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German Pages 208 [210] Year 2012
Ernst Baltrusch Caesar und Pompeius
Geschichte kompakt Herausgegeben von Kai Brodersen, Martin Kintzinger, Uwe Puschner, Volker Reinhardt Herausgeber für den Bereich Antike: Kai Brodersen Beratung für den Bereich Antike: Ernst Baltrusch, Peter Funke, Charlotte Schubert, Aloys Winterling
Ernst Baltrusch
Caesar und Pompeius 3. Auflage
Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 3., bibliographisch aktualisierte Auflage 2011 © 2011 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 1. Auflage 2004 Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-24354-9 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-71931-0 eBook (epub): 978-3-534-71932-7
Inhaltsverzeichnis Geschichte kompakt – Antike Vorwort
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IX
I. Die Römische Republik und ihre Krise bis 78 1. Die Verfassung der Römischen Republik . . 2. Die Krise der Römischen Republik bis Sulla 3. Lucius Cornelius Sulla (138–78) . . . . . .
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1 1 4 10
II. Pompeius und die Auflösung der sullanischen Ordnung (78–63). 1. Die Probleme der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gnaeus Pompeius: Herkunft, Jugend, politisches Profil . . . 3. Die großen Krisen der siebziger Jahre: Lepidus, Sertorius, Spartacus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Jahr 70: Das Konsulat von Crassus und Pompeius . . . . 5. Die außenpolitische Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die außerordentlichen Imperien des Pompeius und ihre historische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Pompeius und die Neuordnung des Ostens . . . . . . . . .
17 17 18
III. Caesars Eintritt in die Geschichte . . . . . . . . 1. Die Lage im Jahre 63: Cicero, Catilina und Erwartung des Pompeius . . . . . . . . . . . 2. Gaius Julius Caesar . . . . . . . . . . . . . 3. Der Triumph des Pompeius . . . . . . . . . 4. Das Erste Triumvirat des Jahres 60 . . . . . . 5. Caesars Konsulat im Jahre 59 . . . . . . . .
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. . die . . . . . . . . . .
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. . . . . . Rückkehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Expansion und paralysierte Republik: Die fünfziger Jahre 1. Grundsätzliches zu dem Jahrzehnt von 59–50 . . . . 2. Die Eroberung Galliens . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lage in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Erneuerung des Triumvirates 56 . . . . . . . . . 5. Die Entfremdung: Die Jahre 54–50 . . . . . . . . .
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20 24 27 29 31 39 39 42 49 50 53 59 59 61 73 79 84
V. Der Bürgerkrieg 49–45 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Der Bruch zwischen Caesar und Pompeius: Dezember 50 bis 11. Januar 49 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Die Preisgabe Italiens durch Pompeius . . . . . . . . . . . 94 3. Pharsalos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Caesar und Kleopatra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5. Caesars endgültiger Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 VI. Der Staat des Diktators Caesar . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Rückkehr aus Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
V
Inhaltsverzeichnis 2. 3. 4. 5. 6.
Ehrungen und Vergöttlichung . . . . . . . . . . . Die Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialpolitik und Fürsorge . . . . . . . . . . . . . Caesar und die Reichspolitik . . . . . . . . . . . Caesars Zukunftspläne: Der Krieg gegen die Parther
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131 134 139 147 151
VII. Die Iden des März 44: Befreiung oder Mord? . . . . . . . . . . 1. War Caesar ein Tyrann? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Bericht des Nikolaus von Damaskus über die Motive der Verschwörer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zahl, Zusammensetzung und soziale Basis der Verschwörer . 4. Die Häupter der Verschwörung . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Ermordung Caesars an den Iden des März . . . . . . . . 6. Das Nachspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Vergangenheitsbewältigung in Rom nach dem Sturz des Diktators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die moderne Bewertung der Iden des März . . . . . . . . .
157 157 158 160 163 167 170 171 176
VIII. Die historische Bedeutung von Pompeius und Caesar sowie das Urteil der Zeitgenossen und der Nachwelt . . . . . . . . . . . 178 1. Pompeius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Caesar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Personen- und Sachregister
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Geschichte kompakt In der Geschichte, wie auch sonst, dürfen Ursachen nicht postuliert werden, man muss sie suchen. (Marc Bloch)
Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden. Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen und europäischen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte. Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissenstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden. Kai Brodersen Martin Kintzinger Uwe Puschner Volker Reinhardt
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Vorwort Die „Krise der Römischen Republik von 133 bis 31 v. Chr.” ist ein faszinierendes Schlüsselthema des Geschichtsstudiums. Es hat alles, was Geschichte spannend, lebendig und gegenwärtig macht: Eine Weltmacht kämpft mit den Problemen ihrer Verfasstheit (oder für Modernisten: steht vor einem strukturellen Paradigmenwechsel); so wie bisher kann man nicht weitermachen, alle Bereiche des öffentlichen Lebens stehen zur Disposition. Der Erhalt des Weltreiches kann nur durch weitreichende politische und militärische Veränderungen gesichert werden, die traditionelle Sozialpolitik steht auf dem Prüfstand, fremde Bevölkerungsgruppen müssen integriert werden, Schutz und Sicherheit der Menschen im Reich werden durch die alte Ordnung nicht mehr gewährleistet, das bedeutet: Rom brauchte Strukturreformen, und das besonders nach dem gescheiterten Versuch Sullas, den Besitzstand des Senates und seiner führenden Schicht, der Nobilität, zu bewahren. Und: An allen Konflikten dürfen wir teilhaben, denn die Quellenlage ist so günstig wie für kaum eine andere Epoche der Alten Geschichte. Daher ist die Krise der Römischen Republik auch ein Forschungsfeld ersten Ranges, auf dem sich innovative Methoden und Fragestellungen bewährt haben. Caesar und Pompeius waren die Persönlichkeiten, in denen sich die Widersprüchlichkeit dieser Epoche verdichtete. Sie waren alles in einem: Freunde und Feinde, Handelnde und Getriebene, Reformer und Konservative, Monarchen und Republikaner. Ihre Biographien geben den Rahmen ab für die Präsentation der wichtigsten Problemfelder der Krise der Republik unmittelbar vor ihrem Zusammenbruch. Die vorliegende Darstellung kann ohne Vorkenntnisse gelesen werden, ist fakten- und problemorientiert, lässt die Quellen zu Wort kommen und diskutiert antike Strukturdebatten ebenso wie moderne Forschungstheorien. Und zwischen den Zeilen wird man den Zeitgeist entdecken, der wie heute in der globalisierten Welt veraltete Begriffe wie „Gerechtigkeit”, „Demokratie” oder „Freiheit” umdefiniert, um angeblich zwingend notwendige Entscheidungen durchsetzen zu können; auch Caesar hat schließlich einen „erweiterten” Freiheitsbegriff für die Begründung seiner Diktatur, ein dehnbares Völkerrecht für seine Expansion in Gallien geltend gemacht. Mein Dank geht an die, welche mich wirklich unterstützt haben. Besonders nennen möchte ich meine Hilfskraft Frau Anke Schumacher, die intensiv den Text gelesen und kommentiert, das Register erstellt sowie die Zeichnungen angefertigt hat. Meine Frau Dagmar-Beate hat meine Versuche lesbar gemacht, gekürzt, wo ich redundant war, angemerkt, wo ich deutlicher werden musste: Tantae erga me benevolentiae tuae, mi Dagmar, tamque sincerae gratias ago debeoque plurimas. Und für kulturelle Erfrischung bei der Niederschrift hat meine Tochter Anna-Victoria gesorgt, deren Klavierspiel inzwischen (für mich) schwindelerregende Höhen erreicht. Der WBG und ihren Lektoren, zuerst Frau Dr. Martina Erdmann, dann Frau Nicole Strobel und jetzt Herrn Dr. Harald Baulig, danke ich für die Aufnahme in die Reihe „Geschichte kompakt”, die überaus gute Zusammenarbeit und das professionelle Lektorat. Es bleibt zu hoffen, dass die
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Vorwort auch dank ihres umsichtigen Herausgebers Prof. Dr. Kai Brodersen so gut gestartete Reihe „Geschichte kompakt – Antike” dazu beitragen kann, dass die Alte Geschichte auch künftig auf den Lehrplänen der Schulen steht und an den Universitäten im Rahmen des Geschichtsstudiums den ihr gebührenden Rang einnimmt. Berlin, im Januar 2004
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Ernst Baltrusch
I. Die Römische Republik und ihre Krise bis 78 133 123/2 104–100 91–89 88 87–85 83 82–79
Volkstribunat des Tiberius Gracchus Volkstribunat des Gaius Gracchus Marius fortlaufend Konsul; Heeresreform Bundesgenossenkrieg und Ausweitung des römischen Bürgerrechts auf ganz Italien 1. Marsch Sullas auf Rom 1. Mithridatischer Krieg 2. Marsch auf Rom Lucius Cornelius Sulla Diktator
1. Die Verfassung der Römischen Republik Die Geschichte der Römischen Republik ist eine Erfolgsgeschichte. Der Überlieferung nach beginnt sie im Jahre 509 v. Chr., als der letzte König Tarquinius Superbus vertrieben wurde und der Adel die Herrschaft übernahm. In den ersten 150 Jahren hatte sie sich in zahlreichen äußeren Kriegen gegen Nachbarn und bei der Bewältigung innerer Spannungen zu bewähren, aber seit der Mitte des 4. Jahrhunderts konnten Kräfte für eine einzigartige Expansion freigesetzt werden. Zuerst wurde Italien erobert (bis 272 v. Chr.), dann der westliche Mittelmeerraum durch den Sieg über Karthago (264–241 v. Chr. und 218–202 v. Chr.) und fast nahtlos schließlich auch der hellenistische Osten (200–146 v. Chr.). Und anders als das riesige Reich Alexanders des Großen (336–323 v. Chr.), das sogleich nach dem Tode des Makedonenkönigs zerfiel, blieb Roms Herrschaft über mehr als ein halbes Jahrtausend stabil. Die Gründe für diese Siegesserie und die Stabilität des Römischen Reiches waren vielfältig. Die Römer selbst suchten die Gründe in den vorbildlichen Sitten der führenden Männer, ihrer Einfachheit, asketischen Lebensweise, Unbestechlichkeit und in der Geschlossenheit des Adels, der Nobilität. Nobilität Dies ist der spezifisch römische Begriff für den (Amts-)Adel seit 366 v. Chr., also seit dem Zeitpunkt, als auch die Plebejer neben den Patriziern das höchste Staatsamt, das Konsulat, bekleiden durften. Ein nobilis ist „kenntlich“, „berühmt“ aufgrund seiner durch ein Amt dokumentierten Leistung. Kanonisch ist für das 1. Jahrhundert v. Chr. die Definition des Althistorikers Matthias Gelzer aus dem Jahre 1912: Zur Nobilität gehörten danach die Nachkommen derjenigen, die das Konsulat bekleidet hatten. Der Zugang zu den höchsten Staatsämtern stand theoretisch jedem römischen Bürger offen, aber in der politischen Praxis wachte der Adel eifersüchtig darüber, dass ihn nicht zu viele Nichtadlige erreichten. Für Aufsteiger wie Marius oder Cicero benutzte man den Begriff „neuer Mann“ (homo novus).
Der Dichter Ennius schrieb um 200 v. Chr.: „Moribus antiquis res stat Romana virisque“ („Die Römische Sache steht auf alten Sitten und Män-
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Ursprung der Republik
1
Die Römische Republik und ihre Krise bis 78
I.
Senat
Volksversammlungen
Gesamtvolk
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nern“), was am besten das Selbstverständnis des republikanischen Römers zum Ausdruck bringt (Cicero, de re publica 5,1). Außenstehende wie der griechische Historiker Polybios, der seit 167 v. Chr. selbst als Geisel in Rom lebte und dort eine Weltgeschichte schrieb, führten den Erfolg auf die römisch-republikanische Verfassung zurück. Sie sei nicht eine Demokratie, Aristokratie oder Monarchie, sondern eine Mischverfassung. Diese Verfassung hatte sich seit dem Ende der Königsherrschaft nach großen inneren Auseinandersetzungen zwischen dem Geburtsadel (Patriziern) und der Bauernschaft (Plebejern), den so genannten „Ständekämpfen“, herausgebildet. Die Pfeiler dieser Verfassung waren der Senat, die Volksversammlung und die Magistrate. Der Senat war der Mittelpunkt der Ordnung; in ihm saßen die 300 Männer mit dem höchsten gesellschaftlichen Ansehen. Deshalb war ihr Ratschluss (senatus consultum) nahezu verbindlich für alle anderen Institutionen, obwohl er eigentlich ein Ratschlag, kein Gesetz war. In den Senat gelangte man nach römischem Verständnis durch Leistung, nämlich durch die Bekleidung politischer Ämter. An den Volksversammlungen konnte jeder freigeborene, mindestens 18jährige, männliche römische Bürger teilnehmen. Mit der Expansion vergrößerte sich natürlich auch die Bürgerzahl, die waffenfähige und bürgerliche männliche Bevölkerung betrug mehr als 300 000. Die Volksversammlungen, die je nach Versammlungsart auf dem Marsfeld außerhalb Roms (seit dem Mittelalter und heute das städtische Zentrum) oder auf dem forum Romanum einberufen wurden, hatten wichtige Kompetenzen: In ihnen wurden die höchsten Beamten gewählt, über Krieg und Frieden entschieden und wichtige Gesetze erlassen. Doch war Rom keine Demokratie, wie wir sie heute verstehen. Das Volk war stimmberechtigt, konnte aber keine Anträge stellen oder öffentlich diskutieren. Gleichwohl war es mehr als bloßes „Stimmvieh“. In der modernen Forschung wird momentan über den demokratischen Charakter der Römischen Republik diskutiert. Das Gesamtvolk versammelte sich nach drei Einteilungskategorien; daneben gab es noch die Versammlung der Plebejer (concilium plebis). Die wichtigste der drei Volksversammlungen waren die Zenturiatskomitien (comitia centuriata). Hier war das Stimmrecht nicht für jeden Bürger gleich, sondern gebunden an das Vermögen, nach dem man auf die einzelnen der insgesamt 193 Zenturien verteilt wurde. Ihr Ursprung geht auf die Zeit der Ständekämpfe zurück: Die militärische Gliederung der Volksversammlung nach „Hundertschaften“ (centuriae) stärkte das politische Gewicht der Schicht, die auch die Hauptlast im Kampf zu tragen hatte, der Plebejer. Wichtig war daneben die regionale Gliederung des Volkes in den Tributkomitien (comitia tributa), in denen wichtige Gesetze beschlossen wurden. Es gab seit dem 3. Jahrhundert 35 Bezirke (tribus), auf die jeweils die Neubürger verteilt wurden. Jeder Bezirk hatte wie jede Zenturie bei Abstimmungen eine Stimme unabhängig von der Zahl ihrer eingeschriebenen Mitglieder. Diese variierte zum Teil erheblich: In den städtischen Bezirken waren weit mehr Bürger registriert als in den ländlichen, wo der Adel saß. Eine dritte Versammlungsform (comitia curiata) war ein Relikt aus der patrizischen Zeit und hatte keine politische, sondern nur noch sakrale Bedeutung.
Die Verfassung der Römischen Republik Die unbesoldeten Magistrate schließlich standen theoretisch allen römischen Bürgern offen, doch in der politischen Wirklichkeit waren Aufsteiger selten. Das höchste politische und militärische Amt war das Konsulat, das angesehenste die Zensur. Charakteristisch für römische Verhältnisse war, dass alle Ämter zeitlich befristet (in der Regel auf ein Jahr, Annuitätsprinzip) und kollegial (Kollegialitätsprinzip) besetzt waren; so wurde verhindert, dass einzelne Personen sich über ein Amt zu großen Einfluss verschaffen konnten. Denn die Machtbefugnisse insbesondere der Konsuln waren beträchtlich. Sie besaßen, ebenso wie die Praetoren, ein imperium (von imperare: befehlen), worunter die Römer eine nahezu unumschränkte Befehlsgewalt verstanden. Imperiumsinhaber konnten Soldaten ausheben und Truppen befehligen. Infolge der römischen Expansion benötigte man eine immer größere Anzahl von Imperiumsinhabern, sodass die Zahl der Praetoren seit dem 2. Jahrhundert erhöht, die Amtszeit oft und schließlich regulär verlängert wurde (ein Praetor wird nach seiner regulären städtischen Amtszeit von einem Jahr zum Propraetor in den Provinzen). Darüber hinaus war man in der späten Republik auch gezwungen, „außerordentliche“, also nicht an ein bestimmtes Amt gebundene Imperien einzurichten (imperia extraordinaria). Dem Konsulat nachgeordnet waren weitere Ämter: die Praetur als Gerichtsamt, die Aedilität als eine Art Aufsichtsamt, die Quaestur als Finanzamt. Für die Ämter wurden seit dem 2. Jahrhundert gesetzlich Mindestalter vorgeschrieben; das Konsulat durfte man erst mit 43 Jahren und nachdem man zuvor Quaestor, Aedil und Praetor gewesen war, bekleiden. Etwas außerhalb der regulären Ämterlaufbahn (cursus honorum) stand das Volkstribunat, das aber in der Krise der Römischen Republik eine herausragende Rolle spielte. Die Entstehung des Volkstribunates fällt in die Zeit der frühen Sozialkämpfe der Patrizier gegen die Plebejer. Das Amt wurde geschaffen, um der Plebs ein Organ zu geben, das ihre Forderungen gegenüber der ordentlichen Staatsgewalt, die allein in patrizischen Händen lag, vertreten und durchsetzen konnte. Es war eine „Institution des Widerspruchs“ (Bleicken), das heißt die Volkstribunen hatten in erster Linie die Plebejer vor der Übermacht der patrizischen Beamten zu schützen (ius auxilii) und die ordentliche Staatsgewalt zu behindern (intercessio), wenn sie plebejische Interessen verletzte. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, mussten sie „unverletzlich“ in einem sakralen Sinne sein (sacrosancti). Dieser revolutionäre Kern des Amtes konnte in den innenpolitisch ruhigen Zeiten nach dem Hannibalkrieg (218–202 v. Chr.) wohl kontrolliert werden, doch als die Geschlossenheit der Oberschicht brüchig wurde, kam er wieder zum Vorschein. Tiberius Gracchus hat das Amt bewusst in diesem Sinne interpretiert und für seine Veränderungspläne genutzt (Plutarch, Tib. Gracchus 15). Dieser institutionelle Rahmen, der in langen Jahrhunderten gewachsen und auf den Stadtstaat Rom zugeschnitten war, setzte Überschaubarkeit und geordnete gesellschaftliche Verhältnisse voraus. Nobilität und Plebs waren in der clientela miteinander verbunden (s. S. 139). Dabei handelte es sich um ein gegenseitiges Bindungsverhältnis, das durch ein Treueband, die fides, abgesichert wurde. Diese fides war nicht juristisch normiert, sondern verpflichtete beide Seiten gleichsam moralisch: Die Bauern hatten als
I. Magistrate
Volkstribunat
fides
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Die Römische Republik und ihre Krise bis 78
I.
Klienten ihre Patrone nach den eigenen Möglichkeiten zu unterstützen – zum Beispiel in der Politik, vor Gericht oder in der Öffentlichkeit. Die Patrone wiederum hatten sich um das Wohlergehen ihrer Klienten zu kümmern – in Zeiten materieller Not oder vor Gericht. So war das Klientelwesen die eigentliche Klammer des römischen Gemeinwesens, denn auch Frauen, ja selbst Sklaven, in den Institutionen nicht vertreten, waren auf diese Weise fest integriert. Funktionsfähig war das aber nur, wenn der agrarische Charakter des Staates erhalten sowie der Herrschaftsraum und die Zahl der Bürger überschaubar blieben. Beides war nach dem Aufstieg Roms zur Weltmacht nicht mehr der Fall. Dieser Aufstieg war in der Tat atemberaubend gewesen. Innerhalb von kaum mehr als hundert Jahren war seit der Mitte des 3. Jahrhunderts der gesamte Mittelmeerraum erobert worden. Um 100 v. Chr. waren bereits Hispania ulterior und citerior, Africa, Asia, Macedonica, Gallia Narbonensis, Sardinien und Korsika sowie Sizilien zu römischen provinciae geworden.
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provincia Der Begriff provincia entstammt dem römischen Amtsrecht und bezeichnet zunächst allgemein den Amtsbereich der römischen Oberbeamten, denen später die Oberaufsicht über das weit entlegene Gebiet übertragen wurde. Zuerst erhielten die Praetoren diese Aufgabe, später die Promagistrate, das heißt Prokonsuln oder Propraetoren (wörtlich „an Stelle eines Konsuls beziehungsweise Praetors“). Allmählich wurde der Begriff auch auf das Herrschaftsgebiet selbst übertragen.
2. Die Krise der Römischen Republik bis Sulla
lex agraria des T. Gracchus
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Die Krise der Römischen Republik begann 133 v. Chr. mit einem unverfänglichen Ackergesetz. Ein Zuviel an Konflikten hatte sich in den Jahrzehnten zuvor angestaut, war verdrängt oder unzureichend gelöst worden. Sie alle lassen sich auf die Ausdehnung des römischen Staates zurückführen, das heißt auf die Auswirkungen seines großen Erfolges. Schlagwortartig zusammengefasst, spricht die Forschung von einer Agrarkrise, einer Heeres- und Wehrkrise, der Desintegration der Oberschicht, dem Bundesgenossenproblem, der Problematik der Reichsverwaltung, dem Sklavenproblem, einer Versorgungskrise, der Krise im Bindungswesen. So bedurfte es nur eines Funkens, um das Pulverfass zur Explosion zu bringen. Tiberius Sempronius Gracchus, nobilis aus einer der einflussreichsten Familien Roms und ehrgeizig genug, um selbst eine glänzende politische Karriere zu machen, war der Initiator des Ackergesetzes (lex agraria). Niemand solle, so bestimmte es, mehr als 500 Morgen (125 ha) an Staatsland (ager publicus) besitzen; seien Söhne vorhanden, können je Kind weitere 250 Morgen geltend gemacht werden, wohl maximal 1000 Morgen. Alles darüber hinaus in privater Hand befindliche Staatsland sei abzugeben und durch eine Dreimännerkommission in Parzellen zu je 30 Morgen aufzuteilen und an Neusiedler mit der Maßgabe, nicht zu verkaufen, abzugeben (s. Quelle).
Die Krise der Römischen Republik bis Sulla Der ager publicus (Appian, bella civilia 1,7)
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Q
Als die Römer nach und nach Italien im Krieg unterwarfen, nahmen sie jedes Mal einen Teil des eroberten Landes für sich und gründeten Städte darauf oder wählten für die schon vorhandenen Gemeinden aus ihren Reihen Siedler aus. Diese Städte sollten, so war ihre Absicht, Festungen ersetzen, von dem jeweils erbeuteten Lande aber verteilten sie den bebauten Teil sogleich an die Siedler oder verkauften oder verpachteten ihn; das Land aber, das infolge des Krieges unbebaut war – und das war bei weitem der überwiegende Teil –, nahm man sich nicht die Zeit, zu verteilen, vielmehr sprachen sie es durch eine Bekanntmachung einstweilen demjenigen zu, der bereit war, es zu bearbeiten gegen eine bestimmte Abgabe vom jährlichen Ertrag, eines Zehntels der Getreideernte, eines Fünftels der Baumfrüchte; auch für die, die das Land nur zur Weide benutzten, war eine Abgabe von größerem oder kleinerem Vieh festgesetzt. […] Die Reichen rissen den größten Teil dieses nicht verteilten Bodens an sich und kamen mit der Zeit zu der festen Überzeugung, niemand werde ihnen das wieder wegnehmen. […] So bebauten sie bald große Landgebiete an Stelle einzelner Plätze, die sie mit gekauften Landarbeitern und Hirten bewirtschafteten, um zu vermeiden, dass freie Bauern von der Landarbeit für den Kriegsdienst abgezogen würden.
Das Ackergesetz war ein nützliches und verträgliches Gesetz, denn es beließ das Privateigentum der Grundbesitzenden ungeschmälert und verteilte doch Land an bedürftige Römer. Tiberius griff einen Missstand auf, der sich seit etwa fünfzig Jahren abzuzeichnen begann und zunehmend nicht nur soziale, sondern auch militärische Folgen hatte. Das freie Bauerntum war in Gefahr, weil sich der Landbesitz immer stärker in den Händen weniger konzentrierte. Das war nicht nur für den Einzelnen, sondern gerade auch für den Gesamtstaat verderblich, da das römische Milizwesen auf einer möglichst breiten Streuung von Landbesitz beruhte. Es bestand eine Wehrpflicht für römische Bürger, wenn Kriege gegen äußere Feinde beschlossen wurden. Doch musste jeder Soldat seine eigene Rüstung finanzieren, sodass das Vermögen ein wichtiges Kriterium für die Einberufung und die Zuordnung zu einem Truppenteil war. Ritter als Kämpfer zu Pferde mussten besonders begütert sein, aber auch Schwerbewaffnete mussten für ihre Rüstung viel ausgeben. Der expansive römische Staat konnte sich keine Besitzlosen leisten, wollte er militärisch handlungsfähig bleiben. Die „Proletarisierung“ des römischen Bauern erwuchs nun ausgerechnet aus jenen Erfolgen, die den römischen Staat so groß gemacht hatten. Viel Geld floss nach Rom, das auch in Land investiert wurde – von den Senatoren nämlich, die durch ein altes Gesetz von 218 v. Chr., die lex Claudia de nave senatorum, geradezu auf den Landbau als Erwerbsquelle für Mitglieder des Senates verpflichtet worden waren; Handels- und Geldgeschäfte sollten in den Händen anderer liegen. lex Claudia de nave senatorum Die lex Claudia de nave senatorum ist eines der folgenreichsten Gesetze der Römischen Republik überhaupt gewesen. Sie bestimmte, „… dass kein Senator oder Sohn eines Senators ein Seeschiff von mehr als 300 Amphoren (Fassungsvermögen) besitzen dürfe. Diese Größe hielt man für genügend, um damit
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Die Römische Republik und ihre Krise bis 78
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Früchte aus den Landgütern abzutransportieren. Jede Art von Gewinnstreben hielt man bei Senatoren für nicht geziemend.“ (Livius 21, 63, 3 f.) Das Gesetz verbot also Senatoren den Handel, soweit er in keiner Beziehung zur Landwirtschaft stand. Im Zentrum des Gesetzes standen politische Erwägungen, nämlich die Nobilität über eine wirtschaftliche Konformität an die traditionellen, agrarischen Werte zu binden und sie damit von den Veränderungen, die sich am Ende des 3. Jahrhunderts durch Roms außenpolitische Erfolge abzeichneten, abzuschirmen. Das Gesetz forderte ein Festhalten am mos maiorum. Dieser Begriff, mit „Sitte der Vorfahren“ ganz unzureichend übersetzt, wurde seit dem 2. Jahrhundert immer mehr zur Umschreibung eines nahezu unerreichbaren Ideals benutzt.
Optimaten und Popularen
Politik des C. Gracchus
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Viele Bauern mussten ihr Land verkaufen, weil sie kriegsbedingt oft für lange Zeit fern von zu Hause als Soldaten Dienst taten und also ihren Hof nicht bestellen konnten. In der Hoffnung, von den Wahlkampfausgaben römischer Amtsbewerber profitieren zu können, zogen sie mit ihren Familien nach Rom, wo sie das stadtrömische Proletariat, die plebs urbana bildeten. Staatlicherseits wurde für sie nicht gesorgt, es gab kein soziales Netz im modernen Sinne. Insofern war die Krise der Römischen Republik auch eine Versorgungskrise der städtischen Bevölkerung in Rom. Für die Proletarier, die Besitzlosen, hatte Tiberius Gracchus sein Gesetz eingebracht. Das Volk von Rom unterstützte seine Politik, doch hatte er die Mehrheit des Senates gegen sich. Viele Senatoren hatten nämlich ihr Geld in Staatsland angelegt und hatten dieses kultiviert. Sie betrachteten es als ihr Eigentum und lehnten deshalb die Enteignung trotz einer angebotenen Entschädigung ab. Hätte sich Tiberius an die Spielregeln römisch-republikanischer Politik gehalten, hätte er sein Gesetz zurückgezogen. Doch gerade das tat er nicht, sondern er hielt hartnäckig daran fest, überging den Senat und ein Veto seines Amtskollegen Gaius Octavius – in der Tat ein unerhörter Vorgang, der ihm den Vorwurf einbrachte, er strebe nach der Königsherrschaft. Zwar wurde das Gesetz in der Volksversammlung angenommen, aber der Preis war hoch. Der bisherige Konsens innerhalb der gesellschaftlichen Führungsschicht war zerbrochen: Fortan gab es im Senat die Popularen, die sich mit Tiberius identifizierten, und die konservativen Optimaten, die ihn verdammten. Die begriffliche Scheidung zwischen den beiden Gruppierungen entstammte der konservativen Mehrheit, die sich als die „Besten“, optimates, verstand. Sie hielt an der traditionell politisch bestimmenden Funktion des Senates fest. Ihren Gegnern warf sie Demagogie vor und nannte sie entsprechend populares (von populus: Volk), weil sie politische Entscheidungen mitunter ohne oder sogar gegen den Senat durchzusetzen versuchten. Die politischen Akteure beider Gruppen entstammten der Nobilität. Allein durch deren Spaltung jedoch wurde die Bedeutung der Volksversammlung gestärkt. Caesar wird später als Popular Karriere machen. Es handelt sich bei den Optimaten und Popularen jedoch nicht um politische Parteien modernen Zuschnitts. Die Volksversammlung erhielt nun ein eigenes, sich vom Senat emanzipierendes Gewicht, während der Senat seine beherrschende Stellung im Staat bedroht sah. Tiberius Gracchus wurde schließlich von seinen senatorischen Gegnern ermordet, doch zehn Jahre später setzte Gaius Gracchus die Politik seines Bruders fort. 123 und 122 begnügte er sich als Volkstri-
Die Krise der Römischen Republik bis Sulla
I.
bun nicht mehr mit einem Ackergesetz, er zielte vielmehr mit seiner Politik auf den gesamten Staat. Ohne seine Radikalität sind Pompeius und Caesar nicht denkbar. Das Mittel, dessen Gaius Gracchus sich ausgiebig bediente, war das Volksgesetz. Erstmalig versuchte ein Politiker, die republikanische Verfassung neu zu gestalten. Eine antisenatorische Zielrichtung ist unverkennbar. Der Ritterstand wurde mit politischen Aufgaben betraut und war seitdem nicht mehr aus der politischen Szenerie wegzudenken. Ritter waren reich und in der, den Senatoren seit 218 ja verbotenen, Wirtschaft tätig. Jetzt erhielten sie richterliche Kompetenzen, die ihnen Macht auch über Senatoren gaben; als Steuerpächter in den Provinzen wurden sie gestärkt. Durch ein Getreidegesetz leistete Gaius Gracchus einen Beitrag zur Versorgung der stadtrömischen Bevölkerung, indem jedem römischen Bürger monatlich eine Ration verbilligten Getreides zugestanden wurde. Der Ansiedlung landloser Proletarier diente ein Kolonisationsprojekt, der Rechtssicherheit römischer Bürger vor magistratischer Willkür das Provokationsgesetz (s. S. 42). Die Bundesgenossen in Italien beabsichtigte Gaius durch Beteiligung am Bürgerrecht stärker zu integrieren, die Provinzen des Reiches sollten nach einem genau festgelegten Modus auf die römischen Statthalter verteilt werden, Auspressung der Untertanen sollte strenger verfolgt werden. Alles in allem reglementierte Gaius Gracchus weite Teile der republikanischen Ordnung. Unsere Quellen bekunden ihm Respekt ob seiner geistigen und rhetorischen Fähigkeiten, erschaudern aber vor der Radikalität, mit der er den römischen Staat auf den Kopf stellen wollte. Sie unterstellten ihm den Wunsch nach Rache für seinen ermordeten Bruder, Hass auf den Senat oder das Streben nach der Königswürde. Wie weit persönliche Motive für sein Handeln verantwortlich zu machen sind, wissen wir nicht; aber seine Initiativen waren gewiss auch sachlich legitimiert und griffen die tatsächlich bestehenden Missstände auf: Willkür, Korruption, Habgier, Überheblichkeit, fehlende Herrschaftskontrolle, Ausbeutung der Provinzen, Benachteiligung der Bundesgenossen, soziale Ungerechtigkeiten. Die Zeit war freilich noch nicht reif für eine Neuordnung des Staates. Es gelang den Optimaten mit demagogischen Gegenkonzepten, Gaius Gracchus zu isolieren. Mit Versprechungen schlugen sie einen Keil zwischen Gaius und das Volk, das vor allem die Bürgerrechtsverleihungen an die Bundesgenossen ablehnte; man teilte nicht gerne die kostbaren Privilegien mit so vielen anderen. Die Auseinandersetzung eskalierte daraufhin, der Senat erklärte unter dem Konsul Lucius Opimius den Staatsnotstand (senatus consultum ultimum). Gaius Gracchus gab sich den Tod, seine Anhänger fielen einer „Säuberung“ zum Opfer. Staatsnotstand Als Staatsnotstand sahen es die Römer an, wenn der Senat seinen „letzten Beschluss“ fassen musste, das senatus consultum ultimum. Damit beauftragte das Gremium seine höchsten Beamten, die Konsuln, „sie sollten Sorge tragen, dass der Staat keinen Schaden nehme“. Sodann konnten sie Gewalt gegen die Unruhestifter anwenden, denen die Möglichkeit genommen wurde, an das Volk zu appellieren. In gewisser Hinsicht war dies also eine zeitbeschränkte Diktatur. Es fehlte freilich ein gesamtgesellschaftlicher Konsens über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens. Gegen Gaius Gracchus wurde dieser Beschluss zum ersten Mal gefasst.
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Die Römische Republik und ihre Krise bis 78
I. Marius
Heeresreform
Bürgerrecht und Bundesgenossensystem
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Die Gewalt also begann heimisch in Rom zu werden. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Die Voraussetzung dafür schuf ein Aufsteiger oder, wie man in Rom sagte, ein homo novus aus Arpinum (ca. 100 km südöstlich von Rom) mit Namen Gaius Marius (geboren wohl 157). Er war 107 und dann wieder von 104 bis 100 in Folge Konsul; das war verfassungswidrig. Doch danach fragte man im Angesicht der großen Gefahren nicht. In Afrika widersetzte sich ein Klientelfürst namens Jugurtha römischen Befehlen und verwickelte das träge Rom in einen Krieg. Beängstigender noch war die Gefahr aus dem Norden. Die germanischen Stämme der Kimbern, Teutonen und Ambronen wanderten, vom heutigen Schleswig-Holstein kommend, nach Süden, besiegten römische Heere, kamen bedenklich nahe an Italien heran und weckten angstvolle Reminiszenzen an die Gallierkatastrophe von 387, als Rom mit Ausnahme des Kapitolshügels besetzt worden war. Marius löste die ihm gestellte Aufgabe: Er besiegte zuerst Jugurtha 107–105, dann die Kimbern und Teutonen 102/01 und bestätigte damit die Richtigkeit der römischen Entscheidung, ihn zum faktischen Alleinherrscher auf Zeit zu machen. Historisch ist Marius damit der Wegbereiter des Pompeius und des Caesar. Kurzfristig noch gravierender für die Verfassung der Römischen Republik sollte sich die so genannte Heeresreform des Marius erweisen; das Attribut „so genannt“ verdeutlicht, dass gar keine Reform im eigentlichen Sinne beabsichtigt war. Es sollte lediglich in einer konkreten Gefahrensituation Abhilfe geschaffen werden. Marius hatte nämlich zusätzlich zum regulären Aufgebot auch die Proletarier, die nichts als sich selbst (capite censi) und ihre Kinder (proles, davon proletarii) besaßen, in sein Heer aufgenommen. Deren Ausbildung, Bewaffnung und Taktik wurden von Marius auf die neuen Herausforderungen zugeschnitten. Der Person des Feldherrn fielen damit einerseits auch staatliche Aufgaben zu, wie die Versorgung seiner Kämpfer, die sich als Lohn für den Kriegsdienst eine finanziell oder durch Grundbesitz abgesicherte Existenz erhofften. Andererseits konnte der Feldherr auf seine Soldaten bauen – als eine Art Klientel, die ihn in den Volksversammlungen unterstützte oder gar, wie es sich wenig später zeigen sollte, für ihren Heerführer gegen die eigene Stadt marschierte. Die Bindung zwischen Feldherr und seinen Soldaten entsprach dem Patronatswesen der römischen Gesellschaft, aber sie sprengte in ihrer Konsequenz die römische Verfassung, wie wir bei unseren Protagonisten Caesar und Pompeius noch musterhaft werden sehen können. Denn diese sollten von Marius dreierlei lernen, zum einen dass Außenpolitik vorzüglich geeignet sein konnte, innenpolitische Machtstellungen aufzubauen; zum zweiten dass Kontinuität in der Führung besser Bedrohungen beseitigen und überhaupt Probleme lösen konnte als ein jährlicher Wechsel im höchsten Amt und das Prinzip der Kollegialität, und zum dritten dass Soldaten aus machtpolitischer Perspektive bessere Klienten als Bauern und Bürger waren. Es sollte für die Römische Republik noch schlimmer kommen – ganz Italien wollte mit aller Macht das römische Bürgerrecht! Dies war ein Reflex auf die vielen gemeinsam mit Rom errungenen Erfolge und nicht mehr als recht und billig: Man wollte die Früchte dieser Erfolge ebenso genießen wie die Römer. Diskutiert wurde darüber schon seit Jahrzehnten, doch hatte sich Rom bislang beharrlich geweigert, die socii (Bundesgenossen)
Die Krise der Römischen Republik bis Sulla mit dem römischen oder auch nur dem latinischen Bürgerrecht auszuzeichnen. Das römische Bundesgenossensystem in Italien war zu dieser Zeit in drei Teile geteilt: 1. die Römer (cives Romani), 2. das nomen Latinum und 3. die socii. Das war insgesamt sehr differenziert und eigentlich gerade darum so erfolgreich gewesen. Es war im Wesentlichen während des 4. und zu Beginn des 3. Jahrhunderts entstanden, als Rom allmählich Italien vereinnahmte, ohne es in den eigenen Bürgerverband zu integrieren. Diese Differenzierung schützte Rom und garantierte gleichzeitig den Italikern Selbstverwaltung. Jetzt aber, als Rom am Ende des 2. Jahrhunderts die Welt beherrschte, wollten alle Italiker das römische Bürgerrecht besitzen. Doch das ging den meisten Römern zu weit, und zwar aus ganz unterschiedlichen Gründen. Die Befürchtungen gingen insbesondere dahin, dass die politisch berechtigte Bevölkerung sich vervielfachen würde, die Überschaubarkeit und damit die Kontrollmöglichkeiten des stadtrömischen Adels über die Klienten dahin wären, die ökonomischen Privilegien des Bürgerrechts bei Landverteilungen oder Getreideausgaben geteilt werden müssten – so trafen sich in der Ablehnung Adel und Plebs, Arm und Reich. Es kam schließlich im Jahre 91 zu einem gewaltigen Krieg zwischen den Italikern und Rom, in dem die Bundesgenossen alles auf eine Karte setzten: entweder Integration in den römischen Staat oder Schaffung einer neuen Hauptstadt, für die man auch schon einen Namen, Italia nämlich, bereit hatte. Die Römer waren klug genug, recht bald, doch nicht ohne ein unfassbares Blutvergießen, nachzugeben; gesetzlich (eines dieser Gesetze hat der Vater des Gnaeus Pompeius eingebracht) sicherten sie im Jahre 90 denjenigen Bundesgenossen, welche die Waffen niederlegten, das Bürgerrecht zu (lex Iulia); ein Jahr später war Italien bis zum Fluss Po Bürgergebiet mit nunmehr einer Million Bürgern, das Gebiet jenseits des Po erhielt als Vorstufe für das Bürgerrecht das latinische Recht. Diese Integration hatte gravierende Folgen. Rom war jetzt kein Stadtstaat mehr, es war Territorialstaat geworden. All das war zu viel für die Römische Republik, sie verkraftete die neuen Entwicklungen nicht. Die Politiker Roms wussten um die Schwierigkeiten, jedoch hatten sie nur eine schwache Vorstellung davon, wie man die Krise in den Griff bekommen konnte. War es gar, wie es der Althistoriker Christian Meier im Jahre 1966 formuliert hat, eine „Krise ohne Alternative“? Das ist noch heute eine viel diskutierte und umstrittene Frage. Jedenfalls kurierten die politischen Kräfte in Rom an den Symptomen herum und erließen gegen die neuen Entwicklungen ein Gesetz nach dem anderen: gegen den Speiseluxus, gegen den Ämterehrgeiz, gegen die Präsenz von Fremden, Philosophen oder Rhetoren, gegen Bestechung und Erpressung von Geldern und so weiter. Auf diese Weise hoffte man, die frühere Stabilität wiederzugewinnen. Das Vorgehen war alles andere als systematisch, und die Gesetze wurden auch kaum eingehalten. Es war schließlich ein Optimat, der eine Lösung der Krise ins Auge fasste und konsequent neue Wege beschritt, um das Alte, die Senatsherrschaft, zu retten.
I.
Ausweitung des Bürgerrechts
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Die Römische Republik und ihre Krise bis 78
I.
3. Lucius Cornelius Sulla (138–78)
Krieg gegen Mithridates
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Lucius Cornelius Sulla wurde wohl im Jahre 138 geboren und entstammte den Cornelii, einem alten patrizischen Geschlecht. Seine Familie war jedoch verarmt und seit langem politisch bedeutungslos (Sallust, de bello Iugurthino 95). Unsere Quellen zeichnen kein positives Bild von ihm. Er war alles zugleich: Ehrgeizig und müßiger Lebemann, innovativ und am Alten hängend, grausam, aber auch nachgiebig verkörperte er offenbar die Widersprüche seiner Zeit in seiner Person. Sein politischer Aufstieg wurde am Anfang von Marius, seinem späteren Widersacher, gefördert. Sulla hatte in seiner Amtszeit als Quaestor und dem damaligen Konsul Marius zugeordnet, Jugurtha, den afrikanischen Aufrührer, im Jahre 105 gefangen nehmen können und damit erheblich an Ruhm und Selbstwertgefühl seines ambitionierten „Chefs“ gekratzt. Seine in der Folgezeit absolvierte und nicht immer geradlinig vorangehende politische Laufbahn sowie seine Erfolge als Feldherr im Bundesgenossenkrieg führten den fast Fünfzigjährigen 88 in das Konsulat, Gipfel- und Zielpunkt jeder aristokratischen Karriere. Doch erst jetzt beginnt Sullas eigentliche Geschichte und verbunden damit auch ein neues Stadium in der Krise der Römischen Republik. Das Jahr 88 war von zwei Themen in der römischen Öffentlichkeit beherrscht: Sollte den italienischen Neubürgern ein gleichberechtigtes Stimmrecht gewährt werden? Und: Wer sollte mit der Kriegführung gegen Mithridates VI. betraut werden? Dieser Krieg stand unmittelbar bevor, denn Mithridates, ein König aus dem Pontosgebiet mit Expansionsgelüsten auf Kosten Roms, hatte im so genannten „Blutbefehl von Ephesos“ an die 80 000 in der Provinz Asia lebende Römer und Italiker an einem einzigen Tag töten lassen. Wie schon vorher bei den Kimbern und Teutonen war einmal mehr die Außenpolitik der Hebel für innenpolitische Machtspiele. Der Volkstribun Publius Sulpicius Rufus, ein Popular und Marius-Anhänger, hatte eine Reihe von Gesetzesanträgen in der Volksversammlung eingebracht, mit denen die Neubürger auf alle Bezirke (tribus) gleichmäßig verteilt und dadurch politisch gleichberechtigt in den römischen Staat integriert werden sollten. Als der Konsul Sulla Widerstand leistete und schließlich nach bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf dem Forum fliehen musste, schob Sulpicius gleich einen weiteren Antrag hinterher: Nicht der Konsul Sulla sollte wie vorgesehen den Krieg gegen Mithridates führen, sondern Sullas persönlicher Feind und politischer Gegner, der Popular par excellence Marius, der zu dieser Zeit bereits ein Greis war. Was für uns eher periphere Bedeutung zu haben scheint, war für die Betroffenen – Feldherr und Soldaten – eine existentielle Angelegenheit. Jetzt zeigte sich zum ersten Mal die zerstörerische Wirkung der marianischen Heeresreform. Für Sulla nämlich standen durch diesen Beschluss der Volksversammlung die Früchte seiner politischen Karriere auf dem Spiel, die materiellen wie die immateriellen; er hätte sagen können, was Caesar vierzig Jahre später gesagt hat: Der Volkstribun Sulpicius und seine Clique beraubten ihn seiner dignitas (Würde). Der Krieg gegen Mithridates war für den römischen Politiker nämlich wie ein Lotteriegewinn. Er war keineswegs existentiell be-
Lucius Cornelius Sulla (138–78) drohlich, stellte Beute und finanziellen Gewinn in Aussicht und bot die für jeden römischen Aristokraten verlockende Perspektive, sich unsterblich zu machen und seine auctoritas zu steigern. Sullas Soldaten – darunter viele besitzlose proletarii – hofften auf materiellen Gewinn und eine abgesicherte Zukunft. Der Wechsel im Oberbefehl musste sie umso härter treffen, als Marius eine andere Heeresklientel hatte und aller Voraussicht nach eher auf diese zurückgreifen würde. Sie wären also womöglich ausgesondert, jedenfalls ins zweite Glied geschoben worden. So musste Sulla, der sich sofort zu seinen in Kampanien abmarschbereiten Truppen begeben hatte, dort nicht viel Überzeugungsarbeit leisten, um sich sein vermeintliches Recht mit Gewalt zu erzwingen und auf Rom in kriegerischer Absicht – zum ersten Mal und auch noch als ein römischer Konsul! – zu marschieren. Kaschiert wurde die Empörung mit der Verteidigung des Rechtsstaates, mit der Bestrafung der Rechtsbrecher um den zum Tyrannen gestempelten Sulpicius. Die Dinge erhielten nun eine von niemandem mehr zu kontrollierende Eigendynamik. Sulla besiegte im Straßenkampf in der Stadt die Marianer und hätte daraufhin die inneren Verhältnisse bereits jetzt regeln müssen, doch daran waren seine Soldaten nicht interessiert. Diese drängten auf den Feldzug gen Osten. Ein paar Hinrichtungen und Ächtungen hartnäckiger Widersacher, besonders natürlich des Volkstribunen Sulpicius und des flüchtigen Konkurrenten Marius, Aufhebung der sulpicischen Gesetze, einige Notverordnungen – dann machte sich Sulla auf, um mit seinem Heer nach Griechenland zum Krieg gegen Mithridates aufzubrechen. Das alles musste sehr schnell gehen, nicht einmal die Wahl seines Gegners L. Cornelius Cinna zum Konsul für das nächste Jahr 87 konnte er verhindern. Sulla verschob einfach die Entscheidung auf die Zeit nach seiner Rückkehr aus dem Osten. Inzwischen jedoch – es handelt sich um die Jahre 87–83 – errichteten die Marianer unter Cinna – Marius selbst war gleich zu Beginn seines 7. Konsulates Anfang 86 gestorben – ein populares Gegenregiment. Schuldenerlass und gleiches Recht für die Neubürger standen auf ihrem Programm, Sulla war zum Staatsfeind (hostis) erklärt worden. Die innere Spaltung der Senatorenschaft war nun auf das gesamte Reich übergesprungen, das in zwei feindliche Lager geteilt war: Im Osten kämpfte Sulla, ohne staatliche Legitimation und Unterstützung von zu Hause, nur sich selbst verantwortlich; in Rom ließ sich Cinna viermal hintereinander ohne ordnungsgemäße Wahl zum Konsul küren und herrschte genauso selbstherrlich. Der Bürgerkrieg war nun nur noch eine Frage der Zeit und des Ortes: Entweder er wurde nach Osten verlagert oder aber er war in Italien selbst zu führen. In den achtziger Jahren wurde die republikanische Verfassung aus den Angeln gehoben. Beteiligt an diesem destruktiven Prozess waren Optimaten und Popularen zu gleichen Anteilen. Die Sprengkraft der Heeresklientel sowie die Vermassung des Bürgerrechts überstiegen die Steuerungskapazitäten der vorhandenen Institutionen. Die Zeit war reif für grundlegende Reformen, vielleicht schien sie sogar reif für die Monarchie zu sein, aber die Menschen konnten sich diese jetzt noch nicht vorstellen. „Tyrann“ nannte Sulla den Sulpicius, und der schlimmste Vorwurf an den Gegner hieß: Streben nach der Königsherrschaft. Auch Caesar sollte später
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Erster „Marsch auf Rom“
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Die Römische Republik und ihre Krise bis 78
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Frieden von Dardanos
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die Erfahrung machen, dass Alleinherrschaft für die Römer nur über eine starke Verankerung in der Tradition möglich war. Die Spaltung: hier Cinna in Rom, dort Sulla im östlichen Reichsteil, symbolisiert gleichzeitig die der ganzen Krise zugrunde liegende Aporie: Der Stadtstaat Rom hatte seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. ein Reich erobert und war damit überfordert. Eine Monarchie war für den Stadtstaat undenkbar und eine Republik aristokratischer Prägung für das Reich nicht geeignet. Unter dieser Antinomie zwischen Republik und Monarchie lassen sich, wie noch zu zeigen ist, die sozialen und politischen Widersprüche der Folgezeit subsumieren; von Sulla an suchte Rom nach einem Weg, sie aufzuheben. Erst Augustus fand diesen Weg – so stellt sich zumindest dem rückschauenden Betrachter die Entwicklung dar. Der Krieg im Osten gegen den pontischen König dauerte von 87 bis 85. Sulla eroberte Griechenland zurück und zwang Mithridates im Frieden von Dardanos im Jahre 85, sich aus Kleinasien in Zukunft herauszuhalten und 2000 Talente (vergleichbar einem mehrstelligen Millionenbetrag heute) Kriegsentschädigung zu zahlen. Damit gaben sich die Römer zufrieden; Mithridates durfte sein pontisches Reich und seine Schätze behalten. Zeitgenossen wie Cicero und Sallust machten diesen Krieg für eine unvorstellbare Sittenverrohung im Reich verantwortlich, weil die Soldaten Sullas ohne Hemmung plünderten und mordeten, die Provinzen ausgepresst wurden und ihre Verwaltung zu einem Synonym für Bereicherung wurde (s. Quelle). Die Folgen der sullanischen Politik (Sallust, de coniuratione Catilinae 11) Nachdem aber Lucius Sulla mit Waffengewalt den Staat an sich gerissen hatte und nach guten Anfängen ein schlimmes Ende gezeitigt hatte, da rafften alle, schleppten beiseite, der eine wünschte ein Haus, Ackerland der andere, die Sieger kannten weder Maß noch Beherrschung, begingen scheußliche und grausame Taten gegen die Mitbürger. Hierzu kam noch, dass Lucius Sulla das Heer, das er in Asien geführt hatte, um es sich dadurch treu zu machen, wider die Art der Vorfahren üppig und allzu großzügig gehalten hatte. Liebliche und genussreiche Gegenden hatten während der Ruhezeit leicht den trotzigen Sinn der Soldaten verweichlicht. Dort gewöhnte sich zum ersten Male das Heer des römischen Volkes an, zu lieben, zu trinken, Statuen, Gemälde, ziselierte Gefäße zu bewundern, sie auf eigene Faust oder offiziell zu rauben, die Heiligtümer zu plündern, Heiliges und Nichtheiliges, alles zu besudeln. Nun, diese Soldaten ließen, als sie den Sieg errungen hatten, den Besiegten nichts übrig. Zumal Glück sogar die Herzen von Weisen schwach macht, geschweige denn, dass diese bei ihrer verdorbenen Art ihren Sieg maßvoll ausgenutzt hätten.
Die Zeitgenossen wussten, dass es Sulla nicht um eine dauerhafte und für die Provinzen verträgliche Friedensregelung gehen konnte. Wichtiger für Sulla war der Bürgerkrieg gegen Cinna und seine Anhänger. Dazu brauchte er materielle Ressourcen und getreue Soldaten, deren Folgsamkeit nicht der Verweis auf den mos maiorum (s. S. 6), sondern die Verbindung zu einem sich für sie einsetzenden Feldherrn gewährleistete. Auch diese Konstellation – innenpolitisch instrumentalisierte Kriegspolitik, sym-
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Lucius Cornelius Sulla (138–78) bolträchtige Einheit, ja fast verschworene Gemeinschaft zwischen Feldherr und Soldaten – wird für die spätere Republik konstitutiv. Mithridates jedenfalls konnte zufrieden sein mit dem Ergebnis des Krieges. Geschwächt zwar, war ihm doch die Möglichkeit verblieben, sich in den nächsten Jahren zu erholen und seit 74 die Römer erneut in einen großen Krieg zu verwickeln. Sulla kam 83 als Staatsfeind mit 40 000 ihm treu ergebenen Soldaten nach Italien zurück. Sein Widersacher Cinna war zwar 84 bei einer Meuterei ums Leben gekommen, aber seine Anhänger richteten sich auf die Abwehr des Feindes ein. Der Bürgerkrieg dauerte über ein Jahr, war blutig und alles andere als ein leichtes Spiel für den überlegenen Feldherrn Sulla. Er endete am 1. November 82 an der nördlichen Porta Collina in Rom. Dabei an Sullas Seite war auch Gnaeus Pompeius, damals kaum 24 Jahre alt. Sein Kriegsbeitrag war erheblich. Er bestand in drei Legionen, die er in seiner Heimat Picenum an der Ostküste Italiens ohne staatlichen Auftrag und, ohne je ein Amt bekleidet zu haben, ausgehoben hatte. Auch daraus erhellt der ordnungslose Zustand des römischen Staates. Nach dem Sieg über den innenpolitischen Gegner ergriff Sulla deshalb Maßnahmen, die mit den Begriffen „persönliche Legitimierung“ und „Restauration der Republik“ umschrieben werden können. Zuallererst musste Sulla seine Stellung im Staat absichern. Er tat das auf zwei Ebenen, einer sakralen und einer staatsrechtlichen. Staatsrechtlich forderte er die rückwirkende Anerkennung seines Prokonsulates und die Ernennung zum dictator legibus scribundis et rei publicae constituendae, also zum Diktator mit Gesetzgebungskompetenz zur Einrichtung des Staates auf unbestimmte Zeit. Er griff damit auf ein altes römisches Amt zurück, das aber seit dem Ende des 3. Jahrhunderts nicht mehr bekleidet worden war, die Diktatur. Diktatur Der Diktator war der Notstandsbeamte mit umfassenden Vollmachten. Er wurde nicht gewählt, sondern vom Konsul auf Rat des Senates hin ernannt. Er blieb sechs Monate im Amt, hatte keinen Kollegen und stützte sich auf einen ihm untergeordneten Helfer, den magister equitum („Befehlshaber der Reiterei“). Seine Aufgabe war in früher Zeit militärisch definiert: dictator rei gerundae causa, zuletzt im 2. Punischen Krieg gegen Hannibal. Sulla (und an ihn anschließend auch Caesar) deutete die Diktatur um: Die Notlage, die es zu heilen galt, war jetzt innenpolitischer Natur, und so wurde das Amt auch offiziell definiert: dictator rei publicae constituendae causa (zur Ordnung des Staates). Der Missbrauch dieses Amtes durch Caesar, der damit über Sulla hinausgehend seine Alleinherrschaft auf Lebenszeit sicherte, führte nach dessen Ermordung 44 zur dauerhaften Abschaffung der Diktatur. Seitdem hat der Begriff eine negative Prägung.
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Bürgerkrieg
Maßnahmen Sullas
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Die Ernennung Sullas zum Diktator, vorgenommen durch einen vom Senat installierten Interrex (wörtlich „Zwischenkönig“, ein noch aus der Königszeit stammendes Aushilfsamt in Zeiten ohne reguläre Oberbeamte) war wohl überlegt. Sie stellte Sulla in die republikanische Tradition und verglich den aktuellen Zustand des Staates mit einem wie durch Krieg entstandenen Notstand. Zugleich war diese Ernennung ein Ermächtigungsgesetz. Damit verbunden war die sakrale Überhöhung seiner Person. Am 29. und 30. Januar 81 feierte Sulla einen Triumph über Mithridates, ließ ein
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Die Römische Republik und ihre Krise bis 78
I.
Proscriptionen
„Belohnung der Anhänger“
Reorganisation des Staates
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Ehrenstandbild auf dem Forum aufstellen, richtete zur Erinnerung an seinen Sieg regelmäßige Spiele für den 27. Oktober bis zum 1. November ein (ludi Victoriae) und legte sich die Beinamen Felix („der Glückliche“) und Epaphroditos („der von der Aphrodite Begünstigte“, wobei Aphrodite das griechische Pendant zu Venus ist) zu. Diese stellten den Bezug zu den Göttern her, die Sulla als seine Hauptgottheiten verehrte: Apollo als der Gott des Orakels von Delphi und Venus als Stammmutter Roms. Die Botschaft der Beinamen signalisierte die Unterstützung der Götter für seine Sache. Unter „Einrichtung des Staates“ verstand Sulla die Festigung der Senatsherrschaft. Karl Christ hat jüngst in seinem Buch über Sulla zu Recht betont, dass hier der für die römische Verfassungsgeschichte ungewöhnliche Vorgang einer stringenten und geschlossenen Neustrukturierung anzutreffen ist. Die sullanische Reformpolitik basierte auf einer sachlichen und scharfsinnigen Analyse der Krise seit Tiberius Gracchus und hatte drei Komponenten: 1. die physische Vernichtung der Gegner, 2. die aktive Sozialpolitik zugunsten der eigenen Anhänger und 3. die Jurifizierung der römischen Verfassung. Was bedeutete das konkret? Sulla ließ nicht einfach, wie zuvor die Popularen unter Cinna, der Vergeltung freien Lauf. Vielmehr wollte er „seiner“ Republik die denkbar besten Startbedingungen verschaffen – mit der systematischen Ausrottung der politischen Gegner; das war kühl kalkulierte Grausamkeit in einer bisher nicht gekannten Dimension. Das Mittel dazu waren die Proscriptionen, deren Name sich von der öffentlich bis zu einem genau festgelegten Termin ausgehängten Liste herleitet, auf der die Namen der aktiven Popularen aufgeschrieben wurden (von proscribere: aufschreiben). Die Proskribierten waren in jeder Hinsicht vogelfrei, ihre Ermordung jedem, sogar Sklaven, unter Belohnung aufgetragen, ihr Vermögen wurde eingezogen und bereicherte Sullas Anhänger. 40 Senatoren und 1600 Ritter wurden proskribiert, ganz zu schweigen von Sullas Strafaktionen gegen italische Städte. Die Erinnerung an diese Schrekkenszeit bestimmte die nachfolgenden Jahrzehnte. Wie in jedem diktatorischen Regime, so gab es auch im sullanischen Mitläufer und Profiteure. Marcus Licinius Crassus zum Beispiel, wenig später der reichste Mann Roms und dadurch politisch bündnisfähig für Caesar, legte den Grundstock für seinen Reichtum in der sullanischen Diktatur. Sulla förderte seine Anhänger, wo er nur konnte. Senatoren, Ritter, Soldaten und Bürger, die auf seiner Seite gestanden hatten, wurden Adressaten einer generösen Sozialpolitik, mit der er die Akzeptanz seiner politischen Regelungen absichern wollte. Mehr als 120 000 Veteranen siedelte er in Italien an – auf Land, das er denen, die nicht für ihn gewesen waren, abgenommen hatte. Viele dieser „Neubauern“ erschienen zwanzig Jahre später erneut auf der Revolutionsbühne; sie unterstützten jetzt den Aufrührer Catilina, dessen Anhängerschaft sich auch aus ehemaligen Sullanern zusammensetzte. Eine weitere Verstärkung von Sullas Klientel bildeten freigelassene Sklaven, die nun als Teil seiner „Familie“ und unter dem Namen Cornelii seine persönliche Leibwache bildeten. Die dritte Komponente in der sullanischen Herrschaftspolitik war die Reorganisation des republikanischen Staates, so wie der Diktator ihn verstand: als Senatsherrschaft. Die jüngere Vergangenheit hatte ihn als Erstes belehrt, dass es Volkstribunen waren, welche die Macht des Senates ge-
Lucius Cornelius Sulla (138–78) schwächt hatten. Deshalb wurde dieses Amt als nicht verfassungskompatibel maßgeblich geschwächt und mit ihm die Volksversammlung. Der Senat hatte über jeden Gesetzesantrag vorher zu entscheiden, ob er dem Volk vorgelegt werden durfte. Zusätzlich waren Volkstribune von einer weiteren politischen Karriere ausgeschlossen. Sulla stockte den Senat um 300 besonders einflussreiche Ritter auf und übertrug im Gegenzug die Gerichte wieder den Senatoren. Das Gerichtswesen ordnete er überhaupt neu und passte es den gestiegenen Anforderungen an. Eingerichtet wurden unter dem Vorsitz von Praetoren sechs „ständige Gerichtshöfe“ (quaestiones perpetuae), die über Mord und Giftmischerei, Testamentsfälschung, Amtserschleichung, Unterschlagung, Erpressung der Untertanen und Majestätsvergehen gegen das römische Volk verhandeln sollten. Schon hier wird deutlich, dass die Zahl der Beamtenstellen erhöht werden musste. Sulla nahm insgesamt grundlegende Veränderungen an der Verfassung vor: Die Praetorenstellen wurden auf acht erhöht, die der Quaestoren auf zwanzig. Die Zensoren büßten ihre Funktion als Sittenwächter ein, weil Sulla die Sittenkontrolle gesetzlich geregelt hatte. Schließlich zog Sulla auch die Lehren aus seinem eigenen Erfolg, der ja militärisch errungen worden war. Italien wurde entmilitarisiert, die Macht der Statthalter in den zehn Provinzen, die fortan zwei Konsuln und acht Praetoren nach deren stadtrömischem Amtsjahr als Prokonsuln beziehungsweise Propraetoren verwalten sollten, wurde auf ihren jeweiligen Sprengel streng begrenzt. Die Promagistratur wurde auf diesem Wege als Provinzverwaltungsamt fest in der Verfassung verankert. Die genannten zehn Provinzen waren jetzt: Sicilia, Sardinia/Corsica, Hispania Citerior, Hispania Ulterior, Macedonia/Achaia, Africa, Asia, Gallia Narbonensis, Cilicia. Trotz seiner großen militärischen Erfolge hat Sulla dem Reich keine weiteren Provinzen hinzugefügt. Über diese bedeutenden Maßnahmen zur Stabilisierung der Verfassung hinaus regelte Sulla noch weitere Bereiche des öffentlichen Lebens, zum Beispiel beschränkte er den Tafelluxus und kriminalisierte er den Ehebruch. Es sind fast dreißig Gesetze unter seinem Namen (als leges Corneliae) überliefert. Das war Sullas res publica constituta, die auch baupolitisch in Rom auf dem forum Romanum symbolisiert wurde. So wurde die curia, der Sitzungssaal des Senates an der Nordwestseite des Forums, der gestiegenen Senatorenzahl entsprechend vergrößert und in curia Cornelia umbenannt. Die Vergrößerung erfolgte mit deutlicher Symbolwirkung auf Kosten des Versammlungsplatzes für das Volk. Noch heute eindrucksvoll das Forum dominierend ist das Tabularium am Kapitolsabhang, welches das Archiv des Senates verwahren sollte. Es symbolisierte die von Sulla restaurierte Herrschaft des Adelsgremiums. Über den Charakter des sullanischen Staates gibt es eine umfassende Forschungsliteratur; Einigkeit besteht in der restaurativen Ausrichtung des Konzeptes. Das Wesen des Staates war allerdings, obwohl es an der „Sitte der Vorfahren“, am mos maiorum, ausgerichtet war, ein gänzlich anderes geworden. Dahinter stand die Idee, dass die Krise des Staates mit leges, mit Gesetzen, zu beheben sei. Sullas Denkfehler war indes, dass er die Krise auf die Ordnung in Rom beschränkte. Danach hat Sulla das Kernproblem der römisch-republikanischen Herrschaft nicht als solches erkannt oder zu-
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Baupolitik
Bewertung Sullas
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Die Römische Republik und ihre Krise bis 78
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mindest verdrängt. Seine Reformen waren Krisenmanagement, gespeist aus seinen eigenen Erfahrungen: Außerordentliche Kommanden sollten verhindert, die Amtsübertragung genormt, die Amtsvollmachten beschränkt und die Aktionsradien der Amtsinhaber verkleinert werden. Die Herrschaft über das Reich wurde nun in einer Weise neu geordnet, dass von dort keine senatsfeindliche Bedrohung mehr ausgehen konnte. Mit dieser Regelung wurde überhaupt nicht auf die globalen Reichsaufgaben Rücksicht genommen – das Reich spielte keine eigenständige Rolle in Sullas Überlegungen. Statt die Distanz zwischen Peripherie und Zentrum zu verringern, das Reich mit Rom zu verbinden, bewirkte Sulla also das Gegenteil. Die republikanische Unfähigkeit, ein Reich zu verwalten, wurde mit einer Flut von Gesetzen auch noch festgeschrieben und somit zum unwandelbaren Grundgesetz der Republik erhoben. Mit Sulla geriet die Republik in ihre tiefste Krise, aus der kein Ausweg möglich schien. Es ist paradox, doch der systematische Restaurator der Republik ist historisch gesehen ihr Totengräber geworden. Ein Übriges tat die fehlende Unterstützung innerhalb der Nobilität selbst, gegen deren Standesethos die Selbstherrlichkeit des Diktators verstoßen hatte und die auch in keiner Weise an der Gesetzgebung zu ihrer eigenen Stärkung beteiligt worden war. Die moderne Forschung ist anders als die Quellen geneigt, Sulla eine gewisse Vorreiterrolle für den Prinzipat des Augustus zuzuweisen. Man muss jedoch auf der Hut sein, sich von der Systematik und inneren Logik sullanischer Politik blenden zu lassen. Die Nachfolger jedenfalls lernten von Sulla nur, wie sie die Macht gewinnen konnten; Mittel und Perspektiven ihrer Herrschaft mussten sie freilich selbst entwickeln. Bleibt noch der Blick auf das Ende Sullas, der überraschend für alle die Diktatur freiwillig im Jahre 79 niederlegte. Der Diktator demonstrierte dadurch seine persönliche Uneigennützigkeit. Er zog sich zurück nach Puteoli und führte fortan ein Leben als Privatmann. Als solcher wollte er offensichtlich noch miterleben, wie seine Schöpfung ohne ihn funktionierte. Allerdings überlebte er den eigenen Rücktritt nicht sehr lange. 78 starb er, und seine Veteranen und Anhänger gaben ihm in Rom ein würdiges Ehrengeleit. Die Krise der Römischen Republik aber ging weiter – ganz so, als ob es eine Restauration der Senatsherrschaft nie gegeben hätte.
