fassung seiner Rede, was sie zu schätzen wussten.23 Bei seiner Rückkehr nach Berlin erfuhr Helmholtz von dem französischen Chemiker Marcellin Berthelot, dass er als associé étranger der Académie des Sciences nominiert worden war; kurz darauf erfolgte auch schon seine Wahl. Zu einer solchen Nominierung konnte es aufgrund der streng begrenzten Mitgliederzahl nur kommen, wenn ein ausländisches Mitglied der Gesellschaft gestorben war – in diesem Fall war durch den Tod des brasilianischen Königs Dom Pedro II. ein Platz vakant. Im Oktober reisten die Eheleute Helmholtz nochmals nach Weimar, um dort an den Feierlichkeiten zum fünfjährigen Regierungsjubiläum des Großherzogspaars teilzunehmen. Helmholtz erhielt zu dieser Gelegenheit eine »Erinnerungsmedaille«.24 Durch die Veröffentlichung in der Deutschen Rundschau wurde Helmholtz’ neue Sicht auf Goethe von vielen Menschen zur Kenntnis genommen. So auch von dem Bildhauer, Maler und Kunsttheoretiker Adolf von Hildebrand, der daraufhin seinem Freund Conrad Fiedler schrieb: »Den Vortrag von Helmholtz habe ich mit Interesse gelesen. Was er über die Gesetze bezüglich der bildenden Kunst sagt, ist ganz meinen Gedanken entsprechend, wird wohl auf seinem Feld gewachsen sein und beweist die Richtigkeit meiner Arbeit. Ich habe ja immer gedacht, dass sie gerade an Helmholtz einen guten Leser finden würde. Käme ich nur dazu weiter zu arbeiten.« Auch nachdem er beim zweiten Lesen einige Kritikpunkte entdeckt hatte, fand er den Vortrag »freilich interessant und gedankenreich«.25
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Hildebrand war einer der führenden deutschen Kunsttheoretiker des späten 19. Jahrhunderts. 1893 veröffentlichte er den kleinen Band Das Problem der Form in der bildenden Kunst, in dem sich ein deutlicher Einfluss von Helmholtz’ Goethe-Aufsatz zeigte. Ein Bewunderer Hildebrands meinte, dessen kurze Abhandlung betone die Bedeutung der Geisteskraft in der Kunst, die doch immer mehr sei als bloße Handfertigkeit. Er wünsche sich, dass »Leute vom Schlage der Helmholtz und Wundt sich das Büchlein zu Herzen nähmen«. Das taten sie offenbar, denn Hildebrand äußerte sich gegenüber Fiedler sehr erfreut darüber, dass Helmholtz Das Problem der Form gelesen hatte: »Helmholtz hat es von der philosophischen Seite sehr interessirt – er sei auf ganz anderem Weg zu denselben Resultaten gekommen.«26 Dilthey konnte Helmholtz’ neuerlichen Ausführungen zu Goethe deutlich weniger abgewinnen. Er zeigte sich »amüsiert«, dass »Helmholtz seine Erkenntnißtheorie in Goethe wiederzufinden meint. Die dem zu Grunde liegende historische Unkenntniß kann eben nur einem großen Naturwissenschaftler nachgesehen werden. Einen Historiker, der im Doktorexamen dergleichen sagte, würde ich durchfallen lassen.« Zudem machte er aus historischer Sicht in der Helmholtz’schen Erkenntnistheorie wesentliche Anteile von John Stuart Mill und Thomas Brown aus. Helmholtz’ Lobrede auf Goethe fand er »unwahr«: »Daß Goethe keine purifizierten Farben gesehen, erklärt und entschuldigt nicht seine Farbentheorie. Es giebt keine Überbrückung des Gegensatzes Goethe-Helmholtz. Solch Versuch krankt an objektiver Unwahrheit. Helmholtzens Geschichtsunkenntniß ermöglicht ihm die volle Gutgläubigkeit.« Selbst du Bois-Reymond, steter Unterstützer, ja Apologet seines Freundes, war der Ansicht, Helmholtz sei mit dem Naturforscher Goethe viel zu gnädig umgegangen. Diltheys Einschätzung teilten indes auch wieder nicht alle: 1917, auf dem Höhepunkt seiner eigenen wissenschaftlichen Kreativität, beschäftigte sich Einstein mit den beiden Goethe-Aufsätzen aus Helmholtz’ Feder. Die Weimarer Rede, so urteilte er, würde »von jedem mit Entzücken gelesen, der an wissenschaftlicher Weltbetrachtung Freude haben kann […] Lieber Leser! Resümiert wäre profaniert. Selber lesen!«27
Standards setzen in Edinburgh Im August, zwei Monate nach Helmholtz’ Weimarer Rede, fand in Edinburgh das 62. Jahrestreffen der British Association for the Advancement of Science (BAAS) statt. Helmholtz nahm daran teil, um sich mit seinen britischen Kollegen zu beraten und die andauernden deutsch-britischen Unstimmigkeiten über die elektrischen Standardeinheiten beizulegen. Als Präsident der Reichsanstalt war er Deutschlands wichtigster Vertreter in diesen messtechnischen Angelegenheiten, während sein Freund Thomson (zusammen mit Rayleigh, Richard Glazebrook, George Carey Foster und William Edward Ayrton) dem entsprechenden Beraterkreis des britischen
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Handelsministeriums angehörte. Im Frühjahr hatte Thomson Helmholtz geschrieben, das Ministerium habe Helmholtz’ Wunsch respektiert und die Entscheidung über die Festlegung der elektrischen Einheiten für Widerstand, Stromstärke und Spannung (bis November) vertagt. Das Beraterkomitee hoffe, Helmholtz werde mit einigen seiner Mitarbeiter zum BAAS-Jahrestreffen kommen, um die von den Briten vorgeschlagenen Standards zu diskutieren und eine Einigung zwischen Großbritannien und Deutschland herbeizuführen. Thomson sprach zudem den Wunsch aus, Anna möge Helmholtz begleiten und man könne vor oder nach dem Jahrestreffen möglichst lange in Netherhall beisammen sein. Helmholtz versprach, mit Anna nach Edinburgh und anschließend nach Netherhall zu kommen. Die Gastgeber waren begeistert, und Thomson bat Tait, Helmholtz’ Empfang in Edinburgh vorzubereiten. Helmholtz hatte da bereits einen ausführlichen Brief von Siemens erhalten, in dem dieser erneut seine Unzufriedenheit mit der Definition des Ohms darlegte. Die neue Festlegung der Reichsanstalt sei ein »Bruch mit der von mir aufgestellten und bisher allgemein akzeptierten Definition der Quecksilbereinheit als des Widerstandes eines mit Quecksilber ausgefüllten Raumes, wie auch ein Bruch mit den internationalen Verabredungen der Deligirten [sic]-Konferenzen in Paris und ihren Beschlüssen vom 28. April 1884«. Helmholtz solle die Briten dazu bringen, zur zuvor international vereinbarten Einheit zurückzukehren und ihr »einseitiges« Verhalten aufzugeben: »Jedenfalls würde[n] einem Anschluss Deutschlands an ein solches rücksichtsloses Vorgehen große politische und praktische Bedenken entgegenstehen.«28 Helmholtz’ Besuch in Großbritannien beschränkte sich also keineswegs auf ein freundschaftliches Treffen mit Thomson. Auf dem Weg nach Schottland legten Anna und er einen Stopp in London ein und verbrachten zudem mehrere Tage mit Rayleigh auf seinem Landsitz in dem Dorf Terling bei Essex. In London wohnten sie bei Arthur James Balfour und nahmen an einer lebhaften Abendgesellschaft teil. Am Sonntag besuchte man »ganz artig« die Kirche. Während des ansonsten sehr geselligen Wochenendes in Terling tauschten sich Rayleigh und Helmholtz über die Festlegung der elektrischen Einheiten aus. Auch die Rayleighs gaben ein Fest für die deutschen Gäste: Eingeladen waren Balfour, die Sidgwicks, Albert A. Michelson, der Physiker R. J. Glazebrook aus Cambridge und William Robertson Smith, ein ebenfalls in Cambridge lehrender Arabischprofessor.29 James Sully hatte gehofft, Helmholtz würde auch am Internationalen Kongress für experimentelle Psychologie in London teilnehmen. Es war die zweite Versammlung dieser Art nach der Eröffnungsveranstaltung im August 1889. Rund 300 experimentelle Psychologen sollten zusammenkommen, mit Henry Sidgwick als Kongressvorsitzendem. Sully wünschte sich, Helmholtz möge einen Vortrag über physiologische Optik oder ein anderes selbst gewähltes Thema halten. Doch Helmholtz wollte sich nicht darauf festlegen, einen Beitrag einzureichen, woraufhin Sully bat, ihn dann wenigstens als Mitwirkenden nennen zu dürfen. Helmholtz willigte
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nur in ein privates Treffen ein und setzte sich (in Balfours Haus) mit zwanzig Psychologen zu einem Gespräch beim Mittagessen zusammen. Gleich darauf machten sich Anna und er auf den Weg nach Edinburgh.30 Dass Helmholtz an dem Edinburgher Kongress teilnahm, machte diesen zu einem besonderen Ereignis. Begleitet wurde er von zwei Mitarbeitern der Reichsanstalt, die ihm dabei helfen sollten, den Streit um die elektrischen Einheiten beizulegen. Zu den weiteren Teilnehmern gehörten Michelsen, Glazebrook, Stokes, Tait und Schuster. Thomson fand, es sei eine der aufschlussreichsten Zusammenkünfte, die er je erlebt habe. Unter den Anwesenden war auch eine seiner Nichten, die anschließend berichtete: »Helmholtz und Onkel William waren unzertrennlich, die beiden meldeten sich in den Sitzungen oft zu Wort, und Tait saß da und blickte mit einem ruhigen Lächeln in die Runde.« Anna von Helmholtz schrieb nach Hause: »Die British Association steht sozial weit über unserer Naturforscher Versammlung, ist in Form und allem sehr englisch. Damen sind überall dabei; was sie von den Sectionssitzungen haben, weiss Gott allein, aber sie sitzen eben dabei.« An einem Abend gab es im Hause Cox ein großes Dinner, und im Anschluss einen Empfang für 200 Gäste, zu dem sich laut Anna »alle Grandies« einfanden. Ein andermal dinierten die Helmholtzens sogar auf einer Yacht.31 Briten und Amerikaner nahmen den Kongress zum Anlass, auch für ihre Länder eine Institution wie die Reichsanstalt zu fordern. Früher in ebendiesem Jahr 1892 hatte Edward Weston eine Metalllegierung mit einer geringen Temperaturabhängigkeit des Widerstands entdeckt, die man deshalb hervorragend zur Spannungsmessung einsetzen konnte. Ein Jahr später sollte er dann auch das Patent auf dieses »Weston-Normalelement« erhalten. An der Reichsanstalt begannen die Forscher sehr bald nach ihrer Entdeckung Experimente mit der neuen Legierung, die sie »Manganin« tauften, aber pflichtbewusst ihrem Erfinder zuschrieben. Als Thomson nun jedoch vor der BAAS eine Rede hielt, die die britische Regierung zur Gründung eines eigenen nationalen messtechnischen Instituts anregen sollte, deklarierte er Manganin fälschlicherweise als deutsche Erfindung. Er argumentierte also: Hätte Großbritannien eine vergleichbare Institution, so hätte womöglich ein Brite die Legierung entdeckt. Helmholtz, der kurz vor Thomson gesprochen hatte, widersprach: Es sei ein amerikanischer Ingenieur gewesen, der das Metall entdeckt habe. Nun meldete sich auch noch William Edward Ayrton zu Wort und versicherte, Weston sei Brite. (Tatsächlich stammte Edward Weston aus den englischen West Midlands, war aber 1870 als Zwanzigjähriger nach Amerika ausgewandert.) Der Amerikaner Henry Carhart, der ebenfalls am Edinburgher Kongress teilnahm, wusste zu berichten, dass in seiner Heimat über die Einrichtung staatlicher Labore für Physik und Chemie beraten werde. Sieben Jahre später, 1899, eröffnete dann das National Physical Laboratory im englischen Teddington, und neun Jahre später das National Bureau of Standards in Washington, die sich beide nach dem Vor-
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bild der Reichsanstalt organisierten. In Edinburgh konnten die amerikanischen, britischen, französischen und deutschen Vertreter immerhin noch die Bedingungen zur Festlegung der Werte für Ohm, Ampere und Volt spezifizieren. Auf dieser Grundlage wurde dann im Jahr darauf in Chicago Einigkeit über die Werte erzielt.32 Von Edinburgh reisten die Helmholtzens nach Glasgow, und dann weiter zu Thomsons Landsitz Netherhall Largs. Anna war äußerst beeindruckt von der Glasgower Universität, ihren Gebäuden und Laboratorien – darunter Thomsons eigenem, in dem er seinen Gästen unter anderem Präzisionsinstrumente zur Messung von Elektrizität vorführte. Wieder traf man sich an Bord eines Schiffes – dieses Mal auf der »herrlichen Yacht« von Sir John Burns. Helmholtz, Thomson und drei weitere Wissenschaftler sprachen beim anschließenden Tee über mathematische Probleme – zum Missfallen von Anna. »Für Papa ist es Zeit«, schrieb sie Ellen, »dass etwas Ruhe in sein Leben kommt, er ist müde bei den vielen Anforderungen an seine Aufmerksamkeit.« Tags darauf kehrten die beiden nach Glasgow zurück, um von dort nach London, Köln und Bayreuth weiterzureisen.33 So viel zur Ruhe. In jenem Herbst – genauer gesagt am 2. November 1892 – jährte sich die Verleihung des Doktortitels an Helmholtz zum 50. Mal und er wurde wie ein Jahr zuvor erneut öffentlich geehrt. In der Akademie der Wissenschaften fand eine offizielle Feier statt, bei der ihr Präsident du Bois-Reymond erklärte, die Akademie habe nicht zu den vielen Gratulanten bei Helmholtz’ 70. Geburtstag gehört, da es nicht üblich sei, derartige Anlässe formell zu begehen (dennoch war die Akademie ja insofern beteiligt gewesen, als zu diesem Anlass die Helmholtz-Medaille ins Leben gerufen wurde). Nun befinde man sich zum 50. Jahrestag von Helmholtz’ Doktorwürde in der »misslichen Lage«, wiederholen zu müssen, was andere längst über den »Meister« gesagt hatten. Es wurde also eine lange Liste mit Helmholtz’ wissenschaftlichen Leistungen und anderen beruflichen Erfolgen verlesen. Die Feier endete in der Hoffnung, Helmholtz möge noch ein langes, produktives Leben führen und der Akademie weiter zu Ruhm verhelfen.34 Das wünschte sich freilich nicht nur die Akademie der Wissenschaften: Auch der Kaiser schickte am 2. November ein Glückwunschtelegramm, zusammen mit einer Büste von sich selbst. Weitere Glückwünsche und Ehrenbekundungen kamen von der medizinischen und der philosophischen Fakultät der Berliner Universität. Kultusminister Gustav von Gossler bat Helmholtz um eine Stunde seiner Zeit, damit er ihm seine »Verehrung und Dankbarkeit« aussprechen könne. Gossler betonte, wie glücklich er sich »als Deutscher« und »als Mann« schätze, Helmholtz’ »Streben und Arbeiten« so nahe mitzuerleben – Helmholtz sei »dem Vaterlande« von großem Wert.35 Wieder einmal zollte der Staat dem Wissenschaftler Ehre und Respekt.
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28 Ein charismatischer Anführer Aufbau und Leitung der Reichsanstalt Helmholtz hatte gehofft, die verbleibenden Jahre seines Lebens der Forschung in der theoretischen Physik widmen zu können, und bis zu einem gewissen Grad tat er das auch und konzentrierte sich dabei auf Atmosphärenphysik, theoretische Elektrodynamik, das Prinzip der kleinsten Wirkung und Mechanik. Doch als er von der Universität an die Reichsanstalt wechselte, musste er sich verpflichten, weiterhin pro Semester eine Vorlesung über theoretische Physik an der Universität zu halten. Viel mehr noch schlug aber zu Buche, dass er schon in der Aufbauphase und dann im regulären Betrieb einen beträchtlichen Teil seiner Zeit auf die Reichsanstalt verwenden musste. Er tauschte eine institutionelle Bürde gegen eine andere ein. Von 1887 bis in sein Todesjahr 1894 war Helmholtz die entscheidende Figur, die der Reichsanstalt ihren Stempel aufdrückte.1 Er entwickelte ihre Verwaltungsstruktur, wirkte bei der Auswahl der Kuratoriumsmitglieder mit, legte den allgemeinen Daseinszweck und den jährlichen Arbeitsplan des Instituts fest. Das Kuratorium setzte sich aus Fachleuten mit unterschiedlichem beruflichen Hintergrund (akademische Physik, Präzisionstechnik und Instrumentenbau allgemein) sowie Vertretern der Reichsregierung zusammen. Es umfasste etwa 25 Mitglieder, viele von ihnen – wie Foerster, Siemens, Bezold, Clausius, Kohlrausch, Abbe, Kundt und Wiedemann – mehr oder weniger enge Kollegen von Helmholtz. Helmholtz oblag die wissenschaftliche und administrative Leitung. Er war gleichzeitig Präsident der Reichsanstalt und Direktor von deren Wissenschaftlicher Abteilung und ihm oblag die Aufsicht über den Direktor von deren Technischer Abteilung. Um alle Aufgaben erfüllen zu können, entwarf er einen ausgeklügelten Organisationsplan mit einer hierarchischen Arbeitsstruktur. Mit Zustimmung des Kuratoriums legte er allein den größten Teil der jährlichen Forschungs- und Prüfvorhaben der Reichsanstalt fest. Helmholtz gab der Wissenschaftlichen Abteilung eine starke Forschungsausrichtung und legte besonderen Wert auf die Grundlagenforschung in der Metrologie, insbesondere in den Bereichen Wärme, Elektrizität und Optik. Er wählte die Mitarbeiter für die Wissenschaftliche Abteilung sowie den Direktor der Technischen Abteilung aus. (Leopold Loewenherz bekleidete den Direktorenposten bis zu seinem Tod im Jahr 1892, sein Nachfolger war Ernst Hagen.) Im Jahr 1893 beschäftigte die Reichsanstalt bereits 65 Mitarbeiter, darunter mehrere ehemalige Helmholtz-Schüler. Die Mitarbeiter waren überwiegend in kleinen Teams (von meist zwei bis vier Personen) organisiert, nur einige wenige durften allein arbeiten. Dazu gesellten
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sich auf Einladung einige Gastforscher. Helmholtz entschied darüber, welche Forschungs- und sonstigen Arbeiten an der Reichsanstalt verfolgt wurden und was davon veröffentlicht werden sollte und gegebenenfalls wo. Besonders enge Kontakte unterhielt er zu den Annalen der Physik und Chemie und der Zeitschrift für Instrumentenkunde. Er gründete auch eine hauseigene Zeitschrift, die Wissenschaftlichen Abhandlungen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt. Einige Befugnisse delegierte er natürlich an die Leiter der Laboratorien für Wärme, Elektrizität und Optik und an Loewenherz (später Hagen), der beide Abteilungen verwaltete. So verschaffte er sich Zeit für seine eigene physikalische Forschung. Die Mitarbeiter beider Abteilungen standen in engem Kontakt mit ihren Kollegen an der Universität und an der Technischen Hochschule Charlottenburg. Damit gab es in Berlin nun drei physikalische Forschungsstätten. In der ersten Zeit waren die beiden Abteilungen in provisorischen Räumen an der Technischen Hochschule untergebracht: Dort arbeitete Helmholtz zwischen 1887 und 1891, bevor er das frisch errichtete riesige Observatoriumsgebäude bezog, das der Wissenschaftlichen Abteilung als Sitz diente. Die Gebäude der Technischen Abteilung wurden zwei Jahre später fertiggestellt. Im Mai 1889 begann der Umzug der Helmholtzens in ihr neues Domizil (siehe Abb. 28.1 und 28.2). Als die Bauphase
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Abb. 28.1: Frontansicht des Observatoriums der Reichsanstalt, das deren wissenschaftliches Hauptgebäude darstellte. bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer / Willy Römer.
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der Reichsanstalt 1897 abgeschlossen war, umfasste sie zehn neue Bauwerke (fünf für jede Abteilung) und ein repräsentatives Wohnhaus für ihren Präsidenten, das alles auf einem gepflegten Gelände von über drei Hektar Größe. Die Baukosten lagen bei 3 672 360 Mark. Die Wissenschaftliche Abteilung allein bot mehr Fläche und wahrscheinlich eine bessere Ausstattung für die physikalische Forschung als jedes bestehende universitäre Physikinstitut, und dort arbeiteten mehr professionelle Physiker als in jeder anderen wissenschaftlichen Einrichtung der damaligen Zeit. Einige ihrer akademischen Kollegen mahnten denn auch besorgt, die Abteilung solle die universitären Physikinstitute ergänzen, nicht mit ihnen konkurrieren. Ganz in diesem Sinne wurde die Arbeit der Abteilung mehr auf die Anliegen der Industrie als auf die reine Wissenschaft ausgerichtet. Die Technische Abteilung ihrerseits leistete einen erheblichen Anteil an den praktischen Prüf- und Messarbeiten für die Industrie. Die gesamte physikalische Infrastruktur und das Fachpersonal dienten folglich dem Zweck, die metrologischen Grundlagen von Wärme, Elektrizität und Optik zu erarbeiten, die praktische Anwendung metrologischer Normen in diesen Bereichen zu fördern und Messreihen unter anderem für die Industriezweige Elektro, Gas, Thermometer, Zucker, Präzisionstechnik und Instrumenten-
Abb. 28.2: Helmholtz’ Dienstwohnsitz an der Reichsanstalt. Henry S. Carhart, »The Imperial Physico-Technical Institution in Charlottenburg«, in: Transactions of the American Institute of Electrical Engineers 17 (1900), S. 555 – 583, Abb. auf S. 558.
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bau praktisch durchzuführen. Neben den metrologischen Bedürfnissen der deutschen Wissenschaft und Technik setzte sich die Reichsanstalt auch für die Anliegen und das Ansehen des Deutschen Reichs ein, soweit physikalische und industrielle Normen betroffen waren (sowohl innerhalb des Reichs als auch international). Unter Helmholtz’ Leitung wurde die Reichsanstalt zu einer florierenden wissenschaftlich-technischen Institution; zur Jahrhundertwende hatte sie Nachahmer in Großbritannien und Amerika gefunden. Sie war ein Institut für ein Kaiserreich.
(Immer noch eine) Autorität in der Psychologie Auch auf dem Gebiet der Psychologie blieb Helmholtz wissenschaftlich aktiv, und um 1890 war sein Ansehen in dieser Disziplin noch recht hoch. So luden Ebbinghaus und König, als sie die Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane (1890) gründeten, Helmholtz ein, einer ihrer beratenden Herausgeber zu werden. Es gab vielerlei Gründe, sich gerade an ihn zu wenden, war sein Einfluss auf die physiologische Psychologie der vergangenen vier Jahrzehnte doch groß gewesen. Er trug jedoch mehr als nur seinen Rat bei: Zwischen 1890 und 1894 veröffentlichte er in dieser neuen Zeitschrift eine fünf Beiträge umfassende Artikelreihe (über Empfindung, Farben und Farbtheorie, Wahrnehmung und das Fechner-Gesetz). Sein Interesse an Fragen der visuellen Wahrnehmung war ungebrochen; die Psychologen betrachteten ihn immer noch als einen der ihren. Mit Königs Hilfe überarbeitete er sein Handbuch der physiologischen Optik, Teillieferungen davon erschienen zwischen 1885 und 1894 neu. Die Wiederveröffentlichung des gesamten überarbeiteten Bandes erfolgte dann unter Königs Leitung posthum im Jahr 1896. Zusammen mit der Lehre von den Tonempfindungen blieb das Handbuch ein wichtiges Werk für die Psychologie.2 Wie hoch Helmholtz’ Ansehen in der Psychologie gegen Ende des Jahrhunderts immer noch war, zeigt sich in den Werken von William James, insbesondere in The Principles of Psychology (1890), aber auch in The Will to Believe (1897; Der Wille zum Glauben, 1899) und in seiner Aufsatzsammlung Essays in Psychology. Diese Werke, vor allem die Principles, haben die Ausbildung der Psychologie als Disziplin in den Vereinigten Staaten wesentlich gefördert und geprägt. Obwohl James sich neben Helmholtz auch auf andere Autoritäten stützte – insbesondere auf Spencer, Wundt und Bain –, berief er sich doch häufiger auf Helmholtz’ Ideen, empirische Ergebnisse, Schriften und seinen Namen als auf irgendwen sonst. In den Principles lenkte er (oft untermauert mit langen Zitaten) bei einer ganzen Reihe von Themen besondere Aufmerksamkeit auf Helmholtz: Reaktionszeit und Nervenleitung, Farbzusammensetzung, unbewusste Schlüsse, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Grundtöne, Empfindungen, Weber’sches Gesetz, Zeitwahrnehmung, Nachbilder, Kontrast, umgekehrtes Sehen, Illusionen, Muskelsinn, Konvergenz, Zyklopenau-
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ge, Raum, Innervation, Anstrengung oder Wille, Zählen und wissenschaftliche Gesetze im Allgemeinen. Wo immer es um Tatsachen oder Methoden ging, pflichtete James Helmholtz bei. In theoretischen oder Interpretationsfragen unterschied sich seine Meinung jedoch häufig grundsätzlich von Helmholtz’. James studierte auch sorgfältig Helmholtz’ Schriften über die Energieerhaltung, über Auge und Ohr (einschließlich des Handbuchs und der Tonempfindungen) sowie all seine philosophischen und populärwissenschaftlichen Aufsätze. Ralph Barton Perry, einer der frühen und wichtigsten Biographen von James, hielt Helmholtz für »eines seiner wissenschaftlichen Idole«.3
Lehrtätigkeit in der theoretischen Physik Doch es sollte die Physik sein, nicht die Psychologie, die Helmholtz in seinen verbleibenden Jahren intellektuell vor allem beschäftigte. Helmholtz’ universitäre Verpflichtungen bestanden offiziell darin, pro Semester eine Vorlesung in theoretischer Physik zu halten. Bereits 1874 hatte er eine Vorlesung über die mathematische Theorie der Elektrodynamik gehalten, was auch der Titel seiner letzten angekündigten Vorlesung des Wintersemesters 1894/95 war, die nicht mehr stattfand. Er leitete außerdem fortgeschrittene Studenten immer noch bei ihren Forschungen an, nahm (gegen Bezahlung) Prüfungen ab, was er allerdings verabscheute, und dergleichen mehr.4 Zwischen 1871 und 1894 setzte er seinen Namen unter 1169 Promotions- und 171 Habilitationsverfahren. Persönlich begutachtete er 85 Dissertationen und 27 Habilitationen und prüfte 217 Kandidaten für eine Promotion. Die weitaus meisten dieser Promotionen (vor allem nach 1888) fanden in Chemie statt, deutlich weniger in Physik, einige in Astronomie und Mathematik, wenige in Philosophie, Musik, Musikgeschichte und Geschichte, und eine sogar in Geschichte der Astronomie. Zu den letzten bekannten Helmholtz-Schülern gehörten Walther Rathenau (Promotion mit Kundt als erstem, Helmholtz als zweitem Gutachter), Hermann Ebbinghaus (Habilitation in Psychologie), Ernst Pringsheim (Habilitation in Physik), Leo Arons (Habilitation in Physik), Heinrich Rubens (Habilitation in Physik), Michael Pupin (Promotion in Physik) und Willy Wien (Promotion und Habilitation in Physik). Viele von ihnen wurden in den 1890er-Jahren und in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts zu äußerst einflussreichen Persönlichkeiten. Rathenau etwa wurde Elektrochemiker, Chef der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft, Essayist, Leiter der deutschen Kriegsrohstoffabteilung während des Ersten Weltkriegs und Außenminister in den Anfangsjahren der Weimarer Republik, bis er im Jahr 1922 ermordet wurde. Helmholtz schrieb er selbst einen wichtigen Einfluss auf sein intellektuelles Fundament zu.5 Am Ende von Helmholtz’ Laufbahn als akademischer Lehrer zeichnete sich ein Wandel der Stellung von Frauen in der Wissenschaft in Deutschland (und anders-
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wo) ab: Frauen bekamen nun allmählich die Erlaubnis, zu studieren und höhere akademische Grade zu erwerben, was ihnen bisher verwehrt worden war. Noch um das Jahr 1889 soll Sarah Whiting, einer jungen amerikanischen Doktorandin der Physik, die Nutzung der Helmholtz’schen Forschungseinrichtungen verweigert worden sein (obwohl sie an den Vorlesungen von Kundt und Bezold teilnehmen durfte). Im Gegensatz dazu arbeitete die US-amerikanische Logikerin und Psychologin Christine Ladd-Franklin im Jahr 1892 für kurze Zeit in Königs Laboratorium, wo sie durch ihre Forschungsarbeit die Unterschiede zwischen Helmholtz’ und Herings Farbtheorien zu überwinden suchte. (Sie hoffte, die beiden Ansätze durch eine evolutionäre tetrachromatische Farbtheorie vereinen zu können.) Unter der Führung von Helen Lange forderte Helmholtz im akademischen Jahr 1893/94 gemeinsam mit anderen liberalen Professoren die Einrichtung eines sogenannten Realkurses für Frauen in Berlin. Sowohl Hermann als auch Anna von Helmholtz traten dem Gremium bei, das mit der Organisation des Kurses betraut wurde. Bis zum Jahr 1896 hatte sich Langes Petition zur Einrichtung eines solchen Kurses dann zum ersten staatlich anerkannten Frauenabitur in Deutschland entwickelt. Im Prinzip hatten Frauen nun zum ersten Mal die reale Möglichkeit, eine deutsche Universität zu besuchen und dort einen Abschluss anzustreben.6 Im Frühjahr 1892 willigte Helmholtz ein, gemeinsam mit mehreren fortgeschrittenen Studenten seine Vorlesungen über theoretische Physik für eine Publikation zusammenzustellen. Obwohl die Bände (Vorlesungen über theoretische Physik) bei der Veröffentlichung auf Umschlag und Titelblatt Helmholtz’ Namen trugen, ist es (außer beim ersten Teil von Band 1) unmöglich, genau festzustellen, inwieweit er tatsächlich und ausschließlich ihr Autor war. Selbst geprüft hat Helmholtz nur ein Drittel von Band 3 und etwa die Hälfte von Band 5. Die Bände basierten zweifellos auf seinen Vorlesungen, die er größtenteils zwischen 1892 und 1894 gehalten hatte; und sie fassten definitiv seine Arbeiten und Ansichten in theoretischer Physik seit 1847 zusammen. Aber er hatte die Vorlesungsskripte damals nicht ausformuliert (was er auch sonst nie tat). Er trug stattdessen frei vor – er improvisierte, wie seine Herausgeber es nannten – und warf dabei nur gelegentlich einen Blick in ein kleines Notizbuch, um sich daran zu erinnern, was er thematisch hatte abdecken wollen. Während des Vortrags ließ er manchmal eine Sichtweise, die er gerade propagiert hatte, fallen und griff stattdessen eine andere auf, die ihm nützlicher erschien. Wahrscheinlich meinten der amerikanische Physiker W. F. Magie und andere genau das, wenn sie sagten, eine Helmholtz-Vorlesung zu hören, bedeute, den kreativen Prozess in der Physik in Aktion zu erleben. Oder vielleicht war es einfach nur eine höfliche Umschreibung für Widersprüchlichkeiten? Auf jeden Fall konnte man hier jemanden erleben, der Konzepte vorstellen und klären wollte und sich nicht in dem Maße für eine korrekte mathematische Herleitung oder eine geordnete Darstellung interessierte, wie es für die meisten Anfänger so wichtig ist. Helmholtz’
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Studenten machten sich Notizen über das, was »der Meister« – wie sie ihn häufig nannten – sagte, und fertigten Mitschriften an. Carl Runge, der mit König Helmholtz’ Vorlesungen zur Akustik herausbrachte, merkte zum Beispiel an, dass nur ein Teil dieser Vorlesungen ausgearbeitet vorgelegen hatte. Der Rest musste aus Mitschriften von Studenten rekonstruiert werden, wobei Runge den mathematischen Teil übernahm. Das war keine einfache Aufgabe, vor allem, wenn die Notizen der Studenten Bemerkungen enthielten wie »murmelt zur Tafel gewendet einige unverständliche Worte«. Die studentischen Mitschriften wurden also erweitert und ganze Abschnitte wurden von den jeweiligen Herausgebern einer Vorlesungsreihe nach eigenem Ermessen mit (anderen) Überschriften versehen. Helmholtz’ Notizbücher sowie seine früheren Vorlesungen zur Experimentalphysik wurden in einigen Punkten konsultiert oder verwendet. Alles in allem wurden diese Bände von den einzelnen Herausgebern stark redigiert, um nicht zu sagen: weitgehend geschrieben. König, der kein theoretischer Physiker, aber in allen editorischen Belangen Helmholtz’ vertrauter Majordomus war und die Veröffentlichung der Bände arrangierte, fungierte als sein designierter Hauptherausgeber für alle Bände. Zweifellos hatten die einzelnen Herausgeber bei der Wiederherstellung von Helmholtz’ Vorträgen die besten Absichten, doch die innere Struktur und der Wortlaut dieser Bände und vielleicht sogar ein Teil des Inhalts (wenn auch nicht die Grundgedanken) waren das Produkt mehrerer Hände.7 Neben der nicht vollständig geklärten Autorschaft sind auch die Gliederung und Publikationsreihenfolge dieser Bände verwirrend. Die endgültige veröffentlichte Ausgabe der Vorlesungen bestand aus sechs (Zähl-)Bänden (aber gebunden in sieben Bänden), erschienen zwischen 1897 und 1907 ohne feste Reihenfolge. Band 1 bestand selbst wiederum aus zwei Teilen. Teil 1, herausgegeben von König und Runge, ist das einzige dünne Bändchen der Reihe. Obwohl es am Anfang der Reihe steht, erschien es erst spät im Publikationsverlauf (1903). In diesem Bändchen geht es um die methodologischen Prinzipien und die Grundlagen mathematischer Darstellung. Was erkenntnistheoretische und andere philosophische Standpunkte und Fragen betraf, wurde hier jedoch nur wiederholt, was Helmholtz während fast einem halben Jahrhundert entwickelt hatte, von der Einleitung zu seinem Aufsatz »Ueber die Erhaltung der Kraft« bis hin zu »Die Thatsachen in der Wahrnehmung«, und von seinen Aufsätzen über die Grundlagen der Geometrie bis hin zu seiner Abhandlung über das Zählen und Messen. Der zweite, von Otto Krigar-Menzel herausgegebene Teil erschien fünf Jahre früher (1898) und enthielt Helmholtz’ Vorlesungen über die Dynamik diskreter Massepunkte. Band 2, ebenfalls herausgegeben von Krigar-Menzel, erschien im Jahr 1902 und konzentrierte sich auf die Elastizität von Festkörpern. Band 3, herausgegeben von König und Runge, erschien 1898 und enthielt die mathematischen Grundlagen der Akustik. Band 4, herausgegeben von Krigar-Menzel und Max Laue, erschien als Letztes (1907) und befasste sich mit
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der Elektrodynamik und der Theorie des Magnetismus. (Der Band erschien somit zwei Jahre nach Einsteins revolutionärem Werk zur Elektrodynamik.) Im Gegensatz zu den vorhergehenden Bänden basierte dieser jedoch nicht auf Mitschriften, sondern auf einer Kombination aus Helmholtz-Notizbüchern, studentischen Notizen von einer früheren, 1888/89 gehaltenen Vorlesungsreihe und einzelnen original Helmholtz’schen Papieren. Band 5, herausgegeben von König und Runge, erschien 1897 als erster Band der Reihe und befasste sich mit der elektromagnetischen Theorie des Lichts. Band 6, herausgegeben von Franz Richarz, erschien im Jahr 1903 und war der Theorie der Wärme gewidmet. Richarz arbeitete mit einer Kombination aus Helmholtz’ Notizbüchern, Mitschriften anderer und eigenen Notizen aus Helmholtz’ Vorlesungen zu diesem Thema aus den frühen 1880er-Jahren. Die Vorlesungen geben zweifellos Helmholtz’ Ansichten und Haupterkenntnisse in der theoretischen Physik wieder; tatsächlich dürften sie, allgemein gesprochen, das Denken der frühen 1890er-Jahre in diesem Bereich abbilden. Für Physiker waren die Bände daher zweifellos nützlich, als sie ab 1897 nach und nach herauskamen. Aber als der letzte Band erschien (1907), war das Gebiet der theoretischen Physik in einem solchen Wandel begriffen, dass die Vorlesungen ihre Aktualität verloren hatten und stattdessen allmählich zu einem Denkmal für Helmholtz selbst wurden.8
Förderer der Physik an der Akademie Helmholtz setzte sich an der Akademie der Wissenschaften weiterhin für die Physik ein.9 Zwischen 1888 und 1894 nahm er an 63 Sitzungen der physikalisch-mathematischen Klasse und an 25 Sitzungen des Plenums teil, hielt sieben Vorträge vor der Klasse und zwei vor dem Plenum. In seinen Vorträgen ging es um Elektromagnetismus, Thermodynamik, Mechanik, Geophysik und Atmosphärenphysik sowie einmal um Psychophysik. Sechs dieser Vorträge wurden in den Sitzungsberichten oder den Abhandlungen der Akademie veröffentlicht. Sie bereicherten das wissenschaftliche Leben an der Akademie enorm – besonders natürlich für die Physiker, denn es darf bezweifelt werden, dass die Geistes- und Sozialwissenschaftler an der Akademie derart hochwissenschaftliche Vorträge verstanden. Insgesamt veröffentlichte Helmholtz zwischen 1850 und 1893 in den drei Zeitschriften der Akademie 44 Abhandlungen. Helmholtz belebte die Akademie auch dadurch, dass er weiterhin geeigneten Personen den Weg zum korrespondierenden oder ordentlichen Mitglied ebnete, bei der Veröffentlichung der Manuskripte von Nichtmitgliedern behilflich war und sich um finanzielle Unterstützung für einzelne Forscher bemühte. Zwischen 1888 und 1894 schlug er folgende Personen zur Aufnahme vor oder war Mitunterzeichner der Benennung: Hertz als korrespondierendes Mitglied und Boltzmann (der später wieder ausgeschlossen wurde), Kundt, Planck und Vogel als ordentliche Mit-
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glieder. Unter den solcherart Geförderten waren sowohl führende Physiker als auch Nachwuchswissenschaftler. Besonders spektakulär wurde es Ende Januar 1888, als Helmholtz du Bois-Reymond drängte, in den Sitzungsberichten der Akademie rasch ein Manuskript von Hertz in den Druck zu geben. Hertz’ Werk, das den experimentellen Beweis für die Identität von elektromagnetischen und Lichtwellen lieferte, erwies sich als epochal. Helmholtz setzte sich für eine ganze Reihe von Hertz-Manuskripten zu diesem und verwandten Themen ein. Dasselbe tat er auch für Manuskripte von Kundt, Kayser und Runge (eine Aufsatzreihe über Spektroskopie), Willy Wien, König, Braun, Lenard, Nernst, Lummer, Kurlbaum und H. F. Weber, um nur einige zu nennen. In mehreren dieser Publikationen – zum Beispiel von Wien, Weber, Lummer und Kurlbaum – ging es um Schwarzkörperstrahlung und spektrale Energieverteilung; sie erwiesen sich bald als wichtige Schritte auf dem Weg zur Quantenphysik. Im Lauf der Zeit förderte Helmholtz auch – durch Veröffentlichung ihrer Manuskripte oder anderweitig – die Karriere von sechs zukünftigen Nobelpreisträgern der Physik – Röntgen (1901), Lenard (1905), Michelson (1907), Braun (1909), Wien (1911) und Planck (1918) – sowie von einem Nobelpreisträger in Chemie (Nernst, 1920). In seiner Eigenschaft als Vizekanzler des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste setzte er sich energisch und erfolgreich dafür ein, dass Kundt auf eine neue Position berufen wurde (1891/92).10 Helmholtz’ eigene Aufnahme als ausländisches Mitglied (associé étranger) in die Pariser Akademie der Wissenschaften (im Juni 1892) erwies sich für die deutsche Wissenschaft ebenfalls als hilfreich.
Meteorologie und Atmosphärenphysik: Von Krakatau bis Graf Zeppelin An der Akademie leitete Helmholtz auch Ausschüsse, die das Meteorologische Institut und das Geodätische Institut beaufsichtigten.11 Er interessierte sich schon lange für Meteorologie und Atmosphärenphysik, aber ab Ende August 1883 hatte er einen aktuellen Grund, um sich mit Meteorologie zu beschäftigen. Die zwischen Java und Sumatra gelegene Vulkaninsel Krakatau erlebte damals einen dramatischen Ausbruch, der zu einem globalen geophysikalischen und gesellschaftlichen Ereignis wurde und Anlass für viele wissenschaftliche Debatten über den geophysikalischen Zustand von Sonne und Erde bot. Der Ausbruch fachte das Interesse an der Erforschung der oberen Atmosphäre erneut an. Die gewaltigen Eruptionen verwüsteten nicht nur die Insel selbst; zu ihren Auswirkungen gehörten Erdbeben, Aschefluss, Staub- und Gasemissionen, Schockwellen, ein Tsunami und eine allgemeine Verdunkelung, ganz zu schweigen von den großen Verlusten an Menschen- und anderen Leben. Die Folgen des Ausbruchs waren in unterschiedlicher Stärke nicht nur in Asien, sondern sogar im fernen Nordamerika und in Europa zu hören, zu se-
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hen und zu spüren. Viele erfuhren auf die eine oder andere Weise von dem Geschehen am Krakatau. Wie die jüngsten internationalen Elektrizitätskongresse in Paris und der zunehmende internationale Handel zwischen Eurasien und Nordamerika war der Krakatau ein weiterer, in diesem Fall geophysikalischer und katastrophaler Beweis dafür, dass die Welt immer enger zusammenwuchs. Ebendies implizierte auch die Vorstellung von globalen Wettermustern, die sich zunehmend verbreitete. Nachrichten über den Ausbruch des Krakatau und seine Folgen erreichten Helmholtz von mehreren Seiten. Sein Sohn Robert berichtete aus Berlin über das »Wolkenglühen«, das er dort Ende November beobachtet hatte. Auch von Georg von Neumayer, dem Gründer der Deutschen Seewarte in Hamburg (1875), Direktor der dortigen Deutschen Meteorologischen Gesellschaft und Leiter deutscher und internationaler Polarexpeditionen, erfuhr Helmholtz davon. (1882/83 war das erste Internationale Polarjahr.) Neumayers Ruf beruhte vor allem darauf, dass er der Hauptorganisator der deutschen geophysikalischen Initiativen war, nicht so sehr auf seinen Forscherqualitäten; er war in der Meteorologie und den Geowissenschaften allgemein gut vernetzt und trug erheblich dazu bei, dass Deutschland sich in diesen Bereichen einen weltweiten Wirkungskreis eröffnete. Im Jahr 1882 schickte er Helmholtz auf dessen Wunsch eine der neuen Magnetkarten der Erde. Im Jahr 1884 schrieb er erneut über den Krakatau und schickte Helmholtz Ascheproben vom Vulkanausbruch. Auch Johann Kießling, ein ehemaliger Schüler von Franz Neumann und Forscher in Magnus’ Laboratorium, der inzwischen Physiklehrer an einer Sekundarschule in Hamburg und Mitarbeiter der Außenstelle der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft in Hamburg-Altona war, berichtete Helmholtz im Juni 1886 von seiner eigenen wichtigen Studie über den Krakatau. Kurz darauf wurde Kießling bekannt für seine Interpretation des Bishop-Rings, einer Korona, die manchmal in Staubwolken sichtbar wird, wie sie etwa bei der Eruption des Krakatau entstanden. Er versuchte auch, dieses Phänomen im Labor zu simulieren, und seine zu diesem Zweck entstandene »Beugungskammer« wurde zu einem Vorläufer der Nebelkammer.12 Kurz gesagt verfolgte Helmholtz (teilweise) die Veröffentlichungen zur Meteorologie und hatte gute Kontakte zu Fachleuten. Nach seiner Veröffentlichung über »Wirbelstürme und Gewitter« (1875) publizierte er gut ein Jahrzehnt lang nichts mehr über Fragen der Meteorologie oder Atmosphäre. Dann, im September 1886, beobachtete er bei einer Wanderung auf dem Rigi Wolken- und Gewitterformationen im nahen Jura und verfasste einen kurzen, anschaulichen Bericht über seine Beobachtungen. Er stellte sich die Formationen als verwirbelnde Luftschichten in der Atmosphäre vor und übertrug damit sein altes hydrodynamisches Konzept von den Gewässern der Erde auf ihre Atmosphäre.13 Diese neue Vorstellung von Wirbelschichten in der Atmosphäre manifestierte sich in drei weiteren Arbeiten zur Meteorologie und Atmosphärenphysik – Arbeiten, in denen Helmholtz seine verblüffende Fähigkeit bewies, verschiedene Diszi-
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plinen kreativ zu vermischen, in diesem Fall Thermo- und Hydrodynamik (ganz zu schweigen von seiner Analogie zur Luftströmung in einer Orgelpfeife, also zur Akustik), um die Atmosphäre und die Meeresoberflächen besser zu verstehen. In der ersten dieser Abhandlungen, die im Jahr 1888 veröffentlicht wurde, entwickelte er seine Erkenntnisse über die atmosphärischen Bewegungen weiter, insbesondere über die diskontinuierliche Bewegung zwischen oberen und unteren Zonen der Passatwinde. Diese Diskontinuitätsflächen in der Atmosphäre seien, so argumentierte er allgemein, auf eine Kombination aus Gravitation, Sonnenwärme, Erdrotation und Reibung an der Erdoberfläche zurückzuführen. Im Laufe der Zeit werde sich eine instabile Wellenoberfläche in zahlreiche Wirbel auflösen, was eine Abschwächung der oberen Passatwinde und einen Wärmeaustausch zwischen den oberen und unteren Winden zur Folge habe. Diese Effekte verhinderten, dass noch sehr viel heftigere Winde in der Atmosphäre zirkulierten.14 Ein Jahr später, also 1889, veröffentlichte Helmholtz einen zweiten Text über atmosphärische Bewegungen, in dem er nun zwei oder drei seiner früheren Aussagen klärte oder korrigierte, einzelne Punkte genauer ausführte und zu verstehen suchte, wie sich die Erdrotation auf die (mechanische) Abschwächung der Winde auswirkte. Dabei dehnte er seine Analyse atmosphärischer Wellen auf die Wellen in Gewässern aus. Er zeigte, dass Wasserwellen überwiegend durch stetigen Wind verursacht werden, der über eine ebene Wasseroberfläche weht. Er fand eine mathematische Beziehung zwischen der Windgeschwindigkeit und der Höhe und Länge von Meereswellen und erklärte, wie sich die Energiedichte von Wind und Wellen gegenseitig beeinflusst. Dabei bildeten sich Meereswellen, wie er feststellte, analog zu Kombinationstönen in der Akustik. (Schon viel früher, im Jahr 1871, hatte Thomson an der Beziehung zwischen Wind und Meereswellen geforscht, wie Helmholtz von seinem damaligen Segeltörn mit ihm wusste; Rayleigh erinnerte ihn in einem Brief daran, nachdem er Helmholtz’ erste Arbeit über atmosphärische Bewegungen gelesen hatte. Das Phänomen wurde als Kelvin-Helmholtz-Instabilität oder -Wolke bekannt.)15 In der dritten Abhandlung über »Die Energie der Wogen und der Winde« aus dem Jahr 1890 knüpfte Helmholtz an die beiden vorangegangenen Texte über atmosphärische Bewegungen an. Er brachte hier ein Variationsprinzip ähnlich dem Prinzip der kleinsten Wirkung zur Anwendung, um die Bildung, die Formen, die Energie und die Dynamik der Wasseroberfläche mathematisch darzustellen. Außerdem überprüfte er einige seiner theoretischen Erkenntnisse über die Bildung von Meereswellen empirisch. Dazu bat er den Reichsinnenminister Heinrich von Bötticher, der formell für die Reichsanstalt zuständig war, um die Erlaubnis, fünf Wochen Urlaub an der französischen Riviera machen zu dürfen. Wie er schrieb, hatte seine Familie dort bereits im Winter Urlaub gemacht. Er räumte ein, dass auch diese Reise zum Teil privat sein werde, doch biete die dortige Meeresküste besonders günstige physikalische und meteorologische Bedingungen für die Überprüfung sei-
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ner Theorie. Er wies darauf hin, dass er im Vorjahr vor der Akademie eine Arbeit über die Beziehung zwischen Wellen und Wind präsentiert hatte und dass er glaubte, seine Theorie könne »bemerkenswerthe Folgerungen für die Meteorologie« sowie »nützliche Ergebnisse« für die »Theorie der Nautik« haben. Er wollte diese Theorie nun also empirisch überprüfen. Bötticher genehmigte die Reise. Zur Durchführung seiner Beobachtungen nahm Helmholtz ein tragbares Anemometer mit, um die Windstärke zu messen. Im April führte er am Cap d’Antibes Windmessungen durch und versuchte, die Wellen zu zählen, aber beides stellte sich, wie er selbst zugab, als höchst ungenau heraus, und die Bedingungen waren viel zu variabel, um seine Theorie zu bestätigen. Wieder zu Hause präsentierte er der Akademie im Sommer eine weitere Arbeit über den Einfluss des Windes auf das Wetter. In der Zukunft sollte seine Abhandlung über atmosphärische Wellen große Bedeutung für die moderne Meteorologie erlangen, aber die beiden nachfolgenden Abhandlungen über Wind und Wellen blieben in der späteren Forschungsliteratur praktisch unbeachtet.16 Helmholtz’ hohes Ansehen als einer der führenden Köpfe der theoretischen Atmosphärenphysik und der theoretischen Meteorologie generell manifestierte sich zuweilen auf eine Weise, die über die Rezeption seiner Schriften hinausging. So schrieb ihm beispielsweise im Juni 1892 der Sekretär der Smithsonian Institution, Samuel Pierpont Langley (der auch Rayleigh, Wolcott Gibbs und Cleveland Abbe ähnliche Briefe schickte), dass Thomas G. Hodgkins dem Smithsonian einen Stiftungsfonds vermacht habe »zur Vermehrung und Verbreitung genauer Kenntnisse über die Natur und die Eigenschaften der atmosphärischen Luft«. Um dem Wunsch des Stifters nachzukommen, schlug Langley vor, »eine Reihe von Preisen für Untersuchungen von hohem wissenschaftlichen Nutzen im Zusammenhang mit den Eigenschaften der Atmosphäre auszuschreiben, die ohne Rücksicht auf die Nationalität des Autors verliehen werden sollen«. Die Arbeiten könnten in jedem Zweig der Naturwissenschaft durchgeführt werden, solange sie etwas mit der Atmosphäre zu tun hatten: So könnten zum Beispiel Themen aus den Bereichen Hygiene, Anthropologie, Biologie, Chemie, Elektrizität und Geologie infrage kommen. Langley bat Helmholtz, einige Vorschläge zu »den wichtigsten Verbindungen zwischen Physik und Atmosphäre zu unterbreiten und ein oder zwei Themen anzugeben, die sich aus diesen Verbindungen ergeben und die Ihrer Meinung nach für preiswürdige Aufsätze geeignet sind«. Er bat ihn auch, im Preiskomitee mitzuwirken, und deutete gleichzeitig an, dass auch Helmholtz selbst für eine solche Auszeichnung infrage komme, wenn er Atmosphärenforschung betreibe. Helmholtz nahm Langleys Einladung ins Preiskomitee an und empfahl seine ehemaligen Studenten und jetzigen Mitarbeiter Lummer und Pringsheim mit ihren thermodynamischen Forschungen (über die spezifische Wärme von Gasen) für eine Prämie (zunächst in Höhe von 500 Dollar) aus dem Hodgkins-Fonds sowie für einen zusätzlichen Preis für meteorologische Forschung. Langley dankte Helmholtz für sei-
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ne Bereitschaft zur Mitarbeit und verlieh Lummer und Pringsheim die 500 Dollar Preisgeld. Die Auszeichnung erfolgte unter der Bedingung, dass ihre Arbeit als Erstes in einer von der Smithsonian Institution gesponserten Publikation erscheinen musste. Im Juni 1894 baten Lummer und Pringsheim über Helmholtz um eine zweite Prämie in Höhe von 500 Dollar aus dem Fonds, um ihre Forschung fortsetzen zu können. Helmholtz versicherte den Geldgebern, die beiden hätten bereits Erfolge erzielt und das Preisgeld werde garantieren, dass sie ihre Arbeiten wie geplant abschließen könnten.17 Ihr Papier erschien später auch tatsächlich in den Smithsonian Contributions to Knowledge (1898). Helmholtz’ Rang auf dem Gebiet der Atmosphärenphysik schlug sich auch in seiner Involvierung in die Verleihung der neuen Buys-Ballot-Medaille nieder. Anfang des Jahres 1893 schrieb der niederländische Experimentalphysiker Heike Kamerlingh Onnes, der bei Bunsen und Kirchhoff in Heidelberg studiert hatte und nun Direktor des Instituts für Physik an der Universität Leiden war, an Helmholtz und bat ihn um Rat, wen er für diese neue, von der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Amsterdam verliehene Auszeichnung nominieren könne. C. H. D. Buys-Ballot (1817 – 1890) war (hauptsächlich) Chemiker und führender Meteorologe in Utrecht gewesen, wie Helmholtz auch ohne Onnes’ Hinweis wusste. Onnes erklärte, unter den Mitgliedern der niederländischen Akademie befinde sich kein Meteorologe, weshalb er (Onnes) als Physiker von der Akademiekommission ausgewählt worden sei, eine geeignete Person zu benennen, die mit der ersten Buys-Ballot-Medaille ausgezeichnet werden sollte. (Onnes selbst hatte sich auf Tieftemperaturphysik spezialisiert, entdeckte im Jahr 1911 die Supraleitung und erhielt für diese Entdeckung im Jahr 1913 den Nobelpreis für Physik.) Aber er hielt sich selbst nicht für ausreichend kompetent, um meteorologische Arbeiten zu beurteilen. Die neue Auszeichnung, so Onnes, solle an denjenigen gehen, der im vergangenen Jahrzehnt am meisten für die Meteorologie geleistet habe. Er erwähnte, dass Georg von Neumayer für die Auszeichnung im Gespräch sei, und wollte wissen, wer nach Helmholtz’ Meinung in den letzten zehn Jahren am meisten zum physikalischen Verständnis der Meteorologie beigetragen habe.18 Helmholtz antwortete, er könne sich in der Sache kein fachliches Urteil anmaßen, »da ich mit den gewöhnlich von den Meteorologen betriebenen praktischen Beobachtungsreihen mich nur sehr oberflächlich beschäftigt habe«. Er selbst sei nur durch »Fragen der Aerodynamik« (er meinte die Dynamik der Atmosphäre) zur Meteorologie gekommen. Er verwies jedoch auf die Arbeit seines Berliner Kollegen Bezold, dessen Publikationen seiner Meinung nach »ein physikalisches Verständniss der atmosphärischen Vorgänge« besonders vorangebracht hatten. Bezold selbst empfahl gegenüber Helmholtz Julius Hann für die Buys-Ballot-Medaille. Onnes dankte Helmholtz für seine Hilfe und antwortete, er schätze Bezolds Arbeit, aber die Kommission habe beschlossen, die erste Medaille an Hann zu verleihen.19
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Helmholtz’ Einfluss in der Atmosphärenphysik zeigte sich auch noch auf andere Weise. Im September 1893 schickte ihm Cleveland Abbe einen Band mit eigenen Übersetzungen von Abhandlungen über die Mechanik der Erdatmosphäre. Abbe war ein wichtiger Meteorologe und leitender Fernmeldeoffizier des 1870 gegründeten US-amerikanischen Wetterdienstes und Herausgeber von dessen offiziellen Wettervorhersagen (und anderer Veröffentlichungen) zwischen 1871 und 1915. Sechs der zwanzig Beiträge in Abbes Sammelband stammten von Helmholtz. In seinem Brief an diesen schrieb Abbe: »Sie selbst haben die brillantesten Denkschriften beigesteuert.« (Die anderen Aufsätze stammten von Gotthilf Hagen, Kirchhoff, Anton Oberbeck, Hertz, Bezold, Rayleigh, Max Margules und Ferrel.) Abbe hatte alle einschlägigen Schriften von Helmholtz zur Hydrodynamik und Atmosphärenphysik zwischen 1858 und 1890 aufgenommen.20 Im späten 19. Jahrhundert rückten menschliche Flugreisen zunehmend in den Bereich des Möglichen, und Kenntnisse über die Atmosphäre wurden auch vor diesem Hintergrund immer wichtiger. Bereits in den frühen 1870er-Jahren hatte Helmholtz über die theoretischen Möglichkeiten des Ballonfahrens und Fliegens publiziert und war Mitglied einer preußischen Kommission zur Evaluierung der gesteuerten Luftfahrt gewesen. Vermutlich sah er eine Relevanz dieser Fragen für seine wissenschaftlichen Arbeiten zur Wirbelstärke in Flüssigkeitsströmungen. In den frühen 1890er-Jahren wurde er erneut wegen seiner Fachkenntnisse in der Atmosphärenphysik herangezogen. Der Armeeoffizier a. D. Ferdinand Graf Zeppelin suchte zusammen mit einem jungen Ingenieurskollegen nach finanzieller Unterstützung für ein »starres Luftschiff«. Als Zeppelin glaubte, die wichtigsten technischen Probleme gelöst zu haben, schickte er die Pläne für das Luftschiff zur Überprüfung und Bewertung, und zur Einwerbung finanzieller Unterstützung, an das preußische Kriegsministerium. Die Militärverwaltung reagierte jedoch nur langsam, und so drängte Zeppelin den Kaiser zum Eingreifen. Im November 1893 setzte das Militär eine Kommission zur Beurteilung von Zeppelins Entwurf eines »lenkbaren Luftschiffs« ein. Sie setzte sich aus Mitgliedern der preußischen Luftschifferabteilung und verschiedenen Wissenschaftlern (Meteorologen und Statikern) zusammen; auf Zeppelins Wunsch wurde Helmholtz zum Vorsitzenden ernannt, obwohl Zeppelin wusste, dass Helmholtz der bemannten Luftschifffahrt eher skeptisch gegenüberstand. Im März 1894 trat die Kommission in Berlin zusammen. Obwohl einige Probleme festgestellt wurden – etwa bezüglich der Statik des Luftschiffs und seiner Lenkbarkeit –, gab die Kommission (einschließlich Helmholtz) Zeppelin grünes Licht, die Entwicklung seines Luftschiffes weiter voranzutreiben. Das Kriegsministerium zögerte die Angelegenheit jedoch weiter hinaus, und als die Kommission (am 14. Juli 1894) erneut zusammentrat, um Zeppelins Antrag noch einmal zu prüfen, lehnte sie seinen Vorschlag ab. Helmholtz, der zwei Tage zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte, konnte an dieser Sitzung nicht teilnehmen. Zeppelin erhielt
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also die finanzielle Unterstützung nicht, die er sich erhofft hatte. Der Kaiser entschädigte ihn jedoch mit 6000 Mark, und zwei Jahre später unterstützte der Verein Deutscher Ingenieure Zeppelins Luftschiffprojekt.21 Keine zwei Jahrzehnte später bot Zeppelin mit seinem gleichnamigen Luftschiff gewerbliche Passagierflüge an und stellte es bald darauf auch dem deutschen Militär zur Verfügung (nicht zuletzt im Ersten Weltkrieg). Alles in allem hatte Helmholtz in diesen Jahren beachtliche Beiträge zur meteorologischen Wissenschaft geleistet – von Krakatau bis Zeppelin. Vor allem durch seine Abhandlung über atmosphärische Bewegungen und, in deutlich geringerem Maße, durch seine Beobachtungen zu Wolken- und Gewitterformationen, durch die Verfeinerung seines Verständnisses der atmosphärischen Bewegungen und durch seine Studien zur Energie von Wellen und Wind hatte er sich erneut und fruchtbringend der Atmosphärenphysik zugewandt. Im Verbund mit seinen früheren Arbeiten zur Hydrodynamik, seiner Abhandlung über »Wirbelstürme und Gewitter« und verwandten Arbeiten erwies sich seine meteorologische Forschung als wegweisend für bedeutende Meteorologen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Der Norweger Vilhelm Bjerknes, der bei Hertz studierte, der Schwede Carl-Gustaf Rossby und der Amerikaner Harry Wexler – also die drei führenden theoretischen Atmosphärenforscher – können gemeinsam mit ihren Mitarbeitern und anderen (darunter der Österreicher Max Margules, der bei Helmholtz studiert hatte, und der Amerikaner Jule Charney) als die Begründer der modernen Meteorologie gelten. Alle drei bezeichneten Helmholtz ausdrücklich als eine große (wenn nicht sogar die größte) Inspiration für sie. Sie und andere Atmosphärenforscher – denn genau das waren sie geworden – stützten sich bei der Entwicklung ihrer neuen Theorie der Stürme, die auf dem Konzept der Diskontinuitätsflächen basierte, insbesondere auf Helmholtz’ Schriften zur Hydrodynamik, zu Wirbelstürmen und Gewittern und zur Mechanik der atmosphärischen Bewegung. Damit soll nicht gesagt sein, dass Helmholtz’ Konzept die einzige Quelle der modernen meteorologischen Theorie oder gar der Polarfronttheorie gewesen wäre; und es war auch nicht so, dass seine Ausführungen in allen Einzelheiten allgemeine Akzeptanz fanden. Aber in ihrer Gesamtheit stellten Helmholtz’ Schriften einen zentralen Beitrag zur Entwicklung der modernen meteorologischen Theorie und Atmosphärenforschung dar.22
Ein letztes Hurra in der Wissenschaft: Prinzip der kleinsten Wirkung, elektromagnetische Theorie und Physik der Prinzipien Fast sechs Jahre vergingen zwischen der ersten Helmholtz-Publikation über die kleinste Wirkung und einer zweiten und dritten Veröffentlichung dazu sowie zwei eng damit zusammenhängenden Studien über die Farbdispersion und das Wesen
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des Äthers. In der Zwischenzeit (1886 – 1893) beschäftigte er sich unter anderem mit der Erkenntnistheorie des Zählens und Messens, der physiologischen Psychologie, einer Neuauflage seines Handbuchs, einem (zweiten) Vortrag über Goethe und der Atmosphärenphysik. Außerdem wurde seine Zeit durch die Gründung der Reichsanstalt beansprucht, durch seine Lehrtätigkeit in theoretischer Physik, durch die Krankheit und den Tod seines Sohnes Robert und vieles mehr, einschließlich seiner Recherchen zur Geschichte des Prinzips der kleinsten Wirkung. Aber es gibt noch einen anderen, vielleicht wichtigeren Grund, der diese Veröffentlichungspause erklärt: Es war in dieser Zeit, dass Hertz die elektromagnetischen Wellen nachwies und gemeinsam mit Oliver Heaviside und Lodge die »Maxwell-Gleichungen« in ihre letztendlich kanonische Form umformulierte. Helmholtz hegte nun – wie praktisch alle anderen Physiker auch – keine Zweifel mehr an Maxwells Theorie, auch wenn er sie immer noch als Grenzfall seiner eigenen Version der Elektrodynamik ansah. Aber was genau besagte diese Theorie? Wie passte sie in die theoretischen Grundlagen der Physik? Wie war sie auf andere Bereiche der Physik anwendbar, etwa die Mechanik oder die elektrolytische Leitung, oder wie ließ sie sich mit ihnen vereinbaren? Seit Ende der 1880er-Jahre grübelten Helmholtz und andere über solchen ungelösten Fragen in der theoretischen Physik. Zumindest einen Teil des Winters 1891/92 verbrachte er damit, über Implikationen des Prinzips der kleinsten Wirkung für die Elektrodynamik nachzudenken: Im März 1892 präsentierte er vor der Akademie ein Papier zu diesem Thema, und im Mai veröffentlichte er einen langen Aufsatz dazu in den Annalen. Während er das Prinzip zuvor, im Jahr 1886, mit der Thermodynamik in Verbindung gebracht hatte, verknüpfte er es nun mit der Elektrodynamik, erweiterte so seinen Anwendungsbereich und stellte weiter unter Beweis, wie nützlich es für den Aufbau der Grundlagen der Physik war. Angesichts der jüngsten Errungenschaften von Hertz leitete er die Hertz’sche Form der elektrodynamischen Maxwell-Gleichungen aus einer Variationsform des Prinzips der kleinsten Wirkung ab. Er vermied weitgehend hypothetische Entitäten – zu denen der Äther immer noch gehörte – und betonte stattdessen die Nützlichkeit von Differenzialgleichungen, um die Mechanik nicht nur mit der Thermodynamik, sondern auch mit der Elektrodynamik zu verknüpfen. Sowohl Hertz als auch Planck sahen in diesem Ansatz ihrerseits den besten Weg für die zukünftige theoretische Physik, da er versprach, mehrere Gebiete der Physik miteinander zu vereinen.23 Am Ende seiner Abhandlung vom Mai 1892 kündigte Helmholtz an, er plane, weiterhin zu diesem Thema zu publizieren – und im Oktober verlas er vor der Akademie ein weiteres Papier über elektromagnetische Theorie. Im Winter 1892/93 baute er es zu einer elektromagnetischen Theorie der Farbdispersion aus. Er betonte darin die Bedeutung der Ionentheorie, wonach Ionen als oszillierende Zentren der elektrischen Energie und als Lichtstreuer dienen. Die Abhandlung basierte
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auf dem Prinzip der kleinsten Wirkung und vor allem auf der zwischenzeitlich etablierten Elektrodynamik Maxwells (oder genauer gesagt, Helmholtz’ Version davon), was zeigt, dass Helmholtz mit Blick auf die neuesten Erkenntnisse der Physik eindeutig auf dem Laufenden war. Es zeigt aber auch, dass seine früheren Arbeiten »Zur Theorie der anomalen Dispersion« (1874), über die galvanische Polarisation (in den 1870er- und frühen 1880er-Jahren) und über die Ionentheorie (1881) in seinem wissenschaftlichen Denken immer noch sehr präsent waren. Nun war er in der Lage, diesen Theorien eine solidere (wenn auch etwas andere) intellektuelle Grundlage zu geben. Seine neue dispersionstheoretische Abhandlung erwies sich als entscheidend für eine Reihe von Forschern wie Poincaré, Richard Reiff und Paul Drude, die in den 1890er-Jahren die allgemeine Beziehung zwischen Materie und Äther erforschten und nach einer Erklärung für bestimmte mikrooptische Phänomene suchten. Als Folge dieser Untersuchungen der optischen Eigenschaften von Materie und ihrer Beziehung zum Äther entstand eine Mikrophysik des Elektromagnetismus. Auf diesem Feld ist insbesondere die »Entdeckung« einer neuen »Ionen«-Art, nämlich des Elektrons, durch J. J. Thomson im Jahre 1897 zu nennen. Helmholtz selbst zog aus Maxwells Theorie mehrere Konsequenzen bezüglich der Eigenschaften und Bewegungen des Äthers und trug seine Erkenntnisse zu diesem Thema im Juli 1893 der Akademie vor.24 Im Großen und Ganzen entwickelte Helmholtz zugleich mit dem verallgemeinerten Prinzip der kleinsten Wirkung und den Ableitungen daraus auch eine Physik der Prinzipien, eine Physik, in der alle großen physikalischen Prinzipien (einschließlich der Prinzipien der Mechanik, Thermodynamik und des Elektromagnetismus) aus einer einzigen Differenzialgleichung abgeleitet werden konnten und in der hypothetische Elemente entweder unnötig oder bestenfalls heuristische Hilfsmittel waren. (Die Bezeichnung »physique des principes« stammt offenbar von Poincaré, der die Idee von Maxwell und Helmholtz hatte.) Dieser Ansatz wurde zum Ideal und prägte ab den frühen 1890er-Jahren weite Teile der theoretischen Physik (insbesondere im deutschsprachigen Bereich).25 Unter den Physikern der nächsten Generation stand Planck an der Spitze ähnlicher Bestrebungen und versuchte in den folgenden zwei Jahrzehnten, die gesamte Physik aus der kleinsten Wirkung herzuleiten, so wie es Helmholtz getan hatte. Auf ähnliche und sogar noch effektivere Weise trieb Einstein die Entwicklung einer Physik der Prinzipien voran, nur dass er für die Forschungsthemen des 20. Jahrhunderts ein anderes, grundlegenderes Prinzip vorgab als das Prinzip der kleinsten Wirkung.
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29 Atlantiküberquerungen Der Internationale Elektrizitätskongress in Chicago Winter und Frühling 1892/93 waren eine schmerzhafte Zeit für Helmholtz. Der Tod von Werner von Siemens im Dezember versetzte den gesamten HelmholtzSiemens’schen Familienverband in Trauer. Fritz von Helmholtz war kränker, als seine Eltern bisher erkannt hatten; beide machten sich große Sorgen um ihn. Und, scheinbar weit weniger wichtig: Helmholtz musste sich entscheiden, ob er im August beim Internationalen Elektrizitätskongress in Chicago Deutschland vertreten wollte.1 Der Kongress war Teil der Weltausstellung in Chicago.2 Bereits im Sommer 1892 hatte Knapp Helmholtz eingeladen, die Ausstellung und auf dem Weg dorthin auch Knapp selbst in New York City zu besuchen. Wegen der Sorgen um Fritz und anderer Angelegenheiten schob Helmholtz eine Antwort hinaus. Er wollte Amerika gerne sehen, aber er hatte in Berlin viel zu tun. Er schrieb Knapp, dass er sich gut fühle, abgesehen von den für einen 71-Jährigen üblichen Gebrechen und Schmerzen. Seine Stellung bei der Reichsanstalt erlaube es ihm, die »unwichtigeren« Aufgaben eines Universitätsprofessors zu umgehen, und ihm gefalle gut, wie sich die Reichsanstalt bisher entwickelt habe. Weiter berichtete er, dass seine Tochter Ellen inzwischen vier Kinder hatte und er und Anna einen Teil des Sommers mit Ellen und den Enkelkindern in ihrem Landhaus in Wannsee zu verbringen pflegten. Darüber hinaus sei er mit »litterarischer Arbeit« sehr beschäftigt: Er brachte nach und nach (mit Königs Hilfe) eine Neuauflage des Handbuchs heraus und bereitete Band 3 seiner Wissenschaftlichen Abhandlungen und – ebenfalls mit Königs Hilfe – die Notizen aus seiner sechssemestrigen Vorlesungsreihe über theoretische Physik zur Veröffentlichung vor. »Sie sehen«, schrieb er an Knapp, »ich räume auf. Wenn man aber sieht, wie die Freunde ringsum scheiden, sieht man, daß es Zeit zum Aufräumen ist.« Er beschloss, nicht nach Chicago zu fahren.3 Doch Mitte Juni änderte er seine Meinung. Nach langem Zögern hatte die Reichsregierung ihn gebeten, als offizieller deutscher Vertreter zum Kongress zu reisen. Anna und seine Familie machten sich Sorgen, weil er die Fahrt allein unternehmen wollte. Anna bat daher Knapp, Helmholtz bei seiner Ankunft in New York zu unterstützen, wie er es zuvor angeboten hatte, und ihn zumindest auf einem Teil seiner Reise durch die Vereinigten Staaten zu begleiten. Helmholtz schrieb an Knapp: »[I]ch weiß sehr wohl, daß das Land [die Vereinigten Staaten] die eigentliche Zukunft der zivilisierten Menschheit repräsentiert, und daß es eine große Zahl intereßanter Menschen einschließt, während wir in Europa das Chaos oder die russische Weltherrschaft immer näher rücken sehen.« Anna fügte ein Postskriptum
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hinzu und kündigte plötzlich an, dass sie ihren Mann begleiten werde, »ob er will oder nicht«. Sie vermutete, er habe das Gefühl, wenn er nicht fahre, sei das das endgültige Eingeständnis, dass er ein Invalide war.4 Ihre Abreise aus Berlin war für den 5. August geplant, und der Kongress sollte am 20. August beginnen. Helmholtz’ Familie und seine Ärzte hatten sich dagegen ausgesprochen, dass er der Bitte der Reichsregierung nachkam, weil sie eine Seereise im Hochsommer für einen Mann seines Alters für zu gefährlich hielten. Dennoch entschied sich Helmholtz für die Reise, »trotz unseres Protestes«, wie Anna ihrer Schwester schrieb. Kundt bat daraufhin den Innenminister um Hilfe, der sich seinerseits an den Reichskanzler Leo von Caprivi wandte. Der entschied, Anna als Helmholtz’ offizieller Begleitperson, die sich um ihn kümmern sollte, die Reise zu bezahlen. Geplant war ein sechswöchiger Aufenthalt in den Vereinigten Staaten. Bis zur Abreise arbeitete Anna täglich mit Estelle du Bois-Reymond an der Übersetzung der Tyndall’schen Fragmente aus den Naturwissenschaften, erledigte den Schriftverkehr, um Hermanns schwerkranker Schwester Julie einen Platz in einem Pflegeheim zu besorgen, und kümmerte sich um die praktischen Vorbereitungen für die Amerikareise. Kurz vor der Abreise schrieb Anna an Ellen, der Vater sehe »so müde und weiß aus, dass ich jede kleine Anstrengung für ihn fürchte«. Sie hoffte, die Reise werde ihm helfen, sich zu erholen. »Mehr und mehr wird er seiner Büste ähnlich«, schrieb sie und wähnte, Hildebrand habe Helmholtz’ zukünftiges Aussehen in dem Kunstwerk vorweggenommen. Sie wollte Ellen noch in Wannsee besuchen, »aber Papa allein zu lassen, wäre jetzt nicht angebracht und würde ihm die Ruhe rauben«.5 Sie reisten mit ihrer Entourage (zu der auch Lummer gehörte) über Hamburg nach Bremen und wurden mit einem Direktorialdampfer an Bord ihres Schiffes gebracht. Zu den Passagieren der Lahn gehörte auch der Göttinger Mathematiker Felix Klein, der ebenfalls nach Chicago unterwegs war. Klein verbrachte auf dieser Reise einige Zeit mit Helmholtz. Er kannte den norwegischen Mathematiker, Geometriker und Gruppentheoretiker Sophus Lie recht gut; dies führte zu einer Diskussion darüber, warum Lie, der durch Helmholtz’ Arbeiten zur nichteuklidischen Geometrie sehr inspiriert und beeinflusst worden war, dennoch Helmholtz’ Analyse des Raums einigermaßen heftig angegriffen hatte. Im Jahr 1890 hatte Lie deren Mängel aufgezeigt und wegen der Verwendung von nicht gruppentheoretischen Methoden kritisiert (dieses Thema wurde später als Helmholtz-Lie’sches Raumproblem bekannt). Im Jahr 1893 veröffentlichte Lie eine weitere, ähnliche Kritik. Klein jedenfalls schob Lies vehementen Angriff auf dessen »heftiges und an das Pathologische streifende Temperament« und darauf, dass sich Lie »durch die ständige Nichtbeachtung von Berliner Seite tief gekränkt« fühle.6 Die Lahn traf am frühen Morgen des 18. August im Hafen von New York ein. An Land wurden die Helmholtzens von Knapp mit Kutsche und Ernst Pringsheim (mit
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einem Strauß Rosen) bereits erwartet. In dem Vierteljahrhundert, seit Knapp als Student und jüngerer Kollege unter Helmholtz in Heidelberg gearbeitet hatte, war er einer der führenden Augenärzte Amerikas geworden, zu Geld gekommen und 1888 sogar Professor am Columbia College of Physicians and Surgeons geworden. Die Kutsche brachte die Helmholtzens direkt zu seinem stattlichen Haus an der Fifth Avenue. Dort wurde Tee serviert, bevor Henry Villard sich zu ihnen gesellte, ein deutsch-amerikanischer Journalist, Finanzier auf dem Eisenbahn- und Elektrosektor und politischer Berater. Es war sehr heiß in New York City, und Villard überredete die Helmholtzens (»ganz gegen unsere Absicht«, wie Anna schrieb), in seiner Wohnung in Dobbs Ferry zu übernachten. Den folgenden Tag verbrachte das Ehepaar Helmholtz damit, sich New York anzusehen: Sie fuhren mit dem Aufzug in den 15. Stock eines »Zeitungspalastes« (der New York World), um die Stadt »aus der Vogelperspective« zu betrachten. Sie besichtigten Knapps Privatklinik, das Ophthalmic and Aural Institute, eine der führenden Einrichtungen dieser Art in Amerika. Nach zweieinhalb Tagen Sightseeing in New York besuchten sie noch Newport auf Rhode Island (das Anna »furchtbar elegant« fand). Vier Tage nach ihrer Ankunft in New York verließen sie die Stadt wieder mit einem Schnellzug in Richtung Chicago, das 19 Stunden Fahrt entfernt war.7 Chicagos geographische Lage und die natürlichen Ressourcen in seinem Hinterland bescherten der Stadt nach 1850 Wachstum und Wohlstand. 1890 lebten hier etwa 1,1 Millionen Menschen, womit Chicago die zweitgrößte Stadt der Vereinigten Staaten war. Gesellschaftlich bestand sie aus einer Mischung aus einer kleinen, wohlhabenden Elite und Hunderttausenden verarmten Arbeitern. Unter der Führung der Elite entwickelte die Stadt kulturelle Ambitionen; sie wurde zu einem bedeutenden Zentrum der Kunst und Literatur, des Verlagswesens und der Unterhaltung. Die Elite wollte unbedingt zeigen, dass Chicagos Straßen sehr wohl sauber und sicher gemacht werden konnten und dass Chicago der Welt ausgezeichnete Produkte anzubieten hatte. Nach dem Großbrand von 1871, der einen Großteil der Stadt zerstört hatte, wurde die Weltausstellung zum zweiten epochalen Ereignis in der Geschichte Chicagos. Seine politische und finanzielle Elite wollte nicht nur vorführen, dass die Stadt sich von der Katastrophe des Jahres 1871 erholt hatte, sondern auch, dass sie sicher und kultiviert war. Chicago wollte aller Welt zeigen, dass es eine Stadt der Zukunft war. Die Weltausstellung dauerte vom 1. Mai bis zum 30. Oktober 1893 und erinnerte an den 400. Jahrestag der »Entdeckung« Amerikas durch Kolumbus (im Jahr zuvor, deshalb auch World’s Columbian Exposition genannt). Jede teilnehmende Nation sollte hier ihre besten materiellen Ressourcen und Industriegüter vorstellen – mehr als 5000 deutsche Aussteller zeigten ihre Waren. Die Ausstellung fand (größtenteils) im Jackson Park statt, etwa elf Kilometer südlich der Innenstadt, direkt am Lake Michigan. Sie war die größte derartige Aus-
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stellung im 19. Jahrhundert und umfasste zahlreiche Gebäude, von denen jedes einem speziellen Thema gewidmet war. Der Palast der schönen Künste (ab 1933 Museum für Wissenschaft und Industrie) beherbergte unter anderem die deutsche Kunstausstellung, in der auch Knaus’ Porträts von Helmholtz und Mommsen gezeigt wurden. (Siehe Abb. 19.2.) Das Electricity Building stellte Gegenstände des täglichen Bedarfs zur Schau und schilderte die Geschichte der elektrischen Wissenschaft und ihrer Anwendungen. Alle führenden Firmen, auch Siemens & Halske, schickten ihre besten und fortschrittlichsten Geräte zur Ausstellung. Elektrizität dominierte diese Ausstellung als Energiequelle und auch im ästhetischen Erscheinungsbild des Gebäudes. Als Bestandteil der Ausstellung, jedoch in der Innenstadt, am Seeufer an der Michigan Avenue, fand eine Reihe internationaler Kongresse statt (World’s Congress Auxiliary). Der Veranstaltungsort lag etwas abseits in dem neu errichteten Memorial Art Palace, der nach Ende der Ausstellung umbenannt wurde in Art Institute of Chicago. Die Kongresse waren als intellektuelle Ergänzung zu den dinglichen Ausstellungen im Süden der Stadt gedacht und widmeten sich verschiedenen Themen wie Religion, Hochschulbildung, Frauenbewegung, Arbeit, Psychologie, Mathematik und Elektrizität. Führende Fachleute aus Europa, den Vereinigten Staaten und anderen Ländern nahmen daran teil. Die mehr als 1200 Einzelveranstaltungen zogen schätzungsweise 200 000 Besucher an. Helmholtz’ Ankunft war eine Sensation. Die Chicago Sunday Tribune brachte am Sonntag, dem 20. August 1893, einen Bericht mit der Schlagzeile »Helmholtz kommt morgen an«, beinhaltend sein Konterfei, eine Kurzbiographie und ein Loblied auf ihn. »Kein Name ist in der wissenschaftlichen Welt berühmter«, war dort zu lesen, »und kein lebender Mensch hat für die Lösung verwirrender wissenschaftlicher Probleme mehr geleistet.« Am nächsten Tag wurde der Internationale Elektrizitätskongress eröffnet, auf dem Helmholtz sprach.8 Helmholtz samt Entourage – Lummer, Pringsheim und drei weitere Mitarbeiter der Reichsanstalt – traf am Morgen des 21. August in Chicago ein, wie die Chicago Daily News auf der Titelseite ausführlich berichtete. Der Reporter schrieb, Helmholtz sei »einer der führenden Wissenschaftler der Welt«, den man »leicht für Fürst Bismarck halten könnte, wenn er die Körpergröße des eisernen Kanzlers besäße«. Allerdings mache sich Helmholtz’ Alter – bei dem der Journalist um ein Jahr daneben lag – langsam bemerkbar: »Dreiundsiebzig Sommer und Winter haben seinen Schnurrbart weiß, sein Haar silbern und sein starkes, intellektuelles Gesicht runzelig werden lassen.« Der Journalist schrieb, Helmholtz sei »etwas unterdurchschnittlich« groß und habe »erheblich an Kraft verloren, die er in der Jugend besessen haben muss«. Der Elektroingenieur Elisha Gray und Otto William Meysenburg, der erste Direktor der amerikanischen Niederlassung von Siemens & Halske, begrüßten die Helmholtzens am Bahnhof und brachten sie sofort zu Mey-
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senburgs luxuriösem Haus in der Astor Street, wo sie während ihres Aufenthalts in Chicago wohnten.9 Die Tagung des Internationalen Elektrizitätskongresses in Chicago war, nach den Kongressen 1881, 1882 und 1884 in Paris, die vierte derartige Veranstaltung. Bei keinem der vorangegangenen Kongresse hatte man die Frage, welchen Wert ein Ohm haben sollte, abschließend beantworten können. Das Treffen in Chicago ging, wie seine Vorläufer, auf die Initiative der Regierungen zurück, allen voran Frankreich, Deutschland, Großbritannien und die Vereinigten Staaten; auch Italien, Mexiko, Schweden, die Schweiz und andere Länder schickten Vertreter. Praktisch alle führenden Köpfe der elektrischen Metrologie – mit Ausnahme von Thomson – nahmen an dem Kongress teil. Die Amerikaner Rowland und Carhart besuchten Helmholtz kurz nach seiner Ankunft in Meysenburgs Haus und trugen ihm im Namen der Kongressteilnehmer das Amt des Ehrenpräsidenten an – und Helmholtz willigte sofort ein. Als er wenige Stunden später zur Eröffnungssitzung des Kongresses erschien, wurde er stürmisch begrüßt. Hunderte hörten ihm zu, als er in seiner Rolle als Ehrenpräsident den Kongress formell eröffnete. Die Chicago Daily Tribune brachte einen Leitartikel mit der Schlagzeile: »Hommage an das Genie. Der Elektrizitätskongress wird voller Enthusiasmus eröffnet. Helmholtz ist hier. Seine Anwesenheit löst tiefe Bewunderung aus.« Er musste sich mehrfach verbeugen. Stolz stellte Elisha Gray eine Verbindung zwischen den amerikanischen Koryphäen Franklin, Morse und Henry und ihren europäischen Kollegen Galvani, Volta, Ampère, Faraday, Thomson, de la Rive und Helmholtz her. Als Helmholtz endlich das Wort ergreifen konnte, erklärte er: »Diese übertriebenen Ehrungen, die Sie mir erweisen, beschämen mich fast noch mehr, so dass ich nicht ganz sicher bin, ob ich die notwendigen Meriten besitze.« Er räumte ein, er habe sich lange Zeit »mit Elektrizität beschäftigt«, glaubte aber, er werde wohl eher für sein Alter geehrt als für seine Verdienste. Er sprach über die Entwicklung, die elektrische Instrumente und Technik im Laufe seiner Karriere genommen hatten, und behauptete: »Die heutige Generation, falls ich mich selbst zur heutigen Generation zählen will [Lachen], hat in der Wissenschaft eine größere Entwicklung erlebt als jede Generation vor uns.« Während der restlichen Woche traten die offiziellen Delegierten und eine begrenzte Anzahl weiterer Fachleute in kleinen Gruppen zusammen, um vorgeschlagene Definitionen und Werte für verschiedene elektrische Normen zu diskutieren. Helmholtz beteiligte sich aktiv an diesen Diskussionen und brachte dabei seine jahrzehntelange Erfahrung als Physiker und Teilnehmer an den vorangegangenen Kongressen sowie seine leitende Funktion in der Reichsanstalt ein.10 Am Abend des 24. August veranstalteten die amerikanischen Elektriker im Grand Pacific Hotel ein Bankett für ihre ausländischen Kollegen. Edison war unter ihnen, »und bei der Erwähnung seines Namens brandete begeisterter Applaus im Saal auf«. Nach dem Essen brachte Gray den ersten Toast aus, auf den Helmholtz
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antwortete. »Wir Europäer sind hierhergekommen«, sagte er, »wie ein guter Vater, der sich über den Erfolg seiner Kinder freut, der ihm selbst versagt war. Europa ist zu eng für diesen glanzvollen elektrischen Fortschritt, und Amerika hat die ihm gestellte Aufgabe großartig erfüllt. Wir sehen in Ihnen das Ergebnis besserer Bedingungen und Perspektiven, als wir sie hatten, und wir freuen uns mit Ihnen über Ihre bemerkenswerte Entwicklung. Gentlemen, ich erhebe mein Glas für die große amerikanische Nation.« Das war gekonnte Diplomatie. Seine Kollegen erhoben sich und jubelten.11 Am letzten Tag des Kongresses fand die zweite (und letzte) Plenarsitzung statt. Während der Bericht über die Ergebnisse des Kongresses verlesen wurde, saß Helmholtz an zentraler Stelle, die anderen führenden Teilnehmer um ihn herum gruppiert. Der Kongress hatte auf den Ergebnissen der früheren Kongresse sowie auf Helmholtz’ Treffen mit britischen Vertretern der BAAS in Edinburgh im Vorjahr aufbauen können. Insbesondere einigte man sich nun in Chicago auf Definitionen und definitive Werte für die Einheiten Widerstand (Ohm), Stromstärke (Ampère), elektrische Spannung (Volt), Ladung (Coulomb), Kapazität (Farad), Arbeit (Joule) und Leistung (Watt). Dieser vierte Kongress hatte daher für die Elektroindustrie und elektrische Messtechnik historische Bedeutung. Er beendete Diskussionen, die nicht nur auf den ersten Kongress 1881, sondern bis in die 1860er-Jahre und noch weiter zurückreichten. Obwohl präzisere Messungen später zu einigen Änderungen an den in Chicago vereinbarten Normen führten, standen in den folgenden Jahrzehnten doch vor allem routinemäßige Aktualisierungen und Anpassungen der elektrischen Messtechnik auf der Tagesordnung. (Allerdings dauerte es noch 15 Jahre, bis die einzelnen Regierungen die beschlossenen Definitionen und Werte zur gesetzlichen Grundlage der elektrischen Metrologie in ihrem Land machten, und erst im Jahr 1908 wurden sie international vollständig anerkannt.) Helmholtz erklärte den Kongress formell für beendet: »Wir haben hier wirklich wichtige Arbeit geleistet, von der ich hoffe, dass sie in Zukunft gute Früchte tragen wird, indem sie die Unstimmigkeiten zwischen der elektrischen Wissenschaft und den elektrischen Bewegungen korrigiert, so dass sich alle Menschen in Wissenschaft und Industrie so einfach und gut wie möglich verständigen können.« An diesem Abend veranstaltete Meysenburg in seinem Haus eine Soiree, bei der ausgewählte Gäste die Gelegenheit erhielten, den Abend mit den Helmholtzens zu verbringen.12 (Siehe Abb. 29.1.) Nach Abschluss des Kongresses verweilte Helmholtz noch einige Tage in Chicago, besuchte die Ausstellungen und plauderte mit Freunden. Carhart sah ihn dort in einem Rollstuhl sitzen. Anna berichtete, dass Helmholtz von der Ausstellung beeindruckt gewesen sei und viel Neues gesehen habe. Der Physiker Thomas Corwin Mendenhall versuchte, ihn zu experimentellen Tiefenmessungen an Bord eines Dampfschiffs auf dem Lake Michigan zu bewegen, aber Helmholtz war so sehr mit »anderen Freunden« beschäftigt, dass er »ablehnen musste«.13
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Abb. 29.1: Helmholtz (erste Reihe, gleich links der Mitte) in Chicago, mit anderen offiziellen Delegierten des Internationalen Elektrizitätskongresses, 1893. George W. Vinal, »Transition from International to Absolute Electrical Units as It Affects the Physical Chemist«, in: Journal of the Washington Academy of Sciences 38 (1948), S. 265 – 269, auf S. 266.
Am Abend des 30. August gab der kaiserlich-deutsche Bevollmächtigte zur Weltausstellung zu Helmholtz’ Ehren und zur Feier seines 72. Geburtstags (am 31. August) sowie seiner Anwesenheit in Chicago ein privates Bankett im protzigen Hotel Richelieu, das am Seeufer in der Michigan Avenue lag. Er lud »35 angesehene Deutsche« ein, darunter hochrangige Beamte, Regierungsvertreter, Knapp und die fünf mitgereisten Mitarbeiter der Reichsanstalt. Der Bevollmächtigte erklärte, die Arbeit von Helmholtz und den anderen Wissenschaftlern in Chicago habe »die brüderlichen Beziehungen zwischen den Nationen« gestärkt. Am folgenden Tag fuhren die Helmholtzens mit dem Zug nach Denver und weiter gen Westen.14
Colorado und der Westen Die Helmholtzens, Knapp und Knapps Tochter fuhren gemeinsam mit dem Zug nach Colorado und in die Rocky Mountains.15 Die Reise per Bahn, die Aufenthalte in verschiedenen Luxuskurorten und die Städte und Sehenswürdigkeiten, die sie in Colorado besuchten, waren typisch für das, was wohlhabende Europäer, die im späten 19. Jahrhundert den amerikanischen Westen bereisten, erlebten. Die Fahrt durch den Mittleren Westen und die Great Plains, von Chicago nach Denver, dauerte 30 Stun-
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den; Helmholtz überstand die Reise gut. In Denver legten sie einen Ruhetag ein, entspannten sich in einem achtstöckigen Luxushotel mit spektakulärer Aussicht auf die Berge und sahen sich dann in Gesellschaft einer Gruppe örtlicher Augenärzte die Stadt an. Von Denver fuhren sie weiter nach Manitou und unternahmen dort eine sechsstündige Rundfahrt hinauf zum Pikes Peak. Wie viele Europäer erinnerten auch sie die Biogeographie und das Reisen in den Rocky Mountains an die Alpen. Sie verbrachten einen Nachmittag in Colorado Springs und machten eine zwölfstündige Bahnreise ins malerische Glenwood Springs am Ufer des Colorado River.16 Von Colorado Springs fuhren sie nach Grand Junction, wo es »ein heißes Salzbad mit großen Schwimmbassins, große kahle Berge von allen Seiten, coalpits und alle Elemente der Garstigkeit« gab. »Dazu ein herrliches Hotel«. Der Pianist desselben stellte sich den Helmholtzens vor: Er war ein Schulfreund ihres Sohnes Richard in Heidelberg gewesen. Sie besuchten eine Indianerschule. Dann fuhren sie mit der Eisenbahn weiter durch die Rocky Mountains, über den (3300 Meter hohen) Marshall-Pass. Kaum ging es wieder abwärts, koppelten sich Lokomotive und erster Waggon unbeabsichtigt vom Rest des Zuges ab und ließen die restlichen Waggons auf den Gleisen zurück. Hilfe war rasch zur Stelle, aber sie kamen mit Verspätung in der nächsten Stadt an und mussten dort anderthalb Tage warten, bis der Zug weiterfahren konnte. Die Helmholtzens schienen das alles zu genießen, verbrachten bereitwillig eine Nacht im Waggon und wachten am nächsten Morgen erfrischt auf. Aber Helmholtz hatte es satt, das örtliche Wasser zu trinken, und beschloss, dass sie nicht weiter nach Westen fahren würden; offenbar verspürte er nicht den großen Wunsch, Kalifornien zu sehen. So fuhren sie am 9. September mit Knapp und Tochter zurück in den Osten. Sie brauchten 30 Stunden bis Kansas City und weitere zehn Stunden bis St. Louis. Anna berichtete, sie und Hermann sähen aus »wie die Strolche«. »Sonne und Staub haben unglaublich auf die äußere Erscheinung gewirkt«, versicherte sie. Allen hier, Europäern wie Amerikanern, vor allem aber den Einwohnern von Colorado, bereitete der Rückgang des Silberpreises Sorge. Die Minen in Colorado waren bereits so ausgebeutet, dass einige stillgelegt wurden. Dies wiederum schwächte die Wirtschaft noch mehr. Bei der Ankunft in Kansas City wurden sie zu ihrer Überraschung von ortsansässigen Augenärzten erwartet. Im Zug auf der Weiterfahrt über Missouri nach St. Louis lernten sie einen deutschstämmigen Farmer kennen, der Anna beim Abschied fragte: »Und nun, meine Dame, sagen Sie mir, wer ist Professor Helmholtz?« Anna berichtete Ellen: »Auf meine Frage, woher er wisse, daß er auf dem Zuge sei, lachte er und zog seine Zeitung heraus, worin stand, Papa werde in Kansas und St. Louis erwartet.«17 Helmholtz hatte den Westen »mehr interessant, als schön und angenehm« gefunden. Für seine deutschen Augen war in dieser Landschaft »das Schöne […] durch unendliche trostlose Einöden von einander getrennt und muss schwer erkauft werden durch unendliche Langeweile«. Er fand es hier langweilig, heiß und dreckig.
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Dennoch war er von der ungeheuren Größe Amerikas beeindruckt. Er schrieb Ellen, das Land stehe noch am Anfang seiner kulturellen Entwicklung. »Bisher ist aber Alles noch höchst unfertig und erscheint zum Theil höchst unvernünftig und paradox.« Aber das sei auch nur zu erwarten, da die amerikanische Kultur mit Dampfmaschinen und elektrischem Licht begonnen habe, während sich etwa Kochkunst oder Haushaltung noch auf einem primitiven Niveau befänden. In St. Louis befragte ein Reporter ihn zu Währungsfragen, obwohl Helmholtz ihm versicherte, »dass ich mich nie mit nationalökonomischen Fragen beschäftigt habe«.18
Boston und Harvard Drei Tage lang reiste das Ehepaar Helmholtz (jetzt allein) von St. Louis nach Boston, ihre Route führte sie einige Stunden durch Kanada, und sie machten einen Zwischenstopp an den Niagarafällen, die sie beide sehr beeindruckten. »Der Niagarafall ist das erste Ding in Amerika, was wirklich einen gleichzeitig mächtig großen, schönen und erfrischenden Eindruck macht«, schrieb Helmholtz. Darüber hinaus berichtete er, sie seien während der gesamten Reise sehr gut behandelt worden. Am Abend des 15. September erreichten sie Boston.19 Sie blieben dort vier Tage und verlängerten ihren Besuch auch deswegen, weil der Physiologe und Dekan der Harvard Medical School, Henry Pickering Bowditch, Helmholtz gerne noch sehen wollte. Bowditch hatte bei Ludwig in Leipzig studiert und eine deutsche Frau geheiratet. Ludwig hatte ihn stark inspiriert, und Bowditchs Laboratorium in Boston, das sich an dem von Ludwig orientierte, wurde das erste physiologische Laboratorium überhaupt in den Vereinigten Staaten. Bowditch bat also mehrere Freunde, Helmholtz in Boston herumzuführen, bis er wieder zurück war und Helmholtz selbst im Hotel Vendome aufsuchen konnte.20 Während ihres Aufenthalts in Boston besuchten die Helmholtzens selbstverständlich auch Cambridge, will meinen: Harvard. Zweiundzwanzig Jahre zuvor hatte Helmholtz so wenig über Harvard gewusst, dass er es fälschlicherweise als die in Cambridge, Massachusetts, gelegene Universität von Cambridge bezeichnet hatte. Dass er nun einen Tag dem Besuch der Universität widmete und noch zusätzliche Zeit mit Mitgliedern der Fakultät verbrachte, zeigt, wie stark Helmholtz sich der Wissenschaft (und Gelehrsamkeit) als eines auch außereuropäischen Phänomens bewusst geworden war – oder spricht auch für den Aufstieg Harvards in der Welt der internationalen Wissenschaft. Mitglieder der Fakultät führten die Helmholtzens über den ganzen Campus, was die Besichtigung verschiedener Laboratorien einschloss.21 Eines davon war das psychologische Labor von Hugo Münsterberg, der zwar physiologischer Psychologe war, sich aber sehr für Erkenntnistheorie interessierte. Er hatte Physiologie (ebenfalls bei Ludwig), Medizin und Psychologie in Leipzig und Heidelberg studiert und war besonders von Wundt beeinflusst, in dessen Laborato-
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rium er gearbeitet hatte. Bei seinen ersten experimentellen Untersuchungen hatte er sich mit dem Auge beschäftigt. In Heidelberg hatte er Josiah Royce und in Paris William James kennengelernt. James verschaffte ihm für mindestens drei Jahre eine Dozentenstelle in Harvard und die Leitung des dortigen psychologischen Labors. Das erlaubte es James, sich selbst der Philosophie zu widmen und ein Jahr in Europa zu verbringen. In Harvard freundete sich Münsterberg gut mit Royce und George Santayana an; zu ihrem Kreis gehörten außerdem der Philosoph George Herbert Palmer, der Kunsthistoriker Charles Eliot Norton und Bowditch. Wie Helmholtz interessierte sich Münsterberg besonders für Akustik und war ein Kenner von Musik und Kunst. Offenbar hatte er Helmholtz in Chicago getroffen, und Helmholtz besuchte ihn nun zu Hause in Cambridge.22 Auch James traf Helmholtz hier wieder, denn er war Mitte September, nach 15 Monaten in Europa, nach Cambridge zurückgekehrt. An Carl Stumpf, der gerade zum Professor für Psychologie an der Universität Berlin berufen worden war, schrieb er: »Wir hatten übrigens Helmholtz hier, im Herbst. Ein gutaussehender alter Bursche, der seine Zunge aber beeindruckend im Zaum halten und [mit?] einer freundlichen Neigung des Kopfes antworten kann. Seine Frau war jedoch eine femme du monde und machte seinen Mangel an Konversation vollständig wett.« Helmholtz sei auf jeden Fall »ein herrlicher Mensch«. Seinem Bruder Henry schrieb er Ähnliches aus seinem Landhaus in Chocorua, New Hampshire: Wir hatten den großen Helmholtz und seine Frau an einem Nachmittag bei uns, servierten ihnen Tee und luden einige Leute ein, damit sie sie kennenlernen konnten; sie, eine charmante Frau von Welt, die von ihrer Tante, Madame Mohl, in Paris erzogen wurde; er, das monumentalste Beispiel von gutmütiger Ruhe und Sprachlosigkeit, das ich je gesehen habe. Er wird alt und etwas müde, glaube ich, und unternimmt keine Anstrengung, die über ein Lächeln und die Neigung seines Kopfes zu Äußerungen, die gemacht werden, hinausgeht. Zumindest auf meine Äußerungen hat er nicht reagiert; aber Royce, Charles Norton, John Fiske und Dr. [Henry Pickering] Walcott, die ihn an einem kleinen Tisch, an dem er bei Tee und Bier saß, umringten, sagten, er habe gesprochen. Eine solche Ruhe ist ein großes Gut.23 James war beeindruckt.
