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German Pages 152 [160] Year 2016
Geschichte kompakt Herausgegeben von Kai Brodersen, Martin Kintzinger, Uwe Puschner, Volker Reinhardt Herausgeber für den Bereich Antike: Kai Brodersen Berater für den Bereich Antike: Ernst Baltrusch, Peter Funke, Charlotte Schubert, Aloys Winterling
Burkhard Meißner
Hellenismus 2. Auflage
Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 2., durchgesehene und bibliographisch aktualisierte Auflage 2016 i 2016 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 1. Auflage 2007 Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Einbandgestaltung: schreiberVIS, Bickenbach Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-26023-2 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-73748-2 eBook (epub): 978-3-534-73749-9
Inhaltsverzeichnis Geschichte kompakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Problem des Hellenismus . . . . . . . . . . . . . 2. Die zeitliche Ausdehnung der Darstellung . . . . . . . . . .
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II. Ereignisse: Außenpolitik und allgemeine Geschichte . . . . . . 1. Diadochen und Epigonen; die Entstehung der hellenistischen Monarchien (323 bis circa 280 v. Chr.) . . . . . . . . . . . . . a) Begriff der Diadochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vom Tod Alexanders bis zur Entstehung neuer Königreiche (323 – 306/305 v. Chr.) . . . . . . . . . c) Zwischen der Schlacht von Ipsos (302/301 v. Chr.) und der Schlacht von Kurupedion (281 v. Chr.) . . . . . . . . . 2. Das hellenistische Mächtesystem bis 217 v. Chr.: Großmonarchien – kleine Territorialreiche – sizilische Monarchenstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Reich des Antigonos Gonatas, Pyrrhos und die neuen Bundesstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Ptolemäerreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Seleukidenreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die kleinasiatischen und griechischen Mächte und die Bundesstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Monarchien auf Sizilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das hellenistische Mächtesystem unter dem Einfluss der römischen, der karthagischen und der parthischen Expansion (217 – 107 v. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rom, die Aitoler, Philipp V. und Karthago . . . . . . . . . b) Philipp V., Antiochos III. und die Lage im Ptolemäerreich . c) Die Situation nach dem Frieden von Apameia, der Perseuskrieg und Roms Eroberung von Griechenland . d) Der 6. Syrische Krieg und die Desintegration des Seleukidenreiches: Baktrer, Juden, Attaliden, Parther . . . 4. Die hellenistische Welt unter römischer Herrschaft (129 – 30 v. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die römische Herrschaft in Kleinasien . . . . . . . . . . . b) Das Seleukidenreich und die Errichtung der Provinz Syrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Zerfall des Ptolemäerreiches . . . . . . . . . . . . . .
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III. Verhältnisse: Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das hellenistische Königtum . . . . . . . . . . . . . a) Dynastisches Erbrecht, Charisma, Erobererrecht . b) Eliten, herrschende Gesellschaft, Hof . . . . . . 2. Recht und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirtschaft und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . .
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V
Inhaltsverzeichnis 4. Wissenschaft, Technik, Kultur, Literatur . . . . . . . . . . a) Die Geschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . b) Dichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Philosophie, Wissenschaft, Politische Theorie . . . . . d) Technik und Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Religion und Lebensformen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kulte und Religionen: Pluralismus und Hellenisierung b) Kosmopolitismus und Bürgeridentität . . . . . . . . . c) Gymnasium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI
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109 109 115 117 125 127 127 132 133
Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Geschichte kompakt In der Geschichte, wie auch sonst, dürfen Ursachen nicht postuliert werden, man muss sie suchen. (Marc Bloch) Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden. Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen, europäischen und globalen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte. Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissensstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden. Kai Brodersen Martin Kintzinger Uwe Puschner Volker Reinhardt
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I. Einleitung 1. Begriff und Problem des Hellenismus Als Zeitalter des Hellenismus bezeichnet man die Epoche der griechischen Geschichte vom Tod Alexanders des Großen bis zum Ende des letzten selbständigen griechisch geprägten Großreiches, des Ptolemäerreiches (323 – 30 v. Chr.). Erheblicher Wandel kennzeichnet diese Epoche in sich und gegenüber der sogenannten klassischen Zeit: Charakterisieren das klassische Griechenland die kleinen Poleis, Bundesstaaten und Kleinterritorien sowie schließlich die militärische Vorherrschaft Alexanders des Großen, der das persische Achämenidenreich eroberte und große Teile des Orients griechischer Kultur, Sprache und Herrschaft unterwarf, so bestimmt die hellenistische Zeit ein sich wandelndes, politisch buntes Tableau: die großen monarchisch regierten Territorien, mittelgroße Monarchien, Bundesstaaten, Staatenbünde und Großpoleis, aber weiterhin auch die vielen für das antike Griechenland so typischen kleinen Staaten, deren außenpolitische Selbständigkeit nun jedoch engeren Schranken unterliegt. Die großen monarchisch regierten Flächenstaaten erweisen sich im ersten Drittel der hellenistischen Zeit als politische und kulturelle Aktivitätszentren: Im Laufe des 3. Jahrhunderts erstrecken sie sich über große Teile Griechenlands, ganz Kleinasien, Syrien, Palästina, Ägypten sowie Teile des Schwarzmeergebietes und bilden bis nach Indien hin eine Fläche griechischer beziehungsweise griechisch geprägter Staatswesen. Im zweiten Drittel bilden sie ein als Ganzes relativ stabiles System der Mächte, dessen Teile im Einzelnen jedoch auch erhebliche Krisen und Erschütterungen erleben, insbesondere Makedonien und das Seleukidenreich. Das letzte Drittel der hellenistischen Epoche markiert dann die Aufrichtung der römischen Herrschaft über den Ostmittelmeerraum, die mit der Eroberung Ägyptens 30 v. Chr. unter Octavian ihren Abschluss findet. In seiner Hochzeit war der Hellenismus eine Blütephase griechischer Kultur in Kunst, Musik, Sprache und Dichtung, sowie in Technik und Wissenschaft. In der hellenistischen Zeit veränderte sich die griechische Lebensordnung also nachhaltig: politisch, wirtschaftlich, rechtlich und kulturell. Drei Hauptproblemkreise bestimmten diese neue Welt: Sie war durch Eroberung erheblich vergrößert, die Rechte der herrschenden Elite an Grund und Boden diversifizierten und verkomplizierten sich daher, und neben Kauf und Erbe wurde das Erobererrecht wichtig. In dieser vergrößerten griechischen Welt lebten und herrschten aber Griechen und Makedonen neben und über nichtgriechische Völkerschaften; Kulturkontakte, Kontraste, Anpassungen, Kultur- und Identitätswandel waren die Folge. In dieser neuen Welt war mit dem Königtum eine im mutterländischen Griechenland randständige politische Ordnung zu einer bestimmenden geworden; Charakter und Legitimität der Königsherrschaft wurden darum zu einem bestimmenden Problem der hellenistischen Literatur und politischen Theorie.
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Einleitung
I.
Hellenisierung – Orientalisierung
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Hellenismus und Multikulturalität Dass die Epoche zwischen Alexander dem Großen und Augustus als Hellenismus bezeichnet wird, verdankt sie dem Werk Johann Gustav Droysens. Hellenizein heißt Reden und Schreiben wie ein Grieche; es bedeutet aber auch jemanden beziehungsweise etwas zum Griechen machen. Das diesen Prozess bezeichnende Substantiv ist hellenismós. Hellenismus hat also zu tun mit dem Verhältnis zwischen Griechen und Nichtgriechen: Wo Griechen und Nichtgriechen sich austauschen, müssen wir mit Kulturkontakt und hellenismós, dem Griechisch-Werden, rechnen, wie gegebenenfalls auch mit dem Gegenteil, dem barbarismós. Aus griechischer Sicht war hellenismós die Norm: die Tatsache, dass Nichtgriechen Griechisch lernen und so eine notwendige Voraussetzung ihrer politisch-sozialen Integration erfüllen. Das Gegenteil, die Bilingualität von Griechen, blieb dagegen eine Ausnahme. Während die griechisch geprägten Führungsschichten der hellenistischen Staaten so den hellenismós von Nichtgriechen erwarteten, avancierte hellenismós zu einem Hochwertbegriff (Philoxenos, frr. 288 – 289; Zenon von Kition bei Diog. Laert. VII 59; zur sprachlichen Akkulturation vgl. Strab., XIV 2,28). Neben der Hellenisierung von Nichtgriechen war auch mit dem umgekehrten Vorgang zu rechnen: der Integration von Griechen in die Sprachund Lebensgemeinschaften des Orients. Hellenisten nennt die Apostelgeschichte (Act. Ap. 6,1; 9,29; vgl. Julian Apost., Epist. 84) solche Mitglieder der frühen Christengemeinden, die nicht unter den Juden, sondern den Griechen gewonnen wurden, und die sich mit ihren sozialen Fürsorgeansprüchen gegenüber denen der Hebräisch sprechenden Mehrheit zurückgesetzt fühlten. Hellenismos bezeichnet hier das Verhalten der ehemals kulturell und sozial dominanten Minderheit, die von der Mehrheit benachteiligt wird. Aus der dem Christentum und orientalischen Erlösungsreligionen gegenüber skeptischen Perspektive J. G. Droysens erschien die Epoche zwischen Alexander dem Großen und dem römischen Prinzipat als ein Zeitalter, in dem die griechische Kultur mit der orientalischen verschmolz, beziehungsweise Griechen in einem größer gewordenen Kulturraum marginalisiert oder orientalisiert worden seien. Hellenismus nannte Droysen diese Epoche einer vermeintlichen Amalgamierung orientalischer und griechischer Kulturen, die dem Christentum den Boden bereitet habe (Geschichte des Hellenismus, 3 Bde.: I – III, 1836 – 1843, Gotha 21877 – 1878, ND München 1980). R. Laqueur, Hellenismus. Akademische Rede zur Jahresfeier der Hessischen Ludwigs-Universität, Gießen (1925) machte die Verbreitung von Hellenisten als Sprechern einer gemeingriechischen Verkehrssprache im Ostmittelmeerraum zum Kennzeichen dieser Epoche. Auch Eduard Meyer war geprägt von der Vorstellung zweier konträrer historischer Prinzipien, eines abendländischen und eines orientalischen. Sich ausprägen und wirksam werden konnten die Idee dieser historischen Dichotomie und die Auffassung von der Epoche des Hellenismus als einer Verbindung zweier historischer Opposita, weil in dieser Vorstellung die hegelsche Konzeption eines dialektischen Widerstreites zwischen orientalischer und abendländischer Welt mit dem Christentum in Kaiserzeit und Spätantike als einer Synthese aufscheint. Am Beispiel des Hellenismusbegriffes zeigen sich Verwicklun-
Die zeitliche Ausdehnung der Darstellung
I.
gen des Verhältnisses zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsphilosophie; Droysens missverständlicher kulturgeschichtlicher Hellenismusbegriff ist daher durch die Forschung relativiert und auf einen Epochenbegriff reduziert worden (vgl.: Reinhold Bichler, Hellenismus. Geschichte und Problematik eines Epochenbegriffs, Darmstadt 1983; Luciano Canfora, Ellenismo, Roma, Bari 1987). Gleichwohl charakterisiert auch die moderne Forschung die damit gemeinte Epoche als Zeit einer Teilhabe weiter Kreise an griechischer Bildung und städtischer Lebensform; Phänomene des interkulturellen Austausches, der Akkulturation und des Kulturtransfers gehören zu den bevorzugten Studienobjekten der Erforschung des hellenistischen Zeitalters. Je detaillierter die Forschung einzelne Räume und Epochen differenziert, eine umso größere Skepsis gegenüber der Vorstellung einer amalgamierten Einheitskultur der hellenistischen Welt hat sie entwickelt. Schon in politischer Hinsicht war diese Welt ja uneinheitlich strukturiert, nicht nur aufgrund der Antagonismen ihrer großen Mächte, denn ganz unterschiedliche Protagonisten traten auf der politischen Bühne des Hellenismus auf: neben flächigen Erbmonarchien (dunasteiai) homogenere Stammes-Staaten und Bundesorganisationen (éthne) sowie Stadtstaaten (póleis) (Polyb. IX 1,4 – 5). Schrieb der Nationalismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts den in so diversen Staaten lebenden Griechen eine, wenn auch nie realisierte Tendenz zu politischer oder zumindest kultureller Einheit als Nation zu (vgl. Karl Julius Beloch, Griechische Geschichte III 1 – IV 2, Berlin, Leipzig 2 1922 ff. ND Berlin 1967), hat die nachnationalistische Geschichtsschreibung im Hellenismus sogar Muster für die Gestaltung eines politisch nur locker verbundenen, kulturell vielgestaltigen, durch ökonomische Bande und Austauschbindungen geeinten europäischen Großraumes gesehen (vgl. J. Kaerst, Geschichte des Hellenismus, Berlin 31927, ND Darmstadt 1968; Michael Rostovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt, Darmstadt 1955 – 56 ND 1984).
2. Die zeitliche Ausdehnung der Darstellung Wollte man die Regentschaft Alexanders des Großen in eine Darstellung der hellenistischen Epoche mit einschließen, weil Alexanders Wirken die Entstehung der hellenistischen Monarchien erst ermöglichte und er den hellenistischen Königen das Vorbild gab, dann wäre konsequenterweise auch die Zeit Philipps II. mit zu behandeln, denn Philipp einte die Griechen im Korinthischen Bund zum Krieg gegen das Achämenidenreich, gab also der Entwicklung für mehr als eine Generation die Richtung vor. Um einen solchen Regress abzuschneiden, soll die Darstellung hier daher erst mit dem Tod Alexanders einsetzen und ihr Ende mit dem Ende des letzten der großen Reiche, des Ptolemäerreiches, finden (30 v. Chr.).
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II. Ereignisse: Außenpolitik und allgemeine Geschichte 1. Diadochen und Epigonen; Entstehung der hellenistischen Monarchien (323 bis circa 280 v. Chr.) 323 321 – 320 320 319 – 317 315 – 311 306 – 305 302 – 301 298 294 288 – 286 282 – 281 281
Tod Alexanders des Großen in Babylon; Ordnung der Nachfolge und Reichsteilung 1. Diadochenkrieg Reichsordnung von Triparadeisos 2. Diadochenkrieg (Polyperchon, Olympias, Eumenes – Antigonos, Kassander, Ptolemaios, Lysimachos) 3. Diadochenkrieg; im Frieden gegenseitige Anerkennung der Diadochen als Herrscher Annahme des Königstitels durch Antigonos, Demetrios, Ptolemaios, Kassander, Lysimachos und Seleukos 4. Diadochenkrieg (Antigonos, Demetrios – Lysimachos, Ptolemaios, Seleukos): Antigonos fällt in der Schlacht von Ipsos, Lysimachos setzt sich in Kleinasien, Seleukos in Syrien fest Tod Kassanders, Teilung Makedoniens Die makedonische Heeresversammlung ruft Demetrios zum König der Makedonen aus 5. Diadochenkrieg (Demetrios – Pyrrhos, Lysimachos, Seleukos und Ptolemaios): Demetrios verliert große Teile Griechenlands 6. Diadochenkrieg (Seleukos – Lysimachos): Lysimachos fällt in der Schlacht von Kurupedion; seine Herrschaft in Kleinasien war zuvor bereits erschüttert Ermordung des Seleukos durch Ptolemaios Keraunos
a) Begriff der Diadochen
Hieronymos von Kardia
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diadéchomai heißt: jemandem nachfolgen – auch in einem Amt – , etwas erben; diadoché ist die Erb- oder Nachfolge, ein diádochos ein Nachfolger. Die Philosophiegeschichtsschreibung reiht in diesem Sinne ihren Stoff entlang der Reihe der Nachfolger im Schulvorstand (vgl. Athen. IV p. 162e; Diog. Laert., pr.; V 79; 86; Philodem., Ind. Stoic. 53). Im 2. Jahrhundert bezeichnete diádochos in Alexandria bei Hofe den niedrigsten Hofrang (OGIS 100,4 [Tell Basta, 186 – 180 v. Chr.]; P.Amh. II 36,5; P.Ryl. 67,2). Es war wohl Hieronymos von Kardia, der Geschichtsschreiber der Epoche unmittelbar nach Alexander, der als Mithandelnder auch die Bezeichnung für die Protagonisten der Zeit prägte: Geschichte der Erben beziehungsweise Nachfolger. Flavius Josephus, C. Apion. I 213, zitiert Hieronymus von Kardia mit dem Titel seines Werkes: Geschichte der Diadochen. Diese Bezeichnung war geeignet, ein Legitimitätsdefizit der Offiziere Alexanders und starken Männer nach seinem Tod zu kompensieren, denn ein Erbrecht konnten sie für ihre Herrschaftsansprüche nicht geltend machen. Die Nachfolger in den Kommandoposten (ándres diadechómenoi tàs hegemonías) er-
Diadochen und Epigonen
II.
kannten vielmehr die Souveränität der makedonischen Königsfamilie und ihres Reichsverwesers Polyperchon nicht mehr an, sondern verfolgten eigene Ziele (idioprageîn), sodass der Hoheitsanspruch des königlichen Hauses nur mehr eine leere Hülle war: Diese Einsicht legte Hieronymos seinem Landsmann und Verwandten Eumenes von Kardia in den Mund, um dadurch dessen eigenes Verhalten zu legitimieren, das sich ebenfalls nicht mehr an Rechtsprinzipien orientierte, sondern an dem Interesse, unter den miteinander konkurrierenden Granden seine Stärken auszuspielen, sich zu behaupten und andere von sich abhängig zu machen (Diod. XVIII 41,5; 41,7; 42,1 – 2). Eumenes und sein unmittelbarer Gegenspieler Antigonos, in dessen Dienste Hieronymos später trat, taten Hieronymos zufolge dasselbe: die Souveränität der makedonischen Königsfamilie nicht mehr anzuerkennen. Nach einer Neuverteilung der Satrapien durch Antipatros war Alexanders vormaliger Kanzleichef Eumenes, Stratege im Dienst des Reichsverwesers Polyperchon, von Antigonos bekämpft worden, und hatte sich in die armenische Bergfestung Nora zurückziehen müssen, wo er von Antigonos belagert wurde. Hieronymos beschreibt die Verhandlungen zwischen beiden, die Antigonos nicht ohne Rücksicht auf Antipatros anlegte: Es kam vielmehr zu dreiseitigen Gesprächen, die Hieronymos selbst für Eumenes führte. Antigonos habe sich, so Hieronymos, Befehlen des königlichen Hauses nicht mehr unterstellt; und Eumenes habe eingesehen, dass alle Kontrahenten so handelten: Mit der Vorstellung, alle Diadochen hätten sich frei gemacht von königlicher Hoheit – Antigonos’ Verhandlungsführung widersprach dieser Einschätzung – , legitimierte Hieronymos im Nachhinein das Verhalten seiner Dienstherren Eumenes und Antigonos. Die starken Männer der Umgebung Alexanders nennt er unterschiedslos Nachfolger im Kommando und den Legitimitätsanspruch der königlichen Familie leer, um den Entscheidungen der neuen Herren nachträglich den Anschein der Legitimität zu geben. Vor allem begründete Hieronymos die Vorstellung von zwei Gruppen mit konträren Prinzipien unter den Handelnden: einer sich an der Reichseinheit orientierenden und einer, die durch regionalen Separatismus geprägt gewesen sei. Diese Vereinfachung der tatsächlich wirkenden Loyalitäten durch Hieronymos, die Eumenes’ und Antigonos’ Positionen als Ergebnis vernünftiger Einsicht in die Verhältnisse rechtfertigte, beeinflusst die Perspektive der Forschung bis heute: Dadurch, dass er die zweifelhafte Legitimität der Offiziere, die nach Alexanders Tod im Juni 323 v. Chr. um die Macht stritten, im Begriff der Nachfolger beziehungsweise Erben begründete, hat Hieronymos dem ersten Zeitabschnitt des Hellenismus bis heute seinen Namen gegeben: von Alexanders Tod in Babylon bis 272 v. Chr., als nach dem Tod des Molosserkönigs Pyrrhos von Epirus ganz Makedonien wieder bis 168 v. Chr. unter die Herrschaft einer Dynastie, der der Antigoniden, geriet. Damit nämlich waren die drei hellenistischen Großmächte der Seleukiden, Ptolemäer und Antigoniden etabliert und es wurde, vereinfachend gesagt, ein Mächtesystem gebildet, das bis 217 v. Chr. Bestand hatte, dann aber eine lange, bis 30 v. Chr. anhaltende Phase schrittweiser Zerstörung erlebte.
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Außenpolitik und allgemeine Geschichte
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b) Vom Tod Alexanders bis zur Entstehung neuer Königreiche (323 – 306/305 v. Chr.) Die erste Phase der Diadochenzeit, die Auflösung des Alexanderreiches, reicht von 323 bis 306/305, als einige der neuen Machthaber, um ihren Anspruch auf legitime Alleinherrschaft zu unterstreichen, sich den Titel eines basileffls, eines Königs, beilegten (Antigonos, Demetrios, Ptolemaios, Kassandros, Lysimachos, Seleukos). Dadurch zogen die Akteure die Konsequenz aus der Überlegung, die Hieronymos seinem Dienstherrn Eumenes in den Mund gelegt hatte: Dem alten Königtum der Makedonendynastie fehlte alles Entscheidende, Anerkennung und Legitimität, Truppen und Machtmittel.
Die Hauptprotagonisten
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Reichsordnung von Babylon Alexander der Große hinterließ keinen regierungsfähigen, aufgrund von Abstammung und Anerkennung durch die Heeresversammlung Legitimität besitzenden Nachkommen, denn Alexanders Halbbruder Philipp Arrhidaios war geistig behindert; Alexanders Witwe Roxane allerdings erwartete ein Kind, das wenige Monate nach Alexanders Tod geboren wurde (Alexander IV., 323 – 310/309 v. Chr.). Der plötzliche Tod Alexanders brachte die Dynastie daher in ein Dilemma: Zwischen legitimen Herrschaftsansprüchen und der faktischen Macht der Familienmitglieder bestand ein Hiat. Dieser spaltete Heer und Adel der Makedonen: Die Soldaten der schwerbewaffneten Infanterie erkannten Arrhidaios ({ 317) als legitimen König an; die adlige Kavallerie, einflussreiche Freunde und Leibwächter des Königs aber setzten auf das Kind der Roxane, sofern es ein Sohn würde. Zwischen beiden bewaffneten Gruppen gab es gewalttätige Auseinandersetzungen, sogar noch in Babylon, die aber mit einem Kompromiss endeten: Die Phalanx Schwerbewaffneter setzte durch, dass Arrhidaios als Philipp III. Arrhidaios (323 – 317 v. Chr.) den Thron bestieg, während die mächtigen Notabeln erreichten, dass ihnen als Statthaltern und Satrapen die wichtigsten Regionen und Kommandos überlassen wurden. So erhielt Eumenes Kappadokien und Paphlagonien, die allerdings noch gar nicht unter der Kontrolle der Makedonen standen. Ptolemaios übernahm Ägypten, Lysimachos Thrakien. Einer der Großen, Perdikkas, führte Alexanders Siegelring und wurde als Sachwalter der Königsherrschaft und Oberkommandierender anerkannt. Dieser Ausgleich beruhte in hohem Maße auf dem Wirken von Dienstleuten und Freunden Alexanders, die nicht zum makedonischen Adel gehörten; namentlich der Kanzleichef Eumenes scheint sich um jenen Kompromiss bemüht zu haben, jedenfalls strich Hieronymos dies als Eumenes’ Verdienst heraus, um seinen Landsmann zu rechtfertigen (Diod. XVIII 2 – 3; Plutarch, Eumenes 3,1 – 4). In das Macht- und Legitimitätsdilemma nach Alexanders Tod traten also dessen hohe Offiziere ein, darunter zunächst die älteren aus der Generation Philipps II.: Antigonos der Einäugige (Monophthalmos) und Antipatros. Antipatros war Statthalter in Griechenland gewesen, hatte sich dann aber als Vertreter des makedonischen Militäradels mit Alexanders Interessenverlagerung nach Asien unzufrieden gezeigt. Antipatros sollte daher durch Krateros abgelöst werden, der 324 v. Chr. eine Gruppe Veteranen nach Griechenland
Diadochen und Epigonen
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zurückführte, und der der Vormund für die unmündigen Prinzen war. Antipatros wiederum genoss in Griechenland großes Ansehen; der Philosoph Aristoteles, unter Philipp II. zeitweise am Hof in Pella, hatte ihn beispielsweise zu seinem Testamentsvollstrecker bestimmt (Diog. Laert. V 11 – 12); Kassander war Antipatros’ Sohn. Antigonos wiederum gehörte zu den Satrapen Alexanders. Dem Kreis der Gardeoffiziere Alexanders zuzurechnen sind Seleukos und Lysimachos. Ptolemaios wiederum hatte sich im Kampf in Baktrien und Indien bei Spezialaufgaben und Kommandooperationen militärisch ausgezeichnet. Aufstände und Abfallbewegungen Diese Einigung der Eliten des Reiches in Babylon geschah unter erheblichem äußeren Druck: Die Legitimitätskrise, in die das makedonische Königtum nach Alexanders Tod schlitterte, traf nämlich die Herrschaft der Makedonen über Griechenland und das Achämenidenreich generell: Überall breiteten sich Aufstände, Sezessionen und Insurrektionen aus. Unter Athens Führung kam es zum Lamischen Krieg, in dem der athenische Politiker Leosthenes mit einer großen Söldnertruppe aus entlassenen Soldaten Alexanders Antipatros angriff und mit Hilfe der Phoker, Lokrer und Aitoler strategisch wichtige Erfolge gegen Makedonien in Griechenland erzielte: Die Thermopylen wurden besetzt, die Boioter geschlagen, Antipatros in Lamia belagert. Athen verlor jedoch die Seeschlacht von Amorgos und die Schlacht bei Krannon 322 v. Chr., und Antipatros konnte mit Hilfe des nach Griechenland zurückgekehrten Krateros die Herrschaft der Makedonen über Griechenland wiederherstellen. Die Wirkung dieses Sieges war enorm: In Athen wurde eine aristokratische Ordnung aufgerichtet, die den Besitz des Bürgerrechtes von einem Zensus abhängig machte, der Redner Hypereides wurde hingerichtet, Demosthenes, der als Gegner der Makedonen die Befreiung von deren Herrschaft ersehnt und erstrebt hatte, beging Selbstmord. In dieser ersten Phase verhielten sich die Diadochen als ein dynamisches Gleichgewichtssystem: Wenn einer von ihnen eine besondere Machtstellung zu erwerben drohte, kam es regelmäßig zu Interventionen der anderen. Perdikkas drängte Antigonos aus seiner Rolle als Satrap in Großphrygien; dieser brachte dagegen eine Koalition zusammen. Zunächst konnte Perdikkas sich noch mit Eumenes’ Hilfe behaupten, scheiterte dann aber bei der Eroberung Ägyptens und wurde 321 v. Chr. ermordet.
Diadochensystem
Reichseinheit oder Pluralität der Herrschaft Das Ergebnis dieses ersten Diadochenkrieges, in dem auch Krateros fiel, war eine neue Ordnung der Macht und der Kompetenzen, die im syrischen Triparadeisos ausgehandelt wurde (wohl 320 v. Chr.): Antipatros ließ sich zum neuen Sachwalter (epimeletes) der königlichen Angelegenheiten machen, trat also in eine Position ein, die derjenigen des Perdikkas ähnelte. Er verteilte die Satrapien neu, und in dieser Verteilung schimmern erstmals die drei territorialen Neubildungen des Hellenismus durch: Seleukos erhielt mit Babylonien das Kernland seines späteren Reiches. Ptolemaios war aus seiner Besitzung Ägypten nicht mehr zu vertreiben, wie Perdikkas’ Scheitern gezeigt hatte (321 v. Chr.); er „schien Ägypten durch eigene Tüchtigkeit wie
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Außenpolitik und allgemeine Geschichte
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erobertes Land zu besitzen“. Die Machtposition des Ptolemaios genoss damit eine Anerkennung wie die der Könige Poros und Taxiles an der Grenze zu Indien, die aus ihren Besitzungen zu verdrängen ebenfalls größere militärische Ressourcen erfordert hätte, als sie den Diadochen zur Verfügung standen. Antigonos wurde Feldherr des makedonischen Heeres mit Antipatros’ Sohn Kassander als Gardekommandeur, der die Aufgabe hatte, Selbständigkeitsbestrebungen des Antigonos zu verhindern. Antipatros’ eigenes Operationsgebiet war Makedonien (Diod. XVIII 39,5 – 7; 43,1). Eumenes von Kardia, der an der Rechtsposition der Reichsverweserschaft festhielt, war als Anhänger des Perdikkas und der Reichseinheit unmittelbar nach Perdikkas Ermordung zum Tode verurteilt worden; Antigonos unternahm fortan den Kampf gegen ihn, belagerte ihn in der Festung Nora und richtete ihn 316 v. Chr. hin. Antipatros starb 319; er hatte zu seinem Nachfolger als Reichsverweser und Strategen in Griechenland Polyperchon bestimmt, dem es aber an der Anerkennung der peers mangelte, und der daher darum bemüht war, eine Reputation ähnlich der des Antipatros bei den Staaten Griechenlands zu erwerben. Dessen Sohn Kassander konkurrierte mit Polyperchons Ambitionen. Polyperchon suchte sich Akzeptanz in Griechenland zu beschaffen, indem er einerseits als Verteidiger der Unabhängigkeit der griechischen Poleis, als Schützer und Wiedererrichter von Demokratie und Recht, auftrat, und andererseits, indem er sich immer wieder an Voten von Gremien seiner Freunde und Berater band, zu denen wechselnde Betroffene und Interessierte hinzutreten konnten, um seine Entscheidungen vor einem Kollektiv zu legitimieren. Beide Techniken der Akzeptanzbeschaffung – das Auftreten des Alleinherrschers als Nicht- beziehungsweise Antiherrscher, als Beschützer der Demokratie, sowie die Herrschaft durch Freundeskreise – wurde zum erfolgreichen Modell für alle hellenistischen Monarchen. Polyperchon erließ auf eine Verhandlung mit dem Rat seiner Freunde hin ein Dekret (diagramma), das die in makedonischen Diensten stehenden Kommandeure damit beauftragte, in den Städten Griechenlands die nach Alexanders Tod eingerichteten oligarchischen Regime durch demokratische zu ersetzen und den größten Teil der exilierten Bürger in ihre Heimat zurückzuführen. (Diod. XVIII 48 f.; 55 – 57). Mit der – allerdings erfolglosen – Kriegführung in Kleinasien gegen Antigonos beauftragte Polyperchon Eumenes (2. Diadochenkrieg 319 – 317 v. Chr.). Die Position Polyperchons als Reichsverweser aber blieb prekär, denn gegen ihn stand eine Mehrheit zentrifugaler Interessen; dies erlaubte Athen noch einmal eine selbstbewusste (wenn auch nicht selbständige) Politik, als es 317 auf die Seite Kassanders, Antipatros’ Sohn, trat und bis 307 von Demetrios von Phaleron, einem peripatetischen Philosophen, in Kassanders Interesse regiert wurde.
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Demetrios von Phaleron Demetrios von Phaleron (< 344 – > 282 v. Chr.) war philosophischer Schüler des Aristoteles und gehörte zum Kreis um dessen Schüler und Nachfolger Theophrast. Als athenischer Bürger half er Theophrast beim Erwerb eines Grundstückes für die philosophische Schule (Diogenes Laertius V 39). Als Sympathisant der Makedonen und Vertrauter Kassanders regierte Demetrios von 317 bis zur Einnahme Athens durch Demetrios Poliorketes 307 v. Chr. in Athen, offenbar unter formeller
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Wahrung der Institutionenordnung. Über Theben ging Demetrios von Phaleron ins Exil nach Ägypten, wo er im Auftrag des Ptolemäerherrschers als Berater bei der Gesetzgebung (Aelian, Varia historia III 17) und wohl auch bei der Einrichtung des Museums tätig war. Er fiel unter Ptolemaios II. in Ungnade, wahrscheinlich, weil er dessen Nachfolge widersprach, und wurde aus Alexandria verbannt. Unter nicht geklärten Umständen starb er durch den Biss einer Giftschlange. Das lange Exil gab Demetrios Gelegenheit zu umfangreicher literarischer Tätigkeit (eine bei Diogenes Laertius wiedergegebene Schriftenliste verzeichnet 45 Titel): Er schrieb ein Werk über seine Herrschaft in Athen; rekonstruierte die athenische Archontenliste, ein Rückgrat der gemeingriechischen Chronologie; er schrieb über Sokrates; über Träume und verfasste Werke zu Rhetorik, Verfassung und Gesetzgebung.
Dass trotz der Auseinandersetzungen der hohen Kommandeure um Macht und Reichtum die königliche Dynastie noch Träger besonderer Legitimität war, zeigt sich daran, dass die für die makedonische Königsfamilie nicht untypischen gewaltsamen Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft innerhalb der Familie erneut einsetzten: Philipp Arrhidaios und seine Frau Eurydike wurden auf Betreiben von Alexanders Mutter Olympias umgebracht, Olympias selbst 316 hingerichtet. Kassander wiederum war seit 316 deshalb der starke Mann, weil er Alexanders Witwe Roxane und ihren Sohn Alexander IV. unter seiner Kontrolle hatte: Das dynastische Legitimitätsprinzip war also prinzipiell noch wirksam, und daher heiratete Kassander, um seine Herrschaftsansprüche zu unterstreichen, Philipps II. Tochter Thessalonike und gründete Kassandreia und Thessaloniki. Mit den Machtverhältnissen wandelten sich aber die Prinzipien der Legitimität: Eumenes von Kardia, schließlich Polyperchons Oberbefehlshaber in Kleinasien, richtete einen bildlosen Kult des toten Alexander ein, um seinen eigenen Mangel an Legitimität zu kompensieren. 317/316 aber unterlag er Antigonos im 2. Diadochenkrieg, weil seine Truppen ihn verrieten.
Diadochen und Dynastie
Aufgabe der Reichseinheit Nach der Neuordnung von Babylon (323) und der Regelung von Triparadeisos (321) war die Niederlage des Eumenes 317/316 die dritte große Zäsur der Diadochenzeit, weil mit ihr die Phase der Vormacht des Antigonos begann, der fortan seinerseits als herausragende Gestalt von den Übrigen bekämpft wurde. Antigonos suchte sich dagegen Anerkennung zu beschaffen, indem er die Funktion eines Sachwalters der Königsherrschaft übernahm, außerdem die Rolle eines Strategos, eines Oberbefehlshabers von Asien, weiterführte und selbst Strategen für den europäischen Kriegsschauplatz ernannte, und drittens eine Art der Freiheitspropaganda zugunsten der griechischen Poleis des Mutterlandes inszenierte (Diod. XIX 61, 3 – 5), wie sie ähnlich bereits Polyperchon unternommen hatte. Kassander wurde zum gemeinsamen Feind erklärt und das Ziel verkündet, dessen Besatzungen aus den griechischen Städten zu verteiben: In ihrem Konflikt mobilisierten die Diadochen die griechische Öffentlichkeit; dies setzte die Herrscher andererseits unter den Druck der Erwartung, fortan Wohltäter griechischer Städte und Verteidiger ihrer Freiheit und Demokratie zu sein. Gegen Antigonos und Polyperchon schlossen sich die Diadochen Ptolemaios, Lysimachos und Kassander zu einer Symmachie, einem Kampfbünd-
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Außenpolitik und allgemeine Geschichte
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nis souveräner Mächte, zusammen (3. Diadochenkrieg 315 – 311 v. Chr.): Schrittweise wurden also die Legitimitätsgrundlagen eines einheitlichen Reiches in den Auseinandersetzungen zwischen Alexanders Kommandeuren unterhöhlt. Nach der Niederlage von Antigonos’ Sohn Demetrios bei Gaza 312 v. Chr. gegen Ptolemaios konnte Seleukos seine Satrapie wieder erkämpfen, war aber in der Phase ihrer Neustabilisierung als Handelnder zunächst ausgeschaltet. Seleukos erscheint daher nicht als Partner in dem Frieden, den Antigonos Monophthalmos mit Kassander, Lysimachos und Ptolemaios zur Beendigung dieses Krieges schloss. Dieser Friedensvertrag wurde von den Beteiligten bereits als Völkerrechtssubjekten eigenen Rechts geschlossen. Miteingeschlossen in den Vertrag wurden die mit den Kontrahenten verbündeten griechischen Gemeinden: Ein Brief des Antigonos an die Stadt Skepsis in der Troas bewahrt inschriftlich den Vertrag (Staatsverträge III 428). Darin betont Antigonos, wie viel Aufwand er getrieben und wie große Zugeständnisse er gemacht hat, um den die Griechen belastenden Krieg zu beenden. Wechselseitig sich Freiheit und Autonomie zu bewahren, sollte Pflicht aller griechischen Vertragspartner sein. Antigonos kündigt an, sich auch künftig darum zu bemühen, den Griechen Vorteile zu verschaffen. Demokratie, Freiheit und Königtum Orientiert an den Koordinaten Freiheit und Selbstbestimmung, die die Politik der griechischen Staaten bestimmen, erscheint hier der Monarch. Bis zu seinem Auftreten als Retter und Wohltäter, das die Selbstdarstellung der hellenistischen Könige bestimmt, ist es nur ein kleiner Schritt. 311 erkennen sich die Diadochen mit ihren Besitztümern gegenseitig an, nicht jedoch eine Oberherrschaft des Antigonos. In der Folge dieses Friedensschlusses wurde außerdem das dynastische Prinzip weiter unterhöhlt: Weil Kassander nur an Stelle Alexanders IV. bis zu dessen Volljährigkeit regieren sollte, ließ er diesen und seine Mutter Roxane töten (310 – 309 v. Chr.). Antigonos andererseits propagierte auch in den Jahren nach 311, gestützt auf seine Position in Kleinasien, die Freiheit der griechischen Städte, um auf dem europäischen Festland Positionen zu erwerben. Krieg führte auf diesem Schauplatz für ihn sein Sohn Demetrios Poliorketes („Städtebelagerer“), der 307 v. Chr. die Herrschaft von Kassanders Vertrauensmann Demetrios von Phaleron über Athen beendete; ihn und Antigonos feierten die Athener dafür als Befreier, Wiederhersteller der Demokratie und wirklich präsente Göttergestalten: Zwei neue Phylen wurden nach Antigonos und Demetrios benannt, regelmäßige Kultfeste zu ihren Ehren abgehalten, und für die Wiederherstellung von Freiheit und Autonomie sowie Hilfszusagen wurden beide Herrscher öffentlich geehrt (Diod. XX 45 f.). Dieser Befreierkult war in späteren Jahren in Athen nicht unumstritten: Der Makedonengegner Demochares, Demosthenes’ Neffe, kritisierte auf bissige Weise, wie sehr die Athener durch ihren Befreierkult sich selbst erniedrigt hätten (Plutarch, Demetrius 10; 23 f.; Ps.-Plut., Vit. X or. 847d – f; 851d – f).
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Demetrios und Athen (Diodor XX 46,1 – 23)
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Nachdem er in wenigen Tagen diese Erfolge errungen und die Festung Munychia vollkommen zerstört hatte, gab Demetrios dem athenischen Volk seine Freiheit zurück und schloss mit ihm einen Freundschafts- und Beistandspakt. Die Athener auf der anderen Seite beschlossen auf einen von Stratokles verfassten Antrag hin, goldene Standbilder von Antigonos und Demetrios nahe den Standbildern ihrer Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton aufzustellen, beide mit einem Kranz mit einem Edelmetallgewicht von je 200 Talenten zu ehren, einen Opferaltar zu ihren Ehren als Heilande zu errichten, zu den zehn Phylen-Abteilungen der Bürgerschaft zwei zusätzliche einzurichten, nämlich „Demetrias“ und „Antigonis“, beiden zu Ehren jährliche Sportwettkämpfe abzuhalten mit Prozession und Opferfest und ihre Portraits in das Kultgewand ihrer Stadtgöttin Athena hineinzuweben. So also erhielt das athenische Volk, nachdem es im Lamischen Krieg durch Antipatros seiner Freiheit und Autonomie beraubt worden war, fünfzehn Jahre später auf unerwartete Weise seine etablierte politische Ordnung zurück. Demetrios aber eroberte Magara, obwohl dieses durch eine Besatzung besonders geschützt war, und gab dem megarischen Volk seine Selbstbestimmung zurück, wofür er angemessene Ehren erhielt von denen, denen er solche Wohltaten zukommen ließ.
Derartige kultische Verehrung für die Herrscher als Förderer von Freiheit und Wohlergehen der griechischen Städte spielte für die Legitimierung der entstehenden hellenistischen Königsherrschaft eine entscheidende Rolle: Darum war sie so umstritten. Als rettende Götter wurden Antigonos und Demetrios in Athen geehrt. Anfang des 3. Jahrhunderts war deren Kult so entwickelt, dass man beiden, wie Demochares in seinem Geschichtswerk kritisierte, als Göttern schmeichelte, die unmittelbar ansprechbar seien – im Gegensatz zu den weit entfernten und desinteressierten olympischen Göttern der Griechen (FGrHist. 75 F 2). Im selben Zusammenhang wurden Antigonos und Demetrios in Athen erstmals als Könige tituliert: Die durch militärische Macht abgestützte Verpflichtung auf griechische Freiheit, Autonomie sowie die Förderung der Städte und ihrer überkommenen Ordnung bilden den Kern der neuen Legitimität der hellenistischen Königsherrschaft. Unabhängig von den verwirrenden Bündnissen dieser Zeit: Im Namen der Freiheit der griechischen Städte, und das heißt als Gegenmodell zur Oberherrschaft makedonischer Könige und insofern als Antikönige, führten alle Diadochen in diesen Jahren Krieg in Griechenland. Bereits 308 v. Chr. hatte Ptolemaios in der Ägäis und in Mittelgriechenland einen Befreiungskrieg unternommen und die Freiheit der Griechen auf den Isthmischen Spielen verkündet (Suda D 431; Diod. XX 37; Diog. Laert. II 115). Antigonos und Demetrios als eponyme Retter in Athen (Plutarch., Demetrius 10,3 – 4)
Freiheitspropaganda und Königtum
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Als erste von allen Menschen titulierten die Athener Demetrios und Antigonos als Könige, wobei ihnen der Titel in uneigentlicher Bedeutung beigelegt wurde, denn
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dieser Titel war die einzige königliche Ehre, die für die Nachkommen Philipps und Alexanders reserviert zu sein schien, unantastbar und unerreichbar für andere. Als einzige legten die Athener ihnen den Titel „Rettende Götter“ bei, beendeten die traditionelle Eponymie des Archontats und wählten jährlich einen Priester der Retter, und diesen nannten sie zum Zweck der Datierung in ihren Volksbeschlüssen und Verträgen.
Die Kriegführung von Antigonos und Demetrios gegen Ptolemaios war dabei nicht nur propagandistisch, sondern auch technisch besonders aufwendig: Große Belagerungstürme und Torsionsgeschütze wurden für den Sturm auf die befestigten Städte eingesetzt, für deren Freiheit man vorgeblich kämpfte. 306 v. Chr. belagerte Demetrios das unter Ptolemaios’ Kontrolle stehende Salamis auf Zypern, besiegte eine Flotte, die Ptolemaios seiner Inselbesitzung zu Hilfe gesandt hatte und versuchte sogar, allerdings erfolglos, einen Angriff auf das Nilland selbst (Diod. XX 47,7 – 53,4). Diese militärischen Erfolge führten dazu, dass Antigonos endgültig die Legitimitätsgrundlagen des makedonischen Alexanderreiches hinter sich ließ: Er und Demetrios nahmen in aller Form den Königstitel an.
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Das neue Königtum als Ausdruck der Sieghaftigkeit und Kompensation der Sieglosigkeit (Appian., Syriaca 54, 275 – 277) Antigonos aber erwehrte sich der Angriffe des Ptolemaios und siegte glänzend in der Seeschlacht von Zypern, in der sein Sohn Demetrios als Feldherr amtierte. Aufgrund dieses hervorragenden Erfolges rief das Heer beide zu Königen aus, Antigonos und Demetrios, weil die legitimen Könige schon längst gestorben waren, Arrhidaios, der Sohn Philipps und der Olympias sowie die Söhne Alexanders. Auch den Ptolemaios rief das eigene Heer zum König aus, damit er nicht aufgrund seiner Niederlage einen geringeren Rang hätte als die Sieger. Diesen, denen es widerfuhr, dass sie aus entgegengesetzten Gründen ganz Ähnliches erreichten, folgten unmittelbar die übrigen nach, und alle wurden aus Satrapen zu Königen.
Weder dynastische Legitimität noch Erobererrecht oder sein charismatischer Charakter als Ausnahmeherrschaft stützte also zunächst dieses Königtum, sondern der Anspruch darauf, um griechischer Freiheit und Autonomie willen zu herrschen – und der militärische Erfolg über den Herrscher des Nillandes. Diesem blieb im Angesicht der Niederlage und der propagandistischen Konkurrenz nichts übrig, als sich seinerseits zum König zu erheben, und auch Seleukos, Lysimachos und Kassander beanspruchten denselben Rang. Diese Königserhebungen schließen sich alle an die des Antigonos und Demetrios an; Ptolemaios machte sich im Folgejahr zum König, nachdem es Antigonos und Demetrios nicht gelungen war, militärisch in Ägypten Fuß zu fassen, während Demetrios noch Rhodos belagerte (305 – 304 v. Chr.). Rhodos wollte sich nicht in eine Feindschaft zu Ptolemaios hineinzwingen lassen, und Ptolemaios unterstützte – neben Lysimachos und Kassander – Rhodos’ Kampf um seine Unabhängigkeit mit Versorgungsgütern;
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er wurde dafür nach dem Abzug des Demetrios in Rhodos kultisch verehrt (Marmor. Par. FGrHist. 239 B 23; Diod. XIX 77,3; XX 45 f.; 81 – 100; Blinkenberg, Lindos II 2 col. D 95 ff. = FGrHist. 532 F 1 D [3]; Ps.-Plut., Reg. et Imp. apo. 183 B; Plutarch, Demetrius 20,9; Vitr., Arch. X 8,6 – 8; Plin., NH XXXIV 41 – 42; Strab. XIV 2,5; P. Köln 247). Mit dieser Legitimation waren fünf neue Königtümer an die Stelle des Alexanderreiches getreten. Deren Herrscher verdankten ihre Anerkennung neben militärischen Erfolgen ihrer propagandistisch ausgenutzten Sorge für Freiheit und Wohlergehen griechischer Stadtstaatlichkeit. Die Herrschaft der Militärführer sollte gelten als Herrschaft der Freiheit und des Rechts. Mit dem neuen Königtum war der Ansatz zu neuer dynastischer Legitimität gelegt, denn Antigonos ließ auch Demetrios den Königstitel führen und designierte ihn dadurch zu seinem Nachfolger. Dieser Demetrios selbst führte in Griechenland in den folgenden Jahren seinen Befreiungskrieg weiter: Im so genannten 4-jährigen Krieg (307 – 304 v. Chr.) bekämpfte er Kassander, verdrängte 303 ptolemäische Besatzungen aus Korinth und Sikyon und erhielt solchen Zulauf, dass er 302 v. Chr. versuchen konnte, Philipps II. und Alexanders griechischen Kampfbund gegen Persien nachzuahmen. Demetrios erneuerte den Korinthischen Bund als Bund der Griechenstädte unter seiner Führung und ließ dies auf den Isthmischen Spielen 302 v. Chr. verkünden. Die Gründungsurkunde des Bundes ist erhalten: Es handelte sich um eine Bundesorganisation mit Normen für die friedliche Streitbeilegung unter ihren Mitgliedern und zur Sicherung der Führungsrolle und Königsherrschaft von Antigonos, Demetrios und ihren Nachkommen, mit repräsentativen Gremien zur Entscheidung über die gemeinsame Kriegführung und mit Institutionen zur Regelung finanzieller Fragen, die sich aus der gemeinsamen Kriegführung ergeben (IG IV 12,68; SEG XIV 58; StV III 446; Plutarch, Demetrius 25). Zwischen den beteiligten Staaten herrschte Friede; Thessalien und die Südpeloponnes aber waren nicht dabei. Eidesformel aus der Gründungsurkunde des Hellenenbundes (K. Brodersen, W. Günther, H. H. Schmitt, Historische Griechische Inschriften in Übersetzung II, Darmstadt 1996, Nr. 282, S. 81)
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§ Eid §: [Ich schwöre]| bei Zeus, Ge, Helios, P[oseidon, Athena, Ares und allen Göttern und Göttinnen: Ich werde fest]|halten an dem Bünd[nis mit den Königen Antigonos und Demetrios] | und der[en Nachkommen (?) und – die Teilnehm]|er (?) am Syn[hedrion (?) § und ich werde als Feinde und Freunde behandeln diesel]|ben § und nicht [werde ich Waffen erheben in feindlicher Absicht (?) – gegen keinen derer, die fest]|halten an d[en Verträgen, weder zu Lande noch zu Wasser (?), und ich werde nicht La]|nd abschneiden [ – und nicht die Kö]nigsherrschaft des An[tigonos und des Demetrios und ihrer Nachkommen stürzen. § Wenn aber | e]in anderer hier]von etwas tut (?) – indem er zuwider|hand]elt gegen das in [den Verträgen Niedergelegte (?), werde ich es nicht dulden nach meinen Mög|lichkeiten (?)], sondern werde Krieg [führen gegen den – Vertragsverletzer (?) – das | Bün]dnis [ – | – | – .]
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c) Zwischen der Schlacht von Ipsos (302/301 v. Chr.) und der Schlacht von Kurupedion (281 v. Chr.) Gegen jenes Bündnis unter Führung des Antigonos und Demetrios mobilisierte Kassander die übrigen Diadochen Lysimachos, Ptolemaios und Seleukos: Der daraus resultierende 4. Diadochenkrieg (302 – 301 v. Chr.) verlief ungünstig für Antigonos, der Demetrios und seine Truppen zur Unterstützung aus Griechenland nach Kleinasien abziehen musste. Nach einem wechselseitigen Abnutzungskrieg gegen die Basen der jeweiligen Gegner kam es bei Ipsos 301 v. Chr. zur Entscheidungsschlacht: Antigonos fiel, seine kleinasiatischen Besitzungen erhielt Lysimachos, Seleukos erwarb Syrien und den Anspruch auf das von Ptolemaios besetzte südliche Syrien (Koilesyrien), den er allerdings zunächst nicht durchsetzen konnte. Südsyrien blieb vielmehr Streitgegenstand zwischen Seleukiden und Ptolemäern und Anlass für insgesamt 6 spätere Kriege zwischen Ptolemäer- und Seleukidenreich (Diodor XX 106 – 113; XXI 1,1 – 6; Plutarch, Demetrius 28,6 – 30,8). Die Mitglieder des neuen Korinthischen Bundes kündigten nach der Niederlage von Antigonos und Demetrios ihre Loyalität, der Bund löste sich auf. Bis zur Schlacht von Ipsos hatten sich aus Machtansprüchen der Diadochen zwar Königsherrschaften entwickelt, doch erst die Regelungen im Anschluss an diese Schlacht führten dazu, dass sich die neuen Machthaber als Territorialherrscher auch gegenseitig anerkannten: Die Abtretungsforderung an Ptolemaios, der an der Schlacht nicht teilnahm, setzt eine Idee legitimer Territorialansprüche voraus, die die Sieger von Ipsos respektierten. Damit war ein wesentlicher Kern des hellenistischen Staatensystems entstanden: Die gegenseitige Anerkennung einer Pluralität monarchisch regierter Territorien verdrängte endgültig die Legitimitätsansprüche von Alexanders makedonischem Einheitsreich. Notwendig für die Herrschaft über die neuen Staaten war die Loyalität griechisch geprägter Stadtstaaten und das Bestehen von Städten; Städte wurden daher dort, wo sie noch nicht oder in nicht ausreichender Dichte existierten, von den Herrschern – auch zur Versorgung von Militärs und Veteranen – neu gegründet und gefördert; notwendig für den Bestand der neuen Gebilde war aber auch die Akzeptanz der Herrschaft bei den indigenen Eliten. Die neuen Herrscher suchten daher die von ihnen gehegten Erwartung zu erfüllen, Wohlfahrt und Autonomie der Städte zu fördern; Grundlage ihrer Position war weiter, wie für Philipp II. und Alexander den Großen, ihr Kommando über die Armee; sie förderten aber auch Erfolg und Status loyaler Nichtgriechen. Auf dieser Basis begründeten die Diadochen neue Dynastien. Allerdings befanden sich die Herrscher in ständiger Konkurrenz um Territorien, Verbündete und materielle Mittel, und aus dieser Konkurrenz entstand immer wieder Krieg, der dazu beitrug, dass sich die militärische, mobile Führungsschicht der neuen Reiche nur langsam in eine zivile, sesshafte verwandelte. Heiratsdiplomatie und wechselseitige Anerkennung Mit der Schlacht von Ipsos beginnt eine Phase der inneren und äußeren Konsolidierung der neuen Reiche, des Seleukidenreiches, des Ptolemäerreiches, des Reiches des Lysimachos und des Reiches Kassanders in Griechen-
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land. Unter den gravierenden Konflikten, die das System von den Bedingungen seiner Entstehung erbte, war der zwischen Ptolemäern und Seleukiden um den Rechtsanspruch auf Südsyrien einer der gravierendsten. Ptolemaios intensivierte zunächst seine Beziehungen zu Lysimachos und Kassander: Lysimachos heiratete Arsinoë, Tochter des Ptolemaios; er trieb damit Seleukos dazu, sich seinerseits nach Verbündeten umzuschauen. Demetrios mit seiner Flotte bot sich an, und so heiratete Seleukos 299 v. Chr. Stratonike, Tochter des Demetrios. Diese Annäherung war jedoch nur von kurzer Dauer, weil Demetrios größere Erwartungen darin setzte, von der größeren Gruppe der anderen Diadochen wieder als Teilnehmer des Machtspieles anerkannt zu werden. Demetrios heiratete Ptolemaïs, Tochter des Ptolemaios, und bemühte sich auch um fernere Verbündete: Agathokles beispielsweise, seit 316 Tyrann von Syrakus, seit 304 Träger des Königstitels. Man kann in dieser Konjunktur politischer Heiraten zwischen den Großen um die Jahrhundertwende einen Beleg dafür sehen, dass sie sich jedenfalls gegenseitig als Häuser, Familien und Dynastien in ihrer Legitimität nunmehr anerkannten. Kassander starb 298 v. Chr., sein ihm nachfolgender Sohn Philipp nur wenige Monate später; Kassanders Witwe Thessalonike übte daraufhin die Regentschaft für die noch minderjährigen jüngeren Söhne Antipatros und Alexandros aus. Dieser Tod Kassanders verschärfte mehrere virulente Konflikte: In Syrien gab es einen Interessengegensatz um Besitzungen des Demetrios, die Seleukos zu einer Arrondierung seines Territoriums benötigte; in Griechenland änderte Kassanders Tod die machtpolitische Situation vollkommen: Zwischen seinen Söhnen wurde Makedonien aufgeteilt, und von ihnen suchte Alexandros zur Stärkung seiner Stellung auswärtige Unterstützung bei Pyrrhos und Demetrios (294 v. Chr.). Ptolemaios wiederum beabsichtigte, Pyrrhos in einer für ihn günstigen Situation für eigene Interessen zu instrumentalisieren: Pyrrhos konnte 297 v. Chr. nach Epirus zurückkehren, um die Macht in Makedonien in die Hände zu bekommen. Demetrios andererseits intensivierte seine militärischen und diplomatischen Operationen in Griechenland, während Zypern und zahlreiche der Küstenstandorte an Ptolemaios fielen. In Athen hatten im Inneren rivalisierende Gruppen, die sich an die rivalisierenden äußeren Mächte anlehnten, um die Macht gekämpft; Demetrius nutzte diese Lage, nachdem er mehrere peloponnesische Städte eingenommen hatte, schloss Athen ein und belagerte es. Ein ptolemäisches Hilfskontingent konnte die Belagerung nicht sprengen, und so musste die Stadt sich ergeben. Lachares, Kassanders Mann in der Stadt, floh, Demetrius legte in die Hauptfestungen der Stadt eine starke Besatzung. Damit allein war die politische Autonomie der Stadt nicht aufgehoben: Demetrios folgte dem sich herausbildenden Muster der Diadochenherrscher, sich die militärische Kontrolle über die Stadt zu sichern, das gemeindliche Stadtregiment aber institutionell selbständig funktionieren zu lassen. Autonomie und Souveränität der Gemeinde verdankten sich so einem bewussten Willensakt des Herrschers beziehungsweise Eroberers. Dieser stellte propagandistisch seine vermeintliche Großzügigkeit, die inneren Verhältnisse der Stadt unangetastet zu lassen beziehungsweise deren legitimen Zustand erst wiederherzustellen, gebührend heraus, um die Loyalität der Funktionäre und gesellschaftlichen Eliten der Gemeinde und der Zu-
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stimmung weiterer Kreise zu gewinnen. Es ist nicht deutlich, ob Demetrios sich bereits 295 als Wiederhersteller der Demokratie in Athen präsentierte; wahrscheinlich ist: Für seine Entscheidungen, sofern sie Athens Institutionenordnung betrafen, suchte er populäre Zustimmung zu erwerben. Demetrios organisierte daher zur öffentlichen Verkündung und Begründung seiner Maßnahmen einen Auftritt im Theater, und Plutarchs Begriff für das Institutionen- und Personaltableau, das Demetrios auf die athenische Kapitulation hin präsentierte, verdeutlicht Demetrios’ Hauptmotiv: Prosfileis sollen die neuen Ämter wie ihre Träger sein, das heißt: so wohlgeneigt gegenüber den Athenern, wie diese umgekehrt dem Herrscher gegenüber (Plutarch, Demetrius 34; P. Oxy. 2082 = FGrHist. 257a, 1 – 4). Das Hilfeersuchen des Alexandros zum Anlass nehmend (siehe oben), intervenierte Demetrios auch in Makedonien; er veranlasste Alexandros’ Ermordung und ließ sich selbst von der makedonischen Heeresversammlung zum König der Makedonen ausrufen (294 v. Chr.): Ein Beispiel für das rücksichtslose Ausnutzen sich bietender Gelegenheiten zum Machterwerb, das neben geschickter Propaganda und militärischer Führungsfähigkeit die Diadochen und Epigonen charakterisiert. Demetrios konnte sich so in kurzer Zeit in eine Situation manövrieren, die sicherer war als die seines Vaters Antigonos. Wie bereits Philipp II. verfügte er über Makedonien und das reiche, fruchtbare Thessalien, also den Kern Nordgriechenlands. Seit 292 kontrollierte er auch Boiotien, den Kern Mittelgriechenlands. Dort amtierte Hieronymos von Kardia als „Harmost“ (Militärstatthalter): Demetrios hatte ihn von seinem Vater als Funktionär und Freund in den Dienst übernommen. In Thessalien gründete Demetrios beim heutigen Volos die Stadt Demetrias als Residenz und wirtschaftliches Zentrum. Demetrios’ Position war in Griechenland jedoch umstritten: Protektor von Kassanders zweitem Sohn Antipatros war Lysimachos, der wiederholt im Operations- und Herrschaftsgebiet des Demetrios intervenierte. Demetrios seinerseits griff Lysimachos’ Kerngebiete in Thrakien an – um den Preis einer Lockerung seiner eigenen Kontrolle über Griechenland. So konnten Boioter und Aitoler mit Pyrrhos’ Unterstützung einen Aufstand versuchen, den Demetrios 291 mit der Einnahme der Stadt Theben beendete.
Lysimachos
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Von den Diadochen zu den Epigonen Gegen Demetrios’ Absichten, einen großen Kriegszug nach Kleinasien entsprechend dem Vorbild Alexanders des Großen zu unternehmen, schlossen sich die anderen Mächtigen zusammen: Pyrrhos, Lysimachos, Seleukos und Ptolemaios. Zu einem Mehrfrontenkrieg gezwungen, musste Demetrios daher seine Besitzungen in Griechenland aufgeben (5. Diadochenkrieg, 288 – 286 v. Chr.); nur die Peloponnes, Teile der Insel Euboia, die Residenz Demetrias am Golf von Pagasai und das strategisch wichtige Korinth blieben, unter seinem Sohn Antigonos Gonatas, Zentren antigonidischer Macht in Griechenland, während Makedonien zwischen Pyrrhos und Lysimachos aufgeteilt wurde. In Asien dagegen verlief Demetrios’ Krieg gegen Lysimachos zunächst erfolgreich, doch geriet Demetrios in Seleukos’ Gefangenschaft, in der er wenige Jahre später starb. In den Kriegen der Diadochen wechselten immer wieder die Operationsschwerpunkte: Lysimachos verlegte sich, nachdem seine Herrschaft in
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Kleinasien durch Demetrios erschüttert war, nach Europa, um dort in Konkurrenz mit Pyrrhos zu treten. Dafür nutzte Lysimachos die Selbständigkeitsbestrebungen der großen Poleis, namentlich Athens, mit dessen Hilfe er Pyrrhos schließlich aus Griechenland verdrängen konnte: In wenigen Jahren hatten sich so die Schwerpunktgebiete von Lysimachos und den Antigoniden verkehrt. Politik und Strategie waren nicht territorial, sondern personal bestimmt. Lysimachos’ Machtansprüche in Europa gerieten aber in Konflikt mit den Ambitionen des Seleukos: Lysimachos hatte nämlich in zweiter Ehe Arsinoë, eine Tochter von Seleukos’ Gegenspieler Ptolemaios, geheiratet. Arsinoë wiederum hatte dafür gesorgt, dass Seleukos’ Sohn aus erster Ehe, Agathokles, umgebracht wurde, und dessen Witwe flüchtete sich zum Gegner ihres Gegners, zu Seleukos: Die Spannungen stiegen zwischen Seleukos auf der einen Seite, Lysimachos und Ptolemaios auf der anderen Seite. Diese Spannungen führten zum 6. Diadochenkrieg (282 – 281 v. Chr.), der durch personale Konflikte, sekundär aber auch durch territoriale Konstellationen bestimmt war: Die Herrschaft des Lysimachos in Kleinasien war unsicher geworden. 282 v. Chr. wechselte Lysimachos’ Schatzwächter (gazofulax), der Eunuch Philetairos von Pergamon, auf die seleukidische Seite und herrschte seitdem, gestützt auf die Finanzmittel in den Festungsanlagen auf dem Stadtberg von Pergamon (Bergama, Türkei), in seleukidischem Auftrag quasi-autonom über Pergamon und seine Umgebung (Strabon XIII 4,1 [623]; Pausanias I 8,1; 10,4). Lysimachos hatte in Kleinasien also viel zu verlieren, Seleukos zu gewinnen, und so rückten beide dort ein; durch Bestechung konnte sich Seleukos der Burg und des Schatzes von Sardeis bemächtigen (Polyaen, Strategemata IV 9,4), und in der Entscheidungsschlacht bei Kurupedion in Lydien fiel Lysimachos (281 v. Chr.). Seleukos andererseits erhielt nicht die Gelegenheit, Lysimachos’ Besitzungen in die eigenen zu integrieren, denn er wurde noch im selben Jahr ermordet. Sein Mörder war Ptolemaios Keraunos, der von der Thronfolge ausgeschlossene Sohn Ptolemaios des I. und der Eurydike, der sich zu Lysimachos geflüchtet und gehofft hatte, sich nach dessen Ende in Thrakien selbst eine Basis schaffen zu können, von der aus er die Herrschaft auch in Ägypten erwerben könnte, wo Ptolemaios II. Philadelphos zunächst Mitregent, seit 282 König war. Ptolemaios Keraunos war Gefangener des Seleukos; er sah aber, als Seleukos’ 281 v. Chr. bei Lysimacheia in Thrakien landete, um von dort aus gegen Makedonien vorzustoßen, seine Hoffnungen schwinden, aus einer eigenen Machtstellung heraus im Spiel der Großen mitzumachen. Daher ermordete er Seleukos und wurde schnell von der makedonischen Heeresversammlung und den ehemaligen Soldaten des Lysimachos als neuer König Thrakiens und Makedoniens anerkannt (Appian, Syriake 62, 330; Memnon FGrHist 434 F 8,1 – 4, 12; Pausanias, I 16,2 – 3; Strabo XIII 4,1, 623). Seleukos’ Nachfolger war Antiochos I., den er bei seinem Vorstoß gegen den Nordägäisraum in Kleinasien als Kommandeur zurückgelassen hatte. Antiochos war schon seit 294 v. Chr. mit Seleukos’ zweiter Frau, der eigenen Stiefmutter, verheiratet: Dafür soll die einer Krankheit gleichkommenden Liebe beider das Motiv gewesen sein; politisch sicherte diese Heirat Kontinuität und Anerkennung der Dynastie (Appian, Syriake 59, 308 ff.; Plutarch, Demetrius 38; Lukian, De dea Syria 17 – 18).