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II. Pompeius und die Auflösung der sullanischen Ordnung (78–63) 78/7 77–72 74 73–71 70 67/6
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Aufstand des Lepidus Abfall des Sertorius in Spanien Ausbruch des 3. Mithridatischen Krieges Spartacus-Aufstand in Italien Konsulat des Pompeius und Crassus Außerordentliche Imperien des Pompeius gegen die Seeräuber und den pontischen König Mithridates, übertragen durch die lex Gabinia und die lex Manilia Neuordnung des Ostens durch Pompeius Konsulat Ciceros und Verschwörung des Catilina
1. Die Probleme der Zeit Die 15 Jahre nach Sullas Tod waren Schicksalsjahre der Römischen Republik: Eine nicht enden wollende Kette von Aufständen und Unruhen in Italien und den Provinzen führte an den Abgrund. Sullas Reformen waren offenkundig nicht geeignet, die Krise zu beheben. Ein Teil der Unruhen erwuchs aus den Proscriptionen, denn viele Enteignete nutzten Sullas Tod, um ihren Besitz wiederzuerlangen, und die Familienangehörigen der Geächteten und Getöteten kämpften mit allen Mitteln um die Wiederherstellung ihrer Reputation. Unter den angesiedelten Veteranen wiederum war der Wunsch nach neuen Feldzügen stärker verbreitet, als dem beschaulichen Bauernleben nachzugehen. Aus beiden Gruppen schlossen sich Unzufriedene zusammen, die bedrohlich ihre Forderungen erhoben. Die physische Vernichtung der Popularen war außerdem nicht vollständig erfolgt, und die Überlebenden waren verbittert mit teilweise hochverräterischen Konsequenzen. Zu allem Überfluss wirkte das Vorbild Sullas selbst destabilisierend. Er war zur Durchsetzung seiner Ziele auf Rom marschiert und hatte sich durch Einsatz militärischer Mittel seine Machtposition in der Hauptstadt erobert. Nachahmer regten sich. Zu diesen gehörten zwei der wichtigsten Politiker der nachsullanischen Ära, Gnaeus Pompeius und Marcus Licinius Crassus. Beide profitierten in ganz unterschiedlicher Weise von Sulla, doch eines hatten sie gemeinsam: Sie absolvierten ihre politische Karriere an der Verfassung und der vorgeschriebenen Ämterlaufbahn vorbei; beide als Heerführer, der eine zusätzlich als Organisator, der andere vor allem als Großbankier. Im Grunde freilich lagen Pompeius und Crassus im Trend der Zeit. Schon Sulla selbst hatte die Verfassung ganz eigenwillig geändert. So wurde von Anfang an lebhaft diskutiert, wie man diese Änderungen rückgängig machen könnte. Volkstribunat und Volksversammlung hatten jenseits aller tagespolitischen Kontroversen in der postgracchischen Zeit so sehr an Bedeutung gewonnen, dass die Beschneidung ihrer Kompetenzen und ihres
Folge der sullanischen Restauration
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Pompeius und die Auflösung der sullanischen Ordnung
II.
Außenpolitik
Ansehens nicht einfach hingenommen werden konnte. Die zahlreichen und in ihren Abläufen ritualisierten Volksversammlungen vermittelten das Gefühl einer Zusammengehörigkeit der römischen Bürger und waren ein Instrument der Kommunikation mit den politisch Mächtigen. Diese Funktionen hingen jedoch eng mit ihrer gewichtigen Stellung neben Senat und Magistratur zusammen. Daher erscholl der Ruf nach Aufhebung der sullanischen Beschränkungen von Volkstribunat und Volksversammlung immer lauter, weil diese Institutionen die Beteiligung des Volkes an der Verfassung in besonderer Weise zum Ausdruck brachten. Der Ruf nach Wiedereinführung der Zensur ertönte dagegen weit weniger eindringlich vernehmbar; dieses altrepublikanische Amt – es war 443 v. Chr. zur Entlastung der Konsuln eingeführt worden – war obsolet geworden und fand daher keine Fürsprecher. Außenpolitisch war Rom durch Sulla praktisch handlungsunfähig gemacht worden, jedenfalls in den Fällen, in denen sich die Gegner nicht an die vorgegebenen Provinzsprengel hielten. Für die drängendsten Aufgaben, die Seeräuberbedrohung und den Mithridates-Krieg, musste schnelle und wirkungsvolle Abhilfe geschaffen werden. Man griff dabei auf die außerordentlichen Imperien (imperia extraordinaria) zurück, die weit in die Zukunft reichende Konsequenzen haben sollten. Bei der Lösung all dieser Probleme profilierte sich maßgeblich jener junge und unerfahrene, aber ungeheuer selbstbewusste und eigenwillige Mann aus Picenum, der Sulla im Jahre 82 in der Schlacht am Collinischen Tor zu Rom geholfen hatte: Gnaeus Pompeius.
2. Gnaeus Pompeius: Herkunft, Jugend, politisches Profil Gnaeus Pompeius wurde am 29. September 106 in jene traumatische Zeit hineingeboren, als man die Kimbern und Teutonen in Kürze vor Rom wähnte und der Jugurtha-Krieg in Afrika noch nicht beendet war. Seine Familie konnte auf keine lange Ahnenreihe verweisen, aber der Vater Gnaeus Pompeius Strabo brachte es 89 zum Konsulat. Der Bundesgenossenkrieg in Italien rief nach guten Feldherren, wie es der ältere Pompeius war, und noch mehr nach guten Politikern. Die Heimat der Familie lag an der Ostküste Italiens, in Picenum. Diese Landschaft stellte für Vater und Sohn Pompeius das Fundament ihrer späteren militärischen Klientel bereit. Gnaeus wuchs in engster Verbindung mit der Krise der Republik auf. Als 17-Jährigen finden wir ihn in der Ausbildung bei seinem Vater, damals Konsul und im Krieg gegen aufständische Bundesgenossen im Einsatz, als 19-Jähriger rettete er den gemeinhin unbeliebten Vater vor einer Meuterei. Der Krieg also war seine Schule, und er wurde zu seinem Beruf; Pompeius sollte sich später seiner ganz auf militärischen Drill abgestimmten Jugend rühmen. In Italien waren die Jahre 87–84 geprägt von dem Fehlen einer funktionierenden Ordnung und der Erwartung des popular-optimatischen Krieges; es herrschten die Popularen unter Cinna, doch alle erwarteten die Rückkehr Sullas aus dem Osten. Das Verhalten des Pompeius in dieser Zeit war eher abwartend. Er musste während der achtziger Jahre eine noch auf
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Gnaeus Pompeius
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den inzwischen verstorbenen Vater zurückgehende Anklage auf Bereicherung abwehren. Eine politische Programmatik schien ihm fern zu liegen. Wir finden ihn aber in der Nähe wichtiger popularer Führer wie Gnaeus Papirius Carbo oder Publius Antistius, dessen Tochter er heiratete, aber 83 – Sulla näherte sich bereits mit seinem siegreichen Heer – wechselte er auf die aussichtsreichere optimatische Seite über. Er sammelte sich, so schildern es unsere Quellen, ein Heer in seiner Heimatregion Picenum zusammen, das ihm ergeben war und überallhin folgte und mithilfe dessen er ohne irgendeine Legitimation Sulla gute Dienste leistete. Danach war er in Rom bekannt für Mut, Entschlossenheit und Organisationstalent, womit sein Vorgehen gerechtfertigt erschien. Aber neu, ungewöhnlich und gänzlich gegen den mos maiorum war das Vorgehen des jungen Feldherrn allemal, und man erinnerte sich dessen noch Jahrzehnte später voller Bewunderung (s. Quelle). Cicero über Pompeius (66 v. Chr.) (Cicero, Oratio de imperio Cn. Pompei 61: Cicero plädiert vor der Volksversammlung für die Übertragung des Oberbefehls im seit 74 tobenden 3. Mithridatischen Krieg an Pompeius)
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Was sonst ist denn wohl so unerhört, wie dass ein ganz junger Privatmann in einer Notzeit des Staates ein Heer zusammenbringt? Das hat er getan! Dass er es anführt? Jener hat es angeführt! Dass er als Feldherr größten Erfolg hat? Er hatte ihn! Was widerspricht so dem Herkommen, als einem blutjungen Menschen, dem es noch weit bis zum Senatorenalter fehlte, Kommando und Heer zu geben und ihm Sizilien mit Afrika und den Krieg dort anzuvertrauen? Pompeius weilte in diesen Provinzen und bewies strengste Rechtlichkeit, größte Würde, höchste Tapferkeit; er beendete den großen Krieg in Afrika und führte sein Heer als Sieger zurück. Was vollends ist so unerhört, als dass ein römischer Ritter den Triumph feiert? Aber auch diese Neuerung hat das Volk von Rom nicht nur gesehen, sondern glaubte sogar, sie mit allgemeiner Teilnahme anschauen und mitfeiern zu sollen.
Pompeius hatte sich unentbehrlich gemacht; Sulla redete ihn, der noch nicht einmal hätte Quaestor werden dürfen, weil er zu jung war, mit dem Titel „imperator“ an und setzte ihn – wahrscheinlich im November 82 – im Dienste der Sache gegen die popularen Heere in Sizilien und Afrika ein, wo er sein überragendes Ordnungstalent bewies. Er führte seinen Auftrag mit der Unterstützung von sechs Legionen gründlich und schnell aus. Vor allem präsentierte er sich in diesen Reichsterritorien bereits als Schutzherr der Provinzialen, die er sehr milde behandelte. Hier legte er den Grundstein für seine spätere faktische Position als „Reichspatron“, dessen Klientel von Spanien bis nach Syrien und Afrika reichte. Die popularen Gegner freilich, wie die Feldherren Gnaeus Carbo auf Sizilien und Gnaeus Domitius Ahenobarbus, der ein Schwiegersohn Cinnas war, ließ er, nach dem Vorbild Sullas, hinrichten (Plutarch, Pompeius 10–12). Bereits im Jahre 81 erhielt er den Beinamen „der Große“ (magnus); ein maximus, „der Größte“, ein durchaus gebräuchlicher römischer Beiname, beabsichtigte er jetzt und in Zukunft freilich nicht zu werden, nur ein princeps, ein „führender Mann unter Gleichen“. Im Jahre 79, nach großen Erfolgen, wurde der große Diktator Sulla gar genötigt, seinem jungen General den Triumph zu gewähren.
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Triumph Der Triumph ist wohl etruskischen Ursprungs. Es handelte sich dabei um eine Prozession, bei der der Triumphator über auswärtige Feinde sein Heer mitsamt der Beute und Kriegsgefangenen über das forum Romanum zum Kapitol führen und dort dem höchsten Gott Jupiter Capitolinus ein Dankopfer veranstalten durfte. Die Genehmigung dazu verliehen die Volksversammlung oder der Senat zum Dank für große militärische Siege. Nur in diesem Fall durfte der Feldherr sein Imperium über die heilige Stadtgrenze Roms, das Pomerium, hinaus behalten und Soldaten in die Stadt führen. Der Triumph war die größte Ehrung für römische Politiker. Caesar war der Erste, der nach dem Sieg über Pompeius in Munda/Spanien 45 auch einen Triumph über innenpolitische Gegner feierte.
Pompeius bestand auf solcherlei Ehrungen, sie waren Auszeichnung für ihn selbst und für seine Soldaten, die ihn folglich umso mehr unterstützten. Sullas Wertschätzung für ihn kommt auch darin zum Ausdruck, dass er ihm seine Stieftochter Aemilia zur Frau gab, die – wie Pompeius selbst – verheiratet und sogar schwanger war; sie starb im Kindbett. Über diese Ehe, so kurz sie auch währte, gelangte Pompeius in die vornehmsten und mächtigsten Kreise Roms, denn Aemilia war nicht nur die Stieftochter Sullas, sondern auch die leibliche Tochter einer Frau aus dem Hochadel, der Caecilia Metella. Von seiner ersten Frau Antistia hatte sich Pompeius scheiden lassen (Plutarch, Pompeius 9). Man mag sich ausmalen, welchen Eindruck das alles auf die Zeitgenossen machte, denen Sulla doch mit Gewalt einhämmerte, dass die alte Republik mit ihrer festgelegten Ämterlaufbahn fortan das Maß aller Dinge wäre. Man hatte noch Sullas Verdikt über den Sohn des Marius, der 82 mit 27 Jahren Konsul geworden war, im Ohr: „Man muss zuerst Ruderer werden, bevor man nach dem Steuer greift“ (Appian, Bella civilia 1, 94, 435). Für Pompeius galt das alles nicht, und das sogar vom Diktator selbst sanktioniert. Wer sollte sich an die Neuordnung überhaupt halten, wenn schon ihr Urheber sich nicht nach ihr richtete?
3. Die großen Krisen der siebziger Jahre: Lepidus, Sertorius, Spartacus
Lepidus
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Das Vermächtnis Sullas waren die Aufstände der von seiner Politik Benachteiligten und Unzufriedenen. Die Nobilität bestimmte zwar äußerlich das Geschehen – von 61 Konsuln der nächsten Jahre kamen 54 aus den alten Familien. Doch überliefern unsere Quellen ein verheerendes Bild ihres Zustandes: verweichlicht, auf der Jagd nach Geld, unfähig, Probleme zu lösen, sittenlos, gewaltbereit. Ein Beispiel gibt Marcus Aemilius Lepidus. Nach dem Rücktritt Sullas im Juli 79 gegen dessen erklärten Willen für 78 zum Konsul gewählt, griff er sogleich in demagogischer Weise die sullanischen Themen auf: die Konfiskationen, die Einstellung der Getreideverteilungen, die zahlreichen Verbannungen, das beschädigte Amt des Volkstribunen. Lepidus hatte durchaus profitiert von den Proscriptionen und hatte sich zudem als Statthalter von Sizilien im Jahre 81 bereichert, war dann aber politisch umgeschwenkt. Der Geschichtsschreiber Sallust legte
Die großen Krisen der siebziger Jahre
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ihm eine gleichsam programmatische Rede in den Mund, deren Leitmotiv die Spannung zwischen Herrschen und dienen war (s. Quelle). Darin wird die Spaltung der römischen Gesellschaft in Nutznießer und Leidtragende durch die Politik Sullas beklagt und das Volk zum bewaffneten Widerstand aufgerufen. Lepidus über die Spaltung der römischen Gesellschaft durch Sullas Politik (Sallust, Historiae 1, 10–13)
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In dieser stürmischen Zeit heißt es dienen oder herrschen, Furcht empfinden oder Furcht bereiten, Quiriten. Denn was gibt es noch darüber hinaus? Oder welche menschlichen Rechte sind noch übrig geblieben, oder gar, welche göttlichen Gesetze sind noch nicht entweiht? Das römische Volk, kurz zuvor noch Lenker der Völker, ist der Herrschaft, des Ruhmes und des Rechtes beraubt; unfähig zu handeln und verachtet, hat es nicht einmal den Sklaven zustehende Nahrung für sich übrig behalten. Eine große Menge von Bundesgenossen und von Latinern werden durch einen Mann von der Ausübung des Bürgerrechts ausgeschlossen, das ihnen von euch als Lohn für viele hervorragende Taten verliehen wurde, und die väterlichen Wohnsitze des schuldlosen Volkes haben ganz wenige seiner Spießgesellen als Lohn für ihre Verbrechen in Besitz genommen. Gesetze und Gerichte, Staatsvermögen, Provinzen und Königreiche, endlich die willkürliche Entscheidung über Tod und Leben von Bürgern sind in der Hand eines Einzigen.
Das Zentrum der Unzufriedenheit war Etrurien. Lepidus hatte mit einer ganzen Reihe antisullanischer Gesetzesanträge Hoffnungen bei den Benachteiligten erweckt, wieder in die alten Rechte eintreten zu können. Schließlich setzte er sich selbst in Etrurien an die Spitze aller Unzufriedenen. Auch mit seinem Mitkonsul, dem wenig kriegerischen Optimaten Lutatius Catulus, hatte er sich zerstritten. Die Senatoren in Rom sahen keine andere Möglichkeit als die, gegen den amtierenden Konsul militärisch vorzugehen. Für diese Aufgabe wurde der inzwischen hoch geehrte Pompeius ausersehen (Plutarch, Pompeius 16; Appian, Bella civilia 1, 107). Pikant war, dass gerade Pompeius die Wahl des Lepidus zum Konsulat unterstützt und sich deshalb mit Sulla entzweit hatte. Doch war die Sache, für die Lepidus stand, für Pompeius nicht akzeptabel. Seine Veteranen als Profiteure der sullanischen Maßnahmen wären davon massiv betroffen gewesen. Der „Aufstand“ wurde wenig später 77 mit der Ausrufung des Staatsnotstandes (s. oben S. 7) militärisch schnell niedergeworfen. Pompeius hatte die Aufgabe übernommen, die militärische Rekrutierungsbasis des Lepidus in Oberitalien auszuschalten; der Vater des Caesar-Mörders Marcus Brutus wurde dabei von Pompeius getötet, eine Tat, die ihm den Sohn für immer entfremden sollte und die Zeitgenossen noch Jahrzehnte später als Schuld anrechneten (Plutarch, Pompeius 16; Brutus 4; Appian, Bella civilia 2,111; Cicero, ad Atticum 9,14). Lepidus selbst floh nach Sardinien und starb wenig später. Zeitgleich, aber schwieriger zu lösen, war der Fall Quintus Sertorius. Plutarch erachtete diese legendenumwobene Persönlichkeit für so bedeutend, dass er ihm eine ganze Biographie widmete. Sertorius hatte unter Marius das Kriegshandwerk gelernt, und wie dieser war er Popular. 83 war
Sertorius
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Spartacus-Aufstand
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er Praetor im diesseitigen Spanien (Hispania citerior) gewesen. Schon früher hatte er sich dort mit den einheimischen Gebräuchen und der Sprache bestens vertraut gemacht und auch einige Sympathien erworben. Als Sulla nach seiner Rückkehr aus dem Mithridates-Krieg in Rom die Oberhand gewann, war für Sertorius eine Rückkehr unmöglich, und so installierte er mit Unterstützung der Lusitanier (einem Stamm im Westen der Halbinsel, heutiges Portugal) und von Emigranten gleichsam eine autonome Republik Spanien mit eigenem Senat, Steuersystem und einer Erziehungsanstalt für spanische Jungadlige. Sertorius lehrte die Römer, wie die Herrschaft in einer Provinz gesichert werden konnte. Sullas Disziplinierungsversuche blieben erfolglos. Im Gegenteil, Sertorius schmiedete eine internationale Koalition gegen Rom, der Mithridates, die kilikischen Seeräuber, Afrika und (das noch nicht römische) Gallien angehörten. In Rom befürchtete man schon einen Angriff auf Italien, Sertorius wurde gar mit Hannibal verglichen. 77 wurde Pompeius gerufen. Ausgestattet wiederum mit einem außerordentlichen Imperium und 30 000 Fußsoldaten sowie 1000 Reitern führte er gemeinsam mit dem Statthalter des jenseitigen Spanien (Hispania ulterior) Q. Caecilius Metellus Pius einen schwierigen und nicht immer erfolgreichen Krieg gegen Sertorius. Erst 74 und mit zwei zusätzlichen Legionen und erheblichen Geldmitteln gelang es, die wichtigsten Zentren des Sertorius im Landesinnern einzunehmen. 72 schließlich wurde Sertorius durch einen seiner Anhänger M. Perperna ermordet, ein Jahr später erfolgte der endgültige Zusammenbruch Spaniens. Pompeius führte eine nachhaltige Neuordnung durch, die ihm Spanien im späteren Bürgerkrieg gegen Caesar als Klientel sicherte (Plutarch, Pompeius 17–20). Natürlich feierte Pompeius gebührend seinen Erfolg. Ein weithin sichtbares Siegesdenkmal kündete auf dem Pyrenäenpass von der Unterwerfung von 876 „Städten“. Pompeius beanspruchte den Ruhm für sich allein, und dieses Monument verlieh dem Ausdruck. Sertorius ist eine der umstrittensten und geheimnisvollsten Gestalten der Römischen Republik gewesen; seine Reputation schwankte zwischen „Hochverräter“ und „Freiheitsheld“. Die Urteile über ihn sind zumeist inspiriert von Plutarchs Biographie, die eine insgesamt positive Zeichnung seiner Persönlichkeit bietet. Die Positionen der modernen Geschichtswissenschaftler zeigen, wie „subjektiv“ das historische Urteil ist, wie abhängig auch von der Zeit, in der der jeweilige Forscher lebt. Historikern im 19. Jahrhundert galt er als „einer der fleckenlosesten Gestalten“ (Niebuhr) und „vielleicht der größte Römer bis dahin“ (Mommsen), weil er sich um die nationale Einigung Spaniens verdient gemacht hatte, deutschen Historikern im Nationalsozialismus dagegen als ein „Hochverräter“ (Helmut Berve), weil er sich dem herrschenden Staat, nämlich Rom, in aufrührerischer Weise widersetzt hatte. Gelegentlich wurde sogar von einem „Sertorius-Reich“ gesprochen (A. Schulten). Die marxistische Literatur erkannte sein Verdienst an, „anstelle der bloßen Gewaltanwendung die Position der Römer auf dem Wege der Romanisierung des Provinzialadels zu festigen“. Noch bevor das Sertorius-Problem gelöst war, kam ein anderes auf die Tagesordnung, das wiederum Italien betraf: der Spartacus-Aufstand, und auch hier „half“ Pompeius. Im Jahre 73 brach eine Gruppe von 70 oder 80 Gladiatoren unter Führung des Thrakers Spartacus aus einer Gladiatoren-
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schule in Capua aus. Damit begann der berühmteste Sklavenaufstand der Antike. Sein Zentrum lag am Vesuv. Sklaven Die Rechtsstellung von Sklaven (mancipia, servi) ergibt sich nach römischer Vorstellung daraus, dass sie „Sache“, nicht Personen waren. Über die soziale Position sagt der Begriff freilich erstaunlich wenig aus. Besonders schlecht erging es den Bergwerksarbeitern, während Haussklaven wie Köche oder Ammen es weitaus besser hatten. Es gab in der Hauptsache drei Wege, um sich Sklaven zu verschaffen: 1. auf dem Wege des Sklavenhandels, der zu jener Zeit blühte und sehr gewinnbringend war; auf den Sklavenmarkt gelangten viele entführte Menschen, die Opfer von Piraten und Räubern geworden waren; 2. auf dem Wege des Krieges, denn die Unterlegenen wurden oftmals als Kriegsbeute in die Sklaverei verkauft; 3. auf dem Wege natürlicher Reproduktion, denn die Kinder von Sklaven waren vom Status her ebenfalls Sklaven; sie sicherten den Sklavenbesitzern gleichsam die billigste Ergänzung des Sklavenbestandes. Es war auch möglich, Sklaven freizulassen; dann wurden sie als liberti („Freigelassene“) Teil der römischen Bürgerschaft, wenn auch mit eingeschränkten Rechten. Sklaven und Kriegsgefangene waren es auch, die in den Gladiatorenspielen kämpfen mussten. Sie wurden in so genannten ludi (Gladiatorenschulen) gehalten, wie es sie in Rom zum Beispiel direkt neben dem Colosseum oder in Capua gab. Gladiatorenspiele wurden im Rahmen von Begräbnisfeierlichkeiten für Adlige (nobiles) seit dem 1. Punischen Krieg 264 v. Chr. abgehalten. Der Name leitet sich von gladius (Schwert) ab und weist auf den blutigen Charakter der Spiele hin. Seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. sind als Kämpfer neben den Sklaven auch Freie und Höhergestellte bezeugt, die von finanziellen Gewinnen, Abenteuerlust und der Aussicht auf Popularität angelockt wurden. Gladiatoren wurden regelrecht nach speziellen Gattungen ausgebildet und erlangten für ihre Kampfsportart eine derartig große Perfektion, dass sich auch das Militär ihrer bediente beziehungsweise von ihrer Ausbildung einiges abschaute. Die Lebensbedingungen waren oft schlecht. Die Ernährung und ärztliche Betreuung war ganz auf den Sport ausgerichtet. Gladiatorenspiele waren neben den Wagenrennen wohl das beliebteste Freizeitvergnügen der Römer.
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Unerwartet viele Unzufriedene schlossen sich Spartacus auf seinem Streifzug durch Italien an: Sklaven, landlose Bauern, Leidtragende der sullanischen Proscriptionen. So kam Spartacus auf bis zu 120 000 Mann – ein beredtes Zeichen dafür, dass die Krise der Römischen Republik nicht nur eine politische, sondern auch eine wirtschaftliche und soziale war. Unsere Quellen lassen uns im Unklaren darüber, welche genauen Ziele über die Erlangung der Freiheit hinaus die Aufrührer verfolgten; für sie waren sie nicht mehr als Plünderer und Verbrecher. Sicher ging es ihnen um Freiheit, Abschüttelung eines drückenden Joches, vielleicht träumten sie sogar den Traum von einem eigenen, süditalischen Staat. Die römische Gegenwehr begann zunächst träge und inkonsequent. Daher häuften sich die Niederlagen. Erst als der Praetor Marcus Licinius Crassus mit sechs bis acht Legionen alle Kräfte mobilisierte, setzte sich die römische Kriegsmaschinerie allmählich gegen die schlecht ausgerüsteten Sklaven durch. Auch Crassus nutzte also das postsullanische und krisengeschüttelte Italien als Sprungbrett für seine politische Karriere. Spätestens im Spartacus-Konflikt entwickelte sich zwischen Pompeius und ihm eine Rivalität um den beherrschenden politischen Einfluss in Rom, die die nächsten 20 Jahre römischer Politik bestimmte. Auf seine Persönlichkeit, die während des Spartacus-
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Aufstandes zum ersten Mal ins Licht der Öffentlichkeit trat, werden wir genauer im Zusammenhang mit dem 1. Triumvirat zu sprechen kommen. Crassus also gelang der militärische Sieg gegen die Aufständischen in Süditalien, den er mit grausamer Bestrafung von 6000 gekreuzigten SpartacusAnhängern, die beide Seiten der Via Appia säumten, „krönte“. Doch auch diesmal kam Rom offenkundig nicht ohne Pompeius aus. Als der erfolgreiche Ausgang des Krieges gegen Spartacus Anfang 71 noch nicht ganz feststand, beauftragte der Senat auf Bitten des Crassus selbst den gerade aus Spanien zurückkehrenden Feldherrn, die Empörer von Norden her anzugreifen. Doch es waren schließlich nur noch 5000 Entkommene, die Pompeius aufgriff. Cicero führte wenige Jahre später (66) auch diese Episode als Beleg für den Ruhm seines damaligen Patrons an: „Als Italien durch den hässlichen und gefährlichen Sklavenkrieg bedrängt wurde, erbat es Hilfe von ihm, obwohl er abwesend war. Der Krieg verlor allein durch die Erwartung seiner Ankunft an Kraft und Bedrohung und ist durch seine Ankunft beendet und begraben worden“ (Cicero, De imperio Cn. Pompeii 30). Der Spartacus-Aufstand war in der Tat gefährlich für Rom und in Entstehung, Ablauf und Beendigung geradezu repräsentativ für den inneren Zustand der Republik jener Zeit. Die antiken Quellen beurteilten ihn sehr negativ, die moderne Geschichtswissenschaft hat ihn insgesamt inadäquat behandelt, die bürgerliche Geschichtsschreibung hat ihn marginalisiert, die marxistische heroisiert. Ähnlich den beiden anderen genannten Krisen – der Revolte des Lepidus und dem „Sonderreich“ des Sertorius – hat der Spartacus-Aufstand zwei Tendenzen innerhalb der Römischen Republik sichtbar gemacht: 1. die gesellschaftliche Desintegration führte zur Auflösung aller traditionellen Regularien; 2. die republikanische Administration arbeitete zu langsam und ineffektiv, um adäquat auf Bedrängungen zu reagieren; erst ihre Aushebelung und der Weg über „Sondervollmachten“ bot Lösungen an.
4. Das Jahr 70: Das Konsulat von Crassus und Pompeius „Misstrauen und Furcht waren auch dabei, dass er nicht sein Heer entlassen, sondern dass er mit Waffengewalt in monarchischer Absicht sich Sullas Politik zum Vorbild nehmen könnte“ – mit diesen Worten beschreibt Plutarch (Pompeius 21, 5) die Stimmung in Rom, als Pompeius 71 nach seinen Siegen in Spanien und Norditalien auf Rom zu marschierte. Seit zehn Jahren war der Ruhm des Mannes ohne Amt ins Unermessliche gestiegen. Musste man nicht von einem Sullaner, der vor aller Augen den republikanischen cursus honorum missachtete und gleichsam außerhalb der Ordnung mit seinem eigenen Heer einen Erfolg nach dem anderen errang, das Schlimmste erwarten? Doch man schätzte ihn und seine Ambitionen falsch ein – hier zum ersten Mal, und das aus dieser Fehleinschätzung herrührende Misstrauen seiner Standesgenossen ihm gegenüber sollte Pompeius fortan bis zu seinem Tode begleiten. Erinnern wir uns: Pompeius kam aus einer politisch „neuen“ Familie. Sein Vater hatte sich in Krisenzeiten
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Das Jahr 70
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dem Staat nützlich gemacht und war dafür mit dem Konsulat geehrt worden. Aber weder er noch sein Sohn waren wirklich vertraut mit einer funktionierenden Verfassung und den dazugehörigen gesellschaftlichen Spielregeln. Sie konnten auch nicht auf eine Familiengeschichte oder „Leichenreden“ (laudationes funebres) über berühmte Vorfahren zurückgreifen, die in aller Munde waren und von der Stellung der Vorväter in der Klassischen Republik kündeten. Die Pompeii hatten sich ihre Position vielmehr hart erarbeitet, weil es Krisen gab und sie gebraucht wurden. Die Stadt Rom selbst konnte in einer so geprägten Vorstellung nur Quelle, nicht Adressat der Macht sein. Nicht also Monarchie und Diktatur, sondern Konsulat und Triumph weckten sein Begehren, und beides erhielt er auch; den Triumph am 29. Dezember 71 sogar schon zum zweiten Mal. Da das Jahr 71 zwei große militärisch siegreiche Persönlichkeiten, nämlich Pompeius und Crassus, gesehen hatte, wurden beide für 70 in das Konsulat gewählt. Obwohl die beiden Konsuln zerstritten waren, brachten sie bedeutende Veränderungen auf den Weg. Über dieses Konsulat im Jahre 70 berichten die Quellen hauptsächlich vom Streit zwischen Pompeius und Crassus. Plutarch (Crassus 12) und Appian (Bella civilia 1, 121) beschränken sich gar auf dieses Thema. Die Bedeutung des Jahres für die weitere Entwicklung geht aber aus der Pompeius-Biographie Plutarchs hervor (s. Quelle). Das Konsulat im Jahre 70 (Plutarch, Pompeius 22)
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Als sie aber nun zu Konsuln gemacht worden waren, zerstritten sie sich in allem und gerieten aneinander. Es hatte auch im Senat Crassus mehr Anhang, während im Volk der Einfluss des Pompeius groß war. Denn er gab ihm auch das Volkstribunat zurück und ließ es auch geschehen, dass die Gerichte wieder auf die Ritter gesetzlich übertragen wurden.
Volk und Senat verteilten demnach ihre Sympathien unterschiedlich. Den Senatoren wuchs Pompeius mit seinen Erfolgen langsam über den Kopf, daher stärkten sie eher Crassus. Das Volk erhoffte sich dagegen von Pompeius mehr, der ja noch nicht einmal Senator war und unabhängiger von den Cliquen der nobiles schien. Dahinter verbarg sich allerdings kein grundsätzlicher politischer Dissens, sondern ein persönlicher und personaler: Crassus wollte so wichtig sein wie Pompeius, und die nobiles wollten die Macht des Pompeius beschränkt wissen. Was Crassus und Pompeius dann im Konsulat wirklich umsetzten, waren gesellschaftlich weit verbreitete Forderungen: die Wiederaufrichtung des Volkstribunats (in einem von Pompeius und Crassus selbst eingebrachten Volksgesetz: lex Pompeia Licinia de tribunicia potestate) und ebenso der Zensur sowie die Neuordnung der Gerichte (ebenfalls per Volksgesetz, das von dem Praetor Aurelius Cotta wohl unter Mitwirkung des Pompeius und Ciceros eingebracht worden war: lex Aurelia iudiciaria). Letztere bestand keineswegs in einer bloßen Umkehr der sullanischen Regelung, die die Gerichte den Senatoren übertragen hatte. Vielmehr bestimmte das neue Gesetz in politischer Weitsicht, dass nicht einfach wieder die Ritter allein die Gerichte erhielten, sondern die Geschworenen jetzt zu gleichen Teilen aus Senatoren, Rittern
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Pompeius und die Auflösung der sullanischen Ordnung
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und den Aerartribunen zu entnehmen seien. Dadurch sollte das Volk in seinen drei Unterteilungen – also nicht nur die beiden höchsten Stände – in den Gerichten vertreten sein. Typisch römisch ist dabei allerdings, dass die Aerartribunen vom Vermögen her eher den Rittern zuzuweisen waren; sie entsprachen damit der Vorgabe, dass Richter finanziell unabhängig sein sollten, um vor Bestechungen sicher sein zu können (Cicero, Philippica 1, 20). Praktisch gehörten die Aerartribunen also eher zu den Rittern, die damit wieder die Gerichte majorisierten.
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Bewertung des Konsulates
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Aerartribunen Aerartribunen waren plebejische Beamte, die ursprünglich dem Quaestor zugeordnet und für Auszahlungen aus dem republikanischen Staatsschatz, dem aerarium, an die Soldaten zuständig waren (Gellius, Attische Nächte 7,10,2). Sie waren selbst einigermaßen vermögend und gleichzeitig plebejisch, sodass sie also in idealer Weise den „dritten Stand“, die plebs Romana, in den Gerichten repräsentieren konnten.
Mit diesen Maßnahmen – Stärkung des Volkstribunats, Wiedereinrichtung der Zensur und Neubesetzung der Gerichte – reagierten die Konsuln des Jahres 70 also auf weit verbreitete gesellschaftliche Forderungen, die sullanische Ordnung rückgängig zu machen und die „Klassische“ Republik mit einflussreichen Volkstribunen und den Senat kontrollierenden Bestandteilen wiederherzustellen. Die im Jahre 70 bestimmten Zensoren zum Beispiel wiesen auf der Grundlage ihres alten regimen morum, der Sittenaufsicht, 64 Mitglieder aus dem Senat. In demselben Jahr ging Cicero mit einer groß angelegten und Aufsehen erregenden Anklage gegen den Statthalter Siziliens von 73 bis 71, Gaius Verres, vor. Wegen der von Cicero beigebrachten erdrückenden Beweislage, die uns durch Ciceros umfangreiche Publikation (oratio in Verrem) vollständig erhalten ist, entzog sich Verres trotz massiver Unterstützung aus den höchsten Kreisen der sicheren Verurteilung durch freiwillige Verbannung. Damit werden allgemeine politische Tendenzen jener postsullanischen Zeit deutlich. Nicht der grundlegende Umbau der Republik, sondern lediglich Korrekturen an Missständen standen auf der Tagesordnung der Politik. Schon im Jahre 71 war ein Gesetz gegen den Tafelluxus (lex sumptuaria) erlassen worden, mit welchem der Aufwand bei Gastmählern eingeschränkt werden sollte, und ein Jahr später wurde ein Gesetz gegen Amtserschleichung (ambitus) eingebracht; bereits einige Jahre früher war auch die von Sulla abgeschaffte Getreideversorgung der plebs Romana wieder ermöglicht worden (in zwei Volksgesetzen: lex Terentia Cassia frumentaria von 73, lex Aemilia frumentaria von 78). Es wurden also keine tiefgreifenden Reformen zur Bewältigung der Krise durchgeführt, sondern man ergriff sporadisch Maßnahmen zur Abwehr akuter Krisensymptome und reaktivierte nur das sattsam bekannte Instrumentarium traditioneller Politik, das sich ja schon längst als untauglich zur Krisenbewältigung erwiesen hatte. So blieben auch diese Maßnahmen ohne Wirkung: Das Luxusgesetz soll überhaupt nur der Antragsteller, Antius Restio, und sonst niemand befolgt haben. In der stadtrömischen Politik war Pompeius also nicht wirklich kreativ, er verharrte in seiner Vorstellung von traditioneller aristokratischer Politik. Weder Crassus noch er waren im Innern wirklich reformwillig. Das Jahr 70 wies zurück, nicht nach vorn.
Die außenpolitische Lage
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5. Die außenpolitische Lage Es war einmal mehr die Außenpolitik, die Rom zwang, neue Wege einzuschlagen. Diesmal waren es zwei Gefahrenherde im Osten des Reiches, die sich zu Flächenbränden entwickelt hatten. Zuerst waren es die Seeräuber, dann im Verbund mit ihnen der pontische König Mithridates, die zusammen jahrzehntelang die römischen Autoritäten zum Narren hielten und schließlich sogar Italien selbst bedrohten. Die Seeräuber waren für Rom eine peinliche Angelegenheit, für uns dagegen sind sie ein Symptom für das strukturelle Defizit der stadtstaatlichen Ordnung Roms. Im Grunde war das Problem hausgemacht (Strabo 14, 5, 2). Im 2. Jahrhundert nämlich dienten die Piraten den Römern als probates Hilfsmittel in der Auseinandersetzung gegen die hellenistischen Staaten. Sie kamen zumeist aus Kilikien im südlichen Kleinasien und aus Kreta, kaperten Schiffe samt ihrer Ladung, forderten Lösegeld für entführte Persönlichkeiten und engagierten sich im Sklavenhandel. Unternommen wurde lange Zeit auch deshalb nichts, weil im innerrömischen Konflikt zwischen Nobilität und dem im Handel engagierten Ritterstand so mancher Adlige es gar nicht ungern sah, wenn die mächtigen ritterständischen Wirtschaftsunternehmen von Piraten in Schwierigkeiten gebracht wurden. Erst als man die Bedrohung hautnah in Italien, ja sogar in Ostia, dem Hafen Roms, zu spüren bekam, die Versorgung Roms gefährdet war und Praetoren und nobiles wie der junge Caesar entführt wurden, wurde man wirklich aktiv. Doch leicht war die Aufgabe nicht, denn die Piraten besaßen mehr als 1000 Schiffe und hatten eine umfassende und geradezu – modern gesprochen – supranationale Organisation ausgebildet, die mit bewährten RomFeinden der achtziger und siebziger Jahre kooperierte, wie Sertorius, Mithridates oder Spartacus. Die latente oder bereits offen gezeigte antirömische Grundstimmung im Osten des Reiches wurde von ihnen genutzt, um alle römischen Gegenmaßnahmen ins Leere laufen zu lassen. Erschwert wurde die Lösung des Problems durch die sullanische Ordnung. Im Interesse einer Sicherung der Senatsherrschaft hatte Sulla die militärische Abwehrfähigkeit entscheidend geschwächt. Die Statthalter betroffener Provinzen konnten nur in ihrem engeren Sprengel agieren, während sich der Gegner natürlich nicht an die Provinzgrenzen hielt. Außerordentliche, mit anderen Worten: nicht verfassungskonforme Imperien wurden daher notwendig. Mithridates VI. Eupator (geboren 132, Regierungszeit 120–63) war demgegenüber zwar ein konkreter und klar definierbarer Feind, aber nicht weniger gefährlich. Er war König von Pontos, einem Reich, das im 3. Jahrhundert in der Alexander-Nachfolge entstanden war. Großmachtträume und Alexander-Imitatio, die Unzufriedenheit der Provinzialen mit Roms Herrschaft und eine ausgeklügelte antirömische Bündnispolitik verbanden sich zu einer außerordentlichen Bedrohung der östlichen Reichshälfte. Zwei Kriege hatte Mithridates bereits gegen Rom geführt (den schon erwähnten „sullanischen“ von 88–85 und einen kleineren zweiten von 83–82), als seit 74 für mehr als ein Jahrzehnt die entscheidende Auseinandersetzung ge-
Seeräuber
Mithridates
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führt wurde. Der pontische König hatte sich gründlich auf den Krieg vorbereitet: Nicht nur die militärischen Kapazitäten waren kräftig erhöht worden, sondern auch diplomatisch sicherte er seine Pläne ab. Verbündet mit Tigranes, dem König von Armenien, mit den Ptolemäern von Ägypten, Sertorius in Spanien und den Piraten von Kilikien, konnte er auf seine Chance warten. Sie bot sich, als König Nikomedes IV. von Bithynien – jenem Nikomedes, dem ein Verhältnis mit dem jungen Caesar nachgesagt wurde – 75 starb und sein Reich testamentarisch den Römern vermachte, um sie sich zu verpflichten und zu einem Engagement in der Region zu bewegen. Solche testamentarischen Verfügungen hellenistischer Potentaten waren durchaus nicht unüblich; das berühmteste Beispiel dafür war diejenige des Königs Attalus von Pergamon, dessen im Jahre 133 den Römern überlassenes Reich zur Provinz Asia umgewidmet worden war. Mithridates erklärte jedoch das Testament des Nikomedes für unecht, der Krieg gegen Rom begann. Auf römischer Seite wurde zunächst L. Licinius Lucullus mit seiner Führung betraut, der seit 73 den pontischen König zunehmend in die Enge trieb.
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Lucullus Lucullus war einer jener hochadligen Politiker, die in ihrem Ehrgeiz und Hochmut sich von dem Glanz des Pompeius zurückgestuft fühlten und ihm darum großen Widerstand entgegensetzten. Wohl nur wenig älter als Pompeius, hatte er unter Sulla als Quaestor in dessen Krieg gegen Mithridates einige Erfolge zu verzeichnen gehabt, sodass der Diktator ihm sogar seine Autobiographie gewidmet hatte. 74 war er zum Konsulat gelangt und wurde mit der Kriegführung gegen denselben Mithridates in Asien beauftragt. Als Pompeius ihn mittels des außerordentlichen Imperiums ablöste, versuchte Lucullus, ihm innenpolitisch nach allen Kräften zu schaden. Auch gegen das 1. Triumvirat leistete er hartnäckig Widerstand, wie umgekehrt die Freunde des Pompeius versuchten, seinen Triumph zu verhindern. Er selbst pflegte einen recht aufwändigen und sprichwörtlich „lucullischen“ Lebensstil, während er seine Soldaten sehr hart behandelte. Gestorben ist er etwa 57.
Feldzug des Lucullus
Immer neue Siegesmeldungen trafen vom Feldzug des Lucullus in Rom ein, von seinem Vormarsch über Euphrat und Tigris, von Schlachten mit 10 000 gefallenen Feinden und von der Flucht des Königs. Vielleicht stimmte das sogar, doch der Krieg war damit keineswegs zu Ende. Der Nutzen, den Lucullus aus seinen Erfolgen zog, war in der Tat wenig inspiriert und ganz an traditionelle republikanische Muster angelehnt. So überließ er die Verhandlungen mit Tigranes über die Auslieferung des Mithridates dem jungen Appius Claudius Pulcher, der, in römischer Überheblichkeit verfangen, jede Chance auf eine Einigung zunichte machte (Plutarch, Lucullus 21; 23). Dann ließ sich Lucullus eine Senatskommission zur Regelung der Verhältnisse kommen, was zwar verfassungsgemäß war, aber die Angelegenheit verzögerte und überhaupt nicht mit den späteren Initiativen des Pompeius in dieser Region vergleichbar war. 69 fiel er in Armenien ein, was weder legitimiert noch geschickt war; er zeigte sich bisweilen unentschlossen, vermochte überhaupt nicht seine Autorität in eine patronale Rolle für die von Mithridates bedrohten Regionen einzubringen, ja steigerte gar noch den Hass auf die Römer und ermöglichte dadurch weitere Erfolge des Gegners – kurz: in seinem Wirken steckte keine Perspektive für die Zukunft und keine Systematik. Dies trug zu seinem Scheitern ebenso bei
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Die außerordentlichen Imperien des Pompeius
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wie sein schlechtes Verhältnis zu den Truppen, denen er wie ein traditionsbewusster republikanischer General gegenübertrat – so als ob sich seit Marius im Heerwesen nichts verändert hätte und das alte Milizsystem der Republik noch intakt gewesen wäre. Lucullus kommt bei den antiken Autoren recht gut weg, weil er ein erfolgreicher Militär war, der zudem den Steuernund Schuldendruck auf die von Sulla stark belasteten Städte in Asien zu vermindern wusste. Eine politische Lösung der Krise war jedoch unter ihm nicht in Sichtweite. Wie gegen die Seeräuber erwies es sich auch gegen Mithridates als unumgänglich, neue Methoden im Umgang mit dem Krieg und der Herrschaft über das Reich zu entwickeln. Dafür war, wie man spätestens seit Sertorius und Spanien wusste, Pompeius der richtige Mann.
6. Die außerordentlichen Imperien des Pompeius und ihre historische Bedeutung Es waren zwei heftig umstrittene Volksgesetze, die Pompeius mit der Kriegführung auf beiden Schauplätzen beauftragten. Gegen die Übertragung des Oberbefehls an Pompeius richteten sich vor allem konservative Senatoren, die um den Bestand der Republik fürchteten. Ihre Angst formulierte am besten der berühmte Redner Hortensius: „Gewiss, wenn man einem alles zuteilen muss, dann ist Pompeius der würdigste; aber man darf nicht einem alles zuteilen“ (nach Cicero, De imperio Cn. Pompei 52). Zwei Volkstribunen waren es, deren Namen die beiden Gesetze tragen: Im Jahre 67 brachte Aulus Gabinius, ein fähiger Gefolgsmann des Pompeius, die lex Gabinia de bello piratico ein, mit der Pompeius den Oberbefehl im Seeräuberkrieg erhielt, ein Jahr später beantragte der als skrupelloser Demagoge verschriene C. Manilius erfolgreich die lex Manilia de imperio Cn. Pompei und übertrug damit Pompeius die Führung des Mithridatischen Krieges (s. Quelle). Die außerordentlichen Imperien des Pompeius (Plutarch, Pompeius 25,3–4)
Gesetzliche Grundlage
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Gabinius, einer von Pompeius’ Freunden, stellte einen Gesetzesantrag, der ihm nicht nur ein Flottenkommando, sondern geradewegs die Alleinherrschaft und eine rechenschaftslose Macht über alle Menschen gab. Das Gesetz gab ihm nämlich die Herrschaft über die See innerhalb der Säulen des Herakles, über das gesamte Festland im Bereich von 400 Stadien vom Meer. Wahrlich nicht viele Gebiete des Römischen Reiches gehörten nicht zu dieser Grenze, vielmehr waren eingeschlossen der größte Teil der Provinzen und die mächtigsten Königreiche. Außerdem durfte er 15 Legaten vom Senat als Regionalkommandeure auswählen, und so viel Geld aus dem Staatsschatz und von den Steuerpächtern nehmen, wie er wollte, und 200 Schiffe, wobei ihm die Vollmacht erteilt wurde, die Größe der Armee und des Flottenpersonals zu bestimmen sowie Aushebungen zu veranstalten.
Unterstützung bekam Pompeius, der sich selbst in den Debatten ganz zurückhielt, also vom Volk. Das Gewicht dieser Unterstützung wurde be-
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trächtlich erhöht durch die Fürsprache des aufstrebenden Quaestoriers Caesar, der sich um einen Gönner seiner Karriere bemühte, und den frisch gewählten Praetor Marcus Tullius Cicero, dessen auf uns gekommene und bereits mehrfach zitierte Rede de imperio Cn. Pompei oder pro lege Manilia („für das manilische Gesetz“ beziehungsweise „Über den Oberbefehl des Cn. Pompeius“), die er vor dem Volk zur Unterstützung des Antrages im Jahre 66 gehalten hatte, uns eine Kostprobe seiner überragenden rhetorischen Fähigkeiten vor Augen führt.
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Cicero Keine antike Quelle hat uns die beiden Protagonisten dieses Buches politisch und menschlich so nahe gebracht wie der Zeitgenosse, Politiker, Redner und Schriftsteller M. Tullius Cicero. Geboren wie Pompeius im Jahre 106 im latinischen Arpinum (südöstlich von Rom) und ritterlicher Abkunft, war sein ganzes Streben darauf gerichtet, in die römische Nobilität aufzusteigen. Als homo novus, als „neuer Mann“, war das auch in der späten Republik nicht einfach. Seine wichtigsten politischen Stationen waren: 75 Quaestor in Sizilien, 70 hielt er die berühmte Rede gegen den erpresserischen Statthalter Siziliens Verres, 69 war er dann Aedil und 66 Praetor – in diesem Amt hatte er mit den außerordentlichen Imperien des Pompeius zu tun –, und, als Höhepunkt jeder Karriere, gelangte er 63 ins Konsulat. Die in diesem Jahr vollbrachte Niederschlagung der Catilinarischen Verschwörung rechnete er sich als seine größte Lebensleistung überhaupt an. In den fünfziger und vierziger Jahren musste er freilich die Erfahrung machen, dass seine rednerische Gabe nicht mit der militärischen Fähigkeit eines Pompeius oder Caesar konkurrieren konnte, wenn es um politischen Einfluss ging. Im Bürgerkrieg unterstützte er zögernd Pompeius gegen Caesar, an dessen Ermordung im Jahre 44 er aber nur ideell beteiligt war. Im Dezember 43 wurde Cicero von den Gefolgsleuten des Triumvirn Antonius umgebracht. Politisch sah er sich als Vertreter der Republikaner gegen monarchische Bestrebungen; sein Ideal war der Zusammenhalt aller gesellschaftlichen Gruppen, die concordia ordinum.
Inhalt der Imperien
Der Inhalt der dem Pompeius übertragenen „außerordentlichen Imperien“ war, dass eine Person über einen längeren Zeitraum im Besitz einer außerordentlichen Macht eine nahezu unumschränkte Weisungsbefugnis im gesamten Reichsgebiet haben und auch den „normalen“ Imperiumsträgern, nämlich den durch die sullanische Gesetzgebung auf ihren Sprengel beschränkten Statthaltern in den Provinzen, übergeordnet sein sollte. Konkret hieß das (Plutarch, Pompeius 26): 500 Schiffe, 120 000 Schwerbewaffnete (etwa 20 Legionen), 5000 Reiter, 24 Unterfeldherren (Legaten) und zwei Quaestoren, Mittel in Höhe von 36 Millionen Denaren mit unbegrenztem Kredit; all das für einen Zeitraum von drei Jahren und mit übergeordneter Weisungsbefugnis im gesamten Reichsgebiet; inbegriffen waren alle Meere diesseits von Gibraltar mit einem Küstenstreifen von 50 Meilen (ca. 75 km).
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Das römische Heer Die „normale“ Größe des römischen Heeres passte sich schon immer den Erfordernissen und insbesondere der Ausdehnung des Reiches an. Betrug die Zahl wehrfähiger Bürger in der Königszeit wohl nicht mehr als 3000, waren es im 5. Jahrhundert dann schon 20 000 und am Ende des 3. Jahrhunderts 250 000 Soldaten. Im 2. Punischen Krieg (218–201 v. Chr.) waren 20–25 Legionen ständig unter Waffen, zu denen dann etwa noch einmal so viele Soldaten der Verbünde-
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ten kamen – insgesamt so viel, wie Pompeius durch das gabinische Gesetz erhielt. Die militärische Einheit war die Legion in einer Größenordnung von 4000– 6000 römischen Bürgersoldaten. Seit der Heeresreform des Marius wurde aus taktischen Gründen jede Legion in 10 Kohorten (eine Kohorte waren etwa 600 Mann) eingeteilt. Jeder Legion stand ein Legionskommandeur vor (auch Legat genannt). Allmählich wandelte sich – angestoßen durch diese Heeresreform – das römische Bürgerheer in ein Berufsheer, zunächst auf Zeit, dann in der Kaiserzeit als stehendes Heer.
Erweitert wurden die Vollmachten der lex Gabinia noch durch die lex Manilia um die Provinzen Bithynia und Cilicia und den Oberbefehl über alle Truppen in der Provinz Asia. Der Inhalt dieser Imperien setzte so ziemlich alles außer Kraft, was unter den Begriff „republikanisch“ fällt, und erst recht zerstörten sie, was Sulla eingerichtet hatte. Es gab keine Kontrollmechanismen, keine provincia im eigentlichen Sinne, also auch geographisch keinen festgelegten Amtsbereich. Für drei Jahre sollte das Römische Reich einer quasi-monarchischen Leitung unterstehen. Die bisherigen Erfahrungen mit zeitlich befristeten Ausnahmeregelungen – man denke an die fünf aufeinander folgenden Konsulate des Marius in den Jahren 104–100, diejenigen Cinnas in den achtziger Jahren oder andere außerordentliche Imperien – kulminierten in einem kaum mehr zu steigernden Höhepunkt – es sei denn, man wollte dauerhaft eine Monarchie einrichten. Man versteht daher die Sorge des Hortensius, des Catulus und all der anderen Senatoren, die gegen das Gesetz votiert hatten. Doch das Schlimmste für die Republik waren nicht die Imperien selbst; sie dienten schließlich der Abwendung einer äußeren Bedrohung. Noch bedrohlicher musste erscheinen, was Pompeius aus ihnen machte. Denn mit seiner Ausgestaltung dieser Imperien bestätigte er seine Anhänger und widerlegte er seine Kritiker, vor allem aber eröffnete er eine Alternative zur Republik.
Konsequenzen
7. Pompeius und die Neuordnung des Ostens Der Seeräuberkrieg des Pompeius beeindruckte schon die Zeitgenossen wegen seiner Systematik, die in der Tat eine neue Dimension der Kriegführung eröffnete. Logistik und die praktische Durchführung der Operationen stellen teilweise auch heute noch die moderne Forschung vor ein Rätsel. Das Meer wurde wie ein Territorium vermessen und auf die Unterfeldherren aufgeteilt (Plutarch, Pompeius 26, 5; Appian, Mithridateios 434 ff.). Unsere Quellen heben insbesondere die Schnelligkeit, die Koordination der Einzeloperationen und die Gleichzeitigkeit der Aktionen hervor. Pompeius selbst sorgte zunächst für die Sicherung der Getreideversorgung Italiens (Plutarch, Pompeius 27), denn gerade auf diesem Sektor lag durch die Seeräuber vieles im Argen. Allein schon die Ankündigung der Operationen brachte eine spürbare Verbesserung und ließ gleichsam die Aktienkurse steigen (Cicero, De imperio Cn. Pompei 44; Plutarch, Pompeius 26; 27). Die Verbündeten wurden massiv an den Operationen beteiligt, denn Rom baute keine eigene Flotte, sondern griff auf Schiffe meereskundiger socii
Vorgehen gegen die Seeräuber
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Taktik im Krieg gegen Mithridates
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zurück. Wer die Seeräuber unterstützte, wurde ebenfalls kriminalisiert. So wurde die Gefahr in atemberaubender Schnelligkeit – insgesamt brauchte Pompeius nicht mehr als drei Monate zur Beendigung des Krieges – in Kilikien, dem Stammland der Piraten, sowie im gesamten Mittelmeerraum beseitigt. Ebenso wie die Kriegsorganisation preisen unsere Quellen auch die politische Lösung des Problems als weitsichtig, und die moderne Forschung hat sich diesem Urteil angeschlossen. Pompeius war bestrebt, die Piraten, soweit sie dazu bereit waren, zu integrieren. Die von ihnen gefangenen Personen wurden befreit, 846 Schiffe wurden versenkt, 20 000 Seeräuber fielen in römische Hand. Die meisten von ihnen siedelte Pompeius in verödeten oder zerstörten Städten an, viele in Kilikien selbst, einige auch in Süditalien. Sie mutierten damit zu einer mächtigen und ständig einsatzbereiten Klientel des Pompeius, der sich in der Folgezeit auf ihre Unterstützung verlassen konnte. Schließlich wussten sie als ehemalige Außenseiter, dass ihre Existenz von ihrem Patron abhing. Für diese Behandlung des Feindes, die nicht wie üblich in Abschreckung und Bestrafung bestand, erntete Pompeius aus der Hauptstadt auch Kritik (Plutarch, Pompeius 29, 1). Doch im Osten des Reiches strahlte sein Ruhm seit dieser Zeit über Kilikiens Grenzen hinaus, denn Pompeius sorgte auch dafür – anders als sein Lehrmeister Sulla –, dass seine Soldaten sich nichts zuschulden kommen ließen; erhaltene Inschriften aus griechischen Städten künden von der kultischen Verehrung, die Pompeius dort zuteil wurde. Diese Verehrung war sicher echt, denn im Bürgerkrieg mit Caesar konnte Pompeius sich auf die östliche Reichshälfte als seine Rekrutierungsbasis verlassen. Allerdings geriet Pompeius mit einem Römer, Quintus Caecilius Metellus Creticus, der seit 69 auf Kreta für Ordnung sorgen sollte, in einen Konflikt über seine politischen Grundsätze. Metellus war ein typischer Repräsentant der Republik und akzeptierte den neuen Tonfall im Umgang mit den Piraten nicht, den Pompeius jetzt auch von ihm forderte (Plutarch, Pompeius 29). Vom Senat unterstützt konnte sich Metellus immerhin die Provinzialisierung Kretas anrechnen lassen. In dieser Episode verdichtet sich das Spannungsverhältnis zwischen dem Agieren nach republikanischen Maßstäben, wofür Metellus stand, und einer effektiven Reichspolitik, wie sie Pompeius betrieb. Noch deutlicher zeigte sich der frische Wind, den Pompeius in die römische (Reichs-)Politik einbrachte, im und nach dem Mithridates-Krieg, den er seit 66 im Auftrag Roms zu führen hatte. Dem Krieg selbst ging eine umfassende Sicherungspolitik voraus: Zunächst versicherte sich Pompeius auf einer Konferenz der Unterstützung der verbündeten Könige und Fürsten (reges et socii), dann nahm er Verbindung mit dem Partherkönig Phraates III. auf (cum rege Parthorum Phraate amicitiam renovavit, „mit dem Partherkönig Phraates erneuerte er die Freundschaft“: Livius, Ab urbe condita librorum periochae 100), ließ die gesamte phönikische und asiatische Küstenregion durch seine Flotte überwachen und schloss Frieden mit dem Mithridates-Sohn Machares auf der Krim. All das setzte von Anfang an Mithridates so sehr unter Druck, dass dieser sogleich den Verhandlungsweg beschritt. Darauf ließ sich Pompeius aber nach den Erfahrungen mit dem sullanischen Frieden von Dardanos nicht ein (Appian, Mithridateios
Pompeius und die Neuordnung des Ostens 451 f.) Von Kilikien über Kappadokien kommend, traf sich der neue Feldherr des Krieges zunächst in Danala in Galatien mit dem alten und jetzt entmachteten Lucullus, der begreiflicherweise über das Vorgehen seines Nachfolgers nicht erfreut war und sich um die Früchte seiner nunmehr achtjährigen Kriegführung geprellt fühlte. In der antiken und ihr folgend auch der modernen Literatur findet man oft die Charakteristik der ersten pompeianischen Entscheidungen als bewusst anti-lucullisch, ohne deren sachliche Begründungen in Erwägung zu ziehen. Pompeius führte den Krieg jedoch in Wirklichkeit nur konsequenter und überlegter als sein Vorgänger. Lucullus hatte ja Mithridates gerade nicht entscheidend schwächen können. Appian spricht von 30 000 Fußtruppen und 3000 Reitern, die Mithridates mobilisieren konnte; moderne Berechnungen gehen von ca. 48 000 Mann auf Seiten des Pompeius aus. Noch 66 wurde Mithridates im Pontus-Gebiet besiegt, und er musste fliehen, zunächst nach Kolchis am Ostrand des Schwarzen Meeres und dann auf die Krim, wo er den Krieg neu zu organisieren hoffte. Pompeius verfolgte den König nicht, sondern versuchte in erster Linie, seine Zufluchtsmöglichkeiten zu beseitigen. So wandte er sich gegen den armenischen König Tigranes und dessen Hauptstadt Artaxata. Es gelang ihm, Tigranes zu isolieren und durch kalkulierte Milde auf seine Seite zu ziehen. Der König durfte sein Reich behalten, wenn er auch hinzugewonnene Gebiete abtreten und eine Kriegsentschädigung von 36 Millionen Denaren bezahlen musste. Diese Entwicklung hatte der Monarch nicht erwartet, sodass er zusätzliche „Geschenke“ an die Soldaten des Pompeius in beachtlicher Höhe auszahlte. Der Feldzug gegen Mithridates selbst wurde von Pompeius zwangsläufig auf das nächste Jahr verschoben. Inzwischen trug sich der Geflohene mit neuen Plänen. Er wollte von der Krim aus über den Balkan den Römern in Italien selbst wie ein zweiter Hannibal zusetzen. Pompeius dagegen bot sich die Möglichkeit der Alexander-Imitatio, ja sogar die einzigartige Chance, über Alexander den Großen noch hinaus zu gelangen. Das nächste Ziel seiner Operationen waren nämlich die Kaukasus-Stämme der Kolcher, Albaner und Iberer, um den Rücken für eine eventuelle Verfolgung des Mithridates frei zu haben. Doch im Grunde war Mithridates bereits vollständig ausgeschaltet, darum musste die Verfolgung nicht um jeden Preis und in aller Eile vorgenommen werden. Der Aktionsradius des Königs war so eng gezogen, dass an eine Realisierung seiner phantastischen Pläne gar nicht zu denken war. Lucullus und manche Senatoren mochten das schadenfroh als Misserfolg des Pompeius auslegen, aber die Aktionen im Kaukasus, von denen der „Haushistoriker“ des Generals, ein Grieche namens Theophanes, wahre Wundergeschichten berichtete, sollten die Neider verstummen lassen. Pompeius gelangte bis zum Kaspischen Meer über Regionen, die selbst Alexander nicht betreten hatte; doch anders als sein Vorbild beendete er den Vormarsch, als er erkannt hatte, dass sein Heer von Skorpionenstichen zusehends geplagt wurde und von den Strapazen geschwächt war; er führte es nach Kleinarmenien zurück. Auf dem Rückweg war zum ersten Mal Zeit, sich über die Neuordnung der gesamten Region östlich und südlich der Provinz Asia Gedanken zu machen. Mithridates war besiegt, doch wie sollten die befreiten Gebiete behandelt werden? Wie sollten die Beziehungen zu Tigranes, vor allem
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Situation im Osten
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Regelung in Kleinasien
Vorgehen in Syrien und Judäa
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aber zum Partherreich gestaltet werden? Und weiter: Zerfahren und instabil waren die Verhältnisse ja nicht nur im östlichen Kleinasien, sondern überall in der ehemals hellenistisch beherrschten Welt. Das Ptolemäerreich war viel zu schwach, um über Ägypten hinaus zu greifen; es war ohnehin schon in den Status eines römischen Klientelstaates herabgesunken, in dem die Römer nach Belieben schalten und walten konnten. Das Seleukidenreich war innerlich so zerstritten, dass es überhaupt keine Perspektive auf Stabilisierung mehr hatte. Der jüdisch-hasmonäische Staat um Jerusalem war im Innern heillos gespalten. Die römische Macht dagegen war omnipräsent, lange bevor Pompeius kam. Doch die republikanische Ordnung scheute sich, die direkte Herrschaft zu übernehmen, obwohl das Konzept indirekter Beherrschung seit 146, seit der Zerstörung Karthagos und Korinths durch Rom, einen Dämpfer bekommen hatte. Über die Regelungen in Judäa durch Pompeius sind wir durch den jüdischen Historiker des 1. Jahrhunderts n. Chr., Flavius Josephus, sehr gut unterrichtet. Sein Bericht zeigt, dass eine Neuordnung überfällig war und auf Pompeius in Judäa geradezu gewartet wurde. Dieser ließ sich jedoch Zeit. Vor allem erkundete er zunächst die Verhältnisse akribisch. Nach Syrien hatte er schon 66 Demetrius aus Gadara geschickt, nach Damaskus seinen Quaestor Marcus Aemilius Scaurus, der sich über die politischen Zustände in Judäa und die Ansprüche des Nabatäerkönigs Aretas III. unterrichten sollte; Pompeius wollte erkennbar nichts dem Zufall überlassen. Unterdessen befasste sich Pompeius selbst im Winter 65/Frühjahr 64 mit der Regelung der Verhältnisse in Kleinasien (Appian, Mithridateios 556 f.). Dabei übergab ihm Stratonike, die Lieblingsfrau des Mithridates, die Burg Sinhoria mit ihren geheimnisvollen unterirdischen Schätzen; weitere Reichtümer und ein pikantes Geheimarchiv konnten gesichert werden. Wie sehr Pompeius den Krieg zu diesem Zeitpunkt als beendet ansah, kann man darüber hinaus an seinen Städtegründungen in der Region ersehen, von denen besonders Nikopolis zu nennen ist, die „Siegesstadt“ an der Stelle, wo Mithridates von ihm besiegt worden war. Städte des hellenistisch-römischen Typs waren ein probates Herrschaftsmittel, weil in ihnen Kolonisten und Wachpersonal angesiedelt werden konnten und sie über die Institutionen verfügten, die man auch zur Kontrolle und steuerlichen Veranlagung des Umlandes benötigte. Während dieser Phase regelte er des Weiteren die Ansprüche der verbündeten Fürsten und Könige, die als eine Art Schutzschild um die Provinzen herum Kontrollfunktionen für Rom übernahmen und als Gegenleistung dafür territoriale Gewinne, sonstige Privilegien und eine Garantieerklärung ihrer innenpolitischen Stellung erhielten. Im Frühjahr 64 machte sich Pompeius auf nach Syrien und begann nun, die verworrenen Angelegenheiten des alten Seleukidenreiches zu ordnen. Er hielt dieses für so chaotisch und irreparabel, dass er es auflöste und Syrien zur römischen Provinz machte. Ein weiteres und noch dazu das territorial größte Nachfolgereich Alexanders des Großen hörte damit nach etwa 250 Jahren seines Bestehens auf zu existieren. Für Judäa hatte er eine andere Lösung als die Überführung in den Provinzialstatus bereit, da er die jüdische Religion für ein stabilisierendes Element hielt. Die Grundlage seiner Planung bildete die in der Antike verbreitete Vorstellung, dass Juden
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sehr gottesfürchtig seien. Wer so an seiner Religion festhielt, der musste über eine Unterstützung dieser Religion auch beherrschbar sein. Er eroberte Jerusalem und beschränkte Judäa fortan auf das jüdische Stammland ohne die hinzugewonnenen hasmonäischen Eroberungen. Damit kam er den Wünschen der umliegenden griechischen Poleis entgegen, die sich mit der Hasmonäerherrschaft nicht hatten anfreunden können. Die Hasmonäer Die Hasmonäer herrschten unabhängig in Jerusalem von 140–63. Zunächst fungierten sie als Hohepriester, seit Aristobul I. (103/2) traten sie als Könige auf. Außenpolitisch nutzten sie die Schwäche der hellenistischen Reiche und eroberten allmählich immer mehr an Judäa angrenzende Gebiete hinzu. König Alexander Jannaeus (102–76) regierte ein Reich, das fast so groß war wie das biblische Reich Davids und Salomons im 10. Jahrhundert v. Chr.; seine Frau und Nachfolgerin Alexandra Salome (76–67) konnte dieses Reich erhalten. Doch ihre Söhne Aristobul II. und Johannes Hyrkan II. waren so zerstritten, dass sie den Römern das Eingreifen leicht machten. Insbesondere die phönizischen und griechischen Städte waren unzufrieden mit der hasmonäischen Herrschaft.