Washington und Johns Hopkins Von Boston aus reisten die Helmholtzens nach Washington und Baltimore (möglicherweise mit Zwischenstopp in Philadelphia).24 Schon vor ihrer Ankunft in Washington hinterließ Mendenhall, Leiter der US-amerikanischen Küsten und
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Landesvermessung (US Coast and Geodetic Survey) und eine Art früher Wissenschaftsmanager, in ihrem Hotel eine Nachricht. Er wollte wissen, wann genau Helmholtz ankommen werde, und teilte ihm mit, dass er und einige führende Washingtoner Wissenschaftler und weitere im Wissenschaftssektor tätige Personen Helmholtz’ Besuch schon erwarteten. Zu dieser Gruppe gehörten Langley, der Sekretär des Smithsonian; Newcomb, Astronom, Direktor des National Almanac Office und Professor für Mathematik an der Johns Hopkins-Universität; und John Shaw Billings, Chirurg, Bibliotheksdirektor und Bibliograph, der die Bibliothek des Sanitätsinspekteurs der Vereinigten Staaten (die spätere National Library of Medicine) leitete. Billings hatte auch das kürzlich (1889) eröffnete Johns Hopkins-Hospital in Baltimore konzipiert und leitete und restrukturierte später die New York Public Library. Daneben gab es weitere Personen, die sich »sehr freuen« würden, Helmholtz zu sehen. Sie alle würden Helmholtz im Cosmos Club – »der sich überwiegend aus Herren zusammensetzte, die sich mit wissenschaftlicher Arbeit beschäftigen« – erwarten, gegenüber dem Hotel Arlington, in dem Helmholtz residierte. Mendenhall und seine Frau boten den Helmholtzens auch an, ihnen Washington zu zeigen, »ein paar Stunden durch die Stadt und die Vorstädte zu fahren, um einige der Schönheiten zu sehen, auf die wir stolz sind«. Mendenhall hoffte außerdem, dass Helmholtz seine Vermessungsbehörde besuchen werde.25 Auch Villard war in Washington und wollte Helmholtz in der Stadt einführen. Er hatte nicht nur über Knapp eine Verbindung zu Helmholtz, sondern auch durch sein umfangreiches finanzielles Engagement auf dem Feld von elektrischer Energie und Beleuchtungssystemen. Villard hatte nicht nur Eisenbahnen finanziert, sondern war auch ein früher Aktionär und Direktor der ursprünglichen Edison Light Company. Er kannte Siemens und Emil Rathenau von der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft in Berlin und hatte mit ihnen und anderen zusammen (im Jahr 1889) eine amerikanische Firma reorganisiert und rekapitalisiert: die Edison General Electric Company, die ihrerseits alle früheren amerikanischen Edison-Beleuchtungsfirmen übernahm. Er war bis 1892 ihr Präsident gewesen, als sie sich mit der Thomson-Houston Electric Company zur General Electric Company zusammenschloss. Seine eigenen Geldgeber, darunter Georg Siemens von der Deutschen Bank, saßen in Deutschland. Villard spielte außerdem eine wichtige Rolle in der Demokratischen Partei. Bei den Präsidentschaftswahlen von 1892 engagierte er sich im Wahlkampf für die Demokraten, sammelte Spenden für Grover Cleveland und half ihm, erst nominiert zu werden und dann die Wahl zu gewinnen. Damit hatte er Zugang zu Cleveland, als der im März 1893 sein Amt als US-Präsident antrat. Er beriet den Präsidenten, was die Zusammenstellung seines Kabinetts und die Berufung von Diplomaten anging, und warnte ihn auch vor der kommenden Finanzkrise. Villard kannte die politische Szene in Washington gut.26 Er führte die Helmholtzens in Washington herum, stellte sie verschiedenen Politikern vor und arrangierte für den Nachmittag des
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26. September ein Treffen mit Cleveland im Weißen Haus. Anna schrieb an Ellen: »Washington war sehr amüsant und interessant unter Villards Führung. Wir haben die ganze politische Maschine, den Präsidenten Cleveland inclusive, die Silbersenatoren, die Congress Sitzung, die [führenden] wissenschaftlichen Menschen und Anstalten, die herrliche Gegend der Stadt gesehen und sind sehr befriedigt abgegangen. Der Präsident hat uns empfangen und hat uns sein Porträt geschenkt.«27 Kurzum, sie lernten die wissenschaftliche und politische Elite Washingtons kennen. Auch in Baltimore, oder genauer im Johns Hopkins, verbrachten die Helmholtzens einen Tag. Präsident Gilman selbst führte Helmholtz auf dem Campus herum, während Billings Anna das Hopkins-Hospital, »dieses Wunderwerk«, in East Baltimore zeigte. Die Krankenpflegeschule beeindruckte sie ebenfalls, und Billings überreichte ihr einige Schriften über die medizinischen Einrichtungen sowie ein Exemplar seines jährlich erscheinenden bibliographischen Indexes zur medizinischen Fachliteratur.28
New York City: Steinway, Columbia und AT&T Am Sonntag, dem 1. Oktober, kehrten die Helmholtzens nach New York City zurück, wo sie wieder bei Knapp wohnten.29 Sie besuchten sowohl die Steinway Hall als auch die Klavierfabrik Steinway und trafen sich mit William Steinway, dem Präsidenten der Firma. In der Fabrik interessierte sich Helmholtz insbesondere für das mechanische Innenleben der im Bau befindlichen Klaviere, um zu sehen, inwieweit sie »mit den Resultaten meiner akustischen Studien übereinstimmen«. Ganz besonders achtete er dabei auf Länge und Druck der Saiten und die Auswirkungen dieser Parameter auf den Klang. Steinway bestand darauf, dass Helmholtz sich einen neuen Flügel aussuchte, obwohl die Helmholtzens keinen brauchten. Anna berichtete: »Die ganze Firma versammelte sich und es war sehr schön. Eigentlich reicht für uns der bisherige Flügel gut aus, aber Mr. Steinway versicherte, er habe so viel von Papas Akustik gelernt, daß er nur durch den Erfolg an seinem Instrument seinen Dank beweisen könne.« Am Abend wurde ein »großes Diner« für sie gegeben, und sie speisten in illustrer Runde mit Carl Schurz, einem ehemaligen deutschen Revolutionär, der inzwischen amerikanischer Journalist und Staatsmann war, den Villards »und großen Ärzten in der Stadt«. Steinway hielt in seinem Tagebuch fest: »Ein wunderschöner Tag.« Ende Oktober schickte Steinway Helmholtz den neuen Flügel, im Austausch gegen den älteren, in seinem Besitz befindlichen. Das neue Instrument kam Anfang Dezember bei Helmholtz an, und Helmholtz bedankte sich bei Steinway: Wir hatten bereits Gelegenheit, es von den Händen einiger unserer musikalischen Freunde gespielt zu hören. Die Fülle und Stärke seines Klangs sowie die Milde und Weichheit desselben können wir nur bewundern, Qualitäten,
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die man nur selten vereint findet. Auch bei den Freunden, die sich daran versuchten, fand das Instrument ebensolchen Applaus und Bewunderung. Einer von ihnen, mein Kollege Professor Planck, ist ein sehr geschickter Musiker und gleichzeitig ein erstklassiger Mathematiker und Physiker. Er ist mein Nachfolger an der Berliner Universität in der Lehre der akustischen Musiktheorie. In sein Urteil habe ich größtes Vertrauen, und er war ziemlich der gleichen Meinung wie meine anderen Freunde, meine Frau und ich. Wir sind daher überzeugt, dass wir durch Ihre Güte in den Besitz eines vollendeten Musikinstrumentes gelangt sind.30 Steinway und Helmholtz standen weiterhin in der Schuld des jeweils anderen, wie sie es seit 1871 getan hatten. Während seines Aufenthalts in New York hielt Helmholtz zwei Vorträge und nahm an weiteren Veranstaltungen am Columbia College teil. Zu jener Zeit befand sich Columbia inmitten tiefgreifender institutioneller Veränderungen, denn der Zeitpunkt erschien der Führungsspitze von Columbia günstig, um ihre Pläne für eine radikale Umgestaltung der Institution voranzutreiben. Das Columbia College war im Jahr 1754 als King’s College in Lower Manhattan gegründet worden; 1857 war es in neue Räumlichkeiten in Midtown umgezogen. Bis weit in die 1880er-Jahre hinein war das Columbia College kaum mehr als eine lokale Bildungseinrichtung für die wohlhabenden Söhne der sozialen und finanziellen Elite New Yorks. Anders als das neue Johns Hopkins oder das ehrwürdige, doch unter Charles Eliot in einem Reformprozess befindliche Harvard war Columbia ein lokales College geblieben und hatte keine nationalen oder Forschungsambitionen. Die Räumlichkeiten platzten aus allen Nähten, und das College hatte finanzielle Probleme, die Aufmerksamkeit verlangten. In den 1880er-Jahren bemühte sich der langjährige Präsident des Colleges, Frederick A. P. Barnard, darum, Columbia eine neue Gestalt zu geben, indem er dem Leitbild des Colleges das Ziel hinzufügte, eine Forschungsuniversität deutschen Stils zu werden, mit einem Schwerpunkt auf der Graduiertenausbildung. Barnard und andere versuchten, aus Columbia eine erstklassige nationale, wenn nicht gar internationale Einrichtung zu machen, und betonten gleichzeitig, wie wichtig es sei, dass das College Teil des kulturellen Lebens von New York City blieb und die gesellschaftlichen Bedürfnisse der Stadt befriedigte. Drei von Barnards wichtigsten Verbündeten – John William Burgess, Ogden Rood und Nicholas Murray Butler – waren große Bewunderer von Helmholtz. Burgess hatte von 1871 bis 1873 in Berlin, Leipzig und Göttingen Philosophie, Wirtschaft, Recht und Geschichte (bei Mommsen) studiert und Helmholtz’ Vorlesungen zur Logik gehört. Am Columbia College wurde er ein führender Politikwissenschaftler und Verfassungsrechtler. Rood war Professor für Physik am Columbia College. Der Pädagoge Butler, der in Berlin ein Se-
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minar bei Helmholtz besucht hatte, war Barnards Schüler und Protegé, aber auch ein Schüler von Burgess. Er fungierte später lange Jahre als Präsident von Columbia (1901 – 1945). Alle drei hatten an deutschen Universitäten studiert, die sie sehr beeindruckt hatten, was ebenso für weitere Kollegen innerhalb der sogenannten Universitätsfraktion galt (der eine Collegefraktion gegenüberstand). Barnard kam bei seinem Versuch, Columbia umzugestalten, nicht allzu weit. Nach seinem Tod im Jahr 1889 erreichte der Kampf zwischen den beiden Fraktionen einen Höhepunkt, als die Kuratoren Seth Low, einen Columbia-Absolventen, wohlhabenden Kaufmann, ehemaligen Bürgermeister von Brooklyn und Vertreter der Universitätsfraktion, mit knapper Mehrheit zum neuen Präsidenten wählten. Low wollte vollenden, was Barnard begonnen hatte: der akademischen Forschung und Graduiertenausbildung mehr Gewicht zu verleihen, Columbia eine Führungsrolle in der bürgerlichen Kultur New Yorks und bei der Lösung der sozialen Probleme der Nation zu verschaffen und es gleichzeitig zu einer nationalen und internationalen Institution ersten Ranges zu machen. Um das zu erreichen, reorganisierte, konsolidierte und erweiterte Low Columbia in den 1890er-Jahren auf administrativer Ebene. Im Rahmen dieser Umstrukturierungen wurde das College of Physicians and Surgeons im Jahr 1891 in Columbia integriert, das damit nun über eine eigene medizinische Fakultät verfügte. Low gab auch den Bau eines neuen Campus in Auftrag: Im Jahr 1892 wurde Morningside Heights, in der Upper West Side, als neuer Standort ausgewählt und käuflich erworben; 1896 wurde der neue Campus eingeweiht. Die Einrichtung wurde in Columbia University in the City of New York umbenannt, und im Jahr 1897 wurde der Midtown-Campus an seinen neuen Standort in Morningside Heights verlegt. Bei Helmholtz’ Besuch in New York im Oktober 1893 steckte Columbia als Forschungseinrichtung also noch in den Kinderschuhen. Unter den Wissenschaftlern und Gelehrten am Columbia College gab es noch zu wenige, die darin hätten als Beispiel dienen können, dass sie Forschungsethos verkörperten und bedeutende Forschungsbeiträge auf ihren Gebieten geleistet hatten. Dabei bedeuteten Columbias Pläne, einen völlig neuen Campus hochzuziehen, natürlich, dass Low und die anderen Kuratoren laufend neue finanzielle Mittel einwerben mussten. Ein Besuch von Helmholtz, und sei er noch so kurz, war genau das, was Columbia jetzt brauchte. Am späten Nachmittag des 3. Oktober sprach Helmholtz am Columbia College für Ärzte und Chirurgen vor einem Publikum, das sich aus Studenten des Colleges, Medizinern und sonstigen Wissenschaftlern zusammensetzte. Knapp hatte Helmholtz eingeladen, dort über seine Erfindung des Ophthalmoskops vorzutragen. Knapp, der den Vorsitz über die Veranstaltung führte, bekräftigte in seinen einleitenden Worten, Helmholtz sei »seit Jahren als führend in der deutschen Wissenschaft anerkannt«. Er skizzierte kurz die Geschichte der Augenheilkunde und beschrieb Helmholtz’ Beiträge zur physiologischen Optik. Anschließend wur-
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de Helmholtz »mit tosendem Applaus« begrüßt. Er begann seine Rede mit zwei Entschuldigungen: dafür, dass er über sich selbst sprach, und für sein Englisch. Überhaupt sei er schon so oft gebeten worden, zu diesem Thema zu sprechen, dass er praktisch nichts Neues mehr dazu sagen könne. Er wies darauf hin, dass schon andere vor ihm die Dioptrik des Auges untersucht hatten; das Neuartige bei seiner Erfindung habe im Wesentlichen in seinem Verständnis der Mathematik und Physik solcher Lichtbrechungen bestanden sowie in der Konstruktion der Rohversion eines Instruments, mit dem sich das vom vorderen Teil des Auges reflektierte Licht einfangen ließ. Berichten zufolge sagte er: Das einzig Originelle in dieser Sache von meiner Seite war, zu fragen, wie die optischen Bilder durch das vom beleuchteten Auge reflektierte Licht erzeugt werden könnten. All meine Vorgänger hatten es versäumt, sich diese Frage zu stellen. Sie hatten auf halbem Wege haltgemacht, statt den Weg bis zum Ende weiterzugehen. Sobald ich diese Frage beantwortet hatte, wusste ich auch, wie ein Ophthalmoskop konstruiert werden konnte, und in nur zwei Tagen hatte ich das getan und erfolgreich mit dem neuen Instrument experimentiert. Ich sage dies, um Ihnen zu verdeutlichen, wie notwendig und nützlich es ist, Untersuchungen von Naturphänomenen bis zum Ende durchzuführen. Sie dürfen nicht auf halbem Wege stehen bleiben oder zurückgehen; Sie müssen Ihre Überlegungen beenden, bis zum Ende gehen, damit Sie die vollständige Verbindung der verschiedenen Phänomene zueinander klar erkennen können. Das große Publikum, in dem unter anderem Alexander Graham Bell und Seth Low saßen, nahm seinen Vortrag begeistert auf. Die Scientific American berichtete darüber und bezeichnete Helmholtz’ Erfindung des Ophthalmoskops als »eine der krönenden Errungenschaften der medizinischen Wissenschaft des 19. Jahrhunderts«. Sie habe »das Augenlicht von Tausenden gerettet«. Helmholtz’ Arbeit auf dem Gebiet der physiologischen Optik sei »von unschätzbarem Wert«. An jenem Abend speisten die Helmholtzens bei den Lows an der Upper East Side.31 Nach dem Abendessen begab man sich in die juristische Bibliothek des Columbia College, wo Low einen Empfang für die Helmholtzens organisiert hatte. Wie die New York Times berichtete, hatte Low dazu mehr als 500 prominente New Yorker Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Politik, Finanzen und intellektuellen Kreisen eingeladen, von denen nicht wenige aus alteingesessenen Familien stammten. Unter den Anwesenden waren Anwälte wie Joseph H. Choate und der Franko-Amerikaner Frédéric René Coudert, der entscheidend dazu beigetragen hatte, dass Frankreich wenige Jahre zuvor (1886) den Vereinigten Staaten die Freiheitsstatue geschenkt hatte; der Staatsmann Elihu Root; der Herausgeber von The Nation, E. L. Godkin, und der Verleger Henry Holt; Finanztycoons und Wall-Street-Größen
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wie J. Pierpont Morgan; Edison und andere Industrielle wie Abram S. Hewitt, der außerdem Bürgermeister und Kongressabgeordneter war; einige (weitere) Politiker wie Bürgermeister Thomas F. Gilroy; Gönner der wichtigsten kulturellen Institutionen New Yorks; Philanthropen aller Art; viele Kuratoren und leitende Verwaltungsbeamte von der Columbia und natürlich viele führende Fakultätsmitglieder des Colleges, darunter Burgess, Rood und Butler. Die Times schrieb: »Prof. Helmholtz wird überall bewundert, wo die Wissenschaft Freunde hat.« Als »Sohn eines einfachen Potsdamer Gymnasiallehrers« sei er »allein durch eigene Verdienste in seine hohe Position aufgestiegen«. Das stimmte, entsprach aber zufällig auch dem American-Dream-Klischee vom Erfolg. Besonders hob die Zeitung Helmholtz’ intellektuelle Ehrlichkeit und seine große wissenschaftliche Produktivität hervor.32 Was im Artikel allerdings nicht stand, war, dass der Zweck des Abends nicht nur in einem Stelldichein mit Helmholtz bestand – der Empfang war vor allem eine Gelegenheit für Low und die Kuratoren, zu zeigen, was für ein Ort Columbia war (oder, besser gesagt, zu werden hoffte) und in welcher Gesellschaft sich das College befand. Mit anderen Worten: Low und seine Kollegen vom Columbia College nutzten Helmholtz’ Anwesenheit in der Stadt, um finanzielle und politische Unterstützung für die Umwandlung des Colleges in eine Universität zu gewinnen. Seinen zweiten und letzten Vortrag hielt Helmholtz am 5. Oktober in der Hauptbibliothek des Colleges vor der Studentenschaft von Columbia, wobei es bei dieser Gelegenheit für die Zuhörer nur Stehplätze gab. Im Publikum war an dem Tag auch Robert A. Millikan, damals Doktorand der Physik. Bell und Steinway waren gleichfalls anwesend, ebenso Josiah Willard Gibbs, Professor für mathematische Physik in Yale und Amerikas größtes Talent in diesem Fach. Gibbs hatte bei Kirchhoff in Heidelberg studiert und war mit den Arbeiten von Helmholtz auf dem Gebiet der elektromagnetischen Theorie und Thermodynamik gut vertraut, doch offenbar waren er und Helmholtz sich in Heidelberg nie begegnet und lernten sich nur kurz in New York kennen. Helmholtz bedauerte, dass an diesem Tag keine Zeit für ein längeres Gespräch mit Gibbs war.33 Das Publikum brach in tosenden Applaus aus, als Low und Helmholtz den Hörsaal betraten. Low stellte Helmholtz als einen Mann vor, der nicht nur der »Wissenschaft«, sondern auch der »Menschheit« einen »großen Dienst« erwiesen habe. Er bezeichnete Helmholtz als einen Experten in Sachen Schall – Bell, der Erfinder des Telefons, sei den ganzen Weg von Halifax in Kanada hergekommen, nur um Helmholtz zu sehen. Dann überließ Low das Podium Helmholtz, der »trotz seines hohen Alters große Rüstigkeit zur Schau trägt«. Helmholtz sprach »ein ziemlich gutes, wenn auch natürlich nicht sehr fließendes Englisch« und redete »mit klarer, vernehmlicher Stimme« und ohne jede »Spur von Ermüdung« eine Stunde lang.34 Helmholtz glaubte, sein Vortragsthema – der Erwerb von Wissen – sei für alle Studenten von Interesse und es betreffe nicht nur die Wissenschaften, sondern
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auch die Künste. In seinen handschriftlichen Vorlesungsnotizen stellte er die großen, allgemeinen Fragen wie: »Was ist Wissenschaft? Und warum hat die Wissenschaft so sehr an Einfluss auf alle Formen menschlicher Aktivität gewonnen?«35 Seine Themen und Hauptpunkte waren (kaum überraschend) dieselben, die er seit einem halben Jahrhundert vertrat: Wissenschaft ist in ihrem Geltungsbereich und Wesen vielfältig; die tägliche Erfahrung ist eine ergiebige Quelle des Wissens; das menschliche Gedächtnis muss durch schriftliche Aufzeichnungen ergänzt werden, die den Erkenntnissen Dauerhaftigkeit verleihen; dass die Menschheit auf das über Generationen erworbene Wissen zurückgreifen kann, ist ein Grund für ihre »Überlegenheit […] gegenüber allen anderen Lebewesen«, weswegen »die Bewahrung allen Wissens« in der Schriftform so wichtig ist; die Naturgesetze müssen auf der Grundlage von Tatsachen erforscht werden; die Wissenschaft hat technologischen, industriellen und zivilisatorischen Fortschritt gebracht; wegen des inhärenten Einflusses psychologischer Faktoren können die Geisteswissenschaften keine Gesetze hervorbringen; Intuition ist für die Wissenschaft wesentlich, muss aber auch überprüft werden; und es ist die Natur der Wissenschaft, sich ständig zu verändern und zu entwickeln. Abschließend riet er den Columbia-Studenten, sie sollten »dem Beispiel der wissenschaftlichen und industriellen Entwicklung der modernen Zeit folgen. Streben Sie danach, die Auswirkungen der ewigen Gesetze überall zu entdecken.« Unter Lows Führung jubelten die Zuhörer drei laute »Hurras« und »C-o-l-u-m-b-i-a! Helmholtz!«.36 Bell hatte Helmholtz schon lange bewundert. Er soll erklärt haben, »daß er ohne Helmholtz’ Forschungen im Reiche des Schalls nie das Telefon hätte erfinden können«. (Auch Steinway soll gesagt haben, »daß ohne Helmholtz’ epochemachende Entdeckungen die Pianofabriken nie eine solche Entwicklung und Vollkommenheit würden erreicht haben«.) Nach dem Vortrag brachte Bell Helmholtz sofort in die Innenstadt zum Büro der American Telephone and Telegraph Company (AT&T), um ihm die letzten Neuerungen in der Fernmeldetechnik vorzuführen. Vertreter der Telefongesellschaft und weitere Personen, darunter mindestens ein Reporter, erwarteten sie dort. Bei einem Ferngespräch nach Boston sprach Helmholtz mit dem Präsidenten des Unternehmens; bei einem weiteren nach Washington unterhielt er sich mit Langley (über das Smithsonian und die dort tätigen Forscher); das dritte Ferngespräch ging nach Chicago. Helmholtz soll daraufhin das Telefon »als ein wunderbares Werkzeug, dem noch eine große Zukunft bevorstehe« bezeichnet und sein Erstaunen darüber ausgedrückt haben, »wie weit das Telephonwesen in Amerika gekommen sei«. Nachdem er den Rest der Vermittlungszentrale gesehen hatte, ging es zum Abendessen zu Lows Haus zurück.37 Vor der Abreise aus New York besichtigte Helmholtz noch Pupins Labor am Columbia und besuchte ihn auch in seinem Haus an der Atlantikküste von New Jersey. Er war Pupins wichtigster Lehrer gewesen – Pupin nannte ihn »mein hochverehr-
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ter Herr Lehrer« – und hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass Pupin seine Stelle am Columbia College erhalten hatte. Pupin entwickelte zu der Zeit gerade eine Methode (anscheinend die erste) zur elektrischen Resonanzanalyse (wie bei der einst »modernen« Möglichkeit, per Drehregler an einem Radio oder Funkgerät die richtige Wellenlänge einzustellen). Später schrieb er: »Als Helmholtz 1893 dieses Land besuchte, zeigte ich ihm meine elektrischen Resonatoren und die Forschung, die ich mit ihrer Hilfe betrieb. Er war recht beeindruckt von der auffallenden Ähnlichkeit zwischen seiner akustischen und meiner elektrischen Resonanzanalyse und drängte mich, die Arbeit voranzutreiben und seine frühen Experimente zur akustischen Resonanz zu wiederholen, da meine elektrische Methode viel zweckmäßiger sei als seine akustische.« Der elektrische Resonator wurde später zum selektiven Nachweis von Wechselströmen bestimmter Frequenz und auch für die harmonische Telegraphie verwendet. Pupin und Rood waren die einzigen Wissenschaftler in New York City, die etwas mehr Zeit mit Helmholtz verbringen durften. Die meisten wurden ihm nur kurz vorgestellt, und viele waren enttäuscht.38 Helmholtz’ Zeit war einfach zu knapp, um sie mit Kollegen zu verbringen.
Düstere Heimreise Am späten Freitagabend des 6. Oktober 1893 bestiegen die Helmholtzens die Saale, die früh am nächsten Morgen in Richtung Bremen ablegen sollte. Steinway schickte den Helmholtzens »ein schönes Blumenbouquet als Andenken«. Gleich zu Beginn der Reise gerieten sie »in den Rand eines Wirbelsturms«. Aber Helmholtz fühlte sich gut und erholt, nur Anna litt wie immer unter Seekrankheit. Nach sechs Tagen Fahrt, am Donnerstagabend des 12. Oktober, lag Anna krank in ihrer Koje und Helmholtz setzte sich mit einem Exemplar des neuen Buches von Kuno Fischer, Arthur Schopenhauer, in die Raucherlounge der Männer. Er unterhielt sich eine Weile mit Felix Klein, dem Kapitän des Schiffes, und Dr. William J. Morton, einem amerikanischen Neurologen, der ein Freund von Knapp war. Als ihm jedoch zu warm wurde, verabschiedete er sich für die Nacht und begab sich in seine Kabine. Morton hatte den Eindruck, Helmholtz sei beim Weggehen ein wenig rot im Gesicht gewesen, dann »hörte er einen schweren Fall, eilte hinaus und fand Papa unten an der Treppe liegend«, wie Anna an Ellen schrieb. Er war ohnmächtig geworden und eine steile Treppe mit 14 Stufen hinuntergefallen. Morton ließ Helmholtz in die Kabine des Schiffsarztes bringen. In der Zwischenzeit setzte Klein Anna von dem Vorfall in Kenntnis und berichtete ihr, Helmholtz blute an der Stirn und zwei Ärzte kümmerten sich um ihn. Als die beiden bei Helmholtz ankamen, fanden sie ihn bei Bewusstsein vor – er konnte Fragen beantworten –, sein Kopf war bereits bandagiert. Anna meinte, der Schiffsarzt (ein gewisser Frobenius), vor allem aber Morton, der die Wunde eigenhändig versorgt hatte, hätten Helmholtz das Leben gerettet. Der
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Schiffskapitän ließ Helmholtz dann von sechs Stewards in die Kapitänskajüte tragen, wo Helmholtz in dieser Nacht mehr oder weniger schlief. Es sickerte weiterhin Blut aus seiner Wunde – es war ein tiefer Schnitt –, und Anna wachte im Wechsel mit drei anderen an seinem Bett. Frobenius drückte einen Finger auf die Wunde, um die Blutung zu stillen, was aber erst gelang, nachdem Morton die Wunde mit einem Druckverband verschlossen hatte. Die ganze Zeit über war Helmholtz’ Denk- und Sprechvermögen intakt. Alle machten sich größte Sorgen. Außer Anna befürchteten alle zunächst, Helmholtz habe einen Schlaganfall erlitten; sie jedoch vermutete, dass sein Sturz auf einen Ohnmachtsanfall zurückzuführen war, wie er vor langer Zeit schon mal einen erlebt hatte. Sie schrieb an Ellen: »Er war offenbar vor dem Fall bewußtlos gewesen, denn er hat die Hände nicht vorgestreckt zum Schutze.«39 Den folgenden Tag verbrachte Helmholtz im Bett, abwechselnd bewacht von zwei Stewards. Die See war immer noch sehr stürmisch; Annas Seekrankheit verschlimmerte sich, bis Morton ihr »ein amerikanisches Mittel gegen Seekrankheit, Bromo Soda« gab, das sie beinahe kurierte. Sie schrieb: »Ich habe heute aufrecht gehen können.« Am folgenden Nachmittag hatte sich Helmholtz’ Zustand deutlich verbessert. In der Zwischenzeit befanden sie sich jedoch auf hoher See, ohne Sonnen- oder Sternenlicht, und der Kapitän navigierte allein mit dem Kompass. Das Schiff rollte in den tosenden Fluten »im dicksten Nebel« hin und her, und bis Southampton waren es noch mindestens vier Tage Fahrt.40 Ursprünglich hatten die Helmholtzens geplant, die Thomsons in London zu besuchen und dann nach Paris zu fahren, wo Hermann mit den 40 Unsterblichen der Académie Française zusammentreffen sollte. Stattdessen würden sie nun – nach vier Tagen Genesungszeit – direkt nach Bremen fahren, »und wir können ja nur dankbar sein, wenn wir ihn lebend nach Hause bringen«, schrieb Anna ihrer Schwester. Morton schätzte, dass die kommenden fünf Tage über Helmholtz’ Schicksal entscheiden würden. Anna fühlte sich schuldig an dem Unfall, weil sie gerade da nicht auf ihn aufgepasst hatte, als er sie am meisten brauchte. Es war ein düsteres Ende einer ansonsten erfreulichen Reise.41 Am 17. Oktober erreichten sie Bremen. Helmholtz war an jenem Tag »etwas verschleierter«. Eine Kutsche brachte ihn vom Schiff zu ihrem Hotel in Bremen (»eine traurige Prozession!«). Er war immer noch in ärztlicher Behandlung und brauchte »absolute Ruhe«, schrieb Anna an Fritz. Sie war froh, dass er überhaupt noch lebte und dass seine geistigen Fähigkeiten nicht gelitten hatten, aber »schwach ist er sehr«. Sie schickte ein Telegramm an einen der Sekretäre der Akademie, in dem sie über den Unfall von Helmholtz berichtete. Richard Wachsmuth, den Anna bei anderer Gelegenheit liebevoll »meinen physikalischen Pflegesohn« nannte, und Ellen eilten sofort nach Bremen, um zu helfen. Viele Telegramme trafen ein – vom Kaiser, vom Bremer Bürgermeister und Senat und von vielen anderen Bekannten und Unbekannten –, und alle sendeten Genesungswünsche. Auch Blumen und Früchte wur-
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den geschickt. Der Chefarzt des örtlichen Vereinskrankenhauses vom Roten Kreuz kümmerte sich persönlich um Helmholtz. »Und auch sonst wurden wir mit Gefälligkeiten und Erfrischungen in der liebenswürdigsten Weise überhäuft«, schrieb Helmholtz später an Knapp. Sie blieben acht Tage in Bremen, in denen Helmholtz allmählich wieder zu Kräften kam. Um den 23. Oktober brachen sie schließlich nach Berlin auf. Sein Arzt arrangierte für sie die siebenstündige Fahrt »in einem Direktionswagen mit Bett und Wohngemach wie die Fürsten«. Selbst lesen konnte Helmholtz jedoch kaum und ermüdete sogar beim Vorlesen schnell.42 Bis zum 5. November hatte sich Helmholtz deutlich, wenn auch noch nicht vollständig erholt. Wie er Klein schrieb, hatte er in dem Monat nach seinem Unfall »sehr an Schwindel gelitten, wenn auch die Stirnwunde recht bald geschloßen war«. Hermann Knapp berichtete er, dass er in den ersten Wochen kaum gehen konnte, ohne sich gleich müde und schwindelig zu fühlen, und dass er Schwierigkeiten beim Lesen hatte und sich deshalb einschränken musste. Dazu kam »ein sehr entstelltes mit Blut unterlaufenes Antlitz«. Dennoch konnte er Freunde empfangen und bekam sogar Besuch von der Kaiserin.43
Gegenseitige Ehrerweise: eine Widmung und zwei Vorworte Im Winter 1892 bereitete Hertz auf Drängen des Verlegers J. A. Barth die Wiederveröffentlichung seiner zahlreichen Einzelartikel über elektrische Wellen, die in den Annalen erschienen waren, in einem einzigen Band vor. Nachdem er die Einleitung beendet hatte, schrieb er Helmholtz: Ich denke, daß aus dieser Einleitung besser und deutlicher als aus den einzelnen Abhandlungen hervorgehen wird, daß meine Arbeiten nicht sowohl direkt aus dem Studium der Maxwellschen Werke hervorgegangen sind, wie ich immer höre, als vielmehr wesentlich aus dem Studium der Arbeiten Ew. Exzellenz, und daß den ersten Anstoß sogar Ihre persönliche Anregung gab. Aus diesem besonderen Anlaß und aus dem allgemeinen meiner Dankbarkeit und Verehrung wäre es mir eine sehr große Freude, wenn Sie mir gestatten wollten, Ihnen die Arbeit in der jetzigen gesammelten Form zu widmen. In den Abhandlungen selbst fehlt der Ausdruck des Dankes, welchen ich Ihnen in Hinsicht derselben wie in jeder Hinsicht schulde; es wäre mir sehr leid, wenn Sie mir versagen wollten, dieses rein zufällige Versäumnis wieder auszugleichen. Jedes Zeichen des Einverständnisses, z. B. Ihre Visitenkarte, genügt mir. Hertz’ hätte seine Schuldgefühle gegenüber Helmholtz und seine Bewunderung, ja fast schon Liebe für ihn kaum deutlicher ausdrücken können. Auf jeden Fall betrachtete er Helmholtz als seine intellektuelle Leitfigur in wissenschaftlichen
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Fragen und als seinen Mentor in beruflichen Angelegenheiten im Allgemeinen. Man könnte sogar sagen, dass Helmholtz eine Art Vaterfigur für Hertz war, und vielleicht war Hertz so etwas wie ein Sohn für Helmholtz. In jedem Fall antwortete Helmholtz umgehend auf Hertz’ Brief, nannte ihn »Geehrter Freund und Kollege« und behandelte ihn damit als beruflich ebenbürtig. Helmholtz schrieb: »Ich nehme mit bestem Dank Ihr Anerbieten an, mir Ihre Sammlung von Abhandlungen über die elektrischen Wellen zu dedizieren; dies ist einmal eine Widmung, an der ich ungetrübte Freude haben kann, und für die Belehrungsbedürftigen aller Länder ist es ein großer Vorteil, die Abhandlungen alle zusammen zu haben.« Helmholtz selbst arbeitete, wie er in diesem Brief an Hertz nebenbei bemerkte, gerade an einer Abhandlung über die Neuformulierung der Maxwell-Gleichungen nach dem Prinzip der kleinsten Wirkung. Hertz’ Aufsatzsammlung, die Untersuchungen über die Ausbreitung der elektrischen Kraft (1892), erschien kurz darauf mit der zugehörigen Widmung: »Seiner Excellenz dem wirklichen Geheimen Rathe Herrn Hermann von Helmholtz in tiefster Ehrfurcht und Dankbarkeit gewidmet vom Verfasser.«44 Wenige Monate später, im Juli 1892, zog sich Hertz eine chronische Erkältung und eine schmerzhafte Nebenhöhlen- und Mittelohrentzündung zu, die sich dann auf Zähne und Kiefer (und mit der Zeit noch weiter) ausbreitete. Im November war er so geschwächt, dass er weder seinen Lehrverpflichtungen noch seiner wissenschaftlichen Arbeit nachgehen konnte. Helmholtz erfuhr von Hertz’ Krankheit und erkundigte sich bei dem gemeinsamen Kollegen Pflüger in Bonn nach seinem Gesundheitszustand. Als Hertz davon erfuhr, schrieb er Helmholtz, dessen Teilnahme habe ihm »unendlich wohlgetan«. Seine Genesung schritt jedoch nur langsam voran, und er rechnete damit, dass er seine vollen körperlichen Kräfte und seine Arbeitsfähigkeit erst im nächsten Jahr wiedererlangen werde. Er beschäftigte sich jedoch, wie er Helmholtz schrieb, trotz seiner Krankheit mit theoretischer Arbeit, die vom Helmholtz’schen Prinzip der kleinsten Wirkung inspiriert sei. Er versicherte Helmholtz, er arbeite so hart daran, wie es sein kränklicher Körper nur zulasse.45 Anfang Januar 1893 unterzog sich Hertz einer Reihe von medizinischen Behandlungen oder chirurgischen Eingriffen. Trotzdem setzte er seine Arbeit an der theoretischen Mechanik fort, was ihm zumindest eine gewisse Ablenkung von seinen gesundheitlichen Problemen verschaffte, wie er schrieb. Im März war er so weit wiederhergestellt, dass er sich um seine Studenten kümmern konnte. Seine Leiden hielten jedoch an und griffen auch auf andere Teile seines Körpers über, und obwohl er sich mindestens zwei weiteren medizinischen Eingriffen unterzog, waren diese wenig bis gar nicht hilfreich. Bis Dezember hatte er sein Manuskript zur Mechanik fertiggestellt und veranlasste dessen Veröffentlichung unter dem Titel Die Prinzipien der Mechanik in neuem Zusammenhange dargestellt (1894). Kurz darauf, am 1. Januar 1894, starb Heinrich
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Hertz im Alter von 36 Jahren, abgemagert und bettlägerig, an einer Blutvergiftung, die wahrscheinlich das Resultat der multiplen Infektionen war, an der er in den vorangegangenen 18 Monaten gelitten hatte. Hertz’ Tod versetzte Helmholtz in den verbleibenden acht Monaten seines Lebens in eine depressive Stimmung. Im April dieses Jahres erholte sich Helmholtz indes etwas bei einer Reise nach Venedig und Klagenfurt. Es sollte seine letzte Reise werden. Hertz hatte nur die erste Hälfte der Prinzipien zur Veröffentlichung freigegeben und gehofft, er werde die Zeit haben, um auch noch die zweite Hälfte zu überarbeiten, aber das hatte nicht sein sollen. Stattdessen musste er die gesamte weitere Bearbeitung seinem Assistenten Philipp Lenard anvertrauen, der meinte, Hertz habe nur zwei (ungenannte und daher mutmaßlich kleine) Punkte ändern wollen, und selbst überhaupt keine Änderungen vornehmen wollte, ohne vorher mit Helmholtz Rücksprache gehalten zu haben. Helmholtz hatte bereits eine Kopie des Manuskripts bekommen, was die Dinge vereinfachte. Aber es dauerte einige Zeit, bis er begriff, worauf Hertz hinausgewollt hatte, und er war sich mit Hertz’ Text zu unsicher, um ihn in irgendeiner Weise herausgeberisch zu bearbeiten oder auch nur den beiden von Lenard vorgeschlagenen Änderungen zuzustimmen. Stattdessen riet er ihm, die zweifelhaften Passagen einfach nur zu markieren und der Aufmerksamkeit der Leser zu empfehlen. Hertz’ Buch erschien im Spätsommer des Jahres, mit zwei Vorworten. Im ersten wies Hertz selbst darauf hin, dass das gesamte Buch, von ein paar wichtigen Ausnahmen abgesehen, »wesentlich beeinflusst und abhängig« von Helmholtz’ früheren Studien über das Prinzip der kleinsten Wirkung als Grundlage der Physik und von dessen verwandter Arbeit über monozyklische Systeme sei.46 Das andere Vorwort stammte von Helmholtz. Schon vor Erscheinen des Buches, unmittelbar nach Hertz’ Tod, begann in Bonn die Suche nach einem Nachfolger für ihn. Lipschitz, Helmholtz’ alter Freund in Bonn, fragte diesen um Rat und erkundigte sich insbesondere nach Eilhard Wiedemann als möglichem Ersatz. Mitte Januar teilte Helmholtz ihm mit, er halte Hertz für unersetzlich. Dennoch glaubte er, dass Wiedemann der Richtige für Bonn sein könne, sei er doch ein geschickter Experimentator, ein guter Lehrer und bewandert in der Fachliteratur. Aber: Wiedemann sei jung. Falls Bonn jemanden Älteren wünsche, dann empfehle er Kohlrausch und, falls das nicht klappe, Quincke. Er vermutete allerdings, dass keiner dieser beiden seine derzeitige Position verlassen wolle, und empfahl noch Kayser, der sich mit Spektroskopie, der Adhäsion von Gasen und der Schallgeschwindigkeit in Röhren beschäftigt hatte – und zufällig ein ehemaliger Schüler von Kundt und Helmholtz und (viele Jahre lang) Assistent von Helmholtz gewesen war.47 Kayser bekam die Stelle. Anfang Juli 1894, als das akademische Jahr zu Ende war, verfasste Helmholtz sein Vorwort zu Hertz’ Buch, in dem er des Verstorbenen gedachte: »Für alle, die den Fortschritt der Menschheit in der möglichst breiten Entwicklung ihrer geistigen
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Fähigkeiten und in der Herrschaft des Geistes über die natürlichen Leidenschaften wie über die widerstrebenden Naturkräfte zu sehen gewohnt sind, war die Nachricht vom Tode dieses bevorzugten Lieblings des Genius eine tief erschütternde.« Er schrieb über Hertz’ »hervortretende Bescheidenheit« trotz seiner »hervorragenden Anlagen« und von dem ihm »vorschwebenden hohen Ziele«. Wie es bei Hertz und anderen jungen Wissenschaftlern der Fall gewesen sei, »pflegen reich veranlagte Naturen um so unzufriedener mit ihren eigenen Werken zu sein je höher ihre Fähigkeiten und ihre Ideale reichen«. Mehr noch: »Die Begabtesten erreichen offenbar nur deshalb das Höchste, weil sie am empfindlichsten gegen jede Unvollkommenheit sind, und am unermüdlichsten an deren Beseitigung arbeiten.« Mit dieser Aussage über Hertz hätte Hemholtz ebenso gut seine eigenen Ambitionen und Leistungen beschreiben können. Helmholtz schmerzte Hertz’ Tod sehr: »Unter allen Schülern, die ich gehabt habe, durfte ich Hertz immer als denjenigen betrachten, der sich am tiefsten in meinen eigenen Kreis von wissenschaftlichen Gedanken eingelebt hatte, und auf den ich die sichersten Hoffnungen für ihre weitere Entwicklung und Bereicherung glaubte setzen zu dürfen.«48 Helmholtz verwendete einen großen Teil seines Vorworts darauf, die Geschichte der Elektrodynamik im 19. Jahrhundert zu erzählen, sofern sie seine eigenen Forschungen betraf oder den Boden für Hertz’ Arbeiten über elektrische Wellen und verwandte Themen bereitet hatte. Hertz’ besondere Fähigkeit, Probleme zu analysieren und diese Analyse durch die am besten geeigneten experimentellen Verfahren zu ergänzen, erfüllte ihn nach eigenem Bekunden mit Ehrfurcht. »Heinrich Hertz hat sich durch seine Entdeckungen einen bleibenden Ruhm in der Wissenschaft gesichert«, erklärte Helmholtz.49 Er war ein stolzer Doktorvater. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit noch kurz, auf knapp einer Seite, auf Hertz’ Prinzipien der Mechanik, dieses »letzte Denkmal seiner irdischen Thätigkeit«. Hertz habe darin versucht, ein neues, vollständiges System der Mechanik zu entwickeln, das sich »aus einem einzigen Grundgesetz [ableitet], welches logisch genommen natürlich nur als eine plausible Annahme betrachtet werden kann«. Er lobte Hertz’ »Scharfsinn« bei seinem Bestreben, »eine vollkommen folgerichtige Ableitung aller bisher allgemeingültig anerkannten Gesetze der mechanischen Vorgänge zu geben«, die er »unter einer sehr bewundernswürdigen Bildung« mechanischer Konzepte durchgeführt habe. Aber als er auf Hertz’ Zuhilfenahme »unwahrnehmbarer Massen und unsichtbarer Bewegungen« als Ersatz für »die Existenz der Kräfte« in der Mechanik zu sprechen kam – und die Verneinung dieser Kräfte und eine Geometrisierung der Mechanik mittels Massepunkten waren die wichtigsten Neuerungen des Buches –, wies Helmholtz darauf hin, dass dies lediglich eine »Hypothese« sei, die Hertz »leider« nicht an konkreten Beispielen dargelegt habe. Obwohl dessen Ansatz durchaus Ähnlichkeiten mit Helmholtz’ eigenen monozyklischen Systemen aufwies, hatte selbst Helmholtz Zweifel an Hertz’ Theorie
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der Mechanik. Er stellte die von Hertz vorgeschlagenen unsichtbaren Bewegungen ohne Krafteinwirkung den Mikrophänomenen von Thomson (»Wirbelatome«) und Maxwell (ein System »von Zellen mit rotierendem Inhalt«) gegenüber. Helmholtz selbst sprach sich für einen anderen Ansatz aus, bei dem Fakten und Gesetze im Allgemeinen durch Differenzialgleichungen dargestellt wurden. Wie er sagte, wollte er zwar die Diskussion über die von Hertz, Thomson und Maxwell befürworteten Erklärungsmöglichkeiten der mechanischen Grundlagen nicht beenden, war aber doch der Meinung, Hertz’ Ansatz bringe »große Schwierigkeiten« mit sich, die es zu überwinden gelte. »Möglicherweise wird dieses Buch in der Zukunft noch von hohem heuristischem Wert sein als Leitfaden zur Entdeckung neuer allgemeiner Charaktere der Naturkräfte«, meinte er. Er begrüßte Hertz’ einfallsreichen, alternativen Ansatz zum Verständnis der Mechanik, aber er machte ihn sich nicht zu eigen oder unterstützte ihn auch nur.50 Tatsächlich fand er dieses letzte, buchfüllende Werk seines herausragenden ehemaligen Schülers und Kollegen schwer verständlich. Es erregte natürlich die Aufmerksamkeit von Physikern, fand aber wenig bis gar keine Resonanz oder Verwendung in deren eigener Arbeit; einige kritisierten die Herangehensweise als viel zu formal und abstrakt und vor allem unpraktisch, weil der Begriff der Kraft aufgegeben und durch die verborgenen Bewegungen unsichtbarer Massen ersetzt wurde. Stattdessen fanden Philosophen wie Ernst Cassirer und (der junge) Ludwig Wittgenstein und vor allem Wissenschaftsphilosophen (der Wiener Kreis oder die logischen Positivisten) in Hertz’ Buch einen heuristischen Wert – nämlich die Vorstellung, dass eine wissenschaftliche Theorie lediglich ein »Bild« darstellte (Bild-Theorie) oder lediglich ein Symbol für die Realität war und dass solche Bilder oder Symbole natürlich je nach Person, Ort und Zeit variierten. Diese Vorstellung von Theorie als aus Symbolen (oder Bildern beziehungsweise Abbildern) der Wirklichkeit bestehend wich von Helmholtz’ eigener Vorstellung ab. Für ihn konstituierte sich eine Theorie aus Zeichen der Wirklichkeit, auch wenn er später von Bildern sprach. In diesem philosophischen Punkt unterschied sich Hertz’ letztes Werk – mit seinem Mangel an empirischen Referenzen, seiner scharf deduktivistischen Struktur, dem fehlenden Verweis auf die Rolle der Wahrnehmung in der wissenschaftlichen Untersuchung und mit seiner Offenheit gegenüber der Möglichkeit, dass die zugrunde liegende empirische Wirklichkeit unterschiedlich interpretiert werden konnte – deutlich von Helmholtz’ Wissenschaftsphilosophie.51 Helmholtz’ Vorwort zu den Prinzipien der Mechanik war somit ein Gedenkwort für seinen bevorzugten, wenn nicht gar geliebten Schüler. Es wurde auch Helmholtz letzte Veröffentlichung (zu Lebzeiten). Zusammen mit seinem posthum veröffentlichten Werk über das Prinzip der kleinsten Wirkung in der Elektrodynamik bildete es den Abschluss von mehr als einem halben Jahrhundert kreativen wissenschaftlichen Arbeitens und Denkens.52
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Sterben, Tod und Begräbnis In der zweiten Novemberhälfte 1893 hatte Helmholtz seine administrativen Aufgaben in der Reichsanstalt und seine wissenschaftliche Arbeit weitgehend wieder aufgenommen. Klein schickte ihm mehrere seiner Artikel über Geometrie und einen Bericht über die Tagung des Internationalen Mathematischen Kongresses in Chicago. Er wies ihn darauf hin, dass Lie ein neues Buch mit vielen »subjectiven Aeusserungen« veröffentlicht hatte. Klein bedauerte Lies erneuten Angriff gegen Helmholtz, war aber gleichzeitig der Meinung, Lie habe wichtige Arbeit geleistet und sei in Deutschland nicht ausreichend anerkannt worden. Helmholtz ignorierte Lies Angriff und antwortete stattdessen: »Im Ganzen ist mein Unfall doch verhältnißmäßig günstig abgelaufen; aber ein zweites Mal werde ich in diesem Leben doch wohl nicht mehr nach Amerika reisen.«53 Nachdem er sich ausreichend erholt hatte, fand er eine Menge anderer Korrespondenz vor, die auf ihn wartete. Der Physiologe und Evolutionsbiologe George J. Romanes hatte in einem Brief inoffiziell, aber im Auftrag des Vizekanzlers von Oxford, angefragt, ob Helmholtz dort 1894 die (im Jahr 1892 begründete) Romanes Lecture halten wolle. Der Namengeber der Vorlesungsreihe wies darauf hin, dass Gladstone und Huxley bereits Vorträge gehalten hatten. »Das Ziel dieser Stiftung besteht darin, die Darlegungen der bedeutendsten Männer jeder aufeinanderfolgenden Generation, ungeachtet ihrer Nationalität, in Schriftform zu sichern; so dass diese in einigen Jahrhunderten eine umfangreiche Sammlung von Vorträgen bilden, die einen großen historischen wie auch intrinsischen Wert darstellen«, erklärte Romanes. Die gesamte Elite von Oxford hoffte auf Helmholtz’ Zusage. Doch Helmholtz lehnte ab, und statt seiner hielt der deutsche Evolutionsbiologe August Weismann den Vortrag. Auch die schmeichelhafte Einladung von D. Argyll Robertson zum Internationalen Kongress der Ophthalmologen in Edinburgh im August 1894 lehnte Helmholtz ab. Die Ehrenmitgliedschaft in der britischen Vereinigung der Bauingenieure nahm er hingegen an. Im Januar wurden beide Helmholtzens auch vom eigenen Staat mit Auszeichnungen bedacht: Hermann mit dem preußischen Kronenorden erster Klasse am großen blauen Band, Anna mit dem Luisenorden, vermutlich für ihre Arbeit zur Unterstützung des Victoriahauses. Im April verlieh die Peter-Wilhelm-Müller-Stiftung Frankfurt am Main Helmholtz die gleichnamige Medaille für sein mathematisches Werk und überließ ihm selbst die Entscheidung, ob er den Preis für seine Arbeit in theoretischer oder angewandter Mathematik bekam.54 Im März fuhren die Helmholtzens ins badische Illenau zu seiner Schwester Julie, die wegen einer psychischen Erkrankung in der dortigen Heil- und Pflegeanstalt behandelt wurde. Danach verbrachten sie Ostern in Abbazia (dem heutigen Opatija), einem Kurort an der Adria bei Triest, wo auch das Kaiserpaar verweilte,
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um die Sonne zu genießen. Zwei Wochen lang erholten sie sich dort, und Helmholtz wanderte in den nahen Bergen.55 Helmholtz’ Stimmung war durch den kürzlichen Tod mehrerer enger Freunde und Kollegen sehr getrübt. Leopold Kronecker (1891), Siemens, Hofmann und Brücke (alle 1892) waren bereits verstorben; im Dezember 1893 folgte ihnen Tyndall. Dessen Witwe Louisa Tyndall dankte den Helmholtzens für ihre Anteilnahme und schrieb: »Es gab keine Wertschätzung, die meinem Mann so viel bedeutete, wie jene, die aus Deutschland und vor allem von ihm [Helmholtz] kam.«56 Dann, kaum einen Monat später, ereilte auch Hertz der Tod. Im Mai starb mit Kundt ein weiterer Freund und Kollege. Helmholtz hielt eine Trauerrede an Kundts Sarg im Hörsaal des Berliner Physikinstituts. Kundt starb jung, im Alter von 55 Jahren, und sein Tod, so Helmholtz, hinterließ sie alle – Familie, Freunde und Studenten – »Schmerz erfüllt, in Zagen und Bangen vor der dunklen Pforte, durch welche kein menschliches Auge in das unbekannte Jenseits blicken kann«. Weiter sagte er, die Lebenden erfülle angesichts seines Todes »nur Trauer, Zweifel, Jammer«, und ihrer aller Herz sei »wie von widersprechenden Gefühlen zerrissen«. Wir verehrten den Verstorbenen als einen der seltenen begabten Geister, von dem wir hoffen durften, dass er als Führer des Menschengeschlechts eine in breiten Kreisen um sich greifende Wirkung ausüben ward und zwar sowohl durch seine Intelligenz im Kampfe mit den blinden Naturkräften, als auch durch seine ideale Gesinnung und seine warmherzige Theilnahme im Kampfe mit den egoistischen Leidenschaften der Menschen. Im Ganzen knüpft sich ja unsere Hoffnung auf eine allmälige [sic] steigende Gesittung unseres Geschlechts und seine Erhebung in ein Reich der Vernunft und Humanität an wenige hervorragende Individuen, die durch ihre Intelligenz und ihr Beispiel die anderen mitnehmen. Diese lobenden Worte sagen mindestens so viel über Helmholtz selbst aus wie über Kundt. Helmholtz fuhr fort, Kundt sei ein Mann »der reinen Wissenschaft«, wie er auch »einen rein idealen Charakter« gehabt habe. Er sei nicht ohne Interesse gewesen »für die praktischen Bemühungen der Technik« und dafür, »die wissenschaftlichen Funde zum Nutzen des Menschengeschlechtes zu verwerthen«. Helmholtz schloss mit der Bemerkung, Kundt habe den größten Stolz und die größte Freude empfunden, wenn er die Fortschritte seiner Schüler gesehen habe. Der Amerikaner und ehemalige Helmholtz-Schüler C. Riborg Mann, der der Trauerfeier beiwohnte, bemerkte später über Helmholtz: »Viele hielten ihn für kalt. […] Jene, die ihn bei der Beerdigung seines Freundes und Kollegen Professor Kundt sprechen hörten, werden niemals auch nur einen Augenblick gelten lassen, dass er kalt oder gefühllos war.«57
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In den letzten Monaten seines Lebens und seiner Karriere beging Helmholtz einen für ihn beispiellosen Akt des Widerstands gegen die Behörden. Im Jahr 1889 wurde Leo Arons, ein nicht praktizierender Jude und politischer Aktivist, Privatdozent für Physik an der Universität Berlin. Im Jahr 1891 trat Arons in die Sozialdemokratische Partei ein, die er finanziell erheblich unterstützte. Er war außerdem Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung und engagierte sich besonders in Bildungsfragen. Dann empfahl ihn die Berliner philosophische Fakultät 1892 für eine außerordentliche Professur, aber das Ministerium weigerte sich, ihm die Stelle anzubieten. Stattdessen befragte Friedrich Althoff, der entscheidenden Einfluss auf das für Hochschulangelegenheiten zuständige Ministerium hatte, Arons formell zu seinen politischen Aktivitäten und schlug vor, ihm die venia legendi zu entziehen. Die Fakultät protestierte gegen Althoffs Kreuzverhör und die Drohung, Arons die Lehrerlaubnis zu entziehen, und im Mai 1894 unterzeichneten mehrere Persönlichkeiten – unter ihnen Helmholtz, Dilthey und Mommsen – eine Petition zugunsten Arons. Die Fakultät legte Arons zwar nahe, sich bei seinen politischen Aktivitäten etwas zu mäßigen, aber sie stellte sein grundsätzliches Recht auf politische Betätigung nicht infrage und weigerte sich, seiner Entfernung aus dem Lehrkörper zuzustimmen. Der Fall zog sich über mehrere Jahre hin und nach und nach ging es dabei immer mehr um die Rechte der Fakultät als um die politischen Rechte eines Einzelnen. Helmholtz und andere bezogen weiter klar Stellung. Am Ende kam es zu einer Pattsituation zwischen dem Ministerium und der Universität, und der Kaiser selbst strebte im Jahr 1897 die Entlassung Arons’ an. Im Jahr 1898 verabschiedete Preußen ein Gesetz (die »Lex Arons«), das es erlaubte, jeden akademischen Lehrer abzustrafen oder zu entlassen, der als seiner Position unwürdig erachtet wurde. Zu Anfang des Jahres 1900 wurde Arons seine Lehrerlaubnis entzogen.58 Am Tag vor seiner Abreise nach Amerika hatte Helmholtz von Bremen aus auf eine Anfrage seines ehemaligen Schülers Sigmund Exner geantwortet, der (seit 1891) Brückes Nachfolger als Professor für Physiologie an der Universität Wien war. Exner war Mitorganisator der 66. Naturforscherversammlung und lud Helmholtz ein, vor der Generalversammlung, die Ende September 1894 in Wien stattfinden sollte, einen Vortrag zu halten. Helmholtz antwortete, er wolle gern teilnehmen, könne aber angesichts seines Alters noch keine endgültige Zusage geben. Die Frage blieb also offen. Im Juni 1894 schrieb Exner erneut und erkundigte sich nach dem geplanten Vortragsthema und danach, an welchem Sitzungstag Helmholtz das Wort ergreifen wolle. Der hatte für das Treffen ein Papier »Ueber dauernde Bewegungsformen und scheinbare Substanzen« vorbereitet. Knapp ein Jahr zuvor, im Juli 1893, hatte er übrigens seine Ausführungen über die Folgen der Maxwell’schen Theorie für den Äther mit dem Hinweis an seine Leser beendet, dass er das Thema »in späteren Aufsätzen« wieder aufgreifen werde.59 Er publizierte weiter bis kurz vor seinem Lebensende; bis zum Schluss blieb in ihm der Wunsch lebendig,
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wissenschaftlich kreativ zu sein. Am 14. Juni 1894 hielt Helmholtz seine letzte Vorlesung an der Akademie. Sie behandelte das Prinzip der kleinsten Wirkung in der Elektrodynamik und wurde posthum veröffentlicht. Am 7. Juli hielt er seine letzte Vorlesung an der Universität. C. Riborg Mann war unter den Zuhörern und bat Helmholtz danach, ein Foto machen zu dürfen: Es ist offenbar das letzte Bild, das von Helmholtz aufgenommen wurde. (Siehe Abb. 29.2 und 29.3.) Am 11. Juli schrieb Helmholtz an Koenigsberger, dass er (den verstorbenen) Hertz für den mit 15 000 Mark dotierten Preis der Peter-Wilhelm-Müller-Stiftung empfehlen wolle. (Helmholtz, Koenigsberger und Lipschitz bildeten die Preisjury der Stiftung.) Seiner Meinung nach hatten die wissenschaftlichen Leistungen von Hertz im Inland weit weniger Anerkennung gefunden als im Ausland, oder zumindest weniger, als Hertz verdient hätte, und Helmholtz versuchte nun, dieses Ungleichgewicht zu korrigieren. Darüber hinaus schlug er Koenigsberger vor, sich in Bonn zu treffen, um die Angelegenheit dort (mit Lipschitz) zu besprechen, da er Lipschitz unter ihnen dreien für am wenigsten reisefähig hielt. Bevor dies jedoch geschehen konnte, entschieden die Stiftungsdirektoren, dass eine posthume Auszeichnung nicht mit den Statuten der Stiftung vereinbar sei. Helmholtz teilte Koenigsberger außerdem mit, dass er Anfang August nach Bad Gastein (Österreich) abreisen und Mitte September auf der Naturforscherversammlung in Wien einen Vortrag halten wolle. Er war noch voller Pläne.60 Doch am 12. Juli erlitt er zu Hause einen Schlaganfall, der die linke Seite seines Körpers lähmte. Die Ärzte hofften, dass er sich mit der Zeit zumindest teilweise wieder erholen würde. (Immerhin war er in der Lage, Wachsmuth mehrere Briefe zu diktieren.) Anna schrieb ihrer Schwester: »Der arme Hermann ist so geduldig und leider so klar über seinen Zustand. Sein Bewusstsein ist garnicht geschwunden, seine Sprache ist etwas verändert, aber jedenfalls sind die Erscheinungen nicht fortgeschritten, haben keinen Theil der zum Leben nöthig ist, ergriffen. Qualvoll ist die Hülflosigkeit und Unbeweglichkeit.« Er war erschöpft, hatte aber keine Schmerzen. Nachdem sie Nachricht vom Zustand ihres Vaters erhalten hatte, kam Ellen nach Berlin zurück, wo sich Wachsmuth und eine Hausangestellte bereits um seine Pflege kümmerten. Alle Welt schrieb an Anna, um sich nach Hermanns Zustand zu erkundigen. Sie sei von dem Schlaganfall nicht überrascht, äußerte Anna, denn schon davor habe sie kleine, aber gefährliche Anzeichen bemerkt, die auf die Möglichkeit eines solchen Ereignisses hindeuteten. Sie und Ellen wechselten sich bei der Nachtwache ab. Helmholtz lebte und schlief nun allein im oberen Stockwerk, ausgenommen natürlich die Personen, die sich gerade um ihn kümmerten oder nachts über ihn wachten.61 Zwei Tage später schrieb Anna ihrer Schwester Ida: »Hermanns Gedanken schweifen rastlos umher; Wirklichkeit und Traumleben, Wünsche und Geschehenes, Ort oder Zeit sind in nebelhafter, schwankender Bewegung vor seiner Seele.
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Abb. 29.2: Helmholtz’ letzte Vorlesung (7. Juli 1894) am Physikinstitut der Universität Berlin. Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz.
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Abb. 29.3: Die Helmholtzens (ganz links) auf ihrer Veranda in der Reichsanstalt im Jahr 1894, mit einer unbekannten Person (rechts von Helmholtz) und drei Kollegen aus der Reichsanstalt: Ferdinand Kurlbaum (stehend), Ernst Hagen (Mitte rechts) und Otto Lummer (ganz rechts). Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem.
Meist weiß er nicht, wo er ist, glaubt auf Reisen, in Amerika, auf dem Schiffe zu sein. Bei Tage ist Alles so still und friedlich, fast feierlich hier oben [in seinem Zimmer], die Phantasien freundlich; bei Nacht ist er unruhiger, will allerlei Unmögliches.« Er spreche noch »immer streng logisch«, schrieb Anna, »denn anders kann er nicht denken. Es ist immer als wäre seine Seele weit, weit weg, in einer sehr schönen edlen Sphäre, wo nur Wissenschaft und ewige Gesetze herrschen – dann stimmt das mit Nichts, was ihn umgiebt und er wird unruhig«. An medizinischer und pflegerischer Betreuung mangelte es ihm nicht: Mehrere Ärzte und mindestens einer ihrer Assistenten, der selbst ebenfalls Arzt war, schliefen im Haus. Dazu kamen zwei unermüdliche Krankenschwestern aus dem Victoriahaus, die sich mit Wachsmuth, Ellen, Anna und der Hausangestellten in seine Pflege teilten. (»Ellen allein ist ihm eine sichtliche Freude; wenn sein Auge auf ihre Erscheinung fällt, ist er erfreut.«) Acht Tage nach dem Schlaganfall ging es Hermann besser; einer seiner Ärzte, Ernst von Leyden, versicherte Anna sogar, dass er außer Lebensgefahr sei. Nach seiner Prognose stand dem Kranken jedoch eine lange Genesungszeit bevor, »bis das übermüdete Gehirn wieder in Ordnung kommen könne. Ob das jemals ganz geschehen werde, könne natürlich Niemand wissen«. Anna war einfach froh, dass er noch am Leben war; und sie und die anderen bemühten sich, es ihm so
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angenehm wie möglich zu machen. Seine Söhne Fritz und Richard kamen ihn besuchen, konnten aber nur kurz bleiben, »da jeder Wechsel im Zimmer oder Sprechen ihn aufregen«. Auch vom Tod seiner Schwester Julie, die er kürzlich noch besucht hatte und die drei Tage zuvor gestorben war, durfte er nicht erfahren. »Ich verehre und liebe meinen Mann zu sehr, um der Frist froh zu werden, die uns noch vergönnt ist, um ihm zu zeigen, was er uns ist«, schrieb Anna ihrer Freundin Rosalie Braun-Artaria. In der Zwischenzeit lag er »hülflos auf seinem Lager. Sein Geist kämpft halbwach mit Träumen, die ihm die Wirklichkeit umschleiern und ihn quälen, bis er sie stundenweise abschüttelt und dann klar und superior ganz der Alte ist«. Doch wie in den Tagen vor dem Schlaganfall ermüdete er schnell, »wissenschaftlich war er nach wie vor derselbe: klar, theilnehmend, entscheidend und entschieden. Alles, was zum Persönlichen, zum allgemeinen Menschlichen über die nächsten Angehörigen hinaus, gehörte, war ihm unsäglich mühsam. Musik freute ihn, auch Bilder, aber er war rasch müde und wir thaten Alles nur halbe Stunden lang«.62 Seine Familie liebte ihn, und er sie. Am 31. August feierten Helmholtz und seine Familie gemeinsam seinen 73. Geburtstag; er war geistig wach genug, um Grüße zu verschicken, und dankte seiner Schwägerin Ida und anderen Familienangehörigen für die Blumen, die sie ihm hatten zukommen lassen. Er erhielt Besuch von mehreren Kollegen der Reichsanstalt und küsste seine fünf Enkelkinder, die anwesend waren (ein sechstes lebte außerhalb von Berlin). Es war ein guter Tag für ihn. Der Kaiser schickte an diesem Tag einen Unterstaatssekretär, der Anna und Hermann ausrichtete, der Kaiser werde es niemals zulassen, dass Hermann etwa in Pension ginge. Sie wiederholte diese kaiserliche Botschaft gegenüber Helmholtz unzählige Male, »um ihn zu beruhigen«. Er wusste, dass sein Ende nah war: »Er spricht viel davon, daß er bald nicht mehr sein werde und ach! er thut Einem zu schrecklich leid.« Doch sein Verlangen nach Wissenschaft ließ nicht nach: Anna musste ihm – zweimal – den vorläufigen Bericht von Lord Rayleigh und William Ramsay (vom 13. August) über das Oxford-Treffen der BAAS bezüglich der jüngst erfolgten Entdeckung des Gases Argon vorlesen. »Ich dachte schon immer, dass es in der Atmosphäre noch mehr geben muss«, soll er dazu gesagt haben. Selbst als sein Ende nahte, war die Leidenschaft für Vernunft noch immer lebendig in ihm. Dann, in der Nacht zum 4. September, verschlechterte sich sein Zustand. Er sprach seine letzten Worte: »Es ist schwer – es ist schwer.« Und zu Anna: »Ich möchte, daß Du noch Schönes findest.« Am nächsten Morgen (am 5. September um 9.00 Uhr) erlitt er einen zweiten Schlaganfall, der ihn weiter lähmte, und verlor das Bewusstsein. Er starb drei Tage später, am Samstag, dem 8. September, um 13.00 Uhr, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Vom Moment des zweiten Schlaganfalls an bis zu seinem Tod drei Tage später verließ Anna den Raum nicht mehr, und am Ende waren seine Kinder (Richard, Fritz und Ellen), sein Schwiegersohn (Arnold von Siemens), seine Schwägerin (Betty Johan-
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nes, geb. von Velten) und seine drei Ärzte sowie Lummer und Wachsmuth alle bei ihm.63 Es war ein schwerer Tod, aber wie fast immer in seinem Leben war er von seiner Familie umgeben. Die Familie wurde mit Beileidsbekundungen in Form von persönlichen Besuchen, Telegrammen und Briefen überschüttet, ganz zu schweigen von Nachrufen und Anzeigen in Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen. Helmholtz’ Freund und Nachbar Mommsen soll als Erster seinen Kondolenzbesuch abgestattet haben. Kaiserin Friedrich und die Großherzogin von Baden telegraphierten beide noch Sekunden vor Helmholtz’ Tod; kurz darauf telegraphierte der Kaiser selbst an Anna, er hoffe, es sei ihr ein kleiner Trost, »daß mit Ihnen die wissenschaftliche Welt, das Vaterland und Ihr König trauern«. Es trauerten auch viele andere aus der Welt der Bildung und Kultur, in Deutschland und weit darüber hinaus. Seine Familie und wer ihm sonst besonders nahe gestanden hatte, stand unter Schock. Planck schrieb Runge, der Tod von Hertz und Kundt Anfang des Jahres und dann der Schlaganfall von Helmholtz beeinträchtige seine eigene Denkfähigkeit und seine ganze wissenschaftliche und sonstige Arbeit: »Das Jahr 94 ist für meine Wissenschaft ein recht trauriges.« Die »Deutsche Physik« habe schwere »Schläge« erlitten: »In Berlin speziell sieht es dunkel und trist aus.«64 Die Trauerfeierlichkeiten fanden am 12. September um 14.00 Uhr statt, wobei der Trauerzug von Helmholtz’ Haus bei der Reichsanstalt aus startete. Der trauernden Familie schlossen sich sämtliche deutschen Staatsminister, offizielle Vertreter der Städte Potsdam, Heidelberg und Charlottenburg sowie Abgesandte diverser gelehrter Einrichtungen an und erwiesen Helmholtz so die letzte Ehre. Lenbach schickte sein letztes Helmholtz-Porträt (siehe Abb. 29.4), zur Ergänzung jenes Porträts, das er im vorigen Jahr für die Helmholtzens angefertigt hatte. Hochrangige Vertreter des Adels, darunter die Großherzöge von Baden und Weimar, übersandten Kränze, Telegramme oder Briefe. Fahnen wurden auf Halbmast gehisst. In Potsdam läuteten während der Beerdigung alle Kirchenglocken (eine Stunde lang), und das Potsdamer Gymnasium sagte den Unterricht ab und erklärte den Tag zum Gedenktag. Die Beerdigung war nicht gut besucht, da die meisten Berliner Wissenschaftler und Freunde der Helmholtzens zu dieser Zeit in Urlaub waren. Planck war jedoch anwesend. Er habe mehr »ein Gefühl des Schreckens« verspürt als eigentliche »Trauer«, denn er wisse nicht, wie die Physik in Berlin »ohne diesen Mann« fortbestehen könne, schrieb er. Die Trauer kam später. Auch Anna stand unter Schock. Sie habe »Alles verloren und kann es noch nicht fassen, daß ich mein Leben dunkel und einsam noch weiterführen soll», schrieb sie einer Freundin. »Alle sagen, er ist unersetzlich, aber nur Wenige wissen das, außer mir.«65 Planck war einer dieser wenigen, und er nahm nun Helmholtz’ Platz ein, zunächst an der Spitze der Berliner Physik und schließlich auch als einer der führenden Köpfe der theoretischen Physik des frühen 20. Jahrhunderts.
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Abb. 29.4: Porträtstudie von Helmholtz aus der Hand Franz von Lenbachs, 29. April 1894. Siemens Historical Institute, München.
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Epilog Helmholtz in der Erinnerung der Deutschen In den Tagen und Monaten nach Helmholtz’ Tod wurde Anna mit Beileidsbekundungen und -besuchen von Freunden, Kollegen und Bekannten geradezu überschüttet – an manchen Tagen erhielt sie 50 Briefe. In europäischen und amerikanischen Zeitungen, Zeitschriften und wissenschaftlichen wie kulturellen Journalen erschienen mehr als einhundert Traueranzeigen und Nachrufe.1 Die beispiellose Zahl dieser persönlichen und öffentlichen Bekundungen und die große Trauer, ja fast schon Untergangsstimmung, die aus ihnen sprach, machen deutlich, dass Helmholtz’ Tod innerhalb der Wissenschaftsgemeinde einen hochemotionalen Moment darstellte: Es herrschte tatsächlich das Gefühl, dass eine herausragende Ära zu Ende ging. Zugleich drängte sich die Sorge um die Zukunft der Wissenschaft auf. Dieser Epilog will untersuchen, welchen Platz Helmholtz im Gedächtnis der Deutschen erhalten hat: Wie wollten seine Landsleute ihn in Erinnerung behalten? Wie gebrauchten (und manchmal missbrauchten) sie seinen Namen, seinen Ruf, sein privates und öffentliches Ich, um aus Helmholtz dem Menschen, dem Wissenschaftler und manchmal auch aus seinem Werk einen Mythos, ein Idol, eine Ikone zu erschaffen? Nach seinem Tode wurde die öffentliche Person Helmholtz, zu deren Ausbildung Helmholtz ja selbst beigetragen hatte, weiter verfestigt hin zu einem in Stein gehauenen Idealbild von einem makellosen Menschen und Wissenschaftler. Weitgehend herausgelöst aus dem historischen Kontext seiner Familie, seiner Lehrer und Kollegen und allgemein der deutschen Kultur und Gesellschaft, dazu meist ohne ein kritisches Wort über ihn als Menschen und Wissenschaftler, wirkt der von den Deutschen erinnerte Helmholtz wie eine Ikone, deren Schöpfer vor allem an einem zeitlos inspirierenden Vorbild interessiert schienen (und scheinen).
Kaiserzeitliches Deutschland Nach Helmholtz’ Tod gedachten sämtliche allgemeinen, kulturellen und gelehrten Zeitschriften, Gesellschaften und Organisationen im kaiserlichen Deutschland (und weit darüber hinaus) des berühmten Forschers. Die Lobreden nahmen kein Ende, Helmholtz’ Konterfei war allgegenwärtig und wurde zum Sinnbild des Wissenschaftlers schlechthin. Man hatte, wie eine Zeitschrift es formulierte, den »erlauchten Fürsten der Wissenschaft« verloren. Die Organisatoren der Wiener Naturforscherversammlung, bei der Helmholtz im September 1894 eigentlich hätte sprechen sollen, baten für die Eröffnungsveranstaltung um ein Bild von Helmholtz. Anna schickte Wachsmuth mit einem Lenbach-Porträt ihres Mannes nach Wien. An Bilder geknüpftes Gedenken gab es nicht nur im öffentlichen Raum: Lord Kel-
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vin, wie William Thomson ab 1892 genannt wurde, hängte ein (ebenfalls von Anna geschicktes) Helmholtz-Porträt in seinem Arbeitszimmer auf; Roscoe hatte einen Helmholtz über dem Schreibtisch. Statt des geplanten Vortrags von Helmholtz in Wien versammelten sich die Wissenschaftler und Mediziner zu einem »Trauerfeste für den grössten Todten unserer Zeit«. In Berlin fand eine große Gedächtnisfeier in der Singakademie statt, kleinere Gedenkveranstaltungen wurden in der Physikalischen Gesellschaft und in der Akademie der Wissenschaften abgehalten (siehe unten). Noch bis ins Jahr 1896 wurden Gedenkreden auf Helmholtz gehalten: durch die Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft zu Königsberg, die Deutsche Chemische Gesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Mechanik und Optik, die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur, die Universität Utrecht, die Londoner Royal Society, die britische Chemical Society, die Naturforschende Gesellschaft in Zürich, das Berner Museum, die Budapester Königliche Gesellschaft der Ärzte und andere Vereinigungen mehr.2 Die Trauerbekundungen fokussierten sich auf Helmholtz’ wissenschaftliche Leistungen und seine öffentliche Rolle als Sprecher der Wissenschaftsgemeinde. Sein Tod förderte nicht nur den Gemeinschaftssinn unter den Wissenschaftlern, sondern auch die Sorge um die Zukunft ihres Fachs. Indem man an sein Leben erinnerte, sprach man zugleich der Wissenschaft Sinn und Bedeutung zu, hatte Helmholtz doch gleichsam das Leben der Wissenschaft und das Idealbild eines Wissenschaftlers verkörpert. Das Abscheiden von Helmholtz und, früher im selben Jahr, von Kundt bedeutete, dass Nachfolger für die Universität und die Reichsanstalt gefunden werden mussten. Das preußische Kultusministerium wollte rasch handeln: Kohlrausch sollte zunächst Kundt an der Universität ersetzen, doch brachte der Kandidat Fragen auf, die zu Verhandlungen und Verzögerungen führten. Als dann im September Helmholtz starb und auch dessen Position an der Reichsanstalt zu besetzen war, verkomplizierte sich die Situation. Schließlich konnte man den Experimentalphysiker Kohlrausch doch gewinnen, allerdings nicht für die Universität, sondern als Präsidenten der Reichsanstalt, während Emil Warburg, ebenfalls ein Physiker mit experimenteller Ausrichtung, zu Kundts Nachfolger an der Universität auserkoren wurde. Warburg erklärte, er arbeite in der Tradition von Helmholtz, aber auch von Magnus und Kundt, und fügte hinzu: »einen großen Theil meiner wissenschaftlichen Anschauungen verdanke ich von Helmholtz’ veröffentlichten Schriften«.3 Was das genau bedeutete, führte er nicht aus. Kurz nach Helmholtz’ Tod planten die Vorsitzenden der Berliner physikalischen, medizinischen, physiologischen, chemischen und elektrotechnischen Vereine – insgesamt fünfzehn an der Zahl – eine gemeinsame Gedenkfeier für Helmholtz. Es war keine leichte Aufgabe, jemanden zu finden, der zu diesem Anlass eine angemessene Rede halten und Helmholtz’ vielfältige Leistungen souverän Revue passieren lassen könnte. Schließlich fiel die Wahl auf den Physiker und Meteorologen Wil-
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helm von Bezold. (Anna war sofort einverstanden, denn sie wusste, dass Bezold ihren Mann gut gekannt hatte und mit seinem Werk vertraut war.) Die Gedächtnisfeier fand am 14. Dezember 1894 in der Singakademie statt. Das Haus war bis auf den letzten Platz besetzt. Neben Helmholtz’ Familie waren Kaiser und Kaiserin, ja der gesamte Hof, und alle wichtigen Persönlichkeiten der Berliner Wissenschaftswelt anwesend – und natürlich viele Freunde, Kollegen und Bewunderer. Eine Büste von Helmholtz (sehr wahrscheinlich die von Hildebrand geschaffene) stand mit Palmwedeln und Lorbeerkränzen geschmückt auf der Bühne. Eröffnet wurde die Feier mit einem Choral, dann hielt Bezold seine Laudatio, die sich hauptsächlich dem wissenschaftlichen Werk des Verstorbenen widmete. Anschließend spielte der Violinist Joseph Joachim, begleitet von Max Planck an der Orgel, Schumanns Abendlied, und den Abschluss bildete ein Chorstück von Brahms. Die meisten Anwesenden hielten die Feier für gelungen und ergreifend. Planck fand Bezolds Rede sehr angemessen, und auch der klassische Philologe Hermann Diels lobte, die Feier sei äußerst passend gewesen und Bezolds schöne Rede habe genau das richtige Niveau für das doch sehr heterogene Publikum gefunden. Vom festlichen Rahmen war auch Dilthey angetan, nicht aber von Bezolds Rede: Diese sei »ein Conglomerat ohne Ahnung von dem Zusammenhang dieses Lebenswerkes in sich und mit der Zeit«. Anna blieb der »schöne traurige Tag« in guter Erinnerung – den musikalischen Vortrag von Joachim und Planck fand sie »einfach überirdisch.«4 Als sei die Veranstaltung in der Singakademie noch nicht ausreichend gewesen, wurde sechs Monate später eine ähnliche Gedenkfeier in der Akademie der Wissenschaften abgehalten, und zwar im Rahmen der jährlichen Leibniz-Sitzung am 4. Juli 1895. Du Bois-Reymond hielt die obligatorische Ansprache zum Gedenken an das verstorbene Mitglied. Die Rede war zwar um einiges länger als Bezolds, glich ihr aber insofern, als sie vor allem Helmholtz’ wissenschaftliche Erfolge aufzählte. Doch hob sie eben auch Helmholtz’ Bedeutung für die Akademie hervor und trug so weiter dazu bei, den Mythos Helmholtz zu prägen. Dessen Tod sei, so du Bois-Reymond, nicht bloß »als ein für die Wissenschaft unsagbarer Verlust, sondern sogar als nationales Unglück empfunden worden«. Nirgends sei dieses Gefühl stärker ausgeprägt als an der Akademie. Helmholtz sei nicht darauf erpicht gewesen, auf die Welt Einfluss zu nehmen, so du Bois-Reymond, und wenn dies doch gelegentlich geschehen sei, etwa mit seiner Erfindung des Ophthalmoskops, sei dies reiner Zufall gewesen. Vielmehr sei es Helmholtz’ Ziel gewesen, die Natur theoretisch zu verstehen – und das in all ihrer Komplexität und in all ihren physikalischen, biologischen und psychologischen Aspekten. Helmholtz habe »das unübertroffene Geschick« besessen, »diejenigen Fragen auszufinden und siegreich zu beantworten, die an jedem Punkte gerade die wichtigsten waren und deren Behandlung den besten Erfolg versprach«.5 Von ungelösten wissenschaftlichen Problemen oder gar Misserfolgen war keine Rede.
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Aus der Sicht von du Bois-Reymond war es nicht nur die »ruhige und gleichmässige Natur seiner Berufsarbeiten«, die das »Geheimnis« der Helmholtz’schen Produktivität bildete, sondern dieses lag noch viel mehr »in seinem unermüdlichen Fleisse und seiner Fähigkeit begründet, eine ungeheure Mannigfaltigkeit von Thatsachen und Gedanken sich stets gegenwärtig und gleichsam zum Zugreifen und zum Verwerthen bereit zu halten«. Eine solche »Allseitigkeit im Wissen und Können« finde man sonst nur bei Descartes und Leibniz, »wobei aber zu bemerken ist, wie unvergleichlich reicher und bunter, und also schwieriger zu bewältigen seit deren Tagen der Inhalt der Wissenschaft ward«. Du Bois-Reymond beschloss seine Ansprache mit den Worten: »Wir werden nimmer seinesgleichen sehen: ja es ist die Frage, ob eine Gestalt, wie die seinige, je wieder zum Vorschein kommen kann.«6 Wie konnte er aber wissen, dass Helmholtz der (vermutlich) letzte universal gebildete Wissenschaftler sein sollte? Fünf Jahre später zeichnete der Theologe und Kirchenhistoriker Adolf von Harnack in seiner Geschichte der Akademie der Wissenschaften ein ähnlich übersteigertes Bild von Helmholtz. Nach seinem Urteil hatte sich zumindest in der jüngeren Vergangenheit keine andere Akademie eines Namens wie dem von Helmholtz rühmen können. Wohl kein anderer lebender deutscher Wissenschaftler oder Gelehrter stehe so hoch in der Gunst der gebildeten Welt. Aus ebendiesem Grund habe die Akademie auch das Standbild von Helmholtz neben die Brüder Humboldt platziert. Harnack, der auch die Königliche Bibliothek leitete, charakterisierte Helmholtz in lauter Superlativen. Er war für ihn »der grösste Naturforscher […], den die Akademie jemals besessen hat«7, ja mehr noch: das bedeutendste Akademiemitglied aller Zeiten. Das Gedenken an Helmholtz beschränkte sich natürlich nicht auf Berlin. An der Heidelberger Universität etwa hielt Koenigsberger im November 1895 einen Vortrag über Helmholtz’ »fundamentale Prinzipien der Mathematik und Mechanik«. In einer Gedenkrede an der britischen Royal Institution im März 1895 sprach Arthur Rücker von Helmholtz als dem »kultiviertesten aller Naturforscher«. Er hielt ihn für den unbestrittenen Anführer der deutschen Wissenschaft und meinte, Helmholtz gehöre auch weltweit zu den Forschern ersten Ranges. Roscoe hatte Rücker gebeten, eine Würdigung des Helmholtz’schen Lebenswerks zu verfassen, und versicherte Anna, als »begeisterter Bewunderer von Helmholtz und seinen Arbeiten« sei dieser für diese Aufgabe besonders geeignet. Zudem versprach Roscoe, ihr die Druckfahnen von Rückers Manuskript vor der Veröffentlichung zur Durchsicht zukommen zu lassen.8 Lobreden waren eine Form der Erinnerung und Idealisierung. Eine andere gründete auf dem Wunsch, das Gehirn des großen Forschers zu begreifen. Im Deutschland der späten Kaiserzeit erlebten die anatomische und physiologische Gehirnforschung und die Psychiatrie gerade einen Aufschwung, und man versprach sich
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Aufschlüsse davon, »geniale« Hirne (etwa von Siemens, Bismarck, Mommsen und Menzel) zu sezieren. Dabei stand noch keine rassische oder eugenische Ideologie im Vordergrund wie nach 1914, sondern es ging darum, die Ursachen für Genialität zu finden, ob nun gesund oder pathologisch. Als man nun Helmholtz’ Gehirn post mortem untersuchte, zeigte sich eine weitgehende Zerstörung der linken Hirnhälfte aufgrund der beiden erlittenen Schlaganfälle, während die rechte Hälfte von massiven Blutungen durchzogen war. Von der linken Seite fertigte man einen Wachsabdruck an, um der Nachwelt die Beschaffenheit dieses »ehedem so mächtigen Denkorgans« zu erhalten. David Hansemann, der in Virchows Institut als Assistent arbeitete, jedoch kein Hirnanatom war, und vier weitere Wissenschaftler (zwei Hirnanatomen, ein Psychiater und ein Paläoanthropologe) stellten unabhängig voneinander ihre Untersuchungen an. So vermaßen und wogen sie Schädel und Gehirn (Umfang, Höhe, Breite, Gewicht, Zahl und Form der Windungen etc.) und entwickelten daraus ihre Schlussfolgerungen – sprich Spekulationen – über den Zusammenhang zwischen Helmholtz’ Gehirnstruktur und seiner wissenschaftlichen Kreativität und Musikalität. Diese »Schlussfolgerungen« gründeten offensichtlich allesamt auf dem Wissen um Helmholtz’ Werk und Ansehen, und weniger auf der Anatomie, geschweige denn der Funktion seines Gehirns. Hansemann und seine Kollegen zogen dabei auch Vergleiche zwischen Helmholtz’ Gehirn und den Hirnen anderer »Genies«. Ihre Erkenntnisse wurden nicht nur in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht, sondern auch einem breiteren Publikum vorgestellt: Die Umschau berichtete darüber und bestärkte ihre Leser in dem Glauben, die Wissenschaftler hätten tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Anatomie des Forscherhirns und Helmholtz’ geistigen Fähigkeiten gefunden. Einige Zeit später, im Jahre 1907, verglich Edward Spitzka anhand von Abbildungen die vielen Windungen von Helmholtz’ Gehirn mit der geringeren Zahl von Windungen, die man im Gehirn eines Papuas aus Neuguinea gefunden hatte, und der noch geringeren Zahl im Hirn eines Gorillas. Ein solcher Hirnfetischismus war damals in Mode, und in Helmholtz’ Fall zeitigte er weitere hagiographische Effekte.9 Anna von Helmholtz war wie schon erwähnt die vielleicht wichtigste Einzelperson, die das posthume Bild von Helmholtz als das eines makellosen Menschen und Wissenschaftlers prägte. Ein Bild, das schließlich zur Ikone wurde. Von der Heirat im Jahre 1861 bis zu seinem Tod im Jahre 1894 hatte sie in seinem Schatten gelebt – für ihn und neben ihm, aber nie wirklich mit ihm, wie sie sich selbst durchaus bewusst war. Schon sechs Monate vor Helmholtz’ Tod hatte sie das Gefühl, ihr eigenes Leben gehe zu Ende und sie habe im Grunde alles getan, was sie auf Erden tun könne. Zwei Wochen nachdem er gestorben war, schrieb sie ihrer Schwester: »Meine Aufgabe ist es jetzt, mein Leben – wenn auch nicht freundlich, wie er es wünschte – aber doch ruhig und seines teuren Andenkens würdig zu gestalten.« Es tröstete sie, von Lenbachs Porträts ihres Mannes umgeben zu sein, und sie fügte diesen
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Abb. E.1: Anna von Helmholtz, 1895. Porträt von Franz von Lenbach. Siemens Historical Institute, München.
Porträts ein Bild von sich selbst als trauernder Witwe hinzu. Sie fühlte sich körperlich geschwächt und litt an Schlaflosigkeit und tiefer Niedergeschlagenheit. Hermann war ihr Lebenssinn gewesen, und nun war ihr der Mittelpunkt ihrer Existenz genommen. Besonders in den letzten 18 Monaten vor seinem Tod hatte Anna sich ganz seinen Bedürfnissen gewidmet. Im Januar 1895 schrieb sie an Henry Pickering Bowditch: »Ich fühle mich erschöpft und elend und wünschte, auch mein Leben wäre vorbei.«10 Sie war voller Trauer und Schmerz. (Siehe Abb. E.1.) Helmholtz’ Tod und die Ernennung Kohlrauschs zu seinem Nachfolger in der Reichsanstalt zwangen Anna, die Dienstvilla zu räumen. Anfang 1895 bereitete sie ihren Umzug vor und ließ Helmholtz’ Bibliothek schätzen, um sie zu verkaufen – das Deutsche Reich akzeptierte den Schätzwert und erwarb sie für 7500 Mark. Als Hermanns Bücher abgeholt wurden, war es für
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Anna, »als zöge seine Seele mit hinaus«. Auch seinen Schreibtisch leerzuräumen, fiel ihr schwer. Sein geliebtes Harmonium vermachte sie dem Physikinstitut. Im Februar 1895 bezog sie eine neue Wohnung am südlichen Rand des Tiergartens. Helmholtz’ Schreibtisch und den Steinway nahm sie mit, und natürlich die Büste ihres Mannes. Überall in der neuen Wohnung hingen Bilder von ihm.11 Nach dem Umzug ging Anna viel auf Reisen: an die Riviera, nach Antibes, Italien, West- und Süddeutschland und in die Schweiz. Anfang 1898 unternahm sie eine zweimonatige Reise nach Ägypten. Die Sommerferien verbrachte sie in den Niederlanden. Im Februar besuchte sie zum letzten Mal Paris.12 Trotz ihrer vielen Bekanntschaften und Reisen ließen die Trauer und die Einsamkeit nicht nach. Doch fand Anna auch eine neue Aufgabe im Leben oder genau genommen vier Aufgaben, die alle eng mit Helmholtz in Verbindung standen: An erster Stelle versuchte sie, das künftige Wohlergehen ihres Sohnes zu sichern. Fritz hatte das Königliche Luisen-Gymnasium in Berlin abgeschlossen und anschließend ein Studium an der Königlichen landwirtschaftlichen Hochschule Berlin begonnen. Es folgten ein Praktikum in Ludwigsruhe-Langenburg und schließlich die Fortsetzung des Studiums an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim bei Stuttgart (an der Fritz aber keinen Abschluss erlangte). Anna war in ständiger Sorge um ihren Sohn und musste sich oft um ihn kümmern. Er hatte ihrer Ansicht nach ernsthafte psychische Probleme – zum Beispiel könne er sich nicht in andere Menschen einfühlen. Auch einer seiner Ärzte bezeichnete Fritz’ Krankheit als »viel mehr Nerven- und Seelensache als nur organische Schwäche«. Anna befürchtete, dass ihr Sohn einfach nicht allein zurechtkomme, besuchte ihn regelmäßig und ließ ihn nur ungern allein. Seine Pläne, einen Hof zu bewirtschaften, fand sie genauso unrealistisch wie der behandelnde Arzt. Fritz wurde immer schwermütiger. Schließlich entdeckte Anna in der Nähe von Baden-Baden ein kleines Landhaus namens »Porta Maria«, das wie für ihn gemacht schien. Sie erwarb das Anwesen und Fritz zog im Sommer 1899 dorthin. Anna hatte nun das Gefühl, ihr Sohn habe eine gesicherte, wenn nicht sogar gute Zukunft.13 Anna regelte auch ihr Erbe: Sie vermachte ihr persönliches Vermögen ihren beiden Kindern Fritz und Ellen, und sie verfügte, dass alles, was ihr gemeinsam mit Hermann gehörte – zum Zeitpunkt von Helmholtz’ Tod eine Erbmasse von 100 000 Mark –, zu gleichen Teilen auf Fritz, Ellen, Richard Helmholtz und Hermanns Enkelin Edith von Branco (das einzige Kind von Käthe Helmholtz) aufgeteilt werden sollte. Arnold von Siemens wurde gebeten, Fritz’ Erbteil zu verwalten, Richard sollte ihn dabei unterstützen. Anna überließ es Ellen, die Gemälde und andere Kunstgegenstände unter den Helmholtz-Kindern, Annas Geschwistern und Hermanns Freunden aufzuteilen. Sie bat jedoch darum, Hildebrands Helmholtz-Büste an die Heidelberger Universität – »dem Orte, wo Er am glücklichsten gewesen« – zu geben, damit sie in der Aula ausgestellt würde. Das Lenbach-Porträt sollte an die Na-
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tionalgalerie zu Berlin gehen. Neben anderen kleineren Verfügungen legte Anna fest, dass das Victoriahaus für Krankenpflege 5000 Mark erhalten sollte.14 Zweitens fungierte Anna auf Hermanns eigenen Wunsch hin als literarische Nachlassverwalterin ihres Mannes. Sie verhandelte mit seinen Verlegern. Sie redigierte (sehr behutsam) die neue, vierte Auflage seiner Vorträge und Reden (1896), sie kümmerte sich um die Veröffentlichung des dritten Bandes seiner Wissenschaftlichen Abhandlungen (1895) und begleitete (bis 1899) die Herausgabe der Vorlesungen über theoretische Physik – wobei die editorischen Entscheidungen in anderen, fachlich qualifizierten Händen lagen. Zudem ordnete sie Helmholtz’ unveröffentlichte Schriften, darunter auch den Briefwechsel mit seinem Vater.15 Drittens ließ Anna in Wannsee eine neue Familiengrabstätte errichten, mit deren Gestaltung sie Hildebrand betraute. Sie wurde 1897 fertiggestellt, und Helmholtz und sein Sohn Robert wurden auf den landeseigenen Waldfriedhof umgebettet. Helmholtz’ Grabstein mit seinem umkränzten Namen stand in der Mitte, daneben war Roberts Ruhestätte, und auf der anderen Seite war ein Platz für Anna freigehalten. Auch für Fritz war ein Platz im Familiengrab vorgesehen. (Siehe Abb. E.2.)16
Abb. E.2: Grabstätte der Familie Helmholtz, Waldfriedhof Berlin-Wannsee. Siemens Historical Institute, München.
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Viertens und letztens aber – und dies war ihr sichtbarster und wichtigster Beitrag zur Überhöhung von Helmholtz – setzte sich Anna dafür ein, dass man ihrem Mann ein öffentliches Denkmal errichtete. Im Anschluss an Bezolds Rede hatte der Kaiser beschlossen, Helmholtz ein Standbild zu widmen, für das er einen geeigneten Platz und 10 000 Mark zur Verfügung stellen wollte. Also gründete man ein »Central-Comité zur Errichtung eines Denkmals für Hermann von Helmholtz«, das aus 179 führenden Persönlichkeiten aus der akademischen und der Geschäftswelt bestand, von denen gut ein Viertel nicht in Deutschland lebte. Das Denkmalskomitee bemühte sich um internationale finanzielle Unterstützung. So bildeten etwa Münsterberg, Wolcott Gibbs (Präsident der National Academy of Sciences) und Knapp den amerikanischen Part des Komitees. In der Science hieß es, das Denkmal sei »einem der größten wissenschaftlichen Genies aller Zeiten« gewidmet, dessen Name nicht vergessen werde, solange die Menschen Interesse an der Erforschung der Natur hätten. Die Leser wurden aufgefordert, für das Denkmal in Berlin zu spenden – immerhin sei es ein »universeller Ausdruck für die Hingabe an den Geist der Naturwissenschaft«. Ein ähnlicher Aufruf erschien in der Nature. In den Niederlanden half der Physiker Lorenz bei der Spendensammlung.17 Doch es ging nur langsam voran. Es brauchte seine Zeit, die benötigten Gelder zusammenzubringen – die endgültigen Kosten für das Denkmal lagen bei 93 000 Mark – und die gestalterischen Fragen zu entscheiden. Der Kaiser wählte Ernst Herter als Bildhauer aus. Der schuf ein überlebensgroßes Standbild von Helmholtz im Talar – Anna fand die Darstellung »etwas theatralisch in der Handbewegung«, sie habe »etwas von einem falschen Luther«. (Siehe Abb. E.3.) Das Denkmal bekam seinen Platz auf dem Vorhof zum Haupteingang der Berliner Universität an der Straße Unter den Linden, und wurde am 6. Juni 1899 im Beisein vieler Gäste feierlich enthüllt. Diels (und offenbar auch andere) bemängelten, es blockiere den Zugang zum Gebäude und sei als Kunstwerk »unbefriedigend«. Was Diels wahrscheinlich noch mehr störte, war wohl der Umstand, dass von nun an die Helmholtz-Statue vor dem Hauptgebäude die Naturwissenschaften – und nicht etwa die klassische Philologie – repräsentierte. Denn aus der gestärkten Position der Naturwissenschaften ergab sich für den jungen deutschen Staat und die deutsche Gesellschaft insgesamt eine Neugewichtung in wirtschaftlichen und kulturellen Belangen, bei der die Geisteswissenschaften außen vor blieben. Wie auch andere Denkmäler im Stadtzentrum (etwa Virchows) war die Helmholtz-Statue vielleicht auch Ausdruck eines erwachenden deutschen Nationalismus.18 Helmholtz war gewissermaßen offizielle Kunst geworden. Dennoch war die Statue sicher auch ein Symbol für die Hoffnungen, Träume und Ideale, welche die Jünger der Naturwissenschaften hegten. Ästhetische und politische Urteile einmal beiseitegelassen, betrachtete Anna ihr Lebenswerk nun als abgeschlossen, wie sie ihrer Schwester Ida gegenüber äußerte. Sie begleitete den allzeit kränkelnden Fritz zur medizinischen Behandlung
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Abb. E.3: Stich des Helmholtz-Standbilds von Ernst Herter im Hof der Berliner Universität. Enthüllt und eingeweiht am 6. Juni 1899. Medizinhistorisches Institut und Museum der Universität Zürich.