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Seit 281 herrschten in den größeren Territorien, in den relativ arrondierten, zum Beispiel dem Ptolemäerreich, wie in den weniger stabilen, zum Beispiel dem Seleukidenreich, nicht mehr Alexanders ehemalige Offiziere als Nachfolger. Vielmehr hatten alle diese Diadochen ihrerseits Nachfolger aus der eigenen Familie: Eine Vielzahl von Dynastien trat endgültig an die Stelle des großen Reiches. Man lässt aus diesem Grund in der Forschung die Diadochenzeit oft mit der Schlacht von Kurupedion und ihren unmittelbaren Folgen enden.
2. Das hellenistische Mächtesystem bis 217 v. Chr.: Großmonarchien – kleine Territorialreiche – sizilische Monarchen 294
Antiochos I. (281 – 261) Mitregent seines Vaters, Seleukos I., im Seleukidenreich 285 Ptolemaios II. (282 – 246) Mitregent seines Vaters, Ptolemaios I., in Ägypten 279 Ptolemaios Keraunos fällt im Kampf gegen Kelten in Makedonien; Antigonos Gonatas (283 – 239) schlägt die Kelten bei Lysimacheia (277/276). Nach dem Tod des Königs Pyrrhos (306 – 302; 297 – 272) übernimmt Antigonos Gonatas die Herrschaft in Makedonien. 275 Sieg Antiochos’ I. über Kelten, die zuvor in bithynischem Dienst gestanden hatten; Ansiedlung von Kelten in Innerkleinasien. Tod Antiochos’ I. im Kampf gegen Kelten 261. 268/265 – 261 Chremonideischer Krieg 261 – 246 Antiochos II. König im Seleukidenreich; Einnahme ptolemäischer Städte und Stützpunkte in Kleinasien (Ionien, Pamphylien, Kilikien) 246 – 241 3. Syrischer Krieg: Ptolemäische Eroberungen in Syrien, Mesopotamien, Kleinasien. Desintegration der Seleukidenherrschaft: Seleukos II. (246 – 226) erhebt seinen Bruder Antiochos Hierax zum Mitregenten in Kleinasien. 243 – 240 Arat von Sikyon besetzt Korinth; Verlust der antigonidischen Kontrolle über zahlreiche Städte Mittelgriechenlands. 240 – 234 Krieg zwischen den Brüdern Seleukos II. und Antiochos Hierax. Bündnis des Antiochos Hierax mit kleinasiatischen Kelten führt zum Krieg mit Pergamon und zur Königserhebung des pergamenischen Herrschers Attalos I. (241 – 197). 229 – 221 Antigonos Doson Vormund Philipps V.; Königstitel seit 227. 225 – 222 Antigonos Oberbefehlshaber (Hegemon) eines gesamtgriechischen Bündnisses; Sieg über Sparta. 222 Weitere Desintegration der seleukidischen Herrschaft: Der Satrap Molon von Medien nimmt den Königstitel an; 220 wird er besiegt. 221 – 179 Philipp V. von Makedonien
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Bundesgenossenkrieg in Griechenland Im 4. Syrischen Krieg (219 – 217) siegt Ptolemaios IV. (221 – 205) bei Raphia über Antiochos III. (223 – 187). Krieg Antiochos’ III. gegen Achaios; Belagerung und Zerstörung von Sardeis
Wenn man von einem Zeitraum sprechen kann, in dem es ein relativ stabiles Mächtesystem in hellenistischer Zeit gegeben hat, dann war dies im 3. Jahrhundert, zwischen 281 und dem Bundesgenossenkrieg Philipps V. (220 – 217 v. Chr.). Es ist nicht nur eine Phase der äußeren Konsolidierung des hellenistischen Systems, sondern auch der inneren Festigung, des institutionellen und materiellen Ausbaus der großen Staatswesen, einer Blüte von Kunst, Kunsthandwerk, Technik, Literatur und Kultur und der ansatzweisen Herausbildung kollektiver Identitäten innerhalb der großen Gemeinwesen. Paradoxerweise ist diese Epoche aber zugleich diejenige mit der dürftigsten Quellenlage. „Trümmerfeld der hellenistischen Geschichtsschreibung“ hat Hermann Strasburger sie daher genannt: Unter den späten Universalhistorien ist nicht einmal Diodors Werk in mehr als Auszügen für diese Zeit überliefert; es gibt Justinus’ Epitomierung aus der Universalgeschichte des Pompeius Trogus. An die Diadochengeschichte des Hieronymos von Kardia hatten Phylarchos und Duris von Samos angeschlossen und so eine kontinuierliche Geschichtsdarstellung im Sinne einer historia continua sichergestellt; erhalten hat sich von diesen Werken nichts außer knappen Zitaten, kritischen Reminiszenzen, Teilparaphrasen: Fragmente. Die biographische Literatur, namentlich Plutarch, die Symposienanekdoten des Athenaeus sowie technische Fachliteratur und Sammelschriften bewahren verstreut manche Überlieferung. Doch die Blütezeit des Hellenismus ist literarisch nur schlecht dokumentiert. Umso wichtiger für die Geschichte dieser Zeit sind nichtliterarische Quellen: Inschriften vor allem, Papyri aus Ägypten, Münzen und archäologische Befunde zu Siedlungen und Lebensverhältnissen. a) Das Reich des Antigonos Gonatas, Pyrrhos und die neuen Bundesstaaten Ptolemaios Keraunos, der makedonische König, starb 279 v. Chr. im Kampf gegen Kelten: Keltische Kampfverbände stießen nämlich in diesen Jahren bis nach Griechenland vor und erreichten sogar Delphi (Syll.3 398). Die bundesstaatlich organisierten Aitoler kontrollierten Delphi und verteidigten es zusammen mit den Phokern gegen die das unbefestigte Land plündernden Kelten. Für die Aitoler, die mit kleinen Einheiten mobiler Leichtbewaffneter kämpften, markierte dieser Sieg über die Kelten den Beginn einer Phase politischen und militärischen Staturgewinns. Die Bedrohung durch die Kelten war nämlich auch von erheblicher symbolischer Bedeutung: In Delphi und in zahlreichen anderen Orten der griechischen Welt wurden aus Anlass der Errettung des gemeingriechischen Heiligtums Dankfeste abgehalten und regelmäßige Erinnerungsfeste gestiftet. Die Vorstöße keltischer Kriegerscharen im ersten Drittel des dritten Jahrhunderts geschahen nicht zufällig: Die Dauermilitanz der Diadochenzeit
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hatte einen hohen Zusatzbedarf an militärischer Arbeitskraft im Ägäisraum entstehen lassen, und die Konkurrenz um Territorien und Herrschaft öffnete nicht nur periphere Räume der griechischen Welt für Operationen der Krieger. Vor allem der Tod des Lysimachos und der Zusammenbruch seiner militärischen, politischen und ökonomischen Kontrolle über das rohstoffreiche Thrakien und damit der Verteidigungslinie im Norden Griechenlands machte ein Eindringen nach Griechenland möglich. Keltische Söldner wurden im folgenden Jahr von den Kleinherrschern Nikomedes von Bithynien und Mithradates II. von Pontos sogar nach Kleinasien verpflichtet, wo sie sich dann festsetzten und schließlich von Antiochos I. in Galatien angesiedelt wurden. Seit 287 war Antigonos Gonatas, Sohn des Demetrios Poliorketes, in Griechenland Statthalter (siehe oben). Eine Herrschaft über Makedonien konnte er aber gegenüber Ptolemaios Keraunos wie auch Lysimachos nicht durchsetzen. Im Gegenteil: Von Spartas König Areus ging der Versuch aus, Teile der Peloponnes unter Führung Spartas unabhängig zu machen. Nach dem Tod des Ptolemaios Keraunos konkurrierte dann Antigonos mit Seleukos’ Sohn und Nachfolger Antiochos I. um die vakante Position eines Königs der Makedonen. Keltische Krieger attackierten in diesen Jahren immer wieder Nordgriechenland und Makedonien, wo Antipatros Etesias (Neffe Kassanders) und der Militärherrscher Sosthenes gegen sie nur hinhaltenden Widerstand leisten konnten. Antigonos erwartete möglicherweise Akzeptanz für eine Königsherrschaft von einer erfolgreichen Organisation der Abwehr gegen die keltischen Einfälle, und Sosthenes’ Tod (277) bot den Anlass für einen solchen Versuch: Antigonos investierte in eine Flotte und in Söldner für einen Kriegszug nach Thrakien; seine Peloponnesischen Besitzungen setzte er dabei dem neu erwachten spartanischen Regionalexpansionismus aus. In Thrakien gelang es ihm tatsächlich, eine große dort operierende Keltenarmee bei der Stadt Lysimacheia zu stellen und zu vernichten.
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Kelten in Kleinasien (Livius XXXVIII 16; Übers.: H. J. Hillen, T. Livius, Römische Geschichte Buch XXXV – XXXVIII, München, Zürich 1982, 371 – 375) Die Gallier, eine große Menschenmenge, gelangten entweder aus Mangel an Land oder in der Hoffnung auf Beute, da sie glaubten, keine Völkerschaft, durch deren Gebiet sie ziehen würden, sei ihren Waffen gewachsen, unter der Führung von Brennos in das Gebiet der Dardaner. Dort kam es zu einem Zerwürfnis; an die 20 000 Mann mit den Fürsten Lonorios und Lutarios sonderten sich von Brennos ab und zogen nach Thrakien. Hier kämpften sie mit denen, die sich zur Wehr setzten, erlegten denen, die um Frieden baten, Tribut auf, und als sie nach Byzanz gelangt waren, hatten sie eine Zeit lang die Küste der Propontis in ihrer Hand, und die Städte in dieser Gegend mussten ihnen Abgaben leisten. Dann ergriff sie das Verlangen, nach Kleinasien hinüberzugehen, da sie in der Nähe hörten, wie groß die Fruchtbarkeit des Landes war. … Nicht sehr viel später setzte Lonorios mit Unterstützung des Nikomedes, des Königs von Bithynien, von Byzanz aus über. Die Gallier vereinigten sich dann wieder und stellten Nikomedes Hilfstruppen, der mit Ziboites, der einen Teil von Bithynien in seiner Hand hatte, im Krieg lag. Und vor allem durch ihre Hilfe wurde Ziboites besiegt, und ganz Bithynien
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kam wieder unter die Herrschaft des Nikomedes. Sie brachen von Bithynien aus auf und zogen weiter nach Kleinasien hinein. … Zuletzt teilten sie, da sie drei Völkerschaften waren, die Tolistobogier, die Trokmer und die Tektosagen, Kleinasien in drei Teile auf, wo es jedem ihrer Völker tributpflichtig sein sollte. … Und so groß war der Schrecken, der von ihrem Namen ausging, zumal sich ihre Anzahl noch durch starke Nachkommenschaft vergrößert hatte, dass zuletzt selbst die Könige von Syrien sich weigerten, Tribut zu zahlen. Als erster von den Bewohnern Kleinasiens weigerte sich Attalos, der Vater von König Eumenes; dem kühnen Unternehmen war wider alles Erwarten das Glück hold, und er blieb in offener Schlacht siegreich. Aber er brach ihren Mut nicht so sehr, dass sie ihre Herrschaft aufgaben. Ihre Macht blieb dieselbe bis zum Krieg des Antiochos mit den Römern. …
Pergamon und die kleinasiatischen Kelten (Strabo XIII 4,1 – 2 p. 623 – 4 C.; Übers.: S. Radt, Strabons Geographika Band 3, Göttingen 2004, 641 – 643)
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Pergamon denn war die Schatzkammer von Agathokles’ Sohn Lysimachos, einem der Nachfolger Alexanders, und war nur auf der Spitze des Berges bewohnt … Mit der Bewachung dieser Burg und des Geldes … war Philetairos betraut … Eine Zeit lang hielt er Lysimachos die Treue. Als er aber mit seiner Frau Arsinoë zerfallen war, die ihn verleumdete, machte er den Ort selbständig und richtete sich in seiner Politik nach den Umständen, die er als günstig für den Coup erkannte. … Während sich tumultuarische Ereignisse in solcher Zahl und von solchem Gewicht abspielten, behauptete der Eunuch sich auf der Burg, indem er sich durch Versprechungen und sonstige Liebedienerei mit dem, der jeweils die Macht hatte und in der Nähe war, verständigte: jedenfalls blieb er zwanzig Jahre lang Herr der Festung und des Geldes. Er hatte zwei Brüder; der ältere hieß Eumenes, der jüngere Attalos. Eumenes hatte einen Sohn, der ebenso wie sein Vater Eumenes hieß: dieser wurde der Nachfolger in Pergamon, und war nun schon Herrscher über die ringsherum liegenden Orte, so dass er sogar in der Gegend von Sardeis dem Antiochos, Seleukos’ Sohn, eine Schlacht lieferte, in der er ihn besiegte. Nach einer Regierung von zweiundzwanzig Jahren starb er, und Attalos, ein Sohn des Attalos und der Antiochis, der Tochter des Achaios, wurde sein Nachfolger und als erster zum König ausgerufen, als er die Galater in einer großen Schlacht besiegt hatte; er war es auch, der Freund und Verbündeter der Römer wurde und zusammen mit der Flotte der Rhodier an ihrem Krieg gegen Philippos teilnahm. …
Jener für Antigonos durchaus glückliche Sieg war von erheblicher strategischer, aber auch symbolischer Bedeutung, und gestützt auf ihn, gewann Antigonos tatsächlich die Anerkennung als König von Makedonien. In den folgenden Jahren breitete er zielstrebig und rücksichtslos sein Herrschaftsgebiet im Norden aus, vertrieb die Nachkommen des Antipatros Etesias und verständigte sich mit seinem Konkurrenten Antiochos: Antigonos heiratete 276 dessen Tochter Phila und hielt seiner neu erworbenen Herrschaft dadurch den Rücken frei. Diese Herrschaft war, wie die der meisten frühhellenistischen Granden, der Ertrag einer militärischen Investition; die territorialen Schwerpunkte der
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Herrschaft wechselten dabei häufig und mit denen der Militäroperationen, und dies galt bisher auch für Antigonos. Dessen Hochzeit mit Phila wurde nun aber zum symbolischen Auftakt eines Prozesses der Territorialisierung der Herrschaft und der Residenzenbildung. Antigonos hatte zur Philosophenschule der Stoa engen Kontakt, zu Zenon von Kition und dessen Schülern; er soll die Stoiker an seinen neuen Hof eingeladen haben, und Zenons Schüler Persaios von Kition und Philonides kamen dieser Einladung tatsächlich nach: Sie sollen am Tag der Hochzeit von Antigonos und Phila in Pella eingetroffen sein. Persaios stand in der Folge im Dienst des Antigonos als Prinzenerzieher, Berater, Militär und Administrator (Diog. Laert. VII 6 – 9). Neben stoischen Intellektuellen ließen sich auch Dichter und Künstler an Antigonos’ neuem Hof zeitweise nieder: Aus dem Kreis um Zenon der Dichter Arat von Soloi, Verfasser eines Liedes für die Hochzeit von Phila und Antigonos, das dessen Keltensieg verherrlichte, und Verfasser eines umfangreichen Lehrgedichtes über Astronomie und Meteorologie (Phainomena), das große literarische Nachwirkung besaß; Menedemos von Eretria, einer der Honoratioren seiner Heimatstadt, der Antigonos’ Keltensieg dort zum Anlass einer öffentlichen Ehrung machte (Diogenes Laertius II 142), der in Antigonos Umgebung das Beispiel für den Typus des Intellektuellen darstellte und, der dem König enge Verbindungen zu den Eliten der für ihn wichtigen Städte sicherte; der Historiker der Diadochenzeit Hieronymos von Kardia gehörte ebenfalls zu den Intellektuellenzirkeln um Antigonos. Er diente Antigonos als Militärkommandeur und historischer Literat und scheint im hohen Alter ein prominentes Mitglied des Hofes in Pella gewesen zu sein. Pyrrhos in Makedonien Die Herrschaft des Antigonos in den Jahren nach 276 stabilisierte sich im Wesentlichen in Auseinandersetzung mit Pyrrhos von Epirus. Pyrrhos stellt das extreme Beispiel für den Typus des frühhellenistischen Herrschers als eines Kriegsunternehmers dar, dessen Wirkungszeit aus der Epoche der Diadochen in die der Epigonen und der sich festigenden Dynastien herüberreicht. Pyrrhos wurde 319/318 als Sohn des Aiakides geboren. Aiakides war König der Molosser, eines Teilstammes des Epirotenbundes, und Hegemon (militärischer Befehlshaber) des Heeres von Epirus. Nach einer Meuterei seiner Truppen war er 317 v. Chr. abgesetzt worden und gelangte nicht wieder an die Herrschaft (Diod. XIX 36,4). Pyrrhos war von dem Illyrerherrscher Glaukias aufgenommen und erzogen worden, und Kassander hatte erfolglos versucht, ihn in seine Hand zu bekommen (Plutarch, Pyrrhus 3,5; Diodor XIX 67,5 – 6), denn Pyrrhos stellte eine Gefahr dar für seinen Onkel Alketas, der, gestützt auf Kassander, über die Molosser herrschte. Nachdem Demetrios im Vierjährigen Krieg (307 – 304) Kassanders Herrschaft in Griechenland (unter anderem Athen) nachhaltig erschüttert hatte, scheint Glaukias einen Umsturz in Epirus unterstützt zu haben, um seinen Schützling Pyrrhos dort an die Macht zu spielen: Alketas wurde ermordet und Pyrrhos als Herrscher unter einer von Glaukias dominierten Vormundschaftsregierung eingesetzt. Schon 302 v. Chr. konnte Kassander aber Pyrrhos durch eine eigene Figur ersetzen, und Pyrrhos musste ins Exil zu Demetrios gehen, der mit Pyrrhos’ Schwester Deidamia verheiratet war.
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Das hellenistische Mächtesystem bis 217 v. Chr. Pyrrhos diente in der Folgezeit Demetrios als Militärbefehlshaber in Griechenland. 298 kam er als Geisel zur Sicherung des Friedens zwischen Demetrios, Seleukos, Ptolemaios, Lysimachos und Kassander an den Ptolemäerhof nach Alexandria und heiratete Antigone, eine Tochter des Ptolemaios: Ptolemaios investierte in den molossischen Thronprätendenten, um ihn dann 297 v. Chr. mit militärischer Hilfe in Epirus als Herrscher einzusetzen. Nachdem Pyrrhos zunächst mit dem bisherigen Herrscher von Kassanders Gnaden, Neoptolemos, einen Vertrag zur Herrschaftsteilung geschlossen hatte, brachte er ihn nach Kassanders Tod um, um alleiniger König der Molosser zu werden. Der Hintergrund für Pyrrhos’ Wirken in den folgenden Jahren als condottiere im Osten wie im Westen des Mittelmeerraumes bestand einmal in den Besonderheiten des epirotisch-molossischen Heerkönigtums: Nur außenpolitisch konnte der König der Molosser namhaft Macht hinzugewinnen, während er im Inneren eingebunden blieb in das komplizierte Institutionengefüge der Stammeskonföderation, ähnlich dem makedonischen König, den ebenfalls seine beschränkte Rolle zur Expansion und zum Vorgehen als Kriegsunternehmer zwang, sobald ihm seine beschränkte Rolle in Makedonien selbst nicht ausreichend erschien. Nachdem Antigone gestorben war, heiratete Pyrrhos eine Tochter des Agathokles, des Tyrannen von Syrakus und brachte dadurch sein Interesse und das Bedürfnis zum Ausdruck, im Westen eine Stütze für seine weitgespannten Vorhaben im Osten zu finden; zwischen Epirus und Syrakus bestanden seit langem Handelskontakte, und Agathokles räumte Pyrrhos vor allem den Zugriff auf die für den West-Ost-Handel strategisch wichtige Insel Korkyra ein. Pyrrhos’ Vorhaben bestanden im Wesentlichen in territorialer Expansion nach Makedonien und Illyrien hinein: In dem Streit zwischen Kassanders Söhnen Antipatros und Alexandros stützte Pyrrhos zunächst den Alexandros und erhielt dafür von diesem mehrere Gebiete an der Grenze zwischen Makedonien und Epirus sowie die Stadt Ambrakia, die Pyrrhos zu seiner neuen Residenzstadt ausbaute. Alle diese Gebiete unterstanden ihm zusammen mit der Insel Korkyra als persönliches Eigentum und wurden nicht Teil des epirotischen Staatsgebietes: In solchem persönlichem Zuerwerb lag die Möglichkeit des Königs zur Vergrößerung seiner materiell-territorialen Macht. Um in Illyrien zusätzliche Gebiete unter seine Kontrolle zu bringen, heiratete Pyrrhos darüber hinaus die Töchter mehrerer Lokalpotentaten, provozierte dadurch aber einen Bruch mit seiner Frau Lanassa: Lanassa floh daraufhin zu Demetrios, dessen wichtigster Gegner im Spiel um die Macht in Makedonien Pyrrhos in den kommenden Jahren werden sollte. Pyrrhos griff 291 Thessalien an, und Demetrios, gestützt auf Lanassas Ansprüche auf die Insel, besetzte Korkyra 290 v. Chr.: Agathokles stützte nunmehr Demetrios und schloss ein Bündnis mit ihm (Diodor XXI 15), während Pyrrhos mit den Aitolern verbündet war. Während einer der Schlachten gegen die Truppen des Demetrios soll Pyrrhos, der in jeder Beziehung – Kleidung, Auftreten, Kriegertugenden – Alexanders Rollenvorbild nachahmte, im Zweikampf Demetrios’ Feldherrn Pantauchos getötet haben (Plutarch, Pyrrhus, 7,7 – 10; Demetrius 41,4 f.).
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Pyrrhos als Einzelkämpfer (Plutarch, Pyrrhus 7, besonders 7,4[7] – 5[10]) Pantauchos, der hinsichtlich seiner Tapferkeit, seiner Geschicklichkeit im Umgang mit Waffen und seiner körperlichen Verfassung unbestritten der Beste unter Demetrios’ Heerführern war, und der Selbstvertrauen und Ambition besaß, forderte dabei Pyrrhos zum Zweikampf heraus, und Pyrrhos wiederum, der an Mut und Kühnheit hinter keinem der Könige zurückstehen mochte, und der wollte, dass der Ruhm eines Achill ihm eher aufgrund bewiesener Tüchtigkeit als als durch Geburt gehörte, ging durch die erste Schlachtreihe hindurch in Richtung auf die Gegner und zu Pantachos hin… Die Epiroten aber gerieten in Hochgefühle angesichts des Erfolges ihres Königs, bewunderten dessen Leistung, und so überwältigten sie die makedonische Phalanx, lösten diese vollkommen auf, und während sie die Fliehenden verfolgten, töteten sie viele von ihnen und nahmen 5000 lebend gefangen.
289 v. Chr. einigten Pyrrhos und Demetrios sich auf den Status quo, wodurch Demetrios die Insel Korkyra, Pyrrhos aber die Gebiete an der Grenze zu Makedonien behalten konnte. Diesen Vertrag brach Pyrrhos aber im folgenden Jahr, als er der Koalition gegen Demetrios im 5. Diadochenkrieg beitrat. Seine Angriffe auf Makedonien kombinierte Pyrrhos mit einer intensiven, wirkungsvollen Alexander-Nachahmung: Pyrrhos ließ Träume verbreiten, die ihm Alexanders Hilfe versprachen; er präsentierte sich mit einer ähnlichen Rüstung wie Alexander und er machte persönliche Verwandtschaft zu Alexander geltend (Plutarch, Pyrrhus 11). Pyrrhos war der neue Alexander. So konnte er das Heer seines Gegners Demetrios dazu bringen, ihn zum König der Makedonen auszurufen (Plutarch, Pyrrhos 11; Demetrius 42 – 44; Pausanias I 10,2 – 3; Diodor XXII 4): Pyrrhos hatte damit das Heer des Demetrios und den größten Teil Makedoniens unter seine Kontrolle gebracht; mit Lysimachos teilte er sich wenig später Makedonien auf der Basis ihres bestehenden Vertrages. Einen weiteren Vertrag aber, den Pyrrhos und Demetrios kurze Zeit später schlossen, damit dieser den Rücken für seine Operationen in Kleinasien frei hätte, brach Pyrrhos dann, um sich erneut mit Lysimachos zu verbünden: Diesmal war es Pyrrhos, der vor allem danach trachtete, Demetrios und Antigonos das von diesen noch gehaltene Thessalien zu entreißen (286 v. Chr., Plutarch, Pyrrhos 12,8; Demetrius 53,7). Nach der Gefangennahme des Demetrios wiederum verbündete sich Pyrrhos mit dessen Sohn Antigonos gegen Lysimachos: Diese häufigen Bündniswechsel illustrieren in konzentrierter Form die strategische Flexibilität und Rücksichtslosigkeit der Militärherrscher des frühen Hellenismus. Bis auf wenige Zugewinne musste Pyrrhos Makedonien und Thesssalien allerdings wieder aufgeben, als 284 Lysimachos in die militärische, diplomatische und propagandistische Offensive gegen ihn ging: Das militärische Stärkeverhältnis begünstigte Lysimachos; dessen Propaganda gegen den vermeintlichen Nichtgriechen Pyrrhos verfing bei dessen eigenen Soldaten und erschütterte seine Herrschaft und Anerkennung bei den Eliten Makedoniens (Plutarch, Pyrrhus 12,9 f.; Pausanias I 10,2). In den folgenden Jahren festigte Pyrrhos seine Position in Illyrien und intervenierte nicht mehr in Makedonien.
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Pyrrhos in Italien und Sizilien Einen weiteren Hintergrund für Pyrrhos’ Wirken bildete die Situation in Westgriechenland, das heißt Sizilien und Unteritalien. Die griechischen Gemeinden Siziliens standen untereinander in heftiger Konkurrenz; neben ihnen besaßen im Westteil der Insel die Karthager ein ausgedehntes Herrschaftsgebiet. In Syrakus herrschte seit 317/316 v. Chr. Agathokles als strategos autokrator, als bevollmächtigter Stratege und de facto Alleinherrscher, der nacheinander verschiedene Griechenpoleis der Vorherrschaft von Syrakus unterwarf. Sein Programm einer Einigung der Griechen Siziliens unter Syrakus’ Führung bedurfte wie seinerzeit dasjenige Philipps und Alexanders eines äußeren Feindes: der Karthager. Seit 311 v. Chr. führte Agathokles einen Angriffskrieg gegen Karthago, der auf Sizilien ungünstig verlief, den er aber dann auf nordafrikanischem Boden fortsetzte. Er verbündete sich mit dem Herrscher von Kyrene, Ophellas, dessen Heer Agathokles nach Ophellas’ Tod übernahm. Am Ende dieses Krieges aber standen 306 ein Frieden zwischen Agathokles und Karthago zu den Bedingungen des Status quo ante (H. H. Schmitt, Staatsverträge III [1969] 437) und der Königstitel: Zur selben Zeit, als im Osten die mächtigen Herren sich zu Königen aufschwangen (siehe oben), machte sich auch der Stadtherr von Syrakus zum König. Dieser versuchte bis zu seinem Tod 289 v. Chr., sich auf dem italischen Festland ein großes Reich zu erobern, indem er den Krieg unteritalischer Griechen gegen die italischen Völkerschaften des Festlandes organisierte. Agathokles spielte also im Westen eine ähnliche Rolle wie die Militärführer und Kriegsunternehmer des Ostmittelmeerraumes. Nach Agathokles’ Tod (289 v. Chr.) übernahmen teilweise die Römer dessen Funktion als militärischer Bündnispartner für die Griechenstädte zumindest des italischen Festlandes: 282 unterstützten sie die gesamtgriechische Kolonie Thurioi gegen die Stämme der Lukaner und Bruttier, und auch Lokroi und Rhegion unterstellen sich der römischen Schutzmacht. Dadurch aber provozierte Rom einen Konflikt mit der Regionalmacht Tarent, die zahlreiche süditalische Stämme um sich scharte und Pyrrhos 281 v. Chr. um militärische Hilfe bat, als dieser Konflikt militärisch eskalierte. Tarent hatte Pyrrhos schon früher militärisch bei der Eroberung Korkyras geholfen und konnte daher erwarten, dass der König seiner Hilfsbitte nachkam. Pyrrhos’ Aussichten auf die Macht in Makedonien waren in dieser Lage nicht günstig; er verzichtete daher auf seinen Anspruch auf das makedonische Königtum gegenüber Ptolemaios Keraunos, der ihm als Gegengabe für diesen Verzicht Truppen überließ; finanzielle und technische Hilfe erhielt Pyrrhos auch von Antiochos und von Antigonos Gonatas. Den Krieg begann Pyrrhos 280 v. Chr., indem er auf das italische Festland übersetzte und Tarent als Hauptstützpunkt bezog. Er führte ihn einerseits, um eventuell in Italien Territorium zu gewinnen, zum anderen aber verband er mit ihm intensive antibarbarische Propaganda und suchte nach dem Vorbild Alexanders, Griechen und Makedonen gegen die Bedroher der westlichen Griechen zu einen; er kultivierte wie Alexander das Vorbild des Herakles und behauptete, von diesem Helden selbst abzustammen. Auch seine Truppen organisierte er nach dem Vorbild Alexanders: Ihr Kern war die in Stammeskontingente gegliederte Phalanx von Schwerbewaffneten; dazu kamen Elefanten, Söldner und Kontingente der Bundesgenossen; wie Alexander
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stützte sich Pyrrhos auf eine militärisch-administrative Funktionselite von Freunden, zu denen etwa der Kommandeur, Literat und Diplomat Kineas aus Thessalien gehörte. In Tarent selbst agierte Pyrrhos als bevollmächtigter Stratege wie ein absoluter Militärherrscher. Dadurch, dass die Städte Rhegion und Kroton aber Rom um Hilfe riefen, weitete sich der Konflikt zu einem regionalen Koalitionskrieg aus, und nach seinem Erfolg über die Römer bei Herakleia (280) gelang es Pyrrhos, immer mehr griechische Gemeinden sowie die Stämme der Bruttier, Samniten und Lukaner an sich zu binden. Pyrrhos führte in der Folge einen Abnutzungskrieg gegen Rom und verhandelte zugleich erfolglos mit Rom über einen Ausgleich. Bei Ausculum kam es daher 279 v. Chr. nochmals zu einer entscheidendenden Schlacht. Auf Sizilien stand Karthago den Ambitionen der griechischen Großstadt Syrakus im Wege, die in Konkurrenz zu Karthago ihre Kontrolle über weite Teile der Insel ausgedehnt hatte; der syrakusanische Stadtherrscher Hiketas war nach Misserfolgen gegen kartagische Truppen von Thoinion in einem Staatsstreich abgelöst worden. Syrakus’ Situation ähnelte der einer bürgerkriegsartigen Zerrüttung, während es Krieg gegen Karthago führte. Daher boten die Exponenten der miteinander streitenden Parteiungen Pyrrhos den Oberbefehl in Syrakus an, um Stadt und Bürgerschaft gegen Karthago zu einen, zudem auch die Bürger von Akragas und Leontinoi (Diodor. XXII 7,3 – 6; 8,2; Plutarch, Pyrrhus 22,2). Rom verbündete sich gegen Pyrrhos mit Karthago, und Pyrrhos setzte mit seinen Truppen nach Sizilien über, wo er in aller Form zum König von Sizilien gewählt wurde. Es gelang Pyrrhos, zahlreiche griechische Gemeinden auf seine Seite zu ziehen und die Karthager dazu zu zwingen, eine Blockade von Syrakus aufzuheben. Pyrrhos konnte die Karthager auf ihre westlichen Besitzungen auf Sizilien zurückdrängen, die allerdings bestens befestigt waren, sodass der Krieg zu einem technisch und materiell aufwendigen Belagerungskrieg wurde. Pyrrhos konnte die karthagischen Stellungen auf dem Berg Eryx im Westen Siziliens so erobern, nicht aber die karthagische Hauptfestung Lilybaion. Pyrrhos’ Stellung auf der Insel wurde nach den ersten militärischen Erfolgen dadurch, dass viele von ihm abfielen, zugleich erheblich erschüttert: Seine Steuererhebung und seine Verwalter, die Güter zugunsten der Freunde und Funktionäre des Pyrrhos einzogen, intensivierte die Herrschaft des Monarchen – gegen diese Grundpfeiler seines Herrschaftssystems gab es Widerstand, der dazu führte, dass Pyrrhos zunehmend die Ressourcenbasis für seine Kriegführung auf der Insel wegbrach. Weil die Römer während Pyrrhos’ Abwesenheit auf dem italischen Festland erhebliche Geländegewinne gemacht und Pyrrhos’ Bündnis auseinandergerissen hatten, kehrte er daher 275 v. Chr. auf das Festland zurück; noch im selben Jahr verließ er nach der verlustreichen Schlacht bei Beneventum/Maleventum den Westen und ging nach Griechenland zurück. Pyrrhos und Makedonien Pyrrhos’ Rückzug aus Italien und Sizilien – zunächst nur mit einem Teil seines Heeres – hatte mit der Erschöpfung seiner strategischen Ressourcen und seinen vergeblichen Renditeerwartungen aus den militärischen Investitionen zu tun. Antigonos hatte Pyrrhos die finanzielle und personelle Unter-
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stützung für seine Kriegsunternehmungen entzogen, und Pyrrhos wollte ihn unter militärischen Druck setzen (Polyaen, Strategemata VI 6,1; Pausanias XIII 1). Um Geld zu beschaffen, führte Pyrrhos daher 274 v. Chr. in Makedonien einen ausgedehnten Plünderungskrieg, damit, wie Plutarch es formuliert, die Kriegführung selbst das Heer ernähre (Plutarch, Pyrrhus 26,3). Pyrrhos konnte jedoch auch große Territorialgewinne machen, und vor allem konnte er seine Anerkennung als Feldherr in die Waagschale werfen, um die Loyalität der Truppen des Antigonos selbst zu erschüttern. Wieder einmal war es eine geschickte Kombination aus Gewalt, Propaganda und persönlichen Beziehungen – die Eliten beider Seiten kannten sich persönlich genau – , die Pyrrhos erfolgreich sein ließ: Er konnte Antigonos’ Truppen auf seine Seite ziehen (Plutarch, Pyrrhus 26,5 – 8). Pyrrhos’ Sohn Ptolemaios konnte Antigonos in Thessalien schlagen und Pyrrhos Obermakedonien besetzen: Pyrrhos hatte die Kontrolle über Makedonien schnell gewonnen. Seine Hoffnung, auf dieser Grundlage das griechische Mutterland ganz zu erobern und insbesondere die Peloponnes zu unterwerfen, sollte sich jedoch nicht erfüllen. In Pyrrhos’ Gefolge befand sich der spartanische Königssohn Kleonymos, der ihm einen Rechtsgrund bot für den Angriff auf Sparta und König Areus, Onkel des Kleonymos (Plutarch, Pyrrhos 26,16 – 18; Pausanias I 13,3 – 6; III 6,2 – 4). Pyrrhos machte Aitolien zu seiner Basis und griff von dort aus 273 die Peloponnes an. Große Teile der Zentralpeloponnes konnte er besetzen und in Megalopolis, der Hauptstadt Arkadiens, einen Gesandtenkongress veranstalten, auf dem er seine Ziele propagierte, Griechenland von Antigonos zu befreien; Sparta war für Pyrrhos nicht mehr eine Macht, sondern nurmehr ein System mit pädagogischem Orientierungswert. Er wolle seine Söhne in Sparta erziehen lassen, soll Pyrrhos gesagt haben: In dieser Anekdote kommt der militärisch-politische Niedergang des spartanischen Modells zum Ausdruck, aber auch die Nachwirkung einer literarisch-philosophischen Tradition der Bewunderung spartanischer Habitualisierungstechniken. Während die Hopliten nur noch eine Waffengattung unter anderen waren, blieb doch im Bewusstsein der Griechen der Kern griechischer Erziehung die Hoplitenausbildung (Plutarch, Pyrrhus, 26,20 – 22; Polyaen, Stategemata VI 6,2). Sparta verbündete sich gegen Pyrrhos mit den ehemals von Sparta abhängigen Messeniern und mit Spartas Nachbarn und Dauergegner Argos. Dieses Bündnis unterstreicht, wie sehr die ehemalige peloponnesische Vormacht Sparta militärisch marginalisiert und gefährdet war; ungewöhnlich waren auch die Anstrengungen, die Stadt, die traditionell ohne Stadtmauer auskam, eilig zu befestigen. Pyrrhos gelang es daher nicht, Sparta einzunehmen. Die Heere von Areus von Sparta sowie Antigonos einerseits und Pyrrhos andererseits trafen schließlich beim Kampf um die Stadt Argos aufeinander, die von inneren Machtkämpfen zwischen Anhängern der Antigoniden und Pyrrhos zerrissen wurde. Pyrrhos’ Versuch, dabei mit Waffen und Elefanten heimlich in die Stadt einzusickern und diese zu übernehmen, misslang jedoch, und Pyrrhos wurde im Straßenkampf getötet. Dieser Tod des Pyrrhos ließ auch den Rest seiner Macht im Westen zusammenbrechen, wo er bisher durch seine Funktionäre noch Tarent kontrolliert hatte. Den Vorteil davon hatte Rom. Im mutterländischen Griechenland dagegen profitierte von Pyrrhos’ Tod Antigonos, der sich mit Spartas König Areus ver-
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bündet hatte; allein dadurch hatte auch noch einmal Sparta eine militärisch-politische Rolle im gesamtgriechischen Maßstab spielen können. Erst mit dem Tod des Pyrrhos war die Herrschaft der Antigoniden über Makedonien für die nächsten vier Generationen gesichert. Mit gutem Grund kann man daher 273/272 v. Chr., das Jahr von Pyrrhos’ Tod, als endgültigen Abschluss der formativen Phase des hellenistischen Mächtesystems ansehen. Makedonien und Griechenland unter Antigonos Gonatas Das Ptolemäerreich hatte aufgrund der relativen Stabilität der Dynastie schon bald eine feste Zentrale, eine Hauptstadt, herausgebildet (Alexandria) mit administrativen Organen und einem Hof. Die beiden anderen Großreiche der Seleukiden und der Antigoniden blieben hingegen im Zustand der Unabgeschlossenheit und relativen Instabilität mit wenig entwickelten Orten und vielen Zentren mit mobilen, über lange Zeit in Feldlagern lebenden Herrschern und mit verstreuten Territorien ohne feste Grenzen und Zugehörigkeit, die es zurückzuerobern galt. In Makedonien gab es Ansätze zu einer Residenzbildung in Demetrias und in der alten Hauptstadt Pella. Zwar hatten bereits Philipp II. und Alexander der Große Höfe mit differenzierter Administration und einer schriftlichen Bürokratie unterhalten, doch Kontinuität war einer stationären makedonischen Hofhaltung erst seit Antigonos beschieden, und zwar im Wesentlichen in Pella. Zu Antigonos’ entscheidenden Leistungen gehörte jedoch die Sicherung einer andauernden Herrschaft über die Städte und Staaten Griechenlands. Dazu bediente sich Antigonos oft der Unterstützung von Tyrannen in diesen Städten, und er konnte sich mit Chalkis, Demetrias, Athens Hafen Piräus und Korinth entscheidende Festungen für die Kontrolle über ganz Griechenland sichern. Allerdings beschwor er durch seine Politik einer Kontrolle aller strategisch wichtigen Plätze in Griechenland einen Interessengegensatz zu Sparta herauf, das ja noch gegen Pyrrhos auf Antigonos’ Seite gestanden hatte. Während es zwischen Antigonos und Sparta daher zu einer außenpolitischen Entfremdung kam, lehnte sich Sparta an das Ptolemäerreich an, mit dessen Hilfe es ein antimakedonisches Bundesgenossensystem aufbaute, zu dem neben der Peloponnes auch die Staaten des dorischen, eng mit dem Ptolemäerreich verbundenen Kreta gehörten. Zwischen diesem Bündnis und Antigonos kam es in dem Moment zum Kriege, als auch Athen dem Bündnis beitrat. In diesem Defensivbündnis gegen die Expansion und Konsolidierung von Antigonos und seinem Machtbereich wirkt eine Maxime des Diadochensystems nach: kompensatorisch sich gegen jeden zusammenzuschließen, der eine überragende Vormacht zu entwickeln droht. Dieses Verhaltensprinzip gilt nun aber in einem viel deutlicher differenzierten Mächtesystem: Hinter die drei Großmächte sind die alten Vormächte Griechenlands, Athen, Sparta, Boiotien und Theben, zurückgefallen. Zwischen den so unterschiedlichen Mächten spielte sich in wechselnden Allianzen ein labiles Gleichgewicht ein, dessen Bestehen von den Teilnehmern nicht unbedingt intendiert war. Das Festhalten an der Regel, unter den Mächten der griechischen Welt gegen jeden, der es unternimmt, eine übergroße Vormacht zu erwerben, nach geeigneten Bündnispartnern unter den großen Mächten Ausschau zu
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halten, mittlere Mächte dazu zu gruppieren und den Anhang kleiner Anlehnungsmächte dabei mit in Rechnung zu stellen, stabilisierte das ägäische Mächtesystem. Dessen labiles Gleichgewicht sollte bestehen bleiben, bis das Eingreifen Roms, einer zunächst außerhalb dieses Systems stehenden Macht, dieses schließlich destabilisierte. Athen und der Chremonideische Krieg Lage und Propaganda unmittelbar vor Ausbruch des Chremonideischen Krieges (268/267 oder 265/264 – 261 v. Chr.) dokumentiert der von Chremonides in Athen eingebrachte Antrag, dass Athen dem Bündnis gegen Antigonos beitreten solle (IG II/III2 1,686 – 687 L Syll.3 687 – 688 L Staatsverträge 476). Chremonideischer Krieg: Antrag des Chremonides über ein Bündnis mit Sparta (Übers.: K. Brodersen, W. Günther, H. H. Schmitt, Historische Griechische Inschriften in Übersetzung II, Darmstadt 1996, Nr. 323, S. 122 – 125)
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Götter! Im Jahr, da Peithidemos Archon war; die (Phyle) Erechtheis hatte die zweite Prytanie inne; … im (Monat) Metageitnion am neunten (Tag) der ersten Dekade, am neunten (Tag) der Prytanie; Hauptvolksversammlung; von den Prohedroi leitete die Abstimmung Sostratos Sohn des Kallistratos aus (dem Demos) Erchia zusammen mit seinen Amtskollegen. Beschluss des Volkes: … Chremonides Sohn des Eteokles aus (dem Demos) Aithalidai stellte den Antrag: Früher sind Athener und Lakedaimonier und die Bundesgenossen beider (Städte) gemeinsame Freundschaft und Bundesgenossenschaft eingegangen miteinander und haben viele ehrenvolle Kämpfe gekämpft miteinander gegen jene, die die Städte zu knechten sich unterfingen, woraus sie sich selbst Ruhm erworben und den übrigen Griechen die Freiheit verschafft haben. Und nun, da eine ähnliche Krise ganz Hellas erfasst hat durch die, die den Umsturz der Gesetze und der bei allen bestehenden traditionellen Verfassungen anstreben, ist auch der König Ptolemaios, in Übereinstimmung mit der Haltung seiner Vorfahren und seiner Schwester, sichtbar bemüht um die gemeinsame Freiheit der Hellenen. Und das Volk der Athener hat ein Bündnis geschlossen mit ihm und hat beschlossen, auch die übrigen Hellenen aufzurufen zu derselben Einstellung. Ebenso haben die Lakedaimonier, Freunde und Bundesgenossen des Königs Ptolemaios, auch mit dem Volk der Athener ein Bündnis beschlossen zusammen mit Eleiern, Achaiern, Tegeaten, Mantineiern, Orchomeniern, Phi(g)a[leiern], Kaphyeern und mit den Kretern, die im Bünd[nis m]it Lakedaimoniern und Areus und den übrigen Bundesgenossen stehen, [und] sie haben Gesandte von den Synhedroi abgeschickt an das Vo[lk], und die von ihnen Gekommenen unterstreichen der Lakedaimonier und des Areus und der anderen Bundesgenossen Engagement, das sie gegenüber dem Volk an den Tag legen, und sie bringen die Vereinbarung (= Vertragsentwurf) über das Bündnis mit. Damit nun allgemeine Eintracht eintrete unter den Hellenen und sie gegen die derzeitigen vertragsbrüchigen Vergewaltiger der Städte zusammen mit dem König Ptolemaios und mit einander bereitwillig kämpfen und künftig in Eintracht das Wohl der Städte wahren: Zum guten Glück! Es möge Beschluss de[s V]olks sein: Die Freundschaft und Bundesgenossenschaft soll zwischen Athenern und Lakedaimoniern und den Königen der Lakedaimonier und Eleiern und Achaiern und Tegeaten und Mantineer[ un]d Orchomeniern und Phi(g)aleiern und Kaphyeern
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und den Kret[ern] im Bündnis mit den Lakedaimoniern un[d Areus] und den anderen Bundesgenossen gültig sein auf alle [Zeit, wie sie] die Gesandten überbringen. Und aufschreiben [lassen soll sie der Schr]iftführer, (der) während der Prytanie (amtiert,) auf eine ehernen Stele [und diese aufstellen a]uf der Akropolis neben dem Tempel der Athena Polias. Schwören sollen [die] Magistrate den Gesandten, die gekommen [sind von ihnen, den Eid] über das Bündnis gemäß der [Tradition(?). … Die] vom Volk [gewählten] Ges[andten soll man absenden, die die E]ide abneh[men sollen den übrigen Hellenen. … Wähl]en soll ferner [das Volk zwei] Synhedroi [auf der Stelle aus] allen [Athenern,] die zusammen mit Areus [und den von den Bündnern d]elegierten Synhedroi beraten solle[n über die gemeinsamen In]teressen. Auszahlen sollen den Gewählt[en die mit der Verw]altung (Beauftragten) ein Reisegeld für die Zeit ihrer Abwesen[heit in der Höhe, die durch Handaufheb]ung das Volk beschließt. Belobigen soll man [die Ephoren der Lakedai]monier und den Areus und die Bundesgenossen [und sie bekränzen] mit einem goldenen Kranz (im Wert) entsprechend dem Gesetz. Be[lobigen soll man ferner die Gesa]ndten, die von ihnen gekommen sind: … Theom[ – aus Lakeda]imon (und) Argeios Sohn des Kleinias aus Elis, und bekränzen soll man jeden von ihnen mit einem goldenen Kranz (im Wert) entsprechend [dem Gesetz, ihres Pflichteifers] und der freundschaftlichen Gesinnung [weg]en, die sie hegen gegen [die anderen Bündner und] das Volk der Athener; sie sollen [beide auch andere Aus]zeichnung erhalten vom Rat [und vom Volk, wenn sie einer solchen] würdig zu sein [scheinen]. Laden soll man s[ie ferner zum Gastmahl ins Prytanei]on auf morgen. Aufschreiben lassen [soll diesen Beschluss der Schriftführer,] (der) während der Prytanie (amtiert), auf eine [Marmorstele und ebenso den Vertragstext un]d (sie) aufstellen auf der Akropolis; für [die Aufzeichnung und Aufstellung d]er Stele sollen zuteilen die mit [der Verwaltung (Beauftragten) die Kosten, die anfallen] werden. Als Synhedroi wurden folgende g[ewählt: ] Kallippos aus (dem Demos) Eleusis, [ – ] Vertrag und Bündnis [der Lakedaimonier und der Bundesgenossen de]r Lakedaimonier mit [den Athenern und den Bundesgenossen der Athen]er auf alle [Zeit. Beide sollen ihr Land besitzen in Freih]eit und Auto[nomie und ihre Verfassung haben gemäß] der Tradition. Wenn j[emand in kriegerischer Absicht zieht gegen das Land der Athen]er oder die Geset[ze umstürzt oder in kriegerischer Absicht zieht gegen die Bundes]genossen der Athen[er, sollen zu Hilfe kommen die Lakedaimonier mit aller Kraft, soweit es ihnen möglich ist. Wenn j]emand zieht in k[riegerischer Absicht gegen das Land der Lakedaimonier oder die] Gesetze um[stürzt oder in kriegerischer Absicht zieht gegen die Bundesgenossen der L]akedaim[onier, sollen zu Hilfe kommen die Athener und die Bundesgenossn der Athener mit aller Kraft, soweit es ihnen möglich ist. … die Lakemaimonie]r und ihre Bundesgenossen den Athen[ern und ihren Bundesgenossen … Schwö]ren sollen die Athener den Lakedai[moniern und den (Abgesandten) aus jeder] Stadt die Strategen und d[er Rat der 600 und die Ar]chonten und Phylarchen und Taxi[archen und Hipparchen: … Ich sch]wöre bei Zeus, Ge, Helios, Ares, der Athena Are[ia, Poseidon und Demeter, … festzu]halten an dem abgesch[lossenen] Bündnis; [wenn wir den Eid halten,] soll uns vie[l G]utes (widerfahren), wenn wir ihn brechen, das Gegen[teil. … Von den Lakedaimoniern sollen] den Athenern schwören in gleicher Weise die [Könige und die Ephor]en [und] die Mitglieder der Gerusia. In gleicher Weise [sollen schwören auch in den anderen] Städten die Archonten. … Wenn [die Lakedaimonier und] ihre Bundesgenossen
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und die Athener [es für besser befinden, etwas hinzuzusetzen] oder zu streichen an dem Bündnis, soll, [was beide Seiten beschließen, sich in Übereinstimmung mit] dem Eid befinden. Aufzeichnen lassen sollen den Ve[rtrag die Städte auf Stele]n und (diese) aufstellen in einem Heiligtum nach ihrem Be[lieben.]
In dem Antrag auf einen Beitritt Athens zum Bündnis heißt es: Athen und Sparta hätten schon früher zugunsten eines gemeingriechischen Friedensbündnisses sich gegen diejenigen zusammengeschlossen, die die griechischen Poleis versklaven wollten; sie hätten sich dadurch Ruhm erworben und den Griechen die Freiheit bewahrt. Das Motiv, das angegeben wird für die athenische Politik, stellt also eine Assoziationsbeziehung her zwischen Antigonos einerseits und den Persern andererseits, deren Angriff auf Griechenland ein gemeingriechisches Kampfbündnis unter der Führung von Athen und Sparta abwehrte und dadurch für Athens Führungsanspruch als Freiheitsmacht ein Muster gab. Die gültige Rechtsordnung (die nómoi), die überlieferten politischen Ordnungen, eleuthería (Freiheit) und autonomía (Selbstbestimmung) gegen ihre Bedrohung durch Antigonos zu wahren: Darin soll nun das Ziel des neuen Bündnisses liegen, zu dem Ptolemaios II. aus freien Stücken eingeladen habe, und zu dem außer Athen unter anderem noch Sparta, Elis, die Achäer, Tegeaten und Mantineer, Orchomenos, Phialeia, Kaphyai, und einige kretische Staaten sich auf unbestimmte Zeit zusammengefunden hätten. Antigonos wird in dem Beschluss als fremder, nichtgriechischer Unterdrücker behandelt. Diese Konstellation bot tatsächlich Ptolemaios die Möglichkeit, auf die mutterländisch-griechischen Ereignisse Einfluss zu nehmen. Athen und Sparta besaßen, setzt der Antrag des Chremonides voraus, bereits separate Bündnisse mit ihm: Ptolemaios hatte mit Athen und Sparta um 268 v. Chr. gegen Antigonos Gonatas gerichtete Bündnisse abgeschlossen. Strategisch wurde der Krieg von Antigonos als Blockadekrieg gegen Athen geführt, während der spartanische König Areus zu Land und Ptolemaios’ Feldherr Patroklos mit Landungsstreitkräften versuchten, diese Blockade zu durchbrechen. Der Krieg wurde daher auch als Seekrieg mit amphibischen Operationen geführt; Antigonos erhielt dabei Unterstützung von größeren Piratentrupps, während Athen durch ein ptolemäisches Expeditionscorps unter dem Kommandeur Patroklos verstärkt wurde. Antigonos’ Truppen versuchten, die athenische Festung Rhamnus in die Hand zu bekommen, um die erbittert gekämpft wurde, weil sie eine Kontrolle des attischen Landes von der Seeseite her ermöglichte. Dagegen grub sich das ptolemäische Kontingent in mehreren befestigten Lagern ein. Athen wurde schließlich von Antigonos’ Truppen belagert, und die Truppen des Bündnisses erwarteten, dass Areus von Sparta von der Peloponnes aus Athen entsetzen würde. Dies aber misslang; Areus starb in der Schlacht von Korinth 265/264 v. Chr. beim Angriff auf die strategisch wichtige Riegelstellung, die Antigonos’ Halbbruder Krateros dort besetzt hielt. Athen kapitulierte daher schließlich 263/262 oder 262/261 v. Chr., wurde besetzt und wie viele andere griechischen Gemeinden fortan von proantigonidischen Stadtherrschern kontrolliert. Zu den Mitgliedern der tonangeben-
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den Schicht gehörte auch ein Mitglied einer im Stadtregiment bewährten Familie: Kassander hatte 317 – 307 v. Chr. Athen durch Demetrios von Phaleron beherrschen lassen; dessen Enkel Demetrios von Phaleron betätigte sich als einer der Antigonos begünstigten und wohl auch gestützten Politiker. Athens Situation nach der Kapitulation war symptomatisch für die Herrschaft des Antigonos über die Städte Griechenlands: Athens Ämterordnung blieb prinzipiell weitgehend bestehen (vgl. Apollodoros, FGrHist. 244 F 44; Hegesandros bei Athenaeus, Deipnosophistae IV 64, 167e – f). Demetrios war wahrscheinlich zeitweise Kommandeur der Reiterei, mehrfach Stratege und siegte im Wagenrennen bei größeren Festspielen (IG II2 2971): Der jüngere Demetrios führte das Leben eines prominenten und reichen Adligen. In ähnlicher Weise arrangierten sich die städtischen Eliten teilweise mit der neuen Stadtherrschaft (Phaidros von Sphettos), teilweise gingen sie ins Exil und fanden an den Höfen der Antigonidengegner ein Auskommen (wie Chremonides und sein Bruder Glaukon). Antigonos folgte möglicherweise dem Leitbild ostentativer Großzügigkeit der hellenistischen Monarchen, als er nach 255 v. Chr. Athen ein größeres Maß an Selbstkontrolle einräumte, ohne aber die antigonidischen Truppen aus den Landfestungen (Rhamnus, Munychia) und dem strategisch wichtigen Hafen Piräus abzuziehen. Antigonos konnte sich Großzügigkeit leisten, war mit seinem Separatfrieden mit Ptolemaios doch eine Bedrohung seiner Position weggefallen. Dies alles hieß aber nicht, dass Athen nun eine eigenständige Außenpolitik hätte betreiben können. Bis 229 v. Chr., dem Jahr, in dem Antigonos Doson nach dem Tod des Demetrios II. die Regentschaft antrat und Athen erneut die Herrschaft der Antigoniden abschütteln konnte, blieb Athen vielmehr abhängig von den Antigoniden. Die Form der antigonidischen Kontrolle über die Stadt Athen und die Entwicklung dieser Kontrolle steht im Zusammenhang des ideologischen Streites zwischen Antigonos und Ptolemaios in Griechenland. Ptolemaios hatte sich als Vorkämpfer griechischer Freiheit und Antigonos als deren Zerstörer präsentiert, und um die Deutung ihrer je eigenen Rolle gegenüber den griechischen Poleis wurde zwischen beiden Herrschern mit hohem propagandistischem Aufwand gerungen. Noch nach dem Ende des für Athen verlustreichen Chremonideischen Krieges ließen die Gegner der Antigoniden für Chremonides und seine Unterstützer in Plataiai, am Ort des seinerzeitigen Sieges über die Perser, eine Statue errichten. Sie machte Ptolemaios zum symbolischen Befreier, Antigonos zum fremden Unterdrücker Griechenlands (Austin Nr. 51). Sikyon, Korinth – Arat und Antigonos Die Spannungen zwischen Antigonos und Ptolemaios in Griechenland blieben daher auch nach dem Ende des Chremonideischen Krieges bestehen: Die fünfziger Jahre des Jahrhunderts sahen erneute Auseinandersetzungen zwischen Antigonos und Ptolemaios während des 2. Syrischen Krieges (259 – 253 v. Chr.). Diese Spannungen zwischen den Epigonen erschütterten die Herrschaft des Antigonos immer wieder aufs Neue, denn für die Eliten der ehemals maßgeblichen großen Stadtstaaten blieb das Leitbild einer unabhängigen Politik noch immer bestimmend, und sobald es die Lage erlaubte, ergriffen sie regelmäßig die Gelegenheit dazu, durch eine Politik
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wechselnder Allianzen sich zusätzlichen Spielraum zu verschaffen. Dass im mutterländischen Griechenland besonders viele Stadtstaaten mit solch einer wirksamen Tradition selbstbewusster Unabhängigkeit existierten, stellte für das Reich des Antigonos ein besonderes Strukturproblem dar. In der zweiten Jahrhunderthälfte führten diese Spannungen zum Erstarken föderaler Gebilde und in der Folge zum Wegbrechen großer Teile der Peloponnes und Mittelgriechenlands aus dem Herrschaftsbereich des Antigonos. Entscheidend für diese Entwicklung wurde die Lage am strategisch wichtigen Isthmos von Korinth. In Sikyon, der westlichen Nachbarstadt Korinths, herrschten promakedonische Stadttyrannen; während innerer Parteikämpfe 264 v. Chr. war Arat, der Sohn eines prominenten Bürgers der Stadt, ins Exil nach Argos gegangen. 251/250 v. Chr. konnte Arat die Sikyoner Stadttyrannis in einem Kommandounternehmen stürzen. Die Stadt und die neue Herrschaft Arats aber waren in dieser Situation bedroht: durch Konflikte im Inneren um die Rechtsansprüche der massenhaft zurückkehrenden Exulanten sowie durch Antigonos und vor allem durch die geographische Nähe Korinths, der makedonischen Hauptfestung in Mittelgriechenland. In dieser Lage schloss Arat die Stadt Sikyon einem Bundesstaat an, der seit 281/280 v. Chr. in der Nord- und Zentralpeloponnes entstanden war, und der die Unabhängigkeit seiner Mitglieder von der alten peloponnesischen Vormacht Sparta, von den nördlich des Golfes von Patras siedelnden Aitolern und von Makedonien gewährleisten sollte: dem Achäischen Bund. Die Entscheidung war konsequent, wollte man Sikyons Unabhängigkeit und Sicherheit gegenüber Makedonien wahren, doch brachte sie Sikyon umso klarer in Konflikt mit dem unmittelbar benachbarten makedonisch besetzten Korinth. Die Festung Akrokorinth war von Antigonos’ Halbbruder Krateros verwaltet worden, dessen Sohn Alexandros sie nach seinem Tod als antigonidischer Statthalter übernahm. Er kündigte Antigonos jedoch die Loyalität auf, schloss ein Bündnis mit dem Achäischen Bund, konnte Antigonos die Kontrolle über die Insel Euboia entreißen und von Antigonos’ Städten Athen und Argos sogar Subsidien einfordern. Auch wenn Antigonos Gonatas zur See gegenüber Ptolemaios einiges wettmachte – zwei Seeschlachten bei Kos und Andros soll er gewonnen haben: Seine Kontrolle über das Zentrum und den Süden des griechischen Mutterlandes war spätestens seit Arats Coup schwer erschüttert. Alexandros’ Nachfolger war seine Witwe Nikaia, die sich 244 mit Antigonos arrangierte, seinen Sohn und späteren Nachfolger Demetrios II. heiratete und Antigonos dadurch die Kontrolle Korinths und Euboias für kurze Zeit noch einmal sicherte. Dies provozierte einmal mehr die antimakedonische Politik und antityrannische Propaganda Arats: Dieser hatte nicht zuletzt wegen seiner guten Verbindungen zu den Ptolemäern im achäischen Bund eine prominente Stellung inne. Zwischen 245 und 216 nämlich war er 16-mal Bundesstratege, das heißt Oberbeamter und oberster Feldherr des Bundes. Die Vergrößerung des Bundes auf Kosten promakedonischer Tyrannenherrschaften: Das war sein Programm, und daher erhielt auf Arats Betreiben Ptolemaios III. 243 v. Chr. nominell den Oberbefehl über das Heer des Achäischen Bundes. Mit Ptolemaios’ nicht zuletzt finanzieller Unter-
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stützung gelang es Arat, als er 243/242 zum zweiten Mal Bundesstratege war, in einer neuerlichen Kommandoaktion Akrokorinth zu besetzen. Die Folge: Korinth schloss sich dem Achäischen Bund an und noch im selben Jahr auch Megara; Epidauros und Troizen fielen von Antigonos ab. Dieser hatte damit seine wichtigsten Stützpunkte in Mittelgriechenland verloren, während sich der Achäische Bund auf der Peloponnes neben Sparta als zweite Mittelmacht etablieren konnte (Polybios II 43 – 44). Antigonos’ kaum wirksame Maßnahme gegen diese Entwicklung war der Abschluss eines Bündnisses mit dem Aitolerbund, einem ebenfalls wachsenden koinón, einem bundesstaatlich organisierten Flächengebilde, das in Konkurrenz stand mit dem Bund der Achäer, und das deswegen im Urteil des achäischen Historikers Polybios sehr abwertend dargestellt wird. Demetrios II. und Athen Antigonos Gonatas starb 239; sein Nachfolger Demetrios II. heiratete Phthia, die Tochter des epirotischen Molosserkönigs Alexander II. Diese für die Dynastie sensible Situation nutzte Arat einmal mehr aus; dazu brachte ein Bündniswechsel des Aitolerstammes die Antigoniden in eine fatale Lage: Antigonos Gonatas hatte mit den Aitolern ein Bündnis geschlossen (siehe oben), für Polybios Ausdruck der polypragmosy´ne, der Geschäftigkeit des Makedonenherrschers, und der pleonexía, der Habgier der Aitoler. Ziel dieses Vertrages sei nicht mehr und nicht weniger als eine Aufhebung des Achäischen Bundes gewesen. Nach Antigonos’ Tod aber seien Fremdheit und Feindschaft zwischen Aitolern und Achäern zeitweise einem Verhältnis der Gemeinsamkeit und Freundschaft gewichen (Polybios II 43,9 – 44,1). Demetrios musste außerdem erleben, dass in Epirus das Königtum seines Schwiegervaters Alexander gestürzt wurde und sich auch der Bundesstaat der Epiroten mit den Achäern und Aitolern gegen Makedonien verbündete. Demetrios stand damit gegen drei bundesstaatliche Mittelmächte in Griechenland: Seine Regierungszeit (239 – 229 v. Chr.) war geprägt vom Demetrios-Krieg gegen Aitoler und Achäer, in dem er nur kleinere Gewinne machte (Megara, Lokris, Phokis). Die Herrscher Makedoniens führten in diesen Jahren an mehreren Fronten gleichzeitig Krieg: gegen die mittelgriechischen Bundesstaaten und ihre auswärtigen Schutzmächte, gegen benachbarte kleinere Stammesverbände und gegen die Thessaler. Diese Kriege führte nach Demetrios’ Tod sein Vetter Antigonos als Regent und Vormund für den noch unmündigen Philipp V.: Mit der Unmündigkeit des Erben wurde ähnlich verfahren wie nach dem Tode Alexanders des Großen. Die für die Dynastie immer schwierige Übergangszeit nutzten die Athener zum Wiedergewinn größerer politisch-militärischer Selbständigkeit: Der neue antigonidische Stadtherrscher Diogenes überließ ihnen den Hafen Piraeus und die Hauptfestungen Attikas; die fremde Kontrolle über Festungen und Häfen hatte Athen nämlich weitgehend die Möglichkeit zu einer selbständigen Außenpolitik genommen. Die Initiative für diese Aktion ging von den zwei attischen Brüdern Eurykleides und Mikion aus, die auch dafür sorgten, dass das Geld für die Abfindung entlassener königlicher Soldaten zusammenkam (IG II2 834). Arat von Sikyon hat in seinen Memoiren später diese Befreiung Athens für sich selbst als Leistung reklamiert (Plutarch, Arat 34,6; Pausanias II 8,6), doch machen es die von ihm geführten früheren regelmäßigen Angriffe
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Das hellenistische Mächtesystem bis 217 v. Chr. der Achäer auf das antigonidisch kontrollierte Attika unwahrscheinlich, dass gerade Arat eine Entwicklung in Athen angestoßen hätte, die nicht zu einer Parteinahme Athens für den Achäischen Bund führte, sondern zu einer durch die Ptolemäer gestützten Neutralität. Diese Distanz Athens zum Achäischen Bund nach 229 v. Chr., die den Bund in die Arme Makedoniens drängte, ist es, die den achäischen Historiker Polybios die Politik Athens unter Eurykleides und Mikion als eine Dummheit tadeln lässt (Polybios V 106,6 – 8). Antigonos Doson (der die Herrschaft abgeben wird) erreichte, dass Thessalien, dass sich mit aitolischer Hilfe selbständig machen wollte, wieder unter makedonische Herrschaft gezwungen werden konnte. In Makedonien herrschte Antigonos seit 227 als König: Die Heeresversammlung bestätigte ihn, er heiratete Chryseïs, die Witwe des Demetrios, adoptierte Philipp V. und konnte vor allem auf der Peloponnes in den folgenden Jahren militärische Erfolge und politischen Einfluss erringen. Den Hintergrund für diese Erfolge bildeten die von den Ptolemäern geförderte Politik des Spartanerkönigs Kleomenes III., die zu einer Veränderung des regionalen Kräfteverhältnisses führte. Kleomenes wollte die sinkende Zahl und Bedeutung der Spartiaten in Sparta heben, das Königtum auf Kosten der übrigen Verfassungsinstitutionen stärken und so die militärische Schlagkraft Spartas verbessern. Er konnte über den Achäischen Bund militärisch zweimal die Oberhand behalten, ermordete die spartanischen Ephoren, vertrieb spartanische Großgrundbesitzer und versechsfachte nahezu die Zahl der Spartiaten. Seine Ziele richteten sich persönlich auf eine Machtposition nach dem Muster normaler hellenistischer Könige außerhalb Spartas und geographisch auf die Peloponnes: Hier hatte der Achäische Bund nach Kleomenes’ Erfolgen diesen zum Hegemon zu ernennen und geriet so zeitweise in Abhängigkeit von Sparta (Polybios II 51). Insgeheim knüpfte dagegen Arat von Sikyon Verbindungen mit der einzigen gegen Kleomenes in Griechenland zur Verfügung stehenden Macht, Makedonien. Er sorgte dadurch für eine Neuausrichtung des Achäischen Bundes auf eine promakedonische Politik hin. Als Faustpfand bot Arat den Makedonen Korinth an, das er ihnen einst selbst entrissen hatte, dessen Einwohner jetzt aber auf die Seite des Kleomenes getreten waren und die Achäer zur Räumung ihrer Stadt aufgefordert hatten. Wie umstritten dieser Seitenwechsel war, und wie ideologisch kompliziert eine Bewertung der Machtpolitik Arats wurde, zeigt sich in Polybios’ Rechtfertigung des Umganges mit Korinth. Polybios über Arat und die Stadt Korinth (Polyb. II 52,4)
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Antigonos Doson
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Einerseits löste Arat dadurch seine Schuld gegenüber dem makedonischen Königshaus ab, andererseits gab er ein ausreichendes Pfand ihrer auf die Zukunft gerichteten neuen Gemeinschaft, als entscheidende Folge aber lieferte er Antigonos die Operationsbasis für den Krieg gegen Sparta.