Wie erwartet braute sich angesichts dieser Entwicklung alles gegen Mithridates zusammen. Ohne dass Pompeius direkt eingreifen musste, empörten sich die Mithridates noch verbliebenen Städte, seine Soldaten, schließlich sogar seine engste Umgebung mit seinem Sohn an der Spitze, sodass er sich von einem keltischen Soldaten den Tod geben ließ. Die abwartende, aber sehr konsequente Politik der Isolierung seines Gegners hatte Pompeius letztlich Recht gegeben. Den Abschluss des Mithridates-Projektes bildete die Belohnung der Soldaten durch Pompeius. Die Zahlung erfolgte im Frühjahr 62. 25 Millionen Denare – 1 Million für jeden Einzelnen! – wurden an die Unterfeldherren und Quaestoren verteilt. Jeder einfache Soldat erhielt 1500 Denare, die Offiziere erheblich mehr, zwischen 30 000 und 180 000 Denare. Dann ließ er sich im Osten gebührend feiern. Der Griechen und Römer gleichermaßen lähmende Druck des pontischen Königs war endlich fortgenommen; schon längst hatte dieser die Maske des Befreiers vom römischen Joch, als der er sich lange Zeit gebrüstet hatte, mit grausamen Bestrafungsaktionen gegen Abtrünnige und Zaudernde abgelegt. In Mytilene, der Heimatstadt seines Hofhistorikers Theophanes, konnte sich Pompeius die Anregungen für das wenig später in Rom gebaute Pompeius-Theater holen. Die Dichter der Griechenstädte wetteiferten in ihren Lobeshymnen und Stücken, die die Taten des Römers verherrlichten; Räte und Ekklesien berieten unaufhörlich über neue Ehrungen und Danksagungen. Einige inschriftliche Zeugnisse sind erhalten geblieben, so die Huldigungen von Samos, Milet, Miletopolis. Der auf Pompeius angewandte hellenistische Begriff „Wohltäter“ (Euergetes) erhielt eine neue Dimension. Auf Rhodos traf er Poseidonios, den berühmten Historiker und Philosophen, der es nun gleichfalls wie Theophanes unternahm, eine Weltgeschichte zu verfassen, in der Pompeius gebührend berücksichtigt wurde. Davon ist nichts erhalten außer einem Fragment seines Kapitels über den Hasmonäerstaat, der ja von Pompeius, wenn auch verkleinert, bewahrt worden war.
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Ende des MithridatesKrieges
Ehrungen und Danksagungen
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II. Struktur des Römischen Reiches
Zweiteilung der Provinzen und Klientelstaaten
Provinzialordnung
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Doch wenden wir uns nun der wohl bedeutendsten Leistung des Pompeius überhaupt zu: der Neuordnung des Ostens. Das Römische Reich war bis zu diesem Zeitpunkt alles andere als eine Einheit, vielmehr bestand es aus einem Konglomerat unterschiedlichster Bindungen an die Hauptstadt Rom, an deren wichtigste Familien und an die staatlichen Institutionen. An die abstrakte Idee einer Reichseinheit hatte man in der Zeit der Klassischen Republik keinerlei Gedanken verschwendet. Das Reich war in der Vorstellung der Aristokraten wenig mehr als eine Art Steinbruch für die Karrierekosten römischer Politiker. Wer Statthalter wurde, hatte es finanziell geschafft; unter diesem Gesichtspunkt schacherte man sich auch gegenseitig die Provinzen zu, in der Hoffnung, irgendwann auch selbst einmal an der Reihe zu sein. Reichsverwaltung hieß unter dieser Voraussetzung: Auspressung der Untertanen, Kunstraub in öffentlichen und privaten Gebäuden, Bestechungen; die Quellen, die das belegen, sind Legion. Antirömische Stimmungen in den Provinzen waren deshalb ein Nährboden für geschickte Gegner Roms. Diese konnten mit dem weit verbreiteten Hass auf Rom rechnen. Das war der Zustand, den Pompeius vorfand, und seine historische Bedeutung liegt darin, dass er ihn von Grund auf veränderte. Seiner Neuordnung lag zum ersten Mal eine neue Idee zugrunde: Der gesamte von Pompeius organisierte Raum (das war Kleinasien und das syrische Gebiet bis Ägypten im Süden und Mesopotamien im Osten) erschien als eine Einheit, deren personale Mitte Pompeius selbst darstellte. Fünf Punkte erscheinen mir für seine Neuordnung konstitutiv: 1. Der Herrschaftsraum wurde aufs Ganze gesehen zweigeteilt und wies innerhalb dieser beiden Teile wiederum eine ausgefeilte Differenzierung vor. Provinzen mit römischen Statthaltern an der Spitze bildeten den inneren Kern. Es waren dies: Asia im Westen, die Doppelprovinz Bithynia und Pontos im Norden am Schwarzen Meer, das vergrößerte Kilikien in der heutigen Südtürkei und schließlich Syria. Wie ein Keil zwischen die Provinzen gehauen und um sie herum angeordnet waren abhängige Staaten mit Fürsten und Königen an der Spitze, die ihre Stellung Pompeius allein verdankten. Das waren viele, zum Beispiel das Reich des Deiotaros von Galatien, dessen propompeianische Haltung ihn später in einen Gegensatz zu Caesar bringen sollte, dann Kappadokien, Lykien, Kommagene, Armenien, Osrhoene, Judäa. Die Entscheidung über die Frage, ob eine Region als Provinz oder als Klientelstaat einzurichten war, hatte sich Pompeius nicht leicht gemacht, wie wir aus den Quellen wissen. Sie hing von dem jeweiligen Verhältnis zu Rom, von der geographischen Lage, von der Regierbarkeit ab. So hatte er zum Beispiel überhaupt kein Vertrauen in die seleukidische Regierungsfähigkeit, weshalb er hier dem Provinzialstatus der klientelstaatlichen Organisation den Vorzug gab. Pompeius vertiefte sich ausgiebig in die regionalen Probleme und kooperierte intensiv mit den lokalen Instanzen. Die Zweiteilung in Provinzen und Klientelstaaten war an sich nicht neu, wurde aber von Pompeius systematisiert und eng mit dem römischen Reichsinteresse verknüpft. 2. Die Provinzen wurden mit einer Provinzialordnung, der lex Pompeia bedacht. Diese war so durchdacht, dass sie noch in der Hohen Kaiserzeit Geltung besaß. Die Provinzen wurden jeweils in Regionen unterteilt, die
Pompeius und die Neuordnung des Ostens Städte wurden systematisch als Grundlage der Verwaltung gestärkt und ausgebaut; viele wurden gegründet beziehungsweise neu gegründet. In Bithynien zum Beispiel kamen zu den bisherigen fünf Städten Herakleia, Amastris, Sinope, Amisos und Amaseia sechs neue dazu: Neapolis, Pompeiopolis, Magnopolis, Diospolis, Megalopolis und Zela. Die Namen dieser Städte kündeten von dem Ruhm des Gründers, denn zumeist enthielten sie den Geschlechts- oder den Beinamen („der Große“ in lateinischer Form magnus oder griechischer Form megas). 3. Pompeius selbst wurde die patronale Mitte des gesamten römischen Ostens. Damit war eine neue verwaltungspolitische Dimension erreicht, die nur noch durch die Unterstellung des Gesamtreiches unter einen „Vater des Vaterlandes“ (pater patriae) gesteigert werden konnte. Die Gemeinden und Menschen des hellenistischen Ostens begrüßten es, dass nun ein Ansprechpartner für ihre eigenen Sorgen und Nöte da war, der sich um sie kümmerte und vor behördlicher Willkür schützen konnte. Institutionen wie der römische Senat konnten mit der ihnen allein durch ihre zahlenmäßige Größe eigenen Unbeweglichkeit und all den innen- und standespolitischen Rücksichten Herrschaftsaufgaben viel weniger effektiv wahrnehmen als ein Einzelner. Wie sehr Pompeius mit der Reorganisation der römischen Herrschaft den Nerv der Zeit im Osten getroffen hatte, zeigte sich, wie schon erwähnt, im Bürgerkrieg gegen Caesar. Der hellenistische Osten war für ihn ein Pfund, mit dem er wuchern konnte. 4. Die römische Herrschaft wurde grundsätzlich vor allem dadurch verändert und intensiviert, dass zu den traditionellen sicherheits- und finanzpolitischen Aspekten der Oberhoheit ein neuer Aspekt hinzutrat: die patronale Fürsorge für die Untertanen. Um diese effektiv umsetzen zu können, musste sich einiges ändern: Die Kommunikationsformen zwischen Herrscher und Beherrschten wurden ausgebaut, damit provinziale Ansprüche gegen römische Statthalter, Steuerpächter oder lokale Eliten überprüft, entschieden und durchgesetzt werden konnten. Die Folge war ein für antike Verhältnisse großzügiger Ausbau eines bürokratischen Apparates, für den wieder Städte die Grundlagen bereitstellten. Selbstverständlich dürfen wir auf diesen Ausbau (noch) nicht neuzeitliche Staats- und Regierungsvorstellungen übertragen, aber gemessen an dem, was vorher war, stellte die herrschaftliche Durchdringung der Untertanengebiete durch Rom etwas noch nie Dagewesenes vor. Moderne Darstellungen gehen oftmals bei ihrer Beschreibung des römischen Verwaltungssystems zu stark von moderner europäischer Staatlichkeit aus und berücksichtigen nicht, dass die Welt noch nie ein Reich gesehen hatte, dass den römischen vergleichbare Herrschaftsstrukturen aufwies. Die patronale Fürsorge brachte es zudem auch mit sich, dass das ausbeuterische Steuerpachtsystem der publicani zugunsten der Steuerpflichtigen modifiziert wurde. Mit der Neuordnung des Pompeius verbreitete sich das römische Recht auch in entlegene Reichsteile. Das römische Recht Das römische Recht ist neben griechischer Kultur und christlicher Religion das bedeutendste Erbe der Antike für die Gegenwart. Seine wichtigste Quelle war das so genannte Zwölf-Tafel-Gesetz aus der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. Dieses war als schriftliche Niederlegung der bis dahin gültigen Regeln auf zwölf Bronzetafeln ein Ergebnis der Ständekämpfe zwischen Patriziern und Plebejern
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Pompeius als personale Mitte
Patronale Fürsorge
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Pompeius und die Auflösung der sullanischen Ordnung
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und galt fortan als „Quelle allen öffentlichen und privaten Rechts“ (fons omnis publici privatique iuris: Livius 3, 34, 6). Die Ausweitung des römischen Staatsgebietes insbesondere in den beiden letzten Jahrhunderten der Republik hatte maßgeblichen Einfluss auf die Ausbildung des römischen Rechts. Neben das für römische Bürger geltende „Stadtrecht“ (ius civile) trat das „Völkerrecht“ (ius gentium) für den Verkehr mit den Nachbarn. Mit dieser originellen Schöpfung war das Instrumentarium für eine allmähliche Durchdringung auch der Rechtsordnungen der beherrschten Regionen gegeben. Auch das ius gentium blieb der Struktur nach immer römisches Recht. Obwohl römische Herrschaftsübernahme nie bedeutete, dass das jeweils vorgefundene indigene Rechtssystem abgeschafft wurde, so orientierte man sich zweifellos immer stärker am römischen Recht. Den entscheidenden Impuls dazu dürfte das „Amtsrecht“ (ius honorarium) gegeben haben. Dessen Entwicklung gehörte zu den Befugnissen der Jurisdiktionsmagistrate (Praetor, Aedil). Die Prinzipien seiner Rechtsprechung legte auch der jeweilige Statthalter, zunächst also der Praetor, dann der Promagistrat, in einer lex provinciae („Gesetz für die Provinz“) fest. Damit hielt das römische Recht als Streitschlichtungs- und Rechtsprechungsgrundlage Einzug in die beherrschten Regionen und wurde eine wesentliche Grundlage der Romanisierung. Rom als Rechtsstaat
5. Die Grundlage der Beziehungen zwischen Pompeius/Rom und den Provinzen/Klientelfürsten war nach der bis dahin gültigen Rechtslage hin ausgerichtet, sodass Rom in die Rolle eines Rechtsstaates mit einer entsprechend kontrollierbaren Verwaltung seiner Provinzen hineinwuchs. Detailliert nachlesen kann man das Vorgehen des Pompeius – also seine sehr ausführliche vorherige Information über die Verhältnisse vor Ort bis hin zu einer an den regionalen Rechtssystemen orientierten Entscheidung – bei Flavius Josephus, der in seinen beiden Werken über die „Jüdischen Altertümer“ und den „Jüdischen Krieg“ in großem Umfang über Pompeius in Judäa berichtet.
Illegitimität der Neuordnung
Das also war die Neuordnung des römischen Ostens und die hinter ihr stehenden Grundsätze. Doch es gab ein für Pompeius äußerst missliches Problem: Sie war nicht legitimiert, solange der römische Senat als die außen- und herrschaftspolitisch entscheidende Institution sie nicht formell abgesegnet hatte. Pompeius war also in einer Zwickmühle: Als Reichsklientel stand hinter ihm der gesamte Osten – an sie fühlte er sich nach traditionellem römischem Verständnis als Patron gebunden. Die Senatsbestätigung musste also erfolgen. Er hätte sie, so stark war er mit seinem riesigen Heer natürlich, wie Sulla durch einen Marsch auf Rom erzwingen können. Hätte er so gehandelt, wäre der augusteische Prinzipat ohne all die blutigen Bürgerkriege wohl drei Jahrzehnte früher eingetreten. Denn dieser Prinzipat war ja nichts anderes als ein Kompromiss zwischen den Antipoden Republik und Monarchie, zwischen Stadtstaat und Reich. Er ermöglichte die Lösung des Problems, Rom, Italien und das Reich zu regieren. Wäre Pompeius als Princeps anerkannt worden oder hätte er sich diese Stellung militärisch verschafft, wäre der „Reichspatron“ mit dem primus inter pares in Rom identisch gewesen. Er tat es aber nicht, und deshalb muss das nächste Kapitel einer „Krise der römischen Republik“ geschrieben werden. Es befasst sich mit den unmittelbar aus dieser Entscheidung des Pompeius, sich auf das interne Machtspiel in Rom einzulassen, erwachsenden Problemen.
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III. Caesars Eintritt in die Geschichte 13. Juli 100 84 73 68 67 65 63 62 61 60 59
Geburt Caesars flamen dialis („Jupiterpriester“) Kriegstribun und Pontifex Quaestor Curator der Via Appia Aedil zusammen mit Marcus Bibulus pontifex maximus Praetor zusammen mit Marcus Bibulus Propraetor in Spanien So genanntes Erstes Triumvirat: Caesar, Pompeius und Crassus Konsul zusammen mit Marcus Bibulus
1. Die Lage im Jahre 63: Cicero, Catilina und die Rückkehr-Erwartung des Pompeius Pompeius war seit 67, das heißt vier Jahre lang, nicht in Rom gewesen. Äußerlich war dort alles ganz normal weitergegangen: Die Magistrate wurden nach wie vor nach dem üblichen Verfahren gewählt, Senat und Volksversammlungen tagten weiter und berieten über Ämter und Gesetze. Unter der Oberfläche aber fürchteten sich viele, vor allem nobiles, vor Pompeius. Einige „Reformen“ waren in der Zwischenzeit auf den Weg gebracht worden. Dem Ritterstand bestätigte man zum Beispiel im Jahre 67 per Volksgesetz (lex Roscia theatralis) das schon einmal im 2. Jahrhundert v. Chr. gewährte Ehrenrecht der so genannten „Vierzehn Reihen“. Dieses Privileg besagte, dass für Ritter die ersten 14 Sitzreihen im Theater und Zirkus reserviert sein sollten. Später in der Kaiserzeit wurde dieses Recht geradezu ein Qualifikationserfordernis für die Zugehörigkeit zum Ritterstand. Zunächst aber symbolisierte das Gesetz des Volkstribunen Roscius nur die zunehmende gesellschaftliche Differenzierung, aus der der „Senatorenstand“ (ordo senatorius) und der „Ritterstand“ (ordo equestris) der Kaiserzeit werden sollten. Ein drängendes Problem dieser Zeit war der ambitus, ein Begriff, mit dem man die unlautere Amtsbewerbung charakterisierte; etwas ungenau wird er heute oft mit „Amtserschleichung“ übersetzt. Gesetze versuchten, diesen Missstand in den Griff zu bekommen. Von seiner Dringlichkeit erfahren wir vor allem aus den Reden Ciceros. Eine von ihnen befasst sich mit der Verteidigung seines Amtsnachfolgers Lucius Murena im Konsulat des Jahres 62, der eben wegen jenes ambitus angeklagt worden war. ambitus Der Begriff ambitus kommt von ambire, „herumgehen“. Ursprünglich bezeichneten die Römer damit den öffentlichen Rundgang der Wahlkandidaten für ein politisches Amt. Während heute die politischen Parteien mit Versprechungen Stimmen einwerben wollen, wie sie nach der Wahl Politik zu machen gedenken,
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Caesars Eintritt in die Geschichte
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so verteilten die Kandidaten in Rom bereits vor der Wahl Geschenke. Je reicher und großzügiger also ein Bewerber war, umso größer waren seine Wahlchancen. Damit wurde die (Chancen-) Gleichheit der Standesgenossen beeinträchtigt, denn nur, wer Geld besaß oder Kredite aufnahm, konnte politisch Karriere machen. Seit dem 2. Jahrhundert erhielt daher der Begriff ambitus eine zunehmend negative Färbung, und seit 181 wurde sogar ein ständiger Gerichtshof für entsprechende Anklagen eingerichtet (quaestio de ambitu).
Ablehnung der Maßnahmen des Pompeius
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Zwischen 67 und 63 beschäftigte sich die Volksversammlung mehrfach mit dieser Thematik, unter anderem brachte auch Cicero selbst in seinem Konsulatsjahr 63 ein Gesetz gegen den ambitus ein, das vor allem strengere Strafen vorsah und die Abhaltung der sehr beliebten Gladiatorenspiele als Mittel der Wahlwerbung verbot. Das beherrschende Tagesgespräch unter den nobiles in jenen Tagen des Jahreswechsels 63 und 62 war jedoch ein anderes: Pompeius und seine Pläne für seinen Aufenthalt in der Hauptstadt. Die Republik in Rom arbeitete durchaus passabel, aber über das Gesamtreich herrschte keine der republikanischen Institutionen, sondern ein einziger Mann. Als Cicero zehn Jahre später diese Zeit in einem Brief an Lentulus (Ad familiares 1, 9) charakterisierte, formulierte er: cum in re publica Cn. Pompeius princeps esset („als im Staate Cn. Pompeius der erste Mann – princeps – war“) – ohne es zu ahnen, sah er mit diesem Begriff princeps das zukünftige Schicksal Roms unter Augustus voraus. princeps Der Begriff princeps und seine Ableitung principatus charakterisiert die römische Kaiserzeit von Augustus bis Diokletian (27 v. Chr.–286 n. Chr.), doch liegen seine Ursprünge in der Republik. Wörtlich übersetzt heißt princeps „erstes Haupt“ (die Bestandteile des Wortes sind primum und caput). Republikanischem Leistungsdenken entsprechend ermittelten Institutionen wie der Senat ihre „ersten Männer“, die dann gleichsam als Präsidenten zuerst ihre Meinung kundtun durften und sehr einflussreich waren. Die principes ragten durch Ansehen, Autorität sowie Dignität aus den Standesgenossen hervor; errungen hatten sie diese Qualitäten durch ihre politische Karriere in Rom. Daher war natürlich auch Pompeius ein princeps civitatis. Cicero überträgt den Begriff auf die Stellung im Staat, durchaus im positiven Sinne, denn Pompeius hatte Herausragendes geleistet und besaß darum an auctoritas mehr als seine Standesgenossen. Augustus benutzte den Begriff dann zur Umschreibung der spezifisch römischen Form von Alleinherrschaft und Monarchie, um das Königtum und die durch Caesar und zuvor Sulla diskreditierte Diktatur zu umgehen. In der Tat konnte er, als er die Republik mit der Monarchie versöhnen wollte, keinen besseren als den der res publica vertrauten Begriff des Prinzipates wählen, um seine Alleinherrschaft zu legitimieren. Ein reguläres Amt war der Prinzipat aber nicht. Die Nachfolger des Augustus bezeichneten sich ebenfalls als principes. Die Nähe des Pompeius zum römischen Prinzipat ergibt sich aus seinem Konzept, im Reich monarchisch zu walten, aber in Rom die republikanischen Traditionen zu bewahren. In der Forschung wurde deshalb gelegentlich und nicht ganz unberechtigt Pompeius als Vorläufer des Augustus gedeutet (Eduard Meyer).
Die Gedanken aller politisch wichtigen Persönlichkeiten waren von der Frage beherrscht, wie sich die Rückkehr des Pompeius gestalten würde, aber politisch geschah in der Angelegenheit überhaupt nichts. Die republikanischen Institutionen arbeiteten zwar nach wie vor, aber man befasste sich nicht mit den pompeianischen Forderungen.
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Die Lage im Jahr 63 Für Cicero wurde im Jahr 63 sein von Anfang an gehegter Traum Wirklichkeit: Er war Konsul. Dieses Ziel hatte er als ein Emporkömmling, als ein homo novus – wie einst Marius – erreicht. Für ihn durfte es kein Abwarten, kein Taktieren im Amt geben. Er brannte darauf, in die Geschichtsbücher mit einer respektablen Leistung zu gelangen, und er sah seine Stunde der Bewährung mit der Catilinarischen Verschwörung gekommen. Dabei war es von sekundärer Bedeutung, ob diese wirklich eine Verschwörung war oder nicht. Sie gehörte eher zu den mediokren Gefahren, derer sich der römische Staat zu erwehren hatte, und entsprang, wie nicht ungewöhnlich in der Römischen Republik, übermäßigem persönlichen Ehrgeiz, bekam aber schon bald eine politische und populare Färbung und zog schließlich Unzufriedene wie Außenseiter aus allen Schichten auf ihre Seite. Ihr Anführer war Lucius Sergius Catilina. Etwa gleichaltrig mit Pompeius und Cicero und von patrizischer Herkunft, strebte er eine politische Laufbahn an, die ihn ins Konsulat führen sollte. Sulla war er ein gefügiger Diener gewesen, hatte sich die Hände für ihn schmutzig gemacht, indem er den Neffen des großen Marius eigenhändig umgebracht hatte, und war dafür fürstlich entlohnt worden. In seinen Mitteln auch sonst nicht wählerisch, brachte er es 68 zur Praetur und danach zur einträglichen Statthalterschaft in der Provinz Africa. Das anschließende Verfahren wegen Erpressung konnte ihn nicht daran hindern, sich für das Jahr 65, wenn auch erfolglos, um das Konsulat zu bewerben. Unsere – freilich sehr anticatilinarisch-parteiischen – Quellen heften ihm schon zu diesem Zeitpunkt das Etikett „Verschwörer“ an. Für die Jahre 63 und 62 versuchte er wieder, sich um das Konsulat zu bewerben, doch jedes Mal ergaben sich persönliche und politische Konstellationen, die seinen Erfolg verhinderten. Schließlich verzweifelte er offenbar, scharte um sich andere unzufriedene Römer und plante den Umsturz – fast möchte man sagen: Das republikanische System ließ ihm keine Wahl. Er hatte zu viel investiert, um sich ein Scheitern leisten zu können; auch die gesellschaftliche Reputation, auf die es, zumal für einen Politiker mit dem familiären Hintergrund eines Catilina, in diesem republikanischen System entscheidend ankam, war dahin. Im Herbst 63 verabredete Catilina mit seinen Mitverschwörern, den Konsul Cicero zu ermorden, Feuer in der Hauptstadt zu legen und so die Macht an sich zu reißen. Doch Cicero ließ ihm keine Chance; der überdurchschnittliche Ehrgeiz des homo novus im Konsulat war Catilinas Pech. Seine Anhänger in Rom wurden verhaftet, er selbst fiel in einer Schlacht gegen Ciceros Amtskollegen Gaius Antonius – den Cicero, umsichtig wie er war, vorher mit persönlichen Zugeständnissen auf seine Linie eingeschworen hatte – im Norden Etruriens, wo sich die Unzufriedenen gesammelt hatten (s. Quelle). Die Anhänger des Catilina (Sallust, De coniuratione Catilinae 28)
III. Catilinarische Verschwörung
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Unterdes wiegelte Manlius in Etrurien die Massen auf, die aus Armut und Schmerz über ihr erlittenes Unrecht zugleich auf Umsturz begierig waren, weil sie unter der Gewaltherrschaft Sullas ihre Äcker und allen Besitz verloren hatten, außerdem Banditen jeder Art, deren es in dieser Gegend eine große Fülle gab, dazu manche aus Sullas Kolonien, denen Üppigkeit und Verschwendung von ihrem großen Raub nichts übrig gelassen hatten.
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Caesars Eintritt in die Geschichte
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Cicero plädierte in seiner Eigenschaft als Konsul für die Todesstrafe der inhaftierten Catilinarier. Er setzte sich in einer berühmten Senatssitzung vom 5. 12. 63 mit dieser Haltung auch durch, aber er hatte einen gewichtigen Gegner, der sich anschickte, als neugewählter Praetor für 62 auch der römischen Innenpolitik neue, zunächst noch pompeianische Impulse zu geben: Gaius Julius Caesar.
2. Gaius Julius Caesar Caesar und die Catilinarische Verschwörung
Caesar gab in der von Sallust literarisch eindrucksvoll ausgestalteten Senatsdebatte über das Schicksal der Catilinarier ein klares Votum darüber ab, wie der römische Staat mit den Verschwörern zu verfahren hatte. Sie sollten nicht getötet, sondern nur unschädlich gemacht und auf die Landstädte Italiens verteilt werden. Das war zweifellos dem Rechtscharakter der Republik angemessener, der doch seit langem verbot, ohne provocatio beim Volk einen römischen Bürger zum Tode zu verurteilen.
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provocatio Neben dem Wahlrecht für römische Bürger (suffragium) war die provocatio der wichtigste Inhalt des römischen Freiheitsbegriffes (libertas). Provocare, wörtlich „hervorrufen“, bezeichnet die Anrufung des Volkes gegen den Zugriff eines Beamten. Jeder römische Bürger war damit vor der Willkür staatlicher Gewalt geschützt. Seinen Ursprung führt dieses Recht auf die Ständekämpfe zurück, doch war es im Krisenjahrhundert der Republik wieder aktuell geworden. Bedroht wurde es vom schon erwähnten Notstandsrecht, dem „letzten Senatsbeschluss“ (senatus consultum ultimum), das ja gerade die Appellation an das Volk nicht zuließ. So war es auch im Prozess gegen die Catilinarier, die ohne Befragung des Volkes hingerichtet wurden.
Herkunft
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Cicero musste sich wenig später für seine Anmaßung verantworten und wurde in die Verbannung gedrängt. Doch fürs Erste wurde Caesars volksfreundlicher und verfassungsgemäßer Antrag auf Betreiben des jüngeren Cato, der von da an eine Führungsposition unter den Konservativen bis zu seinem Tod 46 einnehmen und als personifizierte Republik gleichsam der moralische Gegenpol zu Caesar schlechthin werden sollte, abgelehnt; vor allem wurden wieder angebliche Verstrickungen Caesars in die Verschwörung laut, die schon lange in Umlauf waren, jedoch niemals bewiesen werden konnten. Caesars ungewöhnliche Art, Politik zu betreiben, provozierte solche Gerüchte um halbseidene Beziehungen zum „Mafia“-Milieu. Er hatte damit schon seine Erfahrungen gemacht. Gaius Julius Caesar wurde am 13. des nach ihm bis heute benannten Monats Juli des turbulenten Jahres 100 geboren. Er stammte aus patrizischem Geschlecht, das sich auf Julus, den Sohn des troianischen Helden Aeneas und damit auch Enkel der Venus/Aphrodite zurückführte. Diese Einbettung in die römische Gründungslegende, von Caesar dezidiert im Jahre 68 anlässlich des Todes seiner Tante Julia in die Öffentlichkeit gebracht, sollte später einer der Hauptpfeiler seiner Legitimationsbestrebungen werden. Die Erziehung des jungen Caesar übernahm angesichts eines frühen Todes des Vaters seine Mutter Aurelia. Sie ließ ihm eine hervor-
Gaius Julius Caesar ragende Bildung und Ausbildung angedeihen und stattete ihn auch mit einem ausgeprägten Selbstbewusstsein aus. Verwandtschaftlich und dann auch politisch gehörte der junge Caesar zu den Marianern. Marius war nämlich verehelicht mit jener schon genannten Julia, einer Schwester von Caesars Vater, während Caesar selbst nach einer bald geschiedenen Ehe mit der reichen Cossutia, Tochter eines Ritters, Cornelia, eine Tochter des Popularen-Führers Cinna, heiratete. Dass er angesichts derartiger verwandtschaftlicher Beziehungen während der Diktatur des Optimaten Sulla in Gefahr geriet und persönlich bedrängt wurde, verwundert deshalb nicht. Trotz immensen Drucks und vieler Repressalien blieb Caesar standhaft, trennte sich nicht von Cornelia und floh als Konsequenz aus Rom. Sulla soll, so unsere Quellen, schon jetzt geahnt haben, dass „in diesem Jungen viele Marii stecken“ (Sueton, Caesar 1), also dieser dem römischen Staat noch erheblich stärker zusetzen werde. Sodann begann Caesar erste militärische Erfahrungen im Gefolge eines Praetors zu sammeln, kehrte nach Rom zurück, erwarb sich einigen Ruhm als Redner bei von ihm selbst angestrengten Prozessen und studierte auf Rhodos bei dem angesehenen Lehrer der Rhetorik Apollonios Molon, den auch Cicero auf seiner Studienreise des Jahres 78 hörte. Auf der Reise dorthin wurde er in der Nähe von Milet von Seeräubern überfallen. Um diese Episode rankten sich später Legenden, wie unerschrocken und herrscherlich auftretend Caesar mit seinen Entführern umgegangen sein soll (Plutarch, Caesar 2). Er kaufte sich für 50 Talente frei, „sammelte sofort einige Schiffe, nahm mit ihnen, ohne Zeit zu verlieren, die Verfolgung der absegelnden Piraten auf, brachte sie in seine Gewalt und ließ sie, wie er ihnen oft im Scherz angedroht hatte, hinrichten“ – ganz eigenmächtig und ohne jede Legitimation (Sueton, Caesar 4). Im Jahre 74 finden wir Caesar in Asia tatkräftig und wieder ohne Auftrag militärische Aktionen gegen den pontischen König Mithridates in Gang setzen, dessen Statthalter er aus Asien vertrieb. Dabei rekrutierte er wie zuvor Pompeius als Privatmann Soldaten, nur diesmal von den Provinzialen (Sueton, Caesar 4). Nach Rom im Jahre 73 zurückgekehrt, wurde er in das Priesterkollegium aufgenommen und Kriegstribun. Damit begann seine eigentliche politische Karriere. Die römische Religion Bei den Römern waren Politik und Religion grundsätzlich nicht getrennt. Ein frommer Mann war jemand, der politisch und gesellschaftlich korrekt handelte. Dazu gehörte, den Willen der Götter zu erkunden und ihm gemäß zu verfahren. Die zuständigen Fachleute dafür waren die Priester (pontifices, das heißt eigentlich „Brücken“- oder „Wegbereiter“), die also eine eminent politische Funktion ausübten und darum großen Einfluss im Staate erlangten. Ihr Kollegium umfasste 15, bei Caesar 16 Personen. Jeder Bürger konnte, wie wir bei Caesar sehen, Pontifex werden, doch gilt auch hier, dass in der Regel nur nobiles in das Kollegium gelangten. Die Priester waren gleichsam Gutachter in allen Fragen des Sakralwesens (Cicero, De legibus 2, 47), sagten, wie man den Willen der Götter erfüllen könne, und überwachten die Riten und Opfer. Infolge des starren Formalismus sakraler Handlungen mussten sie sich detaillierte Kenntnisse erwerben. Der Vorstand des Gremiums war der Oberpriester (pontifex maximus). Anfänglich kooptierten sich die Priester, in der Krisenzeit wurde dann aber die Volkswahl eingeführt. Priester war man auf Lebenszeit. In der Zeit eines Pompeius und Caesar wurde die Religion zunehmend im politischen Kampf instrumentalisiert, ohne dass man freilich von einer zynischen Politisierung der Religion spre-
III. Jugend
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Caesars Eintritt in die Geschichte
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chen sollte. In jedem Fall war Religion keine persönliche, individuelle Angelegenheit des Einzelnen wie in unserer Gesellschaft.
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Caesars Ämterlaufbahn
Caesar hatte von Anfang an Erfolg in der Politik, weil er ein guter Redner war, sehr großzügig dabei, vor allem aber sich offen für die Revision der sullanischen Ordnung aussprach. Das verschaffte ihm in der Hauptstadt viele Sympathien. Anders als der zu dieser Zeit schon mächtige Pompeius musste Caesar jedoch Sprosse für Sprosse die Ämterleiter nach oben steigen. Die Unterstützung für Pompeius während dessen Konsulat im Jahre 70 sicherte Caesar 68 die Quaestur, die nach Sullas Verfügung automatisch auch einen Senatssitz einbrachte. Die Zeit in diesem Amt festigte seinen Ruf als Popular. Als seine Frau Cornelia und seine Tante Julia starben, hielt Caesar, für weibliche Verwandte ungewöhnlich genug, ihnen zu Ehren Leichenreden, in denen Marius gepriesen und sein Bild wieder öffentlich gezeigt wurde (Plutarch, Caesar 5). Im Gefolge des Praetors Antistius Vetus ging er nach Hispania Ulterior, wo er mit dem Gerichtswesen befasst war. In Spanien wie im transpadanischen Gallien machte er sich durch Versprechungen und Unterstützung bekannt; insbesondere verleitete er die Kolonien latinischen Rechts zu der Hoffnung, bald das römische Vollbürgerrecht erreichen zu können (Sueton, Caesar 7–8). Da er aber seine Anbindung an Pompeius immer vor sich her trug, arbeitete er in diesen Regionen eher dem Ruhm seines Patrons zu als seinem eigenen, wie sich später im Bürgerkrieg zeigen sollte. Nach Ende seiner Amtszeit als Quaestor stärkte er die Beziehungen zu seinem Mentor durch die eheliche Verbindung mit Pompeia, einer Verwandten des Pompeius, und noch mehr durch sein Eintreten für zwei Gesetze, nämlich die lex Gabinia und die lex Manilia, die Pompeius eine herausragende Stellung im Staate verschafften. Caesar zeigte also, dass er wusste, worauf es in der Politik ankam, und dass er die Spielregeln der Römischen Republik verinnerlicht hatte. Bildung, Kriegsdienst und persönliche Beziehungen reichten indes nicht aus, um die Karriere voranzubringen. Finanzielle Großzügigkeit (liberalitas) war ebenso wichtig. Das teuerste Amt in dieser Hinsicht war die Aedilität.
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Aedil Seit dem 2. Jahrhundert konnte man Aedil frühestens im 37. Lebensjahr werden, und auch nur, wenn man vorher die Quaestur bekleidet hatte; so war es durch den cursus honorum festgelegt. Ursprünglich war die Aedilität ein plebejisches Sonderamt, das sich begrifflich von „Tempel“ (aedes) herleitet und zunächst also die „Hüter des Tempels“ der Getreidegottheit Ceres bezeichnet. Seit dem Ausgleich zwischen Patriziern und Plebejern (366 v. Chr.) gab es neben den plebejischen Aedilen noch „curulische Aedilen“ (benannt nach ihrem Amtssessel, der sella curulis), zu welchen auch Patrizier gewählt werden konnten. Wie alle anderen regulären Ämter war auch die Aedilität auf ein Jahr befristet. Ihr unterstand die Aufsicht über die Tempel und Straßen der Stadt, über die Getreideversorgung und über die Spielveranstaltungen (Cicero, De legibus 3, 7: curatores urbis annonae ludorum sollemnium). Daraus entwickelten sich gewisse Kompetenzen in der Rechtsprechung, etwa das Recht, Geldbußen zu erheben sowie Strafanträge beim Volksgericht zu stellen. Die plebejischen Aedile hatten die „plebejischen Spiele“ (ludi plebei) und die Spiele zu Ehren der Ceres (ludi Ceriales), die curulischen Aedile die berühmten „römischen Spiele“ (ludi Romani) auszugestalten; diese Kompetenz wurde ihnen erst durch Augustus genommen, der die Spielveranstaltungen auf die Praetoren übertrug.
Gaius Julius Caesar Aedile waren für alle Fest- und Versorgungsfragen zuständig, ein Amt also, mit dem man sich dem Wahlvolk für höhere Aufgaben empfehlen konnte. Sie hatten wohl einen öffentlichen Etat, den sie aber privat grenzenlos aufstocken konnten beziehungsweise, wenn sie einen für den Fortgang der Karriere wichtigen Eindruck in der Öffentlichkeit hinterlassen wollten, aufstocken mussten. Caesar, der schon vorher hoch verschuldet war, erreichte 65 die Aedilität – und er nutzte seine Chance trotz aller drückenden Schuldenlast. Er schmückte in diesem Jahr die Stadt Rom mit Bauten, veranstaltete glänzende reguläre und darüber hinaus private Spiele. Er provozierte gesetzliche Beschränkungen der Gladiatorenspiele, als er über 320 Fechterpaare in die Arena brachte. Dass er sich finanziell von anderen abhängig machte, störte ihn nicht, solange es seine Gläubiger nicht störte; Schulden waren nichts Außergewöhnliches im Rom dieser Zeit, sie gehörten dazu – und das Erreichen der politischen Ziele versprach riesigen finanziellen Gewinn, den auch die potentiellen Gläubiger bei der Gewährung ihrer Kredite im Auge hatten. Politisch nutzte Caesar das Aedilen-Amt zur Stärkung popularer Tendenzen, indem er die Siegestrophäen des Marius wieder das Kapitol schmücken ließ. Auseinandersetzungen mit den konservativen Senatoren und ehemaligen Marius-Gegnern wie Quintus Lutatius Catulus provozierte er geradezu, was sein Profil in der Bürgerschaft nur noch mehr schärfte. Rückschläge waren durchaus einkalkuliert. So verweigerte man Caesar, in öffentlichem Auftrag nach Ägypten zu reisen, wie er es sich erhofft hatte; solche Aufträge waren zumeist lukrativ und prestigereich. Ebenso scheiterte seine Anklage gegen den Senator Gaius Rabirius wegen Beteiligung an einer lange Jahre zurückliegenden Mordtat an dem Volkstribunen Saturninus. Cicero wandte sich entschieden gegen diesen politisch motivierten Vorstoß Caesars und publizierte als Verteidiger des Rabirius seine heute noch erhaltene Rede. Doch ließ Caesar in popularer Manier nicht locker, um die Profiteure der sullanischen Proscriptionen auch nach fast 20 Jahren anzuklagen und kam damit einem in der Bürgerschaft, nicht jedoch im Senat weit verbreiteten Verlangen entgegen. Im Jahr 63 – in dem Jahr also, als Cicero Konsul war – finden wir ihn dann gemeinsam mit Crassus als Hintermann eines Ackergesetzes des Volkstribunen Publius Servilius Rullus, das ihm im Rahmen einer neu eingerichteten Zehnmännerkommission mit außerordentlichen Vollmachten erhebliche Machtmittel in die Hand gegeben hätte; Cicero griff das Gesetz in drei Reden sehr scharf an und brachte es schließlich zu Fall. Die Wahl zum pontifex maximus im Jahre 63 konnte Caesar nach diesen Rückschlägen als einen Erfolg verbuchen, zumal er sich hier gegen gewichtige optimatische Konkurrenz durchsetzte; dass Bestechung eine Rolle für die Wahlentscheidung gespielt hatte, regte niemanden mehr auf – es war inzwischen ganz normal geworden. 63 war das Jahr des Konsuls Cicero und der Catilinarischen Verschwörung, in die auch Caesar hineingezogen wurde; jedenfalls drangen seine Gegner auf Cicero ein, doch auch den möglicherweise in die Angelegenheit verwickelten Caesar gerichtlich zu belangen. Das wagte Cicero jedoch nicht, weil der Beschuldigte zu sehr in der Volksgunst stand. Bei der Diskussion um die Verurteilung der Verschwörer schien Caesar dann durch
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Caesar als Aedil
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Caesars Eintritt in die Geschichte
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sein Eintreten für Milde die Verdächtigungen gegen ihn zu bestätigen, obwohl er sich durchaus im Einklang mit der Rechtsordnung fühlen konnte – mehr jedenfalls als die rigiden Catonianer. Im Senat ging er durch diese klare Positionsbestimmung als Popular persönliche Risiken ein, die plebs liebte ihn jedoch dafür – und das hatte für ihn größere Bedeutung (s. Quelle).
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Caesar spricht über die populare Tradition (Sallust, De coniuratione Catilinae 51) Als der Staat wuchs und infolge der großen Masse der Bürger die Parteiungen an Macht gewannen, man anfing, Unschuldige zu umgarnen, anderes derart zu begehen, da wurden das porcische Gesetz und andere Gesetze gegeben, Gesetze, nach denen den Verurteilten die Verbannung freigestellt wurde. Ich halte diesen Grund, Väter und Beigeordnete, in Sonderheit für entscheidend, dass wir keinen neuen Entschluss fassen. Fürwahr Tüchtigkeit und Weisheit waren größer bei ihnen, die aus kleinen Anfängen ein so großes Reich geschaffen haben, als bei uns, die wir das tüchtig Erworbene mit Mühe nur behaupten.
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Entlassung des Heeres des Pompeius
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Die Praetur erreichte Caesar für 62, wohin er trotz oder gerade wegen der klar popularen Ausrichtung seiner Politik gelangte. Das Amt war das zweitwichtigste in der stadtrömischen Ämterhierarchie. Es war in erster Linie ein Gerichtsamt, doch befähigte es vor allem zu einer lukrativen Statthalterschaft im darauf folgenden Jahre. Caesar setzte in diesem Amt seine anti-optimatische Politik kontinuierlich fort, jetzt auch in Erwartung einer baldigen Rückkehr des Pompeius, dem er sich andienen wollte. Die angstvolle Stimmung in Rom ließ jedoch eine ordentliche Amtsführung kaum zu. Caesar selbst versuchte gegen seinen Intimfeind Quintus Catulus, der mit dem Wiederaufbau des Kapitols beauftragt worden war, vorzugehen, der Senat hielt dagegen, indem vorgeschobene Ankläger erneut Caesars Beteiligung an der Catilinarischen Verschwörung vorbrachten. Zudem hatte Caesar zusammen mit dem Volkstribunen Quintus Metellus Nepos Anträge zur Begünstigung des Pompeius veranlasst, sodass schließlich beide ihres Amtes zunächst enthoben, dann wieder eingesetzt wurden, weil die Empörung des Volkes darüber zu groß war. Die Episoden, die in gedrängter Kürze bei Sueton (Caesar 16) überliefert sind, zeigen vor allem, wie angespannt die Situation war und wie blank auch die Nerven in der Bürgergemeinde lagen. Pompeius hatte inzwischen sein Heer in der ostitalischen Hafenstadt Brundisium entlassen. Er hoffte auf die Ausstrahlung und gewinnende Kraft seiner großartigen Leistungen im Osten, doch er verschätzte sich immens. Sein Ziel war es gewesen, sich in Abwesenheit für 62 zum Konsul wählen, dann mit der Autorität dieses Amtes im Rücken seine Anordnungen anerkennen und seine Soldaten versorgen zu lassen. Aus der zurückschauenden Perspektive waren diese Erwartungen ganz und gar falsch, und so ist denn heute wie damals die Auffassung vorherrschend, die Entlassung des Heeres sei ein gravierender Fehler gewesen, der folgenschwerste seiner Karriere. Denn nur dieser Irrtum habe den Aufstieg seines späteren Bezwingers, Caesar, ermöglicht, dem nun urplötzlich die Möglichkeit geboten wurde, sich ganz in den Dienst der pompeianischen Sache zu stellen
Gaius Julius Caesar und unentbehrlich zu machen. Diese Auffassung ist gewiss richtig, doch befürwortet sie eine gewaltsame Lösung des pompeianischen Problems. Denn was hätte Pompeius anderes zur Erreichung seines Zieles tun können, als sich wie 20 Jahre zuvor Sulla und 13 Jahre später Caesar mit militärischer Gewalt sein Recht zu verschaffen? Dem Beispiel Sullas folgte Pompeius jedoch bewusst nicht: Die Entlassung seines Heeres ist deshalb als eine Chance für den Fortbestand der Republik zu begreifen, die jedoch von den Republikanern nicht genutzt wurde. Das Ende der Amtszeit Caesars als Praetor war von einem Skandal erschüttert, der wohl eher zu den Marginalien zählte, aber noch Jahre später in aller Munde war. Der junge und aus dem Hochadel stammende Publius Claudius Pulcher hatte sich beim Fest der „Guten Göttin“ (lateinisch: Bona Dea) – einer Göttin der weiblichen Fruchtbarkeit, deren Fest alljährlich im Dezember im Hause eines Praetors oder Konsuls unter strengem Ausschluss von Männern gefeiert zu werden pflegte – in Caesars Haus als Frau verkleidet eingeschlichen, weil er auf eine Zusammenkunft mit der Hausherrin Pompeia aus war. Unter dem leicht veränderten Namen Clodius – als „Claudius“ gehörte er zu den Patriziern, als „Clodius“ zu den Plebejern – sollte dieser Mann in den fünfziger Jahren als einer der einflussreichsten und skrupellosesten stadtrömischen Politiker einige Bedeutung erlangen. Der Vorfall und seine Auswirkungen sind Symbole für das Innenleben der Republik in dieser Zeit: Die „Republikaner“ nahmen das Angebot, sich als wahre Hüter der Sitten bewähren zu können, dankbar an. Sie konnten an dem Verhalten des Clodius den Abwärtstrend des Staates formulieren und ein Gegenbild zeichnen: Wenn Männer wie Clodius ausgeschaltet würden, könne es wieder aufwärts gehen. Erst dann sei die concordia ordinum, der Gemeinsinn aller Stände auf der Grundlage der republikanischen Traditionen, möglich. Für Caesar war die Angelegenheit kein Menetekel, bestenfalls seine persönliche Ehre, dignitas, war in Mitleidenschaft gezogen, und die ließ sich wiederherstellen, indem er öffentlichkeitswirksam seine gar nicht des Ehebruchs überführte Frau verstieß. Alles in allem bewegte der Skandal zwar die Gemüter, aber es veränderte sich nichts. Die Republik hatte keine Antwort mehr auf die gesellschaftlichen und politischen Fragen und verausgabte sich in den altbekannten Grabenkämpfen. Dieses Jahr 62 war also ein Epochenjahr, denn es führte Pompeius und Caesar wirklich und für ein Jahrzehnt zusammen: Der eine brauchte Unterstützung in seiner Auseinandersetzung mit dem Senat, der andere für seine politische Karriere. Ihrer beider Aufstieg könnte gegensätzlicher nicht gewesen sein, und ebenso in sich nicht widersprüchlicher. Der eine, einer vergleichsweise „neuen“, noch nicht lange politisch einflussreichen Familie entstammend, setzte sich über alle geltenden Normen hinweg, pfiff auf Ämterlaufbahn und aristokratische Spielregeln, richtete einen Prinzipat mit scheinrepublikanischem Charakter ein – und war doch in der von den Altvorderen, vom mos maiorum geprägten Vorstellungswelt dieser Republik so gefangen, dass er im Reichsgebiet als selbstbewusster Monarch, in Rom aber als ängstlicher Aristokrat auftrat. Der andere, Caesar, war das genaue Gegenteil: Von patrizischer Abstammung mit gar göttlichem Herkunfts-
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„Clodius“-Skandal
Gegenüberstellung Pompeius – Caesar
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Caesars Eintritt in die Geschichte
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anspruch, stieg er Stufe um Stufe auf der Ämterleiter empor, genau dem Zeitplan entsprechend (also jeweils im frühest möglichen Jahr, suo anno) und den republikanischen Spielregeln folgend, indem er weder Kosten noch Mühen scheute, keine ihm nutzbringende Verbindung mit Freunden und Klienten ausließ – und doch war er schon im Aufstieg der Republik so fern wie nur irgendeiner, hatte er sich doch mehr als seine Standesgenossen von dem systemimmanenten Zwang nach Unverbindlichkeit befreit. Was Caesar so anders oder, wie es Christian Meier in seiner Caesar-Biographie uns eingeprägt hat, zum „Außenseiter“ machte, war die Konsequenz seines Handelns auf einer einmal beschrittenen Bahn. Andere bedeutende Persönlichkeiten der Zeit, wie Cicero und auch Pompeius, scheuten davor zurück, sich sachlich-inhaltlich festlegen zu lassen. Quintus Cicero, der Bruder „unseres“ Cicero, wollte seinem Bruder raten, wie er Konsul werden könne. Das tat er in einer „Denkschrift über die Bewerbung zum Konsulat“, die publiziert wurde und uns heute noch von den (gelegentlich immer noch aktuellen) Pflichten eines römischen Wahlkämpfers kündet. Um erfolgreich zu sein, so ließ Quintus verlautbaren, brauche der Kandidat Freunde, Popularität, und vor allem dürfe er sich inhaltlich nicht auf ein Programm verpflichten (s. Quelle).
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Die Pflichten eines römischen Wahlkämpfers (Quintus Cicero, Commentariolum 53) Auch kommt bei deiner Bewerbung viel darauf an, dass der Staat Gutes von dir erhofft und Ehrenvolles erwartet; allerdings darfst du während deiner Bewerbung weder im Senat noch in der Volksversammlung zu den politischen Tagesereignissen Stellung nehmen, solltest dir vielmehr Folgendes zur Regel machen: Der Senat muss auf Grund deiner Lebensführung glauben, dass du für seine Autorität eintreten wirst, die Ritter und die biederen, gut situierten Bürger angesichts deines bisherigen Lebens, dass es dir um Ruhe und normale Verhältnisse zu tun sein wird, die Masse, dass du nicht gleichgültig gegen ihre Forderungen sein wirst, weil du, jedenfalls nach deinen Äußerungen in Volksversammlungen und vor Gericht zu urteilen, immer ein Mann des Volkes gewesen bist.
Statthalter in Spanien
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Caesar wich von dem üblichen Politikerprofil deutlich ab. Sein Erfolg beruhte auf zwei anderen Pfeilern: der Anziehungskraft beim Volk und dem bedingungslosen Anschluss an Pompeius. Beides gehörte zusammen. Den politischen Führungspersönlichkeiten in Rom war das unheimlich, weil sie Caesar folglich auf keine Weise für ihre eigenen Interessen einzuspannen vermochten. So konnte schon früh der Verdacht entstehen, dass Caesar die Republik ablehne, etwas Besonderes für sich anstrebe, vielleicht Alleinherrscher, Monarch oder gar König werden wolle. Bis heute wird darüber diskutiert, ob Caesar schon früh die Misere des Staates erkannt und deshalb die Republik als nicht mehr zeitgemäß, „unmodern“, überholt abgelehnt und die Alleinherrschaft gewollt habe. Mit Sicherheit können wir nur so viel sagen, dass er seinen Ehrgeiz befriedigen und nach oben kommen wollte. Im Anschluss an seine Praetur kam er 61/60 als Statthalter nach Spanien (Hispania ulterior), wo er schon als Quaestor erste Meriten erworben hatte. Er durfte freilich Rom erst verlassen, nachdem der reiche Crassus eine
Der Triumph des Pompeius
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Bürgschaft für ihn von 830 Talenten (nach heutigem Verständnis ein mindestens zweistelliger Millionenbetrag in Euro) übernommen hatte; doch auch diese Summe war nur ein Bruchteil von Caesars Schulden. Aus politischen und wirtschaftlichen Erwägungen heraus musste daher die Statthalterschaft in Spanien erfolgreich sein; schließlich wollte Caesar Konsul werden und seine finanzielle Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Unsere Quellen sprechen deshalb gewiss zu Recht davon, dass Caesar Kriege in dem an sich nicht sonderlich unruhigen Lusitanien (dem heutigen Portugal) provozierte und sich so ruhmreich bewähren konnte. Auch finanziell war sein Engagement lukrativ, sodass er seine weitere politische Zukunft ins Auge fassen konnte. Als er im Juni 60 zurückkehrte, war die Zeit somit reif für seine Bewerbung um das höchste Staatsamt.
3. Der Triumph des Pompeius Caesar kam es für seine weiteren Ambitionen sehr zustatten, dass die Angelegenheiten des Pompeius überhaupt keine Fortschritte machten. Seit der Entlassung seiner Truppen im Dezember 62 und dem Engagement „seines“ Volkstribunen Quintus Caecilius Metellus Nepos, der ebenfalls 62 eifrig, aber vergeblich die offizielle Rückberufung seines Herrn betrieben hatte, hing alles in der Schwebe. Zuerst war man überrascht über den ausbleibenden „Marsch auf Rom“, dann jubelte man ihm zu, aber Zugeständnisse vom Senat blieben aus. Pompeius hatte sich außerdem von seiner Frau Mucia scheiden lassen, was zum Bruch mit der einflussreichen Familie der Metelli führte, der Mucia angehörte; sie hatte ihn mit Caesar betrogen. Die Scheidung schwächte seine Position in Rom zusätzlich, aber die Entfremdung von den Metelli war nicht ausschlaggebend für sein wie gelähmt wirkendes Auftreten in der Hauptstadt. Vielmehr war der Ort selbst mit seinen Traditionen dafür verantwortlich. Das Motiv für das politische Handeln des Pompeius in Rom lag gewiss in der für ihn verpflichtenden Vorstellung einer strikten Beachtung der republikanischen Regeln begründet. Cicero bestätigt das in einem Brief an seinen Freund Atticus vom Februar 61: „Die Autorität des Senates werde von ihm (sc. Pompeius) in allen Dingen als das Höchste angesehen und das sei auch immer der Fall gewesen“ (Epistulae ad Atticum 1, 14, 2). Mit dieser Verehrung der Senatsautorität verbunden war eine abwartende, ja zögerliche Haltung, die sich seiner Stellung immer mehr als abträglich erweisen sollte. Nach dem Vorbild republikanischer Spielregeln versuchte Pompeius im Jahre 61 Freundschaftsbündisse zur Durchsetzung seiner Ziele zu schließen, etwa mit Cicero (Epistulae ad Atticum 1, 19, 7), und er nahm Einfluss auf die Konsulatswahlen für 60. Doch erwiesen sich seine Kandidaten als unfähig (Lucius Afranius) oder feindselig (Metellus Celer). So versuchte er, durch eine öffentliche Rückbesinnung auf seine Leistungen sein geschwundenes Ansehen aufzufrischen: Am 28./29. September 61, seinem Geburtstag, feierte er einen großartigen Triumph. Dieser ist wegen seiner Prachtentfaltung ausführlich in unseren Quellen beschrieben, besonders bei Plutarch (Pompeius 45) und Appian (Mithridateios 568–78). Er wurde auf zwei Tage hin angelegt
Zögerliches Vorgehen des Pompeius in Rom
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und am 28. und 29. September 61 prunkvoll gefeiert, und selbst diese zeitliche Streckung reichte nicht hin, um alle Pracht vorzuführen. Zu sehen waren in Rom also Reichtum, Glanz, Kunst, gebändigte Macht fremder Potentaten und Neuigkeiten aller Art. Die Taten Alexanders des Großen, mit dessen Mantel Pompeius angetan war, waren nicht mehr unerreichbare Utopie, sondern jetzt durch einen Römer wieder Realität geworden. Die hauptstädtische kleinkarierte Streitatmosphäre um Nichtigkeiten hatte Pompeius nach seiner Rückkehr auf den Boden der Republik zurückgeholt, doch hier, in der Zurschaustellung schier unglaublicher Erfolge, konnte er sich wieder überdimensional, ganz und gar unrepublikanisch, und das mit vollem Recht, präsentieren. Und nicht nur die Prachtentfaltung war einmalig. Pompeius verstand es, die Sprache des großmütigen Siegers und der Republik zugleich zu sprechen. Bei dem während der Feierlichkeiten üblichen Zug durch die Stadt zum Kapitol verzichtete er auf seine eigenen Truppen – ein Recht, das dem Triumphator zugestanden hätte –, um nicht doch auf seine Mitbürger bedrohlich zu wirken, und die Kriegsgefangenen tötete er nicht, wie es sonst üblich war, sondern entließ sie entweder in ihre Heimat oder behielt sie als Geiseln in Rom. Auch in der ur-republikanischen Feierstunde eines Triumphes ließ sich Pompeius als Reichspatron feiern; er wahrte seinen Führungsanspruch, man kann auch sagen: seinen Prinzipat über das Reich, den er in der stadtstaatlichen Politik nicht erringen konnte. Pompeius verkörperte mit dem Triumph den Anspruch Roms auf die Herrschaft über den Erdkreis. Niemand hatte so viel dazu beigetragen wie er, dass dieser Anspruch realisiert wurde. All die „Exponate“ repräsentierten den Reichtum des Ostens, die unbekannten Regionen, in die er vorgestoßen war, die Bindung an Rom. Rom war endgültig zum Zentrum und zur Herrin der Welt geworden. Fortan ist der Weltherrschaftsanspruch Bestandteil römischer Ideologie, und zwar insbesondere der späteren kaiserzeitlichen Ideologie. Pompeius hat mit seiner Bildersprache neue Maßstäbe gesetzt. Er war eindeutig der Princeps der Welt, und doch wurde ihm die förmliche Anerkennung seiner Taten und Verfügungen, eine pure Selbstverständlichkeit, ja Notwendigkeit nach seiner Auffassung, verweigert, gar nicht zu reden von der respektablen und angemessenen Versorgung seiner militärischen Helfer, der Veteranen. Dieses Missverhältnis zwischen der erbrachten Leistung und der Verweigerung ihrer Anerkennung durch die republikanischen Behörden und Persönlichkeiten war geeignet, die Ordnung an sich grundsätzlich in Frage zu stellen. Nach allem, was wir wissen, empfand auch Pompeius die mangelnde Würdigung seiner Leistungen als Herabsetzung seiner Würde (dignitas), aber er unternahm noch nichts dagegen. Caesar sollte kaum ein Jahrzehnt später weniger Rücksicht auf die Gefühle seiner Zeitgenossen nehmen.
4. Das Erste Triumvirat des Jahres 60 Widerstand gegen Pompeius
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Pompeius wurde schon bald wieder von der Realität eingeholt. Die Debatten des Jahres 60 um seine Forderungen, nämlich Veteranenversorgung und Anerkennung seiner Regelungen (acta) im Osten, kristallisierten als
Das Erste Triumvirat des Jahres 60 seine Gegner in den Jahren 62–60 vor allem Lucullus, Cato und den Konsul Metellus Celer heraus. Moderne Historiker haben oft Sympathie für Pompeius geäußert, weil sie die Berechtigung seiner Forderungen anerkennen konnten. Entsprechend haben sie über den Widerstand gegen ihn sehr kritisch geurteilt; er sei kleinkrämerisch und aufrechnend (über Lucullus) oder stur, rückwärts gewandt, prinzipienverhaftet (Cato) und überhaupt ganz kurzsichtig gewesen. Doch wir müssen uns als Historiker in die Zeit hineinversetzen. Welche Wahl hatten die Kritiker des Pompeius überhaupt? Dieser stellte als Person durch das mit seinen Leistungen verbundene gewaltige soziale Prestige ohne Zweifel eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, auch wenn er das offensichtlich nicht sein wollte. Mit den Mitteln der Republik konnte man ihm nur begegnen, indem man seine Wünsche trotz aller Verdienste nicht spontan erfüllte und ihn in beständigen Auseinandersetzungen mürbe machte. Jedes Kompromissangebot des Pompeius wurde daher fadenscheinig ausgeschlagen, seine Mittelsmänner wie der Volkstribun Lucius Flavius scharf attackiert. Dieser hatte ein sehr moderates, über pompeianische Einnahmen finanzierbares Agrargesetz zur Verteilung von Land nicht nur an die Veteranen, sondern darüber hinaus auch an ärmere Bürger eingebracht. Cicero stand dem Antrag durchaus positiv gegenüber, doch die ablehnende Haltung des Senates entzündete sich einmal mehr an den Kompetenzen der einzusetzenden Agrarkommission. In Wirklichkeit ging es aber um etwas anderes: Pompeius sollte sich in den Netzen der Verfassung verfangen und handlungsunfähig werden. Da er sich auf dieses Spiel einließ, oder eher: sich in Schweigen hüllte, ging diese Taktik auf: „So musste er erkennen, dass er tatsächlich ohne Macht war und lediglich den Namen sowie den Neid auf Grund seiner früheren Machtstellung zu Eigen hatte, in Wirklichkeit aber daraus keinen Nutzen ziehen konnte.“ Was wundert es, dass er spätestens jetzt seine Truppenentlassung von Brundisium bereute (Cassius Dio 37, 50)! Im Mai 60 ließ deshalb Pompeius das erwähnte Ackergesetz fallen, weil der Streit darum zu eskalieren drohte (Cicero, Epistulae ad Atticum 1, 18 f.; 2, 1). Er ging nun einen anderen Weg. Auf die Idee, seine Forderungen zu erzwingen, kam er indes nicht. Der Zufall wollte es, dass Caesar, gerade aus Spanien zurückgekehrt, seine Absicht verkündete, sich um das Konsulat für 59 zu bewerben. Nach Lage der Dinge würde ihm dabei der Senat im Wege stehen, dem an einer Förderung des ausgewiesenen Popularen nicht gelegen sein konnte. Nur der Idealist der concordia ordinum, Cicero, konnte die abwegige Hoffnung haben, Caesar ins eigene Lager hinüberzuziehen. Im Juli waren die Konsulwahlen, vorher musste sich jeder Kandidat persönlich bewerben. Caesar verzichtete dafür sogar auf seinen schon vom Senat genehmigten Triumph, obwohl seine Chancen auf Erfolg bei den Wahlen keineswegs gut standen. Cato selbst hatte eine Wahlbewerbung Caesars in absentia (also in persönlicher Abwesenheit) mit einem wirkungsvollen, freilich höchst zweifelhaften Verfahren verhindert: Er blockierte durch eine Dauerrede im Senat die Abstimmung darüber (Plutarch, Cato minor 31, 5). Der Senat setzte bei den Wahlen auf Marcus Calpurnius Bibulus, Catos Schwiegersohn und Caesars ständigen Kollegen in früheren Amtsperioden und größten Feind zugleich. Pompeius wiederum unterstützte an sich einen gewissen Lucius Lucceius, doch auch Caesar stellte sich
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Anbahnung des Bündnisses
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ihm politisch zur Verfügung; dessen Verbindung zu dem Geldaristokraten Crassus war ja schon vor seiner Statthalterschaft in Spanien geknüpft worden. Die Beziehung zwischen diesen drei Männern – Pompeius, Caesar und Crassus – entwickelte sich zu einer politischen „Freundschaft“ im Sinne der oben zitierten (s. S. 48) Wahlempfehlungen des Quintus Cicero. Man ist sich bis heute noch nicht über den genauen Zeitpunkt dieses „Bündnisses“ einig: Gingen die Konsulatswahlen im Juli dem Triumvirat voraus oder umgekehrt? Die Frage ist nach den Quellen nicht zu entscheiden, doch wäre Caesars Wahl wohl ohne die Unterstützung der beiden anderen nicht gelungen. Andererseits ist freilich auch denkbar, dass die Absprache zwischen den drei Männern in der zweiten Hälfte des Jahres 60 mit Caesar als designiertem Konsul (consul designatus) erfolgte, um das umfangreiche Programm im folgenden Jahr durchzusetzen (s. Quelle).