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nach Heidelberg und anschließend zu seinem in der Nähe liegenden Landsitz. Sie selbst zog nach Baden-Baden. Am 1. Dezember 1899 starb Anna in ihrem 66. Lebensjahr unerwartet an Herzschwäche. Sie wurde neben Hermann in Wannsee bestattet. Fritz verstarb knapp zwei Jahre später und wurde ebenfalls im Familiengrab beigesetzt.19 Grabmal und Standbild waren nicht die einzigen physischen Monumente, die an Helmholtz erinnerten. Es gab noch weitere Denkmäler und Gebäudeinschriften, die sein Vermächtnis wahrten. 1896 errichtete das Wissenschaftsmuseum Urania ein neues Gebäude im Berliner Stadtzentrum. Seine Fassade zeigte im oberen Bereich die Büsten von fünf Heldenfiguren der deutschen Kultur: Humboldt befand sich in der Mitte, Helmholtz zu seiner Linken, Siemens zu seiner Rechten, Kepler und Kopernikus nahmen die äußeren Plätze ein. Und im Berliner Bezirk Schöneberg öffnete 1902 das »Helmholtz-Realgymnasium« seine Pforten.20 Der Name Helmholtz überdauerte auch andernorts als öffentliche Inschrift und damit als inspirierende Legende und Vorbild. Als die amerikanische Library of Congress 1897 ihr neues Gebäude (das heutige Thomas Jefferson Building) in Washington eröffnete, konnten die Besucher auf Tafeln über den Fenstern der Galerie im ersten Stock die Namen unsterblicher Größen aus Kunst und Wissenschaft lesen: Neben Homer, Aristoteles, Michelangelo, Galilei, Mozart und anderen war dort auch Helmholtz zu finden. 1912 stellte man vor der Bostoner Public Library zwei große Statuen als Allegorien der Kunst und der Wissenschaft auf. Neben Letzterer sind die Namen von Newton, Darwin, Franklin, Morse, Pasteur, Cuvier, Helmholtz und Humboldt verewigt, als Zeichen für das hohe Ansehen, das Helmholtz (und die deutsche Kultur) in den Staaten genossen. Als das Massachusetts Institute of Technology 1916 seinen Campus von Boston ins nahe gelegene Cambridge verlegte, zierte das neue Hauptgebäude eine Inschrift mit den Namen ausgewählter Wissenschaftler dieses Fachgebiets – auch hier war Helmholtz vertreten. Und als im Jahre 1924 die National Academy of Sciences ihr neues Gebäude in der Hauptstadt Washington einweihte, bildete eine Reihe aus 37 bronzenen Flachreliefs die »Großen« der Wissenschaft von den alten Griechen bis zu Helmholtz ab. Helmholtz war also nicht nur in Deutschland ein Idol. In gewisser Weise waren auch Helmholtz’ Vorlesungen über theoretische Physik ein weiterer Baustein der Legendenbildung. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, erschien das sechsbändige Werk zwischen 1897 und 1907 in ungeordneter Reihenfolge. Unzählige Physiker um die Jahrhundertwende stützten sich auf diese Texte. Arnold Sommerfeld, der einer der bedeutendsten mathematischen Physiker des 20. Jahrhunderts werden sollte, bedankte sich in einem Brief bei dem Herausgeber der Vorlesungen, Carl Runge, für die Zusendung von zwei Bänden, deren Besitz ihm äußerst »wertvoll« sei.21 Meinte er damit »wertvoll« in Bezug auf die darin enthaltenen Erkenntnisse, oder aber »wertvoll« als Andenken und Erinnerung
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an Helmholtz und dessen Herangehensweise an die Physik? Denn mindestens genauso wie als Wissensquelle für die damalige theoretische Physik dienten die Bände bald auch als Denkmal für Helmholtz. Rückblickend bildeten die Vorlesungen quasi den Schlussstein dessen, was bald als »klassische Physik« bezeichnet wurde. Als die letzten Bände erschienen, hatten bereits die Quantenphysik und die spezielle Relativitätstheorie die Bühne betreten, es begann die Entdeckung und Erforschung der Radioaktivität, was wiederum den Weg zu neuen Erkenntnissen über die Atomstruktur bereiten half. Diese und andere Entwicklungen in der Physik führten immer weiter auf bis dahin unbekannte Pfade. Obgleich Helmholtz’ Werk »klassische« wie »moderne« Physik mit ermöglicht hatte, standen die imposanten Bände der Vorlesungen eindeutig für die klassische Variante. Als Andenken an Helmholtz waren sie auch von ikonischem Wert und gaben zumindest 1907 nicht mehr den aktuellen Stand der Wissenschaft wieder. Nun erschienen auch erste Biographien (oder eher: Hagiographien) zu Helmholtz. Die erste vollständige Lebensbeschreibung datiert aus dem Jahr 1899 und stammt von John Gray McKendrick, einem Physiologieprofessor an der Universität Glasgow und großem Helmholtz-Verehrer. Von den sechs weiteren, verschieden umfangreichen und mit dokumentarischen Nachweisen versehenen Biographien, die hierauf folgten, sollte das Werk von Leo Koenigsberger am wichtigsten werden.22 Allen gemeinsam war die überhöhende, fortschrittsgläubige Präsentation ihres Sujets. Bei Koenigsberger wäre etwas anderes auch kaum möglich gewesen. Anna von Helmholtz’ Sorge um das Andenken ihres Mannes betraf auch die Frage, wer über Helmholtz’ Leben und Werk schreiben würde. Schon bei der Gedächtnisfeier in der Singakademie hatte sie bei der Auswahl des Redners ihre Hände im Spiel gehabt. Sie hatte Roscoe zugestimmt, als er Rücker in Vorschlag brachte, um eine englischsprachige Rede (und womöglich auch eine Biographie) zu verfassen. Insbesondere versprach sie, Rücker alle benötigten Dokumente zur Verfügung zu stellen und ihn generell zu unterstützen. In diesem Zusammenhang äußerte sie auch ihre »Enttäuschung« über du Bois-Reymonds Rede. Besser gefielen ihr die Nachrufe von Hugo Kronecker, Theodor W. Engelmann und Hans Landolt, doch fand sie, dass jeder von ihnen nur aus dem Blickwinkel seiner eigenen Disziplin geschrieben habe – keiner von ihnen war Physiker. So war Anna erpicht darauf, von Koenigsberger zu erfahren, ob er eine Biographie ihres Mannes ins Auge fassen würde.23 1895 hatte Koenigsberger einen Beitrag zur Helmholtz’schen Geometrie und Mechanik veröffentlicht, und im Anschluss hatte Anna ihm gegenüber mehrmals die Befürchtung geäußert, jemand könne eine unautorisierte Biographie über Helmholtz schreiben. Nachdem sie Koenigsbergers Artikel gelesen hatte – von dem sie, wie sie selbst zugab, nicht viel verstand –, kam Anna zu dem Schluss, der Autor sei einer der wenigen, die eine Gedenkschrift im »Geiste« von Helmholtz verfassen
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und seine Forschung wie sein Leben angemessen beleuchten könnten. Sie fand, Koenigsbergers Text sei »das schönste Denkmal«, das man ihrem »lieben Mann« setzen konnte. Koenigsberger zeige Zuneigung und Verständnis für ihren verstorbenen Mann und dessen Werk und eigne sich eben dadurch als Verfasser einer eingehenden Biographie. Koenigsberger schätzte die Vielseitigkeit von Helmholtz’ wissenschaftlicher Arbeit, und Anna hatte den Eindruck, er sei in der Lage, alles zu einem »zusammenhängenden Ganzen« zusammenzufügen.24 Koenigsberger war aber vor allem mit seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt und gab Anna keine definitive Zusage. Nach ihrem Tod blieb er in regelmäßigem Kontakt mit Fritz von Helmholtz. Als dann am 17. November 1901 auch Fritz in einem Heidelberger Krankenhaus verstarb, wurde Koenigsberger bei dessen Begräbnis am Tag darauf mit einem Schlag bewusst, dass die Familie Helmholtz im Verschwinden begriffen war. Er beschloss auf der Stelle, eine Biographie zu schreiben, und zwar innerhalb eines Jahres.25 Ein Jahr reichte nicht ganz, doch tatsächlich benötigte Koenigsberger nur 16 Monate (von November 1901 bis März 1903), um das nötige Material zu sichten, das Manuskript zu verfassen und seine dreibändige Helmholtz-Biographie zu veröffentlichen. Dies gelang ihm vor allem aus drei Gründen: Er verfügte über mathematisches Fachwissen und ein ausreichendes wissenschaftliches Verständnis der Helmholtz’schen Schriften (insbesondere bei physikalischen Themen), und dazu über die feste Entschlossenheit, das Projekt zu Ende zu bringen. Zudem profitierte er von der eifrigen Kooperation durch Richard von Helmholtz und Ellen von Siemens-Helmholtz, die ihm sämtliche in ihrem Besitz befindliche Briefwechsel und Aufzeichnungen zur Verfügung stellten. Ähnliche Unterstützung erhielt er von Helmholtz’ ehemaligen Kollegen und von staatlichen (preußischen, badischen und Reichs-) Institutionen. Koenigsberger, der kein Historiker (und übrigens auch kein Physiker oder Physiologe) war, konnte die Biographie aber auch deswegen so schnell abschließen, weil er zahlreiche und lange (manchmal seitenlange) direkte Zitate einbaute, die er aus Helmholtz’ Briefen oder dessen naturwissenschaftlichen, philosophischen und populärwissenschaftlichen Schriften entnahm. Manchmal vergaß er sogar (vielleicht unabsichtlich) die Anführungsstriche. Zudem nahm er eine vollkommen unkritische Haltung ein und lieferte wenig bis gar keine historischen oder wissenschaftlichen Hintergründe oder Analysen zu Personen, Forschungsthemen und geschichtlichen Ereignissen. Durch seine Herangehensweise in Form einer Art »Lebensbeschreibung in Briefen« konnte Koenigsberger die dreibändige Biographie eines »gottbegnadeten Fürsten im Reiche geistiger und sittlicher Macht« rasch – und in ebendiesem hagiographischen Geist – fertigbringen. Trotz ihrer Mängel hat sie lange als nützliches Werk der Wissenschaftsgeschichte gedient und tut dies heute noch. Beinahe jeder, der sich seither für Helmholtz interessiert hat, benutzt sie als Referenzwerk oder verwendet Helmholtz-Zitate daraus.26 Koenigsber-
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gers Biographie wurde somit Teil der Helmholtz-Legende und trug wesentlich zur Idealisierung und Mythenbildung um seine Person bei. Als die Biographie 1902/03 erschien, erntete sie nichts als Lob. Ein Rezensent fand sie »meisterhaft« in ihrer Darstellung des »großen Forschers und Denkers«. Koenigsberger liefere wertvolle Einblicke in das Privatleben des »Fürsten im Reiche des Geistes«, und sein Werk sei insofern mit der Helmholtz-Statue vor der Berliner Universität vergleichbar, dass ihm beide Präsenz verschafften. Roscoe nannte die Biographie »exzellent«. Eine kritische, wenn auch nur im Privaten geäußerte Bemerkung kam von Boltzmann, der Koenigsberger die Behauptung übel nahm, Helmholtz sei es gewohnt gewesen, »in allen Dingen seine Frau als unbedingte Autorität anzuerkennen«. Ganz im Gegenteil habe Helmholtz nichts gegen seinen eigenen Willen entschieden, so Boltzmann, und sei sicher nicht von seiner Frau bevormundet worden. Zwei weitere Rezensenten bemängelten, man erfahre bei Koenigsberger zu wenig über den Menschen Helmholtz und seine Persönlichkeit. Sie baten daher Helmholtz’ Korrespondenzpartner und Bekannte, beim Aufbau eines Helmholtz-Archivs zu helfen, indem sie etwa noch in ihrem Besitz befindliche Briefe zur Verfügung stellten und ihre persönlichen Erinnerungen an ihn niederschrieben.27 Aber diese negativen Stimmen waren bei Weitem die Ausnahme. Für jene, die kein Deutsch lesen konnten oder davor zurückschreckten, sich durch Koenigsbergers drei Bände zu arbeiten, gab es bald Alternativen. Bei der Oxford University Press erschien 1906 eine gekürzte, einbändige englische Übersetzung mit einem knappen, aber überschwänglichen Vorwort von Kelvin. 1911 veröffentlichte Vieweg eine gekürzte deutsche Volksausgabe in einem Band. Mehr als alles andere hat wohl die englische Übersetzung von Koenigsbergers Biographie dafür gesorgt, Helmholtz’ Leben und Werk überall in der Welt bekannt zu machen und ihn als Legende und Mythos in der Nachwelt zu verankern. Ein Rezensent zeigte sich nach der Lektüre davon überzeugt, dass das 19. Jahrhundert durch den Fortschritt der Wissenschaften und die Verbreitung der Demokratie geprägt gewesen sei. Die größten Persönlichkeiten dieser Zeit seien nicht etwa Staatsmänner, Militärs, Künstler oder Schriftsteller gewesen, sondern die führenden Wissenschaftler – und unter diesen seien Helmholtz und Darwin die beiden großen Anführer der Wissenschaft. Ähnlich äußerte sich William Osler, der 1912 eine medizinische Bibliothek für die McGill University in Montreal aufbaute und einem seiner ehemaligen Studenten bezüglich der englischsprachigen Helmholtz-Biographie schrieb: »Ich bin der Ansicht, dass alle Studenten und angehenden Ärzte die Lebensbeschreibungen von Pasteur und Helmholtz lesen sollten.«28 Die Einweihung der Helmholtz-Statue und die Veröffentlichung von Koenigsbergers Biographie waren nicht die einzigen Mittel und Wege, um Helmholtz’ Erbe – um nicht zu sagen: seine Stilisierung zur Ikone – hochzuhalten. Schließlich gab es auch noch die Helmholtz-Medaille als höchste wissenschaftliche Auszeichnung,
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welche die Akademie der Wissenschaften verlieh. Nachdem die ersten vier Medaillen 1892 auf einen Schlag vergeben worden waren, fanden bis 1898 keine weiteren Auszeichnungen statt. Von da an bis ins Jahr 1918 wurden zehn Personen zu Trägern der Medaille ausgewählt: Virchow, Stokes, Santiago Ramon y Cajal, Antoine-Henri Becquerel, Emil Fischer, van’t Hoff, Simon Schwendener, Planck, Richard Hertwig und Röntgen.29 Mehrere von ihnen standen in mehr oder weniger enger Verbindung zu Helmholtz, und sechs von ihnen (Röntgen, Becquerel, van’t Hoff, Fischer, Ramon y Cajal und Röntgen) erhielten später den Nobelpreis. In den folgenden 40 Jahren (bis 1959) wurden keine Medaillen verliehen, was auf Deutschlands Status als politischer Outcast innerhalb der internationalen Wissenschaftsgemeinde für den Großteil der Zeit von 1918 bis 1945 und seine ungeklärten politischen Verhältnisse während der frühen Zeit des Kalten Kriegs zurückzuführen war. Theoretisch hätte die Helmholtz-Medaille zur höchsten Auszeichnung der Wissenschaftswelt werden können – stattdessen übernahm der Nobelpreis diesen Rang. Die Veröffentlichung oder Neuauflage fast des gesamten Helmholtz’schen Oeuvres – Wissenschaftliche Abhandlungen (drei Bände), dreiteiliges Handbuch der physiologischen Optik, Lehre von den Tonempfindungen, die posthum herausgegebenen Vorlesungen über theoretische Physik (sechs Bände in sieben) sowie die Vorträge und Reden (zwei Bände) – trug insgesamt ebenfalls dazu bei, das Bild und Andenken des Gelehrten zu formen. So mag es nicht erstaunen, dass Thomas Mann 1910 erklären konnte, Helmholtz sei zusammen mit Theodor Fontane, Bismarck, Moltke, Wilhelm I., Wagner, Menzel, Zola, Ibsen und Tolstoi »ein Mitglied des europäischen Heroengeschlechtes«.30 Obgleich das Helmholtz’sche Werk noch für etwa ein Jahrzehnt nach seinem Tod erheblichen Einfluss auf die Wissenschaftsgemeinde ausübte und in gewissem Sinn bis heute fortwirkt, erlebten die Physik, Sinnesphysiologie und Psychologie doch seit den 1890er-Jahren einen wesentlichen Wandel – und mit ihnen Helmholtz’ Bedeutung. Zwar war Helmholtz keineswegs vergessen, aber seine große Zeit auf diesen Gebieten war definitiv vorüber. Unter Philosophen und anderen Geisteswissenschaftlern jedoch sorgten Helmholtz’ Ansichten zur Erkenntnistheorie, zur Energieerhaltung und andere wissenschaftliche Ideen auch dreißig Jahre nach seinem Tod für angeregte Diskussionen. So untersuchte man etwa Helmholtz’ Verständnis von Kant, wobei Ludwig Goldschmidt und einige andere dahingehend argumentierten, dass Helmholtz in erkenntnistheoretischer Hinsicht alles andere als ein Kantianer gewesen sei. Ernst Haeckel erklärte den Helmholtz’schen Energieerhaltungssatz zu einer der Grundlagen seiner eigenen monistischen Philosophie: Helmholtz sei im Grunde ein Freidenker. Haeckel zitierte ihn dann auch oft und gerne in seinem internationalen Bestseller Die Welträthsel (1899). Selbst Mach, dessen Wissenschaftsphilosophie so radikal von Helmholtz’ Sichtweise abwich, lobte manches in dessen Werk – und generell dessen »volle kritische Klarheit«.31
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Für alle, die den Berufsweg eines Wissenschaftlers oder Mediziners einschlugen, aber auch für viele Laien, die etwas über wissenschaftliche Themen erfahren wollten, stellten Helmholtz und sein Werk weiterhin ein Vorbild dar. Unter Ophthalmologen genoss er einen unvermindert hervorragenden Ruf, und der 50. Jahrestag der Erfindung des Ophthalmoskops im Jahre 1901 wurde erneut zum Anlass für Feierlichkeiten genommen. Am Züricher Polytechnikum wurde der junge Einstein auf Helmholtz aufmerksam, und zwar sowohl über dessen Schriften als auch über ehemalige Studenten von Helmholtz – die Physiker Heinrich Friedrich Weber und Johannes Pernet und den Wissenschaftsphilosophen August Stadler, die nun wiederum Einsteins Lehrer waren. In Indien las der zwölfjährige Gymnasiast C.V. Raman Helmholtz’ Populäre wissenschaftliche Vorträge und kam zu dem Schluss, ihr Autor sei die »überragendste Figur« der modernen Welt. Raman selbst sollte zu einer Autorität auf dem Gebiet der modernen Optik werden: 1930 gewann er den Nobelpreis für Physik. Zudem interessierte er sich für Musik und Akustik und studierte mit größter Aufmerksamkeit die Tonempfindungen, die nach eigenem Bekunden großen Einfluss auf seine Geisteshaltung hatten. Auch der siebzehnjährige Max Laue vertiefte sich mit Begeisterung in Helmholtz’ Vorträge und Reden. Das Buch vermittelte ihm Grundzüge seiner physikalischen Ausbildung. Noch Jahrzehnte später studierte er die Helmholtz’schen philosophischen und populärwissenschaftlichen Schriften. Wie Einstein und Raman erhielt auch er später (1914) den Physik-Nobelpreis. In einer 1915 erschienenen Überblicksdarstellung über die Physik aus der Feder führender deutscher Physiker war Helmholtz der am meisten zitierte Name. Selbst ein wissenschaftlicher Amateur (um es freundlich auszudrücken) wie der Historiker und öffentliche Intellektuelle Henry Adams, der die Dynamik der Geschichte in den Begriffen der Thermodynamik zu erklären versuchte, las seinen Helmholtz und nannte ihn in einem Atemzug mit Galilei, Newton, Maxwell, Hertz und Kelvin.32 Um die Jahrhundertwende blieben Helmholtz’ Schriften auch für Künstler weiterhin eine Inspiration. So war etwa die Ästhetik des französischen Dichters Paul Valéry, der sich sehr für Naturwissenschaften interessierte, in großen Teilen von Helmholtz’ empirischem Blick auf die Wahrnehmung angeregt. Patrick Henry, ein vom (Neo-)Impressionismus beeinflusster amerikanischer Maler der anbrechenden Moderne, bezog sich auf die Farbenlehren von Chevreul und Rood und damit indirekt auch auf Helmholtz. Als letztes prominentes Beispiel wäre noch Gustav Mahler zu nennen: Der Komponist las Helmholtz nicht nur zu musikalischen, sondern auch zu physikalischen Themen. In seiner Bibliothek waren sämtliche Helmholtz-Werke vertreten.33 In manchen Bereichen jedoch entfernte sich das intellektuelle und kulturelle Klima des Fin de Siècle von dem, wofür Helmholtz stand. Etwa von der Vorstellung, dass der Natur Mechanismen innewohnten oder dass die Kunst selbstverständlich
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Abbilder von Dingen liefere. Das Aufkommen von Avantgarde und Modernismus im Allgemeinen – Expressionismus, Vortizismus, Kubismus, Futurismus, Fauvismus, deutsche Sezessionsbewegung und freie Assoziation, um nur ein paar Einflüsse zu nennen – passte nicht recht zur Helmholtz’schen Weltsicht und Ausdrucksweise. Als Nietzsche, Mach, Bergson, Arthur Rimbaud und die Post-Impressionisten die Bühne betraten, hatte Helmholtz ihnen und ihren Bewunderern nur wenig anzubieten. Der Modernismus in der Kunst hob die Unterscheidung zwischen Ich und Welt immer mehr auf, so wie es auch Mach und die Monisten taten, und später Niels Bohr und die Quantenphysik. Falls es überhaupt so etwas wie »Objektivität« gebe, so war diese, wie es nun hieß, vom Menschen geschaffen und nicht etwa in der materiellen Realität, also der Natur, gegeben. Die zunehmenden Angriffe auf die »traditionelle Kultur«, auf das konzeptionelle Denken und die Vernunft selbst, die Hand in Hand gingen mit der Infragestellung der »bürgerlichen« Werte, ließen Helmholtz als Vorbild deutlich verblassen. Das modernistische Denken mit seinem Widerstand gegen die traditionelle Logik und Erzählweise, mit seinem Zweifel an der Repräsentation und damit der Vorstellung von einer Welt, die aus beständigen, von Kausalgesetzen regierten Dingen besteht, hatte wenig bis keinen Platz für die Helmholtz’sche Erkenntnistheorie.34 Der neue Akzent auf Begriffen wie Verfall und Dekadenz – manche beriefen sich dabei gar auf Helmholtz’ Theorie vom »Hitzetod« des Universums – wäre dem zukunftsgläubigen Forscher zuwider gewesen. Sein unbedingter Glaube an Wissenschaft, Technologie und Industrie war unvereinbar mit den in den 1890er-Jahren erwachenden wissenschaftskritischen Haltungen. In den Sozialwissenschaften rückten so verschiedenartige Persönlichkeiten wie Pawlow, Dilthey, James und Max Scheler in den Vordergrund, die zwar keine modernistische Sicht vertraten, aber dennoch Helmholtz’ erkenntnistheoretische Ansichten und insbesondere seine Theorie der Wahrnehmung ablehnten. Aus einer ganz anderen Ecke kam Lenins erkenntnistheoretischer Aufsatz Materialismus und Empiriokritizismus. Kritische Bemerkungen über eine reaktionäre Philosophie (1909), worin er eine durch und durch materialistische Doktrin verfocht und den (angeblichen) philosophischen Idealismus von Helmholtz kritisierte. Und schließlich gab es auch noch Helmholtz’ alten Widersacher Eugen Dühring, der bis zu seinem eigenen Tod im Jahre 1921 gegen ihn weiterpolemisierte.35 Dennoch: So intellektuell bedeutend und politisch einflussreich manche dieser Kritiker Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts werden mochten, sie konnten Helmholtz’ Ruf doch nicht nachhaltig beschädigen. Als der Erste Weltkrieg sich bereits abzeichnete, ergab sich noch eine Gelegenheit, sich uneingeschränkt positiv auf Helmholtz’ Namen zu berufen: Kurz nach dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Frau, als überall in Europa nationalistische Gefühle hochkochten, teilte der preu-
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ßische Kultusminister seinem Kollegen im Finanzministerium mit, es sei nun von vorderster Dringlichkeit, ein Kaiser-Wilhelm-Institut für theoretische Physik zu schaffen. Dieses werde sodann ein Bollwerk gegen die Angriffe auf Deutschlands Vorrangstellung auf diesem Forschungsgebiet bilden, welche die deutsche Wissenschaft den Bemühungen von Helmholtz verdanke. Franzosen und Engländer, so befürchtete der Minister, betrieben die theoretische Physik inzwischen intensiver als die Deutschen.36 Das Institut wurde, mit Einstein als Direktor, 1917 gegründet (zumindest auf dem Papier, denn ein Gebäude und Mitarbeiter erhielt es erst 1937).
Weimarer Republik und Nazideutschland Der Erste Weltkrieg war für die deutsche Wissenschaft eine Katastrophe. Mit der Beteiligung manch führenden Wissenschaftlers am Krieg, sei es propagandistisch, durch die Entwicklung chemischer Kampfstoffe oder auf andere Weise, isolierte sich Deutschland von der internationalen Wissenschaftsgemeinde. Durch die starke Inflation während der frühen Weimarer Jahre waren viele unabhängige deutsche Forscher und ihre Institute ohne ausreichende Mittel zur erfolgreichen Fortsetzung ihrer Arbeit. Manche konnten sich nicht einmal mehr ausländische Zeitschriften leisten, um sich über neueste Entwicklungen auf ihrem Gebiet zu informieren. In den Jahren unmittelbar nach dem Krieg lag die deutsche Wirtschaft danieder und es herrschte auch psychologisch eine Atmosphäre der Depression. Um Vertrauen und Unterstützung wiederzugewinnen, verlegten sich manche Wissenschaftler darauf, den Namen Helmholtz als nationales und internationales Aushängeschild zu benutzen. So wurde 1920 unter Mitwirkung führender Industrieller die Helmholtz-Gesellschaft zur Förderung der physikalisch-technischen Forschung gegründet. Die Gesellschaft brachte etwa eine Million Dollar an Kapital zusammen, wovon indes rund 80 Prozent durch die Inflation der frühen 1920er-Jahre aufgefressen wurden. Dennoch wurde die Gesellschaft zu einer wichtigen Förderinstanz für die deutsche Physik, und hier vor allem die theoretische Physik.37 Mit Helmholtz’ 100. Geburtstag im Jahre 1921 erinnerten sich erneut viele Ärzte und Wissenschaftler an ihn – und damit an den Ansporn und das Vertrauen, die mit seinem Namen verbunden waren. Sie alle, aber etwa auch die Philosophen beriefen sich in einem Ausmaß auf Helmholtz, wie man es seit seinem Tod vor fast drei Jahrzehnten nicht erlebt hatte. Dabei taten sich vor allem die Ophthalmologen und Ärzte hervor. Julius Hirschberg, der bei Helmholtz studiert hatte und sich viel mit der Geschichte der Augenheilkunde beschäftigt hatte, machte darauf aufmerksam, dass es mittlerweile drei Gedenkstatuen für Helmholtz im Berliner Zentrum gab: eine im Vorhof der Universität, eine vor dem Brandenburger Tor und eine auf der Potsdamer Brücke (nahe der Philharmonie). Diese Statuen und ein Reliefporträt von Helmholtz in der Berliner Augenheilanstalt hielten das Andenken an den
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großen Forscher am Leben: Helmholtz sei »ein Ruhm Deutschlands«, »eine Zierde der Menschheit« gewesen, verkündete Hirschberg. In der Vossischen Zeitung erschien aus Anlass von Helmholtz’ 100. Geburtstag eine Sonderbeilage, unter anderem mit einem Beitrag von Ellen von Siemens-Helmholtz.38 Auch an der Berliner Universität hielt man eine Gedenkfeier ab und legte vor Helmholtz’ Standbild einen Kranz nieder. Die physikalischen, physiologischen und philosophischen Vereinigungen organisierten eigene Hundertjahrfeiern und erinnerten aus diesem Anlass an Helmholtz’ Errungenschaften auf den einzelnen Gebieten. Emil Warburg, der nach Kohlrausch zu Helmholtz’ Nachfolger an der Reichsanstalt wurde, sah ihn dabei vor allem als Physiker und Präsidenten der Reichsanstalt; Max Rubner erinnerte sich an erster Stelle an den Physiologen, und Moritz Schlick sprach von Helmholtz als Philosophen. Im selben Jahr legte Benno Erdmann der Akademie der Wissenschaften seine bedeutende Analyse von Helmholtz’ Theorie der Wahrnehmung vor. In Bonn sprachen der Physiker Heinrich Konen und der Physiologe August Pütter über Helmholtz’ Leistungen in ihren jeweiligen Disziplinen und erinnerten an seine Jahre in der Stadt am Rhein. Konen äußerte die Hoffnung, dass Helmholtz’ Erbe Wissenschaftler inspirieren und dazu beitragen könne, die Verbitterung und den nationalistischen Chauvinismus zu vertreiben, die der Krieg bei ihnen hinterlassen hatte. Wichtige wissenschaftliche und kulturelle Zeitschriften – etwa Die Naturwissenschaften, die Deutsche Revue und Die Umschau –, aber auch zahlreiche Tageszeitungen erinnerten ihre immer noch kriegsmüden und von wirtschaftlichen Sorgen geplagten Leser an den großen Helmholtz und an das, wofür er in friedlicheren Zeiten gestanden hatte. Selbst die Sozialisten waren bemüht, das Andenken des Gelehrten hochzuhalten.39 Mehr als jeder andere sorgte in den Zwischenkriegsjahren wohl der Physiker und Philosoph Moritz Schlick dafür, dass der Name Helmholtz lebendig blieb. Schlick, der bei Planck studiert hatte, verfolgte die von Einstein und anderen vorangebrachten Entwicklungen im Bereich der Geometrie und der Relativität und publizierte darüber. 1921 gab er gemeinsam mit Paul Hertz einige von Helmholtz’ epistemologischen Schriften heraus. 1922 wurde er auf den Lehrstuhl für Philosophie an der Wiener Universität berufen. Im selben Jahr schloss er sich mit einer Gruppe hochtalentierter Naturwissenschaftler, Mathematiker und Philosophen zusammen und trug zur formalen Konstituierung dieses interdisziplinären Kreises bei, der später als Wiener Kreis bekannt wurde. Rudolf Carnap, Kurt Gödel, Hans Hahn, Otto Neurath und Friedrich Waismann zählten zu seinen Mitgliedern. Die vielseitige intellektuelle Runde widersetzte sich der Metaphysik und jeglicher Rhetorik in der Philosophie und betonte umgekehrt die Bedeutung der Erkenntnislehre und Wissenschaftsphilosophie. Tatsächlich hielten die Mitglieder des Kreises Wissenschaft für wesentlich, um die Philosophie voranzubringen: Sie betonten empirisches Wissen, den Nutzen von Logik und Mathematik und die Einheit der Wissenschaften. Damit tra-
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fen sie natürlich genau ins Herz der Helmholtz’schen Sichtweise: Die Mitglieder des Kreises und, allgemeiner gesprochen, die »logischen Positivisten« oder »logischen Empiriker« sahen in Helmholtz den Keim und die Inspirationsquelle ihrer intellektuellen Bewegung. Das galt vor allem für Schlick, obgleich seine Ansichten zur Geometrie und Erkenntnislehre teilweise von Helmholtz’ Standpunkt abwichen.40 Doch es war nicht nur die intellektuelle Elite, die das Helmholtz’sche Erbe hochhielt. Auch weniger bekannte Philosophen, Mediziner, Meteorologen und andere Wissenschaftler erinnerten an ihn. So wurde Helmholtz’ Name zum Beispiel in Die großen Deutschen aufgenommen, als einer von nur 160 herausragenden Deutschen aus allen Zeiten – von Arminius bis Hindenburg. Auch der Band Deutsche Männer mochte auf Helmholtz als Vorbildfigur nicht verzichten.41 Auf ganz andere Art fand er in Aldous Huxleys Zukunftsroman Brave New World aus dem Jahr 1932 Eingang, wo er als »Helmholtz Watson« auftaucht. Immer jedoch wurde das Beispiel – und der Mythos – von Helmholtz als vorbildlichem Wissenschaftler und vorbildlichem Deutschen vermittelt und gestärkt. Während der Weimarer Republik und in der Nazizeit wurde keine Wissenschaft mehr angegriffen als die moderne Physik mit ihrer Relativitätstheorie und Quantenmechanik und einer generell immer abstrakteren, mathematischen Herangehensweise. Dabei waren die Angreifer selbst Physiker. Zwei der Wortführer gehörten zu den angesehenen experimentellen Physikern der Vorkriegszeit: Philipp Lenard, der (ein Semester) bei Helmholtz studiert hatte, als Assistent bei Hertz tätig gewesen war und 1905 den Nobelpreis verliehen bekommen hatte; und Johannes Stark, der noch 1907 Einsteins Arbeit zur Relativität unterstützt hatte, 1919 den Nobelpreis erhielt, dem Vorstand der Helmholtz-Gesellschaft angehörte und Präsident der Reichsanstalt (1933 – 1939) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde. Lenard, Stark und andere Anhänger des Nationalsozialismus riefen ihre Kollegen auf, »deutsche Physik« zu betreiben, womit ausschließlich experimentelle Physik gemeint war – im Gegensatz zur abstrakten, mathematischen Physik, die sie abwertend als »jüdische Physik« bezeichneten. Tatsächlich gelang es diesen Kräften, die Atmosphäre unter den Physikern so zu vergiften, dass niemand mehr Einsteins Relativitätstheorie anzuführen wagte (zumindest nicht namentlich). Einstein als Person war das Hauptziel der Angriffe, und seine Freunde und Anhänger machten sich große Sorgen, dass er aufgrund der antirelativistischen und antisemitischen Anfeindungen aus Deutschland emigrieren könnte. Schon 1920 befürchtete der Chemiker Fritz Haber, Einstein könne das Land aufgrund der zunehmenden Angriffe verlassen, und versicherte ihm, dass er selbst und überhaupt alle ernsthaften Naturforscher ihm nichts als Verehrung entgegenbrächten: »Die Führereigenschaft ist seit Helmholtz niemandem in Deutschland in solchem Maaße von allen Urteilsfähigen beigelegt worden wie Ihnen.« Ähnlich äußerte sich der theoretische Physiker Paul Volkmann und erklärte, unter den gegebenen Umständen sei eine
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populärwissenschaftliche Darstellung der Relativitätstheorie vonnöten, um sie einem breiteren Publikum verständlich zu machen – so wie es Helmholtz für andere Wissenschaftsbereiche getan habe.42 Zumindest in der intellektuellen Sphäre der Physik hatte Einstein also inzwischen Helmholtz’ Rang eingenommen. Die skrupellosen Angriffe der Verfechter einer »deutschen Physik« erinnerten (einmal abgesehen vom ihrem Antisemitismus) an Dührings Anfeindungen gegen Helmholtz. Wenn es ihnen zupass kam, bedienten sich Lenard und andere Anhänger einer »deutschen Physik« durchaus Helmholtz’ Namen. Lenard betrachtete Helmholtz als »großen Mann der Wissenschaft«. Die Tatsache, dass Helmholtz formal kein Mathematikstudium absolviert hatte und dennoch herausragende mathematische Leistungen in der Physik hatte erbringen können, sah er als Beweis für »die vollkommene Nutzlosigkeit des so ausgedehnten mathematischen Unterrichts-Betriebes der heutigen Universitäten«. Und dann gab es noch einen absurden metrologischen Kniff, durch den sich die Nazis Helmholtz zunutze machen wollten: Nachdem die nationalsozialistische Regierung 1933 eine internationale Vereinbarung unterzeichnet hatte, in der »Hertz« als offizielle Einheit der Frequenz festgelegt wurde, versuchten einige nazitreue Wissenschaftler und Beamte, diese Vereinbarung zu umgehen. Sie sahen in Hertz nämlich (fälschlicherweise) einen »Halbjuden«, der zudem nichts mit Radiotechnik und dem Begriff der Frequenz zu tun habe. Seinem Namen nun zu internationaler Prominenz zu verhelfen, beschädigte in ihren Augen die nationalsozialistische Rassen- und Weltsicht. Man schlug also vor, die Einheit Hertz zu vermeiden (und zwar ohne dafür eine internationale Rüge zu kassieren), indem man sich das Märchen ausdachte, die gewählte Abkürzung »Hz« stünde für »Helmholtz« und nicht etwa für »Hertz«. Hitler aber lehnte 1941 die vorgeschlagene Änderung ab.43 Obgleich sich Lenard also seines Namens bediente und trotz der Einheitenepisode waren Helmholtz und das, wofür er stand – Vernunft, Toleranz und ein gewisses Maß an Liberalismus –, nichts, womit die Nazis und deren Anhänger etwas hätten anfangen können. Im Januar/Februar 1935 wurde eine nationalsozialistische Studentenkundgebung im Vorhof der Berliner Universität abgehalten – mit dem unbeteiligten Helmholtz mittendrin (siehe Abb. E.4). Offenbar störte sein Standbild an diesem prominenten Standort, denn ein paar Monate später wurde es – vermutlich auf Betreiben eines Nazis in offizieller Funktion – in den Garten am Westflügel der Universität versetzt, wo schon die Statue Mommsens (eines Liberalen) stand, und sollte dort beinahe sechs Jahrzehnte bleiben. Derweil lief das Helmholtz-Gymnasium in Potsdam zur Zusammenarbeit mit dem Dritten Reich über: Sein Direktor setzte sich zum Ziel, seine Schüler zu »ordentlichen Deutschen« auszubilden.44 Vier Jahre später, im Jahre 1939, pries Ludwig Glaser – ein ehemaliger Student von Stark, überzeugter Nazi und vollmundiger Verfechter der »deutschen Physik« – die »nordisch gearteten Menschen Deutschlands«, die doch so viel für die Natur-
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Abb. E.4: Das Helmholtz-Denkmal im Hof der Berliner Universität während einer Kundgebung der Nazis, 1935. Der Reichsführer der Deutschen Studentenschaft, Andreas Feickert, spricht vom Balkon des Universitätsgebäudes. Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin.
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forschung getan hätten. Der Aufstieg der Wissenschaften, so bedauerte Glaser, habe aber auch einen »jüdischen Politiker« wie Einstein hervorgebracht, und dazu habe auch Helmholtz beigetragen. In seiner Tirade gegen »Juden in der Physik« erklärte er, vom »völkischen« Standpunkt aus sei Helmholtz’ Leben durch Entscheidungen getrübt, deren »schädliche« Auswirkungen nun erst offenbar würden. So habe sich Helmholtz geweigert, die Verdienste Robert Mayers anzuerkennen; er habe als Vertreter der deutschen Wissenschaft auf internationalen Kongressen ein schwaches Bild abgegeben, was dazu geführt habe, dass Gauss und Weber bei der Namensgebung für internationale elektrische Einheiten unberücksichtigt geblieben seien; und er habe zu wenig Wertschätzung für einen seiner »bedeutendsten« deutschen Zeitgenossen, den Physiker und Mathematiker Hermann Grassmann, gezeigt. Helmholtz, so lautete Glasers Vorwurf, habe den Juden den Weg in die Physik geebnet. Das beweise der Fall des Physikers und antijüdischen »Pioniers« Eugen Carl Dühring, dem die Berliner Universität 1877 die Lehrerlaubnis entzogen hatte, woraufhin die »skrupellose Invasion« von Juden auf deutsche Professorenstellen in der Physik begonnen habe. Glaser, der sich mit seinem Pamphlet am extremen Rand sogar der »deutschen Physik« bewegte, listete die Namen mehrerer jüdischer (oder teilweise jüdischer) Studenten von Helmholtz auf. Einen weiteren Beweis für dessen gute Beziehungen zum Judentum sah er darin, dass der Mathematiker und »Ostjude« Leo Koenigsberger sein Biograph wurde. Zudem gab Glaser tatsächlich Helmholtz die Schuld an der – nach Helmholtz Tod erfolgten! – Ernennung von Warburg (der jüdischer Abstammung war) auf Berliner Posten. Es sei Helmholtz gewesen, so Glaser, der jüdische Physiker wie Hertz, Eduard Wertheimer, Goldstein, Leo Grunmach, Rubens, James Franck und Max Born ausgebildet, unterstützt oder beeinflusst habe. Noch schlimmer wog in Glasers Augen, dass Helmholtz schon vor Langem den Boden für einen »Juden wie Einstein« bereitet und damit den Aufstieg der »jüdischen Physik« ermöglicht habe. Glaser war nicht allein mit seiner absurden Schmähschrift, so wenig diese auch die Fakten berücksichtigte oder allgemeine Logik walten ließ. Ein Jahr später tat sich Wilhelm Müller hervor, ein Fachmann auf dem Gebiet der Aero- und Fluiddynamik, der trotz heftigen Widerstands der Fakultät als Nachfolger von Sommerfeld auf den Münchener Lehrstuhl für theoretische Physik berufen worden war: Auch er diffamierte Helmholtz wegen seines angeblich schädlichen Einflusses auf die theoretische Physik und seiner Unterstützung von jüdischen Studenten der Naturwissenschaft.45 Doch fand man im Militär und anderswo in Nazideutschland auch »gute« Verwendung für Helmholtz’ Namen. Der Versailler Vertrag hatte die deutsche Regierung gezwungen, das preußische Friedrich-Wilhelms-Institut zu schließen, Hitler aber ließ es 1935 als »Militärärztliche Akademie« neu eröffnen. Im Oktober 1939, kurz nach dem deutschen Überfall auf Polen und dem Beginn des Zweiten Welt-
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kriegs, erinnerte Erich Hoffmann, ein Dermatologe und Absolvent der wiedereröffneten Akademie, an das hundertjährige Jubiläum von Helmholtz’ und Virchows Eintritt in das Institut. Er gab der Überzeugung Ausdruck, beide Forscher seien von »universeller Bedeutung«, die »gewiß in erster Linie ihrem trefflichen Erbgut aus germanischer Rasse« anzurechnen sei, aber auch dem Umfeld, in dem die beiden aufgewachsen und ausgebildet worden seien. Helmholtz’ Name (plus Kurzbiographie) erschien gar in einem Nachschlagewerk über Artillerie und Ballistik – offenbar wurde seine Forschung im Bereich der Hydrodynamik diesbezüglich für bedeutsam gehalten.46 Der Name Helmholtz wurde indes zum Glück auch auf andere Weise lebendig gehalten. Dazu trug Richard von Helmholtz durch seine Karriere als Konstruktionsingenieur für Lokomotiven in München bei: Er stieg dort zum Chefingenieur der erfolgreichen Lokomotivfabrik Krauss (heute Krauss-Maffei) auf und erhielt 1913 die Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Danzig. Ab 1917, nach dem Ende seiner beruflichen Tätigkeit, verfasste Richard mehrere historische Artikel sowie zwei Bücher zur Geschichte des Lokomotivbaus. Als Erwachsener hatte Richard wenig Kontakt zu seinem Vater und seiner Stiefmutter gehabt. Er war nie verheiratet, hatte aber eine langjährige Beziehung. Mit seinem Tod im Jahre 1934 endete die direkte männliche Abstammungslinie von Hermann von Helmholtz.47 Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahre 1899 war es an Ellen von Siemens-Helmholtz, den literarischen Nachlass der Familie zu verwalten. Als sie in den 1920er-Jahren die Papiere ihres Vaters ordnete, entdeckte sie die Briefe ihrer Mutter und veröffentlichte sie in einer zweibändigen Ausgabe. Diese Briefe geben nicht nur Auskunft über Annas Leben, sondern auch über das ihres Mannes. In seiner Rezension der Edition hob Planck hervor, dass die Briefe neben Helmholtz’ intellektuellen Fähigkeiten vor allem auch sein Gespür für menschliche Themen, Natur, Kunst und vieles mehr offenbarten: »Vor allem aber drängt sich bei der Beurteilung seiner gesamten Persönlichkeit immer wieder der Eindruck auf, daß es unter allen Heroen der Wissenschaft wenige geben mag, bei denen die Vornehmheit des Charakters und die Tiefe des Gemüts so ganz auf der Höhe des Intellekts standen.« Einen Großteil der Unterlagen ihres Vaters überließ Ellen noch vor ihrem Tod im Jahre 1941 dem Archiv der Akademie der Wissenschaften.48 1941, als der Krieg bereits zwei Jahre andauerte und Nazideutschland große Teile Europas in seine Gewalt gebracht hatte, erschienen etwa ein Dutzend Artikel zu Helmholtz’ Leben und Werk, die sowohl an seinen 120. Geburtstag wie an das 90-jährige Jubiläum der Erfindung des Ophthalmoskops erinnerten. Der junge Wissenschaftshistoriker Hans Schimank berichtete in einer Zeitschrift mit dem programmatischen Titel Deutschlands Erneuerung über Helmholtz’ Leben und Leistungen und sprach vom »heroischen Schicksal« eines deutschen Forschers zur Zeit der Reichsgründung. Friedrich Schomerus, Abteilungsleiter der Jenaer Firma Carl
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Zeiss, nutzte die Gelegenheit, um an den (kurzen, aber bedeutenden) beruflichen Kontakt zwischen Ernst Abbe und Helmholtz zu erinnern. Auch der führende deutsche Ophthalmologe Hermann Pistor erinnerte an Helmholtz, der für ihn »ein überragender deutscher Gelehrter und Forscher« war, »ein geistiger Führer von universeller Bedeutung im Reiche der Wissenschaften […] ein deutscher Mann, dem die ganze Kulturwelt neue Erkenntnisse und Fortschritte von gewaltiger Größe zu verdanken hat«. Und so schloss Pistor: »Deutschland wird seines großen Sohnes, eines der Größten im Reiche des Geistes aller Zeiten, immer mit Stolz, Ehrfurcht und Dankbarkeit gedenken.« Ähnlich äußerte sich auch Friedrich A. Zschau und versicherte, der Name Hermann von Helmholtz werde niemals aus der Geschichtsschreibung verschwinden und für jede neue Generation als Vorbild dienen.49 Die Äußerungen zeigen, dass das Gedenken an Helmholtz einem doppelten Zweck diente: der Anpassung an das Regime und der Erinnerung an imaginierte »glorreiche« Zeiten der deutschen Wissenschaft unter Helmholtz’ Führung. Im September 1944 regnete es Bomben auf deutsche Städte, und die Bodentruppen der Alliierten begannen im Osten wie im Westen mit der Invasion Deutschlands. Allen außer den fanatischsten Nationalsozialisten war klar, dass der Krieg eher früher als später mit einer Niederlage des Dritten Reichs enden würde. Die Physiker Jonathan Zenneck und Laue fanden dennoch Zeit, an den 50. Todestag von Hermann von Helmholtz zu erinnern. Unter den Physikern, die nicht aus Deutschland emigriert waren, war Laue sicher der entschiedenste Gegner des Naziregimes. Er war ein ehemaliger Student von Planck und Lummer, ein Vertreter der Relativitätstheorie und anderer moderner Ideen in der Physik, und außerdem Physik-Nobelpreisträger. Als Freund Einsteins und Professor für theoretische Physik in Berlin hielt Laue unter der Naziherrschaft und im Nachkriegsdeutschland jenen Wissenschaftsgeist hoch, den Helmholtz zusammen mit Planck und Einstein verkörpert hatte.50 Schon vor Kriegsende, im Jahr 1944, bemühte sich die Deutsche Physikalische Gesellschaft (wie die Physikalische Gesellschaft zu Berlin seit 1899 genannt wurde) um eine Rehabilitierung der deutschen Physik, indem sie unter der Herausgeberschaft von Ernst Brüche ein neues Journal ins Leben rief. Die Physikalischen Blätter wurden zu einem Forum für Neuigkeiten und Diskussionen rund um das Fach. Allein schon ihr Erscheinen, aber natürlich auch ihr Inhalt markierte einen Wandel. Die Zeitschrift wandte sich an ein breites Publikum, engagierte sich für die Ausbildung der kommenden Physikergeneration und forderte eine Rückbesinnung auf die Grundlagenforschung. Als Ausdruck dieser Absichten erschien in der Ausgabe von Mitte 1944 ein ganzseitiges Porträt von Helmholtz, das auf seinen 50. Todestag aufmerksam machte: Als großer Physiker des vergangenen Jahrhunderts habe Helmholtz Deutschland an die Spitze der internationalen Forschung gebracht. Helmholtz und eine Handvoll weiterer Naturwissenschaftler wurden als Vorbilder für
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junge Forscher hochgehalten, um ihnen zu verdeutlichen, was die deutsche Wissenschaft einmal war und wieder sein könnte. Brüche wollte mit der Zeitschrift offenbar auch demonstrieren, dass die deutschen Physiker mit wenigen Ausnahmen wie Lenard und Stark nicht mit den Nazis kollaboriert hätten.51 Ein mehr als zweifelhaftes Unterfangen. Trotz aller Idealisierung und Mythisierung von Helmholtz wurde sein Erbe durch den Zweiten Weltkrieg auf institutioneller Ebene, aber auch auf ganz konkrete Weise beschädigt. Ende August 1944 fielen die Bomben der Royal Air Force auf Königsberg und legten die Stadt, darunter die Universität und weitere Teile des historischen Zentrums, weitgehend in Trümmer. Im April 1945 bombardierten, eroberten und zerstörten die Sowjets alles, was von Königsberg noch übrig war, und ermordeten oder vertrieben fast alle verbliebenen Bewohner. Königsberg wurde russisch und hieß ab 1946 Kaliningrad. Die physischen Manifestationen seiner kulturellen Geschichte und so auch die Spuren der dortigen Helmholtz’schen Welt in den Jahren zwischen 1849 und 1855 waren vernichtet. In Berlin wurde das am Reichstagsufer gelegene Physikinstitut von Helmholtz 1945 bis auf die Außenmauern zerstört – von Deutschlands ehemals erstrangigem Institut blieb nur eine Ruine. Ebenfalls Anfang 1945 wurden die Gebäude der Reichsanstalt, die unter Stark und dessen Nachfolger Abraham Esau zu einer komplett »gleichgeschalteten« Institution des Dritten Reichs geworden war, beinahe komplett dem Erdboden gleichgemacht, der Rest brannte aus. Bei Kriegsende war kein einziges Gebäude mehr nutzbar. In Erwartung der Bombardierung Berlins waren jedoch 1943/44 beinahe sämtliche Labore der Reichsanstalt in kleinere deutsche Städte verbracht worden. In der Nacht vom 14. auf den 15. April 1945 schließlich, als der Krieg in Deutschland seinem Ende entgegenging, kam es zu einem schweren Bombardement der Royal Air Force auf Potsdam, eine Woche später folgten weitere Zerstörungen beim Einmarsch der Roten Armee. Die Innenstadt und mit ihr die Hoditzstraße, in der Helmholtz aufgewachsen war, wurden größtenteils in Trümmer gelegt. Sein Geburtshaus und auch das Haus, in dem er aufgewachsen war, wurden aller Wahrscheinlichkeit nach zerstört.52 Nur Helmholtz’ ehemaliges Gymnasium sowie seine Wohnhäuser und Institute in Bonn und Heidelberg überstanden den Krieg. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die deutsche Wissenschaft und mit ihr das Helmholtz’sche Erbe einen historischen Tiefpunkt erreicht.
Vom geteilten Deutschland bis heute Die 1949 als Konsequenz aus dem Zweiten Weltkrieg gegründeten zwei deutschen Staaten Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik errichteten verschiedene gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Systeme und waren auch in der Bildung und Forschung verschieden organisiert. Auf beiden
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Seiten machten deutsche Wissenschaftler Gebrauch von Helmholtz’ Namen und Ansehen, um den Aufbau ihres jeweiligen Deutschlands, die Förderung ihres Forschungsgebiets oder auch ihre individuellen Karrieren voranzutreiben. Erste Anzeichen dafür, dass die historische Figur Helmholtz beim Wiederaufbau der Wissenschaften, vor allem der Physik und Medizin, dienlich sein sollte, gab es bereits vor der Gründung der zwei deutschen Staaten. Schon kurz nach dem Krieg hieß es in den Physikalischen Blättern, die Gründung der Helmholtz-Gesellschaft sei »eine Mahnung für unsere Zeit«, denn auch aktuell würden in Deutschland Gelder für die physikalisch-technische Forschung benötigt. 1947, also gut ein Jahrhundert, nachdem die Physikalische Gesellschaft zu Berlin gegründet worden war, erinnerte Brüche daran, wie oft Helmholtz vor ihr gesprochen hatte, und forderte aus Anlass des Jubiläums ihre Erneuerung. Ein Jahr später rekurrierte Brüche wieder auf Helmholtz und stellte Ähnlichkeiten zwischen ihm und dem britischen Physiker Ernest Rutherford fest. Wie er betonte, konnte eine einzelne Persönlichkeit eine ganze Ära prägen, und die Wissenschaft war an keine Nation gebunden. Die ersten 50 Jahre der Physikalischen Gesellschaft nannte er die »Helmholtzsche Ära«: »Es war die Zeit der klassischen und messenden Physik, die sich durch die zahlreichen Schüler von Helmholtz besonders in der Reichsanstalt fortsetzte.« Brüches Worte waren ein bemühter, aber vielleicht hilfreicher Versuch – in einem Deutschland, das zu einem Teil auch britisch besetzt war und einen moralischen und wissenschaftlichen Neuanfang anstrebte. Dass die Physikalischen Blätter Helmholtz als Vorbild hinstellten, entsprang auch dem Bemühen der Physikalischen Gesellschaft, sich selbst und ihre Forschung vom Naziregime zu distanzieren. Man wollte die Kollaboration mit dem Regime ausblenden, denn nun sollte der Wiederaufbau der Gesellschaft und der sozioökonomischen Grundlagen der Forschung im Vordergrund stehen. Planck versicherte in einem Beitrag, der posthum in den Physikalischen Blättern erschien, Helmholtz als ein Mann »von unbestechlichem Urteil« und »schlichtem Wesen« habe »die Würde und Wahrhaftigkeit seiner Wissenschaft« verkörpert. Er sei ein friedfertiger Mensch gewesen. Alsbald erinnerten sich auch andere westdeutsche Physiker an Helmholtz.53 1950/51 stand der 100. Jahrestag von Helmholtz’ Erfindung des Ophthalmoskops an, und Forscher in West- und Ostdeutschland nutzten – im Rahmen ihrer jeweiligen staatlich-gesellschaftlichen Einbindung – den Anlass, um an die große medizingeschichtliche Bedeutung dieses Instruments zu erinnern. Ebenfalls 1950 beging die Deutsche Akademie der Wissenschaften in Ostberlin als Nachfolgeinstitution der Preußischen Akademie der Wissenschaften ihren 250. Geburtstag und veröffentlichte aus diesem Anlass ein Buch mit Porträts ihrer berühmtesten Mitglieder – zu denen natürlich auch Helmholtz zählte. Damit wurde Helmholtz’ Erbe ausdrücklich für Ostdeutschland beansprucht und zur Legitimierung des neuen Staates eingesetzt.54 Tatsächlich hatte das ostdeutsche Regime vier wichtige Ins-
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titutionen und dingliche Hinterlassenschaften unter sich, mit denen es an Helmholtz’ Erbe anknüpfen konnte: die Berliner Universität, die Helmholtz-Statue, die Helmholtz-Medaille und den Helmholtz-Nachlass. 1949 erfolgte die Umbenennung von Helmholtz’ alter Universität, der Friedrich-Wilhelms-Universität, in »Humboldt-Universität zu Berlin«. Als 1960 deren 150-jähriges Bestehen gefeiert wurde, räumte Laue Helmholtz in einem Gang durch die Geschichte einen prominenten Platz im Gedenken ein.55 Jedoch wurde sein Standbild nicht auf seinen früheren markanten Platz im Vorhof zurückversetzt – damit hätte man seinen Namen auf Kosten von Marx, Engels und Lenin zu eng mit der Universität verbunden. Die Helmholtz-Medaille und das Helmholtz-Archiv waren in den Händen der Akademie. Erst 1954 fiel der Beschluss, dass die Medaille wieder vergeben werden sollte, aber wie bereits erwähnt, erfolgte die erste Verleihung nicht vor 1959, nach einer gut 40-jährigen Unterbrechung (die letzte Auszeichnung war 1918 erfolgt). Die Preisträger waren drei ordentliche Mitglieder der Akademie: Otto Hahn, Gustav Hertz und Laue, allesamt Honoratioren der deutschen Wissenschaft. Hahn war ein führender Kritiker der westdeutschen Nutzung von Nuklearenergie und der dortigen nuklearen Aufrüstung, Hertz war ostdeutscher Physikprofessor, und Laue war als offener Gegner der Nazis hervorgetreten. Von den 18 Personen, die bis 1990 die Helmholtz-Medaille erhielten, waren neun Deutsche und neun Ausländer. Die deutschen Preisträger setzten sich aus sieben Ostdeutschen und zwei Westdeutschen (Hahn und Laue) zusammen. Unter den neun ausländischen Preisträgern waren ein Däne (Niels Bohr), ein Brite (Paul Dirac), ein Franzose (Louis de Broglie) und sechs Sowjetbürger (Nikolai Bogoljubow, Viktor Hambarzumjan, Wladimir Fock, Andrei Kolmogorow, Pjotr Kapitza und Alexander Prochorow).56 Für die Annahme, dass bei der Verleihung neben wissenschaftlicher Befähigung und Verdienst auch andere Aspekte eine Rolle spielten, sprechen gleich mehrere Tatsachen: dass die Vergabe der Medaille erst in der post-stalinistischen Ära wiederaufgenommen wurde; dass der Kalte Krieg in vollem Gange war und besonders Ostdeutschland an qualifizierten Arbeitskräften regelrecht ausblutete, weshalb es verzweifelt um internationales Prestige bemüht war; dass ein Drittel der Ausgezeichneten Sowjetbürger (und mit einer Ausnahme allesamt Russen) waren und nur drei Preisträger aus dem sonstigen Ausland kamen (unter ihnen kein einziger Amerikaner). Anscheinend verfolgte die Akademie bei der Verleihung der Medaille auch einen politischen Plan: Sie gebrauchte Helmholtz’ Namen, um vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs das Ansehen der ostdeutschen und sowjetischen Forschung zu heben. Bis in die späten 1980er-Jahre beschränkte die Akademie den Zugang zum Helmholtz-Archiv: Nur eine Handvoll ausgewählter ostdeutscher Wissenschaftler erhielt Einsicht in die Papiere und nutzte diese auf eindeutig politische Weise im eigenen Interesse: Sie versuchten, die Helmholtz’schen erkenntnistheoretischen und wis-
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senschaftlichen Texte als Vorbereitung auf den Marxismus-Leninismus zu lesen, obgleich ihnen bewusst war, dass sich Helmholtz nicht mit den Gedanken und Schriften von Marx und Engels beschäftigt hatte (und sie womöglich nicht einmal kannte). 1971 dann gaben die ostdeutschen marxistischen Philosophen Herbert Hörz und Siegfried Wollgast zu Helmholtz’ 150. Geburtstag einen Band mit seinen philosophischen Vorlesungen und Aufsätzen heraus. In ihrer Einleitung präsentierten sie Helmholtz als zentrale Figur für die Erkenntnisphilosophie und für die Herausbildung einer »progressiven«, also »materialistischen« Weltanschauung. Durch seine physiologischen und philosophischen Aufsätze hatte Helmholtz angeblich in die erkenntnistheoretische Richtung gewiesen, die Marx, Engels und Lenin später zum dialektischen Materialismus ausbauten. Die Akademie der Wissenschaften beging den 150. Geburtstag ebenfalls durch verschiedene Veröffentlichungen, die sich Helmholtz’ kreativem Schaffen widmeten sowie seinem Bestreben, die verschiedenen Zweige der Wissenschaft zu vereinen. Zudem veröffentlichte die Humboldt-Universität 1973 eine Sammlung mit 14 Texten, die das Helmholtz’sche Werk aus der Sicht des dialektischen Materialismus und der modernen Wissenschaft beleuchteten. Die Beiträge stammten aus dem Kreis jener ostdeutschen marxistischen Ideologen, die so gerne Helmholtz’ Namen im Munde führten. Der für marxistisch-leninistische Philosophie zuständige Sektionsleiter an der Universität hoffte, die Aufsatzsammlung würde Helmholtz’ wissenschaftliche Arbeit und seine philosophische Sichtweise mit dem dialektischen Materialismus versöhnen, der für ihn die Vollendung des theoretischen Denkens darstellte. 1986 schließlich brachte eine Gruppe ostdeutscher Wissenschaftler eine (exzellente) Ausgabe des Briefwechsels zwischen Helmholtz und du Bois-Reymond heraus, für die sie ihre eigenen Bestände im Archiv der Akademie und Westberliner Bestände zusammenführten. Hörz und Wollgast verfassten erneut eine tendenziöse Einführung, welche die Briefe in einen materialistischen und marxistisch-leninistischen Kontext zu stellen versuchte.57 Westdeutsche Journalisten, Wissenschaftler und Institutsleiter gingen zwar weniger ideologiebefrachtet an Helmholtz heran als ihre ostdeutschen Kollegen, waren aber generell nicht weniger begierig, ihn für sich zu beanspruchen. So gedachte man seines 60. Todestags, und in dem biographischen Lexikon Die großen Deutschen gab es natürlich einen Eintrag zu Helmholtz. Die westdeutsche gelehrte Welt betrachtete Helmholtz eindeutig als großen Wissenschaftler und Mediziner, und die Heidelberger Universität und die Stadt Berlin stellten die historischen Bande heraus, die zwischen Helmholtz und ihnen bestanden.58 Auch im deutschen Alltagsleben der Nachkriegszeit spielte Helmholtz’ Name weiter eine Rolle. Die Stadt Potsdam erinnerte mit einer »Helmholtzstraße« an ihn und widmete ihr Viktoria-Gymnasium in »Hermann-von-Helmholtz-Gymnasium Potsdam« um. 1945 benannte auch Heidelberg eines seiner Gymnasien nach Helmholtz und war allgemein bestrebt, seinen Namen mit der Stadt in Verbindung
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zu bringen. So hat selbstverständlich auch Heidelberg eine »Helmholtzstraße«, und in Berlin gibt es sogar zwei davon, plus einen »Helmholtzpark«. Das Harnack-Haus in Dahlem besaß bis 1953 einen großzügigen, nach Helmholtz benannten Hörsaal. Heute gibt es in mindestens neun deutschen Städten ein »Helmholtz-Gymnasium«, und mindestens 40 Städte (darunter alle größeren) haben eine »Helmholtzstraße«. Viele davon befinden sich in der Nähe von Universitäten oder anderen wissenschaftlichen Einrichtungen.59 Auch nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 behielt Helmholtz seine Rolle als Ikone der Wissenschaftskultur. Sein 100. Todestag (1994) rückte ihn wieder in die öffentliche Aufmerksamkeit. Die Deutsche Bundespost gab ihm zu Ehren zwei Briefmarken mit seinem Porträt heraus, und das Helmholtz-Standbild fand zurück auf seinen alten Platz im Vorhof der Humboldt-Universität. Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, wie ihr neuester, vollständiger Name lautet, begann – nach ihrer Neuordnung im Jahre 1991 im Gefolge der Wiedervereinigung – erneut mit der Verleihung der Helmholtz-Medaille, ihrer höchsten Auszeichnung. Diese wird nun alle zwei Jahre vergeben. Von den zwölf zwischen 1994 und 2016 verliehenen Medaillen gingen sieben an deutsche und fünf an ausländische Forscher (drei US-Amerikaner, ein Brite und ein Kanadier). Das Helmholtz-Porträt von Knaus (1881) und Werners Gemälde Kaiser Friedrich als Kronprinz auf dem Hofball 1878 (1895), auf dem Helmholtz prominent zu sehen ist, hängen nun in der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Musemsinsel, dem kulturellen Herzen Berlins. (Siehe Abb. 19.2 und 21.1.) Die Stadt Heidelberg richtete im Gedenken an ihre enge Verbindung zu Helmholtz ein Symposium aus, das sich dessen Heidelberger Zeit widmete, und unterstützte eine entsprechende Veröffentlichung eines Heidelberger Forschers.60 Seit den späten 1960er-Jahren erarbeiteten amerikanische, britische und israelische Wissenschaftshistoriker und -philosophen, denen bald Kollegen in Frankreich, Deutschland, Italien und anderen europäischen Ländern folgten, streng wissenschaftliche, stärker kontextualisierte und weniger heroisierende Helmholtz-Studien. Es ging nun nicht mehr darum, das weite Spektrum von Helmholtz’ wissenschaftlichen Leistungen (zum x-ten Male) aufzulisten, oder seine philosophischen Ansichten wiederzugeben, oder sein Leben und Wirken als Heldengeschichte nachzuerzählen, losgelöst vom historischen Umfeld und den überlieferten Dokumenten. Die Entdeckung oder Neuveröffentlichung von Helmholtz’ Briefen, der Zugang zu Archivmaterial, insbesondere aus dem Besitz der Akademie der Wissenschaften, und dessen oft erstmalige Verwendung ließen die moderne kritische Forschung zu Helmholtz ein Niveau erlangen, wie es die Wissenschaftshistoriker und -philosophen auch für andere berühmte Forscher wie Galilei, Newton, Darwin und Einstein erreicht haben. 1993/94 erschienen zwei bedeutende Sammelwerke zu Helmholtz, die das Bestreben voranbrachten, sein Leben und Werk im Sinne einer modernen
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Historiographie darzustellen und dabei einem wissenschaftlichen, kritischen und kontextbezogenen statt einem rein idealisierenden Ansatz zu folgen.61 Als jüngere Entwicklung wurde 1995 die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren ins Leben gerufen. Mit derzeit 18 thematisch ganz unterschiedlich ausgerichteten Forschungszentren ist sie (in puncto Mitarbeiterzahl und Budget) zur größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands angewachsen.62 Indem ihre Gründer den Namen Helmholtz für die Gemeinschaft wählten, wollten sie die Wichtigkeit einer langfristigen und interdisziplinären (technologischen und wissenschaftlichen) Grundlagenforschung in Deutschland betonen und zugleich eine Zusammenarbeit mit europäischen und nichteuropäischen Partnern anbahnen. Auch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt als direkte Nachfolgerin der Reichsanstalt hat stets ihre historische Verbindung zu Helmholtz hervorgehoben. Seit 1973 verleiht sie jährlich den Helmholtz-Preis für herausragende Leistungen auf dem Gebiet des Messwesens in der Physik, Chemie oder Medizin. Auf institutioneller Ebene hat die Helmholtz-Gemeinschaft den Namen von Helmholtz weitergetragen und auf eine Weise genutzt, wie auch andere kulturelle Größen für bestimmte Einrichtungen und deren Ideale Pate stehen: Goethe für das Goethe-Institut und die Vermittlung deutscher Sprache und Kultur, Humboldt für die Alexander von Humboldt-Stiftung und die Förderung einzelner deutscher und ausländischer Forscher, Planck für die vielen Institute, welche die Max-Planck-Gesellschaft auf dem Gebiet der Grundlagenforschung betreibt. Diese öffentliche und institutionelle Prominenz des Namens »Helmholtz« hat, ipso facto, die Erinnerung an ihn zum Gedenken an eine mythische Figur, ein Idol, eine Ikone aufgebauscht: Helmholtz ist zum Schutzpatron geworden. Indem sie Helmholtz’ Namen und Leistung aus dem persönlichen und historischen Kontext herauslösen und damit manch andere übergehen, die für oder wider Helmholtz agierten, denen er Erkenntnisse zu verdanken hatte oder mit denen er konkurrierte, haben diese Institutionen letztlich die früheren Bestrebungen fortgesetzt, ihn zu einer Art Halbgott zu machen, so wie es auch mit Goethe, Humboldt und Planck geschehen ist. Alles in allem kann man sagen, dass viele versucht haben, Helmholtz’ Erbe im Sinne ihrer eigenen Zwecke zu formen: Helmholtz’ Familie, Teile der deutschen Wissenschaftsgemeinde, deutsche Institutionen verschiedenster Art, Historiker, Philosophen, Journalisten und politische Regime vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik. Sie alle haben (kollektiv gesprochen) daran mitgewirkt, dass aus Helmholtz in der deutschen öffentlichen Kultur eine mythische Gestalt, ein Idol oder eine Ikone wurde. Sie haben seinen Namen gebraucht (und manchmal auch missbraucht), um ihre jeweiligen familiären, wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Ziele durchzusetzen, und oftmals haben sie dabei Hagiographien statt kritischer historischer Studien produziert. Das Ganze ist kein Einzelfall: Wie die Biographien zahlreicher anderer Wissenschaftler aus der Zeit seit dem 16. Jahrhundert zeigen, ist
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Helmholtz weder der erste noch der letzte, der auf solch überhöhende Weise porträtiert wurde. Die aktuelle Wissenschaftsgeschichte jedoch hat einen anderen, stärker kontextbezogenen und kritischen Ansatz gewählt, um zu einem Verständnis der Akteure zu gelangen, die seit der Frühmoderne die wissenschaftliche Erkenntnis vorangebracht haben: Sie will über ein oftmals interessegeleitetes Andenken hinausgehen und verstehen, wie Forscherleben entstehen und geformt werden und wie diese Leben wiederum die wissenschaftlichen und kulturellen Welten hervorgebracht und geformt haben, in denen sie lebten und arbeiteten.
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Danksagung Es ist mir eine große Freude, den vielen Institutionen und Einzelpersonen, die mich bei der Arbeit an meinem Buch unterstützt haben und es damit mit ermöglicht haben, öffentlich meinen Dank auszusprechen. Großzügige finanzielle Förderung erhielt ich von der National Endowment for the Humanities (RH-21168 – 94), der National Science Foundation (SES-0450718) und vom (mittlerweile leider aufgelösten) Dibner Institute for the History of Science and Technology am Massachusetts Institute of Technology. Darüber hinaus erhielt ich umfangreiche Hilfe und weitere finanzielle Unterstützung von der University of Nebraska–Lincoln (UNL). Ich danke auch den vielen Archivaren, Bibliothekaren und anderen Mitarbeitern in den Archiven und Bibliotheken, die im Kapitel »Archivbestände« aufgeführt sind. Besonders erwähnen möchte ich das Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, das den Großteil des Helmholtz’schen Nachlasses beherbergt. Ich bin drei aufeinanderfolgenden Leitern – Klaus Klauss, Wolfgang Knobloch und Vera Enke – sowie den Mitarbeitern des Archivs sehr für die Hilfestellung verbunden, die sie mir während zahlreicher Arbeitsbesuche dort über viele Jahre hinweg gewährt haben. Ebenso unverzichtbar waren die Fernleihdienste der UNL. Einige Passagen dieses Buches stützen sich auf meine früheren Arbeiten über Helmholtz, und ich danke dem Franz Steiner Verlag für die Erlaubnis, Teile der Einleitung zu meiner Edition der Briefe Hermann von Helmholtz’ an seine Eltern (Letters of Hermann von Helmholtz to His Parents: The Medical Education of a German Scientist, 1837 – 1846; Cahan 1993b) hier für Teile der Kapitel 1 bis 4 adaptieren zu dürfen. Cambridge University Press danke ich für die Genehmigung, meine Ausführungen über Helmholtz und die Reichsanstalt aus meinem Buch über diese Institution (Cahan 1989; Copyright: Cambridge University Press, Nachdruck mit Genehmigung des Verlags) zur Verwendung in Teilen der Kapitel 24 und 28 anpassen zu dürfen. Für entsprechende Erlaubnis, Teile aus Aufsätzen verwenden zu dürfen, bedanke ich mich bei De Gruyter (Cahan 1999), Taylor and Francis (Cahan 2010) und der Royal Society of London (Cahan 2012, 2012a). Ich danke auch für die Zugänglichmachung von Materialien aus dem Besitz der Archive, Bibliotheken und anderen Institutionen, die im Kapitel »Archivbestände« aufgeführt sind, sowie für die Erlaubnis der Museen, Archive, Bibliotheken, Verlage und anderer Rechteinhaber, Abbildungen und Objekte aus ihren Werken oder Beständen hier wiedergeben zu dürfen. Darüber hinaus danke ich den vielen Kollegen, Freunden und Bekannten, die mir geholfen haben, Briefe von, an oder über Helmholtz oder etwa auch einschlägige Sekundärquellen ausfindig zu machen. Die meisten dieser Nachforschungen erfolgten schon vor langer Zeit, als meine Untersuchungen noch in einem frühen
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Stadium waren, und manchmal war unser Kontakt auch nur von kurzer Dauer. Daher vermute ich, dass sich einige der hier Genannten vielleicht gar nicht mehr daran erinnern werden, dass sie mir einmal geholfen haben. Dennoch verdienen ihre Hilfsbereitschaft und die informativen Hinweise, die sie mir gegeben haben, Anerkennung. Mein diesbezüglicher Dank richtet sich an Simon Bailey, Marco Beretta, Rainer Bloch, Rainer Brömer, Joe Burchfield, Kenneth Caneva, Enrique M. De La Cruz, Peter Dohrn, Ariane Dröscher, Michael Eckert, John T. Flynn, D. W. Fostle, Christiane Groeben, Ralf Hahn, Jane Harrison, Werner Heegewaldt, Dieter Hoffmann, Giorgio Israel, Paul Israel, Frank A. J. L. James, Erika Krausse, Richard L. Kremer, Peter T. Landsberg, Kathryn M. Olesko, Theodore Porter, David Robinson, Henning Schmidgen, Winfried Schultze, Henry Z. Steinway, William Y. Strong, Paul Theerman, R. Steven Turner, Sir Ralph Verney, Scott Walter und David B. Wilson. Besonderen Dank schulde ich Ruprecht von Siemens für die Überlassung von Kopien von Helmholtz’ Originalaufsätzen aus dem hebräischen und deutschen Teil seiner Abschlussprüfungen am Gymnasium und ganz allgemein für Gespräche über seinen Großvater mütterlicherseits (Hermann von Helmholtz), die Familie Helmholtz und Helmholtz’ literarischen Nachlass. Dem verstorbenen Hermann Ehret danke ich für seine unschätzbar wertvolle Transkription von Briefen (vor allem derjenigen von Ferdinand Helmholtz an Immanuel Herrmann Fichte), Gabriel Finkelstein für den Hinweis auf zahlreiche, Helmholtz (und andere Themen) betreffende Punkte in der Korrespondenz von Emil du Bois-Reymond mit Dritten, und Guy Strutt, dem Enkel von Lord Rayleigh und Verwalter des Rayleigh Archive in Terling Place, für die Bereitstellung von Informationen über Helmholtz’ dortigen Besuch. Ich danke zudem Henry Z. Steinway und Guy Strutt für die Erlaubnis, Dokumente aus den Steinway- und Rayleigh-Archivsammlungen zu zitieren. Soweit nicht anders angegeben, sind alle Übersetzungen aus dem Deutschen (sowie aus dem Französischen und Italienischen) ins Englische meine eigenen. Wo ich es für ratsam hielt, habe ich nicht gezögert, geringfügige Änderungen an früheren englischsprachigen Übersetzungen (einschließlich meiner eigenen) vorzunehmen, um diese, wie ich hoffe, für die Leser verständlicher zu machen. Meine sehr fähigen studentischen Hilfskräfte Robert Nichols, Andrew Hansen und Aaron Pattee, die alle vom UCARE-Programm an der UNL gefördert wurden, leisteten wertvolle Forschungsassistenz, ebenso wie Jenna Schmaljohn, Doktorandin der Geschichte an der UNL. Ranelle Maltas und Brad Severa vom New Media Center der UNL gebührt ebenfalls Dank für ihre Hilfe bei der Einrichtung des Manuskripts dieses Buches. Auf einer stärker sachbezogenen Ebene danke ich Paolo Brenni und David Pantalony für ihr Expertenwissen über verschiedene akustische und optische Instrumente und Apparate des 19. Jahrhunderts, nicht zuletzt über Helmholtz’ eigene. Kathryn M. Olesko korrigierte mich freundlicherweise in einer Reihe von sachli-
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chen Punkten oder gab wertvolle Anregungen dazu. Ich danke Gabriel Finkelstein für seine sorgfältige Lektüre eines ersten Entwurfs der Kapitel 1 bis 6 und für unsere zahlreichen gehaltvollen Diskussionen über Helmholtz und die Wissenschaft im Deutschland des 19. Jahrhunderts, Alexandra Hui für ihre ebenfalls sorgfältige Lektüre von Kapitel 12, Bernard Lightman für seine genaue Lektüre und nützlichen Kommentare zu Kapitel 13 (sowie zu anderen Abschnitten dieses Buches über die Wissenschaft des Viktorianischen Zeitalters und über John Tyndall) und Klaus Hentschel für seine kritische Lektüre des Epilogs. In Reaktion darauf habe ich sachliche Korrekturen vorgenommen und nach bestem Vermögen die fundierten Kritikpunkte aller einzuarbeiten versucht. Ebenso danke ich Kenneth Caneva für viele herausfordernde und erhellende Diskussionen über Helmholtz im Allgemeinen und über die Geschichte des Energieerhaltungssatzes im Besonderen. Wie meine Endnoten zeigen, hat es mir die Arbeit vieler Gelehrter aus Vergangenheit und Gegenwart ermöglicht, mein Verständnis von Helmholtz’ intellektuell breit gefächertem, komplexem und oft schwierigem wissenschaftlichen Werk und seinen philosophischen Ideen zu vertiefen. Die Anmerkungen sind daher nicht nur als Beleg für die im Text aufgestellten Behauptungen gedacht, sondern auch als dankbare Anerkennung für die Anleitung, die ich in den genannten Schriften gefunden habe, und für die Befunde und gelehrten Analysen, zu denen in vielen Fällen andere vor mir oder unabhängig von mir gelangt sind. In dieser Hinsicht möchte ich besonders hervorheben, welche Hilfe mir Olivier Darrigols maßgebliche Untersuchungen zur physikalischen Wissenschaft und der Messtheorie des 19. Jahrhunderts gewesen sind, und zwar sowohl mit Blick auf Helmholtz’ eigene Schriften als auch, was ihren größeren wissenschaftlichen Kontext angeht. Kenneth Caneva, Olivier Darrigol und Robert J. Richards lasen große Teile des vorletzten Entwurfs dieses Buches gegen, und jeder von ihnen brachte bei der Lektüre sein tiefes Verständnis der Wissenschaft und Philosophie des 19. Jahrhunderts mit ein. Ich habe mich durchweg bemüht, ihren herausfordernden Kommentaren und Kritiken gerecht zu werden und dennoch meinen eigenen Ansichten treu zu bleiben, und danke ihnen dafür, dass sie wertvolle Zeit von ihrer eigenen wissenschaftlichen Arbeit abgezweigt haben, um die meine kritisch zu prüfen. Zuletzt bin ich auch den beiden Gutachtern der University of Chicago Press sehr dankbar, die meinen Entwurf so einfühlsam gelesen haben. Sie haben mich daran erinnert und mich dazu ermutigt, in Bezug auf Helmholtz die großen Themen in den Vordergrund zu stellen, und ich habe mich bemüht, das zu tun. Für ihre allgemeine moralische Unterstützung und Ermutigung in verschiedenen Phasen des langen Reifungsprozesses dieses Buches möchte ich meinen Freunden und Kollegen Jed Buchwald, Robert Kargon, Richard L. Kremer, Laura Otis und Robert J. Richards sowie mehreren Angehörigen des Fachbereichs Geschichte an der UNL (Thomas »Tim« Borstelmann, James D. Le Sueur, Timothy R. Maho-
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ney, William Thomas III und Kenneth J. Winkle) danken. Mein Dank gebührt auch Jeannette Jones, einer weiteren Kollegin und Freundin aus dem Fachbereich, für ihren ausgezeichneten Rat in einem kritischen Moment bei der Realisierung dieses Werks. Ich möchte außerdem meinen guten Freunden in Berlin, Friedrich und Margarethe Hagemeyer und Jens und Eva Reich, für ihre herzliche Gastfreundschaft während meiner im Laufe der Jahre zahlreich gewordenen Aufenthalte dort, für ihre allgemeine Ermutigung zu meiner Arbeit und dafür, dass sie mir etwas von ihrem unschätzbaren Wissen über die Vergangenheit und die Gegenwart ihrer geliebten Stadt vermittelt haben, von Herzen danken. Karen Merikangas Darling, Cheflektorin im Sachbuchbereich der University of Chicago Press, hat dieses Projekt über weite Strecken seiner langen Entstehungsgeschichte hinweg begleitet. Ihr Glaube daran und ihre allgemeine Unterstützung haben sich als absolut unerlässlich erwiesen. Ich bin ihr zu großem Dank verpflichtet. Ebenso danke ich Lois Crum für ihr hervorragendes Lektorat. In diesem Zusammenhang möchte ich auch der UNL (sowohl dem College of Arts and Sciences als auch dem Research Council) für ihre großzügigen finanziellen Zuschüsse, die die Veröffentlichung dieses Buches ermöglicht haben, meinen Dank aussprechen. Abschließend und vor allem anderen möchte ich meiner Familie für die Unterstützung und Liebe danken, die sie mir gegeben hat, und das nicht nur während der Recherche für dieses Buch und seiner Niederschrift. Meine Frau, Jean Axelrad Cahan, hat mich immer unterstützt, mir mit ihrem exzellenten Geschmack (und das nicht nur in wissenschaftlichen Dingen) ausgeholfen und die langen Jahre mit mir durchgestanden, die der Realisierung dieses Projekts gewidmet waren. Sie las den gesamten Text als Kommentatorin, Kritikerin und Meisterin des literarischen Stils. Kurzum, ich danke ihr für ihre Liebe. Meine Liebe für sie lässt sich schlicht nicht in Worte fassen. Unsere Tochter Lara war mir ebenfalls eine treue und liebevolle Unterstützerin, ebenso wie meine Schwester Elizabeth Grace Aron, die in dieser Hinsicht die Rolle übernahm, die einst unsere Eltern Haskell und Sylvia Cahan gespielt haben. Ich danke ebenso meinem Schwager Stan Aron für seine unerschütterliche Unterstützung. Obwohl die Recherchen für dieses Buch und seine Niederschrift ohne die großzügige Hilfe der oben und im Kapitel »Archivbestände« aufgeführten Institutionen nicht möglich gewesen wären, ebenso wenig wie ohne die Kollegialität, Freundschaft, Hilfe und guten Ratschläge vieler Einzelner, ist es keine bloße Floskel zu sagen, dass ich die volle Verantwortung für die in dieser Studie dargelegten Fakten und ihre dargebotenen Interpretationen übernehme.
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Abkürzungen AD AdK AH
Anton Dohrn Akademie der Künste, Berlin Anna Helmholtz (geb. von Mohl) AHA Akten der Historischen Abteilung des Akademiearchivs, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin AJE Alexander John Ellis AS Annals of Science BAAS British Association for the Advancement of Science BGLA Badisches Generallandesarchiv, Karlsruhe BSBMH Abteilung für Handschriften und seltene Drucke, Bayerische Staatsbibliothek, München CH Caroline Auguste Helmholtz CL Carl Ludwig CR Comptes Rendus Hebdomadaires des Séances de l’Académie des Sciences CUL Department of Manuscripts and University Archives, Cambridge University Library Dep. 5 Handschriftenabteilung, Depositorium Runge-du BoisReymond, Haus Potsdamer Straße, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin (Nachlass Rungedu Bois-Reymond) DM Handschriften-Bestand, Archiv, Deutsches Museum, München
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EB EdBR ESH
Ernst Brücke Emil du Bois-Reymond Ellen von Siemens-Helmholtz (geb. Helmholtz) EUL Helmholtz-Briefe, Gen. 2169, Special Collections, Edinburgh University Library, Edinburgh, UK FCD Franciscus Cornelis Donders FH August Ferdinand Julius Helmholtz GEGHL MS Vault Eliot, George Henry Lewes, George Eliot and George Henry Lewes Collection, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University, New Haven, CT GM Gustav Magnus GRK Gustav Robert Kirchhoff GSPK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin (sofern nicht anders angegeben, wird hier auf die Signatur I. HA Rep. 75Va verwiesen) GUL William Thomson Papers, University of Glasgow Library, Glasgow, UK HBJ Henry Bence Jones HeHz Heinrich Hertz HER Henry Enfield Roscoe HH Hermann Ludwig Ferdinand Helmholtz (im Januar 1883 in den Adelsstand erhoben, Familienname seitdem »von Helmholtz«) HK Hermann Knapp HKL Hermann Knapp Letters, J.
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Abkürzungen
M. Wheeler Library, Edward S. Harkness Eye Institute, College of Physicians and Surgeons, Columbia University, Department of Ophthalmology, New York Presbyterian Hospital, New York HN Hermann von Helmholtz Nachlass, Akademiearchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin HT Heinrich von Treitschke HUB Universitätsarchiv, Humboldt-Universität, Berlin IHF Immanuel Herrmann Fichte ISZ Ida Freifrau von SchmidtZabiérow (geb. von Mohl) JT John Tyndall KM Kultusministerium (Königliches Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten; alle Dokumente des KM werden im GSPK aufbewahrt) KP Kelvin Papers, University of Glasgow Library LK Leo Koenigsberger, Hermann von Helmholtz, 3 Bde., Braunschweig: Friedrich Vieweg, 1902 – 1903 MM Mary von Mohl OH Olga Helmholtz (geb. von Velten) PB Physikalische Blätter PGT Peter Guthrie Tait PM Pauline von Mohl RC Rudolph Clausius RH Robert Helmholtz RKUHA Archiv, Ruprecht-Karls-
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Universität Heidelberg, Heidelberg RL Rudolf Lipschitz RM Robert von Mohl RSC Henry Roscoe Collection, Library, Royal Society of Chemistry, London SBPK Handschriftenabteilung, Haus Potsdamer Straße, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin SF Archiv, Siemens-Forum, München (ehemals Siemens-Archiv) SHPS Studies in History and Philosophy of Science SP Steinway Papers, Fiorello H. LaGuardia Archives, LaGuardia Community College, City University of New York, Long Island City, NY SZADNA Archiv, Stazione Zoologica »Anton Dohrn«, Neapel TAED Thomas A. Edison Papers, Digital Edition, http://edison. rutgers.edu/singldoc.htm TAEM Thomas A. Edison Papers, Rutgers University, Piscataway, NJ, Mikrofilm-Edition TM Theodor Mommsen TMN Theodor-Mommsen-Nachlass, Handschriftenabteilung, Haus Potsdamer Straße, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin TPRI Tyndall Papers, Royal Institution of Great Britain, London UCL Manuscripts Room, Library, University College London
A
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VG VR
VV WA
Bibliothèque de Genève, Ville de Genève Hermann von Helmholtz, Vorträge und Reden, 5. Aufl., 2 Bde., Braunschweig: Friedrich Vieweg, 1903 Archiv, Vieweg-Verlag, Wiesbaden Hermann von Helmholtz, Wissenschaftliche Abhandlungen, 3 Bde., Leipzig: Johann
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WGA
WLBS
WT WTP
Ambrosium Barth, 1882, 1883, 1895 Archiv, Walter de Gruyter & Co. (ehemals Georg Reimer), Berlin Cod. Hist. 4 593, Handschriftenabteilung, Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart William Thomson William Thomson Papers, CUL
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Anmerkungen Kapitel 1
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Anmerkungen Einführung 1 Weitere Biographien beispielsweise von McKend-
rick 1899; Reiner 1905; Ebert 1949; Lazarev 1959 (Russisch); Lebedinskii, Frankfurt und Frenk 1966 (Russisch); Rechenberg 1994 und das semibiographische Werk von Meulders 2001 (Französisch), 2010 (Englisch). 2 Diese Distichen aus Schillers »Der Spaziergang« (1795) gehörten zu Helmholtz’ liebsten Gedichtzeilen. Er hat sie lebenslang wieder und wieder zitiert. Siehe Kapitel 21, Anmerkung 63. 3 HH 1891, S. 9. 4 Cahan 1993.
Kapitel 1 1 [Loewy] 1894, S. 1044; EdBR 1912, Bd. 2, S. 518; ESH 1929, Bd. 1, S. 83 f.; Cahan 1993b, Tafeln 3 und 4; FH an IHF, 10. September 1819, WLBS, 1e, Nr. 180; FH an IHF, 3. November 1821, WLBS, Nr. 185 (zweites Zitat); FH an IHF, 10. Oktober 1833, ebd., Nr. 196; IHF an HH, 7. Juni 1859, in: HN 145; HH 1886, Bd. 2, S. 314; 1891, Bd. 1, S. 17; Epstein 1896, S. 39. 2 Lenz 1910 – 1918, Bd. 1, S. 490 – 492; Fuchs 1990, v. a. S. 182; Clark 2007, S. 362 f., 374; FH an IHF, 16. Juni 1813, WLBS, 1e, Nr. 179; HH 1995, S. 343 (letztes Zitat). 3 Johann Gottlieb Fichte an FH, 2. Januar 1814, in: Fichte 1967, Bd. 2, S. 609 f.; Schulprogramm 1857, S. 22; Kusch 1896, S. 37 f.; Otto Helmholtz in: Epstein 1896, S. 38. 4 Herrmann-Schneider 1928, S. 1; Johanne Fichte an FH, 21. Juli 1815, WLBS5, 1; FH an Johanne Fichte, 25. August 1815, WLBS5, 2. 5 FH an IHF, 10. September 1819, WLBS, 1e, Nr. 180; Otto Helmholtz, in: Epstein 1896, S. 40; Herrmann-Schneider 1928, S. 3. 6 HH, »Curriculum vitae«, in: Kusch 1896, S. 26, Erwähnung des Großvaters mütterlicherseits, jedoch kein Hinweis auf die angloamerikanische Familie Penn; HH an Norman Lockyer, 28. August 1876, Lockyer Collection, University Library, University of Exeter, Exeter, UK (Zitat). 7 CH an IHF, o. D. (ca. 1822 – 1823), WLBS, 1e, Nr. 200; Otto Helmholtz in: Epstein 1896, S. 40; IHF an Eduard Schuderoff, 17. Mai 1820, WLBS, 2, Nr. 5; IHF an Schuderoff, 28. Januar 1820, ebd., Nr. 3 (fünftes Zitat); IHF an Schuderoff, 10. März 1820, ebd., Nr. 4.
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8 FH an IHF, 12. Oktober 1820, WLBS, 1e, Nr. 181. 9 Howitt 1842, S. 434 – 439; Springer 1878, S. 242 – 247; Holmsten 1971. 10 Haeckel 1912, S. 119 – 140; Müller 1968, S. 25 – 30; Holmsten 1971, S. 100 – 105; Barclay 1995, S. 42 – 44, für diesen und den vorigen Absatz. 11 Paepke 1969, S. 112, 119 – 121; Lammel 1993, S. 47 – 49, 128 f.; Adress-Kalender 1837, S. 34; Cahan 1993b, S. 104, Anm. 5; Wirth 1965, S. 81; HH 1891, S. 6 f.; Kusch 1896, S. 35 – 39. 12 FH an IHF, 12. Oktober 1820, WLBS, 1e, Nr. 181; Cahan 1993b, Tafel 4; Kohut 1884, S. 722; Schulprogramm 1839, S. 8; Gesamtkirchenbuch der Heilig-Geist-Kirche zu Potsdam, Taufen Jahrgang 1821, Nr. 53, S. 98; FH an IHF, 3. April 1823, WLBS, 1e, Nr. 191. 13 FH an IHF, 30. September 1821, WLBS, 1e, Nr. 184; HH 1995, S. 358. 14 Mielke 1972, Bd. 1, S. 5, 57, 59; Bd. 2, S. XXV, Tafel 73; FH an IHF, 12. Oktober 1822, WLBS, 1e, Nr. 187; ebd., Nr. 181; FH an IHF, 6. August 1821, ebd., Nr. 183. 15 FH an IHF, 12. Oktober 1822; FH an IHF, 19. Februar 1823, WLBS, 1e, Nr. 189; Epstein 1896, S. 38, 40, 192. 16 FH an IHF, o. D. (vermutlich Anfang 1822), WLBS, 1e, Nr. 182; FH an IHF, 28. Juni 1822, ebd., Nr. 186 (zweites Zitat); FH an IHF, 12. Oktober 1822 (drittes, viertes und fünftes Zitat). 17 FH an IHF, 25. Dezember 1822, ebd., Nr. 188. 18 FH an IHF, 19. Februar 1823, ebd., Nr. 189 (erstes bis fünftes Zitat); FH an IHF, 26. Februar 1823, ebd., Nr. 190 (sechstes Zitat); FH an IHF, 3. April 1823, ebd., Nr. 191 (siebtes Zitat). 19 CH an IHF, o. D. (vermutlich Spätwinter oder Frühling 1823), ebd., Nr. 200. 20 Epstein 1896, S. 38. 21 FH an IHF, 23. August 1823, WLBS, 1e, Nr. 192; FH an IHF, 28. September 1823, ebd., Nr. 193; Cahan 1993b, S. 108, Anm. 6, Tafel 4. 22 FH an IHF, 30. Dezember 1823, WLBS, 1e, Nr. 194; Cahan 1993b, Tafel 4; ESH 1929, Bd. 1, S. 83 f.; Otto Helmholtz in: Epstein 1896, S. 38, 40; Schulprogramm 1837, S. 56; Helmholtz 1837, S. 24 (Zitat); FH an IHF, 10. Oktober 1833, WLBS, 1e, Nr. 196. 23 Hansemann 1899, S. 5; »Die Enthüllung« 1899, S. 557; HH, »Curriculum vitae«, in: Kusch 1896, S.
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Anhang
26 (zweites bis viertes Zitat); HH 1891, S. 6 (erstes und fünftes bis siebtes Zitat); Helmholtz’ Zitate in: Zobeltitz 1891, S. 770 (achtes bis zehntes Zitat). 24 Kusch 1896, S. 35; HH 1891, S. 7 (erstes Zitat); 1868a, S. 354 f.; 1855b, S. 114 (zweites Zitat). 25 Craig 1978, S. 187 f.; HH 1891, S. 6 f. (Zitate).
Kapitel 2 1 Schulprogramm 1831, S. 43 f., 47, 49; 1832, S. 3, 18 – 22, 25, 27; 1833, S. 20 – 23, 27 – 29; 1839, S. 1 – 8. 2 Blume 1834, S. 25, 27, 29 f.; Schulprogramm 1835, S. 1 – 20, 23 (Zitate), 27. 3 Schulprogramm 1827, S. 24; Kusch 1896, S. 37; Schulprogramm 1828, 22 f. 4 Schulprogramm 1825, S. 12 f.; 1827, S. 20; 1828, S. 22 f.; 1829, S. 22 – 25, 27; FH an IHF, S. 26, Februar 1823, WLBS, 1e, Nr. 190; Otto Semler, in: Epstein 1896, S. 192; Otto Helmholtz, in: Epstein 1896, S. 39. 5 Kusch 1896, S. 17, 37 f.; Otto Helmholtz in: Epstein 1896, S. 38 f.; Clark 2007, S. 350 – 353, 362 – 365, 374, 378 – 380, 383 – 387; HH 1891, S. 7 (erstes Zitat); Schulprogramm 1857, S. 22 (zweites Zitat). 6 Otto Helmholtz, in: Epstein 1896, S. 39; Otto Semler ebd., S. 192; HH in: Wiedemann 1989, S. 134 f. (Zitat). 7 Helmholtz 1837, S. 1 f. (erstes bis drittes Zitat), 3, 5 (letzte drei Zitate), 17. 8 Ebd., S. 6 – 8. 9 Ebd., S. 8 – 12 (erstes Zitat auf S. 8, zweites auf S. 11), 28 (drittes Zitat). 10 Ebd., S. 13 – 16, 37. 11 Ebd., S. 21 – 24. 12 Ebd., S. 29 – 32. 13 Ebd., S. 32 – 36. 14 HH Zitate, in: Epstein 1896, S. 192 f.; Otto Helmholtz ebd., S. 39; vgl. ebd., S. 192; AH an MM, zwischen 2. Januar und 21. Februar 1862, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 102 f. (Zitat auf S. 102). 15 Kusch 1896, S. 23 (erstes und zweites Zitat); FH an IHF, 10. Oktober 1833, WLBS, 1e, Nr. 196; zur Selbstkontrolle und Wissenschaft, vgl. Daston und Galison 2007. 16 HH, »Curriculum vitae«, in: Kusch 1896, S. 25 f. 17 Ebd., 25 f. (Zitate), S. 27; HH 1891a, S. 205 f. 18 Kusch 1896, S. 24 f., 27; Schulprogramm 1837, S. 45 – 53; HH, »Curriculum vitae«, in: Kusch 1896, S. 27 (Zitate).
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19 HH 1891, S. 6 f. (erstes bis viertes Zitate); HH, »Curriculum vitae«, in: Kusch 1896, S. 25, 27, 29; HH 1891a, S. 202 (fünftes und sechstes Zitat), 205 f. 20 HH 1891, S. 7 (Zitate), 13; HH an RH, 4. Juli 1880, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 248 – 250, (Zitat auf S. 249). 21 HH 1886, S. 314 (erstes Zitat); 1891, S. 7 – 9 (zweites Zitat auf S. 8); 1871a, S. 41; Epstein 1896, S. 38. 22 Siehe Ansprachen 1892, S. 21; HH an CH, 26. Juli 1837, in: Cahan 1993b, S. 38 – 40; HH 1891, S. 7 – 9 (erstes Zitat auf S. 8, zweites auf S. 9), 17. 23 HH 1891, S. 17 (Zitat); vgl. Ansprachen 1892, S. 21; HH an CH, 26. Juli 1837, in: Cahan 1993b, S. 38 – 40; HH 1891, S. 7 – 9. 24 HH, »Curriculum vitae«, in: Kusch 1896, S. 27, 36; Blume 1834, S. 23; Olesko 1989, S. 104 – 112, 116 f.; 1991; Dirichlet 1881, S. 3 f.; Koenigsberger 1904, S. 2 – 5; Meyer 1838; HH 1883, S. 406; 1847a, S. 73 f.; 1891, S. 8 (Zitat). 25 HH an FH, 16., 20. Juli 1838, in: Cahan 1993b, S. 41 – 43; ESH 1921. 26 Kusch 1896, S. 6, 29 – 34 (Zitate auf S. 31); Meyer, in: Hirschberg 1921, S. 1116; HH 1891a, S. 207; HH, Aufsätze für die Abschlussprüfungen in Hebräisch und Deutsch, in: Unterlagen der Familie Siemens. 27 »Deutsche Prüfungsarbeiten der Abiturienten Helmholtz und Klotz: Potsdam: Michaelis 1838«, in: Unterlagen der Familie Siemens (alle Zitate bis auf das letzte); Kusch 1896, S. 28 f. (letztes Zitat). 28 Rassow 1912, S. 33 – 35. 29 Ebd., S. 3, 33 – 35 (Zitate); Browne 1995 – 2002, Bd. 1, S. 97; Schulprogramm 1839, S. 8. 30 HH 1886, S. 314 (Zitat); Zobeltitz 1891, S. 769; HH an RM, 2. Juni 1868, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 147; HH an Norman Lockyer, 28. August 1876, in: Lockyer Collection, University Library, University of Exeter, Exeter, UK; HH 1877, S. 169, 179; 1891, S. 9. 31 Cahan 1993b, S. 10; HH an FH, 30. März 1837, ebd., S. 35 – 37. (Zitat auf S. 36 f.); Hansemann 1899, S. 1; EdBR 1912, Bd. 2, S. 569. 32 HH 1891, S. 9 (Zitat); HH an FH, 30. März 1837, S. 35, 37.
Kapitel 3 1 Cahan 1993b, S. 11 – 14. 2 HH an die Eltern, 5. November 1838; 7. und
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Anmerkungen Kapitel 3
16. Oktober 1842, in: Cahan 1993b, S. 48 – 52, 92 f., 93; HH an FH, 31. Oktober, 1. Dezember 1838; HH an FH, 17. März, 11. Dezember 1839, ebd., S. 43 – 48, 53 f., 55 f., 74 f.; AH an MM, zwischen dem 2. Januar und 21. Februar 1862, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 102 f. 3 Cahan 1993b, S. 14 f.; HH an FH, 31. Oktober 1838, ebd., S. 48; HH an die Eltern, 5. November 1838, ebd., S. 48; Virchow 1906, S. 22 f. (Zitate), 27 f., 30, 45 f.; Goschler 2002, S. 36 – 48. 4 HH an die Eltern, 31. Oktober 1838, in: Cahan 1993b, S. 45. 5 HH an die Eltern, 5. Mai 1839, in: Cahan 1993b, S. 56 – 60 (Zitat auf S. 56 f.); HH an FH, 31. Oktober 1838; 24. Juni 1842, ebd., S. 45 – 48 (Zitate auf S. 46 – 48), 90; HHs Eltern an HH, 2. November 1838, in: LK, Bd. 1, S. 23 – 25; Howitt 1842, S. 429 – 434; Springer 1878, S. 84, 142 – 151. 6 HH an die Eltern, 5. November 1838; 5. Mai 1839, in: Cahan 1993b, S. 48 – 51 (alle Zitate außer dem letzten), 57, HH an FH, 1. Dezember 1838, ebd., S. 53; CH an HH [1838], in: Elbogen [1956], S. 156 (letztes Zitat). 7 Cahan 1993b, S. 11 – 16. 8 Ebd., S. 15, 17. 9 HH an FH, 15. Mai 1839, in: Cahan 1993b, S. 62 (erstes Zitat); 1. Dezember 1838, ebd., S. 53 (zweites Zitat); 15. Mai 1839, ebd., S. 62 f. (drittes bis achtes Zitat); HH zitiert in: Neumann 1925, S. 14; HH an die Eltern, 5. Mai 1839, in: Cahan 1993b, S. 59 (neuntes Zitat). 10 HHs Eltern an HH, 2. November 1838, in: Cahan 1993b, S. 24; HH an die Eltern, 5. November 1838; HH an FH, 1. Dezember 1838, S. 53; HH an FH, 15. Mai 1839, S. 60 f. (Zitate); Zobeltitz 1891, S. 770. 11 HH an FH, 1. Dezember 1838, S. 53; HH an FH, 17. März 1839, in: Cahan 1993b, S. 55 f. (Zitat). 12 HH an FH, 1. Dezember 1838, ebd., S. 53 f. (Zitate); HH an FH, 17. März 1839; HH an seine Eltern, 5. Mai 1839, S. 56; HH an FH, 15. Mai 1839, S. 60. 13 HH an FH, 15. Mai 1839, ebd., S. 60 und 62; EdBR 1912, Bd. 2, S. 569; HH an die Eltern, 5. Mai 1839, in: Cahan 1993b, S. 58 (erstes und zweites Zitat); HH 1891, Bd. 1, S. 10 (drittes und viertes Zitat). 14 HH an die Eltern, 11. Juli 1839, in: Cahan 1993b, S. 65 f. (die ersten drei Zitate); HH an die Eltern, 6. September 1839, ebd., S. 70 – 72 (viertes und fünftes Zitat). 15 Ebd., Tafel 11 und Tabelle 1; HH an die Eltern, 5. November 1838, S. 49 – 51; HH an die Eltern, 5. Mai 1839, S. 58 f.