Kleomenes hatte eine Reihe peloponnesischer Städte in seine Hand gebracht und bei Korinth eine stark befestigte Sperrstellung bezogen; dagegen
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richteten sich Arats und Antigonos’ Planungen: Arat unterstützte in Argos einen antispartanischen Aufstand, der Kleomenes zwang, die gegen Antigonos aufgebaute Sperrfestung am Isthmos aufzugeben. Nach seinen Erfolgen wurde Antigonos 225/224 v. Chr. durch die Achäische Bundesversammlung zum Oberbefehlshaber aller Bundestruppen (Polybios II 54,4) gewählt. Über den Achäischen Bund hinaus gelang es Antigonos, ein komplexes Bündnissystem aufzubauen, zu dem auch mittelgriechische Stämme (Phoker, Boioter, Lokrer) und die Bewohner der Insel Euboia hinzutraten (StV III 507). Die Konkurrenz zwischen Kleomenes und Antigonos bezog sich zunächst auf einzelne Städte: Antigonos konnte, gestützt auf den Bund, viele von der Seite Spartas loszwingen; Kleomenes andererseits eroberte und zerstörte 223 v. Chr. das arkadische Megalopolis und griff Argos, die Winterbasis seines Gegners, an. Antigonos bereitete schließlich einen Angriff auf die strategische Basis seines Gegners selbst vor. Kleomenes bezog dagegen eine Verteidigungsstellung nördlich von Sparta bei Sellasia im Tal des Oinus, eines Nebenflusses des Eurotas; diese konnte er gegen Antigonos’ überlegene Truppen nur einige Tage halten. Antigonos nahm daher Sparta ein und stellte dessen Ordnung vor den Reformen des Kleomenes wieder her; Kleomenes selbst ging ins ptolemäische Ägypten ins Exil (Polyb. II 65 – 70). Nach diesem Erfolg, der das neue Bundesgenossensystem und die makedonische Vorherrschaft in Zentral- und Südgriechenland sicherte, bekämpfte Antigonos Doson nach Makedonien eingefallenene Illyrer, starb jedoch noch auf diesem Feldzug (221 v. Chr.). Dieses Ende des Antigonos Doson wurde bereits von Polybios als ein Epocheneinschnitt der hellenistischen Geschichte betrachtet. Er hielt es für bemerkenswert, dass etwa zur selben Zeit Ptolemaios III. Euergetes an einer Krankheit starb und ihm Ptolemaios IV. Philopator folgte, im Seleukidenreich kurz nacheinander Seleukos II. Kallinikos (225 v. Chr.) und Seleukos III. Soter Keraunos (225 – 223) starben, denen der wirkungsmächtigste Seleukide Antiochos III. (223 – 187) nachfolgte. Polybios zog dabei eine ausdrückliche Parallele zwischen den Einschnitten dieser 139. Olympiade (224 – 220) und den vier Jahren von 284 bis 280 v. Chr., genau zwei Generationen früher, als die „ersten, die nach Alexander die Herrschaftspositionen einnahmen“, starben (II 71,3 – 7: Lysimachos, Seleukos, Ptolemaios I.). Diese auffälligen Synchronismen dynastischer Wechsel bestimmen in der Tradition des Polybios bis heute unsere Auffassung von der Gliederung der hellenistischen Geschichte. Sie sind allerdings auch keine reine Äußerlichkeit: Mit Philipp V. und Antiochos III. tritt in Makedonien und Syrien eine Generation von Herrschern an, die bereits mit der Expansion Roms konfrontiert war. b) Das Ptolemäerreich Ptolemaios, dem Sohn des Lagos, einem durch Initiative, Mut und Rücksichtslosigkeit hervorgetretenen Offizier und Leibwächter Alexanders, war es nach Alexanders Tod gelungen, sich die Satrapie Ägypten zu sichern; er konnte sich sogar in den Besitz von Alexanders Leichnam setzen, bestattete ihn aufwendig und konnte dadurch einen symbolischen Legitimitätsgewinn
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verbuchen. Rücksichtslosigkeit und Konsequenz bewies Ptolemaios auch in anderer Hinsicht: Um sich die Finanzmittel des Landes zu sichern, ließ Ptolemaios Alexanders ehemaligen Steuerverwalter und Satrapen Ägyptens, Kleomenes, der nach der Reichsordnung von Babylon sein Gehilfe bei der Verwaltung des Landes hätte sein sollen, hinrichten. Kleomenes hatte nämlich große Überschüsse angehäuft, auf die gestützt Ptolemaios Söldnertruppen finanzieren und gezielt sein Herrschaftsgebiet, in geographischer Hinsicht das abgeschlossendste der hellenistischen Reiche, sichern und erweitern konnte (Pausanias I 6,3; Diodor XVIII 14,1 – 2). Ptolemaios vergrößerte sein Reich in den folgenden Jahrzehnten gezielt: gegen Karthagos Interessen um das Gebiet der großen Syrte und Kyrene, für das er eine Verfassung dekretierte, die die Vorrechte des Herrschers innerhalb einer stadtstaatlichen Ordnung festlegte (SEG IX 1; XL 1593); gegen Antigonos und später Seleukos um Teile Syriens; zum gezielten Gewinn von Flottenstützpunkten um große Teile Zyperns und um Gebiete im kleinasiatischen Karien und Kilikien. Anstelle der alten Hauptstadt Memphis hatte er das im westlichen Nildelta strategisch und verkehrstechnisch günstiger gelegene Alexandria gesetzt: Dadurch gab er als erster der Diadochen seinem Reich eine Zentrale mit erheblichem Entwicklungspotential – eine neue Gründungsstadt mit Platz für die Entstehung eines Palastes, später auch mit Zentren für Kultur und Kultus, also einen Ort für die Herausbildung höfischen Lebens innerhalb einer städtischen Umgebung, die griechisch geprägt war, aber schnell auch zum Anziehungspunkt für Nichtgriechen (Ägypter, Juden) wurde. Die Stadt war autonom – rechtlich bestand also ein Unterschied zwischen den Bürgern von Alexandria ad Aegyptum und den Bewohnern des Landes (vgl. S. 105). Ptolemaios II. Philadelphos wurde 285/284 v. Chr. Mitregent seines Vaters und 282 dessen Nachfolger als Alleinherrscher anstelle seines Halbbruders Ptolemaios Keraunos, der ins Exil ging. Einflussreiche Berater des ersten Ptolemäers, die in näherer Beziehung zu Ptolemaios Keraunos gestanden hatten, mussten den Hof verlassen oder eines unnatürlichen Todes sterben, darunter der Peripatetiker Demetrios von Phaleron. Mit diesem nicht gewaltlosen, aber in dem relativ homogenen und abgeschlossenen Reich doch erschütterungsfrei verlaufenen Herrscherwechsel beginnt im Ptolemäerreich eine Phase stetiger Entwicklung, die allerdings regelmäßig durch die sechs Kriege gegen die Seleukiden um Koilesyrien erschüttert werden sollte. Freiheitspropaganda nach Art des Antigonos betrieb Ptolemaios spätestens im Dritten Diadochenkrieg: Ptolemaios „wollte, dass die Griechen wüssten, dass es ihm selbst nicht weniger um ihre Autonomie zu tun sei als Antigonos“, hieß es in Diodors Quelle (Diodor XIX 62,1 – 4). Diesen Krieg (315 – 311), der in Syrien mit der Niederlage von Demetrios und Antigonos endete, nutzte Ptolemaios nicht zur Vernichtung der Gegner, sondern zum Beharren auf einem Rechtsstandpunkt, seinem Anspruch aus Erobererrecht. Dieses Prinzip vom Speererwerb spielte als Schlagwort in der ptolemäischen Propaganda eine besondere Rolle (Diodor XVIII 39,6; 43,1; XIX 85,3; XX 76,7), und aus der ptolemäischen Selbstrechtfertigung mag es teilweise auch in die seiner Konkurrenten übergegangen sein (vgl. Diodor XIX 105,3; XXI 1,5 f.): Seine Sprengkraft bestand darin, dass es sowohl die Herrschaft
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der Makedonen rechtfertigen wie die Separatismen nach Alexanders Tod begründen konnte. In Diodors historiographischer Darstellung wird die Legitimationsfunktion dieses Speererwerbs immer mit relativierenden Partikeln zum Ausdruck gebracht (A. Mehl): Für Hieronymos von Kardia, den antigonidischen Historiographen, dem wir die Quelle dafür wohl verdanken, existierte das ptolemäische Erobererrecht nur als Propaganda, im Modus des Als-ob.
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Der Konflikt um Koilesyrien Eine Grundkonstante ptolemäischer Politik in dem guten Jahrhundert zwischen 274 und 168 v. Chr. war der Konflikt zwischen Seleukiden und Ptolemäern um Koilesyrien. Ptolemaios hatte erstmals 319 versucht, dieses Gebiet, im Wesentlichen die phönizischen Küstenstädte im heutigen Libanon, zu erobern. Der rechtliche Keim zu diesem Konflikt wurde nach der Schlacht von Ipsos (301 v. Chr.) gelegt, als die Gegner des Antigonos auf dessen ehemalige Gebiete nach Erobererrecht Anspuch erhoben. Ptolemaios hatte Koilesyrien geräumt, und seine Truppen hatten an den Operationen nicht teilgenommen; daher erhob Seleukos Anspruch auf das Gebiet, in Konkurrenz zu Ptolemaios’ früheren Ansprüchen. Seleukos überließ seinem Verbündeten jedoch dieses Land zunächst, ohne seinen Anspruch aufzugeben und nicht ohne eine spätere Regelung anzumahnen (Diodor XXI 1,5). Seit 301 bestand daher ein latenter Konflikt um Koilesyrien. Unter Ptolemaios II. Philadelphos kam es erstmals zu einer schweren Auseinandersetzung um Koilesyrien (Erster Syrischer Krieg, 274 – 273/272 v. Chr.): Der Seleukide Antiochos I. hatte eingegriffen in den ptolemäischen Machtbereich, indem er seine Tochter mit Magas von Kyrene, Ptolemaios’ Statthalter in der Kyrenaika, verheiratet hatte. Ägypten sollte offenbar strategisch eingekreist und der Kontrolle über den Raum an der Syrte beraubt werden. Trotz militärischer Erfolge der ptolemäischen Heere konnte sich Kyrene de facto als selbständiges Königreich in Nordafrika konstituieren. War dieser Krieg von der seleukidischen Seite offensiv begonnen worden, so führte ihn Ptolemaios II. als Angreifer zu Ende durch Feldzüge in Palästina, dem heutigen Libanon bis nach Syrien hinein. In Syrien konnte aber ein Gegenangriff des Antiochos die Lage wieder stabilisieren. Am Ende stand eine Bestätigung des Status quo ante: Koilesyrien blieb unter ägyptischer Kontrolle, Ptolemaios behielt seine Außenbesitzungen an den Ägäisküsten und dominierte den Bund der Inselbewohner. Diese Ägäisinseln mit dem Kern der Kykladen, im 5. Jahrhundert unter Athens Vormacht, zeitweise unter rhodischer Dominanz, zeitweise der der Antigoniden, blieben bis zu einer erneuten rhodischen Vorherrschaft in späthellenistischer Zeit unter ptolemäischem Protektorat: Ein Bundesstaat, der allein schon aufgrund der handelspolitischen Interessen seiner insularen Mitglieder auf die Unterstützung durch eine Seemacht angewiesen war. So machte die Kontrolle über diesen Bund Ptolemaios II. zum strategischen Hauptakteur in der Ägäis. Seinen vermeintlichen Sieg im 1. Syrischen Krieg krönte Ptolemaios II. durch eine große Siegesfeier, zu der nach Alexanders Vorbild ein Umzug für Dionysos gehörte. Theokrit verherrlichte den König propagandistisch in dem für diese Feier gedichteten 17. Idyll wie einen homerischen Helden. Die Heirat mit seiner Schwester Arsinoë II., die zuvor mit Lysimachos, dann
Das hellenistische Mächtesystem bis 217 v. Chr. mit Ptolemaios Keraunos verheiratet gewesen war, und die Ptolemaios II. anstelle der gleichnamigen Tochter des Lysimachos 278 geehelicht hatte, wurde von Theokrit ebenfalls verherrlicht: Dieser Tabubruch in den Augen der griechisch-makedonischen Elite bedurfte besonderer Rechtfertigung. Arsinoë starb bereits 270; in der ptolemäischen Propaganda spielte die Geschwistergattin aber noch im Chremonideischen Krieg eine Rolle als königliche Wohltäterin, und rühmend hob der Ratifikationsantrag des Chremonides, nach dem der Krieg seinen Namen hat, hervor, dass Ptolemaios’ Krieg zur Befreiung der Griechen der Einstellung und Haltung seiner Schwester folgte (Syll.3 434/435,16): Für eine wirksame Kriegführung im mutterländischen Griechenland hatte Ptolemaios aber keine ausreichenden Ressourcen zur Verfügung stellen können (siehe oben S. 29 ff.). So klar der politische Konflikt zwischen Ptolemäern und Seleukiden um Koilesyrien ist, so wenig deutlich ist, warum fast unmittelbar anschließend (259 – 253 v. Chr.) ein neuerlicher Krieg um Syrien ausbrach. Dieser 2. Syrische Krieg wurde strategisch um die Seeherrschaft in der Ägäis ausgefochten: Die Antigoniden (Antigonos Gonatas) wussten um die Gefährlichkeit der ptolemäischen Interventionsfähigkeit zur See und hatten daher eine eigene Flotte aufgebaut, um im Verein mit dem kürzlich auf den Seleukidenthron gefolgten Antiochos II. (261 – 246 v. Chr.) Ptolemaios in der Ägäis Paroli zu bieten. Ptolemaios II. verfügte über Basen an der kleinasiatischen Südwestküste; so kontrollierte er die Stadt Milet; dort amtierten einige ptolemäische Sachwalter, die sich jedoch von der Zentrale lossagten. Der Söldnerführer Timarchos beispielsweise machte sich zum Tyrannen der Stadt und erstritt durch List den Zugang zum ptolemäischen Flottenstützpunkt auf Samos; als sich die Bürger der Stadt Milet gegen den Tyrannen dann aber an Antiochos II. und nicht an Ptolemaios um Hilfe wandten, setzte dieser nicht nur den Tyrannen ab, sondern bemächtigte sich auch weiterer der ursprünglich ptolemäischen Seestützpunkte. Die antiptolemäische Koalition aber war einerseits brüchig, andererseits konnte Antigonos Gonatas 255 vor Kos eine Seeschlacht gegen Ptolemaios gewinnen. Ptolemaios schloss daher mit Antigonos Gonatas einen Separatfrieden; der Krieg war fortan ein Krieg zwischen Ptolemaios und Antiochos um Koilesyrien. Auch diesen Krieg beendete Ptolemaios als Unterlegener: 253 durch einen Vertrag und 252 durch die Ehe Antiochos’ II. mit Berenike, der Tochter des Ptolemaios. Ptolemaios zahlte hohe Summen für den Frieden, die als Mitgift für Berenike maskiert wurden. Die erbrechtlichen Implikationen dieser Heirat wurden dann zu einem Anlass für den 3. Syrischen Krieg. Auch wenn Ptolemaios II. in diesen militärischen Auseinandersetzungen seine Ziele nicht erreichte, legte seine Regierungszeit die Grundlage für spätere wirtschaftliche, kulturelle und politische Blütephasen: Neben dem Ausbau Alexandrias und seiner Kult- und Kulturzentren gehören zu den Investitionen des zweiten Ptolemäers die intensive Bemühung um eine Erschließung des Roten Meeres und um die Kontrolle über die Seefahrt auf dem Meer. Ptolemaios sandte mehrere Expeditionen aus; Motiv dafür war das Interesse am Import von Kriegselefanten und Rohmaterialien, und im Süden Ägyptens verhielt er sich Nubien gegenüber expansiv, und zu einigen der kleineren Orte auf Kreta konnte er stabile Beziehungen aufbauen; für die seestrategischen Interessen der Ptolemäer war dies ein Gewinn. In Grie-
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Epochenjahr 246
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chenland setzte Ptolemaios trotz der Misserfolge seit Mitte der 50er Jahre seine Interventionen fort; Sikyons Unabhängigkeit von Makedonien und die Expansion des Achäischen Bundes deckte Ptolemaios II. Um seine Stellung in der Ägäis zu festigen, baute er eine neue große Flotte und konnte dadurch seine Herrschaft über die Ägäisinseln, die Kyrenaika, Zypern sowie die ptolemäischen Stützpunkte in Karien, Lykien und Koilesyrien festigen. Das Jahr 246 v. Chr. war im Vorderen Orient und in der Levante ein Epochenjahr: Im Ptolemäerreich und im Seleukidenreich kam es zu Thronwechseln. Im Seleukidenreich übernahm Seleukos II. Kallinikos (246 – 226) die Herrschaft; Nachfolger Ptolemaios’ des II. wurde Ptolemaios III. Euergetes (246 – 222 v. Chr.). Seleukos II. war ein Sohn der ersten Frau des Antiochos, der Laodike. Durch seine Thronfolge sahen sich die Ptolemäer aber um die Früchte ihrer Heiratspolitik und ihres Abkommens mit den Seleukiden gebracht, und Berenike, die zweite Frau des Antiochos, betrachtete das Erbrecht ihres minderjährigen Sohnes, des Antiochos Hierax, durch die Erbfolge des Seleukos II. verletzt. Berenike war die Schwester des Ptolemaios III., mit dem sie sich zur Durchsetzung ihrer Ansprüche verbündete; Ptolemaios wiederum erhoffte sich von diesem Bündnis eine Abrundung seines Herrschaftsgebietes, die Kontrolle über Südsyrien und Interventionsmöglichkeiten im seleukidischen Machtbereich. Die Eliten in Antiochia boten für einen Eingriff von außen nämlich genug Angriffspunkte: Sie waren gespalten zwischen Anhängern des Seleukos II. und seiner Mutter Laodike einerseits und der ptolemäischen Prinzessin Berenike und ihres minderjährigen Sohnes Antiochos Hierax andererseits. In den sich verschärfenden Wirren wurden Berenike und ihr Sohn ermordet. Ptolemaios III. nutzte diese Thronwirren im Seleukidenreich für einen Eroberungszug, marschierte in Antiochia ein und stieß bis über den Euphrat vor. 241 v. Chr. schlossen beide Herrscher dann einen Frieden, der den Ptolemäern den Besitz zahlreicher Seestützpunkte garantierte, darunter in Syrien die Stadt Seleukeia in Pierien (sogenannter Laodike-Krieg oder Dritter Syrischer Krieg, 246 – 241 v. Chr., vgl. FGrHist. 160 F 1 = P. Petrie II 45; III 144). Durch seine Heirat mit Berenike, Tochter des Magas von Kyrene, sicherte Ptolemaios III. außerdem wieder die Herrschaft über Kyrene für die Ptolemäer. In den ersten Jahren seiner Herrschaft hatte sich Ptolemaios III. allerdings selbst einer Revolte einheimischer Ägypter zu erwehren, die von 245 bis 243 das Land erschütterte, und zu deren Niederschlagung der König nicht zuletzt durch den Ankauf und subventionierten Verkauf großer Mengen Getreides beitrug: Missernten und sozio-ökonomische Ungleichgewichte dürften diese Unruhen verstärkt haben. Die militärischen Erfolge und die erfolgreiche Kompensation des Nahrungsmittelmangels führten dann aber zu einer Stabilisierung der Ptolemäerherrschaft, die innenpolitisch in der Folgezeit eine gewisse Integration griechisch-makedonischer und ägyptischer Kultur und Zivilisation erreichte: 238 v. Chr. fassten die Priester aller wichtigen Heiligtümer des Landes, ägyptischer Tempel wie Tempel des Alexanderkultes und anderer griechischer Kulte den Beschluss, dass alle Kalender in Ägypen vereinheitlicht würden. Dieser Beschluss erging ausdrücklich als eine Antwort auf jene Unruhen; der makedonische Kalender glich sich dem leistungsfähigeren ägyptischen an. Darüber hinaus wurde die früh verstor-
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bene Tochter der beiden Geschwisterkönige zur Göttin erhoben, und ein regelmäßiges Dankfest für alle Götter wurde eingerichtet. Ein für alle Untertanen einheitlicher Kult, gemeinsame Institutionen und deren Hinordnung auf die herrschende Dynastie sind deutliche Tendenzen dieser Beschlüsse, die das sogenannte Kanopos-Dekret inschriftlich überliefert. Der Text des Dekretes selbst bezeugt den Willen zur Integration der heterogenen Kulturen, ist er doch sowohl auf Demotisch als auch auf Griechisch gehalten (OGIS I 56; Übers.: BGS III 412). Diesen Willen dokumentieren auch die umfangreichen materiellen Hilfen für den Aus- und Aufbau ägyptischer Tempel und Heiligtümer unter Ptolemaios III. und die Institutionalisierung regelmäßiger Synoden der Priester der verschiedenen Kulte des Reiches und deren Verknüpfung mit dem Kult der Herrscher. Im Jahr nach dem Erlass des Kanopos-Dekretes wurde im oberägyptischen Edfu (Apollonospolis) mit dem Bau eines großen Tempelheiligtums begonnen: Die relative Stabilität unter dem dritten Ptolemäer war begleitet von einer kultisch-kulturellen Blütephase. Das Museion von Alexandria florierte unter Eratosthenes von Kyrene, der Literaturwissenschaftler Aristophanes von Byzanz und der Mathematiker Apollonius von Perge wirkten in der Hauptstadt. Kanopos-Dekret (K. Brodersen, W. Günther, H. H. Schmitt, Historische Griechische Inschriften in Übersetzung III, Darmstadt 1999, Nr. 412, S. 14 – 19)
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Unter der Regierung des Königs Ptolemaios, Sohn des Ptolemaios und der Arsinoe, der Geschwistergötter, im neunten Jahr, als Apollonides, Sohn des Moschion, Priester war des Alexander und der Geschwistergötter und der Wohltätigen Götter; Kanephore (Korbträgerin) der Arsinoe Philadelphos war Menekrateia Tochter des Philammon; am siebten (Tag) des Monats Apellaios, (nach der Zeitrechnung) der Ägypter am siebzehnten Tybi (= März 238). Beschluss: Die Erzpriester und Propheten und die ins Adyton zur Bekleidung der Götter Einziehenden und die Pterophóroi („Flügelträger“) und Hierogrammateis („Tempelschreiber“) und die übrigen Priester, die sich aus den Heiligtümern im Lande versammelt haben zum fünften (Tag) des (Monats) Dios, an dem gefeiert wird der Geburtstag des Königs, und zum fünfundzwanzigsten (Tag) desselben Monats, an dem er die Königsherrschaft von seinem Vater übernommen hat, haben während ihrer Sitzung an diesem Tag im Heiligtum der Wohltätigen Götter in Kánopos den Antrag gestellt: Da König Ptolemaios Sohn des Ptolemaios und der Arsinoe, der Geschwistergötter, und der Königin Berenike, seine Schwester und Gemahlin, die Wohltätigen Götter, allzeit den Heiligtümern im Lande viele bedeutende Wohltaten erweisen und die Ehrungen für die Götter ständig mehren und für (die heiligen Stiere) Apis, Mnevis und die anderen hochgeschätzten heiligen Tiere im Lande in jeder Weise sorgen mit hohen Kosten und großem Aufwand, und (da) der König die heiligen Götterbilder, die aus dem Land fortgeschleppt worden waren durch die Perser, in einem Feldzug nach Ägypten zurückgebracht und den Heiligtümern zurückgegeben hat, aus denen ein jedes seinerzeit weggeführt worden war, und (da er) das Land in dauerhaftem Frieden bewahrt, indem er für es gegen viele Völker und die über sie Herrschenden Krieg führt, und da sie (= das Königspaar) den (Bewohnern) des Landes allen und den übrigen Untertanen des Königtums gedeihliche Ordnung (eunomía) bieten, und (da), als die Nilschwemme einmal unzulänglich aus-
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fiel und alle Bewohner des Landes niedergeschlagen waren wegen dieser Tatsache und sich erinnnerten an das Unglück, das sich ereignete unter einigen der früheren Könige, unter denen die Bewohner des Landes unter Dürre litten, sie fürsorglich eintraten für die Menschen in den Heiligtümern und für die anderen Bewohner des Landes und dabei große Umsicht zeigten und auf einen nicht geringen Teil ihrer Steuereinnahmen verzichteten um der Rettung der Menschen willen, und indem sie aus Syrien und Phoinike und Kypros und zahlreichen anderen Gegenden Getreide herbeiholen ließen in das Land zu höheren Preisen, haben sie die Bewohner Ägyptens gerettet und so eine unsterbliche Wohltat und von ihrer Vortrefflichkeit eine großartige Erinnerung den heute Lebenden und den künftigen Generationen hinterlassen. Dafür haben die Götter ihnen Stabilität ihrer Königsherrschaft geschenkt, und sie werden ihnen allen weiteren Segen auf alle Zeit schenken. – Zu gutem Glück. Es möge Beschluss der Priester im Lande sein, dass die bereits bestehenden Ehrungen in den Heiligtümern für König Ptolemaios und Königin Berenike, die Wohltätigen Götter, und ihre Eltern, die Geschwistergötter, und ihre Großeltern, die Rettenden Götter, gemehrt werden, und dass die Priester in jedem Heiligtum im Lande auch die Bezeichnung „Priester der Wohltätigen Götter“ tragen und (mit dieser Bezeichnung) einzutragen sind in allen Dokumenten, und dass in ihre Siegelringe auch die Priesterschaft der Wohltätigen Götter eingraviert werden soll. (Und es soll beschlossen sein,) dass zusätzlich zu den jetzt bestehenden vier Phylen (hier = Abteilungen) der Priesterschaft in allen Heiligtümern eine weitere eingerichtet werde mit dem Namen „fünfte Phyle der Wohltätigen Götter“, da, zu gutem Glück!, auch die Geburt des Königs Ptolemaios Sohnes der Geschwistergötter sich ereignete am fünften Dios, für alle Menschen der Anfang großen Segens. In diese Phyle sind einzutragen die Priester, die seit dem ersten (Regierungs-)Jahr (des Ptolemaios III.) Priester sind, sowie diejenigen, die hinzukommen werden bis zum Monat Mesoré im neunten Jahr sowie deren Nachkommen für alle Zeit; diejenigen, die früher bis zum ersten Jahr Priester gewesen sind, sollen in denselben Phylen bleiben, in denen sie bisher waren; ebenso sollen auch ihre Nachkommen von jetzt an eingereiht werden in dieselben Phylen, in denen ihre Vorfahren sind. Anstelle der zwanzig Mitglieder des Priesterrates, die gewählt wurden alljährlich aus den bisherigen vier Phylen, von denen fünf aus jeder Phyle genommen wurden, sollen jetzt die Priesterratsmitglieder fünfundzwanzig sein, indem aus der fünften Phyle „der Wohltätigen Götter“ weitere fünf hinzugenommen werden. Teilnehmen sollen aus der fünften Phyle „der Wohltätigen Götter“ (Gewählten) an den Lustrationen und allen anderen (Riten) in den Tempeln, und sie sollen einen Phylenvorsteher haben, so wie sie den anderen Phylen vorstehen. Und da in jedem Monat in den Heiligtümern entsprechend dem früheren Beschluss als Festtage der Wohltätigen Götter gefeiert werden der fünfte, der neunte und der fünfundzwanzigste (Tag), und den anderen bedeutendsten Gottheiten Festtage und öffentliche Festversammlungen gewidmet werden, soll alljährlich eine öffentliche Festversammlung gefeiert werden, in den Heiligtümern und im ganzen Lande, für König Ptolemaios und Königin Berenike, die Wohltätigen Götter, an dem Tag, an dem das Gestirn der Isis (= Sirius) aufgeht, der nach den heiligen Schriften als Neujahrstag gilt und derzeit, im neunten Jahr, auf den Neumondstag (= 1.) des Monats Paÿni fällt, an dem die Kleinen und die Großen Bubastia gefeiert werden, die Feldfrüchte geerntet werden und die Nilschwelle einsetzt. Falls der Aufgang des Gestirns sich innerhalb von vier Jahren
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auf einen anderen Tag verschiebt, soll man nicht die Festversammlung verlegen, sondern weiterhin am 1. Paÿni begehen, an dem sie seit Beginn im neunten Jahr begangen wird; sie soll ausgedehnt werden auf fünf Tage mit Tragen von Kränzen, Opfern, Libationen und den sonstigen angemessenen (Riten). Damit sich aber auch die Jahreszeiten in allem ordnungsgemäß verhalten nach der derzeitigen Einteilung des Kosmos und es nicht dazu kommt, dass manche der öffentlichen Feste, die im Winter gefeiert werden, einmal in den Sommer fallen, weil das Gestirn sich in vier Jahren um einen Tag verschiebt, und wieder andere, die jetzt im Sommer gefeiert werden, in den Winter fallen, in künftigen Zeiten, so wie es früher geschehen ist und auch jetzt geschehen würde, da der Zuschnitt des Jahres bleibt bei den dreihundertsechzig Tagen und den später hinzugerechneten fünf Epagomenen (Zusatz-, Schalttagen), soll von nun an alle vier Jahre ein Tag als Festtag der Wohltätigen Götter hinzuaddiert werden zu den fünf Epagomenen vor dem Neujahrstag, damit alle wissen, dass das frühere Manko in der Ordnung der Jahreszeiten und des Jahres und der Gewohnheiten in der gesamten Organisation des Kalenders berichtigt und aufgefüllt worden ist durch die Wohltätigen Götter. Und da die dem König Ptolemaios und der Königin Berenike, den Wohltätigen Göttern, geborene Tochter mit dem Namen Berenike, die alsbald zur Basilissa (hier = Mädchen) erhoben wurde, (da es) geschah, dass sie noch als Mädchen alsbald hinüberging in das ewige All, als die Priester aus dem Lande noch zu ihrer jährlichen Zusammenkunft beim König weilten, die alsbald große Trauerbekundungen wegen des Trauerfalls bezeigten und durch ihre Bitten den König und die Königin dazu brachten, die Göttin neben Osiris zu konsekrieren im Heiligtum in Kanopos, das nicht nur zur ersten Klasse der Heiligtümer, sondern auch zu den vom König und allen Bewohnern des Landes höchstverehrten gehört, … Und da den Priestern der Unterhalt zugeteilt wird aus den Heiligtümern, sobald sie in den Verband (pléthos) eingeführt worden sind, sollen die Töchter der Priester aus den Tempeleinkünften vom Tag ihrer Geburt an den Unterhalt bekommen, festzusetzen durch die Priesterratsmitglieder in jedem Heiligtum entsprechend (der Höhe der jeweiligen) Tempeleinkünfte, und das Brot, das man den Frauen der Priester gibt, soll eine eigene Form haben {oder: einen bestimmten Siegelabdruck tragen} und „Berenike-Brot“ heißen. Der im jeweiligen Tempel eingesetzte Epistates und der Erzpriester und die Tempelschreiber sollen diesen Beschluss aufschreiben lassen auf eine Stele aus Marmor oder Bronze, in heiligen Zeichen und in ägyptischen und in griechischen, und sollen sie aufstellen lassen an der am besten sichtbaren Stelle der Heiligtümer erster, zweiter und dritter Klasse, damit sichtbar wird, dass die Priester im Lande die Wohltätigen Götter und ihre Kinder ehren, so wie es recht ist.
Die ptolemäische Außenpolitik gegenüber den Staaten und Mächten des Ägäisraumes war unter Ptolemaios III. von dem Bestreben geprägt, den ägyptischen Einfluss möglichst zu erweitern. Einer der Hebel für eine Einflussnahme in Europa war der Achäische Bund, der unter Arat von Sikyon lange Zeit im Konflikt mit Makedonien stand, mit Ptolemaios kooperierte und ihn zum Oberbefehlshaber der achäischen Bundestruppen ernannte. Weil die Achäer wichtige Stützpunkte in Besitz nehmen konnten (Korinth mit seinen beiden Häfen Kenchreai und Lechaion sowie Epidauros und Me-
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gara), standen auch Ptolemaios wichtige Basen zur Verfügung vor allem für eine Ausweitung der ptolemäischen Seeoperationen in der Ägäis. Besonders in der Zeit nach dem Tod des Antigonos Gonatas 239 konnte der Achäische Bund mit Ptolemäischer Hilfe umfangreiche Gewinne auf Kosten der Antigoniden machen (Demetrios-Krieg 239 – 229 v. Chr.): Megalopolis, Argos, Athen. Diese Bündniskonstellation hielt bis in die Mitte der 20er Jahre. Danach bauten sich immer stärkere Spannungen zwischen den ptolemäischen Verbündeten auf der Peloponnes, Sparta und dem Achäischen Bund auf, die den Achäischen Bund schließlich in ein Bündnis mit Makedonien unter Antigonos Doson trieben. Ptolemaios III. unterstützte zunächst noch Kleomenes von Sparta, musste sich aber um 222 v. Chr. mit Antigonos Doson arrangieren, um einem drohenden Zweifrontenkrieg auszuweichen, denn Antiochos III., seit 223 Herrscher im Seleukidenreich, bereitete erneut einen Krieg um Koilesyrien vor. Ein weiterer Hebel der ptolemäischen Politik waren die bestehenden Stützpunkte, namentlich an den Küsten der Ägäis, und besonders Kreta war für die Ptolemäer wichtig. Die kretischen Städte – so das strategisch besonders wichtige Itanos – genossen trotz ihrer außenpolitischen Abhängigkeit von Äpypten eine Art innerer Autonomie. Dies war für beide Partner vorteilhaft: Die ptolemäische Schutzherrschaft garantierte Ägypten Einfluss und Stützpunkte, den kretischen Städten aber Sicherheit und ein gewisses Maß an Unabhängigkeit. In Kleinasien stützte Ptolemaios III. zunächst Antiochos Hierax, dann Attalos von Pergamon, und schließlich nahmen die Ptolemäer Kontakt auf mit dem Statthalter Antiochos’ III., Achaios, der die seleukidische Herrschaft über Kleinasien auf Kosten Pergamons zu restaurieren suchte. Regelmäßig also versuchten die Ptolemäer auf Kosten ihrer Konkurrenten, der Seleukiden, in Kleinasien Einfluss und Verbündete zu gewinnen. Ptolemaios III. bemühte sich offenbar vor allem um gutes Einvernehmen mit den Herrschern der kleineren Territorien Kleinasiens (Bithynien, Kappadokien und Pontos) und nach Unabhängigkeit strebenden Thronprätendenten, um die Seleukidenmacht in Kleinasien nach Möglichkeit zu schwächen. Ptolemaios III. starb 222; Ptolemaios IV. folgte ihm nach dynastischen Auseinandersetzungen mit seinem Bruder nach: Hinter dem jüngeren Bruder Magas standen die Truppen und die Königinmutter Berenike, hinter Ptolemaios IV. dagegen hohe Funktionäre des Hofes, die schließlich Magas und seine Mutter umbrachten und so Ptolemaios IV. die Thronfolge sicherten. Nur kurz nach seiner Machtübernahme hatte sich der neue Herrscher mit einem Angriff Antiochos’ III. auf die ptolemäischen Besitzungen in Koilesyrien auseinanderzusetzen. Antiochos III. hatte die günstige Situation des Thronwechsels genutzt für den länger vorbereiteten Krieg. Er befand sich selbst in nicht unproblematischer Situation, da die seleukidischen Statthalter Achaios und Molon sich in Kleinasien und im Osten nicht mehr loyal verhielten. Nach der Eroberung Seleukeias in Pierien in Koilesyrien und der Niederschlagung Molons konnte Antiochos III. 220 v. Chr. aber ein Angebot des ptolemäischen Statthalters von Koilesyrien, des Theodotos, ausnutzen, die Seiten zu wechseln. Antiochos konnte daher zunächst weite Teile Koilesyriens unter seine Kontrolle bringen; den Krieg zogen dabei Scheinverhandlungen und diplomatische Winkelzüge in die Länge, weil die ptolemäische Seite auf einer Beteiligung des seleukidischen Prätendenten Ach-
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aios an einer Friedensregelung bestand. 217 entschied dann die Schlacht von Raphia diesen Krieg: Ptolemaios’ IV. Phalanx aus Schwerbewaffneten, zu denen auch zahlreiche einheimische Ägypter gehörten, besiegte das Heer Antiochos’ III. Ptolemaios konnte dadurch Koilesyrien wieder gewinnen und seinem Funktionär Sosibios die langwierigen Friedensverhandlungen mit Antiochos führen lassen; er selbst versuchte, diese Verhandlungen mit militärischem Druck auf die seleukidischen Besitzungen in Syrien zu lenken. Der Friedensvertrag wurde schließlich auf der Basis des Status quo ante geschlossen, obwohl Antiochos’ Propaganda die alten Rechtsansprüche der Seleukiden auf das syrische Gebiet wiederholt herausgestrichen hatte: Eroberung durch den einäugigen Antigonos, Eroberung des Gebietes durch Ptolemaios I. zugunsten Seleukos’ I. im 1. Diadochenkrieg und Regelung der Territorialansprüche durch die Diadochen nach der Schlacht von Ipsos 301 v. Chr. (Polybios V 67). Die Schlacht von Raphia und der Friedensschluss zwischen Ptolemäern und Seleukiden markieren den Beginn einer fünfzehnjährigen Stabilitätsphase im Vorderen Orient zwischen diesen beiden Mächten. c) Das Seleukidenreich Seleukos I. hatte seinen Sohn Antiochos I. 293 schon zum Mitregenten erhoben: Weil die dynastische Kontinuität auf diese Weise – ähnlich wie im Ptolemäerreich – gesichert war, stürzte die Ermordung des Seleukos das Reich daher nicht in eine tiefe Krise. Allerdings hatte Antiochos I. in den Jahren nach 281 damit zu tun, seine Herrschaft in Syrien durchzusetzen, wo Aufstände sie nachhaltig erschütterten. Die seleukidischen Ansprüche in Thrakien, Makedonien und auf wichtige Seestützpunkte (Samos, Karien) konnte er dagegen nicht behaupten, und er konnte auch die schrittweise Auflösung der seleukidischen Herrschaft in Kleinasien im 3. Jahrhundert nicht verhindern: An der Schwarzmeerküste vergrößerte sich das bithynische Reich; keltische Söldner, die im Zuge innerbithynischer Machtauseinandersetzungen in Kleinasien engagiert waren, siedelten sich in staatsähnlichen Gebilden in Innerkleinasien an; Rhodos gewann zunehmend an Unabhängigkeit und Einfluss, und im Westen Kleinasiens entstand das Königreich von Pergamon. So ist es die im Vergleich mit dem Ptolemäerreich größere innere Fragilität, verbunden mit der Fülle außenpolitischer Konflikte, die eine stetige Entwicklung des Reiches der Seleukiden im 3. Jahrhundert erschwerten und die Herrscher wiederholt zu territorialen Kompromissen und diplomatischen Zugeständnissen zwangen. Zwischen 277 und 275 beispielsweise musste Antiochos wiederholt die Kelten in Kleinasien bekämpfen, und um sich dafür strategisch den Rücken freizuhalten, arrangierte er sich mit Antigonos Gonatas. Dieser heiratete zur Bekräftigung des Bündnisses Antiochos’ Stiefschwester Phila. Nach dem 1. Syrischen Krieg (siehe oben) wurden dann Teile jener Kelten im später nach ihnen Galatien genannten inneren Kleinasien angesiedelt. Nachdem der 1. Syrische Krieg außer der Kontrolle über Damaskus nur die Bestätigung des Status quo ante für Antiochos gebracht hatte, illustrieren Antiochos letzte Jahre die generelle Fragilität seiner Herrschaft: Der eigene
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Antiochos II.
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Sohn Seleukos wurde wegen Verratsvorwürfen hingerichtet; Philetairos von Pergamon entfaltete seine Selbständigkeitsbestrebungen; Philetairos’ Neffe Eumenes I. schloss ein Bündnis mit Ptolemaios II. und konnte 262 v. Chr. gegen Antiochos in der Schlacht von Sardeis seine Unabhängigkeit sichern. Pergamon wurde zur Festung gegen die Kelten ausgebaut. Eumenes’ Neffe und Nachfolger, Attalos I. (241 – 197), schlug diese bei Pergamon an den Kaïkosquellen vernichtend und konnte die pergamenische Herrschaft über ganz West- und Südwestkleinasien bis zum Grenzgebirge des Tauros erweitern. Dieses Land also ging den Seleukiden verloren. Außerdem verselbständigten sich in Kleinasien die Territorien und Reiche von Kappadokien (Ariarathes, ca. 260 – 220), Bithynien und Pontos (Mithradates I. Ktistes, Mithradates II., Mithradates III.). In die Herrschaftszeit Antiochos’ II. (261 – 246) fällt der 2. Syrische Krieg (259 – 253), in dem Antiochos zunächst den Ptolemäern eine Reihe kleinasiatischer Hafenstädte und Flottenstützpunkte entreißen konnte. Seine Unternehmungen in Kleinasien propagierte Antiochos als Befreiung von ptolemäischer Herrschaft und tyrannischen Stadtherren. Unterdessen aber griff Ptolemaios II. das militärisch schwächer gedeckte Syrien an. Attacken auf Ägyptens Seestreitkräfte führten zu einer Schwächung der ptolemäischen Stellung an den Ägäisküsten. Am Ende profitierte von diesem Krieg der Seleukide: Er heiratete anstelle seiner ersten Frau Laodike die Berenike, Tochter Ptolemaios’ II. Sie brachte eine erhebliche Mitgift in die Ehe mit: eine verbrämte Reparationszahlung, die die Finanzen des Königs sanierte und deutlich machte, dass er sich gegen Ptolemaios II. durchgesetzt hatte. Unter Gesichtspunkten des Erbrechts allerdings stellte dieses Arrangement einen Ausgleich dar, dessen Wirkungen Antiochos jedoch aufheben sollte: Er hatte mit Berenike einen Sohn; statt diesen aber zu seinem Nachfolger zu designieren und auf diese Weise dem zweiten Ptolemäer die Rolle des Schwiegervaters des künftigen Herrschers einzuräumen, ernannte er, angeblich noch auf dem Totenbett, Laodikes Sohn Seleukos zum Nachfolger. Als Seleukos II. kam dieser 246 nach dem Tod des Antiochos an die Herrschaft, kurz nachdem in Ägypten Ptolemaios III., der Bruder Berenikes, an die Macht gekommen war. Laodike betrieb so ihre eigene dynastische Politik, und sie nutzte die Geschichte von der Designation des Seleukos durch Antiochos kurz vor seinem Tod zur Propaganda gegen Berenike und deren Sohn. Schon in der antiken Überlieferung war diese Version allerdings, gerade weil sie von so hohem Nutzen für die Legitimation der Herrschaft des Seleukos war, umstritten (Polyaenus, Strategemata VIII 50; Porphyrius Tyrius bei Heronymus, Comment. in Dan. 11,6 – 9; Valerius Maximus IX 14 [ext.] 1). Berenike rief gegen diese Bestrebungen der Gegnerin ihren Bruder Ptolemaios zu Hilfe, wurde allerdings zusammen mit ihrem Sohn ermordet. Aus dieser Konstellation entstand der 3. Syrische Krieg, der sogenannte Laodike-Krieg (246 – 241 v. Chr.): Ptolemaios stieß bis über den Euphrat vor und besetzte Teile Kleinasiens und Syriens, konnte Seleukos II. am Ende aber nur eine Reihe von Stützpunkten entreißen: Seleukeia am Mittelmeer und einige kleinasiatische Gebiete. Gegen die äußere wie innere Bedrohung des fragilen Herrschaftsgebildes griffen gerade die Seleukiden wiederholt zum Mittel der Ernennung von Mitherrschern: Dadurch wurde die dynastische Sukzession bereits zu Leb-
Das hellenistische Mächtesystem bis 217 v. Chr. zeiten gesichert, und das weiträumige Gebiet konnte Familienmitgliedern zur Verwaltung überlassen werden, deren besondere Loyalität dieses System allerdings erforderte. Seleukos II. Kallinikos fand beispielsweise einen Mitherrscher in seinem Bruder Antiochos Hierax, der als Kommandeur kleinasiatischer Kontingente seinen Bruder militärisch unterstützte. Zwischen beiden Brüdern entwickelte sich allerdings eine Konkurrenz, die zu einem Krieg führte (240 – 234), den offenbar auch Loyalitätskonflikte unter den Eliten und Funktionären der beiden Herrscher verschärften und vor allem das Verhalten der Laodike, der Mutter beider Herrscher. Diese nämlich unterstützte Antiochos Hierax gegen Seleukos. Antiochos Hierax verbündete sich dabei 235 v. Chr. sogar mit Ptolemaios, der Damaskus angriff; zwischen den Brüdern kam es dann 234 zum Friedensschluss, durch den die eigenständige Herrschaft des Antiochos Hierax und die Teilung des Seleukidenreiches auch de iure anerkannt wurde. Das militärische Mittel, mit dem Antiochos Hierax dem Bruder standhalten konnte, lag in der großen Zahl keltischer Söldner, über die er verfügte, und die sicherstellten, dass die kleinasiatischen Territorien bis 228/227 v. Chr. eine vom Rest des Seleukidenreiches teilweise unabhängige Sekundogenitur des Antiochos Hierax bildeten. Antiochos versuchte, mit Hilfe dieser keltischen Söldner auch die reiche Stadt Pergamon in den Besitz zu nehmen, doch konnte er sich der Loyalität der Söldner nicht hinreichend sicher sein, und seine Bestrebungen, sich durch Eingehen von Verbindungen mit den kleineren Dynasten Kleinasiens (Bithynien, Pontos) eine unabhängige Position zu erwerben, scheiterten am Behauptungs- und Expansionswillen der Pergamener. Diese stiegen vielmehr selbst zu einer unabhängigen Macht in Kleinasien auf: Antiochos Hierax wurde von Pergamons Herrscher Attalos I. besiegt, der seine Kontrolle auf große Teile Kleinasiens ausweiten konnte – auf Kosten der seleukidischen Herrschaft (228 v. Chr.). Für die Entstehung des pergamenischen Reiches stellen die Siege über Antiochos und über seine Galater daher so etwas wie Gründungsmythen dar. So machte das Seleukidenreich in Kleinasien eine doppelte Desintegration durch: die de facto-Teilung der Territorien zwischen den Brüdern und die Ausbreitung unabhängiger Regionaldynastien auf seine Kosten. Ähnliche Desintegrationstendenzen bestanden auch anderenorts: Unter dem Satrapen Andragoras fielen Parthien und Hyrkanien während des 3. Syrischen Krieges vom Seleukidenreich ab; der Zuzug parnischer Reiterkrieger führte dann zur Bildung des Partherreiches. Selbständig machte sich auch Baktrien unter dem Satrapen beziehungsweise nach 246 v. Chr. König Diodotos; Euthydemos, ein aus Magnesia stammender Grieche, wurde 206 v. Chr. von Antiochos III. sogar als Herrscher Baktriens anerkannt. Das baktrische Reich expandierte dann im 2. Jahrhundert bis in den Pandjab hinein: Diese Entwicklung wurde möglich, weil Seleukos’ II. Versuch scheiterte, die Herrschaft über Parthien und Baktrien zurückzugewinnen. Angesichts der sich konsolidierenden Attalidenherrschaft in Kleinasien wollte Antiochos Hierax sich in Syrien, im Herrschaftsbereich seines Bruders, ein neues Areal erwerben. Er bediente sich dabei der Stratonike, der ehemaligen Frau des Demetrios II., die nach dessen Neuverheiratung an den Hof Antiochos II. gekommen war, und die einen Aufstand in Antiochia
II.
Antiochos Hierax, Seleukos III., Antiochos III.
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Außenpolitik und allgemeine Geschichte
II.
Jahre des Wandels
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gegen Seleukos II. anzettelte. Antiochos Hierax wurde jedoch besiegt und fiel; Stratonike wurde umgebracht. Auch Seleukos II. starb (226); ihm folgte sein Sohn Seleukos III. Soter, dessen Hauptziel in der Wiederherstellung der Seleukidenherrschaft in Kleinasien lag: Nachdem noch 259 Antiochos II. unter der Parole der Freiheit zahlreiche Städte Kleinasiens von den Ptolemäern zu den Seleukiden hatte ziehen können, war Kleinasien eine Generation später für die Seleukiden fast verloren. Mit dem Herrscher eng verwandt waren in der Regel die Funktionäre und starken Männer der seleukidischen Herrschaft: Achaios, sein Sohn Andromachos und der Enkel Achaios. Andromachos gelang es 223 v. Chr. nicht, das Reich der Pergamener nachhaltig militärisch zu schwächen; Seleukos III. übernahm daher selbst das Kommando im Krieg um die Wiederherstellung der seleukidischen Oberhoheit, wurde aber während eines Söldneraufstandes ermordet: Die Seleukiden bedienten sich wie ihre Gegner der nach Kleinasien eingesickerten Galater als Soldaten. Der jüngere Achaios, der die Mörder des Seleukos töten ließ, fand nach seiner Akklamation durch die Heeresversammlung und nach einigen militärischen Erfolgen gegen die Pergamener Anerkennung als König eines seleukidischen Sonderreiches in Kleinasien (Polybius IV 48). Antiochos III. (223 – 187 v. Chr.), Nachfolger Seleukos’ III., hatte zunächst mit erheblichen zentrifugalen Tendenzen in allen Gebieten des Reiches zu tun: Außer den kleinasiatischen Regionen drohten auch die östlichen, sogenannten oberen Satrapien unter den dortigen Statthaltern Molon und Alexander vom Seleukidenreich abzufallen. Äußeres Kennzeichen solcher Selbständigkeitsbestrebungen war regelmäßig das Prägen von Münzen, um eigene Ausgaben tätigen und einen eigenen Geldkreislauf unterhalten zu können. Auch Molon prägte eigene Münzen, bis er 220 von Antiochos III. militärisch geschlagen wurde und Selbstmord beging. Antiochos III. führte in den ersten Jahren seiner Herrschaft vor allem aber Krieg gegen Ptolemaios IV. um die Herrschaft in Syrien und die phönizischen Hafenstädte. Nach anfänglichen Erfolgen, der Einnahme Seleukeias in Pierien und von Tyros brach sein Expansionsdrang jedoch militärisch zusammen durch die Niederlage in der Schlacht von Raphia (217 v. Chr.). Die syrischen Gebiete südlich von Seleukeia gerieten wieder unter ptolemäische Kontrolle (siehe oben). Die Jahre nach 223 v. Chr. betrachtete bereits der hellenistische Historiker Polybios als Zäsur der hellenistischen Geschichte; in allen großen Monarchien kam es zu Herrscherwechseln und den damit verbundenen Unsicherheiten: Seleukos III. war 223 gestorben, und Antiochos war sein Nachfolger geworden; Ptolemaios III. starb 222 (Polyb. II 71,3 – 6), außerdem Antigonos Doson 221 (siehe oben). Für Polybios ist diese Zäsur von gleicher Bedeutung wie das Ende der unmittelbaren Diadochenzeit um 280 – 284 v. Chr. Das Motiv für diese Bewertung liegt in der Perspektive von Polybios’ Geschichtswerk: Dieses Werk will Ursachen und Umstände für Roms Expansion im mittelmeerischen Osten darstellen. Mit der dritten Herrschergeneration aber und dem 2. Punischen Krieg beginnt die Epoche des unmittelbaren Eingreifens Roms auf der ostmittelmeerischen Bühne. Diese Zäsur markiert daher vor allem das Erscheinen der neuen Großmacht als eines Akteurs der hellenistischen Außenpolitik.
Das hellenistische Mächtesystem bis 217 v. Chr.
II.
d) Die kleinasiatischen und griechischen Mächte und die Bundesstaaten Im Gegensatz zum Seleukidenreich, das seine Herrschaft über Kleinasien nicht dauerhaft manifestieren konnte, vergrößerten und verselbständigten sich die kleinen und mittleren kleinasiatischen Reiche und Territorien. Zu diesen gehörte das Reich Bithynien um die gleichnamige Halbinsel am Bosporus im Nordwesten Kleinasiens. Hier konnte sich in der Diadochenzeit Zipoites (328 – 280/279) als Regionalherrscher etablieren, und seine Nachfolger Nikomedes I., Ziaelas und Prusias I. bauten ihr Herrschaftsgebiet bis 183 v. Chr. zielstrebig aus, indem sie griechische Gemeinden unterwarfen und Teile der Landschaften Mysien, Phrygien und Paphlagonien ihrem Reich angliederten. Seit 328, dem Ende der Achaemenidenherrschaft, bis 74 v. Chr. war Bithynien als Königreich unabhängig. Nikomedes konnte sich gegen den eigenen Bruder und Rivalen Zipoites nur mit Hilfe von Kelten als Hilfstruppen durchsetzen, die er 278 v. Chr. unter Vertrag nahm, und die nach ihrem Engagement in drei Stämmen in Kleinasien marodierten. Seit 297 v. Chr. führten die Herrscher Bithyniens den Königstitel; nach dem Vorbild anderer hellenistischer Könige gründete Nikomedes eine Königsstadt: Nikomedeia. Die Stärke des Galaterheeres in Bithynien machte die Kelten dort zeitweise zu Königsmachern: So waren es Kelten, die für die Nachfolge des Ziaelas auf Nikomedes sorgten. Pergamon Pergamon hatte sich dadurch selbständig gemacht, dass Eumenes I. (263 – 241), Neffe des Philetairos, der seit 302 auf Seiten des Lysimachos gestanden und sich 281 (Schlacht von Korupedion) Seleukos unterstellt hatte, ein Bündnis mit Ptolemaios II. einging und bei Sardeis 262 gegen Antiochos I. siegte. Entscheidend für das Bestehen dieses Staates wurde, dass Attalos I. (241 – 197) bei Pergamon die Galater, Antiochos’ Hierax’ Verbündete, circa 230 vernichtend schlug und den Titel eines Königs (basileos) annahm. 188 erhielt Eumenes II. (197 – 160) von Rom für treue Dienste den seleukidischen Teil Kleinasiens. Der antikeltischen Staatsideologie Pergamons bis zur letzten Konsequenz folgend, unterwarf er 183 auch Galatien, doch seine zunehmende Selbständigkeit im 3. Makedonischen Krieg (171 – 168 v. Chr.) brachte die Römer dazu, 165 v. Chr. den Galatern die Unabhängigkeit von Pergamon einzuräumen. Umso stärker wurde der Antigalatismus unter Attalos II. (160 – 138) betont, der den Galatersieg im Pergamonaltar feierte. Attalos III. vermachte das Reich schließlich Rom, das daraus 129 die Provinz Asia bildete. Pergamenischer Antigalatismus: Weihgeschenke und Denkmale der pergamenischen Könige zur Erinnerung an ihre Keltensiege
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(OGIS I 269): König Attalos hat der Göttin Athena aus Dank dieses Denkmal errichten lassen, nachdem er die keltischen Tolistoagier in der Schlacht bei den Kaïkos-Quellen besiegt hatte (OGIS I 275): Weihgeschenk aus der Beute in der Schlacht beim Aphrodite-Heiligtum gegen die keltischen Tolistoagier und Tektosagen und gegen Antiochos (OGIS I 276): Weihgeschenk aus der Beute in der Schlacht bei den Kaïkos-Quellen gegen die keltischen Tolistoagier.