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Die Gründe der Verbindung zwischen Pompeius, Caesar und Crassus (Cassius Dio 37, 56 f.) Pompeius und Crassus nahmen, nachdem sie sich – jeder aus eigenen Gründen – erst einmal miteinander verglichen hatten, gern auch jenen (Caesar) in ihre gemeinsamen Interessen auf. Pompeius nämlich konnte sich auf seine starke Stellung nicht so sehr verlassen, wenn er die bereits vorhandene Macht des Crassus und den zunehmenden Einfluss Caesars bedachte, ja musste fürchten, von ihnen ganz ausgeschaltet zu werden. So hoffte er, wenn er sie an seinen augenblicklichen Vorteilen beteilige, seine alte Macht wiederzugewinnen. Dagegen beanspruchte Crassus auf Grund von Geburt und Reichtum über allen zu stehen; als er aber hinter Pompeius weit zurückblieb und an Caesars großen Aufstieg glaubte, wünschte er, beide in ein Gleichgewicht zu bringen und keinen von beiden übermächtig werden zu lassen; dabei hoffte er, während sich jene gleich starken Gegner bekämpften, selbst die Früchte aus dem Bunde beider zu ernten und höhere Ehre als beide zu erlangen. Denn genau genommen trieb er weder für die Menge noch für den Staat Politik; alles, was er tat, war auf die Begründung der eigenen Machtstellung berechnet. Deswegen umwarb er beide gleichmäßig und vermied jede feindliche Haltung gegen sie. So nun und aus diesen Gründen schlossen die drei ihre Freundschaft, bekräftigten sie durch Eide und lenkten die öffentliche Politik nach ihrem Willen, gaben und nahmen sich gegenseitig, wonach ihnen der Sinn stand und was ihnen im Augenblick anzuordnen passend erschien.
Charakter des Triumvirates
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Dieses Bündnis, das so genannte Erste Triumvirat, stellte eine wesentliche Zäsur in der politischen Entwicklung Roms dar. Dabei hatte es gar nichts Formelles an sich (außer den persönlichen Eiden) und bewegte sich auf den Bahnen der üblichen republikanischen Praxis politischer Freundschaftsbeziehungen. Was es revolutionär machte, waren die drei Personen selbst, deren Machtgrundlagen den gesamten Staat paralysieren konnten. Und genau darum ging es auch: die Institutionen auszuschalten, an ihnen vorbei Politik auf der Grundlage persönlicher Beziehungen zu gestalten. Alle drei hatten ja schlechte Erfahrungen mit den republikanischen Institutionen, insbesondere dem Senat gemacht. Cicero sollte nach dem Willen der Drei auch mitmachen, denn er war der beste Redner von allen und hätte das Triumvirat noch mächtiger machen können (Cicero, Epistulae ad Atticum 2, 3). In der Tat war ja auch Pompeius bereits im Frühsommer 61
Caesars Konsulat im Jahre 59
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eine Verbindung mit Cicero eingegangen (Cicero, Epistulae ad Atticum 1, 19: „sodass jeder von uns beiden aufgrund dieser Verbindung in seinen eigenen Angelegenheiten geschützter und in der Politik fester sein könne“), sodass die Aussicht auf einen Vierbund nicht ungünstig schien. Doch Cicero hielt sich abseits; er hegte vielmehr die Hoffnung, Pompeius von einem Bund mit Caesar abbringen zu können (Cicero, Ad familiares 6, 6). Allerdings war der Dreibund auch ohne ihn beherrschend. Pompeius war der Seniorpartner, er hatte die größte Klientel, Ruhm, Ansehen und besonders Soldaten. Crassus war so reich, dass er sich durch zahllose Kredite nahezu die gesamte bessere Gesellschaft verpflichtet hatte. Caesar war der Liebling des Volkes und hatte die klarsten Vorstellungen von den Zielen der Zusammenarbeit; er war es auch, der das Bündnis zustande gebracht hatte. Nichts, so beschworen sie angeblich ihren Bund, sollte im Staate geschehen, was einem von ihnen nicht gefiel (Sueton, Caesar 19). Als der zunächst noch geheime Bund bekannt wurde, löste er in Rom Befürchtungen aus; einige verglichen ihn wie der Schriftsteller Varro mit Trikaranos, einem dreiköpfigen und Verderben bringenden Ungeheuer (Appian, Bella civilia 2, 9). Seine Bedeutung erhellt auch daraus, dass man selbst in der späteren Kaiserzeit in diesem Bund trotz seiner privaten Struktur eine Zäsur erblickte, und zwar zunächst zum Schlechteren. Cassius Dio schrieb in der Severerzeit um 200 n. Chr., dass die Anhänger der drei Freunde es genauso willkürlich trieben wie ihre Führer. Einige moderne Forscher meinen daher, dass die spätere Perspektive die Bedeutung dieses Bündnisses übertrieben habe. Dem ist freilich entgegenzuhalten, dass tatsächlich ein Jahrzehnt lang politisch nichts ohne die Drei bewerkstelligt werden konnte. Alles in allem verschärften sich die innenpolitischen Auseinandersetzungen: Optimaten standen gegen die Triumvirn, Populare gegen Optimaten, Anhänger des einen gegen die Anhänger des anderen, dazu gab es die beharrlichen Versuche, die drei Verbündeten auseinander zu dividieren mit Gewalt, Geld und Hinterlist. Die innenpolitischen Perspektiven für die fünfziger Jahre waren nicht rosig. Es sollte in der Tat das bis dahin gewalttätigste Jahrzehnt für die Römische Republik werden.
5. Caesars Konsulat im Jahre 59 Doch zuerst kam Caesars Konsulat. Es dürfte das turbulenteste Amtsjahr eines Konsuls gewesen sein, das Rom bis dahin gesehen hatte; dabei hatte es versöhnlich begonnen. Gleich zu Beginn seines Amtes hatte wie jeder Konsul so auch Caesar seine programmatischen Antrittsreden vor den Senatoren im Jupiter-Tempel auf dem Kapitol und vor dem Volk zu halten. Er dürfte ihnen gesagt haben, dass er nur berechtigte Beschlüsse und Anträge durchbringen wolle und jeder, der etwas an ihnen zu kritisieren habe, seine Bedenken vorbringen solle, damit er sie berücksichtigen und ändern könne. Gleich zu Anfang führte er dann aber eine bemerkenswerte Neuerung ein: Zum ersten Mal in der Geschichte der Römischen Republik sollten die im Senat und vor dem Volk geführten Verhandlungen publiziert werden. Jeder konnte von jetzt an nachprüfen, was wirklich in den Sitzun-
Erste Maßnahmen
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Agrargesetzgebung Caesars
Konflikte um die Gesetzgebung
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gen vorgebracht wurde; der willkürlichen demagogischen Auslegung war damit ein Riegel vorgeschoben, aber es war gleichzeitig auch ein Stück aristokratischer Intimität und damit republikanischer Verfassungspraxis beseitigt worden. Überhaupt sollte nach Caesars Vorstellungen die konsularische Macht als solche nicht mit gebieterischer Symbolik, sondern volksfreundlich daherkommen; dazu gehörte auch, dass dem nicht amtierenden Konsul die Ehrfurcht gebietenden Liktoren nicht voranschreiten, sondern folgen sollten. Dagegen konnte niemand etwas haben. Sachlich-inhaltlich ging es in Caesars Konsulat vor allem um die pompeianischen Forderungen, denen sich Caesar verschrieben hatte. Wie im Triumvirat vereinbart, brachte Caesar zunächst ein Ackergesetz zur Versorgung der Veteranen des Pompeius ein (lex Iulia agraria: Cassius Dio 38, 1– 7; Plutarch, Cato minor 32 f.; Sueton, Caesar 20; Appian, Bella civilia 2, 10). Er hatte durchaus vor, sein Gesetz konsensfähig zu machen, aber das misslang gründlich; erst im April wurde der Antrag nach heftigem Widerstand seitens des Senates und insbesondere des Kollegen im Konsulat Marcus Bibulus in der Volksversammlung angenommen. Ende April initiierte Caesar sogar ein zweites Ackergesetz, das 20 000 kinderreichen Bürgern in Campanien Ackerland zuteilen sollte. In der Sprachregelung der Optimaten vergriff sich Caesar damit am „schönsten Besitztum des römischen Volkes“ (Cicero, De lege agraria 2, 21). Es ging in Caesars Gesetzen wie in allen Ackergesetzen um die Verteilung von Land an Bedürftige, wobei natürlich die Versorgung der Veteranen das Hauptanliegen war. Caesar wollte ja anfänglich eine allseitige Zustimmung zu seiner Politik erwirken, daher sollten nicht nur die Veteranen des Pompeius, sondern auch diejenigen des Metellus, sodann in dem zweiten Ackergesetz überhaupt ärmere und vor allem kinderreiche Bürger berücksichtigt werden. So erwuchs aus der lex Iulia agraria ein ambitioniertes Sozialprogramm. Landmangel für dieses Projekt sollte durch Hinzukauf ohne Zwang nach Marktwert beseitigt werden; das dafür erforderliche Geld gab es ja durch die Gewinne des Pompeius im Osten des Reiches genug. Zur langfristigen Absicherung des neu erworbenen Grundbesitzerstatus sollten die Neubauern ihre Parzellen 20 Jahre lang nicht veräußern dürfen. Die Durchführung des Gesetzes wurde wieder einer Ackerkommission mit außerordentlichen und richterlichen Kompetenzen anvertraut, doch diesmal sollte sie aus 20 „ehrenhaften“ Männern und einem weiteren Ausschuss von fünf Mitgliedern bestehen. Caesar selbst wollte ausdrücklich nicht dazugehören, um nicht neue Spekulationen um seine Machtgelüste zu evozieren; Pompeius gehörte sicher der Kommission und möglicherweise auch dem Ausschuss an. Absichern wollte sich der Konsul indes schon: Seit Jahrzehnten war es bereits eingeführt, die zukünftige Geltung von Gesetzen durch Eidesleistungen von den Senatoren verbürgen zu lassen; das wurde auch für die lex Iulia vorgesehen. Volk und Senatoren sollten schwören, das Gesetz einzuhalten; auf die Verweigerung des Schwurs sollte die Todesstrafe stehen (Appian, Bella civilia 2, 12). Dieses Verfahren führt die Brüchigkeit der republikanischen Ordnung vor Augen, die sich nicht mehr auf die Zuverlässigkeit ihrer Bürger ohne Strafandrohungen verlassen konnte. Der Plan Caesars ging dahin, den nunmehr fast vierjährigen Auseinandersetzungen um die sachlich kaum zu kritisierende Veteranenversor-
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gung des Pompeius ein versöhnliches Ende zu bereiten. Aber die Optimaten hatten aus ihrer Sicht keine andere Wahl, als das Gesetz abzulehnen. Der Mitkonsul Caesars, Marcus Bibulus, ließ keinen Zweifel daran, dass er sein Veto einlegen würde. Neuerungen, so lautete seine unmissverständliche Position, seien mit ihm nicht zu machen; derweil hielt Cato wieder einmal eine seiner Dauerreden, um überhaupt jegliches politische Handeln zu unterbinden. Andere Mittel besaßen die Republikaner allerdings nicht mehr. Denn die tatsächlichen Machtmittel lagen beim Konsul Caesar, der über die Obstruktionspolitik der optimatischen Parteigänger ungehalten war und Cato als einen der Hauptwortführer durch seinen Amtsdiener verhaften ließ. Dieser Schritt löste Empörung aus, sodass Caesar Cato schnell wieder freiließ, um aus ihm nicht einen Märtyrer zu machen (Plutarch, Cato minor 33). Ihm wurde aber klar, dass der Senat nicht kooperationsfähig war, und so brachte er das Gesetz – wie es einst Tiberius Gracchus vorgemacht hatte – direkt vors Volk. Dort befragte er öffentlichkeitswirksam Pompeius nach seiner Meinung (Cassius Dio 38, 4). Dieser ließ wissen, dass natürlich das Gesetz sachlich und formal legitimiert sei, und überhaupt sei er zu seiner Durchsetzung auch zur Gewaltanwendung bereit. Im gleichen Sinne äußerte sich der ebenfalls nach seiner Meinung befragte Crassus. Es war nur noch eine Karikatur von Widerstand, wenn sich Bibulus nun auf die obnuntiatio verlegte. obnuntiatio Der Begriff ist ein technischer Terminus aus der Augurensprache (der Sprache der Vogelschauer). Er bedeutet „Verkündigung“, und zwar selbstredend die Verkündigung böser beziehungsweise ungünstiger Vorzeichen. Für jede bevorstehende politische Handlung, also auch für die Verabschiedung von Gesetzen, wurden zur Erkundung des göttlichen Willens ritualisierte sakrale Verfahren durchgeführt wie Vogelflugbeobachtung oder Eingeweideschau bei geopferten Tieren. Die Magistrate benutzten die Ergebnisse dieser Götterbefragung, um entweder aktiv zu werden oder politische Handlungen zu verhindern. Die obnuntiatio war also ein eminent politisches Mittel der republikanischen Praxis. Je weiter jedoch die Krise der Republik voranschritt, umso häufiger wurde die obnuntiatio im politischen Kampf genutzt, um dem Gegner Steine in den Weg zu legen.
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Erreicht hatte Bibulus mit dieser durchsichtigen Obstruktionspolitik nichts. Caesar bestimmte einfach einen Tag, an dem der Gesetzesantrag vor dem Volk verhandelt werden sollte. Man versammelte sich auf dem Forum vor dem Dioskurentempel, Caesar hielt gerade seine Rede zur Unterstützung des Antrages, als der Auftritt des Bibulus, in Begleitung seiner „Mannschaft“ mit Cato, Metellus Celer, Lucullus und anderer, kam. Stolz und in der nutzlosen Gewissheit, im Recht zu sein, versuchten sie das Gesetz zu verhindern, doch sie wurden von den Caesarianern einfach niedergeprügelt, misshandelt und vertrieben. Bibulus blieb für den Rest seiner Amtszeit, immerhin ein langes Dreivierteljahr, zu Hause und äußerte sich nunmehr in Schmähedikten gegen Caesars Politik. Damit war zwar die Sache – das Ackergesetz – gerettet, Caesars Idee einer Konsenslösung jedoch vollständig gescheitert und für die Zukunft hinfällig geworden. Gewalt und Terror war im Spiel gewesen, der Mitkonsul hatte faktisch sein Amt niedergelegt. Was folgte, war, wie die Zeitgenossen sarkastisch kommentierten, das Konsulat von Gaius Caesar und
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Julius Caesar, und sie meinten damit nichts anderes, als dass Caesar alleine herrschte oder sich die Republik zu einer Oligarchie von drei Männern gewandelt hatte. Sachlich waren die Projekte Caesars weitgespannt und zukunftsweisend: im April 59 ein Gesetz zugunsten der publicani, denen ein Drittel der Steuerpacht erlassen wurde.
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publicanus (pl. publicani ) Der Begriff publicanus leitet sich von publicum ab, was „Staatseigentum“, „Staatsschatz“ und davon abgeleitet auch „Staatspacht“ bedeutet. Die publicani sind also „Steuerpächter“ und gehörten zum Ritterstand. Da die Römische Republik keine Finanzämter zur Eintreibung der Steuern kannte und auch nicht in der Lage war, eine wirksame Finanzverwaltung aufzubauen, schob man die Aufgabe der Steuereintreibung auf Privatleute ab. Der Senat bestimmte einen gewissen Steuersatz und verpachtete die Eintreibung dieses Satzes bei den Untertanen in den Provinzen an die Steuerpächter, die publicani. Diese bezahlten also im Voraus die Höhe des gewünschten Betrages und sorgten selbst – mit Gewinn natürlich – für die Eintreibung bei den Untertanen. Diese waren den Methoden der Steuerpächter bis in die späte Republik hinein schutzlos ausgeliefert. Gerichtliche Verfahren waren meist erfolglos, weil sich die Senatoren und Beamten nicht an die mächtigen und reichen Steuerpächter heranwagten und auch selbst mit von den überhöhten Geldforderungen profitierten. So wurde dieses System der Steuereintreibung über die publicani zu einem Synonym für die Ausbeutung der Provinzen in der Republik. Erst die Kaiser änderten zum Wohle der Provinzialen dieses System allmählich um.
Weitere Maßnahmen
Jahrelang hatten die publicani die Absenkung ihrer Pachtsumme vom Senat vergeblich erbeten, jetzt wurde ihrem Wunsch entsprochen; fortan waren sie Anhänger Caesars. Selbstverständlich war es jetzt fast nur noch eine Formalität, allerdings eine nicht korrekte Formalität, die Verfügungen des Pompeius im Osten anerkennen zu lassen, en bloc, wie sich versteht. Der Feldherr Lucullus, der Rivale des Pompeius im Mithridatischen Krieg, wurde gedemütigt und bedroht. Außerdem wurde der ägyptische König Ptolemaios XII. Auletes mit dem Titel eines „verbündeten und befreundeten Königs“ (socius et amicus rex) belohnt, weil er im Jahre 63 Pompeius im jüdischen Krieg um Jerusalem unterstützt hatte. Heilsam sollte sich ferner das julische Gesetz gegen Auspressung der Untertanen durch bestechliche Beamte auswirken, das sich an den (erfolglosen) Vorgängergesetzen orientierte und inhaltlich also keine Neuerungen brachte, aber viel härter eingriff und höhere Strafen vorsah als die zuvor erlassenen Gesetze gegen Auspressung der Untertanen. Dazu kamen eine Reihe von Gesetzen, die nicht Caesar in eigenem Namen, sondern sein Gefolgsmann P. Vatinius als Volkstribun einbrachte. Diese Liste von Maßnahmen wirft ein durchaus positives Licht auf Caesars Konsulat, weil es zumeist sinnvolle und inhaltlich gut begründete Gesetze waren, die eingebracht wurden. Aber das ist unsere heutige Sicht, die Zeitgenossen urteilten anders. Die Skrupellosigkeit Caesars in der Durchsetzung seiner Ziele stieß ab. Das war nicht mehr der Staat der Republik mit seinen Konsensritualen. Die Senatoren kamen nur noch so wenig zahlreich in die Kurie, wie heute unsere Bundestagsabgeordneten an den regulären Sitzungen teilnehmen. Doch auch das Volk wandte sich, so lassen unsere Quellen verlauten, von dieser Destruktion der alten Ordnung, die doch res publica, „öffentliche“ und damit „Volkes-Sache“ hieß, von Cae-
Caesars Konsulat im Jahre 59 sar, ihrem Liebling, ab. Der Begriff Republik selbst wurde verstärkt als „Sache des Volkes“ reflektiert. Ja sogar Pompeius, dem dieses Jahr doch die Erfüllung all seiner Forderungen brachte, kritisierte, wie es hieß, die Methoden Caesars, wenn auch nicht die Sache an sich. Bezeichnend für dessen skrupelloses Vorgehen ist die Vettius-Affäre, die im Sommer 59 die Stadt erschütterte. Der stadtbekannte Denunziant Lucius Vettius brüstete sich damit, von den Optimaten um den Kollegen Caesars, Bibulus, zu einem Anschlag auf Pompeius gedungen worden zu sein. Er nannte Namen hoch gestellter Persönlichkeiten, doch verwickelte er sich immer mehr in Widersprüche. Caesar, der gemeinsam mit dem Volkstribunen Vatinius den Vorgang politisch ausschlachten wollte, geriet selbst in Verdacht, Vettius zu seinen Falschaussagen angestachelt zu haben. Die öffentliche Meinung, die zunächst die Angelegenheit nicht sonderlich ernst nahm, wandte sich gegen ihn. Einige Tage später fand man Vettius tot im Gefängnis (Sueton, Caesar 20). War es Selbstmord? Oder hatte, wie Cicero behauptete, Vatinius ihn umgebracht? Steckte gar Caesar dahinter? Aufgeklärt wurde der Fall nicht, doch wirft er ein bezeichnendes Licht auf das Klima jener Tage. Nach all diesen Demütigungen und zum Teil gewaltsamen Erzwingungen in Caesars Konsulat ist es verständlich, dass Caesars Gegner auf ihre Stunde warteten. Sie hofften, sie könnten ihn zur Rechenschaft ziehen, wenn seine Amtszeit abgelaufen war und zugleich mit ihr seine Immunität. Die Praetoren Lucius Domitius und Gaius Memmius standen schon zur Rechenschaftseinforderung bereit. Doch der Dreibund hatte ein weiteres Mal vorgesorgt. Ein Gesetz, die lex Vatinia de provincia Caesaris („das Gesetz des Vatinius über die Provinz Caesars“) hatte direkt im Anschluss an die Amtszeit 59 neue Aufgaben für Caesar festgelegt: Er erhielt per Volksbeschluss (nicht durch den Senat) die Provinzen Gallia cisalpina und Illyricum zusammen mit drei Legionen. Der Senat fügte auf Drängen des Pompeius, der inzwischen die viel jüngere Julia geheiratet und damit Caesars Schwiegersohn geworden war, und gegen den Widerspruch Catos noch die Narbonensis mit einer weiteren Legion hinzu. Gallien wurde Caesars neues Aufgabengebiet. Die Dinge hatten sich im Laufe des Jahres von Grund auf geändert. Caesar war allen – einschließlich Pompeius selbst – unheimlich geworden; von Crassus als Drittem im Bunde sprach niemand mehr. Aber wirklich schwierig wurde die Lage für Pompeius. Dieser wollte politisch nicht polarisieren, hielt auch immer Kontakt mit dem auf Ausgleich bedachten Cicero, der doch von seiner Grundüberzeugung her die alte Republik favorisierte und die concordia ordinum beständig im Munde führte. Pompeius verlor durch seine abwartende Haltung, die man für unangemessen und zögerlich hielt, an Respekt. Noch heute können wir aus den Briefen Ciceros, die dieser während der geschilderten Ereignisse an seinen Freund Atticus schrieb, sehen, wie Pompeius viel von seiner alten Würde und von seinem Ansehen verloren hatte. Den vormals Ehrfurcht gebietenden General nennt Cicero darin verräterisch „unseren Gnaeus“, „unser Freund der Große“, „Beduinenscheich“, „Jerusalemeroberer“, „Sampsiceramus“ und dergleichen mehr. Pompeius wurde nicht mehr recht ernst genommen. Anders Caesar. Er wurde jetzt wirklich – und die Quellen bestätigen die-
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Caesars Stellung nach dem Konsulat
Konsequenzen für das Triumvirat
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Caesars Eintritt in die Geschichte
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sen Eindruck – geliebt, aber vor allem gefürchtet. Was wollte er wirklich? Wohin steuerte er den römischen Staat? Dass er keine Skrupel zur Erreichung seiner Ziele kannte, war bekannt und bar jeden Zweifels, auch wenn er sich in seinem Konsulat des Jahres 59 noch als Dienstmann des Pompeius gezeigt hatte.
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IV. Expansion und paralysierte Republik: Die fünfziger Jahre 58
Konsulat des Lucius Calpurnius Piso und Aulus Gabinius Volkstribunat des Publius Clodius Ciceros Verbannung 58–51 Caesar in Gallien 58/7 Kriege gegen die Helvetier, den Germanenfürsten Ariovist und die nordgallischen Belger legen den Grundstock für die Eroberung Galliens durch die Römer 55–53 Caesars Ausgreifen über Gallien hinaus: zwei Rheinübergänge und zwei Britannienexpeditionen 52 Aufstand des Vercingetorix (vom Stamme der Arverner) in Gallien: Sieg Caesars; erst 46 Hinrichtung des Vercingetorix in Rom 51–50 Endgültige Befriedung Galliens 57 Rückberufung Ciceros mit Unterstützung des Pompeius Aufsicht über die Getreideversorgung (cura annonae) des Pompeius 56 Konferenz von Luca mit Caesar, Pompeius und Crassus: Verlängerung des Triumvirates 55 Zweites gemeinsames Konsulat des Pompeius und Crassus 53 Niederlage und Tod des Crassus bei Carrhae gegen die Parther 52 Ermordung des Clodius Pompeius Konsul ohne Kollegen
1. Grundsätzliches zu dem Jahrzehnt 59–50 Nicht mehr als ein Jahrzehnt lag zwischen dem 1. Triumvirat und dem Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius. Dem rückschauenden Beobachter präsentiert sich der Gang der Ereignisse in einer gewissen Logik: Nachdem sich die drei mächtigsten Männer und damit auch die drei mächtigsten Klienteln miteinander verbunden hatten, verloren zunächst der Staat und seine Institutionen ihre Handlungs- und Entscheidungsspielräume. Sodann beäugten sich auch die Triumvirn misstrauisch und konkurrierten um die größte Machtstellung. Dass am Ende zwei übrig blieben und den finalen Zweikampf ausfochten, erscheint auf den ersten Blick als zwangsläufig. Nicht nur die moderne Geschichtswissenschaft, sondern auch so mancher antike Gewährsmann späterer Zeit deuteten die Ereignisse in diesem Sinne: Cassius Dio (37, 56, 1) schreibt: „Es war ihm (gemeint ist Caesar) ja auch ganz klar, dass er dank ihrer Freundschaft sogleich die anderen, bald danach aber sie selbst durch ihre Haltung zueinander beherrschen werde.“ Nun ist man häufig versucht, einer Entwicklung nachträglich das Attribut „zwangsläufig“ beizufügen, nur weil sie sich in vorgefertigte Deutungsmuster einfügt und diese zu bestätigen scheint. Doch haben die Zeitgenossen die Ereignisse oft anders wahrgenommen und sehr wohl Alternativen gesehen. So verhält es sich auch mit den fünfziger Jahren. Aus den Briefen und
Zwangsläufigkeit der Ereignisse?
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Expansion und paralysierte Republik
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Die fünfziger Jahre als Klärungsprozess
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Reden Ciceros wissen wir, dass große Furcht in Rom herrschte, wie denn wohl die Triumvirn ihre Macht gebrauchen würden und ob sie vielleicht die Republik in eine Tyrannei verwandeln könnten. Aber von Zwangsläufigkeit ist bei Cicero nicht die Rede. Er und seine Briefpartner überlegten vielmehr, wie sie der Bedrohung der republikanischen Ordnung Herr werden könnten. Caesar schien festgelegt und unbeugsam; er war Popular durch und durch und für die concordia ordinum nicht zu gewinnen. Crassus andererseits war reich, aber politisch schwankend und unzuverlässig. So blieb für die Vertreter der Republik nur Pompeius, der ja schon im Jahre 62 durch die Entlassung seiner Soldaten bewiesen hatte, dass er weder eine Alleinherrschaft noch eine Konfrontation mit den republikanischen Institutionen wollte. Ihn galt es zu gewinnen – nicht für die Republik an sich, denn deren Ordnung hat Pompeius nie bedroht, sondern für die Senatspartei. Rückblickend bahnten also die fünfziger Jahre zwar den Weg zur Monarchie, aber zwangsläufig war die Entwicklung keineswegs. Die Jahre waren unruhig, widersprüchlich, konfliktreich, gewalttätig, aber auch suchend, werbend, kreativ. Sie verkörpern das ganze Dilemma der Römischen Republik, aber an ihrem Ende musste keineswegs mit Notwendigkeit Caesars Herrschaft stehen. Wenn es richtig ist, dass die Krise der Römischen Republik letzten Endes aus der Diskrepanz zwischen der stadtstaatlichen Ordnung und der Realität eines Weltreiches erwachsen ist, so musste es darauf ankommen, diese Diskrepanz aufzuheben. Die Politik der sechziger Jahre mit den außerordentlichen Kommanden für Pompeius hatte immerhin Perspektiven für eine Lösung des Problems aufgezeigt. Diese Perspektiven waren zunächst allerdings an die Person des Pompeius geknüpft und noch nicht zu verallgemeinern. Mit der pompeianischen Neuordnung des Ostens in der Folge der Imperien trat eine neue Lage insofern ein, als sie die römischen Institutionen im Grunde ignorierte und eine neue, jetzt personale Reichsmitte voraussetzte. Damit hätten beide Seiten zufrieden sein können: Die Provinzen, die endlich einen konkreten Adressaten für ihre Klagen, Wünsche und Ehrenbekundungen hatten, und Rom, weil seine republikanische Ordnung, die für eine solche Herrschaftsraumerweiterung nicht das nötige Instrumentarium bereitstellte, erhalten blieb. Eine Alternative zur Krise bestand also darin, den Stadtstaat Rom von der Reichspolitik abzutrennen, oder plakativ formuliert: „Wiederhergestellte Republik“ (res publica restituta) in Rom, die Monarchie im Reich. Mit dem Prinzipat des Augustus, einer originär römischen Schöpfung aus dem Dualismus von Stadtstaat und Reich heraus, wurde diese Erkenntnis umgesetzt, vorgedacht und vorexerziert hatte sie aber Pompeius. Bis sich freilich diese Einsicht in Rom durchsetzte und zu einer konsensfähigen politischen Ordnung führte, brauchte es noch das Chaos der fünfziger Jahre, Caesars Irrweg und immer wieder Bürgerkriege mit blutigen Auswüchsen. So brachten die fünfziger Jahre trotz aller Unruhen immerhin einen Klärungsprozess in Gang. Caesar war in dieser Zeit nicht in Rom, sondern betrieb eine ungehemmte Expansion in Gallien. Diese war sowohl in staatsrechtlicher als auch in völkerrechtlicher Hinsicht nur notdürftig legitimiert. In Rom selbst war die Politik im Wortsinne kopflos und die Rechtsordnung kaum mehr funktionsfähig, weil das Triumvirat gleichzeitig über allem schwebte und doch nicht wirklich physisch präsent war: Caesar war in
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Gallien, Pompeius zumeist außerhalb vor den Toren Roms und Crassus trat wenig in Erscheinung – er war abgeschirmt. Trotzdem konnte nichts ohne sie beschlossen werden. Die Abwesenheit der eigentlichen Machthaber aber ist ein Nährboden für Eigenmächtigkeiten subalterner Beamter und für Gewaltentwicklung. Politische Kräfte unterhalb der Triumvirn agierten als vorgebliche Sachwalter triumviraler Interessen immer selbständiger, bis sie schließlich immer unverhohlener ihre eigenen Ziele verfolgten und ihre politische Aktivität auf die Straße verlagerten. Die Krise hatte die Politisierung aller Schichten zur Folge, wie sich zum Beispiel an der Tagesordnung der Volksversammlungen, der Versammlungshäufigkeit und schließlich der Austragung von Streit im Straßenkampf auf dem Forumsterritorium erkennen lässt. Wohin das Ganze führen sollte, war den Zeitgenossen keineswegs klar; dass am Ende eine Monarchie stehen sollte, war alles andere als absehbar und zwangsläufig. Die ciceronische concordia ordinum in einer wiederhergestellten Republik war eine der denkbaren Möglichkeiten, eine andere das pompeianische Konzept eines Prinzipates, eine dritte die Monarchie, wie sie Caesar allgemein schon in diesen Jahren zugetraut und befürchtet wurde. Daneben gab es demokratische und oligarchische Varianten. Sie wurden auch intensiv diskutiert: Ciceros Buch „Über den Staat“ (De re publica), geschrieben am Ende jener fünfziger Jahre, reflektiert den Stand der Diskussionen und gibt die Idealvorstellung seines Autors wieder. Eine Realisierungschance in der Zukunft hatten freilich nur diejenigen Konzepte, die von der Realität des Weltreiches ausgingen.
2. Die Eroberung Galliens Caesar hatte eine neue Dimension in die römische Politik eingeführt. Er hatte es zum Konsulat aufgrund seiner persönlichen Beziehungen, seiner berechnenden Großzügigkeit und einer konsequent vertretenen programmatischen Ausrichtung gebracht. Seine militärischen Fähigkeiten hatten sich bisher erst in Andeutungen gezeigt. Wollte er Pompeius wirklich erreichen, musste er auf diesem Gebiet Größeres vorweisen. Das war inzwischen ein ungeschriebenes Gesetz der Römischen Republik – nur mit Rhetorik und politischem Talent war nicht mehr weiterzukommen. Der Krieg allein brachte seit Marius die bestimmenden Persönlichkeiten hervor – Sulla, Pompeius, Caesar. Politische Schwergewichte wie Cicero oder Cato konnten ihre militärischen Mängel nicht ausgleichen. Caesar wusste um den Zusammenhang von Kriegserfolg und politischer Stellung ebenso wie Pompeius und Crassus, und deshalb waren alle drei ihren Konkurrenten gegenüber im Vorteil. Das Jahr nach dem Konsulat, welches die Amtsinhaber zur Erledigung ihrer Aufgaben ausschließlich in Rom zu verbringen hatten, war seit Sulla in der Reichsverwaltung zu absolvieren. Für viele Prokonsuln war gerade dieses Jahr in der Provinz das Objekt ihrer Begierde, weil sie sich nun die reichlich geleerten Taschen wieder füllen und so die Basis für die postkonsulare Zeit legen konnten. Caesar hatte sich per Volksgesetz die gallischen Provinzen übertragen lassen. Das war aus ökonomischer Perspektive nicht
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übermäßig geschickt, denn die östlichen Provinzen waren um ein Vielfaches ergiebiger. Doch der Osten war durch Pompeius „erschlossen“, der Westen noch nicht. Dieser Aspekt ist zu berücksichtigen, wenn wir uns jetzt jenem Unternehmen Caesars zuwenden wollen, das ihm womöglich den größten Nachruhm von all seinen Taten eingebracht hat, der Eroberung Galliens. „Gallien in seiner Gesamtheit zerfällt in drei Teile. Den einen bewohnen die Belger, einen anderen die Aquitaner und den dritten die, die sich selbst Kelten nennen, in unserer Sprache aber Gallier heißen.“ So lautet der vielleicht berühmteste Satz der lateinischen Literatur, der ein von Lateinschülern vieler Generationen und heutigen Geschichtsstudenten inzwischen gefürchtetes Werk einleitet: Gaius Iulius Caesar, Commentarii de bello Gallico – „Der Gallische Krieg“. Caesar hat in diesem Buch eine rechtfertigende Darstellung seiner Feldzüge in Gallien zwischen 58 und 52 in sieben Büchern vorgelegt, deren Darstellung für die Jahre 51 und 50 in einem achten Buch von Aulus Hirtius, seinem Freund und Begleiter in Gallien, fortgesetzt wurde.
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Caesar als Literat Caesar war nicht nur Feldherr und Politiker, sondern er schrieb auch ein wesentliches Kapitel römischer Literaturgeschichte. Reden, Briefe, politische Kampfschriften und wissenschaftliche Werke waren von ihm in Umlauf, die aber heute verloren sind. Lediglich die Commentarii de bello Gallico über die Ereignisse in Gallien von 58 bis 50 und die Commentarii de bello civili in drei Büchern über den Bürgerkrieg der Jahre 49 und 48 sind erhalten geblieben. Teilnehmer an diesem Bürgerkrieg auf Caesars Seite schrieben ferner über die Ereignisse im Bellum Alexandrinum (Kriegsjahr 48), Bellum Africum (Kriegsjahr 46) und Bellum Hispaniense (Kriegsjahr 45). Diese Darstellungen werden heute allgemein im Corpus der caesarischen Schriften publiziert. Commentarii (von comminisci, „Notizen machen“) sind eigentlich Amtsbücher, die die Ereignisse ohne literarische Ausgestaltung skizzieren sollten. Darauf konnten sich spätere ausschmückende Darstellungen stützen. Caesar hat freilich, wie schon Cicero und Hirtius erkannten, den Geschichtsschreibern ihre Aufgabe abgenommen. Das Ziel der Schriften ist die eigene Rechtfertigung vor einer caesarkritischen Öffentlichkeit. Die Sprache ist klar, „ungeschminkt, direkt und wohlstilisiert“ (Cicero, Brutus 262).
Ausrichtung der caesarischen Berichte
Adressaten des Werkes waren selbstverständlich Römer; der Begriff „rechtfertigend“ ist also relativ. Den römischen Institutionen (Senat, Volksversammlung) war Caesar rechenschaftspflichtig, denn so ohne weiteres durfte er nach ihren Gesetzen keinen Krieg vom Zaun brechen; den Galliern hingegen war er dies natürlich nicht. Eine besondere Rolle spielte auch die Öffentlichkeit, auf deren Gewinnung Caesars Darstellung ebenfalls ausgerichtet war. Caesar war ein brillanter Schriftsteller, der sich in größter sprachlicher Klarheit ausdrücken konnte. Er begründet und erklärt in seinem Buch über den Gallischen Krieg jeden einzelnen seiner politischen und kriegerischen Schritte; die römischen Leser sollten ihn schließlich verstehen und bewundern. Auch die „Hintergrundinformationen“ übten in einer nach modernen Maßstäben medial beschränkten Zeit einen besonderen Reiz auf die Leser und Hörer aus. Sie erfuhren Neuigkeiten und hörten von wundersamen Menschen, Tieren und Gegenden: über die Kelten zum Beispiel, und über die Germanen, über die Britannier, über
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Geographie und unbekannte Regionen mit ihren eigenartigen Pflanzen und Tieren und vieles andere mehr. Politisch war Gallien alles andere als eine Einheit. Viele Stämme zeigt die Landkarte, und Bündnisse zwischen ihnen wurden höchstens auf Zeit und zur Abwehr einer drohenden Gefahr geschlossen. Die politischen Organisationsformen waren verglichen mit derjenigen der Römer rudimentär. Es gab befestigte Plätze (oppida), aber keine Städte (civitates) im römischen und griechischen Sinne mit einem politischen Versammlungsplatz (Forum oder Agora) in ihrem Zentrum, mit Tempeln, Amtsgebäuden, Gerichten, gar nicht zu reden von Sport- und Spielanlagen. An der Spitze der Stämme standen Fürsten mit ihren Gefolgschaften. Streitigkeiten um die Führung innerhalb eines Stammes waren an der Tagesordnung, und ebenso häufig bekriegten sich die Stämme untereinander. Diese politisch so zerklüftete Landkarte Galliens war Caesars beste Helferin bei seinem Eroberungsfeldzug. In ihrer Not holten sich Fürsten, Usurpatoren oder Vertriebene Bundesgenossen, wo immer es sie gab: von den Nachbarstämmen, aus Britannien, aus Rom oder von den Germanen jenseits des Rheins. Germanische Helfer, wie der Suebe Ariovist mit seinen Stammesangehörigen, fassten auf diese Weise im Ostteil Galliens Fuß. Die Region war also alles andere als ruhig; der erhaltene Briefwechsel Ciceros aus jenen Jahren registrierte die Bewegungen dort wie ein Seismograph, denn ihre ererbte Kelten- und Germanenphobie ließ die Römer nicht los. So wusste Cicero zum Beispiel, dass die Helvetier „in Waffen sind“ und die Provinz und „unsere Freunde“, die Häduer, belästigten (Epistulae ad Atticum 1, 19). Mit Provinz ist die Gallia Narbonensis gemeint. Gallien Gallien nannte man das von Kelten bewohnte Gebiet, das sich zu Caesars Zeiten unter römischem Blickwinkel in das diesseitige (Gallia citerior oder cisalpina: Oberitalien diesseits der Alpen) und das jenseitige Gallien (Gallia ulterior oder transalpina: heutiges Frankreich, Belgien, Teile der Schweiz, der Niederlande und das linksrheinische Deutschland) aufteilte. Seit 121 v. Chr. besaßen die Römer auch im jenseitigen Gallien eine Provinz, nämlich die Narbonensis, benannt nach der Hauptstadt Narbo. Sie reichte nach Norden bis zum Genfer See. In Rom rechnete man schon seit 60 mit einem Krieg in Gallien, da die Häduer, römische Verbündete, gegen die Helvetier Krieg führten und zunächst unterlegen waren. Die Helvetier, Bewohner der heutigen Schweiz, wollten ihre Wohnsitze nach Westen verlegen. Labile Situationen wie diese im jenseitigen Gallien waren es ja gerade, die Caesar anlockten.
Schon im Jahre 60 war man in Rom in „Hab-Acht-Stellung“ gewesen, und an den Plänen der Helvetier hatte sich auch 59 nichts geändert. Diese gingen auf ihren König Orgetorix zurück und richteten sich darauf, aus ihrem damaligen Wohngebiet in der heutigen Schweiz in das Gebiet der Santonen, einem Stamm im westlichen Gallien nördlich der GaronneMündung, auszuwandern. Offiziell verkündeten die Helvetier, dass sie ein zu kleines Gebiet besäßen; wahrscheinlicher ist, dass sie nachbarlichem Druck von Norden und Westen ausweichen wollten. Der nächste Weg hätte sie durch die römische Provinz geführt. Caesar eilte unverzüglich von Rom nach Genf. Er hatte von Anfang an vor, den Krieg gegen die Helvetier zu führen und das Tor zur Eroberung Galliens aufzustoßen. Jedem Römer
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Krieg gegen die Helvetier
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Krieg gegen Ariovist
Krieg gegen die Belger
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musste in der Tat seine Argumentation einleuchten: Seit langem schon seien die Helvetier Feinde der Römer; sie hatten schließlich im Verbund mit den Teutonen gegen die Römer gekämpft und sogar im Jahre 107 ein konsularisches Heer besiegt und gedemütigt. Die Verhandlungen mit den Gesandten des Stammes, die bald einsetzten, dienten daher nicht der Streitbeilegung, sondern der eigenen Aufrüstung: Zusätzlich zu den vorhandenen vier Legionen hob Caesar ohne staatlichen (senatorischen) Auftrag weitere zwei in der Cisalpina aus – hier wirkte sich sein Bürgerrechtsversprechen des Jahres 65 positiv aus – und erteilte so gerüstet den Helvetiern die Antwort, dass ein Durchzug durch die römische Provinz keinesfalls Recht und Herkommen entspräche. Mit Unterstützung der verbündeten Häduer griff er dann die zahlenmäßig überlegenen Helvetier (nach Caesar sollen es 368 000 Feinde gewesen sein) an. Unter hohen eigenen Verlusten gelang ihm der Sieg. Den Überlebenden befahl er, in ihre Heimat zurückzukehren. Kaum war dieser Krieg beendet und kaum hatten die gallischen Stämme mehr oder weniger freiwillig Caesar zu seinem Sieg gratuliert, nutzte er die Klagen einiger gallischer Stämme gegen den Germanenfürsten Ariovist zu einem weiteren Krieg. Caesar selbst schildert die Ereignisse, was die Legitimation für diesen Krieg angeht, in höchst verräterischer Weise. Er warf nämlich Ariovist genau das vor, was er als Römer selbst tat – sich in einer fremden Region einzumischen. Ariovist war ca. 72/1 von den Arvernern und Sequanern gegen die Häduer herbeigeholt worden, aber nach seinem Sieg in Gallien geblieben und 59 sogar vom römischen Senat auf Caesars Veranlassung hin in seiner Position als „Freund des römischen Volkes“ (amicus populi Romani), das heißt, als römischer Klientelfürst anerkannt worden. Nun wurde er zur Bedrohung. Caesar verstand es, seinen (römischen) Lesern zu erklären, warum er nicht länger zögern durfte und gegen Ariovist handeln musste: Er hielt ihnen die Germanengefahr vor Augen. Ariovist wird zum Typus des hochmütigen und gefährlichen Barbaren stilisiert, als übermütig, trotzig und uneinsichtig gezeichnet; die „maßvollen“ Bedingungen Caesars lehnte er rücksichtslos ab: Es sollten keine zusätzlichen Germanen mehr von der anderen Rheinseite herbeigeholt werden, Ariovist sollte sich mit den Häduern vergleichen und auf jede Kriegführung verzichten; andernfalls werde Caesar seine Bündnisverpflichtungen den Häduern gegenüber wahrnehmen. Die Römer folgten, wenn sie den Bericht lasen, gewiss Caesars „Argumenten“. Der durch Ariovists schroffe Zurückweisung des Ultimatums unvermeidlich gewordene Krieg führte schließlich, nachdem zuvor noch die virulente Germanenpanik im Heer beseitigt werden musste, zum Sieg bei Vesontio (Caesar, De bello Gallico 1, 30–54). Nahezu folgerichtig wandte sich Caesar nach diesen Erfolgen im zweiten Kriegsjahr 57 dem Norden Galliens zu. Dort, im heutigen Nordfrankreich nördlich der Marne und Seine sowie in Belgien und den Niederlanden, siedelten die Belger. Sie waren beunruhigt, weil die Römer ihr Winterlager mit sechs Legionen im Sequanerland eingerichtet hatten und offensichtlich planten zu bleiben (zum Folgenden Caesar, De bello Gallico 2, 1–35). Von den Rüstungen der Belger und ihren Zusammenkünften berichtete der Legat Titus Labienus, als Caesar gerade in Oberitalien weilte. Dieser hob daraufhin zu den vorhandenen sechs Legionen zwei weitere
Die Eroberung Galliens aus und eilte im Sommer 57 in die Grenzregion zu den Belgern. Für die militärischen Fähigkeiten Caesars ist der Feldzug gegen die Belger ein beeindruckender Beleg. Von Anfang an bemüht, den Gegner zu isolieren beziehungsweise zu spalten und die eigenen Kräfte zu schonen, setzte er zunächst auf die Mithilfe der mit ihm verbündeten Stämme der Remer und Häduer und ließ in einem zweiten Schritt die massiven Angriffe der Belger ins Leere laufen. Lediglich der Stamm der Nervier setzte den Römern gefährlich zu. Doch als auch dieser in der Schlacht an der Sambre besiegt worden war, gelang es teils Caesar, teils seinen Legaten, den gesamten belgischen Raum zu „befrieden“. In seinem Rechenschaftsbericht begründete Caesar sein Vorgehen wieder mit der germanischen Gefahr (Caesar, De bello Gallico 2, 4); die meisten Belger, so legt er darin den mit ihm verbündeten gleichfalls belgischen Remern in den Mund, stammten von den Germanen ab und hätten auch jetzt wieder Germanen als Bundesgenossen. Da Gallien durch die Kriege gegen die Helvetier und Ariovist inzwischen teils bereits römisch geworden, teils jetzt offen von den Römern beansprucht wurde, stellten die Belger eine Bedrohung für diese dar, und daher war natürlich auch der Krieg gerechtfertigt. Nach dem Sieg über die Belger spricht Caesar propagandistisch übertreibend von der römischen Befriedung ganz Galliens (omni Gallia pacata, Caesar, De bello Gallico 2, 35), die nun zu einer (modern gesprochen) völkerrechtlichen Anerkennung durch die Nachbarn führte. Die Einrichtung einer Verwaltung der neu gewonnenen Gebiete hatte dagegen keine Eile. Wesentlich wichtiger für die innenpolitisch ausgerichteten Pläne Caesars war es, dass ihm in Rom ein Dankfest (supplicatio) von 15 Tagen seiner Erfolge wegen beschlossen wurde. Pompeius und die genehmigten zwölf Tage für sein Dankfest waren damit überboten. Das genau war es gewesen, was Caesar gewollt hatte. Der letzte Satz jener zwei ersten Bücher seines Gallischen Krieges, die sich mit der erfolgreichen „Befriedung“, sprich der Eroberung Galliens, befasst haben, formuliert in bewusst sachlich gehaltener Diktion diese Krönung seiner Leistungen: „Auf die Berichte Caesars hin beschloss der Senat für diese Erfolge ein Dankfest (supplicatio) von 15 Tagen, was nie jemand zuvor erreicht hatte“ (Caesar, De bello Gallico 2, 35, 4). Dieser Satz enthält alles für Caesar Wesentliche: 1. er vermeldete den Erfolg über einen traditionell gefährlichen Gegner Roms; 2. die Anerkennung der Leistungen durch die zentrale römische Institution bestätigte Caesars Vorgehen und 3. ein Dankfest von 15 Tagen übertraf alles bisher gewährte, woraus man nach römischer Vorstellung auch die damit belohnte Leistung als unvergleichlich ansehen musste. Der Leser wurde auf diese Weise zu der Schlussfolgerung geführt, dass Caesars Ehre (dignitas) sowie sein auf dieser gründendes politisches Prestige (auctoritas) erheblich gewachsen und seine mit beiden wiederum untrennbar verknüpfte Stellung im römischen Staat unanfechtbar geworden war. Dies ist der Anspruch Caesars, der sich aus dem zitierten Satz ableiten lässt. Außenpolitik mutierte bei ihm zu einem reinen Dignitäts-Beschaffungsprogramm ohne sachliche Notwendigkeit. Bei Marius, Sulla, Lucullus oder Pompeius war der Autoritätszuwachs an die Bewältigung bedrückender außen- bzw. auch innenpolitischer Notlagen gekoppelt, Caesar verabsolutierte den Leistungsgedanken und löste ihn vom Staat ab.
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Folgen der Kriege
Caesars Stellung nach den Siegen
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Expansion und paralysierte Republik
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dignitas und auctoritas Dignitas und auctoritas sind Schlüsselbegriffe der Römischen Republik, wobei der erste Begriff den aus Ämtern und Leistungen für den Staat gespeisten „Ehrenrang“ eines Politikers in der römischen Gesellschaft umschreibt, der zweite die soziale Macht. Beide Begriffe gehören eng zusammen, ohne aber identisch zu sein. „Autorität“ erwirbt man nicht nur durch Herkunft oder aus den in Ämtern vollbrachten Taten, sondern vor allem aus der persönlichen Patronatsstellung. Caesar begründet den Bürgerkrieg damit, dass er seine dignitas durch seine Gegner bedroht sehe, das heißt: der überragende Rang, den er sich durch die Ämterlaufbahn und die Erfolge in Gallien erarbeitet hatte, werde ihm wider das Herkommen streitig gemacht.
Caesar und das Völkerrecht
Das Gleiche gilt für Caesars Umgang mit dem „Völkerrecht“. Die zeitgenössische Idee, dass römische Kriege nur gerechte Kriege sein dürften, da man ja sonst nicht die Unterstützung der Götter bekommen könne, lieferte für Caesar nur noch die Fassade für die Durchsetzung eigener Machtansprüche. Der Erfolg gab ihm auch hier Recht, und so wurden seine Handlungen nicht in Frage gestellt. Sogar Cicero, der die Theorie vom „gerechten Krieg“ (bellum iustum) leidenschaftlich mitentwickelt und vertreten hatte und für den die römische Expansion der letzten beiden Jahrhunderte nicht von ihrer völkerrechtlichen Legitimation abzulösen war, stimmte in den Chor der Bewunderer Caesars ein. Nur Cato, Caesars ärgster Feind, wollte ihn für Vergehen gegen das Völkerrecht im Gallischen Krieg zur Rechenschaft ziehen – man ließ ihm seine Narrenfreiheit (Plutarch, Caesar 22). In der Theorie war die Führung eines gerechten Krieges 1. an die Einhaltung bestimmter Formalien bei der Kriegserklärung und 2. an die sachliche Ausrichtung aut pro fide aut pro salute („entweder für die Treue oder das Wohl“) gebunden (Cicero, De re publica 3, 34). Als gerechte Kriegsgründe galten danach Vertragsverletzungen oder Bedrohungen von römischen Verbündeten (Cicero, De officiis 1, 34–40), wobei insbesondere die Verteidigung der Verbündeten eine zentrale Rechtfertigungsrolle bei Kriegen spielte. Caesars Darstellung des Kriegsbeginns in Gallien sowie des eigenen Verhaltens im Krieg ist nicht immer deckungsgleich mit den Anforderungen der völkerrechtlichen Gepflogenheiten jener Zeit. Im Jahre 56 finden wir Caesar und seine Generäle im Alpenraum sowie im Westen Galliens, insbesondere bei den Venetern, Venellern, dann in Aquitanien und schließlich weiter im Norden bei den Morinern und Menapiern. Insgesamt verliefen auch diese Feldzüge erfolgreich. Als Kriegsgrund genügte es schon, wenn die Stämme sich weigerten, Getreide an Rom zu liefern oder überhaupt noch bewaffnet waren und keine Friedensgesandten an Caesar abgeschickt hatten. Caesar trat jetzt immer deutlicher als Herr Galliens auf, dem alle zu gehorchen hatten, und die Idee eines befriedeten Galliens allein war der Vorwand für alle folgenden Kriegsunternehmungen des Prokonsuls (Caesar, De bello Gallico 3). Und noch etwas war für Caesars Auftreten in jenen Jahren in Gallien charakteristisch: seine Härte und Grausamkeit, die ebenso wie später seine oftmals gepriesene „Milde“ (clementia) ein wohlkalkuliertes, der jeweiligen Situation angepasstes politisches Instrument war. So ließ er bereits 56 den Senat der Veneter komplett mit dem Tode bestrafen und den Rest des
Gallia pacata?
Härte und Grausamkeit
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Die Eroberung Galliens Stammes in die Sklaverei verkaufen. Die Härte der Behandlung und auch die Hinwendung zu nur noch notdürftig kaschiertem Unrecht nahmen zu, je schwieriger sich das Unternehmen „Befriedung Galliens“ erwies. Einen Höhepunkt erreichte diese im Jahre 55. Wieder waren Germanen über den Rhein gekommen. Die zu diesen gehörenden Stämme der Tenkterer und Usipeter hatten im Mündungsgebiet des Rheins auf dem Territorium der gallischen Menapier den Übergang vorgenommen, nachdem sie in ihrer Heimat von den Sueben bedrängt worden waren. Ihre Marschrichtung war zunächst süd-, dann ostwärts. Caesar war sofort alarmiert, denn er befürchtete gewiss nicht zu Unrecht Unruhen in seinem zwar offiziell, in Wirklichkeit aber keineswegs befriedeten Gallien. Beide Stämme wurden vernichtet, angeblich rollten 430 000 Köpfe. Der ganze Ablauf des Geschehens mutet schon in Caesars rechtfertigender Darstellung höchst seltsam an (Caesar, De bello Gallico 4, 1–15). Vormarsch und diplomatische Verhandlungen wechselten mit Täuschungsmanövern und Gemetzeln; am Ende verletzte Caesar sogar das sonst ihm (angeblich) so heilige Gesandtenrecht und griff den Lagerplatz der Germanen völlig überraschend an. Offenbar war er von der Kooperationsbereitschaft der Germanen überrumpelt worden, die ihm überhaupt nicht ins Konzept passte. In Rom verstand man diesen Vorfall als das, was er auch war, nämlich als klaren Rechtsbruch. Caesars Gegner witterten hier bereits die Möglichkeit, den Rechtsbrecher vor Gericht bringen zu können; Cato wollte ihn nach römischem Brauch an die Germanen ausliefern. Doch infolge der jedem Amt innewohnenden Immunität vor gerichtlicher Verfolgung, außerdem wegen des mangelnden Konsenses im Senat sowie des sich direkt anschließenden Bürgerkrieges ist es dazu nicht gekommen. Im Zusammenhang mit den gerade behandelten Kämpfen steht auch Caesars erster Rheinübergang im Jahre 55. Dieser sollte eine Phase der Sicherung des Erreichten einleiten, wozu jeweils zwei Rheinübergänge und zwei Britannienexpeditionen in den Jahren 55–53 gehörten. Der kaiserzeitliche Historiker Tacitus kommentierte diese Unternehmungen später lapidar, sie hätten mehr die römische Macht gezeigt, als dauerhafte Inbesitznahme bewirkt (Tacitus, Agricola 13: ostendisse potius quam tradidisse). Nach Caesar war genau das auch seine Absicht. Der erste Rheinübergang fand unmittelbar nach der Vernichtung der beiden germanischen Stämme der Tenkterer und Usipeter statt. Er sollte erstens die Germanen jenseits des Rheines von weiteren Expeditionen abschrecken, zweitens eine Strafaktion gegen den Stamm der Sugambrer sein, die Flüchtlinge aufgenommen hatten, und drittens einem Hilferuf der Ubier gegen die Sueben Folge leisten. In dieser Reihenfolge, die genau so auch von Caesar formuliert wurde, wird deutlich, wie sehr sich römische Kriegspolitik von der zumindest abstrakt geltenden Rechtsidee hin zu einem nunmehr unverhohlenen Utilitarismus bewegt hatte. Das Ziel war die blanke Demonstration römischer Macht. Deshalb nahm Caesar auch nicht das Angebot der Ubier an, sein Heer auf Schiffen über den Rhein übersetzen zu lassen; das wäre gegen die dignitas Roms und seines Feldherrn gewesen, hätte also seinem Ansehen bei den Stämmen schaden können. Außer einem eindrucksvollen Brückenbau erreichte Caesar jenseits des Rheines nichts Konkretes, sodass er sich nach 18 Tagen wieder zurückzog (Caesar, De bello Gallico 4, 16–19).
IV.
Demonstration römischer Macht
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Expansion und paralysierte Republik
IV. Unternehmen Britannien
Höhere Ziele dürfte sich Caesar freilich in Britannien gesteckt haben (Caesar, De bello Gallico 4, 20–36), doch scheiterte das Unternehmen.
E
Britannien Über den Kenntnisstand zu Britannien informierte Caesar seine Zeitgenossen selbst und räumte dadurch wohl auch manche abstruse Vorstellung, die man sich von der unbekannten Insel gemacht hatte, aus dem Weg (Caesar, De bello Gallico 5, 12–14). Es gab freilich bereits seit dem Ende des 4. Jahrhunderts griechische Berichte über Britannien, etwa von Pytheas von Marsilia, dessen Werk aber nur in Bruchstücken überliefert ist. Caesar schildert Britannien als „Dreieck“ (wie ein umgedrehtes Sizilien), das von sehr vielen Menschen bewohnt sei. Die Britannier seien wilde und barbarische Ureinwohner, nur im östlichen Küstengebiet wohnten die etwas zivilisierteren, von Gallien herübergekommenen Kelten. Bessere Kenntnisse bekamen die Römer erst, nachdem Kaiser Claudius und seine Nachfolger die Insel im 1. Jahrhundert n. Chr. erobert und Britannien zur Provinz gemacht hatten. Den erweiterten Kenntnisstand kann man in dem kleinen Werk des Tacitus (ca. 55–120) über seinen Schwiegervater Agricola nachlesen, der unter Kaiser Domitian (81–96) Statthalter in Britannien war.
Direkt vom Rhein kommend, hatte sich Caesar noch im August 55 an die Überfahrt nach Britannien gemacht, wahrscheinlich um neue Erfolgsmeldungen nach Rom senden zu können. Begründet wurde die Expedition mit den traditionell guten Beziehungen zwischen der Insel und Gallien, die für seine „Befriedungspolitik“ sehr hinderlich waren. Darüber hinaus konnte er sich als Entdecker neuer, Römern bislang unbekannter Territorien in Szene setzen. Vom Gebiet der Moriner setzte er mit zwei Legionen, Reiterei und nahezu 100 Schiffen über den Kanal. Ein Sturm beschädigte einen Teil der Schiffe, und die Landung musste gewaltsam erzwungen werden. Die Britannier wehrten sich heftig, doch konnte Caesar immerhin einen Friedensschluss erreichen und zurückfahren (Caesar, De bello Gallico 4, 20–38). Auch für diese Leistungen beschlossen ihm die Römer ein Dankfest, diesmal gar von 20 Tagen. Es war wohl explizit das Vorstoßen in gänzlich unbekannte und als reich erachtete Regionen, das Caesar diese Ehre einbrachte. Dementsprechend hatten auch die Dankesbekundungen für diese Leistungen alle Grenzen zu überschreiten. Caesars Plan war also einmal mehr aufgegangen – die außenpolitische Erfolglosigkeit wog demgegenüber gering. Um überhaupt jeden Verdacht eines Scheiterns seiner Expedition auszuräumen – schließlich gab es Verluste, und die Umwandlung Britanniens in eine Provinz war auch nicht erfolgt –, bereitete Caesar für den Sommer 54 die vollständige Inbesitznahme der Insel vor (Caesar, De bello Gallico 5,8– 23), obwohl Gallien alles andere als befriedet war und Britannien keine leichte Beute darstellte. Doch gerade das war es, was Caesar reizte. Es ging ihm um Vermehrung seines Ruhms, durch den er auch seine dignitas weiter erhöhen konnte, und damit um seinen zukünftigen Rang in der römischen Innenpolitik. Im Winter hatte er eine Flotte bauen lassen, die fünf Legionen und 2000 Reiter transportieren konnte; drei Legionen sollten in Gallien bleiben. Die höchst komplexe und differenzierte, stammesorientierte Struktur Galliens zwang ihn, ein ganz auf persönliche Bindungen abgehobenes Kontrollsystem zu installieren, das seine Anhänger belohnte und potentielle Gegner abschreckte bzw. lähmte. Mittelpunkt dieses
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Die Eroberung Galliens Systems war er selbst, aber er musste sich daneben auf zahlreiche Helfershelfer stützen. Caesar bewies dabei sein großes Organisationstalent und überließ nichts dem Zufall. Im Trevererland (dem Gebiet um das heutige Trier) nutzte er – wie immer in seinem politischen Handeln – bestehende Dissense in der treverischen Führung aus, um sich die nötige Ruhe zu verschaffen; gegen den romfeindlichen Indutiomarus verbündete er sich mit Cingetorix. Noch kurz vor der Abfahrt nach Britannien ließ er es dem Häduer Dumnorix, den er wie viele andere gallische Fürsten auch mit auf die Insel zu nehmen gedachte, nicht durchgehen, sich seinen Anweisungen widersetzt zu haben. Der Aufbruch wurde verschoben, Dumnorix verfolgt und in einem Gefecht getötet. Schließlich setzte er im August mit 800 Schiffen, fünf Legionen und 2000 Reitern nach Britannien über. Das ganze Unternehmen dauerte bis zum 21. September. Dann war die „Eroberung“ Britanniens definitiv gescheitert. Zwar hatten die Britannier die Armada landen lassen, doch präsentierten sie sich überraschend gut vorbereitet: Sie leisteten jedenfalls unter ihrem Anführer namens Cassivellaunus heftige Gegenwehr. Dieser führte mit seinen Streitwagenkämpfern einen sehr geschickten GuerillaKrieg nördlich der Themse und ließ sich nicht auf eine offene Feldschlacht ein. So manövrierte er Caesar in eine höchst bedrohliche Lage, die diesen schließlich zwang, zurückzukehren. Denn abgesehen davon, dass der britannische Gegner schwer zu fassen war, hatte erneut ein Sturm gewütet und nahezu alle Schiffe beschädigt (Caesar, De bello Gallico 5, 10), und zu allem Überfluss brachen in Gallien immer wieder Unruhen aus, die Caesars Anwesenheit dringend erforderlich machten (Caesar, De bello Gallico 5, 22). Immerhin gelang es ihm, nachdem Cassivellaunus vergeblich das römische Schiffslager angegriffen hatte, Britannien symbolisch tributpflichtig zu machen. Eine Besatzung blieb jedoch nicht zurück, und die Beute war auch nicht so reichlich, wie man erhofft hatte. Der Rückzug von der Insel erwies sich als richtig, denn noch im Herbst 54 befanden sich Teile Galliens wieder im Aufstand. An ihm beteiligt waren insbesondere die nördlichen Stämme, die Nervier, Eburonen und die schon erwähnten Treverer unter Indutiomarus. Die „Befriedung“ hatte sich einmal mehr als trügerisch erwiesen (Caesar, De bello Gallico 5, 24–52), aber wie schon so oft nutzte Caesar diese Gefährdung zur eigenen Stärkung. Er nahm weitere Aushebungen im Winter und Frühjahr 53 vor und verstärkte seine acht Legionen um weitere drei, eine davon hatte ihm Pompeius „geliehen“. Seine gesamte Streitmacht bestand nun aus elf Legionen. Gleichzeitig führte er Überraschungsschläge gegen die Nervier, den streitbaren Fürsten der Eburonen Ambiorix, die Senonen, die Menapier und die Treverer. In Lutetia, dem heutigen Paris, hatte er eine Versammlung („Landtag“, concilium) einberufen, um die Loyalität der gallischen Stämme zu erkunden. In mehreren Kämpfen konnten dann insbesondere die Aufständler Ambiorix und Indutiomarus, der seinem Legaten Labienus zugesetzt hatte, beseitigt werden. Der zweite Rheinübergang des Jahres 53 hing offiziell mit diesem Aufstand im nördlichen Gallien zusammen, denn – so begründete Caesar sein Unternehmen – die Treverer hätten Unterstützung von den Germanen erhalten, und Ambiorix könnte dort Zuflucht suchen. Diese Expedition dien-
IV.
Vorgehen gegen Aufstände
Zweiter Rheinübergang
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Expansion und paralysierte Republik
IV.
te ausschließlich der Herrschaftssymbolik und war ohne jede konkrete Zielsetzung. Caesar zeigte sich nicht nur den Germanen, sondern demonstrierte auch den Galliern seine militärische Überlegenheit. Er ließ diesmal nach seiner Rückkehr die für den Übergang erbaute Brücke teilweise bestehen (bei Koblenz), errichtete als weithin sichtbares Symbol einen vierstöckigen Turm und setzte, kaum wieder in Gallien zurück, zur Verfolgung des Ambiorix an. Die Eburonen wurden gehetzt, vertrieben, geplündert, getötet – das alles in großer Geschwindigkeit und mit Unterstützung der benachbarten Völker. „Nachdem das Land in dieser Weise verwüstet war“ (Caesar, De bello Gallico 6, 44), ließ Caesar im Herbst einen gallischen „Landtag“ (concilium) nach Durocortorum, das heutige Reims, berufen. Dort wurde der Aufstand „juristisch“ aufgearbeitet, die Rädelsführer wurden zum Teil hingerichtet, zum Teil verbannt (Caesar, De bello Gallico 6, 29–44). Caesar konnte sich zunächst wieder nach Oberitalien begeben, das er stets aufsuchte, um den Kontakt nach Rom nicht zu verlieren. Das Schlimmste aber stand ihm in Gallien erst noch bevor.