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16 HH an FH, 8. Dezember 1839, ebd., S. 72 – 74 (erstes Zitat auf S. 73); HH an FH, 31. Oktober 1838, ebd., S. 47; HH an die Eltern, 5. November 1838, S. 52; HH an FH, 30. Juli 1840, S. 77 f.; HH an FH, 11. Dezember 1839, S. 74 f. (alle weiteren Zitate); ebd., Tafel 9. 17 HH 1877, S. 180; du Bois-Reymond 1918, S. 4 – 7; Cahan 1993b, S. 15 f. 18 Cahan 1993b, S. 16; HH 1877, S. 167 (erstes Zitat), S. 170 (zweites Zitat), S. 176 – 179 (drittes Zitat auf S. 178); HH 1869, S. 395 f. 19 HH an die Eltern, 1. September 1840?, in: Cahan 1993b, S. 79 – 81. 20 HH an die Eltern, 11. Januar 1841, ebd., S. 82 – 84 (Zitate); Barclay 1995. 21 FH an IHF (einschl. HHs Nachtrag), 2. Juni 1841, in: WLBS, 1e, Nr. 197; HH an IHF, 29. Juli 1841, ebd., Nr. 198. 22 HH an FH, 7. August 1841, in: Cahan 1993b, S. 85 – 87 (die ersten beiden Zitate auf S. 85 und 87); HH an die Eltern, 12. August, 17. September 1841, ebd., S. 87 f. (drittes Zitat), S. 88 f.; C. Beßer an »Ew. Wohlgebohren« [FH], 16. August 1841, ebd., S. 113; Dr. Knapp an [FH], 16. August 1841, ebd., S. 113 f. (viertes und fünftes Zitat); Knapp an [FH], 24. August 1841, ebd., S. 114 f.; FH an IHF, 27. August 1841, in: WLBS, 1e, Nr. 199. 23 HH 1877, S. 180 (Zitat); Otis 2007, S. 58, 68; AH an MM, zwischen dem 2. Januar und dem 21. Februar 1862. 24 Cahan 1993b, Tafel 10; HH an FH, 24. Juni 1842, ebd., S. 90; ebd., S. 19 f.; HH 1869, S. 395 f.; HH 1877, S. 167 (die ersten beiden Zitate), S. 169 (drittes Zitat), S. 178, 180; HH 1886, S. 314 f. (viertes Zitat); HH 1887, S. 324; Virchow 1906, S. 20 f. 25 HH an FH, 1. Juni 1842, in: Cahan 1993b, S. 89 (Zitate); HH an FH, 1. August 1842, ebd., S. 91 f. 26 Alexander von Humboldt an Eichhorn, 10. Dezember 1840, in: Biermann 1985, S. 90 – 92 (Zitat auf S. 92); Humboldt an Altenstein, 29. April 1833, ebd., S. 61 f.; Haberling 1924, S. 156 f.; Lohff 1992; Holmes 1994; Otis 2007; Finkelstein 2013, S. 45 – 54, 61. 27 HH, »Collegienhefte aus den Vorlesungen von Johannes Müller: Vergleichende Anatomie, Pathologische Anatomie. Berlin 1840«, HN 538; Holmes 1994; Virchow 1906, S. 24. 28 Haberling 1924, S. 203, 330; Aufsätze in: Hagner und Wahrig-Schmidt 1992; HH 1877, S. 181 f. (Zitat). 29 HH an FH, 1. August 1842, S. 91 (Zitat); Holmes
A K
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Anhang
1994, S. 16 f.; Finger und Wade 2002, S. 144 – 146; Otis 2007, S. 116, 169 f. 30 Cahan 1993b, Tafel 11 (Zitat); vgl. Daston und Galison 2007, S. 229 f. 31 HH 1842; Clarke und Jacyna 1987, S. 84 – 86, 98; HH an die Eltern, 7. Oktober 1842; HH an FH, 1. August 1842, beide in: Cahan 1993b, Tafeln 12, 13; Helmholtz’ Diplom, 2. November 1842, »Original des Doctor Diploms. 1831«, in: Diploma: Doctoris Medicinae et Chirurgiae, SF, Signatur Helmholtz SLL 494; Königliche Universitätsbibliothek 1899, S. 245. 32 HH 1877, S. 181 (erstes Zitat); HH 1886, S. 315 (zweites Zitat); HH 1891, S. 9; HH an EdBR, 29. Mai 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 186 f.; HH 1877a, S. 202 f.
Kapitel 4
1 HH an die Eltern, 7. Oktober 1842, in: Cahan 1993b, S. 92 f. 2 Ebd., S. 21 f.; Guttstadt 1886, S. 343, 345 – 347, 349, 353, 359. 3 HH an die Eltern, 7. Oktober 1842; HH an die Eltern, 16. Oktober, 8. Dezember 1842, in: Cahan 1993b, S. 93 f. (Zitat), 95 f. 4 CH an HH, erste Januarhälfte 1843, in: LK, Bd. 1, S. 52; HH an die Eltern, 16. Januar, 8. Februar 1843, in: Cahan 1993b, S. 98 f., 99 f. 5 HH an FH, 10. März 1843, ebd., S. 101 f.; HH an FH, 17. März 1843, ebd. S. 102 f. (Zitate). 6 HH an CH, 21. Mai 1843, ebd., S. 103 f. (die ersten beiden Zitate); HH an FH, 25. Juli 1843, ebd., S. 105 f. (drittes Zitat). 7 HH an CH, 21. Mai 1843, ebd.; HH an FH, 25. Juli 1843, ebd.; HH 1877, S. 179. 8 Helmholtz, in: Schiff 1893; HH an die Eltern, 7. Oktober 1842, S. 92; Helmholtz’ Personalakte, RKUHA: PA 1700, Bl. 7 f.; Treitschke 1927, Bd. 5, S. 430 (Zitat). 9 Helmholtz, in: Schiff 1893; Lenoir 1982, S. 197 – 199; Kremer 1990a, S. 239 f.; Caneva 1993, S. 49 – 159; McDonald 2001a; HH 1843, S. 727 (Zitate); Fruton 1972, S. 45, 48 – 63; Olesko und Holmes 1993, S. 50 – 54. (Vier Jahrzehnte später, nämlich 1882, distanzierte sich Helmholtz von einigen seiner Schlussfolgerungen [vgl. HH 1843, S. 734].) Vgl. Justus von Liebig an HH, 8. [?] 1870, HN 275; HH an Liebig, 28. April 1870, Kopie in BSBMH, Liebigiana IIB, Helmholtz, Hermann (1); Original in der SBPK.
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10 HH 1845 (Zitate auf S. 735, 736, 744); EdBR 1912, Bd. 2, S. 563; Holmes 1992, S. 25 f., 29, 31 – 36, 41, 46 f.; Olesko und Holmes 1993, v. a. S. 50 – 59. 11 HH 1846, S. 700 (Zitat); Olesko und Holmes 1993, S. 59 – 64. 12 Vgl. LK, Band 1, S. 61. 13 HH an die Eltern, 30. Oktober 1845, in: Cahan 1993b, S. 106 – 108, auf S. 108. 14 Ebd., S. 26 – 29. 15 Ebd., S. 107 f. 16 HH an FH, 19. Dezember 1845, ebd., S. 109 f. (erstes Zitat); HH an FH, 25. Januar 1846, ebd., S. 111 f. (zweites und drittes Zitat). 17 HH an FH, 19. Dezember 1845, S. 110, Anm. 6; Hofmann 1870, v. a. S. 995; HH 1871a, v. a. S. 38, 41; Hoffmann 1995. 18 Hofmann 1870, S. 1009; Haberling 1924, S. 153 f., 165; HH 1871a, S. 38 (erstes Zitat); HH 1893, S. V; HH an FH, 19. Dezember 1845; Helmholtz’ dreiseitiges Manuskript »Versuche über Gährung bei Magnus« (1845 – 1846), HN 666; HH an FH, 25. Januar 1846, S. 111 (zweites Zitat). 19 Karsten 1847, S. III – X; 1850, S. IX; 1853, S. VII; HH 1847; 1848a; 1850e; 1893, S. V; Bezold 1896, S. 20 f., 23; Warburg 1925; Goldstein 1925; Scheel 1935, S. 5 f.; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 1, S. 110 f., 254, 258 f.; Schreier und Franke 1995; Fiedler 1998; Finkelstein 2013, S. 79 – 83. 20 HH an FH, 19. Dezember 1845, S. 110; HH an FH, 25. Januar 1846, S. 111; Hofmann 1870, S. 1096; Schiff 1883 (erstes Zitat); Helmholtz, in: Schiff 1893; Brücke 1928, S. 20 f., 25; HH 1891, S. 13; Epstein 1896, S. 37; EdBR an Hallmann, 25 – 26. Dezember 1845, in: du Bois-Reymond 1918, S. 122 f. (zweites Zitat). 21 EdBR an Hallmann, Mai 1842, ebd., S. 107 f.; Cranefield 1957, 1959, 1966; Mendelsohn 1965, 1974; Galaty 1971, 1974; Lenoir 1988; Holmes und Olesko 1995, v. a. S. 199; Olesko 1995; Finkelstein 2013, S. 45 – 54, 64. 22 HH an EdBR, 1. August, 5. Oktober, 21. Dezember 1846; 12. Februar 1847, in: Kirsten u. a. 1986, S. 74; 74 f., auf S. 74; S. 75 – 78, 78 f. (Zitate auf S. 78); HH 1847a, S. 74. 23 Betty Johannes (geb. von Velten), in: Kremer 1990, S. 193 – 201, auf S. 193 – 195 (erstes Zitat auf S. 195); ebd., S. 3, 193, 194; HH an OH, 20.-21., 22. Mai; 6.-8. April 1847, ebd., S. 5 – 9, auf S. 5; S. 9 f., auf S. 9; S. 1 – 5 (zweites Zitat auf S. 3). 24 HH an OH, 6. – 8. April 1847.
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Anmerkungen Kapitel 4
25 Kremer 1990, S. 1, 5; HH an OH, 1. Dezember, 20. – 21. Mai 1847, ebd., S. 31 – 33, auf S. 32; S. 6 – 8, 9 (die ersten beiden Zitate); HH 1982, Bd. 1 und 2, Titelseiten; HH an OH, 20.-21. Mai 1847, S. 8; HH an OH, 22. Mai 1847, S. 9 (letzten drei Zitate). 26 Kremer 1990, S. 17, 19; Helmholtz’ Personalakte: RKUHA, PA 1700, Bl. 7 f.; HH an OH, 12. – 13. Juni 1847, in: Kremer 1990, S. 10 – 13 (Zitate auf S. 10, 13). 27 HH an EdBR, 21. Juli 1847, in: Kirsten u. a. 1986, S. 81 f., auf S. 81; HH 1847a, S. 12; Karsten 1850, S. IX; HH an OH, 22. Juli 1847, in: Kremer 1990, S. 18 – 20 (Zitat auf S. 18). 28 Darrigol 2001, v. a. S. 285 – 287, 341 – 343; HH 1891, S. 10 (Zitate); 1877, S. 177; Lenoir 1982, S. 197 – 215; Kremer 1990a, S. 237 – 255, 293 – 307; Caneva 1993, S. 49 – 159; Bevilacqua 1993, S. 297 – 304. 29 HH 1884, Bd. 1, S. VIII f. Es herrscht große Uneinigkeit darüber, ob und wenn ja in welchem Maße Helmholtz ein Kantianer war, über den generellen Einfluss Kants auf ihn und über Helmholtz’ sich später in seiner Laufbahn wandelnde Einstellung dem Philosophen gegenüber. Siehe z. B. Heimann 1974a; Fullinwider 1990; Hatfield 1990, S. 165 – 234; Heidelberger 1993; Darrigol 1994; Krüger 1994; Schiemann 1997; Hyder 2009; Jurkowitz 2010; De Kock 2016. 30 Breger 1982, v. a. S. 129 – 158, 214 – 223; Bevilacqua 1993, S. 301, 309 – 312; Brain und Wise 1994; Wise 1999; Darrigol 2001, S. 342 f. 31 Kuhn 1959; Elkana 1970, 1974; Heimann 1974, 1974a; Cantor 1976; Harman 1982; Kremer 1990a; Bevilacqua 1993; Caneva 1993; Darrigol 2001; Jurkowitz 2002, 2010; HH an Berend Wilhelm Feddersen, 16. November 1859, DM. Schon 1850 und dann erneut in den Jahren 1852, 1853 und 1855 würdigte Helmholtz Mayers Arbeit in den Fortschritten der Physik. Siehe Weyrauch 1893, S. 316 – 321; Gross 1891, S. 19 – 32; 1898, S. 141 – 174. 32 HH 1847a, S. 67 f., 74 f. (Letzteres 1881 ergänzt); 1883, Bd. 1, S. 407. 33 HH 1847a, S. 12 f. (Zitat). In einem Zusatz von 1881 distanzierte sich Helmholtz von dieser kantischen Auffassung von Kausalität und Erscheinungen (siehe ebd., S. 68 – 75, auf S. 68). Er verfasste ein undatiertes und unbetiteltes 16 Seiten umfassendes Manuskript über die Naturwissenschaft generell und über allgemeine Begriffe von Natur (Gegenstände und ihre Wahrnehmung, Zeit, Raum, Geometrie und so weiter). Und obgleich
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er Kant nicht namentlich erwähnte, weist dieses Manuskript einen generellen, wenn auch losen kantischen Einschlag auf (siehe HN 705 [Bd. 4, S. 17]). Koenigsberger druckte es (LK, Bd. 2, S. 126 – 138) und behauptete, dass Helmholtz es mehrere Jahre vor 1847 abgefasst habe (siehe auch Darrigol 1994, v. a. S. 217 f.; 2000, S. 215; Krüger 1994). 34 HH 1847a, S. 14. 35 Ebd., S. 14 – 17. 36 Ebd., S. 17 f., 24 f. (Zitat), 66; Bevilacqua 1993, S. 319 – 332; Buchwald 1994, S. 397 – 400; Smith 1998, S. 126 – 149, 176 f., 185 f. 37 HH 1847a, S. 68. 38 J. C. Poggendorff an GM, 1. August 1847, Entwurf, HN 537. 39 GM an EdBR, 2. August 1847, HN 536. Spätestens 1858 urteilte Magnus, dass Helmholtz’ Abhandlung viele »hypothetische« und »willkürliche« Vorstellungen enthalte (siehe GM an Alexander von Humboldt, 1. März 1858, SPKB, Nachlass Alexander von Humboldt, Karton 8, Nr. 15). 40 HH an Feddersen, 16. November 1859, DM; HH 1847a, S. 72 – 74 (Helmholtz zitierte seinen Brief von 1868 an Tait, in: ebd. S. 71 – 73 [erste beiden Zitate]); 1891, S. 11 (drittes und viertes Zitat); EdBR 1912, Bd. 2, S. 524; Jacobi 1996, S. 104 f., inklusive Helmut Pultes Einleitung auf S. XXVII – XXIX. 41 HH an OH, 29.-30. Juli 1847, in: Kremer 1990, S. 20 – 24 (die ersten drei Zitate); HH 1848; HH an OH, 4. –5. August 1847, in: Kremer 1990, S. 24 – 26 (viertes, fünftes und sechstes Zitat). 42 EdBR an HH, 4. August 1847, in: Kirsten u. a. 1986, S. 82 f., auf S. 83 (erstes Zitat); HH an EdBR, 6. August 1847, ebd., S. 84 (zweites Zitat); Helmholtz, in: Zobeltitz 1891, S. 769; EdBR 1912, Bd. 2, S. 524; Finkelstein 2013, S. 85. 43 HH an G. A. Reimer, 14., 20. August, 6. November 1847, WGA. 44 HH an OH, 7. – 8., 21. – 22. September 1847, in: Kremer 1990, S. 26 – 29 (die ersten fünf Zitate auf S. 26 f.), 29 – 31 (letztes Zitat auf S. 30). 45 HH 1891, S. 11; Darrigol 2000, S. 216; EdBR an CL, 4. Januar 1848, in: du Bois-Reymond 1927, S. 4 – 6 (erstes Zitat auf S. 6); CL an EdBR, 4. Februar 1848, ebd., 7 – 10, auf S. 10; Finkelstein 2013, S. 72 – 74, 89 – 96; Julius Robert Mayer an Carl Gustav Reuschle, 12. Januar 1848, in: Weyrauch 1893, S. 288 (zweites Zitat); EdBR 1912, Bd. 2, S. 524 f.; Gariel 1894, S. 430; Binz 1869, mit einem Brief von Helmholtz auf S. 100 – 102.
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Anhang
46 HH 1848; Olesko und Holmes 1993, S. 64 – 74; Finkelstein 2013, S. 57 – 75, 89 – 96. 47 HH an OH, 15. – 16. Dezember 1847; ? Januar 1848, in: Kremer 1990, S. 33 – 35, 39 f. (Zitat auf S. 40); EdBR an CL, 4. Januar 1848, ebd., S. 6. 48 HH an OH, 1. Dezember 1847, in: Kremer 1990, S. 31 f.; Johannes, zitiert ebd., S. 194 (erstes Zitat); HH an OH, o. D., zitiert ebd., S. 195 f. 49 Clark 2007, S. 468 – 485; Prittwitz 1985, S. 59, 60, 74, 113, 122, 150, 344, 393 f., 405 f., 426, 436, 439, 481, 486 f.; Haeckel 1912, S. 126; Müller 1968, S. 34 – 47; Holmsten 1971, S. 108 – 110. 50 Schreier und Franke 1995, S. 61 – 64; Prittwitz 1985, S. 425; Otis 2007, S. 161, 231; HH an die Eltern, 11. Januar 1841, in: Cahan 1993b, S. 82 – 84, auf S. 83; CL an Jacob Henle, 3. November 1851, in: Dreher 1980, S. 105 – 109; Goschler 2002, S. 58 – 92; HH an OH, 18.-19. Juli 1848, in: Kremer 1990, S. 42 – 44 (erstes Zitat auf S. 43); HH an OH, 20. Juni 1848, ebd., S. 41 f. (zweites Zitat auf S. 41); Epstein 1896, S. 36; HH an OH, 18. – 19. Juli 1848, S. 43. 51 Johannes Müller an das Kultusministerium [Juni 1848], GSPK, Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. 10, Nr. 11, Bd. VI, Bl. 144; Müller an [das Kultusministerium], 6. Mai 1848, abgedruckt in: LK, Bd. 1, S. 94 f.; Ordentliche Sitzung des Senats der Königlichen Akademie der Künste, 22. Juli 1848, PR AdK 45, Bl. 127 – 127r; KM an die AdK, 12. Juli 1848, PR AdK 192, Bl. 60. 52 HH, »Programm des Anatomieunterrichts an der Kunstakademie, 19. August 1848«, HN 539; abgedruckt in: LK, Bd. 1, S. 95 – 105 (Zitate auf S. 95 f.). 53 Ebd. (Zitate auf S. 99 f.). 54 Ebd. (Zitate auf S. 101 f.). 55 Ebd. (Zitate auf S. 102 f.). 56 Ebd. (Zitat auf S. 104). 57 Ordentliche Sitzung des Senats der Königlichen Akademie der Künste, 19. August 1848, PR AdK 45, Bl. 134; Königliche Akademie der Künste, 22. August 1848, PR AdK 96, Bl. 165; HH 1886, Bd. 2, S. 315 f. 58 Siehe z. B. Biermann 1985, 1990; Müller 1928; Barclay 1995, S. 42 f., 52, 65 f., 110, 186, 230 f.; Werner 2004. 59 Humboldt an Karl Sigismund Freiherr vom Stein zum Altenstein, 29. April 1833, in: Biermann 1985, 61 f.; Humboldt an [Kultusminister] Johann Albrecht Friedrich Eichhorn, 10. Dezember 1840, ebd., S. 90 – 92, auf S. 90; Humboldt an Eichhorn, 10. Dezember 1840, ebd., S. 93 f.; Helmholtz, in: Schiff 1893; Stevens 1863, S. 295; Werner 2004,
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S. 185, 266; Treitschke 1927, Bd. 5, S. 28 f.; KM an die AdK, 2. September 1848, PR AdK 192, Bl. 62; EdBR 1912, Bd. 2, S. 564. 60 HH 1889a, S. 2 (erstes Zitat); EdBR an Eduard Hallmann, 6. Januar 1849, in: du Bois-Reymond 1918, S. 128 – 132, auf S. 130 (zweites Zitat); Finkelstein 2013, S. 102; Helmholtz, in: Schiff 1893; Silliman 1853, Bd. 2, S. 336 (drittes und viertes Zitat). 61 CL an Jacob Henle, 22. November 1848, in: Dreher 1980, S. 56 – 60, auf S. 57 f.; EB an EdBR, 9. Dezember 1848, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 17; EB an EdBR, 25., 30. März 1849, ebd., S. 21 – 23; EdBR an CL, 17. Mai 1849, in: du Bois-Reymond 1927, S. 49 – 53, auf S. 50 (Zitat). 62 Medicinische Fakultät an KM, 1. April 1849, KM, GSPK, I. HA, Rep. 76 Va, Sekt. 11, Tit. 4, No. 13, Bd. 1, Bl. 104 f.; EdBR an den Hochgeehrten Herrn Geheimrath, Abschrift, 22. April 1849, ebd., Bl. 106 f. (das Original befindet sich in der Sammlung Darmstaedter, SPKB). 63 Johannes Müller an den Kultusminister, 7. Mai 1849, in: Haberling 1924, S. 329 f. 64 CL an Henle, 9. Juli 1849, in: Dreher 1980, S. 77 – 80 (Zitat auf S. 78 f.); Schröer 1967, S. 44 f.; Friedrich Wilhelm an Staats-Minister Adalbert von Ladenberg, 19. Mai 1849, GSPK, Rep. 76 Va, Sekt. 11, Tit. 4, No. 13, Bl. 115; KM an HH, 8. Juni 1849, ebd., Bl. 119 f.; Kremer 1990, S. 3, Anm. 12; Werner 1997, S. 60; EdBR an CL, 7. August 1849, in: du Bois-Reymond 1927, S. 66 – 68, auf S. 67. 65 HH an EdBR, 19. August 1849, in: Kirsten u. a. 1986, S. 85 (erstes Zitat); Johannes, in: Kremer 1990, S. 196 (zweites und drittes Zitat); Melms 1957, S. 91, 94.
Kapitel 5 1 HH 1857a, S. 134 f. 2 Friedlaender 1896, S. 41 f.; Kossert 2005, S. 112 – 116, 138 – 144; HH 1871, 56 (Zitat). 3 Prutz 1894, S. 183, 193; Titze 1995, S. 384, 388; Lexis 1893, Bd. 1, S. 118 f.; Eulenburg 1904, S. 303, 305; Friedlaender 1896, S. 42. 4 Prutz 1894, S. 124 – 126, 194, 197 f., 201 f.; Olesko 1991; 1994, S. 26 f. 5 Stieda 1890, S. 38, 74 f., 83; HH an EdBR, 14. Oktober 1849, in: Kirsten u. a. 1986, S. 86 – 88, auf S. 87; Clark 2007, S. 248; »Der Verein« 1859, Bd. 1, S. 1 – 3, 5. 6 Kremer 1990, S. 3, Anm. 13, S. 80, Anm. 9; Johannes, ebd., S. 193 – 201, 196 f.; DM, Nachlass Helmholtz, Nr. 39: Copir-Buch, NR, P1, Bl. 1; HH
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Anmerkungen Kapitel 5
an EdBR, 14. Oktober 1849, S. 86 (erstes Zitat), 88; HH an EdBR, 22. April 1850, in: Kirsten u. a. 1986, S. 96 f. (zweites Zitat auf S. 97). 7 Eulner 1970, S. 54, 61, 528; HH an EdBR, 14. Oktober 1849, S. 86; HH an EdBR, 24. März 1852, in: Kirsten u. a. 1986, 127 f. (Zitate). 8 HH an EdBR, 14. Oktober 1849, 87 (Zitate); Olesko 1991, S. 202 f.; Olesko und Holmes 1993, S. 83; HH an GRK, Mitte November 1852, in: LK, Bd. 1, S. 178 f. 9 Kremer 1990, S. 97, Anm. 2; HH an EdBR, 15. Januar 1850, in: Kirsten u. a. 1986, S. 90 – 92, 91 f. (Zitat); HH 1850e. 10 Kremer 1990, 46n4; HH an FH, 29. März 1850, in: LK, Bd. 1, S. 120 f. (Zitat auf S. 121); HH an Verehrter Onkel, 29. März 1850, in: Ebstein 1920, S. 153; Friedlaender 1896, S. 57 f.; Weisfert 1975, S. 108, 206 f.; Stieda 1890, S. 83; HH an OH, 20. August 1853, in: Kremer 1990, S. 112, Anm. 9; Johannes, ebd., S. 196; Barclay 1995, S. 46 f., 53 f., 58, 70; Manthey 2005, S. 424 – 431, 442 – 460, 487 – 492; Kossert 2005, S. 128 – 135. 11 HH an FH [Dezember 1849], in: LK, Bd. 1, S. 114 (Zitat). 12 CL an HH, 10. November 1850, HN 293; CL an Jacob Henle, 3. November 1851, in: Dreher 1980, S. 105 – 109. 13 HH 1891, S. 11 f. 14 Titze 1995, S. 392; Lexis 1893, Bd. 1, S. 120; HH an FH [Dezember 1849] (erstes Zitat); FH in: LK, Bd. 1, S. 114 – 116; HH an EdBR, 14. Oktober 1849, S. 86; HH an EdBR, 22. April 1850, in: Kirsten u. a. 1986, S. 96 f.; HH 1877, S. 169 (zweites Zitat). Uhthoff 1902, S. 7, Liste von Helmholtz’ Kursen 1850 – 1851. 15 EB an EdBR, 9. Juli 1849, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 25 f. (Zitat auf S. 25); CL an Henle, 3. November 1851, S. 107; siehe Rathke, W. Cruse und Hirsch, »Gehorsamstes Gesuch der medizinischen Fakultät, betreffend den Professor Dr. Helmholtz«, 8. November 1851, in: GSPK, Bd. I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 11 Tit. 4, Nr. 13, Bd. 1, Bl. 126 f., in: Werner 1997, S. 170. 16 HH an EdBR, 14. Oktober 1849, S. 87 f. (Zitat auf S. 88); Johannes, in: Kremer 1990, S. 197; HH 1850, 1850a, 1850b, 1850c, 1850d. Diese Erörterung folgt weitgehend der Analyse von Olesko und Holmes von 1993, S. 74 – 108. Siehe auch Brain und Wise 1994; Holmes und Olesko 1995; Finger und Wade 2002, S. 149 – 52; Wise 2007; Schmidgen 2009, 2015. Auch für die Physik lieferten die Helmholtz-Experimente beispiellose
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quantitative Ergebnisse zur elektromagnetischen Selbstinduktion. (Siehe Darrigol 2000, S. 218 – 220. 17 HH an FH [Dezember 1849]; HH an EdBR, 15. Januar 1850, in: Kirsten u. a. 1986, S. 90 – 92 (Zitat auf S. 90 f.); HH 1850a, 1850b, 1850d. 18 Johannes Müller an HH, 7. Februar 1850, HN 320; CL an HH, 10. [Februar?] 1850, HN 293; EdBR an HH, 19. März 1850, in: Kirsten u. a. 1986, S. 92 – 94 (Zitate S. 92); HH an EdBR, 5. April 1850, ebd., S. 94 f.; Alexander von Humboldt an EdBR, 18. Januar, 4. März 1850, in: Schwarz und Wenig 1997, S. 101 f.; Humboldt an HH, 12. Februar 1850, in: LK, Bd. 1, S. 118; S[chiff] 1891. Zu Humboldts Bibliothek gehörten HH 1850 und 1850b (Stevens 1863, S. 295). 19 EdBR an HH, 25. August 1850, in: Kirsten u. a. 1986, S. 98 – 100 (erstes, zweites und viertes Zitat auf S. 100); HH an EdBR, 28. August 1850, ebd., S. 100 – 102 (fünftes Zitat auf S. 101), EdBR an CL, 9. April 1850, in: du Bois-Reymond 1927, S. 87 – 99 (drittes Zitat auf S. 88 f.), Finkelstein 2013, S. 97 – 114; Fox 1973, v. a. S. 445, 452 – 464, 469. Siehe auch Schmidgen 2009; Schestag 2003; Otis 2007, S. 123 f.
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20 HH an Verehrter Onkel, 29. März 1850; HH an FH, 29. März 1850; HH an FH, o. D. [Frühling 1850], in: LK, Bd. 1, S. 123 – 125; FH an HH, 3. April 1850, ebd., S. 121 – 123; Olesko und Holmes 1993, S. 93 – 108. 21 HH 1850; HH an EdBR, 28. August 1850, S. 102 (die ersten drei Zitate); HH an EdBR, 17. September 1850, in: Kirsten u. a. 1986, S. 104 – 106 (viertes Zitat auf S. 105). 22 CL an HH, 10. November 1850 (erstes Zitat), HN 293; HH 1850c; Klauss 1981; Karsten 1855, S. VII; Tyndall 1898a, Bd. 2, S. 351 (zweites und drittes Zitat); HH an EdBR, 17. September 1850, S. 106. 23 HH an FH, 17. Dezember 1850, in: LK, Bd. 1, S. 133 f.; HH 1886, S. 315 f. (zweites Zitat); siehe HH 1891, S. 12 (erstes Zitat). 24 HH 1891, S. 12; Brücke 1928, S. 25; Helmholtz, in: Snyder 1964, S. 576; HH 1887 (Zitat auf S. 324). 25 HH an FH, 17. Dezember 1850 (erstes Zitat); HH, »Mitteilung für die physikalische Gesellschaft zu Berlin über eine Methode, die Netzhaut und das auf ihr entworfenen Bild einer Flamme am lebenden Auge sichtbar zu machen«, 25. November 1850, HN 557, gehalten von EdBR als »Über das Leuchten der Augen«; Klauss 1981; FH an HH, o. D. [Mitte Dezember 1850 und Herbst 1851], in: LK, Bd. 1, S. 134 f. (zweites und drittes Zitat).
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Anhang
26 HH 1851; AH an ISZ, 2. November 1890, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 32 – 34 (Zitat auf S. 33); Helmholtz, in: Snyder 1964, S. 575 f.; Friedenwald 1902, S. 549 – 551; Hirschberg 1918; Tuchman 1993, 29 – 41; Cahan 1998. 27 HH 1891, Zitate auf S. 12, 19; 1886, S. 314. 28 HH 1869, S. 395 f.; 1886, S. 314, 317 f. (Zitate); 1891, S. 12 f., 18. 29 Vgl. HH 1877, S. 185. 30 HH an EdBR, S. 12, Juni 1851, in: Kirsten u. a. 1986, S. 114 – 116 (Zitate auf S. 115 f.). 31 HH an OH, 6. August 1851, in: Kremer 1990, S. 46 – 53 (Zitate auf S. 46 f.); Heintz’ Briefe an HH, HN 193. 32 HH an OH, 6. August 1851. 33 Ebd., S. 49, Anm. 13. 34 Ebd., S. 49 – 52 (alle Zitate außer Ruetes); Ruete 1852, S. 2 (Zitat). 35 HH an OH, 6. August 1851, S. 52 f.; HH an OH, 10. August 1851, in: Kremer 1990, 53 – 60 (Zitate auf S. 54 – 56). 36 HH an OH, 10. August 1851, S. 56 mit Anm. 12; vgl. Silliman 1853, Bd. 2, S. 291 – 295. 37 HH an OH, 10. August 1851, S. 5 f. 38 Ebd., S. 58 f. 39 Ebd., S. 59 f.; vgl. Silliman 1853, Bd. 2, S. 298 – 301. 40 HH an OH, 10. August 1851, S. 60. 41 HH an OH, 16. August 1851, in: Kremer 1990, S. 61 – 66 (Zitate auf S. 61 – 63); Tuchman 1993a, S. 118, 123. 42 CL an Henle, 14. Juli 1851, in: Dreher 1980, S. 101 – 105; CL an Henle, 3. November 1851; EdBR an CL, 6. Februar 1852, in: du Bois-Reymond 1927, S. 107 (Zitat). 43 HH an OH, 16. August 1851, S. 63. Zu Helmholtz’ Gebrauch von »Institut« für Gerätschaften oder Laboratorien siehe Kapitel 7, Anm. 16. 44 Ebd., S. 63 f. 45 Ebd., S. 65 f. 46 Ebd., S. 66 (erstes, viertes, fünftes und sechstes Zitat); CL an HH, 20. Juni 1851 (zweites Zitat), HN 293; EdBR an CL, 5. August 1851, in: du BoisReymond 1927, S. 100 f. (drittes Zitat). 47 OH an HH, S. 18 – 20 [August 1851], in: Kremer 1990, S. 67 – 70, (Zitate auf S. 68 – 70). 48 HH an OH, 22. August 1851, ebd., S. 70 – 74 (Zitat auf S. 70 f.). 49 Ebd., S. 71 f. 50 CL an Henle, 3. November 1851, S. 105 – 108 (erstes Zitat); CL an EdBR, 6. Februar 1852, in:
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du Bois-Reymond 1927, S. 105 – 107 (zweites und drittes Zitat auf S. 105). 51 HH an OH, 22. August 1851, S. 72 – 74. 52 HH an OH, 26. – 31. August 1851, in: Kremer 1990, S. 75 – 81 (Zitate auf S. 75 – 77). 53 Ebd. S. 78 f. 54 Ebd., S. 80 f. 55 HH an OH, 3. – 8. September 1851, ebd., S. 81 – 88 (Zitate auf S. 81 – 83). 56 Ebd., S. 83 f. 57 Ebd., S. 84 f. 58 Ebd., S. 85 f. 59 Ebd., S. 87. 60 Ebd., S. 87 f. (Zitate auf S. 87). 61 HH an OH, 14. – 15. September 1851, ebd., S. 88 – 90 (Zitate auf S. 88 f.). 62 Ebd., S. 89. 63 Ebd., S. 89 f. 64 Ebd., S. 90. 65 Ebd., S. 91. 66 OH an HH, 17. [September 1851], ebd., S. 92 f. 67 HH an OH, 21. September 1851, ebd., S. 93 – 97, 94 f. 68 Ebd., S. 95. 69 EB an HH, 24. Juni 1851, HN 74; HH an OH, 21. September 1851, S. 95 (Zitate); Brücke 1928, S. 27 – 29, 35, 137 – 140. 70 HH 1851b; HH an OH, 21. September 1851, S. 96 (Zitat); Brücke 1928, S. 42. 71 HH an OH, 21. September 1851, S. 96 (erstes bis viertes Zitat); Brücke 1928, S. 139 f.; HH an CL, kurz nach dem 21. September 1851, in: LK, Bd. 1, S. 158 (fünftes Zitat); Rudolph Wagner an EdBR, 19. Februar 1852 (sechstes Zitat), in: SPKB, 3k 1854(5), zitiert in: Kremer 1990, S. 96, Anm. 15; EB an EdBR, 14. Oktober 1851, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 47. 72 HH an OH, 21. September 1851, S. 96 f., Anm. 16.
Kapitel 6 1 Siehe Rathke, W. Cruse und Hirsch, »Gehorsamstes Gesuch der medizinischen Fakultät, betreffend den Professor Dr. Helmholtz«, 8. November 1851, GSPK, I. HA. 76 Va, Sekt. 11 Tit. 4, Nr. 13, Bd. 1, Bl. 126 f., in: Werner 1997, S. 170; HH 1895, S. 607 – 609; EdBR an HH, 16. Mai 1851; 30. Mai 1853, in: Kirsten u. a., 1986, S. 113 f. (erstes und zweites Zitat auf S. 113), 142 – 144, auf S. 144; EB an EdBR, 8. April 1853, in: Brücke u. a. 1978 –
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Anmerkungen Kapitel 6
1981, Bd. 1, S. 55 f., auf S. 55; Schulzes Zitat in: Kremer 1990, S. 103, Anm. 26 (drittes Zitat). 2 CH an HH [Januar 1852], in: Elbogen [1956], S. 156; FH an HH, 5. April 1852 [Juli – September 1852], in: LK, Bd. 1, S. 165 f., auf S. 168. 3 HH an EdBR, 3. Februar und 20. Juni 1852, in: Kirsten u. a. 1986, S. 116 – 119, auf S. 119, 131 f.; Johannes Müller an HH, 1. Juni 1852, HN 320; CL an HH, 15. Mai 1852, HN 293; EdBR an CL, 2. August 1852, und CL an EdBR, 1852, beide in: du Bois-Reymond 1927, S. 111 – 113, auf S. 113; S. 113 – 117, auf S. 115. 4 HH an EdBR, 3. Februar 1852, S. 119; EdBR an HH, 9. Februar 1852, in: Kirsten u. a. 1986, S. 120 – 123, auf S. 123; HH an EdBR, 16. Juli 1852, ebd., S. 134 f., auf S. 135; Jacob Henle an Rudolph Wagner, 1. und 7. Juli 1852, in: Eulner und Hoepke 1979, S. 47 – 50, auf S. 48; S. 50 – 52, auf S. 51; HH an EdBR, 20. Juni 1852; Tuchman 1993a, S. 113 – 128. 5 HH an EdBR, 23. Januar 1853, in: Kirsten u. a. 1986, S. 139 – 141 (Zitate auf S. 139 f.); Franz Eichmann an Raumer, 16. Februar 1853; KM an Eichmann, 5. März 1853, beide in KM, GSPK, I. HA, Rep. 76 Va, Sekt. 11, Tit. 4, Nr. 13, Bd. 1, Bl. 139 – 141, Bl. 142; HH an OH, 31. August [1853], in: Kremer 1990, 121 – 125, S. 121, Anm. 6 und S. 103, Anm. 26. 6 Weve und ten Doesschate 1935, S. 90; Albrecht von Graefe an HH, 7. November 1850, HN 172; EB an HH, 24. Juni 1851, HN 74; P. J. Kipp an HH, 3. März 1852, HN 230; HH an EdBR, 20. Juni 1852; Jaeger 1997, S. 11, 16 f.; »Der Verein« 1859, S. 5; Ruete 1852; Eulner 1970, S. 337; Ravin und Kenyon 1992. 7 Graefe an FCD, 11. Februar 1852, in: Weve und ten Doesschate 1935, S. 8 – 12, 10; Graefe an FCD, 4. Oktober 1852, ebd., S. 12 – 14, auf S. 13; HH an FCD, 9. Oktober 1853, in: LK, Bd. 1, S. 191 f.; Theunissen 2000; EB an HH, S. 18, 21. April 1852, HN 74; CL an EdBR, 9. Dezember 1852; EdBR an CL, 9. Januar 1853, beide in: du Bois-Reymond 1927, S. 117 – 119, 119 – 121, auf S. 119; Ruete 1852; HH 1852; Friedenwald 1902, S. 551 f., 566 – 569; James Clerk Maxwell an WT, 15. Mai 1855, in: Maxwell 1990, Bd. 1, S. 305 – 313, 308 f.; HH 1877, S. 179; Bader 1933, S. 58. 8 Wade und Finger 2001; Tscherning 1910; HH 1855, v. a. S. 283, 296, 345; HH an EdBR, 22. März 1855, in: Kirsten u. a. 1986, S. 155 f., 156; HH 1855b; Tuchman 1993, S. 37 f.; Lenoir 1993. 9 HH an EdBR, 11. April 1851, in: Kirsten u. a. 1986, S. 110 – 112, auf S. 111; EdBR an seine zukünftige Frau (Jeannette du Bois-Reymond), 14. Januar
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1853, in: Abt. 5, K. 11, Nr. 5; HH an EdBR, 23. Januar 1853, 140; HH 1853; Krönig 1856, S. V. 10 FCD an HH, 26. Juni 1853, HN 116 (Zitat); HH an CL, 3. Juli 1853, in: LK, BD. 1, S. 191; EB an HH, 23. Oktober 1853, HN 74; Brücke 1928, S. 24 f.; HH an EdBR, 11. April 1851, S. 111; EdBR an CL, 31. März 1851, in: du Bois-Reymond 1927, S. 97 – 99, auf S. 99; Olesko und Holmes 1993; Lenoir 1993a; 1994, S. 185 – 188; Otis 2001, 2002; Hoffmann 2003. 11 Münchow 1978; Graefe 1854, S. VI-VII; Bader 1933, S. 55 f., 59 – 62, 82; Eulner 1970, S. 324 – 346; Fahrenbach 1987; Lenoir 1993; Theunissen 2000, v. a. S. 563 – 573; AH an ISZ, 2. November 1890, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 32 – 34 (Zitat auf S. 33); FCD an HH, 1. Dezember 1858, HN 116. 12 Kipp an HH, 9. Mai 1852, HN 230; CL an HH, 26. Mai 1853, HN 293; FCD an HH, 20. September 1855, HN 116; Bonner 1963, S. 30; HBJ an EdBR, 19. März 1852, SPKB, Sammlung Darmstaedter 3k 1852 (4), Bl. S. 116 f. (Zitat); EdBR an HH, 15. Juni 1852, in: Kirsten u. a. 1986, S. 130 f., auf S. 130; HH an EdBR, 20. Juni 1852; Weve und ten Doesschate 1935, S. 96. 13 EdBR an seine zukünftige Frau (Jeannette du Bois-Reymond), 4. Mai 1853, in: Abt. 5, K. 11, Nr. 5; Ernst Haeckel an seine Eltern, 13. Oktober 1853, in: Haeckel 1921, S. 70 f.; HH 1891, S. 12 f. (Zitat). 14 HH an OH, 18. – 19. Juli 1848, in: Kremer 1990, S. 42 – 44, auf S. 43; HH 1852e; Holmes und Olesko 1995; Olesko und Holmes 1993, S. 103 f.; Chadarevian 1993, 279 – 284; Schmidgen 2015. Siehe auch HH 1850c, 1851c, 1854a. 15 HH 1851a und 1851b (zu induzierten Strömen); HH 1852c und 1853c (zur Ersatzschaltung). Vgl. J. C. Poggendorff an HH, 4. April 1854, HN 355; HH 1852b; Finkelstein 2013, S. 121 f.; Holmes 2003, S. 761 f.; Boring 1950, S. 42, 45; Turner 1982; Heidelberger 2004; Hui 2013. 16 EdBR an HH, 16. Mai 1851, S. 113; Johannes, in: Kremer 1990, S. 193 – 201, auf S. 197; Gregory 1977; Daum 1998. 17 HH 1853a, S. 25; HH an EdBR, 11. April 1851, S. 112. Zu Goethes umfangreicher wissenschaftlicher Arbeit und Goethe als Wissenschaftler siehe z. B. Amrine, Zucker und Wheeler 1987; Richards 2002, v. a. S. 327 – 329, 367 – 376, 407 – 502. 18 HH 1853a, S. 26 f. 19 Ebd., S. 27 – 30 (Zitate); Mandelkow 1989, S. 184 – 188; Richards 2002.
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Anhang
20 HH 1852g; v. a. Kremer 1993, S. 206 – 220, 227, die vorliegende Analyse orientiert sich stark an dieser Quelle; Turner 1996. 21 HH an EdBR, 24. März 1852, in: Kirsten u. a. 1986, S. 127 f.; EdBR an HH, Mitte April 1852, ebd., 128 – 130, auf S. 129 f. 22 HH 1852d; Kremer 1993, S. 221 – 233; CL an HH, 29. Januar 1854, HN 293; FCD an HH, 26. Juni 1853, HN 116; HH 1852h; William Barton Rogers an Henry Rogers, 7. Januar 1853, in: Rogers 1896, Bd. 1, S. 330 f., auf S. 330. 23 HH an EdBR, 20. Juni 1852, S. 132 (erstes Zitat); HH 1852f, S. 608 (zweites Zitat). 24 HH 1853a, S. 30 – 32, 38 – 40. 25 HH 1867e, S. 268. 26 HH 1853a, S. 31, S. 33 f. 27 Ebd., S. 34 – 38. 28 Ebd., S. 40. 29 Ebd., S. 40 – 44. 30 Ebd., S. 44 f. 31 Ebd., S. 46 f.; Kieler Allgemeine Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur (1853); Mandelkow 1980, S. 194. 32 HH an Verehrter Herr Onkel, [Frühling] 1853, Germanisches Nationalmuseum, Archiv, Nürnberg; HH an EdBR, 22. Mai 1853, in: Kirsten u. a. 1986, S. 141 f. (Zitat auf S. 141); Johannes, in: Kremer 1990, S. 196. 33 HH an EdBR, 24. Juni 1852, in: Kirsten u. a. 1986, S. 133 (erstes Zitat); EdBR an HH, 16. Januar 1853, ebd., S. 138 f., 138 (zweites Zitat); HH an EdBR, 23. Januar 1853, ebd., S. 139 f., 141 (drittes Zitat). 34 HH an EdBR, 22. Mai 1853, S. 141; Tyndall 1904, S. XIII – XIV (Zitat); Jackson 2015; Frank Turner 1993. 35 HH 1852i; August Krönig an HH, 9. Juli 1853 (erstes und zweites Zitat), HN 247; HH 1847, 1848a, 1850e, 1852a, 1852i, 1854, 1855a, 1856, 1857, 1858, 1859; Krönig an HH, 6. Oktober 1854; 3., 17. Januar, 11. April 1855; 17. Januar; 11., 15. Februar; 2. März, 20. November, 21. Dezember 1856; 2. Januar 1857; 12., 16. September 1858, alle HN 247; HH an OH, 6. [August 1853], in: Kremer 1990, S. 97 – 104, auf S. 97 – 100 (drittes Zitat auf S. 98). Weyrauch 1893, S. 316 – 321, mit Erwähnung von Helmholtz’ Artikeln, wie auch bei Theodor Gross (siehe Gross 1891, S. 19 – 32, v. a. S. 22 – 25; 1898, S. 141 – 174, v. a. S. 146 – 152), der Mayer nahe stand; er behauptete, dass Helmholtz Mayers Arbeit zwischen 1847 und 1851 gelesen und davon profitiert habe, und versuchte, dessen Bei-
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trag zur Energieerhaltung kleinzureden oder zu entwerten. 36 HH an OH, 6. [August 1853], S. 100 f. 37 Ebd., S. 101 f. 38 Ebd., S. 102 – 104. 39 HH an OH, 18. August [1853], ebd., S. 104 – 109 (Zitate auf S. 104 f.). 40 EdBR an CL, 17. Februar 1852, in: du Bois-Reymond 1927, S. 107 – 111, auf S. 110; HH an OH, 18. August [1853], S. 105 f. (Zitate); Holmes und Olesko 1995, S. 213 – 216; HH an EdBR, 22. Mai 1853. 41 HH an OH, 18. August [1853], S. 106. 42 Ebd., S. 106 – 108. 43 Ebd., S. 105, 108 f. 44 HH an OH, 20. August 1853, in: Kremer 1990, S. 110 – 115, 110 f. (Zitate). 45 Ebd., S. 112. 46 Ebd., S. 113. 47 Ebd., S. 113 f. 48 Ebd., S. 114. 49 Ebd., S. 115 f. (Zitate); HH 1854c. 50 Brock und Meadows 1998, S. 110 – 145; HH an OH, 25. – 29. August [1853], in: Kremer 1990, S. 115 – 120 (Zitate auf S. 116 f.). 51 HH an OH, 25. – 29. August [1853], S. 117 f. 52 Smith 1998, S. 141; Heinrich Wilhelm Dove an Edward Sabine, 9. August 1853, Public Record Office, BJ3.2, Mappe 53, Kew, zitiert in: Kremer 1990, S. 118, Anm. 12 (erstes Zitat); HH an OH, 25. – 29. August [1853], S. 118 f. (zweites Zitat). 53 HH an OH, 25. – 29. August [1853], S. 119 f. (erstes bis drittes Zitat); EdBR zitiert in: Finkelstein 2013, S. 152; HH an OH, 31. August [1853], S. 121 (viertes und fünftes Zitat). 54 HH an OH, 31. August [1853], S. 122. 55 Ebd., S. 122 f. 56 Ebd., S. 124. 57 Ebd., S. 125. 58 HH an OH, 8. September 1853, in: Kremer 1990, S. 125 – 131, auf S. 126 f. 59 Ebd., S. 127. 60 Ebd., S. 128. 61 Ebd., S. 128. 62 Ebd., S. 129. 63 Ebd., S. 130. 64 Ebd., S. 130 f. 65 Thomson 1882, Bd. 1, S. 182 – 183n; Thompson 1910, Bd. 1, S. 288, S. 308; Smith 1998, S. 2, S. 13,
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Anmerkungen Kapitel 7
S. 126 – 149, S. 178 f., S. 249, und passim; Smith und Wise 1989, v. a. S. 282 – 347; HH 1853b. Thomsons Artikel erschien ursprünglich in den Transactions of the Royal Society of Edinburgh (März 1851) und später mit wenigen Änderungen, die einen großen Unterschied machten, im Philosophical Magazine 4 (1852). 66 HH an OH, 8. September 1853, S. 131. 67 HH an OH, 14. – 16. September 1853, in: Kremer 1990, S. 132 – 137 (Zitate auf S. 132, 134 – 135). 68 Ebd., S. 132 – 133. 69 Ebd., S. 133. 70 Ebd., S. 133 f. (Zitate); HH 1854c. 71 HH an OH, 14. – 16. September 1853, S. 130, 133, 135, 136. 72 Ebd., S. 136 (Zitat); HH an CL, 2. Juni 1854, in: McKendrick 1899, S. 90 – 92. 73 HH an CL, 2. Juni 1854, S. 92; HH an OH, 22. – 25. September 1853, in: Kremer 1990, S. 137 – 143, auf S. 137 f. (Zitate). 74 HH an OH, 22. – 25. September 1853, S. 139 f. 75 Ebd., S. 140 – 142. 76 Ebd., S. 137, 142 f. 77 Ebd., S. 138 f. 78 HH an OH, 27. September 1853, in: Kremer 1990, S. 143 f.; HH an CL, 2. Juni 1854.
Kapitel 7 1 Bevilacqua 1993, S. 317 f.; 1994. HH 1854b, seine wichtigste Antwort auf Clausius’ Kritik. 2 GM an HH, 20. Mai 1855, HN 295; HH 1855; GRK an HH, 4. März 1854, HN 231; Wilhelm Weber an HH, 2. Februar 1855, HN 500; HH an EdBR, 13. Juni 1854, in: Kirsten u. a. 1986, S. 144 f. 3 HH an EdBR, 13. Juni 1854, S. 145 (Zitate); HH 1854a; EdBR an HH, 21. Juni, 16. August 1854, in: Kirsten u. a. 1986, S. 145 – 147 (Zitate auf S. 145 f.), S. 149; Krönig 1857, S. V. 4 HH 1854d, S. 51. 5 Ebd., S. 52 f., 57 f. 6 Ebd., S. 54, 57 f. 7 Ebd., S. 54, 57 f., 58 f. (Zitat), 61 – 63. 8 Ebd., S. 62 f., 65. 9 Ebd., S. 65 – 67; Brush 1966 – 1967, S. 494. 10 HH 1854d, S. 67 – 74, 79. 11 Ebd., S. 73 – 80 (Zitate auf S. 76, 80). In einem Nachwort (1875) zu seinem neu aufgelegten Text über Goethe erhob Helmholtz diesen zum Vorläufer Darwins. HH 1903, Bd. 1, S. 46 f.
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12 HH 1854d, S. 80 – 83. 13 EdBR an HH, 21. Juni 1854, S. 147; EdBR an HH, 26. Oktober 1856, in: Kirsten u. a. 1986, S. 162 – 65, auf S. 162. 14 Büchner 1856, S. 105 f.; Karl von Vierordt an HH, 24. Juli 1854, HN 482; Lange 1866, S. 381 f., S. 388; Gregory 1977, S. 160 – 162; Ernst Haeckel, Notizbuch, Ernst-Haeckel-Haus, Friedrich-SchillerUniversität Jena, Best. B/Abt. 1, Nr. 162; FH an HH, o. D. [kurz nach dem 7. Februar 1856], in: LK, Bd. 1, S. 211 f.; Brock und MacLeod 1980, Bl. 1206, Eintrag zum 1. Juli 1856; HH 1856a; Smith und Wise 1989, S. 500 f., 520 – 533, 542 – 549, 551, 559 – 561, 593; Smith 1998, S. 148 f.; James 1982, S. 173 – 176, 178 – 181. 15 Schnädelbach 1991, S. 15 – 21, 32 f., 49 f., 88 f., 95, 100 – 105, 131 – 135; Köhnke 1993. 16 Schnädelbach 1991, S. 70 f., 88 f., 95, 100 – 105, 110 f., 118 f.; Gregory 1977, S. 145 – 148. Die neue deutsche Einrichtung des Instituts, genauer: des naturwissenschaftlichen Instituts, setzte sich von den alten »Kabinetten« ab, in Glasvitrinen aufbewahrte Sammlungen von Instrumenten und sonstiger Ausstattung. Diese waren (meist) in Privatbesitz und dienten einem Wissenschaftler zu Demonstrationszwecken im Rahmen seiner Vorlesungen oder für seine persönlichen Forschungsvorhaben, waren also nicht zum Gebrauch durch Studenten oder andere (Kollegen) gedacht. Zwischen den 1830er- und 1870er-Jahren wandelten sich diese »Naturalienkabinette« zu »Instituten«, wenngleich dies anfänglich kaum mehr war als eine neue Bezeichnung. Für die modernen Institute, die Mitte des Jahrhunderts auf deutschem Gebiet entstanden, war in erster Linie ein Übergang von privater zu öffentlicher oder staatlicher Trägerschaft charakteristisch – nicht nur rechtlich, sondern auch mit Blick auf einen neuen Namen und den Standort. Diese neuen Institute, erst noch ziemlich rudimentär und unorganisiert, befanden sich nun eher an der Universität als im Zuhause eines Wissenschaftlers. Equipment und Instrumente der Institute stammten oftmals aus dem Nachlass eines kürzlich verstorbenen Wissenschaftlers einer örtlichen Einrichtung und gingen in öffentliches (universitäres) Eigentum über. Den neuen, an den Universitäten angesiedelten Instituten stand je eine Person vor, der ordentliche Professor. Dieser hatte das Sagen im Institut, etwa bezüglich der Zugangsberechtigung, der Nutzung von Labor, physikalischen Gerätschaften und sonstigen Instrumenten, der Bibliothek und weiteren Räumlichkeiten, hinsicht-
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lich der Lehrgegenstände oder Arbeitszeiten seiner Mitarbeiter und so weiter. Dem ordentlichen Professor als Institutsdirektor unterstanden alle anderen Mitglieder des Instituts, deren Zahl ständig wuchs, darunter außerordentliche Professoren, Privatdozenten und Verwaltungspersonal. Mit der Erlaubnis des Direktors konnten andere Mitglieder des Instituts dieses für die Forschung nutzen, ebenso Studenten zu pädagogischen Zwecken. Anders als beim amerikanischen department hatte der Direktor eines deutschen Instituts eine geradezu lehnsherrliche Stellung. Zunächst brachte man die Institute in bereits bestehenden Räumlichkeiten der Universität unter, bald schon baute man jedoch für sie extra Gebäude. In einigen Instituten gab es sogar – wie auch in Helmholtz’ physiologischem Institut in Heidelberg und seinem Berliner Physikinstitut – eine Wohnung für den Direktor und seine Familie, womit sich der Kreis dieser gesamten Entwicklung sozusagen schloss. Ende der 1860er-Jahre hatten die neuen Institute in rechtlicher, organisatorischer, materieller und pädagogischer Hinsicht absolut nichts mehr mit den Kabinetten der vorherigen Generation zu tun. Für weiterführende Informationen zu diesem Thema siehe Cahan 1985. 17 Gregory 1977. 18 Sudhoff 1922; Daum 1998, S. 119 – 137; Steif 2003, v. a. S. 102 – 112; Degen 1954; Gregory 1977, S. 73 – 75. 19 Wagner 1997, S. 8, 11, 12, 147, 148 (Zitat); HH an EdBR, 20. Juni 1852, in: Kirsten u. a. 1986, S. 131 f.; Degen 1954, S. 272 – 274; Gregory 1977, S. 72 f. 20 Degen 1954, S. 275 – 277; Gregory 1977, S. 73 – 75; Steif 2003, S. 106 – 109. 21 CL an HH, 5. November 1854, HN 293; HH an CL, o. D. [ungefähr September 1854], in: LK, Bd. 1, S. 216; vgl. ebd., S. 158; HH an EdBR, 23. Dezember 1854, in: Kirsten u. a. 1986, S. 151 f. (Zitat auf S. 152). 22 Vorländer 1977, S. 332 – 334, 336 f., 348. 23 HH 1855b, S. 87. 24 Ebd., S. 87 f. (Zitate); zu Helmholtz und Fichte siehe HH an FH, o. D. [ca. 1. März 1855], in: LK, Bd. 1, S. 242; Heidelberger 1993, S. 482 – 495; Köhnke 1993, S. 152 f., 193; De Kock 2014, 2014a. 25 Richards 2002, S. 114 – 116, 125 f., S. 130 – 135, S. 140 – 145, S. 157 f. 26 HH 1855b, S. 89, 99. 27 Ebd., S. 90 – 94. 28 Ebd., S. 93 f., 96 – 99 (Zitat auf S. 98); zu Helm-
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holtz und Müller siehe Heidelberger 1977; Lenoir 1992; 1993, v. a. S. 112 – 121. 29 HH 1855b, S. 99; Lenoir 1992; 1993, v. a. S. 112 – 121; 2006. 30 HH 1855b, S. 99 – 103 (Zitate auf S. 100); vgl. HH 1877, S. 186. 31 HH 1855b, S. 103 – 105. 32 Ebd., S. 105 – 107; Heidelberger 1977, v. a. S. 43 – 47; Lenoir 1992. 33 HH 1855b, S. 110 – 115 (alle Zitate bis auf das vorletzte); HH an EdBR, 3. Mai 1856, in: Kirsten u. a. 1986, S. 159 – 161, auf S. 159 f. (vorletztes Zitat). 34 HH 1855b, S. 115 – 117 (Zitate); zur Geschichte des Neukantianismus siehe Köhnke 1993, v. a. (zu Helmholtz) S. 131, 146 – 149, 151 – 163. 35 James Clerk Maxwell an George Wilson, 4. Januar 1855, in: Maxwell 1990, S. 267 – 274; vgl. Maxwell 1890, Bd. 1, S. 141 – 145, 152, 243, 414 f.; siehe ebenfalls Maxwell 1995, S. 775; HH 1855c, 1855d, 1856f; Kremer 1993, S. 233 – 237; Turner 1996; Lenoir 2006, v. a. S. 164 – 172. 36 EB an HH, 23. Oktober 1853, HN 74; Totenbuch der St. Nikolai-Kirche zu Potsdam (1854), Nr. 203, 137; HH an FH, ca. 1. Oktober; FH an HH, 3. Oktober 1854, in: LK, Bd. 1, S. 220, 220 f., beide teils in: ESH 1929, Bd. 1, S. 94; vgl. Epstein 1896, S. 41. 37 Sobotta 1933, S. 56 – 58, 60; Lützeler u. a. 1968, S. 48. 38 HH an EdBR, 5. November 1854, in: Kirsten u. a. 1986, S. 150 f.; Finkelstein 2013, S. 156 f. 39 HH an Ew. Hochwohlgeboren [Schulze], 3. Dezember 1854, GSPK, Rep. 76 Va, Sekt. 11, Tit. 4, Nr. 20, Bd. 2, Bl. 1 – 2. 40 HH an Ew. Hochwohlgeboren [Schulze], 19. Dezember 1854, ebd., Bl. 3 – 4. 41 Ebd. 42 CL an EdBR, 12. Oktober 1854, in: du Bois-Reymond 1927, S. 132; CL an HH, 24. Dezember 1854, HN 293; CL an Jacob Henle, 16. Januar 1855, in: Dreher 1980, S. 139 – 142, auf S. 140 f. (Zitate); Schröer 1967, S. 63. 43 Alexander von Humboldt an EdBR, 13. März 1855, in: Schwarz und Wenig 1997, S. 139 f. (Zitat); EdBR an Humboldt, 16. März 1855, ebd., S. 141 f.; EdBR an HH, 16. März 1855, in: Kirsten u. a. 1986, S. 154 f.; Finkelstein 2013, S. 156 – 158; HH an EdBR, 22. März 1855. 44 Humboldt an den Minister, 24. März 1855, Zitate in: LK, Bd. 1, S. 249 f. 45 Humboldt an HH, 24. März 1855, auf S. 250. 46 HH an Ew. Excellenz [Raumer], 3. April 1855, GS-
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Anmerkungen Kapitel 8
PK, Rep. 76 Va, Sekt. 11, Tit. 4, Nr. 20, Bd. 2, Bl. 19 f. 47 Entwurf des Briefs von KM [Raumer] an HH, [5. Mai] 1855, ebd., Bl. 32; Entwurf des Briefes von KM an den Kurator, 9. Oktober 1855, ebd., Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. 2, Bl. 223; HH an FH, 25. April 1855, Zitate in: LK, Bd. 1, S. 251 f. (Zitat auf S. 252); Moritz Naumann an HH, 20. Mai 1855, HN 324; Moritz Ignaz Weber an HH, 24. Mai 1855, HN 498. 48 CL an HH, 9. Mai 1855, HN 293; EB an HH, 22. Mai 1855, HN 74. 49 »Der Verein« 1859, S. 6 (erstes Zitat); HH an OH, 17. – 19. Juli 1855, in: Kremer 1990, S. 145 – 150 (zweites Zitat auf S. 145 – 147). 50 HH an OH, 17. – 19. Juli 1855, S. 148 f. (erstes bis drittes und siebtes Zitat), und S. 184, Anm. 14; HH, »Toast am 18ten Juli 1855«, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496 (viertes bis sechstes Zitat). Zu Helmholtz’ und Olshausens Freundschaft siehe die Briefe von Justus Olshausen an HH, HN 339. 51 HH an OH, 26. Juli 1855, in: Kremer 1990, 150 f., auf S. 151. 52 »Lokales und Provinzielles«, Ostpreußische Zeitung (Königsberg), Nr. 181, 4. August 1855; HH an OH, 26. Juli 1855, S. 150.
Kapitel 8 1 HH an OH, 4. – 5. August 1855, in: Kremer 1990, S. 152 – 156, auf S. 152 (erstes Zitat), S. 154; HH an OH, 6. [7.] – 8. August 1855, ebd., S. 156 – 159; ebd., S. 146, Anm. 6, Tafel 8; HH an EdBR, 14. Oktober 1855, 5. März 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 157, 176 – 178, auf S. 178 (zweites Zitat); GM an HH, 7. November 1855, HN 295; Wilhelm Heintz an HH, 16. Juli 1856, HN 193; Häfner 1934, S. 384; ders. [1962?], S. 111. 2 Julius Budge an HH, 8. Juli 1855, HN 77; HH an OH, 4. – 5. August 1855, S. 153 f. (Zitate); HH an EdBR, 14. Oktober 1855; HH an FH, 6. März 1856, in: LK, Bd. 1, S. 261 f.; HH an FH, Dezember 1855, ebd., S. 257 f.; HH an Karl Otto von Raumer, GSPK, Bl. 220 – 223, Abschrift, zitiert in: Hörz 1994, S. 11 f. 3 WT an HH, 24. Juli 1855, HN 464; Kremer 1990, S. 154 f. 4 HH an WT, 3. August 1855, KP, H13. 5 HH an OH, 6. [7.] – 8. August 1855, S. 158 f.; vgl. HH an OH, 4. – 5. August 1855, S. 154. 6 HH an OH, 6. [7.] – 8. August 1855, S. 158 f. (Zitat); HH an WT, 3. und 11. August 1855, KP, H13, H14; WT an AH, 11. und 12. Oktober 1894, HN 464.
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7 HH an FH, 6. März 1856, in: LK, Bd. 1, S. 261 f., auf S. 262 (Zitate); HH an FCD, o. D. [Sommer 1855], Oktober 1855, ebd., S. 252; HH an FH, 6. März 1856, ebd., S. 261 f., auf S. 262; Otto Jahn an HH, 21. Februar 1856, 19. November 1859, HN 216; HH an EdBR, 26. Mai 1857, in: Kirsten u. a. 1986, S. 171 – 173, auf S. 171 f.; Johannes, in: Kremer 1990, S. 193 – 201, auf S. 197 f.; Bowman 1890 f., S. XIX f. 8 Scharlau 1986, S. IX – XVIII; RL an HH, 22. November 1856, HN 281; Olesko 1991, S. 361. 9 HH an RL, 2. Dezember 1856, S. 113 f. (die ersten vier Zitate); RL an HH, 8. Februar 1857, HN 281; HH an RL, 3. März 1857, in: Scharlau 1986, S. 115 f. (fünftes und sechstes Zitat); RL an HH, 16. März, 16. April 1857; 18. Januar 1858 (siebtes Zitat), alle in HN 281; Wenig 1969, S. 179. 10 Bezold 1920, S. 515 – 519; Sobotta 1933, S. 56 – 58, 60; Lützeler u. a. 1968, S. 48; Georg Meissner an Jacob Henle, 18. Mai 1855, in: Eulner und Hoepke 1975, S. 8 – 13, auf S. 11; Vorlesungsverzeichnis, Universitätsarchiv Bonn, Bestand Rektorat, Sign. U 70, zitiert in: Hörz 1994, S. 13 f. 11 HH an EdBR, 14. Oktober 1855, in: Kirsten u. a. 1986, S. 157; Kremer 1990, S. 107, Anm. 12; HH an EdBR, 5. März 1858, S. 177 (Zitat). 12 EdBR an CL, 1. Oktober 1855, in: du Bois-Reymond 1927, S. 137 – 139, auf S. 139; CL an HH, 14. Oktober 1855, HN 293; EdBR an HH, 27. April 1856, in: Kirsten u. a. 1986, S. 158 f. (erstes Zitat auf S. 158); HH an EdBR, 3. Mai 1856, ebd., S. 159 – 161 (drittes, viertes und fünftes Zitat auf S. 160 f.); EB an HH, 15. Juni 1856, HN 74 (zweites Zitat). Vgl. HH an FH, 6. März 1856, in: LK, Bd. 1, S. 261 f., worin er die Qualität seiner Lehre in der Anatomie verteidigt; EB an EdBR, 7. Mai 1856, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 82 f., auf S. 82. 13 HH an EdBR, 15. Oktober 1856, in: Kirsten u. a. 1986, S. 161 f. (Zitate auf S. 162). Siehe auch Kremer 1990, S. 153 f., Anm. 4. 14 HH an EdBR, 3. Mai 1856, S. 160 f. (erstes, zweites und drittes Zitat); HH an Hofrath Wöhler (Secretair der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen), kurz vor dem 22. Februar 1856, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Handschriftenabteilung, 40 Cod.Ms.Hist.lit.116:III, Bl. 210r. (hr. 106); HH an EdBR, 14. Oktober 1855; HH an EdBR, 15. Oktober 1856, S. 162 (viertes Zitat); HH an EdBR, 15. April 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 182 – 184, auf S. 183. 15 HH an EdBR, 15. Oktober 1856, S. 162. 16 HH an EdBR, 18. Mai 1857, in: Kirsten u. a. 1986,
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Anhang
S. 167 – 169 (die ersten beiden Zitate auf S. 168); HH an EdBR, 5. März 1858, S. 177 (drittes Zitat). 17 HH an Pro f. Julius Plücker, 7. Oktober 1856, in: »Bericht über die Verwaltung des anatomischen Instituts während des Wintersemesters 1855/56 und Sommersemesters 1856«; HH an Prof. Deiters, 4. Oktober 1857, »Bericht über das Anatomische Institut während des Universitätsjahrs 1856 – 1857«, beide Rektorat A7, 1 Bd. XVI; A7, 1 Bd. XVII, Universitätsbibliothek Bonn, Handschriften; HH an EdBR, 19. März 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 179 – 181 (erstes Zitat auf S. 180); HH an EdBR, 5. März 1858, S. 177 (zweites Zitat); Titze 1995, S. 105; HH an EdBR, 15. April 1858, S. 183 (drittes, viertes und fünftes Zitat). 18 CL an EdBR, 26. Mai 1854, in: du Bois-Reymond 1927, S. 128 (erste zwei Zitate); HH an EdBR, 22. März 1855, in: Kirsten u. a. 1986, S. 155 f., auf S. 156 (drittes Zitat); HH 1856e, 1860b, 1867d. 19 Gustav Karsten an HH, 20. Juni 1852; 6. Februar, 3. März 1853, alle HN 227; HH an Adolf Fick, 4. September 1854, in: LK, Bd. 1, S. 265 – 267; HH 1886, S. 317 (Zitate); Turner 1987. 20 HH 1856e; 1867e, S. VII f. (über Helmholtz’ persönliche Beobachtungen). 21 HH an WT, 18. Juni 1856, CUL, WTP, Add 7342 H63. 22 WT an HH, 30. Juli (Zitat); 6., 11. August 1856, alle HN 464; HH an WT, 1. August 1856, CUL, WTP, Add 7342 H64. 23 HH an OH, 15. August 1856, in: Kremer 1990, S. 159 – 161, auf S. 160 f. (die ersten drei Zitate); HH an FH, [15.? August 1856], in: LK, Bd. 1, S. 273 f. (viertes Zitat); HH an WT, 16. Januar 1857, GUL, H-15. 24 HH an OH, 15. August 1856, S. 161. 25 HH an OH, 17. – 18. August 1856, in: Kremer 1990, S. 162 – 165 (Zitate auf S. 162 f.). 26 Ebd., S. 164. 27 Ebd., S. 164 f. 28 HH an OH, 21. August [1856], ebd., S. 166 – 169, auf S. 166 f. 29 Ebd., S. 167 f. 30 HH an OH, 31. August 1856, ebd., S. 169 – 171 (Zitate); HH an EdBR, 15. Oktober 1856, S. 162. 31 EdBR an HH, 26. Oktober 1856, S. 162 (erstes Zitat); HH an EdBR, 8. November 1856, in: Kirsten u. a. 1986, S. 166 (zweites Zitat); EdBR an HH, 15. Januar 1857, ebd., S. 167; EdBR an HH, 24. Mai 1857, ebd., S. 169 – 171, auf S. 170 f.; HH an EdBR, 26. Mai 1857 (drittes, viertes und fünftes Zitat), ebd., S. 171 f.; Harnack 1970, Bd. 3, S. 123.
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32 Bernard 1967, S. 74, 84 f. (Zitate). 33 HH an EdBR, 15. Oktober 1856, S. 162; EdBR an HH, 26. Oktober 1856, S. 165; James Clerk Maxwell an WT, 18. Dezember 1856, in: Maxwell 1990, S. 487 – 491 (erstes Zitat auf S. 491); vgl. Maxwell an George Gabriel Stokes, 27. Januar 1857, ebd., S. 492; WT an HH, 30. Dezember 1856 (zweites Zitat), 16. Januar 1857, HN 464; HH an WT, 16. Januar 1857, KP, H15; HH 1852i; Vogel 1993, S. 259 – 266; Darrigol 2005, S. 146 f.; Ferdinand Sauerwald an HH, 22. März 1856, HN 397; HH an EdBR, 3. Mai 1856, S. 160; vgl. HH an Wilhelm Heinrich von Wittich, 21. Mai 1856, in: LK, Bd. 1, S. 267 f.; HH 1856b, 1856c, 1856d; HH an EdBR, 8., 11. November 1856, in: Kirsten u. a. 1986, S. 166 f. 34 Darrigol 2007. 35 In diesem und dem folgenden Absatz stützt sich die Darstellung auf die Analyse in Turner 1977. Siehe auch Vogel 1993; McDonald 2001; Steege 2012, S. 43 – 79. 36 Turner 1977. 37 Borscheid 1976, v. a. S. 50 – 70; Riese 1977; Wolgast 1985a; Doerr 1985; Tuchman 1987, 1988, 1993a; James 1995, S. 5 – 7; Werner 1996, 1997. 38 Clark 2007, S. 530 f.; Tuchman 1993a; Werner 1996; 1997, S. 26 – 56; Werner 1997 enthält zudem (auf S. 170 – 203) Transkripte vieler einschlägiger Archivmaterialien; Robert Bunsen an HH, 9. Mai 1857, HN 79; Bunsen an das Badische Ministerium des Innern, 28. Mai 1857, BGLA: 235/29872, Bl. 22 – 30s, in: Werner 1997, S. 182 – 184 (Zitat auf S. 182). 39 HH an EdBR, 18. Mai 1857, in: Kirsten u. a. 1986, S. 167 – 169, auf S. 167 f. 40 Ebd., S. 168 f. 41 EdBR an HH, 24. Mai 1857, S. 170 (Zitat); Finkelstein 2013, S. 162 – 164; HH an EdBR, 26. Mai 1857, in: Kirsten u. a. 1986, S. 171 – 173, auf S. 172. 42 HH an EdBR, 26. Mai 1857, S. 172; EdBR an HH, 26. Juli 1857, in: Kirsten u. a. 1986, S. 174 – 176, auf S. 174 f. 43 HH an Johannes Schulze, 29. Mai 1857, GSPK, Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 18 f., abgedruckt in: Pieper 1997a, S. 5 – 7 (erstes Zitat); Willdenow an Schulze, 30. Mai 1857, GSPK, Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 20 f., abgedruckt in: Pieper 1997a, S. 8 – 10 (zweites und drittes Zitat); Schultze an HH, 10. Juni 1857, HN 441; Erlass, 19. Juni 1857, GSPK, Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 24; Briefskizze KM an HH, [3. Juli 1857?], ebd., Bl. 27; Kultusminister an Bonner Universitätskuratorium,
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Anmerkungen Kapitel 8
Kultusminister an HH sowie HH an den Minister, 13. Juli 1857, ebd., Bl. 26 – 28. 44 GRK an HH, 20. Juni 1857 (erstes Zitat), HN 231; HH an Ew. Excellenz [Karl Otto von Raumer], 13. Juli 1857, GSPK, Sek. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 28; HH an EdBR, 14. Juli 1857, in: Kirsten u. a. 1986, S. 173 f. (zweites Zitat auf S. 173). 45 CL an HH, 2. März 1857 (erstes Zitat), HN 293; Justus Olshausen an HH, 18. August 1857 (zweites Zitat), HN 339. 46 LK, Bd. 1, S. 295; IHF, Tagebücher (23. Juli 1857; 13. August 1857), WLBS, Cod. Hist. 4 593, VIII; HH an OH, 21. August 1857, in: Kremer 1990, S. 171 – 174; HH an OH, 25. August 1857, ebd., S. 175 – 177 (Zitat auf S. 175). 47 IHF, Tagebücher (1. Juli 1855 [erstes Zitat]; 22. Mai 1857 [zweites Zitat]); Schulprogramm 1857, S. 22 f.; Herrmann-Schneider 1928, S. 109 – 112, 116 f.; Fichte 1970; IHF an FH, 23., 26. Mai 1857 (drittes, viertes und fünftes Zitat), HN 145, auch WLBS, 1e, Nr. 200; Fichte 1856. 48 Schnädelbach 1991, S. 83, 118; Köhnke 1993, S. 109, 112 – 118, 120 f., 382, 403, 610; Frauenstädt, in: Schopenhauer 1873, S. I-CXXXIII, v. a. XII – XV; Hörz 1995a. 49 Arthur Schopenhauer an Ernst Otto Lindner, 9. Juni 1853, in: Hübscher 1978, S. 312 – 314, auf S. 314; Schopenhauer an Julius Frauenstädt, 22. Mai 1854, ebd., S. 342 f.; Schopenhauer an Frauenstädt, 15. Juli 1855, ebd., S. 368 f., auf S. 368 (erstes Zitat); Schopenhauer an Johann August Becker, 20. Januar 1856, ebd., S. 380 f., auf S. 380 (zweites Zitat); Schopenhauer an Frauenstädt, 7. April 1856, ebd., S. 390; FH an HH, 27. September 1856, in: LK, Bd. 1, S. 278. 50 FH an HH, 27. September 1856, S. 277 f.; HH an FH, 17., 31. Dezember [1856], in: LK, Bd. 1, S. 283 – 285 (Zitate); Schopenhauer an Frauenstädt, 28. Juni 1856, in: Hübscher 1978, S. 395 f. 51 FH an HH, 8. Februar 1857, in: LK, Bd. 1, S. 285 – 291 (Zitate auf S. 285 – 289); FH an HH, 8. Mai 1858, in: LK, Bd. 1, S. 333 – 342; FH an HH, o. D. [1859], ebd., Bd. 1, S. 319. 52 HH an FH, 4. März 1857, in: LK, Bd. 1, S. 291 – 293 (Zitate auf S. 291 f.); HH 1877, S. 173, 184; 1878, S. 233, 403; 1892, S. 358; Köhnke 1993, S. 156. 53 HH 1857b, S. 12 (erstes Zitat); HH an EdBR, 14. Juli 1857, S. 173 (zweites Zitat); J. C. Poggendorff an HH, 16. Juli 1857, HN 355; HH 1857c. 54 HH an FH, 3. Oktober 1857, in: LK, Bd. 1, S. 296 f., auf S. 296 (die ersten drei Zitate); HH an Ew. Excellenz [Karl Otto von Raumer], 4. März 1858,
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GSPK, Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 32 – 33v, wieder abgedruckt in: Werner 1997, S. 188 f.; HH an EdBR, 18. Mai 1857, S. 169; Noeggerath und Kilian 1859, S. 70; Lampe und Querner 1972, S. 47 f.; EB an HH, 26. Juli 1857 (viertes Zitat), HN 74; Anton Danga an HH, 4. Juni 1861 (fünftes Zitat), HN 103; HH an FH, 3. Oktober 1857 (sechstes Zitat); der bayerische Minister von Zweel an HH, 7. Februar 1858, in: LK, Bd. 1, S. 298. 55 HH 1857a, S. 121 f. 56 Ebd., S. 128 – 135. 57 Ebd., S. 121 f. (Zitat), 135. 58 Ebd., S. 135 – 146, 153 f. 59 Ebd., S. 143 – 147 (Zitate auf S. 146 f.). 60 Ebd., S. 147 f., 154 (Zitat). 61 Ebd., S. 149 – 154 (Zitat auf S. 151). 62 Ebd., S. 154. 63 Ebd., S. 154 f. (Zitate auf S. 154). 64 HH an die Redaktion der illustrirten deutschen Monatshefte, 22. Dezember 1857 (erstes Zitat), Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel, Mittlere Briefsammlung Nr. 698 + 699; Rudolf Haym an HH, 9. Dezember 1857 (zweites und drittes Zitat), HN 192; Haym an HH, o. D. (viertes und fünftes Zitat), HN 192. 65 HH 1858a, 1859a, 1859b; Darrigol 2005, passim, v. a. S. V-VIII. 66 HH 1863, S. 387 f. (erstes Zitat), S. 42 (zweites Zitat). 67 HH an EdBR, 5. März 1858, S. 177 (Zitat); HH an Carl Wilhelm Borchardt, 8. Januar 1858, in: LK, Bd. 2, S. 123; Borchardt an HH, 14. Januar, 6. Februar 1858, HN 58. 68 Die folgende Diskussion von Helmholtz’ Hydrodynamik basiert auf der Analyse bei Darrigol 2005, v. a. S. 144 – 154. 69 Ebd.; Bokulich 2015; Epple 1999, S. 94, 98 – 101, 116, 120, 149; Maxwell 1890, Bd. 1, S. 451 – 488, auf S. 488. 70 CL an HH, 10. Oktober 1857, HN 293; Bunsen an HH, 15. Dezember 1857; 28. Februar 1858, HN 79; GRK an HH, 4. Februar 1858 (erstes Zitat), HN 231; HH an Ew. Excellenz [Karl Otto von Raumer], 4. März 1858, GSPK, Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 32 f., abgedruckt in: Werner 1997, S. 188 f. (zweites und drittes Zitat). 71 Haelscher und Willdenow (für das Kuratorium), 6. März 1858, GSPK, Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 29 – 31, zitiert in: Pieper 1997a, S. 11, Anm. 28; Kuratorium an die Bonner medizinische Fakultät, 6. März 1858, UA Bonn, MF 3102, abgedruckt
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Anhang
in: Pieper 1997a, S. 10 f. (erstes und zweites Zitat); Allgemeine Medicinische Central-Zeitung, 10. April 1858, Sp. 231, zitiert in: Pieper 1997, S. 13 f. (drittes und viertes Zitat). 72 HH an EdBR, 5. März 1858, S. 176 f. (Zitate). 73 Ebd., S. 177 f. (Zitat auf S. 178). 74 EdBR an HH, o. D., in: Kirsten u. a. 1986, S. 181 f.; Weizel an das badische Innenministerium, 22. Juni 1858, UA HD: A-553/1, in: Werner 1997, S. 199; Finkelstein 2013, S. 164; HH an EdBR, 15. April 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 182 – 184, auf S. 184; Borscheid 1976, S. 78; Goschler 2002, S. 94; HH an RH, 4. Juli 1880, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 248 – 250, auf S. 248; Zobeltitz 1891, S. 770; CL an HH, 10. April 1858 (Zitat), HN 293; GRK an HH, 2. Mai 1858, HN 231. 75 EdBR an HH, 15. März, 28. April 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 178 f., 185; Finkelstein 2013, S. 164 – 168, 172. 76 EdBR an HH, 26. April 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 184 (erstes Zitat); Prinzregent [Wilhelm] an Staatsminister von Raumer, 17. April 1858, in: LK, Bd. 2, S. 112 f.; Raumer an den Prinzregenten, 28. Mai 1858, ebd., S. 113; HH an FCD, 21. Juni 1858, in: LK, Bd. 1, S. 302; Hugo Philipp Haelschner an HH, 20. Mai 1858 (zweites Zitat), HN 182; HH an KM, 20. Mai 1858, Rep. 76 Va, Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 60, GSPK; HH an EdBR, 29. Mai 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 186 f. 77 Briefentwurf HH an Ew. Excellenz [Franz Freiherr von Stengel, den Minister des Inneren], 1. Juni 1858, GSPK, Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 67 (Zitat); HH an Ew. Excellenz [Karl Otto von Raumer], 4. Juli 1858, ebd., Bl. 65 f.; HH an Hochverehrter Herr Geheimrath, 16. Juli 1858, ebd., Bl. 131 f. 78 EdBR an seinen Vater, Juli 1858, Dep. 5 K. 11 Nr. 5, Bl. 27 f. (erstes Zitat); EdBR an HH, 14. Juli 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 187 – 189, auf S. 188 (zweites und drittes Zitat). 79 HH an Hochverehrter Herr Geheimrath, 16. Juli 1858; HH an EdBR, 21. Juli 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 189 – 192 (Zitate). 80 GRK an HH, 3. Juli 1858, HN 231; HH an FH, 23. Juli 1858, in: LK, Bd. 1, S. 302 – 306 (Zitat auf S. 303). 81 Wahlvorschlag des Professors Karl Theodor von Siebold, 1858, VI. Wahlsitzung, Beil. 7, 10. Juli 1858 (die ersten beiden Zitate), Archiv, Bayerische Akademie der Wissenschaften, München; Briefskizze KM an HH, 27. Juli 1858, GSPK, Sekt. 3, Tit. 10, Nr. 14, Bd. V, Bl. 389; Karl Otto von Raumer an die medizinische Fakultät, 27. Juli
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1858, UA Bonn, MF 3102, in: Pieper 1997a, S. 34; HH 1859e (drittes Zitat); 1859 f. (viertes Zitat). 82 HH an Moritz Ignaz Weber, 23. September 1858, GSPK, Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 131 f., in: Pieper 1997a, S. 38 f. (erstes Zitat); Protokoll der Sitzung der medizinischen Fakultät, 25. September 1858, UA Bonn, MF 3102, ebd., S. 39 f.; medizinische Fakultät an Karl Otto von Raumer, 25. September 1858, GSPK, Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 123 – 127, ebd., S. 40 – 43; August von Bethmann-Hollweg an Prinz Wilhelm von Preussen [Entwurf], 24. Januar 1859, GSPK, Sekt. 3, Tit. 4, Nr. 39, Bd. III, Bl. 154 – 156, ebd., S. 46 – 48; Eduard Pflüger an HH, 16. Dezember 1858; 21. März, 10. August 1859, alle drei HN 351; Max Schultze an HH, 10. März 1859, HN 440; EdBR an CL, 7. November 1858, in: du Bois-Reymond 1927, S. 149 (zweites Zitat); CL an EdBR, 10. November 1858, ebd., S. 150 – 153, auf S. 152.
Kapitel 9
1 Silliman 1853, Bd. 2, S. 285 – 289 (Zitat auf S. 285); EdBR 1912, Bd. 2, S. 569; Bernstein 1906, S. 289; Helmholtz, in: Kussmaul 1902, S. 37 f.; in: Pfaff 1995, S. 196 f. 2 Weech 1877, S. 8, 82 – 84, 93 – 95; 1890, S. 584 f., 620; Gall 1968; Wolgast 1985; 1985a, S. 87 – 107; Tuchman 1993a. 3 Hintzelmann 1886, S. 61 f.; Lexis 1893, Bd. 1, S. 118; Eulenburg 1904, S. 304; Riese 1977, S. 24 f., 342; Wolgast 1985, S. 8, 24 f.; 1985a, S. 87 – 107. 4 Silliman 1853, Bd. 2, S. 287 f.; Weech 1877, S. 82 f.; Weber 1886, S. 228; Riese 1977, S. 98 – 101, 112 – 133; Wolgast 1985, S. 11, 15 f. 5 Wolgast 1985, S. 11 – 13; Moleschott 1894, S. 253 – 258; Riese 1977, S. 99; Gregory 1977, S. 80 – 99; Weber 1886, S. 194 f., 198, 200, 206 f., 227, 247, 263 – 267; Pfaff 1995, S. 183; Stiefel 1977, Bd. 2, S. 1859 f.; Tuchman 1993a. 6 Stübler 1926, S. 277 – 330; Lexis 1893, Bd. 1, S. 121; Riese 1977, S. 346. 7 Borscheid 1976, S. 14, 77 – 80 und passim; Tuchman 1993a, v. a. S. 91 – 112; James 1995. 8 Heunisch 1857, S. 591; Lockemann 1949, S. 165, 190 – 192, 194 f.; Borscheid 1976, S. 62 – 71; Riese 1977, S. 218 f.; Wolgast 1985, S. 14. 9 Robert Helmholtz 1890, S. 529 f.; Roscoe 1900, S. 530 – 532; Borscheid 1976, S. 76 f.; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 1, S. 297 – 299; James 1995. 10 HH 1868, S. 310 (Zitat); WT an HH, 2. Januar 1859, HN 464; HH an WT, 15. November 1859, KP,
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Anmerkungen Kapitel 9
GUL, H16; Thompson 1910, Bd. 1, S. 300 – 303; Smith und Wise 1989, S. 397 f., 505; Helmholtz, in: Kussmaul 1902, S. 37 f.; James 1995 (»kulturelle Zierde«). 11 HH an Alexander Pagenstecher, 29. Dezember 1881, Universitätsbibliothek Heidelberg, Handschriftenabteilung, Heid. Hs. 840,3; HH an Dr. von Kirchenheim, 7. März 1886, ebd., Heid. Hs. 3865; HH an Prof. Dr. Pfitzer, 13. Oktober 1891, ebd., Heid. Hs. 840,2; Hintzelmann 1886, S. 243 f.; Kussmaul 1902, S. 187; 1903, S. 63 f. 12 Rudolph Wagner, in: Allgemeine Zeitung, 8. Januar 1859, in: Eulner und Hoepke 1979, S. 102 f., Anm. 229; Rudolph Wagner an Jacob Henle, 23. Januar 1860, ebd., S. 102 – 105, auf S. 103; Henle an Karl von Pfeufer, 18. Januar 1860, ebd., S. 60 f., Anm. 173, auf S. 60; HH an RL, 29. Dezember 1858, in: Scharlau 1986, S. 116 – 118, auf S. 118; Berthold u. a. an die Königliche Sozietät der Wissenschaften [Göttingen], 1. Oktober 1859, Bl. 179 (Zitat); die Physikalische Classe der Königlichen Societät der Wissenschaften, Bl. 180, Königliche Societät der Wissenschaften, und das begleitende Dokument (Bl. 181), beides Pers 12, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Göttingen; Max Schultze an HH, 10. Dezember 1858, HN 440. 13 HH an EdBR, 29. Mai, 29. Oktober 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 186 f., 193 f., auf S. 194 (Zitat); HH an FH, 23. Juli 1858, in: LK, Bd. 1, S. 302 – 306, auf S. 305 f.; RL an HH, 4. Oktober 1858, HN 281; Werner 1997, S. 64, 89 – 93. 14 Kurbjuweit 1985, S. 327, 330; Tuchman 1993a, S. 50, 74 f., 103 f., 168; Kronecker 1891, S. 437; Albrecht 1985, S. 197; HH an OH, 16. August 1851, in: Kremer 1990, S. 63; GRK an HH, 4. Februar 1858, in: Werner 1997, S. 194 f.; Werner 1997, S. 92 – 95; Weizel an das badische Innenministerium, 22. Juni 1858, UA HD: A-553/1, in: Werner 1997, S. 199; Karl Steinheil an HH, 17. Mai, 12. September 1859, HN 447. Zur Unterscheidung zwischen »Kabinett« und »Institut« siehe Kap. 7, Anm. 16. 15 HH an die Bau- u. Ökonomie-Kommission, Universität Heidelberg, 13. Januar 1859, UA HD: A-451/9, abgedruckt in: Werner 1997, S. 195 – 197; Werner 1997, S. 95 f.; Tuchman 1993a, S. 168 f. 16 HH an Wilhelm Wundt, 5. August 1858, WundtArchiv, Nr. 1209, Universität Leipzig, Archiv, Leipzig, und abgedruckt in: Schlotte 1955 f., S. 335 f., auf S. 335; Wundt 1921, S. 149 – 161; Schlotte 1955 f.; Bringmann, Bringmann und Cottrell 1976; Bringmann, Bringmann und Balance 1980.
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17 HH an EdBR, 29. Mai 1858, S. 187 (erstes Zitat); EdBR an HH, 14. Juli 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 187 – 189 (zweites und drittes Zitat auf S. 187 f.); HH an Wundt, 5. August 1858 (viertes Zitat); Wundt 1921, S. 153. 18 Aranjo 2014; HH an EdBR, 29. Oktober 1858, S. 193; Wundt 1921, S. 150 – 158, 160 f.; Sechenow 1965, S. 89 f. 19 HH an EdBR, 29. Oktober 1858, S. 193 (Zitate); HH an RL, 29. Dezember 1858, S. 117. 20 Hugo Kronecker an HH, 9. August 1872, HN 249; Kronecker 1891, S. 437; EB an HH, 13. Oktober 1858, HN 74; CL an HH, 13. Oktober 1858, HN 293; Kronecker an HH, 13. August 1863, HN 249; EdBR an HH, 11. November 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 194. 21 Wundt 1921, S. 159; Vogt 1994; Birkenmaier 1995, S. 25; Gordin 2008, v. a. S. 27 – 32; Albert von Bezold an HH, [? Juli] 1862, HN 46; Nikolai Egorovich (Eduard) Junge an HH, 11. Oktober 1858; 29. August, 28. Oktober, 30. November 1859, alle HN 224; Sechenow 1965, S. 65, 67 – 70, 81 – 83, 88 – 90 (Zitate), 93 – 95, 106 f.; CL an Iwan Michailowitsch Sechenow, 14. Mai 1859, in: Schröer 1967, S. 248 – 251. 22 Carl Wilhelm Borchardt an HH, 16. März 1859, HN 58; HH 1859a, 1859b. 23 »Säcularfeier« 1859, Spalte 473 f.; HH 1859c; Richard Lepsius an Elisabeth Lepsius, 29. März 1859, in: Lepsius 1933, S. 218 f., auf S. 218; HH an OH, 27. März 1859, in: Kremer 1990, S. 177 f. 24 HH an OH, 30. März 1859, in: Kremer 1990, S. 178 – 181 (Zitate); Richard Lepsius an Elisabeth Lepsius, 29. März 1859, S. 219; Lepsius 1933, S. 220; LK, Bd. 1, S. 318 f. 25 EB an EdBR, März-April 1857, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 89 f., auf S. 90; Bowman 1890 f. S. XVII; HH an OH, 27. und 30. März 1859; HH 1859c, S. 399 (Zitate); 1860a; Pantalony 2009, S. 28 – 34, 86 – 88, 113, 214 – 219; GM an HH, 11. September 1859, HN 295. 26 WT an HH, 12. Mai 1859, HN 464. 27 HH an OH, [4. Juni 1859], in: Kremer 1990, S. 181 f.; HH an OH, 6. [Juni] 1859, ebd., S. 183 f. 28 IHF, Tagebücher, 4., 6. Juni 1859; 15., 16. April 1860 (viertes Zitat vom 16. April); I. H. Fichte über Julius Ferdinand und Hermann Helmholtz, WLBS, Cod. Hist. 4 593, VIII; IHF an HH, 7. Juni 1859 (die ersten drei Zitate), HN 145. 29 Weech 1877, S. 10; WT an HH, 11. Juli, 18. August 1859, beides HN 464. 30 HH an WT, 30. August 1859 (Zitate), CUL, WTP,
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Anhang
Add 7342 H65; WT an HH, 6. Oktober 1859, HN 464; HH an Gustav Michaelis, 30. August 1859, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Haus Unter den Linden, Musikabteilung, Mendelssohn Archiv, Mus. ep. H. Helmholtz. 31 HH an »Mein geliebtes Mamachen«, 9. [September] 1859, in: Kremer 1990, S. 184 – 187 (erstes Zitat auf S. 185); HH an OH, [12. August 1859], ebd., S. 187 – 189 (zweites Zitat auf S. 188); HH an OH [13. September 1859], ebd., S. 189 f. (drittes, viertes und fünftes Zitat auf S. 189 f.); HH an OH [20. September 1859], ebd., S. 191 f. (siebtes Zitat auf S. 191). 32 HH an WT, 15. November 1859. 33 Johannes, in: Kremer 1990, S. 193 – 201, auf S. 198 f. (die ersten beiden Zitate auf S. 198); HH an RL, 29. Dezember 1858, in: Scharlau 1986, S. 116 – 118, auf S. 117 f.; RL an HH, 16. (und 22.), 19. März, 19. April 1859, alles HN 281; HH an Mrs. WT [Margaret Thomson], 16. Januar 1861, CUL, WTP, Add 7342 H66; Evangelisches Kirchengemeindeamt Heidelberg, Kirchenbucheintrag im »Todtenbuch der ev.-prot. Gemeinde zu St. Peter und Providenz in Heidelberg«, Bd. 46, S. 123, Nr. 186, zitiert in: Werner 1997, S. 64; HH an Carl Binz, o. D. [ungefähr Anfang 1860] (drittes Zitat), in: LK, Bd. 1, S. 346 f., auf S. 347. 34 Wilhelm Heintz an HH, 2. Januar 1860, HN 193; EdBR an HH, 4. Januar 1860 [irrtümlich auf 1859 datiert], in: Kirsten u. a. 1986, S. 195; WT an HH, 22. Januar 1860, HN 464; GM an HH, 2. Januar 1860, HN 295; RL an HH, 6. Januar 1860 (erstes Zitat), HN 281; CL an HH, 3. Januar 1860 (zweites und drittes Zitat), HN 293. 35 HH an FCD, 9. April 1860 (die ersten beiden Zitate in: ESH 1929, Bd. 1, S. 97, sowie in: LK, Bd. 1, S. 347 f.); HH an HK, 2. April 1872 (drittes Zitat), HKL; HH an HK, 5. Januar 1873 (viertes Zitat), HKL.
Kapitel 10 1 E. Brücke, Ca.[?] Littrow, C. Ludwig, Schrätter,
10. Mai 1859, 448/1859, Nr. 4, Bibliothek, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien; EB an EdBR, 21. Juni 1859, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 109 f., auf S. 109; EB an HH, 20. Juni 1859 (erstes Zitat); 6. Januar 1860, beide HN 74; Kühlenthal (Außenministerium) an Stengel (Innenminister), 4. August 1859, BGLA 76/9939, und Stengels Antwort, 6. August 1859, abgedruckt in: Werner 1997, S. 202 f.; HH an H. W. Miller, 10. Juni 1860 (zweites Zitat), Royal Society, London, Archiv, MC. 6.91; GM an HH, 2. August 1860, HN 295; Ehrenurkunde (Nr. 36), »Acta der Kö-
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nigl. Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin betreffend: Promotionen honoris causa: Von 1860 bis 1886«, philosophische Fakultät, Bd. 2, 1380, HUB; Königliche Universitätsbibliothek 1899, S. 753, 768. 2 Thompson 1910, Bd. 1, S. 411; HH an Fräulein WT [Margaret Thomson], 16. Januar 1861 (Zitat), CUL: WTP, Add 7342 H66; William Barton Rogers an Henry Rogers, 19. Oktober und 27. November 1860; 13. Oktober 1862, alle in: Rogers 1896, Bd. 2, S. 43, 52 – 54 (auf S. 53), 133 f. (auf S. 134). 3 Zu diesem und den folgenden beiden Absätzen siehe Schulze 1886, S. 3 – 6, 31; Weber 1886, S. 252 – 255; Dilthey 1900, S. 226 f.; Wachsmuth 1900, S. 15; Mohl 1902, Bd. 1, S. 63 f., 221, 225; ESH 1929, Bd. 1, S. 11 – 44, 17, 61 – 63, 71; AH an MM, 26. August 1856, ebd., Bd. 1, S. 63 f.; Roscoe 1906, S. 45 – 47, 59 – 62, 75. 4 AH an ISZ, 11., 18., 25., 30. Oktober und November 1852, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 39 f. (auf S. 39), 40 f., 42 f., 43 f., 46 f.; AH an PM, 24. Oktober 1850; 9. Januar 1853; 3., 5., 8. Februar 1853, ebd., S. 25, 49, 51 f., 52 f.; ESH 1929, Bd. 1, S. 15, 18, 19, 27, 32 – 35, 57; Simpson 1887, S. 1, 46 – 49, 81; Weech 1906, S. 295 f.; Braun-Artaria 1899; Dilthey, 1900, S. 227 f.; Braun-Artaria 1918, S. 130 f.; Lesser 1984, S. 3, 11 f., 25 – 27, 102, 103, 116, 119, 128, 135, 164. 5 HH 1867e. 6 Dies ist das Thema und das Untersuchungsergebnis von Kremer 1993, an dem sich die vorliegende Darstellung in diesem und den folgenden beiden Absätzen stark orientiert. 7 Ebd., S. 237 – 247; HH 1858b, 1859e. 8 Kremer 1993, S. 247 – 255; HH 1859d. 9 Rentsch an HH, 28. August 1860 (erstes Zitat), HN 369; Dr. med. Ripps an HH, 7. April 1861, HN 376; EB an EdBR, 3. November 1864, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 140; EdBR an HH, 25. März 1862, in: Kirsten u. a. 1986, S. 200 – 203 (zweites Zitat auf S. 200); Kremer 1993, S. 206 f., 256 f.; Turner 1987. 10 Wachsmuth 1900, S. 16; Braun-Artaria 1899; 1918, S. 133; AH an MM, Juli 1860, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 72 (Zitate); Dilthey 1900, S. 228; Weech 1906, S. 296. 11 HH an WT, 13. Februar 1861, CUL, WTP, Add 7342 H67. 12 EdBR an HH, 26. Februar 1861, in: Kirsten u. a. 1986, S. 196; HH an EdBR, 2. März 1861, ebd., S. 196 f. (Zitate). 13 AH an MM, 8. Februar 1861, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 72 f.