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Außenpolitik und allgemeine Geschichte
II.
Galater Die Galater hatten in Thrakien im ersten Drittel des 3. Jahrhunderts ein Königreich gegründet (Tylis). Nach Kleinasien kamen sie als Söldner und Verbündete des Nikomedes von Bithynien. Sie organisierten sich in drei Heerhaufen, um sich in Kleinasien neue Lebensgrundlagen zu erkämpfen: die Tolistobogier, Tektosagen und Trokmer. Um 275 wurden sie von Antiochos I. noch besiegt, siedelten sich dann aber in der später nach ihnen genannten Landschaft Galatien um Ankara in Zentralanatolien an. Ihren Lebensunterhalt verdienten sie nicht zuletzt dadurch, dass sie als hochmobile Reservearmee für die Konflikte ihrer Nachbarn zur Verfügung standen, gelegentliche Raubzüge unternahmen und Tribut- und andere Geldzahlungen erzwangen. Diese Abhängigkeit konnte Attalos I. militärisch abschütteln und zugleich die Herrschaft der Seleukiden in Kleinasien verkleinern. Noch als Eumenes II. militärisch über Prusias II. von Bithynien die Oberhand behielt, war dieser mit Galatern unter ihrem Anführer Ortiagon verbündet. Pergamon herrschte bis 165 v. Chr. über das Land der Galater. Weitere Kleinasiatische Mächte Das Reich von Pontos konnte Mithradates I. nach der Schlacht von Ipsos 301 v. Chr. als von den Antigoniden unabhängige Herrschaft begründen und in der Folgezeit gegenüber den Seleukiden unabhängig halten; das Reich blieb bis zur Zeit des Pharnakes (47 v. Chr.: Niederlage gegen Caesar bei Zela) selbständig und expandierte vor allem unter Mithradates VI. Eupator (120 – 63 v. Chr.). Seit der Mitte des 3. Jahrhunderts war auch das kappadokische Königtum selbständig: Ariarathes III. hatte sich von der seleukidischen Oberhoheit separiert (260 – 222); letzter Herrscher war Archelaos als von Rom abhängiger Monarch (36 v. Chr. – 17 n. Chr.). e) Monarchien auf Sizilien
Agathokles
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Die außenpolitisch-strategische und die innere Entwicklung der griechischen Staaten auf Sizilien und in Unteritalien war im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. weniger durch die Macht der neuen Großstaaten des Ostmittelmeerraums bestimmt als durch die Nähe der beiden expandierenden Stadtstaaten des Westmittelmeeres: Roms und Karthagos. Karthago gehörte der Westen Siziliens, Rom führte im 3. und 2. Jahrhundert mehrere lange Kriege gegen die Samniten, aber auch gegen die griechische Stadt Tarent. Auf Sizilien verschärfte sich der Gegensatz zwischen Karthago und der expansiven Vormacht der griechischen Gemeinden, Syrakus; in Süditalien kam es 282 – 270 v. Chr. zum Krieg zwischen Rom und den süditalischen Griechenstädten und Stammstaaten. In Syrakus nutzte Agathokles, ähnlich wie im 5. Jahrhundert v. Chr. Dionysios I., die Frontstellung zwischen der reichen und expansiven Stadt Syrakus und Karthago aus, um sich zum strategos autokrator, zum bevollmächtigten Militärbefehlshaber, aufzuschwingen (317/316 v. Chr.) und bis 311 v. Chr. die maßgeblichen griechischen Gemeinden Ostsiziliens unter seine und Syrakus’ Herrschaft zu bringen. Zwischen 311 und 306 führte er auf Sizilien und im nordafrikanischen Kernland Karthagos Krieg; seine Unternehmung scheiterte jedoch: Das mit ihm verbündete Kyrene kam unter die
Das hellenistische Mächtesystem bis 217 v. Chr. Herrschaft des Ptolemäerreiches, und Agathokles schloss 306 einen Frieden mit den Karthagern auf der Basis des Status quo ante. Nach dem Frieden mit den Karthagern operierte Agathokles wie ein Kriegsunternehmer in Süditalien und im Adriaraum. Den Anlass dafür bot, dass die Griechenstadt Tarent in Unteritalien eine militärische Schutzmacht gegen unteritalische Volksstämme suchte. Agathokles führte schließlich nach dem Vorbild der Diadochenherrscher den Titel eines basileus (König); er starb 289 v. Chr., während er dabei war, sein unteritalisch-sizilisches Reich auszubauen. Die Macht, die sich als neue Regionalmacht auf dem italischen Festland etablierte, als Syrakus nach dem Ende der Herrschaft des Agathokles seine expansiven Ambitionen aufgab, war Rom. Aus dem Konflikt zwischen dem von Rom unterstützten Thurioi, der griechischen Kolonie aus der Zeit des Perikles, und einem Bündnis der Lukaner mit der Griechenstadt Tarent, das die Unterstützung des Molosserkönigs Pyrrhos gewann, erwuchsen die Operationen des Pyrrhos in Unteritalien und Sizilien (siehe oben). Nachdem Pyrrhos sich vom italischen Festland zurückgezogen hatte, konnte Rom bis 270 die griechischen Poleis Süditaliens in außenpolitische Abhängigkeit bringen. Auf Sizilien bildete aber seit 275/274 Hieron II. ein nach dem Muster hellenistischer Königreiche gestaltetes Staatswesen: Hieron ließ sich nach dem Vorbild westgriechischer Vorgänger wie Agathokles zum bevollmächtigten Militärbefehlshaber von Syrakus wählen und heiratete in die Oberschicht der Stadt ein. Hintergrund dafür war die Frontstellung zwischen Syrakus und den Karthagern auf Sizilien; den zweiten Faktor, der Hierons Aufstieg ermöglichte, stellte ein Prozess der Professionalisierung des Militärs dar: Kampanische Söldner hatten sich der Stadt Rhegion bemächtigt; die Bürgersoldaten der Stadt Syrakus konnte Hieron im städtischen Parteienkampf als Macht- und Massenbasis nutzen, ihm persönlich verpflichtete Söldner in Dienst nehmen und mit seinem neuen Heer die marodierenden kampanischen Söldner (Mamertiner) besiegen (269 v. Chr.). Als diese selbständig operierenden Soldatengruppen aber Roms Unterstützung erhielten, nahm Rom Partei in der Konkurrenz auf Sizilien zwischen Syrakus, Karthago und den Mamertinern. Hieron stand dabei zunächst auf Seiten Karthagos gegen die mit Rom verbündeten Mamertiner, wurde aber bei Messina von einem römischen Expeditionsheer empfindlich geschlagen. Diese Niederlage im 1. Punischen Krieg (264 – 241 v. Chr.) führte ihn dazu, die Seiten zu wechseln und mit Rom ein Bündnis zu schließen (Polyb. I 8 – 12). Entwicklung und Stabilität von Hierons Herrschaft – seit 269 führte er den Königstitel – profitierten von Hierons festem Bündnis mit der neuen Vormacht des Westmittelmeerraumes, Rom. Dem Vorbild des Agathokles und der hellenistischen Monarchen folgte Hieron auch darin, die Kontinuität seiner Dynastie zu sichern und noch zu Lebzeiten seinen Sohn Gelon zum Mitkönig zu ernennen, der Hieron II. 215 v. Chr., während des 2. Punischen Krieges, in der Herrschaft nachfolgte.
II.
Rom und Italien
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Außenpolitik und allgemeine Geschichte
II.
3. Das hellenistische Mächtesystem unter dem Einfluss der römischen, der karthagischen und der parthischen Expansion (217–107 v. Chr.) 220 – 217 Griechischer Bundesgenossenkrieg 217 Schlacht von Raphia; Niederlage Antiochos’ III. im 4. Syrischen Krieg 216 – 213 Krieg des Antiochos gegen Achaios 215 – 205 1. Krieg Roms gegen Makedonien 205 Frieden von Phoinike 212 – 204 Anabasis des Antiochos zur Rückeroberung der orientalischen Reichsteile 203/202 Makedonisch-seleukdischer Geheimvertrag zur Teilung ägyptischer Besitzungen 202 – 198 5. Syrischer Krieg 200 – 197 2. Römisch-Makedonischer Krieg 197 Entscheidungsschlacht bei Kynoskephalai: Ende der makedonischen Herrschaft in Griechenland 197 Antiochos III. erlangt die Kontrolle über ehemals ptolemäische Stützpunkte und Besitzungen in Kleinasien (Karien, Lykien, Kilikien) 196 Freiheitserklärung des T. Quinctius Flamininus auf den Isthmischen Spielen 193 – 188 Sparta zwangsweise Mitglied des Achäischen Bundes; nach Aufstand Schleifung der spartanischen Befestigungen: Ende der staatlichen Selbständigkeit Spartas 192 – 188 Krieg Roms gegen Antiochos III., der die Freiheit der Griechen propagiert 188 Frieden von Apameia 187 – 175 Seleukos IV. Philopator; hohe Schulden zur Abzahlung der Entschädigungen an Rom 171 – 168 Dritter Römisch-Makedonischer Krieg (Perseus-Krieg): Makedonien wird anschließend in vier Einzelrepubliken zerschlagen 168 Schlacht von Pydna 170 – 168 Sechster Syrischer Krieg 167 Nach Übergriffen Antiochos’ IV. auf die Jerusalemer Tempelschätze und den Tempelkult Beginn des Makkabäeraufstandes 164/163 Vertreibung Ptolemaios’ VI. durch Ptolemaios VIII.; Reichsteilung 151 – 148 Aufstand des Ps.-Philipp/Andriskos: Makedonien wird römische Provinz 146 – 145 Sparta verlässt den Achäischen Bund; Krieg Roms gegen den Achäischen Bund, der aufgelöst wird 142 Simon Hohepriester in Palästina, Abzug der seleukidischen Besatzung und Steuerverwaltung; Beginn des selbständigen Hasmonäerstaates 129 Niederlage des Antiochos VII. Euergetes Sidetes gegen die Parther, Verlust Mediens und Babyloniens
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Das hellenistische Mächtesystem 124
II.
Regentschaft Ptolemaios’ VIII mit Kleopatra II. und III. nach jahrelangem Bürgerkrieg; Vertreibung griechischer Intellektueller aus Alexandria
a) Rom, die Aitoler, Philipp V. und Karthago In Makedonien hatte der für den minderjährigen Philipp V. seit 229 v. Chr. regierende Antigonos Doson gegen illyrische Stämme mehrfach Krieg geführt; Antigonos bediente sich dann 222 v. Chr. selbst illyrischer Stammeseinheiten gegen die Aitoler und gegen Sparta als Hilfstruppen; Teile jener Illyrer marodierten jedoch in Griechenland, nachdem Antigonos gestorben war (221). Auch die Römer besaßen im ausgehenden 3. Jahrhundert ein starkes Interesse an Illyrien, ihrer Gegenküste: Handel und Seefahrt in der Adria wurden für die expandierende Macht immer wichtiger, besonders nach Roms Ausdehnung bis an den Rand der Poebene. 229/228 führten die Römer einen kurzen Krieg gegen die Illyrerkönigin Teuta, nachdem gewalttätige Übergriffe auf römische Gesandte und Piraterie gegen römische Handelsschiffe vorgekommen waren. Die Römer wandten dabei eine ähnliche Strategie wie Philipp V. im Kampf gegen die Illyrer an: Sie verbündeten sich mit ausgewählten Dynasten (Demetrios von Pharos) und Völkerschaften (Parthiner, Atintanen), um die Front der Gegner zu sprengen, und zwangen Teuta zum Abschluss eines für sie ungünstigen Vertrages. Philipp V. kämpfte in den Jahren 220 bis 217 im sogenannten Bundesgenossenkrieg gegen Aitoler, Sparta und Elis, die ihrerseits auch mit dem von Rom gegen Teuta gestärkten Illyrerdnyasten Demetrios von Pharos im Konflikt lagen. Jener Bundesgenossenkrieg Makedoniens veränderte im Inneren die Strukturen der makedonischen Herrschaft selbst: An die Stelle der noch von Antigonos Doson bestellten Mitglieder des Regentschaftsrates für den bei seinem Regierungsantritt erst 17-jährigen König trat ein Gegner dieses Kreises um Apelles, der achäische Politiker Arat von Sikyon, der den Achäischen Bund 226 – 224 aus seinem außenpolitischen Bündnis mit Ptolemaios III. gelöst und auf die Seite der Antigoniden, der früheren Gegner des Achäischen Bundes, geführt hatte. Philipp konnte seinen Krieg erfolgreich führen und sich auch daher emanzipieren und eine persönliche Herrschaft unabhängig von jenen alten Hofzirkeln errichten: Er eroberte 219 v. Chr. Elis und nahm 218 Thermos ein, den Sitz des aitolischen Bundesheiligtums. Die einander entgegengesetzten Stoßrichtungen trafen in Illyrien aufeinander: 220 v. Chr. marschierte Demetrios von Pharos zusammen mit dem illyrischen Dynasten Skerdilaidas nach Griechenland ein und provozierte dadurch den 2. Römisch-Illyrischen Krieg (219 v. Chr.), in dem die Römer Demetrios schließlich aus seinem angestammten Reich vertrieben; Demetrios floh an den Makedonenhof, wo er die wegen der Marginalisierung der alten Hofeliten spürbar gewordene Lücke an militärisch und politisch sachkundigen Beratern zu füllen half. Philipps militärische Erfolge hielten unterdessen an: Er besiegte die Dardaner, eroberte das phthiotische Theben und gründete dort Philippopolis (Polyb. V 97; 100; Diod. XXVI 9). Philipps Hoffnungen dürften sich darauf gerichtet haben, Demetrios als seine Kreatur wieder in Illyrien zu etablieren und das makedonische Ein-
Bundesgenossenkrieg
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Außenpolitik und allgemeine Geschichte
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flussgebiet bis an die Adria vorzuschieben, um Kontrolle auch in Italien zu erhalten und so vom römisch-karthagischen Gegensatz zu profitieren. Darum schloss Philipp 217 mit den Aitolern in Naupaktos einen Frieden, mit dem, wie der Geschichtsschreiber Polybios es sah, die Politik des Westmittelmeerraumes sich mit der der Ägäis zu verschränken begann (Polyb. I 3,4; vgl. V 104). Als Gegengewicht gegen Rom ging Philipp dann 215 ein Friedens-, Freundschafts- und Beistandsbündnis mit Karthago ein, das unter Hannibal gegen Rom auf dem italischen Festland Krieg führte. In diesem Vertrag wird ausdrücklich festgehalten, dass es das Ziel beider vertragschließender Parteien sei, zu verhindern, dass die Römer in Illyricum Besitz- und Herrschaftsrechte geltend machen, und ausdrücklich wird auch Demetrios von Pharos als Begünstigter des Vertrages genannt: Philipp wie die Karthager erwarteten, dass die Römer Demetrios sein angestammtes Herrschaftsgebiet wieder herausgäben (Polyb. VII 9). Der Vertrag zwischen Rom und den Aitolern (212 v. Chr.) Philipps V. Vertrag mit Karthago bildete den Auftakt zu einem 10-jährigen Krieg zwischen Rom und Makedonien, den Rom als Zweifrontenkrieg zu führen hatte. Es kam in den beiden parallelen Kriegen, dem 1. Makedonischen Krieg (215 – 205) und dem 2. Punischen Krieg (218 – 201), jedoch nicht zu einer wirklichen strategischen Gefährdung Roms, weil die Interessen und Operationsgebiete seiner Gegner zu unterschiedlich, Roms eigenes Bundesgenossensystem in Unteritalien zu fest gefügt waren. Roms Bündnis mit dem Bundes- und Stammstaat der Aitoler, der sich Ende des 3. Jahrhunderts in West- und Mittelgriechenland ausgebreitet hatte, diente in dem Krieg dem Zweck, makedonische Kräfte auf dem griechischen Kriegsschauplatz in der Auseinandersetzung mit den Aitolern zu binden und die unterschiedlichen strategischen Interessen der Gegner auszunutzen.
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Vertrag zwischen Rom und den Aitolern (IG IX 12 241 [Inschrift von Thyrrheion, Akarnanien]; Liv. XXVI 24; Polyb. XI 5,4 – 5; XVIII 38,7 – 9. Vgl. O. Dany, Akarnanien im Hellenismus. Geschichte und Völkerrecht in Nordwestgriechenland, München 1999) Der Vertrag regelt die Beuteteilung zwischen Rom und den Aitolern. Er unterscheidet drei Fälle: Von Rom eroberte Städte und Gebiete sollen den Aitolern zufallen, während bewegliche Sachen und Personen den Römern als Eroberern gehören. Von Rom und den Aitolern in gemeinsamen Operationen eingenommene Gebiete sollen ebenfalls den Aitolern gehören, mobiler Besitz jedoch geteilt werden. Freiwillig sich unterwerfende Städte sollen dem Aitolerbund als vollberechtigte Mitglieder angehören. Der Vertrag spricht also alle territorialen Gewinne in Illyrien den Aitolern zu, die bewegliche Habe den tatsächlichen Eroberern. Er rechnet also damit, dass die Hauptlast des Krieges auf dem griechischen Kriegsschauplatz die Aitoler tragen, weil diese, im Unterschied zu den Römern, in Illyrien und Akarnanien territoriale Interessen haben. Das existentielle Interesse Roms an einer Begrenzung der Gefahren eines Zweifrontenkrieges kommt in der Verpflichtung der Aitoler zum Ausdruck, sofort den Krieg gegen Philipp V. zu beginnen. Das beiderseitige Interesse der Partner an einer Unterstützung gegen Makedonien verdeutlicht die Bedingung für den Abschluss eines Separatfriedens mit Philipp V.: Rom wie die Aitoler verpflichten sich, in einem Friedensschluss Philipp zu verpflichten, die Kampfhandlungen gegen den jeweiligen Partner einzustellen.
Das hellenistische Mächtesystem
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In ihrem Krieg gegen Philipp V. erhielten Rom und die Aitoler Verstärkung durch Staaten der Peloponnes (Sparta, Elis und Messene) sowie durch Attalos I. von Pergamon; Philipp V. andererseits fand Unterstützung bei Prusias von Bithynien, den Achäern, Boiotern, Thessalern, Akarnanen und Epiroten. Dieses antirömische Bündnis hielt aber nur kurze Zeit: Die Aitoler schlossen 206 v. Chr. einen für sie nachteiligen Sonderfrieden mit Philipp V., die Römer folgten 205 v. Chr. mit dem Frieden von Phoinike in Epirus, durch den Philipp im Besitz des wichtigen illyrischen Stammesgebietes von Atintanien bestätigt wurde (Liv. XXIX 12,8 – 16). In der Forschung ist die Frage umstritten, ob dieser Friedensvertrag eine koine eirene, ein gesamtgriechischer Frieden, war, der erstens regelmäßig weitere Staaten zum Beitritt eingeladen und zweitens eine rechtliche Handhabe für ein Vorgehen gegen Friedensbrecher geboten hätte, gegebenenfalls auch für Roms Eingreifen im 2. Römisch-Makedonischen Krieg. Der Frieden von Phoinike begrenzte für die Zukunft die makedonischen Expansionsmöglichkeiten im Westen Griechenlands; Philipp V. wandte sich zur Kompensation dieses Verlustes daher seit circa 206 stärker der Ägäis zu, also dem Osten. Dort störte der Pirat Dikaiarchos in Philipps Auftrag den Seehandel, auf dessen Funktionieren besonders der Inselstaat der Rhodier angewiesen war. Philipps Expansionsplänen war Rhodos ebenso im Wege wie Pergamon, das krisengeschüttelte Ptolemäerreich und das immer bedrohte Seleukidenreich. b) Philipp V., Antiochos III. und die Lage im Ptolemäerreich Das Seleukidenreich Das Seleukidenreich befand sich am Ende des 3. Jahrhunderts am Abschluss einer längeren Schwächeperiode: Auseinandersetzungen zwischen Seleukos II. (246 – 225 v. Chr.) und Antiochos Hierax (239), die Ermordung von Seleukos III. Soter (225 – 223) durch die eigenen Militärs, die Selbständigkeit des Pergamenerreiches und der Separatismus einzelner Funktionäre und Mitglieder der herrschenden Dynastie entzogen große Teile des seleukidischen Territoriums zeitweise der Kontrolle durch den Herrscher. Phasen des Herrscherwechsels und innerdynastische Konkurrenz erschütterten in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts die Herrschaft. Eine gewisse Stabilität der Herrschaft erreichte nach einer Phase nicht untypischer Erschütterungen wegen Herrscherwechseln erst Antiochos III. (223 – 187). Antiochos führte unmittelbar nach der Thronfolge des Ptolemaios IV. Philopator im Ptolemäerreich seit 221 v. Chr. den 4. Syrischen Krieg gegen Ägypten, in dem Antiochos im Libanon wichtige Hafenstädte erobern, die ptolemäische Seemacht in der Ägäis schwächen und zugleich die Kontrolle über die dem syrischen Kernraum des Seleukidenreiches benachbarte Levante ausbauen konnte. Der Krieg endete für Antiochos III. 217 allerdings mit der Niederlage in der Schlacht von Raphia. Bei Raphia konnte Ptolemaios IV. einen Angriff des Antiochos auf sein ägyptisches Kernterritorium abwehren; Ptolemaios’ Kommandeure hatten ein stärker als je zuvor aus Ägyptern bestehendes Heer aufgestellt, mit dem sie die Oberhand über die ebenfalls multiethnischen Truppen des Seleukiden behielten; Antiochos musste außer dem
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wichtigen Stützpunkt Seleukeia in Pierien das zwischen den beiden Dynastien umstrittene Gebiet Syriens den Ägyptern überlassen. Im Orient kam es in der Folge zu Abfallbewegungen unter den Statthaltern Molon und Alexander; Molon begründete zeitweise eine eigene Königsherrschaft, wurde aber 220 v. Chr. besiegt. Achaios, Mitglied der Seleukidenfamilie, der erfolgreich große Teile Kleinasiens für die Dynastie hatte zurückerobern können, machte sich sogar selbständig und beanspruchte die Stellung als König in Kleinasien (221 v. Chr.); Achaios wurde 215 – 213 v. Chr. gefangen genommen und hingerichtet (Polyb. VIII 15 ff.). In diesem Krieg zerstörte Antiochos Sardeis, die alte Satrapenresidenz, Königsstadt der Lyder und Achaios’ Hochburg, die er nach dem Ende der Kämpfe wieder aufzubauen half: Die Munifizienz des hellenistischen Herrschers, die hier so weit geht, die schädlichen Folgen des eigenen Handelns zu kompensieren, sichert dem König die Loyalität der Kommunen, die Beherrschbarkeit des Reiches und bietet ihm selbst die Möglichkeit, eine akzeptable Rolle als Rückversicherer gegen Schicksalsschläge einzunehmen. Nach der Niederwerfung des Achaios unternahm Antiochos III. seine sogenannte Anabasis, einen Marsch nach oben, in die oberen Satrapien. Ziel war die Wiederherstellung der Seleukidenherrschaft über die Satrapien im Osten bis an die Grenze Indiens. Die Fürsten dieser Region, unter anderem Euthydemos, Herrscher des graeko-baktrischen Reiches, mussten Antiochos als Oberherrn anerkennen, der durch diese geographische Erweiterung seiner Herrschaft nach längerer Zeit erstmals wieder indische Kriegselefanten für die seleukidischen Truppen beziehen konnte. Die Großmächte an der Wende vom 3. zum 2. Jahrhundert v. Chr. Das Ptolemäerreich war in der Zeit der Schlacht von Raphia unter der Regierung des Ministers Sosibios stabil. Nach der Schlacht allerdings kam es zu mehreren Aufständen von Nichtgriechen und Nichtmakedonen im Ptolemäerreich, die zur Folge hatten, dass zeitweise die südlichen Gebiete unter einheimischen Pharaonen vom Ptolemäerreich faktisch getrennt waren. Als Ptolemaios IV. 205 oder 204 v. Chr. starb und einen noch minderjährigen Nachfolger hinterließ, Ptolemaios V. Epiphanes, schlossen die älteren Herrscher der beiden anderen Großreiche, Philipp V. und Antiochos III., miteinander einen Vertrag zur Aufteilung der ptolemäischen Besitzungen (203/ 202 v. Chr.): Zypern, Koilesyrien und die für die ägyptische Flotte wichtigen kleinasiatischen Stützpunkte sollten an die Seleukiden gehen, die Kykladeninseln, die kleinasiatische Landschaft Karien und Teile des nordägäischen Thrakien an Philipp V. Das Ziel war also nicht eine Zerschlagung des Ptolemäerreiches, sondern dessen Verdrängung als Macht aus dem Ägäisraum (Polyb. III 2,8; XV 20; Appian., Macedonica 4,1 – 3). Eine der Folgen dieses zwischen den Partnern geheim gehaltenen Vertrages lag darin, dass die Römer erneut, und dieses Mal mit Nachwirkung, in die Angelegenheiten Griechenlands und Kleinasiens eingriffen. In der Folge des Geheimvertrages kam es nämlich zum 5. Syrischen Krieg (201 – 198 v. Chr.): Antiochos III. konnte Koilesyrien und Phönizien einnehmen und anschließend auch die ptolemäischen Besitzungen in Lykien, Karien und Kilikien (Kleinasien). Philipp V. wiederum hatte die diplomatisch und militärisch riskanteren und die Interessen einer Vielzahl von Staaten berührenden Vorha-
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ben übernommen: Er eroberte Lysimacheia (202 v. Chr.), griff die strategisch wichtigen Meerengen zum Schwarzen Meer an, belagerte Kios (Polyb. XV 22) und Pergamon, unterlag aber 201 in der Seeschlacht bei Chios gegen pergamenische und rhodische Flottenverbände (Polyb. XVI 1 – 7). Diese Operationen Philipps in der Ägäis und im Bereich der Meerengen bedrohten nicht nur die Unabhängigkeit der dortigen Staaten wie Kyzikos, sondern richteten sich auch gegen strategische Interessen Pergamons, des Inselstaates Rhodos und der Athener, für die ein freier Handelsverkehr zwischen Ägäis und Schwarzem Meer von vitaler Bedeutung war; diese Staaten schlossen sich daher zusammen und appellierten an Rom um Hilfe. Die Mittelmächte unter Roms Schirm: Pergamon und Rhodos Im Ägäisraum waren einige ehemals kleinere regionale Mächte zu Mittelmächten aufgestiegen und hatten sich territorial und finanziell verstärkt: Pergamon und Rhodos. Pergamon hatte sich gegenüber den Seleukiden und Galatern als unabhängige Macht behauptet; Rhodos war 411 – 408 v. Chr. als Zentralsiedlung der gleichnamigen Insel nach dem hippodamischem System, das heißt in einem rechtwinkligen Straßennetz, angelegt worden; die Stadt hatte sich als Hafen- und Handelsmetropole gut entwickelt. Auch Athen spielte unterhalb der drei größeren hellenistischen Monarchien die Rolle einer solchen Mittelmacht und stellte sich auf die Seite von Pergamon und Rhodos. Wenn diese mittelgroßen Staaten nun an Rom um Hilfe appellierten, so setzten sie voraus, dass Rom ein Interesse und die Möglichkeiten haben würde, auf die größeren Territorialstaaten, vor allem auf Philipp V., die die Mittelmächte bedrohten, ausgleichend einzuwirken. Philipp V. hatte dagegen erwartet, dass der 2. Punische Krieg, der gerade zu Ende gegangen war, Roms Kräfte binden würde. Rom nun versicherte sich, um einen Mehrfrontenkrieg zu vermeiden, der wohlwollenden Neutralität Ptolemaios’ V. Mit dem Hinweis auf den sich gegen das Ptolemäerreich richtenden Geheimvertrag und die Bedrohung der kleinasiatischen Mächte durch die Kooperation von Philipp und Antiochos konnten die Rhodier und Pergamener dann für 200 einen Kriegsbeschluss in Rom durchsetzen (Polyb. XVI 24 – 25). Der 2. Römisch-Makedonische Krieg Die Bedrohung des Ptolemäerreiches durch den Geheimvertrag und die Bedrohung der kleineren Staaten Kleinasiens durch die Vertragspartner Philipp und Antiochos motivierten Rom zur Intervention gegen Philipp V. Eine zusätzliche Voraussetzung für Roms Eingreifen lag in den strukturellen Veränderungen, die der 2. Punische Krieg im politischen Leben Roms bewirkt hatte: Hier waren die Normen legitimer Machtausübung unter dem Druck der direkten Bedrohung durch Hannibal zeitweise außer Kraft gesetzt worden. Quintus Fabius Maximus Cunctator und Publius Cornelius Scipio Africanus hatten gegen jene Regeln der Annuität, der Kollegialität und des Mindestalters beziehungsweise der Mindesterfahrung, die eine dauerhafte Machtballung in den Händen Einzelner und Unerprobter verhindern sollten, Rom und seine Stellung in Italien erfolgreich militärisch verteidigt. Gegenüber dem Senat erhöhte sich daher das politische Gewicht erfolgreicher und populärer Militärführer.
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Phlipps Kommandeuren, seinen Bundesgenossen und schließlich auch Philipp selbst stellten die Römer das Ultimatum, die Kampfhandlungen einzustellen, die eroberten Teile wieder herauszugeben und die Konflikte auf dem Verhandlungswege und durch ein neutrales Schiedsgericht zu lösen. Als Philipp dieses Ultimatum ablehnte, kam es zum 2. Römisch-Makedonischen Krieg (200 – 197 v. Chr.: Polyb. XVI 27; 34). Rom gelang es, Philipp V. diplomatisch von Antiochos III. zu isolieren, mit pergamenischer und rhodischer Hilfe die Seeherrschaft in der Ägäis zu gewinnen und mit den Aitolern, dem Achäischen Bund und Nabis von Sparta drei wichtige Bundesgenossen Philipps auf die eigene Seite herüberzuziehen. Anerkennung fanden die römische Position und die römische Kriegführung auf dem griechischen Kriegsschauplatz vor allem durch die Popularität des Kommandeurs Titus Quinctius Flamininus und seines Bruders Lucius, des Flottenbefehlshabers. Nach einer schrittweisen Verschiebung der strategischen Gewichte während des Krieges zuungunsten Philipps entschied 197 die Schlacht von Kynoskephalai den Krieg: Philipp V. verlor das für die makedonischen Könige seit Philipp II. als Machtbasis wichtige Thessalien. Thessalien wurde in einzelne Kantone zerlegt – so wie später, nach 168 v. Chr., Makedonien selbst. Rom, insbesondere dessen Kommandeur auf dem Kriegsschauplatz T. Quinctius Flamininus, propagierten die Zurückdrängung Philipps in Griechenland als Befreiung und Roms Anliegen als Wahrung der Autonomie der griechischen Staaten gegen die große Territorialmonarchie: Philipp hatte bis zu den Isthmischen Spielen, einem der größten gesamtgriechischen Kultund Sportfeste, alle besetzten und eroberten Plätze, seine Kriegsgefangenen und seine Flotte auszuliefern und eine hohe Kriegsentschädigung zu zahlen (Polyb. XVIII 44; Liv. XXXIII 30). Philipp durfte nur noch ein kleines Heer und keine Kriegselefanten unterhalten und außerhalb Makedoniens nur mit Zustimmung des römischen Senates Krieg führen: Diese Friedensbedingungen, die Philipp seine außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten nahmen, wurden auf den Isthmischen Spielen 196 v. Chr. von Flamininus feierlich verkündet. Die kleineren Mächte nutzten die Möglichkeiten, die der Ausfall der regionalen Vormacht in Griechenland bot, teilweise sogleich aus: Der spartanische König Nabis konnte nur durch Krieg dazu gebracht werden, Spartas Nachbarn Argos, den Philipp V. Sparta überantwortet hatte, freizugeben.
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Freiheitserklärung auf den Isthmischen Spielen (Polybios XVIII 46,1 – 10, Übers.: H. Drexler, Polybios Geschichte II, Zürich, Stuttgart 21978, 982 f.) Als dieser Beschluss gefasst und der Zeitpunkt der Isthmischen Spiele herangekommen war, zu denen sich beinahe aus der ganzen Welt alles, was Namen und Ansehen hatte, in Erwartung dessen, was sich dort ereignen sollte, eingefunden hatte, schwirrten die verschiedensten Gerüchte hin und her, alle möglichen Vermutungen wurden in der Festversammlung laut; manche erklärten es für unmöglich, dass die Römer bestimmte Plätze und Städte räumten, andere versicherten, sie würden die berühmten Orte aufgeben, dagegen solche mit weniger glanzvollem Namen, aber von großer strategischer Bedeutung festhalten. Und natürlich
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konnten sie die Städte auch sofort bezeichnen: Sie hatten alle im Rat gesessen, einer wusste es besser als der andere. So tappte man also tatsächlich noch völlig im Dunkeln, als sich die Menschenmenge im Stadion zu den Festspielen versammelte. In diesem Augenblick trat der Herold vor, gebot durch einen Posaunenstoß Schweigen und verlas dann die Botschaft: „Der römische Senat und der Prokonsul und Imperator T. Quinctius verkünden, nachdem sie Philipp und die Makedonen besiegt haben: Wir geben die Freiheit und Selbstverwaltung, ohne Besatzungen hineinzulegen, ohne Tributzahlungen zu fordern, den Korinthern, Phokern, Lokrern, Euboeern, phthiotischen Achaeern, Magneten, Thessalern, Perrhaebern.“ Schon gleich nach diesen Worten erhob sich ein gewaltiger Beifallslärm; aber manche hatten die Botschaft nicht gehört, manche wollten sie noch einmal hören, die meisten aber mochten ihren Ohren nicht trauen und meinten, sie hätten geträumt: so unglaubhaft schienen ihnen die Worte. Ein neues Geschrei setzte ein aus allen Kehlen: der Herold mit dem Posaunenbläser solle noch einmal in die Mitte des Stadions treten und die Bekanntgabe wiederholen, mir scheint, weil die Menschen den Vorleser nicht nur hören, sondern auch sehen wollten, denn der Klang der Worte genügte nicht, sie von der Wahrheit zu überzeugen. Als der Herold aber zum zweitenmal erschien, wieder durch einen Posaunenstoß den Lärm zum Schweigen brachte und genau dasselbe wie zuvor in genau der gleichen Weise verkündete, da brach ein derartig ohrenbetäubender Lärm los, dass es unmöglich ist, dem heutigen Leser eine Vorstellung davon zu geben. Als der Lärm endlich zur Ruhe kam, schenkte den Athleten niemand mehr auch nur die geringste Aufmerksamkeit, alle redeten durcheinander, mit dem Nachbarn, für sich, wie trunken vor Begeisterung. Und nach den Spielen hätten sie im Übermaß der Freude Titus mit ihren Dankesbezeugungen beinahe umgebracht.
Rom und Antiochos III. Von der Schwächung seines Vertragspartners Philipp V. und dem Konflikt zwischen Philipp und Rom profitierte zunächst Antiochos III.: Nach dem 5. Syrischen Krieg (202/201 – 198), der Antiochos in den Besitz Koilesyriens, Samarias und Judäas gebracht hatte, gewann er in Lykien, Kilikien und Karien gelegene ptolemäische Hafenstädte für sich. Er dehnte sein Einflussgebiet bis nach Thrakien an die strategisch wichtigen Meerengen aus und ließ sich seine Erwerbungen in einem Frieden durch Ptolemaios V. festschreiben. Dieser wurde 194 besiegelt durch die Heirat von Antiochos’ Tochter Kleopatra mit Ptolemaios V. (Flav. Jos., AJ XII 154 – 155). Während er den Ausgleich mit Ptolemaios V. betrieb, sah sich Antiochos einer verstärkten römischen Freiheitspropaganda in Kleinasien gegenüber, die sich in erster Linie gegen seine Neuerwerbungen richtete. In den 90er Jahren des 2. Jahrhunderts baute Antiochos daher ein gegen Rom gerichtetes Bundesgenossensystem in Griechenland und Kleinasien auf: Nabis von Sparta und die Aitoler machten Antiochos III. zum Kommandeur (Hegemon) ihrer Koalitionstruppen. Um sich sammelte Antiochos Sachverständige für einen Krieg gegen Rom – Hannibal lebte im Exil an seinem Hof – und propagierte seinerseits die Befreiung Griechenlands von Rom als sein Kriegsziel. Eine Expeditionsunternehmung 192/191 nach Griechenland scheiterte aber, weil das römische Bundesgenossensystem in Griechenland, anders als
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es der König erwartet hatte, stabil blieb. Nachdem Antiochos 191/190 die Kontrolle über die Seewege in der Ägäis verloren hatte, entschied 190/189 die Landschlacht bei Magnesia den Krieg: Im Frieden von Apameia (188) musste Antiochos III. alle Besitzungen in Kleinasien bis zum Tauros sowie in Europa abtreten und eine hohe Kriegsentschädigung an Rom zahlen. Antiochos durfte, wie zuvor Philipp V., keine Kriegselefanten und nur eine kleine Flotte besitzen (Polyb. XXI 44 – 48; Liv. XXXVIII 39).
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Roms Freiheits- und Autonomiegarantien für seine Bundesgenossen (190/189 v. Chr.) (Syll.3 618; Übers.: K. Brodersen, W. Günther, H. H. Schmitt, Historische Griechische Inschriften in Übersetzung III, Darmstadt 1999, Nr. 463, S. 72 f.) [Lucius Cornelius Scipio], Consul der Römer [und Publius Scipio, sein Bru]der, senden dem Rat und dem Vo[lk] der Herakleoten [ihren Gruß.] Vor uns sind ersch[ienen] eure Gesandten Dias, Dies, Diony[sios, -]am[an]dros, [Eu]demos, Moschos, Aristeides, Menes, her[vorragende] Männer, die den [Volksbe]schluss übergeben und selbst Ausführungen gemacht haben in Übereinstim[mung mit de]m in de[m Be]schluss Festgelegten, wobei sie nichts fehlen ließen [an Eif]er. Wir sind allen Hellenen wohlgeson[nen] und werden versuchen, nachdem ihr eingetreten seid in unsere [Garantie (fides)], (für euch) angemessene Vorsorge zu treffen und stets etwas Gutes zu bewir[ken]. Wir gewähren Euch die Freiheit, so wie auch [den an]deren Poleis, die uns die Entscheidung über sich übertragen haben (= deditio), so dass ihr die Möglichkeit habt, i[n eigener Hoheit al]le eure gemeindlichen Fragen zu regeln nach euren Gesetzen, [und in] anderen Fragen werden wir versuchen, euch hilfreich zu sein und stets etwas Gutes [zu bewir]ken. Wir nehmen eure Gefälligkeiten und [Sicherheiten] entgegen und werden unsererseits versuchen, in unserer Dankesbezeugung in nichts zurückzustehen. [Abgesa]ndt haben wir an euch den Lucius Orbius, verantwortlich zu sorgen für die [Stadt u]nd die Gemarkung, damit niemand euch schadet. Lebt wohl!
Eine militärische Hauptlast des Krieges gegen Antiochos III. hatte Eumenes II. von Pergamon getragen; dieser profitierte daher am deutlichsten von den seleukidischen Gebietsabtretungen in Kleinasien. Auch die Rhodier vergrößerten erheblich ihre Peraia, den Festlandsbesitz in Lykien und Karien. Der Frieden von Apameia nahm den Seleukiden ihre außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten als Großmacht und beschränkte sie auf ihre syrischen und mesopotamischen Kernlande. An die Stelle der Seleukiden in Kleinasien und der Ägäis traten zunehmend Pergamon und Rhodos, die von ihrer Verbindung mit Rom profitierten und sich als Regionalmächte etablieren konnten. Zwischen Eumenes von Pergamon und seinem Lokalkonkurrenten Pharnakes von Pontos bestand in den Jahren nach Apameia eine scharfe Konkurrenz, die sich in einem Krieg 182 – 179 manifestierte.
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c) Die Situation nach dem Frieden von Apameia, der Perseuskrieg und Roms Eroberung von Griechenland Während der Verhandlungen, die zum Frieden von Apameia führten, hatten die Aitoler in Westgriechenland den König des Stammes der Athamanen wieder in seine Herrschaft eingesetzt und dadurch einen Krieg mit Makedonien provoziert. Rom griff in diesen Krieg 189 ein und zwang die Aitoler zum Abschluss eines ungleichgewichtigen Friedensvertrages, der sie die Herrschaft über Delphi kostete und zur militärischen Unterstützung Roms sowie zu materiellen Abgaben verpflichtete. In Kleinasien führte der Frieden von Apameia für die seleukidische Herrschaft zu einem Dilemma: Einerseits hatte Antiochos die hohe Summe von 15 000 Talenten Silber in 14 Jahren zu zahlen, andererseits fielen mit den kleinasiatischen Besitzungen erhebliche seiner Einkünfte weg (Polyb. XXI 10 – 24). Diese Erosion der seleukidischen Finanzen versuchten die seleukidischen Herrscher des 2. Jahrhunderts dadurch zu kompensieren, dass sie sich der Heiligtumskassen ihres Reiches als Refinanzierungsquellen bedienten. Teilweise mit Zwang versuchten sie, Anleihen bei den Schätzen der Tempel wie dem des Gottes BÞl in Babylon zu nehmen. Antiochos III. starb 187 bei der Plünderung des BÞlTempels von Susa, und sein Nachfolger Seleukos IV. provozierte durch dieses Vorgehen den Makkabäeraufstand, an dessen Ende die Selbständigkeit Palästinas als Königreich stehen sollte. Philipp V. starb 179 v. Chr.; sein Sohn Perseus (179 – 168 v. Chr.) suchte ganz ähnlich wie die Seleukiden des 2. Jahrhunderts, außenpolitische Handlungsfähigkeit durch eine aktive (Heirats- und) Bündnispolitik wiederherzustellen. Er verhielt sich also ähnlich wie die Mächte mittlerer Größe in der Ägäis, die immer auf Unterstützung und Allianzen angewiesen waren. Beide im ersten Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts durch Kriege mit Rom geschwächten Monarchien waren nach 188 an einer Annäherung interessiert, und so heiratete Perseus Laodike, die Tochter des Seleukos; auch mit Prusias von Bithynien trat Perseus in Familienbeziehungen. Er strebte zudem nach Verständigung mit den von Rom gestützen Mittelmächten; mit Rhodos erreichte er sie. Dagegen verstärkten die Römer ihre Zusammenarbeit mit Eumenes von Pergamon und richteten ihre Propaganda gegen Perseus, um dessen Ansehen bei den Griechen zu erschüttern; sie warfen Perseus vor, ein Attentat auf den Attaliden veranlasst zu haben, wie eine Inschrift aus Delphi – möglicherweise von einem Monument zu Ehren des Aemilius Paullus – rückschauend behauptet. Römische Vorwürfe gegen Perseus (171/170 v. Chr.) (Syll3. 643; Übers.: K. Brodersen, W. Günther, H. H. Schmitt, Historische Griechische Inschriften in Übersetzung III, Darmstadt 1999, Nr. 474, S. 90 f.)
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[ – die e]ingesetzt [sind] v[on (?) – ] damit die A[mphiktyonen] selbst [ – ] den Göttern [ – ] v[erfa]hret so wie es zuko[mmt-] dass Perseus unter Verstoß gegen das, was sich gehört, m[it seinem Heer nach Delphi marschiert ist im heiligen Frieden (des Festes) de]r Pythien; nicht rechtmäßig war es g[anz und gar, jenen das Heiligtum betreten, das Orakel befragen] und an Opfern, Agonen und [am gemeinsamen amphiktyonischen Synhedrion der Hellenen teilnehmen zu lassen. Denn
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jener] hatte herbeigezogen die jenseits de[r Donau wohnenden Barbaren, die schon in früherer Zeit] keineswegs [zu gutem Zweck,] sondern zur Knechtung [aller Hellenen sich zusammengerottet hatten, nach Hellas eingefallen und] zu Felde gezogen waren gegen das Heiligtum[des Apollon Pythios in Delphi in der Absicht, es zu plünde]rn und zu zerstören; (freilich) erhielten sie vo[m Gott die verdiente Strafe, und die meisten kamen um.] Er übertrat ferner die [von uns mit seinem Vater] getauschten [Eide und die Vertragsbedingungen, die er selbst erneuert hatte.] Und die Thraker, die uns[ere Freunde und Bündner] waren, [besiegte und vertrieb er. Abru]polis, den wir einbegriffen hatten in den [Vertrag mit ihm, unseren Freund und Bundesgenossen, ver]jagte er aus seiner Königsherrschaft. Gesan[dte, die von den Hellenen und von den Königen abgesandt wurden] nach Rom um Waffenhilfe, die von den [Thebanern bohrte er in den Grund, andere versuchte er auf andere Weise aus dem Weg zu räumen.] Ja, er ging so weit in seinem Irrsinn, [dass er sogar beabsichtigte, unseren Senat mit Gift zu beseitigen. Die Doloper verl]oren ihre Freiheit durch sei[ne militärischen Einfälle. In Aitolien plante er Krieg und Mordtaten] und versetzte das ganze Ethnos in Unru[hen und inneren Zwist. Und zum Schaden von ganz Hellas hat er Übelste]s unaufhörlich getan; unter anderen [schlimmen Dingen, die er ersann, nahm er auch die Flüchtlinge aus den Städten bei sich auf. Un]d er korrumpierte die Magistra[te und umschmeichelte zugleich die Massen, versprach Schuldenbefreiung u]nd zettelte Putsche an und [machte so] deut[lich die politische Haltung, die er einnimmt gegenüber den Hellenen und den Römern.] Als Folge davon widerfuhr es den Pe[rrhaibern und den Thessalern und den Aitolern, dass sie stürzten in unheilbares] Unglück und dass die Barbaren sch[recklicher noch die Hellenen bedrohten. Gegen uns sann er seit langem] auf Krieg; um uns ohne Helf[er zu überraschen und, wenn niemand im Wege stünde, die hellenischen Stä]dte zu unterjochen al[lesamt, lockte er den Illyrier Genthios mit Geld und hetzte ihn gegen uns;] den König Eumenes, [unseren Freund und Bundesgenossen, trachtete er mit Hilfe des Euandros zu ermord]en, als er (Eumenes) zur Erfüll[ung seines Gelübdes nach Delphi pilgerte; dabei kümmerte er sich weder um die Sicherheit, die der] Gott allen, die zu ihm komm[en, gewährt, noch darum, dass bes]teht die bei allen Men[schen geachtete Gottgeweihtheit und Unverletzlichkeit der Stadt der Delpher für die Hellenen] wie für die Barbaren seit all[er Zeit – is]t, dass ihr in hö[chstem Maß – ] gemeinsam sein [ – ] der and[eren – ]
Q. Marcius Philippus und L. Aemilius Paullus
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Maßgeblich bestimmte und artikulierte Quintus Marcius Philippus die römische Politik und Propaganda gegenüber Perseus. Er verhandelte 172 v. Chr. mit dem König, bedrohte ihn aber mit einem schon zuvor beschlossenen Krieg. Livius bezeichnet dieses Vorgehen als nova sapientia und brandmarkt es als verabscheuungswürdigen politisch-diplomatischen Trick, der zu Roms sonstiger Vertrauenswürdigkeit im Widerspruch stehe (Liv. XLII 47,9). Nachdem diese Verhandlungen gescheitert waren, wurde 171 – 168 v. Chr., bis zur Schlacht von Pydna, zwischen Rom und Perseus der 3. Römisch-Makedonische Krieg geführt, der Rom in den Besitz großer Teile des mutterländischen Griechenland brachte. In diesem Krieg stand Perseus gegen Eumenes von Pergamon, der von Thrakien aus gegen Makedonien vorging, gegen Rhodos, das zusammen mit Pergamon Makedoniens Bewegungsmög-
Das hellenistische Mächtesystem lichkeiten zur See in der Ägäis einschränkte, und gegen ein römisches Expeditionsheer, das 169 unter Quintus Marcius Philippus von Thessalien aus gegen Makedonien vorrückte. Auf Perseus’ Seite standen der Achäische Bund, die Aitoler und Epirus. 168 übernahm Lucius Aemilius Paullus das Kommando über die Römer. An der Grenze zwischen Thessalien und Makedonien südlich des Olymp hatte Perseus eine befestigte Stellung bezogen, die die Römer umgingen und ihn nördlich des Olymp bei Pydna 168 schlugen (Liv. XLII – XLV; Polyb. XXVII – XXX; Appian., Mac., Plut., Aemil. Paull.). Rom organisierte Griechenland daraufhin neu: Illyrien wurde dreigeteilt, Makedonien in vier voneinander rechtlich unabhängige Flächenstaaten. Diese Flächenstaaten (mére, Teile) waren Republiken mit jährlich wechselnden Amtsträgern. Makedonische Besitzungen im übrigen Griechenland wurden weitgehend für autonom erklärt (Diod. XXXI 8 – 9). Außer seinen traditionellen Kleruchenbesitzungen Lemnos, Imbros und Skyros und außer Haliartos in Boiotien erhielt Athen auch Delos zugesprochen. Delos entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zum Hauptkonkurrenten für die Insel Rhodos, weil in Delos ein von Abgaben freier Hafen entstand, dem Rhodos nichts entgegenzusetzen hatte. Rhodos verlor aber nicht nur seine handelspolitischen Vorteile – die Hafengebühren gingen von jährlich eine Million Drachmen auf 150 000 zurück – , sondern auch große Teile seiner vormaligen Festlandsbesitzungen (Polyb. XXX 31). Der Achäische Bund hatte nach der Schlacht von Pydna zur Sicherung seiner Loyalität gegenüber Rom 1000 Geiseln nach Italien zu senden, unter ihnen auch den achäischen Reiterkommandeur und Geschichtsschreiber Polybios. Makedonien hörte nach Pydna auf, eine hellenistische Macht zu sein.
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Griechenland 168 v. Chr.