Aufstand des Vercingetorix
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Innen- und außenpolitisch stand es schlecht um Caesar im Jahre 52. In der Hauptstadt Rom nahm die Annäherung des Pompeius an den Senat immer mehr Gestalt an, Clodius war ermordet worden und der Senat forcierte seine strikt anticaesarische Politik, sodass die innere Entwicklung für Caesar immer stärker außer Kontrolle geriet; darauf ist weiter unten genauer einzugehen. Aber was noch schlimmer war: Gallien drohte verloren zu gehen. Man mag sich ausmalen, was das für Caesar bedeutet hätte: Auf den dort errungenen Erfolgen sollte sich Caesars zukünftige Position in der Römischen Republik gründen – Rom hätte auf Gallien verzichten können, Caesar nicht. Innen- und Außenpolitik spielten einmal mehr zusammen: Die Kunde von den Vorgängen in Rom drang nämlich auch nach Gallien und verleitete dortige Unruhestifter dazu, „Kriegspläne zu schmieden“. So formulierte Caesar seine Erklärung für die schwerste Krise seiner Laufbahn, den Aufstand des Vercingetorix (beschrieben in De bello Gallico 7). Caesar bemühte sich in seiner Darstellung, die Verantwortung für den Aufstand zu personalisieren und auf wenige „jammernde“ (miserantur) und ängstliche Fürsten abzuschieben (Caesar, De bello Gallico 7, 1). Danach hatten die gallischen Fürsten, die sich jetzt heimlich und versteckt in den unwegsamen Wäldern gegen ihn verschworen, schlicht Angst, ebenso wie ihr Genosse Acco – er war der Anführer der aufständischen Senonen gewesen – auf dem Konzil in Durocortorum (Reims) hingerichtet zu werden. Sie bejammerten also das gemeinsame Schicksal und versprachen demjenigen, der die Befreiung Galliens auf sich nähme, Belohnungen. Andere Gründe für die Revolte als Angst vor Strafen hatten sie nach Caesar nicht. Ihr Ziel musste es in jedem Fall sein, Caesar, von dem sie erwarteten, dass er in Italien festgehalten würde, von seinen Legionen in Gallien fern zu halten. Ausbreitung und Intensität der Revolte weisen indes in eine ganz andere Richtung: Jetzt, da Caesar offenbar durch die unklaren Verhältnisse in Rom gebunden und geschwächt schien, zeigte sich das ganze Ausmaß des gallischen Freiheitsdranges als Folge von Caesars unbedingter, von Gewalt und Rechtsbrüchen begleiteter Eroberungspolitik in Gallien.
Die Eroberung Galliens
IV.
Den Anfang machten die Carnuten, deren Hauptort Cenabum, das heutige Orléans, war; sie ließen sich von allen anderen Anwesenden eidlich Unterstützung für den Kampf zusagen. Als Fanal zum Krieg hatte man sich die Ermordung aller römischen Bürger in Cenabum ausersehen. Die Nachricht von dieser Tat verbreitete sich per Zuruf (clamore) in ganz Gallien, auch in das Land der Arverner, das Gebiet um das heutige Clermont-Ferrand. Dieser Stamm war, wie viele andere, gespalten in Römerfreunde und Römerfeinde. Der Anführer der Letzteren war der noch nicht dreißigjährige Königssohn Vercingetorix aus dem Stamm der Arverner, im Gebiet der heutigen Auvergne (s. Quelle). Caesar über Vercingetorix (Caesar, De bello Gallico 7, 4)
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Vercingetorix war der Sohn des Celtillus, ein junger Mann von höchstem Einfluss. Sein Vater hatte eine führende Rolle in ganz Gallien gehabt, war jedoch von seinem Stamm umgebracht worden, weil er die Alleinherrschaft anstrebte … (Er) führte auf dem Land unter Armen und Verbrechern eine Aushebung durch. Mit der Schar, die er so gesammelt hatte, brachte er jeden aus dem Stamm, zu dem er kam, dazu, sich seiner Auffassung anzuschließen. Er feuerte die Leute an, um der gemeinsamen Freiheit willen zu den Waffen zu greifen, und konnte nun, da er über ein starkes Truppenaufgebot verfügte, seine Gegner, die ihn kurz zuvor aus der Stadt verjagt hatten, aus dem Stamm vertreiben. Seine Anhänger erklärten ihn zum König. Er schickte nach allen Richtungen Gesandtschaften und beschwor die Stämme, dem geleisteten Eid treu zu bleiben […] Mit allgemeiner Zustimmung wurde ihm der Oberbefehl übertragen […] Dabei verband er höchste Gründlichkeit mit größter Strenge in der Ausübung seiner Gewalt. Durch harte Strafen zwang er auch Zögernde zu Gehorsam, denn bei größeren Vergehen ließ er die Schuldigen nach Anwendung aller Arten von Foltern verbrennen, bei weniger schwerwiegenden Anlässen ließ er ihnen die Ohren abschneiden oder ein Auge ausstechen und schickte sie nach Hause zurück, um den anderen einen Beweis seiner Strenge zu geben und sie durch die Härte der Strafe in Schrecken zu versetzen.
Trotz der caesarischen Beschreibung muss Vercingetorix eine charismatische Gestalt gewesen sein. Sein antirömisches Profil zog zunächst das „ärmere Gesindel“ in seinen Bann, doch schon bald konnte er seine Gegner vertreiben und über die Arverner hinaus Gallier für seine Verschwörung gegen Rom finden. Er hatte Caesars Politik in Gallien gut beobachtet, denn er modernisierte darauf aufbauend die Kriegführung: Harte Strafen für Abweichler, Krieg der verbrannten Erde zum Schaden des Gegners, unverhoffte und schnelle Aktionen, Aushungerungen, Abwerbung römischer Bundesgenossen, diplomatische Verbindungen über ganz Gallien hin, ja sogar bis in die Provinz hineinreichend – all das ließ Caesar schmerzlich bewusst werden, dass er sich in einem keineswegs befriedeten Feindesland befand. Caesars eigene Darstellung barbarisiert den gleichwertigen Gegner, doch ist sie nicht ohne Respekt. Ohne auf die Kriegsereignisse, die in Caesars 7. Buch des Gallischen Krieges eindrucksvoll geschildert werden, im Einzelnen eingehen zu können, sollen hier wenigstens die Hauptzüge des Kriegsverlaufs genannt werden. Die Kämpfe konzentrierten sich auf drei Orte: Avaricum (Bourges) im
Kriegsverlauf
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Expansion und paralysierte Republik
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Nachwehen der Aufstände
Caesars Arrangements
Bilanz des Gallischen Krieges
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Land der Biturigen, Gergovia (Gergove) in der Nähe des heutigen Clermont-Ferrand im Land der Arverner und schließlich entscheidend in Alesia im Land der Mandubier (Alise-St. Reine). Die abschließende mehrtägige Schlacht an zwei Fronten hat Caesar als ein seinem unermüdlichen Einsatz zu verdankendes Wunder beschrieben. Schlachtentscheidend war ein Sieg über Teile des gallischen Entsatzheeres, der die Belagerten zur Aufgabe zwang. Die Behandlung der Besiegten durch Caesar orientierte sich an Nützlichkeitserwägungen sowie am Prestige des Siegers: Vercingetorix wurde für den zu erwartenden Triumph in Rom aufgespart und sechs Jahre später dort hingerichtet. Eine besondere Behandlung erfuhren die Häduer und Arverner, weil sie in Caesars Herrschaftspolitik eine zentrale Rolle spielten; ihrer Bitte um Schonung wurde entsprochen. Die übrigen Gefangenen wurden als Beutegut auf seine Soldaten verteilt. Auf seinen Bericht über diese Ereignisse nach Rom hin erhielt der Feldherr wiederum eine zwanzigtägige supplicatio. Das schwerste Stück Arbeit in Gallien war für Caesar mit dem Erfolg bei Alesia geleistet, doch beendet war der Krieg immer noch nicht. Eine Reihe von Feldzügen gegen die Biturigen, Carnuten und Bellovacer schildert uns Aulus Hirtius, der Caesars Berichte im achten Buch des „Gallischen Krieges“ fortsetzte. Im Grunde ging es Caesar jetzt nur noch um eine rasche Ruhigstellung Galliens, da die innenpolitische Lage in Rom sich dramatisch zugespitzt hatte und seine ganze Aufmerksamkeit erforderte. Das bedeutete, dass er teilweise weitgehende Zugeständnisse machte und auf den Ruf seiner clementia setzte, doch Widerstand auch hart und grausam bestrafte. Das Widerstandsnest Uxellodunum (Lage umstritten) im Lande der Cadurcer, einem Stamm in Aquitanien nördlich der Garonne, hatte er ausersehen, um ein abschreckendes Beispiel vorzuführen: Allen Männern, die Waffen getragen hatten, ließ er die Hände abschlagen – damit ihre Missetat ständig jedermann vor Augen sei. Ein Verwaltungssystem baute Caesar freilich nicht auf, dazu fehlte ihm auch die Zeit. Er ordnete jedoch die Beziehungen der Stämme untereinander und etablierte römische Forderungen und finanzielle Lasten, die er allerdings in maßvollen Grenzen hielt. Vor allem aber verpflichtete er sich die gallischen Führungspersönlichkeiten durch persönliche Bindungen. Ganz Gallien war nach dem grausamen neunjährigen Krieg erschöpft und wohl auch zufrieden, dass die römische Herrschaft nicht institutionalisiert, sondern auf der Basis eines patronalen Verhältnisses zu den Stämmen und Fürsten erträglich gestaltet wurde. Man arrangierte sich also mit Caesar und nutzte bei der allgemeinen Erschöpfung auch nicht den sich unmittelbar anschließenden Bürgerkrieg in Rom zu erneuten Revolten. Eine umfassende Verwaltungsordnung erhielt Gallien dann erst unter Augustus. Nach der „Ordnung“ Galliens machte sich Caesar auf nach Oberitalien, wo er sich von den dortigen Städten als ihr großer Patron feiern ließ. Die Bilanz des Krieges kann sich aus römischer Sicht sehen lassen. Ein vorgeblich zum Schutz Verbündeter unternommener Feldzug gegen die Helvetier hatte zur Eroberung eines politisch und ethnisch uneinheitlichen und zersplitterten Gebietes von 500 000 km2 geführt. Mehrere hundert Städte – die Quellen schwanken zwischen 300 und 1000 – und 400 Stämme wurden unterworfen, die Zahl der Toten ging nach unseren Quellen in
Die Lage in Rom
IV.
die Millionen, und ebenso viele Gefangene wurden gemacht. Schätzungen gehen davon aus, dass von den damals etwa zehn Millionen Einwohnern Galliens drei Millionen gefallen, versklavt oder vertrieben wurden. Finanziell dürfte sich das Unternehmen „Eroberung Galliens“ gelohnt haben. Sueton (Caesar 25) berichtet, dass sich die Steuerleistung der nun in eine römische Provinz umgewandelten Region auf 40 Millionen Sesterzen belief, was augenscheinlich ziemlich wenig ist. Es handelt sich jedoch um offizielle Zahlungen, die faktisch um ein Vielfaches zu erhöhen sind. Denn Caesar sanierte nicht nur seine eigenen Finanzen und beglich seine Schulden vollständig, sondern er konnte auch seine gewaltige, elf Legionen umfassende Armee samt Hilfstruppen finanzieren und ihre Leistungen entsprechend belohnen; schließlich lebten die Soldaten nicht von Caesars Charisma allein, vielmehr festigten auch außerordentliche Zuwendungen das Band zwischen dem Feldherrn und seinem Heer. Man hat den Eindruck, als ob ganz Rom von Caesars Geld ausgehalten wurde. Wieder ist es Sueton, der davon spricht, dass es durch Raubzüge in keltischen Heiligtümern und Städten zu einer immensen Zunahme des Umlaufs von Gold kam, die die Preise sinken ließ. Eingesetzt wurde das Geld für offene und verdeckte Bestechung, für „Brot und Spiele“, für die Gewährung von Darlehen, eben für alles, womit man Abhängigkeiten herstellen konnte. Cicero selbst lieh sich bei Caesar Geld, dessen Rückzahlung ihm, wie er selbst schreibt, Schwierigkeiten bereitete. Nicht genug damit, diente der Kriegsgewinn auch zur baulichen Verschönerung der Hauptstadt und anderer Städte im Reich. Allein das forum Iulium, das an das forum Romanum anschloss, und zwar unmittelbar nördlich der curia Hostilia, kostete mehr als das Doppelte der offiziellen Jahreseinnahmen aus Gallien, nämlich 100 Millionen Sesterzen. Für Caesar hatte sich das Prokonsulat jedenfalls ausgezahlt, seine Rechnung, in diesem Amt finanziell und politisch seine Stellung in Rom zu verbessern und Pompeius gleichzukommen, war vollständig aufgegangen. Der Preis für den Machtkampf in Rom und die Handlungsfähigkeit der Republik erschöpfte die ganze Region Gallien so sehr, dass man im folgenden Jahrzehnt nichts mehr von ihr vernimmt, sieht man von einer kleineren Rebellion der Bellovacer – eines Stammes im Nordwesten – ab. Eines mochte vielen Römern durch die Folgewirkungen dieses Krieges in Gallien klar geworden sein: Wie immer auch eine neue Ordnung des Weltreichs strukturiert sein würde – sie müsste einer derartigen Instrumentalisierung von Krieg und Verwaltung für persönliche Interessen einen Riegel vorschieben.
3. Die Lage in Rom Wie sehr die Eroberung Galliens in engstem Zusammenhang mit den Entwicklungen in Rom stand, ist in symbolträchtiger Weise schon durch Caesars beständigen „Pendelverkehr“ zwischen Gallien im Sommer und seinem romnahen Aufenthalt in Oberitalien im Winter erkennbar. Nicht nur wusste der Prokonsul über alle politischen Aktionen und Ränkespiele
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Expansion und paralysierte Republik
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Gruppierungen
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genau Bescheid, sondern er griff darüber hinaus auch aktiv in die stadtrömische Politik ein, und zwar über seine beiden ihm zur Verfügung stehenden Instrumente: Mittelsmänner und Geld. Seine Wachsamkeit war auch tatsächlich notwendig, denn während der gesamten Zeitspanne seiner Abwesenheit in Gallien beschäftigte sein langer Schatten die Gemüter in Rom. Die Bewunderung für die ständig gemeldeten Erfolge gegen die Barbaren war einerseits echt, im Dunstkreis Catos oder der Marcelli dürfte es aber nicht wenige gegeben haben, die dem so tatkräftigen Prokonsul ein ähnliches Schicksal an den Hals wünschten, wie es im Jahre 53 den Triumvirn Crassus gegen die Parther getroffen hatte. Dem rückschauenden Betrachter fällt eine politische Bestandsaufnahme jener Jahre schwer. Das liegt an dem besonderen römisch-republikanischen System. Dieses war auf Personen, nicht auf Programme zugeschnitten, und es war sehr pragmatisch ausgerichtet: Wechselnde Koalitionen zur Erreichung kurzfristiger Ziele können sogar als seine Stärke aufgefasst werden, denn sie verhinderten Erstarrung und Prinzipienreiterei. In den fünfziger Jahren galt das grundsätzlich immer noch, und Caesar machte sich dieses System weidlich zunutze. Den Volkstribunen des Jahres 50, Gaius Scribonius Curio, zum Beispiel gewann er, indem er ihm eine weitere Karriere in Aussicht stellte und seine gesamten Schulden beglich (Cassius Dio 40, 60, 3) – eine gute Investition, wie sich zeigen sollte; in Curio fand er von da an seinen eifrigsten Helfer. Heute wäre Curio ein Fall für den Staatsanwalt, doch in der Römischen Republik war das Geben und Nehmen von Wohltaten (beneficia), das wir Bestechung nennen, systemimmanent. Caesar half Curio und konnte deshalb erwarten, dass dieser ihn als Gegenleistung politisch unterstützte. Natürlich aber hatte sich in Rom doch etwas verändert, und das ließ auch Curios Charakterlosigkeit vor den Zeitgenossen als solche erscheinen. Nach dem Vorgehen Sullas und der Politik des Pompeius war die Republik in ihrem innersten Nerv getroffen. Den Ruf nach einer Verfassungsänderung gab es zwar nicht, wohl aber den Ruf nach einer konsequenten Einhaltung der republikanischen Prinzipien, und das bedeutet: Es herrschte ein verbreitetes Krisenbewusstsein. Unter diesem Blickwinkel erscheint das politische Spektrum in den fünfziger Jahren als eines, das aus folgenden Gruppen zusammengesetzt war: 1. Programmatisch klar bestimmbar waren die Republikaner. Sie hatten naturgemäß keinen „Führer“; auch Cato hat nie diese Rolle beansprucht, er war nicht mehr als ein Vorbild, die personfizierte republikanische Idee. Die Republikaner waren vielmehr eine Gruppe konservativer Senatoren, deren politische Gemeinsamkeit in der Ablehnung monarchischer Tendenzen allgemein und der Triumvirn im Besonderen bestand. In der Wahl der Mittel waren einige ziemlich „modern“; jedenfalls standen manche Optimaten wie der berüchtigte Milo ihren popularen Widersachern wie Clodius in nichts nach, wenn es um Propaganda, Wahlmanipulation, Stimmenkauf, Aufstellung von Straßenbanden oder kostspielige Spielveranstaltungen ging. Doch auch der auf Frieden, Eintracht und Versöhnung hinarbeitende Cicero gehörte dieser Gruppierung an; ein Mann, der sich mehr als einmal über den Standesdünkel seiner wohlgeborenen Standesgenossen beklagte. Die Republikaner waren also eine sehr heterogen zusammengesetzte Gruppe.
Die Lage in Rom 2. Ebenfalls klar bestimmbar, wenn auch nicht mit einem eindeutigen politischen Programm ausgestattet, waren die Triumvirn selbst. Sie verfolgten jeweils eigene, durchaus nicht genuin politische, Ziele, die sie gemeinsam leichter zu erringen hofften. Sie besaßen zudem große Klientel- und Freundschaftsverbindungen, die für sie in den Institutionen wirkten, und waren darin ihren Widersachern haushoch überlegen. Ihre dominierende Stellung kam in Luca zum Ausdruck, wo sie im Jahre 56 ihren Dreibund erneuerten (Plutarch, Caesar 21 und Pompeius 51). 3. Eine weitere Gruppe von Politikern versuchte im Windschatten der großen Drei, ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Ihnen kamen die Spannungen zwischen den Konservativen und den Triumvirn gerade recht. Zu diesen Politikern zählte Publius Clodius Pulcher, von dem schon die Rede war. Zunächst eingespannt von den Triumvirn, damit er als Volkstribun den unbequemen Cicero unschädlich mache und ihn gerichtlich wegen seiner Entscheidung gegen die Catilinarier in die Verbannung jage, emanzipierte er sich rasch und wurde seinerseits insbesondere Pompeius zur Bedrohung. Zeitweilig beherrschte Clodius Rom, sei es mit seinen revolutionären Gesetzen, sei es mit seinen gewalttätigen Gefolgsleuten auf den Straßen der Hauptstadt. Das waren die „politischen“ Gruppierungen. Ihre Anführer waren Senatoren, das Volk verteilte sich wie seit alters auf diese. Es gab zwar, und das ist erstaunlich genug nach Jahrzehnten der verfassungspolitischen Unruhe, keine aus der Volksversammlung erwachsene politische Gruppierung. Und doch war der Einfluss und die Mitwirkung des Volkes in der Politik jetzt so groß wie nie; moderne Untersuchungen vor allem angelsächsischer Forscher haben die Rolle des Volkes in der späten Römischen Republik neu definieren können. Es war, so geht aus diesen Arbeiten hervor, mehr als lediglich Stimmvieh im Interesse einzelner Adliger. Bewiesen werden kann dies gerade durch den enormen Aufwand, den Wahlbewerber oder Antragsteller treiben mussten, um ihre Ziele zu erreichen. Die politische Entwicklung dieses Jahrzehnts in Rom lässt sich in zwei Phasen unterteilen: zum einen die Zeit des funktionierenden Triumvirates von 58–54 und zum zweiten die Phase der Annäherung des Pompeius an die konservative Senatspartei von 54–50. Wir wissen über diese Zeit sehr gut Bescheid, weil wir nicht nur die historiographischen und biographischen Darstellungen griechischer und lateinischer Autoren besitzen, sondern uns auch zeitgenössische Dokumente höchsten Ranges zur Verfügung stehen: Wieder einmal sind es die Reden und Briefe Ciceros, gehalten und geschrieben in dieser Zeit, die uns Eindrücke vom tagespolitischen Geschehen liefern – in einer Zeit, in der Ungewissheit, Resignation und Furcht wegen der sich ausbreitenden Rechtsbrüche, der Gewalt auf den Straßen oder wegen des weiteren politischen Weges allgegenwärtig waren; aber dann kommt bei aller Angst auch wieder alltägliche Normalität zum Vorschein. Wenden wir uns nun dem Ablauf der Ereignisse zu. Das Jahr 58 stand noch ganz unter dem Eindruck des formidablen Konsulates von Caesar. Die Diskussionen um die Landverteilungen und um die Anerkennung der pompeianischen Verfügungen im Osten rissen nicht ab. Vor allem aber nahm die politische Auseinandersetzung eine neue Form an. Der Volkstribun Clodius trieb, wie schon erwähnt, den renommierten
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Entwicklung in zwei Phasen
Das Jahr 58
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cura annonae bei Pompeius
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Konsular Cicero ins Exil, weil er bei der Bestrafung der Anhänger Catilinas gegen die in den Ständekämpfen erstrittenen und unveräußerlichen Rechte römischer Bürger verstoßen hatte. Doch damit nicht genug, initiierte derselbe Clodius eine Gesetzgebungsaktivität, die in ihrer Anlage an Gaius Gracchus erinnerte. Clodius griff alte populare Themen auf, wie die kostenlose Verteilung von Getreide an die römischen Bürger, den Schutz vor der Willkür magistratischer Übergriffe oder die Verteilung der Provinzen. Allerdings war für ihn die Gesetzgebung mehr denn jemals zuvor ein politisches Kampfmittel, wie das „Gesetz über Ciceros Verbannung“ (lex Clodia de exilio Ciceronis) zeigte, in dessen Gefolge Ciceros Besitz konfisziert und sein Haus demoliert worden war (darüber sprach Cicero in einer Rede „Über sein Haus“ vor Priestern: Oratio de domo sua ad pontifices). Sie konnte sich, demagogisch betrieben, frei entfalten, weil Pompeius merkwürdig inaktiv blieb und nach wie vor auf die Selbstheilungskräfte Roms setzte. Die Probleme waren ihm durchaus bekannt, vielleicht wusste er sogar, wie sie zu lösen waren, doch wollte er für eine entsprechende Aufgabe einen staatlichen Auftrag seitens des Senates. Die Eigenmächtigkeiten und das Außenseitertum eines Caesar waren seine Sache nicht. Clodius wusste das und nutzte es aus. Nicht einmal vor einer Konfrontation mit dem mächtigen Feldherrn um die Anerkennung von dessen Verfügungen im Osten scheute er sich; dabei schreckte er auch vor Handgreiflichkeiten nicht zurück. Pompeius wollte sich dem entziehen, was wiederum als Zeichen seiner Unentschlossenheit gedeutet wurde. Gleichzeitig begannen von der anderen, optimatischen, Seite die ersten Versuche, das Triumvirat zu schwächen und insbesondere Pompeius von Caesar zu entfremden. Erstmalig war es der Volkstribun Quintus Terentius Culleo, der ihm riet, seiner Frau Julia den Scheidebrief zu senden und sich von Caesar zu lösen. Diese Versuche setzten sich über die folgenden Jahre fort und gewannen an Intensität. Ein erster Erfolg war ihnen beschieden, als sich Pompeius für Ciceros Rückkehr aus der Verbannung einsetzte und sich damit erstmalig offen von Caesar distanzierte. Wenn wir Ciceros Reden (wie die Rede de domo sua) und vor allem seine Briefe jener Zeit lesen, fühlen wir mit ihrem Autor. Die neue Rolle des Pompeius in seiner zunehmenden Hinwendung zur stadtrömischen Politik zeigte sich auch darin, dass er mit der cura annonae, das heißt der Aufsicht über die Getreideversorgung in Rom, betraut wurde. Mehrere organisierte Demonstrationen gegen die Verteuerung des Getreidepreises hatte es bereits in Rom gegeben, zuletzt am 5. September 57. Man beschuldigte sogar Cicero, weil so viele Bürger aus Italien ihn bei seiner Rückkehr nach Rom begleitet und deshalb einen erhöhten Bedarf an Getreide bewirkt hätten. Der Ruf nach der ordnenden Hand des Pompeius wurde laut (Cicero, De domo sua 14; Epistulae ad Atticum 4, 1, 6), was von Cicero unterstützt wurde. Die Versorgung römischer Bürger mit Getreide war seit alters eine der vornehmsten Aufgaben römischer Stadtpolitik. Inzwischen war aber der Hauptlieferant von Getreide nicht mehr der italische Heimatboden, sondern die Provinzen, insbesondere Sizilien, Afrika und auch Griechenland. Die Importabhängigkeit schlug sich auf den Getreidepreis nieder, je nachdem wie die Ernten ausfielen oder die Handelsrouten sicher waren. Wie bei uns heute die Börse, so war im antiken Rom
Die Lage in Rom
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der Getreidepreis ein verlässlicher Gradmesser der allgemeinen Stimmung; in politisch ruhigen Zeiten pflegte er sich zu verringern, im Verlauf von Krisen dagegen stieg er beträchtlich an. Als Pompeius mit Ciceros Hilfe das Amt eines curator annonae mit außerordentlichen Vollmachten übertragen wurde, sank schlagartig auf die bloße Nachricht hin der Getreidepreis. Denn die mit diesem Auftrag verbundenen Machtbefugnisse waren enorm und erinnerten an die „außerordentlichen Imperien“ (imperia extraordinaria) der sechziger Jahre: Ein fünfjähriges imperium proconsulare mit 15 bis 20 ihm unterstellten Legaten erstreckte sich auf sämtliche Häfen, Handelsplätze und auf alle Getreidevorräte in Italien und den Provinzen. Nicht ganz zu Unrecht klagte Clodius, das Ermächtigungsgesetz sei nicht wegen des Nahrungsmittelmangels erlassen worden, sondern es sei zu einem Nahrungsmittelmangel gekommen, damit dieses Gesetz erlassen werden konnte (Plutarch, Pompeius 49) – zumindest konnte dieser Eindruck entstehen, denn eine derartige Machtbefugnis allein zur Sicherung der Getreideversorgung war außergewöhnlich. Dabei hatte es noch weitergehende Vorschläge gegeben: Pompeius sollte nach dem Willen eines Volkstribunen neben einer umfassenden Verfügung über die Staatskasse in den Provinzen ein allen anderen Beamten überlegenes Imperium erhalten (imperium maius). Dem konnten weder der Senat noch Caesar und Crassus zustimmen (Cassius Dio 39, 10, 1; Cicero, Epistulae ad Atticum 4, 1, 7). Die Bewältigung aber des Auftrags, den Pompeius erhalten hatte, war wieder einmal ein voller Erfolg und eine organisatorische Meisterleistung. „Dadurch konnte er, wie zuvor im Falle der Seeräuber, so auch jetzt bei der Getreideversorgung erneut seine Gewalt über die ganze bewohnte Erde ausdehnen, die damals römischer Macht unterstand“ – so formulierte es der kaiserzeitliche Geschichtsschreiber Cassius Dio (39, 9). Die Vorratslager füllten sich erneut mit Getreide, die Preise sanken, römische Bürger erhielten gratis ihre festgelegte monatliche Ration. Dazu ließ Pompeius, wie es nach seinem Vorbild später auch Caesar und die römischen Kaiser tun sollten, eine Liste der berechtigten Empfänger anlegen, um Missbrauch auszuschließen (Cassius Dio 39, 24, 1). Einmal mehr erwies sich die politische Potenz des Pompeius, doch bestand er konsequent auf der republikanisch-institutionellen Beauftragung. Neu war dieses Mal die Verbindung von Imperium und Sozialpolitik. Pompeius machte die Versorgung der Bevölkerung zu einer staatlichen Angelegenheit und Aufgabe, deren Garant fortan die überragende Autorität des mächtigsten Mannes in Rom war. Was er in den östlichen Provinzen bereits bewerkstelligt hatte, hielt nun auch Einzug in die Hauptstadt: die Installation einer patronalen Mitte. Der Agitation eines Clodius war damit vorerst ein Riegel vorgeschoben, den dieser – und das sagt alles – sogar mit Hilfe der Optimaten aufzubrechen versuchte. Sachlich war der Übergang von der Republik zum Prinzipat damit auch in Rom vollzogen; was fehlte, war eine dauerhafte Installation dieser prinzipalen Position sowie die Akzeptanz in allen gesellschaftlichen Schichten. Daran war nun freilich überhaupt nicht zu denken. Eine Episode dieser Jahre kennzeichnet in besonderer Weise die verwirrende Kompetenzkrise der Römischen Republik. Wieder war auch Pompeius involviert. Es ging um Ägypten, das damals noch formal selbständig war und von den Ptolemäern regiert wurde, in der Praxis aber zum Spielball in den Auseinander-
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Expansion und paralysierte Republik
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setzungen römischer Parteiungen geworden war. Dazu trugen auch die langwierigen inneren Auseinandersetzungen in Ägypten selbst bei. Ptolemäer Die Ptolemäer waren die Herrrscherdynastie des hellenistischen Ägypten. Der Begründer dieser Dynastie Ptolemaios I. war ein General Alexanders des Großen, der Ägypten 332 v. Chr. erobert hatte, und übernahm nach dessen Tod 323 Ägypten als Herrschaftsgebiet, zunächst als Verwalter (Satrap), seit dem Spätsommer 306 als König. Alle seine männlichen Nachfolger nannten sich Ptolemaios – der letzte war als Ptolemaios XV. Mitregent Kleopatras –, während die Königinnen Arsinoe, Berenike oder Kleopatra hießen. Die Dynastie residierte in Alexandria, einer Gründung Alexanders des Großen. Das Ptolemäerreich hatte seine politische Blütezeit im 3. Jahrhundert. Seit etwa 200 setzte sein Niedergang ein, doch die feste religiöse Verankerung der Dynastie sowie eine geschickte Diplomatie sicherten dem Ptolemäerreich eine längere Existenz als den anderen hellenistischen Staaten. Seit der Mitte des 2. Jahrhunderts geriet es allerdings zunehmend in Abhängigkeit von Rom und unterschied sich im 1. Jahrhundert nicht mehr von einem abhängigen römischen Klientelstaat. Die inneren Krisen und Thronstreitigkeiten schwächten Ägypten zusätzlich. Im Jahre 30 gliederte Octavian – der spätere Kaiser Augustus – nach seinem Sieg bei Actium über seinen Rivalen Antonius und die ägyptische Königin Kleopatra VII. das Ptolemäerreich dem römischen Staat als Provinz ein. Das Problem Ägypten
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Ptolemaios XII. (mit dem Beinamen „Neuer Dionysos“ und dem Spottnamen „Auletes“, der Flötenspieler, 80–51 v. Chr.) baute zur Absicherung seiner eigenen Herrschaft auf Rom und im Besonderen auf Pompeius. Die Beziehungen waren schon im Jahre 64 hergestellt worden, als Pompeius im Osten war und von der Unterstützung des ägyptischen Königs profitierte. In Kenntnis der innerrömischen Verhältnisse beließ es Ptolemaios nicht dabei, sondern lavierte mit gewaltigen Bestechungssummen zwischen den Parteiungen in Rom. Diese Ausgaben wurden durch Steuererhöhungen in Ägypten und Alexandria finanziert, welche wiederum das Verhältnis zwischen den Ägyptern und ihrem König belasteten (Cassius Dio 39, 12). Schließlich wurde er aus Alexandria vertrieben und kam 57 nach Rom, wo er Gast des Pompeius war. Sein erklärtes und schließlich auch erreichtes Ziel war es, von Rom militärisch wieder als König in Ägypten eingesetzt zu werden. Die Angelegenheit gestaltete sich freilich höchst kompliziert, das Fehlen einer handlungsfähigen Regierung im Rom verschlimmerte das Problem. Zuviel stand für römische Politiker und die Geldaristokraten auf dem Spiel. Ptolemaios hatte hohe Kredite in Rom getätigt, seine auch ritterständischen Gläubiger intrigierten aus ureigenstem Interesse zugunsten seiner Wiedereinsetzung in Alexandria. Der König selbst mischte bei dem Intrigenspiel munter mit, dezimierte durch Mordaufträge eine gegen ihn in Rom vorstellige alexandrinische Gesandtschaft und verstrickte in seine Machenschaften die höchsten römischen Kreise. Aus Ciceros Briefen wissen wir, wie sehr die politischen Diskussionen der Jahre 57 und 56 in Rom von der „ägyptischen Frage“ beherrscht waren. Senatssitzungen, Anträge, Gegenanträge, Priesterbefragungen und Orakel wechselten einander ab, ohne dass eine Entscheidung gefällt worden wäre. Zuerst sollte der Konsul des Jahres 57, Publius Lentulus Spinther, die Aufgabe der Rückführung übernehmen. Dann wurde Pompeius vorgeschlagen, der allerdings schon mit seinen Aufgaben im Rahmen der Getreideversorgung beschäftigt war,
Die Erneuerung des Triumvirates 56
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schließlich wurde Anfang 56 die sibyllinische Losung ausgegeben, dass auf keinen Fall ein militärisches Imperium mit der Rückführung zu verbinden sei (Cassius Dio 39, 15). Entnervt begab sich der vertriebene König nach Ephesus ins Asyl des berühmten Artemis-Tempels, denn er hatte sich fest darauf verlassen, dass Pompeius ihn zurückführen würde. Die tatsächliche Lösung des Problems wies erneut auf den Prinzipat der Zukunft: Als Pompeius nämlich im Jahre 55 zusammen mit Crassus das Konsulat bekleidete, wies er den Statthalter Syriens Aulus Gabinius an, den König zurückzuführen – unter Umgehung republikanischer Institutionen. Syrien war als römische Provinz im Jahre 63 von Pompeius selbst eingerichtet worden, Gabinius war also in gewissem Sinne „sein“ Statthalter und führte den Auftrag aus (Cassius Dio 39, 55–58) – ein ganz und gar kaiserzeitliches Szenario. Das jüdische Gemeinwesen um Jerusalem half bei der Durchführung des Auftrages (Flavius Josephus, Antiquitates 14, 99; Bellum Iudaicum 1, 175), und am 15. April 55 ist Ptolemaios XII. wieder als König in Ägypten nachgewiesen. Das Bild, das die römische Ordnung bei dieser Marginalie bot, hatte keine klar erkennbaren Konturen mehr; alles verschwamm im Wechselspiel eigennütziger Partei- und Geldinteressen. Dabei war ja die sachgerechte Lösung des Problems an sich nicht schwer, doch die republikanische Perspektive verhinderte schnelle Entscheidungen.
4. Die Erneuerung des Triumvirates 56 Die Entwicklung in Rom beeinträchtigte auch das Verhältnis der Triumvirn zueinander. Die Dynamik der Eigeninteressen in Verbindung mit der ordnungspolitischen Schwäche der Republik drohte den Dreibund mit zentrifugaler Kraft zu sprengen. Caesar, dem die „Freundschaftsverbindungen“ mit Crassus und Pompeius während seiner Abwesenheit den Rücken in Rom freihalten sollten, registrierte die Entwicklung mit der ihm eigenen feinen Sensorik. Ihm gelang während der üblichen Winterpause des Gallischen Krieges (April 56) im norditalischen Luca das Kunststück, das Bündnis neu zu schmieden, und zwar so fest, dass Cicero es „in unserer Zeit“ für unauflösbar hielt (Cicero, Ad familiares 1, 8, 1). Caesars Einfluss in Rom (Plutarch, Caesar 21)
„Konferenz von Luca“
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Denn alle Anwärter auf hohe Staatsämter klopften bei ihm [Caesar] um klingende Unterstützung an, und wenn sie dann mit seinen Geldern das Volk bestochen hatten und gewählt waren, setzten sie ihre ganze Kraft daran, Caesars Macht zu mehren. Ja es begaben sich die größten, einflussreichsten Männer Roms in großer Zahl zu ihm nach Luca, Pompeius, Crassus, Appius, der Statthalter von Sardinien, und Nepos, der Prokonsul von Spanien. 120 Liktoren waren damals beisammen und mehr als 200 Senatoren. In den Verhandlungen kam man überein, dass das Konsulat im nächsten Jahr von Pompeius und Crassus verwaltet, Caesars Statthalterschaft um weitere 5 Jahre verlängert und ihm zudem Gelder bewilligt werden sollten.
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Expansion und paralysierte Republik
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Absprachen der Triumvirn
Wahlmanipulation 55
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Der Bericht Plutarchs über diese Erneuerung verdeutlicht Caesars Einfluss auf die Verhältnisse in Rom (s. Quelle). An Plutarchs Angaben über die große „Konferenz von Luca“ wurden in der Geschichtswissenschaft Zweifel geäußert. Am 5. April hatte Cicero noch im Senat den Antrag gestellt, am 15. Mai über Caesars kampanisches Ackergesetz zu verhandeln. Auf jeden Fall traf sich wenige Tage später Pompeius, der am 11. April zum Zwecke der Getreidebeschaffung nach Sardinien reisen wollte, mit Caesar in Luca. Bereits zuvor hatte sich dieser mit Crassus in Ravenna besprochen. Wieweit nun also eine wirkliche große Konferenz oder nur Einzelgespräche stattgefunden haben, lässt sich heute nicht mehr sagen; Ciceros Briefe erwähnen die „Konferenz von Luca“ jedenfalls nicht. Der Erfolg der Gespräche war dennoch umwerfend: Cicero wandte sich wieder den Triumvirn zu und verzichtete auf seinen anticaesarischen Antrag im Senat. Die Verhältnisse waren wieder klar geordnet; Caesar hatte das für ihn Schlimmste, ein Auseinanderfallen des Triumvirates, noch einmal abgewendet. Die Absprachen zwischen den drei Männern erfolgten mit aller wünschenswerten Klarheit: Pompeius und Crassus sollten im darauf folgenden Jahr 55 das Konsulat bekleiden, damit sie dann im übernächsten Jahr 54 militärische Aufgaben übernehmen könnten. Caesars Imperium sollte um fünf Jahre verlängert werden; vor dem 1. März 50 sollte jedoch nicht über einen etwaigen Nachfolger verhandelt werden. So hätte nach den damaligen Gepflogenheiten Caesar noch bis 49 in Gallien im Amt des Prokonsuls bleiben und sich anschließend für 48 um das Konsulat in Rom bewerben können. Diese uns heute seltsam kompliziert anmutende Konstruktion war für Caesars politische Existenz von herausragender Bedeutung. Er hätte auf diese Weise jederzeit die ihm so wichtige Immunität des Amtsinhabers vor gerichtlichen Anklagen seiner Gegner besessen. Der Erfolg der Gespräche zwischen den dreien beruhte auf einer ausgewogenen Interessenwahrung: Pompeius und Crassus sollten ebenso mit Imperien ausgestattet werden und damit Caesar formal gleichgestellt werden. Die drei haben sodann offenbar über jeden einzelnen Politiker ein Dossier über dessen Zuverlässigkeit angelegt, um ihn gegebenenfalls politisch unter Druck setzen zu können. Cicero zum Beispiel bekam solchen Druck zu spüren. Pompeius bedrängte ihn nämlich über seine Vertrauensleute und Ciceros Bruder Quintus, von seinem strikt optimatischen Kurs abzurücken, was dieser auch wirklich tat. Zunächst funktionierte also die römische Politik wieder. Die Beschlüsse der Triumvirn wurden jedenfalls erfolgreich umgesetzt, und Cicero wirkte an dieser Umsetzung mit. In seiner Rede über die Verteilung der konsularischen Provinzen (de provinciis consularibus) vom Juni 56 trat er, mit einer Kehrtwendung gegenüber seiner früheren Auffassung, für die Fortsetzung von Caesars Statthalterschaft in Gallien (also in den drei unter diese Statthalterschaft fallenden Provinzen Illyricum, Gallia citerior und Gallia ulterior) ein (s. Quelle). Die Wegnahme der gallischen Provinzen drohte Caesar in der Tat nach dem vatinischen Gesetz von 59 spätestens für 54, und der Konsulatsbewerber für 55 Lucius Domitius Ahenobarbus hatte schon Entsprechendes angekündigt. Es musste also für die drei darum gehen, Domitius als Konsul zu verhindern und das höchste Staatsamt für sie selbst zu vereinnahmen. Caesar war als Prokonsul bereits festgelegt, aber Pompeius und Crassus waren
Die Erneuerung des Triumvirates 56 Ciceros Erklärung für seinen Sinneswandel (Cicero, Epistulae ad Atticum 4, 6)
IV.
Q
Diese Palinodie [seine Rede für die Fortsetzung von Caesars Statthalterschaft] scheint mir auch wirklich schmählich zu sein. Aber lebt wohl, ihr rechten, wahren und ehrenhaften Pläne. Es ist doch kaum zu glauben, wie perfide diese Principes [gemeint sind die republikanischen nobiles] sind – denn das wollen sie sein, und wären es sogar, wenn sie nur ein Fünkchen Zuverlässigkeit hätten. Ich hab es selbst gespürt und weiß es genau – erst von ihnen verführt, dann verlassen und schließlich fallen gelassen. Trotzdem hatte ich den ehrlichen Willen, mit ihnen politisch zusammenzugehen. […] Mit voller Absicht habe ich mich so auf diese neue politische Verbindung festgelegt, um nicht in Versuchung zu kommen, irgendwie wieder zu denen hinüberzurutschen, die selbst dann, wenn sie mich eigentlich bemitleiden müssten, nicht aufhören, mich scheel anzusehen. Immerhin bin ich in meiner Verhimmelung, wie gesagt, noch maßvoll geblieben. Mit volleren Händen werde ich geben, wenn er dies freundlich aufnimmt und jene die Nase rümpfen, die sich ärgern, dass ich ein Landhaus mein Eigen nenne, das einst Catulus gehört hat. […] Schluss damit! Wo die, die nichts vermögen, mich nicht lieben wollen, will ich mich um die Gunst derer, die etwas vermögen, bemühen. […] Jetzt ist die Zeit da, an mich selbst zu denken, da jene es auf keine Weise tun.
gleichsam „frei“. Sie manipulierten folglich die Wahlen für 55 in der Weise, dass sie deren Abhaltung im Jahre 56 über einen Volkstribunen Gaius Cato (nicht zu verwechseln mit seinem berühmten Namensvetter!) blockierten und erst Anfang 55 unter Zuhilfenahme eines Interregnum ermöglichten. Der Erfolg ihrer Bemühungen war garantiert, denn man hatte „Urlauber“ aus Caesars Heer herbeischaffen lassen, die ihnen eine Stimmenmehrheit in den Zenturiatskomitien garantieren sollten. Ihren Mitbewerber um das Konsulat, Domitius Ahenobarbus, versuchten sie einzuschüchtern, doch wagte sich dieser immerhin mit Catos (jetzt ist wieder der berühmte Cato gemeint) Unterstützung aus dem Haus und machte sich mit Gefolge auf den Weg zum Marsfeld, dem Ort der Wahl. Die Triumvirn waren jedoch entschlossen, kein Risiko bei der Wahl einzugehen. Sie vertrieben daher die Gegner mit Gewalt (Cato wurde dabei verletzt). So wurden Pompeius und Crassus im Januar 55 zu Konsuln desselben Jahres „gewählt“ (Cassius Dio 39, 31 f.). Das Konsulatsjahr 55 war eine einzige Machtdemonstration der Triumvirn um ihrer eigenen Interessen willen; notwendige Reformen unterblieben allerdings. „Alles wofür ich eingetreten bin, … ist gänzlich beseitigt, die dignitas in der Meinungs- und Urteilsabgabe, die libertas in der politischen Betätigung“, so umschrieb Cicero den gänzlichen Abschied von der republikanischen Ordnung bereits kurz nach Amtsantritt der neuen Konsuln im Februar 55 (Ad familiares 1, 8, 3). Bestätigt wurde Ciceros Pessimismus durch die von Pompeius und Crassus vorgenommenen Wahlen der übrigen Ämter. Die Triumvirn manipulierten diese ebenfalls in einer Weise, dass man von freien Wahlen nicht mehr sprechen konnte. Im Ergebnis waren nur zwei der zehn Volkstribunen keine treuen Anhänger des Triumvirates; die Aedilenwahlen liefen sogar blutig ab, und bei der Wahl der Praetoren konnte Cato, der als aussichtsreicher Kandidat gehandelt wurde,
Willkür der Triumvirn
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Expansion und paralysierte Republik
IV.
Pompeius-Theater
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nur unter Einsatz von massiven Wahlgeldern und sakralen Manipulationen verhindert werden. An seiner statt konnte die Wahl des genehmen Publius Vatinius durchgedrückt werden (Plutarch, Cato minor 42, und Pompeius 52 f.; Cassius Dio 39, 32). Ähnlich willkürlich ging es bei der Verteilung der Provinzen auf die Statthalter zu. Als konsularisch wurden Spanien und Syrien bestimmt, die gemäß der Absprache mit Caesar auf Pompeius (Spanien) und Crassus (Syrien) fielen. Wegen angeblicher Unruhen beantragte ein Volkstribun namens Gaius Trebonius die Übertragung der Provinzen an die beiden mit weitreichenden Sondervollmachten auf fünf Jahre, was in turbulenten Versammlungen im April 55 angenommen wurde (Cassius Dio 39, 33). Kurz darauf beantragten die Konsuln selbst in der Volksversammlung eine entsprechende Ausstattungsverlängerung für Caesar in Gallien (lex Pompeia Licinia de provincia Caesaris, Cassius Dio 39, 33; Plutarch, Pompeius 52; Appian, Bella civilia 2, 18). Nahezu das gesamte militärische Potential des Römischen Reiches war nun auf die drei Männer verteilt. Während aber Caesar in Gallien agierte und Crassus sich schon im November 55 aus Rom entfernte, um mit militärischen Erfolgen gegen die Parther endlich auch seine persönliche Rolle im Triumvirat zu stärken, zog Pompeius es vor, in Rom „um des Staates willen“ (er war ja immer noch für die Getreideversorgung zuständig) zu bleiben; die beiden spanischen Provinzen (Hispania citerior und ulterior) übertrug er seinen Legaten Lucius Afranius und Marcus Petreius, allerdings unter seiner Oberaufsicht. Ein Spektakel besonderer Art war die Einweihung des Pompeius-Theaters, das der Konsul auf dem Marsfeld in Rom aus Stein hatte errichten lassen, und die mit dieser Einweihung verbundenen Spielveranstaltungen. Bauten und Spiele hatten in der Republik eine große, wenn auch noch nicht die überragende Bedeutung der Kaiserzeit erlangt. Schon Sulla, vor allem aber Pompeius setzten auf diesem Gebiet Akzente, und das in mehrfacher Hinsicht. Der Bauplatz für das Projekt war das Marsfeld – der Platz also, wo die Heeresversammlung zusammenzutreten pflegte –, sinnfällig vom großen Kriegsherrn Pompeius, der sich nie recht heimisch im eigentlichen Stadtzentrum gefühlt hatte, ausgewählt. Es war das erste Steintheater, Symbol der Dauerhaftigkeit, in Rom – bis dahin hatten sich die auf die Moral bedachten Zensoren dagegen verwahren können –, und es war als Tempelanlage konstruiert; denn verehrt wurde hier in einem eigenen Heiligtum die Venus Victrix („die siegreiche Venus“) als pompeianische Gottheit. Das Theater fasste nach antiken Angaben 17 000 Zuschauer, moderne Schätzungen reduzieren diese auf 11 000. Hinter dem Theater schloss ein riesiger Platz (180 × 135 m) an, von einer Porticus umsäumt, und genau gegenüber von und in einer Achse mit dem Tempel der Himmelsgöttin war die so genannte Kurie des Pompeius, ein neuer Sitzungssaal des Senates (!) und gleichzeitig Kultraum (Heroon) des Erdenherrschers, nämlich des Pompeius selbst. Die ganze Anlage übertrug hellenistische Herrscherarchitektur in neuer Deutung nach Rom. Sie wurde (und blieb es auch in der Kaiserzeit) die beliebteste römische Theateranlage (unter Augustus folgten zwei weitere, das Balbus- und das Marcellustheater), die später auch als idealer Treffpunkt für Liebespaare galt. Es ist nicht übertrieben, wenn man in der ganzen Anlage einen ersten Entwurf der späteren Kaiserforen sieht, wenn auch noch außerhalb des Stadtzentrums. Finanziert wurde es aus den un-
Die Erneuerung des Triumvirates 56
ermesslichen Finanzmitteln, die die pompeianische Ostpolitik Rom beschert hatte. Noch heute ist das Pompeius-Theater im Straßenbild der jetzigen Innenstadt Roms erkennbar. Der Größe des Baus entsprechend fulminant waren die Einweihungsfeierlichkeiten. Die Chronisten berichten von 500 Löwen und 18 Elefanten, die dabei getötet worden seien (Cassius Dio 39, 38). Sinnbildhaft steht die Menge dieser vernichteten fremden und wilden Tiere für die Pompeius verdankte Weltherrschaft, für seinen erfolgreichen Kampf gegen herrschsüchtige Könige und wilde Barbaren. Generell zeigten die Feierlichkeiten und die Ausstattung einen ungeheuren Aufwand, wie ihn die Republik bis dahin nie gesehen hatte. Für Cicero, der sonst öffentlichem Luxus keineswegs kritisch gegenüberstand, war das ein Zeichen von Maßlosigkeit (Ad familiares 7, 1). Mochten die Konsuln Pompeius und Crassus ihre Stellung einerseits auf diese Art und Weise manifestieren, so untergruben sie durch derartige Vorstellungen andererseits ihre gleichfalls erkennbaren Reformansätze im Hinblick auf die Stabilisierung der politischen Verhältnisse. Anders als die römischen Kaiser seit Augustus waren die Triumvirn ja noch integriert in die Nobilität und mussten daher ihre eigene Politik an den Maßstäben messen lassen, die sie selbst an andere anlegten. Nach all dem öffentlich zur Schau gestellten Prunk erschien der Versuch des Pompeius, eine lex sumptuaria, also ein Gesetz gegen den Luxus, einzubringen, geradezu absurd. Wohlmeinende rieten ihm dringend ab, weil er sich selbst nicht daran halte und gar nicht halten könne (Cassius Dio 39,37). Wenig überzeugend erschienen vielen Zeitgenossen wohl auch die Gesetze gegen die Erschleichung von Ämtern – wo doch ausgerechnet die Konsuln selbst kein noch so obskures Mittel ausgelassen hatten, um in ihr Amt zu gelangen und andere Kandidaten abzuschrecken bzw. zu protegieren – oder gegen Amtsmissbrauch in den Provinzen, dessen sich auch Anhänger der Triumvirn schuldig gemacht hatten. Pompeius erließ weitere durchaus sachlich gebo-
IV.
Das Pompeius-Theater auf dem Marsfeld
Unglaubwürdigkeit der Drei
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IV.
Widerstände
tene Gesetze, etwa über die Zusammensetzung, Unbestechlichkeit und Verfahrensweisen der Gerichte. Doch solange der verfassungsrechtliche Rahmen für Reformen nicht neu gefasst wurde, waren solche Versuche vergeblich. Sie gaben vor, eine Republik zu sanieren, die es durch das Triumvirat gar nicht mehr gab; so wurden sie als oktroyiert empfunden. Erschwerend für die politischen Bestrebungen des Pompeius kam hinzu, dass im Laufe des Jahres viele Republikaner ihre Stimme wieder erhoben. Es gelang ihnen, die erklärten Gegner des Dreibundes Lucius Domitius Ahenobarbus sowie Cato für das nächste Jahr in wichtige Ämter zu bringen, den einen ins Konsulat, den anderen in die Praetur. Stärkstes Missfallen in der ganzen Bürgerschaft lösten auch die Aushebungen aus, die beide Konsuln, Pompeius und Crassus, für ihre jeweiligen Kommanden in Spanien und insbesondere Syrien vornahmen. Diese offenkundige Eigenmächtigkeit führte zu einer Stärkung vor allem Catos, dessen Argumenten gegen die Triumvirn man in weiten Kreisen plötzlich gar nicht mehr ablehnend gegenüberstand (Cassius Dio 39, 39, 1). Ferner geriet der Pompeius-Getreue, Aulus Gabinius, der im Osten die Geschäfte seines Herrn und Meisters getreu erledigt hatte und, wie schon erwähnt, Ptolemaios XII. nach Ägypten zurückgeführt hatte, in die Kritik. Insbesondere Cicero tat sich dabei hervor, der sich nach seiner kurzen Annäherung an Pompeius, Caesar und Crassus wieder von den Triumvirn und insbesondere von Crassus distanzierte (Cicero, Ad familiares 1, 9, 20). Auch gegen Caesars Gallienpolitik wurden trotz immer neuer Erfolgsmeldungen Stimmen laut; Cato hatte ja sogar gefordert, Caesar den Usipetern und Tenkterern wegen Verletzung des Völkerrechtes auszuliefern. Zwar war daraus nichts geworden, und der Senat beschloss sogar im Gegenteil ein 20-tägiges Dankfest für Caesar. Aber die Luft wurde wieder dünner für den Dreibund, und die zunehmenden Erfolge der Republikaner nährten die Hoffnungen, die drei doch noch auseinander zu bringen.
5. Die Entfremdung: Die Jahre 54–50
Vorgehen der Republikaner
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Das Jahr 55 hatte noch einmal eindrucksvoll in Erinnerung gerufen, dass die Verfassungsorgane gegenüber der realen Macht der Triumvirn auf verlorenem Posten standen. Dies war auch gar nicht anders zu erwarten, denn Senat, Volksversammlung und Magistratur waren für die Bewältigung der anstehenden politischen Aufgaben in Rom und im Reich überfordert. Das zeigte sich auch in den folgenden Jahren. Wieder wurden die Konsulatswahlen zu einer Farce und führten dazu, dass 53 erneut auf ein Interregnum, eine Zeit ohne Konsuln im Amt, zurückgegriffen werden musste und sich die Wahl der neuen Konsuln bis in den Sommer dieses Jahres hinzog. Auch die Anklagen gegen Gabinius, den Pompeianer, gingen weiter; zwar scheiterte diejenige wegen Ägypten, aber in einem zweiten Prozess wegen Erpressung im Statthalteramt hatten die Republikaner Erfolg, obwohl sich auch Caesar für Gabinius stark gemacht hatte und erstaunlicherweise Cicero zu seiner Verteidigung gewonnen werden konnte. Man über-
Die Entfremdung: Die Jahre 54–50 legte, ob Pompeius nicht zum Diktator ernannt werden könnte, doch, wie Cicero schrieb, die „Adelshäupter wollen nicht“ (principes nolunt). Insbesondere Cato trat gegen Pompeius auf (Plutarch, Pompeius 54; Cato minor 45). Es lag wohl an dem von Sulla mit Blut besudelten Namen der Diktatur, dass die Republikaner sich bei Pompeius so verschätzten und ihm einen Coup d’état zutrauten. Trotzdem nahm seine Annäherung an die Optimaten immer mehr Gestalt an. Da Pompeius darauf beharrte, in Rom zu bleiben, setzte er auf politische Lösungen. Andererseits brauchte auch Caesar ihn dringend, der den Gallischen Krieg noch lange nicht beendet hatte und darum Helfer in Rom benötigte. Dann trat das vielleicht für die zukünftige Entwicklung entscheidende Ereignis ein, das der Verbindung zwischen den beiden Machthabern das persönliche Element nahm: der Tod Julias im September 54. Sie hatte ein gutes Verhältnis zu beiden, zum Vater wie zum Ehemann, und hatte in hohem Maße ausgleichend gewirkt. Sie war zudem im Volk sehr beliebt gewesen, sodass sie auf dem Marsfeld, dem Platz ihres Ehemannes Pompeius, bestattet wurde, und das, obwohl der Konsul dieses Jahres Lucius Domitius Ahenobarbus dies zu verhindern suchte. Der Bruch zwischen Caesar und Pompeius vollzog sich trotz Julias Tod keineswegs abrupt, denn solange ein pragmatisches Interesse an der Fortführung der Verbindung auf beiden Seiten bestand, änderte sich wenig. Paradoxerweise festigten sogar ausgerechnet die Republikaner das Band zwischen den beiden Rivalen, weil die Falken unter ihnen die Skrupellosigkeit des einen und die Konsensneigung des anderen jeweils unterschätzten. Doch mit Julias Tod war eine persönliche Klammer zwischen den beiden Politikern entfernt, deren zusammenhaltende Wirkung sich gerade auch in Streitfällen erwiesen hatte. Danach aber ging es Schlag auf Schlag. Am 15. Juni 53 starb Crassus nach der desaströsen Schlacht bei Carrhae gegen die Parther in Mesopotamien. Sein Versuch, es mit einem militärischen Erfolg gegen die Konkurrenzmacht im Osten seinen beiden Kollegen gleichzutun, war kläglich gescheitert. Plutarch hat einen großen Teil seiner Crassus-Biographie diesem Debakel der Römer gegen die Parther gewidmet (Crassus 17–39), dessen Wunden – es waren auch die römischen Feldzeichen vom Gegner erbeutet worden – erst Augustus eine Generation später heilen sollte. Mit dem Tod des Crassus fiel ein weiterer Puffer zwischen Pompeius und Caesar fort. Gleichzeitig verschärfte sich der Streit auf der „Sub-Ebene“. Für 52 bewarben sich die beiden gewaltbereiten Repräsentanten der Optimaten und Popularen Titus Annius Milo und Clodius um die höchsten Staatsämter, der eine um das Konsulat, der andere um die Praetur. Diese Konstellation konnte niemandem nützen, am wenigsten den verbliebenen Triumvirn. Die Wahl wurde zunächst wieder verzögert, doch am 18. Januar 52 ermordete Milo seinen Rivalen auf der Via Appia bei einer höchst undurchsichtigen Begegnung beider, die sich angeblich zufällig ergeben hatte. Beider Gefolge war zugegen. Milo mochte sich von der weit verbreiteten Antipathie gegen Clodius unter den Aristokraten Straflosigkeit und Schutz erhofft haben. Dabei unterschätzte er jedoch die Größe der Anhängerschaft des Ermordeten. Der amtierende Volkstribun ließ den leblosen Körper des Clodius auf dem Forum aufbahren, wobei die sofort anströmende und aufgebrachte Menge das Senatsgebäude und seine Nachbarbauten in Brand
IV.
Tod Julias
Tod des Crassus bei Carrhae
Ermordung des Clodius durch Milo
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Expansion und paralysierte Republik
IV.
Caesars Bewerbung um das Konsulat in absentia
Pompeius consul sine collega
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steckte. In einer spontan anberaumten Senatssitzung auf dem Palatin wurde ein Interrex – ein Interimsamt, wenn das höchste Staatsamt nicht besetzt werden konnte – bestellt sowie die Volkstribunen und Pompeius beauftragt, für den Schutz der Stadt zu sorgen. Die folgenden Tage und Wochen standen unter dem Eindruck dieses Ereignisses. Man erwog wieder, Pompeius die Diktatur anzutragen, doch der Widerstand kam diesmal von zwei Seiten: Cato und die Republikaner lehnten aus grundsätzlichen, verfassungspolitischen Überlegungen ab, Caesar, in arge Bedrängnis durch den Gallieraufstand unter Vercingetorix gebracht, befürchtete eine zu starke Stellung seines Kollegen und forderte von Ravenna aus ein gemeinsames Konsulat. Die Verhandlungen zwischen beiden erbrachten schließlich einen Kompromiss in der Angelegenheit „zweites Konsulat für Caesar für 48“: Es sollte eine Bewerbung Caesars in absentia erlaubt werden. Das war eigentlich nicht verfassungsgemäß, da die persönliche Anwesenheit bei der Bewerbung um ein Amt vorgeschrieben war. Auch Cicero war in die Verhandlungen über diese Frage involviert (Epistulae ad Atticum 7, 1, 4). Caesar versuchte darüber hinaus, wieder eine eheliche Verbindung mit Pompeius herzustellen: Er wollte sich von Calpurnia scheiden lassen und die Tochter des Pompeius heiraten, während dieser Caesars Großnichte Octavia, die mit Gaius Marcellus verheiratete Schwester des späteren Kaisers Augustus, ehelichen sollte; darauf ließ sich Pompeius jedoch nicht ein. Insgesamt war die Situation in Rom so verfahren, dass auch die Konservativen um Cato und Bibulus nicht umhin konnten, ihr Misstrauen gegen Pompeius hintanzustellen und ihn per Senatsbeschluss am 25. Februar zum Konsul ohne Amtsgenossen (consul sine collega) durch den Interrex ernennen zu lassen. Somit vollzog sich allmählich der Seitenwechsel des Pompeius zu den Republikanern. Zwar war es noch zu dem oben genannten Kompromiss mit Caesar über dessen Kandidatur für das Konsulat des Jahres 48 gekommen. Caesars Wunsch indes, dass Pompeius sich zusammen mit ihm selbst zu einer duumviralen Herrschaft in Rom bereit finden könnte, erfüllte sich nicht. Es gab seit dem Tode Julias immer weniger, was die beiden miteinander verband; ihre „Freundschaft“ (amicitia) wurde brüchig, und Pompeius ging offenkundig lieber mit den Optimaten zusammen. Das Konsulat des Pompeius „ohne Amtskollegen“ dauerte von jenem 25. Februar bis zum (wahrscheinlich) 1. August 52, also etwa fünf Monate, dann nahm er sich seinen neuen Schwiegervater Quintus Caecilius Metellus Scipio Nasica, der ein strammer Optimat war, zum Kollegen im Amt. Insgesamt zeigt die Amtsführung im Konsulat des Pompeius sein Selbstverständnis als Politiker. Mit breiter, auch optimatischer Zustimmung, ins Amt gelangt, packte er energisch die Aufgaben an, deren Erledigung von ihm erwartet wurde. Aber er tat das mit dem Blick auf seine Auftraggeber; während seiner Zeit in den Provinzen (Spanien, Afrika und vor allem im Osten) hatte er selbst über das, was sachlich notwendig war oder nicht, entschieden. Im Jahre 52 sah man ihn in einer anderen Rolle: Er festigte entschlossen, genau so wie sein Auftrag lautete, die republikanische Ordnung: Er legte Gesetze vor gegen politisch motivierte Gewalt, Amtserschleichung, ordnete die Geschworenengerichte, verkürzte den Prozessverlauf und regelte das Amtsrecht neu. Dabei erwies er sich auf
Die Entfremdung: Die Jahre 54–50 dem innerrömischen Sektor, anders als in der Herrschaftspolitik, als gelehriger Schüler Sullas. Rom und die republikanische Ordnung waren auch für Pompeius das Maß aller Dinge, nicht das Reich. Wenn ein Gesetz bestimmte, dass jeder Amtsbewerber sich persönlich zu bewerben habe und dass zwischen stadtrömischem Amt und Statthalterschaft mindestens fünf Jahre liegen sollten, so war das, aus stadtrömisch-republikanischer Perspektive betrachtet, wichtig und notwendig. Aber dieses wie andere Gesetze dienten ja ausschließlich dazu, den gestörten Umgang innerhalb der aristokratischen politischen Kultur zu reparieren und damit der Aristokratie die Herrschaft zu sichern. Spätere Geschichtsschreiber wie Tacitus kritisierten das gesetzgeberische Vorgehen des Pompeius zu dieser Zeit ausdrücklich als ausufernd, zumal er selbst keineswegs allzu starr an seinen eigenen Gesetzen festhielt. Gesetze waren offenkundig kein geeignetes Mittel, die Krise zu beheben. So brachte das Jahr 52 die Erkenntnis, dass die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in der Hauptstadt selbst noch nicht reif für eine Verfassung wie die des augusteischen Prinzipates war, auch wenn Pompeius in diese Richtung arbeitete: Er war gerade in dieser Phase der fünfziger Jahre noch kein Princeps im Sinne des Augustus, wie es in neuerer Zeit vor allem Eduard Meyer herausgearbeitet hat. Besser gesagt: In Rom war er das nicht, weil Pompeius immer primus inter pares sein wollte, aber nicht frei gestaltender Princeps wie Augustus. Die Einschätzung, dass von Pompeius keine monarchische Gefahr ausgehe, teilten nicht alle, aber die meisten Republikaner, und so zogen sie die Schlussfolgerung, dass man die Zusammenarbeit mit Pompeius gegen die ungleich größere Bedrohung durch Caesar gefahrlos forcieren könne. Schließlich hatte er gleich zu Beginn seines Konsulates Cato gebeten, sein Ratgeber zu werden. Sogar das Amt der Zensur wurde wieder aktiviert. Insofern brachte in verfassungspolitischer Hinsicht das Amtsjahr als consul sine collega eher einen Rückschritt. Aber einen besonderen und allseits begrüßten Erfolg hatte dieses Konsulat doch erbracht: Der bis dahin allgegenwärtige Straßenkampf in Rom hörte erst einmal auf; Clodius war bereits tot, Milo wurde noch im April in einem die Öffentlichkeit aufwühlenden Prozess mit starker militärischer Präsenz des Pompeius auf dem Forum verurteilt und in die Verbannung geschickt. Die berühmt gewordene, später veröffentlichte Rede Ciceros zu Milos Verteidigung half nichts, und sie wurde wohl auch nicht so überzeugend gehalten, wie es die publizierte Rede ist. Pompeius sorgte also durchaus für Ordnung im republikanischen Sinne. Doch zeigen die Briefe Ciceros auch, dass das Misstrauen überzeugter Republik-Anhänger gegen den alternden General niemals ganz verschwand. Nun aber wurde die Frage nach Caesars zweitem Konsulat und dem Termin für das Ende seiner Statthalterschaft immer dringlicher. 52 hatte Pompeius noch durch ein Gesetz aller zehn Volkstribunen zugesichert, dass sich Caesar in Abwesenheit um das angestrebte Konsulat bewerben dürfe. Nur so wäre dieser der drohenden Anklage seiner Gegner entgangen. Aber schon als Caesar Anfang 51 den Senat um Verlängerung seines Imperiums in Gallien bis 48 bat, trat ihm der neue Konsul Marcus Claudius Marcellus nicht nur entgegen, sondern er ging vielmehr mit Catos Unterstützung selbst in die Offensive. Er stellte nämlich im Senat formal fest,
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Auswirkung des Konsulates
Was wird aus Caesar?