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Anmerkungen Kapitel 10
14 AH an MM, 21. Februar 1861, S. 74 f., auf S. 74 (Zitate); AH an HH, 18., 22. März 1861, S. 77 f., auf S. 77; 78 f., auf S. 79, alles ebd. 15 AH an MM, 1. März 1861, ebd., S. 75 f. 16 Devrient 1964, Bd. 2, S. 371. 17 Wilhelm Heintz an HH, 24. Februar 1861, HN 193; EB an HH, 9. März, 21. Juni (erstes Zitat) 1861, HN 74; Justus Olshausen an HH, 10. April 1861 (zweites und drittes Zitat), HN 339; GM an HH, 7. April (viertes Zitat), 9. Mai 1861, beides HN 295; William Carpenter an HH, 19. Februar 1861, HN 85; HBJ an HH, 4. März 1861, HN 222. 18 Johannes, in: Kremer 1990, S. 193 – 201, auf S. 198 f. 19 AH an MM, [zwischen 2. und 17.] März 1861, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 76 f. (Zitate auf S. 76). 20 James 2002, S. 136 – 140; 2004. 21 HBJ an HH, 23. November 1860 (Zitate); 5., 21. Dezember 1860; 4. März 1861, alles HN 222; HH an EdBR, 2. März 1861; AH an MM, [zwischen 2. und 17.] März 1861; HBJ an EdBR, 15. Februar [1861], SBPK, SD 3 k 1852 (3), Bl. 311 – 313; HH 1860. Vgl. WT an George Gabriel Stokes, 20. April 1864, in: Wilson 1990, Bd. 1. S. 319 – 323, zu Thomsons Gebrauch von Helmholtz’ Methode zur Untersuchung einer schwingenden Violinsaite. 22 Brock und MacLeod 1980, Eintrag für den 24. März 1861, Folio 1572. 23 Mrs. WT an HH, 4. April 1861, in: Thompson 1910, Bd. 1, S. 416; HH an Verehrte Freundin [Mrs. WT], 22. März 1861 (Zitat), CUL, WTP, Add 7342 H68. 24 HH an Verehrte Freundin [Fr. WT], 22. März 1861; HER an HH, 1. April 1861, HN 385; William Sharpey an HH, 6. März 1861 (Zitate), HN 402. 25 AH an HH, 18., 21. März 1861, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 77 f.; AH an HH, 22. März 1861 (Zitate). 26 HH 1861; Fr. WT an HH, 4. April 1861; Brock und MacLeod 1980, Eintrag für den 14. April 1861 (erstes Zitat), Folio 1575; HBJ an EdBR, 7. Juli 1861 (zweites Zitat), SBPK, SD 3 k 1852 (3), Bl. 314 – 316. 27 HH 1861, S. 565 – 569 (alle bis auf das vierte Zitat auf S. 565 f.), S. 572 (viertes Zitat). 28 Ebd., S. 570 – 579 (Zitate auf S. 571, 573, 575, 578); zum Gegensatz zwischen Helmholtz (und Tyndall) und anderen siehe Smith und Wise 1989, S. 617 – 619, 626; Smith 1998, S. 171 f., 253; Lightman und Reidy 2014. 29 EdBR an Jeannette du Bois-Reymond, 23. April (erstes und zweites Zitat), 26. April (drittes Zitat) 1861, beide Dep. 5, K. 11, Nr. 5; Epstein 1896,
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S. 41; Roscoe 1906, S. 92; GM an HH, 9. Mai 1861, HN 295. 30 Helmholtz’ Personalakte, RKUHA, PA 1700, Bl. 10, zitiert in: Werner 1997, S. 75. 31 Zobeltitz 1891, S. 768 (erstes Zitat); HH an HER, 6. August 1861 (zweites Zitat), RSC; AH an MM, 15. Oktober 1861, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 101 f. (drittes Zitat). 32 AH an MM, 15. Oktober 1861, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 101 f. (Zitat); AH an MM, zwischen 2. Januar und 21. Februar 1862, ebd., S. 102 f.; AH an Julius von Mohl, 24. Juni 1861, ebd. S. 100 f.; BraunArtaria 1899; 1918, S. 134; Weech 1877, S. 21; 1890, S. 595 – 601; Zeller 1908, S. 181, 192 f.; Dilthey 1900, S. 229. 33 Braun-Artaria 1899; 1918, S. 132 f., 139; Dilthey 1900, S. 231; Wachsmuth 1900, S. 15, 19; AH an ISZ, 11. Oktober 1852, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 39 f.; AH an HER, 18. Januar 1863, RSC; Bunsen 1899; ESH 1929, Bd. 1, S. 67. 34 HH an EdBR, 15. März 1862, in: Kirsten u. a. 1986, S. 198 f. (Zitat); HH an WT, 27. Mai 1862, CUL, WTP, Add 7342 H69; Alexander Crum Brown an HH, 31. März, 4. August 1862, HN 72. 35 HH an EdBR, 15. März 1862; HH an EdBR, 13. April 1862, in: Kirsten u. a. 1986, S. 203 f., auf S. 203 (Zitat); HH an WT, 27. Mai, 14. Dezember 1862, CUL, WTP, Add 7342 H69, H70; CL an HH, 28. August 1862, HN 293; AH an HH, 13. August 1862, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 104 f.; EB an HH, 31. August 1862, HN 74; Vleminx an HH, Telegramm, Oktober 1862, HN 487. 36 AH an HH, 28. März 1864, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 112 f., auf S. 113; AH an HH, [Gründonnerstag] 1864, ebd., S. 112; AH an Julius von Mohl, 29. Mai, 1. Dezember 1864, ebd., S. 123 f., 124 f. (zweites Zitat); AH an ISZ, 2. November 1890, ebd., Bd. 2, S. 32 – 34, auf S. 32; HH an EdBR, 15. Mai 1864, in: Kirsten u. a. 1986, S. 208 f. (erstes Zitat); HH an HER, 18. März 1863, RSC; EB an HH, 22. Juli 1864; 5. Februar 1865, HN 74; Carl David Wilhelm Busch an HH, 22., 26. Mai; 20., 27. Juli; 6. August, 17. November 1864; 5. Januar, 24. Februar, 10. August 1865; 15. August 1867, alle HN 82; Otto Jahn an HH, 13. September 1864; 4. Januar 1865, beide HN 216; CL an HH, 6. Februar 1865, o. D. [1865], beide HN 293; Braun-Artaria 1899; 1918, S. 135; Weech 1906, S. 298. 37 HH an EdBR, 3. Januar, 13. Februar 1865, in: Kirsten u. a. 1986, S. 213 f., auf S. 214 (erstes Zitat), 215; HH an Jacques-Louis Soret, 23. Dezember 1864; 12. August 1865, VG, Ms. fr. 4175, f. 338 f. (zweites und drittes Zitat), f. 340 (viertes Zitat);
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Anhang
Soret an HH, 19. September 1865, HN 412; AH an HH, 7., 9., 13. September 1865, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 127, 128 (fünftes Zitat), 128 f. 38 HH an EdBR, 11. Januar 1866; 22. April, 2. Juni 1867; 20. April 1868, alle in: Kirsten u. a. 1986, S. 219 – 212, 223 f. (auf S. 223), 227, 228 (fünftes Zitat); HH an WT, 24. November 1866, KP, GUL, H17 (die ersten zwei Zitate); HH an WT, 23. August 1883, CUL, WTP, Add 7342, H75; AH an PM, 1. April 1867, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 140 f.; AH an HH, 6. August 1867, ebd., S. 142 f. (drittes Zitat); AH an MM, 20. Januar 1868, ebd., S. 146 (viertes Zitat).
Kapitel 11 1 Wielandt an das Ministerium des Innern, 17. Januar 1862, BGLA 235/397, in: Werner 1997, S. 200 f.; Toepke 1907, S. 712; Riese 1977, S. 73 – 93. 2 Wolgast 1985a, S. 89; HH an EdBR, 13. April 1862, in: Kirsten u. a. 1986, S. 203 f.; Doerr 1985, Bd. 4, S. 365; Hintzelmann 1886, S. 62; »Heidelberg« 1862. 3 AH an Julius von Mohl, 3. Mai 1862, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 103 f. (Zitat auf S. 103), HH an WT, 27. Mai 1862, CUL WTP, Add 7342 H69; Eduard Pflüger an HH, 27. April 1862, HN 351. 4 HH an EdBR, 13. April 1862; Helmholtz’ Notizbuch »Allgemeine Resultate der Naturwissenschaften«, HN 720; HH an WT, 14. Dezember 1862, CUL WTP, Add 7342 H70; HH an HER, 18. März 1863, RSC (die ersten beiden Zitate); Bernstein 1906, S. 288; Stern 1932, S. 5 f. (drittes Zitat); Gregory 2000, v. a. S. 25 – 28; Cahan 2000. 5 HH 1862, S. 159. 6 Ebd., S. 159 – 162 (Zitat auf S. 160). 7 Ebd., S. 162 f. 8 Ebd., S. 164. 9 Ebd., S. 164 – 166; Phillips 2012, S. 228 – 253. 10 HH 1862, S. 166 f.; Daston 1999; Jurkowitz 2002. 11 HH 1862, S. 166 f. 12 Ebd., S. 167 f. 13 Ebd., S. 169 – 171. 14 Ebd., S. 172 – 174, 178; HH 1867e, S. 447, 453; Köhnke 1993, S. 136, 468; Hatfield 1993, S. 543 – 545. 15 HH 1862, S. 174 – 179. 16 Ebd., S. 180 (Zitate), Helmholtz 1837, S. 17. 17 HH 1862, S. 180 f. 18 Ebd., S. 181.
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19 Ebd., S. 181 – 183 (Zitate); EB an HH, 21. Dezember 1862, HN 74. 20 HH 1862, S. 183 – 185. 21 HH 1884, Bd. 1, S. X; HH an Friedrich Vieweg, 5. Mai 1863 (Zitat), VV; EB an HH, o. D. (Ende 1862), HN 84. 22 HH an die Bau- und Ökonomiekommission, 13. Januar 1859, Universitätsarchiv Heidelberg, G II 83/14, in: Albrecht 1985, S. 201 f.; Tuchmann 1993a, S. 168 – 170; HH an WT, Dezember 1862 (Zitat). 23 Bernstein 1906, S. 283; Albrecht 1985, S. 127, 336 f., 345 – 49; Werner 1997, S. 95 – 97; Wurtz 1870 (Zitate auf S. 60 f.). 24 Wundt 1921, S. 154 – 161; Bringmann, Bringmann und Cottrell 1976; Bringmann, Bringmann und Balance 1980. 25 HH an J. Friedrich August von Esmarch, 21. Oktober 1863, Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Kiel, Cb 18 F2/97. 26 HH an die »Medicinische Facultät« der Universität Heidelberg, 25. Oktober 1863, RKUHA, PA Wilhelm Wundt. 27 Rudolf Dohrn an HH, 14. Januar und 24. Februar 1872, beide in HN 113; HH an Wilhelm Oncken, 1. Dezember 1872, Universitätsbibliothek der Justus-Liebig-Universität Gießen, Handschriftenabteilung, 139/100 – 107; HH an Adolf Fick, 16. Dezember 1872; HH an ?, 1873, beide zitiert in: Schlotte 1955 – 56, S. 336 f. 28 HH an EdBR, 20. April 1868, in: Kirsten u. a. 1986, S. 228. 29 Tschermak 1919; Lenoir 1986; de Palma und Pareti 2011. 30 Engelmann, zitiert in: ESH 1929, Bd. 1, S. 105 f. (erstes Zitat); Bernstein 1906, S. 288 (zweites Zitat); Knapp 1902, S. 557; Albrecht von Graefe an Johann Friedrich Horner, 24. Juli 1868, in: Bader 1933, S. 110 f. (drittes Zitat auf S. 111). 31 Wundt 1921, S. 157; Setschenow 1965, S. 88 – 90 (Zitate auf S. 89). 32 Knapp 1894, S. 515 f. 33 Bernstein 1906, S. 288; vgl. Knapp 1902, S. 557. Weitere Berichte zu Helmholtz’ Lehrtätigkeit findet man in Kussmaul 1903, S. 43 – 45, 55, 58 – 60; Emil Berthold an HH, 30. Oktober 1866, 8. Dezember 1871 und 15. Mai 1889, alle HN 43. 34 Bernstein 1906, S. 289; Merz 1922, S. 106 f. (erstes Zitat), S. 118 – 124 (zweites Zitat, auf S. 119). 35 Kussmaul 1902, S. 186; 1903, S. 61 f. 36 Jaeger 1985.
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Anmerkungen Kapitel 12
37 Knapp 1902 (Zitat); HH an HK, 26. April 1868, HKL; Riese 1977, S. 121 – 124, 132, 231 – 234. 38 Bonner 1963, S. 16 – 19, 33 f., 82 f.; Frank 1987, v. a. S. 14, 18 – 22, 25 – 28, 38 f.; Jeffries Wyman an Morrill Wyman, 26. Juni 1870, Francis A. Countway Library of Medicine, H MS c12.1, fd.8 (Zitat). 39 Frank 1987, S. 18; William James an Thomas W. Ward, Herbst 1867, in: Perry 1935, Bd. 1, S. 118 f. (erstes Zitat); James an Henry Pickering Bowditch, 5. April (oder Mai?, zweites Zitat), 15. Juni (drittes Zitat) 1868, Francis A. Countway Library of Medicine, H MS c5.2, fd. 1 (Kopie) und fd. 2 (Kopie); James an seine Eltern, 3. und 9. Juli 1868, in: Perry 1935, Bd. 1, S. 282 f., 283 (viertes Zitat auf S. 283). 40 Vogt 1994; Kussmaul 1902, S. 186. Ein polnischer Student wird erwähnt in: HH 1869i. 41 AH an Julius von Mohl, 1. Dezember 1864, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 124 f. (erstes Zitat); Bernstein 1906, S. 292; Wundt 1921, S. 158 f. (zweites Zitat).
Kapitel 12 1 HH 1863; HH 1954, S. VI, 225, 247, 297, 306 f.,
308, 326, 327; HH an CL, 30. März 1865, in: LK, Bd. 2, S. 60 f.; HH, Notiz vom 3. Mai 1891 (letztes Zitat), Smithsonian Institution Libraries, Washington, DC, Dibner Manuscript Collection, Helmholtz Papers, MSS 683A; Epstein 1896, S. 41, Zobeltitz 1891, S. 770; vgl. Hui 2013, S. 55 – 87. 2 HH an Frau WT [Margaret Thomson], 16. Januar 1861, CUL, WTP, Add 7342 H66; HH an FCD, 1860 und 29. April 1862, in: LK, Bd. 1, S. 360 (Zitat), Bd. 2, S. 11 f.; HH an EdBR, 15. März 1862, in: Kirsten u. a. 1986, S. 198 f. 3 Eduard Vieweg an HH, 3. Juli 1861, HN 483; Dreyer, ohne Datum [1936], S. 45 f., 88 f., 95; Rocke 1993, S. 68 – 71. 4 HH an Vieweg, 15. Juli 1861, VV; Vieweg an HH, 23. Juli 1861, HN 483. 5 HH an den Vieweg Verlag, 21. November; 3., 15. und 27. Dezember 1861; 20. und 25. Februar, 5., 7. und 13. April; 18. Juni; 6. und 31. Juli; 3. und 29. Oktober; 18. November 1862; 5. Mai 1863; 14. November und 5. Dezember 1864, alle VV; Vieweg an HH, 29. November; 9. und 24. Dezember 1861; 19. Februar 1862, alle HN 483; HH an »Hochgeehrter Herr« (wahrscheinlich Georg Ernst Reimer), 28. Februar 1862 (Zitat), WGA; Dreyer, o. D. [1936], S. 60, 94, 107, 109, 130. 6 HH an Frau WT, 16. Januar 1861 (erstes Zitat), CUL, WTP, Add 7342 H66, eine leicht veränderte Version findet sich in HH an Margaret Thom-
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son, Ende Mai 1862, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 104; HH 1863, Vorrede, S. V f.; AH an RM, 6. Dezember 1862, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 106 f. (zweites Zitat auf S. 106); HH an WT, 14. Dezember 1862 (drittes Zitat), CUL, WTP, Add 7342 H70. 7 Siehe etwa Tryser and Company an HH, 25. Februar 1861, HN 471; J & P Schiedmayer an HH, 18. März und 31. Dezember 1860; 9. Januar 1862, alle HN 426; HH 1954, S. VI, 121 – 126, 316 – 320; 1859c, 400 – 402; HH an EdBR, 15. April 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 182 – 184; Jackson 2006; Pantalony 2009. 8 Rudolph Koenig an HH, 2. Dezember 1859; 29. Februar 1860; 18. Mai 1861, alle HN 238; HH 1859c, S. 404 f.; Ferdinand Sauerwald an HH, 3. August 1860, HN 397; HH 1954, S. 11 – 15, 39 – 49, 51 – 54, 74 – 102, 120 – 127, 161 – 165, 174 f., 372 – 374, 380 – 396, 413 f., 418 – 421; Pantalony 2009, S. 1 – 4, 30 – 34, 53 – 55, passim. 9 HH 1860, 1861a; 1954, S. 45 – 49, 51 – 54, 74 – 102, 374 – 377, 380 – 387, 388 – 396; Lawergren 1980; Jackson 2006, S. 272 – 277. 10 AH an MM, 1. Januar 1862, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 102; American Philosophical Society 1891, S. 149 – 151, 154, 160 – 162; HH 1954, S. 104, 116; Seiler 1868, S. 7 – 9, 13 f., 31 – 35, 41 – 104, 148 f.; 1875, S. 7 f., 11 – 34, 62, 64, 83, 86 f. 11 HH 1863, S. 3 f. 12 Ebd., S. 6. 13 Ebd., S. 7 – 9. 14 Vgl. z. B. Dahlhaus 1970, S. 49 – 52. 15 HH 1863, S. 16 – 19 (erstes Zitat auf S. 16), S. 37 (zweites Zitat). 16 HH 1867c, 1869a, 1869b, 1954, S. 25, 33 – 34, 44, 49 – 65 (Zitat auf S. 58), 63, 128 – 151, 158, 166, 172, 227, 406 – 411 (Zitat »wesentliches Erforderniss« auf S. 99); McDonald 2001, 2002; Zimmermann 1993, S. 27 – 32; Georg von Békésy, »Concerning the Pleasures of Observing, and the Mechanics of the Inner Ear«, Rede zur Verleihung des Nobelpreises, 11. Dezember 1961, http:// nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates /1961/bekesy-lecture.pdf (aufgerufen am 6. August 2009). Zur Auseinandersetzung mit Helmholtz’ Theorie nach 1863 siehe Zurmüll 1930. 17 HH 1857d, 1859c, 1860a; HH 1863, S. 155, 160. 18 HH 1863, S. 225, 228, 237, 293 (Zitate). 19 Ebd., S. 343 (Zitat). 20 Ebd., S. 345 f. (Zitat auf S. 346), S. 347 (zweites Zitat). 21 Ebd., S. 357 f.
An Ka
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Anhang
22 Ebd., S. 358 f. (Zitate), 362, 382 f. (Zitate). 23 Ebd., S. 388. 24 Ebd., S. 551 f., S. 552. 25 Ebd., S. 552 – 554, S. 553, S. 554. 26 Ebd., S. 555. 27 Ebd., S. 560. 28 Vieweg an HH, 1. Juli und 29. November 1864, beide HN 483; HH an die Firma Vieweg, 11. und 31. März; 19. und 31. Dezember 1876; 18. Mai 1877; 22. Juli 1891; 28. August 1892, alle VV. 29 EB an HH, 21. Dezember 1862 (erstes Zitat), HN 74; Brücke 1871; EB an HH, 16. April 1863 (zweites Zitat), HN 74; CL an HH (drittes, viertes, fünftes Zitat), HN 293; HH an CL, 27. Februar 1864 (sechstes Zitat), in: LK, Bd. 2, S. 31, CL an HH, 6. Februar 1865, HN 293; Schramm 1998, S. 217 f., S. 257, Anm. 112; S. 265 f.; Klaus Groth an HH, 19. September 1870, HN 176. 30 Lotze 1868, S. 277 – 282 (Zitate), 463 – 476, v. a. S. 463. 31 CL an HH, 3. Januar 1864, HN 293; Mach 1866; HH an »Verehrter Herr College« [Ernst Mach], 31. Dezember 1866, Ernst Mach Institut, Fraunhofer Institut für Kurzzeitdynamik, Freiburg, abgedruckt in: Thiele 1978, S. 35; Mach in: Blackmore 1978, S. 406, 409 f., 415; Mach 1943, S. 19, 28 f., 35, 99, 305, 307, 375, 382 – 384; Swoboda 1988, S. 369 f., 392, 399; Hui 2013, S. 96 – 98, 103 – 105; S. 192, Anm. 24. 32 »Zu Helmholtz« 1867; Paul 1868, S. 4 f. (Zitat), 11 – 13, 32 f., 36 – 41, 82 – 85, 224 f. 33 Hauptmann 1863; Mendel und Reissmann 1870 – 1879, Bd. 5, S. 191 f. (erste beiden Zitate); Schubring 1872, S. 5 (drittes Zitat), 6, 70; Manz 1903/04, S. 22 (viertes Zitat). 34 Gustav Theodor Fechner an HH, 6. Juni (erstes Zitat), 12. Juli 1869, HN 142; HH an Fechner, 3. Juli 1869, in: LK, Bd. 2, S. 62 – 64; Zimmermann 1865, Bd. 2, S. 42 f.; William Preyer an HH, 19. März 1879 (zweites Zitat), HN 358. 35 Oettingen 1866; 1913, S. III – V, 9, 19 – 21, 24, 26 f., 40; Schubring 1872; Bagge 1867, S. 467; Auerbach 1881, S. 232. 36 Krüger 1863; Rummenhöller 1963, S. V-XII, 13 – 17, S. 43 – 45, 110 – 112; 1971; Bagge 1867, S. 465, 467 – 479. 37 Mach 1886; AJE an HH, 1. Dezember 1873, HN 131; Pantalony 2009; Ries [Riemann] 1873; Hugo Riemann an HH, 2. August 1876, HN 374; Riemann 1900, S. 25, 31 – 33, 38 f., 52 – 57, 66 f., 83 – 85, 96 f., 107 f., 119 f.; Wuensch 1977; Reh-
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ding 2003, S. 19 – 24, 27, 31 – 33, 48, 70 f., 79 – 83, 108, 167, 181; 2005; Partch 1974, S. 144 f.; Ash 1995, S. 25 – 41; Reinecke 1999; Green and Butler 2002, S. 246, 262 – 266; Kursell 2008, 2013 (auch zu Helmholtz’ Einfluss auf Arnold Schönberg). 38 Mittasch 1952, S. 366; »H.L. Helmholtz« 1875; »Deutsche Professoren« 1876 (Zitat auf S. 680). 39 Radau 1865 (Zitate auf S. 193 f.); Rodolphe Radau an HH, 24. Mai 1869, HN 361. 40 MM an M.C.M. Simpson, 23. Februar 1863, in: Simpson 1887, 200 f. (Zitat auf S. 200); MM an Emma Weston, 8. April 1866, ebd., S. 222 – 224 (Zitat auf S. 223); HH an AH, 11. April 1866, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 130 f. 41 HH an AH, 11. April 1866, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 130 f. (Zitate); Hannabuss 2000, S. 443 – 445, 450 – 455; Louis Grandeau an HH, 5. August 1868, HN 173. 42 HH an AH, 17. April 1866, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 131 f. (erstes Zitat); HH an »Verehrter Herr College« [Ernst Mach], 31. Dezember 1866 (zweites Zitat). 43 HH an AH, 17. April 1866. 44 HH an AH, 20. April 1866, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 133 f. (Zitate); Fox 1973; 1990, v. a. S. 14 f. 45 HH an AH, 20. April 1866. 46 HH 1866, 1867, 1867a, 1867b; Louis-Emile Javal an HH, 1. Januar 1867, HN 217; Georges Guéroult an HH, 10. und 29. April; 3. Juli 1867, HN 180; HH 1868; 1874, Vorwort. 47 Emile Alglave an HH, 14. November 1867; 23. April 1877, HN 10; Blaserna 1877, S. 1; Pietro Blaserna an Leo Koenigsberger, Mai 1902, in: LK, Bd. 1, S. 364 – 368; Louis Pérard an HH, 3. November 1868, HN 347; RC an HH, 17. Oktober 1868, HN 91; HH 1903, Bd. 1, S. I – III; 1869c. 48 Laugel 1867, S. V, 3 f. (erstes Zitat), 5 – 7 (zweites und drittes Zitat), 28 (viertes Zitat), 67, 79, 80 f. 49 Gustave Bertrand 1868, S. 85 – 99 (Zitat auf S. 94), 106, 108 f. 50 HH an den Secrétaire de l’Académie Royale de Médecine de Belgique, 19. Januar 1864, mit beiliegender »Notice biographique: Hermann Ludwig Ferdinand Helmholtz«, in: Académie Royale de Médecine de Belgique, Palais des Académies, Brüssel; GM an HH, 2. August 1860, HN 295; Académie des Sciences 1869, 1870, 1870a. 51 JT an HH, Fragment, o. D., in: RI MS JT/1/T/503, TPRI (Abschrift); JT an HH, 16. Januar 1864, HN 477; Tyndall 1904, S. XIV.
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Anmerkungen Kapitel 12
52 Vieweg an HH, 23. März 1863 und 17. Dezember 1864, beide in HN 483; HH an die Firma Vieweg, 22. März 1862 und 5. Dezember 1864, beide in VV. 53 Friedrich Max Müller an HH, 19. März [1863] (die ersten beiden Zitate), HN 319; Müller an JT, 14. März 1863, in: Müller 1902, Bd. 1, S. 287, 288, 290 (drittes Zitat); HH 1875, Titelseite. 54 AJE an HH, 22. August 1863; 10. April 1864, beide HN 131; JT an AJE, 30. März 1863 (Zitate), HN 131 (Abschrift); Abschriften von Briefen verschiedener Verleger (Longmans, 8. April 1863; Baillière, 18. April 1863; W. Churchill, 22. Mai 1863; Walton & Maberby, 29. Mai 1863; Chapman & Hill, 20. June 1863; Robert Cock, 8. Juli 1863; Henry Bohn, 14. Juli 1863), alle HN 131; HH an H. W. Acland, 15. März 1865, Bodleian Library, University of Oxford, MS Acland, d. 67, fol. 121R – 122R; JT an Madame Mohl [AH], 22. März 1871, HN 477. 55 Taylor 1873; AJE an HH, 5. Juli 1875 (Zitat), HN 131; Sedley Taylor an HH, 19. März, 30. April 1870, HN 460; HH an Taylor, 3. Mai 1870 (Zitat). CUL, Add 6259/66; Taylor an HH (Abschrift), 7. Mai 1870 (Zitat), CUL, Add 6255/45; Chappell 1876; HH an Taylor, 24. Mai 1875, CUL, Add 6259/80; HH an »Geehrtes Fräulein«, 7. August 1878, Uppsala Universitet, Wallers samling, Okat 651 F:1. 56 AJE an HH, 13., 18. und 20. Februar; 1. Dezember 1873; 12. August, 1. September, 10. Oktober 1874; 10. März, 5. Juli 1875, alle HN 131; Abschrift von James Nixon an AJE, 19. Februar 1873, ebd.; HH 1954, S. V, 430 – 556. 57 Ellis 1875, S. V – VII; 1895, ohne Seitenangabe. 58 William Pole an HH, 10. Januar 1879, HN 357; Pole 1879. 59 Beer 1992; Dale 1989, S. 68, 78, 88, 102 – 107, 113, 118, 131, 134; S. 302, Anm. 8; Noble 1976, 47P, 49P. Beer zitiert Haight 1954 – 1978, Bd. 4 (1955), S. 415 f., dieser wiederum zitiert aus Lewes Tagebuch (10. Januar 1868), Beinecke Library, Yale University; George Henry Lewes, Diary 1869 (11. Februar, 18. August; 27. und 29. September), Section VI, box 40; Diary 1871 (12. – 15. Juli; 29. –30. November; 2., 4., 11., 21., 27. Dezember), Section VI, box 42; Diary 1872 (3. – 5. Juni), Section VI, box 43; Diary 1874 (6. – 8. April; 17., 24. – 26., 28. – 31. August; 10. – 13., 15., 22. September; 31. Dezember), Section VI, box 45, alle GEGHL; Eliot 1998, S. 135 (Tagebucheintrag vom 24. Februar 1869 [Zitat]); Shuttleworth 1984; Beer 1985, v. a. S. 149 – 235; Otis 2001, S. 8, 81 – 120. Die Bibliothek von George Eliot und George Henry Lewes enthielt Helmholtz’ Handbuch, Tonempfindungen (französisch
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und deutsch), Populäre wissenschaftliche Vorträge und die Abhandlungen »Das Denken in der Medicin« und »Wirbelstürme und Gewitter mit einer Illustration«. Siehe Baker 1977, S. 91 f. 60 Darwin 1988a, S. 67; Charles Darwin an ?, 13. August 1878 (Zitat), Houghton Library, Harvard University, Handschriftensammlung, zitiert in: Burkhardt u. a. 1985, S. 493 f., Darwin, Die Abstammung des Menschen, Bd. II, Stuttgart 1875, 19. Kapitel, S. 312. 61 Rayleigh 1945, Bd. 2, S. VIII 220, 432, passim; Rayleigh 1968, v. a. S. 50, 55, 80 f., 84 f., passim; Ku 2006; James Clerk Maxwell an Rayleigh, 26. Mai 1873, in: Maxwell 1995, 856 f.; 2002, Bd. 3, S. 651, 655, 662 f.; HH 1878a, 1878d, 1878e; HH an EdBR [1877], in: Kirsten u. a. 1986, S. 260; Eduard Schaer an HH, 18. April 1884, HN 421. 62 Maxwell, zitiert in: Campbell und Garnett 1969, 363 f.; Ellis 1895, ohne Seitenangabe; Broadhouse, o. D. [1892?], S. V, 427 – 435; Steege 2012, S. 193 – 206. 63 Bruce 1973, S. 47 f., 50 f., 64, 73 f., 76, 93 – 95, 100, 103 f., 110, 123, 131, 135, 209, 251, 369; Israel 1998, 124, 130 f. 64 Robert Spice Testimony, Telephone Interference, Evidence for Thomas A. Edison, S. 298 – 308, TAEM, reel 1:126 – 131 (TAED, TI1018); Quittung des van Nostrand-Verlags vom 15. November 1875, Thomas A. Edison, Bills & Receipts (D75 – 02), TAEM, reel 13:240 (TAED, D7502AAA, Bild 18); Edison 1991, S. 524 – 526, Doc. 599; Israel 1998, S. 109 f., S. 525, Anm. 22; Baldwin 1995, S. 318 – 321; Kursell 2012, S. 183 – 185. 65 Loesser 1954, S. 420, 494 – 496, 511 – 514, 564 ff.; Dolge 1911 – 1913, Bd. 1, S. 302 – 307. 66 Steinway & Sons an HH, Telegramm vom 11. März 1871, HN 448; Mendel und Reissmann 1870 – 1879, Bd. 9, S. 422; Dolge 1911 – 1913, Bd. 1, S. 303 – 306; Lieberman 1995, S. 60 – 62; vgl. Fostle 1995, S. 288 f. 67 Hiebert 2003, 2013; Hiebert und Hiebert 1994; Dolge 1911 – 1913, Bd. 1, S. 425 f., Bd. 2, S. 207 – 213. 68 Steege 2012, S. 223; Weber 1958; Christoph Braun 1992. 69 Dr. Schlemmer an HH, 10. November 1871, HN 429; Surmann an HH, 19. Juni 1881, HN 418; John Worthington an HH, 29. März 1889, HN 515; C. Evans an HH, 3. März 1890, HN 139; Karl Antolik an HH, 1. März 1892; 13. März 1894, HN 13; Adolf Menk an HH, 20. September, 14. Oktober 1892, HN 309; J. A. Zahm an HH, 21. Dezember 1892,
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Anhang
HN 518; Bell und Truesdell 1980, S. 673 f.; Bell 1980; Beyer 1999, S. 108 – 123, 154 f., 177 – 191.
Kapitel 13 1 HBJ an HH, 12. April (erstes Zitat), 1. Juni 1863, beide HN 222; HH an EdBR, 26. Februar 1864, in: Kirsten u. a. 1986, 207 f. (weitere Zitate auf S. 207); HH 1862/63. Die Vorlesungen aus HH 1862/63 erschienen in The Medical Times and Gazette, vom April 1864 (HH 1864; 1903a, S. XI f.). 2 HH 1862/63, S. 189. 3 Ebd., S. 190 f. (erste vier Zitate), S. 225 – 229 (fünftes Zitat auf S. 228, sechstes und siebtes Zitat auf S. 225 – 227). 4 HBJ an HH, 10. Dezember 1863; 25. Januar 1864, beide HN 222. 5 HH an AH, 3. und 9. September 1863, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 107 – 110. 6 JT an HH, 16. Januar 1864, HN 477; William Benjamin Carpenter an HH, 29. Februar 1864, HN 85; HH an Carpenter, 6. März 1864, Bodleian Library, University of Oxford, MS d.36, f. 152; WT an HH, 16. März 1864, HN 464; Margaret Thomson an HH, 25. März [1864], in: Thompson 1910, Bd. 1, S. 429 (fehldatiert auf 1863); HH an George Gabriel Stokes, 27. März 1864, CUL, Add 7656 H88. 7 AH an HH, 11. März 1864, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 111 f. (erstes Zitat auf S. 111); HH an AH, 14. und 19. März 1864, in: LK, Bd. 2, S. 49, 113 – 115 (weitere Zitate auf S. 113 f.); Michael Faraday an HH, 7. April [1864?], HN 141; Bellmer 1999. 8 HH an AH, 17. und 19. März 1864, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 113 – 115 (Zitate). 9 HH an AH, 19. März 1864, S. 115 (erstes, drittes und viertes Zitat); Sheehan 1993, S. 890 – 896; HH an EdBR, 26. Februar 1864 (zweites Zitat). 10 HH an AH, 22. und 25. März 1864, beide in: ESH 1929, Bd. 1, S. 115 – 117. 11 HH an AH, 25. März 1864 (Zitate). Siehe auch: HH an H. W. Acland, 15. März 1865, Bodleian Library, University of Oxford, MS Acland, d. 67, fol. 121R – 122R; zu Oxford und der wissenschaftlichen Forschung dort siehe: Fox 1997, S. 664 und S. 675 – 677; Fox 2005, S. 37, 39, 41 f., 73; Gooday 2005; MacLeod 1972, S. 114 – 126. 12 HH an AH, 31. März und 2. April 1864, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 117 f. (erste beiden Zitate); HH an AH, o. D., in: Koenigsberger 1902 – 1903, Bd. 1, S. 51 (drittes und viertes Zitat). 13 HER an HH, 28. Februar und 23. März 1864, HN 385; HH an HER, 6. März 1864, RSC; HH an AH,
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5. April 1864 und 11. April 1866, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 118 f. (Zitate), S. 130 f.; Fox 1997, S. 676 – 682, 686, 690; Fox 2005, S. 42 – 79; Gooday 2005. 14 HH an AH, 5. April 1864; HH 1864, S. 385 – 388 (Zitate auf S. 385). 15 HH 1864, S. 415 – 418 (Zitate auf S. 415 – 417). 16 HH an AH, [circa 8. – 10. und 15.] April 1864, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 119 f. (erstes Zitat), S. 120 – 122 (zweites Zitat auf S. 120 f.). 17 HH 1864, S. 443 – 446 (Zitate auf S. 443 f.). 18 Ebd. (Zitate auf S. 446). 19 HH an AH, [15.] April 1864, S. 120 f. (Zitate); Mackenzie 1979, S. 339. 20 HH an AH, [15.] April 1864, S. 121. 21 HH 1864, S. 471 – 474 (erstes Zitat auf S. 471; zweites, drittes und viertes Zitat auf S. 472). 22 Ebd. (Zitat auf S. 473). 23 HH 1864a, S. 25. 24 Ebd., S. 25 – 42. 25 HH an AH, [15.] April 1864, S. 121; Brock und MacLeod 1980, Eintrag vom 17. April 1864, Folio 1668; Edward William Brayley an HH, 21. April 1864, HN 65; AJE an HH, 10. und 18. April 1864, HN 131. 26 James Clerk Maxwell an HH, 12. April 1864, HN 305; HH an AH, 19. April 1864, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 122 f. (Zitate). 27 HH 1864, S. 499 – 501 (Zitate auf S. 499). 28 Ebd. S. 527 – 530 (Zitate auf S. 529). 29 HH an EdBR, 15. Mai 1864, S. 209 (Zitate); HH an EdBR, 5. Juni 1864, beide in: Kirsten u. a. 1986, S. 212; Carlo Matteucci an HH, 17. Mai und 9. Juni 1864, HN 302; HH an Matteucci, o. D. [ca. Ende Mai oder Anfang Juni 1864], in: LK, Bd. 2, S. 55 f.; zu EdBRs Rivalität mit Matteucci siehe Finkelstein 2013, S. 57 f., 66 – 69, 72 f., 78 – 82, 90, 104 – 108, 144, 145 f., 195. 30 HH an EdBR, 15. Mai 1864, S. 209 (erste fünf Zitate); HH an EdBR, 11. Januar 1866, in: Kirsten u. a. 1986, S. 219 – 222; EdBR an HH, 24. Mai 1864, ebd., S. 210 f. (sechstes Zitat). 31 HH an EdBR, 26. Februar und 15. Mai 1864 (erste vier Zitate); HH an Alexander William Williamson, [ca. Ende 1873], abgedruckt in: Tilden 1930, S. 238 – 240 (fünftes Zitat auf S. 239). 32 HH 1865. Siehe auch HH 1865b. Bezüglich der Einladungen nach Frankfurt siehe: Gustav Adolf Spies an HH, 22. Oktober und 9. November 1864; 25. Januar 1865; 13. Oktober 1866; 13. Juli 1867, alle HN 415. 33 HH 1865, S. 233.
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Anmerkungen Kapitel 14
34 Ebd., S. 233 – 235; Kutzbach 1979, S. 58 – 62; Darrigol 2005, S. 167 f. 35 HH 1865, S. 240 – 246 (Zitate auf S. 242 f.), S. 248 – 251, 253 f., 260 f. 36 Ebd., S. 234 – 237 und 242 f. 37 Ebd., S. 251 – 254 und 261 – 263. 38 Hlasiwetz, Rochleder, Redtenbacher, E. Brücke und Littrow, 7. Mai 1865, 479/1865, Bibliothek der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien; EB an HH, 22. Juli 1864; 5. Februar und 12. November 1865; 1. Januar 1866, alle HN 74; Joseph Hyrthl an HH, 14. Mai 1865, HN 210; Justus von Liebig an HH, 27. Dezember 1866, HN 275; CL an HH, 24. März, 2. April, 2. Mai und 25. Dezember 1865, HN 293; HH an CL, 30. April 1865, in: LK, Bd. 2, S. 59; HH an den badischen Innenminister August Lamey, 17. April 1865, abgedruckt in: Werner 1997, S. 197 f.; Baumann 2002, S. 37 f. 39 HH an Eduard Vieweg, 5. Mai 1863; 10. Oktober, 5. Dezember 1864; 12. Februar, 29. April, 19. August, 13. November 1865, alle in VV; Vieweg an HH, 29. November und 17. Dezember 1864, beide HN 483; HH an Ew. Wohlgeboren (wahrscheinlich Georg Ernst Reimer), 4. Oktober 1865, in WGA. 40 Gregory 1977; Bayertz 1985; Tiemann 1991; Daum 1998; HH 1865a, S. V f.; Frank Turner 1993 (der »öffentliche Wissenschaftler«); Cahan 1993. 41 Vieweg an HH, 13. Dezember 1865, HN 483. 42 EB an HH, 12. November 1865, HN 74; CL an HH, 25. Dezember 1865 (erstes Zitat), HN 293; EdBR an HH, 8. Januar 1866, in: Kirsten u. a. 1986, S. 218 f.; JT an HH, 29. November 1865, HN 477; Tyndall 1874, S. 84 (zweites Zitat); Joseph Henry an Felix Flügel, 20. März 1866, Archiv des Smithsonian Institution, Washington, DC, Record Unit 33, Office of the Secretary, Outgoing Correspondence 1865 – 1891, Bd. 3, S. 259 – 262; Siehe auch: Flügel an Henry, 12. April und 24. Juni 1866, ebd., Record Unit 26, Office of the Secretary (Joseph Henry, Spencer F. Baird), Incoming Correspondence 1863 – 1879, box 5; C. Kroeh an Henry, 1. Mai 1871, ebd., box 39; Di Gregorio 1990, S. 219, 227, 234, 269, 366, 390. 43 Moore 2004, v. a. S. 8; Brobjer 2004, v. a. S. 21, 28; Mittasch 1952, S. 366; Schlechta und Anders 1962, S. 67 f., 108, 125; Nietzsche 1974a, S. 76; Nietzsche 1974, S. 77. 44 Sigmund Freud an Eduard Silberstein, 13. August 1874, in: Boehlich 1990, S. 47 – 52, auf S. 49; Sulloway 1979, S. 13 – 15, 65 f., 138 f., 170, 235, 490. 45 Tyndall 1873, S. 377 – 404; HH an JT, 29. Mai 1866, RI MS JT/1/H/43; HH an JT, 24. November
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1866 (Zitat), RI MS JT/1/H/44, beide TPRI. Die Vorträge von Tyndall und Helmholtz über Eis und Gletscher wurden beide im Philosophical Magazine und anderswo veröffentlicht (auf Französisch gemeinsam). Siehe Tyndall 1873a. 46 AH an HH, April 1866, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 132 f.; AH an Julius von Mohl, 1. Januar 1867, ebd., S. 139; AH an PM, 29. Oktober 1867, ebd., S. 144 f., auf S. 145; JT an HH, 20. November 1867, HN 477; HH an JT, 29. Mai und 24. November 1866; HH an JT, 24. November 1867, alle drei RI MS JT/1/H/45, TPRI (Kopie in AHs Handschrift); HH an den Vieweg-Verlag, 1. Dezember 1865; 23. Oktober und 12. November 1866; 28. Oktober 1867; 3. Februar 1871; 21. Oktober 1875, alle VV; HH 1874c; Tyndall 1867; siehe auch Lightman 2015, v. a. S. 407 – 409. 47 AH an JT, 18. November 1867, in: RI MS JT/1/H/31, TPRI; JT an HH, 20. November 1867, HN 477; HH an JT, 24. November 1867 (erstes Zitat); JT an Gentlemen, 27. November 1867, beide VV, Archiv, 311 T; AH an JT, 17. März 1869 (zweites Zitat), in: RI MS JT/1/H/33, TPRI; HH an den Vieweg-Verlag, 26. Dezember 1867; 1. Januar 1868; 29. Januar 1869; 19. Oktober 1874, alle VV; Tyndall 1869. 48 HH an JT, 24. November 1867 (Zitat); JT an HH, 24. Dezember [1867]; 13. Januar 1868, beide HN 477; AH an JT, 17. März 1869; HH an Vieweg, 26. Dezember 1867; 11. April 1870, beide VV; JT an Gentlemen, 27. November 1867; JT an Dear Sir, 24. Dezember 1867, beide VV, Archiv, 311 T; Tyndall 1870. 49 AH an JT, 17. November 1868, in: RI MS JT/1/H/32, TPRI; HH an JT, 9. Februar 1869, in RI MS JT/1/ H47, TPRI (in AHs Handschrift); Tyndall 1870, mit einem Vorwort von Helmholtz (HH 1870a); JT an HH, 10. Oktober 1870, HN 477. 50 EdBR an HH, 22. Oktober 1868, in: Kirsten u. a. 1986, S. 231; AH an JT, 17. November 1868; HH an JT, 9. Februar 1869; Braun-Artaria 1899; BraunArtaria 1918, S. 135; Weech 1906, S. 298; AH an Eduard Zeller, 26. November 1895, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 116 f., auf S. 117; Johannes, in: Kremer 1990, S. 193 – 201, auf S. 199 f.; Häfner 1934, S. 384; Häfner [1962?], S. 112; HH an EdBR, 20. April 1868, in: Kirsten u. a. 1986, S. 228; Werner 1997, S. 65 f. 51 ISZ an ?, o. D., in: LK, Bd. 2, S. 119 f. Siehe auch AH an MM, 20. Januar 1868, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 146.
A K
Kapitel 14
1 HH an WT, 14. Dezember 1862, CUL, WT, Add 7342 H70; AH an RM, 6. Dezember 1862, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 106 f., auf S. 106.
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Anhang
2 Engelking 1950; Lenoir 1993, S. 126 – 133. 3 Hörz 1997, S. 353, Anm. 141; Stübler 1926, S. 293 und 322; HH 1867e, S. 526, 715, 831, 834, 836. 4 Weve und ten Doesschate 1935, S. 96; Donders 1864, S. VIII, 13, 17, 38, 369, 473, 556; HH 1867e, S. 13, 65, 108, 110, 119, 122, 153, 156, 162, 163, 185 f., 188, 198, 210, 213, 740, 763, 776, 802, 830 f. 5 Siehe v. a. Lenoir 1993; R. Steven Turner 1993; Turner 1994; Lenoir 2006, S. 190 – 200. 6 HH 1862b, S. 420 (Zitat); R. Steven Turner 1993, S. 156 – 173. 7 HH 1863b, S. 352 (erstes Zitat), 354 – 356 (zweites Zitat auf S. 356), 358. 8 HH 1863c, S. 360 – 376 (Zitat auf S. 366); Albrecht von Graefe an HH, 4. Juli 1863, HN 172; HH, »Allgemeine Resultate der Naturwissenschaften: Biologischer Theil«, o. D. [1860s], MS, Archiv der Helmholtz-Gemeinschaft, Berlin. 9 HH 1863c, S. 376 – 419 (erstes Zitat auf S. 376, die weiteren auf S. 394 – 396). Hering stellte Helmholtz’ Herleitung seines Prinzips der einfachsten Orientierung erfolgreich infrage und zwang ihn, später (in Teil III) eine neue Herleitung zu liefern. Im Jahr 1919 erbrachte Horace Lamb einen neuen, endgültigen Beweis (Lenoir 1993, 146n89). 10 HH 1864b, S. 478 (erstes Zitat) und 480 (die weiteren Zitate); HH 1864c; HH 1864e; Turner 1994. 11 HH 1864c, S. 22 f. 12 HH 1864d (Zitat auf S. 924); HH 1866a. 13 HH 1864e, S. 427 (erstes Zitat), 448 (zweites Zitat) und passim; Hatfield 1990, S. 158 – 162, 172, 174 – 177, 204 f.; Lenoir 1993, S. 110 und 122 f.; R. Steven Turner 1993, S. 178 f. und 187. 14 HH 1865d; HH 1865c. 15 HH 1865e, S. 45 f. (Zitate). 16 Luigi Cremona an HH, 20. Dezember 1864, HN 95. 17 »Titelverzeichniss« 1895, S. 607 – 616; AH an Julius von Mohl, 1. Dezember 1864, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 124 f. (erstes Zitat auf S. 124); Bernstein 1906, S. 289 (zweites Zitat); Knapp 1902, S. 557. 18 HH an Jacques-Louis Soret, 23. Dezember 1864, VG, Ms. fr. 4175, f. 338 f. (die ersten beiden Zitate); HH an EdBR, 3. Januar und 13. Februar 1865, in: Kirsten u. a. 1986, S. 213 f., auf S. 214 (drittes Zitat), S. 215 (viertes, fünftes und sechstes Zitat); R. Steven Turner 1993; v. a. Turner 1994, S. 54 – 58 und passim; Baumann 2002, v. a. S. 21 f., 33 f., 133 und passim.
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19 AH an HH, 4. August 1865, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 126 f. (erstes Zitat); HH an AH, 14. September 1865 [fehldatiert auf 1864], ebd., S. 129 (andere Zitate). 20 HH an AH, 17. September 1865, ebd., S. 129 f. (Zitat); Soret an HH, 19. September 1865, HN 412; Rudolf Schelske an HH, 17. August [1865?], HN 423; Doerr 1985, Bd. 4, S. 365. 21 HH an EdBR, 11. Januar 1866, in: Kirsten u. a. 1986, S. 219 – 222 (Zitat auf S. 219 f.). 22 Weech 1877, S. 10 – 12; Weech 1890, S. 587, 591 f., 595 f., 603 – 607; Craig 1978, S. 1 – 12; AH an PM, 12. Juli 1866, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 136 f. 23 AH an MM, 1. Juni 1866, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 135. 24 Ebd., S. 136 (erstes Zitat); AH an RM, 20. Juli; 1. und 2. August 1866, ebd., S. 137 f.; Georg Quincke an HH, 12. Juli 1866, HN 360; HH an EdBR, 2. Oktober 1866, in: Kirsten u. a. 1986, S. 222 f. (zweites Zitat auf S. 222); siehe auch S. 302, Anm. 1 – 4; HH an WT, 24. November 1866 (drittes Zitat), KP, H17. 25 HH an EdBR, 2. Oktober 1866, S. 222 (Zitat); HH an Verehrter Freund, 14. August 1866, Universität Leipzig, Universitätsbibliothek, Briefsammlung, Autographensammlung Taut, Gelehrte. 26 HH an JT, 24. November 1866, RI MS JT/1/H/44, TPRI 8 (erste beiden Zitate); HH an WT, 24. November 1866; HH an EdBR, 22. April 1867, in: Kirsten u. a. 1986, S. 223 f. (die letzten beiden Zitate). 27 Mueller 1998, S. 7 – 10; Mueller 2002, S. 28 und 393 f.; Ferdinand von Mueller an HH, Silvester 1866, HN 316. 28 HH 1867e, S. V – VII (Zitate auf S. VI). 29 Ebd., S. 427. Einige der vielen Analysen von Helmholtz’ Wahrnehmungstheorie (und der Kontroverse zwischen Empirismus und Nativismus) sind beispielsweise zu finden in: Hatfield 1990; Lenoir 1993; Steven Turner 1993; Turner 1994; Lenoir 2006. 30 HH 1867e, S. 427. 31 Ebd., S. 430 und 432 (Zitate); Hatfield 1993, S. 547 – 551. 32 HH 1867e, S. 431 (erste drei Zitate), 433 (viertes Zitat), 435 (fünftes, sechstes und siebtes Zitat); Friedman 1997; McDonald 2002. 33 HH 1867e, S. 441 f. 34 Ebd., S. 442. 35 Ebd., S. 443 – 445. 36 Ebd., S. 446 f.
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Anmerkungen Kapitel 14
37 Ebd., S. 447 (die ersten beiden Zitate), 450 (drittes Zitat), 452 (viertes und fünftes Zitat). 38 Ebd., S. 453 f. 39 Ebd., S. 454 f. 40 Ebd., S. 207, 208, 428, 456 (Zitate), 594, 805; Hatfield 1990. 41 HH 1867e, S. 441, 456 (Zitat). 42 HH 1903a, S. VIII f. 43 HH 1867e. 44 Ebd., S. 796. 45 Ebd., S. 797 (Zitate) und 820. 46 Ebd., S. 797 (erstes Zitat), 804 f. (zweites und drittes Zitat), 809. 47 Ebd., S. 805 – 819 (erstes Zitat auf S. 812, zweites Zitat auf S. 818, drittes Zitat auf S. 819); zur »strategischen Rhetorik« siehe R. Steven Turner 1993, v. a. 154 – 156, 183 – 197; Turner 1994. 48 A. Classen an HH, 10. Mai 1867, HN 90. 49 Wundt 1867, S. 326 f. (die ersten beiden Zitate); Wundt 1921, S. 161 – 177; EB an HH, 16. April 1863 (drittes Zitat), HN 74. 50 Friedrich Ueberweg an HH, 14. Juli 1868, HN 478. 51 Sigmund Freud an Eduard Silberstein, 13. Juni 1875, in: Boehlich 1990, S. 117 f.; Freud an Silberstein, 15. und 28. Juni 1875, ebd., S. 119 – 121; Schlechta und Anders 1962, S. 122 – 127, auf S. 125; Krummel 1983, S. 81 f., 283, 615 f., 647 f.; Treiber 1994; Schiemann 2014; Reuter 2014. 52 HH an EdBR, 22. April 1867, in: Kirsten u. a. 1986, S. 223 f., auf S. 223; HH 1867, S. II – IV; LouisEmile Javal an HH, 13. August 1867, HN 217. 53 AH an HH, 31. Juli 1867, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 142. 54 HH an AH, 14. August 1867, ebd., S. 143 f. (erste sechs Zitate und neuntes Zitat); Giraud-Teulon und Wecker 1868, S. 11 f., 20 f., 72, 196 f. (siebtes und achtes Zitat), 199; HH 1868j; Bernstein 1906, S. 291; Paul Broca an HH, 16. August 1867, HN 69; AH an HH, 6. August 1867, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 142 f.; AH an PM, 27. August 1867, ebd., S. 144 (zehntes Zitat). 55 HH 1867, 1867a, 1867b, 1870, 1873; Iwan Turgenjew an Pauline Viardot, 27. und 28. März 1868, in: Turgenjew 1972, S. 141 f. (Zitat auf S. 141); Richard Liebreich an HH, 20. September 1862; 23. Mai 1863, beide HN 277; Etienne-Jules Marey an HH, 1. März 1868, HN 298. 56 Laugel 1869, S. V f., 7 (erstes Zitat); Javal an HH, 15.(?) August 1868 (zweites und drittes Zitat), HN 217. 57 Taine 1870, Bd. 1, S. 223 – 235; Bd. 2, S. 74, 91 f.,
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120 (die ersten beiden Zitate), S. 126 f., 220, 461, 481 – 483 (drittes Zitat). 58 HH 1962; Maxwell 1995, S. 341, 837, 935 f.; Maxwell 2002a, S. 140 f.; George Henry Lewes, Journal XII (1866 – 1870), Abschnitt VI, Box 39, Eintrag vom 10. Januar 1868, S. 89; Notizbuch (Februar 1857), o. S., Abschnitt VI, Box 49; Notes Physiological, ab Februar 1873, Abschnitt VI, Box 54; Tagebuch 1877 (18. – 22. sowie 24. und 25. März; 10. September; 14.– 15. und 20. November), Abschnitt VI, Box 48; Abschnitt VI, Box 55, Abschnitt 23, Manuskriptfragmente; Abschnitt VI, Box 56, Abschnitt 31, »Problems of Life and Mind«; Teil des Buchmanuskripts von Band III, Teil I: etc., im Ordner mit der Aufschrift »Colour Sensation«; George Henry Lewes Tagebuch 1873 (15. und 18. Januar; 2., 6. – 10., 15. – 17. April), MS Vault Eliot, Section VI, box 44, alle GEGHL; Darwin [2018], S. 234 (erstes Zitat); Darwin 1988, S. 456 (zweites Zitat). 59 Chauncey Wright an Grace Norton, 29. Juli 1874, in: Thayer 1878, S. 272 – 283 (Zitat auf S. 281); Fisch 1964, S. 452, 464, 465. 60 James 1987, S. 273 (erstes Zitat), 331 (zweites Zitat); James 1978, S. 44; James 1983, S. 47 f. (drittes und viertes Zítat); James 1988, S. 154; James 1987, S. 377 (fünftes Zitat), 399 (sechstes Zitat); James 1890, Bd. 2, S. 278 (siebtes Zitat), 280 (achtes und neuntes Zitat); Boring 1950, S. 301 – 303 (zehntes Zitat auf S. 302, elftes Zitat auf S. 301). 61 Eduard Pflüger an HH, 8. und 16. April; 18. und 22. Mai; 21. Juli 1868, alle HN 351; HH 1867c, 1869a; HH an HK, 31. Dezember 1869, HKL; HH 1873; HH 1873h. 62 Julius Bergmann an HH, 4. Mai 1869, und im Vorwort des Herausgebers in: Philosophische Monatshefte, Bd. 3 (1869), o. S., beide HN 38; HH 1869 – 1870. 63 AH an PM, 1. April 1867, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 140 f.; Treitschke 1914 – 1920, Bd. 1, S. 188, Bd. 3, S. 181 f.; Dorpalen 1957, S. 131 f.; Wolgast 1985a, S. 104 f. 64 HT an Wilhelm Wehrenpfenning, 20. November 1867, in: Treitschke 1914 – 1920, Bd. 3, S. 192 (erstes Zitat); HT an Salomon Hirzel, 28. Oktober 1867, ebd., S. 188 (zweites Zitat); HT an HH, 2. Februar 1868 (drittes Zitat), HN 473. 65 HH 1868a; HH 1871b, S. 1 – 98, V; HH 1884, S. XII; Pastore 1973, S. 190 – 193; Schickore 2001; HH an EdBR, 20. April 1868, in: Kirsten u. a. 1986, S. 228 (Zitat). 66 HH 1868a, S. 353 – 355 (Zitate auf S. 353).
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Anhang
67 Ebd., S. 267 – 270 (Zitat auf S. 269), S. 275 f., 280 – 293. 68 HH an EdBR, 20. April 1868; EdBR an HH, 25. April 1868, in: Kirsten u. a. 1986, S. 229 f. (die ersten beiden Zitate auf S. 229); FCD an HH, 18. Mai 1868 (drittes Zitat), HN 116; HH an FCD, 26. Mai 1868, in: LK, Bd. 2, S. 87 f. (viertes und fünftes Zitat). 69 HH an CL, 28. März 1869, Zitate in: LK, Bd. 2, S. 162 (erste drei Zitate); HH an Hochgeehrter Herr, 16. Oktober 1877 (viertes, fünftes und sechstes Zitat), SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496; Turner 1982; Turner 1994.
Kapitel 15 1 HH 1867f, 1870h, 1871e; Debru 2001. 2 Koenigsberger 1919, S. 100 f., 111 – 116; MittagLeffler 1923, S. 133 – 136, 148; Boehm 1958, v. a. S. 306; Koblitz 1993, S. 89, 100. 3 Eduard Pflüger an HH, 22. Mai (Zitat), 11. und 21. Juni; 21. Juli 1868, HN 351; RL an HH, 29. Mai; 1., 6. (zwei Schreiben), 8., 14., 23., 27. Juni 1868, HN 281; Max Schultze an HH, 11. und 22.? Juni 1868, HN 440. 4 HH an RM, 2. Juni 1868, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 147 (Zitat); ähnliche Bemerkungen Helmholtz’ zitiert ebd., S. 147 f.; Pieper 1998a, S. 43 – 46; HH an Wilhelm Beseler, kurz nach dem 28. Mai 1868, in: LK, Bd. 2, S. 115 f.; Beseler an Minister von Mühler, 4. August 1868, ebd., S. 116 f.; HH an EdBR, 7. April 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 237 f.; AH an ISZ, 30. Dezember 1896, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 130. 5 H. M. Tuckwell an HH, 22. Juni 1868, HN 523; Henry W. Acland an HH, 22. Juli 1868, HN 4; Fox 1997, S. 643, 646 f., 650 – 653, 659 – 664. 6 Binz 1869, Helmholtz’ Briefe auf S. 100 – 102; Carl Binz an HH, 27. August 1867; 2. März 1869; 11. Oktober 1871, HN 49; Binz 1874; EdBR 1912, Bd. 2, S. 542; WT an HH, o. D. [zwischen Oktober 1871 und Juni 1872], HN 464; HH an WT, 17. Juni 1872, EUL. 7 Pieper 1998a, S. 68 – 78. 8 Ebd., S. 9 – 42 (erstes Zitat auf S. 33 f.); HH an RL, 7. Juni 1868 (zweites und drittes Zitat), Mathematisches Institut der Universität Bonn, Bibliothek; auch bei Scharlau 1986, S. 124 f. 9 Erklärung der Heidelberger Medizinstudenten (19. Juli 1868), HN 457; Erklärung Zellers in der Sache Helmholtz (28. Juli 1868); Jolly an das Innenministerium (29. Juli 1868), RKUAH, Personalakte Helmholtz, BGLA, und abgedruckt bei Wer-
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ner 1997, S. 204 f.; Pflüger an HH, 21. Juli, 9. August 1868, HN 351; Pieper 1998a, S. 56; Zeller 1908, S. 185; Schultze an HH, 7. Oktober; 24. und 27. November 1868, HN 440; EdBR an HH, 22. Oktober 1868, in: Kirsten u. a. 1986, S. 231 (Zitat). 10 LK, Bd. 2, S. 117; Pieper 1998a, S. 82 f.; »November 11., 1868« 1868, S. 103; Henle und Meissner an den Secretär der Königl. Sozietät Herrn Geh. Obermedicinalrath Dr. Wöhler, 25. Oktober 1868, Bl. 255; »Wahlen am 7. November 1868«, Bl. 259; Königliches Universitäts-Curatorium an die Königliche Societät der Wissenschaften, Göttingen, 10. November 1868, Bl. 260, in Pers 12, Archiv der Akademie der Wissenschaften, Göttingen; HH an Hochgeehrter Herr, 20. Dezember 1868, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Handschriftenabteilung, 40 Cod. Ms. Hist.lit. 116:IV, Bl. 187r + v (erstes Zitat); Francesco Brioschi an HH, 29. November 1869 (zweites Zitat), HN 68. 11 BGLA an das Innenministerium, 28. Dezember 1868, in: Werner 1997, S. 205; ebd., S. 135; Bürgermeister von Heidelberg an HH, 21. Januar 1869, Stadtarchiv Heidelberg, Nr. 20, Heft 6, abgedruckt ebd., S. 201; Pieper 1998a, S. 57 – 68, 79 – 82; RC an HH, 12. Januar 1869, HN 91; HH an CL, Zitate in: ESH 1929, Bd. 1, S. 148. 12 EdBR an HH, 9. Januar 1869, in: Kirsten u. a. 1986, S. 231 f. (Zitat auf S. 231). 13 HH an EdBR, 14. Januar 1869, ebd., S. 232 – 235 (erstes Zitat auf S. 232); Pieper 1998a; HH an RL, 2., 5., 7. Juni 1868, Mathematisches Institut der Universität Bonn, Bibliothek, und bei Scharlau 1986, S. 122 f., 123 f., 124 f., (zweites Zitat auf S. 125). 14 HH an EdBR, 14. Januar 1869, S. 232 f. (erstes und zweites Zitat); HH an RL, 2. Juni 1868; 4. Januar 1869, Mathematisches Institut der Universität Bonn, Bibliothek, und bei Scharlau 1986, S. 122 f., 126 – 128; HH an RL, 4. Januar 1869, S. 126; HH an RL, 14. Januar 1869, Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Abteilung Handschriften und Rara, Nachlass Rudolf Lipschitz, Kapsel 12, in: Hörz 1995, S. 33 f. (drittes Zitat). 15 HH an CL, 27. Januar 1869, in: LK, Bd. 2, S. 118 f. 16 HH an EdBR, 14. Januar 1869, S. 233. 17 Ebd. (zweites Zitat); Pieper 1998a, S. 60 f. (erstes Zitat auf S. 60). 18 HH an EdBR, 14. Januar 1869, S. 233 – 235; Pieper 1998a, S. 61 – 66; zu Beseler über Helmholtz: Pieper 1998, S. 94 – 97. 19 HH an EdBR, 14. Januar 1869, S. 234 f. (Zitate);
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Anmerkungen Kapitel 15
Pieper 1998a, S. 64 – 68. Siehe auch LK, Bd. 2, S. 118, Zitat eines Briefes/Telegramms von Jolly an HH, 2. Januar 1869. 20 Pieper 1998a, S. 70 – 75; HH an EdBR, 14. Januar 1869, S. 235. 21 HH an JT, 9. Februar 1869 (erstes Zitat), RI MS JT/1/H/47, TPRI (Kopie von AHs Brief); HH an HK, 5. März 1869 (zweites Zitat), HKL; AH an MM, 8. Januar 1869, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 148 f. (drittes Zitat). 22 Sablik 1989, S. 83 – 86; HH an HK, 31. Dezember 1869, HKL; AH an MM, 17. Dezember 1869, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 152; Brock und MacLeod 1980, Eintrag vom 26. Juli 1869, Blatt 1851; Koenigsberger 1919, S. 111; Baumann 2002, S. 53 – 55. 23 AH an MM, 25. Juli 1869, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 149 f. Siehe zudem Koenigsberger 1919, S. 100. 24 Cahan 2012. 25 PGT an HH, 2. Februar (erstes Zitat), 1. März (zweites Zitat), 27. März 1867; 4. März (drittes Zitat); 13. und 25. Juli 1868, HN 459; Knott 1911, S. 208 – 217; RC an JT, 11. Mai, 13. Juni 1864, Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich, Handschrift 227: S. 5 – 163 (Kopien in der Royal Institution of Great Britain, London). 26 HH 1882, S. 71 – 74 (erstes bis fünftes Zitat); Gross 1891, S. 26; 1898, S. 155 – 158; Gross hielt Helmholtz’ Verteidigung Mayers für schwach; Tait 1868, S. III – VIII (sechstes und siebtes Zitat auf S. V – II). 27 RC an JT, 6. Januar 1869; 18. Juni und 11. Dezember 1868; 22. September 1872; 30. Dezember 1871; 25. Juni 1873, Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich, Handschrift 227: S. 5 – 163 (Kopien an der Royal Institution of Great Britain, London). 28 HH an WT, 4. November 1871; 17. Juni 1872; 3. August [1872?] (erstes Zitat), EUL; Quellenzitate bei Cahan 2012a, 128 f. (zweites und drittes Zitat). 29 Tait 1877, S. XIII – XVIII, S. 68 (Zitate). 30 HH an RL, 18. Februar 1868, Mathematisches Institut der Universität Bonn, Bibliothek, teils abgedruckt in: Scharlau 1986, S. 121 f. 31 HH 1868 f. Das Datum der Veröffentlichung in Helmholtz’ WA (1866) war ein Druckfehler und sollte eigentlich 1868 lauten. Der Verein korrigierte dies 1871 (Volkert 1993). Ein Entwurf dieses Manuskripts (auf 1868 datiert), in dem Helmholtz über die Grundlagen der Geometrie spricht, existiert noch (»Prinzipien der Naturforschung«, HN 700/1). Koenigsberger druckte ein langes Skript (HN 705 [4.17]), das er auf vor 1847
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datierte, sowie zwei Fragmente, von vor 1868; darin zeige sich Helmholtz’ langjähriges Interesse für Fragen der Geometrie, Arithmetik und Mechanik. Siehe LK, Bd. 2, S. 125 – 162. 32 HH 1868f, S. 610 f. (Zitat auf S. 610); vgl. HH 1870e, S. 130. Siehe Richards 1977, v. a. S. 235 – 241; DiSalle 1993; Hyder 2001; 2009, S. 105 – 161. 33 HH 1868f, S. 611 – 616 (Zitate auf S. 611 – 614). 34 HH an Ernst Christian Julius Schering, 21. April (erstes bis drittes Zitat), 18. Mai 1868, in: LK, Bd. 2, S. 138 f.; Schering an HH, 29. April, 24. Mai (viertes Zitat), 31. Mai (fünftes Zitat) 1868; o. D., HN 425; vgl. HH 1868g. 35 HH 1868g, S. 618 f. 36 Ebd., S. 620 f., 637 – 639 (Zitate). 37 HH 1868h [oder 1869?], 1868i [oder 1869?]; Boi, Giacardi und Tazzioli 1998; Voelke 2005, S. 59 – 72, 223 – 250; Richards 1977; Anretti 1978, v. a. S. 155 – 162, 206; Scholz 1980, S. 113 – 123; Gray 1989; DiSalle 1993; Gray 2008, v. a. S. 44 – 58. 38 Jules Hoüel an Luigi Cremona, 3. Februar 1869, in: Cremona 1992, S. 81 – 84 (erstes Zitat auf S. 82); Eugenio Beltrami an Hoüel, 8. Januar, 14. Februar 1869, beide in Boi, Giacardi und Tazzioli 1998, S. 71 – 74, 72, 74 – 78; ebd., S. 27 f.; Beltrami an HH, 24. April 1869 (zweites bis viertes Zitat), HN 36. 39 HH 1868f, S. 617 zu dem Nachtrag, der dort auf 1868 datiert ist, aber in den Berichten des Heidelberger Vereins erst am 30. April 1869 auftaucht (ebd., S. 610); Beltrami an HH, 16. Mai 1869; 18. Oktober 1874, HN 36; Boi, Giacardi, und Tazzioli 1998, S. 27 f. und abgedruckt auf S. 205 – 207; Hoüel an Cremona, 17. Juli 1870, in: Cremona 1992, S. 85 f., auf S. 85. 40 MacLeod 1972, S. 132, 137 f., 147 f.; Beer 2004, v. a. S. 185 f.; Charles Edward Appleton an HH, 11. September, 27. November 18[??],HN 14; HH 1870e, 1870g. 41 HH 1870e. 42 Jevons 1871; Richards 1988, S. 85 – 88. 43 HH 1872c; Richards 1988, S. 88 – 90. 44 Richards 1988, S. 55 – 57, 78, 84 – 86, 91 – 95, 113, 117, 152, 157; Voelke 2005, S. 6 f., 277 – 320; Gray 2013, S. 38 – 40. 45 HH 1876, S. V-VII, auf S. VI; 1903, Bd. 2, S. V– IX, auf S. V; 1870f, Bd. 1; 1876, S. 20. 46 HH 1870f, S. 3. 47 Ebd., S. 3 – 5. 48 Ebd., S. 6 f. 49 Ebd., S. 8.
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50 Ebd., S. 9 f. 51 Ebd., S. 11 – 19 (Zitate auf S. 15 – 17). 52 Ebd., S. 19; vgl. S. 21. 53 Ebd., S. 23 (erstes Zitat), S. 30 f. (zweites und drittes Zitat auf S. 30). Vgl. Friedman 2000. 54 Henderson 1983, passim, v. a. S. 10, 12 – 17, 26, 51 – 54, 132, 143, Anmerkung S. 154, S. 200, 225. 55 Abbott 2002, v. a. S. XIX-XXII; Abbott 2010, v. a. S. 3 f., 99, 121, 157, 189, 203, 241 f., 257 – 261; James 1987, S. 370 (Zitat). 56 Plücker 1868 – 1869, Bd. 1, S. III-IV, Bd. 2, S. 226 – 228. 57 Siehe z. B. Torretti 1978, S. 154 f., 161, 169, 171 – 185, 393 f., 404; Richards 1988, S. 204, 208 – 214, 221; Richards 1988a; Carrier 1994; Hawkins 2000, S. 103, 104, 111 – 119, 124 – 129, 186, 326, 333, 345 – 347, 434 – 440; Heinzmann 2001; Stubhaug 2002, v. a. (zu Lie) S. 340 f., 355, 372, 380 f., 384, 385, 396, 423 f.; Friedman 2002, 197 – 199; Voelke 2005, 239 – 382; Darrigol 2007a; Gray 2013, S. 13 f., 39 – 47, 56, 76 – 82, 85 – 100, 217 f., 223, 235, 238, 245 f. 58 Friedman 2002, 2009. 59 Hermann Hankel an HH, 23. September 1861, HN 187; WT an George Gabriel Stokes, 6. Oktober 1859; [Februar? 1867], beide in: Wilson 1990, Bd. 1, S. 248 f., 331 f., Epple 1999, 94 f., 98 – 109, 115 – 118, 120 – 123, 126, 130, 149; Gray 2008, 237 – 239. 60 HH und Piotrowski 1860; Stokes an WT, 22. Februar 1862, in: Wilson 1990, Bd. 1, S. 283 – 285; James Clerk Maxwell an PGT, 1. Dezember 1873, in: Maxwell 1995, S. 944 – 948, 944; Maxwell 2002a, S. 621, 806; PGT an HH, 22. April, 9. Mai 1867, HN 459; Thompson 1910, Bd. 1, S. 510 – 512; Knott 1911, S. 68, 105, 177; Silliman 1963; Smith und Wise 1989, S. 379 f., 412 – 425, 427, 431; Kragh 2002, v. a. S. 33 – 43; Darrigol 2005, S. 155 f., 191 f. 61 PGT an HH, 13. Juli, 3. September (Zitate) 1868, HN 459; WT an HH, 24. Juli 1868, HN 464; HH an WT, 10. September 1868, KP, H18. 62 HH an ?, 3. Oktober 1868 (erstes Zitat), L’Institut de France, Bibliothèque, Paris, MS 4225, Nr. 3; Joseph Bertrand 1868; HH 1868c; Bertrand 1868a; HH 1868c; Bertrand 1868b; 1868c; Adhémar Barré de Saint-Venant an HH, 27. September 1868, HN 480; Maxwell an PGT, 18. Juli 1868, in: Maxwell 1995, S. 391 – 393, 391; Darrigol 2005, S. 156 – 158; Académie des Sciences 1869, 1870, 1870a; JT an HH, 15. März 1870, HN 477; WT an HH, 23. Januar 1870 (zweites Zitat), HN 464; George
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Eliot Holograph Notebook, MS 707, f f. 89 f., zitiert in: Baker 1976, Bd. 1, S. 15 f. (drittes Zitat). 63 HH 1863a; 1869 f., S. 224; 1868e; Darrigol 2005, S. 158 – 166. 64 HH 1894, S. 368. 65 Maxwell 1995, S. 22, 124, 241, 321, 391, 398 – 404, 426, 432, 434, 439 f., 445, 446 – 48, 530, 545, 593, 596, 778, 944. 66 HH an JT, 18. Januar 1868, RI MS JT/1/H/46, TPRI (Kopie in AHs Handschrift). 67 HH 1869g, 1869h, 1870c, 1870d; Carl Wilhelm Borchardt an HH, 14. und 19. März 1870, HN 58. 68 Die vorliegende Darstellung folgt weitgehend Darrigol 2000, S. 221 – 230, 262 f., 412 – 419; Buchwald 1985, S. 177 – 186; 1994, S. 7 – 16, 356 f., 375 – 388. Maxwell nannte Helmholtz’ 1870d »a masterly paper«. Siehe Maxwell 1995, S. 355, 596, 686 f., 773 (Zitat); 2002a, S. 883.
Kapitel 16 1 Querner 1970, S. 14 f., 17 und passim; EB an EdBR, 20. Juni 1869, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 155 f., auf S. 156; Mayer, in: Weyrauch 1893, S. 477; AH an JT, 27. Februar 1872, RI MS JT/1/H/ 35, TPRI; AH an PM, 19. September 1869, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 151. 2 AH an PM, 19. September 1869 (erstes Zitat); Querner 1970, S. 18; Daum u. a. 1869, S. 36; Wilhelm Foerster an HH, 13. Mai 1869 (zweites und drittes Zitat), HN 151; HH an Foerster, 18. Mai 1869 (viertes Zitat), Uppsala Universitet, Wallers samling, Okat 651 F:1; HH 1869, S. 369 (fünftes Zitat), 374; 1871b, S. 181 – 211; Lampe u. a. 1972, S. 47 f.; HH 1903a, S. XII f.; 1869d; Leopold Pfaundler, in: LK, Bd. 1, S. 91. 3 HH 1869, S. 370 – 372 (Zitate auf S. 372). 4 Ebd., S. 372. 5 Ebd., S. 373. 6 Ebd., S. 374 – 376 (Zitate). Daston u. a. 2007, S. 27 f., 31, 34 f., 42 – 44, 206, 214, 230, 242, 253 f. behaupten, dass Helmholtz’ Vortrag (aber auch Schriften von Bernard und Huxley) einen Schlüsselmoment in Sprache und Geschichte der Objektivität markierten. 7 HH 1869, S. 376 – 378. 8 Ebd., S. 378 – 380 (Zitate); Daum u. a. 1869, S. 40; Julius Robert Mayer an seine Frau, 18. September 1869, in: Weyrauch 1893, S. 445 f. 9 HH 1869, S. 381 – 384. 10 Ebd., S. 384. 11 Ebd., S. 385 – 387.
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Anmerkungen Kapitel 16
12 Ebd., S. 387 f. 13 Ebd., S. 388 – 394 (Zitate auf S. 392 f.). 14 Ebd., S. 394 f. 15 Ebd., S. 395 f. 16 Ebd., S. 373, 396 – 398 (Zitate); Daum u. a. 1869, S. 40; Jurkowitz 2002. 17 Querner 1970, S. 15, 20 – 27; Sudhoff 1922, S. 63; Julius Robert Mayers Rede, in: Daum u. a. 1869, S. 40 – 44 (die ersten drei Zitate auf S. 43 f.); Weyrauch 1893, S. 441 – 446 (das letzte Zitat auf S. 445 f.); Caneva 1993, S. 331. 18 Querner 1970, S. 27 f., 30; Steif 2003, S. 91 – 93; Daum u. a. 1869, S. 6. 19 Querner 1970, S. 22 – 27; Sudhoff 1922, S. 63. 20 Julius August Isaac Jolly an HH, 2. Januar 1869, HN 221; CL an HH, 31. Januar 1869 (Zitat), HN 293; GM an HH, 19. Oktober 1869, HN 295. 21 Cahan 1999, S. 286 (Quellendokumentation). 22 EdBR an HH, 4. April 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 236 f. (Zitate auf S. 236); EdBR an HH, 15. Mai 1870, ebd., S. 238 f.; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 19 – 21. 23 HH an EdBR, 7. April 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 237 f. (Zitat auf S. 237); HH an Carl Wilhelm Borchardt, 7. Mai 1870, in: LK, Bd. 2, S. 179; Werner Siemens an Karl Siemens, 28. April 1870, in: Siemens 1916, Bd. 2, S. 320 f. 24 AH an PM, 18. April 1870, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 153; Jolly an HH, 1. Mai 1870 (Zitat), HN 221. 25 Philosophische Facultät der Berliner Universität an den preußischen Kultusminister Heinrich von Mühler, o. D. [Mai 1870], in: LK, Bd. 2, S. 179 f. (die ersten zwei Zitate); EdBR an HH, 15. Mai 1870 (die letzten zwei Zitate). 26 HH an EdBR, 17. Mai 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 239 f. 27 Henry W. Acland an HH, 20. April 1869 (Zitate), HN 4; Fox 2005; Gooday 2005; Hannabuss 2000, S. 447 f. 28 Fox 1997, S. 659; Browne 1995 – 2002, Bd. 2, S. 337 – 339; Simon Bailey (Kustos der Universitätsarchive, Bodleian Library, Oxford) an den Verfasser, 11. April 2016. 29 EdBR an Jeannette du Bois-Reymond, 10. Juni 1870, Dep. 5, K. 11, no. 5. 30 Ebd.; Koenigsberger 1919, S. 117 f. 31 EdBR an Jeannette du Bois-Reymond, 10. Juni 1870. 32 HH an EdBR, 12. Juni 1870, GSPK, Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. 4, no. 47, Bd. 11, Bl. 78/78v, abge-
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druckt in: Werner 1997, S. 206 (erstes Zitat); HH an Hochgeehrter Herr, 21. Juni 1870 (zweites Zitat), Stadt Karlsruhe, Stadtarchiv; EdBR an HH, 14. Juni 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 240 f. (drittes, viertes, fünftes und sechstes Zitat); Kultusminister Heinrich von Mühler an Finanzminister Otto von Camphausen, 14. Juni 1870, in: LK, Bd. 2, S. 182 (siebtes Zitat); Ernst Curtius an Heinrich von Mühler, 17. Juni 1870, ebd., S. 182 f. (achtes Zitat). 33 EdBR an Jeannette du Bois-Reymond, 22. Juni 1870, Dep. 5, K. 11, no. 5; EdBR an HH, 23., 27. Juni 1870, beides in: Kirsten u. a. 1986, S. 241 f. (Zitat), 243 f.; Justus Olshausen an HH, 8. Januar 1871, HN 339. 34 HH an EdBR, 25. Juni 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 242 f. (Zitat); Karl Weierstrass an HH, 8. Dezember 1870, HN 504; Biermann 1973, S. 113, Anm. 149. 35 AH an PM, 26. Juni 1870, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 153; Mühler an HH, 28. Juni 1870, in: LK, Bd. 2, S. 183; HH an EdBR, 3. Juli 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 244; Kirsten u. a. 1986, S. 307, Anm. 2. 36 EdBR an HH, 15. Juli 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 245. 37 HH an AH, 11. Juli (erstes Zitat), 12., 13. Juli (zweites Zitat), 18. Juli 1870; AH an PM, 20. Juli 1870, alle in: ESH 1929, Bd. 1, S. 154 f.; EdBR 1912, Bd. 1, S. 395; Koenigsberger 1919, S. 118. 38 Weech 1877, S. 47 – 49; 1890, S. 622 f.; Stiefel 1977, Bd. 1, S. 290 – 297; Craig 1978, S. 6 f., 14, 19, 21, 27 f., 33; Clark 2007, S. 393, 395 f., 498, 545 f. 39 Weech 1906, S. 298; HH, »Die Aussichts-Commission für die Reserve-Lazarethe«, 10. August 1870, Stadtarchiv Heidelberg; HH an EdBR, 17. Oktober 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 247 (erstes Zitat); AH an PM, 10. August, 18. September 1870, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 155 f.; Nikolaus Friedreich an HH, 20. September 1870 (zweites Zitat), HN 160; Zeller 1908, S. 185 – 187; HH an HK, 17. November 1870 (drittes Zitat), HKL; AH an PM, 3. Oktober 1870, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 156 f., auf S. 156; Hintzelmann 1886, S. 62; Karl Christian Bruhns an HH, 26. August 1870, HN 75. 40 WT an HH, 29. Juli 1870, HN 464; HH an WT, Abschrift, 21. August 1870 (Zitate), CUL, WTP, Add 7342 H72; der (auf Englisch verfasste) Brief enthält zwei Anmerkungen: eine erste, dass er an Thomson in Glasgow gegangen und mit dem Poststempel »Heidelberg 21. August. 10 – 12V 3N Glasgow Au. 24 70« versehen worden war, und eine zweite, in Thomsons Handschrift, mit dem Wortlaut: »Extract published in Glasgow Herald
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Anhang
Frid. Sep. 9/70«, was auch zutreffend war (siehe [HH] 1870b); HH an EdBR, 14. Februar 1871, in: Kirsten u. a. 1986, S. 251 f., auf S. 252; HH an Otto Helmholtz, 22. Februar 1871, Smithsonian Institution Libraries, Washington, Dibner Manuscript Collection, Helmholtz Papers, MSS 683A; Häfner 1934, S. 384; 1962?, S. 112. 41 HH an WT, 21. August 1870. 42 [HH], 1870b; Mommsen u. a. 1871; WT an HH, 8. September 1870 (Zitate), HN 464. 43 EdBR an HH, 13. Oktober 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 245 f. (die ersten beiden Zitate); EdBR 1912, Bd. 1, S. 418 (drittes Zitat); HH an EdBR, 17. Oktober 1870 (viertes, fünftes und sechstes Zitat); Finkelstein 2013, S. 211 – 219. 44 HH an HK, 17. November 1870 (Zitat), HKL; Weech 1890, S. 625 – 627; Stiefel 1977, Bd. 1, S. 296 f.; CV, Personalakte Helmholtz, SF, Signatur: Helmholtz SLL 494. 45 AH an PM, 3. Oktober 1870, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 156 f.; EdBR an Jeannette du Bois-Reymond, 23. Oktober 1870, Dep. 5, K. 11, no. 5; EdBR an HH, 13. Oktober 1870; HH an EdBR, 17. Oktober 1870; Weierstraß an HH, 8. Dezember 1870 (Zitat), HN 504. 46 HH an EdBR, 11. Dezember 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 249 (Zitate); Kultusminister Mühler an HH, 16. Dezember 1870, in: LK, Bd. 2, S. 186; HH an EdBR, 20. Dezember 1870, in: Kirsten u. a. 1986, S. 250; EdBR 1912, Bd. 2, S. 565. 47 HH an PM, 25. Dezember 1870, in: ESH: 1929, Bd. 1, S. 157 (die ersten beiden Zitate); HH an PM, 21. Januar 1879, DM: 1953/13 (drittes Zitat). 48 AH an PM, 6. Januar 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 158 (Zitate); Borchardt an HH, 4. Januar 1871, HN 58. 49 EdBR an CL, 18. Januar 1871, in: du Bois-Reymond 1927, S. 164; HH an Jolly, 1. Januar 1871, BGLA: 76/9939, Bl. 15/15v; HH an Hochgeehrter Herr Legationsrat, BGLA: 60/221, Bl. 3, abgedruckt in: Werner 1997, S. 206 f., auf S. 207. 50 MacLeod 1972; WT an HH, 28. Januar 1871 (Zitate), HN 464; Olshausen an HH, 5. Februar 1871, HN 339; AH an PM, 9. Februar 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 159. 51 EdBR an HH, 11. Februar 1871, in: Kirsten u. a. 1986, S. 250 f., auf S. 250; ebd., S. 308 f., Anm. 1; HH an EdBR, 14. Februar 1871. 52 HH an EdBR, 14. Februar 1871; AH an PM, 9., 15. Februar 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 159, 160 (Zitat); HH 1871. 53 HH 1862f, S. 229; 1903b, S. VI; 1871, S. 55 (Zitate).
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54 HH 1871, S. 56 f. 55 Ebd., S. 62 – 64, 66. 56 Ebd., S. 70 – 76. 57 Ebd., S. 77 f. (Zitate auf S. 77). 58 Ebd., S. 78. 59 Ebd., S. 79 – 82 (Zitate auf S. 78 – 80). 60 Ebd., S. 82 – 89 (erstes Zitat auf S. 82, zweites und drittes Zitat auf S. 83, viertes Zitat auf S. 88). 61 Ebd., S. 89. 62 Ebd. 63 Crowe 1986, S. 400 – 405; Thomson 1889 – 1894, v. a. Bd. 2, S. 200 – 202; Smith u. a. 1989, S. 638 – 641; Pulte 2008, v. a. S. 124 – 129. 64 HH 1871, S. 89 – 91. 65 AH an PM, 15. Februar 1871 (Zitat); Bernstein 1906, S. 291; Craig 1978, S. 214 f. 66 Burrow 2000, S. 40 f. und passim; HH 1903b, S. VI. 67 AH an PM, 15. Februar 1871; EdBR 1912, Bd. 1, S. 421 (die ersten drei Zitate), 429; HH an EdBR, 17. März 1871, in: Kirsten u. a. 1986, S. 252 f. (viertes Zitat); Harnack 1970, Bd. 3, S. 123; Charles Pickering Putnam an James Jackson Putnam, 3. April [1871], Francis A. Countway Library of Medicine, H MS c4.2, fd. 1.; ESH 1929, Bd. 1, S. 160. 68 Zobeltitz 1891, S. 770; HH an Fr. Schöll (ehemaliger Prorektor der Heidelberger Universität), 12. Oktober 1891, RKUHA, PA Hermann von Helmholtz; [Anna von Helmholtz], »16. Febr. 1897. Mein Testament«, Typoskript, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496 (das Original befand sich, Stand 29. Dezember 1936, im Besitz von Dr. Hermann von Siemens); Helmholtz, in: Kussmaul 1902, S. 38. 69 Kussmaul 1903, S. 57 f.; Riese 1977, S. 24, 134, 218 f.; Wolgast 1985, S. 17; 1985a, S. 87 – 107.
Kapitel 17 1 HH an EdBR, 17. März 1871, in: Kirsten u. a. 1986,
S. 252 f.; AH an ISZ, 24. Juni 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, 164 f. (Zitat); Mohl 1922, Bd. 1, S. 20. 2 HH an HK, 5. Januar 1873 (erstes Zitat); 7. Oktober 1877 (zweites Zitat), HKL. 3 AH an [PM?], 5. April 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 163; AH an PM, 23. April, 7. Dezember 1871, ebd., S. 163, S. 175 f.; Brundes 1989, S. 431 f. 4 AH an PM, 6. März 1872; 10. September 1873, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 177 f., auf S. 177, 172; Wachsmuth 1900, S. 18 f.; Planck 1929 – 1930. 5 WT an HH, 29. Oktober 1871, HN 464; HH an WT,
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Anmerkungen Kapitel 17
4. November 1871, EUL; Carl Wilhelm Borchardt an HH, 23. April 1873, HN 58; HH an Georg von Liebig, 6. Juli 1873, BSBMH, Sign.: Ana 377, II, B, Helmholtz, Hermann von (1B); EB an HH, 9. Januar 1874, HN 74; Nikolaus Friedreich an HH, 29. Mai und 31. Juli 1874, HN 160; HH an JacquesLouis Soret, 7. Mai 1875; 7. September 1876, VG, Ms. fr. 4175, f. 347, f. 349 f.; HH an Franz Boll, 1. November 1876, in: Belloni 1982, S. 131 f.; AH an HH, 7. März 1877; AH an PM, 21. März 1877, beide in: ESH 1929, Bd. 1, S. 212 f.; AH an Heidelberger Freunde, vermutlich kurz nach dem 23. Mai 1877, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 213 f.; ESH 1929, Bd. 1, S. 176; HH an HK, 5. Januar 1873; 21. Juli 1877, HKL; Kremer 1990, S. 53, Anm. 27; Johannes, in: Kremer 1990, S. 193 – 201, 199 – 201; Melms 1957, S. 12, 24 f.; AH an PM, 9. September 1875; HH an RH, o. D. [ca. 1878 – 1879], beide in: ESH 1929, Bd. 1, S. 199, 233, L[umme]r 1889, S. 567; Mohl 1902, S. 200; Roscoe 1906, S. 95; AH an HH, 8. Oktober 1875, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 199 f. 6 Johann Heinrich Meidinger an HH, 15. März 1870, HN 306; HH an HK, 5. Januar 1873, HKL; AH an PM, 10. September 1873, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 172; Wilhelm von Beetz an HH, 8. Juli 1873; 12. März 1874; 30. Mai 1878, HN 34; HH an Soret, 7. Mai 1875; HH an Soret, 7. September 1876; Häfner 1934, S. 384; [1962?,] S. 112; HH an Beetz, 24. Juni 1878, DM, 1932–17/24; Bunsen 1932, S. 41. 7 AH an HH, 8. Oktober 1875 (erstes Zitat auf S. 200); AH an Franz, 8. Januar 1876, in: ESH 1929, Bd. 1:, S. 202 f. (zweites und drittes Zitat auf S. 202); AH an einen Freund in Heidelberg, 4. April 1876, ebd., S. 203; AH an HH, 22. Februar und 7. März 1877, ebd., S. 212, 212 f.; AH an PM, 21. März 1877, ebd., S. 213; HH an TM, 7. März 1877, in: Hörz 1997, S. 386. 8 Steinway & Sons an HH, Telegramm, 11. März 1871 (erstes Zitat), HN 448; HH an Hochgeehrter Herr [Steinway], 9. Juni 1871 (zweites Zitat), SP; EdBR 1912, Bd. 2, S. 541; HH an AH, 1. August 1873, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 186 (drittes Zitat); HH an Gentlemen [die Steinway-Firma], 13. August 1873 (viertes Zitat), Kopie, SP (aus dem Katalog von 1888, S. 15; Originaltext vermutlich auf Deutsch). 9 Steinway-Katalog (1874) (Zitate), Henry Z. Stein-
way Private Collection; Lieberman 1995, S. 60 – 62; Auszug aus HH an die Firma Steinway, 16. März 1885, Kopie, SP; Steinway-Werbematerialien, Hermann von Helmholtz, o. D., SP; Fostle 1995, S. 288 f.
10 AH an HH, 28. August 1877 (erstes Zitat); HH an
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857
AH, 1. September 1877 (zweites Zitat), beide in: ESH 1929, Bd. 1, S. 221 f.; Wachsmuth 1900, S. 16 f.; Weech 1906, S. 296; Ludwig Boltzmann an Leo Koenigsberger, zitiert in: Blackmore 1995, S. 98; HH an RM, 16. April 1872, RKUHA, Heid. Hs. 3715,7; HH an PM, 1. September 1873, DM, 1951/25C1. 11 McClelland 2017. 12 Lexis 1893, Bd. 1, S. 118; Eulenburg 1904, S. 260 f., 263, 304, 306; Lenz 1910 – 1918, Bd. 2, S. 358; Titze 1995, S. 80 f., 72 – 77. 13 Karl Pearson an William Herrick Macaulay, 29. September [1879], Karl Pearson Papers 920, Manuscripts Room, University College London; Pearson an Robert Parker, 19. Oktober [1879] (Zitat), Pearson Papers 922, ebd.; Porter 2004, S. 59 f., 64, 67, 219. 14 AH an PM, 30. Januar 1872, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 176 (erstes und zweites Zitat); HH an TM, 3. März 1872 (drittes Zitat), HN 315. 15 HH an TM, 4., 19. März 1872, TMN; AH an PM, 6. März 1872, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 177 f.; Eduard Zeller an HH, 10. März, 18. April und 11. Juni 1872, HN 520; Zeller 1908, S. 188 f., 192 f. 16 HT an HH, 22. Februar, 24. März und 21. Oktober 1873, HN 473; HH an HT, 23. Februar 1873 (Zitate), maschinenschriftliche Kopie im SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496; HT an Salomon Hirzel, 3. August 1872; HT an Franz Overbeck, 28. Oktober 1873, beide in: Treitschke 1914 – 1920, Bd. 3, S. 352 f., auf S. 353; S. 375 – 379, auf S. 378 f.; AH an Frau Prof. Otto Becker, 2. Januar 1873, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 183f.; Treitschke 1914 – 1920, Bd. 3, S. 181 f.; Dorpalen 1957, S. 192. 17 HH an TM, 12. und 15. Dezember 1873, TMN; TM an HH, 14. Dezember 1873, HN 315. 18 McClelland 2017. 19 Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die folgenden drei Absätze auf Cahan 1999, v. a. S. 288 – 304, wo auch Primärquellen dokumentiert sind. 20 Zum letzten Punkt siehe Daston 1999, S. 74 f., 80, 83 f. 21 HH 1871a, S. 35 (Zitat), 40; Hofmann 1870; August Wilhelm von Hofmann an HH, 8. November 1870, HN 206. 22 HH 1871a, S. 36 f., 39 (Zitate). 23 Ebd. 37 f. (erstes und zweites Zitat auf S. 37), 50 (drittes Zitat). 24 Ebd., S. 37 f. 25 Ebd., S. 38 f. 26 Ebd., S. 41 – 44.
A K
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Anhang
27 Ebd., S. 44. 28 Ebd., S. 45–47; zu Helmholtz’ Hinwendung zu
einer Physik der Energie siehe Buchwald 1994, S. 400 – 402. 29 HH 1871a, S. 50; D[ilthey] 1900, S. 230. 30 WT an HH, 30. März und 14. Juni 1871, HN 464; Alexander Crum Brown an HH, 19. April 1871, HN 72; John Hughes Bennett an HH, 6. Juli 1871, HN 37; PGT an HH, 20. Juli 1871 (Zitat), HN 459; JT an WT, 9. April 1871, RI MS JT/1/T/18, TPRI. 31 AH an ISZ, 13. August 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 166; Thompson 1910, Bd. 2, S. 612; WT an George Gabriel Stokes, 6. Oktober 1871, WTP, K178; HH an AH, 20. August 1871, ESH 1929, Bd. 1, S. 166f. (Zitate auf S. 166); Knott 1911, S. 56, 196 f. 32 Thompson 1910, Bd. 2, S. 612, 614 f.; HH an AH, 24. August 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 167 (erstes Zitat); HH an AH, 27. August und 1. September 1871, ebd., S. 168 (zweites und drittes Zitat), S. 168 f. (viertes und fünftes Zitat), Smith und Wise 1989, S. 736 – 740; PGT an HH, 20. Mai und 17. August 1871, HN 459; WT an Stokes, 6. Oktober 1871; Thomson 1912, xiii; James Clerk Maxwell an PGT, 19. Oktober 1871, in: Maxwell 1995, S. 681. 33 HH an AH, 1. und 3. September 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 169 (Zitate); WT an seine Schwester [Mrs. King], 31. August 1871, in: Thompson 1910, Bd. 2, S. 615. 34 HH an AH, 6. September 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 169 f. (Zitate); WT an seine Schwester [Mrs. King], 31. August 1871. 35 HH an AH, 10. September 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 170 f. (Zitate); Fairley 1988, S. 18, 20, 28 f., 68, 133 f.; James Thomson an seine Frau, 8. und 14. September 1871, beide in: Thomson 1912, S. LXIII f., auf S. LXIV; S. LXIV f., auf S. LXV; HH an AH, 15. September 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 171 f.; John Tatlock (Thomsons Assistent) an Stokes, 6. Oktober 1871 (der erste Teil eines Briefes von Thomson an Stokes, 7. Oktober 1871), in: Wilson 1990, Bd. 2, S. 362 – 365, auf 363 f.; Thompson 1910, Bd. 2, S. 747; Smith und Wise 1989, S. 739. 36 HH an AH, 15. September 1871. 37 WT an HH, 29. Oktober 1871, HN 464; James Thomson an seine Frau, 8. September 1871, S. LXIV; HH an WT, 4. November 1871 (Zitat).
Kapitel 18 1 HH an HK, 5. Januar 1873, HKL; Jungnickel und
McCormmach 1986, Bd. 2, S. 21 f., 42 f., 51 f. 2 Dokumente in Auth und Kossack 1983; HH
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1871a, S. 36; Guttstadt 1886, S. 139 – 141, 143; Pistor 1890, S. 63; Rubens 1910, S. 283; Neumann 1925, S. 13, 21, 23, 31; Kayser 1936, S. 93 f.; Hars 1999, S. 25. Siehe auch Georg Quincke an HH, 19. April 1860; 18. November 1863, HN 360. 3 AH an JT, 27. Februar 1872, RI MS JT/1/H/35, TPRI; AH an PM, 6. März 1872; 30. April 1875, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 177 f. (Zitat), 198 f.; Rubens 1910, S. 284, 286; Hirschberg 1921, S. 1117; Kayser 1936, S. 94; Schuster 1932, S. 244; 1975, S. 16 – 77. 4 RC an HH, 22. Mai 1873, HN 91; Friedrich Neesen
an HH, 13. und 22. Mai 1873, HN 325; HH an Wilhelm Weber, 20. Mai 1873, Deutsches Postmuseum, Archiv, Frankfurt am Main; Weber an HH, 24. Mai 1873, HN 500; GRK an HH, 13. Mai 1873, HN 231; HH, I. HA Rep. 76, KM, Va Sekt. 2 Tit. 10 Nr. 79, Bd. 1, Bl. 82 – 82r, 94 f., 98 – 98r, 106 – 106r, 109 – 109r, 143 – 143r, 145, 153 – 156 (zweites Zitat), 164 – 167r, 188 f., 190 – 192 (erstes Zitat); HH an Geehrter Herr Doctor, 26. Februar 1871, Universität Leipzig, Universitätsbibliothek, Briefsammlung, Autographensammlung Nebauer; Guttstadt 1886, S. 141; Rubens 1910, S. 287.
5 EdBR an Jeannette du Bois-Reymond, 27. Juli
1871, in: Abt. 5, K. 11, Nr. 5; Finkelstein 2013, S. 187 – 190; AH an PM, 6. Oktober 1871; 18. Juni 1872, ESH 1929, Bd. 1, S. 173 f., 180; AH an JT, 27. Februar 1872 (Zitate); EdBR an HH, 26. Februar 1872, in: Kirsten u. a. 1986, S. 257, S. 310, Anm. 1; EdBR an HBJ, 5. Februar 1872, SBPK, SD 3k 1852 (4) Bl. 91 – 93, 92; Cahan 1985, 1989; Dierig 2006.
6 AH an PM, 6. März und 18. Juni 1872, beide in:
ESH 1929, Bd. 1, S. 177 f. (erstes Zitat), S. 180 (zweites Zitat); AH an Frau Prof. Otto Becker, 2. Januar 1873, ebd., S. 183 f.; HH an WT, 17. Juni 1872, EUL; EdBR an HBJ, 13. August 1872, SBPK, SD 3k 1852 (4) Bl. 93 f., auf S. 94; EdBR an HH, 5. und 19. September 1872, beide in: Kirsten u. a. 1986, S. 254 f.; 256 f., auf S. 256; Wilhelm von Beetz an HH, 17. Oktober 1872, HN 34; EdBR an HBJ, SBPK, SD 3k 1852 (4) Bl. 99a – 100 (drittes und viertes Zitat); Dierig 2006, S. 233 – 237.