d) Der 6. Syrische Krieg und die Desintegration des Seleukidenreiches: Baktrer, Juden, Attaliden, Parther Die Situation im Ptolemäerreich Um die Erosion der ptolemäischen Macht zu Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. zu kompensieren, setzte die ptolemäische Verwaltung Mitte der 90er Jahre an die Stelle der auf persönlicher Nähe zum Herrscher beruhenden Hoftitel ein hierarchisch nach Funktionen geordnetes Titelsystem. Bürokratisierung und Rationalisierung sollten die Schwächen des unmittelbar persönlichen Herrschaftssystems beheben. Darüber hinaus differenzierte und zentralisierte man die Verwaltung; oberhalb der Strategen, ursprünglich Militärkommandeure in Ägypten, dann aber Funktionäre der Territorialverwaltung, wurde das Amt des Epistrategen eingerichtet. Allgemeinem bürgerlichem Streit und strafrechtlicher Verfolgung setzte eine Generalamnestie 186 ein Ende. Bevor aber eine militärisch-politische Stärkung des Ptolemäerreiches, die mit diesen Maßnahmen beabsichtigt war, hätte wirksam werden könne, starb Ptolemaios V.; möglicherweise wurde er von der eigenen Kamarilla ermordet, deren Mitglieder fürchteten, einen angeblich bevorstehenden neuen Krieg um Koilesyrien bezahlen zu müssen (Porphyr. bei Hieronym., Comm. in Dan. 11,20). Ptolemaios V. hinterließ drei minderjährige Kinder, an deren statt seine Witwe Kleopatra I. die Regentschaft führte. Während der Regentschaft der seleukidischen Prinzessin ({ 176) für Ptolemaios VI. wurden anscheinend
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Pläne für einen erneuten Krieg gegen das Seleukidenreich zunächst nicht weiter verfolgt. Nach ihrem Tod aber änderten neue Funktionäre bei Hofe, der aus dem Sklavenstand aufgestiegene Lenaios und der Hof-Eunuche Eulaios, diese Politik: Sie unterstrichen ihre eigene Macht, indem sie Ptolemaios VI. und seine ebenfalls noch unmündige Schwester Kleopatra II. miteinander verheirateten, um im Namen der göttergleichen Geschwisterkönige selbst zu herrschen. Auch im Seleukidenreich spielten mächtige Funktionäre die Monarchen gegeneinander aus: Seleukos VI. wurde von seinem eigenen Chefminister ermordet, der sich auf diese Weise selbst zum König machen wollte. Der Bruder des Ermordeten, Antiochos IV. (165 – 164 v. Chr.) war zunächst Geisel in Rom, konnte sich aber nach der Rückkehr ins Seleukidenreich die Herrschaft sichern und suchte vor allem die finanzielle Basis des Reiches auszubauen, nicht zuletzt durch Ansiedlungspogramme. Sowohl die ptolemäische wie die seleukidische Administration arbeiteten unterdessen aber auf einen neuen Krieg um Koilesyrien hin, das von Antiochos kontrolliert wurde. Diplomatisch wurde dieser 6. Syrische Krieg (170/ 169 – 168 v. Chr.) vorbereitet durch Gesandtschaften an Rom: Beiden Mächten war an einer wohlwollenden Neutralität Roms gelegen; dies unterstreicht, wie begrenzt die außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten der ehemals großen Mächte inzwischen waren. Der römische Senat wiederum war daran interessiert, dass weder Seleukiden noch Ptolemäer in die römische Auseinandersetzung mit Perseus von Makedonien intervenierten. Er war daher nicht prinzipiell gegen einen Krieg zwischen beiden eingestellt, um diese möglichst von einem Eingriff in die römischen Auseinandersetzungen mit Makedonien abzuhalten. Rom unterhielt allerdings freundlichere Beziehungen zur ptolemäischen als zur seleukidischen Seite und ging deswegen auf Angebote und Bitten der ptolemäischen Seite weitgehend ein (Polyb. XXVIII 1). Gestützt auf das Wohlwollen und die Erwartungen Roms bezog daher der ptolemäische Hof 170 v. Chr. in den Kreis der Thronberechtigten auch Ptolemaios VIII., den jüngeren Bruder Ptolemaios’ VI., ein und bildete eine Samtherrschaft der Geschwister, unter denen Ptolemaios VI. als einziger seit 169 volljährig war. Dem bevorstehenden Angriff des ägyptischen Heeres unter dem Kommando des Ptolemaios VI. auf Koilesyrien aber kam Antiochos IV. zuvor, der für seine eigene Offensive wohl Vormundschaftsrechte gegenüber seinem vermeintlich minderjährigen Neffen geltend machte. Antiochos gelang es, bis nach Ägypten vorzustoßen; Ptolemaios VI. ging nach der Vereinbarung eines Waffenstillstandes ins Exil. Gegen die beiden an Stelle der unmündigen Herrscher regierenden Reichsverweser Eulaios und Lenaios bildete sich nach diesem militärischen Debakel eine Opposition, deren Mitglieder die beiden Funktionäre umbringen ließen. Ptolemaios VI. kam aus dem Exil zurück, noch während Antiochos IV. mit seinen Truppen in Ägypten war, und versuchte sich als Mitherrscher seines Neffen Antiochos zu etablieren, der in Ägypten inzwischen wie ein König schaltete und waltete. Außerdem amtierten die beiden Geschwister Kleopatra und Ptolemaios VIII. in Alexandria, für die die neuen Vormünder Komanos und Kineas die Geschäfte führten. Nachdem Antiochos IV. unter Zurücklassung kleinerer Besatzungseinheiten Ägypten 169 v. Chr. verlassen hatte, kam es zwischen den Geschwistern und den jeweils hinter ihnen stehenden Höf-
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lingszirkeln zu einer Einigung und zur Erneuerung der gemeinsamen Herrschaft. Man hoffte, mit römischer Hilfe sowie der Hilfe des Achäischen Bundes und seiner militärischen Experten, des Lykortas und seines Sohnes, des Kavalleriekommandeurs und Geschichtsschreibers Polybios, weiterhin drohende Angriffe des Antiochos abwehren zu können. Der römische Senat war andererseits jedoch nicht daran interessiert, Ägypten gegen das Seleukidenreich ausgesprochen stark werden zu lassen. Vielmehr sah er die römischen Interessen sowohl durch ein Erstarken des Seleukidenreiches wie durch ein solches des Ptolemäerreiches bedroht und suchte ein labiles Gleichgewicht zwischen beiden Mächten aufrechtzuerhalten; er übte in diesem Sinne auch Einfluss auf den Achäischen Bund aus, damit dieser dem Nilland keine militärische Hilfe leiste (Polyb. XXIX 2,2; 23 – 25; Liv. XLV 11,10). Antiochos IV. konnte daher einen erneuten Vorstoß gegen Ägypten im Jahr 169 v. Chr. unternehmen. Auf diesen Angrif hin aber intervenierte der römische Senat: Er fasste einen prinzipiellen Kriegsbeschluss, den er seinem Gesandten Caius Popillius Laenas mit auf den Weg nach Ägypten gab. Während Antiochos mit einem Heer auf Alexandria vorrückte, verhandelte Popillius Laenas mit den ptolemäischen Funktionären. Vor Alexandria, bei Eleusis, traf er auf Antiochos und forderte ihn, gestützt auf den Senatsbeschluss, ultimativ auf, Ägypten zu verlassen. Als der König, wie üblich für einen hellenistischen Monarchen, geltend machte, sich vor einer Entscheidung erst mit seinen engsten Vertrauten, den Freunden (filoi) beraten zu wollen, zog der römische Gesandte um Antiochos einen Kreis in den Sand und verlangte ultimativ eine Entscheidung, bevor der König den Kreis verlasse (Polyb. XXVIII 1 – 2; 19 – 20; XXIX 2; 27,8; Liv. XLIV 19,13; XLV 12; Diod. XXXI 2): Erneut agierte hier eine römische Delegation unter der Drohung prinzipieller Kriegsbereitschaft. Roms Intervention in die Auseinandersetzung zwischen Ptolemäer- und Seleukidenreich 168 v. Chr. war möglich geworden, weil parallel der Krieg gegen Perseus zum Abschluss kam: Die Gesandtschaft unter Popillius Laenas ging zeitlich koordiniert mit dem Fortgang der römischen Kriegführung vor; sie wartete den Ausgang des Krieges gegen Perseus ab, bevor sie nach Ägypten einreiste. Laenas erwirkte, dass Antiochos tatsächlich Ägypten verließ; er stellte die Ordnung der Herrschaft in Ägypten wieder her und legte den herrschenden Geschwistern, das heißt: den hinter ihnen stehenden Hofzirkeln, Eintracht nahe. Das Seleukidenreich nach 168 v. Chr. Antiochos IV. versuchte nach der Niederlage, sein Reich und die Herrschaft der Dynastie auf zwei Wegen zu stabilisieren: durch die Bildung und Förderung einer kulturell homogenen, hellenisierten Elite und durch das Eintreiben von Anleihen und Zuwendungen an die königliche Kasse von den großen Heiligtümern – gegebenenfalls unter Druck (siehe oben). In den großen Städten förderte Antiochos Institutionen griechischer Lebensform wie Theater und Gymnasium. Zu einem tiefen Konflikt führte diese Politik mit den Eliten Palästinas und dem Jerusalemer Tempel. Die Tempelpriesterschaft Jerusalems herrschte und wirtschaftete quasi-autonom; während des 6. Syrischen Krieges hatte Antiochos jedoch in die inneren Verhältnisse dieses Tempelgemeinwesens
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eingegriffen, als ihm dessen Loyalität in der Auseinandersetzung unsicher erschien; Antiochos hatte den Hohepriester Jason abgesetzt, der jedoch Teile der Stadt Jerusalem unter seine Kontrolle hatte bringen können. Dazu nahm Antiochos beim Tempel eine der für die späten Seleukiden typischen Zwangsanleihen auf. Im Jahr 167 v. Chr. machte Antiochos Hellenisierungspolitik gegen den Tempel, richtete in ihm den Kult des griechischen Gottes Zeus und den Herrscherkult des Seleukiden ein, verbot den Jahwekult und provozierte dadurch einen Aufstand. Dieser Makkabäeraufstand (166 – 164 v. Chr.) unter Judas Makkabäus (hebräisch maqqäbä, Hammer) führte zum Sieg der Aufständischen und zur Wiederaufnahme des Jahwekultes. 129 v. Chr. erhob sich in der Folge der Aufstände Johannes Hyrkanos zum Monarchen: Ein Resultat des Aufstandes war die Etablierung der Hasmonäer als neuer Herrscherdynastie in Palästina. Über den Aufstand und die Herauslösung Judäas aus dem Seleukidenreich berichtet das 2. Makkabäerbuch, ein Geschichtswerk, das in griechischer Sprache eine jüdische Perspektive artikuliert; es will die Kurzfassung einer Darstellung sein, die Jason von Kyrene über den Makkabäeraufstand von 167 v. Chr. bis zum Ende des Jahrzents geschrieben haben soll (2. Macc. 2,23). Das Werk setzt vor dem Beginn des eigentlichen Aufstandes mit der Darstellung ein; es beschreibt, wie anlässlich des Herrschaftswechsels von Seleukos IV. zu Antiochos Epiphanes 175 v. Chr. der Oberpriester dem neuen König Tempeleinkünfte verpfändete gegen das Recht, in Jerusalem ein Gymnasium und eine Schule einzurichten, damit die Kinder der Oberschicht griechisch erzogen und ihnen das Bürgerrecht der Griechengemeinde von Antiochia verschafft werden konnte. Sonderrechte der Juden und ihres Tempels wurden damals aufgehoben. Das griechische Gymnasium dagegen florierte: Das bezeichnet der Autor als „Höhepunkt des Hellenismus und weiterer Schritte auf dem Wege der Entfremdung vom Judentum“ (2. Macc. 4,7 – 15). Was durch den Autor hier kritisiert wird, ist ein Prozess rechtlicher, kultischer und kulturell-sportlicher Hellenisierung. Die Teilhabe an diesem Prozess erscheint der lokalen Elite aber so lukrativ, dass sie sich diese erkauft. Der König verpfändet künftige Einnahmen aus Ausbildung und Bürgerrechtsverleihungen gegen eine Einmalzahlung, die der Oberpriester leistet, um seinerseits mit dem Hellenismus der Eliten Palästinas ein Geschäft zu machen. Als Hellenismus wird deren Verhalten kritisiert von identitätsbewussten Gegnern in den eigenen Reihen. An der Ostgrenze des Seleukidenreiches aber führte dessen zunehmende Desintegration zur Bildung einer größeren Macht, die die politische Landkarte des Vorderen Orients nachhaltig veränderte: Mitte des 2. Jahrhunderts annektierte Mithradates I. (171 – 138/137 v. Chr.) zentrale Gebiete des Seleukidenreiches (Medien, Ostiran) und marschierte in Mesopotamien ein. Diese parthische Expansion hielt 164 v. Chr. noch an, als Antiochos IV. starb. Sie setzte sich fort zur Zeit des Antiochos’ V. Eupator (164 – 162 v. Chr.), der als Kind herrschte von Roms Gnaden, und der parthische Druck hielt noch an unter Demetrios I. Soter (162 – 150) und Alexander Balas (150 – 145). Alexander Balas war zunächst eine Marionette des römischen Senats und des sechsten Ptolemäers: Demetrios I. Soter, der als Geisel in Rom gelebt hatte und dessen Thronansprüche der römische Senat weder gegenüber sei-
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nem Neffen Antiochos V., noch gegenüber der Usurpation des medischen Satrapen Timarchos gestützt hatte, und der sich daher gewaltsam seine Anerkennung als Herrscher erkämpfte (163/162 v. Chr.), verletzte durch sein Vorgehen die Interessen Roms und der Ptolemäer in mehrerer Hinsicht: Er griff 158 in Thronstreitigkeiten in Kappadokien ein, vertrieb den von Rom gestützten König Ariarathes V. und ersetzte ihn durch dessen eigenen Bruder Orophernes; Demetrios I. versuchte weiterhin, sich die Insel Zypern, eine ptolemäische Besitzung, anzueignen. Gegen die Stärkung des seleukidischen Königs, die Demetrios offenbar beabsichtigte, und die das fraktionierte Mächtegefüge im Vorderen Orient zugunsten der Seleukiden hätte verschieben können, präsentierten Rom, die Ptolemäer, Ariarathes V. von Kappadokien und vor allem Attalos von Pergamon den ,Alexander Balas als Konkurrenten des Demetrios um den Seleukidenthron. Balas stammte aus Smyrna und sah offenbar Antiochos V. ähnlich: So konnte er als ein Bruder Antiochos’ V. hingestellt werden, der den Namen Alexandros annahm und mit der Hilfe Attalos’ II. und seiner Partner Söldner anwarb. Um sich gegen Demetrios eine Anhängerschaft zu sichern, verbündete Alexander Balas sich mit Jonathan, dem jüngeren Bruder des Judas Makkabäus, dem Jonathan nach dem Tod des älteren Bruders als Anführer der Rebellen gefolgt war. Alexander Balas ernannte Jonathan zum Hohepriester und Strategen für Judäa: Der Führer der Rebellen gegen die seleukidische Politik der Hellenisierung und Eintreibung von Zwangsabgaben erhielt dadurch eine anerkannte Position, die sakrale und politisch-militärische Oberämter in seiner Person vereinigte. 152 unternahm Alexander Balas einen Vorstoß nach Syrien und setzte sich in der Ptolemaïs fest. Innerhalb von zwei Jahren konnte er Demetrios in Syrien vom Thron verdrängen und blieb fünf Jahre an der Macht (Polyb. XXXIII 15; Joseph., A.J. XIII 35; 1. Macc. 5,24; 5,55 f.; 10,1 – 6). Er wude dabei nicht unwesentlich von Ptolemaios VI. von Ägypten gestützt, der seine Tochter Kleopatra Thea mit Alexander Balas verheiratete. Alexander Balas wurde schließlich von der Herrschaft verdrängt durch Demetrios’ Sohn Demetrios II. Nikator (145 – 139/138), der seit 147 v. Chr. Krieg gegen Alexander Balas führte und von Ptolemaios VI. zunächst gestützt wurde. Nachdem Ptolemaios sich aber der wichtigsten Städte der Levante hatte bemächtigen können, waren seine strategischen Interessen an Alexander Balas als Instrument zunächst erfüllt. Möglicherweise gab ein auf Alexander Balas’ Veranlassung hin versuchtes Attentat gegen Ptolemaios den Ausschlag, wahrscheinlich aber Ptolemaios’ Interesse an einem von ihm möglichst abhängigen Herrscher im Seleukidenreich: Ptolemaios wechselte seine Unterstützung und bot seine Tochter Kleopatra erneut zur Heirat an – diesmal dem Demetrios II. Er schloss mit Demetrios einen Vertrag, in dem der ptolemäische Besitz des zwischen Seleukiden und Ptolemäern umstrittenen Koilesyrien festgeschrieben wurde (Diod. XXXII 9c). Die untereinander rivalisierende Oberschicht von Antiochia legte sogar Ptolemaios selbst die Herrschaft im Seleukidenreich nahe; dieser erhob aber nur Anspruch auf Koilesyrien, nicht auf die Herrschaft im Seleukidenreich: Demetrios II. wurde durch diesen Verzicht zu einem König von Ptolemaios’ Gnaden. Im Jahre 145 besiegten Demetrios II. und Ptolemaios VI. gemeinsam Alexander Balas bei Antiochia; Alexander wurde auf der Flucht getötet, aber auch Ptolemaios fiel seinen schweren Verwundungen zum Opfer. ,
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Die Anerkennung als Herrscher erhielt Demetrios nur schwer. In der Stadt Antiochia waren seine Gegner, Anhänger des Alexander Balas, bestimmend; 144 v. Chr. erhoben sie Alexander Balas’ Sohn als Antiochos VI. zum Gegenkönig, hinter dem zunächst der lokale Militärkommandeur Diodotos als starker Mann stand. Dieser räumte Antiochos VI. schließlich aus dem Weg und erhob sich selbst zum Herrscher. Sein Herrschaftsgebiet konzentrierte sich auf das seleukidische Kernland Syrien; seine Interessen richteten sich aber auch auf Südsyrien und Palästina: Mit dem Hohepriester Jonathan paktierte er, ließ ihn dann aber hinrichten, weil er eine unabhängige Herrschaftsposition anstrebte. Es konkurrierten also drei Machtträger um Anerkennung und Einfluss: Demetrios im östlichen Kleinasien und im Zweistromland, Tryphon und die Familie Jonathans in Palästina, deren Position durch Tryphon bedroht war. Demetrios und Jonathans Bruder Simon besaßen daher in der Front gegen Tryphon ein gemeinsames Interesse. Demetrios erkannte Simon als Hohenpriester an und ebenso die steuerrechtliche Autonomie Judäas (142 v. Chr.). Damit kam die Herauslösung eines wichtigen Teiles aus dem Seleukidenreich zum Abschluss: die Entstehung eines selbständigen Staates in Judäa. Nachdem Demetrios II. sich mit ptolemäischer Unterstützung schließlich Macht und Anerkennung gesichert hatte, ging er ein strategisches Bündnis mit dem Baktrischen Reich ein – die Seleukiden erkannten dessen Selbständigkeit an – mit dem Ziel, den gemeinsamen Nachbarn, die Parther, zu bekämpfen, die Babylonien, Medien und die Elymaia besetzt hielten. Demetrios unternahm 141 v. Chr. einen Angriff, scheiterte aber, wurde gefangen genommen und mit einer parthischen Prinzessin zwangsweise verheiratet, um parthische Ansprüche auf den seleukidischen Thron zu begründen. Demetrios lebte so bis 129 v. Chr. als Gefangener am parthischen Hof. An die Stelle des Demetrios trat sein Bruder Antiochos, der den Kampf gegen Tryphon weiterführte – dieser beging 138 v. Chr. Selbstmord. Antiochos VII. Sidetes (139/138 – 129 v. Chr.) konnte noch einmal kurzzeitig die Oberhoheit über den Staat der Hasmonäer in Jerusalem erringen, das er 135 v. Chr. belagerte und eroberte. Kurzzeitig kontrollierte er auch Babylon wieder; sein Bruder Demetrios wurde vom Partherherrscher Phraates freigelassen, doch 129 verlor Antiochos VII. gegen Phraates endgültig die östlichen Reichsgebiete. Antiochos konzentrierte sich in der folgenden Zeit darauf, seine Herrschaft über die Städte Syriens und der Levante zu intensivieren. Das Partherreich aber übernahm in vielem die Funktion und den Charakter des Seleukidenstaates als orientalisches Großreich mit einer Verwaltung, die den Vorläufern – Achaemeniden wie Makedonen – einiges verdankte und eine schriftliche, aramäische und griechische Verwaltung herausbildete, im Westen eine Struktur mit berufsmäßigen Strategen, im Osten einen Feudalstaat. Die Lage in der Ägäis und in Griechenland Die Eindämmung der griechischen Großmächte im ersten Drittel des 2. Jahrhunderts durch Rom erlaubte den am Rande der politischen Welt Griechenlands gelegenen Stämmen und Völkerschaften (zum Beispiel den Thrakern), sich großräumiger und selbständiger zu organisieren: Im 2. Jahrhundert beginnt im Bereich des Schwarzen Meeres bis zum Kaukasus hin nach
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Das hellenistische Mächtesystem dem Vorbild hellenistischer Monarchien die Herausbildung neuer monarchischer Staaten. In Kleinasien beließ es Rom, im Gegensatz zum mutterländischen Griechenland, nach der Schlacht von Pydna dabei, nur indirekt seine Interessen durchzusetzen und mehr oder weniger von ihm abhängige Klientelfürsten mittelbar zu fördern. Sein Ziel dabei war, regelmäßig dafür zu sorgen, dass keine regionale Macht Roms Vormacht gefährlich werden konnte. Ein Beispiel dieser Politik ist die Stützung des Prusias von Bithynien durch Rom, des regionalen Konkurrenten der Attaliden (Polyb. XXX 19): Wie dieses Beispiel zeigt, verhinderte der römische Senat zielstrebig, dass selbst seine eigenen Verbündeten eine regionale Vormachtstellung erhielten, die Rom nicht mehr hätte kontrollieren können. In Griechenland stand der Achäische Bund nach 168 v. Chr. unter dem Zwang der Loyalität zu Rom; äußerer Ausdruck und ein Mittel zur Erzwingung seiner Loyalität waren die 1000 achäischen Geiseln in Italien, zu denen auch der Geschichtsschreiber Polybios gehörte, und über deren Rückkehr die Römer vor 151 v. Chr. nicht einmal zu verhandeln bereit waren. Makedonien bestand aus vier Republiken als voneinander streng geschiedenen Teilstaaten, in denen aber die Hoffnung auf einen militärisch aktiven Monarchen noch vorhanden war. Ein gewisser Andriskos, ein Walker aus Adramyttion, gab sich daher um 151 v. Chr. als unerkannter Sohn des Perseus mit Namen Philipp aus und konnte mit Hilfe thrakischer Kämpfer die Kontrolle über Makedonien gewinnen; er agitierte für einen Krieg gegen Rom, erhielt erheblichen Zulauf, erhob sich zum König und schlug erfolgreich ein römisches Heer (150 – 149 v. Chr.). 148 v. Chr. aber wurde er von Quintus Caecilius Metellus bei Pydna besiegt. Makedonien blieb daraufhin als Aggregat selbständiger Staaten nicht mehr bestehen und wurde in eine römische Provinz umgewandelt. Das heißt: Nach dem Aufstand des Pseudo-Philipp/Andriskos unterstanden große Teile des Nordbalkans und Nordgriechenlands direkter römischer Herrschaft, nämlich Makedonien, Illyrien und Epirus. Zwei Jahre nach der Provinzialisierung Makedoniens wurde, gleichzeitig mit Karthago im 3. Punischen Krieg, der Achäische Bund militärisch besiegt und die als Hafenstadt strategisch wichtige Metropole Korinth stark zerstört. Auf der Peloponnes hatte zuvor eine der miteinander rivalisierenden Politikergruppen im Achäischen Bund die alte Frontstellung des Bundes gegen Sparta aktualisiert; Sparta aber stand mit Rom in einem Bundesgenossenverhältnis. Während Sparta nämlich noch zu Anfang des Jahrhunderts (195 v. Chr.) auf römischen Druck hin die lakonischen Küstenorte hatte abgeben müssen, die als Eleutherlakones seitdem eine prekäre Selbständigkeit genossen, stützte Rom in der Mitte des Jahrhunderts die alte Kriegerstadt gegen den Achäischen Bund: Rom achtete einmal mehr auf einen Ausgleich der regionalen Machtpotentiale. Sparta erklärte daher seinen Austritt aus dem Achäischen Bund. Dagegen ging die Führung des Achäischen Bundes unter den Politikern und Strategen Kritolaos und Diaios mit allen Mitteln vor. Mehrfach versuchten römische Gesandtschaften in den Jahren nach 150/ 149 v. Chr. erfolglos zu vermitteln; 146 v. Chr. scheiterte ein letzter römischer Vermittlungsversuch an fehlenden Vollmachten der achäischen Unterhändler. Für den deswegen unausweichlichen Krieg gegen Rom mobilisierten die achäischen Politiker alle Reserven: Sie erklärten Vollstreckungs-
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Griechenland Mitte 2. Jahrhundert v. Chr.
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schutz für alle Schuldner gegenüber ihren Gläubigern, ließen Sklaven frei und zogen Sondersteuern von reichen Bürgern ein. Vermeintliche Kollaborateure wurden hart bestraft: Diese deutlich akzentuierte Frontstellung der achäischen Politiker der 40er Jahre gegenüber Rom kritisiert Polybios, der Achäer im Exil, als Ergebnis einer falschen Einschätzung der Lage und niedriger Beweggründe (Polyb. XXXVIII 9 – 13; 15 – 18). Die achäische Führung erwartete offenbar, Rom werde seines Krieges mit Karthago wegen nicht in Griechenland intervenieren. Diese Erwartung erwies sich als falsch: Bei Skarpheia in der Ostlokris und auf dem Isthmus von Korinth verloren die Heere des Achäerbundes, Korinth wurde geplündert, die antirömischen Agitatoren des achäischen Bundes umgebracht, der Bund aufgelöst. Große Teile des Achäischen Bundes schlossen die Römer mit der neuen Provinz Macedonia zusammen, einzelne Staaten, die bestimmenden Poleis des klassischen Griechenland, erklärten sie für frei. Die Römer töteten und enteigneten ihre politischen Gegner in Griechenland und begünstigten mit den Mitteln aus dem Erlös ihre Unterstützer. Mit diesem Sieg 146 v. Chr. hörte ganz Griechenland auf, Ort außenpolitisch souveräner Mächte zu sein. Zur Kontrolle ihres nunmehr direkt als Provinz regierten Gebietes bauten die Römer von der Hafenstadt Dyrrhachion aus (Durazzo) die Via Egnatia nach Thessalonike (Saloniki). Nachdem Makedonien als unabhängige Macht weggefallen war und Rom den 6. Syrischen Krieg durch seine Intervention beendet hatte, waren Rom und der Senat im Ostmittelmeerraum generell die bestimmende Macht geworden.
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Das Ende der politischen Unabhängigkeit Griechenlands (Polybios XXXIX 4 – 6, Übers.: H. Drexler, Polybios Geschichte II, Zürich, Stuttgart 2 1978, 1336 f.) Nach der Ordnung der Verhältnisse in Achaia durch die Zehnerkommission trug diese dem Quaestor, der den Besitz des Diaios verkaufen sollte, auf, alles, was sich Polybios davon aussuchen wolle, vom Verkauf auszuschließen und ihm zu schenken, das Übrige an die Kauflustigen zu veräußern. Polybios aber war weit davon entfernt, etwas von diesen Dingen anzunehmen, dass er auch seine Freunde aufforderte, gar nichts von dem zu begehren, was der Quaestor feilbot. Dieser bereiste nämlich die Städte und verkaufte das Eigentum aller – soweit sie nicht Kinder oder Eltern hatten – , die sich Daios angeschlossen hatten und deshalb verurteilt worden waren. Von Polybios’ Freunden hörten einige nicht auf seinen Rat, denen aber, welche ihn befolgten, trug das den schönsten Ruhm bei ihren Mitbürgern ein. Nachdem die Zehnerkommission in sechs Monaten diese Ordnung der Verhältnisse durchgeführt hatte, kehrte sie zu Beginn des Frühlings nach Italien zurück. Es war ein schöner Beweis der römischen Gesinnung, den sie den Griechen hinterließen. Bei der Abfahrt trugen sie Polybios auf, die Städte zu bereisen und in Zweifelsfällen zu entscheiden, bis sich die Achäer an die Verfassung und die Gesetze gewöhnt hätten. Er erreichte auch nach einiger Zeit, erstens dass sich die Menschen mit der gegebenen Verfassung befreundeten und dass keine Zweifel nach irgendeiner Richtung weder von privater noch von staatlicher Seite aufgrund der Gesetze auftauchten. … Denn wenn er nicht die Gesetze ausgearbeitet und schriftlich fixiert hätte, wäre allgemeine Unordnung und vollständige Verwirrung die Folge gewesen. …
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Nachdem die Zehnerkommission aus Achaia abgereist war, stellte der Feldherr den Tempelbezirk auf dem Isthmos wieder her und schmückte die Tempel in Olympia und Delphi. An den folgenden Tagen bereiste er die Städte, wo man ihn überall mit Ehrungen überhäufte und der Dankbarkeit den gebührenden Ausdruck verlieh. Diese Ehrungen durch Gemeinden wie Privatleute waren wohlverdient, denn er stellte während seines dortigen Aufenthaltes keine unberechtigten Ansprüche, zeigte sich unbestechlich und verfuhr in allen Dingen mit Milde, obwohl er jede Möglichkeit und unbeschränkte Macht über die Griechen hatte. Wo er aber irgendeine Pflicht zu übersehen schien, ging dies nach meinem Dafürhalten nicht von ihm aus, sondern von den Freunden, die ihn begleiteten. Der eklatanteste Fall dieser Art war die Hinrichtung der Ritter in Chalkis.
Das Ptolemäerreich Das Ptolemäerreich litt in der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. wahrscheinlich weniger unter seinen äußeren als vielmehr seinen inneren Konflikten: Thronstreitigkeiten, unklare Nachfolgeregelungen und Aufstände. Einer der größten Aufstände war der des Dionysios/Petosarapis um 165 v. Chr., zeitgleich mit einem Aufstand in der Region um Theben: Dionysios war ein griechischer Hoffunktionär aus der Ranggruppe der Freunde. Er behauptete, Ptolemaios VI. habe ihn dazu angestiftet, seinen Mitregenten Ptolemaios VIII. zu ermorden. Dionysios erreichte sein Ziel, Aufruhr in der Hauptstadt zu stiften, zunächst nicht, weil seine Lüge erkannt wurde und beide Herrscher gemeinsam in der Öffentlichkeit auftraten. Dionysios versuchte daher, allerdings ebenfalls erfolglos, mit ihm ergebenen Truppen einen Putsch auszuführen, musste fliehen und mobilisierte daraufhin einheimische Ägypter. Als deren Anführer gab er sich einen ägyptischen Namen; der daraus sich entwickelnde Aufstand im ganzen Land konnte nur allmählich militärisch niedergeschlagen werden. Eine der Folgen dieses Aufstandes war, dass Ptolemaios VI. von einer Palastfraktion zeitweise ins römische Exil verdrängt wurde, und dass die gemeinsame Herrschaft von Ptolemaios VI. und Ptolemaios VIII. durch eine Teilung der Herrschaft abgelöst wurde: Ptolemaios VIII. erhielt die Kyrenaika, Ptolemaios VI. das ägyptische Kernland und die Insel Zypern. Für vor 163 begangene Straftaten erließ Ptolemaios VI., um Ruhe und Rechtsfrieden im Land wiederherzustellen, eine Amnestie. Ptolemaios VIII. versuchte in den folgenden Jahren mehrfach, die Regelungen des geschlossenen Teilungsvertrages zu revidieren, und er erhielt sogar die diplomatische Unterstützung Roms für seinen Anspruch, neben der Kyrenaika auch die Insel Zypern beherrschen zu dürfen. Ptolemaios VI. konnte diese Vorhaben jedoch regelmäßig hintertreiben, und nicht einmal Kyrene und sein Umland blieben Ptolemaios VIII. sicher: Aufstände und Attentatsversuche erschütterten seine Herrschaft. Für deren Kontinuität suchte sich Ptolemaios VIII. römischer Hilfe zu versichern: Der Senat war zunächst nicht bereit gewesen, mehr als nur diplomatisch zu seinen Gunsten zu intervenieren; Ptolemaios VIII. setzte daher im Jahre 155 v. Chr. für den Fall, dass er ohne leiblichen Erben stürbe, das römische Volk zu seinem Erben ein. Ptolemaios VIII. erreichte sein Ziel, sich Zypern gegebenenfalls militä-
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risch zu unterwerfen, nicht, auch deswegen, weil Ptolemaios VI. es geschickt unterließ, sich offen gegen Rom zu stellen und weil er gegen die Herrschaft des Jüngeren über Kyrene nicht selbst offen aktiv vorging.
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Testament Ptolemaios’ VIII. zugunsten Roms vom Apollontempel in Kyrene (SEG IX 7, Übers.: K. Brodersen, W. Günther, H. H. Schmitt, Historische Griechische Inschriften in Übersetzung III, Darmstadt 1999, Nr. 482, S. 100) Im fünfzehnten (Regierungs-)Jahr im Monat Loos. Zu gutem Glück! Dies hat testamentarisch verfügt König Ptolemaios, Sohn des Königs Ptolemaios und der Königin Kleopatra, der Erschienenen Götter, der Jüngere; hiervon ist auch eine Abschrift nach Rom gesandt worden. Möge es mir mit der Gnade der Götter (beschieden) sein, jene gebührend zu bestrafen, die gegen mich vorbereitet haben das ruchlose Attentat und geplant haben, mich nicht nur meiner Königsherrschaft, sondern auch des Lebens zu berauben. Wenn mir aber etwas zustößt nach Menschenlos, bevor ich Nachfolger meines Königtums hinterlassen kann, hinterlasse ich den Römern die mir zukommende Königsherrschaft, denen ich von Anfang an die Freundschaft und Bundesgenossenschaft unverfälscht bewahrt habe. Den nämlichen (Römern) vertraue ich mein Reich (pragmata) zum Schutze an, indem ich sie beschwöre bei allen Göttern und ihrer eigenen Ehre, falls jemand die Städte oder das Territorium angreift, zu Hilfe zu kommen gemäß der Freundschaft und Bundesgenossenschaft, die [[zwischen]] zwischen uns begründet ist, und entsprechend der Gerechtigkeit, mit aller Kraft. Zu Zeugen hierfür mache ich Zeus Kapetólios (Jupiter Capitolinus) und die Großen Götter und Helios und Apollon Archagetes (den Gründer), in dessen Schutz der Text dieser Verfügung geweiht ist. Zu gutem Glück!
Ptolemaios VI. konnte aber für militärische Operationen noch auf Reste der früheren ptolemäischen Außenbesitzungen zurückgreifen; die kretischen Städte Itanos und Gortyn waren enge Bundesgenossen Ägyptens, und auch auf der Peloponnes und auf der Vulkaninsel Thera gab es ptolemäische Standorte. Ptolemaios VI. versuchte daher, gestützt auf diese Ressourcen, auf die Auseinandersetzungen im Seleukidenreich Einfluss zu nehmen: Alexander Balas erhielt zeitweise seine Hilfe (siehe oben), in Antiochia boten ihm 146 v. Chr. Aufständische die Herrschaft im Seleukidenreich an (Diod. XXXII 9c; Flav. Jos., AJ XIII 113; 1 Macc. 11,13), und 145 v. Chr. half er Demetrios II. sich gegen Alexander Balas durchzusetzen. An Verletzungen, die er sich in der Schlacht gegen Alexander Balas zugezogen hatte, starb Ptolemaios VI. Zum Nachfolger machten die Eliten Alexandrias den Ptolemaios VIII. Übergriffe auf den syrischen Rest des Seleukidenreiches und Truppenstationierungen dort beendete der neue Herrscher; zur Sicherung der Loyalität der Untertanen gab es aus Anlass seines Regierungsantrittes für Schuldner und Straftäter eine Amnestie. Dennoch wurde die instabile Geschwisterherrschaft mehrfach durch Aufstände und Bürgerkriege erschüttert. 145/144 wies Ptolemaios VIII. Euergetes II. einen Teil der in Alexandria wirkenden Intellektuellen, Künstler und Wissenschaftler aus dem Land, weil sie ihn in den Thronwirren und Bürgerkriegen angeblich nicht hinreichend unterstützt hatten. Der kaiserzeitliche Buntschriftsteller Athenaios von Naukratis be-
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schreibt die Wirkung, die diese Intellektuellenvertreibung auf den Rest der griechischen Welt hatte, als eine „Erneuerung des ganzen Bildungswesens“, weil die Exulanten nämlich, um Geld zu verdienen, gezwungen waren, überall in der griechischen Welt Unterricht als Ärzte, Mathematiker, Musiker, Philosophen, Maler und Schullehrer zu geben (Athen., Deipnosoph. IV 83 [184c]). Ptolemaios VIII. heiratete 145/144 v. Chr. seine Schwester, die Witwe seines Vorgängers, Kleopatra II., um neben der Herrschaft über Kyrene auch die über das Gesamtreich ausüben zu können. Beide bekamen einen Sohn, Ptolemaios Memphites (der aus Memphis), doch schon 141/140 v. Chr. heiratete Ptolemaios VIII. zusätzlich zu seiner Schwester auch deren Tochter aus erster Ehe, Kleopatra III. Durch diese Generationen überspannende Doppelehe wurden die Spannungen zwischen den Beteiligten und den hinter ihnen stehenden Hofkreisen aber nicht abgebaut, sondern eher verschärft: der Konflikt zwischen den beiden Geschwistern und der Konflikt zwischen Mutter und Tochter. Welche Gefahren dadurch heraufbeschworen wurden, verdeutlichen die Aufstände, Putschversuche und bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, die die folgenden Jahre in Ägypten prägten. So behauptete der epirotische Söldnerführer Galaistes, einen unerkannten Sohn Ptolemaios’ VI. und der Kleopatra II. in der Hand zu haben, den er als Thronprätendenten aufbaute, um in dessen Namen die Herrschaft ausüben zu können. Dieser Putsch scheiterte, doch der ihn begleitende Söldneraufstand konnte nur mit großer Schwierigkeit niedergeschlagen werden. 132 v. Chr. brach dann offener Bürgerkrieg aus zwischen den Anhängern Kleopatras II. und denen von Ptolemaios VIII. und seiner zweiten Frau Kleopatra III. Mit dieser musste Ptolemaios Alexandria verlassen und nach Zypern fliehen. Kleopatra II. setzte ihren Brudergemahl und dessen zweite Gattin, ihre Tochter, in aller Form ab, nahm den Beinamen einer Retterin nach dem Vorbild Ptolemaios I., des Dynastiegründers, an und zählte ihre Regierungsjahre seit diesem Zeitpunkt neu. Kleopatra II. hatte ihre Anhängerschaft vor allem in der Bürgerschaft Alexandrias, während die einheimischen Ägypter außerhalb der Hauptstadt ihr ferner standen. Unter Ptolemaios VIII. waren Ägypter erstmals in höhere Funktionsstellen gelangt; er förderte und privilegierte gezielt die einheimischen ägyptischen Kulte und deren Priester, und so konnte er um 130 v. Chr schnell wieder Fuß in Ägypten fassen, aber außerhalb Alexandrias, auch wenn in Theben in diesen Jahren letztmalig ein Ägypter, Harsiese, als Prätendent des Pharaonenthrons auftauchte. Um Erb- und Geltungsansprüchen seiner ehemaligen Frau entgegenzutreten, ließ Ptolemaios VIII. den gemeinsamen Sohn, Ptolemaios Memphites, umbringen. Kleopatra II. wiederum verbündete sich mit dem Seleukiden Demetrios II., dessen Intervention in Ägypten allerdings scheiterte. Kleopatra II. konnte sich daher in Alexandria nicht mehr halten und flüchtete in den seleukidischen Machtbereich. Ptolemaios VIII. suchte diesen zu destabilisieren, indem er einen eigenen Thronprätendenten, Alexander Zabinas, dort lancierte. Seit 124 regierte Ptolemaios VIII. dann wieder offiziell gemeinsam mit seiner Schwester Kleopatra II. und deren Tochter Kleopatra III. Zugleich beendete er seine Unterstützung für Alexander Zabinas und erkannte die Herrschaftsansprüche Antiochos VIII. an, mit dem er seine Tochter aus zweiter Ehe verheiratete.
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Als Ptolemaios VIII. 116 v. Chr. starb, wurde nicht Rom sein Erbe, sondern Kleopatra III. mit ihren Söhnen, den mehrfach abwechselnd nach- und nebeneinander regierenden Ptolemaios X. Alexander I. (110 – 109 und 107 – 88) und Ptolemaios IX. Soter II. (115 – 110; 109 – 107; 88 – 80). Ptolemaios VIII. hatte Kleopatra III. zur Haupterbin bestimmt und ihrer Entscheidung die Verteilung der ptolemäischen Haus- und Hauptgüter überlassen: Ägypten und Zypern; die Kyrenaika fiel an den illegitimen Sohn Ptolemaios Apion, an dessen Stelle allerdings Ptolemaios IX. die Macht ausübte, und Ptolemaios X. amtierte zunächst als Stratege, seit 114 als König in Zypern. Kleopatra II. und die Eliten Alexandrias erzwangen nämlich zunächst eine gleichberechtigte Einsetzung von Ptolemaios IX. und Kleopatra III. als Könige; auch Kleopatra II. regierte in aller Form mit bis zu ihrem Tod noch im selben Jahr. Ptolemaios IX. heiratete zunächst seine Schwester Kleopatra IV., dann auf Betreiben seiner Mutter deren jüngere Schwester Kleopatra V. Selene: Die Stärke und Kontinuität garantierende Figur in den Herrscherkonstellationen des 2. Jahrhunderts im Ptolemäerreich war also die der regierenden Königinmutter. Kleopatra III. nutzte diese Stellung, um 107 Ptolemaios IX. aus Ägypten zu verdrängen: Sie propagierte den Verdacht auf einen Gewaltanschlag gegen sie selbst, hetzte so die Alexandriner gegen Ptolemaios IX. auf und ließ ihn durch ihren eigenen Sohn, Ptolemaios X., ersetzen.
Pergamon
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Kleinasien im 2. Jahrhundert und die Gründung der Provinz Asia Dass ein vermeintlich unbekannter Prinz als Thronprätendent auftritt, einen Aufstand anzettelt und dabei gegen die Römer als vermeintlicher Fremdherrscher agitiert, kennzeichnete den Aufstand des Pseudo-Philipp/Andriskos in Makedonien; Aspekte dieses Vorgehens wiederholten sich im letzten Drittel des 2. Jahrhunderts v. Chr. in Pergamon und seinem Territorium. Deutlicher aber als im Fall Makedoniens war der Aufstand in Pergamon zugleich auch ein Konflikt zwischen Landbevölkerung und griechischen Städten; er begleitete die Etablierung der römischen Provinz Asia, also den Übergang von der indirekten Beherrschung durch von Rom abhängige Staaten zu einer direkten Kontrolle des Landes durch römische Amtsträger; dieser Aufstand war der Aufstand des Aristonikos (siehe unten). Das Reich von Pergamon hatte unter Attalos I. (241 – 197) und im 2. Jahrhundert v. Chr. unter Eumenes II. (197 – 160) eine Blüte seiner Kunst und Kultur erlebt. Nachdem der Attalidenstaat im Frieden von Apameia 188 v. Chr. große Teile des ehemals seleukidischen Kleinasien erhalten hatte und in den folgenden Jahren ins zentral-kleinasiatische Galatien hinein expandiert war, hatte Rom dem weitgehend von ihm abhängigen Staat nach dem 3. Makedonischen Krieg das Gebiet der Galater wieder entzogen: Sofern diese nicht über ihre phrygischen Wohnsitze hinausgriffen, erklärte der Senat sie 166 v. Chr. für autonom (Polyb. XXX 28). Die antigalatische Staatsideologie, die seit Attalos I. und Eumenes II. die Selbstdarstellung der Attaliden bestimmt hatte (Galliergruppen in Rom, Pergamonaltar), blieb auch unter Attalos II. (160 – 138, Bruder des Eumenes) bestimmend für den Attalidenstaat, der sich in Athen, der kulturell bestimmenden Stadt der griechischen Welt, als Sieger über die Galater repräsentiert sehen wollte (Attalosstoa, kleine Galliergruppe). Attalos III. (139/138 – 133 v. Chr.), der
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Nachfolger Attalos’ II., dessen Neffe und ein Sohn Eumenes’ II., vermachte sein Reich testamentarisch den Römern. Den Hintergrund für diese Erbregelung bildete die Tatsache, dass der Herrschaftsanspruch des Attalos selbst bestritten werden konnte: Es existierte noch ein unehelicher Sohn Attalos’ II., Aristonikos, dessen Ansprüche in Konkurrenz zu denen des Neffen standen. Das Auftreten des Aristonikos in der Stadt Synnada und die erbrechtliche Konkurrenz zwischen dem illegitimen Sohn Attalos’ II. und Attalos III. gefährdete den Bestand des Reiches. Attalos III. vermachte daher, um die territoriale Integrität des Reiches zu sichern, dieses den Römern, mit der Ausnahme der autonomen griechischen Poleis, zu denen auch die Haupstadt Pergamon selbst gehören sollte (OGIS I 338). Der König ließ nach seinem Tod testamentarisch auch eine Reihe seiner Söldner und Bediensteten zu Bürgern dieser freien Stadt Pergamon machen, damit sie von den Regelungen des Testamentes profitierten (vgl. Livius per. LVIII – LIX; Strabon XIII 4,2 [624]; Florus, Epit. I 35). Dass Attalos ein solches Testament überhaupt aufsetzte, hing damit zusammen, dass schon längst die Existenz des pergamenischen Reiches an Rom als Schutzmacht gekoppelt war: Regelmäßig betonten die Attaliden im 2. Jahrhundert, dass sie die Siege, aus deren Beute sie etwa eine Weihgabe machten, „zusammen mit den Römern“ erfochten hätten, gegen Nabis von Sparta oder gegen Bithynien beispielsweise (M. Fränkel, Die Inschriften von Pergamon [Altertümer von Pergamon VIII 1], Berlin, 1890 – 1895, 60; 63). Nach Attalos’ Tod, das heißt, nachdem der Erbfall eingetreten war, versuchte Aristonikos, die Königsherrschaft in Westkleinasien anzutreten; er benutzte den Herrschernamen Eumenes und erhielt erheblichen Zulauf; doch wurde er nicht anerkannt von den durch Attalos’ Testament mit der Freiheit begünstigten griechischen Poleis. Daher zog sich Aristonikos von der städtisch geprägten Küste ins Binnenland zurück und organisierte dort seine Anhänger als homogenen Kampfverband; Sklaven wurden freigelassen (Strabon XIV 1,38 [646]; Diod. XXXIV/XXXV 2,26). Für seine Organisation trieb er einen hohen ideologischen Aufwand: Aristonikos und seine Anhänger nannten sich Heliopoliten (Sonnen-bürger) und betrachteten sich als Gemeinschaft der armen, den Städten unterworfenen Landbevölkerung im Kampf gegen die Reichen und die Stadtbürger. Aristonikos fand in ganz Kleinasien immer mehr Zulauf und provozierte dadurch die Intervention römischer Truppen (Plutarch, Titus Flamininus 21). Die Kämpfe mit Aristonikos zogen sich jahrelang hin und ergriffen auch die kleineren Dynastenherrschaften und Königtümer im Norden und im Zentrum Kleinasiens; Ariarathes V. von Kappadokien fiel 130 v. Chr. gegen Anhänger des Aristonikos; im selben Jahr schlugen dessen Truppen ein römisches Heer, nahmen den Konsul gefangen und brachten ihn um. Schließlich konnte Marcus Perperna den Aristonikos schlagen; er belagerte ihn bei Stratonikeia am Kaïkos und zwang ihn zur Kapitulation (Florus I 35,6). Aristonikos wurde 129 hingerichtet, der Aufstand am Ende desselben Jahres endgültig niedergeschlagen. Nach dem Ende dieses Aufstandes richteten die Römer 129 v. Chr. im Westen Kleinasiens aus dem größten Teil des ehemaligen pergamenischen Reichsgebietes die Provinz Asia ein. Bei der Verwaltung dieser Provinz wurden erstmals in großem Stil privatwirtschaftlich arbeitende Steuer- und Gefällepächter eingesetzt, die sogenannten publicani, die in Gesellschaften
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bürgerlichen Rechts (societates publicanorum) organisiert waren und auf einem oligopolistischen Markt um ausgeschriebene Steuern und Abgaben mit Garantiesummen konkurrierten. Dabei wurde die Eintreibung der Steuern und Abgaben ausgeschrieben; die Anbieter konkurrierten in einem Versteigerungsverfahren miteinander. Das Hauptinteresse der societates lag darin, für ihre Kommanditisten Gewinne zu erwirtschaften. Das System führte im Effekt zu erheblichen materiellen Belastungen für die Bewohner Kleinasiens. Die gesetzlichen Grundlagen für dieses privatwirtschaftliche System der Ausbeutung von Provinzressourcen Roms, die sich erstmals weit weg von Italien in Übersee befanden und darum nur schwer zu kontrollieren waren, legte Gaius Gracchus (123 v. Chr.).
4. Die hellenistische Welt unter römischer Herrschaft (129–30 v. Chr.) 129
Errichtung der römischen Provinz Asia aus Resten des Pergamenerreiches und Karien 128 – 94 Nikomedes III. Herrscher in Bithynien; zunehmender Einfluss römischer Wirtschafts- und Fiskalinteressen; Rom tritt nach der Jahrhundertwende Bithyniens Expansionismus entgegen. 125 – 96 Antiochos VIII. Grypos Herrscher im Seleukidenreich; 115 – 96 Konkurrenz mit dem Stiefbruder Antiochos IX. Kyzikenos. Der Streit beider führt zur Desintegration des Reiches: Herauslösung der Städte, Expansion Judäas als selbständiges Königreich (Königstitel seit 105) 120 – 63 Mithradates VI. Eupator Dionysos, seit 112 Alleinherrscher in Pontos 116 – 107 Kleopatra III. und ihr Sohn Ptolemaios IX. Regenten in Ägypten 107 – 101 Kleopatra III. und ihr Sohn Ptolemaios X. Regenten in Ägypten 102 Römische Provinz Cilicia zur Bekämpfung der Seeräuberei in der Ägäis 101 – 88 Ptolemaios X. und seine Schwester Berenike III. Regenten in Ägypten 96 – 83 Kriege zwischen den Nachkommen Antiochos’ VIII. und Antiochos’ IX. im Seleukidenreich (Syrien, Kilikien); Zerfall der Herrschaft: Eroberung großer Teile Syriens durch den armenischen König Tigranes, der seit 95 verbündet ist mit Mithradates VI. 94 – 74 Nikomedes IV. Herrscher in Bithynien mit Roms Hilfe; Konkurrenz zu dem von Mithradates VI. gestützten Stiefbruder Sokrates; Nikomedes, 84 nach Eroberung Bithyniens durch Mithradates von Sulla wieder eingesetzt, macht Rom zum Erben seiner Herrschaft 88 Ermordung zahlreicher Römer in Kleinasien auf Veranlassung Mithradates’ VI. 88 – 63 Mithradatische Kriege Roms 80 Berenike III. und ihr Stiefsohn Ptolemaios XI. Regenten in Ägypten; der römische Staat wird als Erbe Ptolemaios’ XI. eingesetzt
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Die hellenistische Welt unter römischer Herrschaft 74 – 58 69 – 64
66
64 – 63 63 – 47 51 – 30 48/47 44 – 30 40 30
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Kyrene, Zypern römische Provinzen Antiochos XIII. Asiatikos Herrscher im Seleukidenreich von Roms Gnaden; Kämpfe gegen den von Araberfürsten aufgebauten Gegenkönig Philippos; Antiochos wird von Arabern gefangen und stirbt. Pompeius setzt Tetrarchen in Galatien ein; der Tetrarch Deiotaros macht sich zum Oberherrscher; dessen Nachkommen und Nachfolger etablieren sich als von Rom anerkannte Herrscher in Galatien und Paphlagonien, bis Galatien 25 durch Testament an Rom fällt Errichtung der römischen Provinz Bithynia et Pontus; Syrien wird römische Provinz, der Hasmonäerstaat in Judäa abhängiges Klientelkönigtum. Mithradates’ Sohn Pharnakes II. von Rom anerkannter König des Bosporanischen Reiches; von Caesar 47 bei Zela geschlagen Kleopatra VII. Alexandrinischer Krieg: Kleopatras Bruder Ptolemaios XIII. getötet; Bündnis zwischen Caesar und dem Hasmonäerstaat Ptolemaios XV. (Kaisarion, Sohn Caesars und Kleopatras) Mitregent in Ägypten Herodes I. vom römischen Senat anerkannter König in Judäa Eroberung Alexandrias durch die Römer, Ägypten und Zypern römisch
a) Die römische Herrschaft in Kleinasien Weil die finanziellen und persönlichen Belastungen der Provinzbewohner in Asia durch das privatwirtschaftliche System der Ausbeutung der Provinzressourcen sehr hoch waren, fand König Mithradates VI. von Pontos in Kleinasien zahlreiche Anhänger für seinen Versuch, am Schwarzen Meer ein eigenes, hellenistisch geprägtes Königreich aufzurichten. Mithradates’ Expansionismus fand nämlich in der Herrschaft Roms, ihrer Organisation, ihrer Finanzierung und ihren Folgen das geeignete ideologische Feindbild. Die römische Herrschaft in Kleinasien blieb nicht zuletzt deshalb auch nach der Einrichtung der Provinz Asia in dem durch den Aristonikos-Aufstand verwüsteten Land für mehr als 50 Jahre umstritten und bot Anlass für verlustreiche Kriege. Im Laufe dieses halben Jahrhunderts kriegerischer Gewalt gründete Sulla 84 v. Chr. die Provinz Asia praktisch neu, und nachdem das Königreich Pontos 73 v. Chr. besiegt war und Nikomedes IV. von Bithynien nach attalidischem Muster sein Reich den Römern vererbt hatte (74 v. Chr.), wurde im Jahr 64 v. Chr. auf kleinasiatischem Boden eine zweite römische Provinz, Bithynia et Pontus, eingerichtet. Römische Herrschaft im Ostmittelmeerraum im ersten Jahrhundert v. Chr. Das außenpolitische Geschehen und die strukturellen Entwicklungen des ersten Jahrhunderts vor Christus in Griechenland und in Kleinasien werden durch zwei Typen von Auseinandersetzungen bestimmt: zum einen durch die Kriege Mithradates’ VI. Eupator (121/120 – 63 v. Chr.), durch die er in Konkurrenz zu Roms Absichten ein Territorialreich um das Schwarze Meer
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und in Kleinasien errichten wollte; das Ergebnis war aber schließlich, dass Rom und Pompeius an der Stelle großer Territorialreiche ein System mit einer Vielzahl abhängiger Kleinfürsten und direkt von Rom kontrollierter Territorien in Kleinasien und am Schwarzen Meer etablierten. Charakteristisch für das erste Jahrhundert sind zum anderen die Bürgerkriege zwischen den mächtigen condottieri der ausgehenden Republik, die die kleinasiatischen griechischen Gemeinden mit einbezogen. Am Ende dieser Epoche wird auch des territorial geschlossenste der hellenistischen Großreiche, das ptolemäische, in Roms Herrschaftsgebiet integriert und in einen Sonderbesitz des Kaisers verwandelt zu einer der ökonomischen Hauptstützen der neuen Herrschaft. Mithradates VI. Mithradates VI. Eupator wurde zum zeitlich spätesten erfolgreichen Gründer eines griechisch geprägten Reiches im Osten. Seine Dynastie selbst war eine iranische, und ähnlich den iranischen Achaemeniden, den Parthern und den Sassaniden verhielt er sich im Interesse seiner Herrschaft über ein ausgedehntes Vielvölkergemisch in religiöser und kultureller Hinsicht tolerant. Er rechnete Dareios zu seinen unmittelbaren Vorfahren, stellte sich also bewusst und ausdrücklich in die Nachfolge des Achaemenidenhauses. Ein Träger seines Namens erscheint bereits unter den Vasallen Dareios’ III. in Norwestkleinasien. Sein Sohn konnte sich von dort mit eigenen Getreuen absetzen. Er soll dabei begleitet worden sein von sechs Gefolgsleuten: Diese Geschichte ist teilweise gestaltet nach dem Vorbild der Erzählung Herodots über die sieben Perser, die die Usurpation Gaumatas beendeten (Herodot III 71 ff.). Die Vorfahren des Mithradates bauten sich als Herrscher im Schwarzmeerraum um Amaseia herum eine neue Basis auf. Den Kern des Pontischen Reiches bildete die nordkleinasiatische Landschaft des pontischen Kappadokien: fruchtbarer, feuchter und besser bewässert als das kleinasiatische Kernland und Standort reicher griechischer Kolonien (Sinope, Amisos, Amastris). Herakleia war der mächtigste unabhängige Nachbar, in der Region lag das Territorium Paphlagonien; Phrygien und Galatien begrenzten das Gebiet von Pontos gegenüber Zentralkleinasien. Expansionsmöglichkeiten des Reiches von Pontos lagen ostwärts in Richtung auf Kleinarmenien und zur Kolchis hin. Der Begründer der pontischen Dynastie, Mithradates I. Ktistes (Gründer, 281 – 266 v. Chr.), erweiterte das Reich unter Einnahme beziehungsweise Einkauf von Städten (279: Amastris), und wie das bithynische Königreich stützte er sich dabei nicht zuletzt militärisch auf keltische Söldnerscharen. Unter seinem Sohn Ariobarzanes (266 – ~250 v. Chr.) und unter Mithradates II. (~250 – 189 v. Chr.) kamen weitere Siedlungen und Städte unter die Kontrolle der pontischen Herrscher (Amisos); durch die Eheschließung mit Laodike, der Schwester Seleukos’ II., erweiterte Mithradates II. sein Reich um Großphrygien. Die Einnahme der griechischen Kolonie Sinope aber misslang. Das strategische Konzept der pontischen Herrscher, die griechischen Kolonien im Schwarzmeerraum an sich zu binden, zu erobern oder anderweitig unter ihre Kontrolle zu bringen, setzte aber Pharnakes (~189 – 159 v. Chr.) fort, der tatsächlich Sinope einnahm und mit den Nachbarn Pergamon und Kappadokien längere Kriege führte. Weil Rom einer Westausdehnung des Pontischen Reiches jedoch
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einen Riegel vorschob, expandierte Pharnakes ostwärts in das Gebiet der griechischen Tochterstädte der nordkleinasiatischen Kolonien (Trapezunt, Kleinarmenien). Es war Pharnakes, der das Pontische Reich durch geschickte Bündnisse in eine im ganzen Schwarzmeergebiet politisch präsente Macht verwandelte, und der sich durch Heiratspolitik eng an das Seleukidenreich anschloss: Er heiratete Nysa, die Tochter oder Enkelin Antiochos’ III. des Großen. Die Nachfolger bauten nach hellenistischem Muster ein monarchisches Großreich um das Schwarze Meer auf, in dem unterhalb der monarchischen Spitze mit ihrem Militär und der Führungsschicht aus Freunden und Vertrauten des Herrschers teilselbständige Städte nach griechischem Muster wirtschaftliche und kulturelle Strukturschwerpunkte bildeten; die für die Verwaltung der reichen küstennahen Täler wichtigste von diesen Städten war Amaseia, wo auch eine starke königliche Besatzung stationiert war. Das Territorium des Reiches wurde von den Herrschern verwaltungstechnisch in Eparchien eingeteilt unter jeweils einem Eparchen oder Strategen. Im Pontischen Reich gab es außerdem mehrere teilimmune Tempelterritorien (Ameria bei Kibyra, dem Gott Men Pharnakou geweiht; Komana mit dem Tempel der Ma; bei Zela befand sich der Tempel der Anaitis). Die Götter wurden jeweils durch synkretistische Identifikation und Interpretation den verschiedenen Völkerschaften des Pontischen Reiches verständlich gemacht und nahe gebracht: den Iranern etwa als Ahuramazda und den Griechen beispielsweise als Zeus. Die Thronnamen der Pharnakes folgenden Herrscher nach dem Vorbild der Ptolemäerdynastie machen deutlich, dass die Kontinuität der Dynastie und ihre Abschließung gegen externe Erbansprüche dem pontischen Königtum wichtig waren: Die Nachfolger hießen Mithradates Philopator Philadelphos (derjenige, der seinen Vater beziehungsweise seine Geschwister liebt) und Mithradates Eupator (von edler Abstammung) und pflegten enge Beziehungen, Freundschaft und Allianz mit Rom. Der Hauptkonkurrent der pontischen Herrscher war im 2. Jahrhundert noch nicht Rom, sondern Bithynien; auch auf Land des Ariarathes von Kappadokien erhoben die pontischen Herrscher Anspruch (Appian, Mithridatica 10). Mithradates V. Euergetes stand im 3. Punischen Krieg und während des Aristonikos-Aufstandes auf Roms Seite, nachdem Attalos III. sein Reich den Römern vermacht hatte. Mithradates IV. als Bundesgenosse Roms (168 v. Chr.) (IGUR 9 = OGIS 375 = ILS 30 = CIL VI 309 = CIL I[2] 730 = ILLRP 180 = IGRR I 62)
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[König Mithradates der Va]terliebende und Bruderliebende, [Sohn des Königs Mithradat]es, ehrt das Volk [der Römer, seinen Freund und] Bundesgenossen, [der edlen Gesinnung und des Wohlwollens] wegen, die es ihm gegenüber bewiesen hat. [Als Gesandte ausgehandelt haben das Bündnis Nem]anes, Sohn des Nemanes [und Mahes Sohn des Mahes].
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Mithradates und Kleinasien
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Nach der Ermordung von Mithradates V. Eupator in Sinope circa 121/120 v. Chr. (Strabon X 4,10; Memnon FGrHist. 434 F 22,2) standen die Söhne Mithradates Chrestos und Mithradates Eupator zunächst unter Vormundschaft der Mutter. In dieser Schwächeperiode der Dynastie gingen einige der Territorialgewinne in Großphrygien auf Roms Veranlassung hin wieder verloren. Mithradates Chrestos setzte sich unter dem Schutz der Mutter zunächst durch, während Mithradates Eupator den Hof verließ, sich – auch literarisch – dem Studium von Giften und Gegengiften hingab, reiste und dabei vor allem nützliche und tragfähige persönliche Kontakte knüpfte. Um 113 v. Chr. aber vertrieb er als Mithradates VI. in der neuen Residenzstadt Sinope Mutter und Bruder von der Herrschaft. Als hellenistischer König war Mithradates auf Expansion aus, und wie ein hellenistischer König stützte er sich dabei auf einen Kreis mit ihm seit jüngsten Jahren Vertrauter und ihm Ergebener, die als seine syntrophoi (Jugendfreunde), phíloi (Freunde) und Beauftragten die Herrschaft stützten und seine Absichten teilten. Die Expansion geschah zunächst in nördlicher und östlicher Richtung: Über Kleinarmenien übte Mithradates eine auf militärische Stärke gegründete Vorherrschaft seit 115 oder 106 aus, die griechisch geprägte Kolchis kam später dazu. Durch diese Erweiterung seines Einflussgebietes wurde das Schwarze Meer weitgehend zu einem Binnenmeer des Reiches von Pontos, und Mithradates erhielt Zugang zu reichen Ressourcen. Seine Strategie einer umfassenden Beherrschung des Schwarzmeerraumes verfolgte Mithradates konsequent: Auf der Taurischen Chersonnes, der Krim, lag die Kolonie Chersonnesos, eine Tochterstadt Herakleas, die sich der Bedrängung durch einheimische Stämme des Umlandes zu erwehren hatte; Mithradates übernahm für diese Siedlung an der Stelle ihrer alten Mutterstadt die Aufgabe des militärischen Schutzes, und ihm fielen dadurch zwischen 114 und 110 v. Chr. zusätzliche Einflussgebiete und reiche Ressourcen zu. Zweimal entsandte Mithradates Truppen auf die Krim, mit deren Hilfe er fast die ganze Krim unterwerfen konnte und sein Herrschaftsgebiet an der Nordküste des Schwarzen Meeres in westlicher Richtung erweiterte. Nach diesen Erfolgen erneuerte Mithradates sein früheres Vorgehen: Er reiste im letzten Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts inkognito durch Kleinasien, vornehmlich Bithynien, um die Chancen einer, nunmehr allerdings gegen Rom gerichteten Ausdehnung nach Kleinasien hinein abzuschätzen und um weitere persönliche Beziehungen zu knüpfen. Die Absichten dieses Vorgehens wurden offensichtlich, als Mithradates und Nikomedes von Bithynien im Jahr 109/108 v. Chr. Paphlagonien unter sich aufteilten, Teile Galatiens sich aneigneten und trotz einer römischen Intervention nicht bereit waren, auf diese Neuerwerbungen zu verzichten. Ein ähnliches Vorgehen gegenüber Kappadokien dürfte damals beabsichtigt gewesen sein, doch scheiterte dies an verschiedenen Zielvorstellungen der beiden Herrscher; Mithradates versuchte daraufhin zunächst, die kappadokische Herrscherdynastie mit seinen Truppen wieder an die Macht zu bringen, ermordete dann jedoch den kappadokischen Herrscher und setzte einen eigenen Sohn als Ariarathes IX. in Kappadokien ein (101 v. Chr.). Nach einem Aufstand in Kappadokien aber zwang der römische Senat 97 v. Chr. den Mithradates zum Rückzug aus dem Land und den Nikomedes von Bithynien zur Freigabe Paphlago-
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niens: Seit den 90er Jahren wurde also in Rom die steigende Macht des pontischen Königs als Gefahr wahrgenommen, und Rom begann, seine Expansion einzudämmen. In den darauf folgenden Jahren versuchte Mithradates, durch das Knüpfen von Bündnisnetzen in Kleinasien dem erhöhten römischen Druck zu begegnen: Mit dem neuen Herrscher Armeniens, Tigranes I., der Mithradates’ Tochter Kleopatra heiratete, konnte er einen nützlichen Verbündeten gewinnen; Tigranes vertrieb in Mithradates’ Auftrag 91/90 v. Chr. den Herrscher Kappadokiens, während Mithradates in Bithynien einmarschierte und die Herrschaft des Nikomedes zerstörte. Erneut intervenierte der Senat und suchte beide zum Rückzug zu zwingen. Zu den Partnern des komplexen Netzwerkes, das Mithradates in diesen Jahren knüpfte, um durch Kooperation die römische Übermacht zu kompensieren, gehörten auch die Parther sowie die noch bestehenden Reste der einstigen hellenistischen Großmächte (Syrien und Ägypten). Der Konflikt zwischen den Regionalherrschern wurde durch die Regelung der Kriegskostenfrage der Römer verschärft: Für ihre Intervention verlangten die Römer von dem Begünstigten, Nikomedes von Bithynien, eine Erstattung ihrer Auslagen. Diese Regelung nötigte die Zahlungspflichtigen dazu, den Konflikt zu erneuern, um sich materielle Mittel durch Raub und Eroberung zu beschaffen. Ariobarzanes von Kappadokien verzichtete auf ein solches Vorgehen, doch griff Nikomedes von Bithynien pontisches Gebiet an und sperrte die Meerengen für pontische Schiffe. Der Konflikt eskalierte, als Mithradates nochmals in Kappadokien einmarschierte. 89 v. Chr. drang dann der König in die römische Provinz Asia ein, und im folgenden Jahr veranlasste er durch intensive Agitation flächendeckende antirömische Unruhen in Kleinasien. Mithradates schlug die Truppen des römischen Verbündeten Nikomedes von Bithynien sowie eine römische Armee und marschierte in Bithynien ein; die Römer mussten sich nach Pergamon und Rhodos zurückziehen. Mithradates’ Ziel war, Kleinasien an der Küste in südwestlicher Richtung aufzurollen. Zahlreiche Städte konnte er kampflos übernehmen, viele römische Befehlshaber wurden von den Griechen ausgeliefert; den Provinzstatthalter Gaius Cassius ließ er hinrichten. Durch Mithradates’ kombinierten agitatorischen und militärischen Druck wurde die römische Provinzialherrschaft weitgehend zerstört, wenn es auch in einigen Regionen (Lykien, Karien, Magnesia am Maeander) vereinzelten Widerstand gegen Mithradates’ Herrschaft gab. Das römische System privatwirtschaftlich organisierter Steuererhebung durch publicani ersetzte Mithradates dort, wo er die Kontrolle übernehmen konnte, durch Satrapen nach Art der Achaemeniden, um auch in Hinsicht auf die Verwaltung deren Vorbild zur Geltung zu bringen. In den nominell autonomen Städten stationierte er jedoch seine Beauftragten, wie es die meisten hellenistischen Könige taten. Mithradates’ Beauftragte hießen epískopoi (Aufseher). Mithradates’ Legitimitätsvorsprung vor den Römern sollte in einer zurückhaltenderen Steuererhebung liegen: Steuerfreiheit für fünf Jahre und Schuldentilgung wurden als philanthropía (Menschenfreundlichkeit) proklamiert. Sullas Krieg gegen Mithradates VI. 88 v. Chr. kam es zu organisierten Massakern unter den Italikern in Kleinasien: Der Druck der römischen societates publicanorum auf die Bewohner
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der Provinz hatte zu hoher Gewaltbereitschaft gegenüber den Römern in vielen Regionen Kleinasiens geführt. Bis zu 80 000 Menschen aus Italien sollen umgekommen sein; ein Schwerpunkt der Ausschreitungen war die Stadt Ephesos. Mithradates hatte diese Welle der Gewalt angestoßen, indem er Belohungen für Denunzianten versprochen, Mördern Anteile am Vermögen getöteter Römer und Italikern eingeräumt und durch Briefe an die Eliten der Städte die Aktionen zeitlich koordiniert hatte. Mithradates präsentierte sich als Befreier der kleinasiatischen Griechen, während ihm gleichzeitig Rom unter dem neuen Kommandeur Lucius Cornelius Sulla den Krieg erklärte und neue Truppen zusammenstellte.
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Aphrodisias in Karien möchte sich loyal gegenüber Rom verhalten (88 v. Chr.) (J. Reynolds, Aphrodisias and Rome, London 1982, Nr. 2 = SEG 34, 1043; Übers.: K. Brodersen, W. Günther, H. H. Schmitt, Historische Griechische Inschriften in Übersetzung III, Darmstadt 1999, Nr. 504, S. 148 f.) (a) Beschlossen haben Rat und Volk; und des Pereitas, Sohn des Antiochos, des Schriftführers des Volkes, und des Attalos, Sohn des Menandros, des für das Territorium (zuständigen) Strategen. (b1) Da Quintus Oppius, des Quintus Sohn, Proconsul der Rö[mer], (Nachricht) geschickt hat, dass belagert werden Laodikeia und er selbst, und (da) das Volk beschlossen hat, in großer Zahl zu Hilfe zu kommen und dass auch die Paroikoi und die Sklaven mit ausmarschieren sollen, und (da) es auch gewählt hat in der Volksversammlung einen Mann als Anführer, und (da) es notwendig ist, ferner Gesandte zu entsenden, die den Proconsul informieren sollen über die Einstellung, die unser Volk hegt gegenüber den Römern, den Rettern und Wohltätern, und die, falls der Statthalter etwas darüber hinaus der Stadt auftragen sollte, dafür sorgen sollen, dass dies übermittelt und ausgeführt werde; (deshalb) soll es Beschluss des Volkes sein, Gesandte zu wählen aus den Reihen der Männer, die angesehen sind und Vertrauen genießen und den Römern gegenüber loyal gesinnt sind; diese sollen zum Proconsul Quintus Oppius reisen und ihm darlegen, welche Einstellung unser Volk gegenüber ihm und allen Römern hegt, und ihm melden, dass wir nicht nur in großer Zahl Waffenhilfe zu leisten beschlossen haben, sondern auch einen Mann gewählt haben, der die Hilfstruppe befehligen soll, (b2) Artemidoros, den Stephanephoren, einen Mann aus den Reihen der Angesehenen und Vertrauen Genießenden, und der herausragt in militärischer Tüchtigkeit; sie sollen ihm ferner darlegen, dass unser gesamtes Volk mit Frauen und Kindern und unserer gesamten Lebensgrundlage (?) bereit (?) ist zu kämpfen für Quintus und die Sache der Römer und dass wir ohne die Herrschaft der Römer nicht einmal mehr leben möchten.