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Expansion und paralysierte Republik
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Pompeius’ Scheitern als ordnender Ausgleicher
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dass der Gallische Krieg beendet und das „siegreiche Heer“ daher vorzeitig zu entlassen sei; die Nachfolger Caesars sollten bereits jetzt, also im April 51, nach Gallien geschickt werden. Selbstverständlich gelte das Gesetz des Pompeius vom vorigen Jahr, dass Amtsbewerbungen in Abwesenheit unzulässig seien. Um das Maß voll zu machen, griff er zudem Caesars Bürgerrechtspolitik an (Sueton, Caesar 28). Caesars Tribunen in Rom und auch der Mitkonsul des Marcellus, Sulpicius, verhinderten zwar eine unmittelbare Umsetzung dieser Forderungen, aber die Agitation der Republikaner gegen Caesar verschärfte sich. Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten des Pompeius bemerkenswert, der nun zwischen alle Stühle geriet. Einerseits ließ er sich die Bemerkung entreißen, alle müssten dem Senat gehorchen (Cicero, Ad familiares 8, 4, 4), andererseits ging er einer klaren Positionsbestimmung aus dem Wege. Weder konnte man ihn dazu bewegen, die Caesar für Gallien „geliehene“ Legion jetzt wieder abzufordern, noch in der Frage der Nachfolge im Prokonsulat eindeutig Stellung zu beziehen. Im Lager der Caesar-Anhänger freilich war man von Pompeius tief enttäuscht, und der caesarianische Geschichtsschreiber Sallust schreibt in einem Brief an Caesar zu dieser Zeit, Pompeius sei so gestrauchelt, dass er den Feinden die Waffen in die Hand gegeben habe (Sallust, Epistula 2, 3). Der Historiker hat nach der Durchsicht der Quellen auch heute keine Klarheit, was Pompeius wirklich vorhatte. Möglicherweise zog es ihn in seine Provinz nach Spanien zu seinen Soldaten, doch blieb er – angeblich aus gesundheitlichen Gründen – in Italien. Vom 19. bis 21. Mai besuchte ihn Cicero, der sich auf den Weg in „seine“ Provinz Kilikien begeben hatte, in Tarent. Im fünften Buch der Atticus-Briefe berichtet er von den gemeinsamen politischen Gesprächen. Diese verliefen ganz im Sinne Ciceros und bestärkten ihn in dem Bewusstsein, dass Pompeius für die senatorische Sache gewonnen sei. Folgerichtig bemühte sich Cicero in der folgenden Zeit darum, „alle Kräfte der Stadt“ der Führung des Pompeius zu unterstellen. Die seltsame Lähmung des princeps civitatis wurzelte indes in seiner politischen Grundhaltung: Er wollte nicht in die Parteiauseinandersetzungen hineingezogen werden, sondern über den Dingen stehend, ausgleichend und ordnend wirken. Darin kann man durchaus sein politisches Konzept erblicken. Doch dem ständigen Sog der Republikaner ausgesetzt, die selbst keineswegs einheitlich agierten, entfernte er sich allmählich von jenem Standpunkt und ließ sich vereinnahmen. Stück für Stück ließ er sich zu einer ausdrücklich gegen Caesar gerichteten Politik hinüberziehen, dessen Ambitionen er freilich selbst höchst misstrauisch gegenüberstand. Längst ging es nicht mehr um sachliche Themen, sondern seit April 51 drehte sich alles allein um die „gallische Frage“ und Caesars zweites Konsulat. In einer entscheidenden Senatssitzung auf dem Marsfeld vom 29. September 51, an der Pompeius teilnahm, wurde im Grunde der Bürgerkrieg beschlossen (Cicero, Ad familiares 8, 8). Ciceros Briefpartner Caelius berichtete in einem Brief vom Oktober 51, dass sich Pompeius nach langen Debatten zu der Haltung durchgerungen habe, dass Caesar seine Provinzen sofort nach dem 1. März 50 abgeben müsse, und dass dementsprechend im Senat beschlossen wurde. Die meisten Senatoren interpretierten nämlich die Rechtslage so, dass zwar verabredungsgemäß vor dem 1. März 50 nicht über die Provinzen verhandelt werden durfte, aber gleich
Die Entfremdung: Die Jahre 54–50
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an diesem Termin Nachfolger in diese entsandt werden konnten. Denn das pompeianische Gesetz von 52 hatte ja einen Fünfjahreszeitraum zwischen Stadtamt und Statthalterschaft gelegt und damit standen zur Nachfolge alle Konsulare und Praetorier bereit und nicht nur diejenigen des Jahres 49. Alles wartete also auf jenen 1. März.
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V. Der Bürgerkrieg 49–45 7. 12. 50
Endgültiger Bruch zwischen Pompeius und Caesar 11. 1. 49 Überschreitung des Rubicon durch Caesar und Ausbruch des Krieges 31. 3. 49–6. 4. 49 Caesar in Rom (1) 2. 12. 49–12. 12. 49 Caesar in Rom (2): Übernahme der Diktatur und Wahl zum Konsul für 48 17. 7. 48 Niederlage Caesars bei Dyrrachium 9. 8. 48 Schlacht bei Pharsalos in Thessalien und Niederlage des Pompeius 28. 9. 48 Ermordung des Pompeius in Ägypten 2. 10. 48–28. 7. 47 Caesar in Alexandria 2. 8. 47 Schlacht bei Zela und Sieg Caesars über Pharnakes von Pontos (veni vidi vici) 4. 10. 47–Dezember 47 Caesar in Rom (3) 6. 4. 46 Schlacht bei Thapsos in Nordafrika: Sieg Caesars über die Pompeianer unter Scipio 12. 4. 46 Catos Selbstmord in Utica 25. 7. 46–Anfang Caesar in Rom (4): Einweihung des forum Iulium November 46 (25./26. 9. 46) und des Tempels der Venus Genetrix 17. 3. 45 Schlacht bei Munda in Spanien: endgültiger Sieg Caesars im Bürgerkrieg, diesmal über den Sohn des Pompeius Anfang Oktober 45 Caesar in Rom (5): Beginn seiner Alleinherrschaft
1. Der Bruch zwischen Caesar und Pompeius: Dezember 50 bis 11. Januar 49 Vorboten des Krieges
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Die Jahre 51 und 50 waren Jahre der Weichenstellung für den nun immer wahrscheinlicher werdenden Bürgerkrieg. Die radikalen Optimaten führten ihre Politik der Nadelstiche gegen Caesar fort, gemäßigtere Politiker wie Cicero vertrauten in ihrer Hoffnung auf einen friedlich-schiedlichen Ausgang der Krise ganz auf die Autorität und Macht des Pompeius (Cicero, Pro Milone 68; Ad familiares 2, 8, 2), der deshalb auch in Italien bleiben sollte. Caesar dagegen setzte auf Bestechung, um seine Position in Rom vertreten zu wissen. Es gelang ihm, den Konsul des Jahres 50, Lucius Aemilius Lepidus Paullus, mit einer Summe von 1500 Talenten ruhig zu stellen, und – was noch schwerer wog – den Volkstribunen Gaius Scribonius Curio mit einer noch höheren Summe (man sprach von 60 Millionen Sesterzen, Valerius Maximus 9, 1, 6) für sich zu gewinnen. Curio stellte sogleich im Senat ein Junktim in Caesars Sinne her: „Alle Personen, die in Waffen stünden, müssten diese niederlegen und ihre Legionen auflösen, oder man solle
Der Bruch zwischen Caesar und Pompeius
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auch Caesar nicht seiner Waffen berauben und den Streitkräften seiner Gegner ausliefern“ (Cassius Dio 40, 62, 3). Das zielte natürlich auf Pompeius; da dieser auch sein Heer hätte entlassen müssen, konnte er auf den Antrag Curios nicht eingehen. Andererseits war die Forderung nach Entlassung beider Heere nicht unbillig, sodass man notgedrungen Caesar länger als geplant im Amt belassen musste (Cicero, Ad familiares 8, 11, 3). Immerhin gelang es im Juni 50 per Senatsbeschluss, Caesar zwei Legionen – eine gallische und die von Pompeius geliehene – abzunehmen, die angeblich für einen Krieg im Osten des Reiches bestimmt sein sollten. Die Abgesandten des Senates in dieser Sache an Caesar meinten, als sie die Legionen übernahmen, eine verbreitete Erschöpfung, Zerrüttung und Kampfesunwilligkeit in Caesars Heer erkennen zu können (Plutarch, Pompeius 57; Caesar 29; Caesar, De bello civili 1, 6, 2). Pompeius glaubte diesen Informationen und unternahm so gut wie nichts an zusätzlichen eigenen Rüstungen; er soll vielmehr großsprecherisch verkündet haben: „Wo immer ich in Italien mit dem Fuß aufstampfe, tauchen Fuß- und Reitertruppen empor“ (Plutarch, Pompeius 57). Obwohl sich auch Pompeius des nun unvermeidlichen Zusammenstoßes mit Caesar bewusst war, fühlte er sich ihm offenbar überlegen. Diese Selbstüberschätzung verleitete ihn zu völliger Tatenlosigkeit, was Cicero ihm nach dem Kriegsausbruch Anfang 49 arg verübelte (Cicero, Epistulae ad Atticum, 8; 9). In jenem Jahr 50 gab es auch wieder Zensoren, die als Sittenwächter ihres Amtes walteten und viele Persönlichkeiten aus dem Senat stießen – Caesarianer insbesondere, darunter den Historiker Sallust (Cassius Dio 40, 63); der Versuch, mit Hilfe der Zensoren auch den entschlossenen Caesar-Anhänger Curio zu degradieren, scheiterte allerdings. Zensorisches Sittengericht Das zensorische Sittengericht (regimen morum) gilt als der Inbegriff staatlicher Eingriffsrechte in das private Leben des Einzelnen. Der Idee nach sollte jeder Bürger auf die Einhaltung überlieferter und allgemein akzeptierter Regeln verpflichtet werden. Abweichungen vom Verhaltenskodex wurden mit dem Verlust der Ehrenrechte und gesellschaftlicher Ächtung bestraft. Die Aufgabe, die Lebensführung der Bürger zu überprüfen, oblag dem Zensor. Die Zeitgenossen sahen darin das Merkmal der Zensur, die allerdings aus anderen Gründen zur Entlastung der Konsuln schon in der Mitte des 5. Jahrhunderts eingerichtet worden ist. Die erste beglaubigte Anwendung des regimen morum auf einen Senator erfolgte aber erst 276, als Publius Cornelius Rufinus wegen des Besitzes von 10 Pfund Tafelsilber aus dem Senat ausgestoßen wurde. Auf diese Weise reagierte die Römische Republik auf erste Krisensymptome, indem sie diese als eine Abkehr vom mos maiorum deutete. Die Zensur wurde in der folgenden Zeit immer mehr auch im innenpolitischen Kampf missbraucht, sodass Sulla sie abschaffte. Doch kurzfristig wurde sie von Pompeius wieder reaktiviert, bis sie unter Augustus endgültig nicht mehr besetzt wurde.
Die Wiedereinführung der Zensur zeigt besonders, wie sehr Pompeius den Schulterschluss mit den republikanischen Kräften suchte. Freilich stand der Senat in jenen Dezembertagen des Jahres 50 nicht geschlossen hinter Pompeius. Vielmehr wollten seine konservativen Mitglieder am liebsten beide, Caesar und Pompeius, loswerden, denn in erster Linie beherrschte Angst vor der Herrschaftsergreifung eines Einzelnen das Feld (Cassius Dio
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Beginn des Krieges
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Der Bürgerkrieg 49–45
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Pompeius’ Taktik
Verhandlungen
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40, 64). Appian berichtet, dass am 1. Dezember von den Mitgliedern des Senates immerhin 370 für das Junktim Curios – beide, Caesar und Pompeius, sollten ihre Soldaten entlassen – stimmten, und nur 22 dagegen. Der optimatische Konsul Marcellus löste daraufhin den Senat mit den Worten auf: „Nun, so nehmt Caesar als Herrn“ (Appian, Bella civilia 2, 30). Wenig später fiel die Entscheidung zum Krieg. Beschleunigt wurde sie durch Gerüchte von einem Anmarsch Caesars mit zehn Legionen. Am 4. Dezember, nachdem ein reguläres senatus consultum ultimum nicht zustandegekommen war, griff der Konsul Marcellus ohne Konsultation seines Amtskollegen zu einem verfassungsrechtlich nicht gedeckten Verfahren, um den Notstand zu erklären: Zusammen mit den designierten und ebenfalls anticaesarischen Konsuln von 49 übergab er außerhalb des Pomeriums, also formal nicht innerhalb der Stadt Rom, Pompeius ein Schwert und übertrug ihm offiziell den Schutz des Staates. Die bereitstehenden zwei italischen Legionen wurden ihm unterstellt, und es wurde ihm der Auftrag für Neuaushebungen erteilt. Das alles war in höchstem Maße windig. Auch Pompeius wusste das. Doch er nahm den Auftrag an, „wenn es keinen anderen Ausweg gibt“ (Appian, Bella civilia 2, 31). Am 7. Dezember schon brach Pompeius zu seinen Truppen nach Campanien auf. Sie sollten wie auch die neu ausgehobenen Verbände nach dem strategisch günstigeren Apulien verlegt werden. Der Organisator Pompeius hatte schon frühzeitig, nämlich im Frühherbst 50 (Cicero, Epistulae ad Atticum 6, 8, 2), damit gerechnet, im Falle eines Konfliktes mit Caesar Italien verlassen und den bevorstehenden Krieg auf der gesicherten Grundlage der östlichen Reserven führen zu müssen (Cicero, Epistulae ad Atticum 7, 9, 2). Cicero wird ihm später diese Strategie als Versagen, als Untätigkeit, als Dummheit vorwerfen (in den Briefen der Bücher 8 und 9 seiner Korrespondenz mit Atticus), doch ließen sich für sie auch gute Argumente anführen. Pompeius hatte in Italien nur zwei Legionen zur Verfügung, und auch diese, von Caesar wenig vorher übergebenen Soldaten waren keineswegs sichere Gefährten. Darüber hinaus hatte Pompeius sechs Legionen in Spanien, die von seinen Legaten Afranius und Petreius geführt wurden. Doch seine wirkliche Machtbasis lag im Osten, wo er zahlreiche Klientelfürsten sich verpflichtet wusste und durch seine Neuordnung des Jahres 63 als Wohltäter gefeiert war. Caesar dagegen hielt sich zwar nur mit einer Legion, etwa 5000 Mann und 300 Reitern, in Ravenna auf. Insgesamt standen ihm allerdings noch zehn Legionen in Gallien zur Verfügung, denen Pompeius in Italien nichts Gleichwertiges entgegensetzen konnte. So sind die Klagen Ciceros über die Entscheidungen des Pompeius verständlich, aber von der Sache her nicht gerechtfertigt. Die Verhandlungen zwischen beiden Seiten gingen gleich am 1. Januar 49 bei Amtsantritt der neuen Konsuln, Gaius Claudius Marcellus und Lucius Cornelius Lentulus Crus, weiter, doch waren es Scheinverhandlungen, die lediglich zum Zwecke der eigenen Rechtfertigung geführt wurden. An diesem Tag nämlich wurde ein Brief Caesars mit der altbekannten Forderung im Senat verlesen: Er wolle seine Legionen auflösen und sein Amt abgeben, wenn auch Pompeius das tue. Diese Forderung war anmaßend und durch keine verfassungsrechtliche Konstruktion legitimiert. Caesar garnierte sie daher mit einem Katalog seiner bisherigen Verdienste um den Staat
Der Bruch zwischen Caesar und Pompeius und einer rechtfertigenden Zurückweisung der Anklagen gegen ihn (Cassius Dio 41, 1); er verteidigte damit seinen „Rang“ (dignitas). Im Senat wurde dies aber als offene Kriegserklärung aufgefasst (Appian, Bella civilia 2, 32). Pompeius selbst konnte an der Sitzung nicht teilnehmen, da er Imperium-Träger war und daher das Pomerium nicht überschreiten durfte (Caesar, De bello civili 1, 2). Aber sein Heer lag drohend vor Rom. So lehnte man mehrheitlich eine Abberufung des Pompeius ab und setzte Caesar eine Frist zur Entlassung seiner Legionen, andernfalls sollte er als Feind des Staates deklariert werden. Der Druck auf Caesar schien tatsächlich Wirkung zu zeigen: Er reduzierte in den nächsten Tagen seine Forderungen, versprach schließlich, neun Legionen abzugeben und nur noch das Illyricum als Provinz bis zum 1. Januar 48 behalten zu wollen (Velleius Paterculus 2, 49, 4; Plutarch, Pompeius 59, 6); die Voraussetzung dafür freilich sei, dass Pompeius nach Spanien gehe. Cicero hatte sich für diesen Vorschlag stark gemacht, und selbst Pompeius war geneigt, das Angebot Caesars anzunehmen (Cicero, Ad familiares 6, 6, 5), doch setzten sich die strikt ablehnenden Falken um Lentulus und Cato durch (Sueton, Caesar 30, 1; Velleius Paterculus 2, 49, 3). Die caesarischen Volkstribunen, insbesondere Marcus Antonius und Cassius Longinus, kämpften demgegenüber mit allen verfassungsrechtlich erlaubten Mitteln gegen die Absetzung Caesars – erfolglos, sie mussten fliehen. Caesar erhielt nun einen Nachfolger für seine Statthalterschaft in Gallien und der Notstand wurde ausgerufen, das senatus consultum ultimum. Pompeius wurde mit allen Rechten zur Aushebung neuer Truppen in einer Größenordnung von 130 000 Mann ausgestattet (Appian, Bella civilia 2, 34). Zu diesem Zwecke teilte Pompeius Italien in Regionen ein (Cicero, Ad familiares 16, 11, 3), die er systematisch durch seine Gefolgsleute – auch Cicero unterstand eine solche Region, nämlich Kampanien – zu seinen Rüstungen heranzog. Sein Ziel war jedoch von Anfang an nicht die Aufstellung eines Heeres, um Caesar in Italien entgegenzutreten; er wusste schließlich genau, dass ihm hier Caesars erfahrene Gallienlegionen überlegen waren. Vielmehr sollte Caesar keine Ressourcen in Italien mehr vorfinden. Cicero hat diese Politik aufs schärfste missbilligt und sie mit den sullanischen Proscriptionen verglichen; sullaturit Pompeius, das heißt: er will ein zweiter Sulla werden, schreibt Cicero mit origineller Wortschöpfung im April 49 an Atticus (Cicero, Epistulae ad Atticum 9, 10, 6). Die Schnelligkeit freilich, mit der Caesar auf diese Neuigkeiten reagierte, hatte keiner vorausgeahnt. Ohne auf seine Legionen zu warten, überschritt Caesar mit kleiner Gefolgschaft in der Nacht vom 11. auf den 12. Januar den Rubicon. Dieser ist ein kleiner Fluss (heute: Pisatello) zwischen Ravenna und Rimini, mit einem großen symbolträchtigen Namen. Er bildete die Grenze zur Gallia cisalpina. Zahlreiche Legenden ranken sich um dieses Ereignis des „Rubicon-Überschreitens“, Legenden, die auf die historische Dimension der Tat und Caesars Wissen um die Folgen seines Tuns verweisen, auf seine Skrupellosigkeit und auf das Wirken höherer Mächte zum Schaden Roms. Die Wendung „den Rubicon überschreiten“ ist ebenso sprichwörtlich geworden wie das Wort Caesars alea iacta est – der Würfel ist gefallen; er soll es an dieser Stelle gesprochen haben. Vorzeichen und Visionen überhöhten im Bewusstsein der Zeitgenossen (zum Beispiel Sue-
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Caesars Überschreiten des Rubicon
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Der Bürgerkrieg 49–45
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ton, Caesar 33, 1; Plutarch, Caesar 32; dramatisch ausgestaltet bei dem zur Zeit Neros schreibenden Dichter Lucan 1, 183–261) ein Ereignis, das in der Tat zu einem mit Sullas „Marsch auf Rom“ vergleichbaren Wendepunkt in der römischen Geschichte werden sollte: Caesar hatte den Krieg in Italien eröffnet, einen Krieg, der das endgültige Ende der Republik einläutete. Um die historische Bedeutung dieses Ereignisses wussten auch die Menschen jener Zeit. Die Rechtslage in diesem Konflikt war zwar eindeutig: Der eine – Pompeius – stützte sich auf einen institutionell abgesicherten Auftrag der res publica, der andere – Caesar – stand gänzlich außerhalb der Rechtsordnung. Doch Illusionen über die Zukunft dürften sich die wenigsten gemacht haben. Wer auch immer siegen würde – die alte Republik mit ihrem charakteristischen Zusammenspiel der Institutionen und Personen würde in jedem Fall auf dem Schlachtfeld bleiben. Auch Pompeius, der so sehr von den republikanischen Ideen durchdrungen war, hätte sich kaum den neu geschaffenen Realitäten verschließen können: Sein Ansehen (auctoritas) wäre im Falle des Sieges über Caesar noch um ein Vielfaches größer geworden, als es ohnehin schon war, und auctoritas war immer eine wesentliche Voraussetzung für Politiker der Republik gewesen. Die Quelle dieses Ansehens, die soziale, militärische und materielle Machtstellung, hätte sicherlich republikanische Dimensionen gesprengt. Wie auch immer er sich dazu gestellt hätte – die Republik wäre eine andere geworden, eine Alleinherrschaft, wenn auch republikanisch verbrämt, möglicherweise die logische Konsequenz gewesen.
2. Die Preisgabe Italiens durch Pompeius
Caesars Einnahme Italiens
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Caesars Trümpfe für die bevorstehende Auseinandersetzung waren seine Unabhängigkeit, seine Schnelligkeit und seine Überzeugungskraft. Pompeius hatte andere Vorzüge, aber gerade nicht diese, auf die es jetzt ankam: Er war nicht unabhängig, weil er Rücksicht auf die einflussreichen und weiterhin gegen ihn misstrauischen Republikaner zu nehmen hatte, er war seiner Natur nach eher vorsichtig als schnell und, was letzten Endes entscheidend war, es gelang ihm nicht, seinen mit großen Opfern für seine Gefolgsleute verbundenen strategischen Plänen die nötige Zustimmung zu verschaffen. Wir stehen in diesen letzten Wintertagen des Jahres 49 am Wendepunkt der römischen Geschichte und haben das Glück, fast Augenzeugen sein zu dürfen. Die Quellen fließen für antike Verhältnisse ausnahmsweise reichlich. Sie lassen uns teilhaben an den Diskussionen in den Parteien, an den Ängsten, Hoffnungen und Enttäuschungen der Menschen in Rom und Italien. Vom 11. Januar bis zum 16. März 49 vollzog sich die Räumung Italiens durch Pompeius. Mit ihm zogen alle verfassungstreuen Magistrate und Senatoren aus – dramatischer und symbolträchtiger konnte der endgültige Auszug der Republik aus Rom nicht inszeniert werden. Diese zwei Monate klären uns auch über die Tragik des Pompeius auf, warum Erfolg und Misserfolg bei ihm so nahe beieinander lagen. Caesars Rubicon-Überschreitung erfolgte gewiss nicht so spontan und von seinen starrköpfigen Gegnern erzwungen, wie er uns selbst glauben
Die Preisgabe Italiens durch Pompeius machen will. Die Eroberung Nord- und Mittelitaliens, Umbriens und Etruriens, selbst des pompeianischen Kernlandes, des ager Picenus (Sueton, Caesar 34), gelang dann aber schnell und mühelos. Der größte Erfolg war die Einnahme Corfiniums, das von Lucius Domitius Ahenobarbus und einer großen pompeianischen Streitmacht nicht gehalten werden konnte; hier wurde der legendäre Ruf von der clementia Caesaris begründet (Caesar, De bello civili 1, 19–23). Die Milde gegenüber dem Gegner kompensierte das juristische Defizit. Sie war eine persönliche, traditionell herrscherliche Tugend, mittels derer der innenpolitische Gegner – und nur für ihn traf sie zu – geködert werden sollte; über den Verlust der libertas konnte sie nicht hinwegtrösten. In Corfinium waren fünf Männer senatorischer Herkunft – unter ihnen auch gewesene Konsuln wie Publius Cornelius Lentulus Spinther – und eine große Anzahl von römischen Rittern. Um zu beweisen, dass er nicht in feindlicher Absicht den Rubicon überschritten habe, sondern um sich vor den Anwürfen seiner Feinde zu schützen, seine dignitas zu bewahren, die vertriebenen Volkstribunen wieder in ihre alten Rechte einzusetzen sowie die römische Freiheit gegen die Clique der „Wenigen“ zu verteidigen, entließ Caesar alle Gefangenen mit ihrem Hab und Gut. Diese Großzügigkeit war Bestandteil einer systematisch angelegten Strategie, die sich einerseits auf militärische Überrumpelung, andererseits auf die propagandistisch herausgestellte Legitimität seines Vorgehens gründete. Um diese glaubwürdig demonstrieren zu können, riskierte Caesar Begnadigungen auch solcher Gegner, von denen er vermuten konnte, dass sie bei der nächstbesten Gelegenheit wieder auf die Seite des Pompeius wechseln würden; so geschah es auch mit den bei der Einnahme von Corfinium begnadigten Senatoren. Doch zunächst stärkte Caesar durch diese Strategie seine anfänglich schwache Position zusehends. Immer mehr Soldaten strömten jetzt aus Gallien herbei, neue wurden rekrutiert. Gleichzeitig stellte sich Caesar als der wahre Vertreter republikanischer Traditionen dar (Caesar, De bello civili 1, 6), versuchte die Gegner zu spalten – das hatte er schließlich in Gallien gelernt –, betrieb Verhandlungen und forderte insbesondere ein persönliches Gespräch mit Pompeius (Cassius Dio 41, 5, 3; Caesar, De bello civili 1, 9; Cicero, Ad familiares 16, 12, 3). Letzteres war außerordentlich geschickt, denn erstens bestand für ihn nur auf diesem Wege, nämlich der Erneuerung der alten Freundschaft, überhaupt die Möglichkeit, ohne die Unwägbarkeiten eines Krieges seine Stellung abzusichern, und wenn das nicht gelang, so nährte mindestens diese Forderung die alten Vorbehalte der Republikaner gegenüber Pompeius und seiner Zuverlässigkeit. Dieser musste daher entschieden ablehnen: Verhandlungen könnten nur über den Senat laufen, war seine Antwort (Cicero, Epistulae ad Atticum 7, 14, 1). Pompeius überließ wie gewöhnlich nichts dem Zufall: Er plante, aus einer sicheren Position heraus die Entscheidung herbeizuführen. Sicher aber konnte er – abgesehen von seinem Stammland im Osten Italiens (ager Picenus) – nur in Griechenland, Asien und Nordafrika, also in den Hauptregionen seines politischen Wirkens sein. Dazu musste er allerdings Rom und ganz Italien dem Gegner überlassen. Immerhin hatte er noch Spanien auf seiner Seite, denn dort waren als Folge des ihm in Luca übertragenen Imperiums seine Legaten mit insgesamt sechs Legio-
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Auszug der Pompeianer aus Rom
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Bewertung dieses Schrittes
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nen stationiert. Caesar hatte angesichts dieser Machtverteilung eigentlich keine Chance, wenn der gegnerische Plan, sich auf die materiellen und militärischen Ressourcen dieser reichen Regionen zu stützen, glückte. Deshalb setzte er alles daran, Pompeius am Verlassen Italiens zu hindern. Er erreichte jedoch zu spät die Hafenstadt Brundisium, wo Pompeius inzwischen am 4. und am 17. März seine 50 italischen Kohorten (= fünf Legionen) nach Dyrrhachium (Epidamnos) übergesetzt hatte. Schon die Zeitgenossen werteten diese Aktion als eine der größten organisatorischen Leistungen des Pompeius (Plutarch, Pompeius 63, 1). Allerdings fiel ein Makel auf diesen Erfolg, und der war psychologischer Natur: Man hatte die Hauptstadt verlassen. War das nicht Flucht? Wurde nicht der Kampfpreis, um den sich alles drehte, gegen alle Notwendigkeit freiwillig preisgegeben? Pompeius hatte sich zwar gerechtfertigt und gesagt, was schon berühmte Griechen wie Themistokles und Aristoteles im 5. und 4. Jahrhundert gesagt hatten: Nicht Häuser und Mauern machen die res publica aus, sondern die Menschen (Cicero, Epistulae ad Atticum 7, 11, 3; Appian, Bella civilia 2, 37). Und schließlich hatte er ja auch nahezu alle Magistrate und Senatoren, die Angehörigen der rechtmäßigen Institutionen, mit sich genommen. Pompeius berief sich hier also auf eine philosophisch vorgegebene Staatsdefinition, die sich nicht mit neuzeitlichen Definitionen deckt; nach der heute immer noch weit verbreiteten Auffassung besteht ein Staat aus 1. einem Staatsvolk, 2. einem Staatsgebiet und 3. einer Staatsverfassung. Die von Pompeius zitierte griechische Auffassung, wie sie insbesondere Aristoteles in seiner staatsphilosophischen Abhandlung Politica ausformuliert hatte, konzentrierte sich auf die Polis, den „Stadtstaat“. Die Pompeianer griffen jetzt auf diese Staatsdefinition gerne zurück, weil sie sich als „wahre“ res publica, auch wenn sie nicht in Rom residierten, betrachteten. Der römische Staat ist, so lautete diese Auffassung, dort, wo seine Vertreter sind. Cicero selbst hat in seinem Buch „Über den Staat“ eine ähnliche, den Staat als Personenverband deutende Definition gegeben: „Res publica ist also die Sache des Volkes, Volk ist aber nicht jede Zusammenkunft von Menschen, die irgendwie zustande gekommen ist, sondern die Vereinigung einer Menge auf der Basis gemeinsamen Rechts und gemeinsamer Interessen“ (coetus multitudinis iuris consensu et utilitatis communione: De re publica 1, 39). Eine Theorie ist freilich nur ein schlechter Ersatz, wenn man gezwungen wird, sein Hab und Gut mit einer ungewissen Existenz fern der Heimat zu vertauschen. Cicero erging es wie vielen anderen: Er war zornig und ängstlich gleichzeitig, vor allem aber enttäuscht von dem großen Pompeius, dessen militärische Fähigkeiten er einstmals in den Himmel gehoben hatte und den er nun in seiner Verzweiflung als völlig unfähig bezeichnete (Cicero, Epistulae ad Atticum 7, 13, 1; 8, 16, 1). Es fehlte den republikanisch gesinnten nobiles wie ihm ganz einfach die Einsicht in die Notwendigkeit dieses Schrittes. Und noch eines kam hinzu: Der Erfolg der pompeianischen Strategie hing von ihrer Durchsetzungsfähigkeit ab, das heißt, die alten Eliten hätten sich bedingungslos ihrem General unterordnen müssen. Dazu jedoch war die republikanische Führung zu selbstbewusst, um sich allen Anordnungen des ehemals verhassten Feldherrn zu beugen, zumal man sie für falsch
Die Preisgabe Italiens durch Pompeius hielt (Cicero, Epistulae ad Atticum 9, 10) und den Absichten des Pompeius auch generell misstraute. Die nobiles und ihre herausragenden Vertreter, die Cornelii, Metelli und alle anderen Angehörigen der alten Adelsgeschlechter vertrauten eher – ganz streng republikanisch – auf ihre eigenen Kompetenzen. Das zeigte sich immer wieder: Als Pompeius zum Beispiel anordnete, öffentliche und private Gelder aus Rom und Italien mitzunehmen und nicht dem Gegner zu überlassen, hörte man nicht auf ihn. Viele Senatoren folgten ihm außerdem sehr spät nach, wie Cicero selbst, der sich erst am 7. Juni anschloss. Es wirkte sich also in diesen Fragen und auch später in der Auseinandersetzung mit Caesar die Unterordnung des Pompeius unter die republikanischen Gepflogenheiten durchaus nachteilig aus. Dadurch wurde bei den Zeitgenossen und ebenso einigen modernen Kommentatoren der Eindruck erweckt, als sei Pompeius nicht sonderlich kompetent, auch zu nachgiebig und unentschlossen gewesen. Zunächst jedoch war am 7. März das strategische Ziel erreicht: Caesar war zwar im Besitze Italiens, aber er war von zwei Seiten eingeschlossen. Denn Pompeius und die Republikaner hatten Spanien und den Ostteil des Reiches mit Griechenland unter ihrer Kontrolle. Cicero wusste um die Pläne des Pompeius; er hatte sie in einem Brief an Atticus bereits am 27. Februar formuliert: „Aber er hat die Stadt nicht verlassen, weil er sie nicht schützen konnte, und nicht Italien, weil er vertrieben worden wäre, sondern er hat von Anfang an nur das eine im Sinn gehabt: alle Länder, alle Meere aufzuwühlen, Barbarenkönige anzustacheln, unzivilisierte Völker bewaffnet nach Italien zu bringen, riesige Heere zusammenzuführen. Schon lange wird jene Form des sullanischen Königtums (regnum) gewünscht“ (Cicero, Epistulae ad Atticum 8, 11, 2). An anderer Stelle (Epistulae ad Atticum 10, 7) raisonniert er, dass Pompeius zwar „der rechtschaffenere und integrere König wäre, dessen Sieg für den Fortbestand des römischen Namens unabdingbar“ sei; doch siege er zu sullanisch (Sullano more exemploque). Für Cicero wie für viele andere war das ein zu hoher Preis für den Sieg eines Mannes, der sich nach ihrer Meinung nur graduell von seinem Gegner, Caesar, unterschied. Nichts bringt stärker das Misstrauen, ja völlige Unverständnis der Führungselite Roms ihrem Feldherrn gegenüber zum Ausdruck als diese Erwägungen Ciceros. Caesar selbst überlegte nicht lange: Italien hatte er zwar unter Kontrolle und damit besaß er einen nicht zu unterschätzenden psychologischen Vorteil, aber für einen Krieg im Osten war er (noch) nicht gerüstet. So blieb Spanien als nächstes Kriegsziel, um den Rücken für den entscheidenden Schritt über die Adria freizubekommen. Vor den Seinen sprach er von einem Feldzug „gegen ein Heer ohne Feldherrn“ (Sueton, Caesar 34), denn es wurde nicht von Pompeius selbst geführt. Doch zunächst ließ er sich Zeit. Er besuchte Rom, die Hauptstadt, die er seit seinem Auszug nach Gallien nicht mehr gesehen hatte. Auf dem Weg dorthin traf er sich am 28. März in Formiae auch mit Cicero, den er seit den Januartagen umworben hatte und dem er jetzt in drohender Pose nahe legte, ebenfalls nach Rom zu kommen und an einer für den 1. April angekündigten Senatssitzung teilzunehmen. Doch Cicero zeigte Charakter: Er werde, so antwortete er, in aller Öffentlichkeit für einen Senatsbeschluss (senatus consultum) plädieren, der Caesar untersagen sollte, nach Spanien und nach Griechen-
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Caesar in Rom
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land zu gehen; die Lage des Pompeius werde er beklagen. Caesar drohte daraufhin offen mit der Alleinherrschaft (Cicero, Epistulae ad Atticum 9, 18; Ad familiares 4, 1, 1; Caesar, De bello civili 1, 32, 7: per se rem publicam administraturum). Am 1. April versammelten die Volkstribunen Marcus Antonius und Quintus Cassius Longinus den Senat außerhalb des Pomeriums. Aus welchen Personen dieser Senat bestand, ist unklar; die verfassungstreuen Senatoren waren gewiss bei Pompeius oder zumindest nicht in dieser Sitzung anwesend. Cicero spricht von einer „Sitzung von Senatoren“ (consessus senatorum), nicht vom Senat (Cicero, Epistulae ad Atticum 10, 1, 2; Ad familiares 4, 1, 1), der kaiserzeitliche Dichter Lucan (3, 104) von einem nicht rechtmäßig einberufenen „Schwarm von Ratsvätern“(turba patrum). Caesar rechtfertigte sich auf dem Forum erneut, forderte eine Gesandtschaft an Pompeius, die aber aus Furcht vor demselben nicht zustandekam (Caesar, De bello civili 1, 32 f.). In einer gleichfalls außerhalb des Pomeriums einberufenen Volksversammlung machte Caesar der plebs Romana finanzielle Versprechungen (Cassius Dio 41, 16). Vollends zum Debakel wurde sein Versuch, sich des im Saturntempel auf dem Forum verwahrten Staatsschatzes zu bedienen (Appian, Bella civilia 2, 41); nur gewaltsam und unter erheblichem Prestigeverlust konnte er ihn in seine Hand bekommen. Obwohl er der augenblickliche unumschränkte Herr Roms war, hatte er Widerstand vom Senat und vom Volk erfahren – Caesar war verbittert. „Alles wird von mir ausgehen“ – so wird glaubhaft ein Ausspruch von ihm zu dieser Zeit überliefert (Cicero, Epistulae ad Atticum 10, 4, 9), der kaum mehr verhüllt mit der Alleinherrschaft drohte (s. Quelle).
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Brief Caesars an Cicero (Cicero, Epistulae ad Atticum 10, 8b) Imperator Caesar grüßt Imperator Cicero. Obwohl ich dir keine Unbesonnenheit, keine Unvorsichtigkeit zutraue, glaube ich doch, bewogen durch das Gerede der Leute, dir schreiben und dich bei unserer Liebe bitten zu sollen, jetzt, da die Sache schon fast entschieden ist, keinen Schritt zu tun, den du, so lange sie sich noch in der Schwebe befand, zu vermeiden für richtig hieltest. Denn du wirst der Freundschaft schwerer Unrecht tun und für dich weniger gut sorgen, wenn es den Anschein hat, nicht etwa, du habest dem Glück gehorcht – denn auf unserer Seite ist alles sehr günstig, auf der andern sehr ungünstig verlaufen – oder du seiest der Sache gefolgt – denn sie war dieselbe, als du dich entschiedst, ihren Plänen fernzubleiben –, sondern du habest irgendeine meiner Handlungen verurteilt. Etwas Schlimmeres könnte mir von dir nicht widerfahren. Dass du das nicht tust, darum bitte ich dich bei dem Rechte unserer Freundschaft. Schließlich, was ziemt sich für einen wackern Mann und einen ruhigen und guten Bürger mehr als inneren Streitigkeiten fernzubleiben? Einige konnten, obwohl sie das billigten, wegen ihrer Gefährdung nicht danach handeln. Da du das Zeugnis meines Lebens und das Urteil meiner Freundschaft genau kennst, wirst du für deine Sicherheit und Ehre nichts Besseres finden als allem Kampf fernzubleiben. [Datum] Am 16. April von der Reise.
Der Aufenthalt in Rom dauerte nur wenige Tage, vom 31. März bis zum 7. April, und er war enttäuschend gewesen – Caesar machte deshalb das, was er wirklich konnte und immer tat, wenn er politisch nicht mehr weiter
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Die Preisgabe Italiens durch Pompeius wusste: Er brach zu einem Krieg auf. Nachdem er in Rom (unter dem Praetor Marcus Aemilius Lepidus), Italien (Marcus Antonius als Volkstribun) und auf den Inseln die Aufgabenbereiche an seine Legaten vergeben hatte (Appian, Bella civilia 2, 41) sowie außerdem den jüdischen Hasmonäerfürsten und Pompeius-Feind Aristobul freigelassen hatte (Cassius Dio 41, 18, 1; Flavius Josephus, Antiquitates 14, 123), machte er sich unverzüglich auf den Weg nach Spanien, denn von dort drohte unmittelbar Gefahr für seine Provinz Gallien und Italien selbst. Zwischen dem Verlassen Roms am 7. April und dem zweiten Romaufenthalt vom 2.–12. Dezember 49 eroberte Caesar Spanien und sicherte sich damit den Westen des Reiches, während seine Legaten die ihnen gestellten Aufgaben mehr oder weniger erfolgreich absolvierten: Von den Inseln konnten die Pompeianer vertrieben werden (Caesar, De bello civili 1, 30 f.), doch in Afrika scheiterte der im Auftrag Caesars operierende Curio (der dabei starb) mit vier Legionen, in Illyrien musste sich auch Gaius Antonius den Pompeianern geschlagen geben (Appian, Bella civilia 2, 44–47; Cassius Dio 41, 40–42). Ein ähnliches Ergebnis zugunsten der Pompeianer hatte Cicero auch für Spanien erwartet, das er für eine sichere Bastion hielt (Cicero, Epistulae ad Atticum 10, 12a, 3), und dasselbe dachten wohl auch die Bewohner von Massilia, die offiziell neutral waren, in Wirklichkeit aber die pompeianische Seite unterstützten (Caesar, De bello civili 1, 34–36). Massilia Das östlich des Rhonedeltas gelegene Massilia (heute Marseille) war um 600 v. Chr. von den kleinasiatischen Phokaiern gegründet worden und stand seit dem 3. Jahrhundert in enger Beziehung zu Rom. Seit dem Seeräuberkrieg und der diesem folgenden Sicherheit auf allen Meeren war die Stadt Pompeius verpflichtet und stand deshalb faktisch im Bürgerkrieg auf seiner Seite; sie hatte wohl auch zu Caesars Erfolgsaussichten kein besonderes Zutrauen. Offiziell gab man sich allerdings als neutral aus. Aufgrund ihrer Lage auf der Verbindungsstrecke zwischen Italien und Spanien hatte der Besitz der Stadt eine große strategische Bedeutung für Caesar. Deshalb setzte er alles daran, sie zu erobern, was aber erst nach einer langen, ein halbes Jahr dauernden Belagerung und heftigem Widerstand seitens der Bewohner gelang. Caesar bestrafte die Stadt hart: Sie musste vollständig abrüsten (insbesondere die Flotte), den Staatsschatz abgeben, Gebiete abtreten und eine Besatzung von zwei Legionen aufnehmen.
Der Erfolg in Spanien ging schneller vonstatten als die Einnahme Massilias, in deren Verlauf Caesar einmal mehr sein Glück bemühen musste. Im Grunde gab es in Spanien überhaupt keine regelrechte Entscheidungsschlacht. Sechs caesarischen Legionen standen fünf pompeianische Legionen unter den inzwischen gealterten Generälen Afranius und Petreius im Norden Spaniens im Ebro-Gebiet bei der Stadt Ilerda gegenüber; in Lusitanien (im Westen) residierte noch der Pompeianer Marcus Terentius Varro mit einer Legion. Die Sympathien der Einheimischen waren zumeist auf der Seite des Pompeius, der sich in den Tagen des Sertorius-Aufstandes vor fast 30 Jahren hier eine feste Basis geschaffen hatte. Entscheidend für Caesars Erfolg waren seine Schnelligkeit, Risikobereitschaft und vor allem wieder seine Milde (clementia) den Besiegten gegenüber. Caesars eigene Darstellung über die Ereignisse im 1. Buch des Bellum civile ist sehr ausführlich; ihr Grundzug liegt darin, dass der Bürgerkrieg nicht die Vernichtung
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Vorgehen der Caesarianer
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Caesar in Spanien
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Der Westen in Caesars Hand
Militärische Lage
Meuterei caesarischer Soldaten
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des Gegners zum Ziel haben dürfe. Während des Stellungskrieges bei Ilerda kam es zu Verbrüderungsszenen (Caesar, De bello civili 1, 74–76), die der pompeianische Legat Petreius brutal beendete, Caesar hingegen für seine Zwecke nutzen konnte. Die Kapitulation der Pompeianer erfolgte am 2. August nach nur 40 Tagen Krieg unter moderaten Bedingungen (Caesar, De bello civili 1, 78–85; Lucan 4, 337–63); die beiden Provinzen in Spanien mussten von den Pompeianern geräumt, das Heer entlassen werden. Auch Varro entschloss sich zur Aufgabe in Hispania ulterior (Caesar, De bello civili 2, 18–20; Cassius Dio 41, 23). Caesar belohnte seine eigenen Getreuen, doch erhob er in Spanien deftige Kriegskontributionen. Noch schlimmer wirkte sich aus, dass er als „seinen“ Statthalter in Spanien den Volkstribunen Quintus Cassius Longinus zurückließ, der die Provinz fortan hemmungslos ausplünderte (Cassius Dio 41, 23 f.). Inzwischen waren die caesarischen Legaten Decimus Brutus und Gaius Trebonius auch bei der Eroberung Massilias weitergekommen, und als Caesar auf dem Rückweg von Spanien über Massilia marschierte, kapitulierte die Stadt. Sie wurde mit zwei Legionen Besatzung belegt, musste Kriegskontributionen entrichten und ihr militärisches Potential abtreten, blieb aber sonst unversehrt (Caesar, De bello civili 2,2 1 f.; Cassius Dio 41, 25). Caesar hatte damit sein erstes Ziel erreicht: Der gesamte Westteil des Römischen Reiches unterstand jetzt ihm: Gallien, Spanien, Italien mit der Hauptstadt und die Inseln waren eine tragfähige Basis für die endgültige Auseinandersetzung mit Pompeius. Psychologisch wichtig war der Besitz der Hauptstadt. Der Rücken war für den Krieg im Osten frei. So war der Bürgerkrieg endgültig zu einem Weltkrieg geworden, in dem sich die westliche und die östliche Hemisphäre gegenüberstanden. Für Caesar hatte sich jetzt deutlich die Konstellation gegenüber dem Winter und Frühjahr 49 verbessert: Zwölf Legionen konnte er nach Brundisium marschieren lassen, von wo aus sie über die Adria an die epirotische Küste übergesetzt werden sollten. Dies erwies sich freilich als höchst schwierig, denn nach wie vor war die Übermacht des Pompeius eine unleugbare Tatsache, zumal er im Osten alles mobilisiert hatte, was ihm verbunden war. Besonders drückend war die Überlegenheit der Flotte, die möglicherweise 600 Kriegsschiffe (Appian, Bella civilia 2, 49) umfasste; dazu kamen elf Legionen und ein entsprechendes Aufgebot an Hilfstruppen. Provinzen, Könige, Fürsten und Städte trugen zu seiner riesigen Armee bei, der die caesarische zu Wasser, aber auch zu Lande quantitativ weit unterlegen war (Caesar, De bello civili 3, 4; Plutarch, Pompeius 64). Lediglich die Kampferfahrung seiner Soldaten, erworben in den zahlreichen und existentiellen Kämpfen in Gallien, Spanien und Italien, sprach für Caesar. Dieser musste freilich jetzt eine neue Erfahrung machen, nämlich dass auch ständiges Siegen unzufrieden machen kann. Seine Soldaten, zumindest ein Teil von ihnen (insbesondere die Neunte Legion), meuterten jedenfalls, da sie endlich die Früchte ihres Tuns einfahren wollten, um die sie sich durch ständig neue, weitergehende Kriegsziele betrogen sahen. Das Zentrum der Meuterei war Placentia (Piacenza). Caesar konnte die Gefahr einer Eskalation bannen, weil er massenpsychologisch geschickt Strafen in Verbindung mit einer Art Liebesentzug androhte, die Pflichtvergessenheit
Die Preisgabe Italiens durch Pompeius der Betroffenen direkt ansprach und seine Enttäuschung über das Verhalten der Meuternden ihm gegenüber formulierte (Cassius Dio 41, 26–36, 1). So besannen sich die Meuternden auf das nicht lösbare Band zwischen den Soldaten und ihrem Feldherrn, das wohl die gewaltigste Machtbasis für Caesar im Bürgerkrieg bildete. Caesar selbst verschwieg aus nahe liegenden Gründen das Ereignis in seinen commentarii, obwohl er gerade hier seine psychologischen Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte; doch warf wohl die Tatsache einer Meuterei römischer Bürgersoldaten an sich einen zu dunklen Schatten auf die Rechtmäßigkeit seiner Kriegsziele und seine weiße Unschuldsweste. Während seine Truppen nach Brundisium marschierten, begab sich Caesar erst einmal nach Rom. Er blieb dort elf Tage, vom 2. bis zum 12. Dezember des Jahres 49. Es war sein zweiter Aufenthalt in der Hauptstadt nach Ausbruch des Bürgerkrieges, und zum ersten Mal wurde er zum Diktator ernannt – dieses Amt sollte das wichtigste für Caesar werden. Über die Prozedur dieser Ernennung sind sich die Quellen uneins; Caesar selbst spricht davon, er habe noch in Massilia die Nachricht erhalten, „dass ein Gesetz zur Einsetzung der Diktatur eingebracht und er vom Praetor Marcus Lepidus zum Diktator ernannt worden war“ (Caesar, De bello civili 3, 21, 5). Einige Quellen sprechen von einer Volkswahl nach seiner Ankunft in Rom (Appian, Bella civilia 2, 48), andere von einer Senatswahl (Plutarch, Caesar 37). Dreißig Jahre waren vergangen, seit Sulla dieses Notstandsamt für sich reklamiert hatte, und nach den sullanischen Exzessen war allein schon der Begriff „Diktatur“ verhasst. Jetzt wurde das Amt wieder eingeführt, vielleicht mit größerem Recht als einst bei Sulla; doch wer wollte angesichts der Abwesenheit von mindestens 200 Senatoren und der meisten hohen Magistrate noch von Recht, von Verfassung sprechen? Für Caesar freilich sollte die Diktatur das Amt zur Beschreibung einer monarchischen Stellung im Staate schlechthin werden – eine andere Definition als dieses aus dem republikanischen Repertoire entnommene Sonderamt konnte er sich für seine herausgehobene Stellung auch später nicht vorstellen oder jedenfalls nicht durchsetzen. Insofern kommt diesem zweiten Romaufenthalt Caesars im Dezember 49 eine große verfassungspolitische Bedeutung zu. In diesem Dezember des Jahres 49 nutzte Caesar die Diktatur zunächst einmal, um drängende Probleme in Rom zu lösen. Er ließ Wahlen abhalten, in denen er zum Konsul für 48 gewählt wurde – im Grunde war ja gerade diese Wahl in das höchste Staatsamt sein eigentliches Kriegsziel gewesen; sein Amtskollege wurde Publius Servilius Isauricus (Caesar, De bello civili 3,1). Da der Krieg auch die Finanzwelt durcheinander gebracht hatte, galt sein Hauptaugenmerk der Wiederherstellung des Vertrauens in den römischen Staat. Es gab viele Schuldner, die die hohen Zinsforderungen der Gläubiger nicht hatten begleichen können; zudem war der Wert der Grundstücke durch die Kriegswirren rapide gesunken. Einen von vielen geforderten allgemeinen Schuldenerlass lehnte Caesar ab, suchte vielmehr nach einem Kompromiss, der als Bemessungsgrundlage für Grundstücke den Vorkriegspreis festlegte und den Interessen von Gläubigern und Schuldnern gleichermaßen Rechnung tragen sollte (s. Quelle). Man sieht aus diesem Vorgehen Caesars, dass ein Umsturz der Verhältnisse keines-
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Caesars erste Diktatur
Maßnahmen des Diktators
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falls seine Billigung fand, der Druck aus seiner Anhängerschaft in diese Richtung aber durchaus vorhanden war.
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Caesars Maßnahmen zur Ordnung der verwirrten Finanzverhältnisse (Cassius Dio 41, 37 f.) Caesar kam nun beiden Gruppen so weit wie möglich zur Hilfe. Er befahl, dass die Pfänder ihrem Werte entsprechend eingeschätzt würden, und gab außerdem Anweisung, dass Schiedsrichter für diesen Zweck den streitenden Parteien zugelost werden sollten. Da auch zahlreiche Leute, wie man sagte, viel Geld besaßen, doch alles verborgen hielten, verbot Caesar, dass jemand mehr als 60 000 Sesterzen in Silber oder Gold haben dürfe; dabei betonte er, dass er dieses Gesetz nicht selbst erlassen, sondern nur eine bei früherer Gelegenheit ergangene Anordnung erneuere. Sein Ziel war entweder, dass die Schuldner ihren Gläubigern einen Teil der Summe zurückzahlten und diese dann den Geldbedürftigen leihen könnten oder dass die wohlhabenden Bürger bekannt würden und keiner von ihnen sein Geld beisammen halte aus Furcht, es könnte in seiner Abwesenheit zu einem Umsturz kommen. Als jedoch das Volk ob dieser Maßnahme übermütig wurde und noch verlangte, dass auch den Sklaven für Angaben gegen ihre Herren Belohnungen in Aussicht gestellt werden sollten, weigerte sich Caesar, das Gesetz mit einem solchen Zusatz zu versehen, und rief dazu noch Fluch und Verderben auf sich herab, wenn er jemals einem Sklaven bei Aussagen gegen seinen Herrn Glauben schenke.
Desgleichen musste er personelle Lücken in Ämtern und Verwaltung schließen, die durch den Abzug nahezu der gesamten Elite in Rom entstanden waren. Dadurch kamen viele Neulinge zu Ämtern und Ehren. Weitere Maßnahmen zur Belohnung seiner Anhänger folgten: Den Bewohnern der Provinz jenseits des Po erteilte er ebenso das Bürgerrecht (Cassius Dio 41, 36, 3) wie den Einwohnern der spanischen Stadt Gades (Cassius Dio 41, 24, 1). Des Weiteren wurden die Nachfahren der von Sulla Geächteten wieder in ihre alten Rechte eingesetzt, und die im Jahre 52 durch verschiedene Prozesse Verbannten durften zurückkehren. Alles in allem erweiterte Caesar erheblich den geographischen Raum, in dem römische Bürger lebten. Innere Feinde wurden auch jetzt nicht geächtet, doch Juba, der numidische König, der für die Niederlage Curios in Afrika in der Hauptsache verantwortlich gewesen war, wurde zum „Staatsfeind“ (hostis) erklärt (Cassius Dio 41, 42, 7). Bereits nach elf Tagen legte er seine Diktatur nieder. Caesars Wirken in Rom charakterisiert ihn als einen berechnenden, keineswegs einseitig seine Anhänger begünstigenden Politiker. Sozialpolitik und Bürgerrechtsverleihungen dienten der Gewinnung beziehungsweise der Belohnung seiner Anhänger, an dem republikanischen Prozedere wurde, soweit nötig, festgehalten, da es für die Verwaltung unabdingbar war; doch wie Caesars Umgang mit den Weihegaben zeigt, wurden Verfassung und Religion instrumentalisiert für augenblickliche Zwecke. Pragmatismus war das Gebot der Stunde. Ein politisches Programm war jedenfalls in diesen Dezembertagen des Jahres 49 nicht erkennbar, mit dem Perspektiven für die Zukunft hätten sichtbar werden können.
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Pharsalos
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3. Pharsalos Die Schlacht von Pharsalos, die das Schicksal des Pompeius besiegelte, fand am 9. August 48 statt. Bis zu diesem Datum war das Ergebnis des Bürgerkrieges völlig offen. Die Lage des Römischen Reiches im Frühjahr und Sommer des Jahres 48 war ausgesprochen sonderbar und gleichsam eine frühe Vorwegnahme der Hauptstadtverlegung nach Konstantinopel und der Reichsteilung in der Spätantike. Es war tatsächlich auch im Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius eine neue Hauptstadt in Thessalonike gegründet worden: Hier waren der größte Teil des römischen Senates sowie der Beamtenschaft versammelt (Eutrop 6, 20, 4). Pompeius achtete streng darauf, dass die Rechtlichkeit des Vorgehens den räumlichen Wechsel der Hauptstadt vergessen ließ (Cassius Dio 41, 43) und dass der Bürgerkriegssituation durch Milde gegenüber dem Gegner Rechnung getragen wurde: Auf Catos Antrag hin wurde in Thessalonike beschlossen, Gegner ausschließlich im Gefecht zu töten – mithin keine Gefangenenhinrichtungen durchzuführen – und keine Plünderungen vorzunehmen (Plutarch, Pompeius 65). Caesar dagegen war im Besitz der alten Hauptstadt und versuchte, die durch den Abzug der rechtmäßigen Institutionen abhanden gekommene Legitimität zu erneuern beziehungsweise das Problem durch eine konsequente clementia-Politik überhaupt vergessen zu machen. Er erkannte selbstverständlich die alte, ausgelagerte Regierung nicht an. Ständig bemühte er sich aber, mit Pompeius persönlich ins Gespräch zu kommen. Sollte es zu einer Einigung kommen, müssten „die Friedensbedingungen in Rom vom Senat und Volke erbeten werden“; beide sollten „in der Volksversammlung sofort“ schwören, „das Heer binnen drei Tagen zu entlassen“ (Caesar, De bello civili 3, 10). Man sieht, wie auffällig republikanisch sich Caesar jetzt gab. Wenn Pompeius auf die Vorschläge Caesars eingegangen wäre, hätte er die Institutionen in Rom und nicht die seinen in Thessalonike als die rechtmäßigen anerkannt; er hatte deshalb keine Wahl, er musste ablehnen, obwohl er selbst vielleicht an einem Ausgleich interessiert war. Pompeius vertraute militärisch auf seine Seeüberlegenheit. „Er meint, wer das Meer beherrscht, der werde unbedingt den Krieg gewinnen“, schrieb Cicero an Atticus (Cicero, Epistulae ad Atticum 10, 8, 4). Von den Territorien des Reiches hatte er allerdings bereits einige verloren: Sizilien, Sardinien, Italien und Spanien; nur Afrika hatte vor Caesar bewahrt werden können. Doch die bedeutendsten Machtmittel des Reiches lagen immer noch im Osten, und gerade deshalb drängte Caesar zur Eile, zur Entscheidung. Je länger diese nämlich auf sich warten ließ, umso günstiger sah es für Pompeius aus. Für Caesar führte der Weg nach Pharsalos in Thessalien von der italischen Hafenstadt Brundisium aus über Dyrrhachium (vormals Epidamnos, heute Durazzo in Albanien), eine kleine Hafenstadt in Epirus, die Weltgeschichte hätte schreiben können. Zunächst hatte Caesar einmal mehr seine Gegner überrascht, war er doch noch in der Winterzeit von Brundisium mit immerhin sieben seiner jetzt auf zwölf Legionen angewachsenen Streitmacht nach Epirus übergesetzt, obwohl ihn die pompeianische Flotte unter
Lage des Römischen Reiches
Caesars Landung in Epirus
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Sieg der Pompeianer bei Dyrrachium
Siegeszuversicht bei den Pompeianern
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Bibulus, dem alten Widersacher Caesars hindern sollte. Zu Recht wurde in der modernen Forschung hervorgehoben, dass die umfassende Planung des Pompeius durch die Nachlässigkeit oder auch den Hochmut seiner republikanischen Kollegen mehr als einmal konterkariert wurde. So war es mit Cato, der Sizilien kampflos an Curio abtrat, und so war es auch jetzt mit Bibulus, der offenbar nicht mit Caesars kühnem Wagnis gerechnet hatte (Caesar, De bello civili 3, 5). Erst der Versuch Caesars, auch den Rest der Truppen von Italien nach Epirus übersetzen zu lassen, wurde von Bibulus brutal und blutig unterbunden (Cassius Dio 41, 44; Appian, Bella civilia 2, 52–54). Auch die berühmte eigenmächtige, legendenumwobene und überaus riskante Fahrt Caesars zurück nach Brundisium – er wollte selbst seine Legionen herüberholen – musste wegen eines Sturms abgebrochen werden (Cassius Dio 41, 46; Plutarch, Caesar 38), doch sollte sie seine Entschlossenheit und Risikobereitschaft verdeutlichen: „Nur Mut, du fährst Caesar“ (Cassius Dio 41, 46) – es verdichtet sich in diesem Bonmot, das er dem Kapitän des Schiffes zugewandt gesagt haben soll, der Charakter Caesars, der in dieser und ähnlichen Legenden demjenigen eines Hasardeurs gleicht. Am 17. Juli 48 hätte allerdings für Caesar alles zu Ende sein können, und das hatte folgende Bewandtnis. Caesar suchte nach seiner Landung in Epirus sofort die schnelle Entscheidung, zumal als auch Antonius noch mit dem in Italien verbliebenen Teil der caesarischen Truppen nach Illyrien hatte übersetzen können, um sein Heer zu verstärken (Plutarch, Antonius 7). Dabei schreckte er auch nicht vor geradezu wahnwitzig-absurden Unternehmungen zurück. Bei Dyrrachium schloss er das dort lagernde und größere Heer des Pompeius mit einem Belagerungsring ein – und dies, obwohl er selbst zu Lande und zu Wasser von jeder Versorgungsmöglichkeit abgeschnitten war. Pompeius, der im Vertrauen auf seine Überlegenheit einer Schlacht, deren Ende immer unkalkulierbar war, aus dem Wege ging, sah sich zu einem Durchbruch des riesigen Belagerungsringes (25,5 km Umfang) gezwungen. Dabei errang er einen bedeutenden militärischen Sieg, von dem Caesar später selbst sagte, dass er zu seiner Vernichtung hätte führen können: „Heute hätten die Feinde den Sieg davon tragen können, wenn sie einen gehabt hätten, der zu siegen versteht“ (Plutarch, Pompeius 65, 3; Caesar, De bello civili 3, 70, 1). Eigenen Angaben zufolge seien fast 1000 Soldaten und namhafte römische Ritter auf Caesars Seite dabei umgekommen, doch diente die Angabe auch dazu, in aller Öffentlichkeit die Grausamkeit des Pompeius gegen römische Bürger und Ritter zu betonen. Caesar versäumte es auch nicht, seinen Lesern die Ungeheuerlichkeit mitzuteilen, dass sich Pompeius nach diesem Sieg über römische Bürger den Ehrentitel eines Imperators hatte verleihen lassen (Caesar, De bello civili 3, 71). Unter den Pompeianern verbreitete sich nach diesem Erfolg Siegeszuversicht, man meinte sogar, den Sieg bereits errungen zu haben, verkündete Siegesmeldungen in alle Richtungen und diskutierte über die Rückkehr nach Italien. Pompeius trat dem entgegen (Plutarch, Pompeius 66; Appian, Bella civilia 2, 65), weil Caesar ja noch nicht vollständig besiegt war. Er setzte sich zwar durch (Plutarch, Pompeius 67, 1), doch offenkundig nur mühsam. An seiner Strategie, Caesar langsam auszuhungern, hielt er fest
Pharsalos – dieser befand sich ja im Herrschaftsgebiet des Feindes, und so war die abwartende Strategie gewiss die sicherste Art und Weise, jedes Risiko und ein Blutvergießen zu vermeiden –, doch der Druck auf eine schnelle Entscheidung wuchs im eigenen Lager zusehends. Mit dem in Thessalien zu ihm stoßenden Scipio musste er, um bei seinen Leuten die Ruhe zu wahren, die Feldherrnwürde teilen; dies war er auch seiner republikanischen Gesinnung schuldig (Caesar, De bello civili 3, 82). Caesar war es inzwischen gelungen, in Richtung Makedonien und Thessalien abzuziehen. Pompeius folgte ihm mit dem Großteil des Heeres, nachdem er alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte; Cato blieb mit 15 Kohorten in Dyrrhachium stationiert (Cassius Dio 42, 10). Trotz des Sieges – oder gerade deswegen – wuchs die Opposition gegen Pompeius beständig, denn im Grunde ihres Herzens sahen die Optimaten zwischen ihm und Caesar nur geringe Unterschiede (Cassius Dio 41, 54; Appian, Bella civilia 2, 67; Plutarch, Pompeius 67); für sie galt es in erster Linie, möglichst frühzeitig die republikanische Zukunft zu sichern, zumal jetzt nach dem sicher geglaubten Sieg gegen Caesar. Da man zudem die Kampfmoral der Caesarianer für schlecht hielt – es gab Versorgungsengpässe, dazu die Niederlage und den Unmut der gallischen Legionen –, erzwangen die Republikaner gegen den Rat des Pompeius die Entscheidungsschlacht (Appian, Bella civilia 2, 69; Caesar, De bello civili 3, 86). Sie fand statt am 9. August 48 bei Pharsalos in der Phthiotis im südlichen Thessalien, 50 km südwestlich von Larissa. Die Schlacht ist in den Quellen vielfach, vor allem natürlich von Caesar selbst, beschrieben worden (Caesar, De bello civili 3, 82–99; Plutarch, Pompeius 70–73; Plutarch, Caesar 40–46; Appian, Bella civilia 2, 66–82; Cassius Dio 41, 51–63; Lucan 6, 314–7, 872). In der Tatsache, dass sie gegen den Willen des Pompeius geführt wurde, liegt gewiss der Hauptgrund für den Erfolg Caesars. Der bis dahin unbesiegte Pompeius erlitt offenkundig einen Nervenzusammenbruch und floh, so berichten die Quellen, in kopfloser Hast. Er „gab daraufhin sogleich alle seine Pläne auf, vergaß die ihm eigene Tatkraft und zog auch nicht mehr die große Zahl der ihm verbliebenen Truppen oder die Tatsache in Betracht, dass doch das Glück oft schon in kürzester Zeit die Gestürzten wieder erhebt“ – Cassius Dios Einschätzung teilten viele Beobachter (Cassius Dio 42, 1). Pompeius hatte insbesondere auf seine überlegene Reiterei gesetzt, die den Gegner auf dessen rechten Flügel umfassen sollte. Der Plan wurde vereitelt, weil Caesar das vorausgesehen hatte und – für die Pompeianer überraschend – selbst die Initiative ergriff. Mit der Flucht der 7000 pompeianischen Reiter war die Schlacht entschieden, zumal Pompeius gleich verzagte und sich in sein Lager zurückzog. Als dieses erobert wurde, floh er von wenigen begleitet nach Larissa und von dort an die Küste bis Amphipolis. Erst hier schien er wieder klare Gedanken gefasst und seine momentane Lage bedacht zu haben, die ja keineswegs hoffnungslos war: Die Flotte war nach wie vor intakt und der caesarischen immer noch weit überlegen. Er erließ in Amphipolis ein Edikt zur Mobilisierung weiterer Einheiten (Caesar, De bello civili 3, 102) und brach dann nach Mytilene auf Lesbos auf, wo er mit seiner Frau zusammentraf (Plutarch, Pompeius 75; Lucan 8, 1–158) und sie mit an Bord nahm. Über die Insel Chios gelangte er nach
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Entscheidungsschlacht
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Ermordung des Pompeius
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Kilikien, wo ein Kriegsrat der Pompeianer zusammenkam (Lucan 8, 159– 455). Natürlich war die momentan entscheidende Frage, wohin man sich jetzt um Unterstützung wenden sollte. Die Entscheidung fiel auf Ägypten, dessen Herrscherhaus Pompeius seit den sechziger Jahren sehr verpflichtet war. Begleitet von den Seinen führte ihn also die Route nach Ägypten (Plutarch, Pompeius 77; Lucan 8, 456–872). Erfolg freilich war dieser Reise nicht beschieden, im Gegenteil: Am 28. September 48, am Vortag seines 58. Geburtstages, wurde Pompeius in Pelusium ermordet. Der Kopf wurde ihm vom Rumpf abgetrennt, um als Beweisstück seiner Ermordung Caesar vorgelegt werden zu können (Plutarch, Pompeius 77 f.; Caesar, De bello civili 3, 103 f.; Cassius Dio 42, 3; Appian, Bella civilia 2, 85). Diese Bluttat war ein Gemeinschaftsunternehmen von Beratern des noch jungen Ptolemaios, der sich mit seiner Schwester Kleopatra um die Herrschaft in Ägypten stritt, und römischen Offizieren, die von Pompeius protegiert worden waren (Caesar, De bello civili 3, 104). Die Mörder wollten sich den nun sicheren neuen Herrn geneigt machen – der alte Patron hatte ausgedient. Caesar hatte sein Hauptziel im Bürgerkrieg erreicht – sein Konkurrent um die Macht im Staate war tot. Dass er sich über die „Antrittsgabe“ der Ägypter, den Kopf des Pompeius, nicht freute, sondern sogar ein paar Tränen vergossen haben soll, ist eine gewiss von Caesar selbst nicht ungern gehörte und verbreitete Legende – es entsprach nicht seinem „Image“, die Ermordung des Widersachers zu bejubeln, zumal er wusste, dass die Wunden des Bürgerkrieges nur durch versöhnliche Gesten heilen konnten (Cassius Dio 42, 8; Lucan 9, 1038). Aber die Tatsache der Ermordung an sich dürfte ihm manches Problem vom Halse geschafft haben. Denn solange Pompeius noch lebte und frei wirken konnte, war sein Sieg gefährdet gewesen; deshalb hatte Caesar auch sofort nach Pharsalos eilig und unvorsichtig die Verfolgung aufgenommen. Die Ermordung enthob ihn einer weiteren Jagd auf seinen Gegner. Zwischenzeitlich machten sich in der Hauptstadt Rom die Geister selbständig, die Caesar gerufen hatte. Die Dezemberwahlen 49 hatten nicht nur Caesar zum Konsul für 48 gemacht, sondern auch seine treuesten Anhänger mit wichtigen Ämtern ausgestattet. Als magister equitum war Marcus Antonius für Italien zuständig (Cicero, Philippica 2, 62–3). Praetoren waren neben anderen auch Marcus Caelius Rufus und Gaius Trebonius, von denen der erstere Fremdenpraetor (praetor peregrinus), der zweite Stadtpraetor (praetor urbanus) war. magister equitum und Praetor Das waren wichtige republikanische Ämter. Der magister equitum war ein mit dem Diktator eng verbundenes Amt. Nur dieser konnte einen „Befehlshaber der Reiterei“ ernennen. Seine Rangstellung ist mit derjenigen der Imperium-Träger (also Konsuln, Praetoren) gleichzusetzen; er hatte auch das Recht, den Senat einzuberufen. Mit der Reiterei hatte das Amt im Laufe seiner Entwicklung immer weniger zu tun. Mit der Wiederbelebung der Diktatur durch Caesar wurde auch dieses Amt wieder besetzt. Praetoren (wörtlich: „Vorangeher“) waren nach den Konsuln die wichtigsten regulären Jahresbeamten der Römer. Mit zunehmenden Verwaltungsaufgaben erhöhte sich auch die Zahl der Praetoren allmählich, wahrscheinlich von ursprünglich zwei auf bis zu 18 in der Kaiserzeit. Seit 367 v. Chr. gab es einen praetor urbanus, der die Gerichtsbarkeit in der Stadt ausübte und Rom nicht länger als zehn Tage verlassen durfte. Seit 242 hatte darüber hin-
Pharsalos
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aus ein praetor peregrinus all jene Rechtskonflikte zu beaufsichtigen, die zwischen römischen Bürgern und „Ausländern“ (peregrini) anhängig waren. Auch in der Provinzialverwaltung wurden zunächst Praetoren eingesetzt.