7 AH an PM, 7. Dezember 1871; 18. Juni 1872, in:
ESH 1929, Bd. 1, S. 175 f., 180 (erstes Zitat); AH an MM, 16. September 1872 (zweites Zitat), ebd., S. 181; HH an August Kundt, 18. April 1894, in: LK, Bd. 3, S. 101 f.; HH an Auguste de la Rive, 4. und 25. September 1872, VG, Ms. fr. 2317, f. 69, f. 71; HH an Jacques-Louis Soret, 18. September 1872; 16. April 1873, ebd., Ms. fr. 4175, f. 345, f. 346.
8 AH an MM, 12. Dezember 1872, in: ESH 1929, Bd.
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Anmerkungen Kapitel 18
1, S. 181 f., auf S. 182; AH an RM, 13. Dezember 1872, ebd., S. 182; HH an WT, 17. Juni 1872 (erstes Zitat); AH an Frau Prof. Otto Becker, 2. Januar 1873 (zweites Zitat); HH an RL, 16. Oktober 1872, in: Scharlau 1986, S. 129 f. 9 Der folgende Abschnitt bezieht sich auf Cahan 2012a. 10 WT an George Gabriel Stokes, 31. Oktober 1871, in: Wilson 1990, Bd. 2, S. 365 f. (Zitat auf S. 365). 11 HH an den Naturhistorisch-Medicinischen Verein zu Heidelberg, 26. April 1872, Universitätsbibliothek Heidelberg, Handschriftenabteilung, Heid. Hs. 840,1; Stefan, Loschmidt, Lang, Brücke, Schrätter, 6. Juni 1872, 435/1872, Bibliothek, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien. 12 WT an HH, 11. Dezember 1872 (erstes Zitat); 8. Januar 1873, HN 464; PGT an HH, 4. April 1873 (zweites Zitat), HN 459. 13 WT an HH, 8. Januar 1873, HN 464; Thomson 1912, S. LXVI f.; James Forrest an HH, 7. Juli 1868, HN 152. 14 HH an WT, 14. Januar 1873 (erstes bis drittes Zitat), Kopie, KP, T131; und in: Thomson 1912, S. LXVII f.; WT an HH, 16. März 1873 (viertes Zitat), HN 464. 15 JT an HH, 25. September (erstes Zitat) und 13. November 1873, HN 477; W. H. Miller (von der Royal Society) an HH, 8. November 1873 (zweites Zitat), in: Awards, Honorary Memberships, etc. in SF, Sign.: Helmholtz 6.LL 494; AH an RM, 16. November 1873 (falsch auf 1871 datiert), in: ESH 1929, Bd. 1, S. 174 f.; JT an HH, 18. November 1873, nur maschinenschriftlich, RI MS JT/1/T/492, TPRI; HH an JT, 22. November 1873, RI MS JT/1/H/51, TPRI; Cahan 2012, 2012a. 16 HH an Alexander William Williamson, circa Ende 1873, abgedruckt in: Tilden 1930, S. 238 – 240 (erstes und zweites Zitat); HH an E. Thompson (Ehrensekretär der Royal Society), 15. Dezember 1873 (drittes Zitat); 27. März 1874, beide zu finden in der Royal Society of Medicine, Library, London; HH an Sir, 5. Mai 1874, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496. 17 HH an den Sekretär der American Philosophical Society, 8. Juni 1873, American Philosophical Society, Philadelphia, Library, Archives, Letters Acknowledging Election to the Society; American Philosophical Society 1891, S. 6; HH an Werner von Siemens, 17. November 1873, in: SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496; Carte Quintino Sella, serie Accademia dei Lincei, mazzo h, fascicolo 12, Carte varie inerenti le elezioni di soci italiani e
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stranieri nelle varie classe dell’Accademi 1875 – 1877, Fondazione Sella, Biella (Italien); HH an Hochgeehrter Herr Präsident [Quintino Sella], ebd., mazzo 6, fascicolo 20, Carteggio 1875, sotanfascicolo Helmholtz; Quazza 1992, 530 f. (erstes Zitat auf S. 531), 533; AH an PM, 7. Oktober 1875, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 199; AH an HH, 8. Oktober 1875, ebd., S. 199 f.; Quintino Sella an HH, 7. und 18. Februar 1876, HN 399; Sitzung der physik.-mathem. Klasse, 18. März 1878, AHA, Protocoll-Buch der physik.-math. Klasse 1877 – 1880, Sign. II – V, 120, Bl. 18; Eugenio Beltrami an HH, 12. März 1878 (zweites Zitat), HN 36; Thor A. Bak, Sekretär der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften an den Autor, 6. Juli 1993. 18 HH an Hochverehrter Freund, 5. Juli 1873, HN
532/3. Helmholtz selbst war Gremiumsmitglied des Berliner Naturwissenschaftlichen Vereins. Siehe HH an [Soret?], o. D., VG, Ms. fr. 4175, f. 351.
19 HH an AH, 1. August 1873, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 186 (Zitat); Biermann 1973, S. 78; Guttstadt 1886, S. 62.
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20 AH an RM, 16. November 1873; HH an Hochgeehrter Herr, 31. Oktober 1873, Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, Handschriften-Abteilung, 6017. 21 Guttstadt 1886, S. 135, 143; Pistor 1890, S. 63 f.; zu EdBRs Physiologieinstitut siehe Dierig 2006, S. 67 – 88 und passim. 22 Kleinwächter 1881; Guttstadt 1886, S. 135 – 139, 143; Junk 1888, S. 143; Architekten-Verein 1896, Bd. 2, S. 266 f.; Pistor 1890, S. 63 f.; EdBR an HBJ, SBPK, SD 3k 1852 (4) Bl. 99a – 100; JT an HH, 25. September 1873, HN 477; HH an JT, 22. November 1873 (Zitate); AH an Julius von Mohl, 28. Januar 1874, ESH 1929, Bd. 1, S. 192 f., 193. 23 HH an AH, 1. August 1873; AH an PM, 8. und 11. September 1873, beide in: ESH 1929, Bd. 1, S. 187 – 189; HH an AH, 15. und 16. September 1873, ebd., S. 189 (erstes Zitat), S. 190 (zweites und drittes Zitat); HH an HK, 10. November 1873, HKL; Beltrami an HH, 16. September 1873, HN 36. 24 Beltrami an HH, 18. Oktober 1874, HN 36; EB an EdBR, 23. Oktober 1874, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 194 f., 195; AH an PM, 1. November 1874 (erstes bis drittes Zitat); 20. und 22. März (viertes Zitat); 9. September (fünftes Zitat) 1875, alle in: ESH 1929, Bd. 1, S. 193 f., 198, 199. 25 HH an Soret, 7. Mai 1875 (Zitate), VG, Ms. fr. 4175, f. 347; AH an PM, 30. April 1875. 26 HH an HK, 5. Januar 1873, HKL.
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Anhang
27 Henry Dewey Noyes an HH, 26. Juni 1875, HN 334. 28 James 1987, S. 324 f. (erstes Zitat auf S. 324); HH an HK, 10. November 1875, HKL; HH an Otto Brans, 25. Oktober 1875, Senckenbergische Bibliothek, Frankfurt am Main; George Bancroft an HH, 15. April 1876 (zweites Zitat), HN 26; HH 1876, S. V – VII. 29 HH an de la Rive, 2. Juni 1872, VG, Ms. fr. 2317, f. 67 – 68; Wilhelm Fiedler an HH, 30. Januar, 2. März und 27. April 1875, HN 146; HH an Fiedler, 8. Februar 1875, Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich, Bibliothek, Wissenschaftshistorische Sammlungen, Hs 87: 402; Cahan 2000, S. 47 f. 30 TM an HH, 14. März 1874, in: HN 315; HH an EdBR, 25. März 1874, in: Kirsten u. a. 1986, S. 258 (Zitate); siehe auch ebd., S. 310, Anm. 1 und 2; HH an TM, 6. Mai 1874, TMN 315. 31 HH 1893; Bezold 1896, S. 23 f.; Warburg 1925, 13. November 1871, S. 35, 37; Goldstein 1925, S. 39; Scheel 1925; 1935, S. 6 – 8; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 3 – 6, 21 f.; Fiedler 1998, S. 61 – 74, 93 – 95, 113 – 115, S. CCXXIII f. 32 Wien 1930, S. 15. 33 Cahan 1999, S. 294 – 297; »Titelverzeichniss«
1895; Harnack 1970, Bd. 3, S. 123 f. Außer als Coautor einer Veröffentlichung Gustav Piotrowskis zu Flüssigkeiten (HH und Piotrowski 1860) und als Coautor oder Rezensent dreier physiologischer Veröffentlichungen von Nikolai Baxt (HH 1867f, 1870h, 1871e) publizierte Helmholtz ausschließlich alleine (HH 1878b).
34 HH 1871d (Zitat auf S. 629).
35 Darrigol 2000, passim, v. a. S. VIII f. 36 HH 1872a, 1873g, 1874 f. Siehe auch HH 1873e. HH 1873g, S. 652, zeigt, dass Zöllners polemische Abhandlung über Kometen (Zöllner 1872) sogar bis in Borchardt’s Journal für reine und angewandte Mathematik vordrang, eine wichtige mathematische (und technische) Zeitschrift. Helmholtz kritisierte die Arbeit Zöllners und anderer zur Elektrodynamik weiter in HH 1874g. HH 1873g, S. 687, äußert ausdrücklich Helmholtz’ Respekt für Weber, aber seine Geringschätzung gegenüber einigen seiner Studenten und Physikerfreunde. Ähnlich zeigen HH 1873e und HH 1874e, dass sich seine Kritik an Carl Neumann nicht auf dessen Vater Franz bezog, den Helmholtz noch immer verehrte. Für eine detaillierte Analyse siehe besonders Buchwald 1994, S. 7 – 24, 340 – 347, und passim; Darrigol 2000, S. 231 – 233, 412 – 419.
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37 HH 1872b, 1873f; 1873e, S. 700 f.; 1874f, S. 712 (Zitat), 759 f.; 1875b; HH an Soret, 7. Mai 1875; AH an PM, 30. April 1875; HH 1876b, 1876c; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 1, S. 25 – 28; Buchwald 1994, S. 75 – 77, 351 – 355. 38 HH 1874e. 39 A. Clebsch an ?, 3. Januar 1872, in: Wiedemann 1989, S. 165 – 167, auf S. 166 f. 40 Die folgende Beschreibung bezieht sich auf Feffer 1994, 1996, besonders auf seine Analyse des Verhältnisses von Abbe zu Zeiss, zu den Mikroskopikern und zur technischen Optik; Cahan 1996; und die in diesen Quellen zitierte Literatur. 41 Abbe 1873. 42 HH 1873d; HH 1874. 43 HH 1874, S. 185 f. (erstes bis drittes Zitat), S. 211 f. (viertes Zitat). 44 Feffer 1994, S. 185 – 191; 1996. 45 Schomerus 1941, S. 102; Cahan 1996; Feffer 1994, S. 255 – 257, 265; 1996, S. 59. 46 Buchwald 1985, S. 233 f.; Darrigol 2000, S. 320; 2012, S. 250 – 252. 47 HH 1874d; Buchwald 1985, S. 198, 234 – 236; Smith und Wise 1989, S. 443, Anm. 112, S. 469 (Zitate); Darrigol 2000, S. 320 f.; 2012, S. 252. 48 Bélafi 1990, S. 32 – 34; Hallion 2003, S. 66 – 72. 49 HH 1864, S. 527 – 530; 1872, 1873b; HH an AH, 1. August 1873; Johann Fischer an HH, 25. Dezember 1874, HN 147; Ed. Vidal an HH, 20. Mai 1875, HN 481; Peter Klünder an HH, 6. September 1875 (nach dem russischen Kalender; nach dem westeuropäischen Kalender war es der 18. September), HN 235; Kehler 1926; Klein 1926, S. 230; Darrigol 2005, S. 257. 50 Fontane 1969, S. 165 – 167 (Zitat auf S. 165); Spiero 1921, S. 82 – 100; Brundes 1989, S. 437 f. 51 HH an Julius Rodenberg, 4. November 1874; 4. Dezember 1875, Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv; HH 1875a; 1903b, S. VI. 52 HH 1875a, S. 139 f., 142. 53 Garber 1976, S. 51 – 57; Kutzbach 1979, S. 45 – 58; HH 1875a, S. 142 – 144 (Zitate auf S. 143 f.); Darrigol 2005, S. 168 f. 54 HH 1875a, S. 145 – 151; Kutzbach 1979, S. 11 – 16, 58 – 62, 80 – 82, 88 f.; Darrigol 2005, S. 167 – 170. 55 HH 1875a, S. 151 – 154, 158 – 162; Kutzbach 1979, S. 63 f., 84, 96 – 99; Darrigol 2005, S. 168 – 172. 56 HH 1875a, S. 162 f.; Kutzbach 1979, S. 1, 9, 119 – 145; Friedman 1989.
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Anmerkungen Kapitel 18
57 AH an einen Freund, 4. April 1876, in: ESH 1929,
Bd. 1, S. 203 (erstes und zweites Zitat); HH an JT, 17. Mai 1876 (drittes Zitat), RI MS JT/1/H/53, TPRI; EB an EdBR, 25. Juni 1876 (viertes Zitat), in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 210 f., 210; HH an Soret, 7. September 1876, VG, Ms. fr. 4175, f. 349 f. 58 Franz Boll an EdBR, 12. November 1876, in: Belloni 1980, S. 394 – 396; Boll an Felix Lewald, 9. November 1876, in: Boll-Nachlass, Privatbesitz, abgedruckt in: Belloni 1982, S. 129; HH an Boll, 28. Oktober 1877, in: Belloni 1982, S. 133; HH an Willy Kühne, 13. März 1887, in: LK, Bd. 2, S. 233; Kremer 1997. 59 HH an HK, 21. Juli (Zitat), 13. August 1877, HKL; AH an HH, 23. und 28. August 1877, beide in: ESH 1929, Bd. 1, S. 220 f.; HH an AH, 30. August, 1. und 4. September 1877, alle in: ESH 1929, Bd. 1, S. 221 f.; HH an Boll, [23. September 1877,] in: Belloni 1982, S. 132; Corrado Tommasi-Crudeli an HH, 14. November 1876, HN 469; AH an PM, 8. Oktober 1877, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 223. 60 Endell 1883, S. 148 f.; Architekten-Verein 1896, Bd. 2, S. 268. 61 Endell 1883, S. 148 f.; Guttstadt 1886, S. 143 – 148; Pistor 1890, S. 63 – 68; Architekten-Verein 1896, Bd. 2, S. 266 – 268; Junk 1888, S. 143, 146; Rubens 1910, S. 285; I. HA Rep. 151 Finanzministerium, IV Nr. 1980: Bauten für das physiologische und physikalische Institut, Dorotheenstraße 35 und Neue Wilhelmstraße 16a, 1873 – 1936, Bd. 2, Bl. 20, 58 – 9r, GSPK; Springer 1878, 176; EdBR an Jeannette du Bois-Reymond, 11. Juli 1877, Abt. 5, K. 11, Nr. 5. 62 Feldhaus 1929, S. 36 f., 39, 41 – 45, 64. 63 HH an JT, 18. Februar 1878, RI MS JT/1/H/55, TPRI; HH an Geehrter Herr?, 22. Februar 1877, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496; HH an JT, 18. Februar 1878; HH an JT, 14. März 1878, RI MS JT/1/H/56, TPRI; JT an HH, 22. Februar 1878, HN 477; HH an Hochverehrte Herren, 5. August 1878 (Zitat), Royal Institution, London, Archives, CG2/i/1. 64 Thomas Place an HH, 19. Mai 1873, HN 354; zu Darwins Photographie siehe Browne 1995 – 2002, Bd. 2, S. 272 f., 300 – 303, 362 f., 423 f., 451; Adrian Heynsius an HH, 6. Juni (erstes Zitat), 20. Juni, 3. und 9. Oktober, 14. November 1871; 29. März, 9. Mai 1872, HN 201; EdBR an Jeannette du Bois-Reymond, 1. April 1877 (zweites Zitat), in Abt. 5, K. 11, Nr. 5; Bowman 1890 – 1891, S. XXII. 65 Cahan 1985; N[ichols] 1894, S. 225 (erstes Zitat); Karl Pearson an Robert Parker, 19. Oktober [1879], Karl Pearson Papers 922, Manuscripts Room,
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University College London (zweites Zitat); Baron Jauru (Kaiserliche Gesandtschaft von Brasilien, Berlin) an Baron Nogueira da Gama, 1. August 1880, in Maço 183, Dok. 8345, Arquivo da Casa Imperial do Brasil (POB), Arquivo Histórico, Museu Imperial, Petropolis, Brasilien; Pedro an HH, 23. April 1880, HN 523; Wurtz 1882, S. 14 – 17 (drittes und viertes Zitat auf S. 15); Rubens 1910, S. 286. 66 I. HA Rep. 76 KM, Va Sekt. 2 Tit. 10 Nr. 79, Bd. 3, »Etat der königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin für 1875/8«, Bl. 175r – 77, GSPK. 67 Zobeltitz 1891, S. 768; AH an RM, 13. November 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 174. 68 Schultze 1993; Kayser 1936, S. 94. Eins von Helmholtz’ Notizbüchern (HN 721), datiert auf den Winter 1872/73, trägt den Titel »Logische Principien der Naturwissenschaft« und scheint ein Entwurf seiner Vorlesungen zu diesem Thema gewesen zu sein. 69 GRK an HH, 17. November 1874, HN 231; Sitzung der physik.-mathem. Klasse, 21. Juli 1873, AHA, Protocoll-Buch der physik.-math. Klasse 1874 – 1877, Sign. II – V, 119, Bl. 28 – 29; HH an EdBR, 25. März 1874; Planck 1910, 276; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 30 – 32, 49, 125 – 129. 70 HH 1891a, S. 203; Guttstadt 1886, S. 141. 71 AH an RM, 13. November 1871; AH an RM, Dezember 1872, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 183 (Zitat). 72 Kayser 1936, S. 94; Schuster 1975, S. 17f. (Zitate). 73 Hertz 1894 – 95a, S. 368; Hirschberg 1921, S. 1117; Rubens 1910, S. 287; Paulsen 1938, S. 213 f. (Zitat auf S. 214); Runge 1949, S. 27 – 29. 74 Hertz 1894 – 95a, S. 368; Rubens 1910, S. 287; Planck 1948, S. 8 (erstes bis drittes Zitat); 1986; EdBR 1912, Bd. 2, S. 568 (viertes Zitat); Wachsmuth 1900, S. 17 (fünftes Zitat). 75 Einstein 1987, S. 46, 49, 318, 364, S. 365 f.; Sigmund Freud an Edward Silberstein, 24. Januar 1875, in: Boehlich 1990, S. 84 f., auf S. 84; Freud an Martha Bernays, 28. Oktober 1883 (erstes Zitat), zitiert in: Jones 1953 – 1957, Bd. 1, S. 41; Sulloway 1979, S. 13 – 15, 65 f., 94, 138 f. (zweites Zitat auf S. 139), S. 170, 235. 76 Hars 1999, S. 55 f.; Kurylo und Susskind 1981, S. 14 – 21; HH an T. Zincke, 31. Oktober 1876, Hessisches Staatsarchiv Marburg: 307 d Nr. 113, Bd. II; HH an A. Falk, 10. Mai 1877, SBPK, Slg. Darmst. F1a 1847 (2), beide zitiert in: Hars 1999, S. 15, 26 f., 38 – 40. 77 Helmholtz in: Schultze 1994, S. 3 – 6 (Zitate auf
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S. 3 f.); zu Ebbinghaus siehe Unterlagen der Philosophischen Fakultät, in: HUB, Promotionsverfahren der Phil. Fak. 291 ff. Helmholtz, Gutachten, Prüfungen, und Promotion. 78 Wo nicht anders vermerkt, bezieht sich dieser Abschnitt auf Cahan 2004. 79 Tyndall 1873b; HH an JT, 11. November 1873, RI MS JT/1/H/50, TPRI; JT an HH, 13. November 1873; HH an JT, 22. November 1873. 80 Uptons studentisches Notizbuch zu Helmholtz’ Kurs über Licht und Elektrizität im Juni/Juli 1878 (»E Helmholtz Upton 26/6 78«, TAEM, Rolle 95: S. 290 – 313 [TAED, MUN000]); Bryan 1926, S. 113; Jehl 1938, Bd. 2, S. 619, 733; Friedel und Israel 1986, S. 27, 29, 36 f., 56, 104 f., 122 – 128, 134 f., 137, 141 f., 180, 194 f., 229; Israel 1998, S. 92, 157 – 160, 176, 179, 188, 191, 195, 197 f., 201 – 204, 211 f., 254, 448, S. 491, Anm. 9; Friedel und Israel 2010, S. 19, 21, 24, 27, 35, 40, 42 – 44, 53 f., 58, 62, 64 – 66, 71, 73, 74, 76, 78 – 81, 82, 84, 85, 87, 95 – 104, 110 – 112, 116 f., 119, 120, 125 f., 139, 142, 149, 161 f., 197. 81 Ludwig Boltzmann an HH, 1. und 20. November 1872; 26. Februar und 21. April 1874; 13. Februar 1875, HN 57; Boltzmann an Leo Koenigsberger, 1902, in: Boltzmann 1994, Bd. I, S. 21 – 24, Bd. II, S. 8 – 12, 347; Boltzmann 1905, S. 96 f., 102; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 1, S. 212 f.; Hörz und Laass 1989, v. a. S. 15 f., 43 – 47; Buchwald 1994, S. 208 – 214; Flamm 1995, S. 24, 33 – 35. 82 Zu Rowland und seiner Beziehung zu Helmholtz (mit weiteren Einzelheiten) siehe Cahan 2004, S. 19 – 24. 83 Schuster 1932, S. 56 – 65, 243 f.; HH 1876c; HH an Henry A. Rowland, 28. April 1877 (Zitat), Henry A. Rowland Papers, Special Collections and Archives, Manuscripts, Milton S. Eisenhower Library, Johns Hopkins University, Baltimore, MD; Buchwald 1994, S. 354 f. 84 Siehe beispielsweise Johann Nepomuk Czermak an HH, 2. Mai 1872, HN 101; WT an HH, 26. Februar 1874, HN 464; Paul du Bois-Reymond an HH, 8. August 1876, HN 123; James Clerk Maxwell an HH, o. D. (zwischen 1871 und 1879), HN 305; G. Pirie an HH, 7. August 1878; 20. September 1880, HN 353; William Sharpey an HH, 3. April 1873, HN 402; PGT an HH, 21. September 1871; 23. Juli 1879, HN 459; Karl Friedrich Otto Westphal an HH, 5. Dezember 1873, HN 509; HH an Charles Augustus Young, 20. März 1877, Dartmouth College Library, Hanover, New Hampshire, Special Collections, Charles Augustus
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Young Papers; Arthur Schuster an HH, 29. November 1879, HN 442. 85 A. Kosloff an HH, 16. April 1872, HN 244; Carl von Lemcke an HH, 19. Dezember 1869; 7. März 1870; 28. Februar und 30. April 1876, HN 271. 86 JT an HH, 10. Februar 1874 (erstes Zitat), HN 477; John Cleves Symmes an HH, 15. April 1871 (andere Zitate), HN 420. Für weitere Beispiele siehe W. Clemm an HH, 11. Februar 1872, HN 92; Marcel Croullebois an HH, 8. November 1871; 6. Mai 1872, HN 98; Friedrich Eugen Weber-Liel an HH, 22. April 1877, HN 502; G. H. Schneider an HH, 17. Oktober 1877, HN 434. 87 Hall 1880, S. VII, 47 (erstes Zitat); 1878, S. XI f. (andere Zitate), 96 – 100, 104, 113, 125, 139, 160, 174 – 176, 183 f., 186, 188, 191, 199, 200, 201, 203, 211 – 213, 220, 231, 237, 240 f., 243 – 245, 247, 254, 286 f., 293 – 296, 318, 321, 325, und passim; Hall & Co., Verleger an HH, 4. Oktober [ca. 1877 – 1880], HN 184.
Kapitel 19 1 Siehe etwa HH und Rudolf von Gneist an »Hochgeehrter Herr College«, 21. Oktober 1876, Smithsonian Institution Libraries, Washington, Dibner Manuscript Collection, Helmholtz Papers, MSS 683A; Spitzemberg 1963, S. 126, 129, 135, 139, 140. 2 HH 1873a, S. 93, 95 f., 116; HH an Friedrich Max Müller, 15. November 1872; 1. März 1873, Senckenbergische Bibliothek, Frankfurt am Main; HH an »Hochgeehrter Herr«, 7. Juli 1874, Stadtund Landesbibliothek Dortmund, Handschriften-Abteilung, 6342. 3 HH 1873a, S. 95 f. 4 Ebd., S. 96 f. 5 Ebd., S. 97 f. 6 Ebd., S. 98 – 100 (Zitat auf S. 98). 7 Ebd., S. 100 – 103 (Zitate auf S. 100 f.). 8 Ebd., S. 107 – 111. 9 Ebd., S. 111 – 116. 10 Ebd., S. 118 – 124 (Zitat auf S. 118). 11 Ebd., S. 104 – 107. 12 Ebd., S. 125 f.; HH an AH, 15. und 16. September, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 189 f. 13 HH 1873a, S. 126 – 133. 14 Ebd., S. 134 f. 15 Wilhelm von Bezold an HH, 3. April und 8. November 1874, HN 47; Vitz und Glimcher 1984, S. 46 – 48, 70, 72 – 77, 83, 86 f., 97, 100 f., 163 f.;
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Anmerkungen Kapitel 19
Kemp 1990, S. 234, 241 f., 250, 253, 262 f., 312 – 320, 338; Gage 1999, S. 48, 185, 212 – 214, 218, 219 – 223, 300, Anm. 17. 16 Brücke 1878; Charles Henry an HH, 4. September 1885, HN 196; Homer 1964, S. 114, 130 f., 214 – 216, 246, 248, 289 f., 301 f.; Nochlin 1966, S. 112 – 115; Pool 1967, S. 15; Argüelles 1972, S. 20, 70 – 72, 87 – 89, 98 – 100, 117, 119, 125; Hamann und Hermand 1973, S. 222 f.; Rewald 1978, S. 133, 137; Vitz und Glimcher 1984, S. 46 – 48, 70, 72 – 77, 83, 86 f., 97, 100 f., 163 f.; Kemp 1990, 262 f., 312 – 20, 338; Lebensztejn 1992; Gage 1999, 48, 185, 212 – 214, 218 – 223, S. 300 Anm. 11, S. 301 Anm. 17. 17 Rood 1973, v. a. S. 11 – 18, 38, 113 – 115, 126 f., 175 f.; Fleming 1968, 482 f., 498 f.; Gage 1999, S. 78, 209 – 214, 218, 222 – 223, 255 – 256. 18 Emerson 1980; 1993, 103 – 111, 134 – 146. 19 Pietsch 1889 – 1890, S. 666; Hamann 1914, S. 1, 5 – 7, 171; Craig 1978, S. 59. 20 Wilhelmy 1989, passim, v. a. S. 24 – 27, 268 – 269, 271. Siehe auch Brandes 1989, S. 124 – 140; Siebel 1999. 21 AH an PM, 16. Mai 1873, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 185 (Zitat); Vasili 1884, S. 163 – 165, 229; Bode 1930, Bd. 1, S. 107 f.; Wilhelmy 1989, S. 274 – 281, 820 – 821. 22 George Bancroft an Frederica King Davis (Mrs. John Chandler Bancroft Davis), 2. Mai 1871 (Zitat), American Antiquarian Society, Worcester, MA, George Bancroft Papers; Nye 1944, S. 241, 276, 278; Spitzemberg 1963, S. 126, 129, 135, 139, 140. 23 AH an RM, 13. November 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 174; AH an PM, 6. März 1872, ebd., S. 177 f.; Mohl 1902, Bd. 2, S. 200; Wilhelmy 1989, S. 659. 24 EdBR an Jeannette du Bois-Reymond, 5. Juni 1873, Dep. 5, K. 11, no. 5; Bunsen 1899; Dilthey 1900, S. 231 f.; Wachsmuth 1900, S. 16 f., 19; Weech 1906, S. 297; Planck 1929 – 1930, S. 38; Wilhelmy 1989, S. 283 – 288, 342, 415, 451, 453, 659 f. 25 Strauss 1872, S. 210 f., 213 – 215, 218 – 221; AH an ISZ, 18. Januar 1892, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 40; Braun-Artaria 1899; Bunsen 1932, S. 40 f.; Wilhelmy 1989, S. 285 f. (Zitate). 26 Wenn nicht anders angegeben, stammen die Namen der Berliner Gäste aus den Jahren 1871 bis 1894 aus ESH 1929 und Wilhelmy 1989, S. 660, 662 – 669. 27 Max Planck an Carl Runge, 6. Oktober 1885, in: Hentschel/Tobies 1999, S. 97 f. 28 Bunsen 1929, S. 43; HH an TM, 7. März 1877; AH an TM, 3. Juni 1877; 22. Juni 1889; HH an TM, 13. Mai 1890, alle Briefe aus TMN.
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29 AH an ISZ, 24. Juni 1871, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 164 f.; AH an PM, 23. Juni 1872, ebd., S. 180 f.; Bernard Cracroft an HH, 20. Mai 1872, HN 94; Joseph Joachim an HH, o. D., HN 220. 30 AH an HH, 19. Juli 1867; 8. September 1869, beide in: ESH 1929, Bd. 1, S. 141 f., 151; AH an RM, Dezember 1872 (erstes Zitat), ebd., S. 183; HH an JT, 29. September 1876, RI MS JT/1/H/54, TPRI; Cosima Wagner an Friedrich Nietzsche, 1. Januar 1877, in: Wagner 1940, S. 75 – 78 (Zitat auf S. 77); 1976 – 1977, Bd. 1, S. 1019. 31 HH an AH, 12. Juli 1880, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 250 f. (Zitat auf S. 251); Hamann 1914, S. 166 – 171, 177, 179 f., 183 – 185; Hamann und Herman 1971, S. 34; Herbst 2006, S. 91, 95. 32 Bunsen 1899; Planck 1929 – 1930, S. 38 (erste beiden Zitate); Wachsmuth 1900, S. 17 (drittes Zitat). 33 AH an HH, 8. Juli 1877, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 215; Brauer 1936, S. V – IX, 208 f. (Zitate); Ludwig Bamberger an HH, o. D., 19. Dezember 1886, HN 25. 34 AH an Frau Prof. Otto Becker, 2. und 16. Januar 1873, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 183 f.; AH an TM, o. D. (»Sonntag«), in: TMN; Cosima Wagner an Nietzsche, 12. Februar 1873, in: Wagner 1940, S. 43 – 46 (erstes Zitat auf S. 45 f.), S. 141 Anm. 618; Newmann 1969, Bd. 4, S. 386; Schüler 1971, S. 127; Wagner 1976 – 1977, Bd. 1, S. 629, 910, 912 (zweites Zitat), 913, 917, 977; Gregor-Dellin 1983, S. 400 f.; 1987, S. 603 f., 622, 626, 629, 664; Werner und Irmscher 1993.
A K
35 Gregor-Dellin 1987, S. 651 – 653, 658, 826; Spotts 1994, S. 66 – 68, 70, 71, 76, 77. 36 AH an ihre Kinder, 14. August 1876, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 204 – 206 (erstes, zweites und viertes Zitat); Wagner 1976 – 1977, Bd. 1, S. 999 (drittes Zitat); HH an RL, 15. August 1876, Bibliothek des Mathematischen Instituts an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, teilweise wiedergegeben in: Scharlau 1986, S. 130 (fünftes Zitat). 37 HH 1954, S. 339; Wagner 1976 – 1977, Bd. 2, S. 732, 733 (erstes Zitat), 737; Zobeltitz 1891, S. 768, 770 (zweites Zitat); Epstein 1896, S. 198; Wagner 1912 (drittes Zitat); Gregor-Dellin 1983, S. 487; 1987, S. 722 f.; vgl. Steege 2012, S. 224 – 234. 38 Alarik Frithiof Holmgren an HH, 3. Mai 1881, in: HN 207; Cosima Wagner an Marie von Schleinitz, o. D., in: du Moulin Eckart 1929 – 1931, Bd. 1, S. 882 – 885 (Zitat auf S. 884); AH an ISZ, 17. Februar 1883, in: ESH 1929, BD. 1, S. 263 – 264 (Zitat auf S. 263).
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Anhang
39 Werner und Imscher 1993. 40 Heuss 1948; Bauer 1991, S. 232 – 284; Nyhart 1995, S. 258 f., 263 – 265, 269, 272, S. 273 Anm. 87, 275. 41 AD an Fanny Lewald, 18. September 1869, in: SZADNA, Ba 1258 E, Bd. 60; Heuss 1948, S. 111; Groeben 1985, S. XXV. 42 Groeben 1985, S. XXIII – XXVII, 1 f.; AD an Lewald, 18. September 1869; Heuss 1948, S. 111; AD an HH, 2. August 1871, in: HN 112; AD an EdBR, [2. August 1871], in: Groeben 1985, S. 1 f.; Simon 1980, S. 15 – 20; HH an [AD], 5. August 1871 (erste vier Zitate), in VG, ohne Signatur; Nachlass AD, in: SZADNA, Ba 764; AD an HH, 18. und 28. September 1871, beide HN 112; HH an AD, 26. September 1871 (fünftes Zitat), BSBMH. 43 AD an EdBR, [18. September 1871,] [19. September 1872,] 8. Oktober 1872, 27. Januar 1878, alle in: Groeben 1985, S. 6 f., 12 – 14, 16, 125 f.; ebd., S. XXVI, 10 f. 44 Ebd., S. 13; AD an HH, 5. Juni 1875, in: HN 112; HH an AD, 19. Juni 1875 (Zitate), Dohrn Familienarchiv, BSBMH; Sitzung der physik.-mathem. Klasse, 6. Dezember 1875, in: AHA, ProtocollBuch der physik.-math. Klasse 1874 – 1877, Sign. II – V, 119, Bl. 71 – 73; Heuss 1948, S. 142, 205 f.; Browne 1995 – 2002, Bd. 2, S. 383, 480. 45 AD an Marie Dohrn, [Februar] 1879, Fragment, in: SZADNA, Bd. 132; H. Helmholtz, Rud. Virchow und E. du Bois-Reymond, »[Eingabe an den Reichstag. 6.3.1879.] Die Zoologische Station in Neapel«, in: Groeben und Wenig 1992, S. 114 – 117; Heuss 1948, S. 237 – 239. 46 AD an Marie Dohrn, 2., 12., 16., und 21. März 1879, in: SZADNA, Bd. 135.a, Bd. 143, Bd. 145 (erstes Zitat), Bd. 148 (zweites Zitat). 47 AD an Marie Dohrn, 13. März 1880, ebd., Bd. 155; AD an Marie Dohrn, 22. April 1880 (Zitat), Fragment, ebd., Bd. 173; AD an EdBR, 5. August 1880, in: Groeben 1985, S. 194 f. 48 AD an EdBR, 17. Mai 1883, in: Groeben 1985, S. 241 – 248; Heuss 1948, S. 272, 425; AD an Marie Dohrn, 13. und 18. Mai 1884, in: SZADNA, Bd. 259, Bd. 262; AH an AD, ebd., in: SZADNA: A.1884.H.; AD an Marie Dohrn, 30. Mai, 12. Juni, Anfang Juli, 6. Juli, 12. November 1884, in: SZADNA, Bd. 266 (erste drei Zitate), Bd. 271 (viertes Zitat), Bd. 284, Bd. 285, Bd. 296. 49 Waldeyer-Hartz 1920, S. 273, 275. 50 AH an PM, 7. Januar, 4. Februar 1874, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 191 f., 193; Mohl 1922, Bd. 1, S. 12, 48. 51 HH an TM, 3. März 1872, in: HN 315; AH an PM,
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4. Februar 1874, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 193; Vasili 1884, S. 229; Mohl 1922, Bd. 1, S. 61 f.; William II 1927, S. 19. 52 Barman 1999, S. 51, 92, 109, 117 f., 137, 237, 246, 248, 275 f., 279 – 282, 303; Mohl 1922, Bd. 1, S. 88. 53 Orden pour le mérite 1978, Bd. 2, S. 316; Barclay 1995, S. 73; Herbst 2006, v. a. S. 23.
Kapitel 20 1 Craig 1978, S. 70 – 78, 92 f.; Clark 2007, S. 568 – 576. 2 EdBR 1912, Bd. 2, S. 356 – 360, 367 f. 3 Siehe z. B. Virchow 1866; Sudhoff 1922a; Ackerknecht 1953; Goschler 2002. 4 Virchow 1871, S. 73 – 79, 81; Ackerknecht 1953, S. 184 – 186. 5 EdBR 1912, Bd. 1, S. 441, 460 f., 464 (Zitate); Steif 2003, S. 309, S. 115 – 127; Finkelstein 2013, S. 265 – 272. 6 Virchow 1873, S. 631, 632, 634 (Zitat). 7 Johann C. F. Zöllner an HH, 21. Oktober, 20. Dezember 1862, HN 522; Personalakte Johann Karl Friedrich Zöllner, Universitätsarchiv Leipzig, Sign.: UAL, PA 1093, Bl. 15 (Zitat); Herrmann 1982; Meinel 1991. 8 Zöllner 1872, S. XCIX – C; HH 1995a, S. 277 f. 9 Zöllner 1872, S. XII f., XXX – XXXVI, XLVII, XLVII – LIV, XLIX – L, S. 329 – 335; Thomson und Tait 1871, 1874; WT an HH, 23. Januar und 20. Februar 1870, HN 464; PGT an HH, 15. November 1870; 25. März 1871, HN 459; HH 1871c, 1874b. 10 Zöllner 1872, S. LIV, LV f., LVII f., LIX f., LX f., LXII, LXII f. (v. a. Anm. 2), LXVII f., LXX (Zitat). Zu Webers und Helmholtz’ elektrodynamischen Ansätzen und der Polemik Zöllners siehe Buchwald 1993; 1994, S. 7 – 20, 356 f., 395 – 397, 402 – 404; Darrigol 2000, S. 63 f., 223 – 230, 232. 11 Zöllner 1872, S. 317 – 321, 344 – 353, 378 – 425 (Zitat auf S. 405). 12 Taits Zitat in Eve und Creasey 1945, S. 162; PGT an HH, 23. Mai 1872, HN 459; PGT an Gentlemen (Vieweg & Sohn), 25. September 1872, VV; Knott 1911, S. 256. 13 JT an HH, 13. April 1872, HN 477. 14 HH an JT, 23. Juni 1872, RI MS JT/1/H48, TPRI (maschinenschriftliche Kopie [Zitate]); Schlechta und Anders 1962, S. 122 – 227; Hörz 1997, S. 231. 15 HH an RL, 16. Oktober 1872 (erstes Zitat), Mathematisches Institut, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Bibliothek; Ludwig Boltzmann an HH, 1. November 1872, HN 57;
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Anmerkungen Kapitel 20
Buchwald 1993, S. 337 – 345, 363 – 373 und die dort zitierte Literatur; Wilhelm Weber an HH, 24. Mai 1873 (zweites Zitat), HN 500; Sitzung des Plenums, 15. Juni 1876, AHA, GesammtsitzungsProtocolle 1876, Sign. II – V, 53, Bl. 52; 13. Juli 1876, Bl. 63. 16 Clark 2007, S. 186, 192 f., 196, 199 f., 305 f., 309 f., 365 – 367, 369, 388 f., 427, 496, 498, 535, 537, 542. 17 Zöllner 1872, S. LVIII. 18 HH an Geehrter Herr, 12. März 1872, Universität Leipzig, Universitätsbibliothek, Briefsammlung, Nachlass Fechner; Tagebucheintrag Fechners vom 23. April 1873, Fechner 2004, Bd. 2, S. 993 – 996; Ludwig Strümpell an HH, 27. November 1871, HN 454. 19 CL an HH, 10. Juni (erstes Zitat), 23. Juni, 14. Juli 1872 (zweites Zitat), HN 293; HH an Karl Thiersch (Geschäftsführer der Deutschen Naturforscherversammlung), o. D. (drittes Zitat), Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau, Handschriften- und Inkunabelabteilung, Autogr. 404; HH 1872b; McKendrick 1899, S. 284. 20 JT an HH, 25. September 1873, HN 477; HH an Friedrich Vieweg, 14. [Mai?] 1873, VV; Dreyer o. D. [1936], S. 47, 60, 107 – 109. 21 Dreyer o. D. [1936], S. 108.
22 HH 1874c, 299; J. Norman Lockyer an HH, 28. Mai
1874, HN 284; HH an Lockyer, 7. Juni 1874 (Zitat), Norman Lockyer Papers, Norman Lockyer Observatory, Sidmouth, Devon, zitiert in: Meadows 1972, S. 34; JT an HH, 25. September 1873, HN 477; HH 1874. 23 Lockyer an HH, 25. Juni und 26. Juli 1874; 13. August (erstes bis sechstes Zitat) und 20. August [1876], HN 284; HH an Lockyer, 28. August 1876 (siebtes Zitat), Lockyer Collection, University Library, University of Exeter; Maxwell 1877, S. 389 (achtes Zitat), S. 391 (neuntes Zitat); S. Grove an HH, 2. Oktober 1875 (zehntes Zitat), HN 177; AH an HH, 8. Oktober 1875, ESH 1929, Bd., S. 199 f. 24 HH an JT, 17. Mai und 29. September 1876, RI MS JT/1/H/53, H/54., TPRI; Richard Liebreich an HH, 15. Mai 1876, HN 277; WT an HH, 30. Mai, 9. August (erstes Zitat) und 18. September 1876, HN 464; Biedermann 1877, S. XII, 312, 333; HH an HER, 25. Juli 1876, RSC; JT an HH, 18. September 1876, HN 477; HH an Jacques-Louis Soret, 7. September 1876 (zweites Zitat), VG, Ms. f. 4175, f. 349 f. 25 HH an JT, 22. November 1873, RI MS JT/1/H/51, TPRI; HH an Vieweg, 22. Oktober 1873, VV; HH 1873c, S. 421.
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26 Smith und Wise 1989, S. 348 – 395; Smith 1998, S. 192 – 210; HH an WT, 24. November 1866 (Zitat), KP, H17; HH an den Verlag Vieweg, 13. März, 11. Juni und 12. August 1869; 24. Februar. 1870; 1. Oktober 1871, VV; HH an Vieweg, 17. November 1873; 22. Februar und 2. März 1874, VV; HH an [PGT oder WT?], 10. April 1873, EUL; PGT an Gentlemen (Vieweg & Sohn), 7. September 1873, VV. 27 HH 1873c, S. 413. 28 Ebd., S. 414 (erstes bis achtes Zitat); HH an JT, 17. Oktober 1873 (neuntes Zitat), RI MS JT/1/H/49, TPRI (maschinenschriftliche Kopie); JT an HH, 26. Oktober 1873 (zehntes Zitat), HN 477. 29 HH 1873c, S. 415 f. 30 Ebd., S. 416 – 418. 31 Ebd., S. 418 – 421 (erstes Zitat auf S. 418, zweites Zitat auf S. 419). 32 JT an HH, 16. Februar [1874?] (Zitat), HN 477; HH 1874 – 1875. 33 HH an Vieweg, o. D., 14. [Mai?], 21. Oktober 1873; 8. Januar, 22. Februar, 2. und 12. Mai, 1. und 26. Juni 1874, VV; Tyndall 1876. 34 HH an JT, 17. Oktober 1873. 35 Tyndall 1898, S. 198 f. (erstes Zitat); 1874, S. 65 f. (zweites Zitat). 36 AH an JT, 17. Februar 1872, RI MS JT/1/H34, TPRI; AH an PM, 30. Januar 1872, ESH 1929, Bd. 1, S. 176; HH 1874a, S. 422 (drittes Zitat); HH an Vieweg, 21. Oktober 1873 (zweites Zitat), 22. Oktober 1873; 12. Mai 1874 (erstes Zitat), VV; HH an JT, 22. November 1873. 37 Ebd., S. 207 f. (Zitate), S. 211. 38 Ebd., S. 209 f. 39 Ebd., S. 210 – 212. 40 Ebd., S. 425. 41 Ebd., S. 425 f. 42 Ebd., S. 426 – 428. 43 Ebd., S. 428 – 430. 44 Ebd., S. 430 f. 45 Ebd., S. 431 f. 46 Ebd., S. 432 – 434. 47 AH an JT, 7. Januar 1875, RI MS JT/1/H/36, TPRI; HH an JT, 17. Mai 1876; Tyndall 1898 – 1899; HH 1874h. 48 HH an Hochgeehrter Herr, 7. Juli 1874, Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, Handschriften-Abteilung, 6342; HH an O. Overbeck, 21. Juli 1874, ebd., 6343; HH an Hochgeehrter Herr Doctor, 3. März 1875, ebd., 6344; HH an AH, März 1875, ESH 1929, Bd. 1, S. 196 f. (Zitate).
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Anhang
49 HH an AH, 10. März 1875, ESH 1929, Bd. 1, S. 197 (erstes und zweites Zitat); HH an Verehrter Herr Regierungsrath, 15. März 1875, Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, Handschriften-Abteilung, 8986; HH an AH, 16. März 1875, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 198 (drittes Zitat). 50 AH an HH, 19. März 1875, ESH 1929, Bd. 1, S. 198 (erstes und zweites Zitat); AH an PM, 20. und 22. März 1875 (drittes Zitat), ebd. 51 JT an HH, 2. November 1871 (Zitate), HN 477; Youmans 1865; Isidor Rosenthal an HH, 3. Juni 1872, HN 387. 52 »H.L. Helmholtz« 1875, S. 451 (erstes Zitat); »Deutsche Professoren« 1876, S. 679 (zweites Zitat); Julius Meyer an HH, 1. Juni 1876 (drittes Zitat), HN 312.
Kapitel 21
1 Dühring 1873; Dühring 1877, S. 36; Biermann
1973, S. 90. 2 Dühring 1877, S. 60 – 62, 70; AH an HH, 8. Oktober 1875, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 199 f.; ESH 1929, Bd. 1, S. 209, 274, 282 f.; AH an Florence Nightingale, 24. Mai 1872, Nightingale Collection, H1/ST/ NC1/72/10, Greater London Record Office, London; HH an Wilhelm von Beetz, 24. Juni 1878, DM, 1932 – 17/24; Bunsen 1899, o. S.; Dilthey 1900, S. 233 f.; Weech 1906, S. 298; Albisetti 1988, S. 117 – 121; Wilhelmy 1989, S. 428; Siebel 1999, S. 83. 3 Dühring 1875a, S. 552 – 562; Dühring 1879, S. 562 – 564; Philosophische Fakultät 1877, S. 10 – 36. 4 Dühring 1877a, S. 444 f.; Dühring 1880; HH 1883, S. 402; HH 1847a, S. 71 – 74; Weyrauch 1893, S. 253, 442 – 455; die von Leopold Pfaundler zitierten Bemerkungen finden sich in LK, Bd. 1, S. 91 f. 5 Dühring 1877a, S. 438 – 447, S. 459 f. (drittes und viertes Zitat auf S. 460), 474, 476 f., 504 f., 526 – 530, 535, 546 – 548, 550; Dühring 1878, S. 102 – 123 (die ersten beiden Zitate auf S. 103), 126 f.; Dühring 1881. 6 Dühring 1877, S. 3 (erstes Zitat), 36 (zweites und drittes Zitat), 37 (viertes und fünftes Zitat), 67 (sechstes Zitat), 68 (siebtes Zitat), 69 (achtes Zitat); Philosophische Fakultät 1877, S. 10 – 36. 7 Engels 1978; Engels 1978a, S. 307, 308, 355, 356, 358 – 371, 375, 378, 381, 382, 397, 430, 506 f., 541, 544, 556, 559 f.; Reiprich 1969, S. 20, 37, 40 f., 62, 83, 123, 127, 130; Liedman 1986, S. 105, 108 f., 155 f., 159 f., 163 f., 191. 8 Philosophische Fakultät 1877, S. 10 – 36; Lewenstein 1877; »Die Facultät« 1877; Brandes 1989, S. 23 – 30.
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9 HH an Verehrte Frau, 24. Juli 1877 (Zitate), BSBMH, Sign.: Autogr. VA; HH an Beetz, 24. Juni 1878. 10 AH an HH, 8., 10., 31. Juli und 3. August 1877, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 215 – 217, 219 f.; FCD an HH, 1. Mai 1877, HN 116; HH an Verehrte Frau, 24. Juli 1877 (Zitate); HH an HK, 21. Juli 1877, HKL; KM an Seine Majestät den Kaiser und König, 24. August 1877, KM, GSPK, I. HA, Rep. 89, Nr. 21487, Bl. 78. 11 HH 1877, S. 167 f. 12 Ebd., S. 169 – 176 (Zitate auf S. 169 – 173). 13 Ebd., S. 182 f. 14 Ebd., S. 183 f.; zu diesem Thema siehe Schiemann 1997. 15 HH 1877, S. 185 f. (Zitate); HH 1883, »Robert Mayer’s Priorität«, S. 401 – 414; Gross 1891, S. 26 – 30; Gross 1898, S. 160 – 168. 16 HH 1877, S. 186 f., 189. 17 Ebd., S. 188 f. 18 Haeckel 1902b, v. a. Bd. 2, S. 134 f. (Zitate); Richards 2008, S. 312 – 331; Steif 2003, S. 127 – 138; Daum 1998, S. 66 – 83. 19 Virchow 1877, S. 5 – 15, 18 – 22, 26, 28 f., 31 f. (Zitate auf S. 7 – 9); Daum 1998, S. 65 – 83; Steif 2003, S. 127 – 138; Richards 2008, S. 312 – 331; Finkelstein 2013, S. 240, 245 – 264, 271 – 274, 280 f., 285. 20 Guttstadt 1886, S. 62, 64; HH an JT, 18. Februar 1878, RI MS JT/1/H/55, TPRI. 21 Guttstadt 1886, S. iv; Schnädelbach 1991, S. 36 – 48. 22 HH 1877a, S. 193 f. 23 Ebd., S. 196 – 199 (erstes Zitat auf S. 196, zweites Zitat auf S. 197). 24 Ebd., S. 198 f. (Zitat auf S. 199). 25 Perry 1878; HH an J. Rodenberg, 6. Januar 1878, Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar, Goethe-und-Schiller-Archiv; Perry 1877; HH 1877a, S. 196; Müller 1881, v. a. Bd. 5, S. 7 – 10, 39 f.; Atkinson 1880, S. V. 26 Huxley 1968, v. a. S. 103 – 107; Roscoe 1869; Maxwell 1873, S. 397, zitiert in: Frank Turner 1993, S. 174 f. 27 Fox und Guagnini 1998, S. 58 – 68, 116 f.; MacLeod 1972, S. 126 – 139; Haines 1958, S. 222 – 226; Kim 2002, S. XV; Arnold 1892, S. 133 – 152, 208 – 213 (Zitat auf S. 209), 219. 28 Ward 1965, S. 148, 289 f., 303, 307; Fox 1997, 680 – 691 (Zitat auf S. 690); Fox 2005; Gooday 2005.
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Anmerkungen Kapitel 21
29 Huxley 1968a; Arnold 1986, S. 456 – 471. 30 HH 1877a, S. 199 f. 31 Fox 1973; Shinn 1979, v. a. S. 291 – 304; Weisz 1983; Fox 1984, v. a. S. 70 – 72, 78 – 84, 87 f., 91 – 95, 97 – 103, 112; Fox 1990, v. a. S. 14 – 16; Fox und Guagnini 1998, S. 107 – 115. 32 HH 1877a, S. 200 f. 33 Ebd., S. 201 – 203 (Zitate auf S. 202 f.). 34 Ebd., S. 203 – 206. 35 Ebd., S. 205 f. 36 Ebd., S. 206 f. (Zitat auf S. 207). 37 Ebd. S. 207 f. (Zitate), 211. 38 Ebd., S. 209 f. 39 Ebd., S. 210 – 212. 40 Königliche Universitätsbibliothek 1899, S. 742; Emile Alglave an HH, 31. Januar 1878, HN 10; HH 1884; Albert Ladenburg an HH, 2. Dezember 18[??], HN 259. Im Jahr 1878 sprach Haeckel über »Die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat« und antwortete damit auf Virchows Text mit diesem Titel. Siehe Haeckel 1902. 41 HH 1877, S. 184 (Zitat); Fichte 1970, S. 313 f.; Fichte 1873, S. IX – X, 210 f.; Fichte 1876, S. 426 f. 42 HH 1871, S. 55 f. 43 HH an EdBR, 20. April 1868, in: Kirsten u. a. 1986, S. 228 (erstes Zitat); HH an CL, 28. März 1869, in: LK, Bd. 2, S. 162 (zweites, drittes und viertes Zitat); Johann Eduard Erdmann an HH, 20. April 1871, HN 137; HH an Erdmann, 6. Mai 1871 (fünftes Zitat), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Sondersammlungen, Yi 4 I 147; HH an Wilhelm Oncken, 1. Dezember 1872 (sechstes und siebtes Zitat), Justus-Liebig-Universität Gießen, Universitätsbibliothek, Handschriften-Abteilung, 139/100 – 107. 44 HH an George Croom Robertson, 7. Dezember 1874, UCL, George Croom Robertson Papers, MS. Add 88/11. 45 HH an Robertson, 26. Dezember 1875 (Zitat); 8. Januar 1876, beide UCL, George Croom Robertson Papers, MS. Add 88/11; Robertson an HH, 5. Januar, 14. Februar, 29. Juni 1876, alle HN 380; HH 1876a. 46 HH 1876a; HH 1903b, S. V (Zitat). 47 HH 1870f, S. 3 f., 30 f.; HH 1876a, S. 319 – 321. 48 Land 1877 (Zitate auf S. 38 – 42, 45). 49 HH an Robertson, 6. April 1877 (erstes Zitat), UCL, George Croom Robertson Papers, MS. Add 88/11; HH 1878, Anhang III, S. 394 – 406; HH
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1878c; S. 212 – 224; HH 1883a, S. 640 – 660; HH 1903b, S. VII; HH an James Sully, 29. April 1877 (weitere Zitate), UCL, James Sully Papers, MS. Add 158; Sully an HH, 3. Mai 1877, HN 417. Im Jahr 1881 korrigierte Helmholtz öffentlich seine Einschätzung von Kants epistemologischem Denken ins Negative und distanzierte sich von früheren Bemerkungen, die er in der Einführung seines Aufsatzes über die Erhaltung der Kraft gemacht hatte. (Siehe HH 1882, S. 68.) Im Jahr 1887 distanzierte sich Helmholtz noch einmal ausdrücklich von den »stricten Anhängern Kants« (HH 1887a, S. 356). 50 HH 1878c, v. a. S. 659 f. (Zitat). 51 Boi, Giacardi und Tazzioli 1998, S. 58, 78; Voelke 2005, S. 31; Krause 1878, Vorwort o. S. (Zitat); Torretti 1978, S. 286; Hörz 1997, S. 232, 260 f. 52 Craig 1978, S. 93, 95 f., 145 – 150; Niemeyer 1963, S. 72. 53 HH an AH, 23. Juli 1878, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 223 f., auf S. 224. 54 Niemeyer 1963, S. 70 – 73. 55 HH 1995, S. 342 (erstes Zitat); AH an HH, 1. und 4. August 1878, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 224 f. (zweites Zitat). 56 HH 1995, S. 342. 57 Ebd., S. 344. 58 Ebd., S. 344 f. 59 Ebd., S. 345 (die ersten beiden Zitate), 347 f. (weitere Zitate). 60 Ebd., S. 349 – 353. Heidelberger 1993, 1994; De Kock 2014, 2014a betonen die Bedeutung Fichtes für Helmholtz; im Gegensatz dazu spielt Schiemann 1997 sie herunter. In HH 1995, Anhang I, S. 367 – 369, bespricht Helmholtz »die Verortung der Wahrnehmung der inneren Organe«. Wie oben bereits bemerkt, griff Krause ihn, wie Land, wegen seiner Kritik an Kant bezüglich der geometrischen Axiome und des Raumes an (siehe Krause 1878). Helmholtz antwortete in Anhang II seines Aufsatzes auf Krause (HH 1995, S. 369 – 371). 61 HH 1995, S. 355 f. 62 Ebd., S. 357 f. 63 Ebd., S. 359 f. Vgl. die von Helmholtz zitierten Zeilen in: HH an Aureole (eine Verwandte), 12. November 1879, DM, 1951/25C3; Albumblatt, aber in der Handschrift von Anna Helmholtz, 27. Februar 1891, Stadtarchiv Bonn, Ii 98/511; in seiner Rede aus dem Jahr 1892 über Goethe (HH 1892) und auf einer undatierten Autogrammkarte, Landesarchiv Berlin, Rep. 200 Acc. 980 Nr.
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74. (Siehe auch AH an Cosima Wagner, 25. Juli und 14. Dezember 1893, in: Werner and Irmscher 1993, S. 43 – 45.) Vgl. auch das Lied, das er komponierte (9. März 1872), zitiert in: Wiedemann 1989, S. 134 f.: Magnetes Geheimniss, erkläre mir das! Kein grösser Geheimniss, als Lieb und Hass. Warum tanzen Bübchen mit Mädchen so gern? Ungleich dem Gleichen bleibet nicht fern. Dagegen die Bauern in der Schenke Prügeln sich gleich mit den Beinen der Bänke. Die endliche Ruhe wird nur verspürt, Sobald der Pol den Pol berührt. Drum danket Gott, ihr Söhne der Zeit, Dass er die Pole für ewig entzweit. 64 HH 1878c, S. 642. 65 HH 1995, S. 361 – 363. 66 Ebd., S. 363 – 366 (Zitate). In HH 1995, Anhang III, S. 371 – 380, in dem es um »die Anwendbarkeit von Axiomen auf die physische Welt« geht, antwortet Helmholtz auf Lands Kritik. Diese Gedanken waren ursprünglich in der Zeitschrift Mind erschienen (siehe HH 1878c) und wurden später in HH 1883a, S. 640 – 660, auf Deutsch veröffentlicht (vgl. HH 1903b, S. VII). Zu Helmholtz’ (von Kant) abweichenden Ansichten über den freien Willen und die Intuition siehe De Kock 2016. 67 Helmholtz 1837, S. 17 (Zitat); siehe z. B. Schwertschlager 1883; Erdmann 1921; Heimann 1974a; Hatfield 1990; Heidelberger 1993; Köhnke 1993; Krüger 1994; Boi 1996; Schiemann 1997; D’Agostino 2001, 2004; Friedman 2002, 2009; Darrigol 2003a, S. 549 f.; DiSalle 2006; Lenoir 2006; Giovanelli 2008; Hyder 2009; Hatfield 2011 und andere. 68 HH an AH, 4. August 1878, in: ESH, Bd. 1, S. 225. 69 Ludwig Nohl an HH, 7. August 1878 (erstes Zitat), HN 332; Carl Wilhelm Borchardt an HH, 6. November 1878, HN 58. Siehe auch Ludwig Christian Wiener an HH, 13. April 1879, HN 510; Marie von Olfers an HH, 10. Februar 1879 (zweites und drittes Zitat), HN 338. 70 AH an HH, 28. August 1878; HH an AH, 21. und 24. September 1878, alle in: ESH 1929, Bd. 1, S. 225 – 228 (Zitate); HH an Franz Boll, 7. August [und Ende August]; 13. und 23. September; 1. Oktober 1878, alle in: Belloni 1982, S. 132 – 135. 71 HH an AH, 27. September (erstes Zitat auf S. 229), 29. September (drittes Zitat auf S. 230, zweites und viertes Zitat auf S. 231), 2. Oktober 1878, alle in: ESH 1929, Bd. 1, S. 229 – 231; HH an Franz
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Boll, 23. September, 1. Oktober 1878, in: Belloni 1982, S. 135 f. 72 HH an AH, 12. Juli 1880, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 250 f.; Margarethe Boll an HH, 5. Dezember 1880, HN 56; HH 1881d. 73 HH an RL, 2. März 1881 (Zitat), Mathematisches Institut, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Bibliothek; und in: Scharlau 1986, S. 131 f. Zusätzlich zu den Literaturhinweisen in Kapitel 15 und andernorts in diesem Kapitel siehe auch: Laas 1884, S. 572 – 597; Riehl 1904, 1904a, 1921; Reinecke 1903; Study 1914; Cassirer 1950, S. 41; Torretti 1978, v. a. S. 155, 163, 255, 264 – 271, 281, 314 – 316, 393 Anm. 33; Russell 1983; Richards 1988, S. 208 – 214 (zu Russell); Friedman 1997; Gray 2008, S. 25 f., 97 – 101, 210 – 212, 297 f., 389, 392 f., 395 – 397; Neuber 2012; Gray 2013, S. 13 f., 39 – 47, 56, 76 – 82, 85 – 100, 217 f., 223, 235, 238, 245 f.; Biagioli 2014, 2014a. 74 HH an RH, 4. Juli 1880, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 248 – 250 (erstes Zitat auf S. 249); James Clerk Maxwell an Lewis Campbell, 21. April 1862 (zweites Zitat), in: Campbell und Garnett 1969, S. 335 f., zitiert in: Garber, Brush und Everitt 1986, S. 337 f., auf S. 337.
Kapitel 22
1 Zöllner 1878 – 1881, Bd. 1, S. 91, 106, 114 – 116, 119 – 121, 127 – 133, 137 – 139, 141 – 144, 149 f., 156 – 160, 162 – 165, 171, 176, 186, 193, 290, 297 f., 308 – 314, 316 – 321, 323 – 327, 399, 711. 2 Siehe z. B. Gauld 1968; Oppenheim 1985; Coon 1992, v. a. S. 144 f.; Hatfield 1997; Canales 2001; Heidelberger 2004; Schmidgen 2002, 2003, 2005; James 1986, S. 99 f. (Zitate). 3 Gauld 1968, S. 124 – 126; Oppenheim 1985, S. 22 f., 32, 61, 126, 232, 241, 297, 331. 4 Zöllner 1878 – 1881, Bd. 1, S. 1, 172 – 176, 180 f., 183, 186 f., 203 (viertes Zitat), 260, 276, 726 – 729 (erste drei Zitate auf S. 729), Bd. 3, S. XXIV – XXV (fünftes Zitat); Marshall und Wendt 1980, S. 160 – 162; Meinel 1991, S. 38 – 43; Epple 1999, S. 166 – 173; Staubermann 2001; Heidelberger 2004, S. 67 – 69, 323; Wolffram 2009, v. a. S. 23, 37 – 41. 5 Hall 1912, S. 265 – 268 (die ersten drei Zitate auf S. 266); Robinson 1988, S. 57 – 62; Marshall und Wendt 1980, S. 160 – 173; Stromberg 1989; Foerster 1911, S. 97 f.; HH an JT, 18. Februar 1878 (viertes Zitat), RI MS JT/1/H/55, TPRI; JT an HH, 22. Februar 1878 (fünftes Zitat), HN 477; EB an EdBR, 17. Februar 1878, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 216 f., auf S. 216; Leopold
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Anmerkungen Kapitel 22
von Pfaundler an HH, 28. März 1878, HN 350; Friedrich Kohlrausch an HH, 22. November 1881, HN 241; Karl Franzos an HH, 17. Januar 1891, HN 155; HH 1892a. 6 Siehe z. B. Craig 1978, S. 83 – 85, 153 – 155; Pulzer 1988, S. 3 – 57. 7 Pollock 1880, S. 451 – 455; HH an AH, 12. Juli 1880, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 250 f.; Berthold Auerbach an HH, 16. Januar 1872; 17. Mai 1875, beide HN 19; HH an Auerbach, 17. Mai 1875; 21. Dezember 1878; HH an Auerbach, »am 2ten Pfingsttag« [ca. Mitte Mai] 1875, Deutsche Schillergesellschaft Marbach, Berthold-Auerbach-Nachlass, Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar, Handschriften-Abteilung, A: Auerbach Z 3270/1 – 2, abgedruckt in: Hörz 1997, S. 294 – 296; Scheuffeln 1985, v. a. S. 92; HH an Baumhauer (ständiger Sekretär der Hollandsche Maatschappij der Wetenschappen), 18. Juni 1879, Hollandsche Maatschappij der Wetenschappen, Haarlem. 8 Kohut [1900 – 1901]; Wenkel 2007; Ebert 2008, S. 127, 244, 252, 264 – 267, 300 – 302; zu Antisemitismus in der deutschen Physik siehe Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 40, 50, 279, 286 f.; in der deutschen Chemie siehe Rocke 1993, S. 350 – 363; EdBR an HH, 20. Oktober 1858, in: Kirsten u. a. 1986, S. 192 (Zitat). 9 HH an AH, 24. August 1871, in: Thompson 1910, Bd. 2, S. 613 f., zitiert in: Parshall 2006, S. 217; Boehlich 1965, v. a. S. 5 – 12; Craig 1978, S. 42, 48 f., 153 – 155, 204 f.; Pulzer 1988, S. 83 – 97, 240 – 245. 10 HH an EdBR, 12. November 1880, in: Kirsten u. a. 1986, S. 262 (erstes Zitat); Boehlich 1965; EdBR an TM, 14. November [18]80, TMN, Bl. 14 (zweites Zitat); Finkelstein 2013, S. 219 f. 11 HH an Verehrter Freund [Ludwig Bamberger], 28. März 1893, Bundesarchiv, Abteilung Potsdam, Nachlass Bamberger. 12 HH an AH, 19. März 1880, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 235 f.; AH an HH, 18. März 1880, ebd., S. 236 f.; HH an AH, 21., 24. und 26. März 1880, ebd., S. 238 (die ersten beiden Zitate), 238 f., S. 239 f. (alle weiteren Zitate). 13 HH an AH, 30. März und 2. April 1880, ebd., S. 240 f. (die ersten vier Zitate), S. 241 (fünftes Zitat). 14 HH an AH, 2., 4. und 6. April 1880, ebd., S. 242 – 244 (erstes Zitat), 242 f. (weitere Zitate), 243 f. 15 HH an AH, 13., 16., 20. und 21. April 1880, ebd., S. 244 – 246 (alle Zitate außer den letzten beiden), 246 f. (letzte beiden Zitate), S. 247 f.
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16 Häfner 1934, S. 384; Häfner [1962?], S. 112. 17 AH an HH, 19. April; 4., 9. und 14. Mai 1879, alle in: ESH 1929, Bd. 1, S. 232 – 235; RH an AH, 30. Juni 1879, ebd., S. 235; HH an WT, 23. August 1883 (Zitat), WTP, Add 7342, H75. 18 HH an RH, 4. Juli 1880, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 248 – 250 (Zitate auf S. 248 f.). 19 HH an RH, 4. Juli 1880, S. 249 f. (Zitate); AH an HER, 15. November [1880], RSC; AH an HH, 11. Mai 1881, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 258. 20 HH an Julie Helmholtz, 31. Juli 1880, Universität Leipzig, Universitätsbibliothek, Briefsammlung, Autographensammlung Taut, Gelehrte; AH an HH, 16. Oktober 1880, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 253 (Zitat); ESH 1929, Bd. 1, S. 252; Weech 1906, S. 298; Bunsen 1899; Braun-Artaria 1899; Braun-Artaria 1918, S. 135. 21 HH an EdBR, 18. August 1880, in: Kirsten u. a. 1986, S. 261 f. (erstes Zitat auf S. 262); AH an ESH, August 1880, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 251 f. (zweites Zitat); HH an AH, o. D., DM, 1951/25C2; A. Jenenz? an HH, 2. Oktober 1880, HN 219. 22 Giacomo Barzellotti an HH, o. D. [um 1880] (Zitate), HN 28; Barzellotti 1880. 23 Pietro Blaserna an HH, 13. November 1880, HN 50. 24 Dühring 1878a, S. 447 – 453; Dühring 1880, S. 38 f., 47 f., 50, 57 f., 98, 101 (erstes Zitat), 102 – 104, 106 f. (zweites Zitat), 109 – 113, 117 – 123, 126 – 130, 147 – 151, 153 f., 162, 205; Dühring 1903, S. 469 – 476. 25 Dühring 1880, S. 95 f., 99 f. (Zitate), 103, 105, 118 – 121, 214 – 216; Dühring 1875, S. 67 f. 26 Dühring 1880, S. 114 (Zitate), 115 f., 207. 27 JT an HH, 5. Mai 1862; 25. Januar 1880, beide HN 477; Weyrauch 1893; RC an JT, 10. und 17. November; 11. Dezember 1879, alle Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich, Hs 227:5 – 163 (Kopien in der Royal Institution). 28 HH an JT, 28. Januar 1880 (Zitate), RI MS JT/1/ H/58, TPRI. Charles Hermite schrieb über die Angriffe Zöllners und Dührings gegen Emil du Bois-Reymond und Helmholtz an seinen Mathematiker-Kollegen Paul du Bois-Reymond, Emils Bruder: Emil du Bois-Reymond und Helmholtz hätten nichts zu befürchten; ganz im Gegenteil, sie repräsentierten »die Ehre der deutschen Wissenschaft«. Charles Hermite an Paul du BoisReymond, 2. August 1882, in: Lampe [1916], S. 213 f., auf S. 213. 29 HH 1883, S. 401 f. (Zitate); HH 1882, S. 71 – 73; HH 1869, S. 385; HH 1891, S. 11; Cahan 2012a. 30 HH 1883, S. 402 f.
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Anhang
31 Ebd., S. 403 – 407 (Zitate auf S. 403, 406 f.). 32 Ebd., S. 407 – 414 (erstes und fünftes Zitat auf S. 413, zweites Zitat auf S. 407, drittes Zitat auf S. 408 f., viertes Zitat auf S. 410, sechstes und siebtes Zitat auf S. 414); Dühring 1885, S. III – IV, 74, 81; Dühring 1903, S. 96, 162 – 177, 179 – 211, 263, 278.
Kapitel 23 1 John Hall Gladstone an HH, 1. (die ersten beiden Zitate) und 5. Februar 1878, beides HN 169; HH an JT, 18. Februar 1878, RI MS JT/1/H/55, TPRI. 2 HER an HH, 5. und 20. November; 28. Dezember 1880; 27. Januar 1881, alles HN 385; 21. November 1881 (Zitat), in: Roscoe 1919, S. 84; HH an HER, 27. November 1880; 3. Januar 1881, RSC; Roscoe 1919, S. 84 f.; AH an HER, 15. November [1880], RSC. 3 HER an HH, 4. und 10. März (Zitat) 1881, beides HN 385. 4 HER an HH, 20. März (Zitat), 27. Januar 1881, HN 385. 5 JT an HH, 7. Dezember 1880; Donnerstag [31. März 1881?], beides HN 477; HH an JT, 11. März 1881 (Zitat), RI MS JT/1/H/61, TPRI; MacLeod 1970; Barton 1990. 6 JT an HH, 26. September (erstes Zitat); 11. November 1880 (zweites, drittes und viertes Zitat), beides HN 477; HH an JT, 29. September 1880, RI MS JT/1/H/59, TPRI; HH an JT, 22. November 1880 (siebtes Zitat), RI MS JT/1/H/60, TPRI; HH an EdBR, o. D. [1877], in: Kirsten u. a. 1986, S. 260 (fünftes und sechstes Zitat); HH 1878a. S. P. Thompson befragte Helmholtz ebenfalls über den Vorrang bei der Erfindung des Telefons; siehe Silvanus P. Thompson an HH, 7. April 1882, HN 463. 7 William Crookes an HH, 18. Februar 1881 (erstes Zitat), HN 97; G. Johnstone Stoney an HH, 16. Februar (zweites Zitat) und 19. März 1881, beides HN 452; HH an Robert McDonnall, 9. März 1881, Wellcome Institute for the History of Medicine, London, 57468; Arthur Schuster an HH, 3. März 1881, HN 442. 8 WT an HH, 13. (Zitate) und 29. März 1881, beides HN 464; WT an HH, 4. April 1881, in: Thompson 1910, Bd. 2, S. 764 f. 9 Quintino Sella an HH, 27. Oktober 1880; 19. Januar und 7. Februar 1881, alles HN 399; HH an Hochgeehrter Herr [Sella], 14. November 1880; 31. Januar 1881, Carte Quintino Sella, serie Accademia dei Lincei, mazzo 8, fascicolo 35, Carteggio 1880,
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sottofascicolo Helmholtz, sowie mazzo 9, fascicolo 39, Carteggio 1881, Fondazione Sella, Biella (Italien); Corrado Tommasi-Crudeli an HH, 26. Mai, 7. Juni, 11. und 25. August, 26. September 1881, alles HN 469. Augustus Lowell versuchte händeringend, Helmholtz im Winter 1882/83 nach Boston zu locken, wo er die Lowell Lectures halten sollte; siehe Augustus Lowell an HH, 21. November 1881, HN 291. 10 FCD an HH, 15. und 25. März 1881, HN 116; HH an HER, 22. März 1881, RSC; HER an HH, 26. März 1881, HN 385; HH an JT, 11. März 1881; »Professor Helmholtz« 1881; »Professor Helmholtz in London« 1881; HH 1881h, S. 535; Roscoe 1919, S. 83 – 89 (Zitate auf S. 86 f.). 11 Rayleigh an HH, 26. März 1881, HN 364; V.C. [d. i. der Vizekanzler der Universität von Cambridge] an HH, 28. März 1881, HN 523; AH an »Liebe Leute!«, 29. März 1881, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 254 f.; AH an [ihre Kinder], 2. April 1881, ebd., S. 255 f. (Zitate); Rayleigh an ?, 12. April 1881, in: Rayleigh 1968, S. 130 f., auf S. 130. 12 AH an [ihre Kinder], 2. April 1881. 13 Rayleigh an ?, 12. April 1881. 14 AH an [ihre Kinder], 5. April 1881, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 256 f., auf S. 256; JT an HH, 7. Dezember 1880, HN 477; JT an HER, 4. April 1881 (erstes Zitat), ebd. (Abschrift: RI MS, JT/1/T/ 1265, TPRI); Roscoe 1919, S. 87 (die weiteren Zitate); Schuster 1932, S. 244, der diese Geschichte in leicht abgewandelter Form erzählt. 15 AH an [ihre Kinder], 5. April 1881; AH an [ihre Kinder], 12. April 1881, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 257; »Professor Helmholtz in London« 1881; HH 1881h, S. 536 (Zitat). Roscoe 1919, S. 84, für das gleiche Zitat, allerdings mit dem Zusatz »und als Philosoph« versehen. 16 HH 1872b, 1873f, 1876c, 1877b, 1879, 1879a, 1880, 1881f; Kragh 1993, S. 406 – 414; Darrigol 2000, S. 266 – 273; 2003, S. 163 – 168; Nernst 1921. Nach 1881 berichtete Helmholtz dreimal über neue instrumentelle Vorrichtungen, Verfahren oder experimentelle Befunde in Bezug auf die Elektrolyse; siehe HH 1884 a, 1887 d, 1887 e. 17 HH 1880; 1881, v. a. S. 290 f. Letzterer Beitrag erschien in gekürzter Fassung in Nature (7. April 1881) und in den Chemical News (8. April 1881); im Juni 1881 erschien er in einer wesentlich vollständigeren Fassung im Journal of the Chemical Society: Transactions. 18 HH 1881, S. 251 f. 19 Ebd., S. 253 f. (erstes Zitat), 255 (zweites Zitat).
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Anmerkungen Kapitel 23
20 Ebd., S. 256 – 258. 21 Ebd., S. 258 – 261 (Zitat auf S. 259). 22 Ebd., S. 262 – 269. 23 Ebd., S. 270 – 272 (Zitate auf S. 272). 24 AH an [ihre Kinder], 12. April 1881 (die ersten beiden Zitate); Roscoe 1919, S. 84 (drittes und viertes Zitat). 25 AH an [ihre Kinder], 12. April 1881 (zweites Zitat); »Professor Helmholtz in London« 1881; William Bowman an HH, Donnerstag [o. D.], 18. März 1881, beides HN 61; »Professor Helmholtz« 1881; HH 1881h, S. 536 (erstes Zitat); William Grylls Adams an HH, 5., 6. April 1881, beides HN 5; JT an AH, 5. Juni 1881 (drittes Zitat), HN 477. 26 Stoney an HH, 6. April 1881 (Zitat), HN 452; Laurence Parsons Rosse an HH, 15. März 1881, HN 388J; Magee Finny (Fellow and Registrator am King and Queen’s College of Physicians in Ireland) an HH, 5. November 1881, HN 523. 27 HH 1884a, S. 88; Alexander Crum Brown an HH, 28. Februar, 5. April 1881, HN 72; HH an HER, o. D., jedoch kurz nach April 1881, in: Roscoe 1919, S. 85 f.; PGT an HH, 9. Juni 1881, HN 459. 28 HER an HH, 3. Mai 1881 (erstes Zitat), HN 385; HH 1881; 1881h; HH an HER, o. D. [zwischen 3. und 10. Mai 1881] (zweites Zitat), RSC; Roscoe 1919, S. 85 (Zitat). 29 Williams 1994, S. 136; AH an RH, 11. Mai und 20. Juni 1881, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 258 (die ersten beiden Zitate), 259 (die letzten drei Zitate). 30 WT an HH, 9. Juli 1881, HN 464; HH an WT, 15. Juli 1881 (erstes Zitat), WTP, Add 7342 H73; ESH 1929, Bd. 1, S. 259; AH an HH, 27. August 1881 (zweites Zitat), ebd., S. 260. 31 Crawford 1992, v. a. S. 27 – 32, 36 – 43. 32 Fox 1990, v. a. S. 14 – 16, 18, 21 – 23; Cahan 1985. 33 Blondel 1990; Fox 1990, S. 18. 34 Zu den Originalberichten über den Kongress des Jahres 1881 gehören »International Exhibition« 1881; »Congrès scientifiques« 1881; »Die Eröffnung« 1881; HH 1881a, 1881b. Siehe auch Janet 1909, S. 513 – 517; Blondel 1990; Fox 1990, 1996; HH an AH, 16. September 1881, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 260 f. 35 Janet 1909, S. 487, 511 f., 518. 36 HH 1881b, S. 295 f. (Zitat auf S. 296), erstmals in leicht abgewandelter Form erschienen als HH 1881a (siehe HH 1903, S. VIII). 37 HH 1881b, S. 296 (Zitat), 302 – 305. Die Firma Siemens & Halske informierte Helmholtz und weitere Physiker, Technologen und Telegraphen-
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dienste schon im Jahr 1863 darüber, dass sie großes Interesse daran hegte, eine Vereinbarung über ein Widerstandsnormal für den elektrischen Stromfluss zu erzielen; siehe Siemens & Halske an HH, 15. November 1863, HN 407. 38 Janet 1909, S. 513 f. 39 HH 1881b, S. 296 – 306; Smith und Wise 1989, S. 684 – 698; Blondel 1990; v. a. Olesko 1996. 40 »International Exhibition« 1881, S. 564. 41 Ebd.; »Congrès scientifiques« 1881, S. 407 f., 412 – 414; EdBR an Jeannette du Bois-Reymond, 18. September 1881 (erstes Zitat), SBPK, Handschriftenabteilung, Dep. 5, K. 11, no. 5; HH an AH, 19. September 1881, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 261 f. (zweites Zitat); Thompson 1910, Bd. 2, S. 775 (drittes Zitat); »Congrès scientifiques« 1881, S. 409 – 412. 42 HH an AH, 16., 19. September 1881, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 260 f. (Zitate); Pantalony 2009, S. 127, 145 f.; Friedman 1989, S. 12; Fleming 2016, S. 15 f. 43 »Congrès scientifiques« 1881, S. 409 – 414; HH 1881b, S. 307 f.; Janet 1909, S. 515 f. (Zitate). 44 »International Exhibition« 1881, S. 512; »Congrès scientifiques« 1881, S. 414; Janet 1909, S. 517. 45 Fox 1990, S. 18; Blondel 1990; HH 1881b, S. 309 (Zitat); Umschlag, beschriftet »Légion d’honneur: Commandeur 1881«; HH an Monsieur le Ministre, o. D., Entwurf, beides SF, Sign.: Helmholtz 6.LL 496; HH an A. Pagenstecher, 29. Dezember 1881, Universitätsbibliothek Heidelberg, Handschriftenabteilung, Heid. Hs. 840,3. 46 HH 1882a (Zitat auf S. 994). 47 William Siemens an HH, 8. Juni 1882, HN 406; WT an HH, 11. August 1882, WTP, Add 7342 H73; HH an WT, 18. September 1882 (Zitate), WTP, H74. 48 HH an K. H. Boetticher, 24. August 1882, ZstA, RmdI, no. 13157, Bl. 68 – 69, abgedruckt in: Buchheim 1977, S. 29 f. (Zitat auf S. 29). 49 Ludewig 1882, v. a. S. 404 – 408; HH 1881b, Anhang, S. 411 f.; 1882b; Thompson 1910, Bd. 2, S. 788 – 790; John Trowbridge an Daniel Coit Gilman, 12. November 1882 (Zitat), Henry A. Rowland Papers, Special Collections and Archives, Manuscripts, Milton S. Eisenhower Library, Johns Hopkins University, Baltimore, MD. 50 Marey 1899, S. 23 f. (erstes Zitat); Marta Braun 1992, v. a. S. 12, 52; Gabriel Jonas Lippmann an HH, 25. Oktober 1882, HN 279; Charles Hermite an Gösta Mittag-Leffler, 12. November 1882, in: Dugac 1984, S. 182 – 184 (zweites Zitat auf S. 182); Mitchell 2012; HH 1882b. 51 HH an Georg Ernst Reimer, 3. Mai 1881, WGA.
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Anhang
52 Vermerk, 27. Januar 1883, KM, I. HA, Rep. 89, no. 21488, Bl. 52; HH an EdBR, 30. Januar 1883, in: Kirsten u. a. 1986, S. 264; Siebmacher 1981, S. 100, Tabelle 84; Werner 1997, vorderer Klappentext; HH an Verehrte Freundin, 2. Februar 1883, Märkisches Museum, Berlin, IV 61/2936 Q. 53 HH an Arthur Freiherr Schmidt-Zabiérow, 28. Januar 1883, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 262 f., auf S. 262 (Zitat); AH an Fritz Helmholtz, 28. Januar 1883, ebd., S. 263; Laforgue 1922, S. 56; Bunsen 1932, S. 40 f.; Brocke 1996, v. a. S. 268, 277, 279, 281, 289, 301, 312; Cahan 2006; National Academy of Sciences 1884, S. 6 f.; 1913, S. 345; HH an A[lexander] Agassiz, 15. Mai 1884, Archives, National Academy of Sciences, National Research Council, Washington, DC. 54 AH an Franz, 8. Januar 1876, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 202 f.; HH an HER, 25. Juli 1876, RSC; Simpson 1887, S. 355; Charles Hermite an HH, 29. Januar, 17. April und 30. Mai 1882, alles HN 198; Archibald 2002; Gray 2013, S. 7, 13 f., 382 – 385, 425 f., 468 – 481; AH an HH, 18., 26., 31. Mai und 14. Juni 1883, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 264, 264 f., 265 f., 267. 55 EB an EdBR, 15. [November] 1883, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 251 f. (erstes Zitat); Wilhelm Dilthey an Paul Graf Yorck von Wartenburg, 10. November 1883, in: Dilthey 1923, S. 36 (zweites Zitat); Wechselseitiges Testament, 26. Mai 1884, Akten betreffend die letztwillige Verfügung des Wirklichen Geheimen Raths und Präsidenten Professor Dr. Hermann von Helmholtz und dessen Ehefrau Anna geb. von Mohl zu Charlottenburg, 63/52 IV 1357/1894; Königliches Amtsgericht. I. Testam.-Repert. No. 12687/84, No. 1, 26. Mai 1884, beides Amtsgericht Charlottenburg, Abt. 1 Verwaltung. 56 HH an WT, 11. Mai 1886, WTP, Add 7342 H77; WT an HH, 23. Mai 1886 (Zitat), HN 464; Fischer-Zitat in: Lockemann 1949, S. 218 f. 57 WT an HH, 16. August, 17. Juni 1883, beides HN 464; HH an WT, 2. September 1883 (Zitat), WTP, Add. 8812/4. 58 Sorbelli 1936, Bd. 62, S. 2; »Casamicciola« 1931. 59 Hirsch und Oppolzer 1884; Helmert 1913; Hörz 1996; Torge 2005; Johann Jacob Baeyer an HH, 23. Januar 1881, HN 24. 60 Werner von Siemens an HH, 21. Juni 1880 (erstes Zitat), HN 405; Helmert 1913, S. 403; Torge 2005, S. 563; HH an AH, 16. Oktober 1883, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 272 (zweites Zitat); Pietro Blaserna an Leo Koenigsberger, o. D. [ca. 1900?], in: LK, Bd. 2, S. 310 – 312, auf S. 311 – 312 (drittes, viertes und fünftes Zitat).
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61 HH an AH, 16. Oktober 1883 (Zitat); Guido Baccelli an HH, 12. März 1883, HN 22. 62 HH an AH, 16. Oktober 1883 (Zitate); A. Jenenz? an HH, 21. März 1886, HN 219; Helmert 1913, S. 405 f.; Torge 2005, S. 564. 63 HH an AH, 16. Oktober 1883; HH an AH, 19., 21. Oktober 1883, beides in: ESH 1929, Bd. 1, S. 271 f. (Zitate auf S. 272), 273; Helmert 1913, S. 403; Torge 2005, S. 562; Thompson 1910, Bd. 2, S. 798. 64 Falls nicht anders angegeben, stammt dieser Abschnitt aus Cahan 1999, S. 290 – 305, wo die vollständigen Nachweise aufgeführt werden. 65 Vgl. EdBR an AH, 29. Juli 1893, in: Kirsten u. a. 1986, S. 273. 66 HH an Verehrter Freund, 27. April 1875, Universität Leipzig, Universitätsbibliothek, Briefsammlung, Rep. IX, 3 (Bendemann), 47 B 33. 67 Sitzung des Plenums, 21. Februar 1884, AHA, GesammtsitzungsProtocolle 1884, Sign. II – V, 61, Bl. 6; HH an HER, 16. und 27. März 1884, beides RSC; AH an ISZ, 4., 10. März und 8. April 1884, alles in: ESH 1929, Bd. 1, S. 275, 276. 68 HH 1881e, 1881g; HER an HH, 2. April 1884, HN 385; HH an AH, 6. April 1884, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 276 – 277; Roscoe 1919, S. 111 f. (Zitate). 69 HH an AH, 12. April 1884, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 277 f. 70 HH an AH, 19. April 1884, ebd., S. 278. 71 AH an ISZ, 10. März 1884; Crum Brown an HH, 22. März und 5. April 1884, beides HN 72; William Rutherford an HH, 24. März 1884, HN 395. 72 HH an AH, 19. (die ersten drei Zitate und das fünfte Zitat) und 22. April 1884, beides in: ESH 1929, Bd. 1, S. 278 f., 279; A. Fraut an HH, 4. April 1884, HN 156; James 1979, S. 91 (viertes Zitat). 73 HH 1881b, v. a. S. 411 f.; Jaeger 1932, S. 29 f.; Heinrich Wild an HH, 4. und 16. Oktober, 22. November und 4. Dezember 1884, Akademie der Wissenschaften, St. Petersburg, Archiv, F. 210, Op. 1, No. 376, 2 – 5; HH an Wild, 20. Oktober 1884, ebd., 1, 1 f.; Blondel 1990. 74 ESH 1929, Bd. 1, S. 280; AD an Marie Dohrn, 13. und 18. Mai 1884, in: SZADNA, Bd. 259, Bd. 262; AD an Marie Dohrn, 30. Mai 1884, SZADNA, Bd. 266; Kohut 1884. 75 AH an HH, 31. Juli und 6. August 1884, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 280 f. (Zitate); 281 f., auf S. 281. 76 Bunsen 1932, S. 40 f. 77 AH an ISZ, 1. Januar 1885, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 283 f. (die ersten fünf Zitate); Braun-Artaria
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Anmerkungen Kapitel 24
1918, S. 135; HH an WT, 11. Mai 1886 (sechstes Zitat), WTP, Add 7342 H77. 78 HH an Vieweg, 2., 13. November und 14. Dezember 1882; 13. Februar, 16. Juli, 5. und 20. August, 7., 9. und 28. November 1883; 8. September 1884; 27. November 1886; 12. Dezember 1888, alles VV; HH 1884, Bd. 1, S. VII (erstes Zitat), VIII (zweites Zitat).
Kapitel 24 1 Rep. 76 KM, Va Sekt. 2, Tit. 10, no. 79, Bd. 1, Bl. 205 – 6; ebd., Tit. 15, no. 27, Bd. 3, Bl. 175r – 77, GSPK. 2 Robert Helmholtz 1890; HH 1975a, S. 107 f.; 1975 b, S. 109 f. 3 Cahan 1990; Rubens 1910, S. 288 – 290; Boltzmann 1994, Bd. I, S. 97, Anm. 444. 4 Hörz und Laass 1989, S. 54 – 59; Ludwig Boltzmann an HH, 6. Juni und 10. Dezember 1888, ebd., S. 94 f.; Boltzmann 1994, Bd. I, S. 97 – 103 Anm., 109 – 114, 116, Bd. II, S. 120 – 123; Flamm 1995, S. 48, 51 – 53. 5 HeHz an seine Eltern, 5. Oktober 1888, in: Hertz [1927], S. 195 – 198; HH an HeHz, 15. Dezember 1888, ebd., S. 261; Planck 1948, S. 15 (Zitat). 6 Schultze 1993; HH, in: Epstein 1896, S. 194 f. 7 Rep. 76 KM, Va Sekt. 2, Tit. 15, no. 27, Bl. 175r – 77, 216r – 18; ebd., Bd. 4, Bl. 51, 310r; ebd., Bd. 5, Bl. 16r, 51, 87r – 89, 107r – 9, 122r, GSPK. 8 »Unterlagen der Philosophischen Fakultät«, HUB, Promotionsverfahren der Phil. Fak. 291 ff. Helmholtz, Gutachten, Prüfungen und Promotion; Guttstadt 1886, S. 141; Lummer 1889, S. 567 f.; Rubens 1910, S. 287; Schultze 1994. 9 HH an [Thomas A. Edison], 15. Januar 1886, Abschrift, TAEM, reel 79:240 (TAED, D8613A); Israel 1998, S. 283 f., 505, Anm. 5. 10 HH an Franz Boas, 15. September 1879, American Philosophical Society, Philadelphia, Library, Franz Boas Papers, Professional Series; Stocking 1982; Liss 1996, S. 163, 166 f., 171 – 177; Cole 1999, S. 51 – 55, 61, 65 – 80, 89 – 93. 11 Pupin 1951, S. 231; Cahan 2004; Lowe 1983, S. 73; Butler 1939/40, Bd. 1, S. 123 f.; Cahan 2010, S. 21 – 32; HeHz an seine Eltern, 10. Dezember 1878, in: Hertz [1927], S. 77 f.; A. D. White, Brief, überschrieben mit »American Legation. Berlin. 19. Juli 1881«, SF, Sign. Helmholtz 6.LL496. 12 Rubens erklärte die Periode zwischen 1878 und 1888 zur brillantesten in der Geschichte des Instituts. Siehe Rubens 1910, S. 286.
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13 Unter den zahlreichen Schilderungen von Hertz’ Leben und Werk siehe insbesondere Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, v. a. S. 29 f., 35 f., 44 – 48, 85 – 89, 92 – 97, 101, 141 – 143, 211; Buchwald 1994; Fölsing 1997; Darrigol 2000, S. 234 – 264. Die vorliegende Darstellung folgt im Großen und Ganzen diesen Schriften. 14 EdBR 1912, Bd. 2, S. 546; HeHz an seine Eltern, 6. und 17. November 1878; 12. Januar, 5. und 22. Mai 1879, alles in: Hertz [1927], S. 72 – 75, 75 – 77, 78 f., 83 – 85, 85 f. 15 HeHz an seine Eltern, 11. August und 4. November 1879; 6. Februar 1880, alles in: Hertz [1927], S. 87 f. (erstes Zitat), 89 f. (drittes Zitat), 91 – 94; HH 1894, S. 367 (zweites Zitat); »Gutachten Helmholtz (Teil) über die Doktorarbeit von Heinrich Hertz«, HUB. 16 HH an den Kultusminister, 22. August 1880, GSPK, Rep. 76 KM, Va Sekt. 2, Tit. 10, no. 79, Bd. 2, Bl. 35 – 35r (maschinenschriftliches Original in der Autographensammlung Darmstaedter); HH an Ernst Hagen, 18. August 1880, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg – Carl von Ossietzky, Literaturarchiv: Hermann von Helmholtz; HH an HeHz, 8. August 1880, in: Hertz [1927], S. 259; HeHz an seine Eltern, 30. September und 14. Oktober 1880, beides in: Hertz [1927], S. 101, 102 – 104. 17 HeHz an seine Eltern, 9., 24. Oktober 1880; 17. März 1881, in: Hertz [1927], S. 101 f. (Zitate), 104 f., 112. 18 Svante Arrhenius an Wilhelm Ostwald, 29. Oktober 1886, in: Ostwald 1969, S. 24 – 26, hier S. 24; Ostwald 1926/27, Bd. 1, S. 187 (Zitate). 19 EdBR an HH, 26. Mai 1880, in: Kirsten u. a. 1986, S. 261; ebd., S. 311, Anm. 1; Goldstein 1925, S. 40 (Zitat); Planck 1935, S. 12, 14. 20 Warburg 1925, S. 36; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 4 f., 21 f.; Fiedler 1998, S. 73 f.; Fölsing 1997, S. 183 – 185, 324. 21 Lodge 1931, S. 154; WT an HH, 11. Dezember 1882, HN 464; HeHz an seine Eltern, 2. Februar und 1. Mai 1882, in: Hertz [1927], S. 118 – 121 (erstes Zitat auf S. 119), 124 (zweites Zitat). 22 Siehe dazu Buchwald 1994. 23 Maxwell 1883. Schon 1876 hatte Helmholtz den Verleger Vieweg dringend darum gebeten, eine deutsche Übersetzung des Buches zu veröffentlichen; siehe HH an Vieweg, 12. Mai 1876, in: VV. 1881 wollte Isidor Fröhlich, einer von Helmholtz’ Studenten, eine Übersetzung von Maxwells Treatise anfertigen und hoffte dabei auf Helmholtz’
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Anhang
Unterstützung; siehe Isidor Fröhlich an HH, 29. Mai 1881, HN 162. 24 HeHz an seine Eltern, 1. März 1883, in: Hertz [1927], S. 135 – 137 (erstes Zitat); Fölsing 1997, S. 195; Albert Ladenburg an HH, 20. März 18[83], HN 259; HH an den Kultusminister, 7. April 1883, GSPK, Rep. 76 KM, Va, Sekt. 2, Tit. 10, no. 79, Bd. 2, Bl., 72 – 72r; HH an HeHz, 29. Juli 1883, maschinenschriftliche Kopie, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL 496; HeHz an HH, ca. August 1883, in: LK, Bd. 2, S. 306 – 309 (zweites Zitat auf S. 306). 25 HeHz’ Tagebuch, Einträge vom 24. – 27. Dezember 1884, in: Hertz [1927], S. 154; Friedrich Althoff an HH, 4. Januar 1889, HN 12. 26 HeHz an HH, 5. Dezember 1886, in: Hertz [1927], S. 164 – 166 (Zitat); Hertz 1894/95, Bd. 2, S. 32 – 58, 68 – 86; HH an HeHz, 8. Juni 1887, maschinenschriftliche Kopie, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496. 27 HeHz an seine Eltern, 30. Oktober 1887, in: Hertz [1927], S. 178 f. (erstes Zitat); HeHz an HH, 5. November 1887, ebd., S. 179 f.; Elisabeth Hertz an Heinrich Hertz’ Eltern, 9. November 1887, ebd., S. 180 (drittes Zitat); Helmholtz’ Postkarte, 7. November 1887, ebd. S. 181 (zweites Zitat); HeHz an HH, 8. Dezember 1887, ebd., S. 182 f.; Hertz 1894/ 95, Bd. 2, S. 102 – 114. 28 Pupin 1951, S. 263 f.; Goldstein 1925, S. 44; HeHz an HH, 21. Januar 1888, in: Hertz [1927], S. 187 f. (erstes Zitat); HeHz an seine Eltern, 29. Januar 1888, ebd., S. 188 f.; HH an HeHz, 23. Januar 1888, maschinenschriftliche Kopie, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496; HH an EdBR, 24. Januar 1888, in: Kirsten u. a. 1986, S. 266 f. (zweites Zitat); Hertz’ »Über die Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektrodynamischen Wirkungen«, in: Sitzungsberichte (2. Februar 1888), S. 197 – 209, wiederveröffentlicht in den Annalen und später in Hertz 1894/95, Bd. 2, S. 115 – 132; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 86 – 89, 95 – 97; Darrigol 2000, S. 247 – 257, 263 f. 29 HH an Emil Fischer, 23. Februar 1888, Emil Fischer Papers, Bancroft Library, University of California, Berkeley; W. C. Röntgen an HH, 19. Februar 1885, HN 382; Ferdinand Braun an HH, 16. Juli 1888, HN 64; H. F. Weber an HH, 26. April und 25. Mai 1880; 10. Juli 1887, alles HN 496; Cahan 1999, S. 294 f.; HeHz an HH, 19. März 1888, in: Hertz [1927], S. 191 f. 30 HH 1889a; HH an RL, 9. September 1888 (Zitat), Maschinenabschrift, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL 496, wiederabgedruckt in: Hertz [1927], S. 262 f.; HeHz an seine Eltern, 5. Oktober 1888, ebd., S. 195 – 198.
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31 HeHz an HH, 30. November 1888, in: Hertz [1927], S. 201 f. (die ersten zwei Zitate); HeHz an seine Eltern, 16. Dezember 1888, ebd., S. 204 f.; HH an HeHz, 15. Dezember 1888 (die letzten zwei Zitate), ebd., S. 261; HH an HeHz, 14. Dezember 1888, maschinenschriftliche Kopie, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496; Hertz 1894/95, Bd. 2, S. 184 – 198. 32 Cahan 1999, S. 292. 33 Kayser 1936, S. 138 f., 142, 169 – 173 (Zitat auf S. 139); Buchwald 1994; Fölsing 1997, S. 181. 34 Martius 1923, S. 112 f.; Hoffmann 1948, S. 72; Magnus-Levy 1944, S. 335 (erstes Zitat); Tschirch 1921, S. 140; Rubens 1910, S. 287 (zweites Zitat); Hertz 1894/95, Bd. 1, S. 368. 35 G. Stanley Hall an William James, 1878 (erstes Zitat), William James Papers, Houghton Library, Harvard University, bMS Am 1092.9; Hall an Charles Eliot Norton, 3. Februar 1879, Charles Eliot Norton Papers, Houghton Library, Harvard University, bMS Am 1088; Hall an Henry Pickering Bowditch, 23. Dezember 1878, Francis A. Countway Library of Medicine, Boston, H MS c5.2; Hall 1912, S. 250f, 302 f.; James an Carl Stumpf, 26. November 1882, in: Perry 1935, Bd. 2, S. 60 f. (zweites Zitat auf S. 60); Willstätter 1958, S. 241 f. (drittes Zitat auf S. 242); Planck 1949, S. 3 f.; Magie 1894, S. 329 f. (viertes Zitat). 36 Pupin 1951, S. 232; Hertz 1894/95, Bd. 1, S. 368; Pupin 1894, S. 541 f.; Carhart 1894, S. 543; Arrhenius an Jacobus Henricus van’t Hoff, 11. Juli 1906, Museum Boerhaave, Leiden, Arch. 208f, Korrespondenz Svante Arrhenius. 37 Die folgende Darstellung der Anfänge der Reichsanstalt geht zurück auf Cahan 1989, S. 24 – 58. 38 Ernst Abbe an HH, 15. Mai 1883, HN3; Kühnert 1961, v. a. S. 323; Cahan 1989, S. 14 – 16; Feffer 1994, S. 203 – 234; Cahan 1996. 39 AH an HH, 14. Juni 1883, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 267 (erstes Zitat); HH an AH, 17. Juni 1883, ebd., S. 267 f. (zweites und drittes Zitat auf S. 268). 40 HH an WT, 2. September 1883 (erstes Zitat), WTP, Add. 8812/4; HH an J. R. Strutt (Lord Rayleigh), 2. März 1885 (zweites Zitat), Rayleigh Papers, The Old Rectory, Terling, Chelmsford, England. 41 AH an ISZ, 8. April 1887, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 306; HH an AH, 7. August 1887, ebd., S. 307 f. (erstes Zitat auf S. 307); HH an Verehrter Freund [Werner von Siemens], 31. März 1887, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496; Gossler an Seine Majestät den Kaiser und König, 19. November 1887, KM, GSPK, Rep. 89, no. 21489, Bl. 123 – 125, hier Bl. 124v.