Bei der Belagerung der wenigen noch zu Rom haltenden Territorien (Rhodos, Städte Lykiens) scheiterte Mithradates zwar. Seine antirömische Propaganda aber war sogar schon im mutterländischen Griechenland erfolgreich: In Athen etablierte sich Aristion als Militärtyrann (strategòs epì ton hóplon) und konnte sich mit Hilfe von Mithradates’ Flottenkommandeur Archelaos den Tempelschatz von Delos aneignen. In Griechenland blieben, wie in Kleinasien, nur kleinere Areale (die Insel Euboia) unter der Kontrolle des römischen Provinzstatthalters. Sulla marschierte mit einem römischen Expedi-
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tionsheer 87 v. Chr. in Griechenland ein und belagerte Athen und Piraeus, die von Aristion und Mithradates’ Truppen ohne Erfolg verteidigt wurden. Während Sulla versuchte, die Nachschubwege der pontischen Truppen zur See abzuschneiden, entsandte Mithradates ein Expeditionsheer nach Griechenland. Zwischen beiden Heeren kam es bei Chaironeia und Orchomenos 86 v. Chr. zu zwei großen Schlachten, in denen Mithradates vernichtend geschlagen wurde (Appian, Mithridatica. 41; Bellum Civile I 9 [79]). Mithradates’ Herrschaft in Kleinasien begann nach diesen Misserfolgen zusammenzubrechen, die Ermordung keltischer Geiseln provozierte sogar einen Aufstand in Galatien gegen Mithradates’ Herrschaft. Zahlreiche Städte und Kleinstaaten revoltierten oder liefen zu den Römern über (Ephesos, Kolophon, Sardeis, Kos und Knidos). Den siegreichen Krieg gegen Mithradates hatte Sulla praktisch als Privatkrieg geführt: Er war in Rom zum Staatsfeind (hostis) erklärt worden, seines Kommandos (imperium) verlustig gegangen und durch L. Valerius Flaccus ersetzt worden; Flaccus, der sich mit Sulla jedoch verständigte, wurde von seinem eigenen Mitarbeiter C. Flavius Fimbria umgebracht, der dann in Konkurrenz zu Sulla Mithradates in Griechenland und Nordkleinasien bekämpfte: Der Krieg gegen Mithradates sprengte den Rahmen für die Ausübung legitimer Amtsgewalt im römischen Staat. Die Kommandeure bevollmächtigten sich selbst und finanzierten, wie ihr pontischer Gegner es ebenfalls beabsichtigte, ein im Ergebnis expansives Unternehmen aus dessen Gewinnaussichten. Die Feldherren handelten, gestützt auf loyale und ihnen persönlich ergebene Soldaten, weitgehend selbständig und bestimmten auch die strategischen Ziele ihrer Operationen selbst. Diese wurden nicht zuletzt durch die Notwendigkeit bestimmt, den Krieg mit einem finanziellen und territorialen Überschuss abzuschließen: So handelte Sulla mit Mithradates den Friedensvertrag von Dardanos (85 v. Chr.) aus, der Mithradates zur Zahlung hoher Kostenbeiträge und Kriegsentschädigungen verpflichtete, zur Räumung der von ihm besetzten kleinasiatischen Gebiete in Paphlagonien, der Provinz Asia, Bithynien und Kappadokien und zum Rücktransport der Armee Sullas nach Italien. In der Konkurrenz römischer Militärführer um Anhänger und Ressourcen entschied der militärische Erfolg über die geschwächten hellenistischen Mächte auch über innenpolitische Aussichten in Rom: Fimbrias Heer lief nach dem Frieden von Dardanos auf Sullas Seite über, weil es sich von ihm mehr erhoffte. Die weitgehende Professionalisierung des Militärs, für die Beuteaussichten und materielle Erwartungen das primäre Kampfmotiv wurden, ging einher mit der Herausbildung des Typus weitgehend privat und unabhängig von einer politisch verantworteten Zwecksetzung geführter Eroberungskriege (spätere Beispiele sind der Krieg Caesars in Gallien, aber auch die Bürgerkriege). Dadurch wurde die strategische Lage im Osten des Mittelmeerraumes massiv zuungunsten der hellenistischen Monarchien modifiziert. Genauso hatte nach Alexanders Tod deren Bildung die militärische und strategische Lage im kleinstaatlich geprägten Griechenland nachhaltig verändert.
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Ehrung für Chairemon aus Nysa als Freund der Römer; Steckbriefe des Mithradates gegen seine Familie als Loyalitätsbeweise (nach 88 v. Chr.) (Syll.3 741; Übers.: K. Brodersen, W. Günther, H. H. Schmitt, Historische Griechische Inschriften in Übersetzung III, Darmstadt, 1999, Nr. 505, S. 149 f.) (I) [Das Vo]lk [der Nysaëer und der R]at [haben geehrt] Ch[air]em[on] Sohn des Pythodoros. (II) Gaius Cas(s)ius (sendet) den Behörden von [N]ysa seinen Gr[uß. Ch]airemon, des Py[thodor]os S[oh]n, euer Bürger, ist zu mir gekomm]en i]n Apameia und hat gebeten, [dass] ich ihm Audienz gebe vor meinem Beraterstab (ut sibi potestatem mei facerem coram consilio). Diesem Mann habe ich also Audienz gegeben, da er [dem] Berater[stab ver]sprach, aus Verehrung für [Se]nat und V[olk] der Römer für das Heer als Gesch[enk] zu geben sechzigtausend Modioi (= modii, „Scheffel“) [M]ehl. [Ich] habe hinsichtlich [dies]er Angelegenheit (de ea re) geantwort[et, dass er rühm]lich ge[han]delt habe und dass ich, wie es sich gehöre, mir Mü[he] g[eben würde] (me operam daturum), da[mit er er]kenne, dass uns dies willkommen se[i. W]ir [werden a]uch d[ies d]em Senat und dem Volk der [Röm]er m[itteilen.] (III) Köni[g Mithrad]ates sendet Leonippos, dem Satrapen, [seinen Gr]uß. Da Ch[air]emo[n Sohn des Py]thodoros äußerst hasserfüllt und feindli[ch ge]genüber unserer Herrschaft {oder: unseren Interessen} ein[gestellt] ist und von Anfang an sich mit unseren ärgsten Feinden [zusammengetan] hat und je[tzt], da er von m[eine]r Annäherung erfahren hat, seine [Söh]ne Pythodoros und Pythion evakuiert hat und se[lbst ge]flohen ist: lasse verk[ün]den, wenn jemand leben[d vor]führe Chairemon oder Pythodoros oder Pythion, werde er erhalten vierzig [Talen]te, wenn [aber jemand] den Kopf eines [dieser Männer] bringe, werde er [zw]anzig Talente erhalten. (IV) König Mithradates sendet Leonippos seinen Gruß. Chairemon Sohn des Pythodoros hat früher die fl[üch]tigen Römer zusammen mit seinen Söhnen in die Stadt der Rhod[ier evaku]iert; jetzt, da er von meinem Aufenthalt erf[uhr,] hat er sich ins Heiligtum der Artemis Ephesia gefl[üchtet,] und von dort sendet er Briefe an die gemeinsam[en Fei]nde, die Römer. Die Tatsache, dass [dieser Mann] für seine Untaten nicht bestraft ist, ist eine Au[sgangs]basis für die Unternehmungen gegen uns. Kü[mme]re dich darum, dass du ihn möglichst [uns] vorführst oder dass er in festem Gewahrsam sei, bis ich [meiner] Feinde ledig werde.
Amnestiezusagen gegenüber den griechischen Gemeinden in Kleinasien hielt Sulla nicht ein; zwar erhielten loyale Städte den Sonderstatus eines amicus (Chios, Rhodos, Aphrodisias, Städte Lykiens), und ihre Oberschichten traten in ein persönliches Bindungsverhältnis zu Sulla; Rhodos konnte sogar seinen Festlandsbesitz (Peraia) wieder vergrößern, der 188 durch Rom vergrößert und 168 wieder verkleinert worden war. Die meisten Städte aber mussten ihre Parteinahme im Krieg gegen Mithradates mit Verlusten bezahlen: Die romfeindlichen Gemeinden hatten in einem Jahr die ausgefallene Steuersumme der fünf Kriegsjahre aufzubringen; Kriegszerstörungen belasteten sie außerdem in der Folgezeit ebenso wie römische Einquartierungen und die in der Ägäis wegen des Ausfalls der ostmittelmeerischen Ordnungsmächte sich ausbreitende Piraterie – bereits im Jahre 100 v. Chr. hatten die
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Römer versucht, durch ein Gesetz und diplomatische Vorstöße die Piraterie in der Ägäis zu bekämpfen. Da Sulla den Frieden von Dardanos als Führer eines Privatkrieges abschloss, band dieser Frieden andere römische Instanzen und Institutionen nicht ohne weiteres. So hielt dieser Frieden Lucius Licinius Murena, Statthalter der Provinz Asia, nicht davon ab, einen Feldzug in Kleinasien im unmittelbaren Anschluss an den Friedensschluss durchzuführen, und so konnte auch Mithradates VI. alsbald Gelegenheiten zu neuen Feindseligkeiten ausnutzen: Nikomedes IV. von Bithynien starb 75/74 v. Chr. und vererbte sein Reich, ähnlich Attalos III., den Römern, damit es nicht auseinanderfiele oder in die Hände von Mithradates geriete. Mithradates hatte Verbindungen mit dem in Spanien selbständig operierenden römischen warlord Sertorius aufgenommen, der ihm die Anerkennung seiner Gebietsgewinne in Kleinasien als Gegenleistung für eine militärische Unterstützung in Aussicht gestellt hatte; legitimiert durch diese Zusicherungen besetzte Mithradates Teile Bithyniens. Auf diesen Angriff auf Roms Verbündeten hin beauftragte der Senat in den Jahren 73 – 72 v. Chr. Lucius Licinius Lucullus als Statthalter von Asia und Marcus Aurelius Cotta, als Flottenbefehlshaber die reichen Städte des pontischen Kernlandes direkt zu attackieren: Sinope und Amaseia wurden erobert, während Mithradates sich zu seinem Verbündeten Tigranes von Armenien flüchten musste. Weil dieser aber eine Auslieferung ablehnte, griff Lucullus 69 v. Chr. Armenien selbst an, siegte bei Tigranokerta und konnte die römische Oberhoheit auf die westpontischen Städte ausdehnen. Dieser militärische Druck schwächte Armenien erheblich, sodass Tigranes die von ihm seit 83 v. Chr. kontrollierten Reste des Seleukidenreiches teilweise wieder verlor; dort herrschte seit 69 v. Chr., gestützt durch Rom, der Seleukide Antiochos XIII. Philadelphos Asiatikos. Allerdings konnte Mithradates, weil es in Lucullus’ Heer zu Meutereien kam, seine Position wieder stärken. Der Wegfall der großen Ordnungsmächte in der Ägäis, die Erschütterung der römischen Herrschaft in Kleinasien durch Mithradates und die hohen materiellen und personellen Lasten, die gerade den vom Seehandel abhängigen Staaten durch diese Kriege auferlegt wurden, führten zu einer Ausbreitung des Seeraubs in der Ägäis. Dieser bedrohte vor allem auch römische Handelsinteressen, und so übernahmen die Römer seit dem ersten Drittel des 1. Jahrhunderts mehr und mehr die Bekämpfung der Seeräuber. 67 v. Chr. erhielt Cnaeus Pompeius ein außerordentliches Kommando für den Krieg gegen die ägäischen Seeräuber, die den römischen Handel wie die römische Herrschaft im Osten des Mittelmeeres erheblich störten. Pompeius besiegte die Seeräuber, kleine Lokalpotentaten mit Schiffen, von denen Mithradates gelegentlich militärische Unterstützung erhalten hatte, indem er ganz gezielt nicht nur die Seeräuber und ihre Stützpunkte an den Küsten, sondern auch deren logistische Basen, befestigte und versteckte Plätze im Hinterland, angreifen ließ. Nachdem er zügig die Kontrolle über die Ägäis und ihre Küsten erkämpft hatte, organisierte Pompeius die im Jahre 101 v. Chr. bereits zur Eindämmung der grassierenden Piraterie errichtete Provinz Cilicia in Kleinasien neu: Sie wurde erheblich vergrößert. 58 v. Chr. wurde dann auch die Insel Zypern dieser Provinz zugeschlagen.
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Rom besaß damit die Kontrolle über die Ägäis, ihre Handelswege und ihre wichtigsten Häfen und Stützpunkte. Für das Jahr 66 v. Chr. wurde Pompeius mit der Führung des Krieges gegen Mithradates beauftragt; hier war Pompeius’ Aufgabe weniger militärstrategischer als diplomatischer Natur: dem Abschluss eines Bündnisses mit dem Partherkönig Phraates III. (70 – 58/57 v. Chr.), der die Kriegfühung gegen Tigranes von Armenien übernahm und Rom so einen Zweifrontenkrieg ersparen konnte; in ihrem Bündnisvertrag erkannten beide Seiten den Euphrat als gemeinsame Grenze an. Gestützt auf dieses Bündnis konnte Pompeius Mithradates bei Nikopolis vernichtend schlagen. Damit war die defensive Kriegführung der Römer gegen Mithradates in Kleinasien erfolgreich gewesen: Als neue Regionalmacht etablierte sich Rom und nicht ein monarchisches Reich griechisch-makedonischer Prägung. Mithradates und seine Vertrauten dagegen verlegten ihre Aktivitäten in östliche Richtung in die Landschaft Kolchis, deren Kleindynasten Mithradates seiner monarchischen Herrschaft unterwarf. Das Land organisierte Mithradates nach dem Muster hellenistischer Königreiche um; zu den Funktionären in seinem Dienst gehörte dabei auch der Großonkel des Geographen und Historiographen Strabon. Gestützt auf seine neue reiche Basis in der Kolchis führte Mithradates dann Krieg im Bereich des kimmerischen Bosporos (Straße von Kercˇ/Pantikapaion), wo er sich eine neue Kleinherrschaft aufbaute. Mithradates beging 63 v. Chr. unter dem Druck seines Sohnes Pharnakes Selbstmord; sein Sohn herrschte in den Resten des kolchischen Gebietes und erweiterte sein Gebiet zunächst bis ins iberische Hinterland des heutigen Georgien hinein; seine Herrschaft löste sich aber schnell auf: In der Kolchis aber regierten noch in Augustus’ Zeit Polemon und Pythodoris als Dynasten. Armenien annektierte Teile ehemals pontischen Gebietes, und im kaukasischen Iberien und Albanien (Georgien, Azerbaidschan) bestanden weiter die im Krieg gegen Pompeius erprobten monarchischen Kleinstrukturen. Pharnakes und seine Nachkommen konnten sich aber im Bosporanischen Reich mit römischer Unterstützung halten. Armenien andererseits wurde in den Status eines Klientelkönigtums herabgedrückt, das die westlichen Teile seines Gebietes abzutreten beziehungsweise die Reste des Seleukidenreiches anzuerkennen hatte. Pompeius unternahm 66/65 v. Chr. einen Vorstoß in den Kaukasus; hier im Hinterland der Kolchis, des zeitweiligen Rückzugsgebietes des Mithradates, lebten unter Kleindynasten die Iberer und Albaner, die erstmals in der Pompeius-Historiographie (Theophanes von Mytilene) mit diesen zusammenfassenden, auf sie übertragenen Namen bezeichnet werden. Pompeius unterwarf beide Stammesgruppen und stieß dabei bis zum Kaspischen Meer vor. Theophanes spricht von Kämpfen auch gegen Amazonen: Er präsentierte Pompeius’ Feldzug propagandistisch als den eines neuen Alexander, der nach Indien vorstößt und den Kaukasus erreicht. b) Das Seleukidenreich und die Errichtung der Provinz Syrien Die Geschichte des Seleukidenreiches nach 129 v. Chr. ist die Geschichte seiner vollständigen Dekomposition: Demetrios II. konnte nach dem Tod des Bruders Antiochos’ VII. zwar noch einmal größere Teile des syrischen
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Kernlandes unter seine Kontrolle bringen, doch gelang es ihm nicht, auf Dauer Anerkennung bei den Eliten der strategisch und wirtschaftlich wichtigen Städte an der Levanteküste und in deren Hinterland zu gewinnen. Das Ende seiner Herrschaft provozierte ein Angriff herauf, den er auf Anregung seiner Schwiegermutter Kleopatra II. auf Ptolemaios VIII. und Ägypten ausführte. Ptolemaios aber nutzte die prekäre Legitimität seines Gegners aus und baute im Seleukidenreich einen Thronprätendenten auf, einen Griechen, der angeblich von Antiochos VII. adoptiert worden war: Alexander II. Zabinas. Die Lage, die sich daraus in Syrien für Demetrios ergab, zwang ihn zum Abbruch seines Feldzuges; bei Damaskus unterlag er Alexander Zabinas 125 v. Chr. Kleopatra Thea, seine erste Frau, die nach seiner Gefangennahme durch die Parther Antiochos VII. geheiratet hatte, ließ ihn daraufhin umbringen. Aber auch Alexander Zabinas fungierte nur kurzzeitig als Marionette in den Händen Ptolemaios’ VIII.: Demetrios’ II. Sohn Antiochos VIII. Grypos kämpfte seit 125 gegen Alexander Zabinas; im Jahr 124 kam es zu einem Ausgleich zwischen ihm, Ptolemaios und Kleopatra Thea; Alexander Zabinas wurde fallen gelassen, von den vereinigten Heeren beider Könige besiegt und hingerichtet. Aber auch Antiochos VIII. Grypos konnte die Reste dieses Reiches nicht unangefochten regieren. Er ließ seine Mutter Kleopatra III. 121 umbringen, die ihren Sohn aus der zweiten Ehe mit Antiochos VII., Antiochos IX. Philopator Kyzikenos, als Konkurrenten für den älteren Sohn aufgebaut hatte. Der Jüngere hatte längere Zeit im Exil in Kyzikos zugebracht (daher Kyzikenos – aus Kyzikos), bevor er seit 115 gegen den älteren Bruder um die Macht in Syrien kämpfte. Die Ptolemäer stützen kurzzeitig beide Thronprätendenten, um zwischen ihnen eine instabile Balance zu erhalten. 113 konnte sich jedoch der jüngere, Antiochos IX., militärisch durchsetzen und den älteren Halbbruder zunächst ins Exil treiben, von wo aus er sich aber bald im Norden des seleukidischen Syrien festsetzen konnte. Die Herrschaft auch in diesem kleinen Rest des ehemaligen Seleukidenreiches war aber durch zwei Prozesse erschüttert und geschwächt, die mit den umstrittenen Nachfolgeregelungen, mit der Häufigkeit konkurrierender Thronprätendenten und mit dem Ersatz eines einheitlichen dynastischen Willens durch eine Vielfalt von Macht- und Funktionszentren zusammenhingen: Die Seleukiden verloren immer größere Gebiete an den jüdischen Staat der Hasmonäer. Die Konkurrenz der Halbbrüder setzte sich in der nächsten Generation fort: Antiochos VIII. Grypos wurde 96 v. Chr. ermordet; 95 v. Chr. fiel Antiochos IX. im Kampf gegen Antiochos’ VIII. Sohn Seleukos VI. Antiochos’ IX. Sohn Antiochos X. setzte den Kampf des Vaters fort und verdrängte Seleukos VI. aus Syrien, besiegte dessen jüngeren Bruder Antiochos XI. und kämpfte weiter gegen die Söhne von Antiochos VIII. Grypos, nämlich Philipp, Demetrios und Antiochos XII. Alle diese Mitglieder der seleukidischen Familie konkurrierten gegeneinander – auch die unmittelbaren Geschwister – gewaltsam um die Macht. Ausnutzen konnte diese Lage Tigranes I. von Armenien, der große Teile Syriens im ersten Drittel des 1. Jahrhunderts v. Chr. unter seine Kontrolle brachte. Diese Phase einer armenischen Herrschaft über seleukidische Kernlande beendete Lucius Licinius Lucullus im Jahr 69 v. Chr.: Seit 73 Proconsul in Kilikien und Asia, führte er zunächst Krieg ge-
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gen Mithradates, und im Jahr 69 v. Chr. marschierte er in Armenien ein, schlug Tigranes, nahm den Königspalast und die Hauptstadt Tigranokerta ein und eroberte dabei ungeheure Geldsummen. Die Loyalitäten der regionalen Potentaten, Gemeinden und Gebiete gegenüber dem armenischen König lösten sich daraufhin auf. Lucullus versuchte, dem in kleinste Fraktionen zerfallenden Vorderen Orient eine neue Ordnung zu geben, die allerdings nur wenig dauerhaft war: Der Sohn Antiochos’ X., Antiochos XIII. Asiatikos, hatte sich inmitten des wechselvollen Durcheinanders als Erbe seiner Dynastie zu etablieren versucht; Lucullus erkannte ihn als seleukidischen Herrscher in Syrien an. Antiochos’ XIII. Versuch, sich arabische Nachbarstämme zu unterwerfen, schlug fehl; die Bürger Antiochias revoltierten. Mit arabischer Hilfe schwang sich Philipp II., Sohn Philipps und Enkel Antiochos’ VIII. Grypos’, zum Gegenkönig auf. Antiochos XIII. wurde gefangengesetzt und starb, Philipp II. wurde im Zuge der Umorganisation Syriens durch Pompeius abgesetzt. Der Kongress von Amisos und die territoriale Neuorganisation im Orient Die Neugliederung, die Pompeius im Vorderen Orient in der ersten Hälfte der 60er Jahre militärisch und diplomatisch durchsetzte, ließ er auf einer Zusammenkunft der Dynasten und Potentaten der Region 65/64 v. Chr. in Amisos diplomatisch absichern: Bithynien und die Reste des Königreiches Pontos wurden zur Provinz Bithynia et Pontus umgegliedert. Die Herrschaft über Armenien hatte Pompeius zwischen Vater und Sohn Tigranes geteilt; der Jüngere erhielt nunmehr einige Gebiete hinzu, die die Parther zeitweise unter ihrer Kontrolle gehabt hatten. Antiochos XIII., der sich im seleukidischen Kernland Syrien nicht wirklich Anerkennung hatte verschaffen können, starb 64 v. Chr.; Philipp II., seinen Konkurrenten, entmachtete Pompeius und richtete aus dem Rest des Seleukidenreiches 63 v. Chr. die römische Provinz Syria ein. Aus den Territorialstaaten löste Pompeius nach Möglichkeit autonome griechische Stadtstaaten heraus und schwächte jene Territorien dadurch zusätzlich. Ein Ziel dieser Maßnahme war es, nicht wieder eine antirömische Konzentration von Territorien und Ressourcen möglich zu machen, wie sie Mithradates hatte aufbauen und ausnutzen können. Charakteristisch für die Struktur, die Pompeius Kleinasien und seinen angrenzenden Gebieten gab, ist daher eine Vielzahl kleiner und kleinster Dynastenherrschaften: Der Kelte (Galater) Deiotaros herrschte im östlichen Gebiet des ehemaligen Pontischen Reiches; Paphlagonien wurde ein eigenes Königreich unter Attalos und Pylaimenes; für die Geschichte des hellenistischen Herrscherkultes wichtig wurde der Grenz- und Pufferstaat Kommagene des Antiochos I., der auf dem Fürstenkongress von Amisos als Herrscher bestätigt wurde; Kappadokien stand unter Ariobarzanes: Es bildete sich ein Kranz von Klientelfürstentümern am Ostrand des römischen Provinzial- und Einflussgebietes. Auch Judäa, wo die Brüder Hyrkanos II. und Aristobulos II. um die Herrschaft konkurrierten, wurde eingenommen und verkleinert als Klientelfürstentum 63 v. Chr. neu konstitutiert.
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c) Der Zerfall des Ptolemäerreiches Die Geschichte des ptolemäischen Reiches im 1. Jahrhundert v. Chr. ist in vielem wirr: Ptolemaios X. Alexander I. war 107 v. Chr. durch Kleopatra III. auf den Thron gebracht worden; die tatsächliche Macht übten allerdings einflussreiche Berater des Herrschers und Funktionäre der Verwaltung aus. Außenpolitisch lehnte sich das Ptolemäerreich eng an Rom an. Für die Entwicklung der Dynastie und ihrer Herrschaft von nachhaltiger Bedeutung wurde der Konflikt, der seit circa 105 v. Chr. zwischen der Mutter, Kleopatra III., und ihrem Sohn, Ptolemaios X., entbrannte: Kurzzeitig floh der König sogar vom Hof. Ein weiterer Konfliktherd bestand in der Tatsache, dass Ptolemaios IX. Soter II. 106/105 – 88 v. Chr. über Zypern herrschte, das er sich nach seiner Flucht aus Ägypten erobert hatte. Ein dritter Konfliktherd bestand darin, dass die militärischen Möglichkeiten des Nillandes nicht mehr ausreichten, um selbst die Expansion des kleinen Hasmonäerstaates in Palästina zu kontrollieren: Dort versuchte Iannaios Alexander in den letzten Jahren des 2. Jahrhunderts v. Chr., die Hafenstadt Ptolemaïs zu besetzen. Ptolemaios IX. brachte von Zypern aus mit einem Expeditionscorps der Stadt Hilfe; es bestand aber die Gefahr einer Konfrontation an der gesamten Levanteküste. In der Folge entfaltete sich ein kompliziertes diplomatisches Ränkespiel zwischen dem Hasmonäer, Ptolemaios IX., Kleopatra III. und der Regierung in Alexandria sowie den Städten in Palästina und Libanon, in dem sich alle Beteiligten gegenseitig auszuspielen trachteten, in dem aber Ptolemaios IX. schließlich die Oberhand in Palästina behielt, weil er mehrere Städte einnehmen und Iannaios bei Asophon vernichtend schlagen konnte, noch bevor die Truppen des Nillandes in die Kämpfe hätten eingreifen können. Dieser Eingriff erfolgte dann im Jahre 103: In einer kombinierten Land- und Seeunternehmung griffen Kleopatra III. und Ptolemaios X. Alexander I. Koilesyrien an, führten Krieg gegen die dortigen Städte und suchten Ptolemaios IX. zu stellen. Dieser wiederum rückte in die Ostteile des ptolemäischen Kerngebietes Ägypten ein. Sein Angriff konnte jedoch abgeblockt werden, und er kehrte nach Zypern zurück, wo er bis 88 v. Chr. regierte. Kleopatra III. starb im Herbst 101 v. Chr.; ihr folgte als Herrscher ihr Sohn Ptolemaios X. Alexander I. Es gibt Quellen, denen zufolge er seine Mutter selbst ermorden ließ (Poseidonius bei Athenaeus, Deipnosophistae XII 73, p. 550 AB = FGrHist. 87 F 26; Pompeius Trogus XXXIX pr.; Pausanias I 9,3; Iust. XXXIX 4,5 – 6). Ptolemaios X. regierte seit 101 v. Chr. zunächst Ägypten allein; eine gewisse Entspannung des Konfliktes zwischen den Geschwistern Ptolemaios IX. und Ptolemaios X. zeigt sich daran, dass Letzterer die Tochter seiners Bruders aus erster Ehe heiratete, Kleopatra VI., die sich seit 91 v. Chr. Berenike III. nannte. Am Beispiel der Konflikte zwischen den Geschwistern in zwei aufeinanderfolgenden Generationen in Ägypten zeigt sich, dass die drei ptolemäischen Territorien – Zypern (unter Ptolemaios IX.), Kyrenaika (Ptolemaios IX., seit kurz vor der Jahrhundertwende Ptolemaios Apion) und das Nilland (Ptolemaios X.) – zu faktisch nahezu selbständigen Territorien geworden waren, trotz ihrer prinzipiellen Zugehörigkeit zum Land der Dynastie. Das Ptolemäerreich befand sich an der Wende vom 2. zum 1. Jahrhundert also
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de facto in einer Phase des Zerfalls. Sein Kernland selbst, die Nilregion, wurde darüber hinaus destabilisiert durch die Existenz einer Vielzahl von Macht- und Herrschaftszentren: der König, dessen Funktionäre, der Hof, das Militär, lokale Machtträger und Usurpatoren. Ptolemaios Apion vererbte die Kyrenaika, als er 96 starb, den Römern: Der Erbanspruch Roms auf dieses Gebiet wurde also erneuert; umgesetzt wurde er erst 74 v. Chr., als das Land annektiert und 67 in die Doppelprovinz Kreta und Kyrene eingegliedert wurde. Bis dahin beschränkten sich die Römer auf die Aneignung des königlichen Domänenlandes und beließen die Stadtgemeinden autonom und frei: als civitates liberae mit einem Bündnis zu Rom. Im Jahr 89/88 v. Chr. beendeten Auseinandersetzungen zwischen den hauptstädtischen Massen und den Truppen einerseits und dem König andererseits die Herrschaft Ptolemaios’ X. und trieben ihn ins Exil nach Kleinasien (Lykien). Im Jahr 87 ist er bei dem Versuch, erst Zypern und dann Ägypten von See aus zurückzuerobern, gestorben. Er hatte offenbar mit den Römern eine Art spekulativen Geschäfts abschließen wollen auf seine Rückkehr ins Nilland: Er lieh sich Geld für eine militärische Unternehmung und verpfändete dafür die Aussicht auf sein Erbe. Das heißt: Er vermachte Ägypten den Römern. Zu seinem Nachfolger hatten die Eliten in Alexandria seinen älteren Bruder Ptolemaios IX. Soter II. gemacht, der von 88 bis 80 v. Chr. als König in Ägypten herrschte, und zwar zum dritten Mal, nachdem er bereits 115 – 110 und kurzzeitig 109 – 107 im ptolemäischen Kernland Ägypten König gewesen war, bevor er als Herrscher über Zypern wirkte. Zu Beginn dieser Herrschaftsepoche tobte noch ein Aufstand in Theben und Oberägypten, der den Ptolemäern auf Dauer die Kontrolle über die südlichsten Gebiete des Reiches an der Grenze zu Nubien nahm. Für die Geschichte des Ptolemäerreiches im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde neben den dynastischen Konflikten und inneren Unruhen, den Diskontinuitäten und der allmählichen Auflösung der territorialen Einheit des ursprünglich geschlossendsten der hellenistischen Reiche die Auseinandersetzung bedeutsam, die die Römer mit dem letzten hellenistischen Großmonarchen, Mithradates VI., führten. Die Verbindung der ägyptischen Geschichte mit diesem Konflikt war zum einen eher zufälliger Natur: Kleopatra III. hatte ihre Enkel, die späteren Herrscher Ptolemaios XII., Kleopatra VI. Tryphaina und Ptolemaios von Zypern, im dynastischen Chaos der letzten Jahre des 2. Jahrhunderts auf die Kur- und Ärzteinsel Kos gebracht, die gute Beziehungen zu den Ptolemäern wie auch zu den anderen Mächten und Staaten der hellenistischen Welt unterhielt. Sie sollten dort in Sicherheit erzogen werden. Während des ersten Krieges zwischen Rom und Mithradates (89 – 84 v. Chr.) fielen sie jedoch Mithradates in die Hand, der mit der Förderung, die er ihnen angedeihen ließ, wahrscheinlich machtpolitische Absichten verband. Als Befehlshaber führte jenen Krieg gegen Mithradates nach 87 v. Chr. Sulla, der in die inneren Verhältnisse Ägyptens eingreifen ließ: Sein Proquaestor Lucius Licinius Lucullus sollte für Sullas Kriegführung maritime Unterstützung des ptolemäischen Bundesgenossen organisieren. Ptolemaios IX. Soter II. starb 81 oder 80. Nachfolgerin wurde Kleopatra VI. Berenike III. Als Alleinherrscherin konnte sie sich allerdings nicht halten; vielmehr lancierte Roms Diktator Sulla die Einsetzung von Ptolemaios XI.
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Alexander II.; dieser hatte sich aus der Gefangenschaft bei Mithradates zu Sulla geflüchtet und lebte in Rom. Er war Sohn Ptolemaios’ X. und Stiefsohn Kleopatras VI. und wurde als Herrscher ihr Ehemann. Er brachte sie allerdings nach weniger als drei Wochen um und wurde dafür selbst von einer aufgebrachten Menge gelyncht. Ptolemaios XI. Alexander II. besaß keine direkten Nachkommen: Für diesen Fall war mit dem Eintreten Roms in das Erbe zu rechnen, gestützt auf das Vermächtnis Ptolemaios’ X. Kleopatra V. konnte erbrechtliche Ansprüche erheben, und zwar sowohl für die Herrschaft im Rest des Seleukidenreichs wie in Ägypten. Wohl nicht zuletzt, um eine solche Einordnung Ägyptens in die seleukidische Herrschaft zu vermeiden, nahmen die Eliten der Hauptstadt Alexandria Kontakt auf mit dem Hof von Mithradates VI., der immer noch zwei der Söhne Ptolemaios’ IX. in seiner Gewalt hatte, zwischen denen die Ptolemäerherrschaft nun in aller Form geteilt wurde: Ptolemaios XII. Neos Dionysos „Auletes“ wurde König Ägyptens, sein Bruder Ptolemaios als „Ptolemaios von Zypern“ König in Zypern. Die eigene Herrschaft des Ptolemaios von Zypern trennte die Insel förmlich vom Rest des Reiches. In dieser Form selbständig blieb Zypern bis zum Ende der Regierungszeit des Ptolemaios (80 – 58), als die Römer Zypern mit Kilikien zu einer Doppelprovinz vereinigten. Beide Ptolemäer herrschten de facto von Roms Gnaden. Ptolemaios XII. bemühte sich mit besonderem Aufwand um Theaterspiel und Musikaufführungen – daher seine Beinamen als neuer Dionysos und Oboenspieler – sowie den Kult des Ptah von Memphis und seinen Beziehungen zur Familie der Ptahpriester von Memphis. Es scheint so, dass er zugunsten dieser Beziehungen sogar seine Schwestergemahlin Kleopatra VI. Tryphaina zurücktreten ließ, die zwischen 69/68 und 58/57 v. Chr. von der Bildfläche verschwand. Seit Mitte der 60er Jahre wurde der römische Anspruch auf Ägypten, gestützt auf das Testament von Ptolemaios X., ein Faktor der römischen Innenpolitik: Die Mobilisierung und Aneignung der Ressourcen des agrarisch so reichen Landes wurde Objekt der Begierde und innenpolitischer Streitgegenstand. Namentlich Crassus verfolgte Mitte der 60er Jahre das Ziel, Ägypten zu annektieren. Diese Bemühungen zogen sich bis in das Consulatsjahr Ciceros (63 v. Chr.) hin, der die Gefahren artikulierte, die sich aus einer Verfügung über Ägypten für das Machtgleichgewicht innerhalb der römischen Aristokratie ergeben würde; es war schließlich diese Kontrolle über Ägypten, die tatsächlich zu einer der Machtbasen des augusteischen Prinzipats werden sollte (De lege agraria). Und es war Caesar, der als Consul 59 v. Chr. die Herrschaft Ptolemaios’ XII. nach erneuter Zahlung erheblicher Bestechungssummen vom Senat anerkennen ließ und der dafür sorgte, dass Ptolemaios XII. in die formula amicorum, das Verzeichnis der „Freunde“ des römischen Volkes, aufgenommen und so die Drohung mit einer Entmachtung von ihm genommen wurde. Dies galt allerdings nicht für Zypern, das 58 auf Antrag des Publius Clodius Pulcher durch Rom annektiert wurde. Über eine Auslieferung Zyperns mit dessen König Ptolemaios verhandelte Marcus Porcius Cato, dessen Zugriff sich der König allerdings durch Selbstmord entzog. Bis 48 blieb Zypern mit Kilikien als Provinz vereinigt; danach gab Caesar die Insel an Kleopatra als Teil des ptolemäeischen Herrschaftsbereiches zurück.
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Die Herrschaft Ptolemaios’ XII. war immer wieder von Aufständen und Unruhen erschüttert, Resultaten der hohen Steuer- und Abgabenlast ebenso wie der de facto-Herrschaft Roms in Ägypten. Zwischen 58 und 55 v. Chr. war Ptolemaios durch derartige Aufstände sogar zum Leben im Exil gezwungen, die längste Zeit dieser Jahre in Rom. In diesen Jahren herrschte als Marionette der hauptstädtischen Eliten Ptolemaios’ Tochter Berenike IV., zunächst noch gemeinsam mit ihrer lange ausgeschalteten Mutter Kleopatra VI. Die römische Führungsschicht setzte mehrheitlich auf Ptolemaios XII., war sie doch durch ihre Investitionen in ihn an seinem Erfolg interessiert und darauf angewiesen, aus den Erträgen seiner Herrschaft eine Rendite aus ihren Vorschüssen zurückzuerhalten. Konkurrierende Interessen und Abhängigkeiten innerhalb der Nobilität blockierten aber eine Entscheidung, bis Pompeius 55 v. Chr. den Proconsul von Syria, Aulus Gabinius, mit der Wiedereinsetzung des Ptolemaios in Alexandria beauftragte. Verwaltung und vor allem Finanzwesen Ägyptens lagen allein in römischer Hand, und römische Administratoren nahmen die Stellen der Verwalter und der Vertrauten des Königs ein. Gaius Rabirius Postumus, der geschäftlich mit Ptolemaios XII. besonders eng verbunden war, wurde dessen Finanzchef, um möglichst schnell auf seine Kosten zu kommen. Ptolemaios XII. ließ nach der Rückkehr auf den Thron seine Tochter Berenike IV., die zwischenzeitlich die Herrschaft innehatte, umbringen. Seine übrigen Nachkommen waren außerehelich. Um dennoch eine kontinuierliche Nachfolge zu sichern, ließ er seine älteste Tochter, Kleopatra VII., zur Mitregentin erheben, bevor er 51 starb. Sein Testament sah ihre Regierung zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Ptolemaios XIII. vor, den sie jedoch zunächst von der Regierung verdrängte, der aber durch seine Lehrer und Erzieher bald wieder an die Macht gebracht wurde. Rom und insbesondere Pompeius garantierten die Erfüllung des Testaments: Pompeius setzte jedoch allein auf Ptolemaios XIII., der 49 seine ältere Schwester ins Exil trieb. Es waren die hinter Ptolemaios XIII. stehenden Hoffunktionäre, die Pompeius unter Ausnutzen der persönlichen Vertrautheit im Bürgerkrieg 48 v. Chr. ermorden ließ, damit Ägypten ohne Schaden die Seiten wechseln und die Königsherrschaft nunmehr Caesars militärischen Schutz genießen konnte. Aus den beiden jüngeren Geschwistern Ptolemaios XIV. und Arsinoë machte Caesar das Geschwisterherrscherpaar eines wiederum unabhängigen Königreiches von Zypern, und er setzte Ptolemaios XIII. und Kleopatra VII. wieder als Samtherrscher ein, allerdings gegen den Willen der hauptstädtischen Bevölkerung, der Eliten und der Mehrheit der hohen Funktionäre. Diese mobilisierten den Rest des ptolemaeeischen Heeres und bewaffneten die Massen Alexandrias, um Caesar unter Druck zu setzen, der seinerseits zunächst die Königsfamilie in seiner Hand hatte. Der sich aus dieser Konstellation ergebende Alexandrinische Krieg (48 – 47 v. Chr.) konnte von Caesar erst mit der Hilfe zusätzlicher Truppen aus Kleinasien und Syrien gewonnen werden. Caesar hatte zunächst nur den Palast und den Hafen in seiner Hand. Bei der Zerstörung der ptolemaeeischen Flotte durch Feuer wurde auch die große Bibliothek ein Raub der Flammen. Ptolemaios XIII. fiel schließlich im Kampf; Caesar inthronisierte Kleopatra VII. zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Ptolemaios XIV. als neue Herrscher Ägyptens und Zyperns. Durch diese Regelung entzog Caesar dem römischen Volk
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aber, rechtlich gesehen, einen Teil seines ererbten Eigentums (Cass. Dio XLII 35,5). Mit Kleopatra hatte Caesar einen Sohn: Ptolemaios XV. Kaisar. Im folgenden Jahr (47 v. Chr.) besiegte Caesar bei Zela den inzwischen wieder expandierenden Pharnakes von Pontos, der sich von der Krim und der Kolchis mit Kleinarmenien aus auch nach Bithnyien und Kappadokien ausgebreitet hatte; Pharnakes starb im Bosporanischen Reich. Caesar stabilisierte außerdem die Lage des judäischen Klientelfürstentums: Der Hohepriester Hyrkanos blieb nominell Oberhaupt dieses halbselbständigen Staates; starker Mann und Regent aber wurde Antipatros, Vater des späteren Königs Herodes I. des Großen. Nach dem Tod Caesars 44 v. Chr. ließ Kleopatra ihren jüngeren Bruder Ptolemaios XIV. ermorden und durch ihren und Caesars Sohn Ptolemaios XV. Kaisar als Mitregenten ersetzen, um inmitten des beginnenden Bürgerkrieges einen kontinuierlichen Übergang der Herrschaft auf den Sohn zu sichern. Bürgerkrieg in Nordafrika Ein anderer Kriegsschauplatz der Jahre 47 und 46 v. Chr. war in seiner Struktur für die späthellenistischen Klientel- und Kleinfürstentümer am Rande des von Rom beherrschten Gebietes besonders charakteristisch: In Nordafrika gab es zwei große, zeitweise geteilt beherrschte Monarchien, deren Herrscher sich in Auftreten, Politik, Organisation ihres Militärs, Grabbauten, Verstädterungstendenz und Münzpropaganda immer stärker den großen hellenistischen Königen anzugleichen versuchten, nämlich Numidien unter König Iuba, einem Anhänger der Söhne des Pompeius und der anticaesarischen Senatsparteiung, sowie Mauretanien unter den Fürsten Bocchus und Bogudes; in Mauretanien agierte außerdem in einer quasi-selbständigen Stellung als Militärbefehlshaber Marcus Sittius, ein ehemaliger Mitkämpfer Catilinas, der aufgrund seiner popularen Neigungen eher zu Caesar als zu dessen Gegnern tendierte und schließlich eine eigene Herrschaft in Westnumidien aufbaute. Bei Thapsus besiegte Caesar die Pompeianer; der gleichzeitige Sieg über Iuba von Numidien bedeutete das Ende des Königreiches und seine Konstitution als neue Provinz Africa Nova: Auch in Nordafrika breitete sich der Gürtel direkter römischer Beherrschung wie in Kleinasien schrittweise aus. Der erste Statthalter von Africa nova war Gaius Sallustius Crispus, der Verfasser des Bellum Iugurthinum und der Coniuratio Catilinae. Das Land wurde überzogen mit einem Netz von mehr als einem halben Dutzend Kolonien römischer Bürger zur Versorgung der Bürgerkriegsveteranen: Die direkte Beherrschung des Landes ging einher mit seiner Enteignung zugunsten römischer Versorgungsempfänger. Dieselbe Tendenz zeigt sich im Osten, dort allerdings in den Gebieten, die bereits seit längerem römisch waren: In Korinth, Dyme/Achaia, Buthrotos/Epirus, Lampsakos, Apameia (Myrleia), Bithynien, Herakleia Pontike und Sinope wurden römische Kolonien angelegt und wurde Land enteignet. Der Bürgerkrieg nach Caesars Ermordung im griechischen Osten Im Jahre 43 v. Chr. stellte sich die Lage zunächst wie folgt dar: Marcus Brutus und Caius Cassius, die beiden prominentesten Caesarmörder, erhielten vom Senat ein imperium maius, das allen anderen Statthalterschaften und
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Antonius
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Kommandos übergeordnet war. Ein ähnliches imperium hatte seinerzeit Pompeius zur Bekämpfung der Seeräuber besessen; Octavians Einigung mit Antonius und Lepidus im Sommer 43 machte diese zu Herren des Westens: Während der griechischsprachige Osten des römischen Reiches in der Hand der Caesarmörder war, beherrschte Caesars Erbe mit Caesars ehemaligen Kommandeuren den Westen und Rom. Dolabella konnte sich in Syrien nicht halten und starb. Octavian und Antonius bereiteten andererseits seit November 43 den Krieg gegen Brutus und Cassius vor, der zunächst ein Krieg im Osten war: Die hellenistische Welt trug daher den größten Teil der Kriegführungslasten in der ersten Phase der Bürgerkriege. In Philippi in Makedonien (42 v. Chr.) besiegte Antonius Brutus und Cassius in zwei kurz aufeinander folgenden Stellungsschlachten. Antonius wurde dadurch zum Beherrscher des Ostens und tourte seit 41 v. Chr. als Neuer Dionysos durch Kleinasien. Wie zuvor bereits mit Caesar nahm Kleopatra nach 41 v. Chr. mit dem starken Mann Roms im Osten, Antonius, eine intensive persönliche Beziehung auf, die ihre Position zu sichern half. Dass Rom durch die Bürgerkriege außenpolitisch geschwächt wurde, nutzten die Parther zu einer Expansion bis nach Kleinasien hinein. Eine weitere Folge der Frontstellung im Bürgerkrieg war die de facto-Teilung des römischen Reiches zwischen einem griechischen, von Antonius beherrschten Osten und einem lateinischen, von Octavian, Caesars Erben, beherrschten Westen. Im Vertrag von Brindisi (foedus Brundisinum) wurde diese Teilung festgeschrieben: Italien blieb neutral, Africa fiel an Lepidus, und seit 39 v. Chr. beherrschte Sextus Pompeius die Inseln und das Meer (Sizilien, Sardinien, Korsika). Die Zeit nach der Verlängerung des Triumvirats um fünf Jahre im Vertrag von Tarent 37 v. Chr. wurde bestimmt vor allem vom Kampf gegen Pompeius’ Sohn Sextus, der nach seiner Niederlage beim sizilischen Naulochos 36 v. Chr. nach Milet flüchtete und dort 35 v. Chr. getötet wurde. Antonius heiratete Kleopatra 36 v. Chr.; er etablierte sich dadurch als römischer König von Ägypten, stärkte sein östliches persönliches Reich, baute seine militärisch-politische Macht aus und beabsichtigte, so den Parthern und Octavian entgegenzutreten. Antonius’ Auftreten als hellenistischer König des Ptolemäerreiches zeigt sich nicht nur daran, dass er und Kleopatra drei Kinder mit dynastischen Herrschernamen, sondern auch an seiner großzügigen Ausstattung des Restreiches der Ptolemäer mit mehreren, größeren Außenbesitzungen: Kilikien, die Küste Syriens, Stützpunkte in Judäa, die Insel Kreta. Durch diese Vergrößerung Ägyptens griff Antonius massiv in die Rechte der benachbarten Klein- und Klientelfürsten ein: Den Hasmonäer Matthatias Antigonos, der sich mit parthischer Hilfe 40 v. Chr. in Judäa zum König gemacht hatte, ließ Antonius 37 v. Chr. absetzen und hinrichten. Antonius hatte 41 v. Chr. Herodes den Großen zusammen mit seinem Bruder als Herrscher des Landes eingesetzt, und auch der römische Senat hatte Herodes, nicht aber den Hasmonäer, anerkannt. Antonius setzte also Herodes’ Herrschaftsanspruch durch, griff aber in dessen Herrschaft ein und verkleinerte sein Territorium. Antonius verhielt sich demnach wie ein römischer Amtsträger, aber auch wie ein hellenistischer König, indem er die territorialen Verhältnisse im Vorderen Orient neu ordnete. Die in der Zeit der Bürgerkriege expandierende Macht der Parther wollte er im Anschluss bekämpfen, doch endete sein Partherkrieg von 36 v. Chr. in einem militärischen Desaster. Einer der Verbün-
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deten des Antonius für diesen Krieg war der König des Pufferstaates Armenien, Artavasdes. Ihn machte Antonius verantwortlich für die Niederlage und unternahm gegen ihn selbst 34 v. Chr. einen Feldzug, den Antonius mit einem Triumph abschloss, der allerdings nicht in Rom, sondern in Alexandria gefeiert wurde. Antonius machte nämlich in der zweiten Hälfte der 30er Jahre Ägypten zum Kern eines nach dem Muster hellenistischer Großreiche organisierten Machtgebildes im Osten des Mittelmeerraumes und sich selbst zu einem Herrscher nach dem Vorbild der Könige der großen hellenistischen Reiche. Nach dem Auslaufen des Triumvirates 33 v. Chr. konnten auch rechtlich der Osten und der Westen des Mittelmeerraumes als getrennte Bereiche betrachtet werden: Octavian hatte die Konsuln aus Rom vertrieben, und aus den Gegnern Octavians bildete sich in Ephesos ein Gegensenat. Die Bewohner beider Großregionen wurden durch Loyalitätseide an die jeweilige Führung gebunden: Rom und Kleopatra befanden sich im Krieg. Entschieden wurde dieser Krieg durch die Seeschlacht von Actium (31 v. Chr.). Antonius’ Flotte lag im Hafen von Ambrakia, wo sie durch Octavians Truppen blockiert und schließlich geschlagen wurde. Antonius und Kleopatra flüchteten nach Ägypten. Dieser entscheidende Sieg über die gegnerischen Seestreitkräfte erlaubte Octavian 30 v. Chr. den Angriff auf Ägypten selbst: Der Rest des Ptolemäerreiches, Basis seiner Gegner, war zum Kern des einzigen Machtgebildes geworden, das im Mittelmeerraum noch mit Rom und seinem Machthaber konkurrieren konnte. Antonius und wenig später Kleopatra begingen Selbstmord; ein Teil ihrer Kinder wurde in Rom erzogen, diejenigen, die Octavian erbrechtlich Konkurrenz machen konnten, ermordet: Kaisarion, der Sohn Caesars und Kleopatras, sowie Antonius’ Sohn Antyllus. Innerhalb des augusteischen Systems von dem Senat und dem Kaiser unterstehenden Provinzen – letztere mit stärkerer militärischer Besatzung und größerem strategischem Gewicht (siehe unten) – erhielt Ägypten einen Sonderstatus: Senatoren durften die reiche Sonderdomäne des Kaisers nur mit der Zustimmung seiner Funktionäre betreten. Ägyptens landwirtschaftliche Ertragskraft war nämlich für die Versorgung vor allem Mittelitaliens mit Getreide so wichtig, dass die Kontrolle des princeps über diese Kornkammer gleichbedeutend war mit der Verfügung über die Macht selbst. Ägypten wurde verwaltet von einem kaiserlichen praefectus Aegypti aus einem Kreis von Rittern, die dem Princeps besonders ergeben waren. Weihung des Praefectus Aegypti (29 v. Chr.) (A. Bernand, E. Bernand, Les inscriptions grecques de Philae II, Paris 1969, Nr. 128; Übers.: K. Brodersen, W. Günther, H. H. Schmitt, Historische Griechische Inschriften in Übersetzung III, Darmstadt 1999, Nr. 512, S. 160)
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[G]aius Cornelius, des Gnaeus Sohn, Gall[us, Ritte]r der Römer, nach dem Sturz der in Ägypten (herrschenden) Könige als erster von Caes[ar über] Ägypten eingesetzt, (hat) die Thebaïs, die abgefallen war, binnen fünfzehn Tagen zweimal [in der Sch]lacht mit Macht besiegt und dabei die Führer der Gegner gefangen und fün[f St]ädte, teils beim ersten Angriff, teils durch Belager[ung] eingenommen, (nämlich) Boresis, Koptos, Keramiké, Groß-[Diosp]olis, Ophieion, und mit seinem Heer den Katarakt überschritten, wobei [das (dortige) Land] vor ihm von Heer[en]
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unbetreten war, und die gesamte Thebaïs, die den Königen nicht untertan war, [unterworf]en, Gesandte der Aithiopier empfangen in Philai und die Proxenie von dem König er[halten und einen T]yrannen der Toparchie Triakontaschoinos, der einzigen (sic) in Äthiopien, eingesetzt, (weiht dies) den angestam[mten] Göttern (und) dem Helfer [N]il als Dankesgaben.
Die Errichtung von Galatia und die augusteische Ordnung Kleinasiens Für die Verwaltungs- und Territorialgeschichte eines Kernraumes der hellenistischen Geschichte, Kleinasiens, wurde das Jahr 25 v. Chr. zum Epochenjahr: Nach dem Tod des Amyntas, des Herrschers Galatiens, gliederte Augustus das ehemalige Keltengebiet, das im inneren Kleinasien um den Verkehrsknotenpunkt Ankyra, die heutige Hauptstadt Ankara, herum lag, neu und errichtete die Provinz Galatia, die größte Kleinasiens. Gleichzeitig wurde Archelaos von Kappadokien als ein zusätzlicher Teil seines von den Römern weitgehend abhängigen Reiches Kilikien zugestanden. Schon 27 v. Chr. war die Verantwortung für die Provinzen grundsätzlich geteilt worden: Die strategisch bedeutenderen, weniger befriedeten Provinzen mit größerer militärischer Besatzung standen unter der Verwaltung kaiserlicher Funktionäre (legati, praefecti), die Provinzen mit geringerem Gefährdungsgrad unter der Verwaltung senatorischer Promagistrate; letztere wurden wie in der Zeit der Republik von ehemaligen Inhabern hoher Wahlämter (Prokonsuln, Propraetoren) administriert. Galatia aber wurde als strategisch wichtiges Territorium durch einen kaiserlichen Legaten verwaltet, der über erhebliche militärische Ressourcen verfügte: Durch Galatien führten die Hauptverkehrsadern in Kleinasien, und das kleinasiatische Hinterland der Grenze zu den Parthern wurde strategisch immer wichtiger. Von 25 v. Chr. an verwalteten legati Augusti pro praetore die Provinz. 7 n. Chr. verlor diese die dort stationierte Legion, wurde militärisch zu einem rückwärtigen Raum heruntergestuft und als sicherer rückwärtiger Raum zumeist von ehemaligen Praetoren als Statthalter geleitet. 23/22 v. Chr. wurde Marcus Vipsanius Agrippa, Ritter aus Dalmatien, zu einer Art Oberstatthalter der kleinasiatischen Provinzen und Syriens ernannt. Er hatte sich als fähiger Organisator der augusteischen Armee im Bürgerkrieg erwiesen, war bereits in der Gallia transalpina Statthalter gewesen und hatte 36 v. Chr. den Seesieg über Sextus Pompeius bei Naulochos erkämpft. Seit 24/23 v. Chr. führte er Augustus’ Siegelring. Seit 18 v. Chr. bis zu seinem Tod 12 v. Chr. agierte er als Stellvertreter des Kaisers, seit 23 mit einem dem Kaiser gleichrangigen imperium. Zu seinen Aufgaben gehörte die Reorganisation Kleinasiens, und dies schloss eine teilweise Widerrufung der Maßnahmen des Antonius in Kleinasien ein.
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III. Verhältnisse: Strukturen 1. Das hellenistische Königtum Kennzeichen der archaischen und klassischen griechischen Staatlichkeit war der Bürgerverbandsstaat, in der Regel zentriert um eine städtische Siedlung. Dieser Staat war klein: Die maßgeblichen Staaten des klassischen Griechenland waren nach modernen Begriffen Klein- und Stadtstaaten. Wenn auch Städte und Einheiten begrenzter Größe die Siedlungsstruktur und das Leben des hellenistischen Griechenland weiterhin prägten – neue Städte wurden in großer Zahl gegründet, in der Regel von den monarchischen Herrschern der neuen Reiche – , so waren generell die staatlichen Einheiten der hellenistischen Welt aber größer als die der klassischen. Die größten von ihnen waren Monarchien: Sie wurden beherrscht von Alleinherrschern; die erste Generation dieser Herrscher usurpierte ihre Position, gab sie dann jedoch in der Regel in mehr oder weniger geordneter Weise an ihre Nachkommen innerhalb der eigenen Familie weiter, begründete also ein dynastisches Erbrecht. a) Dynastisches Erbrecht, Charisma, Erobererrecht In allen hellenistischen Staaten entstanden Monarchie und herrschende Dynastie neu: Anknüpfungen an bestehende traditionelle Formen der Legitimität, an Dynastie- und Erbrechte, waren daher in der Regel nur möglich auf dem Wege einer Fiktion. Zur Frage, was unter diesen Umständen die Basis der neuen Legitimität der hellenistischen Reiche und ihrer Herrscher bildete, hat die Forschung eine Vielzahl konkurrierender Hypothesen formuliert, ohne dass endgültige Klarheit in dieser Frage erreicht worden wäre. Lange hat man im Erobererrecht die Grundlage der neuen Herrschaft sehen wollen: In Ermangelung legitimer Erben des makedonischen Königshauses hätten die Diadochen, schreibt Diodor, „ihr Territorium beherrscht, so als wäre es eine eroberte Königsherrschaft“ (Diod. XIX 105,4). Die Quelle Diodors bezieht sich allerdings auf die Zeit vor 306, als die neuen Herrscher noch gar nicht den Königstitel trugen, und sie relativiert ihre Ausage als Vergleich: Belege für ein durchgängig von den hellenistischen Königen geltend gemachtes Erobererecht gibt es nicht (A. Mehl). Die Anerkennung der Herrschaft der neuen Könige dürfte daher weniger auf Rechtskategorien beruhen als auf der Anerkennung ihrer militärischen Leistungen. Man hat diese Herrschaft mit Max Webers Begriff für revolutionäre Ausnahmepersönlichkeiten als „charismatische“ Herrschaft bezeichnet (H.-J. Gehrke). Zutreffend daran ist, dass die Diadochen in kurzer Zeit als Kommandeure und Organisatoren eine unerwartete Machtstellung erwerben konnten; diese Position verdankten sie im Wesentlichen regelmäßig militärischen Ausnahmeleistungen. Weniger zum charismatischen Typus der Herrschaft aber passt, dass bereits die zweite Generation durch dynastische Erbfolge in allen hellenistischen Monarchien ihre Herrschaft antrat und damit tradierte Formen der Legitimität den Ausnahmezustand ersetzten, der
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Verhältnisse: Strukturen
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nur sehr kurzzeitig die neuen Monarchien charakterisierte. Außerdem bauten die neuen Herrscher patrimoniale Verwaltungsapparate auf, mit denen sie Rechtswesen, Kulte und Städte förderten; zwischen den Herrschern und ihren Funktionären in diesen Apparaten bestanden steile Hierarchien, nicht das für charismatische Ausnahmeherrscher typische Jüngerverhältnis. Zu Königen erhoben sich einige der Herrscher außerdem in der Mitte des letzten Jahrzehnts des 4. Jahrhunderts gerade nicht nach militärischen Siegen, sondern Niederlagen: Ihr Königtum bekräftigte daher nicht unbedingt militärisch erworbenes Charisma, sondern kompensierte teilweise geradezu dessen Mangel. Dass die Herrschaft der unmittelbaren Nachfolger (Diadochen) Alexanders sich zunächst als Militärherrschaft manifestierte, lag nicht zuletzt an den Umständen ihrer Entstehung: Nach dem Tod Alexanders suchten zahlreiche griechische Staaten die Herrschaft der Makedonen abzuschütteln. Im Lamischen Krieg (323 – 322 v. Chr.) brachten Athen und der Aitolerbund diese Herrschaft nahezu zum Einsturz. Die relative Kohärenz und hohe Militanz der Nachfolger Alexanders sicherte also in den Jahren unmittelbar nach Alexanders Tod dessen Zugewinne im Osten und die Herrschaft der Makedonen über Griechenland, Kleinasien und den Vorderen Orient. Unmittelbar auf den Tod Alexanders ohne regierungsfähigen Erben folgte die Herrschaft einer Kommandeursgruppe nach Art einer Militärjunta, der es aber an Homogenität fehlte: Zwischen „alten“ Makedonen (Antigonos Monophthalmos, Antipatros) und der Generation Alexanders, von deren Angehörigen einige noch unter Philipp II. vom makedonischen Hof entfernt worden sein sollen (Ptolemaios), bestand ein erheblicher Unterschied der Maßstäbe und Leitbilder (Krateros, Leonnatos, Perdikkas, Seleukos, Lysimachos, der Grieche Eumenes von Kardia). Mehrfach mussten Formelkompromisse das Gleichgewicht in dieser heterogenen Gruppe kurzfristig sichern; ihre durch Heiratsbündnisse abgesicherten Allianzen setzten ein Verhaltensmuster der makedonischen Dynastie fort, das sich bis zu den Königen der hellenistischen Zeit findet. b) Eliten, herrschende Gesellschaft, Hof Alle hellenistischen Monarchen besaßen einen Kreis sogenannter Freunde und Vertrauter. Diese hatten als Berater am Thronrat (Synhedrion) des Königs teilzunehmen; dort entschied zwar letztlich der König, doch gaben Argumente oder Mehrheitsverhältnisse den Meinungen der Berater gegebenenfalls besonderes Gewicht. Die Mitglieder des Kreises der Freunde besaßen in der Regel Kompetenzen, derer der Herrscher für seine Zwecke bedurfte: persönliche Beziehungen, literarische Bildung, Verwaltungserfahrungen, militärische und organisatorische Tüchtigkeit. Diese verdankten sie in der Regel der Ausbildung und ihrem Leben in einer der griechischen Städte: Auch wenn es Ansätze einer Eliteschulung an den Höfen und in der Umgebung der Herrscher gab – bereits unter Alexander dem Großen wurden die jungen makedonischen Adligen am Hof als Pagen im Dienst des Herrschers erzogen – , eigene Bildungsanstalten für Führungskader bauten die hellenistischen Monarchien nicht auf. Sie blieben daher auf die griechisch geprägten Städte als Kommunikations- und Kulturzentren angewie-
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Das hellenistische Königtum sen, und wenn sich die Monarchen mit ihren Höfen in relativ stabilen Residenzen festsetzten, dann befanden sich diese in oder bei großen Städten (Alexandria, Demetrias). Das Verhältnis zwischen dem Herrscher und seinen Vertrauten war je nach Lage und beteiligten Persönlichkeiten unterschiedlich; es konnte wechseln – wie in den Hofintrigen unter Philipp V. in Makedonien oder am Ptolemäerhof – , und es war im 2. Jahrhundert v. Chr. indirekter, durch Konventionen geprägter und mehr durch Institutionen vermittelt als in frühhellenistischer Zeit, wo es deutlicher einem Gewaltverhältnis entsprach. Prinzipiell aber blieb es ein besonderes Gewaltverhältnis: Als Hofangehöriger unterstand der Funktionär des Herrschers dessen Gewalt; er musste erhebliche Risiken und Lasten der Herrschaft mittragen und damit rechnen, unter Umständen getötet zu werden. Bereits Alexander hatte versucht, eine vereinheitlichte Führungsschicht zu schaffen, die weniger auf sprachliche Prägung und kulturelles Herkommen als auf Nähe beziehungsweise Ferne zum Herrscher gegründet sein sollte (Massenhochzeit von Susa). Die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Herrscher und seinen Vertrauten und Funktionären nach dem Muster gestufter Familiarität wurde in der Folge zum Muster für alle hellenistischen Monarchien. Die engsten Vertrauten des Herrschers wurden von diesem als Verwandte tituliert oder mit geschwisterlichen Attributen; um diese herum zog sich ein weiterer Kreis der ersten Freunde, dann die Freunde und Gefährten, schließlich die Armee sowie die weiteren königlichen Funktionäre. Wenn man auch im Verkehr mit Städten und Territorien die Sprache außenpolitischer Souveränität wahrte, so bildete sich doch zunehmend eine hierarchisch geordnete Territorialherrschaft heraus mit den engsten königlichen Vertrauten und den lokalen Eliten als herrschenden Kreisen in den hellenistischen Königreichen. Bereits im 4. Jahrhundert unterhielten die makedonischen Könige in Pella einen Hof, der zum Anziehungspunkt auch für Nichtmakedonen wurde; den Herrschern ermöglichte dies den Zugriff auf gut ausgebildete Mitarbeiter und Funktionäre. Die hellenistischen Monarchien bildeten solche Höfe zu unterschiedlichen Zeiten und mit unterschiedlicher Intensität aus: Am deutlichsten sind Verhofungsprozesse im sehr früh arrondierten und etablierten Ptolemäerreich im ägyptischen Alexandria zu beobachten. Zwar umgaben auch Alexander im Feldlager auf seinem großen Kriegszug Intellektuelle und Funktionäre, doch als aus mobilen Feldlagern Residenzen wurden, begünstigte dies die Ausbildung höfischer Strukturen: In Alexandria gehörten dazu ein ausgedehntes Palastareal, Wohnungen und Häuser der Funktionäre, Heiligtümer, Orte königlicher Repäsentation und Stätten der Forschung und kultivierter Freizeitgestaltung. Damit einher ging die Ausbildung einer höfischen Bürokratie und Hierarchie. Auseinandersetzungen, Intrigen und Machenschaften gehören zum Leben dieser Höfe ebenso wie ein ausgesprochener, aus der Perspektive der städtisch lebenden Mittelschichten skeptisch beäugter Luxus. Die Funktionäre Philipps V. waren zunächst noch von seiner Vormundschaft bestellt, an deren Stelle er sich aber eigene Vertraute wählte. Dieser Wechsel der Bezugspersonen hatte zur Folge, dass sein Hof von jahrelangen Intrigen und Feindschaften erschüttert wurde. Auch am Ptolemäerhof gab es solche Intrigen;
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Struktur der Höfe
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Verhältnisse: Strukturen
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dort lebte Kleomenes III. von Sparta unter Ptolemaios IV. (König 221 – 205 v. Chr.) im Exil. Als der starke Mann am Hof, der ptolemäische Funktionär Sosibios, gegen Kleomenes einen Verratsverdacht lancierte, kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen am Hof zwischen Sicherheitskräften auf der einen Seite und Kleomenes und seinem Freundeskreis auf der anderen Seite; Kleomenes und die Seinen wurden verhaftet und begingen Selbstmord (219 v. Chr.). Die einzelnen Angehörigen der hellenistischen Höfe standen dem Herrscher, gegebenenfalls auch mächtigen Einzelnen oder Gruppen in einem besonderen Gewaltverhältnis gegenüber: Der Herrscher konnte in ihr Vermögen und ihre körperliche Unversehrtheit eingreifen, sie sogar töten. Ihre eigene Position war immer prekär; sie hing ab von besonderen Kompetenzen, Kontakten und Netzwerken, von der Stärke oder Schwäche der Herrschaft und dem Verhältnis zu anderen Angehörigen des Hofes sowie zum Kreis der Funktionäre und Freunde des Herrschers. Schwache Herrscher, Schwierigkeiten des Herrschaftsüberganges auf den Nachfolger und die Herausbildung formalisierter Zuständigkeiten und Hierarchien in einer rationalisierteren Bürokratie konnten bewirken, dass die persönliche Stellung bei Hofe mit einer bestimmten Funktion verbunden war wie seit Anfang des 2. Jahrhunderts v. Chr. im ptolemäischen Ägypten. Dort entwickelten sich Hofrangtitel mit einer festen Beziehung zu den militärisch-administrativen Funktionen ihrer Träger. Die Titel bildeten die Hierarchie administrativer Funktionen auf die fiktive Nähe beziehungsweise Ferne von Verwandtschafts- und Freundschaftsbeziehungen ab. Man war demnach einer der Freunde, der ersten Freunde usw. Monarchie auf Sizilien Im sizilischen Syrakus waren monarchische Regierungsformen im stadtstaatlichen Rahmen nicht unüblich: Der Grund dafür war das hohe Maß an Militanz, das die Auseinandersetzungen zwischen den Karthagern im Westen der Insel mit dem imperial expandierenden Syrakus prägte. Nach der Tyrannis der Deinomeniden war es im ausgehenden 4. Jahrhundert, parallel zur Herausbildung der Diadochenreiche, der war-lord Agathokles, der sich eine neue monarchische Position von Syrakus aus aufbaute, nachdem ihn die Syrakusaner 317/316 zum bevollmächtigten Strategen und Oberkommandierenden bestellt hatten. Er erweiterte das Territorium der Stadt auf den Osten der Insel und führte zwischen 311 und 306 einen letztlich erfolglosen Krieg gegen Karthago, der zeitweise auf dem nordafrikanischen Territorium ausgefochten wurde. In der Situation, in der sein Krieg zu nicht mehr als einer Anerkennung des Status quo ante geführt hatte, nahm Agathokles den Titel eines Königs (basileus) an. Er heiratete eine Tochter Ptolemaios’ I. und verband sich so mit dem Kreis der Diadochen Alexanders. In den folgenden Jahren intervenierte er in Italien zugunsten der Stadt Tarent gegen die Lukaner und hielt zeitweise Korkyra vor der Küste Griechenlands besetzt. Agathokles’ Tochter heiratete schließlich den Pyrrhos, dem bei dieser Gelegenheit die Herrschaft über Korkyra zufiel. Kurzzeitig gelang es Agathokles, seine Herrschaft und das Territorium von Syrakus sogar auf die andere Seite der Straße von Messina auszudehnen.