Caesar selbst wurde von seinem Kollegen im Konsulat, Publius Servilius Isauricus, kurz nach der Schlacht von Pharsalos und der Ermordung des Pompeius, wohl im Oktober 48, zum Diktator ernannt (Cassius Dio 42, 21, 1). In Rom kannte man freilich nur ein Gesprächsthema: die Verschuldung vieler Bürger. Von der Herrschaft des populären Caesar versprachen sich die meisten eine Lösung des Problems, und zwar eine radikalere, als sie Caesar selbst im Dezember 49 zu unternehmen versucht hatte. Der Praetor Caelius Rufus tat sich als Sprecher der Schuldner hervor. Wir kennen ihn aus vielen Briefen, die Cicero an ihn geschrieben und von ihm erhalten hat; sie sind in dem Briefcorpus „An seine Freunde“ (Ad familiares) im zweiten und achten Buch nachzulesen. Darin macht Caelius an sich einen sympathischen Eindruck, gar nichts Weltbewegendes geht von all den Briefen aus, schon gar nichts Umstürzlerisches. Der letzte seiner erhaltenen Briefe vom Februar 48 deutet marginal das Schuldenproblem an, doch mehr auch nicht (Cicero, Ad familiares 8, 17). Ausführlich über seine Aktivitäten berichten Caesar selbst (De bello civili 3, 20–22), der über die Eigenmächtigkeiten seines Beamten recht verärgert war, und Cassius Dio (42, 22–25). Diesen Quellen zufolge lagen die Ursachen für den Aufruhr des Caelius im Persönlichen – er war unzufrieden mit seinem Amt –, doch wesentlicher für die weitreichende Wirkung des Aufstandes dürfte gewesen sein, dass die gesamte Elite Italiens abwesend war. Dadurch wurde eine gleichsam revolutionäre Grundstimmung erzeugt, die wohl auch Caelius mit sich riss. Er erließ jedenfalls zunächst einige Gesetze, deren Stoßrichtung auf tabulae novae, das heißt eine gänzliche Schuldentilgung, ging. Das war nun ganz gegen Caesars vorsichtigere Lösung des Problems, und so widersetzten sich insbesondere der Konsul und der praetor urbanus Trebonius. Schließlich wurde im Senat der Notstand ausgerufen (senatus consultum ultimum). Für Caelius gab es nun kein Zurück mehr. Wie einst Catilina suchte er, nachdem er sich einmal so weit vorgewagt hatte, die bewaffnete Auseinandersetzung. Zu Hilfe kam ihm dabei der uns schon bekannte Milo, der nach Jahren der Verbannung wegen der Ermordung des Clodius zurückgekehrt war, ohne in den Genuss von Caesars Amnestie gelangt zu sein. Er besaß offenbar in Kampanien immer noch Gladiatoren als eine bewaffnete Garde, die er nun Caelius zur Verfügung zu stellen gedachte. Doch bevor es zum Äußersten kam, wurden zuerst Milo, dann auch Caelius ermordet. Die Episode gibt uns einen Einblick in die verfahrene Lage in Italien: Brennpunkte der Unzufriedenheit scheinen Rom, Etrurien, Kampanien und Apulien gewesen zu sein. Der soziale Kahlschlag Sullas wirkte gerade in diesen Gebieten noch dreißig Jahre später nach. Armut, Bindungslosigkeit, Schulden waren direkte Folgen der Enteignungen Sullas und der daran anschließenden Bürgerkriege. Diese bildeten den idealen Nährboden für soziale Unzufriedenheit, während die Ausreise – manche nannten es auch Flucht – der republikanischen Führung nach Griechenland und die unangefochtene Herrschaft eines Mannes, der immer ganz offen die Sache des Volkes gegen den Senat vertreten hatte, die Gelegenheit für Unmutsbekun-
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dungen bot. Dass die Aufrührer Milo und Caelius erschlagen wurden, brachte indes nur eine Verschnaufpause, keine Lösung der wirtschaftlichen und sozialen Probleme. Caesar sollte noch viele Male mit diesen zu tun bekommen.
4. Caesar und Kleopatra Caesar in Alexandria
Doch zunächst schien Caesars Ziel in diesem Bürgerkrieg erreicht zu sein: Pompeius war tot. Das bedeutete viel, wenn nicht alles. Die gesamte militärische Potenz der Republik war die seine gewesen. Dazu kam die reichsweite Klientel, die jetzt ohne Patron dastand und nach Lage der Dinge Caesar zuzufallen schien. Mit dem Tod des Pompeius musste eigentlich aller Widerstand in sich zusammenfallen. Dass dem nicht so war, obwohl die clementia Caesaris römische Bürger und Senatoren selbst in leitenden Funktionen (unter ihnen der Neffe Catos, Marcus Iunius Brutus, Caesars späterer Mörder, Plutarch, Brutus 6; Cassius Dio 41, 63) schonte, kann man durchaus als einen Beleg für die ihn allseits umgebende Ablehnung nehmen. Sie war stärker als erwartet – Caesar hat sie schlicht unterschätzt (Caesar, De bello civili 3, 106, 3). Der nun folgende Krieg in Alexandria (bellum Alexandrinum), zeitraubend und wohl auch überflüssig, legt Zeugnis von dem Ausmaß dieser Unterschätzung ab. Insgesamt hielt sich Caesar mehr als acht Monate in Alexandria auf. Nach Pharsalos und noch während der Verfolgung des fliehenden Pompeius trat Caesar auch im Osten bereits als der alleinige Herr Roms auf; was die Quellen uns von seinen Aktivitäten vom 9. August bis zum 2. Oktober, der Ankunft in Alexandria, berichten, lässt keinen anderen als diesen Schluss zu. Er wusste den Sieg als Zeichen seiner Göttlichkeit in der Abstammung von Mars und Venus zu deuten, denn dies war im griechischen Osten der einzige Weg, die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft als Nachfolger des Pompeius zu zeigen; Caesar berichtet selbst von Wundern, die sich am 9. August, dem Tag von Pharsalos, in den kleinasiatischen Griechenstädten ereignet haben sollen (Caesar, De bello civili 3, 105). Die Verbindung mit Alexander dem Großen bot sich an, als er den Hellespont überschritt.
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Alexander der Große Alexander, König von Makedonien 336–323 v. Chr., hatte binnen kürzester Zeit das bis dahin größte Weltreich der Geschichte erobert. Es erreichte eine Ausdehnung von Griechenland im Westen bis zum Indus im Osten, von der Donau im Norden bis Afrika im Süden. Alexander wurde damit zum Vorbild aller hellenistischen Könige, die jeweils nur Teilgebiete seines großen Reiches beherrschten. Als die Römer sich seit dem 3. und 2. Jahrhundert anschickten, ebenfalls ein Weltreich zu erobern, lag der Vergleich mit Alexander nahe, zumal man ihn in der Ausdehnung in Europa übertrumpfte. Pompeius ließ sich in der AlexanderTradition als Magnus bezeichnen, und auch Caesar pflegte den Vergleich mit dem großen Vorbild.
Eroberung Asiens
Ebenso schnell, überraschend, die Lähmung ausnutzend, wollte Caesar Asien gewinnen. Es gelang ihm einerseits durch die von ihm selbst heraus-
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Caesar und Cleopatra gestellte, gleichsam göttliche Dimension des Geschehens, andererseits durch ganz pragmatische Entscheidungen wie die Erleichterungen der Steuerlasten, die insbesondere durch Metellus Scipio, dem Vertreter des Pompeius, erhebliche Ausmaße angenommen hatten (Cassius Dio 42, 6; Plutarch, Caesar 48). Die Städte Asiens nahmen erleichtert die Milde des ehemaligen Kriegsgegners zur Kenntnis, der sich auch sogleich in die frei gewordene Patronatsrolle fügte. Dafür errichteten sie ihm in Ephesos ein Denkmal: „Für C. Iulius Caesar, Sohn des C., den Oberpriester und Imperator und zum zweiten Mal Konsul, den von Ares und Aphrodite abstammenden in Erscheinung getretenen Gott und gemeinsamen Retter der Menschheit“, so lautete die Inschrift auf dem Monument (Sylloge 760). Alsdann verließ Caesar Asien wieder und fuhr über Rhodos nach Alexandria; seine ihn begleitende Streitmacht bestand aus nicht mehr als 35 Schiffen, 3200 Fußsoldaten und 800 Reitern (Caesar, De bello civili 3, 106). Sein Ziel war Ägypten – weil er, wie er selbst überliefert, erfahren habe, dass Pompeius dorthin geflohen sei. Wahrscheinlich wollte er wie das asiatische Gebiet so auch die Ägypter durch die Schnelligkeit seines Handelns für sich sichern. Doch Ägypten war ein anderes Pflaster als das seit über 80 Jahren römisch beherrschte Asien. Psychologisch vor allem hatte sich Caesar hier verkalkuliert. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen, wer der wahre Herr sei, betrat er am 2. Oktober das nicht unter römischer Herrschaft stehende Alexandria mit den Insignien römischer Staatsmacht (Caesar, De bello civili 3, 106; Cassius Dio 42, 7; Lucan 10, 11); schließlich hatte Ägypten auf der Seite des Pompeius gegen ihn mit 50 Schiffen gekämpft. Doch diesmal machte sein Auftreten böses Blut; so offensichtlich hatte sich die römische Herrschaft in Alexandria bislang nicht präsentiert. Caesar versuchte sich sogleich als ehrlicher Makler zwischen Ptolemaios XIII. und Kleopatra VII., nicht ohne zu verhehlen, dass er auch zur Eintreibung von Kontributionen, deklariert als ihm zustehende Schuldforderung aus dem Jahre 59, gekommen sei (Plutarch, Caesar 48; Sueton, Caesar 54). Den Thronstreit zwischen den Geschwistern entschied er salomonisch: Ptolemaios und seine Schwester Kleopatra sollten in einer Samtherrschaft gemeinsam in Ägypten regieren und ihre jüngeren Geschwister sollten Könige von Zypern sein. Mit diesem Schiedsspruch schuf er sich allerdings nur für kurze Frist Ruhe (Cassius Dio 42, 35; Plutarch, Caesar 49); in der offiziellen Darstellung Caesars wurde die genaue Regelung den Wünschen der römischen Leser angepasst: „König Ptolemaios und seine Schwester Kleopatra sollten ihre Heere entlassen und über ihren Streit, nach dem Gesetz, lieber vor ihm, als durch das Schwert entscheiden lassen“ (Caesar, De bello civili 3, 107 f.). Eine endgültige Regelung war damit also nicht getroffen. Der entschiedenste Gegner Caesars in Alexandria war Potheinos, ein Eunuch und als Erzieher des jungen Königs mit der Verweserschaft des Reiches betraut. Dieser setzte den hohen königlichen Beamten Achillas, der schon die Ermordung des Pompeius veranlasst hatte, an die Spitze seiner Truppen und schritt schließlich gar zu einer Palastbelagerung mit 20 000 Soldaten – in Raub und Mord erfahrene Haudegen, wie Caesar sie charakterisiert (Caesar, De bello civili 3, 110). Es entwickelte sich ein Straßenkampf in Alexandria, in dessen Verlauf Caesar und seine
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Krieg in Ägypten
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Soldaten in einem Stadtteil eingeschlossen wurden. Bei dieser Belagerung ging die größte Bibliothek der Welt in Flammen auf; Caesar selbst verschweigt seine Verantwortlichkeit dafür (De bello civili 3, 111). Unsere Informationen darüber müssen wir aus anderen Quellen schöpfen (Plutarch, Caesar 49; Cassius Dio 42, 38, 2; Orosius 6, 15, 31). Manche Quellen sprechen von 400 000 Papyrusrollen (= Büchern), andere gar von 700 000. Später schenkte Marcus Antonius seiner Frau Kleopatra als „Ersatz“ für den Verlust die Bibliothek von Pergamon mit 200 000 Papyrusrollen (Plutarch, Antonius 58). Caesar hatte allerdings andere Sorgen: Er bemühte sich in seiner schwierigen Lage, Hilfe von außen zu bekommen. Diese kam auch im März 47, darunter 3000 Juden unter Antipater, dem Vater des berühmten Königs Herodes (Flavius Josephus, Bellum Iudaicum 1,187–192; Antiquitates 14,127–136). In dieser für Caesar existentiell notwendigen Hilfsleistung liegt einer der Gründe für die rechtlich abgesicherte Stellung der monotheistischen Juden im römischen Kaiserreich – Caesar bezeugte seine Dankbarkeit durch Privilegien, die er den Juden gewährte.
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Juden im Römischen Reich Seit Alexander dem Großen, der Jerusalem 332 erobert hatte, breiteten sich jüdische Siedlungen in weite Teile des Mittelmeerraumes aus. Spätestens in der Mitte des 2. Jahrhunderts treffen wir Juden auch in Rom an. Das Verhältnis der Römer zu den jüdischen Gemeinden war durchaus zwiespältig, je nachdem wie sie selbst mit ihnen zu tun hatten. Im Jahre 139 etwa wurden die Juden wegen ihrer angeblich missionarischen Tendenz zusammen mit anderen orientalischen Gruppen aus Rom verwiesen (Valerius Maximus 1, 3, 3). Mit Jerusalem dagegen schloss Rom etwa gleichzeitig Bündnisverträge, bis es von Pompeius im Jahre 63 erobert und zu einem Klientelfürstentum unter dem Hohepriester Johannes Hyrkan umgestaltet wurde. Als der Idumäer Antipater mehr und mehr an Einfluss unter Hyrkan gewann und aus Berechnung eine prorömische Politik befürwortete, schlug sich das gute Verhältnis auch für die Diaspora-Juden gewinnbringend nieder. Caesar erließ in Konfliktfällen zwischen Juden und Griechen oder Juden und Römern eine Reihe von Edikten, durch die den jüdischen Gemeinden dauerhaft eine gewisse Autonomie im römischen Staat gesichert wurde. Der seit 40 beziehungsweise 37 zum König ernannte Sohn des Antipater, Herodes, setzte unter Augustus diese Politik fort. Hier liegen die Wurzeln für die anerkannte, teilweise privilegierte Stellung der jüdischen Gemeinden und der jüdischen Religion (religio licita) im Römischen Reich, eine Stellung, die ihnen sowohl Verfolgungen ersparte als auch die Religionsausübung unter den christlichen Kaisern der Spätantike garantierte.
Die Ereignisse in Ägypten sind uns überliefert im so genannten bellum Alexandrinum, dessen Kapitel 1–33 darauf bezogen sind. Dieses Werk ist im Zusammenhang mit Caesars commentarii überliefert, doch nicht von Caesar, sondern wie das achte Buch des bellum Gallicum vielleicht von A. Hirtius geschrieben. Die Kämpfe waren sehr heftig. Caesar hatte zwar den König Ptolemaios in seiner Hand, und schließlich konnte auch Potheinos als Verräter hingerichtet werden (Caesar, De bello civili 3, 112 – mit dieser Hinrichtung des für die Ermordung des Pompeius mitverantwortlichen Potheinos beendete Caesar seine Darstellung des „Bürgerkrieges“). Doch erst am 27. März 47 kapitulierte Alexandria (Bellum Alexandrinum 26–32; Cassius Dio 42, 41–43). Ptolemaios ertrank auf der Flucht im Nil.
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Der erhaltene Kriegsbericht ist spannend. Er enthält alles, was den antiken Leser zu fesseln imstande war: aufregende Kämpfe, bedrohliche Einschließungen, unerwartete Gefahren für die Trinkwasserversorgung, herausragende Einzelkämpfe und vor allem Caesars Ideenreichtum in allen Lagen. Doch über den Sinn dieses Krieges rätselten nicht nur moderne Historiker. Cicero konstatierte im Juni 47, dass man ein halbes Jahr in Rom nichts mehr von Caesar selbst gehört habe (Cicero, Epistulae ad Atticum 11, 17a, 3). Doch offenkundig wollte sich Caesar auch nach dem Sieg in diesem sinnlosen Krieg nicht um Rom oder das Reich kümmern. Der Grund war die Königin Kleopatra VII. Die Legenden über Kleopatra und ihre Beziehungen zu den römischen Mächtigen sind Legion. Sie sind vielfach und auch in jüngsten Arbeiten nacherzählt worden. Für den Historiker ist es schier unmöglich, Fiktion und Realität zu trennen, und über die Bewertung der Ereignisse scheiden sich die Geister. Das Bild, das man von Caesar hat, bestimmt auch die Urteile über seine Beziehung zu Kleopatra. Wer ihn als die Verkörperung der ratio sieht, kann unmöglich annehmen, dass er der Liebe wegen die Politik vernachlässigt habe (so etwa Matthias Gelzer); wer in ihm dagegen den Tyrannen sieht, fühlt sich durch sein Verhältnis zu Kleopatra bestätigt (so zum Beispiel Lucan 10, 43–171). Kleopatra VII. Kleopatra war 21, als Caesar sie in Alexandria kennen lernte. Sie war die Tochter von Ptolemaios XII. und hatte den Thron mit einem ihrer Brüder als Achtzehnjährige im Jahre 51 bestiegen – wie es ihr Vater testamentarisch bestimmt hatte. Kurz danach hatte sie ihren Bruder, Ptolemaios XIII., aus der Regierung gestoßen und für 18 Monate allein regiert. Sie legte sich den Kulttitel Thea Philopator zu und betonte damit die Kontinuität zur Regierung ihres Vaters. Ptolemaios XIII., ein elfjähriger Knabe, gewann jedoch durch seinen Vormund, den Eunuchen Potheinos, zunehmend die Oberhand; ihm standen außerdem der Ägypter Achillas sowie Theodotos von Chios zur Seite. Im Sommer 49 gelang es dieser Gruppe, Kleopatra von der Herrschaft auszuschließen und Ptolemaios durch Pompeius als rechtmäßigen König anerkennen zu lassen; diese Anerkennung wurde ihm freilich schlecht gedankt. Von Syrien aus hoffte Kleopatra, die Regierung wiederzugewinnen (Appian, Bella civilia 2, 84). Die Kriegswirren in Alexandria nutzte sie zur Stärkung ihrer Position, was ihr, wie man weiß, auch gelang; angeblich soll sie sich in einer Hülle versteckt an den Wachtposten vorbei zu Caesar eingeschlichen haben (Plutarch, Caesar 49). Nach den antiken Beschreibungen war sie sehr schön, vor allem aber klug, gebildet, geistreich, charmant und ihren Vorteil klar berechnend (Cassius Dio 42, 34; Plutarch, Antonius 27). Sie begann eine Liebesbeziehung mit Caesar ebenso wie später mit Marcus Antonius, der im Zweiten Triumivirat (43 v. Chr., Octavian, Antonius, Lepidus) den Ostteil des Reiches erhalten hatte. Mit ihm zusammen ging sie 31/30 nach der gegen Octavian verlorenen Schlacht bei Actium in den Freitod. Über seine Liebe zu Kleopatra schreibt Caesar in seinem Buch über den Bürgerkrieg nichts, und leider auch nicht Cicero, der Zeitgenosse. Der Dichter Lucan geißelte hingegen dieses Verhältnis (10, 72 ff.). Für manchen modernen Forscher war Caesar, nachdem er Alexandria und Kleopatra kennen gelernt hatte, nicht mehr derselbe wie vorher. In der Tat lernte er hier ein von dem römischen ganz verschiedenes politisches System kennen, das ihn erst auf den Gedanken einer monarchischen Ordnung auch in Rom gebracht haben mochte.
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Abgesehen von dem Schleier des persönlichen Verhältnisses, den wir nie werden lüften können, lernen wir hier in Alexandria eine Seite Caesars
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Neuordnung Ägyptens
kennen, die uns auch später, zuletzt an den Iden des März des Jahres 44, begegnen wird. Denn seit dem Erfolg von Pharsalos stand das Problem einer politischen Neuorientierung im Römischen Reich auf der Tagesordnung: Was war nach dem Tod des „Reichsfürsten“ Pompeius, nach dem Krieg in Alexandria zu tun? Wie sollten Rom und das Reich regiert werden, jetzt, da die Republik mit Pompeius – davon konnte nach dessen Niederlage ausgegangen werden – untergegangen war und Caesar alleine herrschte? Bislang hatte ihn seit mehr als zwölf Jahren der Krieg in Atem gehalten, in Gallien, Italien, Spanien, Griechenland und Ägypten. Die Muße einer zweimonatigen Pause ohne Politik und Krieg, dafür mit Kleopatra, Festen, Banketten und einer Nilfahrt war Ablenkung von den drängendsten Problemen, vielleicht eine Flucht vor der Entscheidung. Er hatte gekämpft, gesiegt und die ehemaligen Feinde (zumindest einen Teil) für sich gewonnen – aber die Neuordnung des römischen Staates blieb noch zu regeln. Insofern kam ihm Kleopatra gerade recht; er war gewissermaßen bereit für die Liaison. Wenig später gebar ihm die ägyptische Königin einen Sohn, den man Caesarion (das Caesar-Kind) nannte (Plutarch, Caesar 49; Antonius 54, 6) und den Caesar auch anerkannte (Sueton, Caesar 52). Octavian, Caesars Adoptivsohn, schaffte Caesarion – wie auch die Königin Kleopatra selbst, der er keinen anderen Ausweg als den Selbstmord ließ – 30 v. Chr. aus dem Weg (Sueton, Augustus 17); er konnte sich darauf berufen, dass dieser der Sohn einer offiziellen römischen Kriegsgegnerin war. Kleopatra war auch die Nutznießerin der Neuordnung in Ägypten, die Caesar im Anschluss an den alexandrinischen Krieg vornahm. Das Ptolemäerreich blieb bestehen – wahrscheinlich hatte Caesar es ursprünglich anders geplant und an eine Provinzialisierung des reichen Ägypten gedacht –, Kleopatra wurde Königin gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Ptolemaios XIV., wie sie es gewünscht hatte. Sie sollte so etwas wie Caesars persönliche Statthalterin sein, denn er ließ immerhin seine Streitmacht von drei Legionen im Land. Ägypten war nun „seine“ Provinz; Octavian/ Augustus übernahm dieses Beispiel seines Vaters und modifizierte es insofern, als er die offizielle römische Provinz Ägypten von römischen Rittern und nicht – wie bei Provinzen üblich – von Senatoren verwalten ließ.
5. Caesars endgültiger Erfolg Ordnung in Asien
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Der Bürgerkrieg dauerte auch nach dem alexandrinischen Erfolg noch fast zwei Jahre an, bis Caesar am 17. März 45 endgültig die letzten Pompeianer in Spanien bei Munda besiegte. Die antike Überlieferung gliederte diese Kriegsjahre in zwei Phasen: erstens den Krieg in Afrika, der mit dem Selbstmord Catos in Utica endete, und zweitens den Krieg in Spanien bis zu Caesars Sieg bei Munda. Unter den Überschriften Bellum Africum und bellum Hispaniense sind die Beschreibungen dieser beiden Kriege gleichfalls im Corpus der Caesarschriften überliefert, doch stammen die Texte nicht von Caesar selbst, sondern müssen in seinem Umfeld entstanden sein.
Caesars endgültiger Erfolg
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Im Juni 47 verließ Caesar Alexandria, am 2. August schon hatte er seinen nächsten Sieg erfochten. In einer Art Blitzkrieg besiegte er den König von Pontos, Pharnakes, den Sohn des großen Mithridates, der sein pontisches Reich, das Pompeius 63 sehr verkleinert hatte, wieder zu erweitern suchte, im eigenen Land bei Zela (Bellum Alexandrinum 67–76; Cassius Dio 42, 47; Sueton, Caesar 35); veni vidi vici ist die antike, von Caesar selbst geprägte Version dafür (Plutarch, Caesar 50; Sueton, Caesar 37). Zuvor hatte er Palästina, Syrien und Kleinasien neu geordnet, wobei sich diese Neuordnung einerseits an der bestehenden pompeianischen Regelung, andererseits an den Verdiensten der Fürsten, Städte und Gemeinden ihm gegenüber orientierte (Bellum Alexandrinum 65): Die Juden wurden durch Privilegien belohnt (Flavius Josephus, Bellum Iudaicum 1, 194–200; Antiquitates 14, 137; 143 f.; 190–195; 200–206), Antiochia als autonome und förderungswürdige Stadt bestätigt; im kilikischen Tarsos hielt er einen Landtag ab (Bellum Alexandrinum 66). Der Autor des bellum Alexandrinum fasst Caesars Vorgehen sehr gut zusammen (65, 4): „Er hielt sich fast in allen Städten von einiger Bedeutung auf, verteilte Belohnungen an einzelne verdiente Männer und Gemeinden, unterrichtete sich über alte Streitfälle und schlichtete sie; Nachbarn der Provinz, Könige, Tyrannen und Dynasten, die sich alle bei ihm eingefunden hatten, nahm er unter der Bedingung in seinen Schutz auf, dass sie die Sicherung und Verteidigung der Provinz übernahmen, und entließ sie dann als seine und des römischen Volkes Freunde.“ Gleichzeitig erfuhr er auch von reichsweiten Spannungen, von der Sammlung der Pompeianer mit zehn Legionen in Afrika, von Unruhen und Meutereien in Italien und Rom, von drohenden Gefahren in Illyrien und Spanien. Doch er wollte keine Halbheiten im Osten hinterlassen. Der Krieg gegen Pharnakes, der immerhin Caesars Legaten Gnaeus Domitius Calvinus geschlagen hatte, war vordringlich. Möglich auch, dass ihn nach der Ruhepause auf dem Nil mit Kleopatra die Lust am Krieg wieder packte – das Feld also, auf dem er wirklich ein Meister war. Allerdings waren es weniger Pharnakes als vielmehr die Parther, welche die östlichen Provinzen bedrohten. Die Parther Das Partherreich war in der Zeit nach 250 v. Chr. auf dem Boden des persischen Achämenidenreiches entstanden. Nach dem Begründer der Königsdynastie Arsakes I. (248/38–217 v. Chr.) wurden die Parther auch Arsakiden genannt. Spätestens seit 140 v. Chr. war dieses Reich ein Vielvölkerstaat geworden, das zum Teil iranische Strukturen aufwies, zum Teil auch das hellenistische Erbe weitertrug. Hauptstadt im Westen war Ktesiphon am Tigris. Das Territorium umfasste neben dem Iran auch Mesopotamien. Als die Römer sich nach Asien (seit 133 v. Chr.) und Syrien (63 v. Chr.) ausdehnten, gerieten sie auch in Konflikt mit den ebenfalls nach Westen strebenden Parthern. Nachdem der Versuch des Crassus im Jahre 53 gescheitert war, in das Partherreich einzufallen (Schlacht von Carrhae), war das Verhältnis zwischen den beiden konkurrierenden Reichen recht gespannt. Eine Fortführung des Krieges lag gleichsam in der Luft. Auch Caesar beschäftigte sich mit einer militärischen Lösung der Partherfrage und war gerade dabei, den lange vorbereiteten Partherfeldzug zu beginnen, als er am 15. März 44 ermordet wurde; im Gegenzug gelang den Parthern in den Jahren 41–38 eine vorübergehende Besetzung Syriens und von Teilen Kleinasiens. Augustus schließ-
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lich konnte im Jahre 23 v. Chr. die parthische Rückgabe der von Crassus verlorenen römischen Feldzeichen – in römischen Augen war der Verlust der Feldzeichen eine Schmach – als Erfolg verbuchen. Auch später gab es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen beiden Seiten im Wechsel mit Übereinkünften und Friedensverträgen, zumeist um Armenien. Am 28. April 224 n. Chr. besiegte dann der Perserkönig Ardaschir I den letzten Partherkönig Artabanos IV und beendete damit das über 400-jährige Partherreich.
Caesars dritter Rom-Aufenthalt
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Die präzise Planung und Durchführung der Regelungen im Osten diente also auch der Vorbereitung eines Partherfeldzuges, den Caesar dann freilich wegen anderer drängender Probleme verschieben musste – bis in jene Märztage des Jahres 44, die ihm die Durchführung seines Planes für alle Ewigkeit unmöglich machten. Gewiss begannen aber seine Planungen für den Partherkrieg schon jetzt, im Sommer 47. Eine Antwort auf die ja immer noch offene Verfassungsfrage in Rom schien er entweder noch nicht für notwendig gehalten zu haben, oder er wollte sich ihr entziehen. Doch das war nach weiteren beunruhigenden Nachrichten aus Rom nicht mehr möglich. Zwei Monate nach dem Sieg bei Zela finden wir Caesar endlich in Rom; zuvor hatte er auf dem Wege dorthin auch im nördlichen Kleinasien die Verhältnisse zu klären. In Nicaea zum Beispiel verhandelte er den Fall des pompeianisch gesinnten Galaterfürsten Deiotarus, dem seine Unzuverlässigkeit vorgehalten wurde; doch schadete ihm das auf Einwirken des Marcus Brutus hin nicht. Er durfte großzügigerweise sein ursprüngliches Gebiet behalten (Bellum Alexandrinum 67 f.; Cicero, Pro rege Deiotaro 13 f.); auch Cicero hat eine Rede zu seinen Gunsten vor Caesar gehalten, die bis heute erhalten geblieben ist. Auf diese Weise festigte Caesar seine Stellung im pompeianischen Kernland, das freilich auch weiterhin zur Kasse gebeten wurde, denn „es gibt zwei Dinge, welche Herrschaften begründeten, bewahrten und wachsen ließen: Soldaten und Geld, und beide hängen voneinander ab. […] Fehlt eines von beiden, dann wird sich gleichzeitig auch das andere auflösen“ – Cassius Dio hat diese Worte Caesars überliefert (42, 49, 4), um ihn als „Geldraffer“ zu qualifizieren. In der Tat verschlang der Krieg gewaltige Summen, für die insbesondere die ehemals propompeianischen Reichsgebiete aufkommen mussten. Die Republikaner versuchte Caesar ebenfalls zu gewinnen, und zwar durch seine Versöhnungspolitik. Cicero berichtet in einem Brief (Ad familiares 13, 29, 4), wie Caesar dem flüchtigen pompeianischen Quaestor T. Antistius nach einem Zusammentreffen in Bithynien die Rückkehr nach Rom erlaubte. Und der Briefautor selbst zeigte sich überaus erleichtert über die Freundlichkeit Caesars auch ihm gegenüber, als sie sich nach dessen Rückkehr aus dem Osten in Brundisium im September 47 trafen (Plutarch, Cicero 39); er war vor diesem Treffen in höchster Anspannung gewesen, wie ihn wohl der Diktator behandeln würde (Cicero, Epistulae ad Atticum11, 7–9). Eine Wiedergeburt Sullas war Caesar jedenfalls nicht, auf Proscriptionen wurde vollständig verzichtet. Mit dem Sieg bei Pharsalos sahen viele Anhänger Caesars das Ziel ihrer Wünsche erreicht. Der Feind war besiegt, jetzt brauchte keine Rücksicht mehr genommen zu werden. Dabei war die Anhängerschaft des Siegers so diffus wie ihre Forderungen: Ämter und Senatssitze wollten die einen,
Caesars endgültiger Erfolg Schuldentilgung und mietfreies Wohnen die anderen, eine dritte Gruppe wiederum wollte Land, und alle zusammen wollten sie reich werden. Um die politische Zukunft der Römischen Republik allerdings machte sich keiner unter Caesars Gefolgsleuten Gedanken, und ebenso wenig stand eine soziale Revolution auf der Tagesordnung der politischen Entscheidungen. Seine in ihren Zielen so divergierenden Anhänger stellten ein Problem für Caesar dar. Er musste sie, die seit Jahr und Tag mit ihm gezogen waren oder ihm auf andere Weise gedient hatten, wohin immer er sie auch geführt und was immer er ihnen aufgetragen hatte, nach dem Sieg über Pompeius gleichsam abfinden, ihnen ganz konkreten und materiell definierbaren Dank abstatten für die unbedingte Treue, die sie ihm bei der Verteidigung seiner persönlichen Ehre (dignitas) selbst unter den Auspizien des Hochverrates gehalten hatten. Caesar schob diese Pflicht vor sich her, doch die Nachrichten, die ihn im Osten aus Italien erreichten, verlangten immer stärker seine Präsenz in Rom. Dort war zwischenzeitlich alles aus dem Ruder gelaufen, weil sich die Caesarianer selbst nicht einig waren. Sollte man auf Caesars Anweisungen warten oder gleich jetzt mit den Neuerungen beginnen? Der Konflikt wurde zunächst im Kollegium der Volkstribunen ausgetragen, um dann in eine riesige Gewaltorgie auf dem forum Romanum auszubrechen. Anlass war wieder die Schuldenfrage. Der Volkstribun Cornelius Dolabella, ein caesarianischer Legat seit Beginn des Bürgerkrieges und (um wie Clodius Volkstribun werden zu können) ein in den Stand der Plebejer übergewechselter Patrizier, machte sich zum Anwalt der Schuldner. Er brachte Gesetzesvorlagen ein, die Schuldentilgung und Mietsenkungen zum Inhalt hatten (Livius, Ab urbe condita librorum periochae 113; Plutarch, Antonius 9; Cassius Dio 42, 30–33). Sein Gegner im Volkstribunat war Lucius Trebellius, gleichfalls Caesarianer sogar über den Tod des Diktators hinaus, der eine eher abwartende Haltung in der Schuldenund Mietfrage einnahm. Die gesetzliche Macht lag bei dem magister equitum Marcus Antonius zusammen mit dem Senat, doch erwies sie sich als wirkungslos. Antonius machte in den Wirren eine schlechte Figur. Letzten Endes hatte wohl nur Caesar Autorität genug, um wirklich Abhilfe zu schaffen. Als er Ende 47 in Rom war, ordnete er die Verhältnisse in gewohnt pragmatischer Weise. Eine umfassende Schuldentilgung (tabulae novae) lehnte er dabei ebenso wie eine komplette Mietbefreiung ab, doch wirkte er auf einen Kompromiss hin, mit dem sich auch die Gläubiger und Hausbesitzer anfreunden konnten; die Gefahr alles zu verlieren, war wenigstens gebannt. So gewährte Caesar einen Mietnachlass in Rom und auch in Italien für das vergangene Jahr (wohl vom 1. Juli 48 an). Während Caesars Romaufenthalt traten auch andernorts Gefahren auf. Es meuterten nämlich jene Soldaten, die in Kampanien auf den bevorstehenden Krieg in Afrika warten sollten. Sie wollten, bevor sie in ein neues Kriegsabenteuer geschickt wurden, endlich die zu Kriegsbeginn versprochene Belohnung. Mit kleineren finanziellen Beschwichtigungen, wie sie im Auftrage Caesars der Praetor Gaius Sallustius Crispus, der spätere Historiker, anbot, waren sie nicht zufrieden. Sie marschierten nach Rom und trafen dort auf Caesar selbst. Wie schon 49 brach die Meuterei (seditio) in sich zusammen. Die Anekdoten, die sich um Caesars Auftreten bei der Bewältigung des Problems ranken, bezeugen vor allem seine Menschen-
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Heterogenität der Anhängerschaft
Meuterei in Kampanien
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Politische Maßnahmen
Krieg in Afrika
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kenntnis (Cassius Dio 42, 52–55; Appian, Bella civilia 2, 92–94; Plutarch, Caesar 51; Sueton, Caesar 70; die Briefe Ciceros, Epistulae ad Atticum 11, 20–22 befassen sich im August 47 mit dieser seditio). Wider Erwarten, so wird berichtet, habe er etwa die Entlassung der Soldaten verfügt oder diese mit „Mitbürger“ (Quirites) statt mit „Mitsoldaten“ (commilitones) angeredet; damit habe er sie zur Reue gebracht. Freilich stand es in diesem Konflikt zwischen dem Befehlshaber und seinen Soldaten gar nicht so schlecht um Caesar: Er war der immer siegreiche Feldherr, ohne den die Meuterer nichts erreichen konnten. Daher baten sie nachdrücklich um einen „Liebesbeweis“, eine symbolische Geste, dass er sie nicht vergessen hatte. Als diese erfolgt war, folgten ihm die meisten weiterhin. Allerdings dürfte Caesar sie nachhaltig an ihre fides, an ihr Treueversprechen also, erinnert haben; vielleicht deutet darauf eine Münzserie des Münzmeisters Licinius Nerva hin (Crawford, Roman Republican Coinage, 454, 1): Die Vorderseite dieser Münze von 47 trägt einen belorbeerten Kopf der Fides, während die Rückseite eine kriegerische Szene abbildet; Fides und Militär werden hier also miteinander verbunden. Caesar konnte sich mit diesem Hinweis auf gegenseitige Treue auch bei seinem Strafgericht zurückhalten und Milde walten lassen. Insgesamt sollte man jedoch weder die Meuterei noch Caesars Leistung bei ihrer Beilegung überbewerten. Caesars weitere Aktivitäten während seines Aufenthaltes in Rom Ende 47 atmen (wiederum) nicht den Geist der Neuordnung. Opfertätigkeit und Beamtenwahl für 46 standen auf dem Programm; Ersteres beschwor die göttliche Kontinuität von Caesars Anfangserfolgen bis hin zu dem bevorstehenden Feldzug in Afrika, Letzteres sollte konkret die Hauptstadt durch loyale Amtsträger während seiner Abwesenheit sichern helfen. Verdiente Anhänger, gleich welcher Schicht, ließen sich mit Beamten- und Priesterstellen trefflich belohnen (Cassius Dio 42, 51). Für 46 ließ Caesar sich selbst und Marcus Aemilius Lepidus, den späteren Triumvirn, zum Konsul wählen; die Praetorenstellen erhöhte er von acht auf zehn. Anfang Dezember 47 verließ er dann Rom wieder. Alles, was er in Rom tat, hatte den Charakter des Provisorischen, denn der Bürgerkrieg hatte Priorität. In Rom sollte es ruhig und geordnet zugehen, solange er in Asien, Afrika oder sonstwo war. Aber gerade durch das Provisorische veränderte sich der römische Staat. Caesar setzte auf seine Helfer, verdiente Centurionen und Veteranen zum Beispiel, deren Qualifikationen für Amt und Senatssitz jetzt andere waren als in der Republik. Er konnte sich auf ein breites Potential von Mitarbeitern und Helfern stützen und auch gut ohne die Nobilität regieren; ihm zumindest waren die alten Eliten entbehrlich. Spätestens seit seinem Aufenthalt in Alexandria kultivierte er diese Missachtung und stellte sie auch nach außen offen zur Schau. Doch war das eine ausgesprochen selbstbezogene Einschätzung. Denn noch war ja gar nicht erkennbar, ob und wie diese Form der Alleinherrschaft die Verfassungskrise der Römischen Republik beheben könnte. Der Kriegsschauplatz in Afrika hatte jetzt Vorrang. Im Krieg gegen die Pompeianer, die sich unter Scipio und Cato in Afrika neu formiert hatten, wurde gegen eine quantitative Übermacht mit Schnelligkeit, Kühnheit und Glück ein überraschender Sieg erfochten. Die darüber erhaltene umfängliche Quelle, das aus dem Umfeld Caesars stammende Bellum Africanum
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(vielleicht wieder von Aulus Hirtius), ist sich darüber mit allen übrigen Darstellungen dieses Ereignisses einig. Die alte Provinz Afrika mit ihrem Zentrum um das im Jahre 146 v. Chr. zerstörte Karthago bildete die Zufluchtsstätte der Republikaner nach der Schlacht von Pharsalos. Hier war Caesars Legat Curio gescheitert, und hier gab es mit dem Lokalpotentaten Juba, der das westlich von der Provinz gelegene Numidien beherrschte, einen unversöhnlichen Caesar-Gegner. Die Feindschaft geht auf das Jahr 62 zurück – Caesar und Juba hatten sich damals in einem Prozess gegenübergestanden – und sie blieb bestehen; mit Pompeius dagegen verband Juba eine alte Freundschaft. Caesars Untätigkeit in Alexandria war eine zusätzliche Ermutigung der Republikaner, von Afrika aus den Krieg weiterzuführen. Ihre materielle Überlegenheit war nach wie vor gegeben, und ebenso hatten sie weiterhin die Hoheit zur See. Das Vorgehen der Republikaner richtete sich zunächst auf Spanien (Cassius Dio 42, 56, 4) – der Besitz der beiden spanischen Provinzen ganz im Westen des Reiches war nach dem Verlust des Ostens entscheidend, um doch noch einen Erfolg zu erzwingen. Die alte Klientel des Pompeius im Westen wiederzugewinnen, sollte den Caesar-Gegnern eine ähnliche Basis für den Krieg bieten, wie sie es für Caesars Krieg gewesen war – erst den Westen sichern, dann den Osten zurückgewinnen. Freilich war ihnen trotz der günstigen Ausgangslage kein Erfolg beschieden. Interne Streitigkeiten um den Oberbefehl – es beanspruchten ihn vier Personen: Quintus Caecilius Metellus Pius Scipio Nasica, Pompeianer mit prokonsularischer Amtsgewalt, dann Publius Attius Varus, Statthalter der Provinz Afrika, Cato und schließlich auch Juba – und die genaue Beachtung republikanischer Traditionen behinderten die Erfolgsaussichten gegen einen Gegner, der sich gerade um diese Dinge nicht zu sorgen brauchte (Cassius Dio 42, 58). Nachteilig wirkten sich in der Region zudem die schlechten Erfahrungen, die man mit der Republik gemacht hatte, sowie zusätzlich die innerafrikanische Zerstrittenheit zwischen dem König Juba und einem anderen Numiderfürsten namens Bocchus aus. Caesar auf der anderen Seite konnte sich all das zunutze machen und viel freier von derartigen Belastungen Krieg führen. Er setzte geschickt Flugblätter und andere Propagandamittel (etwa Gerüchte) ein, um die gegnerischen Soldaten und die Provinzialen auf seine Seite zu bringen (s. Quelle). All das bewirkte, dass ungeachtet der numerischen und materiellen Überlegenheit der Republikaner – ihre 14 Legionen gegenüber sechs Legionen Caesars war die ursprüngliche Ausgangslage – Caesar schon am 6. April 46 bei Thapsus den entscheidenden Erfolg gegen die Streitmacht Scipios erringen konnte (Bellum Africanum 9–86; Dio 43, 7 f.; Appian, Bella civilia 2, 96 f.). Die zu beklagenden 10 000 Toten gingen vornehmlich auf grausames Morden der Caesarianer zurück; auch ihr Feldherr, sonst gerühmt wegen seiner Milde, wird von den Quellen in dieser Situation nicht so glänzend dargestellt: Die Schlacht wurde gegen seinen Willen erzwungen, das sich sogar gegen die eigenen Offiziere richtende Morden der Soldaten verhinderte er nicht. Als Erklärung für diese scheinbar „uncaesarische“ Schwäche wird gelegentlich auf einen epileptischen Anfall verwiesen (Plutarch, Caesar 53; Sueton, Caesar 45), deren insgesamt drei bei ihm registriert wurden.
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Propaganda als Element der Kriegführung (Cassius Dio 43,5) Caesar versuchte unterdessen auf alle Weise, Scipio in eine Schlacht zu verwickeln. Als er damit keinen Erfolg hatte, ließ er dessen Soldaten freundliche Angebote machen und unter ihnen kurze Schriften verteilen, in denen er den Eingeborenen versprach, ihre Besitzungen vor Schaden zu bewahren und sie selbst in die Freiheit zu entlassen, während er den Römern Straflosigkeit und die gleichen Belohnungen gewähren wolle, wie er sie seinen Anhängern in Aussicht stelle. Damit zog er eine stattliche Zahl auf seine Seite. Auch Scipio versuchte seinerseits, Schriften und mündliche Angebote unter den Gegnern in Umlauf zu setzen, um Leute für seine Sache zu gewinnen; doch konnte er bei ihnen keinen Parteiwechsel erreichen, wobei sicher einige aus ihrer Mitte der Sache Scipios den Vorzug gegeben hätten, wenn er zu irgendwelchen gleichartigen Angeboten wie Caesar bereit gewesen wäre. Doch versprach er ihnen keine Belohnung, sondern forderte sie nur auf, das römische Volk und den Senat zu befreien. Und so konnte Scipio, indem er lieber den ehrenvolleren als den in seiner Lage nützlicheren Weg wählte, sich keinen seiner Gegner zum Freunde machen.
Catos Selbstmord
Ordnung in Afrika
Caesars vierter Rom-Aufenthalt
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Seine besondere Bedeutung erhielt dieser Afrika-Feldzug Caesars weniger wegen der vollbrachten militärischen Leistungen, als vielmehr wegen Catos Selbstmord im nordafrikanischen Utica, der bei den Zeitgenossen größten Eindruck machte und viele Diskussionen in Gang setzte, ob man sich durch Freitod allen Schwierigkeiten und Gefahren entziehen dürfe. Catos Absicht war es gewesen, Utica nach der Niederlage gegen Caesar zu sichern, doch scheiterten diese Versuche am Widerstand seiner Umgebung. Daraufhin gab er auf, ermöglichte den Fluchtwilligen ein Entkommen und gab sich selbst den Tod (Plutarch, Cato minor 59–70). Der zur Zeit Neros lebende Dichter Lucan präsentierte in seinem Werk über den Bürgerkrieg einen Cato, der dem eigentlichen Sieger den Ruhm geraubt habe (1, 125– 128; 2, 288). Das Schicksal der übrigen Pompeianer erfüllte sich in Tod oder Flucht, zumeist nach Spanien; der Oberbefehlshaber Scipio starb auf der Flucht, der Numiderfürst Juba im Streit mit Petreius, dem Legaten des Pompeius. Nach Spanien gelangten insbesondere die beiden Söhne des Pompeius, Gnaeus und Sextus, die dort die letzten Kräfte mobilisierten. Caesar auf der anderen Seite regelte die Verhältnisse in Afrika, wobei er die Strafen oder Belohnungen nach der jeweiligen Position der Personen ihm gegenüber verteilte. Jubas Reich wurde eingezogen und teils zu einer neuen Provinz – nämlich Africa nova mit ihrem ersten Statthalter Sallust – gemacht, teils dem erwiesenermaßen procaesarischen Bocchus überlassen. Diejenigen Städte, die ihn unterstützt hatten, wurden belohnt, die anderen umso kräftiger zur Kasse gebeten. Einen Teil seiner Soldaten entließ Caesar. Er ließ sich auch jetzt wieder keine Zeit für fundamentale Neuregelungen, sondern er segelte von Afrika bereits am 16. Juni ab und gelangte über Sardinien (Caralis) am 25. Juli nach Rom (Bellum Africanum 87–98; Appian, Bella civilia 2, 98–100; Cassius Dio 43, 8–14). Übergroße Eile, nach Rom zu kommen, hatte Caesar nicht, obwohl ihn dort geradezu sensationelle Ehrungen erwarteten. In den wenigen Monaten seines vierten Rom-Aufenthaltes (25. Juli–Anfang November 46) entfaltete
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er eine schier übermenschliche Aktivität. Für jetzt soll es genügen, die Ereignisse zu berichten, um sie dann später in den Kontext seiner Herrschaftspolitik einzubetten. Seine Tätigkeit war umfassend. Sie betraf seine eigene Person, die Stadt Rom, die Provinzen und die Klientelstaaten. Als er ankam, erwarteten ihn bereits eine Fülle von Beschlüssen über Ehrungen. So war er vierzig Tage damit beschäftigt, diese anzunehmen beziehungsweise abzulehnen, den Göttern zum Dank für den Sieg im Bürgerkrieg zu opfern und zu feiern. Der besseren Übersicht halber sei all das, was in Rom zwischen Juli und November geschah, in vier Kategorien eingeteilt: Ehrungen, soziale Fürsorge, Verwaltungsreformen und Sicherungsmaßnahmen seiner Herrschaft. Dies alles wurde nach dem übergeordneten Prinzip Zuckerbrot und Peitsche, Versöhnung und Kontrolle ins Werk gesetzt. Nie zuvor wurde in Rom und vielleicht auch sonst von einer Einzelperson in derartig dichter Weise „regiert“. Caesar setzte – im Unterschied zum strikt zwischen Reich und Rom unterscheidenden Pompeius – konsequent seine Erfahrungen, die er bei seinen langen Aufenthalten im „Reich“ und bei seinem intensiven Wirken in den Provinzen gewonnen hatte, auch in Rom um (Nikolaus von Damaskus FGrH 90, F 130, 67). Wiewohl formal an traditionellen Formen wie Senatsbeschlüssen oder Gesetzen festhaltend, basierte seine Herrschaft erstmalig auf einer Art Kabinett, zu dem seine engsten Vertrauten gehörten (namentlich genannt bei Cicero, Ad familiares 6, 12, 2). Diese waren ihm vollständig ergeben, wussten sie doch genau, wie sehr ihre persönliche Existenz von ihm abhängig war. Manche von ihnen wie Matius hielten ihm noch nach seinem Tod die Treue. Cicero äußerte sich zynisch zu einer jetzt geläufigen Praxis, bei der Caesar Unterschriften von Senatoren zu Senatsbeschlüssen hinzufügte, ohne dass diese überhaupt Kenntnis des Inhalts hatten (Cicero, Ad familiares 9, 15, 3 f.). Ein weiteres traditionelles Politikmittel in systematischer Ausweitung war der Einsatz von Geld, das Caesar nun in höchstem Maße nötig hatte. Deshalb organisierte er die Beitreibung von Geldern, Tributen und Spenden (Sueton, Caesar 54). Den Ausgleich mit seinen Gegnern suchte er zur Stabilisierung seiner Herrschaft, doch konnte er, wie die Briefe Ciceros zeigen, das allgemeine Misstrauen ihm gegenüber nicht zerstreuen. Die Ehrungen lassen sich in repräsentative und politische Ehren einteilen: Es erwartete Caesar ein 40-tägiges Dankfest (supplicatio) und die Genehmigung eines riesigen Triumphes. Er durfte 72 Liktoren (Amtsdiener mit den fasces, Rutenbündel mit Beil, als Insignien der Macht) bei sich führen, sein Amtssessel im Senat sollte immer zwischen denjenigen der Konsuln stehen, er hatte das Recht, als Erster seine Meinung im Senat sagen zu dürfen – die prima sententia – und das Recht, bei den Zirkusspielen das Zeichen zur Eröffnung zu geben. Auf dem Kapitolshügel im Jupiter-Tempel wurde ein Ehrenwagen sowie eine Bronzestatue von ihm aufgestellt, mit einer Inschrift, die ihn als Halbgott bezeichnete. Die Inschrift des Catulus, der einst den Tempel wiederhergestellt hatte und Gegner des Marius gewesen war, wurde durch Caesars Inschrift ersetzt. Die politischen Ehrungen bestanden in der Ernennung zum Diktator für zehn, zum praefectus moribus (Sittenpräfekt) für drei Jahre; sodann sicherte man ihm einen maßgeblichen Einfluss bei den Beamtenwahlen. Angeblich sollen aber noch weit
Ehrungen
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mehr Ehrungen erfolgt sein, die freilich der siegreiche Feldherr nicht angenommen habe (Cassius Dio 43, 14). Die moderne Forschung stand und steht diesem Komplex der Ehrungen ziemlich ratlos gegenüber. Viele Forscher haben ihre Abscheu über die Unterwürfigkeit des Senates zum Ausdruck gebracht oder auch die Ehrungen in den Zusammenhang von Caesars Alleinherrschaftsbestrebungen eingeordnet. Doch bewegen wir uns immer noch innerhalb der republikanischen Vorstellungswelt, die ja auch diejenige Caesars war. Danach stände die Masse der Ehrungen absolut in Einklang mit Caesars einzigartiger auctoritas; so wie die Taten Caesars unvergleichlich waren, so mussten auch die Ehrungen ihn in Quantität und Qualität in eine fast göttliche Sphäre entrücken. Hätte Caesar darauf verzichtet, hätte er eine nach außen wirkende gesamtgesellschaftliche Anerkennung seiner Leistungen nicht angenommen. Das aber gerade konnte er angesichts seiner nicht neu, sondern republikanisch definierten Machtstellung nicht. So sind die Ehrungen, so absurd sie uns heute auch scheinen mögen, nicht antirepublikanisch, sondern geradezu eine vollendete Anwendung traditioneller Mittel zur Anerkennung von Leistungen für den Staat. Den genehmigten Triumph feierte Caesar vier Tage lang und mit vier thematischen Bezügen: die Siege über die Gallier, die Ägypter, Pharnakes und Juba (Cassius Dio 43,19–21). Im Sinne seiner Herrschaftssicherung verzichtete Caesar darauf, den Sieg über Pompeius oder überhaupt den Bürgerkrieg triumphal zu begehen. Der berühmteste unter den vorgeführten Gefangenen war Vercingetorix, der unmittelbar nach dem Fest wieder eingekerkert und dann hingerichtet wurde. Soziale Fürsorge
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Sozialpolitik war traditionell in Rom keine staatliche Aufgabe. Die adligen Patrone sorgten vielmehr für die materielle Existenz ihrer Klienten, wenn diese in Not gerieten. Die Proletarisierung und die Vermassung der Klienten belasteten dieses System, sodass die vielen ärmeren römischen Bürger froh waren, wenn römische Politiker auf dem Gesetzeswege ihre Versorgung mit Getreide und anderen lebenswichtigen Gütern gewährleisteten. Gaius Gracchus war der Erste, der Sozialpolitik auch als eine staatliche Aufgabe auffasste. Caesar stand in dieser „gracchischen“ Tradition. Nachdem es einen Staat nicht mehr gab (wie es Ciceros berühmtes Wort vom „verlorenen Staat“, von der res publica amissa, ausdrückt), übernahm Caesar als oberster Patron aller auch die Fürsorge für alle. Schon während seines Triumphes ließ er möglichst viele daran teilhaben; er organisierte Bewirtungen und verteilte Geldgeschenke (Cassius Dio 43, 21). Doch dann stand – dieser Großzügigkeit scheinbar widersprechend – auf Caesars Agenda auch ein Getreidegesetz (lex frumentaria): Es legte den Kreis der Getreideempfänger fest – und reduzierte ihn um die Hälfte (150 000 statt 320 000), um die Staatskasse zu entlasten; die verbleibenden 170 000 versuchte er über andere Kanäle – etwa durch die Umsiedlung in neu gegründete Städte – zu versorgen. Legendär wurden seine Spielveranstaltungen, insbesondere die Gladiatorenspiele, Tierhetzen mit exotischen Tieren und Naumachien (Cassius Dio 43, 22–24). Das Spielwesen gewann durch Caesar erheblich an Bedeutung und blieb auch später eine der wesentlichsten Aufgaben der politischen Repräsentanten. Mit der Durchführung von Spie-
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len zusammen hing die Baupolitik, weil Rom und das Reich mit den notwendigen Amphitheatern, Circi, Theatern, Stadien und ähnlichem ausgestattet werden mussten. Caesar selbst ließ schon ein erstes, noch nicht dauerhaftes Amphitheater für Gladiatorenspiele errichten. Baupolitisch wichtiger waren das forum Iulium und der Tempel der Venus Genetrix. forum Iulium Zu Mussolinis Zeiten im Zuge der faschistischen Monumentalisierung Roms (Via dell’Impero) in den Jahren 1930–1933 ist dieses Bauwerk freigelegt worden. Es war um einen rechteckigen Platz von 160 x 75 m angelegt und ausgestattet mit Geschäftsgebäuden, Säulenhallen, Verwaltungsgebäuden und dem Tempel für die Venus Genetrix, den er 48 vor Pharsalos gelobt hatte, damals allerdings noch für die „siegbringende“, die Venus Victrix. In diesem Tempel fanden auch Senatssitzungen statt; vor ihm stand eine Rednerbühne, sodass sich also auch das Volk dort versammeln konnte. Eine Reiterstatue Caesars befand sich in der Mitte des Platzes, nach seinem Tod wurde im Tempel eine Statue des „vergöttlichten Iulius“ (divus Iulius) aufgestellt. Sicher sollte diese Anlage mit dem südlich sich anschließenden forum Romanum rivalisieren und die Bauten des Pompeius auf dem Marsfeld übertreffen. Dieses Forum wurde Vorbild der heute wieder sichtbaren Kaiserforen, die sich nördlich an das forum Romanum und das forum Iulium anschließen. Das letzte und gewaltigste dieser Kaiserforen ist dasjenige Trajans (s. auch S. 122).
Nichts symbolisierte so sehr die Abkehr von der Republik wie das eigene, gleichsam private, an der Nordweststrecke über der alten Senatskurie angelegte Forum Caesars. Mit dem Venus-Tempel stellte sich Caesar in die Tradition Sullas, doch betonte er stärker den genealogischen Zusammenhang: Das julische Geschlecht, so hatte er schon vordem öffentlich bekannt, leite sich von Julus, dem Sohn des Aeneas ab und stamme deshalb von Venus/Aphrodite, der Mutter des Aeneas, ab. Finanziert wurden die aufwendigen Anlagen aus Beute- und Tributgeldern. Sie drückten Rom auch äußerlich/baulich einen caesarischen Stempel auf, verschönerten die Stadt und warben daher um die Zustimmung der Römer. Maßnahmen zum Schutz der eigenen Wirtschaft ergriff Caesar zum Beispiel in einem Gesetz, mittels dessen Zölle auf ausländische Waren erhoben wurden (Sueton, Caesar 43); manche moderne Forscher betrachten auch das Luxusgesetz Caesars unter diesem Gesichtspunkt. Medizinern und Lehrern verlieh er das Bürgerrecht, wenn sie in Rom bleiben wollten. Noch mehr am Herzen musste Caesar die Versorgung der Veteranen liegen, seit der Heeresreform des Marius das sich immer wieder neu stellende Hauptproblem des römischen Staates. Nach dem Erfolg in Afrika und den vorhergehenden Meutereien seiner Soldaten in Kampanien wurde Caesar in die Pflicht genommen. Er entließ zunächst eine größere Anzahl älterer Jahrgänge, deren Ansiedlung in Italien sobald als möglich Beauftragte mit praetorischer Vollmacht übernehmen sollten (Sueton, Caesar 38). Ferner erhielten die Betroffenen wie alle Soldaten und Offiziere größere einmalig gezahlte Geldbeträge. Die Ansiedlung sollte natürlich sozialverträglich geschehen, das heißt ohne willkürliche Durchführung zum Schaden anderer, sodass sie längere Zeit in Anspruch nahm. Caesar wollte keine zwangsweisen Enteignungen vornehmen, sondern fehlendes Land hinzukaufen. Um die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen wurde nach Caesars Ermordung gestritten. Caesar gründete auch eine Reihe von Pflanzstädten (coloniae),
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Baupolitik
Wirtschaftliche Maßnahmen
Versorgung der Veteranen
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Das forum Romanum zur Zeit Caesars
Amnestien
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Städte mit römischem Bürgerrecht, in denen vorzugsweise Veteranen beziehungsweise ärmere römische Bürger angesiedelt wurden und dadurch versorgt werden konnten; die Quellen sprechen von 80 000 Menschen. Das Stadtrecht einer dieser Kolonien ist uns aus dem spanischen Urso inschriftlich erhalten geblieben. Möglicherweise fällt in dieses Jahr auch eine Amnestie für Verbannte und aus dem Senat Gestoßene (Cassius Dio 43, 27), doch wahrscheinlich gab es zumindest für bestimmte Pompeianer Einschränkungen (lex Hirtia,
Caesars endgültiger Erfolg Cicero, Philippica 13, 16, 32). Auf keinen Fall ging Caesar so weit, Begnadigungen automatisch auszusprechen; in der Regel mussten sich die Betroffenen persönlich an ihn wenden. Manche, die sich den besonderen Unwillen Caesars zugezogen hatten, hatten sich recht lange um eine Aufhebung des Exils zu bemühen, wie etwa Aulus Caecina, dessen Briefwechsel mit Cicero in dieser Sache erhalten ist (Cicero, Ad familiares 6, 5–9). Da Caesar seit 59 fast ausschließlich außerhalb Roms gewirkt hatte, wusste er um die Probleme der Provinzialen genau. Diese wurden nun in seine Fürsorge einbezogen. Nur so, so viel war ihm klar, konnte seine Herrschaft im ganzen Reich fest gegründet sein. Wir kennen durch den jüdischen Historiker Flavius Josephus (37–ca. 95 n. Chr.) eine Reihe von Privilegien für die Juden, die von Caesar und seinen Beamten ausgestellt worden waren und die Politik Caesars im Umgang mit den Provinzialen deutlich machen. Derartige Privilegien, welche die Grundlage für die spätere gesicherte Existenz von Juden im Römischen Reich legten, kamen auf konkrete Anfragen der Betroffenen zustande (s. Quelle). Daraus erhellt, dass Caesars Fürsorgepolitik einen gegenüber der Republik erheblich weiteren Berechtigungskreis von Personen umfasste. Generell war er auch bei der Bürgerrechtsverleihung großzügiger als üblich. Verfügung Caesars an die Magistrate von Paros (Flavius Josephus, Antiquitates 14, 10, 8)
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Einbezug der Provinzialen
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Gaius Iulius, Praetor und Konsul der Römer, an den Magistrat, den Senat und das Volk von Paros. Die Juden in Delos und einige der jüdischen Mitbewohner sind in Gegenwart eurer Gesandten bei mir vorstellig geworden und haben angezeigt, dass ihr durch Verordnungen sie hindert, ihre althergebrachten Gebräuche und ihren Gottesdienst zu vollziehen. Es hat mein Missfallen erregt, dass ihr solche Bestimmungen gegen unsere Freunde und Bundesgenossen erlasst und ihnen verbietet, nach ihren Gesetzen zu leben und Geld zu gemeinsamen Mahlen wie zum Gottesdienste beizutragen, besonders da ihnen dies noch nicht einmal in Rom untersagt ist. Denn unser Praetor und Konsul Gaius Caesar hat, als er die Verordnung erließ, durch welche alle Versammlungen in der Stadt Rom verboten wurden, jene Zusammenkünfte, Geldsammlungen und Veranstaltungen von Gastmahlen ausdrücklich von dem Verbote ausgenommen. Ebenso gestatte auch ich, obgleich ich alle sonstigen Versammlungen verbiete, den Juden allein, sich nach den Sitten und Gebräuchen ihrer Väter zu versammeln und dabei zu verbleiben. Es ist daher erforderlich, dass ihr alle gegen unsere Freunde und Bundesgenossen erlassenen Verordnungen wegen ihrer Verdienste um uns und ihrer Treue sogleich aufhebt.