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Anmerkungen Kapitel 25
42 HH an den Kultusminister, 25. September 1887; HH an das Kultusministerium, 14. September 1887, beides GSPK, Rep. 76, KM, Va, Sekt. 2, Tit. 10, no. 79, Bd. 2, Bl. 165 – 166; AH an ISZ, 8. April 1887; 18. Oktober 1888; 3., 16. Juni 1889, alles in: ESH 1929, Bd. 1, S. 318 f., Bd. 2, S. 9 f. (Zitat), 10 f. 43 HH 1878a, 1879, 1879a, 1880, 1881e, 1881f, 1881a, 1881b, 1882a, 1882b. 44 HH 1881c, 1883b; 1885, S. 588 (Zitate). 45 Kragh 1993, S. 417 – 423. Siehe auch Dolby 1984, v. a. S. 375 – 386; Bordoni 2013. 46 HH 1882c, 1882d, 1883c, 1887e; Kragh 1993, S. 422 f.; Dolby 1984; zu Pierre Duhems großer Bewunderung für Helmholtz und zu ihm als Anhänger seiner chemischen Thermodynamik siehe Pierre Duhem an HH, 26. April 18[??], HN 126. 47 Kragh 1993, S. 424 – 431. 48 Arrhenius an van’t Hoff, 28. Oktober 1890, Museum Boerhaave, Leiden, Arch 208 f., Korrespondenz Svante Arrhenius; HH an ?, o. D. [1891], in: LK, Bd. 2, S. 297 f. (Zitate); Barkan 1999, S. 23, 43, 50, 54 – 56, 72, 74, 85, 88 – 90; siehe auch Nernst 1921. 49 Sloane 1920, S. 152 – 171; HH 1887f (Zitat auf S. 282). 50 HH 1884b, 1884c. Siehe in Bezug auf letztere Schrift: HH an Leopold Kronecker, 2. und 11. Juli 1884, Houghton Library, Harvard University, bMS Ger 198(3), Ordner 1. Helmholtz veröffentlichte in jenem Jahr zwar einen dritten Aufsatz zur Statik monozyklischer Systeme (HH 1884d), untersagte allerdings dessen Wiederabdruck in seinen Wissenschaftlichen Abhandlungen, da er, wie er selbst gesagt haben soll, eine fehlerhafte Schlussfolgerung enthalte. Siehe HH 1895, Bd. 3, S. 628; vgl. auch HH 1886c, S. 226, Anm. 1. 51 HH 1884b (Zitat auf S. 119). 52 Klein 1972, v. a. S. 59 – 67; 1974, v. a. S. 156 – 162; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 130 f.; Bierhalter 1981, 1983 1987, 1992; 1993, v. a. S. 432 – 447; Bordoni 2013. 53 Klein 1972, S. 59 f., 63, 67 – 71; 1974, S. 162 – 166; Bierhalter 1993, v. a. S. 447 – 450; HH an Kronecker, 8. November 1885, (Zitat), Houghton Library, Harvard University, bMS Ger 198(3), Ordner 2. 54 HH 1886c; Koenigsberger 1898, S. 115 f., 119 – 123; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 131 – 133; Bierhalter 1992, S. 59 – 67; 1993, S. 450 – 456; Hecht 1994; Gray 2013, S. 515 f. 55 Boltzmann an HH, 5. Februar 1887, in: Boltzmann 1994, Bd. II, S. 106 f.; Boltzmann an Leo Koenigsberger, Ende 1896, ebd., Bd. II, S. 267 f., auf S. 267;
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HH 1887c, 1970; Harnack 1970, Bd. 1, S. 334, Anm. 2, Bd. 3, S. 282 – 296 (HH 1970); Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 133 f. 56 HH 1970, S. 282 – 287 (Zitate auf S. 282, 287). 57 Ebd., S. 287 – 296 (Zitate auf S. 288, 294 f.); für eine moderne Studie zu Maupertuis siehe Terrall 2002, v. a. S. 176 – 189, 231 – 309. 58 HH 1970, S. 287 – 296 (Zitat auf S. 296). 59 HH an Hochgeehrter Herr (möglicherweise Georg Ernst Reimer), 28. Februar 1862; 3. Mai 1881, beides WGA; HH 1882, S. 12 – 75; 1889b. 60 Wilhelm Dilthey an HH, o. D. [Ende 1883 bis 1884], HN 110; HH 1887a. 61 Sofern nicht anders angegeben, beruht die folgende Darstellung auf Darrigol 2003a. Siehe auch die darin angeführte Literatur, v. a. Michell 1993; siehe Gray 2008, S. 93 – 97, 328 f., 344 f. 62 Darrigol 2003a, S. 516 (erstes Zitat); HH 1887a, S. 356 f. (zweites Zitat). 63 Darrigol 2003a, S. 520 – 549. 64 Alexander Wassilieff an HH, 1. – 13. Dezember 1892, HN 494; HH 1893b; HH an Duhem, 8. Februar 1893, Pierre Duhem Papers, Archives, Institut de France, Académie des Sciences; Darrigol 2003 a, S. 518 – 520, 555 – 570; Michell 1993; Biagioli 2014.
A K
Kapitel 25 1 HH an HK, 5. Mai 1886, HKL; AH an ISZ, Ostermontag 1886, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 289 f. (Zitat auf S. 289); HH an Leopold Kronecker, 26. April 1886, Houghton Library, Harvard University, bMS Ger 198(3), Ordner 2. 2 AH an ISZ, 18. Mai 1886, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 290 f.; Spitzemberg 1963, S. 225. 3 HH an AH, 18. Juni 1886, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 291 f.; Orden 1978, S. 316; Wirth 1965, S. 146 – 148; RC an HH, 28. Januar, 20. April 1888, beides HN 91. 4 Dies und die folgende Schilderung der Festivitäten im Verlauf jener Woche gehen zurück auf Bartsch 1886. 5 HH an AH, 5. August 1886, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 294 f. (Zitat auf S. 295). 6 Ebd. (die ersten beiden Zitate); Roscoe 1919, S. 65 (drittes und viertes Zitat). 7 HH an AH, 5. August 1886 (»unruhig«); Pfaff 1995, S. 209; Bartsch 1886, S. 150 f. (die Zitate aus der Rede); Kussmaul 1902, S. 37 – 39. 8 Theodor Georg Freiherr von Dusch an HH, 12. Juni 1886, HN 127; Roscoe 1919, S. 64; HH an AH,
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Anhang
5. August 1886; HH an AH, 7. und 9. August 1886, beides in: ESH 1929, Bd. 1, S. 296 (zweites Zitat), 296 f. (erstes Zitat auf S. 296); Bartsch 1886, S. 155; Koenigsberger 1919, S. 181 f. 9 HH an Geehrter Freund, 19. August 1885, HN 532/3; HH an Kronecker, 4. September 1885, Houghton Library, Harvard University, bMS Ger 198(3), Ordner 1; AH an ESH, 17. September 1885, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 286 f., auf S. 286; Der Ausschuss der Ophthalmologischen Gesellschaft an HH, Telegramm, 15. September 1885, HN 340; Ophthalmologische Gesellschaft 1886, S. 8; HH an Verehrter College [FCD?], o. D., Francis A. Countway Library of Medicine, Boston Archives, Helmholtz; HH an FCD, 31. Januar 1886, in: LK, Bd. 2, S. 337 (Zitate). 10 Ophthalmologische Gesellschaft 1886, S. 5 – 42 (erstes und zweites Zitat auf S. 34, drittes Zitat auf S. 38); FCD an HH, 13. Januar, 12. Juli und 28. November 1886, alles HN 116. 11 Ophthalmologische Gesellschaft 1886, S. 36 (erstes Zitat), 38 – 42 (die weiteren Zitate), 43 f.; HH an AH, 9. August 1886; Bowman 1890/91, S. XIX f. 12 HH 1886, S. 313 f.; HH an AH, 9. August 1886 (Zitat). 13 HH 1886, S. 314. 14 Ebd., S. 315 f. 15 Ebd., S. 316 – 318. 16 Ebd., S. 318 – 320. 17 HH an AH, 9. August 1886; AH an HH, 11. und 13. August 1886, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 297 f., 298 f. (alle Zitate bis auf das erste); Lummer 1889, S. 567; HH an My Lady [Mrs. WT], 23. September 1886 (erstes Zitat), WTP, Add 7342 H78. 18 HH an My Lady [Mrs. WT], 23. September 1886 (erstes Zitat); Bader 1933, S. 214 (zweites Zitat); FCD an Friedrich Horner, 13. August 1886; Otto Becker an Horner, 3. Oktober 1886; HH an Horner, 4. September 1886, alles in: Bader 1933, S. 152 f., 175 – 177 (auf S. 177), 215 – 218 (auf S. 215). 19 AH an ISZ, 19. August 1886, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 300 (erstes Zitat); AH an RH, 22. August, 2. September 1886, ebd., S. 300 f. (zweites Zitat), 301 (drittes und viertes Zitat). 20 HH an Horner, 4. September 1886, S. 215 – 217 (die ersten zwei Zitate); AH an Horner, 10. Oktober 1886, in: Bader 1933, S. 219 – 221, auf S. 219 (viertes Zitat); AH an ISZ, 14. September 1886, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 301 – 303 (drittes Zitat); HH an My Lady [Mrs. WT], 23. September 1886. 21 AH an RH, 29. September 1886, in: ESH 1929,
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Bd. 1, S. 303 f. (die ersten drei Zitate); AH an Horner, 10. Oktober 1886, S. 219 (viertes und fünftes Zitat); Adolf Kussmaul an HH, 7. September [?] 1886, HN 257; FCD an HH, 28. November 1886, HN 116. 22 AH an Horner, 10. Oktober 1886. 23 Becker an Horner, 3. Oktober 1886, in: Bader 1933, S. 177; HH an Horner, 4. September 1886; ESH an Horner, 15. September 1886 (erstes Zitat), in: Bader 1933, S. 218 f.; AH an Horner, 10. Oktober 1886 (zweites Zitat); AH an Horner, 16. Dezember 1886, in: Bader 1933, S. 222. 24 Wilhelm Foerster an HH, 12. Januar, 27. Februar, 1. und 5. März 1887, alles HN 151; »Festbericht« 1887, S. 114; AH an ISZ, 10. März 1887, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 306; HH 1887 (Erstabdruck in: »Festbericht« 1887); HH 1903, Bd. 2, S. VIII f.; Jackson 2000, S. 181 – 194. 25 HH 1887, S. 323. 26 Ebd., S. 324 – 326, 330 (erstes Zitat auf S. 324, die anderen auf S. 326). 27 Ebd., S. 326 (die ersten zwei Zitate), 330 f. (die restlichen Zitate auf S. 331); Jackson 2000. 28 HH 1887, S. 331 – 333 (Zitate auf S. 333). 29 »Festbericht« 1887, S. 122 – 128 (Zitat auf S. 128).
Kapitel 26 1 Spitzemberg 1963, S. 234 f.; AH an ISZ, 12. Februar
1887, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 305 f.; William II 1926, S. 13 f. 2 AH an ISZ, 19. November 1887, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 310 f.; Craig 1978, S. 164 f., 169 f.; AH an ISZ, 11. November 1887, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 309 f. 3 AH an ISZ, 12. März, 6. und 16. April 1888, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 313, 314, 315; Craig 1978, S. 119 f., 162, 164 – 166; Tagebucheinträge vom 21., 22. und 25. März 1888, in: Spitzemberg 1963, S. 245 – 247; Nichols 1958, S. 197; AH an »Lieber Freund« [Ludwig Bamberger], 31. März 1888, Bundesarchiv, Abteilung Potsdam, Nachlass Ludwig Bamberger; Gerhardt o. D., S. 106; EdBR an Jeannette du Bois-Reymond, 17. Juni 1888, Dep. 5, K. 11, no. 5; William II 1927, S. 13 f., 158, 160 f. 4 F. Davenport an HH, 8. Februar 1888, in: HN 105; Marciatori 2009, S. 314 – 316; H. J. Wood an HH, 10. Juli 1888 (erstes Zitat); HH an »Hochgeehrter Herr« [H. J. Wood], Entwurf, o. D. (zweites Zitat); Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften; Helmholtz’ Personalakte, alles zu finden in: SF, Sign.: Helmholtz. 6.LL494. 5 WT an HH, 11. Januar (Zitat), 24. Februar 1890,
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Anmerkungen Kapitel 26
beide HN 464; Protokolle der Senatssitzungen an der University of Edinburgh, 22. Februar 1890, EUL; Alexander Crum Brown an HH, 22. Februar 1890, HN 72; PGT an HH, 22. Februar 1890, HN 459; Friedrich Max Müller an HH, 24. Februar 1890, HN 318; John Kirkpatrick an HH, 22. und 25. Februar; 23. April 1890, alle HN 232. 6 Henry E. Armstrong an HH, 24. Januar 1891, HN 16; HH an Frederik Bramwel, 4. Juni 1891, Archiv der Royal Institution of Great Britain, London, C929/2; HH an Henry Young, 9. August 1891, ebd., C929/3. 7 Gustav von Gossler an HH, 23. Mai 1888, HN 171; Rudolf Helmbold an HH, 24. Juni 1889, HN 194; Schellenberg an HH, 19. Juli 1890, HN 422. 8 Carl Andreas Eitz an HH, 2. September 1889, HN 130; Hörz 1997, S. 131, 311; I. Mueller an HH, 12. Januar 1890; 8. Dezember 1891; 20. März 1892; 28. April 1894, alle HN 320; Georges Le Gorgeu an HH, 8. August 1889, HN 270; Friedrich Schön an HH, 9. März 1891, HN 435; Oskar von Chelius an HH, 29. März 1891, HN 88; ESH 1929, Bd. 2, S. 63; Percy C. Gilchrist an HH, 25. Mai 1894, HN 168; Alfred Stelzner an HH, 26. Februar 1892, HN 449; A. Forster an HH, 13. März 1892, HN 153; Hermann Schmidt an HH, 3. Juni 1892, HN 432; Dr. Landgraf an HH, 9. Februar 1893, HN 261; Bernhard Krüger an HH, 24. Februar 1893 (nach russischem Kalender, 8. März nach westeuropäischem Kalender), HN 250; Arthur Joachim von Oettingen an HH, 10. Juli 1893 (nach russischem Kalender, 22. Juli nach westeuropäischem Kalender), HN 337; Collyns Simon an HH, o. D., HN 408. Siehe auch Franz Reuleaux an HH, 9. Juni 1879, HN 370; HH an Carl Stoeckel, 14. März 1880, Yale University Library, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, General Manuscript Miscellaneous Collection, MS Vault, Section 5, Drawer 1. 9 Dr. E. Jaesche an HH, 3. März 1890 (nach russischem Kalender, 15. März nach westeuropäischem Kalender), HN 215; Dr. L. Kugel an HH, 27. Februar 1879, HN 254; Henri Stassano an HH, 30. Mai und 26. Juli 1882, beide HN 446; W. E. Bryan an HH, 18. Mai 1889 (Zitat), HN 76; zum Thema Farben vgl. J. W. Reynolds an HH, 23. Mai 1888, HN 371. 10 Ferdinand Lorenz an HH, 5. November 1891 (erstes Zitat), HN 288; Carl Kutschera an HH, 14. Januar 1882 (zweites Zitat), HN 258. 11 Julius Friedländer an HH, 13. Dezember 1890 (Zitate); 31. Juli 1891, beide HN 159. 12 Paul Otto Schmidt an HH, 29. Oktober 1890, HN 433.
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13 Lummer 1889; AH an ISZ, 16. April und 30. De-
zember 1888, beide ESH 1929, Bd. 1, S. 315, 320. 14 AH an RH, 4. Mai 1889, in: ESH 1929, Bd. 1, S. 321 f.; AH an ISZ, 21. Juli 1889, ebd., Bd. 2, S. 11 f. (die ersten beiden Zitate); HH an [HT], 23. August 1889, ebd., S. 16; AH an »Lieber und verehrter Freund«, 1. August 1889, ebd., S. 12; AH an ISZ, 4. August 1889, ebd., S. 12; AH an PM und ISZ, 7. August 1889 (drittes Zitat), ebd., S. 13; Lummer 1889, S. 567 f. (viertes Zitat auf S. 567); Grabstätte der Familie Helmholtz, Landeseigener Friedhof, Wannsee, Lindenstr. 1 – 2, Grab: A.T.52. Ehrengrab; Todesanzeige von Robert von Helmholtz, 5. August 1889, in RI MS JT/1/ H/68b, TPRI; William Bowman an HH, 8. September 1889, HN 61; Emma von Treitschke an AH, 9. August 1889, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496; Treitschke 1914 – 1920, Bd. 3, S. 603 (mit einem Brief von HH); Carl Runge an Max Planck, 8. Oktober 1889, in: Hentschel/Tobies 1999, S. 113 f. (fünftes Zitat auf S. 114); Planck 1929 – 1930, S. 38 f. (sechstes Zitat auf S. 38); Braun-Artaria 1918, S. 135. 15 AH an PM und ISZ, 13. August 1889, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 13 – 15; AH an HH, 19. August 1889, ebd., S. 15; AH an ESH, 9. und 13. September 1889, ebd., S. 17 (fünftes Zitat), 18 (sechstes Zitat); HH an AH, Mitte August 1889, in: LK, Bd. 3, S. 24 (erstes Zitat); HH an [HT], 23. August 1889 (zweites, drittes und viertes Zitat); Marie von Bunsen 1932, S. 42 (siebtes Zitat). 16 Steif 2003, S. 309; Victor August Julius an HH, 14. Oktober 1889, HN 225; Pantalony 2009, S. XXXIII f., 34, 96 – 98, 129, 133, 138 – 140, 143 – 152, 155 – 157, 168 – 170; HeHz an seine Eltern, 26. September 1889, in: Hertz [1927], S. 221 – 223 (Zitate auf S. 222). 17 Edison, zitiert in Dyer/Martin 1929, Bd. 2, S. 744 f. (erstes Zitat); HH an AH, 20. September 1889, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 18 f. (zweites, drittes und viertes Zitat); HH an Thomas Alva Edison, 2. Januar [18. März] 1890 (fünftes Zitat), in TAEM, reel 130:133 (TAED, D9055AAA); Edisons Sekretär an HH, 27. August 1890, HN 129. 18 Hertz 1894 – 1895, Bd. 1, S. 339 – 359; Jungnickel/ McCormmach 1986, Bd. 2, S. 91 f.; HeHz an seine Eltern, 26. September 1889; HH an AH, 20. September 1889, S. 19; Koenigsberger 1919, S. 184. 19 HH an AH, 20. September 1889; Sudhoff 1922, S. 275 f.; 1922a, S. 41 f.; Steif 2003, 212 – 224. 20 AH an ESH, 22. November 1889; Karfreitag, April 1890; 9. April 1890, in: ESH 1929, Bd. 2,
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Anhang
S. 20, 26 f. (zweites Zitat), 27; AH an HH, 20. und 30. Dezember 1889, ebd., S. 20 f., 22; AH an ?, 10. Januar 1890, ebd., S. 22; AH an Rosalie BraunArtaria, 4. Februar 1890, ebd., S. 22 f.; AH an Frau Otto Becker, 10. Februar 1890, ebd., S. 23 f.; AH an Wanda von Mohl, 25. März 1890, ebd., S. 24 f.; AH an ISZ, Palmsonntag 1890, ebd., S. 25 f. (erstes Zitat). 21 AH an ISZ, 11. und 21. Mai 1890, ebd., S. 28 f. 22 Rouzaud 1891, S. 91 – 105, 208, 244; Charles Gide an HH, 5. Juni 1890, HN 166; Epstein 1896, S. 194 (Zitate); HH an AH, 23. Mai 1890, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 29 – 31. 23 HH an AH, 23. Mai 1890. 24 HH an Staatsminister von Bötticher, o. D., MitteEnde 1890, in: LK, Bd. 3, S. 30 f. 25 HH an AH, 25. Mai 1890, ebd., S. 31 (erstes Zitat); Albert Vigié an HH, 1. August 1890, HN 484; Louis Lortet an HH, 4. Mai 1890 (zweites Zitat), HN 290. 26 Riese 1977, S. 57; Craig 1978, S. 191 f. 27 JT an HH, 30. Mai 1885, HN 477; HH 1862, S. 179 f.; HH an JT, 7. Juni 1885 (Zitat), in: RI MS JT/1/H/63, TPRI. 28 Albisetti 1983, S. 171 – 243; Friedrich Otto Rudolf Sturm an HH, 4. Dezember 1890, HN 458. 29 HH 1891a, S. 202 (die ersten beiden Zitate), 203 (drittes Zitat), 204. 30 Ebd., S. 205 (Zitate), S. 206 f. 31 Ebd., S. 207 (erstes Zitat), 208 (zweites Zitat), 209 (restliche Zitate). 32 Riese 1977, S. 57; Albisetti 1983, S. 226 – 243; Nichols 1958, S. 175 – 177. 33 HH an TM, 21. Juni 1891, in: TMN; Bismarck 1926, S. 554. 34 Ansprachen 1892, S. 11 f.; EdBR in: ESH 1929, Bd. 2, S. 38; EdBR an HH, 2. November 1891, in: LK, Bd. 3, S. 44 – 46; »Prof. Helmholtz Honored« 1891; 26. Februar 1891, Protokoll der Vorstandssitzung von Steinway and Sons, 166, SP; Mezhdunarodnyi komitet dlia chestvovaniia Germana fon-Gelmholttsa 1892. 35 Harnack 1970, Bd. 2, S. 559 – 563; Hartkopf/ Wangermann 1991, S. 342 – 346. 36 »Errichtung« 1970; Harnack 1970, Bd. 2, S. 559 – 563; HH an WT, 4. Juli 1892, WTP, Add 7342 H79; WT an HH, 12. Juli 1892, HN 464; EdBR an HH, 31. Mai 1892, in: Kirsten u. a. 1986, S. 271. 37 HH an Leopold Kronecker, 26. April 1886, Houghton Library, Harvard University, bMS Ger 198(3), folder 2; Adolf von Hildebrand an N. Kleinenberg, 11. Februar 1891, in: Sattler 1962, S. 358 f. (Zitat
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auf S. 359); Hugo Schiff an HH, 1. April 1891, HN 427; Hildebrand an Conrad Fiedler, 9. April 1891, in: Sattler 1962, S. 362 (Zitat). 38 HH an CL, 21. September 1891, in: LK, Bd. 3, S. 43 (Zitat); Mohl 1922, Bd. 1, S. 257; Kundt 1891; Hertz 1894 – 1895a; HeHz, Tagebucheintrag 8. und 9. August 1891, in: Hertz [1927]; Alexander P. Trotter an HH, 21. Januar 1891, HN 474; Kronecker 1891. 39 HH an Alfred Dove, 9. August 1891, BSBMH, Sign.: E. Petzetiana V. 40 HH an CL, September 1891, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 36. 41 AH an ISZ, 21. September 1891, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 35 f.; AH an ISZ, 15. Oktober 1891, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 37 (Zitate); HH an Hildebrand, 26. Dezember 1891, in: Sattler 1962, S. 373 f.; Heilmeyer 1902, S. 83, 92 f.; Bunsen 1899 (Zitat). 42 Zobeltitz 1891, S. 768 f.; HH an »Verehrter Freund« [Ludwig Bamberger], 28. März 1893, Bundesarchiv, Abteilung Potsdam, Nachlass Bamberger. 43 Zobeltitz 1891, S. 768. 44 Ebd., S. 770. 45 Ebd., S. 769 f. 46 Ebd., S. 770. 47 Ebd. 48 Ebd. 49 Kundt 1891; Ansprachen 1892, S. 60 – 63 (darin eine Auflistung von 23 Ehrungen und 63 Gratulationsschreiben); HH an die Royal Society of London, 2. November 1891, Archiv der Royal Society, London, MC.15.219; HH an die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, 9. November 1891, Archiv der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Pers 52,3, Helmholtz 7; [Ophthalmological Society], 1891; Schiff 1891. 50 Ansprachen 1892, S. 11; Lungo 1903, S. 79; »Helmholtz Celebration« 1891; HeHz, Tagebucheintrag, 1. und 2. November 1891, in: Hertz [1927], S. 238; Hugo Kronecker an HH, 31. Oktober 1892, HN 249; »Prof. Helmholtz Honored« 1891 (Zitat); G. 1890 – 91; Schiff 1891a (Zitat); Raveau 1894, S. 801. 51 KM an die Königliche Akademie der Wissenschaften, 26. Oktober 1891, AHA, Personalia, Mitglieder 1890 – 1893, Sign. II – III, 30, Bl. 37; 12. Dezember 1891, Rep. 89 (2.2.1.), Geheimes Zivilkabinett, GSPK, no. 21490, Bl. 183; Röhl 1994, S. 87 – 90; AH an Fritz von Helmholtz, 18. Oktober 1891, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 37; AH an ISZ, 15. Dezember 1891, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 39 f.;
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Anmerkungen Kapitel 27
Der Staatssekretär des Innern (Nieberding) an HH, SF, Sign.: Helmholtz. 6.LL494; ? an AH, 29. August 1891, SF, Sign. Helmholtz 6.LL494, »Grosskreuz dell’Ordini dei Santi Maurizio e Lazzaro. 1891. Rom. Universität Padua«; HH 1891, Bd. 3; Ansprachen 1892, S. 12 f. (Zitate). 52 Ansprachen 1892, S. 47 – 59; HH 1891, S. 3 – 5 (Zitat auf S. 4), 14 – 16 (weitere Zitate); HH 1904, S. VII. 53 HH 1891, S. 16 – 18. 54 Ebd., S. 18 f. 55 Ebd., S. 19 (Zitate). Vgl. auch Helmholtz’ Bemerkungen in Schiff 1891; HH an den Frankfurter Journalisten- & Schriftsteller-Verein, Januar 1893, Uppsala Universitet, Wallers samling, Okat 651 F:1. 56 HH 1891, S. 19 f. 57 Ebd., S. 20 f. 58 Schiff 1891a (erstes Zitat); »Helmholtz Celebration« 1891; HH 1904, S. VII; Werner von Siemens an Karl Siemens, 7. November 1891, in: Siemens 1916, Bd. 2, S. 960 f. (Zitat auf S. 960). 59 Adolf Tobler an HH, 23. Juli 1891, HN 466; Foerster 1911, S. 214, 216 (Zitat). 60 Paine 1912, S. 933 – 939; Twain 1935, S. 219 – 224 (Zitat auf S. 219), dt. Version zitiert nach: Austilat 2014, Geleitwort. 61 Twain 1896 (Zitate auf S. 502 – 504, 512 – 515), dt. Version zitiert nach: https://www.projektgutenberg.org/twain/dt-gesc/chap004.html; Paine 1912, S. 936 – 39. 62 HH an »Verehrter Freund« [Ludwig Bamberger], 16. Dezember 1891, Bundesarchiv, Abteilung Potsdam, Nachlass Ludwig Bamberger; HH an Hildebrand, 26. Dezember 1891; Spitzemberg 1963, S. 297 (Zitat); Twain 1935, S. 219 – 222.
Kapitel 27 1 AH an ISZ, 5. März 1892, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 40 f.; AH an ESH, 4., 14. und 18. April 1892, ebd., S. 41 f., 42 f., 43 f. (Zitat auf S. 43). 2 AH an ISZ, 8. Mai 1892, ebd., S. 44 f.; Fischer 1987, S. 141 f. (Zitat auf S. 142), S. 150 f.; Vilhard und Fischer 1902, S. 192 – 194. 3 Carl Ruland an HH, 23. März [1892], in HN 391. 4 Geiger 1886, 1892, 1893; Leppmann 1961, S. 119 – 124, 128 f.; Mandelkow 1980, S. 224 – 232. 5 HH an die Redaktion der Deutschen Rundschau [Julius Rodenberg], 27. Mai 1892, Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen
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deutschen Literatur in Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv; HH an Julius Rodenberg, 30. Mai, 29. Juni 1892, ebd.; HH 1892; 1903b, S. IX; Theodore Stanton an HH, 30. Juli 1892, in HN 445. 6 AH an ESH, 11. Juni 1892, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 45 – 47 (Zitat auf S. 46); Ruland an HH, 6. Juni 1892, in HN 391; Mandelkow 1980, S. 192 f. 7 Mandelkow 1980, S. 189 f.; Richards 2008; D’Agostino 1986, S. 278 – 281; Finkelstein 2013, S. 238 – 242; Bauer 1991, 282 f. 8 HH 1892, S. 337. 9 Ebd., S. 339 f. 10 Ebd., S. 337 – 339 (Zitate auf S. 338 f.). 11 Ebd., S. 342 f. (Zitat auf S. 343). 12 Ebd., S. 344 f. 13 Ebd., S. 345 f. 14 Ebd., S. 347 f. 15 Ebd., S. 348. 16 Ebd., S. 349 – 351. 17 Ebd., S. 351 f. 18 D’Agostino 1986; Barnouw 1987; Schiemann 1997, 1998; Heidelberger 1998; Giacomoni 2002; D’Agostino 2005. 19 Siehe Kap. 21, Anm. 63. 20 HH 1892, S. 353 – 355. 21 Ebd., S. 356 – 360. 22 Ebd., S. 361. 23 AH an ESH, 11. Juni 1892, S. 46 (Zitate); Wedel an HH, 15. Juli 1892, in HN 503. 24 Undatierter Brief an Marcellin Berthelot in AHs Handschrift, in SF, Sign.: Helmholtz 6LL494; HH (ebenfalls in AHs Handschrift) an die »Messieurs les Secrétaires perpétuels de l’Académie des Sciences«, 17. Juni 1892, ebd.; HH an »Eure Königlichen Hoheiten«, 7. November 1892, Staatsarchiv Weimar, Hausarchiv A XXVI, no. 368a. 25 Adolf von Hildebrand an Conrad Fiedler, 24. Juli, 6. August 1892, beide in: Sattler 1962, S. 384 (erstes Zitat), 384 f. (zweites Zitat). 26 Carl von Pidoll an Hildebrand, 9. Mai 1893, ebd., S. 401 – 403 (Zitat auf S. 402); Hildebrand an Fiedler, 1. August 1893, ebd., S. 413. 27 Wilhelm Dilthey an Paul Graf Yorck von Wartenburg, 8. Juni, 18. Juli 1892, beide in: Dilthey 1923, S. 142 – 145 (die ersten beiden Zitate auf S. 142 f.), S. 147 – 149 (drittes Zitat auf S. 149); EdBR 1912, Bd. 2, S. 562; Einstein 1917 (viertes Zitat). 28 WT an HH, 20. Juni 1892, in HN 464; HH an WT, 4. Juli 1892, WTP, Add 7342 H79; WT an HH, 12. Juli 1892, in HN 464; Werner von Siemens an
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Anhang
HH, 28. Juli 1892 (Zitate), Kopie in SF, Firmenarchiv, Z371. Physikalisch-Technische Reichsanstalt III. 1889 – 1933. 29 HH an WT, 4. Juli 1892; HER an HH, 15. Juli 1892, in HN 385; AH an ESH, 1. August 1892, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 47 f. (Zitat); Eintrag im Gästebuch, 29. Juli 1892, The Old Rectory, Terling, Chelmsford, England; Henry Sidgwick an HH, 22. Juli 1892, in: HN 403; Rayleigh 1968, S. 126. 30 James Sully an HH, 30. Mai 1891, in HN 417; International Congress of Experimental Psychology 1892 [1974]; Sully an HH, 25. November 1891, in: HN 417; AH an ESH, 1. August 1892. 31 WT an Lord Rayleigh, 23. August 1892, in: Thompson 1910, Bd. 2, S. 925 f.; Margaret E. Gladstone, zitiert in: Thompson 1910, Bd. 2, S. 926 – 928 (Zitat auf S. 926); AH an ESH, 5. und 8. August 1892, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 48 f. (zweites Zitat), S. 49 f. (drittes Zitat). 32 Woodbury 1949, S. 178 f.; Carhart 1894, S. 542; Cahan 1989, S. 2 f.; Rayleigh 1968, S. 126 f. 33 AH an ESH, 14. August 1892, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 50 f. 34 EdBR 1912, Bd. 2, S. 643 – 648 (Zitate auf S. 643), 648; [Akademie der Wissenschaften, Berlin] an »Hochgeehrter Herr College« [HH], o. D. [wahrscheinlich der 2. November 1892], in: LK, Bd. 3, S. 56 – 62; HH an EdBR, 4. November 1892, in: Kirsten u. a. 1986, S. 271 f.; EdBR an HH, 7. November 1892, ebd., S. 272 f. 35 Friedrich Althoff an »Euere Excellenz«, 30. Oktober 1892, in KM, I. HA, Rep. 89, no. 21491, Bl. 94 f.; »Vermerk«, 2. November 1892, ebd., Bl. 60; Kaiser Wilhelm II. an HH, o. D.; Minister des Innern von Boetticher, o. D. [beide um den 2. November 1892], beide in: LK, Bd. 3, S. 53 f.; Jolly (Dekan der medizinischen Fakultät) an HH, o. D. [um den 2. November 1892], in: LK, Bd. 3, S. 54 f.; HH an Jolly, 3. November 1892, in: LK, Bd. 3, S. 55; HH an die philosophische Fakultät, in: LK, Bd. 3, S. 56; Gustav von Gossler an HH, 2. November 1892 (Zitate), in HN 171; AH an ISZ, 6. November 1892, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 53.
Kapitel 28 1 Die folgende Darstellung zu Helmholtz und der Reichsanstalt stützt sich auf Cahan 1989, S. 70 – 125. 2 Turner 1994; Ash 1995, S. 8 f., 25, 52 – 59, 61 f., 70 – 72, 115, 132, 175 f.; HH 1890a, 1891b, 1891c, 1891d, 1894a, 1894b; siehe auch HH 1909 – 1911; HH an den Vieweg Verlag, ca. 21. November 1890;
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22. Juli 1891, beide VV; HH 1885a, 1886b, 1887b, 1889c, 1892b, 1896. 3 James 1981, Bd. 1, S. 92, 159 (Anm.), 171, 217 (Anm.), 226, 274, 398 – 400, 414, 416 – 418, 431, 476 f., 487 – 494, 512, 579 (Anm.), 590 f., 607 (Anm.), 610 (Anm.); James 1981, Bd. 2, S. 665 – 667, 669, 671 f., 680 (Anm.), 727 (Anm.), 736, 737 (Anm.), 743, 749, 757 (Anm.), 809 (Anm.), 814 (Anm.), 836 (Anm.), 848 (Anm.), 850, 852 f., 857, 860, 867, 869, 873 – 876, 878 (Anm.), 879 – 882, 888 (Anm.), 896 (Anm.), 897 f. (Anm.), 899, 908 – 910, 912, 1105, 1117, 1120 (Anm.), 1248 (Anm.), 1260 f.; James 1981, Bd. 3, S. 1439 f., 1462, 1493 f.; James 1979, S. 72, 76; James 1983, S. 1 – 37, auf S. 17; 204 – 215, auf S. 210; 38 – 61, auf S. 47 f.; 62 – 82, auf S. 67; 80, 82; 83 – 124, auf S. 95; 127 – 141, auf S. 133 f.; William James an Henry Bowditch, 30. Mai 1880, in: Perry 1935, Bd. 2, S. 54 f., 82 (Zitat auf S. 55). 4 Planck 1929 – 1930, S. 38; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 51 f., 254; Schultze 1993. 5 Schultze 1994, S. 1; »Unterlagen der Philosophischen Fakultät«, HUB, Promotionsverfahren der Phil. Fak. 291 ff. Helmholtz, Gutachten, Prüfungen, und Promotion; HH, Fachgutachten zur Habilitation von Leo Arons, zwischen dem 28. Mai und dem 17. Juni 1890, HUB, Phil. Fak., Nr. 1217, Bl. 102v, ebd., S. 17 f.; HH, Fachgutachten zur Habilitation von Willy Wien, zwischen dem 21. November 1890 und dem 27. Juli 1891, HUB, Phil. Fak., Nr. 1218, Bl. 252v – 253, ebd., S. 19; Wien 1930, S. 11, 12, 15, 20 f.; HH, Fachgutachten zur Habilitation von Heinrich Rubens, zwischen dem 11. und dem 21. Dezember 1891, HUB, Phil. Fak., Nr. 1218, Bl. 317v, in: Schultze 1994, S. 19; Promotion Walther Rathenau, HUB, Phil. Fak. Nr. 291, Bl. 272 – 291, v. a. 275 f.; Kessler 1928, S. 26 f. 6 Singer 2003, 98 f., 151 f.; Albisetti 1988, S. 206 f., 225 f.; Kargon 2014; Greven-Aschoff 1981, S. 54. 7 HH 1897 – 1907; König und Runge 1897 – 1907a, S. V; König und Runge 1897 – 1907, S. V; KrigarMenzel 1897 – 1907, S. V f.; Krigar-Menzel 1897 – 1907a, S. V; Richarz 1897 – 1907, S. V f.; HH an Geehrter Herr Doctor [wahrscheinlich Otto KrigarMenzel], 22. Juni 1892, Stadtarchiv Bonn Ii 98/ 512; Otto Krigar-Menzel an HH, 24. Juni 1892, HN 246; Runge 1949, S. 95 f. (Zitat). 8 Krigar-Menzel und Laue, 1897 – 1907, S. V; Richarz 1897 – 1907, S. V f.; v. a. Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 134 – 141. 9 Sofern nicht anders angegeben, stützt sich die Darstellung zu Helmholtz an der Akademie auf Cahan 1999, S. 290 – 305.
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Anmerkungen Kapitel 29
10 HH an EdBR, 24. Januar 1888; 29. Dezember 1891; [vor dem 28. April 1892], alle in: Kirsten u. a. 1986, S. 266 f., 267 f., 270 f.; Hertz 1894 – 1895, Bd. 2, S. 115 – 132, zuerst erschienen in den Sitzungsberichten (2. Februar 1888) und danach in den Annalen; H. F. Weber an HH, 17. Juni und 21. Oktober 1888, beide HN 496; Cahan 2000; EB an EdBR, 29. Dezember 1891, in: Brücke u. a. 1978 – 1981, Bd. 1, S. 288; HH an Adolf von Hildebrand, 26. Dezember 1891, in: Sattler 1962, S. 373 f.; Adolph von Menzel an HH, 2. Mai 1891; 12. Februar und 29. März 1892, alle HN 310. 11 Sitzung der physik.-mathem. Klasse, 31. Juli 1890, AHA, Protocoll-Buch der physik.-math. Klasse 1886 – 1891, Sign. II – V, 123, Bl. 194 f.; ebd., 30. Oktober 1890, Bl. 197; Sitzung des Plenums, 31. Mai 1894, ebd., Gesammtsitzungs-Protocolle 1894, Sign. II – V, 69, Bl. 33; Sitzung des Plenums, 5. Juli 1894, ebd., Bl. 39. 12 Robert Helmholtz 1883, S. 130 (Zitat); Georg von Neumayer an HH, 20. April 1882; 17. Januar 1884, beide HN 327; Johann Kiessling an HH, 6. Juni 1886; [?] 1888, beide HN 229; Schröder und Wiederkehr 2000. 13 HH 1886a; Darrigol 2005, S. 172. 14 HH 1888. Die vorliegende Darstellung folgt der Analyse in: Darrigol 2005, S. 172 – 178; siehe auch Garber 1976, S. 61 f.; Kutzbach 1979, S. 197 f. 15 HH 1889; Rayleigh an HH, 29. Oktober 1889, HN 364; HH 1890; Darrigol 2005, S. 88, 175 f. 16 HH 1890; HH an Heinrich von Boetticher, 9. März 1890, in: LK, Bd. 3, S. 26 f. (Zitate); Sitzung der physik.-mathem. Klasse, 17. Juli 1890, AHA, Protocoll-Buch der physik.-math. Klasse 1886 – 1891, Sign. II – V, 123, Bl. 193; Darrigol 2005, S. 180 f. 17 G. Brown Goode (im Namen von Samuel Pierpont Langley) an HH, 30. Juni 1892 (Zitate); Langley an HH, 7. Oktober 1892; 19. Januar und 20. März 1893, alle Smithsonian Institution, Washington, DC, Archives, Record Unit 34, Office of the Secretary 1887 – 1907, Outgoing Correspondence, Book 25.1, S. 39 – 41, 49, 104 – 107, 134 f.; HH an Langley, 23. November 1892; 25. Februar 1893; 22. Juni 1894, ebd., Record Unit 31, Office of the Secretary 1891 – 1906, Incoming Correspondence, box 82. 18 Heike Kamerlingh Onnes an HH, 4. Januar 1893, HN 226. 19 HH an Onnes, 17. Februar 1893 (Zitat), Museum Boerhaave, Leiden, Arch. 8, Korrespondenz von Heike Kamerlingh Onnes; Wilhelm von Bezold an HH, 7. Februar 1893, HN 47; Onnes an HH, 6. März 1893, zitiert in: Hörz 1997a, S. 14 f.
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20 Cleveland Abbe an HH, 27. September 1893 (Zitat); 13. Juli 1888, beide HN 2; Abbe 1891, mit den Übersetzungen von HH 1858a, 1868e, 1873b, 1888, 1889, 1890. 21 Bélafi 1990, S. 70 – 74; Hallion 2003, S. 95 f. 22 Friedman 1989, v. a. S. 19 – 21, 131 – 133, 174, 221; Darrigol 2005, S. 177 f., 283 – 286; Kutzbach 1979, S. 159 – 171, 194 – 199; v. a. Fleming 2016, S. 2 f., 7 – 10, 18 – 20, 47 f., 54, 61 – 63, 81, 102, 113, 115, 135. 23 Sitzung der physik.-mathem. Klasse, 10. März 1892, in AHA, Protocoll-Buch der physik.-math. Klasse 1891 – 1894, Sign. II – V, 124, Bl. 34; HH 1892c, 1894c (ein Nachtrag zu HH 1892c); Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 133 f., 251 – 253. 24 HH 1892c, S. 504; Sitzung der physik.-mathem. Klasse, 27. Oktober 1892, AHA, Protocoll-Buch der physik.-math. Klasse 1891 – 1894, Sign. II – V, 124, Bl. 54; HH 1892d, 1892e, in WA erschienen als Anhang (Zusätze und Berichtigungen) zu 1892d (S. 523 – 525); HH 1892c und HH 1892d wurden beide unabhängig voneinander in den Annalen von 1893 veröffentlicht; HH 1893a; Sitzung des Plenums, 6. Juli 1893, AHA, Gesammtsitzungs-Protocolle 1893, Sign. II – V, 69, Bl. 33. Eine Analyse in: Buchwald 1985, S. 237 – 241, 250 – 258; Darrigol 2003, S. 171 f. Poincaré las viele von Helmholtz’ Schriften über Physik. Siehe Hermann Ebert an Henri Poincaré, 29. März 1892; Lucien de la Rive an Poincaré, 10. April 1892; Camille Raveau an Poincaré, 5. November 1899, alle Poincaré Estate, Paris; Poincaré 2001, S. 95, 98, 123, 168, 172 – 174, 177 f.; Gray 2013, S. 15 f., 172 f., 199, 318, 327 – 329, 335, 343, 347, 511 – 513.
A K
25 Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 133 f.; Bierhalter 1993, S. 456 – 458; Darrigol 2000, S. 216 f., 262 – 264; Principe 2012.
Kapitel 29 1 AH an ISZ, 21. Dezember 1892; 20. Januar 1893, beide in: ESH 1929, Bd. 2, S. 52 f., auf S. 52, 53 f.; AH an HH, 29. März 1893, ebd., S. 54; AH an Adolf von Hildebrand, 10. Dezember 1892, maschinengeschriebene Kopie in SF, Sign.: 6.LL496; HH an Verehrter Freund [Ludwig Bamberger], 28. März 1893, Bundesarchiv, Abteilung Potsdam, Nachlass Bamberger; AH an Cosima Wagner, 8. April, o. D., 25. Juli 1893, alle in: Werner und Irmscher 1993, S. 41 f., 42, 43 f. 2 Die folgende Beschreibung stützt sich auf Cahan 2010, S. 6 – 15.
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Anhang
3 HH an HK, [Frühjahr 1893,] HKL. 4 HH an HK, 20. Juni 1893 (Zitat), HKL; AH an Cosima Wagner, 25. Juli 1893. 5 AH an ISZ, 22. Juni 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 54 f. (erstes Zitat auf S. 54); AH an ISZ, 26. Juni 1893, ebd., S. 55; HH an den Innenminister Karl Heinrich von Boetticher, 22. Juli 1893, in: LK, Bd. 3, S. 73; Kussmaul 1903, S. 58; AH an ESH, 2. August 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 56 f. (zweites, drittes und viertes Zitat). 6 AH an ESH, 9. August 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 57; Klein 1926, S. 226; Felix Klein an Leo Koenigsberger, o. D., wahrscheinlich um 1902 – 1903, in: LK, Bd. 3, S. 80 f. (Zitate); Lie 1888 – 1893, Bd. 3, S. XII f., 437 – 523; Fritzsche 1999; Stubhaug 2002, S. 372, 379 – 381, 384 f., 396, 423 f.; Gray 2008, S. 126. 7 AH an ESH, 19. und 22. August 1893, beide in: LK, Bd. 3, S. 81 f., 82 f. auf 82 (Zitate); AH an PM, 23. August 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 59 f.; »Helmholtz Arrives Tomorrow« 1893; Villard 1904, S. 366; Shastid 1928. 8 »Helmholtz Arrives Tomorrow« 1893. 9 »H. von Helmholtz Arrives« 1893 (Zitate); »Devoted to Science« 1893; AH an PM, 23. und 24. August 1893, beide in: ESH 1929, Bd. 2, S. 59 f., 60 – 63. 10 Jaeger 1932, S. 29 f.; Carhart 1894, S. 542; »Homage to Genius« 1893 (Zitate); N[ichols] 1894, S. 227. 11 »Electricians Meet« 1893 (Zitate); Carhart 1894, S. 542; »Banquet« 1893. 12 »One Congress« 1893 (Zitat); Jaeger 1932, S. 30, 42 – 46; AH an PM, 23. August 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 59 f.; Einladungskarte von Mr. Meysenburg an Henry A. Rowland, 25. August 1893, Henry A. Rowland Papers, Special Collections and Archives, Manuscripts, Milton S. Eisenhower Library, Johns Hopkins University, Baltimore, MD. 13 Carhart 1894, S. 543; AH an ESH, 31. August 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 63; HH an Thomas Corwin Mendenhall, 29. August [1893] (Zitate), Thomas Corwin Mendenhall Papers, Box 14, Folder 8, Archives & Special Collections, George C. Gordon Library, Worcester Polytechnic Institute, Worcester, MA. 14 New-Yorker Staats-Zeitung, 6. Oktober 1893, S. 12 (Zitate); AH an ESH, 31. August 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 63. 15 Die folgende Schilderung stützt sich auf Cahan 2010, S. 16 f. 16 AH an ESH, 2. und 6. September 1893, in: ESH
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1929, Bd. 2, S. 63 – 66, 66 – 68; HH an ESH, 12. September 1893, in: LK, Bd. 3, S. 89 – 91. 17 AH an ISZ, 7. und 9. September 1893, beide in: ESH 1929, Bd. 2, S. 68 f. (erstes Zitat auf S. 68), 69 – 72 (zweites Zitat auf S. 71); AH an ESH, 6. und 13. September 1893, ebd., S. 68, 72 f. (drittes Zitat); HH an ESH, 12. September 1893, in: Koenigsberger 1902/1903, Bd. 3, S. 90. 18 HH an ESH, 12. September 1893, ebd., S. 89 f. 19 Sofern nicht anders angegeben, stützt sich die folgende Darstellung auf Cahan 2010, S. 17 – 19; HH an ESH, 12. September 1893, in: Koenigsberger 1902/1903, Bd. 3, S. 90 f. (Zitat auf S. 90); AH an ESH, 6. und 13. September 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 68; AH an ESH, 17. September 1893, ebd., S. 73 f. 20 Henry Pickering Bowditch an HH, 15. September 1893, HN 60; HH an Dear Sir [Bowditch?], September 1893, Department of Molecular Biophysics and Biochemistry, Yale University, New Haven, CT; Schröer 1967, S. 237 f. (Anm. 203). 21 HH 1871, S. 62; AH an ESH, 17. September 1893. 22 Hugo Münsterberg an HH, 17. Januar 1894, HN 323; Münsterberg 1922, S. 22 – 27, 29, 32 – 36, 39 f., 42 – 44, 46 f.; Hale 1980, S. 45 f.; Spillmann und Spillmann 1993. 23 William James an Carl Stumpf, 12. September 1893; 24. Januar 1894, beide in: Perry 1935, Bd. 2, S. 186 – 189 (erste beiden Zitate auf S. 188 f.); William James an Henry James, 22. September 1893, in: James 1920, Bd. 1, S. 346 – 348 (drittes Zitat auf S. 347 f.). 24 Die folgende Beschreibung stützt sich auf Cahan 2010, S. 19 – 21. 25 HH an Mendenhall, 14. September 1893, Thomas Corwin Mendenhall Papers, Box 14, Folder 8, Archives & Special Collections, George C. Gordon Library, Worcester Polytechnic Institute, Worcester, MA; Mendenhall an HH, 22. September 1893, HN 308 (Zitat). 26 Villard 1904, S. 325 f., 328, 362 – 365, 367 f. 27 Henry Hunter?, Privatsekretär von Präsident Grover Cleveland, an Henry Villard, 26. September 1893, Kopie SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496; AH an ESH, 3. Oktober 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 74 f. (Zitat auf S. 74). 28 AH an ESH, 3. Oktober 1893 (Zitat auf S. 74). 29 Die folgende Schilderung stützt sich auf Cahan 2010, S. 21 – 32. 30 HH an Hochgeehrter Herr [William Steinway], 6. Oktober 1893 (erstes Zitat), Fiorello H. LaGuardia Archives, LaGuardia Community College,
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Anmerkungen Kapitel 29
City University of New York, Long Island City, New York, Steinway Papers; Eintrag für den 2. Oktober 1893 (fünftes Zitat), im Tagebuch von William Steinway, ebd.; Sitzungsprotokoll des Kuratoriums von Steinway and Sons, 25. Oktober 1893, S. 296, ebd.; HH an Mr. [William] Steinway, 4. Dezember 1893 (sechstes Zitat), Privatsammlung von Henry Z. Steinway, ebd.; AH an ESH, 3. Oktober 1893 (zweites, drittes und viertes Zitat) in: ESH, Bd. 2, S. 75; Fostle 1995, S. 288 f. 31 Snyder 1964, S. 573 (die ersten beiden Zitate), 575 f. (drittes Zitat auf S. 576); »Professor Helmholtz« 1893 (viertes, fünftes und sechstes Zitat); AH an ESH, 3. Oktober 1893. 32 »Welcome to Helmholtz« 1893. 33 New-Yorker Staats-Zeitung, 6. Oktober 1893, S. 12; AH an ESH, 3. Oktober 1893; Millikan 1951, S. 33 – 41, 292 f.; Ogden N. Rood an J. Willard Gibbs, 8. Oktober 1893, Ms Vault Gibbs, Box 14, #53, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University Library, New Haven, CT; Ogden N. Rood an Mathilde Rood, 8. Oktober 1893, Kopie, Charles Sanders Peirce Edition Project, Indiana University – Purdue University, Indianapolis. 34 New-Yorker Staats-Zeitung, 6. Oktober 1893, S. 12. 35 HH [»Notes of an address by Prof. Dr. von Helmholtz«] 1893 (Zitat), Columbia University, New York, Rare Book and Manuscript Library, X375.5 H57; New-Yorker Staats-Zeitung, 6. Oktober 1893, S. 12. Steinway hielt den Bericht der Zeitung über den Vortrag für »exzellent« (siehe den Eintrag vom 6. Oktober 1893, Tagebuch von William Steinway). 36 HH [»Notes of an address by Prof. Dr. von Helmholtz«] 1893 (erste drei Zitate); New-Yorker Staats-Zeitung, 6. Oktober 1893, S. 12 (viertes und fünftes Zitat). 37 Alexander Graham Bell an HH, 4. Oktober 1893, HN 35; New-Yorker Staats-Zeitung, 6. Oktober 1893, S. 12 (Zitate). 38 Michael I. Pupin an HH, 15. April 1889 (erstes Zitat), HN 359; Pupin 1951, S. 294, 298 – 230 (zweites Zitat auf S. 299); Ogden N. Rood an Mathilde Rood, 8. Oktober 1893. 39 Eintrag vom 7. Oktober 1893 (erstes Zitat), Tagebuch von William Steinway; AH an ESH, 3. und 14. Oktober 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 74 f., 75 – 77 (zweites, drittes und viertes Zitat); New-Yorker Staats-Zeitung, 6. Oktober 1893, S. 12; »May Prescribe« 1893; AH an ISZ, 15. Oktober 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 77; AH an Arthur von Auwers, Telegramm, 18. Oktober 1893, 9:48 a.m., Bremen, AHA, Personalia, Mitglieder 1890 – 1893, Sign.
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II – III, 30, Bl. 171; Klein an Koenigsberger, o. D., um 1902 – 1903, in: LK, Bd. 3, S. 93 f.; Mohl 1922, S. 272. 40 AH an ESH, 14. Oktober 1893. 41 AH an ISZ, 15. Oktober 1893. 42 AH an ISZ, 17. und 26. Oktober 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 78 (erstes Zitat), 79 (siebtes Zitat); AH an Fritz von Helmholtz, 21. Oktober 1893, ebd., S. 78 f. (zweites, drittes und viertes Zitat); AH an ISZ, 26. Juni 1893, ebd., S. 55 (fünftes Zitat); AH an Auwers, Telegramm, 18. Oktober 1893; HH an HK, 4. Dezember 1893 (sechstes Zitat), HKL. 43 HH an Klein, 17. Dezember 1893 (erstes Zitat), Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Handschriftenabteilung, Cod. Ms. Klein IX, 678; HH an HK, 4. Dezember 1893 (zweites Zitat); AH an ISZ, 5. und 19. November 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 79 f., 80 f. 44 HeHz an HH, 24. Februar 1892, in: Hertz [1927], S. 240 f. (erstes Zitat); HH an HeHz, 26. Februar 1892, in: Hertz [1927], S. 261 f. (zweites und drittes Zitat); Hertz 1894 – 1895, Bd. 2, o. S. (viertes Zitat); (wahrscheinlich) HH 1892c. 45 Dieser und die beiden folgenden Absätze: HeHz an HH, 15. Dezember 1892, in: Hertz [1927], S. 248 – 250 (Zitat); Fölsing 1997, S. 485 – 489, 494 – 499, 506, 513 – 517; ESH 1929, Bd. 2, S. 81; AH an ISZ, 24. Januar 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 81 f., auf S. 82; HH an August Kundt, 18. April 1894, in: LK, Bd. 3, S. 101 f. 46 Philipp Lenard an HH, 28. April 1894, HN 272; HH an Lenard, 21. Mai 1894, in: LK, Bd. 3, S. 104 f.; Hertz 1894 – 1895, Bd. 3, S. XXV f. (Zitat auf S. XXV); Fölsing 1997, S. 497, 507. 47 HH an RL, 16. Januar 1894, in: Hertz [1927], S. 263. 48 HH 1894, S. 363 – 366 (Zitate auf S. 365 f.); HH 1903b, S. IX. 49 HH 1894, S. 366 – 375 (Zitat auf S. 374). 50 Ebd., S. 375 – 378 (Zitate); Klein 1972, S. 73 – 75; Klein 1974, S. 156, 167 – 169; Lützen 2005. 51 Klein 1972, S. 73 – 75; Klein 1974, S. 156, 167 – 169; Majer 1985; Jungnickel und McCormmach 1986, Bd. 2, S. 142 f.; Fölsing 1997, S. 503 – 511; Heidelberger 1998; Mulligan 1998; Schiemann 1998 (der ebenfalls auf die epistemologischen Ähnlichkeiten zwischen Helmholtz und Hertz hinweist); D’Agostino 2001, 2004; Leroux 2001 (der, wie Schiemann, eine große Nähe zwischen Hertz’ »Symbol« und Helmholtz’ »Zeichen« sieht); Lützen 2005, S. 278 – 289; Patton 2009. Siehe auch viele (weitere) Aufsätze in Baird, Hughes und Nordmann 1998.
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Anhang
52 HH 1894c. 53 Klein an HH, 1. Dezember 1893 (erstes Zitat), HN 233; HH an Klein, 17. Dezember 1893 (zweites Zitat). Ähnliche Briefe nach der Genesung: HH an HK, 4. Dezember 1893; HH an Mr. [William] Steinway, 4. Dezember 1893. 54 George J. Romanes an HH, 11. Oktober 1893 (Zitat), HN 383; D. Argyll Robertson an HH, 9. Dezember 1893, HN 379; James Forrest, Sekretär der Institution of Civil Engineers, an HH, 20. Dezember 1893; 10. Januar 1894, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL494; AH an ISZ, 19. November 1893; AH an Fritz von Helmholtz, 30. Januar 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 82 f.; L. Aug. Müller und Hans Müller an HH, 29. April 1894, HN 322; (Entwurf von) HH an die Peter-Wilhelm-Müller-Stiftung, 12. Mai 1894, HN 322. 55 Schüle 1933; AH an Wanda von Dallwitz, 23. März und 3. April 1894, beide in: ESH 1929, Bd. 2, S. 84 f., 85 f. 56 Louisa T. Tyndall an AH, 29. Januar 1894, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496. 57 AH an ISZ, Mai 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 86; »Hochgeehrte Trauerversammlung« (die ersten drei Zitate); Mann 1895, S. 570 (viertes Zitat). Die nicht in Helmholtz’ Handschrift verfasste Grabrede enthält am oberen Rand eine Notiz (»Versuch der Rekonstruktion am Sarge von Kundt 1894«) und steckt in einem Briefumschlag mit der Aufschrift »Fragment … N.N. am Sarge von Kundt. 1894«, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496. 58 Fricke 1960; Wolff 1999, S. 192 – 199. 59 HH zitiert in einem Brief an Sigmund Exner und zitiert in: Epstein 1896, S. 193; Sigmund Exner an HH, 13. Juni 1894, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496; HN 715; LK, Bd. 3, S. 125 – 134; Koenigsberger 1898, S. 124; Koenigsberger 1910; HH 1893a, S. 535 (Zitat). 60 HH 1894c; Mann 1895, S. 568 f. (zum 7. Juli); Krigar-Menzel 1897 – 1907 a, S. V (vermutlich 11. Juli); HH an Koenigsberger, 11. Juli 1894, in: LK, Bd. 3, S. 121 f. 61 AH an ISZ, 16. Juli 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 87 (Zitat); AH an Cosima Wagner, 15. Juli 1894, in: Werner und Irmscher 1993, S. 47; Richard Wachsmuth an Koenigsberger, o. D., in: LK, Bd. 3, S. 122 f.; Mohl 1922, Bd. 1, S. 277; Pernet 1895, S. 35; AH an ESH, 5. August 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 90. 62 AH an ISZ, 18. und 20. Juli 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 87 f. (erstes und zweites Zitat), 88 (viertes und fünftes Zitat); AH an Fritz von Helmholtz, 24. Juli 1894, ebd., S. 88; AH an Rosalie
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Braun-Artaria, 30. Juli 1894, ebd., S. 89 f. (drittes, sechstes, siebtes und achtes Zitat); AH an Hildebrand, 21. September 1894, Sign.: Ana 550, Nachlass Adolf von Hildebrand, BSMH; Mohl 1922, Bd. 1, S. 277; Dr. Heinrich Schüle an HH, 9. März 1894, HN 439; Schüle 1933, S. 618. 63 AH an ISZ, 3. September 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 90 f. (erstes und zweites Zitat); Rayleigh 1895, S. 538 (drittes Zitat); ESH 1929, Bd. 2, S. 91 (viertes und fünftes Zitat); Todesanzeige der Familie Helmholtz, SPKB, Sig.: Slg. Darmstaedter. Fia 1847: Helmholtz (8. September 1894); »Death of Professor« 1894; Otto Lummer an Koenigsberger?, 11. Januar 1902, SPKB, Slg. Darmstaedter. F2c 1890: Lummer; LK, Bd. 3, S. 123 f. 64 »Death of Professor« 1894; Telegramm von Kaiser Wilhelm, 8. September 1894 (erstes Zitat), Stadtgemeinde Heidelberg, Stadtrats-Acten: Hermann von Helmholtz, Archiv, Nr. 20, Fasc. 6, 1869; »Hermann von Helmholtz« 1894, S. 479; Mohl 1922, Bd. 1, S. 278; Max Planck an Carl Runge, 29. August 1894, in: Hentschel und Tobies 1999, S. 131 f. auf S. 132 (weitere Zitate), und vgl. S. 57 f. 65 Todesanzeige für HH, Kopie, Stadtgemeinde Heidelberg, Stadtrats-Acten; Mohl 1922, Bd. 1, S. 278; AH an ISZ, 4. November 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 96; AH an Fritz von Helmholtz, 1. Oktober 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 93; Hermann Diels an Eduard Zeller, 15. September 1894, in: Ehlers 1992, Bd. 2, S. 66 f., auf S. 66; Planck an Runge?, 31. Dezember 1894, in: Hentschel and Tobies 1999, S. 134 (die ersten drei Zitate); Runge an Bernhard Karsten, 8. Oktober 1894, in: Hentschel and Tobies 1999, S. 133; AH an Dallwitz, 17. September 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 91 f. (die letzten beiden Zitate).
Epilog 1 AH an ISZ, 31. Oktober 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 95 f. Viele dieser Anzeigen findet man in SF, Sig. Lc 589. 2 »Late Professor« 1894 (erstes Zitat); AH an ISZ, 22. September 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 92 f.; WT an AH, 30. November 1894, HN 464; Thompson 1910, Bd. 2, S. 939; HER an AH, 2. September 1894, HN 385; »Hermann von Helmholtz (in memoriam)« 1894, S. 531 (zweites Zitat); Bezold 1895, 1896; EdBR 1912, Bd. 2, S. 516 – 570; Hermann und Volkmann 1894; Fischer 1894; Krüss 1894; Heidenhain 1894; Engelmann 1894; Thomson 1894, siehe hierzu auch WT an AH, 30. November 1894, HN 464; Pernet 1895; Kronecker 1894; FitzGerald 1896; Goldzieher 1896.
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Anmerkungen Epilog
3 Ernst Hagen an Heinrich Kayser, 25. November
1894, SPKB, Slg. Darmstaedter, Fic 1902: Bessel-Hagen; Cahan 1989, S. 131 f.; Warburg 1975, S. 182 – 184 (Zitat auf S. 184). 4 AH an Fritz von Helmholtz, 22. Oktober 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 94; AH an ISZ, 16. Dezember 1894, ebd., S. 97 f. (zweites und drittes Zitat); Spitzemberg 1963, S. 329; AH an EdBR, 22. Oktober 1894, in: Kirsten u. a. 1986, S. 274; »Gedächtnissfeier für Hermann von Helmholtz veranstaltet von wissenschaftlichen Vereinen Berlins am Freitag, den 14. Dezember 1894, Mittags 12 Uhr, im Saale der Singakademie«, in GSPK, I. HA Rep 89 (2.2.1), Nr. 21324; Bezold 1895; »Acta der Königl. Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin betreffend: Das im Vorgarten der Universität aufzustellende von Helmholtz Denkmal«, HUB, R/S Nr. 349, Bl. 93; Max Planck an Carl Runge, 31. Dezember 1894, in: Hentschel und Tobies 1999, 134; Hermann Diels an Eduard Zeller, 14. Dezember 1894, in Ehlers 1992, Bd. 1, S. 77 f.; Wilhelm Dilthey an Paul Graf Yorck von Wartenburg, 14. Dezember 1894, in: Dilthey 1923, S. 175 f., (erstes Zitat auf S. 176). 5 EdBR 1912, Bd. 2, S. 517 (zweites Zitat), 534, 570 (erstes Zitat). 6 Ebd., S. 534, 561 (viertes Zitat), 567 f. (die ersten drei Zitate), 570 (fünftes Zitat). 7 Harnack 1970, Bd. 1, S. 979, 984 (Zitat); Cahan 1999. 8 Koenigsberger 1898 (erstes Zitat); Rücker 1895, S. 472 (zweites Zitat); 1896; HER an AH, 14. November 1895 (drittes Zitat), HN 385. Siehe auch Universität Heidelberg, »Gedächtnisfeier für Hermann von Helmholtz: Berlin, 14. Dezember 1894«, http://ub-fachinfo.uni-hd.de/math/edd/ helmholtz/singakademie.pdf (aufgerufen am 23. Mai 2014). 9 Hagner 2004, S. 212 – 215, 218 f., 229 f., 234, 245; »Das Gehirn« 1895; Hansemann 1899 (Zitat auf S. 116); »Die Enthüllung« 1899; Marcuse 1899; Spitzka 1908. 10 Dilthey 1900, S. 235 (Anna von Helmholtz zitierend); Bunsen 1932, S. 41; AH an HT, 17. Oktober 1894, Abschrift, in SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496 (teilweise abgedruckt in: ESH 1929, Bd. 2, S. 95); AH an Cosima Wagner, Sonntagfrüh 1894, in: Werner und Irmscher 1993, S. 47 f.; AH an ISZ, 27. März 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 86; AH an ISZ, 22. September 1894, S. 92 f. (erstes Zitat); AH an Fritz von Helmholtz, 5. Oktober 1893, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 94; AH an ISZ, 31. Oktober 1894, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 95 f.; AH an ESH,
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21. August 1896, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 126 f.; AH an Henry Pickering Bowditch, 6. Januar 1895 (zweites Zitat), Francis A. Countway Library of Medicine, Boston, H MS c5.2. 11 AH an Rosalie Braun-Artaria, 11. November 1894,
in: ESH 1929, Bd. 2. S. 96 f.; AH an ISZ, 13. und 24. Januar, 22. Februar, 14. Mai 1895, ebd., S. 101 f., 103 (Zitat), S. 102 f., 108 f.; AH an Fritz von Helmholtz, 29. Februar 1895, ebd., S. 103 f.; Williams, General-Verwaltung der Kgl.-Bibliothek an das R[eichs] S[chatz]-A[mt], I 6324, 26. November 1894, in Bundesarchiv: R2 12376, Abteilung Potsdam; Boetticher an Posadowsky-Wehner, 12. Dezember 1894, ebd.; Posadowsky-Wehner an Hohenlohe, 8. Januar 1895, ebd.; AH an Cosima Wagner, 23. Januar 1895, in: Werner und Irmscher 1993, S. 49 f.; Bunsen 1899.
12 AH an ISZ, 22. Februar, 28. April und 16. Septem-
ber 1895; 8. und 19. Mai 1897; 17. Januar 1898; 30. Januar; 8. und 25. Februar; 1. März 1899, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 103, 107, 114, 136, S. 140 f., 174, 174 f., 180 f., 181 f.; AH an Fritz von Helmholtz, 29. März 1895, ebd., S. 105; AH an Wanda [von Dallwitz?], 7. April 1895; 8. April 1898, ebd., S. 105 f., 157 f.; AH an ESH, 6. Mai; 15., 16., 17. und 21. Juli 1895; 3. April 1897; 20., 26., 27. und 31. Januar sowie 9. Februar 1898, [9. oder 10.] 10., 12., 18., 20., 21. und 27. Februar; 4. und 9. März; 13. und 15. Juli 1898; 17. und 18. Februar 1899, ebd., S. 108, 110 f., 112, 112 f., 133, 141 f., 143 f., 145 f., 146, 147, 147 f., 148 f., 149, 150, 151 f., 152, 152 f., 154 f., 156, 157, 161, 161 f., 178 f., 179 f.; AH an Ottmar [von Mohl], 4. August 1898, ebd., S. 163.
A E
13 AH an Wagner, Sonntagfrüh 1894; 12. August,
19. November 1897, in: Werner und Irmscher 1993, S. 47 f., 53, 53 f.; Wachsmuth 1900, S. 20; Planck 1929/30, S. 39; Fritz von Helmholtz an Charles Bally, 17. Juli [1892]; 29. September 1896; 4. Januar 1897; 1. Januar 1900, Bibliothèque de Genève, Ms. fr. 5002, f. 272 – 273v, f. 268 – 269v; f. 270 – 270v, 271 – 71v; Werner 1997, S. 84; AH an Frau Eduard [Emilie] Zeller, 26. November 1895; 7. Juli 1899, beide in: ESH 1929, Bd. 2, S. 116 f., 117, 187; AH an ISZ, 1. Juli 1896; 20. April, 31. August und 1. Dezember 1898; 7. April und 23. August 1899, alle in: ESH 1929, Bd. 2, S. 124 f., 159 f., 164 f., 171 f., 183 f., 189; AH an ESH, 8. September 1897; 19. August und 5. September 1898, alle in: ESH 1929, Bd. 2, S. 138, 164, 165 f.; Braun-Artaria 1899; 1918, S. 135.
14 »16. Febr. 1897. Mein Testament«, Schreibma-
schinendokument, SF, Sign.: Helmholtz 6.LL496.
15 AH an ISZ, 31. Oktober 1894; 14. Mai 1895, bei-
de in: ESH 1929, Bd. 2. S. 95 f., 108 f.; AH an ESH,
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Anhang
21., 30. Juli 1895, ebd., S. 112 f., 113; AH an Emilie Zeller, 26. November 1895, ebd., S. 116 f.; Anna Helmholtz 1896, S. XIV; Wachsmuth 1900, S. 18. 16 AH an ISZ, 16. September 1895, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 114; AH an ESH?, 2. und 3. August 1896, ebd., S. 125, 125 f.; AH an ESH, 8. September 1897, ebd., S. 138; Adolf von Hildebrand an seine Frau, 28. Oktober 1896, in: Sattler 1962, S. 457; Esche-Braunfels 1993, S. 384 – 391; Ernst und Stümbke 1986, S. 211. 17 EdBR an AH, 15. Dezember 1894, in: Kirsten u. a. 1986, S. 274 f.; AH an ISZ, 16. Dezember 1894, S. 98; Das Central-Comité zur Errichtung eines Denkmals für Hermann von Helmholtz, »Aufruf zur Errichtung eines Denkmals für Hermann von Helmholtz«, HUB, Phil. Fak., Nr. R.IS349, Bl. 107; »Acta der Königl. Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin betreffend: Das im Vorgarten der Universität aufzustellende von Helmholtz Denkmal«, HUB, R/S Nr. 349, Bl. 111, 115, 117, 120, 153, 158; Münsterberg 1895, S. 547 (Zitate); Hugo Münsterberg an »Dear Sir« [Samuel Pierpont Langley], 24. April, 12. Mai 1895, Smithsonian Institution, Washington, DC, Archives, Record Unit 31, Office of the Secretary 1891 – 1906, Incoming Correspondence, box 48; »Notes« 1895, S. 613; Hendrik Antoon Lorentz an Ludwig Boltzmann, Entwurf, [Januar 1896?], in: Boltzmann 1994, Bd. II, S. 251 f. 18 AH an ISZ, All Souls’ Day, 1896; 6. Mai 1899, beide in: ESH 1929, Bd. 2, S. 129 f. (die ersten beiden Zitate), S. 184; Fd. 1899; »Die Enthüllung« 1899; AH an ISZ, 7. Juni 1899, in: ESH 1929, Bd. 2, S. 184 – 186; LK, Bd. 3, S. 138 f.; Hermann Diels an Eduard Zeller, 14. Oktober 1898, in: Ehlers 1992, Bd. 1, S. 220 – 222 (drittes Zitat auf S. 221); Goschler 1998, S. 85 – 89. 19 AH an ISZ, 7. und 8. Juni 1899, beide in: ESH 1929, Bd. 2, S. 186 f.; AH an Emilie Zeller, 7. Juli 1899, ebd., S. 187; Bunsen 1899; Todesanzeige AH, 1. Dezember 1899, TMN, Bl. 27; Wachsmuth 1900, S. 17; Fritz von Helmholtz an Bally, 1. Januar 1900; Zobeltitz 1922, Bd. 1, S. 300 f.; Spitzemberg 1963, S. 391; Grabmal der Familie Helmholtz, Landeseigener Friedhof, Wannsee, Lindenstr. 1 und 2; Grab: A.T.52. Ehrengrab; Weech 1906, S. 298. 20 Molvig 2010, S. 333 – 335; Thouret 1903, S. 3 – 13. 21 Arnold Sommerfeld an Carl Runge, 3. November 1898, Arnold Sommerfeld Korrespondenz, SBPK, Nachlass 141. 22 McKendrick 1899; LK; Reiner 1905; Ebert 1949; Lazarev 1959; Rechenberg 1994; Meulders (semibiographisch), 2001 (frz.) 2010 (engl).
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23 AH an HER, 26. November [wahrscheinlich 1895],
RSC.
24 Koenigsberger 1919, S. 194 – 196 (Zitate). Siehe
auch die Briefe von AH an Leo Koenigsberger, SPKB, Sammlung Darmstaedter, Helmholtz-Korrespondenz. 25 Koenigsberger 1919, S. 196 f.; LK, Bd. 3. S. V (Vorwort). 26 Koenigsberger 1896; Leo Koenigsberger an HER, 25. Dezember 1901, University of Manchester, John Rylands Library, Manchester, Henry Roscoe Papers; Koenigsberger an Felix Klein, 14. und 28. Januar 1902, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Handschriftenabteilung, Cod. Ms. Klein 10, Nr. 519. 520, resp.; LK, Bd. 2. S. V (Vorwort); Bd. 3. S. V (Vorwort) (Zitat); Koenigsberger 1919, S. 196 – 200; vgl. Kremer 1994, S. 382 – 385. 27 »Intimes« 1903, S. 487 (die ersten drei Zitate); Roscoe 1906, S. 94 (viertes Zitat); Boltzmann an Koenigsberger, 7. Dezember 1902 (fünftes Zitat), in: Boltzmann 1994, Bd. II, S. 362; LK, Bd. 1, S. 375; »Ein Helmholtz-Archiv« 1905. 28 Koenigsberger 1965, S. III – V; 1911; »Progress of Science« 1907, S. 283; William Osler an Casey Wood, Juni 1912, in: Cushing 1940, S. 1004 (Zitat). 29 Akademie der Wissenschaften 1986; Cahan 1999, S. 309 – 311. 30 Mann 1974, Bd. 9, S. 12 f. 31 Goldschmidt 1898; Riehl 1904; Mach 1898, S. 19, 35, 83 f., 99, 138, 164 f., 184, 247, 305, 307, dt. Zitat aus Mach 2014, S. 320. 32 Katscher 1901; Uhthoff 1902; Friedenwald 1902; Cahan 2000; Raman 1947, S. 21 – 29, zitiert in: Ramaseshan 1990, S. 519; Herneck 1966, S. 278; Warburg 1915; Adams 1974, S. 460; Henry Adams an »My dear Sir«, 1. Januar 1909, in: Adams 1988, Bd. 6, S. 205 – 208, auf S. 207. 33 Virtanen 1973, passim und zu Helmholtz S. 374; 1974, S. 88; Agee 1977, v. a. S. 20 – 22; La Grange 1973, S. 100 f.; 1995, 601, 647 f.; 1999, S. 460. 34 Zum Modernismus allgemein siehe Burrow 2000, S. 238 – 240, 243 – 248. 35 Dühring 1895, S. 106 f., 109 f. 36 August von Trott zu Solz (Minister für Kultur und Bildung) an August Lentze (Finanzminister), Juni 1914, Kaiser Wilhelm Institut für theoretische Physik, Berlin-Dahlem, Bl. 21 – 24, Rep. 76 Vc, Sekt. 2, Tit. 23, Litt. A, GSPK, zitiert in: Seth 2003, S. 33. 37 Formann 1974.
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Anmerkungen Epilog
38 Dimmer 1921; Erggelet 1921; Höber 1921; L 1921;
Krückmann 1922; Mamlock 1921; Schröder 1921; Hirschberg 1921, S. 1117 – 1118 (Zitat); ESH u. a. 1921. 39 »Akten der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin betreffend: o. Prof. Dr. Hermann von Helmholtz«, Phil. Fak., HUB, UK Personalia H 211; Warburg, Rubner und Schlick 1922; Erdmann 1921; Konen und Pütter [1922]; Kries 1921; Wien 1921; Nernst 1921; Riehl 1921; Goldstein 1921 erschien in zwei getrennten Artikeln in Die Naturwissenschaften unter dem allgemeinen Titel »Dem Andenken an Helmholtz. Zur Jahrhundertfeier seines Geburtstages«; Wiener 1921 und Kaufmann 1922 wurden beide in der Deutschen Revue veröffentlicht; Rk 1921 erschien in Die Umschau; zu den Zeitungsartikeln siehe Ehrenhaft 1921; Feldhaus 1921; ESH 1921; Stumpf 1921; Lummer 1921; Rothe 1921; Graeff 1921. Siehe auch Günther, Dannemann und Sudhoff 1922; Krannhals 1921; Lau 1922; Möller 1923; Schoen 1921; Sz 1921; Wien 1921a. 40 HH 1921, 1977; Stadler 2001; Friedman 1997; 1999, v. a. S. XI, 6, 19, 42, 60, 64 f., 72; 2002, v. a. S. 203 – 206; Coffa 1991, v. a. S. 47 – 61, 140, 171 f., 181 f., 185, 189 f., 198, 200, 204, 207, 262, 309, 350; Boi 1996; Neuber 2012; Oberdan 2015. 41 Riehl 1922; Gumprecht 1927; Badermann 1939; Karlson 1935 – 36; Ballin 1938. 42 Fritz Haber an Albert Einstein, 30. August 1920, Einstein Archives, Institute for Advanced Study, Princeton, NJ, zitiert in: Buchwald 2006, S. 395 f. (Zitat auf S. 395); Paul Volkmann an Sommerfeld, 16. Januar 1925, Arnold Sommerfeld Korrespondenz, DM, 89,014. 43 Lenard 1933, S. 292 – 295 (Zitat auf S. 294 f.), dt. Zitat aus Lenard 1929; Fölsing 1997, S. 12 f.; insbes. Wolff 2012. 44 Kania 1939, S. 160 – 163, 166 f. 45 Glaser 1996, S. 223 f.; Müller 1996, S. 253; Hentschel 1996, S. 6, 51, 251, 261, 265 f., 276 f., 286, 290 – 292, 301, 340 – 343, 350, 404, XXVIII, XL. 46 Pistor 1941, S. 276; Hoffmann 1939, S. 1562; »Helmholtz« 1939. 47 Häfner 1934; [1962?], S. 117; »R. v. Helmholtz« 1934; Johannes, in: Kremer 1990, S. 193 – 201 (auf S. 199); Helmholtz und Staby 1930 – 1937. 48 ESH 1929, Bd. 1, Vorwort; Planck 1929/30, S. 37 (Zitat). 49 »Hermann v. Helmholtz« 1941; »Hermann von Helmholtz« 1941 – 1942; Hansen 1941, 1941a; Lejeune 1941; Lohmann 1941; Pistor 1941, S. 275
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(zweites Zitat), 277 (drittes Zitat); Schering 1941; Schimank 1941, S. 505 (erstes Zitat); Schomerus 1941; Steudel 1941; Zschau 1941, S. 114. 50 Zenneck 1944; Laue 1944. 51 PB 1 (1944), S. 1 f.; »Unsere Physikbilder« 1944; Simonsohn 2007, S. 280 – 289; Albrecht 1993, S. 60 – 63. 52 Kossert 2005, S. 303 f., 321 f., 326, 338, 340 – 342, 348; Manthey 2005, 667, 669 – 671; Clark 2007, 676 – 678; Ostertag 1993, v. a. S. 489 f. 53 Ck 1946 – 47; Creutz und Steudel 1948; »Die Helmholtz-Gesellschaft« 1946 (erstes Zitat); Br[üche] 1947, S. 3; 1948 (Zitat); Planck 1950, S. 433 (Zitat); Gerlach 1950; Pupke 1951 – 1952. 54 In Ostdeutschland: Karsch 1950; Comberg 1951; Deutsche Akademie 1950, S. 52; in Westdeutschland: Diepgen 1950; Engelking 1950; Bochalli 1950; Esser 1950; Hofe 1950; Gerlach 1951; Rohrschneider 1951. 55 Laue 1960. 56 Deutsche Akademie 1957; Dunken 1960, S. 76; Deutsche Akademie 1960, S. 28; Akademie der Wissenschaften 1986; Hartkopf 1992, S. 423 f. 57 Dieter Hoffmann, Nachricht an den Autor, 25. August 1994; Kremer 1994, S. 382; Hörz 1957; Wittich 1964; Wagner 1965; Hörz und Wollgast 1971, 1971a; Scheel 1972; Meinel 1972; Wirzberger 1973; Kuchling 1973; Hörz und Wollgast 1986; Kirsten u. a. 1986. 58 Schoffa 1954; Schmitz 1954; Gerlach 1956, 1962, 1969; Leutner 1955 – 1957, Bd. 1, S. 275 – 277; Hermann 1959; »Helmholtz, Hermann« 1962; Brossmer 1958; Reicke 1971. 59 Schobess 1962; Weber 1997; Blum 1997; Werner 1997; Doerr 1985; Tzschaschel 1994; Breger 1985, S. 27; Henning 2000, S. 45, 49; Albrecht und Hermann 1990, S. 398; »Helmholtz-Gymnasium«, http://de.wikipedia.org/wiki/Helmholtz-Gymnasium (aufgerufen am 21. März 2016). 60 »Träger der Helmholtz-Medaille«, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wisssenschaften, www.bbaw.de/die-akademie/auszeichnungen/ medaillen/helmholtz-medaille/traeger-h-m (aufgerufen am 2. Januar 2017); Eckart und Volkert 1996; Werner 1997, 1998; Hoffmann und Ebeling 1994. 61 Cahan 1993a; Krüger 1994a. 62 Helmholtz, www.helmholtz.de (aufgerufen am 6. August 2017); Helmholtz-Fonds 2013; Hoffmann und Trischler 2015.
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Archivbestände Die bei Weitem größte Sammlung von unveröffentlichten Quellen von und über Helmholtz ist sein Nachlass im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Diese Sammlung hilft, Ordnung in die anderswo verstreuten, umfangreichen Bestände zu bringen. Der Nachlass verdient deshalb eine besondere Erwähnung. Ellen von Siemens-Helmholtz, Helmholtz’ viertes Kind und Erbin seiner sämtlichen Schriften, gab 1931 den Nachlass an das Akademie-Archiv, wo er seitdem verwahrt wird. Er umfasst etwa 5 Regalmeter und besteht aus circa 40 Kisten unterschiedlicher Größe. Diese beinhalten Briefe, wissenschaftliche Manuskripte und kleinere Notizbücher für Forschungs-, Labor- und Lehrzwecke. Es existiert ein Findmittel. Die allermeisten Briefe sind an Helmholtz adressiert (fast 1700 Briefe von etwa 530 Absendern). Der kleinere Teil stammt von ihm (etwa 35 Briefe an circa 30 Empfänger). Es gibt außerdem 19 Briefe von Dritten, die Helmholtz weder als Absender noch als Empfänger haben. Es gibt eine chronologisch sortierte Auflistung aller Briefe. Helmholtz’ wissenschaftliche Manuskripte und damit in Verbindung stehende Schriften, wie etwa unveröffentlichte Vorträge und Notizbücher, lassen sich in vier Kategorien einteilen: Die erste besteht aus den beiden Kollegienheften, in denen er die Notizen zu Johannes Müllers Seminaren festhielt (HN 538). Zur zweiten Kategorie zählen die zahlreichen Manuskripte, die bestimmte naturwissenschaftliche Teilgebiete behandeln (und nach diesen sortiert sind), wie etwa »Physiologische Optik« und »Elektrodynamik«. Viele dieser Schriften (HN 539 – 701) sind fertige oder fast abgeschlossene Entwürfe von veröffentlichten Beiträgen oder Büchern, bei manchen handelt es sich um Manuskripte für Vorträge oder Notizbücher. Auch hierunter gibt es viele Notizbücher und -hefte, die Laborarbeit oder Forschung betreffen, sowie Manuskripte und einzelne Blätter mit Berechnungen. Die dritte Kategorie umfasst Vorträge oder Notizen zur Epistemologie oder Wissenschaftsgeschichte, über einzelne Forscher und Wissenschaftler oder über die allgemeine Natur der Wissenschaft und deren Erkenntnisse (HN 702 – 721). Die Quellen in dieser Kategorie sind ebenfalls hauptsächlich fortgeschrittene Entwürfe von später veröffentlichten Arbeiten. Eine kleinere Sammlung von Manuskriptfragmenten, Zeichnungen, Notizen und Berechnungen (HN 722 – 728) sowie mehrere Manuskripte oder Exzerpte von Dritten (HN 729 – 733) können der vierten Kategorie zugeordnet werden. Hierunter fallen auch Fotokopien von amtlichen und/oder universitären Schriftstücken, die Helmholtz betreffen (HN 734 – 736). Die weiter unten aufgelisteten Archive führen im Gegensatz hierzu hauptsächlich Briefe von Helmholtz. Die Anzahl dieser in den Beständen variiert zwischen einzelnen Briefen bis zu mehreren Dutzend. Ein paar Bestände beinhalten auch Briefe
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Archivbestände
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oder andere Quellen über Helmholtz, auf Helmholtz bezogene Themen oder Dokumente, die ihn betreffen. Die meisten Archivbestände befinden sich in Deutschland, einige im übrigen Europa oder in den USA. Ein Archiv ist in Brasilien. Zusätzlich zum Bestand in der Akademie verdienen noch zwei weitere Bestände besondere Erwähnung: jener der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin, bei dem es sich um den zweitgrößten Bestand von Archivquellen zu Helmholtz handelt und der eine beträchtliche Anzahl an Korrespondenzen und anderen Quellen beinhaltet. Außerdem sei noch der drittgrößte Bestand im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin (Dahlem, enthält außerdem Quellen zu preußischen Angelegenheiten, die zuvor in Merseburg verwahrt wurden) erwähnt, der aus offiziellen Korrespondenzen, Berichten, Finanzplanungen, Bauplänen, Personalangelegenheiten (inklusive derer von Helmholtz), Dokumenten zur Dühring-Affäre und Ähnlichem besteht und von Helmholtz oder Dritten stammt. Die Quellen datieren aus Helmholtz’ Zeiten am Königsberger Anatomischen Institut (1849 – 1855), am Physiologischen Institut in Bonn (1855 – 1858) und am Institut für Physik in Berlin (1871 – 1894). Schließlich, wie den Anmerkungen und dem Literaturverzeichnis weiter unten zu entnehmen ist, wurden einige von Helmholtz’ Briefen und Korrespondenzen veröffentlicht, entweder als wissenschaftliche Beiträge, in Sammelbänden oder Editionen. Die hier aufgeführten Archivbestände (sowie deren Besonderheiten, die im gesamten Buch erläutert werden) machen zusammen mit den im Literaturverzeichnis aufgelisteten, in Büchern (als Sammlung von Briefen) oder in Beiträgen publizierten Briefen einen Großteil der Quellen aus, die Leo Koenigsberger in seiner dreibändigen Biographie von Helmholtz verwendet hat (oftmals lediglich in Ausschnitten und ohne Beschreibung des Kontexts). Darüber hinaus konnten in den Archiven auch neue Briefe entdeckt werden. Erwähnung sollte auch der Umstand finden, dass die Suche nach Helmholtz’ Briefen, die er an Carl Ludwig schrieb, ohne Ergebnis verlief und die Korrespondenz zwischen Helmholtz und seinem Vater vermutlich verschollen ist. Historiker sind hierbei also weiterhin auf Koenigsbergers Ausführungen und Zitate angewiesen.
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Belgien Académie Royale de Médecine de Belgique, Brüssel
Linden, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Zentral- und Landesbibliothek
Brasilien Arquivo Histórico, Museu Imperial, Petropolis
Bonn Archiv, Rheinische FriedrichWilhelms-Universität Bibliothek, Generaldirektion, Deutsche Telekom AG Bibliothek, Mathematisches Institut, Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität Stadtarchiv und Wissenschaftliche Stadtbibliothek Universitätsbibliothek, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität
Dänemark Biblioteket, Danmarks Tekniske Museum, Helsingør Deutschland Berlin Akademiearchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Amtsgericht Charlottenburg Archiv, Akademie der Künste (Stiftung Archiv der Akademie der Künste und Preußische Akademie der Künste), AdK Archiv, Helmholtz-Gemeinschaft Archiv, Humboldt-Universität Archiv, Walter de Gruyter & Co. (ehem. Georg Reimer, WGA) Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft Berlin Document Center Deutsche Physikalische Gesellschaft, Magnus-Haus Evangelisches Zentralarchiv Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GSPK) Handschriftenabteilung, Haus Potsdamer Straße, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (SBPK) Landesarchiv Märkisches Museum Musikabteilung, Haus Unter den
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Bremen Staats- und Universitätsbibliothek Dortmund Handschriften-Abteilung, Stadt- und Landesbibliothek Dresden Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main Deutsches Postmuseum Freies Deutsches Hochstift Senckenbergische Bibliothek, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Goethe-Universität Freiburg im Breisgau Archiv, Ernst-Mach-Institut, Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik Handschriften- und Inkunabelabteilung, Universitätsbibliothek
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Archivbestände
Gießen Handschriftenabteilung, Universitätsbibliothek, Justus-Liebig-Universität Göttingen Archiv, Akademie der Wissenschaften Handschriftenabteilung, Niedersächsische Staatsund Universitätsbibliothek Halle Sondersammlungen, Universitätsund Landesbibliothek SachsenAnhalt, Martin-Luther-Universität Hamburg Literatur-Archiv, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky Heidelberg Archiv, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (RKUHA) Handschriftenabteilung, Universitätsbibliothek, RuprechtKarls-Universität Heidelberg Stadtarchiv, Stadt Heidelberg Karlsruhe Archiv, Sammlungen, Stadtbibliothek Badisches Generallandesarchiv (BGLA) Kiel Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek in Kiel Koblenz Bundesarchiv
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Köln Stadt Köln, Historisches Archiv Leipzig Archiv, Universität Leipzig Handschriften und Inkunabeln, Universitätsbibliothek, Universität Leipzig Wundt-Archiv, Universität Leipzig Marbach am Neckar Handschriften-Abteilung, Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar (Deutsche Schillergesellschaft Marbach) Marburg Hessisches Staatsarchiv München Abteilung für Handschriften und Seltene Drucke, Bayerische Staatsbibliothek (BSBMH) Archiv, Bayerische Akademie der Wissenschaften Archiv, Siemens Historical Institute (Siemens-Museum, SF) Dokumente der Familie Siemens, private Sammlung Handschriften-Bestand (Handschriftenabteilung), Archiv, Deutsches Museum (DM) Murnau Private Sammlung, Prof. Dr.-Ing. Walter Henn Nürnberg Germanisches Nationalmuseum, Archiv
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Potsdam Abteilung Potsdam, Bundesarchiv Heilig-Geist-Kirche zu Potsdam Sankt Nikolaikirche zu Potsdam Stuttgart Württembergische Landesbibliothek Tübingen Universitätsbibliothek Weimar Goethe- und Schiller-Archiv, Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar Wiesbaden Archiv, Vieweg Verlag (ehem. Friedrich Vieweg & Sohn, VV) Hessische Landesbibliothek Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek Frankreich Archives, Académie des Sciences, Institut de France, Paris Bibliothèque, Académie des Sciences, Institut de France, Paris Italien Archivio, Stazione Zoologica »Anton Dohrn«, Neapel (SZADNA) Dipartimento di Matematica, Università degli Studi »La Sapienza«, Rom Serie Accademia dei Lincei, Carte Quintino Sella, Fondazione Sella, Biella
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Niederlande Hollandsche Maatschappij der Wetenschappen, Haarlem Rijksarchief, Haarlem Rijksmuseum voor de Geschiedenis van de Natuurwetenschappen en van de Geneeskunde, Museum Boerhaave, Leiden Österreich Bibliothek, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien Polen Archiwum Państwowe w Olsztynie, Olsztyn Biblioteka Jagiellońska, Uniwersytet Jagielloński, Krakau
Russland Archive, Russian Academy of Sciences, Sankt Petersburg Schweden Center for History of Science, The Royal Swedish Academy of Sciences, Stockholm Uppsala University Library, Uppsala Schweiz Bibliothek, Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich Département des manuscrits, Bibliothèque de Genève (ehem. Bibliothèque Publique et Universitaire), Genf Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Basel Wissenschaftshistorische Sammlungen, Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich
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Archivbestände
Vereinigtes Königreich Archiv, Institution of Electrical Engineers, London Archiv, The Royal Society, London Archive, Royal Institution of Great Britain, London Department of Manuscripts, National Library of Scotland, Edinburgh Department of Manuscripts and University Archives, Cambridge University Library (CUL) Department of Western Manuscripts, Bodleian Library, University of Oxford, Oxford John Rylands University Library, University of Manchester, Manchester Library, Royal Society of Chemistry, London Library, Royal Society of Medicine, London Manuscripts Room, Library, University College London, London (UCL) Rayleigh Papers, The Old Rectory, Chelmsford, Terling, Essex Special Collections, Edinburgh University Library, Edinburgh University of Exeter Library, Exeter University of Glasgow Library, Glasgow Wellcome Institute for the History of Medicine, London Vereinigte Staaten Air Force Geophysics Laboratory (AFSC), Department of the Air Force, Hanscom Air Force Base, Massachusetts
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American Antiquarian Society, Worcester, MA American Institute of Physics, College Park, MD Archives, National Academy of Sciences, Washington, DC Archives & Special Collections, George C. Gordon Library, Worcester Polytechnic Institute, Worcester, MA Bakken Museum, Minneapolis Bancroft Library, University of California, Berkeley Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University, New Haven, CT Boston Medical Library, Boston Department of Molecular Biophysics and Biochemistry, Yale University, New Haven, CT Fiorello H. LaGuardia Archives, LaGuardia Community College, City University of New York, Long Island City, New York Francis A, Countway Library of Medicine (Boston Medical Library and Harvard Medical School), Boston Houghton Library, Harvard University, Cambridge, MA J. M. Wheeler Library, Edward S, Harkness Eye Institute, Columbia University, College of Physicians and Surgeons, Department of Ophthalmology, New York Presbyterian Hospital, New York Library, American Philosophical Society, Philadelphia Manuscript Collections, Rare Book and Manuscript Library, Butler Library, Columbia University in the City of New York, New York
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Manuscript Division, Library of Congress, Washington, DC Manuscripts of the Dibner Collection, Dibner Library of the History of Science and Technology, Washington, DC Private Sammlung, Henry Z. Steinway, New York Smithsonian Institution Archives, Washington, DC
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Special Collections, Dartmouth College Library, Hanover, NH Special Collections and Archives, Manuscripts, Milton S. Eisenhower Library, Johns Hopkins University, Baltimore Thomas A. Edison Papers, Rutgers University, Piscataway, NJ
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Literaturverzeichnis Helmholtz’ wissenschaftliche Arbeiten werden hier wie in den Wissenschaftlichen Abhandlungen (WA) erschienen aufgeführt, die in drei Bänden in 1882, 1883 und 1895 veröffentlicht wurden. Für diese Schriften wird der ursprüngliche Publikationsort nicht angegeben, wohl aber das Jahr der Erstveröffentlichung. Dasselbe gilt für Helmholtz’ populärwissenschaftliche Vorträge, welche größtenteils in Vorträge und Reden (VR, 1903) (wieder-)veröffentlicht wurden. Alle Einträge von Hermann Helmholtz sind unter »HH.« gelistet. Für weitere Literatur sei auf die Bibliographie in Cahan 1993a verwiesen.
L z
Abbe, Cleveland. 1891. The Mechanics of the Earth’s Atmosphere: A Collection of
Translations. Washington, DC: Smithsonian Institution. Abbe, Ernst. 1873. »Beiträge zur Theorie des Mikroskops und der mikroskopischen Wahrnehmung«. In: Archiv für Mikroskopische Anatomie 9, S. 413 – 468. Abbott, Edwin A. 1982. Flächenland. Ein mehrdimensionaler Roman. Aus dem Engl. übers. von Joachim Kalka. Stuttgart: Klett-Cotta. – 2002. The Annotated Flatland: A Romance of Many Dimensions. Eingeleitet und kommentiert von Ian Stewart. Cambridge, MA: Perseus. – 2010. Flatland. Kommentiert von William F. Lindgren and Thomas F. Banchoff. Cambridge: Cambridge University Press; Washington, DC: Mathematical Association of America. Académie des Sciences. 1869. »Comité Secret«. CR 69, S. 1385. – 1870. »Correspondance,« 17. Januar. CR 70, S. 123. – 1870a. »Nominations«. CR 70, S. 27. Ackerknecht, Erwin H. 1953. Rudolf Virchow: Doctor, Statesman, Anthropologist. Madison, WI: University of Wisconsin Press. – 1957. Rudolf Virchow: Arzt, Politiker, Anthropologe. Aus dem Amerikan. übers. von Ingeborg Wieries. Stuttgart: Enke. Adams, Henry. 1953. Die Erziehung des Henry Adams. Von ihm selbst erzählt. Aus dem Amerikan. übers. von Jonas Lesser. Zürich: Manesse Verlag. – 1974. The Education of Henry Adams. Hrsgg. von Ernest Samuels. Boston: Houghton Mifflin. – 1988. The Letters of Henry Adams. Hrsgg. von J. C. Levenson, Ernest Samuels, Charles Vandersee und Viola Hopkins Winner. 6 Bde. Cambridge, MA: Belknap Press of Harvard University Press. Adress-Kalender, 1837[?]. Adress-Kalender 1837 für die Königl. Haupt- und Residenz-Städte Berlin und Potsdam auf das Jahr 1837. Berlin: Rücker and Pückler. Agee, William C. 1977. »Patrick Henry Bruce: A Major American Artist of Early Modernism«. In: Arts in Virginia 17, S. 12 – 23.