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Recht und Verwaltung
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Nach dem Ende der Intervention des Pyrrhos nach 275 v. Chr. war es der römisch-karthagische Dualismus, der den Westen stärker als die Konflikte zwischen Griechen und Karthagern bestimmte. Syrakus konnte allenfalls eine relative Unabhängigkeit zwischen beiden erstreben; diese doppelte Frontstellung erlaubte nochmals die Entstehung einer Monarchie in Syrakus und über weite Teile Siziliens; wiederum wurde sie begründet von einem Militärführer: Hieron (II.), Teilnehmer an den Kriegszügen des Pyrrhos, wahrscheinlich als Mitglied der Abteilungen der Stadt Syrakus, übernahm nach dem Abzug des Pyrrhos und wegen des Weiterbestehens der syrakusanisch-karthagischen Gegensätze 275/274 die Position des bevollmächtigten Strategen. Während kleinerer Kämpfe gegen ehemalige Söldner des Agathokles, die sich Söhne des Kriegsgottes Ma(me)rs (Mamertini) nannten, riefen die Soldaten des Hieron diesen zum König aus, und als solcher wurde er in ganz Ostsizilien (außer in Messana) anerkannt. Seit 264 v. Chr. bekämpfte er daher Messana, um es zu unterwerfen. Im Konflikt zwischen Rom und Karthago stand er zunächst auf karthagischer Seite, wechselte aber die Fronten und schloss 263/262 v. Chr., zu Beginn des 1. Punischen Krieges, einen Bündnisvertrag mit Rom, der sich gegen Karthago richtete, und von dem Hieron II. eine Verstetigung und Expansion seiner Herrschaft auf der Insel erwartete. Hieron sicherte nach dem Vorbild des Agathokles seine Herrschaft nach außen durch die Aufnahme kollegialer Beziehungen zu den hellenistischen Herrschern des griechischen Ostens, insbesondere den Ptolemäern. Kurz vor dem Ende des 1. Punischen Krieges (264 – 241 v. Chr.) ernannte er seinen Sohn Gelon zum Mitregenten, um die dynastische Erbfolge abzusichern. Sein Reich organisierte er nach dem Vorbild hellenistischer Territorialmonarchien: Er erhob eine 10%ige Getreideertragssteuer, unterhielt engste Beziehungen zu Intellektuellen, so zu dem Mathematiker und Verwandten Hierons, Archimedes; der in Alexandreia lebende Theokrit widmete Hieron sein 16. Idyll. Hier zeigt sich das Vorbild ptolemäischer Herrschaftsorganisation. Gelon, Hierons Sohn und Mitregent, starb 216/215, kurze Zeit später auch Hieron II. Charakteristisch für das Königtum auf Sizilien war sein eminent militärischer Charakter.
2. Recht und Verwaltung In den hellenistischen Königreichen herrschten Monarchen mit ihren Dienstleuten und Militärs über ausgedehnte Territorien, die, wie in Griechenland und weiten Teilen Kleinasiens, aus kleineren, vormals außenpolitisch selbständigen Einheiten bestanden, oder in denen, wie in Ägypten, eine differenzierte Verwaltungshierarchie bestand zwischen dem dörflich geprägten Land und zentralen Orten. Es gab Bezirke und darunter Gaue (Nomoi) mit jeweils eigenen Verwaltern und Kanzleien, Toparchien mit einem Vorsteher (Toparches) und seinem Schreiber und auf der untersten Ebene die Dörfer, in denen neben dem Dorfvorsteher (Komarches) ein Dorfschreiber (Komogrammateus) amtierte.
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Verhältnisse: Strukturen
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Städte und Militärkolonien legten alle hellenistischen Herrscher in ihren Reichen in mehr oder weniger großer Zahl neu an. Überall entfaltete sich daher unterhalb der Kontrolle der zentralen Herrschaft ein reichhaltig strukturiertes kommunales Leben. Diese Monarchien mussten daher Kommunikationskanäle zwischen dem König und seinen Dienstleuten einerseits und zwischen dem König und den Städten beziehungsweise städtischen Führungsschichten andererseits unterhalten. Sie pflegten beide Beziehungen brieflich, und wir besitzen einige solcher Briefe, wenn sie sich in Ägypten auf Papyrus erhalten haben oder von ihren Empfängern als Steininschrift veröffentlicht und verewigt wurden, weil die Empfänger an der dauerhaften Dokumentation des Inhaltes ein Interesse hatten, beispielsweise, um gegenüber Nachfolgern oder Konkurrenten der Herrscher ihre Position deutlich zum Ausdruck zu bringen. Schon der früheste derartige Brief des Antigonos Monophthalmos an die kleinasiatische Stadt Skepsis hat freilich nicht nur die Aufgabe, deren Einbindung in eine umfassende Friedensregelung zu regeln, sondern auch die besondere Sorge des hellenistischen Herrschers für Freiheit und Autonomie der griechischen Städte ideologisch zum Ausdruck zu bringen.
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Brief des Antigonos Monophthalmos an die kleinasiatische Stadt Skepsis (Dittenberger, OGIS 5 = Schmitt, St.V. III 428) Anstrengungen haben wir unternommen für die Freiheit der Griechen, und darüber keine geringen Zugeständnisse gemacht und zusätzliches Geld aufgewendet, und über diese Angelegenheiten haben wir mit Demarchos den Aischylos als Gesandten abgeschickt. Solange darüber Konsens herrschte, haben wir die Konferenz am Hellespont abgehalten; wären nicht einige Verhinderer hervorgetreten, hätte man die Verhandlungen damals zum Abschluss bringen können. Nachdem nun aber zwischen Kassander und Ptolemaios über eine Kriegsbeendigung verhandelt worden ist, und nachdem Prepelaos und Aristodemos zu uns gekommen sind, um über diese Verhandlungen zu sprechen, und obwohl wir sahen, dass einiges, was Kassander forderte, überzogen war, und weil über die die Griechen betreffenden Fragen Einvernehmen bestand, haben wir es für notwendig gehalten, über die Nachteile hinwegzusehen, damit das ganze Vorhaben so schnell wie möglich abgeschlossen werde. Da wir vor allem gewollt hätten, dass betreffs der Griechen alles geregelt würde wie wir es wünschten, da dies aber Zeit gebraucht hätte, und weil zusätzlicher Zeitablauf viele unangenehme Überraschungen mit sich bringen kann und wir ehrgeizig bemüht waren, dass die Probleme der Griechen noch zu unseren Lebzeiten geregelt werden, hielten wir es für notwendig, dass nicht Einzelprobleme eine Gesamtlösung gefährden. Welche Anstrengungen wir diesbezüglich unternommen haben, wird unseres Erachtens Euch und allen anderen deutlich aus den Regelungen selbst. Nachdem zwischen uns einerseits sowie Kassander und Lysimachos andererseits ein Abkommen erreicht war, zu dessen Abschluss sie Prepelaos mit allen Vollmachten gesandt hatten, schickte auch Ptolemaios zu uns Gesandte und bat, die Differenzen mit ihm zu beenden und ihn in den abgeschlossenen Vertrag miteinzubeziehen. Wir sahen zwar, dass es keine kleine Sache ist, ein ehrgeizig verfolgtes Ziel aufzugeben, für das wir viel unternommen und erhebliche Gelder aufgewandt haben noch nachdem der Konflikt mit Kassander und Lysimachos beigelegt war, selbst wenn die noch übrig ge-
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Recht und Verwaltung
III.
bliebene Aufgabe einfacher zu bewältigen war; weil wir aber glaubten, dass nach einem Vertragsabschluss mit ihm auch der Konflikt mit Polyperchon leichter zu regeln sein würde, wenn keiner mit ihm in einem Bündnis stünde, und weil wir mit ihm engere Beziehungen haben, und weil wir sahen, dass Ihr und die anderen Bundesgenossen durch Krieg und finanzielle Ausgaben belastet seid, hielten wir es für richtig, nachzugeben und auch mit ihm den Kriegszustand zu beenden. Um den Vertrag abzuschließen, haben wir Aristodemos, Aischylos und Hegesias ausgeschickt. Diese haben die eidlichen Selbstverpflichtungen entgegengenommen und sind zurückgekehrt, und von Ptolemaios ist eine Gruppe um Aristobulos gekommen, um von uns die eidlichen Selbstverpflichtungen zu empfangen. Ihr sollt wissen, dass der Friedensvertrag zustandegekommen ist und dass Frieden herrscht. Wir haben in der Übereinkunft festgesetzt, dass alle Griechen schwören sollen, sich bei der Bewahrung ihrer Freiheit und Autonomie gegenseitig zu unterstützen, wobei wir erwarten, dass zu unseren Lebzeiten nach menschlichem Ermessen diese Bestimmung eingehalten wird. Wenn aber einmal die Griechen alle untereinander und mit den Trägern politischer Macht durch Eidverpflichtungen verbunden sind, wird in der Zukunft aber die Freiheit der Griechen noch deutlicher und sicherer bewahrt werden können. Daß die Griechen schwören, bei der Bewahrung dessen zu helfen, was wir mit einander vereinbart haben, schien uns weder unpassend noch nutzlos. Daher halte ich es für richtig, dass Ihr den Eid schwört, den wir mitgeschickt haben. Wir werden auch in der Zukunft alles in unserer Macht stehende versuchen, Euch und den anderen Griechen Vorteile zu verschaffen …
Komplizierte Verhandlungen, die brieflich dokumentiert wurden, ergaben sich nicht allein wie hier aus der politisch-militärischen Gesamtlage, sondern regelmäßig auch dann, wenn der König seinen Vertrauten Vorteile im Rahmen einer stadtbürgerlichen Existenz verschaffen wollte: Hier musste in Verhandlungen mit der Gemeinde eingetreten werden. Darüber hinaus waren Fragen von Stationierungskosten, Sonder- und Ehrenrechte, Finanzfragen und Hilfsleistungen des Herrschers für die Gemeinden zu regeln und wurden oft inschriftlich festgehalten. Für die Abwicklung des Schriftverkehrs und für die Verhandlungen setzten die Herrscher ihre Funktionäre ein und unterhielten eine umfangreiche Verwaltung. Die beiden größten hellenistischen Monarchien waren Vielvölkerstaaten: das Reich der Seleukiden und das Ptolemäerreich in Ägypten. Diese Reiche besaßen keine einheitliche Sprache, Kultur und Bevölkerung, zudem existierten in ihnen nebeneinander auch verschiedene Rechtssysteme. In Ägypten galt für die Einheimischen zunächst ägyptisches Recht, für die Griechen und Makedonen galt deren Recht, und für Auseinandersetzungen zwischen beiden bestand ein spezieller Gerichtshof (Koinodikion). Das am besten dokumentierte Recht einer hellenistischen Stadt ist das Alexandrias, das wir aus einer Sammlung von Rechts- und Verfahrensgrundsätzen sowie Einzelfallentscheidungen kennen (P.Hal. 1). Das Personalitätsprinzip des Rechts – welches Recht gilt, hängt vom Personenstand beziehungsweise der Nationalität ab – ließ sich mit zunehmender Durchmischung der Lebenskreise von Ägyptern, Griechen und Makedonen aber immer weniger aufrechter-
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Verhältnisse: Strukturen
III.
halten. In Ägypten wurde die Sprache eines Vertrages, Griechisch oder Demotisch, zum Kriterium dafür, nach welchem Recht und vor welchem Gerichtshof sich aus dem Vertrag ergebende Streitigkeiten entschieden wurden (P.Tebt. I 5,9,207 – 220, 118 v. Chr.). Produktivster und wichtigster Gesetzgeber in den hellenistischen Monarchien war der König: Prostagmata (Anordnungen des Königs oder seiner Beamten), Programmata (Verfügungen), Diagrammata (Verordnungen) oder Diorthomata (Berichtigungen von Vorschriften) hatten vor Gerichten Gesetzeskraft und wurden für Zwecke der Verwaltung und Rechtsprechung gesammelt. Ein Beispiel dafür sind die ptolemäischen Gesetze über Steuern und Abgaben von 259 v. Chr. (B. P. Grenfell [Hrsg.], Revenue Laws of Ptolemy Philadelphus, Oxford 1896; J. Bingen [Hrsg.], Papyrus Revenue Laws, SB Beih. 1, Göttingen 1952). Die Kommunikation der Untertanen mit der Verwaltung des Königs geschah großenteils in formalisierten Bahnen: Deklarationen von Eigentum, Besitz und Rechtsstatus waren abzugeben, Zahlungen gegen Bestätigung zu leisten und so weiter. Verwaltungsschriftgut, das solche Transaktionen dokumentiert, ist vor allem auf Papyri aus Ägypten erhalten. Initiativen, Anträge und Beschwerden gegenüber der königlichen Verwaltung wurden in der Regel in der informellen Form persönlicher Briefe vorgebracht, die nach der diesem Verfahren zugrundeliegenden Fiktion eines persönlichen Treffens mit dem König Enteuxeis heißen, ihrem Inhalt nach aber Eingaben darstellen. Diese Form der persönlichen Briefe lag auch offiziellen Erklärungen (Cheirographa) und Antworten der königlichen Kanzlei auf Eingaben und Anträge zugrunde, die daher vom Amt eines königlichen Briefscheibers (Epostolographos) ausgefertigt wurden.
3. Wirtschaft und Gesellschaft Städte und deren Eliten Wesentliche Veränderungen der griechischen Gesellschaft in hellenistischer Zeit sind direkte Folgen der Veränderungen der politischen Struktur, und diese Folgen wirken teilweise zunächst paradox: Die Stadt blieb die primäre Lebenseinheit der Griechen, und außerhalb des griechischen und makedonischen Mutterlandes wurden sogar bedeutende Städte in großer Zahl neu gegründet. Das griechische Siedlungsmuster der zentralen städtischen Siedlung, die ein dörflich geprägtes Umland kontrolliert, verbreitete sich in Kleinasien bis in den weiteren Orient hinein. In Ägypten wurden Städte zwar nur in geringer Zahl neu gegründet, doch befand sich unter den ägyptischen Neugründungen mit Alexandria eine der größten und dynamischsten Musterstädte. Die Blütezeit der hellenistischen Monarchien war also zugleich eine Blütephase griechischer Urbanität.
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Wirtschaft und Gesellschaft
III.
M i t t e l m e e r
V ORS T A D T
Kap Lochias Leuchtturm Pharos
Kanopisches Tor (Osttor)
Paläste
Antirrhodos Großer Hafen Tempel der Isis Pharia
Museion
Pharos
PoseidonHeiligtum
Großes Theater aße Kaisareion Str che pis Gymnasion o n a
Heptastadion (Steindamm)
K
Emporion
Eunostos-Hafen
Paneion
Westtor
Sarapeion Mareotis-See
al
Kan
N
TO T E NS T ADT S
0
50
100
150 m
Nekropolen (Gräberfelder) Jüdisches Viertel Fischerviertel Markt heutiger Küstenverlauf
Alexandria (Plan der Stadt): Die Straßen der Neugründung waren rechtwinklig angelegt und parzellierten das Areal der Stadt in Einheiten vergleichbarer Größe. Ein solches Layout war schon in klassischer Zeit (Hippodamos von Milet) typisch für von Grund auf neu geplante griechische Städte. Gut ein Viertel des Areals der Stadt Alexandria wurde von den königlichen Palastanlagen eingenommen. (Zchng: Peter Palm, Berlin)
Seleukidische Stadtgründungen (Appian., Syriaca 57, 295 – 299)
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Städte gründete er über die ganze Breite seines Herrschaftsgebietes, und zwar: 16 mit dem Namen Antiochia nach seinem Vater, 5 mit dem Namen Laodikeia nach seiner Mutter, 9 nach seinem eigenen Namen, 4 nach den Namen seiner Frauen, und zwar drei Städte mit dem Namen Apameia und eine Stadt, die Stratoneikeia heißt. Von diesen Städten sind heute die bekanntesten Seleukeia am Meer, Seleukeia am Tigris, Laodikeia in Phönizien, Antiochia am Fuß des Libanon und Apameia in Syrien. Die anderen Gründungen benannte er nach Städten in Griechenland oder Makedonien oder nach eigenen Leistungen beziehungsweise zu Ehren des Königs Alexander. Deshalb gibt es in Syrien und bei den weiter entfernt lebenden Nichtgriechen viele Siedlungen mit den Namen griechischer und makedonischer Kleinstädte: Beroia, Edessa, Perinth, Maroneia, Kallipolis, Achaia, Pella, Oropos, Amphipolis, Arethusa, Astakos, Tegea, Chalkis, Larissa, Heraia, Apollo-
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Verhältnisse: Strukturen
III.
nia; in Parthien Soteira, Kalliope, Charis, Hekatompylos, Achaia; in Indien Alexandropolis; in Skythien die entfernteste Alexanderstadt; und nach Seleukos’ eigenen Siegen heißen Nikopolis (Siegesstadt) in Mesopotamien und Nikopolis in Armenien, unmittelbar an der Grenze zu Kappadokien.
Eine der Begleiterscheinungen dieser Blüte der Städte und ihrer Zivilisation war aber auch dort, wo Städte in großer Zahl neu angelegt wurden, im Orient, eine deutliche Zunahme des Prosperitätsunterschiedes zwischen Stadt und Land und eine Konzentration von Besitzrechten und Verfügungsgewalten über Grund und Boden in den Händen neuer Eliten in den Städten. Zugleich intensivierte sich der Handel zwischen den verschiedenen Regionen der größer gewordenen griechischen Welt. Die grundbesitzenden und handelnden Oberschichten der Zentren dieser Welt gewannen auch politisch eine entscheidende Bedeutung als Mediatorenschicht zwischen königlicher Zentralmacht und peripheren Gebieten. Wirtschaft Aus allen hellenistischen Reichen bieten die Quellen über das ptolemäische Ägypten das reichhaltigste Material: Es zeichnet das Bild einer Wirtschaft, die in elementaren Bereichen enger zentralverwaltungswirtschaftlicher Kontrolle zu unterstehen schien: Der Außenhandel war weitgehend kontrolliert und für elementare Waren des lebensnotwendigen Bedarfes (Bergwerke, Steinbrüche, Salz, Öl, Linsenbrei und so weiter) bestanden königliche Liefermonopole, die bezirksweise zugunsten der königlichen Kasse meistbietend veräußert wurden, und die deren Einnahmen auf hohem Niveau verstetigten. Mit dem Monopol verbunden war gegen Zahlungen an die königliche Kasse das alleinige Recht zur Lieferung einer Ware in einer bestimmten Region, offenbar aber auch eine Verpflichtung zur Bevorratung und Lieferung der Ware oder zumindest zur Bemühung mit diesem Ziel (Lieferverpflichtung des Monopolisten). Weiterhin investierten die Ptolemäer erheblich in die Be- und Entwässerung sowie die Urbarmachung zusätzlichen Landes (Fayum) zur Ansiedlung und Versorgung ihres Militärs und ihrer Funktionäre. Diese bearbeiteten vielfach nicht selbst ihr Land (kleros), sondern verpachteten es und lebten aus dessen Einkünften als Rentiers. Für die Bewirtschaftung der königlichen Domänen erließ die Verwaltung der Ptolemäer genaueste Anweisungen für Anpflanzung und Aussaat, für Kultivierung und Ernte. Man hat lange in der Forschung in diesen detaillierten Vorschriften, in der scharfen Kontrolle des Außenhandels und des Außenwertes der Währung, in den Monopolen und genau gefassten Gesetzen über Steuern und Abgaben, um die die ptolemäische Verwaltung sich kümmerte, Indizien für eine geschlossene Verwaltungswirtschaft im hellenistischen Ägypten gesehen. Die jüngere Forschung zeichnet demgegenüber ein differenzierteres Bild: Weit davon entfernt, eine geplante Kommandowirtschaft zu sein, kennzeichnete das ptolemäische Wirtschaftssystem ein kompliziertes Zusammenwirken staatswirtschaftlicher Momente, vor allem im Bereich der Verwaltung der großen Kron-Domänen und Großgüter, mit kleinen dörflich geprägten beziehungs-
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Wirtschaft und Gesellschaft
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weise handwerklichen Strukturen. Hohen Aufwand trieb die königliche Administration für die effektive Bewirtschaftung der eigenen Güter, derjenigen Güter, deren Einkünfte kultischen Zwecken zukamen sowie für die Eintreibung von Steuern und Abgaben. Sie handelte dabei aber nicht als zentrale wirtschaftliche Planbehörde, sondern maximierte die königlichen Einkünfte. Verpachtung von Kleruchenland (73 v. Chr.) (P.Oxy. XIV 1628)
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Im 9. Jahr der Regierung des Ptolemaios Auletes und der Kleopatra, genannt Tryphaina, beide väterliebende und geschwisterliebende Götter usw. entsprechend der Formel wie sie in Alexandria üblicherweise geschrieben wird, am 15. des Monats Apellaios beziehungsweise Phaophi, in Oxyrhynchos in der Thebais. Sarapion, Sohn des Apollonios, ein Makedone von der Katoikenkavallerie, hat von seinem Besitz an Apollonios, genannt auch Pan[ ], Sohn des Ischyrion, genannt auch Nechthenibis, nach seiner Abkunft Perser, beide Parteien wohnhaft in der Kleopatra-Aphrodite-Straße, verpachtet die 15 Aruren, die er im Gebiet des Dorfes Sepho besitzt, für das 9. Regierungsjahr, damit er die 3 Aruren im Kleros, der ehemals Diokles gehörte, mit Weizen einsät und die Hälfte der 12 Aruren des Besitzes, der ursprünglich Philon gehörte, mit Gerste und die andere Hälfte mit Linsen, für eine Pacht von 4 Artaben je Arure in Übereinstimmung mit der Vermessung des für den Ackerbau bestimmten Landes. Und Apollonios bestätigt, dass er von Sarapion empfangen hat als Saatgut und für die übrigen Aufwendungen der Einsaat 7½ Artaben Gerste und 7½ Artaben Linsen, zum Nennwert zurückzuerstatten, und zum Zweck der Schilfbeseitigung 1500 Drachmen in Kupferwährung, nicht zurückzuerstatten, alles frei von allen Risiken oder Discounts. Bezüglich der Abgaben mit Ausnahme der Steuern gilt, dass, sofern Apollonios irgendetwas an die königliche Kasse zu zahlen hat, oder auf irgend eine andere Weise etwas an Stelle Sarapions oder für das Land, so soll er diese Summe von der Pacht abrechnen; die Ernte soll im Eigentum von Sarapion verbleiben, bis er die Pacht erhalten hat … Jahr 9, Pachtvertrag.
Die Verhältnisse in Ägypten waren insofern besondere, als hier der soziale Kontrast zwischen einheimischen Ägyptern und griechisch-makedonischen Eroberern zumindest bis zum Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. stark ausgeprägt blieb: Große Teile der dörflichen Bevölkerung bearbeiteten als abgabepflichtige Königsbauern das Land der Nil-Fluss-Oase, während sich im meliorisierten Fayum militärdienstpflichtige griechische und makedonische Siedler konzentrierten. Die Funktionärseliten, aber auch differenzierte Handels- und Gewerbebetriebe, Träger von Bankgeschäften und so weiter lebten in den Städten Ptolemais und vor allem Alexandria. Zu den Eliten gehörten zunächst aber eine Gruppe der Ägypter dazu: die Priester. Seit dem ausgehenden 3. Jahrhundert aber rekrutierten die Ptolemäer in immer größerer Zahl auch Einheimische als Soldaten, die als machimoi mit einem eigenen Landgut ausgestattet wurden und sich zu einer landsässigen Schicht von Wehrsiedlern entwickelten.
Makedonen, Griechen und Ägypter
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Verhältnisse: Strukturen
III.
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Bank- und Handelsgeschäfte hoher ptolemäischer Funktionäre und ihrer Beauftragten: Zenon (PSI 333) Promethion sendet Zenon seinen Gruß. Ich geriet in Angst, als ich von Deiner sich lang hinziehenden Krankheit erfuhr, nun aber, da ich höre, dass Du wieder auf dem Wege der Besserung und Kräftigung bist, freue ich mich. Mir selbst geht es gut. Ich gab früher Deinem Beauftragten Herakleides 150 Drachmen in Silberwährung aus Deinem Konto, wie Du mich schriftlich angewiesen hast. Er bringt Dir jetzt 10 hinia Parfüm in 21 Gefäßen, die mit meinem Fingerring gesiegelt sind. Obwohl Apollonios mir geschrieben hatte, dass ich ihm außerdem 300 Kränze aus wilden Granatäpfeln sende, konnte ich ihm diese nämlich nicht geben, weil diese nicht bereitgestellt waren; Pa[] wird diese aber zu ihm nach Naukratis bringen, weil sie vor dem 30. fertig sein werden. Ich habe mit den Kosten sowohl für diese wie auch für das Parfüm Dein Konto belastet, wie Apollonios mich schriftlich angewiesen hatte. Ich habe außerdem die Gebühr von 10 Drachmen in Kupferwährung für das Boot bezahlt, mit dem jener fährt. Iatrokles wurden darüber hinaus 400 Drachmen Silber gutgeschrieben für die Papyrusrollen, die in Tanis gerade im Auftrag von Apollonios produziert werden. Du sollst wissen, dass dies alles so arrangiert ist. Du aber schreibe bitte, wenn Du irgendetwas hier brauchst. Lebe wohl. 29. Jahr, 28 Choiach. – An Zenon, 29. Jahr, 3. Peritius. Promethion über seine Ausgaben.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse Ägyptens rührten von dem Nebeneinander vorhellenistischer Strukturen und der nach Ägypten transferierten Strukturen der griechisch-makedonischen Eroberer her. Ähnliche Verbindungen zwischen griechisch-makedonischen Herrschaftsstrukturen und den tradierten Wirtschaftsweisen und Organisationsstrukturen kann man in allen hellenistischen Reichen beobachten. Im Seleukidenreich war die wirtschaftliche und soziale Vielfalt dabei sogar noch größer als in der ägyptischen Fluss-Oase. Neben fruchtbarem Land befanden sich in Mesopotamien, Syrien und Kleinasien Steppengebiete und ausgesprochene Trockenregionen mit ganz unterschiedlichen Traditionen. Daraus resultierte eine erhebliche Vielfalt auch der wirtschaftlich-sozialen Strukturen. Vielerorts im Seleukidenreich finden sich land- und dorfgebundene abhängige und abgabepflichtige Bauern. Viel deutlicher als in Ägypten ausgeprägt war aber im Seleukidenreich das Städtewesen: in Mesopotamien, an den griechisch besiedelten kleinasiatischen Küsten und in der Levante. Die Seleukiden gründeten in großer Zahl neue Städte und legten stadtähnliche Wehrsiedlungen an. Dabei wurden regelmäßig Gebiete aus dem Bereich quasi-feudaler Obereigentumstrukturen herausgenommen und dem Eigenrecht der Stadt und ihrer Bürger überschrieben. Häufig fanden derartige Übertragungen auch statt, wenn der König einzelne seiner Funktionäre belohnen wollte und ihnen dafür Ländereien und die auf ihnen wirtschaftenden abhängigen Bauern überschrieb. Die Vielfalt des dabei entstehenden Systems aus griechisch-makedonischem, vor allem mesopotamischem, aber auch einheimischem Großgrundbesitz, aus stadtsässigen Landwirten, Gewerbetreibenden und Händlern sowie königlichen Domänen erhöhte sich zusätzlich durch
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Wissenschaft, Technik, Kultur und Literatur die insbesondere in Kleinasien hohe Zahl quasi-autonomer großer Tempelterritorien. Einzelne Wirtschaftsregionen des Seleukidenreiches können als nach außen nahezu geschlossene Systeme betrachtet werden (zum Beispiel Mesopotamien), für deren Elemente, Bevölkerungszahl, Agrarproduktion, Besteuerung und Münzprägung durch die Seleukidenherrscher plausible quantitative Modelle entwickelt werden können: Danach diente die Produktion größerer Silbermünzen vor allem der Steuererhebung und der Bezahlung staatlicher Funktionsträger und Soldaten. Für die geschätzten 5 bis 6 Millionen Einwohner des seleukidischen Zweistromlandes, schätzt Aperghis (in: Archibald, Hellenistic Economies), dürften jährlich Agrarprodukte im Wert von 10 000 Talenten Silber hergestellt worden sein, während aus der Region etwa 600 Talente an Abgaben und Steuern erhoben wurden. Dabei wurden in der Seleukidenzeit generell vorseleukidische regionale Wirtschaftsformen weitergepflegt und es funktionierten ältere Wirtschafts- und Siedlungszentren kontinuierlich weiter – anders als man es früher eher annahm. Insgesamt kennzeichnen regionale Vielfalt und Differenzierung die Wirtschaft aller hellenistischer Reiche; integriert wurden deren regionale Austauschsysteme durch weiträumige Märkte für luxuriöse Güter, durch die Münzprägung und die Administration des Königs sowie durch dessen regional weit gestreute Eigenbesitzungen. Langsam transformierten sich diese regionalen Wirtschaftskreise der hellenistischen Reiche und integrierten sich stärker in einen gesamtmediterranen Wirtschaftsraum. Eine wichtige Rolle bei diesem Prozess spielten die mittelgroßen Staaten und die Handels- und Seemächte wie Rhodos, das für sein Recht, als Alliierter des Antigonos seine Handelsbeziehungen auch zum Ptolemäerreich zu pflegen, 305 eine einjährige Belagerung aushielt.
III. Seleukidische Wirtschaft
4. Wissenschaft, Technik, Kultur und Literatur a) Die Geschichtsschreibung Mehr als für alle anderen Epochen der griechischen Geschichte spielen Inschriften eine entscheidende Rolle bei der Erforschung der hellenistischen Zeit. Das liegt daran, dass von der einst reichhaltigen und facettenreichen Geschichtsschreibung des Hellenismus nur wenig überliefert ist. Ein „Trümmerfeld“ hat Hermann Strasburger daher die Historiographie des Hellenismus genannt. Der Grund für diese trümmerhafte Überlieferung liegt zum einen in den Wertvorstellungen und Bildungsidealen der frühen römischen Kaiserzeit: Die literarische Bewegung des Attizismus, die das Griechisch des klassischen Athen zum Vorbild erhob, sah die spät- und nachklassischen griechischen Prosaautoren als stilistisch zweitrangig an und vernachlässigte sie. Eine zweite Ursache liegt im starken Anschwellen der historischen Überlieferung in hellenistischer Zeit: Dies ließ bis zur frühen römischen Kaiserzeit eine solche Fülle an historischer Literatur entstehen, dass den Lesern, insbesondere auch Römern, die Griechisch lasen, um sich mit
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Verhältnisse: Strukturen
III.
griechischem Wissen und griechischer Bildung vertraut zu machen, die Übersicht verloren zu gehen drohte. Diesen Lesern boten sich kurzgefasste Kompendienwerke und Zusammenfassungen an, die einen Überblick über die so reiche Literatur vermittelten. Diodor beispielsweise verfasste zur Zeit Caesars ein solches Werk: Es wollte ausdrücklich nicht nur ein Geschichtswerk sein, sondern bezeichnete sich als Bibliothek und gab dadurch seiner Absicht Ausdruck, ganze Bibliotheken historiographischer Werke ersetzen zu wollen. Genau dies wurde mit dieser historischen Kompendienliteratur beabsichtigt: Einerseits vermittelten und bewahrten sie in kompakter Form Inhalte der hellenistischen Geschichtswerke, andererseits verdrängten sie die originalen Werke für die Zukunft aus dem Prozess des aufwendigen Lesens, Abschreibens, Tradierens. Eine dritte Ursache dafür, dass die umfangreiche hellenistische Historiographie aus der späteren Überlieferung geradezu hinausgedrängt wurde, dürfte in den gewandelten politischen Verhältnissen liegen: Für das Leben in der Großmonarchie der römischen Kaiserzeit konnte die Beschäftigung mit Alexander dem Großen eine gewisse Orientierung bieten, weniger jedoch die Pflege der Erinnerung an die späteren und machtloseren Herrscher. Kleinere Monarchien, bundesstaatliche Gebilde und Stadtstaaten verloren ihre außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten zunehmend und besaßen diese in der römischen Kaiserzeit nicht mehr. Das Verhältnis zwischen Monarch einerseits und Stadt beziehungsweise formal selbständigem, aber politisch abhängigem Bundesgenossen, ein Grundproblem hellenistischer Diplomatie und Geschichte, verlor daher seine praxisprägende Bedeutung. Umfangreiche Herrscher-, Regional- und Lokalgeschichten der hellenistischen Zeit waren daher nur noch in Teilen interessant, und auch unsere Kenntnis über sie ist fragmentarisch. Einzig die Geschichte lokaler Kulte und Institutionen kompensierte in den Städten des Ostens den Verlust politischer Handlungsmöglichkeiten auf der literarischen Ebene und bescherte der antiquarischen Lokalliteratur eine prächtige Nachblüte. Die Geschichte von Athen, seiner Landschaft Attika und seinen Kulten und Institutionen (sogenannte Atthidographie) bildete seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. dabei eine besonders reichhaltige historiographisch-antiquarische Literatur heraus. Philochoros von Athen polemisierte bereits Anfang des 3. Jahrhunderts gegen eine frühere Atthis Demons; Philochoros war Politiker und führte Aufgaben im Opferkult durch, und diese Interessen bestimmten auch den Inhalt seiner Atthis und seiner Schriften über Athens Kulte, Kultur und Institutionen. Ein besonders direkter Zusammenhang bestand zwischen der politischen Tätigkeit des peripatetischen Philosophen Demetrios von Phaleron und seiner Schriftstellerei über Athen: Demetrios verfasste unter anderem Schriften über seine zehnjährige Herrschaft in Athen, über athenische Gesetzgebung, eine Liste der athenischen Oberbeamten (Archonten) und Zusammenstellungen politischer Reden. Ein Makedone namens Krateros sammelte an der Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v. Chr. athenische Volksbeschlüsse. Insgesamt zeigt die griechische Lokalgeschichte der hellenistischen Zeit eine außerordentliche Fülle: Der Lokalpolitiker Nymphis von Heracleia Pontica schrieb über seine Heimatstadt, und lokale Historiographien existierten in praktisch allen griechischen Städten und Landschaften. Diese Geschichtsschreibung blühte bis in die römische Kaiserzeit hinein; nur in einzelnen Fällen aber besitzen wir
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Wissenschaft, Technik, Kultur und Literatur
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davon umfangreiche Textfragmente, während sich im Allgemeinen von der Geschichte des Hellenismus nur kleinere Reste erhielten. Ein weiterer, vierter Grund für den Bedeutungsverlust der griechischen Geschichtsschreibung des Hellenismus in späterer Zeit dürfte sein, dass diese Geschichtsschreibung im Wesentlichen Geschichtsschreibung Griechenlands war, der Griechen und der von Griechen bewohnten und geprägten Mittelmeerwelt nebst deren Anrainergebieten. Erst Polybios schrieb im 2. Jahrhundert v. Chr. eine Universalgeschichte der gesamten Mittelmeerwelt, deren Thema der Aufstieg Roms zur mediterranen Groß- und Vormacht war, und bereits Polybios erkannte und formulierte eine wesentliche Gefahr für die traditionellen Formen griechischer Lokal- oder Regionalgeschichte: ihre zunehmende Irrelevanz als praktische Orientierung für eine immer weniger allein von Griechen geprägte Welt (Polybios I, 3 – 5; III 4, 31 – 32). Von Polybios’ Werk haben sich denn auch namhafte Passagen erhalten; sie bilden den größten zusammenhängend überlieferten historiographischen Text der hellenistischen Zeit. Polybios über die zunehmende Verflechtung der mittelmeerischen Ereignisse nach 217 und die bestimmende Rolle Roms (Polybios V 105,3 – 10; Übers. H. Drexler, Polybios Geschichte I, Zürich, Stuttgart 2 1978, 517 f.)
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Dies alles geschah im dritten Jahr der hundertvierzigsten Olympiade, ich meine die Niederlage der Römer in Etrurien, den Krieg zwischen Antiochos und Ptolemaios um Koilesyrien und den Friedensschluss der Achäer und Philipps mit den Aetolern. In diesem Augenblick und mit dieser Beratung begannn die Verflechtung der griechischen, italischen und libyschen Ereignisse. Denn weder Philipp noch die leitenden Männer Griechenlands ließen sich bei ihren Entschlüssen über Krieg und Frieden jetzt noch allein von der Rücksicht auf die griechischen Angelegenheiten leiten, sondern aller Augen waren auf einen Blickpunkt, auf Italien gerichtet. Und sehr bald geschah dasselbe auch in der Inselwelt und in Asien. Alle, die sich über Philipp zu beschweren hatten oder mit Attalos in Konflikt geraten waren, suchten weder mehr Anlehnung bei Antiochos noch bei Ptolemaios, weder im Osten noch im Süden, sondern blickten von jetzt an nach Westen. Einige schickten Gesandte nach Karthago, andere nach Rom, ebenso aber auch die Römer zu den Griechen, aus Furcht vor Philipps Unternehmungslust und um zu verhüten, dass auch er noch in ihrer bedrängten Lage auf der Gegenseite in den Krieg eingriffe. Wir aber, die wir unserem Versprechen in der Einleitung gemäß genau angegeben zu haben meinen, wann, wie und aus welchen Gründen die griechischen Ereignisse sich mit den italischen und libyschen verflochten haben, wollen nunmehr den Bericht über die Vorgänge in Griechenland herabführen bis auf die Zeit der römischen Niederlage bei Cannae, mit der wir die Darstellung der italischen Ereignisse abgebrochen haben, und dann, wenn wir den gleichen Zeitpunkt erreicht haben, dieses Buch beschließen.
Am Anfang der hellenistischen Geschichtsschreibung stand die literarische Auseinandersetzung mit dem Tod und dem Nachwirken Alexanders, der alles überragenden Gestalt unter den frühhellenistischen Herrschern. Fakten und Fiktionen sind in der Literatur über den großen Eroberer eine kaum ent-
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Verhältnisse: Strukturen
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wirrbare Symbiose eingegangen, und bis in die römische Kaiserzeit hinein, etwa im Werk Arrians, nahm die Auseinandersetzung mit den übermäßig wunderbaren und grausamen Aspekten von Alexanders Wirken und der Tradition über dieses Wirken einen erheblichen Raum in der historischen Überlieferung ein. Ptolemaios Lagu (Ptolemaios I.) und Aristobulos von Kassandreia zeichneten in ihren Alexandergeschichten ein nüchtern-praktisches Bild des großen Alexander; darin knüpfen sie an die Tradition des praktischen Intellektualismus in der griechischen Historiographie an: Ihre Helden, insbesondere der Makedonenkönig, nehmen Situationen wahr, haben Absichten, erkennen zweckmäßige Vorgehensweisen, wägen diese gegeneinander ab, entscheiden sich für die eine oder andere und haben in der Praxis damit Erfolg oder nicht. Ganz ähnlich hatte bereits Herodot in klassischer Zeit militärisches Vorgehen geschildert und erklärt. Dagegen stellte bereits Aristoteles’ Verwandter und Schüler, Alexanders Hofphilosoph Kallisthenes von Olynth, zu Alexanders Lebzeiten das Übermenschlich-Sagenhafte von dessen Wirken ins Zentrum seiner den König verherrlichenden und dessen Ausnahmeherrschaft rechtfertigenden Darstellung. Daneben aber stand schon bald sogar eine ausgesprochene Alexandersage, die durch Kleitarchos und den sogenannten Alexanderroman repräsentiert wird. Aber auch persönlich-anekdotische Details des Hoflebens wie sie in extenso der Organisator des Zuganges zu Alexander (eisangeleffls), Chares von Mytilene, ausbreitete, kennzeichnen einen Zweig der Alexanderliteratur: Alexanders Wirken beflügelte durch seine Außerordentlichkeit neben der politischen vor allem auch die literarische und sogar die sexuelle Phantasie (Alexanderroman: Alexander und die Amazonenkönigin). Neben unmittelbar Beteiligten seines großen Feldzuges wie Nearchos, dem Kommandanten des von Alexander selbst finanzierten Schiffes der Flotte, schrieben auch Autoren, die eine solche persönliche Kenntnis der Vorgänge und Protagonisten nur mit zweifelhaftem Grund beanspruchen konnten, wie Onesikritos von Astypalaia, der Alexanders Biographie als Bildungsgang des Herrschers nach Art von Xenophons Kyropaedie romanhaft darstellte. In der Generation nach Alexander bildete naturgemäß vor allem der Zerfall seines Reiches und die Entstehung der Diadochenstaaten das Thema der griechischen Historiographie. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang vor allem Hieronymos von Kardia, der eine Geschichte der Diadochen und Epigonen schrieb und damit der Zeit der Generation nach Alexander ihren Namen gab: Epoche der Erben, obwohl weniger Erbrechte als usurpierte Ansprüche die Herrschaft solcher Erben legitimieren konnten. Neben Hieronymos behandelte auch Duris von Samos dieses Zeitalter der Diadochen. Er scheint dabei vor allem eine emotionalisierende und das schockierende Detail ins Zentrum rückende Erzählweise gewählt zu haben, sodass man ihn lange für den Vertreter einer neuen, sich an Darstellungsmustern der Tragödie orientierenden Geschichtsschreibung hielt. Ein weiterer wichtiger Zweig der Geschichtsschreibung der neuen Reiche wurde die literarische Vermittlung der indigenen Traditionen an die neuen Eliten aus Griechen und Makedonen (siehe oben). Berossos von Babylon und Manetho von Sebennytos vermittelten ihre Bilder der babylonischen beziehungsweise ägyptischen Vorzeit ins Griechische, übersetzten Herrscher- und Priesterlisten, historische Berichte und auch die mit den Ereignis-
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Wissenschaft, Technik, Kultur und Literatur sen und Personen verbundenen Vorstellungen für ein griechisches Publikum. Die Überlieferung der babylonischen und ägyptischen Königs- und Dynastielisten verdankt sich den Werken dieser beiden Autoren. Einige Schriften hellenistischer Historiker sind trotz ihres fragmentarischen Überlieferungsstandes als Quellen für Ereignisse und Mentalitäten der hellenistischen Zeit von besonderer Bedeutung. So beschrieb Timaios aus der sizilischen Stadt Tauromenion (Taormina) im langjährigen Exil in Athen die Geschichte der Griechen, die im Westen des Mittelmeeres siedelten: auf Sizilien und an den süditalischen Küsten. Timaios’ Vater Andromachos war Gründer und Stadttyrann seiner Heimatstadt; Timaios selbst ging auf Betreiben des Stadtherrschers Agathokles von Syrakus ins Exil. Distanziert von der sizilischen und italischen Politik verfasste er zunächst Sammelschriften, die eine vereinheitlichte Chronologie nach Olympiaden möglich machten, wie er sie in seinem historischen Hauptwerk dann einsetzte; dieses behandelte die Geschichte der mythischen Vorzeit bis zu Agathokles und als besondere Fortsetzung bis zum Beginn des 1. Punischen Krieges 264 v. Chr. Timaios wurde so der erste griechische Historiker, der als Zeitgenosse ausführlich die Entwicklung Roms beschrieb, und zwar als einer expandierenden Stadtgemeinde im Konzert ähnlich strukturierter griechischer Stadtgemeinden. Der große Historiograph des Hellenismus aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., Polybios aus dem arkadischen Megalopolis, knüpfte mit seiner Erzählung zeitlich an diese Darstellung des Timaios an. Gerade deswegen polemisierte Polybios heftig gegen Tendenz und Methode seines Vorgängers: Timaios sei ein apolitischer Schreibtischhistoriker, von dem der Leser für das praktische Leben nichts lernen könne. Gleichwohl folgt Polybios seinem Vorgänger in der chronologischen Einteilung seines Werkes in Olympiaden und in der ausführlichen Berücksichtigung der Ereignisse des Westmittelmeerraumes. Das Thema seines Werkes ist der Aufstieg Roms zur Weltherrschaft in etwas mehr als einem halben Jahrhundert. Besonderen Wert legt Polybios bei der Beschreibung dieses Gegenstandes immer wieder auf praktisch-politische, auch militärische Lehren, die er ausdrücklich in sein Werk einstreut, oder die sich aus diesem unmittelbar ergeben sollen. Dabei haben die Leser die Ursachen für Roms Erfolge in den drei Punischen Kriegen sowie in den Kriegen gegen Makedonien und gegen Antiochos III. zu erkennen, um Maßstäbe für eine Bewertung der römischen Herrschaft zu gewinnen. Wiederholt wirft Polybios die Frage der Verantwortlichkeit für Krieg und Zerstörung auf, und er scheint sich dabei vor allem gegen die in der Hannibal-Historiographie verbreitete Tendenz gewandt zu haben, allein die Römer für den Ausbruch des 2. Punischen Krieges verantwortlich zu machen. Man hat Polybios deswegen in der Forschung teilweise als einen Apologeten des römischen Imperialismus behandelt, und weil Polybios selbst die 20 Jahre nach 167 v. Chr. als Geisel in Rom lebte, hielt man ihn für geprägt durch seine römischen Erfahrungen und eine römische Perspektive. Tatsächlich waren die Prägungen dieses hellenistischen Intellektuellen und Militärs zu vielgestaltig, als dass sie sich in einer einfachen prorömischen Parteinahme hätten erschöpfen können. Polybios entstammte der Oberschicht des Achäischen Bundes; sein Vater Lykortas hatte das oberste Amt dieses Bundes, das des Strategen, inne, und
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Polybios
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Polybios wurde 169 zum Kommandeur der achäischen Kavallerie bestellt. Er besetzte damit das nach der Strategie zweithöchste Amt des Bundes, und als nach der Schlacht von Pydna ungefähr 1000 Angehörige der achäischen Führungsschicht nach Italien deportiert wurden, um dort vor Gericht gestellt zu werden, gehörte Polybios zu ihnen. Er fand Kontakt zu den führenden Politikern Roms, wo er bis 150 v. Chr. blieb. Polybios hatte bereits umfangreiche literarische Erfahrung gesammelt, als er sich an die Abfassung seines Hauptwerkes, der Historien, machte: Er hatte eine verherrlichende Schrift über den achäischen Staatsmann Philopoimen verfasst, einen Freund seiner Familie; er hatte Schriften über militärische Taktik geschrieben, eine geographische Arbeit, in der er die Bewohnbarkeit der Zone um den Äquator nachwies sowie eine Schrift über den Numantinischen Krieg (Cic., Ad fam. V 12,2). Auch die Erfolgsgeschichte des Achäischen Bundes stellte er dar und integrierte deren markanteste Gesichtspunkte in sein historiographisches Hauptwerk. Im Zentrum dieses Hauptwerkes steht die Zeit zwischen circa 220 und 168 v. Chr., in der die Römer, wie Polybios schreibt, „in nicht einmal 53 Jahren fast die gesamte Mittelmeerwelt unter ihre Herrschaft brachten“. Wie sie dies erreichten, und in welcher politisch-militärischen Verfassung sie sich dabei befanden bildet Polybios’ Hauptgegenstand (I 1). Um diesem Geschehen den kausalen Boden zu bereiten und die Darstellung des Timaios fortzusetzen, behandelt Polybios in den ersten beiden Büchern knapp die Ereignisse zwischen 264 und 220 v. Chr., und um die Folgen der von ihm beschriebenen Ereignisse zu skizzieren, erweiterte er dann seine Darstellung bis zum Jahre 146 v. Chr., als Griechenland unter römische Herrschaft kam und mit Karthago der letzte ernsthafte Machtkonkurrent Roms im westlichen Mittelmeerraum unterworfen wurde. Aus den ersten sechs der ursprünglich vierzig Bücher ist vieles erhalten geblieben, unsere Kenntnis des Inhaltes der übrigen Bücher verdankt sich dagegen fast ausschließlich byzantinischen Exzerpten, Kritiken späterer Autoren oder den Zitaten geographisch und antiquarisch interessierter Lexikographen. Unsere Kenntnis ist daher ungleichgewichtig: Besonders ausführlich kennen wir diejenigen Teile, die nur die Voraussetzungen für Polybios’ eigentliche Darstellung liefern sollten; die zeitgeschichtlichen Kernabschnitte seines Werkes sind demgegenüber schlechter überliefert. Besonderes Interesse verdient das sechste Buch mit einer Darstellung der römischen Verfassung als einer Mischverfassung mit Elementen aus Monarchie, Aristokratie und Demokratie. In dieser Mischung erkennt Polybios die Ursache für die Stabilität und den Expansionserfolg des römischen Systems. Eine solche Bewertung übernahm Positionen, die in den Intellektuellenzirkeln der hellenistischen Zeit für Sparta und Karthago en vogue waren, und darum vergleicht Polybios auch in seinem sechsten Buch diese beiden Staaten mit Rom, hält jedoch Roms politische Ordnung für eine geeignetere Grundlage außenpolitischer Erfolge als die jener beiden Staaten. Polybios setzte mit seinem Werk Maßstäbe für das spätere Bild der enormen Expansion Roms im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr.; Livius beispielsweise, der augusteische Historiker von Roms großer Zeit, folgt der Darstellung des Polybios über weite Strecken. Wahrscheinlich hat mit zu diesem Erfolg des Werkes beigetragen, dass Polybios sich zwar expliziter Wertun-
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gen nicht enthält, dass er dabei aber nicht die eindeutig prorömische Parteilichkeit erkennen lässt, die man für sein Werk gelegentlich postuliert hat, nicht zuletzt aufgrund der Biographie seines Autors, der durch den langwährenden Umgang mit den führenden Kreisen Roms vermeintlich die Distanz zu deren Aktivitäten habe vermissen lassen. b) Dichtung Das hellenistische Zeitalter ist die Zeit einer raschen und nachhaltigen Entwicklung, Popularisierung und Ausdifferenzierung der griechischen Literatur. Gerade weil die Literatur des „klassischen“ Zeitalters, des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. so begrenzt und überschaubar war, konnte sie späteren Zeitaltern als „klassisch“ und als Orientierungsrahmen erscheinen. Weil die hellenistische Literatur sich quantitativ und qualitativ so rapide entwickelte, ausdifferenzierte und deswegen unübersichtlich wurde, entstand schon im frühen Hellenismus ein Bedürfnis nach Übersicht und nach der Orientierung an klassischen Mustern. Der Ort, an dem diesem Bedürfnis nachgegangen wurde, waren die in den großen Residenzstädten entstehenden Bibliotheken, vor allem in Alexandria, die sich darum bemühten, die gesamte griechische Literatur zu sammeln, die Vielfalt der Autoren und Werke zu ordnen, das Echte vom Unechten zu scheiden und die teilweise bereits widersprüchlichen Textüberlieferungen zu vereinheitlichen. Aus dieser Sammelarbeit entstanden die antike Literaturwissenschaft und Philologie. Dass diese Arbeit des Ordnens und Sammelns in den großen Städten, vor allem in Alexandria, unternommen wurde, und dass Städte wie Alexandria zu den literarisch produktivsten Orten gehörten, war nicht zufällig: Hauptstadt und Hofresidenz zugleich, bot Alexandria zwei Voraussetzungen literarischer Betätigung in hellenistischer Zeit, nämlich städtisches Millieu und die Patronage des Monarchen. Das heißt: Neben das seiner selbst gewisse Bürgertum der griechischen Stadtstaaten treten in hellenistischer Zeit von Hof und Herrscher geförderte Literaten. Die neuen literarischen Zentren wie Alexandria und ihre reichen, gebildeten Eliten zogen neben den direkt unter königlicher Patronage stehenden Literaten aber auch Schriftsteller an, die möglicherweise nur indirekt von Hof und Herrschaft profitierten. Der Dichter Theokrit (um 270 v. Chr.) bietet dafür ein Beispiel: Aus Sizilien stammend, siedelte er sich in Alexandria an, wo er unter Ptolemaios II. Idyllen schrieb, bukolische Bilder sizilischer Landschaften und des Hirtenlebens, aber auch Dichtungen auf den ptolemäischen Herrscher, die die Möglichkeit nahelegen, dass Theokrit zeitweise die Protektion Ptolemaios’ II. genoß (Idyll. 15; 17). Theokrit verherrlicht Ptolemaios (Theokrit, Idyll. 17,7 – 8 u. 13 – 14)
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Wahrlich, ich kenne Ptolemaios und besinge ihn, um großartige Leistungen zum Ausdruck zu bringen. Gedichte über Unsterbliche dienen diesen nämlich als Ehrengeschenk. … Von der Seite seiner Väter her war der Lagide Ptolemaios immer fähig, ein großes Werk zu vollenden, wenn er mit großem Verstand einen Entschluss zustande brachte, wie ihn kein anderer Mann produzieren kann.
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Direkter war die Förderung der Ptolemäer für ihre neuen wissenschaftlichen und literarischen Forschungszentren, namentlich die Bibliothek und das Museum in Alexandria. Kallimachos wirkte als Dichter und zugleich Leiter der Bibliothek, der königlichen Literatursammlung. In dieser Eigenschaft wurden Kallimachos, seine Mitarbeiter und seine Nachfolger, besoldet, aber sie waren in die Hofgesellschaft integriert und unterlagen besonderen, auch literarisch wirksamen Loyalitätspflichten; Kallimachos beispielsweise verherrlichte den ptolemaeischen Minister Sosibios (fr. 384, Pfeiffer, Sieg des Sosibios). Der Dichter musste also Hof und Herrscher verherrlichen, unterhalten und einen Betrag leisten zu einer gebildeten und urbanen Atmosphäre bei Hofe; hellenistische Dichter, vor allem die literarisch gelehrten Dichter Alexandrias, strebten nach nichts so sehr, wie danach, „keine ausgetretenen Pfade zu wandeln“, wie es Kallimachos ähnlich metaphorisch zum Ausdruck bringt (fr. 1, 25 – 36, Pfeiffer). Kallimachos äußert sich so in einem Fragment seiner Aetia, einer Gedichtserie, die die Ursprünge von Institutionen, Kulten, Festen, Städten und so weiter behandelt: gelehrte Gedichte, die die Belesenheit und zugleich die Originalität ihres Autors zum Ausdruck bringen sollten. Den hellenistischen Dichtern lag nämlich, anders als ihren unbekümmerteren klassischen Vorgängern, ein schnell wachsender Bestand an Literatur und Tradition bereits vor. Diese galt es zu überschauen und gleichsam zu überwinden. Ein Gefühl des Überhandnehmens und der Unübersichtlichkeit der literarischen Tradition lässt sich bei ihnen zuweilen ausmachen, aber auch des Antagonismus, des Wettbewerbs und eines offen zur Schau getragenen Anspruches auf Individualität und Originalität. Als Teil seiner Tätigkeit als Bibliotheksvorsteher erarbeitete Kallimachos von Kyrene (1. Hälfte des 3. Jahrhunderts) zusammen mit einem großen Mitarbeiterstab die sogenannten pinakes, Verzeichnisse griechischer Literaten und ihrer Werke, die der Katalogisierung der Museumsbestände und der Übersicht über die griechische Literatur dienen sollten. Dafür waren die oft gleichnamigen griechischen Autoren voneinander zu unterscheiden, ihren Werken zuzuordnen und sie zeitlich und sachlich zueinander in ein Verhältnis zu setzen. All dies leisteten Kallimachos’ pinakes; sie bilden so einen wesentlichen Kern der griechischen Literaturwissenschaft: der Literatenbiographie, der Texterschließung und -kritik, des Textverstehens. Einen zweiten Kern gelehrten Umgangs mit der griechischen Literatur bildeten Vergleich und kritische Sichtung des Homertextes sowie die Kommentierung Homers (Zenodotos von Ephesos, Aristarchos, Aristophanes von Byzanz). Diese Arbeit gehörte seit den Anfängen von Museum und Bibliothek unter den ersten beiden Ptolemäern zu den Hauptaufgaben der dort tätigen Philologen. Bibliothek und Museum, in denen diese gelehrten Dichter arbeiteten, waren auf Anregung des Philosophen und athenischen Exilpolitikers Demetrios von Phaleron, eines aristotelischen Peripatetikers, eingerichtet worden. Dichtung und Wissenschaft wurden dort gemeinsam und von denselben Personen betrieben: Der erste Vorsteher des Museums, Philitas von Kos, repräsentiert auch als erster den für Alexandria charakteristischen Typus des gelehrten Dichters. Gemeinsam war all diesen Dichtern das Bewusstsein für die Überfülle des überkommenen literarischen Materials und der Wunsch, gegenüber dieser Tradition originell und schöpferisch zu wir-
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ken. Viele Anspielungen und spielerischer Umgang mit den Elementen der Tradition, dies zeichnet die gelehrte Dichtung der hellenistischen Höfe daher aus. Es gab neben Alexandria, der Hauptstadt des Ptolemäerreiches, auch andere Zentren der Literatur und der Dichtung: Pergamon mit seiner urbanen Atmosphäre, seiner Residenz und seinen Möglichkeiten für Literaten oder den Inselstaat Rhodos, wo Apollonios von Rhodos wirkte, der die Argonautensage, einen Mythos griechischer Mobilität bis zu den Grenzen der Welt, dichterisch gestaltete. Vielfach wurden in hellenistischer Zeit vor allem literarische Kleinformen gepflegt; das Werk des Apollonios, eines der Lehrer Ptolemaios’ III., stellt dagegen geographisches, ethnographisches und mythologisches Wissen in einen neu gestalteten traditionellen Rahmen. Auch wechselten einige der hellenistischen Dichter ihre Aufenthaltsorte: Apollonios etwa wirkte zunächst in Alexandria, dann in Rhodos. In Syrakus unterhielt Hieron einen produktiven Musenhof, und in Athen blühten Dichtung, Bildung, Wissenschaft und Literatur auch unabhängig von der Förderung durch Hof und Herrscher. Ein Charakteristikum der Zeit des Hellenimus bringt die sogenannte Neue Komödie zum Ausdruck, die Komödien Menanders (342/341 – 291/290 v. Chr.): Das private Leben der Bürger, nicht so sehr die Ausfüllung ihrer öffentlichen Funktion, bildet den Gegenstand des Spotts; weniger die Gemeinschaft der Bürger als vielmehr jeder Einzelne mit seinen typischen Eigenheiten und Verhaltensformen – etwa: der Schmeichler – ist Gegenstand dieses Theaters. Die Verirrungen und Verwicklungen von Affekten und Liebesbeziehungen beherrschen dessen Szene (Periciromene). Diese Konzentration auf das Einzelne und Persönliche anstelle des Allgemein-Öffentlichen und auf Impression und Gefühl statt der Einsicht teilt die neue Komödie mit der elegischen und epigrammatischen Dichtung des Hellenismus. c) Philosophie, Wissenschaft, Politische Theorie Philosophie und Ethik Einen Aufschwung für Wissenschaft und Forschung bedingten drei Prozesse: die griechische Expansion unter und nach Alexander, die Herausbildung großräumiger Monarchien und die enorm zunehmende Literarisierung des griechischen Lebens in hellenistischer Zeit, und das heißt auch: der griechischen Bildung. Diese Bildung wurde selbst zunehmend literarisch: Neben Sport und praktischen Fertigkeiten spielten Schreiben und Lesen als Mittel des Weltzuganges und der Weltbewältigung eine immer größere Rolle, literarische Kommunikation und schriftlicher Austausch von Wissen und Gedanken wurden nicht zuletzt deswegen wichtiger als in klassischer Zeit, weil die Welt griechischer Intellektueller nicht mehr die Welt eines Stadtstaates war, sondern sich erheblich vergrößert hatte, auch wenn Athen eines der bedeutendsten Zentren für Bildung, Literatur und Wissenschaft blieb. Diese Vergrößerung der politischen Welt der Griechen begünstigte und provozierte Vergleiche und förderte Prozesse der Theoretisierung und Verwissenschaftlichung. Die Entwicklung der Philosophie, politischen Theorie und der Fachwissenschaften beschleunigte sich daher erheblich in den hellenistischen Staaten im Vergleich zur klassischen Zeit.