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Anhang
Akademie der Wissenschaften. 1986. »Träger von Akademie-Auszeichnungen: Die Träger der Helmholtz-Medaille«. In: Akademie der Wissenschaften der DDR Jahrbuch 1985, S. 180 – 181. Berlin: Akademie-Verlag. Albisetti, James C. 1983. Secondary School Reform in Imperial Germany. Princeton, NJ: Princeton University Press. – 1988. Schooling German Girls and Women: Secondary and Higher Education in the Nineteenth Century. Princeton, NJ: Princeton University Press. – 2007. Mädchen- und Frauenbildung im 19. Jahrhundert. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Albrecht, Bettina. 1985. Die ehemaligen Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institutsgebäude der Universität Heidelberg im Bereich Brunnengasse, Hauptstrasse, Akademiestrasse und Plöck. Unveröffentl. Diss., Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Albrecht, Helmuth. 1993. »›Max Planck: Mein Besuch bei Adolf Hitler‹ – Anmerkungen zum Wert einer historischen Quelle«. In: Naturwissenschaft und Technik in der Geschichte: 25 Jahre Lehrstuhl für Geschichte der Naturwissenschaft und Technik am Historischen Institut der Universität Stuttgart, Hrsgg. von Helmuth Albrecht, S. 41 – 63. Stuttgart: Verlag für Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik. Albrecht, Hermann und Armin Hermann. 1990. »Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Dritten Reich (1933 – 1945)«. In: Forschung im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft: Geschichte und Struktur der Kaiser-Wilhelm-/MaxPlanck-Gesellschaft: Aus Anlass ihres 75 jährigen Bestehens, Hrsgg. von Rudolf Vierhaus and Bernhard vom Brocke, S. 356 – 406. Stuttgart: Deutsche VerlagsAnstalt. American Philosophical Society. 1891. Proceedings of the American Philosophical Society Held at Philadelphia for Promoting Useful Knowledge. Bd. 29. Philadelphia: MacCalla. Amrine, Frederick, Francis J. Zucker und Harvey Wheeler (Hrsg.). 1987. Goethe and the Sciences: A Reappraisal. Dordrecht: D. Reidel. Ansprachen. 1892. Ansprachen und Reden gehalten bei der am 2. November 1891 zu Ehren von Hermann von Helmholtz veranstalteten Feier nebst einem Verzeichnisse der überreichten Diplome und Ernennungen, sowie der Adressen und Glückwunschschreiben. Berlin: Hirschwald. Aranjo, Saulo de Freitas. 2014. »Bringing New Archival Sources to Wundt Scholarship: The Case of Wundt’s Assistantship with Helmholtz«. In: History of Psychology 17, S. 50 – 59. Archibald, Thomas. 2002. »Charles Hermite and German Mathematics in France«. In: Mathematics Unbound: The Evolution of an International Mathematical Research Community, 1800 – 1945, hrsgg. von Karen Hunger Parshall und Adrian
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– 1852g. »Ueber Herrn D. Brewster’s neue Analyse des Sonnenlichtes«. In: WA, 2, S. 24 – 44. – 1852h. »On the Theory of Compound Colours«. In: Philosophical Magazine, Heft 4, 4, S. 519 – 5 34. – 1852i. »Bericht über ›die Theorie der Akustik‹ und ›akustisch Phänomene‹ betreffende Arbeiten vom Jahre 1848«. In: WA, 1, S. 233 – 255. – 1853. »Ueber eine bisher unbekannte Veränderung am menschlichen Auge bei veränderter Accommodation«. In: WA, 2, S. 280 – 282. – 1853a. »Ueber Goethe’s naturwissenschaftliche Arbeiten«. In: VR, 1, S. 23 – 47. – 1853b. »On the Conservation of Force: A Physical Memoir«. In: Scientific Memoirs, Selected from the Transactions of Foreign Academies of Science, and from Foreign Journals, hrsgg. von John Tyndall und William Francis, S. 114 – 162. London: Taylor and Francis. – 1853c. »Ueber einige Gesetze der Vertheilung elektrischer Ströme in körperlichen Leitern mit Anwendung auf die thierisch-elektrischen Versuche«. In: WA, 1, S. 475 – 5 19. – 1854. »Bericht über ›die Theorie der Akustik‹ betreffende Arbeiten aus dem Jahre 1849«. In: WA, 1, S. 251 – 255. – 1854a. »Ueber die Geschwindigkeit einiger Vorgänge in Muskeln und Nerven«. In: WA, 2, S. 881 – 885. – 1854b. »Erwiderung auf die Bermerkungen von Clausius«. In: WA, 1, S. 76 – 93. – 1854c. »On the Mixture of Homogeneous Colours«. In: Report of the TwentyThird Meeting of the British Association for the Advancement of Science, held in Hull, September 1853, 23 (2), S. 5. London: John Murray. – 1854d. »Ueber die Wechselwirkung der Naturkräfte und die darauf bezüglichen neuesten Ermittelungen der Physik«. In: VR, 1, S. 49 – 83. – 1855. »Ueber die Accommodation des Auges«. In: WA, 2, S. 283 – 345. – 1855a. »Bericht über ›die Theorie der Wärme‹ betreffende Arbeiten aus dem Jahre 1852«. In: Fortschritte der Physik 8, S. 369 – 387. – 1855b. »Ueber das Sehen des Menschen: Ein populär-wissenschaftlicher Vortrag, gehalten zu Königsberg in Preussen am 27. Febr. 1855«. In: VR, 1, S. 85 – 117. – 1855c. »Ueber die Zusammensetzung von Spectralfarben«. In: WA, 2, S. 45 – 70. – 1855d. »Über die Empfindlichkeit der menschlichen Netzhaut für die brechbarsten Strahlen des Sonnenlichts«. In: WA, 2, S. 71 – 77. – 1856. »Bericht über ›die Theorie der Wärme‹ betreffende Arbeiten aus dem Jahre 1853«. In: Fortschritte der Physik 9, S. 404 – 432. – 1856a. »On the Interaction of Natural Forces«. In: Philosophical Magazine 11, S. 489 – 5 18. – 1856b. »Ueber Combinationstöne«. In: WA, 1, S. 256 – 262. – 1856c. »Ueber die Combinationstöne oder Tartinischen Töne«. In: WA, 3, S. 7 – 9.
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Literaturverzeichnis
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– 1856d. »Ueber Combinationstöne«. In: WA, 1, S. 263 – 302. – 1856e. Handbuch der physiologischen Optik. Teil 1. Hamburg: Leopold Voss. – 1856f. »Ueber die Erklärung des Glanzes«. In: WA, 3, S. 4 f. – 1857. »Bericht über ›die Theorie der Wärme‹ betreffende Arbeiten aus dem Jahre 1854«. In: Fortschritte der Physik 10, S. 361 – 398. – 1857a. »Ueber die physiologischen Ursachen der musikalischen Harmonie«. In: VR, 1, S. 118 – 155. – 1857b. »Ein Telestereoskop«. In: WA, 3, S. 10 – 12. – 1857c. »Das Telestereoskop«. In: WA, 2, S. 484 – 491. – 1857d. »Ueber die Vocale«. In: WA, 1, S. 395 – 396. – 1858. »Bericht über ›die Theorie der Wärme‹ betreffende Arbeiten aus dem Jahre 1855«. In: Fortschritte der Physik 11, S. 361 – 373. – 1858a. »Ueber Integrale der hydrodynamischen Gleichungen, welche den Wirbelbewegungen entsprechen«. In: WA, 1, S. 101 – 134. – 1858b. »Ueber die subjectiven Nachbilder im Auge«. In: WA, 3, S. 13 – 15. – 1859. »Bericht über ›die Theorie der Wärme‹ betreffende Arbeiten aus dem Jahre 1856«. In: Fortschritte der Physik 12, S. 343 – 3 59. – 1859a. »Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden«. In: WA, 1, S. 303 – 382. – 1859b. »Ueber Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden«. In: WA, 3, S. 16 – 20. – 1859c. »Ueber die Klangfarbe der Vocale«. In: WA, 1, S. 397 – 407. – 1859d. »Ueber Farbenblindheit«. In: WA, 2, S. 346 – 349. – 1859e. »Ueber Nachbilder«. In: Amtlicher Bericht über die 34. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Carlsruhe im September 1858, S. 225 f. Karlsruhe: Chr. Fr. Müllersche Hofbuchhandlung. – 1859f. »Ueber die physikalische Ursache der Harmonie und Disharmonie«. In: Amtlicher Bericht über die 34. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Carlsruhe im September 1858, S. 157 – 59. Karlsruhe: Chr. Fr. Müllersche Hofbuchhandlung. – 1860. »On the Motion of the Strings of a Violin«. In: WA, 1, S. 410 – 419. – 1860a. »Ueber Klangfarben«. In: WA, 1, S. 408 f. – 1860b. Handbuch der physiologischen Optik. Teil 2. Hamburg: Leopold Voss. – 1861. »On the Application of the Law of the Conservation of Force to Organic Nature«. In: WA, 3, S. 565 – 580. – 1861a. »Zur Theorie der Zungenpfeifen«. In: WA, 1, S. 388 – 394. – 1862. »Ueber das Verhältniss der Naturwissenschaften zur Gesammtheit der Wissenschaft«. In: VR, 1, S. 157 – 185. – 1862a. »Ueber die arabisch-persische Tonleiter«. In: WA, 1, S. 424 – 426. – 1862b. »Ueber die Form des Horopters, mathematisch bestimmt«. In: WA, 2, S. 420 – 426.
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Anhang
– 1862 – 63. »Über die Erhaltung der Kraft: Einleitung zu einem Cyclus von Vorlesungen, gehalten zu Karlsruhe im Winter 1862 – 63«. In: VR, 1, S. 186 – 229. – 1863. Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik. Braunschweig: Friedrich Vieweg. Folgende Auflagen waren 2. Aufl., 1865; 3., überarb. Aufl., 1870; und 4., überarb. Aufl., 1877. – 1863a. »Ueber den Einfluss der Reibung in der Luft auf die Schallbewegung«. In: WA, 1, S. 383 – 387. – 1863b. »Ueber die Bewegungen des menschlichen Auges«. In: WA, 2, S. 352 – 3 59. – 1863c. »Ueber die normalen Bewegungen des menschlichen Auges«. In: WA, 2, S. 360 – 419. – 1864. »Lectures on the Conservation of Energy, by Professor Helmholtz, Delivered at the Royal Institution on April 5, 7, 12, 14, 19 and 21, 1864«. In: Medical Times and Gazette 1, S. 385 – 388, 415 – 418, 443 – 446, 471 – 474, 499 – 501, 527 – 5 30. – 1864a. »On the Normal Motions of the Human Eye in Relation to Binocular Vision«. In: WA, 3, S. 25 – 43. – 1864b. »Bemerkungen über die Form des Horopters«. In: WA, 2, S. 478 – 481. – 1864c. »Ueber den Horopter«. In: WA, 3, S. 21 – 24. – 1864d. »Versuche über das Muskelgeräusch«. In: WA, 2, S. 924 – 927. – 1864e. »Ueber den Horopter«. In: WA, 2, S. 427 – 477. – 1865. »Eis und Gletscher«. In: VR, 1, S. 231 – 263. Mit dem Zusatz »Zusätze zu dem Vortrag (S. 231) ›Eis und Gletscher‹«, 1, S. 418 – 422. – 1865a. Populäre wissenschaftliche Vorträge. Teil 1. Braunschweig: Friedrich Vieweg. – 1865b. »Ueber Eigenschaften des Eises«. In: WA, 1, S. 94 – 98. – 1865c. »Ueber den Einfluss der Raddrehung der Augen auf die Projection der Retinalbilder nach Aussen«. In: WA, 2, S. 482 – 483. – 1865d. »Ueber stereoskopisches Sehen«. In: WA, 2, S. 492 – 496. – 1865e. »Ueber die Augenbewegungen«. In: WA, 3, S. 44 – 48. – 1866. »La glace et les glaciers«. Revue des Cours Scientifiques de la France et de l’Etranger 3, S. 433 – 447. – 1866a. »Ueber den Muskelton«. In: WA, 2, S. 928 – 931. – 1867. Optique physiologique. Übers. von Emile Javal und N. Th. Klein. Paris: Victor Masson. – 1867a. »De la relation des sciences naturelles avec la science en général«. In: Revue des Cours Scientifiques de la France et de l’Etranger 4, S. 693 – 701. – 1867b. »Sur l’origine physiologique de l’harmonie musicale«. In: Revue des Cours Scientifiques de la France et de l’Etranger 4, S. 177 – 189. – 1867c. »Ueber die Mechanik der Gehörknöchelchen«. In: WA, 2, S. 503 – 5 14. – 1867d. Handbuch der physiologischen Optik. Teil 3. Hamburg: Leopold Voss.
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– 1867e. Handbuch der physiologischen Optik. Hamburg: Leopold Voss. – 1867 f. »Mitteilung, betr. Versuche über die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit der Reizung in den motorischen Nerven des Menschen, welche Herr N. Baxt aus Petersburg geführt hat«. In: WA, 2, S. 932 – 938. – 1868. Théorie physiologique de la musique fondée sur l’étude des sensations auditives. Übers. von M. G. Guéroult. Paris: Victor Masson. – 1868a. »Die neueren Fortschritte in der Theorie des Sehens: Vorlesungen gehalten zu Frankfurt am Main und Heidelberg, Ausgearbeitet für die Preussischen Jahrbücher«. In: VR, 1, S. 265 – 365. – 1868b. »Sur le movement le plus général d’un fluide: Réponse à une communication précédente de M. J. Bertrand«. In: WA, 1, S. 135 – 139. – 1868c. »Sur le movement des fluides: Deuxième réponse à M. Bertrand«. In: WA, 1, S. 140 – 144. – 1868d. »Réponse à la note de Monsieur Bertrand du 19 octobre«. In: WA, 1, S. 145. – 1868e. »Ueber discontinuirliche Flüssigkeitsbewegungen«. In: WA, 1, S. 146 – 157. – 1868f. »Ueber die thatsächlichen Grundlagen der Geometrie«. In: WA, 2, S. 610 – 617. – 1868g. »Ueber die Thatsachen, die der Geometrie zum Grunde liegen«. In: WA, 2, S. 618 – 639. – 1868h [oder 1869?]. Sur les faits qui servent de base à la géométrie. Übers. von J. Hoüel. Bordeaux: G. Gounouilhou. – 1868i [oder 1869?]. »Sur les faits qui servent de base à la géométrie«. In: Mémoires de la Société des Sciences Physiques et Naturelles de Bordeaux 5 [1867 – 69], S. 372 – 3 78. – 1868j. »De la production de la sensation du relief dans l’acte de la vision binoculaire«. In: WA, 3, S. 581 – 586. – 1869. »Ueber das Ziel und die Forschritte der Naturwissenschaft: Eröffnungsrede für die Naturforscherversammlung zu Innsbruck 1869«. In: VR, 1, S. 367 – 398. – 1869a. »Die Mechanik der Gehörknöchelchen und des Trommelfelles«. In: WA, 2, S. 515 – 581. – 1869b. »Ueber die Schallschwingungen in der Schnecke des Ohres«. In: WA, 2, S. 582 – 588. – 1869c. Mémoire sur la conservation de la force, précédé d’un exposé élémentaire de la transformation des forces naturelles. Übers. von Louis Pérard. Paris: V. Masson. – 1869d. »Über die Entwicklungsgeschichte der neueren Naturwissenschaften«. In: Tageblatt der 43. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in
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Anhang
Innsbruck vom 18. bis 24. September 1869, hrsgg. von J. Daum, V. von Ebner und Hugo Enzenberg, S. 36 – 40. Innsbruck: Wagner’sche Universitäts-Buchhandlung. – 1869e. »Ueber das Heufieber«. In: Virchow’s Archiv für Pathologische Anatomie 46, S. 100 – 102. – 1869f. »Zur Theorie der stationären Ströme in reibenden Flüssigkeiten«. In: WA, 1, S. 223 – 230. – 1869g. »Ueber die physiologische Wirkung kurz dauernder elektrischer Schläge im Innern von ausgedehnten leitenden Massen«. In: WA, 1, S. 526 – 5 30. – 1869h. »Ueber elektrische Oscillationen«. In: WA, 1, S. 531 – 5 36. – 1869i. »Lettre de M. H. Helmholtz, professeur de physiologie à l’université de Heidelberg à M. A. Wurtz, doyen de la faculté de médecine de Paris«. In: De la transfusion du sang défibriné, nouveau procédé pratique, von L. de Belina, S. 67. Paris: Adrien Delahaye. – 1869 – 70. »Ueber die Entwicklungsgeschichte der neueren Naturwissenschaft«. In: Philosophische Monatshefte 4, S. 160 – 167. – 1870. »Goethe Naturaliste et Physicien«. Revue des Cours Scientifiques de la France et de l’Etranger 7, S. 18 – 25. – 1870a. »Vorrede zur Übersetzung«. In: Tyndall 1870, S. V – XI. – 1870b. »A German View of the War«. In: Glasgow Daily Herald, 9. September, S. 5. – 1870c. »Ueber die Gesetze der inconstanten elektrischen Ströme in körperlich ausgedehnten Leitern«. In: WA, 1, S. 537 – 544. – 1870d. »Ueber die Theorie der Elektrodynamik: Erste Abhandlung: Ueber die Bewegungsgleichungen der Elektricität für ruhende leitende Körper«. In: WA, 1, S. 545 – 628. – 1870e. »The Axioms of Geometry«. In: Academy 1, S. 128 – 131. – 1870f. »Ueber den Ursprung und die Bedeutung der geometrischen Axiome«. In: VR, 2, S. 1 – 3 1. Mit Anhang, S. 381 – 383. – 1870g. »Les axiomes de la géométrie«. In: Revue des Cours Scientifiques de la France et de l’Etranger 7, S. 489 – 501. – 1870h. »Neue Versuche über die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit der Reizung in den motorischen Nerven der Menschen, ausgeführt von N. Baxt aus Petersburg«. In: WA, 2, S. 939 – 946. – 1871. »Ueber die Entstehung des Planetensystems«. In: VR, 2, S. 53 – 91. – 1871a. »Zum Gedächtniss an Gustav Magnus«. In: VR, 2, S. 33 – 5 1. – 1871b. Populäre wissenschaftliche Vorträge. Teil 1. Braunschweig: Friedrich Vieweg. – 1871c. »Vorrede zur deutschen Übersetzung«. In: Thomson und Tait 1871, S. X – XII. – 1871d. »Ueber die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der elektrodynamischen Wirkungen«. In: WA, 1, S. 629 – 635.
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– 1871e. »Ueber die Zeit, welche nötig ist, damit ein Gesichtseindruck zum Bewusstsein kommt, Resultate einer von Herrn N. Baxt im Heidelberger Laboratorium ausgeführten Untersuchung«. In: WA, 2, S. 947 – 952. – 1872. »Ueber steuerbare Luftballons«. In: Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleisses in Preussen, November – December, 72, S. 289 – 292. Später nachgedruckt unter dem Titel »Theoretische Betrachtungen über lenkbare Luftballons«. In: Polytechnisches Journal 207 (1873), S. 465 – 469. – 1872a. »Ueber die Theorie der Elektrodynamik«. In: WA, 1, S. 636 – 646. – 1872b. »Ueber die galvanische Polarisation des Platins«. In: Tageblatt der 45. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Leipzig im August 1872, hrsgg. von A. Winter, S. 110 f. Leipzig: G. Reusche. – 1872c. »The Axioms of Geometry: [Letter] To the Editor of the Academy«. Academy 3 (41), S. 52 f. – 1873. Popular Lectures on Scientific Subjects. Übers. von E. Atkinson. Teil 2. London: Longmans, Green. – 1873a. »Optisches über Malerei«. In: VR, 2, S. 93 – 135. – 1873b. »Ueber ein Theorem, geometrisch ähnliche Bewegungen flüssiger Körper betreffend, nebst Anwendung auf das Problem, Luftballons zu lenken«. In: WA, 1, S. 158 – 171. – 1873c. »Induction und Deduction: Vorrede zum zweiten Theile des ersten Bandes der Uebersetzung von William Thomson’s and Tait’s Treatise on Natural Philosophy«. In: VR, 2, S. 413 – 421. – 1873d. »Ueber die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Mikroskope«. In: WA, 2, S. 183 f. – 1873e. »Vergleich des Ampère’schen und Neumann’schen Gesetzes für die elektrodynamischen Kräfte«. In: WA, 1, S. 688 – 701. – 1873f. »Ueber galvanische Polarisation in gasfreien Flüssigkeiten«. In: WA, 1, S. 823 – 834. – 1873g. »Ueber die Theorie der Elektrodynamik. Zweite Abtheilung: Kritisches«. In: WA, 1, S. 647 – 6 87. – 1873h. The Mechanism of the Ossicles of the Ear and Membrana Tympani. New York: William Wood. – 1874. »Die theoretische Grenze für die Leistungsfähigkeit der Mikroskope«. In: WA, 2, S. 185 – 212. – 1874a. »Ueber das Streben nach Popularisirung der Wissenschaft: Vorrede zu der Uebersetzung von Tyndall’s Fragments of Science«. In: VR, 2, S. 422 – 434. – 1874b. »Vorrede zum zweiten Theile des ersten Bandes: Kritisches«. In: Thomson and Tait 1874, S. V-XIV. – 1874c. »Scientific Worthies: IV. – John Tyndall«. In: Nature 10, S. 299 – 302. – 1874d. »Zur Theorie der anomalen Dispersion«. In: WA, 2, S. 213 – 226.
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Anhang
– 1874e. »Recent Problems in the Theory of Electrodynamics«. In: Academy 5, S. 290 – 292. – 1874f. »Ueber die Theorie der Elektrodynamik: Dritte Abhandlung: Die elektrodynamischen Kräfte in bewegten Leitern«. In: WA, 1, S. 702 – 762. – 1874g. »Kritisches zur Elektrodynamik«. In: WA, 1, S. 763 – 773. – 1874h. Preface to Advancement of Science: The Inaugural Address of Prof. John Tyndall, D.C.L., LL.D., F.R.S., Delivered before the British Association for the Advancement of Science, at Belfast, August, 19, 1874. with Portrait and Biographical Sketch: Opinions of the Eminent Scientist, Prof. H. Helmholtz, and Articles of Prof. Tyndall and Henry Thompson on Prayer, S. 11 – 18. New York: Asa K. Butts. – 1874 – 75. »On the Use and Abuse of the Deductive Method in Physical Science«. In: Nature 11 (24. Dezember), S. 149 – 151; 11 (14. Januar), S. 211 – 212. – 1875. On the Sensations of Tone as a Physiological Basis for the Theory of Music. Übersetzung der 3. deutschen Aufl. von Alexander J. Ellis. London: Longmans, Green. – 1875a. »Wirbelstürme und Gewitter«. In: VR, 2, S. 137 – 163. – 1875b. »Versuche über die im ungeschlossenen Kreise durch Bewegung inducirten elektromotorischen Kräfte«. In: WA, 1, S. 774 – 790. – 1876. Populäre wissenschaftliche Vorträge. Teil 3. Braunschweig: Friedrich Vieweg. – 1876a. »The Origin and Meaning of Geometrical Axioms«. In: Mind 1 (3), S. 301 – 3 21. – 1876b. »Bericht über Versuche des Hrn. Dr. E. Root aus Boston, die Durchdringung des Platins mit elektrolytischen Gasen betreffend«. In: WA, 1, S. 835 – 839. – 1876c. »Bericht betreffend Versuche über die elektromagnetische Wirkung elektrischer Convection, ausgeführt von Hrn. Henry A. Rowland«. In: WA, 1, S. 791 – 797. – 1877. »Das Denken in der Medicin«. In: VR, 2, S. 165 – 190; und »Anhang«, S. 384 – 386. – 1877a. »Ueber die akademische Freiheit der deutschen Universitäten«. In: VR, 2, S. 191 – 212. – 1877b. »Ueber galvanische Ströme, verursacht durch Concentrationsunterschiede: Folgerungen aus der mechanischen Wärmetheorie«. In: WA, 1, S. 840 – 8 54. – 1878. »Die Thatsachen in der Wahrnehmung«. In: VR, 2, S. 213 – 247; und »Beilagen«, S. 387 – 406. – 1878a. »Telephon und Klangfarbe«. In: WA, 1, S. 463 – 474. – 1878b. »Ueber die Bedeutung der Convergenzstellung der Augen für die Beurtheilung des Abstandes binocular gesehener Objecte«. In: WA, 2, S. 497 – 500. – 1878c. »The Origin and Meaning of Geometrical Axioms: (II)«. In: Mind 3 (10), S. 212 – 225. Reprint (auf Deutsch) in: WA, 2, S. 640 – 660. – 1878d. »Rayleigh’s ›Theory of Sound’«. Nature 17 (24. Januar), S. 237 – 239.
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Hinweis: Verweise auf Abbildungen sind mit einem auf die Seitenzahl folgenden »Abb.« gekennzeichnet. Académie des Sciences, Paris 309, 407, 456, 529, 729 Accademia dei Lincei 308, 472 f., 605, 612 f., 634, 682 Airy, George Biddell 159 f., 164, 168 Akademie der Künste, Berlin 77, 91, 93, 186, 188, 457, 506 Akademie der Wissenschaften, Berlin 81, 92, 139, 173, 207, 421, 442, 456, 467, 470, 473, 526 – 528, 537, 555, 571, 635, 645, 658, 689, 708, 716, 733, 741, 785, 787, 798, 802, 807, 810, 813, 888 akademische Freiheit, siehe auch Bildung; Kulturkampf; Universitäten 235, 556, 562 – 564, 501, 531, 572 Akkomodation, siehe auch Augenbewegungen; physiologische Optik; Sehen 179 Akustik, siehe auch Kombinationstöne; Musik; Töne; Vokale 10, 16, 18, 22, 151, 157, 164, 205, 208 – 210, 212, 215, 220 f., 225 f., 248, 259, 262, 269, 288 – 291, 293, 295, 301 – 303, 308 – 310, 313 – 318, 321, 347, 368, 376, 378, 405, 408 f., 415, 451, 496, 506, 599, 606, 611, 614, 625, 649, 695, 699, 700, 713, 740, 744, 760, 762 f., 768, 799, 819 Althoff, Friedrich 654, 657, 777 Ampère, André-Marie 442, 480, 616, 624, 626, 755 Anatomie, siehe auch Medizin; Physiologie 56 – 58, 60, 64 – 68, 75, 77 f., 91, 93 – 95, 107, 119, 121 – 124, 127, 133 f., 139, 143 f., 146, 159, 175 f., 185 – 189, 191, 193 – 195, 198 – 204, 207, 211 f., 214, 219 – 221, 223, 226 f., 229, 232, 235, 239 – 241, 261, 275, 295, 323, 332, 344, 347, 377, 387, 405, 420, 484, 492, 507, 538, 560, 603, 670, 683, 788 Annalen der Physik und Chemie 83, 168, 477 f., 627 Anthropologie 215 f., 218, 280, 745 Antisemitismus, siehe auch Deutschland;
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Judentum; Nationalismus 419, 533, 555, 595 – 599, 804 Archiv für Ophthalmologie 140, 346 Arithmetik, siehe auch Geometrie; Mathematik 677 f. Arrhenius, Svante 651, 662, 669 f. Ärzte, siehe auch Anatomie; Medizin; Physiologie 36, 69, 71, 104, 133, 140, 175, 177, 190, 196, 203, 238, 267 f., 285, 289, 344, 428, 475, 528 532, 560, 632, 683, 685 f., 692, 695, 699, 752, 762, 764, 768, 778, 780, 782, 785, 790, 797, 801 Ästhetik, siehe auch Schönheit; Philosophie 78, 133, 146 f., 272, 293 f., 297 – 299, 303, 309, 313, 318, 368, 504 f., 507, 511 f., 523, 574, 799 Astronomie, siehe auch Mathematik; Physik 48, 76, 104, 106, 111 f., 128, 139, 159 f., 164, 237, 270, 275, 278, 325 f., 339, 412, 415, 424, 440, 453, 460, 472, 482, 484, 489, 494, 499 f., 540, 550, 554, 561, 595, 598, 610, 618, 634, 647, 663, 676, 689 f., 738, 761 Atkinson, Edmund 156, 566 Atmosphärenphysik siehe Erde; Meteorologie; Physik Atome, siehe auch Chemie; Physik 73, 148, 232, 324, 406, 460 f., 505, 561, 592, 617, 795 Aufklärung 50, 102, 104, 107, 144, 250, 258, 305, 323, 337, 459, 487, 515, 517 Augenbewegungen, siehe auch Akkomodation; Horopter; Ophthalmologie; physiologische Optik 140, 329, 343 – 349, 355, 361, 363, 533, 535 Augenheilkunde siehe Ophthalmologie Augenspiegel siehe Ophthalmoskop Baden 121, 124, 137, 210 f., 213 f., 227 – 231, 234, 236 – 240, 243, 246, 251, 269, 273, 276 f., 353 f., 376, 379 – 385, 427 – 429, 431 – 433, 448, 452, 470, 520, 528, 654, 681, 679, 687 f., 716, 782, 790, 794
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Anhang
Baer, Karl Ernst von 104 f., 337, 470 Bamberger, Ludwig 520 f., 596, 598, 692 f. Bancroft, George 477, 517, 530, 680 Bayerische Akademie der Wissenschaften 232, 243, 691 Bayern 428, 629, 691 Becquerel, Antoine-Henri 798 Becquerel, Edmond 306, 366 Beethoven, Ludwig van 43, 57, 91, 190 – 192, 220, 251, 287 f., 521, 523, 582, 687, 692 Bell, Alexander Graham, siehe auch Telefon 295, 314 – 317, 611, 625, 682, 765 – 767 Berendt, Martin 696 Berlin, siehe auch Akademie der Künste; Akademie der Wissenschaften; Berlin, Universität; Charité; Elektrotechnischer Verein; Friedrich-WilhelmsInstitut; Physikalische Gesellschaft; Physikalisches Institut; PhysikalischTechnische Reichsanstalt 52 – 56, 411 – 433, 446, 448, 619f., 635, 665, 711, 722 Berlin, Universität, siehe auch Physikalisches Institut 53, 57, 65, 67, 70, 451 – 453, 494, 779, 793, 805 Berliner Verein für Gewerbefleiss, Berlin 698 Bernard, Claude 207, 306 Bernoulli, Daniel 82, 224, 226, 608 Bernstein, Aaron 270, 281, 552 Bernstein, Julius 281 – 283, 350, 385, 440, 479, 596 Berthelot, Marcellin 439, 668, 729 Bessel, Friedrich Wilhelm 48, 104, 111, 530, 632 Bezold, Wilhelm von 511, 636, 645, 715, 734, 739, 746, 747, 786, 792 Bildung(swesen), siehe auch Kunst; Kultur; Universitäten; Wissenschaft 10, 33 – 35, 37 – 46, 55 f., 69, 91, 181, 205 f., 210, 250, 254, 270, 272, 274, 276, 280, 299, 305 f., 315, 318, 424, 433, 452, 456, 495, 517, 526, 529, 532, 548, 553 f., 562, 566, 569, 589, 634, 643, 704 f., 707, 715, 724, 744, 773, 782, 809 Biot, Jean-Baptiste 58 Bismarck, Otto von 352, 354, 427, 442, 446 f., 513, 520 f., 529 – 532, 554, 572, 580, 582, 595, 597, 642, 666, 687, 692 f., 704, 707, 754, 788, 798
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Boas, Franz 22, 597, 648 Boltzmann, Ludwig 433, 452, 502 f., 636, 645, 672 – 674, 699, 715, 741, 797 Bolza, Oskar 500, 647 Bonn, siehe auch Bonn, Universität 20, 65, 154, 184 – 190, 191 – 232, 235 f., 238 f., 241, 243, 247, 285, 301, 304, 344, 371, 376, 385, 403, 421 f., 426, 573, 602, 648, 656 – 658, 693, 771 f., 778, 802, 809 Bonn, Universität 62, 195, 213 f., 248, 267, 377, 379, 419 Botanik, siehe auch Zoologie 56 f., 60, 127, 143 f., 149, 198, 250, 269, 322, 453, 472, 482, 518, 525, 554, 596 f., 603, 689 Bowman, William 138, 141, 367, 374, 610, 618, 641 Brewster, David 141, 144 – 147, 266, 684, 691 British Association for the Advancement of Science (BAAS) 151, 157, 161 – 163, 165, 159, 175, 184, 194 f., 245, 339, 424, 462, 534, 541 f., 544, 546, 611, 623 f., 627, 701, 730 – 732, 756, 781 Budge, Julius 151, 154, 185, 194, 199 – 202, 212 Bülow, Hans von 524 Bunsen, Robert 133 f., 151, 154 f., 185, 196, 205, 211 – 213, 227 – 229, 135 – 242, 251, 254, 263 – 265, 280, 288, 292, 307, 326 f., 337, 373, 424 – 426, 442, 472, 501, 534, 603, 632, 643, 653, 679, 682, 697, 708, 710, 746 Burdach, Karl Friedrich 104 Butler, Nicholas Murray 648, 763, 766 Buys-Ballot, C. H. D. 746 Cambridge, Universität 50, 161, 163, 310 f., 314 f., 321, 403, 433 f., 470, 472, 475, 565 – 567, 610, 612 – 614, 731, 759 f., 794, 818 Campbell, Norman Robert 678 f. Cantor, Georg 678 Carnot, Lazare 702 Carnot, Sadi 83, 171, 416, 608, 702 f. Cauchy, Augustin-Louis 408 Charité (Krankenhaus), Berlin 52 f., 56, 63, 68 – 70, 75, 684 Chemical Society, London 564, 609 f., 612, 619, 694, 785 Chemie, siehe auch Wärme; Physik; Physiologie 12, 56 f., 60, 65, 76 – 78, 82 f., 98, 106, 123, 125, 127, 156, 158, 161, 164, 168,
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Register
175, 198 f., 200, 212 f., 235 f., 239, 244, 262, 279, 288, 324, 333, 341, 375, 377, 415, 440, 442, 453 f., 464, 474, 477 f., 482, 484, 491, 495, 500, 511 f., 555 f., 560, 567, 615, 596, 599, 602 f., 610, 615, 627, 631, 647, 653, 661, 667, 669 – 671, 689, 693, 708, 722, 729, 732, 735, 738, 742, 745, 814 Chevreul, Michel Eugène 306, 366, 511, 682, 799 Chicago, siehe auch Chicago, Universität 500, 519, 621, 733, 751 – 757, 760, 767, 775 Chicago, Universität 500, 647, 733, 820 f. Christentum, siehe auch Helmholtz, Ferdinand; Schönheit; Theologie 41, 174, 176, 199, 441, 518, 520, 597, 641 Classen, August 362, 364 f., 579 Clausius, Rudolph 76, 89, 92, 96, 168, 171, 195, 336, 354, 376, 382, 385, 387 – 390, 416, 470, 472, 491, 539, 555, 606, 625, 627, 637, 648, 656, 668 f., 672, 680, 734 Clifton, Robert Bellamy 324, 424, 567 Colding, Ludvig 83, 389, 420 Collège de France 250, 323, 367, 406, 570 Columbia University 512, 648, 753, 763 f., 766 – 768 Cornell University 501, 649 Croonian Lecture 261, 319, 323, 327, 329, 348 D’Alembert, Jean le Rond 59, 82, 297, 305, 408 Darwin, Charles, siehe auch Evolution 19, 50, 172, 266, 292, 313 f., 322, 327 f., 334, 339, 346, 369, 411, 417 f., 420, 424, 439, 441, 472, 505, 525 f., 546, 552, 562 f., 566, 570, 573, 588, 724, 726, 794, 797, 813 Dedekind, Richard 678 Deduktion siehe Wissenschaftstheorie Deutsch-Französischer Krieg (1870/71) 352, 427 – 431, 446, 483, 487, 490, 536, 573, 595, 662, 707 Deutsche Gesellschaft für Mechanik und Optik 689, 785 Deutsche Gesellschaft zu Königsberg 104, 143, 785 Deutschland, siehe auch Antisemitismus; Bildung; Industrie; Kultur; Kulturkampf; Nationalismus; Politik; Preußen; Sachsen; Universitäten; Wissen-
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schaft 10, 20 – 23, 26 f., 29, 32, 38, 40, 73, 76, 98, 103 f., 112, 117, 119 f., 126, 131 f., 136, 141 – 143, 147, 150, 153, 157 – 159, 161, 163, 167 – 170, 174 f., 177, 179, 184, 194 f., 204, 216, 236 – 238, 250 f., 254, 256, 260, 279, 286, 290, 300 – 307, 309, 313, 316, 319 – 343, 353, 372, 376 – 378, 394, 399, 406, 411, 419, 422, 428 f., 431, 443, 446 f., 453 f., 456, 459, 463, 465, 467, 471, 477, 488, 501, 505, 512, 516 f., 519, 524 f., 527, 530 – 536, 540 f., 544, 546, 548 f., 551 f., 557, 562 f., 570 – 572, 575, 580, 582, 594 – 597, 599, 604 f., 607 f., 620 – 623, 626, 629, 633, 637, 639, 642, 648, 652, 660, 670, 677, 691 f., 701, 707, 715 f., 723, 730 f., 738 f., 743, 751, 755, 775 f., 782, 784, 792, 794, 798, 801 – 804, 807 – 810, 813 f., 820 Deville, Henri Étienne Sainte-Claire 306, 307 Devrient, Eduard 62, 258 Dichtung, siehe auch Kultur; Kunst; Literatur 49, 58, 149, 460 Dickens, Charles 92, 328 Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik, siehe auch Akustik; Musik; Töne 210, 287 f., 321, 339, 737, 798 Dilthey, Wilhelm 22, 339, 462, 518, 631, 676, 707, 730, 777, 786, 800 Diplomatie, siehe auch Politik 517, 756 Donders, Franciscus Cornelis 138, 140 f., 197, 202, 244, 249, 288, 321, 329, 344 – 346, 362, 367, 372, 374, 495, 576, 637, 640, 682 f. Dove, Heinrich Wilhelm 56 f., 109, 152 – 154, 157, 160, 219, 266, 407, 422, 425, 447, 465, 469, 490, 497, 499, 636, 638, 709, 723 Drude, Paul 662, 750 du Bois-Reymond, Emil 66, 73, 76 – 82, 86 – 93, 96 – 99, 105, 108 – 115, 122 – 127, 135 – 142, 145, 151, 153, 157 – 160, 169, 173, 182, 185, 187, 199 f., 202, 207, 211 – 214, 226 – 232, 240 – 242, 248, 253, 256, 262, 264, 266, 268, 281, 284, 286, 319, 322, 331 f., 339, 348, 350, 352 f., 355, 373 f., 377, 381 – 383, 385, 412, 421 – 427, 430 – 435, 441, 447, 453, 468, 474 f., 477 f., 488, 495, 499 f., 518, 524 – 528, 531 f., 539 f., 546, 552, 554, 563, 572 – 574, 589, 592 f., 597 f., 604, 624 f., 631, 636 f., 651, 655, 659, 678,
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Anhang
680, 693, 698, 707 f., 715 f., 723 f. 730, 733, 742, 752, 786 f., 795, 812, 819 Duhem, Pierre 669, 678 Dühring, Eugen, siehe auch akademische Freiheit; Antisemitismus 553, 557, 605 f., 531, 533, 554 – 557, 561, 564, 570, 572, 579, 583, 605 – 609, 800, 804 Ebbinghaus, Hermann 500, 656, 738 Eckert, Karl 519, 521 f., 819 Edinburgh, Universität 387, 639, 641, 694 Edison, Thomas, siehe auch Elektrizität; Telephon; Telegraph 316 f., 339, 501 f., 593, 625, 647, 699, 700, 755, 761, 766 Ehrenfest, Paul 674 Einstein, Albert 19, 83, 270, 405, 411, 477, 500, 576, 730, 741, 750, 799, 801 – 804, 806, 808, 813 Elektrizität, siehe auch Elektrochemie; Elektrodynamik; elektromagnetische Theorie; Magnetismus; Physik 86, 90, 142, 153, 157, 192, 202, 277, 389, 409 f., 415, 420, 497, 519, 606, 615, 617, 620 – 628, 633, 652, 657 f., 673, 701, 733 – 735, 738, 743, 745, 751, 754 f., 757, 761 Elektrochemie, siehe auch Chemie; Elektrizität; Elektrodynamik; Thermodynamik 281, 614 f., 669 Elektrodynamik, siehe auch Elektrizität; Elektrochemie; elektromagnetische Theorie; Physik 376, 403, 406, 408 – 411, 477, 479 – 481, 496, 536, 538, 592, 610, 615, 649 f., 653, 655, 667, 738, 741, 749 f., 773 f. elektromagnetische Theorie, siehe auch Elektrizität; Elektrodynamik; Magnetismus; Physik 409 f., 480, 487, 501 f., 627, 671 f., 741, 748 f., 766 Elektrotechnischer Verein, Berlin, siehe auch Elektrizität 622 Eliot, George 22, 313, 334, 339, 407 Ellis, Brian 679 Energie, siehe auch Erhaltung der Kraft; Physik; Thermodynamik; Wärme 9, 11, 16, 21, 58, 109, 161 f., 169 f., 172, 174, 227, 260, 262, 270, 319 f., 325 f., 329 – 331, 333, 339 f., 352, 360, 368, 370, 376, 388 – 390, 405, 410 f., 416 f., 429, 437 f., 454 f., 461, 471, 477, 480, 492, 534, 546, 552, 554 – 556, 582, 592, 605 – 609, 615 f., 652, 669, 671 – 673,
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675 f., 697, 724, 738, 742, 744, 748 f., 754, 761, 798, 820 Engels, Friedrich 22, 556, 811 f. Entropie 388 f., 668 f. Erde, siehe auch Geographie; Magnetismus; Meteorologie; Physik 29 f., 131, 171 – 173, 248, 263, 270, 319 f., 326 – 328, 335, 417, 436 – 439, 441, 488 – 490, 534, 588, 592, 632, 690, 720, 742 f., 788 Erhaltung der Kraft, siehe auch Energie; Physik 10, 59, 80 – 82, 85, 89, 106, 142, 151, 161 f., 168 – 171, 173, 176, 195, 227, 258, 262, 308, 319 f., 324, 339, 482, 487, 574 f., 606 – 608, 672, 713, 740 Erkenntnistheorie, siehe auch Philosophie; Wissenschaftstheorie 10, 12, 143, 178, 281, 366, 368, 574 f., 577, 580, 583, 591 f., 603, 671, 676, 717, 749, 759, 798, 808 Erziehung siehe Bildung Euler, Leonhard 297, 309, 675 f. Evolution, siehe auch Darwin, Charles 371, 438 f., 441, 505, 526, 562, 570, 724, 729, 775 Faraday, Michael, siehe auch Elektrizität; elektromagnetische Theorie; Magnetismus 83, 155, 164, 168, 259 f., 321, 324, 327, 334, 341 f., 408 f., 461, 471 f., 494 f., 530, 540 f., 552, 564, 592, 609 – 619, 655, 668, 691, 694, 727, 755 Farben(lehre), siehe auch Kunst; Malerei; Optik; physiologische Optik; PurkinjeEffekt; Sehen 16, 59, 141, 143 – 147, 179 f., 184, 203, 216 f., 223, 225, 252 – 254, 322 f., 330, 362, 391, 401, 448, 486, 507, 509 – 512, 629, 684, 690, 696, 723 f., 726 – 728, 730, 737, 799 Fechner, Gustav Theodor, siehe auch Psychophysik 142, 253, 302, 509, 538, 576, 593 f., 678, 737 Fichte, Immanuel Herrmann 26 – 29, 32 f., 39, 215 f., 217 f., 246, 573, 584 – 589, 819 Fichte, Johann Gottlieb 26 – 28, 33, 106, 217, 564, 573 Fick, Adolf 202, 345, 346, 362 Fischer, Emil 656, 699, 722, 798 Fischer, Ernst Gottfried 48 Flügel (Klavier), siehe auch Akustik; Musik 317, 451, 492, 520, 767
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Foerster, Wilhelm 412, 595, 598, 663, 689, 691, 720, 734 Fortschritte der Physik, siehe auch Physik; Physikalische Gesellschaft zu Berlin 106, 151, 478, 652 Fotografie siehe Photographie Francis, William, siehe auch Taylor & Francis 156, 158 f., 162, 165, 818 Frankfurt am Main 205, 253, 334, 373, 775 Frankreich, siehe auch Collège de France 27, 90, 112, 117, 123 f., 141, 150 f., 246, 305 – 309, 336, 353, 368, 399, 412, 419, 427 f., 430 f., 442, 446, 467, 530, 537, 567 – 569, 573, 582, 595, 621 f., 628, 649, 695, 701 f., 706, 755, 765, 813 Frauen 106, 121 f., 129 f., 152, 156, 161, 163, 184, 206, 217, 251, 266, 285, 292, 321, 376 f., 430, 449, 463, 548, 553 – 555, 597, 601, 614, 693, 710, 738 f., 754 Fraunhofer, Joseph von 237, 326, 689 – 692 Frege, Gottlob 678 Freud, Sigmund, siehe auch Psychologie 22, 339 f., 365, 500 Friedländer, Julius 696 Friedrich II. (der Große) 459, 635 Friedrich Wilhelm III. 26, 30, 40, 61, 467, 581 Friedrich Wilhelm IV. 30, 61, 106, 199, 467, 529 Friedrich-Wilhelms-Institut, Berlin 51 – 53, 56, 557, 559, 806 Fritsch, Gustav 241, 637 Frobenius, Georg 637, 768 f. Gauß, Carl Friedrich 77, 197, 391 f., 394 f., 397, 402, 461, 469, 480, 530, 623 f. Geisteswissenschaften, siehe auch Wissenschaft 56, 235, 271 f., 274 f., 277, 320, 488, 550, 567, 706, 767, 792 Geodätisches Institut siehe Preußisches Geodätisches Institut Geographie, siehe auch Erde 39, 45, 164, 453, 648 Geologie, siehe auch Erde 143, 164 f., 196, 205, 440, 448, 745 Geometrie, siehe auch Klein, Felix; Mathematik; Physik; Physiologie; Plücker, Julius; Raum; Riemann, Bernhard 17, 22, 37, 49, 139, 197, 308, 345, 349, 375,
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390 – 407, 424, 482, 491, 511, 534, 555, 557, 54 – 581, 583, 589, 591, 594 f., 606, 677 f., 740, 752, 773, 778, 795, 802 f. Gervinus, Georg Gottfried 235, 251, 265, 443 Geschichte, siehe auch Naturgeschichte 23, 28, 39 f., 45, 56, 64, 92, 104, 172 f., 219, 231, 235, 244, 270, 355, 372, 387 – 390, 436, 442, 455, 457, 459, 462, 472, 498, 500, 513, 531, 533, 545, 550, 553, 564, 575, 583, 597, 605, 617, 647, 674, 699 f., 705, 738, 749, 753 f., 763, 787, 799, 801, 807, 809, 811, 819 f. Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte 175, 532, 699 Gesetze, siehe auch Kausalität; Physik; Physiologie; Wissenschaft; Wissenschaftstheorie 16 f., 19 – 22, 41 f., 46 f., 74, 83 – 86, 115, 148, 172, 174, 178, 180, 183 f., 207, 210, 227, 261 – 263, 274 – 276, 293 f., 296 – 300, 320, 325, 329 f., 336, 338, 346, 356, 358 – 360, 362, 368, 373, 392, 397, 414 f., 417, 441, 460 f., 482, 489, 491, 508, 531, 533, 536, 541, 543 f., 547, 559 – 562, 583 – 585, 587 f., 607, 616 f., 634, 638, 670, 673, 675, 677, 684 f., 706, 717, 725, 728 f., 767, 773 f., 780 Gibbs, Josiah Willard 668 – 670, 766 Gifford Lectures 694 Gluck, Christoph Willibald 43, 57, 70, 523, 714 Goethe, Johann Wolfgang von 33, 43, 57 f., 78, 83, 143 – 150, 171, 174, 183, 206, 210, 216 f., 272, 275, 299, 334, 337, 364, 489, 491, 517, 556, 581 f., 587 f., 616, 684, 710, 717, 721 – 730, 749, 814 Goethe-Gesellschaft, siehe auch Goethe, Johann Wolfgang von 722 f., 729 Gossler, Gustav von 528, 657, 695, 705, 707, 733 Graefe, Albrecht von, siehe auch Ophthalmologie 137 f., 140 f., 152, 282, 284, 344, 346, 348, 366 f., 374, 458, 680, 682 – 684, 686, 713 f. Graham, Thomas 261, 295, 315, 327 Grassmann, Hermann Günther 678, 806 Grévy, Jules 628 Grimm, Jakob 530 Großbritannien, siehe auch Royal Institution 90, 141, 150, 156, 162, 168, 173, 177,
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Anhang
258, 309 f., 319 – 343, 314 – 316, 319 – 321, 323, 327, 329, 332, 334, 340, 379, 399, 406, 424, 433 f., 469, 481, 529 f., 540, 542, 546, 566, 594, 609 f., 612, 614 f., 619, 622, 639 – 644, 691, 694, 706, 719, 731, 737, 755 Hall, Alexander Wilford 505 f., 594 Halske, Johann Georg, siehe auch Instrumente; Siemens & Halske 78, 80, 92, 99, 109, 208, 447, 754 Hamilton, William Rowan 168, 673 f. Handbuch der physiologischen Optik, siehe auch Ophthalmologie; Optik; physiologische Optik; Wahrnehmung 337, 511, 683, 737 Hann, Julius 335, 491, 637, 746, 496 Hansemann, David 788 Hanslick, Eduard 292, 301, 522 Hartmann, Eduard von 573, 575, 577 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, siehe auch Idealismus 28, 46 f., 83, 87, 128, 147 f., 174, 177 f., 183, 217 – 219, 241, 271 f., 364, 460, 560, 573 f., 582, 586, 592, 605, 704, 718 Heidelberg, siehe auch Heidelberg, Universität 19 f., 121 – 124, 133, 136 f., 141, 205, 211 – 215, 225, 227 – 248, 250 – 254, 257 f., 264 f., 267, 269, 279 – 286, 288, 292, 306, 309, 311, 313, 319 – 321, 332, 342, 343 – 345, 353, 372 f., 376 – 386, 390, 392, 396, 399, 407, 410 – 412, 421 – 428, 431, 435, 440 – 443, 454 f., 468 – 470, 477, 479 f., 501 f., 504 f., 564, 573, 577, 583, 589, 597, 602 f., 613, 629, 632, 636, 659, 680 – 682, 686, 697, 699 – 701, 704, 707, 714, 717, 746, 753, 758 – 760, 766, 782, 787, 790, 794, 796, 809, 812 f. Heidelberg, Universität 123, 250, 280, 285, 442, 787, 790, 812 Heidenhain, Rudolf 232, 281, 420, 596, Heintz, Wilhelm 76, 92, 118, 121, 248 Helmholtz, Anna (geb. von Mohl, zweite Ehefrau), siehe auch Frauen 43, 250, 254 – 256, 412, 426, 515 f., 540, 546, 554 f., 573, 651, 693, 732 Helmholtz, Caroline Auguste (Mutter) 29 Helmholtz, Ellen (Tochter) 9, 267, 332, 342, 427, 449 f., 602, 627, 639 – 643, 679,
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686, 688, 699, 701, 723, 729, 733, 752, 758, 762, 768 f., 778, 780 f., 790, 796, 802, 807 Helmholtz, Ferdinand (Vater) 26 – 29, 32 – 37, 39 – 55, 58, 62 – 64, 67, 75, 79 f., 111, 114 f., 118, 132, 136 f., 173, 188, 208, 215 – 219, 245 f., 427, 573, 589, 819 Helmholtz, Friedrich Julius („Fritz“) (Sohn) 342, 382 Helmholtz, Julie (Schwester) 36, 125, 189, 215, 245, 631, 752, 781 Helmholtz, Katharina („Käthe“) (Tochter) 106 Helmholtz, Marie (Schwester) 35, 125, 132, 245 Helmholtz, Olga (geb. von Velten, erste Ehefrau) 10 f., 79 – 81, 87, 89, 91 f., 99, 105 f., 109, 111, 117 f., 120, 122, 124 – 128, 132, 134, 137, 143, 150, 153 f., 157 – 161, 163 – 167, 185 – 191, 193, 195 – 197, 205 – 207, 212, 215, 219, 238 f., 243, 245 – 250, 259, 265 f., 342, 429, 442, 463, 631 Helmholtz, Otto (Bruder) 36, 43, 77, 136, 152, 245, 551 Helmholtz, Richard (Sohn) 137 Helmholtz, Robert (Sohn) 11, 266 – 268, 321, 342, 427, 448 – 450, 591, 602 f., 631, 639, 647, 686 f., 697 f., 701, 743, 749, 791 Henle, Jacob 66, 98, 122 – 124, 127, 136 f., 186, 596 Henry, Charles 511 Herbart, Johann Friedrich 359 Hering, Ewald 253, 337, 347 f., 350 f., 360, 362 – 365, 371, 375, 386, 594, 684, 739 Hermite, Charles 305, 407, 629 – 631, 637, 682, 869 Herschel, John 530 Hertz, Heinrich 409, 481, 498 f., 518, 520, 596, 637 f., 646 f., 649 – 659, 672, 674, 699 – 701, 709, 715, 741 f., 747 – 749, 770 – 7 74, 776, 778, 782, 799, 802 – 804, 806, 811 Hildebrand, Adolf von 519, 680, 708 – 719, 729 f., 730, 752, 786, 790 f. Hirst, Thomas Archer 156, 173, 260 f., 321, 386, 611 Hofmann, August Wilhelm von 158, 453, 457, 500, 518, 535, 598, 609, 641, 660 f., 680, 693, 701, 715, 722, 776 Hölder, Otto 678 Hopkins, Gerard Manley 313
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Horopter, siehe auch Augenbewegungen; physiologische Optik; Sehen 329, 343, 345, 347 – 349, 361 f. Horstmann, August 668 Humboldt, Alexander von 21, 56, 65, 82 f., 95 – 97, 110, 128, 150, 158, 179, 183, 187 f., 224, 250, 272, 337 f., 412, 426, 429, 469, 492, 529 Hydrodynamik, siehe auch Mathematik; Physik 224 – 227, 242, 376, 396, 403, 406 f., 409, 411, 475, 489, 491, 744, 747 f., 807 Idealismus, siehe auch Philosophie; Romantik 26, 47, 174, 586, 718, 800 Induktion siehe Wissenschaftstheorie Industrie, siehe auch Instrumente 10, 12, 21 f., 39, 195, 211, 276 f., 316, 447, 484, 513, 532, 597, 662, 689, 736, 754, 756, 766, 800 Ingenieurwesen, siehe auch Physik 324, 470, 649 Ingres, Jean-Auguste-Dominique 530 Instrumente, siehe auch Industrie; Ophthalmometer; Ophthalmoskop; Physikalisch-Technische Reichsanstalt; Resonator; Stereoskop; Telestereoskop; Wissenschaft 12, 19 f., 46, 53, 68, 71, 74, 76 – 78, 90, 109 f., 117, 120, 126, 138 f., 144, 159, 184, 186, 188 f., 194, 201, 212, 221, 232, 239, 241, 287, 289 – 292, 295 f., 306, 309, 316 f., 323 f., 330, 367, 385, 402, 413, 418, 423, 435, 458, 465 – 467, 474, 482 – 484, 494, 502 – 504, 514, 519, 527, 541 f., 559 f., 574, 623, 625, 640, 662 f., 684, 689 f., 700, 714, 717, 733 f., 736, 763 Internationale Elektrizitätskongresse, siehe auch Elektrizität 620, 622, 627 f., 743, 751, 755, 757 Jacobi, Carl Gustav Jacob 48, 77, 87, 89, 104, 151, 389, 555, 596 James, William 22, 285 f., 369 – 371, 403, 477, 593, 641, 660, 737, 760 Joachim, Joseph 433, 507, 519 f., 596, 619 f., 700, 715, 786 Johns-Hopkins-Universität 761 Jones, Henry Bence 141, 159 f., 168, 258, 260, 262, 319 – 322, 331 f., 468, 821 Joule, James Prescott, siehe auch Erhaltung der Kraft; Thermodynamik 83,
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162, 168, 170, 262, 324, 387 – 390, 407, 415, 420, 470, 554, 605, 607 f., 640, 694 Journal für die reine und angewandte Mathematik 410 Judentum, siehe auch Antisemitismus 199, 518, 597, 806 Kant, Immanuel, siehe auch Idealismus; Kant-Laplace’sche Hypothese; Kantianismus 47, 83, 102, 106, 171, 174, 177 f., 180 – 183, 217, 219, 359 – 361, 363, 399, 436 f., 561, 573 – 575, 577, 579, 588, 592, 678, 718, 727 f. Kant-Laplace’sche Hypothese, siehe auch Physik 171, 173, 416, 435 f., 438, 440 Kantianismus, siehe auch Idealismus; Kant, Immanuel; Philosophie 579 Karsten, Gustav 76 f., 139, 142, 203, 253, 653 katholische Kirche, siehe auch Kulturkampf 353, 474, 530, 595 Kaulbach, Wilhelm von 153, 243 f. Kausalität, siehe auch Erkenntnistheorie; Gesetze; Wissenschaft; Wissenschaftstheorie 10, 274, 359, 374, 415, 535, 556 Kelvin, Lord siehe Thomson, William Kiel, siehe auch Kiel, Universität 137, 142, 203, 280, 412, 462, 646, 648, 653 f., 696 Kiel, Universität 137, 280 Kießling, Johann 743 Kircher, Athanasius 297 Kirchhoff, Gustav Robert 76, 78, 92, 96, 112, 118, 139, 142, 168, 196, 205, 212, 214, 227, 229, 235 – 237, 239, 241 f., 251, 254, 259, 263 – 265, 279, 292, 307, 326 f., 376 f., 387 f., 407 f., 410, 422 – 426, 442, 453 f., 461, 472, 497, 499 f., 502, 518, 534, 545, 549, 555, 610, 624 f., 629, 636 f., 639, 645 – 647, 649 – 651, 657, 660 – 662, 679 f., 697 f., 727, 746 f. Klavier siehe Flügel (Klavier) Klein, Felix 403 – 405, 577, 752, 768, 770, 775 Knapp, Hermann, siehe auch Ophthalmologie 241, 249, 282 – 285, 344, 346, 350, 385, 431, 448, 476, 493, 557, 751 – 753, 757 f., 761 f., 764, 768, 770, 792 Knaus, Ludwig 512 – 514, 519, 558, 754, 813 Knerck, Ferdinand 230
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Anhang
Knoblauch, Karl Hermann 76, 92, 120, 139, 151 Koch, Robert 486, 637, 682, 705 Koenig, Rudolph, siehe auch Akustik; Instrumente 291, 304, 625, 699 f. Koenigsberger, Leo 15, 377, 403, 424 f., 502, 539, 596, 672, 682, 699, 778, 787, 795 – 797, 806 Kohlrausch, Friedrich 627 637, 657, 662, 699, 734, 772, 785, 789, 802 Kohut, Adolf 642 Köln 154, 193, 201, 425, 435, 507, 733 Kombinationstöne, siehe auch Akustik; Musik; physiologische Akustik; Resonator; unbewusster Schluss; Töne 205, 208 – 210, 220, 222, 242, 291, 293, 296, 298, 304, 511, 700 König, Arthur, siehe auch physiologische Optik 375, 656, 660, 666, 675, 737, 740 – 742 Königsberg, siehe auch Deutsche Gesellschaft zu Königsberg; Königsberg, Universität 20, 48, 97 – 99, 102 – 114, 118 f., 123, 126 f., 132, 143 – 145, 150, 152, 154, 161, 165, 167, 169 f., 177 f., 184 – 192, 195 – 198, 200 f., 207, 214 f., 225, 241, 320, 365, 425, 518, 537 f., 654, 723, 729, 785, 809 Königsberg, Universität 91, 102, 144 Krakatau, siehe auch Geologie; Meteorologie 742 f., 748 Kries, Johannes von 678 Kronecker, Leopold 403, 449, 453, 518, 527, 589, 596 – 598, 673, 708, 715, 776 Krönig, August Karl 151, 153 Kultur, siehe auch Bildung; Dichtung; Kulturkampf; Kunst; Literatur; Malerei; Musik; Naturphilosophie; Romantik; Wissenschaft; Zivilisation 13, 21 – 23, 32, 34, 38, 40 f., 46, 57, 79, 102, 106, 142, 150, 154, 172, 183, 273, 296 f., 308, 317 f., 339, 364, 367, 446, 456, 467, 488, 494, 506 f., 516, 522, 530 – 553, 553 – 592, 596, 676, 687, 693, 723 f., 729, 759, 764, 784 f., 794, 800, 808, 814 Kulturkampf, siehe auch akademische Freiheit; katholische Kirche 530 – 533, 553 – 592 Kummer, Ernst 453, 650
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Kundt, August 317, 363, 453 f., 479, 518, 625, 636, 639, 645 f., 656, 660, 662, 680, 699, 708 f., 715, 722, 734, 738 f., 741, 752, 772, 776, 782, 785 Kunst, siehe auch Ästhetik; Bildung; Künstler; Malerei; Schönheit 12, 15 f., 23, 31 – 35, 42 f., 49, 52, 55 f., 70, 72, 78 f., 93 – 95, 103 f., 107, 131 f., 134, 143, 147 – 150, 152, 155 f., 166, 191, 196, 205, 220, 233, 343, 271, 293 f., 296, 298 – 300, 302 f., 308, 337, 368, 374, 376, 456, 463, 467, 475, 505 – 508, 511 f., 516 – 518, 522, 526, 529, 553, 585, 590, 599, 633, 641, 648, 680, 683, 690, 695 f., 705, 716, 721 – 733, 752 – 754, 760, 790, 792, 794, 799 f., 807 Künstler, siehe auch Kunst; Bildung 16, 18, 22, 32, 94 f., 161, 197, 223, 243, 266, 286, 297, 299, 403, 507 – 509, 511 f., 519, 521 f., 528 – 530, 549, 561, 585, 588, 685 f., 694, 708, 715, 717, 724 – 726, 797, 799 Kunstverein, Potsdam 31, 152 Kussmaul, Adolf 687 Ladenburg, Albert 653 Laforgue, Jules 630 Lagrange, Joseph-Louis 226, 672 – 674, 676 Land, J. P. N., siehe auch Kantianismus 578 – 580 Laplace, Pierre-Simon de, siehe auch Kant-Laplace‘sche Hypothese 162, 171, 173, 271, 309, 327, 435 – 438, 446, 491 Laugel, Auguste 305 f., 309, 368 Leibniz, Gottfried Wilhelm 82 f., 86, 378, 457, 554, 608, 635, 674 f., 786 f. Leipzig, siehe auch Leipzig, Universität 119, 140, 196, 235, 242, 285, 289, 303, 337, 351, 374, 452, 455, 478, 480, 532 f., 535 f., 537 – 539, 593 f., 660, 678, 759, 763 Leipzig, Universität 478, 351, 535, 539 Lemcke, Carl von 504 Lenbach, Franz von 512 f., 519, 522 f., 542, 604, 642, 688, 710, 782 – 784, 788 f., 791 Lessing, Carl Friedrich 70, 122 Lessing, Gotthold Ephraim 49, 440, 556 Lewes, George Henry 22, 313, 334, 368 Lie, Sophus 404, 577, 752, 775 Liebig, Georg von 120 Liebig, Justus von 73, 83, 97, 120 f., 123, 141, 156, 175, 244, 288, 337 f., 469, 512, 552, 629
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Register
Liebreich, Richard 138, 367, 518, 541, 596 Lippmann, Gabriel 629, 712 Lipschitz, Rudolf 197 f., 248, 377, 380, 382 f., 397, 403, 469, 523, 536, 591, 596 f. 772, 778 Liszt, Franz 451, 519, 522 – 524, 530 Literatur, siehe auch Dichtung 16 f., 29, 38 – 40, 43, 45 f., 48, 55, 64, 74, 77, 104, 142, 149, 203 f., 235, 243, 252, 254, 273, 305 f., 339, 349, 356, 396, 402, 407, 448, 487, 502, 504, 506, 529, 547, 549, 553 f., 579, 581, 615, 636, 641, 652, 674, 723, 753 Lodge, Oliver 593, 749 London, siehe auch Chemical Society; Royal College of Chemistry; Royal Institution; Royal Society 120, 138, 141, 153 – 161, 164, 166, 168, 250, 256, 258 – 261, 269, 312, 315, 319, 321 – 325, 327 – 329, 331 – 334, 340, 343, 379, 437, 456 f., 464, 468 f., 471, 481, 492, 541 f., 576, 609 f., 612 – 614, 618, 621, 639, 641, 693 f., 731, 733, 765, 785, 818 Lorentz, Hendrik Antoon 481 Lotze, Rudolf Hermann 120, 219, 301, 359, 585 Low, Seth 764 – 767 Ludwig, Carl 36, 78, 89, 91 f., 97, 107 – 110, 113, 121 – 127, 134, 136 – 138, 142, 145 f., 166, 173, 176 f., 185 – 187, 189, 199, 202, 211, 214, 229, 232, 235, 241 f., 248, 284 – 286, 301, 331, 337 f., 367, 372, 374 f., 382 f., 421, 433, 504, 524, 538 f., 575, 594, 680, 686, 709, 715, 759 Luftfahrt, siehe auch Meteorologie 488, 747 Mach, Ernst, siehe auch Akustik; Wissenschaftstheorie 301 f., 304, 306, 308, 576, 806 Mackenzie, Morell 693 Magnetismus, siehe auch Elektrizität; elektromagnetische Theorie; Erde 77, 86, 389, 409, 481, 496 f., 621, 652, 668, 727, 741 Magnus, Heinrich Gustav, siehe auch Erhaltung der Kraft 28, 74 – 76, 86 – 88, 96, 109, 120, 150 – 153, 168, 242, 245, 248, 250, 258, 264, 266, 380 f., 421 – 423, 447, 456 – 462, 465 f., 477, 497, 500, 596 f., 635 f., 638, 660, 723, 743
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Magnus-Levy, Albert 660 Mahler, Gustav 318, 799 Malerei, siehe auch Farben; Kunst; physiologische Optik 16 f., 288, 402, 477, 506 – 508, 510 – 513, 517, 524, 529, 693, 725 Marey, Etienne-Jules 367, 628 Marx, Karl 22, 56, 174, 183, 811 f. Mathematik, siehe auch Arithmetik; elektromagnetische Theorie; Geometrie; Optik; Physik 39, 45, 77, 90, 104, 112, 156, 161, 197, 220 f., 226, 243, 248, 265, 275, 305, 310, 375 – 377, 380, 394 f., 405, 407, 410, 424, 491, 497, 499 f., 504, 511, 603, 631, 647, 678, 689, 695, 697, 704 f., 761, 765, 787, 802 Maupertuis, Pierre-Louis Moreau de, siehe auch Preußische Akademie der Wissenschaften 674 – 676 Maxwell, James Clerk, siehe auch Elektrizität; Elektrodynamik; Maxwellianer 139, 162, 184, 208, 227, 252 f., 260, 264, 314 f., 330, 334, 368, 389, 401, 408 – 411, 434, 461, 463, 470, 479 – 481, 502 f., 511 f., 540 f., 566 f., 592, 594, 612, 614 – 619, 627, 638, 650, 652, 655 f., 658, 672 f., 678, 701, 749 f., 770 f., 774, 777, 799 Maxwellianer, siehe auch Maxwell, James Clerk 656 Mayer, Julius Robert, siehe auch Erhaltung der Kraft; Thermodynamik 83, 87, 90, 170, 173, 263, 308, 327, 333, 339, 388 – 390, 407, 412, 415, 417, 420 f., 470, 482, 505, 546, 549, 552, 554 f., 561, 596, 605 – 609, 674, 806 Medizin, siehe auch Akustik; Anatomie; Ärzte; Ophthalmologie; Ophthalmoskop; Physiologie; Wissenschaft 51 f., 52 – 69, 199, 201 f., 211 f., 228, 235 – 241, 273, 282, 285 f., 295, 307, 311, 329, 332, 337, 340, 343 f., 351, 367, 378 – 380, 382, 418 f., 424, 452 f., 482, 484, 497 f., 500, 518, 532, 557 – 562, 596, 647, 656, 659, 685, 699, 702 f., 705, 715, 759, 764, 785, 803, 810, 812, 814 Medizinisches Doctoren-Collegium, Wien 337 Mendelssohn-Bartholdy, Felix 520, 530, 596, 599, 619, 708 Menzel, Adolph von 152, 512 f., 515 f., 519, 522, 529, 558, 592, 680, 715, 740, 788, 798
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Anhang
Metaphysik, siehe auch Erkenntnistheorie; Philosophie; Wissenschaftstheorie 178, 215, 369, 536, 542 – 544, 550, 557, 560 – 562, 570, 575, 577, 588, 605, 616, 718, 802 Meteorologie, siehe auch Erde; Physik 17, 56, 143, 157, 164, 263, 375, 416, 453, 489 – 492, 625, 645, 742 f., 745 f., 748 Meteorologisches Institut, siehe auch Meteorologie 639, 742 Metrologie siehe Physik Meyerbeer, Giacomo 134, 530 Mill, John Stuart 274, 358 f., 730 Mitscherlich, Eilhard 56 f., 59, 71, 73, 109, 341 Mohl, Anna von siehe Helmholtz, Anna Mohl, Robert von 235, 250 f., 259, 452 Mommsen, Theodor 430, 453, 455 f., 473, 513, 518 – 520, 527, 529 f., 581, 598 f., 637, 682, 707, 715, 754, 777, 782, 788, 804 monozyklische Systeme, siehe auch Physik; Thermodynamik 667, 671 – 673, 772 Montpellier, Universität 701 – 703 Moser, Ludwig 104, 145, 190, 250, 479 Mozart, Wolfgang 43, 57, 59, 196, 287 f., 794 Müller, Johannes, siehe auch Physiologie; Sehen 56 f., 64 – 69, 73 – 7 7, 89, 91 – 93, 96 – 98, 105, 109 – 111, 115, 119, 121 f., 133, 136, 138, 145, 149, 151, 176, 180, 183, 202, 230, 232, 240, 242, 250, 252 f., 286, 295, 345, 359 f., 363, 365, 418, 469, 495, 526, 530, 569, 586, 589 f., 684 Mursinna, Christian Ludwig 32, 52, 54 Musik, siehe auch Akustik; Flügel (Klavier); Musiktheorie; physiologische Akustik; Töne 7, 10, 16 – 18, 21 f., 36, 42 f., 54 f., 59, 79, 91, 105, 133, 155, 164, 192, 196 f., 209 f., 220 – 223, 226, 242, 244, 254 – 256, 258 – 261, 265, 269, 278, 286, 287 – 318, 321, 337, 341, 358, 402, 450, 452, 506 f., 512 f., 517 – 524, 529, 589, 596, 641, 647, 687, 693, 695, 710, 713 – 715, 726, 738, 760, 763, 781, 788, 799 Musiktheorie, siehe auch Akustik; Musik 293, 301 – 303, 311 Nagel, Ernst 679 Nasse, Hermann 120
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National Academy of Sciences (der Vereinigten Staaten) 630, 792, 794 Nationalismus, siehe auch Antisemitismus; Deutschland; Politik; Preußen 22, 107, 236, 420, 530 f., 544 f., 620, 792 Naturgeschichte, siehe auch Erde; Geologie; Geschichte; Wissenschaft 56 f., 258, 323, 574 Naturforscherversammlung siehe Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte Naturphilosophie, siehe auch Idealismus; Philosophie; Romantik 19, 61, 78, 82 f., 87, 147, 150, 163, 170, 178 f., 263, 297, 324, 330, 407, 574, 609, 618, 675 Nernst, Walther, siehe auch Chemie; Thermodynamik 669 f., 742 Nerven, siehe auch Anatomie; Medizin; Physiologie; physiologische Optik 27, 63, 66 – 68, 90, 107 – 114, 117, 119 – 121, 137, 140, 142, 153, 156, 169, 176, 179 f., 182 f., 199, 220, 222, 244, 280 f., 293, 295 f., 333, 363, 384, 418, 510, 593, 645, 725, 737, 790 Nestroy, Johann 152 Neukantianismus siehe Kantianismus Neumann, Carl 408, 411, 461, 480, 534, 536 Neumann, Franz Ernst 104, 106, 112, 119, 145 f., 190, 197, 408, 410, 616, 656, 743 Neumayer, Georg von 743 Newton, Isaac 66, 84, 86, 144 – 148, 161, 178, 184, 254, 271 f., 275, 309, 325, 367, 411, 472, 503, 544, 554, 592, 616, 632, 672 f., 690, 727, 794, 799, 813 Nietzsche, Friedrich 22, 304, 339, 365, 519, 521, 536, 800 Nobelpreis, siehe auch Wissenschaft 295 – 297, 629, 648, 708, 742 746, 798 f., 803 Ohm, Georg Simon 142, 209 f., 295, 408, 469, 606, 626, 628, 641 f., 731, 733, 755 f. Onnes, Heike Kamerlingh 746 Oper, siehe auch Kunst; Musik 74, 79, 131, 134, 153, 625, 633 Ophthalmologie, siehe auch Augenbewegungen; Farben; Horopter; Ophthalmoskop; Optik; Physiologie; physiologische Optik; Prinzip der einfachsten
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Orientierung; Sehen 140 f., 282, 284, 343 f., 346, 364, 366, 476 f., 491, 541, 680, 682 – 686, 689, 775, 801, 808 Ophthalmometer, siehe auch Instrumente; Ophthalmologie 139, 284, 378, 514 Ophthalmoskop, siehe auch Instrumente; Ophthalmologie 113, 116, 135, 138, 244, 284, 291, 296, 344, 361, 514, 560, 683 f., 713, 764 f., 786, 799, 807, 810 Optik, siehe auch Augenbewegungen; Farben; Gesetze; Horopter; Ophthalmologie; physiogische Optik; Prinzip der einfachsten Orientierung; PurkinjeEffekt; Sehen 10, 16, 18, 46, 48, 114 f., 119, 138, 143 – 147, 157, 164, 183, 199, 202 – 204, 208, 252, 289, 292, 313, 329, 337, 343, 345, 350 – 352, 355, 364, 366, 368 – 371, 373, 375 f., 393, 404 f., 408, 415, 477, 479 – 487, 496 f., 507 f., 512, 575, 589, 591, 643, 683, 689 – 692, 731, 734 – 737, 764 f., 785, 798 f. Orden pour le Mérite für Wissenschaften und Künste 528 f., 679 f., 742 Österreich 27, 117, 236, 246, 352 – 354, 372, 469, 519, 530 f., 537, 624, 637, 645, 709, 721, 748, 778 Ostwald, Wilhelm 83, 651, 669 f., 676, 715 Paris, siehe auch Académie des Sciences; Paris, Universität 27, 30, 109 f., 138, 150 f., 199, 251, 257, 268, 291, 302, 305 – 308, 332, 342, 366 f., 431, 442, 450, 456 f., 494 f., 515, 529, 619, 621 – 623, 625 – 628, 630 f., 635, 639, 641, 664, 671, 674, 682, 699 f., 702, 731, 742 f., 755, 760, 769 f. Paris, Universität (Sorbonne) 629, 631 Pearson, Karl 454, 495, 647 Peirce, Charles Sanders 22, 369 Pflüger, Eduard 232, 371 f., 377, 380, 576, 680, 682, 771 Philosophie, siehe auch Ästhetik; Erkenntnistheorie; Hegel, Georg Wilhelm Friedrich; Idealismus; Kant, Immanuel; Kantianismus; Metaphysik; Naturphilosophie; Pragmatismus; Realismus; Schopenhauer, Arthur; Wissenschaftstheorie 17 f., 22, 26 f., 34, 39 f., 47, 51, 62, 79, 102, 118, 136, 174, 178 f., 183, 216 – 218, 224, 235 f., 271 – 273, 281, 283, 312, 324, 337, 364 f., 369, 372 f., 376, 398,
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420, 454, 459 f., 500, 506, 513, 523, 538, 550, 553, 561 f., 573 – 578, 583, 589, 591, 594, 603 – 605, 609, 647 f., 696, 715, 738, 760, 763, 798, 802, 812, 820 Phonograph, siehe auch Musik; Töne 316, 760 Photographie, siehe auch Sehen 159, 165, 179, 192, 241, 326, 508, 512, 563, 642 Physik, siehe auch Chemie; Elektrizität; Elektrochemie; Elektrodynamik; elektromagnetische Theorie; Energie; Gesetze; Hydrodynamik; Kant-Laplace’sche Theorie; Kausalität; Mathematik; Meteorologie; Optik; Physikalisches Institut, Berlin; Physiologie; Raum; Thermodynamik 9 f., 12, 16 f., 19 – 21, 39, 45 f., 49, 51, 56, 64 f., 76 – 78, 82 – 86, 88, 90, 98, 106, 112, 119, 128, 133, 145 f., 149, 151, 161 f., 164, 168, 176, 195 – 197, 202 f., 220 f., 223, 225 f., 236 f., 243 f., 262, 273, 275, 278, 288, 294, 301, 305, 308 f., 315, 317, 325, 347, 375, 377 f., 380, 383, 392, 403, 405 – 407, 409, 411 f., 420 – 422, 424, 454, 457, 460 f., 465 – 504, 512, 534, 538 – 541, 543, 549, 554 – 556, 567, 578, 583, 595, 597, 603, 605, 622 f., 614, 622, 627, 629, 631 f., 635 – 639, 644 – 649, 653, 656 – 660, 662 – 664, 667 – 677, 683 – 685, 689 f., 693, 697, 704 f., 727, 732, 734 f., 738 f., 741 f., 745, 749 – 751, 763, 766, 772, 777, 782, 791, 794 f., 798 f., 801, 803 f., 806, 808, 810 Physikalisch-Technische Reichsanstalt, Berlin 10, 12, 22, 621, 630, 645, 662, 664, 771, 735, 801, 810, 814 Physikalische Gesellschaft zu Berlin 81, 88 f., 91 f., 109, 113, 115, 120, 139, 152, 169, 203, 478, 492 f., 502, 629, 651 f., 656 – 658, 808, 810 Physikalisches Institut, Berlin 632, 644 Physiologie, siehe auch Akustik; Anatomie; Elektrizität; Kunst; Medizin; Musik; Ophthalmologie; Optik; Physik; physiologische Akustik; physiologische Optik; Psychologie 9 f., 16 f., 20, 56 f., 64 – 66, 73 f., 76, 78, 82, 84, 90 f., 97 f., 107 – 110, 117, 119 – 124, 133 – 135, 137, 140, 142, 144 f., 151, 153, 162, 164, 175 f., 180, 183, 185 – 189, 191, 194, 198 – 202, 207, 211 – 214, 216, 219 – 223, 225 f., 232, 278, 280 – 286,
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Anhang
289, 292, 294 f., 299, 301, 305, 323, 329 f., 332 f., 338 f., 364, 369, 371 – 375, 377 f., 380, 383, 386, 390, 405, 407, 415 – 420, 422, 454, 468, 471, 474, 479, 492 f., 495 f., 499, 507, 538, 550, 552, 560, 578, 584, 592 f., 499, 507, 538, 550, 552, 560, 578, 584, 592 f., 596, 603, 605, 641, 478, 683 f., 708, 722, 737 f., 749, 754, 759 f., 798 physiologische Akustik, siehe auch Akustik; Physiologie 16, 18, 208 – 210, 212, 215, 220, 225 f., 248, 269, 288, 293, 368, 376, 405, 408, 713 physiologische Optik, siehe auch Augenbewegungen; Horopter; Optik; Physiologie 18, 199, 202 – 204, 208, 252, 292, 337, 343, 350 f., 364, 366, 368, 370, 376, 393, 405, 408, 507 f., 511 f., 683, 685, 731, 737, 764 f. Piano siehe Flügel (Klavier) Planck, Max 21, 83, 453 f., 499, 518, 520, 636, 639, 646, 657, 661, 669, 674, 698, 741 f., 749 f., 763, 780, 782, 786, 798, 802, 807 f., 810, 814 Plücker, Julius 154, 161, 197, 377, 403 f., 470 Pochhammer, Leo 653 Poincaré, Henri 404, 591, 631, 674, 678, 750 Politik, siehe auch Deutschland; Diplomatie; Nationalismus; Preußen 10, 40, 54, 88, 92, 102, 107, 176, 228, 251, 259, 270, 307, 322 f., 352, 440, 455, 463, 467 – 469, 472, 513, 517 f., 520, 525, 530, 532, 547, 554, 563, 583, 596 f., 637, 663, 680, 687, 702, 704, 708, 753, 761, 765, 806 Populäre wissenschaftliche Vorträge, siehe auch Popularisierung der Wissenschaft 310, 312, 337, 369 f., 373, 399, 412, 448, 477, 539, 553, 556, 576, 643 f., 694, 696, 799 Popularisierung der Wissenschaft, siehe auch Populäre wissenschaftliche Vorträge; Tyndall, John 19, 143, 319 – 343, 535, 542, 545, 551 Potsdam, siehe auch Kunstverein 20, 26 – 38, 38 f., 44 f., 47 f., 52, 62 f., 68 f., 71, 73, 75 – 7 7, 79, 81, 83, 89, 91, 102, 105, 132, 136, 151, 158, 167, 184, 225, 238, 245, 253, 257, 448, 516, 639, 715, 766, 782, 801, 804, 809, 812
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Pragmatismus, siehe auch Philosophie 369 f. Preußen, siehe auch Berlin; Deutschland; Politik 26 f., 30 f., 38, 64, 69, 76, 92, 95 f., 98, 102, 104, 106 f., 135, 142, 152, 186 f., 190 f., 198, 200, 210 f., 213 f., 220, 227 f., 230, 234, 236, 238, 250, 322, 352 – 354, 372, 377 – 385, 421, 427 f., 431, 446, 452, 463, 470, 483, 494, 531, 537, 581, 595, 597, 629, 633, 635, 662, 665, 680, 704, 716, 777 Preußische Akademie der Wissenschaften 109, 173, 442, 456, 537, 555, 639 f., 658 Preußisches Geodätisches Institut 632, 639, 742 Prinzip der einfachsten Orientierung, siehe auch Augenbewegungen; Ophthalmologie; physiologische Optik 345 f., 361 Prinzip der Erhaltung der Energie siehe Erhaltung der Kraft Prinzip der kleinsten Wirkung 16, 667, 671, 673 – 676, 734 f., 748, 750, 771 f., 774, 778 Psychiatrie, siehe auch Medizin 787 Psychologie, siehe auch Physiologie; Psychophysik 16 f., 50, 56, 60, 78, 142, 199, 204, 215 f., 252, 280, 286, 291, 302, 304, 340, 350, 364, 369 – 371, 375 f., 491, 500, 511 f., 538, 547, 575 f., 579, 593, 647, 660, 677 f., 731, 737 – 739, 741, 749, 754, 759 f., 798 Psychophysik, siehe auch Physik; Psychologie 142, 302, 376, 512, 576, 741 Puhlmann, Wilhelm 31 f., 71 f., 76, 79, 81, 89, 91, 99, 115, 245, 516 Pupin, Michael 647 f., 655, 661 f., 738, 767 f. Purkinje-Effekt, siehe auch Farben; physiologische Optik 145 Pythagoras 221, 294, 297, 312 Rabe, Theodor 70 Radau, Rodolphe 305, 309 Ranke, Leopold von 251, 454, 518, 530, 630 Rankine, William John Macquorn 162, 168, 262, 388 – 390, 470 Rathenau, Walther 597, 647, 738 Rathke, Martin Heinrich 98, 105, 190 Rationalität 22, 42, 568
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Raum, siehe auch Geometrie; Physik 19, 136, 140, 162, 175, 181 f., 239, 262, 327, 345, 348 f., 357, 360, 363, 365, 370 f., 388, 391 – 405, 416, 467, 478, 574, 576 – 579, 584 f., 588 f., 591, 594, 616, 678, 697, 725, 731, 738, 752 Raumer, Karl Otto von 152, 187 – 189 Rayleigh, Lord siehe Strutt, John William Realismus, siehe auch Philosophie 586 Reiff, Richard 750 Reimer, Georg 88 f., 289, 337, 373, 629 Reis, Johann Philipp, siehe auch Telefon 518, 611 Remak, Robert 66 f., 92, 97 f., 596 Resonator, siehe auch Instrumente; Kombinationstöne; Töne 210, 222, 245, 282, 290 f., 295 f., 316 f., 514, 768 Richelot, Friedrich Julius 104, 106, 112, 190 Riehl, Alois 536, 591 Riemann, Bernhard 226 f., 304, 391 – 397, 401 f., 405, 408, 577 Ritter, August 118, 141, 244 Ritter, Robert 658 Romantik, siehe auch Idealismus; Kultur; Kunst; Literatur; Musik; Naturphilosophie 33, 61, 130, 147, 154, 582 Röntgen, Wilhelm Conrad 656, 742, 798 Rood, Ogden 511 f., 512, 763, 766, 768, 799 Roscoe, Henry Enfield 237, 251, 254, 261, 265, 321, 324, 326, 387, 542, 566, 610, 613 f., 617 – 619, 640, 681 f., 694, 699 785, 787, 795, 797 Rowland, Henry 479, 481, 503 f., 755 Royal College of Chemistry, London 153 Royal Institution, London 151, 155, 257, 259, 310, 312, 319, 321, 323 – 325, 328, 332, 340 f., 495, 548, 610, 614, 618, 694, 787 Royal Society of London 157, 250, 261, 319, 322, 325, 329, 331, 333, 348, 389, 456, 469, 471 f., 494, 526, 610 f., 618, 639, 785, 818 Rubinstein, Anton 515, 519, 596 Rücker, Arthur 787, 795 Ruete, Christian Georg Theodor, siehe auch Ophthalmologie 119, 138, 140, 346 Runge, Carl 499, 638, 698, 740 – 742, 782, 794 Russell, Bertrand 404, 678 f.
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Sachsen, siehe auch Leipzig 166, 353, 537 f., 707, 722 Sauerwald, Ferdinand, siehe auch Instrumente 208, 291 Schelling, Friedrich, siehe auch Idealismus; Naturphilosophie; Philosophie 78, 148, 174, 178, 217 f., 364, 520, 573, 582 Schiller, Friedrich 16, 59, 127, 374, 582, 586, 723, 728 Schönheit, siehe auch Ästhetik; Kunst; Musik 42 f., 94 f., 102, 125, 127, 130 – 132, 157, 165, 205, 223, 252, 254, 265, 277, 287, 298 f., 306, 334 – 336, 370, 374, 464, 643, 681, 725 f., 761 Schopenhauer, Arthur 216 – 219, 523, 535, 543, 560, 573 – 575, 591, 606, 768 Schrenck, Peter Leopold von 127 f. Schuster, Arthur 466, 498, 503 f., 597, 612, 614, 732 Schweiz 29, 107, 117, 124 – 127, 129, 133, 200, 204 f., 215, 247, 265, 306, 336, 412, 454, 469, 476, 492, 549, 557, 590, 642, 686, 702, 715, 755, 790 Seebeck, August 209 f. Sehen, siehe auch Akkomodation; Augenbewegungen; Ophthalmologie; Optik; Photographie; physiologische Optik; Sinnesempfindungen; Wahrnehmung 177, 179 – 182, 202, 204, 216 f., 223, 253, 329, 348 f., 351, 355, 361 f., 364 – 366, 369 – 371, 373 f., 585, 737 Seiler, Emma 292, 317 Siemens, Ernst Werner (ab 1888 von) 10, 77 f., 96, 208, 255, 422, 447, 450, 502, 513, 520, 527 f., 598, 623 – 628, 631, 633, 637 – 640, 642 f., 652, 662 – 666, 680, 682, 693, 699 f., 720, 722, 731, 734 f., 751, 754, 761, 776, 781, 788 – 791, 794, 796, 802, 807, 819 Siemens & Halske, siehe auch Instrumente 447, 754 Silliman, Benjamin 97, 233 Simson, Eduard von 106, 190, 619, 723 Sinnesempfindungen, siehe auch Akustik; Töne; Wahrnehmung; Zeichen 149, 293, 357 f., 363, 390, 508, 717 Soziologie 318, 547 Spencer, Herbert 22, 328, 334, 552, 640, 737 Spinoza, Baruch 596, 696
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Anhang
Spiritismus 592 – 595, 612 Stazione Zoologica, siehe auch Zoologie 524, 526, 528 Steinway, Henry E. 317 Steinway, C. F. Theodore 451, 474 Steinway & Sons, siehe auch Klavier 316 f., 450, 605, 520, 762 – 768 Stevens, S. S. 679 Stieglitz, Julius 647 Stokes, George Gabriel 163 f., 168, 237, 247, 321, 324, 330, 407 f., 434, 461, 470, 534, 545, 611, 680, 732, 798 Stoney, G. Johnstone 612, 618 Strecker, Adolf 123 Strutt, John William (Lord Rayleigh) 314, 465, 593, 614, 819 Stumpf, Carl 304, 606, 760 Suppes, Patrick 679 Symmes, John Cleves 505 Tait, Peter Guthrie 87, 162, 226 f., 264, 387 – 389, 406, 462 f. 470, 503, 531, 534 f., 539 – 546, 552, 554, 607, 612, 641, 644, 731 f. Tartini, Giuseppe 208, 297 Taylor & Francis, siehe auch Veröffentlichungen 156 Telefon, siehe auch Akustik; Telegraph 22, 295, 314, 316, 318, 611, 620 – 622, 667, 766 f. Telegraph, siehe auch Akustik; Telefon 31, 99, 140, 277, 316, 490, 563, 611, 618, 622, 668, 690, 767 f. Telestereoskop, siehe auch Instrumente 219 f. Theater, siehe auch Kultur; Kunst; Musik; Oper 16, 42, 57, 59, 62, 79, 131, 157, 181, 198, 244, 258, 287, 323, 358, 412, 506, 522, 633 f., 657, 661, 680, 695, 710, 714 Theologie, siehe auch Christentum 174, 215, 273 403, 459, 562, 694 Thermochemie, siehe auch Chemie; Wärme 164, 669 Thermodynamik, siehe auch Chemie; Elektrochemie; Energie; monozyklische Systeme; Physik; Wärme 17, 22, 168 – 171, 173 f., 281, 326, 334 – 336, 387 – 389, 406, 416, 437, 441, 470, 489 f., 499, 502, 607, 615, 640, 645, 6667 – 673, 677, 702, 741, 749 f., 766, 799 Thiersch, Karl 539
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Thomson, James 162, 336, 463, 471, 489 Thomson, Joseph John 567, 653, 750 Thomson, William (Lord Kelvin) 162, 166, 168 f., 171, 173, 194 – 196, 204 f., 208, 226 f., 237, 245 – 248, 250, 254 – 256, 258, 260 f., 264, 269 f., 279, 290, 321, 324, 327 f., 334, 336, 340, 354, 379, 387 – 390, 406 – 408, 429, 430, 434, 439, 461 – 465, 469 – 472, 475, 487, 489, 503 f., 534 f., 539 – 546, 552, 592, 594, 602, 610 – 612, 614, 619 f., 622, 624 – 627, 631 f., 635, 637, 640 f., 643 f., 665, 668 f., 680, 682, 694, 708, 730 – 733, 744, 769, 774, 785 Töne, siehe auch Akustik; Kombinationstöne; Musik; Resonator; Vokale 91, 137, 173, 177, 208, 220 – 222, 243, 293 – 296, 302, 304 f., 313 f., 401, 451, 538, 695, 700 Treitschke, Heinrich von 235, 372 f., 443, 453 – 455, 488, 597 f., 680, 698 f., 707, 715 Twain, Mark (Samuel Langhorne Clemens) 720 Tyndall, John 113, 151 – 153, 156, 162, 173, 237, 259 f., 264, 309 – 313, 315, 321 – 323, 326, 328, 332, 334, 336, 339 – 342, 354, 385 – 388, 407 – 409, 441, 463, 468, 471, 474, 492 f., 495, 501, 505, 531, 534 f., 539 – 542, 544 – 546, 548 – 552, 557, 592, 594 f., 606, 610 – 612, 614, 618, 625, 640, 704, 723, 752, 776, 820 Über die Erhaltung der Kraft, siehe auch Erhaltung der Kraft 81 f., unbewusster Schluss, siehe auch Kombinationstöne; Psychologie; Töne; Wahrnehmung 34, 210, 339, 350, 256 – 358, 365, 373, 402, 535, 585, 737 Universitäten, siehe auch akademische Freiheit; Bildung 26, 91, 104, 135, 141, 192, 234 f., 269, 277 f., 284, 315, 324, 376, 381, 396, 412, 456, 501, 526, 531, 537, 564 – 573, 589, 595, 664, 680, 717, 764, 804, 813 Van’t Hoff, Jacobus Henricus 669 Velten, Olga von, siehe Helmholtz, Olga Veröffentlichungen (Verlagswesen) 772, 774 Vieweg, Friedrich, siehe auch Veröffentlichungen 278, 288 f., 300, 310, 337 f., 340 f., 539 f., 545 f., 643, 797
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Register
Virchow, Rudolf 531, 558, 562, 701 Vogel, Hermann Carl 636 Vokale, siehe auch Akustik; Töne 242 – 244, 295, 301, 310, 322 Volkmann, Alfred W. 119, 153, 348, 351, 362 Volta, Alessandro 473, 755 Vorlesungen über theoretische Physik, siehe auch Physik 679, 739, 794, 798 Vorträge und Reden 539, 643, 688, 723, 791, 798 f. Wagner, Cosima 519, 521, 524, 619 Wagner, Richard 451, 513, 519, 520 f., 522 – 524, 556 f., 597, 619, 680, 710, 714 798 Wagner, Rudolph 119, 133 f., 175 – 177, 187, 238 Wahrheit, siehe auch Philosophie; Wissenschaftstheorie 34, 42 f., 49, 68, 85, 94 f., 107, 149, 190, 220, 231, 255, 320, 362, 366, 370, 397 – 399, 419 f., 459, 547, 559 f., 564, 576, 578, 583, 587 f., 590, 718, 724 f. Wahrnehmung, siehe auch Farben; Optik; physiologische Optik; Sehen; Sinnesempfindungen; unbewusster Schluss 9, 32, 37 f., 129, 146, 149, 166, 177, 180 f., 183 f., 188, 203, 209 f., 216, 221 – 223, 252, 260, 293, 295, 305, 313, 329, 333, 337, 339, 343, 348 – 350, 356 – 359, 361 f., 364 f., 368, 370, 373, 375 f., 390, 400, 405, 484, 492, 583 – 587, 591, 593, 678, 717, 727, 737, 740, 774, 799 f., 802 Warburg, Emil 479, 596, 662, 785, 802, 806 Wärme, siehe auch Chemie; Energie; Erhaltung der Kraft; Thermochemie; Thermodynamik 22, 74, 77, 82 f., 86 f., 90, 96, 119, 152, 170 f., 173, 175, 180, 262 f., 308, 319, 326 – 328, 331, 335 f., 341, 387, 389, 408, 415 f., 418, 420, 436 – 438, 458, 489 f., 502, 519, 540, 555, 606, 615, 668 – 673, 675 Wassiljew, Alexander 678 Weber, Eduard Friedrich 97, 108, 119, 199 – 201, 232, 538 Weber, Ernst Heinrich 119, 142, 199 – 201, 538, 594 Weber, Heinrich Friedrich 466, 477, 479, 638, 742, 799
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Weber, Karl Otto 196, 205 – 207, 236, 344 Weber, Max 22, 318 Weber, Moritz Ignaz 189, 194 Weber, Wilhelm, siehe auch Telegraph 118 f., 169, 196, 291, 376, 408, 410 f., 470, 480, 482 f., 498, 534 – 538, 544, 555, 592, 616, 623 f., 626, 647, 649, 656, 658, 737, 806 Weierstraß, Karl 377, 453 Weimar 504, 506, 517, 522, 722 f., 729 f., 738, 782, 801 Weinstein, Bernhard 653 Weltausstellung, Chicago 519, 751, 753 Wheatstone, Charles 157, 164, 168, 266, 323, 362, 618 White, Andrew Dickson 649 Wien 97 f., 123, 133 f., 141, 168, 173, 187, 191, 215, 232, 246, 249, 267, 284 f., 301, 308, 337, 340, 412, 420 f., 426, 470, 475, 479, 481, 500, 519, 537, 555, 604, 612, 631, 635, 647, 719, 722, 738, 742, 774, 777 f., 784 f., 802 Wilhelm I. 234, 431, 446 f., 522, 528, 580, 693, 798 Wilhelm II. 529, 693 Williamson, Alexander William 333 Wissenschaft (Naturwissenschaften), siehe auch Akustik; Anatomie; Anthropologie; Ästhetik; Astronomie; Chemie; Elektrizität; Elektrochemie; Elektrodynamik; Farben; Geisteswissenschaften; Instrumente; Kausalität; Medizin; Meteorologie; Naturgeschichte; Ophthalmologie; Optik; Physik; Physiologie; physiologische Akustik; physiologische Optik; Popularisierung der Wissenschaft; Thermochemie; Thermodynamik; Wissenschaftstheorie; Zoologie 41 f., 49, 51, 60, 63, 69, 75 f., 84, 95 f., 99, 104, 107, 109 f., 112, 117, 123, 135 f., 140 – 143, 147 – 151, 156, 158, 163, 167, 171, 174 – 176, 178, 180 f., 184, 186, 192, 200 – 202, 214, 217, 220 f., 224, 238, 248, 250, 254, 259, 270 – 286, 288 f., 294, 297, 300, 302 f., 307 f., 315 – 318, 319 – 343, 355, 362, 367 f., 370, 374, 376, 387, 390, 397, 399, 411, 413 – 415, 418 f., 421, 434, 440 f., 453, 456 – 459, 467 f., 472, 476, 478 f., 481, 489, 491 f., 495, 506, 513, 518, 520, 524 – 527, 529, 530 – 553, 553 – 592, 593 f., 599, 602, 605,
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Anhang
608, 609 – 644, 646, 655, 662, 671, 677 f., 683, 685, 689 – 691, 693, 696, 698, 702 – 704, 714 – 716, 719 – 722, 736 – 738, 742, 748, 754 – 756, 759, 764 – 767, 780 – 782, 784 – 787, 794 f., 797, 801 – 803, 806 – 812, 820 Wissenschaftliche Abhandlungen 539, 798 Wissenschaftsphilosophie siehe Wissenschaftstheorie Wissenschaftstheorie, siehe auch Erkenntnistheorie; Kausalität; Naturphilosophie; Philosophie; Wissenschaft Wittich, Wilhelm Heinrich von 105 Wundt, Wilhelm 240 f., 245, 280 – 282, 286 f., 345 f., 348, 351, 359, 362, 365, 370, 386, 403, 538, 591, 593 f., 678, 730, 737, 759 Wurlitzer, Rudolph H. 317 f. Würzburg 123, 141, 267, 281, 656 Young, Thomas, siehe auch Farbenlehre; physiologische Optik 145, 161, 184, 252 f., 285, 401, 510 – 512
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Zeichen, siehe auch Erkenntnistheorie; Sinnesempfindungen; unbewusster Schluss; Wahrnehmung 38, 55, 139, 156, 175, 210, 216, 222, 357 f., 363, 368, 370, 418, 473, 584, 587, 601, 717, 774 Zeller, Eduard 235, 265, 281, 283, 380 f., 442, 454 f., 473 f., 488, 518, 529, 573, 589, 650, 676, 680, 708, 715 Zeppelin, Ferdinand Graf von, siehe auch Luftfahrt 742, 488, 747 f. Zivilisation, siehe auch Kultur 41 f., 46, 97, 168, 586, 728 Zobeltitz, Hanns von 710, 713 – 715 Zöllner, Johann Karl Friedrich, siehe auch Astronomie; Optik; Spiritismus 411, 439, 480, 531, 533 – 539, 542 – 546, 549 f., 555, 561, 570, 579, 583, 592, 594 f., 606 Zoologie, siehe auch Botanik; Stazione Zoologica 60, 65, 175, 185, 187, 238 f., 525, 603, 703 Zürich 107, 125 – 127, 187, 198, 205, 215, 270, 282, 286, 405, 477, 500, 656, 785, 799
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Hermann von Helmholtz war als wissenschaftlicher Universalgelehrter ein Wegbereiter der modernen Forschung. Seine herausragenden Leistungen in so unterschiedlichen Disziplinen wie der Physik, Medizin und Meteorologie waren revolutionär. Helmholtz verhalf dem Energieerhaltungssatz und der Dreifarbenlehre zum Durchbruch, er hat den Augenspiegel und die Helmholtzspule erfunden sowie ein beachtliches philosophisches Werk hinterlassen. David Cahan zeichnet zum 200. Geburtstag des Forschers Leben und Wirken einer Wissenschaftsikone nach. Er beleuchtet die ganz persönlichen Seiten und liefert zugleich die detailliert-kritische Würdigung des großen Universalisten. »Die längst fällige große Biografie«
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Hermann von Helmholtz gilt als Gigant der Wissenschaft im 19. Jahrhundert. Seine vielfältigen Forschungen und Interessen haben auf so unterschiedlichen Gebieten wie der Meteorologie, Medizin, Physiologie und Physik zu wegweisenden Erkenntnissen geführt. Helmholtz verhalf dem Energieerhaltungssatz und der Dreifarbenlehre zum Durchbruch, er hat den Augenspiegel und die Helmholtzspule erfunden sowie ein beachtliches philosophisches Werk hinterlassen.
Helmholtz
Ein Gigant der Wissenschaft
DAVID CAHAN
David Cahan hat mehrere Bücher über das Leben und Wirken von Hermann von Helmholtz publiziert und gilt als dessen führender Biograf. Er lehrt an der Universität von Nebraska-Lincoln in den USA und beschäftigt sich vornehmlich mit europäischer und deutscher Geistesgeschichte der Neuzeit.
DAVID CAHAN
Helmholtz
Ein Leben für die Wissenschaft
Umschlagabbildung: Porträtfotografie von Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz, 1870. © bpk / adoc-photos Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg
wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-4312-3
David Cahan ist der führende Helmholtz-Spezialist und hat die umfangreichste Biografie zu dem deutschen Universalgelehrten geschaffen. Minutiös zeichnet er die Tragweite von Helmholtz Arbeit für die deutsche und internationale Wissenschaft nach und beleuchtet die ganz persönlichen Seiten des »Reichskanzlers der Physik«.