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Die hellenistische Philosophie entwickelt sich zunächst als Schulphilosophie: Die großen Gründerhäupter der „klassischen“ Schulen hinterließen Musen-Kultvereine als Forschungs- und Lehreinrichtungen, die für die Forschungsstätten der hellenistischen Herrscher (Museion zu Alexandria) zu Vorbildern wurden. Platons Akademie und der Peripatos, den Theophrast in der Nachfolge des Aristoteles begründet hatte, bildeten derartige Kultvereine: Lebens- und Forschungsgemeinschaften, in denen neben internem Unterricht auch Lehrveranstaltungen für ein breiteres Publikum abgehalten wurden. Neben Schriften für jenen internen Forschungs- und Lehrbetrieb – die meisten der erhaltenen Schriften des Aristoteles und der Peripatetiker gehören in diese Kategorie – entstanden daher außerdem Schriften für den schulexternen Gebrauch, beispielsweise Dialoge. Die literarischen Formen der Philosophie vervielfältigten sich so. Neben der platonischen Akademie und dem aristotelischen Peripatos bestimmen zwei Schulen die hellenistische Philosophie: Stoa und Epikureismus. Fragen der Lebensführung stehen im Vordergrund ihrer Lehren. Diese praktische Philosophie – eine Pflichtenlehre im Falle der Stoa, eine Güterlehre im Epikureismus – ist durch komplexe Anthropologien, Naturphilosophien und Metaphysiken abgestützt. Im Falle der Stoa gründet die Naturlehre auf der Auffassung von ausgedehnten Körpern als einzig aktiven Teilen der Welt (im Unterschied zu Raum und Zeit) und auf der Überzeugung von aller Realität als einem Kontinuum. Innerhalb dieses Kontinuums können Sinneseindrücke zu wahrem Wissen, aber auch zu Täuschungen führen: Die Stoiker sind keine Empiristen; Chrysippos macht vielmehr eine Art transzendentaler Kausalüberlegung, die prolepsis (Antizipation), als Mittel zum Gewinn wahrer und die Komplexität der Welt reduzierender Einsicht aus. In der Fähigkeit zu solcher Einsicht unterscheidet sich zwar der Mensch von den Tieren, besitzt aber den Stoikern zufolge grundsätzliche materielle und immaterielle Gemeinsamkeiten mit den Tieren. Auch zwischen Tier und Mensch bestehen daher kontinuierliche Übergänge, und es ist ganz ähnlich wie bei Aristoteles die Betätigung des typisch Menschlichen, Rationalen, worin die Stoiker das wesentliche menschliche Lebensziel sehen; und da die Stoiker die Welt als durchwebt von Zusammenhängen und rationalen Beziehungen auffassen, liegt in der Erkenntnis des Weltlaufes und in der Einpassung in ihn die theoretische und zugleich praktische Rationalitätsaufgabe des Menschen. „In Übereinstimmung mit der Welt Leben“ nannte Zenon von Kition, der Gründer der Stoa (334/333 – 262/261 v. Chr.), in seiner für die Schule grundlegenden Schrift Über die Natur des Menschen diese Aufgabe, und spätere Stoiker haben Zenons Doktrin kontinuierlich ausgebaut zu einer auf Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Welt aufgebauten Ethik (Diog. Laert. VII 87 f.). Die stoische Pflichtenlehre kulminiert damit letztlich in einem Kalkül langfristig wohlüberlegter Präferenzentscheidungen (vgl. Sext. Emp., Adv. M. XI 64 – 67; Clem. Alex., Strom. IV 5,19 ff.) und der erziehenden Beeinflussung (Askese) der Affekte: Furcht, Begehren, Schmerzempfindung und Wohlgefühl. Panaitios (ca. 185 – 109 v. Chr.) hat diese Lehre schließlich individualisiert und auf die, gegebenenfalls miteinander in Konflikt geratenden Rollen bezogen, die der Einzelne im Leben übernimmt. In dieser Form hat die stoische Lehre römische Politiker und Literaten (Cicero) nachhaltig geprägt und beeinflusst.
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Diese stoische Ethik ist weniger dazu gedacht, Lebensführung und Lebensformen zu reformieren als zu einem reflektierten und gelingenden Leben anzuleiten. Die erheblichen theoretischen und praktischen Anstrengungen, die unternehmen muss, wer als stoischer Weiser sein Leben bedenken und meistern will, sind eine direkte Folge der Komplexität der hellenistischen Welt, in der nicht mehr die Rolle des Bürgers in einer griechischen Großpolis unbefragtes Leitbild eines gelingenden Lebens sein konnte. Die stoische Ethik in ihrer Komplexität antwortet so auf Anforderungen einer komplexer gewordenen Lebenswelt. Dies gilt für die andere große Schule der hellenistischen Lebenslehre, die Lehre Epikurs, ganz ähnlich; und auch wenn diese anders aufgebaut und begründet wurde, führte sie den Epikureer zu ähnlichen praktischen Konsequenzen wie den Stoiker. Epikur (342 – 271/270 v. Chr.) und seine Nachfolger aus der Schule des kepos (Garten) waren in physikalischer Hinsicht materialistische Atomisten im Sinne Demokrits und in erkenntnistheoretischer Hinsicht Empiristen. Aus dieser scheinbar modernen Konstellation folgen grundsätzliche Paradoxien des hellenistischen Epikureismus: Dieser muss zwischen den wahrnehmbaren Eigenschaften der makroskopischen und der mikroskopischen Welt wesentliche Unterschiede annehmen (so fehlen den Atomen sinnlich wahrnehmbare Eigenschaften wie Geschmack und Farbe), zugleich die Struktur der Atome und ihrer Kombinationen und Kollisionen für mikroskopische Ursachen alles makroskopisch Wahrnehmbaren halten und doch in der sinnlichen Wahrnehmung das wesentliche Kriterium gültiger Erkenntnis sehen. Menschliche Seele und menschliches Verhalten sind für den Atomisten zunächst einmal Funktionen atomarer Zustände. Sofern diese streng deterministisch wären und eindeutige kausale Beziehungen zwischen ihnen und dem menschlichen Verhalten bestünden, müsste der Atomist die Konsequenz ziehen, Determinist zu sein und Freiheit und Verantwortlichkeit weitgehend zu leugnen. Epikur ging es nun aber so wenig wie Zenon darum, den praktischen Alltagsverstand zu entwerten; vielmehr versuchten beide, dessen Vernünftigkeit und Gültigkeit philosophisch zu untermauern. Epikur setzt daher zwar Komplexität auf atomarer Ebene voraus, er rechnet aber mit der konditionierenden Wechselwirkung zwischen komplexen mikroskopischen Konstellationen einerseits sowie Praktiken und Gewohnheiten andererseits, um zu begründen, warum über das Faktum der Verantwortlichkeit für die eigene Lebensführung philosophisch im Allgemeinen – und nicht nur atomistisch im Einzelnen – gesprochen und entschieden werden müsse (Cic., De fat. 22). Als natürliches und zugleich legitimes Ziel praktischen Entscheidens gilt dabei die Lebensfreude (hedone). Diese begründet nun aber keinen philosophischen Egoismus oder Amoralismus; im Gegenteil: So sehr die stoische Ethik auf ein langfristiges Kalkül der Präferenzen hinausläuft, so sehr lehrt Epikur eine langfristige, wohlverstandene und bescheidene Sorge um die Lebensfreude, gerade nicht einen momentbezogenen Hedonismus. Glück und Unerschüttertheit sind sowohl epikuräische wie auch stoische Lebensziele, die der Epikureer allerdings deutlicher als der Stoiker auch aus dem körperlichen Wohlbefinden folgen lässt. Was Epikur allerdings von den übrigen philosophischen Schulen in der Nachfolge des Sokrates unterscheidet, ist der nur relative Wert, den er intellektueller Bildung und akademischer Leistung zumisst: Von der techni-
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schen und intellektuellen Raffinesse des hellenistischen Bildungsbetriebes und der Hofkultur distanzierte sich der Epikureismus; sein Bildungskanon beschränkte sich auf einen zureichenden Kern für ein Leben im Einzelnen. Von der Verantwortung für die Welt im Großen hält sich der kluge Epikureer fern; stattdessen beschränkt er seine Ambitionen auf das Alltägliche und Übliche, pflegt soziale Beziehungen und Freundschaften, und alle Tugenden und Pflichten, alle Institutionen und geltenden Regeln betrachtet der Epikureer als Mittel zur Verwirklichung dieses Glückes im Kleinen.
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Epikureisches Güterkalkül (Epikur, Epistula ad Menoeceum, G. Arrighetti, Epicuro. Opere, Torino 21973, 107 – 117, §§ 122 – 132) Epikur grüßt Menoikeus. Weder soll, wer jung ist, zögern, mit dem Philosophieren zu beginnen, noch soll, wer alt ist, damit aufhören. Denn für niemanden ist es zu früh oder zu spät, für seine Seelengesundheit zu sorgen. Wer behauptet, die Stunde des Philosophierens sei für ihn noch nicht da oder bereits wieder entschwunden, gleicht demjenigen, der sagt, die Zeit für die Glückseligkeit sei noch nicht oder nicht mehr da. Das heißt: Es ist zu philosophieren, und zwar für jung und alt, damit der eine im Alter jung bleibe aufgrund der Güter, die ihm die Gunst der Umstände überlässt, der andere aber zugleich jung und gereift sei aufgrund seiner Furchtlosigkeit gegenüber dem, was kommt. Man soll sich also für die Glückseligkeit einsetzen, weil wir, wenn wir sie besitzen, alles haben, bei ihrer Abwesenheit aber alles tun, um sie zu besitzen … Als Erstes setze voraus, dass Gott ein unvergängliches und glückliches Lebewesen sei, wie es der allgemein verbreitete Gottesbegriff bekennt, und dichte ihm nichts an, was im Widerspruch zu seiner Unvergänglichkeit steht oder unvereinbar mit seiner Glückseligkeit ist … Es gibt also Götter, und diese Erkenntnis ist selbstevident. Sie sind aber nicht so, wie die populäre Meinung sie sich vorstellt, denn populäre Gottesbegriffe sind nicht konsistent … Die Aussagen der Mehrheit über die Götter beruhen nämlich nicht auf begrifflicher Deduktion, sondern auf falschen Hypothesen. Daher lässt man den größten Übeltätern Böses von den Göttern zugefügt werden und den Guten Wohltaten … Gewöhne Dir auch die Auffassung an, dass der Tod für uns keine Bedeutung hat. Alles Gute und Schlechte liegt nämlich in einer Empfindung. Der Tod aber ist die Privation der Empfindung. Daher macht die richtige Einsicht in die Bedeutungslosigkeit des Todes für uns die Sterblichkeit des Lebens erst zu einem Grund des Wohlbefindens, indem sie uns nicht eine unbegrenzte Zeit danach anbietet, sondern uns den Wunsch nach Unsterblichkeit nimmt. Das Leben hat nämlich für denjenigen nichts Schreckliches, der eingesehen hat, dass im Nichtleben nichts Schreckliches liegt… Man sollte sich auch merken, dass die Zukunft für uns weder gänzlich verfügbar, noch unverfügbar ist, damit wir die Zukunft weder als gänzlich gewiss ansehen noch die Hoffnung gänzlich aufgeben, weil deren Inhalt vermeintlich doch nicht eintritt. Man sollte auch daran denken, dass von den Begierden einige natürlich sind, andere nichtig, und von den natürlichen die einen notwendig, die anderen nur dem Naturlauf entsprechen. Von den notwendigen wiederum sind die einen notwendig zur Glückseligkeit, andere zur Vermeidung körperlichen Unwohlseins, wiederum andere für das Leben selbst. Eine fehlerfreie Theorie aller dieser Faktoren setzt uns in die Lage, jedes Tund oder Unterlassen in die korrekte Beziehung zu setzen mit unserer körperli-
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chen Gesundheit und mit der Unerschütterlichkeit unserer Seele, weil darin das Ziel des glücklichen Lebens liegt. Wir tun nämlich alles nur um des Zieles willen, Schmerzempfindung und seelischen Schrecken zu vermeiden. Und wir halten auch die Selbstgenügsamkeit für ein großes Gut, nicht um unter allen Umständen mit Kleinigkeiten zufrieden zu sein, sondern damit wir, wenn wir nicht Fülle und Überfluss genießen, uns mit dem Wenigen zufrieden geben, weil wir zutreffend meinen, dass diejenigen die Fülle am intensivsten genießen, die ihrer am wenigsten bedürfen, und dass alle materiellen Güter vergleichsweise leicht zu beschaffen sind, alles Nichtige aber schwer. Eine karge Mahlzeit bietet nämlich denselben Lustgewinn wie eine große Tafel, wenn der Hungerschmerz verschwunden ist, und Fladenbrot und Wasser vermitteln vollkommene Befriedigung, wenn ein wirklich Bedürftiger sie genießt … Für alles dies ist das Prinzip und das größte Gut die vernünftige Urteilskraft. Daher ist die Urteilskraft auch höher zu bewerten als die Philosophie selbst; aus ihr folgen alle anderen Tugenden, indem sie lehrt, dass ein lustvolles Leben nicht möglich ist, ohne ein selbstbeherrschtes, sittliches und gerechtes Leben, und ein selbstbeherrschtes, sittliches und gerechtes Leben nicht ohne ein lustvolles …
Der von Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) und seinem Schüler Theophrast (~ 371 – 287/6 v. Chr.) begründete Peripatos beim Lykeion in Athen wurde zum Träger der wohl fruchtbarsten wissenschaftlichen Forschungen während der folgenden Jahrhunderte. Für diese Forschungen wurden zwei Anregungen besonders wirksam: Aristoteles’ Auseinandersetzung mit dem Idealismus seines Lehrers Platon und Aristoteles’ Herkunft aus einer nordgriechischen Ärztefamilie, die als Hofärzte enge Beziehungen nach Makedonien hatten; Aristoteles selbst wirkte als Erzieher am Makedonenhof unter Philipp II. In Auseinandersetzung mit Platon entwickelte der Peripatos seine Logik und Wissenschaftslehre, aber auch seine praktische Philosophie; nicht zuletzt Aristoteles’ Beeinflussung durch die Medizin ist es zu verdanken, dass der Peripatos auf den Wert der Empirie, auf Beobachtung, Materialsammlung und -erschließung insistiert. Zu den Fernwirkungen dieser Forschungsorientierung des Peripatos gehörte die Gründung des Museions von Alexandria auf Anregung des Demetrios von Phaleron, eines ehemaligen Mitglieds dieser Philosophenschule. Eher eine Nachwirkung der aristotelischen Forschungen war deren Fortsetzung in ihrer ganzen Breite durch die Nachfolger in der Schule und insbesondere durch Aristoteles’ Schüler Theophrast. Im Peripatos und in der Folge im Museion in Alexandria wirkten nach diesem Vorbild lange Zeit vielseitige Lehrer und Forscher: Universalgelehrte, die in der Regel die praktische ebenso wie die theoretische Philosophie, Naturwissenschaften und Altertumskunde behandelten. Die älteste dieser Philosophenschulen, die platonische Akademie, kultivierte in hellenistischer Zeit zwei miteinander zusammenhängende, von Platon aufgenommene Denktraditionen: Zahlenspekulationen in der Nachfolge der Pythagoreer Unteritaliens und Platons Skeptizismus gegenüber dem Wert sinnlicher Gewissheit. Vor allem die sogenannte Mittlere Akademie im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. unter Arkesilaos von Pitane und Karneades suchte weitgehend auf eine Schuldogmatik zu verzichten und
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machte das dialogische Prüfen jedes denkbaren Lehrsatzes zum Inhalt ihres Lehrens und ihres Forschens. Wie die übrigen Schulen auch, so nahm aber die Akademie im Laufe der Zeit An- und Einsichten der anderen philosophischen Einrichtungen auf: Die Philosophie des Späthellenismus prägt ein Zug zum eklektischen Denken, zum Aufbau nicht unbedingt konsequent strukturierter, sondern für das praktische Leben geeigneter Lehrgebäude. In dieser Form, als Mischung verschiedener theoretischer und praktischer Lehren, wurden die hellenistischen Philosophien von der römischen Führungsschicht (Nobilität) der späten Republik wahr- und aufgenommen. Cicero stellt ein gutes Beispiel dar für diese Prägung römischer nobiles durch ganz heterogene philosophische Bildungsinhalte. Die philosophischen politischen Theorien orientierten sich auch in hellenistischer Zeit noch daran, dass das griechische Leben im Wesentlichen innerhalb kleinräumiger Gemeindestaaten verlief (siehe unten). Politische Theorie blieb in vielerlei Hinsicht Theorie des Stadtstaates. Theorien monarchischer Regierungsformen wurden formuliert – etwa im Rahmen peripatetischer politischer Theorie – , aber der monarchische Flächenstaat des Hellenismus wurde nicht als neues, von den Polisstaaten klassischer Zeit verschiedenes Phänomen wahrgenommen. Eher sah man die Monarchen als einen Typ von Akteuren auf gleicher Ebene zusammen mit Stadtstaaten und föderalen politischen Gebilden (Polybios VII 9,5; XXX 19,15; XXXVIII 22,2). Dass sich der monarchisch verfasste Flächenstaat in Griechenland als eine Herrschaftsform unter anderen etabliert hatte, setzt so zwar bereits Aristoteles’ Politik voraus; dass sich die hellenistischen Monarchen aber als Herrscher über ausgedehnte, zuvor kleinstaatlich geprägte oder neu eroberte Territorien etablierten, wurde kaum theoretisch reflektiert. In größerer Zahl dagegen wurden philosophisch-pädagogische Schriften über die richtige Erziehung des Monarchen verfasst (sogenannte Fürstenspiegel, Peri Basileias: Über Königsherrschaft). Oft entstanden diese Werke über das Leitbild des guten Königs und über die Legitimität und Stabilität monarchischer Herrschaft im Rahmen der Tätigkeit ihres Verfassers als Prinzenerzieher bei Hof. Euphantos von Olynth schrieb einen solchen Fürstenspiegel, Persaios von Kition, Xenokrates, Theophrast, Straton von Lampsakos, Zenon, Kleanthes und Sphairos, und weniger aus einem praktischen Antrieb heraus behandelten das Thema Epikur, Aristoteles und Theophrast. Mitglieder vieler der großen hellenistischen Philosophenschulen schrieben also derartige Fürstenspiegel, von denen jedoch nur Bruchstücke erhalten sind. Diese belegen nicht das absolute Desinteresse der politischen Theorie an der Monarchie, sondern, dass die Herausbildung der hellenistischen Königsherrschaften auch die Bedingungen der Kommunikation und Reflexion über die politische Ordnung geändert hat: Über die Königsherrschaft wurde weniger in der Öffentlichkeit einer Gemeinde oder philosophischen Schule verhandelt als zwischen dem Intellektuellen und den Persönlichkeiten des Hofes. Das politische Denken des Hellenismus äußerte sich auch in utopischen Entwürfen idealer Lebens- und Herrschaftsformen wie den romanartigen Schriften des Iambulos über eine von der Sonne verwöhnte Inselgesellschaft, des Hekataios von Abdera (4./3. Jahrhundert v. Chr.), der Ägypten und seine Zivilisation pries, und des Euhemeros (4./3. Jahrhundert v. Chr.), dessen Götterlehre das Resultat einer Auseinandersetzung mit dem Phäno-
Wissenschaft, Technik, Kultur und Literatur
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men überragender Menschen und Herrscher in frühhellenistischer Zeit darstellt: So wie zahlreiche der Herrscher als Götter verehrt und als Erlöser gepriesen wurden, so erklärte Euhemeros umgekehrt die griechischen Götter grundsätzlich als Sterbliche, die aufgrund ihrer außerordentlichen Leistungen von den Menschen kultisch verehrt würden. Politische Theorien und die Wertvorstellungen der sich durch die Ausbreitung der Monarchien rasch und nachhaltig wandelnden griechischen Welt brachten auch die zahlreichen Denkschriften zum Ausdruck und als Denkschriften verbreitete Reden: Die griechische Welt des Hellenismus war großräumiger als die der klassischen Zeit, und die Kommunikation in ihr, auch über politische Fragen, vollzog sich daher in größerem Umfag als in der kleinräumigeren Welt der klassischen Zeit auf schriftlichem Wege. Bereits im 4. Jahrhundert richtete Isokrates Denkschriften an Philipp II. und an Stadtmonarchen auf der Insel Zypern. Der Historiograph Theopomp und Mitglieder der platonischen Akademie richteten Denkschriften und politische Pamphlete an den Makedonenkönig. Hellenistische Theorien des Königtums Als in der griechischen Welt politische Theorien formuliert wurden, stellte das Königtum eine Ausnahme dar. Zwar hat es seit Herodots Vergleich der Herrschaftsformen nach der Zahl der Herrschenden (Herod. III 80 – 82: Monarchie, Oligarchie, Demokratie) verschiedene Versuche einer theoretischen Erfassung der Monarchie, ihrer Legitimitätsgrundlagen und ihrer Regierungsform, gegeben: Xenophon diskutierte das Wesen legitimer Herrschaft am Beispiel der Monarchie des persischen Großkönigs (Xenoph., Cyropaedia), Isokrates setzte sich theoretisch mit der Monarchie in mehreren Schriften auseinander, die er teilweise an Monarchen richtete: die Stadtkönige von Salamis auf Zypern und Dionysios I. von Syrakus sowie die Herrscher Makedoniens (Isocrat., orr. 2; 3; 9; 5; epist. 1; 2; 3). Aristoteles interpretiert in seiner Politik (1284b 35 ff.; 1310a 39 ff.) die Monarchie als Militärherrschaft. Im Zentrum der griechischen politischen Theorie und ihrer Wirkungsgeschichte aber blieb die Theorie des Gemeindestaates, der Polis, nicht die Territorialmonarchie. Erst als das Königtum in hellenistischer Zeit zur wirkmächtigsten politischen Ordung der griechischen Welt geworden war, widmete sich auch die politisch-theoretische Literatur mit besonderem Nachdruck dieser Regierungsform. Traktate peri basileias (Über das Königtum) wurden verfasst. Epikurs (342/1 – 271/0 v. Chr.) Empfehlung an die Könige, auch beim festlichen Mahl sich eher mit Militärtheorie zu befassen als mit Musik und Dichtung (Epikur fr. 9 ed. Arrighetti = Plut., Contra Ep. beat. 1095c7 – d2) zeigt, dass weniger die kultivierende oder zivilisierende Wirkung als vielmehr die Militärherrschaft des Königs im Vordergrund dieser Monarchietheorien stand. Eine ähnliche Position hatte einer der Hofintellektuellen Alexanders bereits formuliert: Gemessen an den Bedürfnissen militärischen Kommandierens und der Ökonomie des Herrschens gebe es eine Nützlichkeitsgrenze für die Bildung des Herrschers (Clem. Alex., Stromata I 36; Aelian., Var. Hist. IV 14). Gegenüber dieser Deutung des Königtums als organisierte Gewalt tritt die konkurrierende Deutung der Monarchie durch Aristoteles – der Monarch als personifiziertes Gesetz (Arist., Politik 1284a13) – bis in die römi-
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Verhältnisse: Strukturen
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sche Kaiserzeit hinein zurück, auch wenn die Interpretation des Königs als eines beseelten Gesetzes (nomos empsychos) bereits im 3. oder 2. Jahrhundert v. Chr. in Intellektuellenzirkeln ventiliert wurde; man vergleiche die spätantike Anthologie des Johannes Stobaeus, die dafür pythagoreische Philosophen zitiert, möglicherweise aber bereits solche aus der römischen Kaiserzeit (Stob., Anth. IV 1,135; 7,61). Eine Frage, die die hellenistische politische Theorie der Monarchie bestimmte, war die nach der Legitimität expansiver Königsherrschaft. Eine fälschlich unter dem Namen des Aristoteles überlieferte Schrift über die Monarchie rechtfertigt die Gewalt des Herrschers als Ordnungsfaktor, sofern sie nicht als absolute und tyrannische Gewalt eines Einzelnen ausgeübt werde (Cic., Ad Attic. XII 40). Zwischen diesen beiden Polen – Legitimität der ordnenden Gewalt und Illegitimität aboluter Alleinherrschaft – steht die hellenistische Theorie des Königtums. Die Figur Alexanders wurde daher für die Beurteilung der Herrscher in hellenistischer Zeit zum einen das Muster ausschweifenden Herrscherlebens, zum anderen das Urbild des guten, reflektierten und gebildeten Königs (Onesikritos FGrHist. 134). Für Asoka, den Herrscher des indischen Maurya-Reiches nach 261 v. Chr., bedeutet dharma eusébeia und ist eine Eigenschaft gelingenden Königtums; als dessen Ziel gilt Expansion, als Voraussetzung dafür aber Einheit und Legitimität (G. Pfohl, Inschriften als Zeugnisse des privaten und öffentlichen Lebens, Zürich, München 21980, Nr. 111). Die von Platon im Staat aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis von Macht, Gerechtigkeit und Recht beantwortete Hekataios von Abdera (vor 285 v. Chr.) für die Herrschaft der Ptolemäer in Ägypten (FGrHist. 264): Er sieht in ihr eine Realisierung des platonischen Ideals einer Einheit von Macht und Recht; Ägypten schildert er als ständestaatlich-funktional gegliedertes und durch die Macht des Königs harmonisch stabilisiertes System. Diese Vorstellung folgt der bis auf Herodot zurückgehenden Bewunderung der Griechen für Alter und Ehrwürdigkeit Ägyptens und dürfte literarischen Einfluss genommen haben auf Diodors Darstellung Ägyptens im ersten Buch seiner Bibliothek über Ägypten. Zwar beherrschte, wie gesagt (siehe oben), die Perspektive des kleinen griechischen Stadtstaates die griechische Staatstheorie, doch gab es, wie man sieht, Ansätze zu deren Überwindung in der praktischen Philosophie: die universalistische Weltbürgeridee und das Kosmosdenken der Stoiker, die von den Annehmlichkeitsbedürfnissen des Individuums her und an dessen Vergemeinschaftung denkenden Epikureer oder der Indivualismus von Megarikern und Kynikern. Alle diese Entwürfe sahen die Menschen nicht nur und ohne weiteres als Stadtbürger, sondern auch als Mitglieder universellerer Gemeinschaften. Die sich hier andeutende Spannung zwischen Individualismus und Weltbürgeridee schufen Raum für literarische Utopien: Euhemeros (Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr.) beschrieb ein angeblich von ihm aufgefundenes Grundgesetz, demzufolge Könige ein Leben in naturnaher Genügsamkeit verordneten (Diodor V 41 – 46; VI 1). So wie der utopische Kommunismus des Iambulos (Diodor II 55 – 60) weist diese Utopie über den Stadtstaat hinaus; der König wird in einem Teil der Theorie wie der Utopie als derjenige Akteur bestimmt, dessen Macht die Ordnung eines über den städtischen Rahmen hinausweisenden Lebens garantiert.
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Wissenschaft, Technik, Kultur und Literatur
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d) Technik und Technologie Eine auffällige Besonderheit der hellenistischen Zeit und nicht zuletzt ein Resultat der Fähigkeit der großen hellenistischen Staaten zur Konzentration von Menschen und Material war das enorme wissenschaftlich-technische Niveau, das in einigen Bereichen erreicht wurde: In der Medizin, im Kriegsmaschinenbau, aber auch im Bereich der öffentlichen Infrastruktur, namentlich der Be- und Entwässerung, sowie in der Bau- und Schiffbautechnik wurden erhebliche Fortschritte erreicht. Möglich wurden diese auch durch die Vergrößerung des durch die Griechen bestimmten Wirtschaftsraumes und durch das Zusammenströmen einer zuvor ungekannten Vielfalt an Wissen. Dass aus diesem Wissen technisches Können wurde, bedingten die Ausweitung der griechischen Welt ebenso wie deren Entwicklungsschübe, vor allem aber die besonderen Fähigkeiten, die die hellenistischen Monarchien bei der Konzentration von Material, Personal und Finanzmitteln besaßen und bei der Mobilisierung dieser Ressourcen für die Entwicklung des Landes, die Bewältigung großer Risiken und die Führung ausgedehnter Kriege. Zu den Voraussetzungen für die Blüte von Technik und Technologie gehören aber auch theoretische Entwicklungen: Die Herausbildung und Literarisierung der Philosophie in Griechenland, die Schulbildung der Pythagoreer, die Entstehung wissenschaftlicher Einrichtungen wie der platonischen Akademie und des Peripatos in Athen und vor allem die empirisch-wissenschaftliche Ausrichtung des Letzteren schufen die Voraussetzungen dafür, dass in spätklassischer und frühhellenistischer Zeit eine Wissenschaft der Mechanik entstehen konnte. So entwickelte sich die Lehre von den einfachen mechanischen Maschinen, von komplexen Unterhaltungsautomaten, von Wurfgeschützen, Kriegsmaschinen und Baukränen sowie die Lehre des Festungs- und Hafenbaus und der Konstruktion von Anschauungsmaterial für Experimente zur Frage des Vakuums. Eines der Felder, auf denen am raschesten aus Erfindungen Innovationen wurden, war die Kriegführung, und die technischen Entwicklungen auf dem Gebiet vor allem des Festungskrieges veränderten die politischen Realitäten und Gewichtsverhältnisse nachhaltig. Philipp II. und Alexander verfügten über hinreichend Finanzen und Personal, um die aufwendige Art des Belagerns in den Ägäisraum einzuführen, den der Tyrann von Syrakus, Dionysios I., in der Auseinandersetzung mit den Karthagern entwickelt hatte. Um über das aufwendige und lang dauernde Einmauern und Aushungern der karthagischen Festungen im Westen Siziliens hinaus zu einer aktiven Entfestigung und Erstürmung zu kommen, stellte er erstmals das für die Angriffe hellenistischer Monarchen auf befestigte Städte charakteristische Ensemble zusammen: die Befestigungsmauern überragende, bewegliche Belagerungstürme, Rammböcke, um die Stadtmauer zu zerstören, Wurfgeschütze nach der Art einer überdimensionalen Armbrust, um die Besatzung der Mauer zu vertreiben und deren Deckung zu beschädigen; außerdem setzte man Mineure ein, Brandmittel und von Fall zu Fall noch weitere Methoden. Größe und Zusammenspiel der neuen Waffen – insbesondere der zerstörerischen Wurfgeschütze – wurden in hellenistischer Zeit immer weiter entwickelt mit dem Ziel, diese Geräte geplant skalierbar zu machen. Dafür unterstützten die Ptolemäer wie die pergamenischen Monarchen Techniker und Me-
Militärtechnik
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chaniker, die schließlich lernten, alle Größen eines Torsionsgeschützes als Vielfache oder Teile seines Federdurchmessers zu bestimmen.
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Bitons Denkschrift über den Bau von Katapulten für Attalos I. (E. W. Marsden, Greek and Roman Artillery II: Technical Treatises, Oxford 1971, 68 – 76) Wir haben unsere Aufmerksamkeit darauf gerichtet, über die Anfertigung einer Steinschleudermaschine zu schreiben, König Attalos, und Du solltest nicht darüber spotten, wenn sich auch einige andere Geräte, die zum selben Thema gehören, hier finden. Ich bin überzeugt, dass Du mit deren Hilfe die Steinschleudern und die mit diesen zusammenhängenden Waffen der Feinde leicht unwirksam machen wirst, wenn Du gegen sie mit den hier unten beschriebenen Methoden zu Felde ziehst. Versuche also, Dich wissenschaftlichen Sachverstandes zu bedienen. Es ist nämlich nötig, dass man sowohl von den Maßangaben wie auch den Verhältniszahlen der Baupläne ausgeht. Versuche, das, was aus Holz angefertigt werden muss, aus trockenem Holz … Das, wovon wir glaubten, dass es für Deine Zwecke besonders geeignet sei, haben wir beschrieben. Wir sind überzeugt, dass Du aufgrund der Prinzip-Baupläne ähnliche Konstruktionen anfertigen wirst. Lass Dich nicht davon verwirren, dass wir feste Maßangaben verwendet haben; es ist überhaupt nicht nötig, dass Du exakt dieselben Maße verwendest. Denn wenn Du ein Gerät größer konstruieren willst, mache es, und ebenso, wenn Du es kleiner bauen möchtest. Versuche nur, die Verhältnisgrößen zu bewahren. Baupläne und Maßangaben sind beigegeben.
Neben diesen militärischen Erfordernissen waren es solche von Landwirtschaft und Transport, die wohl die beeindruckendsten technischen Leistungen hervorbrachten: Große Be- und Entwässerungsanlagen mussten in für die Griechen ungewohnten Räumen geplant und gebaut werden, und insbesondere Ägypten stellte die Neusiedler vor besondere Probleme. Hier gelang ptolemäischen Wasserbauingenieuren die Urbarmachung des Fayum, eines zunächst sumpfigen, schließlich aber besonders fruchtbaren Landes, auf dem die Ptolemäer Dienstgüter anlegen ließen. Große, luxuriöse oder militärisch nutzbare Schiffe wurden gebaut, vor allem aber großartige Hafen- und Stadtanlagen (Alexandria, Pergamon): Förderung und Forderung architektonischer Leistungen insbesondere durch die monarchischen Herrscher führten zu einer enormen Blüte der Techniken. Dies wurde begleitet von einem Aufschwung auch der Technologien: Umfang und Qualität technischer Literatur wie technischen Wissens nahmen erheblich zu. Auch dafür boten die neuen Monarchien den geeigneten Rahmen: Biton schrieb für Attalos I. ein Werk über Kriegsmaschinen, Philon von Byzanz verfasste erstmals systematische Lehrschriften über alle Gebiete der angewandten Mechanik. In Alexandria florierte die Medizin; dort brachten Herophilos und Erasistratos Anatomie und anatomische Literatur auf ein neues Niveau.
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Religion und Lebensformen
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5. Religion und Lebensformen a) Kulte und Religionen: Pluralismus und Hellenisierung Pluralität von Kulten, Religionen und Kulturen Alexander der Große marschierte 332 v. Chr. zum Orakelheiligtum des Zeus-Ammon in der Oase Šiwa, um sich dort als Sohn des höchsten ägyptischen und zugleich griechischen Gottes empfangen zu lassen. Alexanders hellenistische Nachfolger in der Rolle des Königs ahmten ihr großes Vorbild dann auch darin nach, dass sie nichtgriechische Kulte förderten, für sich selbst einen Platz in der Weltordnung dieser Kulte beanspruchten und auf diese Weise die Kulte zu einer Stütze ihrer Legitimität machten. In erster Linie richtete sich diese Indienstnahme bestehender Kulte an Nichtgriechen. Gleichzeitig aber entstanden in Griechenland selbst seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert Kulte der lebenden Herrscher: Das übergroße Machtgefälle zwischen Herrscher und Untertanen wurde kultisch überhöht, der Herrscher als nützende oder auch schadende Macht verehrt und gefürchtet. Im späten Hellenismus kultivierten hellenisierte Monarchien am Rande der griechischen Welt dann besonders aufwendige Formen der Herrscherverehrung, die als Herrscherkult ein einigendes Band zwischen den kulturell und kultisch heterogenen Gesellschaften ihrer Territorien knüpfen sollten. Dabei prägten sich in den Reichen der Seleukiden wie der Ptolemäer bei allen Unterschieden im Einzelnen ganz ähnliche Formen der literarischen Vermittlung zwischen den indigenen Kulten und der neuen griechisch-makedonischen Oberschicht heraus: Angehörige der einheimischen, des Griechischen mächtigen und mit den Kultüberlieferungen vertrauten Eliten trugen in griechischer Sprache die Überlieferungen zusammen, die sich auf den Umgang der Menschen mit ihren Göttern und mit ihrer Vergangenheit bezogen: Kultüberlieferungen, Herrscherlisten, historische Ereignisse, Elemente der Rechtsordnung (im Seleukidenreich: Berossos von Babylon; im Ptolemäerreich: Manetho von Sebennytos). Für die altorientalische beziehungsweise altägyptische Geschichte und Chronologie bilden nur fragmentarisch überlieferte Werke dieser beiden hellenistischen Literaten, die auf Griechisch für ein zunächst griechisches Publikum die nichtgriechischen Überlieferungen aufarbeiteten, bis heute das Grundgerüst, weil die christliche Weltgeschichte der Spätantike (Eusebius) sie als Orientierungsrahmen für die Geschichte der altorientalischen Welt nahm. Manetho von Sebennytos war als priesterlicher Sachverständiger mitbeteiligt an dem Versuch der ptolemäischen Führung unter Ptolemaios I., einen neuen, einheitlichen, griechisch-ägyptischen Mischkult zu schaffen, den Reichskult des Sarapis. Manetho schrieb die Geschichte der ägyptischen Herrscher und Dynastien von der Zeit der Götter und Heroen bis Dareios, also bis unmittelbar vor der Eroberung durch die Makedonen. Seine Geschichte der Dynastien spannte so die menschlichen Herrscher in ein Kontinuum ein, das zu den Göttern zurück und bis in die Gegenwart hineinreichte. Dieser Alter, Legitimität und Wert Ägyptens wie seiner Herrscher unterstreichende Entwurf bestimmt noch unser modernes Bild des alten
Einheimische Kulte und griechischmakedonische Herrschaft
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Ägypten. Berossos war offenbar Priester des babylonischen BÞl; sein Ziel war es anscheinend, in ganz ähnlicher Weise wie Manetho die kultischpolitische Integration der Griechen und eines Teils der einheimischen Eliten literarisch abzustützen und zugleich die Herrschaft der Seleukiden in eine Kontinuität zu stellen, die bis zu Nabupolassar und Nebukadnezar zurückreichte. Alter und Kontinuität der Herrschaft begründeten immer auch deren Legitimität, gegebenenfalls sogar Ansprüche auf Weltherrschaft. Die Projekte beider Autoren stehen wahrscheinlich im ideologischen Zusammenhang der politischen und militärischen Konkurrenz der Seleukiden und Ptolemäer um die Herrschaft nicht nur in Syrien, sondern um die Nachfolge Alexanders des Großen und um den Anspruch auf Weltherrschaft. Beide Dynastien bemühten sich deshalb auch um ihr Verhältnis zu den einheimischen Kulten und deren Trägern und suchten diese zu fördern und an sich zu binden, indem sie Tempel wiederaufbauten, Kultvereinigungen und die Priesterschicht förderten, ihre Aktivitäten regelten, um Anerkennung und Unterstützung durch die Priesterschaft zu erhalten. Dies erreichten Seleukos und Antiochos dadurch, dass sie den Wiederaufbau und den Kult des babylonischen Tempels unterstützten; die Ptolemäer entwickelten eine regelrechte Kultpolitik und organisierten einheimische wie griechische Kulte in einer Weise parallel und straff, dass man von einer „Kirche“ gesprochen hat (Huß). Im Ptolemäerreich führten die Bestrebungen der großen Dynastien, ihre Herrschaft kultisch-ideologisch abzusichern und diese Absicherung institutionell zu verankern, 238 v. Chr. dazu, dass eine Zusammenkunft der Priester und Kultfunktionäre der großen Kulte des Reiches abgehalten wurde, die in aller Form der herrschenden Dynastie attestierte, sich um die Kulte Ägyptens, die Sicherheit des Landes sowie Leben und Wohlergehen seiner Bewohner und deren Versorgung aufs Höchste verdient gemacht zu haben. Dafür würden, so die Priester, die Götter die Ptolemäer auf ewig belohnen. Die Priester beschlossen, den Herrschern, Göttern und Wohltätern des Reiches, die allerhöchsten Ehren in allen Tempeln zukommen zu lassen, und ebenso ihren Vorgängern und Vorfahren. Zugleich wurde der Kult der Herrschergötter zur Aufgabe aller Priester des Landes erklärt, deren familiäre und professionelle Ordnung das auf der Synode beschlossene Dekret detailliert regelte: in Vorschriften über die Zusammensetzung der Priesterschaft, die Erblichkeit von Priesterstand und -gruppenzugehörigkeit, Kultbilder und Feste der Götter – zu denen die regierenden Könige und deren Familienangehörige gehörten. Das sogenannte Kanoposdekret (OGIS 56 A – D; A. Bernand, La Prose sur pierre dans l’Égypte hellénistique et romaine, Paris 1992, 8 – 9; J. G. Milne, Greek Inscriptions, Oxford 1905, 5,22187) organisierte so das religiöse Leben in Ägypten, verband alle seine disparaten Kulte miteinander, vor allem mit dem Königshaus. Dabei konnten sich die Dynasten auf die in der Welt der griechischen Stadtstaaten verbreitete, wenn auch politisch und philosophisch kritisierte Erwartung stützen, dass Menschen mit besonderen Eigenschaften und außerordentlicher Macht wie Götter agieren und Gutes wie Schlechtes bewirken könnten. Die olympischen Götter dagegen stellte man sich umgekehrt wie Menschen vor, mit all ihren moralischen Schwächen, aber auch Grenzen der Fähigkeit. Und so konnten, nachdem Demetrios Polioketes die Stadt
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Religion und Lebensformen eingenommen und den von Kassander gestützten starken Mann der Stadt, Demetrios von Phaleron, ins Exil getrieben hatte, die Athener Lieder singen, in dem sie den gegenwärtigen Mächtigen den fernen Göttern nicht nur an die Seite stellten, sondern sogar vorzogen. Dies berichtet der Athener Lokalhistoriker Demochares und kritisiert es als „Schmeichelei“: Man habe gesungen, Demetrios „sei der einzige wirkliche Gott; die anderen Götter schlafen entweder oder sind abwesend, oder es gibt sie gar nicht; Demetrios aber stamme von Aphrodite und Poseidon ab; er hebe sich ab von allen durch seine körperliche Schönheit, und er wende sich allen zu mit seinem Wohlwollen“ (Athenaeus, Deipnosophistae VI 62 [253c – d]). Aus der Sicht der militärisch-politisch schwächeren Städte sind die Mächtigen die besseren Götter, denn sie sind immerhin da. Derartige Erwartungen an den Herrscher als soter (Retter), euergetes (Wohltäter) oder, ganz militärisch, poliorketes (Eroberer) ließen sich kultivieren und ihre Erfüllung zur Legitimierung der Herrschaft ideologisch nutzen. Es ist daher kein Zufall, dass nach Vorläufern unter Philipp II. und Alexander dem Großen der Hellenismus die Zeit des Herrscherkultes ist: in den Städten wie in Athen, organisiert durch dem Herrscher nahestehende Eliten als Reichskult oder durch Private. Nachdem die Stadt Rhodos erfolgreich 305 – 304 die Belagerung durch Demetrios Poliorketes abgewehrt hatte, dankte sie ihrem wirksamsten Helfer in dieser Zeit, Ptolemaios I., indem sie einen Kult für den König einrichtete. Ein besonders anschauliches Beispiel für die späthellenistische Ausprägung des Herrscherkultes bietet das römische Klientelfürstentum von Kommagene in Ostkleinasien. Hier ließ sich König Antiochos I. von Kommagene als Theos (Gott) verehren und richtete für die herrschende Dynastie mit hohem Aufwand einen Kult ein, der Elemente des iranischen Mazdaismus mit solchen des griechischen Götterkultes vereinte: In den höchsten Göttern dieses Kultes wurden in synkretistischer Weise persische und griechischolympische Götter verehrt, und neben dem Land Kommagene selbst erscheint auch der König unter den Göttern. Auf dem Gipfel des Nemrud Dag errichtete die Dynastie einen Tumulus, ein gigantisches Grabkultmonument der Familie, an dessen Seiten überlebensgroße Sitzstatuen der Götter große Plattformen für Kulthandlungen flankierten. Mehrere Heiligtümer in der Umgebung dieses Zentralheiligtums waren ebenfalls auf den Dynastiekult bezogen. Für diesen erließ der Herrscher ein detailliertes Kultgesetz, das die Bewohner des Landes gemeinsam und ohne Rücksicht auf ethnische Unterschiede zu regelmäßiger Verrichtung des Kultes verpflichtete. Dieser Kult war also ein Instrument nicht nur der Sicherung der Loyalität der Einwohner gegenüber König und Dynastie, sondern zugleich auch ein Instrument zur Relativierung kultureller und religiöser Differenzen. Der Herrscherkult diente auf diese Weise der Kompensation einer der gravierendsten Eigenarten der meisten hellenistischen Staaten, nämlich ihrer kulturellen, religiösen und sprachlichen Inhomogenität. Die hellenistischen Territorialreiche waren daher in höherem Maße als die kleineren griechischen Gemeindestaaten Vielvölkerstaaten mit vielfältigen Sprachen, Religionen und Lebensformen. Vor allem in den großen Städten der Reiche der Ptolemäer und Seleukiden, in Ägypten also, Kleinasien, Mesopotamien, Palästina, in Wehrsiedlun-
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Herrscherkult
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Verhältnisse: Strukturen
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gen aber auch in Ägypten und im östlichen Asien, gab es jüdische Diasporagemeinden. Der religiöse und rechtliche Zusammenhalt der weit auseinander liegenden Gemeinden wurde durch persönliche Mobilität sowie durch die zunehmende Schriftlichkeit der religiösen Kommunikation garantiert. Dabei fungierte immer mehr das Griechische an Stelle des Hebräischen als Medium des Austausches. Im ptolemäischen Ägypten entstand so eine griechische Übersetzung des hebräischen Alten Testaments (Septuaginta, „70“, nach der angeblichen Zahl der Übersetzer). Einen Hintergrund für diese Übersetzung bildete die Tatsache, dass Palästina nach dem Tod Alexanders des Großen bis zur Eroberung durch Antiochos III. im 5. Syrischen Krieg (201 – 198 v. Chr.) unter ptolemäischer Kontrolle stand. Griechisch wurde zeitweise zur Hauptliteratursprache der an der griechischen Gymnasiumserziehung teilnehmenden jüdischen Oberschichten im Ostmittelmeerraum. Mit der politisch-gesellschaftlichen Dominanz von Griechen und Makedonen ging die kultuelle und sprachliche Dominanz des Griechischen einher, wodurch tendenziell regionale, kulturelle und religiöse Unterschiede eingeebnet wurden. In Palästina, insbesondere in Jerusalem, provozierte dieser, von den Seleukiden tatkräftig geförderte Hellenisierungsprozess einen Aufstand, der zum Herausbrechen Palästinas aus der seleukidischen Herrschaft und schließlich zur Entstehung des Hasmonäerstaates in Palästina führte: Im Jahr 168 v. Chr. legte Antiochos IV. auf dem Rückzug aus Ägypten (6. Syrischer Krieg, 170 – 168 v. Chr.) eine militärische Besatzung in die Stadt Jerusalem. Als er im Jahr darauf versuchte, die finanziellen Lasten seiner Kriege auf die Heiligtümer seines Reiches abzuwälzen, indem er von diesen Zwangsanleihen eintrieb, auch vom Tempel in Jerusalem, als seine Beauftragten den jüdischen Tempelkult verboten, durch den Kult des griechischen Gottes Zeus ersetzten, und als die griechische Gymnasiumsbildung jüdische Lebensformen zunehmend verdrängte, provozierte dies den Makkabäeraufstand unter Führung der Familie der Hasmonäer (Mattathias und dessen Söhne Judas, Jonathan und Simon). Demetrios II. musste im Jahr 142 v. Chr. schließlich Simon als Hohenpriester des wiederhergestellten jüdischen Kultes anerkennen und dem Land Steuerfreiheit einräumen. Mit diesem Rückzug des seleukidischen Staates aus Palästina beginnt die Ära eines selbständigen jüdischen Staates, der im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. erheblich expandierte. Herrscher und Kult Ein für die Herrschaftstheorie wie -praxis wichtiges Problem im Zusammenhang mit dem Königtum betraf die Frage nach dem Verhältnis von König und Kult, von Herrscher und Gott. Manethos von Sebennytos Übertragung der ägyptischen chronographischen und kultischen Überlieferungen ins Griechische sollten die Pluralität der Kulte Griechen wie Ägyptern verständlich und beiden den Sarapis-Kult zugänglich machen. In ähnlicher Weise kann Berossos’ Bemühung um die Kommunikation zwischen nichtgriechischen Priestereliten und der griechisch-makedonischen Oberschicht im seleukidischen Zweistromland als Versuch der Verbindung von Überzeugungen und Interessen alter Eliten mit der neuen Oberschicht und der herrschenden Dynastie verstanden werden. Derartige literarische Zeugnisse einer intensivierten kultischen Kommunikation belegen auch die kultpoliti-
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Religion und Lebensformen
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schen Bemühungen der Herrscher um Vereinheitlichung und Verbindung zwischen einheimischen und griechischen Kulten und um deren Zentrierung auf den Herrscher. Die Herrscher Ägyptens und insbesondere Ptolemaios III. in den Jahren 243 – 237 v. Chr. haben darauf besondere Anstrengungen verwandt. Nicht immer und überall aber war solche Kultpolitik erfolgreich: So führte der Versuch einer Assimiliation des jüdischen Tempelkultes an die Gepflogenheiten der griechischen Oberschicht und die Hellenisierung der jüdischen Führungsschicht zur Entstehung einer aktiven Opposition. Das 2. Makkabäerbuch geißelt die Annäherung von Judentum und Griechentum unter Antiochos IV. (168 v. Chr.) als „Höhepunkt des Hellenismus und beschleunigte Entfremdung“, die die Lebensform der Juden Palästinas in die in der griechischen Welt übliche Ordnung habe zwingen wollen (2. Makk. 4,13 f.). Dabei wurde ein Grundproblem aller hellenistischen Territorialreiche, ihr Umgang mit den hierarchisch gestuften kleinräumigen Identitäten, erstmals aus der Sicht von Widerständigen mit dem Begriff Hellenismus belegt. Im gleichen Zusammenhang prophezeite das apokalyptische Buch Daniel den Untergang der herrschenden Seleukiden. Für das Judentum gab es eine nicht zu überschreitende Differenz zwischen Mensch und Gott, während es den Griechen weniger schockierend vorkam, einen König als vermenschlichten Gott verehrt zu sehen, boten doch ihre Heroen und Halbgötter mythisches Anschauungsmaterial für Übergänge zwischen Menschen und Göttern. Seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. hatte sich der Kult der Mächtigen in der Ägäis verbreitet, den noch am Ende des Jahrhunderts ein Kultlied eigens rechtfertigte: Nachdem Demetrios Poliorketes Athen 307 v. Chr. von Kassanders Stadtherrscher Demetrios von Phaleron „befreit“, also erobert, hatte, und nachdem er selbst 294 v. Chr. König geworden war, wurde er von seinen Anhängern unter den Athenern durch einen Kult geehrt. Gefeiert wurde er dabei durch jenes Kultlied: Die anderen Götter seien weit weg, Demetrios aber sei da und könne den Athenern nützlich sein (Duris von Samos FGrHist 76 F 13 = Athen., Deipnos. VI 63 p. 253d – f). Im Unterschied zu den olympischen Göttern ist der Herrscher eine Macht, die unmittelbar wahrgenommen werden kann: Eine paradoxe Konsequenz aus sophistischer Skepsis und philosophischer Aufklärung führt zum theologischen Anthropomorphismus und zur Verehrung von Herrschern als Göttern. Unter den so verschiedenen Formen, das Verhältnis zwischen hellenistischen Monarchen und den Untertanen kultisch zu gestalten, lassen sich drei Typen unterscheiden. In den formell unabhängigen, aber an guten Beziehungen zu den Herrschern existentiell interessierten Städten wurden Herrscher kultisch verehrt, um in einen symbolischen Austausch mit den Monarchen zu treten. Diese hatten den Gemeinden großen Nutzen gebracht oder versprachen künftige Wohltaten, und dafür wurden sie verehrt. Städtische Herrscherkulte wie diejenigen in Athen oder Rhodos knüpften auf diese Weise Bande wechselseitiger Verpflichtung zwischen Stadt und Herrscher, ohne doch die Selbständigkeit der Gemeinde gegenüber ihrem neuen Gott aufzugeben. Deutlicher als Ausdruck der Abhängigkeit müssen die Herrscherkulte in den Städten der großen Reiche verstanden werden: Durch sie bekundeten die Gemeinden ihre Loyalität zum Königshaus. Einen dritten Typus stellten die Reichskulte dar, die auf Betreiben und mit Förde-
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rung durch die Dynastie eingerichtet wurden, und die ein einigendes institutionelles Band für Untertanen verschiedenster Couleur darstellten, etwa im Ptolemäerreich oder in Kommagene. Mit diesen verschiedenen Kultformen verbundene religiöse Vorstellungen und kultische Praktiken waren dementsprechend äußerst vielgestaltig. b) Kosmopolitismus und Bürgeridentität Die Inhomogenität, von der im Zusammenhang von Religion und Kult die Rede war, spiegelt die größere politisch-kulturelle Vielfalt in dem gegenüber der klassischen Zeit größeren Interaktionsraum der Griechen mit seinen im Durchschnitt größeren politischen Entitäten. Einerseits war man weiterhin in der Regel in erster Linie Bürger einer Stadt; viele Städte, Wehrsiedlungen, kolonieähnliche Gebilde, königliche Anlagen wurden neu gegründet, erweitert oder verlegt. Andererseits banden sich viele der kleinen und mittleren Städte an größere monarchische Mächte oder gingen in bundesstaatlichen Gebilden auf. Geographische und soziale Mobilität nahmen zu: Man verlegte gegebenenfalls seinen Wohnsitz, Nichtgriechen gelang der Zutritt zu griechisch geprägtem Stadtleben und griechischer Kultur, und mit den räumlich erheblich vergrößerten Möglichkeiten zu Handel und Betätigung waren zugleich ganz neue Aufstiegs- und Prosperitätschancen verbunden. Die größeren und prosperierenderen unter den Städten wahrten für lange Zeit auch außenpolitisch eine gewisse Autonomie, die sich in vielen Fällen geschicktem Lavieren zwischen den Mächten verdankte, und auf die die Bürger stolz als Ergebnis zweckmäßiger Politik und einer guten Verfassung verwiesen (Rhodos); gestützt auf ihre Beziehungen zu Rom, das seit dem zweiten Jahrhundert besonders intensiv in die griechische Welt der Ägäis eingriff, konnte sich in diesen Gemeinden dann eine besondere Blüte städtischer Selbständigkeit und stadtbürgerlicher Aktivität entfalten. Die Entwicklung dieser Städte war demnach eine andere als die der königlichen Neugründungen oder kleinerer abhängigerer Stadtgemeinden. Die Zugehörigkeit zur Stadt prägte also auch in hellenistischer Zeit das Leben der Menschen, doch relativierte sich diese Zugehörigkeit, gemessen an den Verhältnissen der klassischen Zeit: Rolle und Stellung der Städte wurden unterschiedlicher, man erlebte den Wohnort beziehungsweise die Bürgergemeinde als etwas, das unter Umständen gewechselt werden konnte; jenseits der Bürgeridentität entwickelten insbesondere die Funktionäre in den neuen Großstaaten spezielle Loyalitäten zu deren Herrschern. Eine der Folgen war, dass neben den selbstverständlichen Rahmen bürgerlicher Betätigung, die griechische Polis, weitere Formen der Zugehörigkeit traten; man hat daher teilweise von einem hellenistischen Kosmopolitismus gesprochen (Tarn); neben einer metapolitischen beziehungsweise kosmopolitischen Haltung der Stoa (Zenon von Kition: Politeia) lässt sich in Philosophie und Staatsdenken des Hellenismus eine Vielzahl verschiedener Vorstellungen von Rahmenordnungen politischen und individuellen Lebens beobachten: Polis, Monarchen als Militärherrscher, utopisch-paradiesische Staatsmodelle (Iambulos, Euhemeros), eine gewisse Verabsolutierung des privaten Glücks (Epikureismus). Die Vielfalt politischer Ordnungsvorstellungen und lebenspraktischer Rollenmodelle in hellenistischer Zeit spiegelt
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Religion und Lebensformen
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sich in einer neuen Vielfalt ethischer Fragen und theoretischer Antworten. Beides, politische Theorie und lebensweltliche Orientierung, schafften das Leben im Rahmen des griechischen Gemeindestaates nicht ab, sondern relativierten es. Stoischer Kosmopolitismus (Plutarch, De Alexandri magni fortuna aut virtute 329 a – b)
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Und fürwahr, das wunderbarste Konzept einer politischen Ordnung, das Zenons, des Gründers der Schule der Stoa, läuft in der Hauptsache auf eine Konsequenz hinaus: Daß wir nicht getrennt nach Stadtstaaten und Dörfern leben, jeweils getrennt durch unterschiedliche Rechtsordnungen, sondern alle Menschen als Landsleute und Mitbürger betrachten, und eine einzige Lebensform und -ordnung gelte, so wie für eine dorische Jugendgruppe, die dadurch miteinander verbunden ist, dass sie unter der Geltung derselben Normen erzogen worden ist. So hat Zenon es beschrieben, gleichsam als Vision oder Versinnbildlichung eines philosophischen Ideals politischer Ordnung und eines Verfassungsentwurfes. Alexander aber hat für diese Theorie das praktische Anschauungsmaterial geliefert; er hat sich nämlich nicht, wie Aristoteles ihm riet, gegenüber den Griechen als Kommandeur und gegenüber den Nichtgriechen als absoluter Herrscher aufgeführt.
Für Prozesse des Kulturaustausches (Akkomodation, Assimilation, Akkulturation) boten die Staaten der hellenistischen Zeit zwar günstigere Bedingungen als die der klassischen Epoche, doch bildeten derartige Prozesse nur in Ansätzen kulturübergreifende Kollektividentitäten aus: „Weltbürger“ im Vollsinne wurden nur die wenigen Intellektuellen, Literaten und hohen Funktionäre, denen sich im Hellenismus neue, große Betätigungsräume eröffneten. Eine alles umfassende hellenistische Kultur entstand nicht: Es entwickelte sich vielmehr eine Vielzahl von Partikularkulturen, zwischen denen das Griechische als Verkehrssprache, die griechische Erziehung der Eliten und die intensiver werdenden Handelskontakte vermittelten. Seit dem 2. Jahrhundert führte schließlich das Erscheinen Roms als eines Akteurs auf der diplomatischen und politischen Bühne kultur- und sozialgeschichtlich dazu, dass sich politisch, wirtschaftlich und kulturell das Leben im Mittelmeerraum, bei allen Unterschieden, die grundsätzlich bestehen blieben, stärker vereinheitlichen konnte. c) Gymnasium Der wichtigste Ort für die Ausprägung und Reproduktion einer spezifisch griechischen Kultur im Unterschied zu den Lebensformen und Kulturpraktiken der vor- und außergriechischen Bevölkerung war das Gymnasium, die Sportschule, die einzurichten sich jede griechische Gemeinde, koloniale Neu-, Um- oder Wiedergründung bemühte. Wer als Grieche Bürger einer griechischen Gemeinde sein wollte, hatte die griechische Bildung des Gymnasiums zu durchlaufen, so, wie umgekehrt nur denen die Eröffnung einer solchen Bildungsstätte oder der Zugang zu ihr zugestanden wurde, von denen man die Teilhabe als Bürger am Leben einer griechischen Stadt vernünf-
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Verhältnisse: Strukturen
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tigerweise erwarten konnte. Das Gymnasium entwickelte sich in hellenistischer Zeit zum Kern städtischen Lebens der Griechen: Für eine griechische Stadt waren das Gymnasium und eine geordnete Epheben-Ausbildung unerlässlich. Für die Verfasser der Makkabäerbücher bildete es daher den äußeren Höhepunkt der Hellenisierung, des hellenismós, dass Jason mit Genehmigung des Antiochos Epiphanes in Jerusalem ein Gymnasium eröffnen, eine Epheben-Ausbildung beginnen und die Teilnehmer in Phylen- und Bürgerlisten erfassen durfte (2. Makk. 4,7 – 15; vgl. 1. Makk. 1,14 f.; 4. Makk. 4,19 f.). Das hellenistische Gymnasium beschränkte sich freilich, trotz seines Kerns in einer sportlich-militärischen Ausbildung, nicht auf die physische Erziehung der männlichen Jugendlichen. Gerade weil griechische Sprache und griechische Kommunikationsformen für das Leben in den de facto multiethnischen Reichen und ihren heterogenen Regionen und multikulturell geprägten Orten wichtig waren und Zusammenhalt, Austausch, politische, militärische und kulturelle Kommunikation sicherstellten, vermittelte das hellenistische Gymnasium neben der physischen im Laufe der Zeit zunehmend auch eine sprachliche, intellektuelle, literarische, mathematische und musische Bildung. Bis nach Ai Khanoum im heutigen Afghanistan bildete das Gymnasium denjenigen Ort, an dem griechische Identität gepflegt und reproduziert wurde. Eine Reihe von Gymnasien bauten zu diesem Zweck Bibliotheken auf. Die Gymnasien wurden so neben Institutionen wie Musenheiligtümern zu Trägern und Vermittlern griechischer Schriftkultur und Literatur.
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