Rastlos tätig war Caesar in allen Bereichen der Beseitigung von Missständen, die sich aus der republikanischen Verfassung ergaben. Am berühmtesten und nachhaltigsten war seine Kalenderreform. Der römische Kalender wurde von Caesar auf das Sonnenjahr umgestellt (s. Quelle). Gerade diese sinnvolle und sachlich notwendige Regelung des Kalenders stand jedoch in denkbar schärfstem Gegensatz zur Republik. Denn die bisher unbestrittene Kompetenz der Priester überging Caesar dabei. Caesar maßte sich also kraft seiner Machtstellung Eingriffe in einen „göttlichen“ Raum an, der nur deswegen unkritisiert blieb, weil der Missstand eines völlig verschobenen Kalenders allen bewusst war.
Verwaltungsmaßnahmen
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Caesars Kalenderreform (Cassius Dio 43, 26) Nach dem Erlass der erwähnten Gesetze brachte er auch die Jahrestage in ihre gegenwärtige Ordnung. Diese waren, da man bis zu jener Zeit die Monate nach den Mondumläufen bemaß, etwas in Unordnung geraten, und so ließ er 67 Tage einschieben, welche die genaue Rechnung herstellten. Einige behaupteten nun zwar, es sei eine noch größere Zahl von Tagen eingeschaltet worden, doch die Wahrheit verhält sich so, wie ich gesagt habe. Diese Verbesserung brachte Caesar von seinem Aufenthalt in Alexandria mit, nur dass die Leute dort die Monate mit je 30 Tagen rechnen und dann dem Jahr im Ganzen die noch fehlenden fünf Tage hinzufügen, während Caesar sieben Monaten diese fünf und zwei weitere Tage zulegte, welche letztere er einem Monat genommen hatte. Den einen Tag jedoch, der sich aus den jährlichen Vierteltagen ergibt, brachte er in jedes vierte Jahr ein, sodass die Jahreszeiten überhaupt nicht mehr, es sei denn um ganz kurze Zeiträume, abweichen. Auf jeden Fall wird erst in 1461 Jahren ein weiterer Schalttag nötig.
Das Mittel seiner Reformen waren, wie gesagt, Senatsbeschlüsse, Edikte und Gesetze. Seit Jahrzehnten waren die Geschworenengerichte zwischen Senatoren und Rittern umstritten; Caesar verteilte sie zu gleichen Teilen auf die beiden Stände, jetzt ohne Aerartribunen (Cassius Dio 43, 25). Es galt zudem, die Schäden des Bürgerkrieges zu beseitigen, von denen insbesondere der Senat betroffen war: Der größte Teil hatte ja mit Pompeius Rom und Italien verlassen, viele waren gefallen. Caesar füllte entsprechend die Körperschaft mit eigenen Anhängern auf, wobei die Gesamtzahl der Senatoren von 600 auf 900 stieg. Natürlich konnte er auf diesem Wege, und das war auch beabsichtigt, die ehrgeizigen Wünsche vieler seiner Gefolgsleute zufrieden stellen. Die Angehörigen der alten Familien empfanden das allerdings als willkürlich und tyrannisch, weil die traditionellen Gepflogenheiten für einen Senatssitz in keiner Weise beachtet wurden. Ferner galt es, das Beamtenrecht den Verhältnissen weiter anzupassen; der Vermehrung der Praetorenstellen ließ Caesar nun eine Neuregelung der Promagistratur folgen (Cassius Dio 43, 25): Sie durfte im Falle der Propraetoren nicht über ein Jahr hinaus, bei Prokonsuln nicht über zwei Jahre hinaus dauern. Mit Prämien und Belohnungen versuchte er des Weiteren, das Bevölkerungswachstum zu befördern; insbesondere bei der Ackerverteilung wurde Kinderreichtum belohnt. Reichspolitisch von Bedeutung war sein Munizipalgesetz, das ein einheitliches Regelwerk für alle Städte dieses Typs des municipium vorsah (Cicero, Ad familiares 6, 18 ,1; 13, 11, 3). Ergänzende Regeln betrafen die Qualifikation der Ratsherren (Dekurionen: tabula Heraclensis). Auch im judikativen Bereich gab es Regelungsbedarf. So sind eine Reihe von Gesetzen Caesars über Majestätsvergehen und gewaltsame Handlungen ohne genauere Spezifizierungen überliefert.
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Majestätsvergehen Der Begriff maiestas (von magnum/Komparativ maius) heißt „Erhabenheit“, „Würde“, die Göttern, Personen und dem Staat zukam. Die Majestät des römischen Volkes musste bereits in der späten Republik gesetzlich geschützt werden. So stellte ein Gesetz Sullas de maiestate im Jahre 81 Hochverrat und Pflicht-
Caesars endgültiger Erfolg
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verletzungen von Beamten und Bürgern als Minderung der Majestät des römischen Volkes unter Strafe. Caesar bestätigte und verschärfte dieses Gesetz (Cicero, Philippica 1, 23), doch erst in der Kaiserzeit erhielt der Straftatbestand der Majestätsverletzung (crimen maiestatis), jetzt des römischen Kaisers, seine volle Bedeutung. Staat und Kaiser wurden als Einheit aufgefasst.
In den vierten Bereich fallen Caesars Bestrebungen, die durch die Bürgerkriege geschaffenen Risse in der Gesellschaft möglichst schnell zu kitten und Wiederholungen von Bürgerkriegen zu verhindern. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die berühmte „Milde Caesars“, die clementia Caesaris. Sie war gleichsam Legitimitätsersatz. Von ihr profitierten viele und angesehene ehemalige Gegner. Da Caesar sich durchaus lange und von vielen Personen bitten ließ, bevor er seinen Gegnern eine Begnadigung zusprach, konnte er sich nicht nur die begnadigten Personen, sondern auch deren zumeist hoch gestellte Fürsprecher verpflichten. Der berühmteste Fall dürfte der Konsul des Jahres 51, Marcus Marcellus, gewesen sein, der weiterhin ein unversöhnlicher Gegner Caesars blieb, aber zurückkehren durfte. Cicero hat Caesar aus diesem Anlass eine beeindruckende Dankesrede gehalten, ebenso wie für die Begnadigung des Quintus Ligarius. Diese Reden atmen einen Hoffnungsschimmer in einer sonst sehr pessimistisch gestimmten Zeit, dass Caesars Sieg vielleicht doch eine Besserung der Verhältnisse im Sinne eines geordneten republikanischen Staatswesens bringen könnte. Auch Sallust schrieb damals an Caesar seine Vorstellungen, wie der Sieg über die Pompeianer jetzt in versöhnliche und stabile Verhältnisse einmünden sollte (Epistula 1). Vielen von Caesars Anhängern ging dieser Versöhnungskurs zu weit; es hielt sich das Gerücht, dass Marcus Antonius gar einen Anschlag vorhatte (Cicero, Pro Marcello 21; Philippica 2, 74). Aber dennoch: Das Misstrauen und die Furcht der traditionellen Eliten blieben bestehen (Cicero, Ad familiares 9, 16). Caesar handelte ja auch unvermindert autokratisch, der alte Adel blieb politisch ausgeschlossen, und er fühlte sich kontrolliert. Das war von Caesar auch so beabsichtigt. Er hatte zum Beispiel ein Antiluxusgesetz erlassen, das so streng wie keines seiner Vorgänger überwacht wurde. Ein Spitzelwesen wurde etabliert. Gesetze zur Beschränkung des Speiseluxus, die zum Beispiel die Teilnehmerzahl festsetzten, bestimmte Speisen verboten oder auch konkrete Summen für die Gelage festlegten, gab es seit 182 v. Chr. (lex Orchia), und sie sollten die ausufernden Bewirtungen als Wahlkampfmittel durch römische nobiles im Rahmen von Amtsbewerbungen regeln. Für Caesar als Diktator bot dieses Instrument aber auch eine Möglichkeit zur Kontrolle seiner Standesgenossen. Sueton erwähnt neben Caesars strengem Vorgehen gegen den Tafelluxus (s. Quelle) auch andere Verfügungen über die Sitten, etwa den Ehebruch, die luxuriöse Kleidung oder das Getragenwerden in Sänften betreffend. Zentrales Anliegen all dieser Bestimmungen war die Stabilisierung der politischen Verhältnisse nach dem Bürgerkrieg durch die Eindämmung von Verschwendung und finanzieller Ausblutung der Oberschicht. Die Institutionalisierung der Kontrollen ist aber durchaus neu und wieder ein Beleg dafür, wie Caesar traditionelle Einrichtungen beibehielt, aber ihnen neue Elemente hinzufügte. Cicero allerdings äußerte sich sehr ironisch über die Durchführbarkeit solcher Gesetze wie desjenigen gegen den Speiseluxus (Cicero, Epistulae ad Atticum 13, 7, 1).
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Das Gesetz gegen den Tafelluxus (Sueton, Caesar 43) Besonders streng handhabte er das Gesetz gegen Tafelluxus. Auf dem Lebensmittelmarkt stellte er besondere Aufseher an, die alle verbotswidrig eingekauften Speisen mit Beschlag belegen und zu ihm bringen mussten. Manchmal schickte er auch noch Polizeibeamte und Soldaten in die Wohnungen; sie mussten selbst die schon aufgetischten Speisen, die den Aufsehern entgangen waren, aus den Speisezimmern forttragen.
Krieg in Spanien
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All diese positiven Änderungen konnten aber nicht verwischen, dass die Ordnung des Staates, oder besser: des Römischen Reiches in seiner Gesamtheit, nach wie vor völlig ungeklärt blieb. Anders als Sulla hatte Caesar kein „Programm“; er rief, wie es Karl Christ jüngst treffend formuliert hat, „unaufhörliche Kaskaden der Einzelverordnungen“ ins Leben, aber das war keine „in sich geschlossene Neustrukturierung“ des Gemeinwesens. Caesar schuf unter Verwendung des republikanischen Instrumentariums einen neuen Staat, der freilich keine res publica mehr, sondern nur noch eine res privata zu sein schien. Dazu passt auch die Nachricht, dass Kleopatra mit Caesars Sohn und ihrem ganzen Hofstaat nach Rom gekommen war und in Caesars Haus jenseits des Tibers wohnte. Offiziell erhielt sie den Titel eines Freundes und Verbündeten des römischen Volkes, doch Caesar ließ ihr weit mehr Ehre als die römische Garantie ihrer Herrschaft in Ägypten zukommen: Eine Statue von ihr wurde im Tempel der Venus Genetrix neben dem Venus-Bild aufgestellt. Caesar handelte in eigener Vollkommenheit dort, wo er sich nicht an den republikanischen Kodex gebunden fühlte. Trotzdem – oder gerade deshalb – erregte diese Selbstherrlichkeit Anstoß: „Ich hasse die Königin“, schreibt Cicero (Epistulae ad Atticum 15, 15), ohne ihren Namen auch nur zu nennen. Der Bürgerkrieg aber war immer noch nicht zu einem Ende gekommen. In Spanien sammelte sich jetzt das Heer der Pompeianer. Gerüchteweise drang nach Rom eine Zahl von elf, in Wirklichkeit waren es 13 Legionen. Caesar dagegen hatte nach dem Afrika-Krieg teilweise abgerüstet. Dazu kam, dass der von Caesar 49 in Spanien eingesetzte Propraetor des jenseitigen Spanien, Quintus Cassius Longinus (im diesseitigen war der Prokonsul Marcus Lepidus, der 46 dann Konsul wurde), die Provinz auspresste und deshalb Widerstand sowohl bei den dort verbliebenen Pompeianern als auch bei den Einheimischen, die Pompeius zurücksehnten, provozierte (Bellum Alexandrinum 48–64). Schließlich war er 47 durch den Prokonsul Gaius Trebonius von Caesar ersetzt worden. Doch als die Pompeius-Söhne dort erschienen und die Erinnerung an ihren Vater wieder aufleben ließen, war die Provinz für Caesar erneut verloren; der ältere der beiden, Gnaeus Pompeius, wurde zum Imperator ausgerufen. Spanien war bereits seit über 150 Jahren römisch beherrscht und dadurch auch weitgehend romanisiert. In den Legionen auf beiden Seiten kämpften viele Einheimische. Das Operationsgebiet des jetzt wieder auflebenden Bürgerkrieges war die Baetica in Südspanien um die Stadt Corduba. Nachdem Caesar zunächst Gefolgsleuten die Kriegführung übertragen hatte, sah er sich doch genötigt, Rom zu verlassen und Anfang Novem-
Caesars endgültiger Erfolg ber selbst nach Spanien aufzubrechen, ohne dass er die innerrömischen Verhältnisse für das Jahr 45 hätte regeln können; in seiner Abwesenheit vertrat ihn in Italien der magister equitum Lepidus (Sueton, Caesar 76). In Spanien kam ihm zugute, dass der junge Cn. Pompeius noch unerfahren war und wohl auch sehr viel Respekt vor ihm hatte. Letztlich trauten ihm wahrscheinlich auch die Einheimischen keinen Erfolg zu. Als es dann bei Munda im Süden Spaniens am 17. März zu einer hart umkämpften Entscheidungsschlacht kam – Caesar zählte sie später zu seinen bedrohlichsten (Plutarch, Caesar 56; Appian, Bella civilia 2, 104) –, siegte Caesar (Bellum Hispaniense 20–31; Cassius Dio 43, 35–38; Florus 2, 73–87; Sueton, Caesar 36; Appian, Bella civilia 2, 104; Plutarch, Caesar 56) bezeichnenderweise erst, als ein pompeianisches Abwehrmanöver von den eigenen Leuten als Flucht gedeutet wurde. 33 000 Pompeianer fielen. Clementia übte Caesar in Spanien nicht, da er es als abgefallen und darum als untreu betrachtete; umso verbissener kämpften seine Gegner. Nach dem Sieg erlegte Caesar den Gemeinden zum Teil empfindliche Strafen und Tribute auf; besonders hart traf es Corduba und Hispalis (heute Sevilla: Bellum Hispaniense 32–41; Cassius Dio 43, 39). Cn. Pompeius starb auf der Flucht; in Hispalis wurde sein Kopf zur Schau gestellt. Seinem Bruder Sextus gelang es, zu entkommen; er vertrat auch nach Caesars Tod die Sache seines Vaters – zumindest auf den Meeren und Inseln, und er sollte auch Caesars Adoptivsohn Octavian in den dreißiger Jahren noch größte Schwierigkeiten bereiten. Die Neuordnung Spaniens durch Caesar basierte erneut auf dem bewährten Prinzip „nach Verdienst“ (pro meritis: Cassius Dio 43, 39). Belohnungen für gewährte Unterstützung bestanden in territorialen Gewinnen für einzelne Städte und insbesondere in Bürgerrechtsverleihungen, zu denen er entweder berechtigt war oder die er aus eigener Machtvollkommenheit vornahm. Er gründete Kolonien, wie die colonia Genetiva Iulia Urbanorum (heute: Urso), deren Verfassung inschriftlich erhalten ist (H. Dessau, Inscriptiones Latinae Selectae, Berlin 1892–1916, 6087). Angesiedelt wurden Veteranen und ärmere römische Bürger; die Koloniegründungen waren also Sozialpolitik und Herrschaftssicherung in einem. Die Stadt Gades (heute Gadiz) wurde municipium, doch hinderte dieser Status nicht, Plünderungen im Heraklestempel der Stadt vorzunehmen. Die Kosten für Kriege und Fürsorge mussten jedoch in besonderem Maße jene Städte aufbringen, die auf der Gegenseite gestanden hatten. Zukunftsweisend war die geographische Ausdehnung der Bürgerrechtverleihungen, denn so wurde allmählich die Idee von einem übersichtlichen Stadtstaat Rom zu Grabe getragen. Im Juni 45 waren die spanischen Regelungen getroffen, im September traf Caesar wieder in Rom ein. Auf dem Weg dorthin gründete er noch einige Bürgerkolonien in der Narbonensis, zum Beispiel Arelate (heute Arles) und Forum Julii (heute Fréjus) und stattete die gesamte Provinz mit dem latinischen Bürgerrecht aus. Bürgerrecht Die Verleihung des latinischen Bürgerrechts war eine Vorstufe zum römischen Bürgerrecht und daher als Privilegium zu verstehen. Es ist ein besonders charakteristischer Beleg, wie die Römer den Sinn von Einrichtungen im Laufe der Zeit,
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Neuordnung Spaniens
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ohne ihnen andere Namen zu geben, veränderten. Die Latiner waren ein lateinisch sprechender Stamm im Gebiet südlich des Tiberunterlaufs. Die Römer des 6. Jahrhunderts, an sich zu ihnen gehörig, aber doch durch das etruskische Königtum in einer besonderen Position, hatten nach der Vertreibung der Könige gemeinsam mit den Latinern Kriege gegen die nördlichen Etrusker und die Bergvölker geführt. Auf dem eroberten Territorium legten sie zu seiner Sicherung Städte an, die als coloniae bezeichnet wurden und ein einheitliches, alle Neugründungen umfassendes Bürgerrecht erhielten. Dieses latinische Bürgerrecht ist also kein historisch gewachsenes, sondern ein gesetztes Recht. Im Zuge der römischen Ausdehnung in Italien wurden weitere Kolonien zur Sicherung des Gebietes gegründet. Dabei griff man auf dieses latinische Bürgerrecht zurück: Es signalisierte einen bestimmten Stadttypus, dessen Bewohner ein alle diese Städte verbindendes Bürgerrecht besaßen; kehrten sie nach Rom zurück, trat wieder ihr ursprüngliches römisches Bürgerrecht in Kraft. Damit wurde die enge Bindung an Rom ausgedrückt. Zu Caesars Zeiten war natürlich diese ursprüngliche militärische Dimension der Kolonie in Italien hinfällig gworden, doch das latinische Bürgerrecht blieb bestehen. Jetzt wurde es als Privileg verliehen, demonstrierte die Nähe zu Rom und die Aussicht, bald in die höchste Stufe, das römische Bürgerrecht, aufzusteigen. Diese Abstufungen römisches – latinisches – städtisches Bürgerrecht gab es, bis Kaiser Caracalla im Jahre 218 n. Chr. ein reichsweites, einheitliches römisches Bürgerrecht einführte.
Ende des Bürgerkrieges
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Seit Mai befand sich auch der junge Gaius Octavius, der achtzehnjährige Großneffe Caesars, in dessen Umgebung; am 13. September 45 wurde er von Caesar – auf der letzten Seite seines Testamentes – adoptiert (Sueton, Caesar 83). Mit der Schlacht von Munda war der Bürgerkrieg definitiv beendet, doch anerkannt war Caesars Herrschaft damit nicht. Schon in Narbo sollen sogar die eigenen Gefolgsleute Gaius Trebonius (der Prokonsul Spaniens) und Marcus Antonius an die Beseitigung des Siegers gedacht haben (Cicero, Philippica 2, 34). Noch mehr traf die Ablehnung des Diktators für die republikanischen Gegner zu. Sie änderten ihre Haltung nie. Im Verlaufe des Bürgerkrieges war Caesar mehrmals in Rom gewesen, hatte dort pragmatische und Ad-hoc-Bestimmungen zur Sicherung seiner Herrschaft erlassen und konnte sich dann wieder auf die Weiterführung des Krieges überall in der Welt konzentrieren. Jetzt war wirklich der Bürgerkrieg beendet, und damit war die Aufgabe gestellt, den Frieden dauerhaft und möglichst konsensual einzurichten. Die Voraussetzungen dafür schienen gut zu sein, denn nennenswerten Widerstand gab es nicht mehr, und der Bürgerkrieg hatte alle erschöpft. Aber das, was Caesar zwischen 49 und 45 bewerkstelligt hatte, erweckte nicht nur Hoffnungen, sondern auch Befürchtungen. Wie würde der Staat des siegreichen Feldherrn aussehen? Ihm wenden wir uns im nächsten Kapitel zu.
VI. Der Staat des Diktators Caesar 1. Rückkehr aus Spanien Nach der Ermordung Caesars beurteilte Cicero rückschauend dessen Stellung im Staat als monarchisch: „Wir erinnerten uns noch an die allzu mächtige Stellung des Cinna, wir hatten später die Gewaltherrschaft des Sulla und gerade eben die Königsherrschaft Caesars“ – die feinen Unterschiede werden im lateinischen Original noch deutlicher: Memineramus Cinnam nimis potentem, Sullam postea dominantem, modo Caesarem regnantem videramus (Cicero, Philippica 2, 108). In ein regnum also, in eine Königsherrschaft sah Cicero die Republik nach Caesars Sieg in der Schlacht bei Munda verwandelt; und er hielt diese Herrschaft noch für eine Steigerung der früheren Alleinherrschaften des Cinna in den achtziger Jahren und Sullas zwischen 82 und 79. Die Rückkehr Caesars nach Rom aus Spanien gestaltete sich alles andere als eilig. In Oberitalien war er schon im Juli 45, doch erst im Oktober begab er sich nach Rom. Dort blieb er bis zu seiner Ermordung am 15. März 44. Auf diesen Zeitraum, der nicht länger als ein halbes Jahr umfasste, hat Napoleon I. seinen berühmten Satz gemünzt: „Il a été six mois maître du monde.“ – „Er war sechs Monate lang Herr der Welt.“ Dieser Satz ist zutreffend, denn in all den Bürgerkriegsjahren zuvor, selbst nach Thapsus noch, konnten sich seine Gegner, Republikaner und Pompeianer, immer neu und bedrohlicher formieren. Nach der Schlacht von Munda war der Gegner endgültig besiegt. Zwar gab es in Syrien immer noch Schwierigkeiten, die sich wie in Spanien (auch) aus der Misswirtschaft eines caesarischen Statthalters ergeben hatten; deshalb konnte sich der Pompeianer Caecilius Bassus dort eine starke Position erarbeiten. Doch eine Gefahr für Caesars Herrschaft bestand zu keinem Zeitpunkt mehr. Diese war vielmehr gesichert wie nie zuvor, zumal auch seine Gegner lieber Caesar als Herrn gewünscht hatten als den jungen Cn. Pompeius, der sich durch Härte und Grausamkeit in Spanien die Sympathien vieler verscherzt hatte; so schrieb Cassius, der spätere Caesar-Mörder, im Januar 45 an Cicero: „Und ich möchte lieber den alten und gnädigen Herrn haben als den neuen und grausamen erproben. Du weißt ja, wie einfältig Gnaeus (gemeint ist der junge Pompeius) ist, weißt, wie er Grausamkeit für Tugend hält, weißt, wie er sich immer von uns verspottet fühlt“ (Cicero, Ad familiares 15, 19, 4), und kurz vor Caesars Rückkehr nach Rom rechnete diesen die spätere „Seele“ der Caesarmörder, der Cato-Neffe Brutus, sogar zu den Guten (Cicero, Epistulae ad Atticum 13, 40). Dieses Ansehen schien vordergründig ein Pfund, mit dem Caesar wuchern konnte. Doch in Wirklichkeit lagen die Dinge ganz anders. Die menschliche, moderate Seite des Siegers nahm man erleichtert zur Kenntnis, doch seinem Umgang mit den Traditionen begegnete man nach wie vor misstrauisch und kompromisslos. Die Republik blieb Dreh- und Angelpunkt allen Trachtens der Führungsschicht sowie aller anderen römischen Bürger, soweit sie nicht zum Caesarianer-Klüngel gehörten. Jeder machte sich, ausgehend von seinem jeweiligen sozialen
Herrscher der Welt
Republik als Drehund Angelpunkt
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Paradigmenwechsel Caesars
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und politischen Hintergrund, ein anderes Bild von der Republik: Mal als Gleichheit der Standesgenossen, mal als Hort der Freiheit, dann wieder als Rechtsstaat verstanden, war sie zu einem Phantom mutiert, das sich einer festen und klaren Definition entzog. Ihre Verfassung war ja auch nie schriftlich niedergelegt worden und darum nicht überprüfbar. Ciceros Werk „Über den Staat“ (De re publica) aus der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre war seine Version eines idealen, auf der „Sitte der Vorfahren“ aufgebauten republikanischen Staates, aber gewiss nicht die aller. Auch Caesar hatte sich für seinen Waffengang über den Rubicon auf die gefährdeten republikanischen Strukturen berufen, und nicht weniger orientierten sich an dieser Kategorie seine späteren Regelungen: Nach seinen militärischen Siegen bei Pharsalos und Thapsus etwa kleidete er nach Möglichkeit alle seine Ehrungen und Rechte in ein republikanisches Gewand. Damit erhoffte er sich eine breite Zustimmung für seine Taten, nach der er – auch hierin in republikanischer Tradition stehend – immer gestrebt hatte. Zu keinem Zeitpunkt aber erhielt er diese Zustimmung – und das wurde für sein Verhältnis zum republikanischen Staat entscheidend – insbesondere nicht von den alten Eliten, um die er sich doch trotz aller Differenzen immer bemüht hatte. Diese klammerten sich vielmehr statt an Caesar an Cato, glorifizierten und erhöhten ihn zur reinen Idee der Republik, und das allein aus dem Grund, weil er der schärfste Gegner des siegreichen Feldherrn Caesar gewesen war. Dieser wiederum musste das als eine Missachtung seiner „Ehre“ (dignitas) empfinden. Er schrieb noch in Spanien einen Anticato, den offenkundig allein der Ärger in die Feder diktiert hatte, weshalb er weder in der Sache noch literarisch überzeugen und also auch keinen Erfolg haben konnte. Aus den Kämpfen auf diesem intellektuellen Nebenkriegsschauplatz ging Catos Ruhm vielmehr gestärkt hervor; wie erfolgreich die heroisierende Identifizierung Catos mit den Werten der Römischen Republik war, können wir bei dem neronischen Dichter Lucan, der einen Höhepunkt der Catoverehrung darstellt, ersehen. Wo immer Tyrannen auftauchten – und Nero war für die stoische Opposition um Seneca und Lucan ein Tyrann –, über Cato als den idealen Bürger und die Verkörperung der Römischen Republik konnten diese offen oder auch latent bekämpft werden. Caesar zog aus all den Vorgängen um die Glorifizierung seines erbitterten Gegners Cato, durch die sich die Unvereinbarkeit der Standpunkte beider Seiten verfestigt hatte, seine Konsequenzen. Nach Munda spätestens vollzog sich in Caesars politischem Planspiel ein Paradigmenwechsel. Dieser Bruch mit seiner bisherigen Politik deutete sich schon nach Thapsus an und ist weitgehend in der modernen Forschung anerkannt. Doch welche Richtung jetzt von Caesar eingeschlagen werden sollte, darüber ist bislang keine Einigkeit erzielt worden. Wenden wir uns zunächst dem zu, was die Überlieferung über die Monate zwischen Oktober 45 und März 44 über Caesars Wirken zu berichten weiß. Es sind Monate einer fast unheimlich wirkenden Hyperaktivität auf vier Handlungsfeldern: erstens der Divinisierung der eigenen Person, zweitens der verfassungsrechtlichen Ordnung, drittens der Sozialpolitik und viertens der Reichspolitik. Jede Bewertung der historischen Bedeutung Caesars hat von dieser letzten Phase seiner Herrschaft auszugehen, denn nur hier treffen wir den Politiker Caesar gleichsam ohne Verstellung und ohne Rücksichtnahme an.
Ehrungen und Vergöttlichung
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2. Ehrungen und Vergöttlichung Unmittelbar nach Munda setzte erneut eine dem heutigen Betrachter geradezu obszön erscheinende Welle von Ehrungen ein, die unsere Quellen zum Teil genüsslich vor uns ausbreiten (Cassius Dio 43, 42–46; 44,4–8; Sueton, Caesar 45; Appian, Bella civilia 2, 106–109). Sie übertrumpfte alles bisher Dagewesene. Als Erstes wollte man das Ergebnis jener alles entscheidenden Schlacht in Spanien wie eine Neugründung Roms feiern. Die Nachricht vom Sieg über Cn. Pompeius den Jüngeren gelangte am 20. April nach Rom, dem Vorabend der alljährlichen Gründungsfeier der Stadt. Von nun an sollten in jedem Jahr diese Parilien mit Pferderennen im Zirkus an den Sieg Caesars erinnern. Der 21. April galt als Gründungstag Roms, der mit den Parilien, einem alten Fest zu Ehren der Hirtengottheit Pales, verbunden worden war. Dies war jedoch nur der Anfang einer maßlosen Aufeinanderfolge von sich immer noch steigernden Ehrenbeschlüssen seitens des Senates und der Volksversammlung. Ein fünfzigtägiges (!) Dankfest wurde Caesar zu Ehren beschlossen, der Imperator-Titel als Ausdruck der Verbindung zum Heer wurde Teil seines Namens und erblich, und das Triumphalgewand durfte er bei allen festlichen Veranstaltungen, den Lorbeerkranz (vielleicht zur Verdeckung seiner Glatze, wie man spottete) immer tragen. Urkundlich konnte er sich jetzt als „Befreier“ (liberator) titulieren, und damit zusammenhängend wurde die Errichtung eines „Freiheits“-Tempels beschlossen. Diese bei Cassius Dio überlieferte Nachricht ist erstaunlich, denn, wie jüngst herausgearbeitet wurde, bedeutete die libertas-Idee für Caesar zu dieser Zeit wenig; sie war vielmehr fest und wie ein „Kampfbegriff“ von seinen Gegnern vereinnahmt (Raaflaub). Mit dieser Entscheidung schloss der Senat also offiziell seinen Frieden mit Caesar. Ferner bewilligte man ihm eine domus publica („öffentliches Haus“, gemeint ist eine Art Amtssitz) auf dem Forum. Auf ihn sollten bei Dankfesten alle künftigen Siege zurückgeführt werden, auch wenn er gar nicht an diesen beteiligt gewesen war. Dass er mit solchen Ehrungen allem menschlichen Maß entrückt wurde, war offensichtlich, aber man erkannte dieses Übermenschliche in ihm zusätzlich durch den Beschluss an, dass beim Festumzug anlässlich der Zirkusspiele eine Elfenbeinstatue von ihm zwischen allen anderen Götterstatuen mitgeführt werden sollte. Die Inschrift deo invicto („dem unbesiegten Gott“) sollte seine Statue im Tempel des Quirinus zieren, ein weiteres Bild wurde auf dem Kapitol neben den alten römischen Königen und denjenigen des Republikgründers Brutus aufgestellt. Gewiss waren das Ehrungen, von denen Caesar wollte, dass er sie erhielt; er nahm sie natürlich auch an. Denn wem die Verteidigung der dignitas das höchste Gut war, dem musste selbst die maßloseste „Belohnung“ für Leistungen, die ja gleichfalls alles bisher Dagewesene in den Schatten stellten, gerechtfertigt erscheinen. Caesar lebte in dieser Vorstellungswelt, die der republikanischen entsprach. Er ging auch davon aus, dass seine Umwelt so dachte. Deshalb war die in diesen Ehrungen liegende Tendenz zur Vergottung ein probates, traditionelles und grundsätzlich konsensuales Herrschaftsmittel. Und es waren auch noch Steigerungen möglich. Die ihm
Nie gekanntes Ausmaß an Ehrungen
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Altrömische Elemente der Ehrungen
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gewährten Ehren- und Machtinsignien (Triumphalgewand, Ehrenplätze im Theater, goldener Amtssessel, Liktoren) wurden erweitert. Die dem Feind abgenommenen Beutestücke (spolia opima; wörtlich „fette Beutestücke“) durfte er in dem von Romulus gestifteten Tempel des Jupiter Feretrius, des höchsten Gottes als Schlachtentscheider, weihen. Nach den Festveranstaltungen anlässlich der feriae Latinae durfte er zu Pferde von den Albaner Bergen nach Rom reiten. feriae Latinae Diese sind die „latinischen Festtage“, das gemeinsame Bundesfest der Latiner; bei diesem Anlass wurde dem höchsten Gott Jupiter (mit dem Beinamen Latiaris) auf dem Albaner Berg (an der Stelle der alten Stadt Alba Longa) ein Stier geopfert. Dieses Fest geht auf eine sehr frühe Zeit zurück, als Rom noch keine führende Rolle gespielt hat (Dionysios von Halikarnass 4, 49). Der Zeitpunkt für die Feierlichkeiten, an denen gewöhnlich alle römischen Beamten teilnahmen, war im Frühjahr, nämlich vor dem Auszug der jeweiligen Konsuln in den Krieg (also April oder Anfang Mai).
Caesar erhielt in Anerkennung seiner Autorität den Titel eines „Vater des Vaterlandes“ (parens patriae), durfte sich – erstmalig für einen noch lebenden Politiker – auf Münzen abbilden lassen, wie überhaupt sein Bildnis verbreitet und überall aufgestellt sein sollte – auch der Personenkult diktatorisch regierter Staaten und die Nutzung der Medien sind also keine modernen Erfindungen. Caesar stilisierte sich nahezu an jeder Hausecke als Retter der Bürger, Bewahrer der Stadt im Einklang mit den Göttern oder Friedensbringer. Eine Leibwache ließ er sich dekretieren, führte einen Schwur „Bei Caesars Tyche“ ein und ließ sich im Voraus alle seine zukünftigen Maßnahmen bestätigen. Ihm zu Ehren wurde des Weiteren ein alle vier Jahre zu veranstaltendes Fest eingerichtet, und obendrein erhielt er ein eigenes julisches Priesterkollegium bei den Lupercalia, einem alten Hirtenfest wie die schon erwähnten Parilia. Man feierte sie am 15. Februar mit Tieropfern und Umzügen. Die luperci (wohl „Wolfsabwehrer“, da der Wolf für Hirten eine Gefahr darstellte) liefen nackt um den Palatin, den ältesten Siedlungsort Roms, herum und später auch auf der Via Sacra auf dem forum Romanum hin und her. Wenn ihnen Frauen entgegen kamen, schlugen sie diese mit Riemen aus Ziegenfell, um sie fruchtbar zu machen. Dieses Fest hatte natürlich zu Caesars Zeiten längst seinen realen Hintergrund verloren und war in erster Linie zu einer gut besuchten Volksbelustigung geworden. Gerade deshalb eignete sich dieses Fest für den Plan des Marcus Antonius, Caesar die Königswürde vor aller Augen zu übertragen. Man weihte Caesar einen eigenen Tag bei allen Gladiatorenspielen in Rom und Italien. Auch sonst wurde bei Feiern seine Statue zusammen mit anderen Götterstatuen in die Theater gebracht. Damit nicht genug, es wurde beschlossen, Caesar mit Jupiter Julius anzureden, ihm und seiner clementia einen eigenen Tempel zu weihen und sogar einen eigenen Priester (flamen) zu erwählen, nämlich Marcus Antonius: So wie es Priester für Jupiter, Quirinus oder Mars gab, sollte also auch Caesar „seinen“ Priester bekommen; Marcus Antonius wurde für diese Funktion sogar unter die Patrizier aufgenommen, so wie einst Clodius unter die Plebejer versetzt worden war, damit er das Volkstribunat bekleiden konnte (Cicero, Philippica 2, 110). Für Caesar galt selbstverständlich nicht das Bestattungsverbot inner-
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halb des Pomeriums, was ebenfalls als ein Indiz seiner Göttlichkeit anzusehen ist. Der hierüber gefasste Beschluss wurde zu Füßen des kapitolinischen Jupiter aufgestellt, und in dieser symbolischen Unterordnung unter den höchsten Gott der Römer mag man – bei aller Göttlichkeit, die in Caesar wohnte – doch zum Ausdruck gebracht haben, dass auch Caesar nur ein Mensch war. Kaiserkult Im Grunde finden wir bei Caesar den Kaiserkult späterer Zeit vorbereitet. In der neueren Forschung wurde dezidiert die These vertreten, dass seit Caesar jeder Kaiser schon zu Lebzeiten ein Gott in allen Teilen des Reiches gewesen sei (Manfred Clauss). In jedem Fall aber sollte der Kaiserkult die majestätische Würde in eine übermenschliche Sphäre rücken. Zu seinen wesentlichen Bestandteilen gehörte in der Prinzipatszeit, dass die Kaiser eigene Priester, Paläste als Wohn- und Amtsgebäude, idealisierte Statuen, Tempel als Verehrungsstätten, besondere Geburtstagsfeierlichkeiten, eigene Festspiele und Ähnliches erhielten. All das bildete sich seit der julisch-claudischen Dynastie (27 v. Chr.–68 n. Chr.) in einer Art Erprobungsphase heraus, aber man sieht deutlich, wie sehr der Name Caesars für den Beginn dieser Entwicklung zum Kaiserkult steht.
Der siebte Monat des Jahres, traditionell der Quinctilis (das heißt wörtlich der fünfte Monat, weil ursprünglich bis zum 2. Jahrhundert v. Chr. das Jahr mit dem März begann), und eine Tribus in Rom wurden nach seinem Gentilnamen (Julius) umbenannt. Zu Lebzeiten sollte er, so wollten es einige, ein unbegrenztes Heiratsrecht erhalten. Opposition gegen das Ausufernde dieser Ehrungen gab es wohl auch (Cassius Dio 44, 7 f.), und selbst einer schon vom alltäglichen Kaiserkult geprägten Historikergeneration kam die Frage, ob nicht hinter all dem der bewusste Versuch einer „Entlarvung des Tyrannen“ stand – so unglaublich schien das Ausmaß der Divinisierung. Danach wäre also das Übermaß an Ehrungen von Seiten der Senatoren geeignet gewesen, Caesar im Falle der Annahme bloßzustellen und zu diskreditieren. Es ist freilich auch die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass kaiserzeitliche Autoren die Ehrenliste immer weiter ergänzten, diese also in Teilen falsch ist. Einzelne Beschlüsse riefen besonderen Widerspruch hervor. Ärger erregte schon Anfang Oktober 45, dass Caesar nicht nur für sich selbst einen Triumph wegen seines Sieges über römische Bürger reklamierte, sondern gleich noch seinen beiden Legaten Quintus Fabius und Quintus Pedius einen solchen verschaffte (Plutarch, Caesar 56 f.). Es ist die Anekdote überliefert, dass sich der Volkstribun Pontius Aquila nicht von seinem Platz erhob, als Caesar triumphierend vorbeizog; daraufhin habe Caesar ihm zugerufen: „Verlang doch, Tribun Aquila, die Republik von mir zurück“ (Sueton, Caesar 78). Cicero berichtet als Augenzeuge in einem Brief (Epistulae ad Atticum 13, 44 vom 28. Mai 45 und in der Rede Pro rege Deiotaro 33 f.), dass anlässlich einer Prozession, bei der Caesars Statue neben derjenigen der Victoria geführt wurde, das Volk nicht applaudiert habe. Hier war also offenbar eine magische Grenze für das, was die Römer mittragen konnten, erreicht. Alle römischen Bürger, ganz gleich welcher Schicht, also nicht nur die Nobilität, sahen in den Jahrhunderten der Römischen Republik eine Erfolgsgeschichte, über die man nicht einfach nach Belieben verfügen konnte. Einigkeit bestand zum Beispiel generell in der Ablehnung des
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Opposition gegen Caesar-Kult
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Der Staat des Diktators Caesar
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Annahme der Kritik
Königstitels, doch genau darum ging es Caesar augenscheinlich: auszuloten, wie weit seine durch Autorität und dignitas herausgehobene Stellung konsensual definiert werde konnte. Das Erreichen der Grenzen akzeptierte Caesar: Als ihn auf seinem forum Iulium einmal eine Delegation von Senatoren aufsuchte, um ihm neue Ehrenbeschlüsse zu überbringen, erhob er sich nicht von seinem Platz. Den Unmut, der sich darüber erhob, versuchte er zu besänftigen, indem er einen Schwächeanfall vorschob (Plutarch, Caesar 60; Cassius Dio 44, 8; Sueton, Caesar 78); diese „Ausrede“ war ein Zeichen dafür, dass er die Berechtigung des Unmutes anerkannte. Die Divinisierung von Einzelpersonen, das heißt die Würdigung persönlicher Leistungen als göttlich, stand in republikanischer Tradition. Wie sie aber für die intendierte Alleinherrschaft nutzbar zu machen war, musste Caesar erst in Erfahrung bringen. Dieser Lernprozess füllte die letzten sechs Monate seines Lebens aus und war auch noch nicht abgeschlossen, als ihn die Iden des März abrupt beendeten.
3. Die Verfassung Der zweite Komplex von Caesars Wirken in Rom von Oktober 45 bis März 44 betraf die Konstruktion einer neuen Ordnung. Auf diesem Feld hat sich geradezu ein „Historikerstreit“ um Caesar als Staatsmann herausgebildet, der bis heute anhält. Es scheint, dass die Entzauberung des ehemaligen Helden gerade in unserer heutigen Zeit ihren Höhepunkt erreicht hat; immer häufiger muss Caesar wieder als (nicht immer ganz richtige) Folie für Bewertungen moderner Präsidenten herhalten – jetzt aber anders als im 19. Jahrhundert in kritischer Absicht: Vor 150 Jahren konnte sich Napoleon III. den Vergleich mit Caesar als Ruhmestitel verbuchen lassen; wenn heute dagegen der amerikanische Präsident George W. Bush als ein neuer Caesar etikettiert wird, dann nicht, um seiner Politik höhere Weihen zu verleihen, sondern um Arroganz und hegemoniales Auftreten zu brandmarken. Gegen die moderne historiographische Abwertung des römischen Diktators ist natürlich Widerspruch erhoben worden, in gewisser Hinsicht auch zu Recht, denn ohne Zweifel kann man Caesars Wirken nicht jede Systematik absprechen. Vielmehr wird man dem Diktator zugute halten müssen, dass er wesentliche Probleme seiner Zeit nicht nur erkannt, sondern auch entschlossen angepackt und einer Lösung näher gebracht hat. Schon die oben beschriebenen Ehrungen und Divinisierungsversuche beweisen das, denn sie waren durchaus nicht bloße Schmeichelei, sondern sie sollten den im Konsens möglichen Rahmen für eine Alleinherrschaft abstecken. Ebenso verhält es sich mit Caesars Stellung im „Staat“, das heißt in der Stadt Rom und im Reich. Caesar lässt sich in klar erkennbarer Steigerung Ämter, Gewalten und Rechte verleihen – bis hin zum (ihm allerdings verweigerten) Königtum. Dieses wäre die einzige denkbare, als dauerhaft und erblich angelegte Institution gewesen, die ihm die Alleinherrschaft gesichert hätte. Weder das Konsulat ohne Amtskollegen, wie es Pompeius innegehabt hatte, noch die Diktatur nach dem Vorbild Sullas konnten als die
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Die Verfassung höchste Stufe von Monarchie gelten; denn diesen verfassungsrechtlich möglichen Konstruktionen haftete immer der Makel der Außerordentlichkeit und Begrenzung an, sei es in zeitlicher (das Konsulat), sei es in inhaltlicher Hinsicht (die Diktatur zur Erreichung eines innen- oder außenpolitischen Zieles), und vererben konnte man sie auch nicht. So war eine vollendete Monarchie allein durch ein regnum, eine Königsherrschaft zu erreichen. Republikanisch gedacht war das nicht, aber ein historisches Vorbild hatten die Römer. Es hatte ja diese Institution, das Königtum, schon einmal in Rom gegeben, und Caesars Handeln war immer auf Rom bezogen gewesen. Caesar hatte sich, wie wir bei den Ehrenbeschlüssen gesehen haben, ja auch schon an die guten und verehrten Könige der Römer wie Romulus angenähert, außerdem durch bestimmte Insignien und die Konstruktion einer Abstammung vom Aeneas-Sohn und Enkel der Venus Julus an die Könige von Alba Longa, gleichsam Roms Vorgängerin, erinnert und schließlich auch seine eigene Statue auf dem Kapitol unter die der Könige einreihen lassen. Berühmt sind die durch zahlreiche Quellen überlieferten Episoden, in denen er als rex angeredet und seine Statue mit einem Diadem bekränzt wurde; die berühmteste dieser Szenen ist die, als während des Luperkalienfestes am 15. Februar 44 Marcus Antonius den schon königlich gewandeten Caesar an der Rednertribüne (rostra) auf dem forum Romanum das königliche Diadem auf das Haupt setzen wollte. Doch Caesar wehrte demonstrativ ab, angeblich mit den Worten: Jupiter (also der Göttervater) allein sei der König der Römer (Cassius Dio 44, 9–11; Cicero, Philippica 2, 85–7; Nikolaus von Damaskus, Fragment 130). Er ließ diese Abwehr der Königswürde sogar urkundlich festhalten und schickte das für ihn bestimmte Diadem demonstrativ auf das Kapitol zu seinem rechtmäßigen Adressaten. Das war eine deutliche und symbolisch wichtige Absage an die Königsherrschaft, und durch die öffentliche Inszenierung der Ablehnung des Königsdiadems erhielt sie eine programmatische Dimension. Sie erfolgte, nachdem Caesar die geringe Akzeptanz des Königtums erkannt hatte. Zuvor hatte Caesar nämlich noch zwei republikanisch gesinnte Volkstribunen, die mit richterlicher Gewalt gegen die vorgingen, die ihn zum König machen wollten, selbst mit Amtsenthebung und Verbannung bestraft. Der Vorfall war deshalb für Caesar ärgerlich, weil nicht er selbst, sondern zwei Beamte gegen die Versuche, ein regnum einzurichten, vorgegangen waren. Sie waren zu weit gegangen, denn man konnte aus ihrem Vorgehen eine anticaesarische Tendenz herauslesen, und das beeinträchtigte seine Autorität. Doch die Sache selbst akzeptierte er: Der Königstitel war nicht konsensfähig, und so verzichtete Caesar schließlich darauf, König zu werden. Caesars Stellung in Rom musste nach diesen Vorfällen anders, und das heißt: republikanischer definiert werden. Diese Lehre zog also nicht erst Augustus aus Caesars Ermordung; auch Caesar selbst hatte gelernt. Der
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Münze des Caesar als dictator perpetuo
Ausbau seiner Alleinherrschaft
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Der Staat des Diktators Caesar
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Maßnahmen in Rom
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Dissens mit der führenden Schicht bestand jedoch in der Hauptsache darin, dass diese gleichsam eine Rückgabe der erworbenen Machtstellung von Caesar erwartete – so wie es Octavian (der spätere Augustus) wenige Jahre nach seinem Sieg über Marcus Antonius in einem demonstrativen und symbolischen Akt im Senat inszenieren sollte: Er gab all seine angehäuften und außerordentlichen Vollmachten dem Senat zurück, der sie dann wieder in wesentlichen Teilen auf Octavian zurück übertrug, sich selbst aber auch in angemessener Weise bedenken konnte; damit blieb faktisch alles beim Alten, aber der Senat konnte sich, indem er die alleinige Quelle der Regierungsmacht des Princeps war, seine angestammte verfassungsrechtliche Rolle als Zentrum des Staates formal wieder erobern. Caesar dagegen hielt nichts von derart demonstrativen Akten, die im Kern nichts änderten. Wenn er schon nicht König werden konnte, so nutzte er wenigstens alles, was das republikanische Inventar für die Legitimierung seiner Alleinherrschaft bot – und verstieß zugleich gegen sämtliche Regeln. Er ließ sich seit 48 immer größere Machtbefugnisse übertragen: Dazu gehörten das Konsulat auf zehn Jahre, die Diktatur für ein Jahr, die Diktatur für zehn Jahre und als Höhepunkt im Februar 44 schließlich die Diktatur auf Lebenszeit (Cassius Dio 43, 42–6; Sueton, Caesar 45; Appian, Bella civilia 2, 106–109). Jeder römische Bürger konnte sehen, wie elementare Beschränkungen republikanischer Herrschaftsausübung immer mehr ausgehebelt wurden; er hielt sich weder an die zeitliche Befristung (Annuität) der Ämter noch an das Verbot, mehrere Ämter gleichzeitig zu bekleiden (Kumulation) oder sie aneinander zu reihen (Iteration). Zusätzlich ließ er sich Sondervollmachten verleihen: zunächst die Sittenaufsicht als praefectus moribus (wörtlich „Sittenpräfekt“) für drei Jahre, dann das Recht, bei Bedarf Patrizier zu ernennen, schließlich umfassende Kompetenzen im Bereich der Finanzen sowie des Militärs: Alle öffentlichen Finanzen wurden in seine Hände gelegt, und niemand außer ihm sollte über Soldaten verfügen dürfen (Cassius Dio 43, 45). Die noch aus den Ständekämpfen herrührende tribunizische „Hochheiligkeit“ (sacrosanctitas) sicherte ihm offiziell die mit dem Amt des Volkstribunen verbundene Unverletzlichkeit und damit einen wirksamen Schutz vor Angriffen zu (Cassius Dio 44, 5). Ein Gesetz des Antonius (lex Antonia nach Cicero, Philippica 7, 16) räumte Caesar weitgehende Rechte bei den Beamtenwahlen ein; Sueton spricht gar davon, dass Caesar sich das Recht der Beamtenwahl mit dem Volk teile. Dies bedeutete, dass die eine Hälfte der Kandidaten vom Volk, die andere aber von Caesar selbst gewählt wurde (Sueton, Caesar 41). Regelrechte Formulare ließ er herumreichen: „Der Diktator Caesar an den und den Bezirk (tribus): Ich empfehle euch die und die Kandidaten, damit sie durch Eure Wahl ihr Amt erhalten.“ Provinzen durfte er schon seit 48 verteilen (Cassius Dio 42, 20). Dazu kam das Recht, als Erster im Senat seine Meinung äußern zu dürfen, sowie Vollmachten bei Landvergaben, Koloniegründungen und Bürgerrechtsverleihungen. Einen längeren Aufenthalt in Rom plante Caesar nicht, oder nur so lange, „bis die Verhältnisse hinreichend geklärt waren“ (rebus constitutis: Cicero, Epistulae ad Atticum 13, 31 schon vom 28. Mai 45). Dann wollte er wieder ins Feld, diesmal gegen die Parther. Was Caesar unter der „hinreichenden Klärung“ der Verhältnisse verstand, können wir ohne weiteres
Die Verfassung
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aus seiner Tätigkeit in Rom ersehen. Die Ereignisse nach den sullanischen Restaurationsbemühungen in den Jahren 88 und 79 hatten ihm gezeigt, wie wichtig eine für die Zeit seiner Abwesenheit vorausschauende Besetzung der Magistraturen und Institutionen war. Jene Cinnae und Lepidi, das heißt all die wegen Sullas mangelnder Vorsorge in diesem Bereich an die Macht gelangten Aufrührer, sollten keine Chance mehr bekommen. Caesar ließ deshalb die höchsten Beamten für die Zeit seiner Abwesenheit im Krieg gegen die Parther im Voraus bestimmen. 44 waren Antonius und er selbst Konsuln. Da er im März noch aufbrechen wollte, sollte an seiner statt jener Dolabella (Suffekt-) Konsul werden, der sich kurz zuvor als Volkstribun noch über Caesars Schuldenpolitik hatte hinwegsetzen wollen. Auch für 43 und 42 wurden bereits die Namen der höchsten Beamten festgelegt. Da Caesar selbst dictator perpetuo war, benötigte er einen „Reiteroberst“ (magister equitum). Das war Lepidus, der allerdings im Jahre 43 eine Promagistratur in Spanien übernehmen sollte (Fasti Capitolini; Cassius Dio 43, 51). Grundsätzlich wurden die Statthalterschaften in den Provinzen im Einklang mit der lex Iulia de provinciis vergeben. Statthalterschaft Das von Caesar im Jahre 46 eingebrachte Gesetz über die Statthalterschaft in den Provinzen reorganisierte die Verteilung von Provinzen auf die stadtrömischen Beamten. Ein Konsul durfte zwei Jahre seine Provinz verwalten, ein Praetor nur ein Jahr. Welche Provinzen konsularisch und welche praetorisch sein sollten, legte wohl der Diktator höchstpersönlich fest (Cicero, Philippica 1, 19; Cassius Dio 43, 25).
Des Weiteren brachte Caesar Reformen der Magistratur auf den Weg, die sich an den politischen Notwendigkeiten orientierten. Insbesondere schuf er mehr Beamtenstellen; auch bei den Priesterämtern und in den unteren Bereichen wurden mehr Stellen geschaffen. Insgesamt waren diese Maßnahmen ein Reflex auf die gestiegenen Verwaltungsaufgaben, doch mögen die Stellenzahlerhöhungen auch dem Wunsch geschuldet sein, verdiente Anhänger zu belohnen. Dies ist gewiss das bestimmende Motiv bei der Vergrößerung des Senates auf 900 Mitglieder (Cassius Dio 43, 27) gewesen, denn arbeitsfähig – schon gar nicht im republikanischen Sinne – war ein derart aufgeblähter Senat nicht mehr. In den Augen vieler nobiles war er jetzt auch keine respektable Institution mehr, denn in ihn drangen vermehrt Italiker, Zenturionen, Soldaten, ehemalige Provinziale, Söhne von Freigelassenen, kurz: viele nur durch ihre Anhängerschaft an Caesar qualifizierte Personen. In Rom machte man Witze über die Mitglieder des höchsten Gremiums (Sueton, Caesar 80). Wie groß die Gruppe der „Neuen“ war, wissen wir nicht (nach dem englischen Althistoriker Ronald Syme sollen es mehr als ein Drittel gewesen sein), doch Cicero schauderte es bei dem Gedanken, neben wem er bei den Senatssitzungen Platz nehmen müsse (Macrobius, Saturnalia 2, 3, 10; Cicero, Ad familiares 6, 18 und besonders in den philippischen Reden). Für Caesar aber waren gerade diese Neusenatoren hilfreich. In vielfältiger Weise erlaubten sie es dem Diktator, senatorische Angelegenheiten zu reglementieren, etwa die Reisetätigkeit von Senatoren außerhalb Italiens oder die Dauer ihrer Abwesenheit (Sueton, Caesar 42).
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Magistratur
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Der Staat des Diktators Caesar
VI. Volksversammlung
Gerichtswesen
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Neben Magistratur und Senat war schließlich auch die Volksversammlung Gegenstand caesarischer Regelungen. Seine Gegner warfen ihm in diesem Zusammenhang erneut die Missachtung des republikanischen Wahlmodus vor. „Wahlkampf“ gab es in der Tat unter Caesar nicht, folglich auch nicht die mit ihm verbundenen zum Teil ruinösen Aufwendungen der Kandidaten, denn Caesar behielt sich, wie wir gesehen haben, eine wesentliche Einflussnahme auf die Wahlen vor. Wahrscheinlich waren seine Eingriffe gar nicht so „antirepublikanisch“, wie sie von seinen Gegnern dargestellt wurden. Wenn er zum Beispiel am 31. Dezember 45 einen Konsul für einen Tag spontan „wählen“ ließ, weil der Amtsinhaber kurz vor Ablauf seines Amtsjahres verstorben war, so hatte diese Nachwahl zwei Seiten: Die eine war die des Republikaners Cicero, der sich sarkastisch (Cicero, Ad familiares 7, 30; Cassius Dio 43, 46; Plutarch, Caesar 58; Sueton, Caesar 76) über die Willkür, ja Boshaftigkeit Caesars äußerte; die andere Seite war die, dass Caesar möglicherweise weniger seine Allmacht als vielmehr, da ja ohnehin das Volk versammelt und die Nachricht vom Tode des amtierenden Konsuls eingetroffen war, gerade seinen Respekt vor diesem höchsten Amt bekunden wollte. Das ist ihm sicherlich völlig misslungen, doch mochte er sich über die Reaktionen getäuscht haben. Darüber hinaus stützte sich Caesar, zumal als Popular, intensiv auf die Volksversammlungen; insbesondere in den Zenturiatskomitien ließ er wichtige Verfügungen verhandeln, denen er auf diese Weise Gesetzescharakter verlieh. Ähnlich sollte später Augustus verfahren. Jedenfalls war auch im Staat Caesars das römische Volk einbezogen. Die Zusammensetzung der Gerichte hatte Caesar schon vor dem Sieg bei Munda neu definiert, da sie seit den Regelungen des Pompeius und Crassus aus dem Jahre 70 immer wieder Anlass zu Konflikten geboten hatte. Ritter und Senatoren sollten jetzt – unklar ist, ob zu gleichen Teilen – die Geschworenengerichte bestücken (Sueton, Caesar 41; Cassius Dio 43, 25). Es liegt in der Natur der Sache, dass Caesar sich auch sonst im juristischen Bereich intensiv um Verfahren, Straftatbestände und Prozesse gekümmert hat – Gerichte waren schließlich schon immer ein auch politisches Streitforum gewesen. Cicero spricht ihm sogar, ohne dies allerdings zu präzisieren, den Erlass besonderer Gesetze zu, die das Gerichtswesen betrafen (leges iudiciariae: Cicero, Philippica 1, 19). Insgesamt erweckte Caesars Wirken auf dem Gebiet der römischen Verfassung einen höchst pragmatischen, jedenfalls nicht visionären Eindruck. Er schuf keine Neuordnung, eher reparierte er das Alte. Beispielhaft für diese Tendenz ist die Erhaltung des Konsulates als Doppelamt und des Volkstribunates als ein Kollegium von zehn Beamten. Pragmatisch war es auch, dass vieles auf seine eigene zukünftige Abwesenheit von Rom hin geregelt wurde. Wettstreit um Ämter, Klienteln und Gesetze wie früher durfte es nicht geben, weil dieser sich in der späten Republik als verderblich erwiesen hatte und auch Caesars eigener Stellung gefährlich werden konnte. Unter dieser Zielvorgabe pragmatischer Reparaturen waren die Regelungen sogar erfolgreich, denn der Staat funktionierte besser als zuvor.
Sozialpolitik und Fürsorge
VI.
4. Sozialpolitik und Fürsorge Die dritte Abteilung von Caesars Aktivitäten während seiner Alleinherrschaft kann man mit dem modernen Begriff Sozialpolitik umschreiben – Cicero bezeichnete diese als beneficia („Wohltaten“). In der Tat hatte sich Caesar durch Wohltaten viele verpflichtet – seine Anhänger, seine Gegner und sogar seine späteren Mörder. Cicero wusste um diese Großzügigkeit: „Er wollte viele Jahre König sein […] er hatte sich durch Spiele, Bauten, Getreidespenden und Volksspeisungen die breite Masse geneigt gemacht; die Seinen hatte er an sich gebunden durch Prämien, die Gegner durch den Anschein seiner clementia“, so stellte er zutreffend nach Caesars Ermordung fest (Cicero, Philippica 2, 116). Auf diese Weise wollte Caesar seiner Herrschaft eine gesicherte, alle Schichten umfassende soziale Grundlage geben. Auch damit knüpfte er an die vorgegebenen Muster der republikanischen Verfassung an, wenn es galt, um Unterstützung zu werben. Die Republik war nie eine bloße Rechtsordnung gewesen, sondern mindestens ebenso wichtig für die res publica war das in der Forschung als „Bindungswesen“ bezeichnete soziale System, dessen Pfeiler „Freundschaften“ (amicitiae) und die Klientel (clientela) waren.
Sozialpolitik als Fundament der res publica
amicitiae Die Verbindungen zwischen den nobiles untereinander wurden, wenn sie freundlich waren, als amicitiae („Freundschaften“), wenn sie feindlich waren, als inimicitiae („persönliche Feindschaften“) bezeichnet. Dieses Netz von Beziehungen unterlag ständigen Wandlungen. Jeder Bewerber um ein hohes Amt musste die Zahl seiner „Freunde“ vergrößern. Auf diese Weise kamen Koalitionen bedeutender Familien zustande, die politisch zusammenarbeiten wollten. Auch das Triumvirat zwischen Caesar, Pompeius und Crassus ist ein amicitia-Verhältnis. Über die „Freundschaft“ im politischen Sinn äußert sich Ciceros Bruder Quintus in einem kleinen politischen Handbüchlein (Commentariolum 16).
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clientela In einem Klientelverhältnis standen Personen verschiedenen sozialen Ranges. Mit dem Begriff wird das Bindungsverhältnis zwischen dem adligen Patron und seiner Gefolgschaft von Klienten bezeichnet, das in der Zeit der Klassischen Republik auf einem beide Seiten verpflichtenden Treueverhältnis (fides) beruhte. Dieses bestand darin, dass der patronus sich als eine Art Gegenleistung für wirtschaftliche Hilfe oder die juristische Vertretung seiner Klienten deren Unterstützung zum Beispiel in der Volksversammlung für seine politischen Ambitionen sichern konnte. Dementsprechend hing das Ansehen des einzelnen Patrons nicht zum wenigsten von der Zahl seiner Klienten ab, was in Caesars Zeiten zu einer Vermassung der Klientel führte. Das Wort cliens leitet sich wohl von cluere ab, einem archaischen Wort, das „gehorchen“ bedeutet.
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Caesars Sozialpolitik griff diese republikanischen Vorgaben auf und zielte darauf ab, Freunde aus der Oberschicht zu gewinnen und die Klientel zu vergrößern. Letzteres ist ihm umfassend, Ersteres nur teilweise gelungen. Seine Herrschaft sollte, um einen modernen Begriff zu gebrauchen, auf einem „Akzeptanzsystem“ (Egon Flaig) gründen, das alle fünf Gruppen der römischen Gesellschaftsordnung umfasste: die Senatoren, den Ritterstand
Vermehrung der Freunde und der Klientel
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Der Staat des Diktators Caesar
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Senatoren
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(einschließlich der Munizipalaristokratie), die plebs urbana, die Soldaten und die Provinzialen. In Rom nutzte Caesar daher seine verschiedenen Aufenthaltsphasen dazu, die ersten drei Gruppen einzubinden, während der Kriege festigte er sein Verhältnis zum Heer und zu den Provinzbewohnern. Wenden wir uns zunächst den Senatoren zu. Sie waren von Anfang an seine stärksten Gegner gewesen, und Caesar musste sie nun überzeugen, dass sie von seiner herausgehobenen Stellung nichts zu befürchten hatten und er sie als Führungsschicht benötigte. Doch gerade den letzteren Aspekt – dass er sie wirklich zur Verwaltung des Reiches brauchte – konnte Caesar in keiner Weise vermitteln, und so musste auch seine sprichwörtliche clementia, die er selbst hartnäckigen Gegnern zukommen ließ, ein Torso bleiben. Caesars Umgang mit den traditionellen Führungseliten lässt sich mit den Begriffen „Wohltaten und Kontrolle“ gut beschreiben; er umfasst folgende Punkte: 1. Eine Amnestie für den politischen Gegner mit weitgehender Integration in die Gemeinschaft (Cassius Dio 43, 50; Sueton, Caesar 75; ferner Cassius Dio 41, 18; Sueton, Caesar 41; Plutarch, Caesar 37); das war freilich keine Generalamnestie, da eine umfassende Rückkehr aller Verbannten auch und gerade in der Oberschicht nicht gewünscht wurde. Selbst hartnäckigste Gegner durften sich aber von ihm Verzeihung erhoffen, wie der Konsul des Jahres 51, Marcus Marcellus. 2. Bewusste Versöhnungszeichen, welche den Gegnern eine Rückkehr ohne Gesichtsverlust möglich machen sollten; dazu gehörte etwa, dass Caesar die Statuen ehemaliger Kontrahenten, wie diejenigen Sullas oder des Pompeius, wiederaufzustellen gestattete. Die in diesem Akt liegende Symbolik bedeutete auch für deren Anhänger eine Rehabilitierung (Sueton, Caesar 75; Plutarch, Caesar 57; Cassius Dio 43, 49; Plutarch, Cicero 40). Die Bedeutung dieser Geste ist, wie sich denken lässt, von allen verstanden worden. 3. Die clementia Caesaris gegenüber den Gegnern aus der Oberschicht (Cassius Dio 41, 38, 3). Caesar achtete freilich sehr darauf, dass dieses beneficium erwidert wurde, wie es nach der römischen Wertordnung auch geboten war (Cicero, Epistulae ad Atticum 10, 7, 1); nach den Erfolgen von Thapsus und insbesondere Munda reduzierte er spürbar seine Milde, denn viele verschont gebliebene nobiles hatten sich trotzdem wieder der gegnerischen Seite zugewandt. Auch den eigenen Leuten gegenüber, die ihr Leben in den unzähligen Kämpfen für ihren Feldherrn aufs Spiel gesetzt hatten, stand Caesar unter Rechtfertigungsdruck; es war ihnen nicht immer einsichtig, warum die Feinde nicht bestraft wurden. 4. Der Übertritt zu Caesar wurde leicht gemacht; all jenen, die sich ihm anschließen wollten, konnten besondere Wohltaten und eine standesgemäße Behandlung erwarten (Sueton, Caesar 73). Die Briefe Ciceros lassen erkennen, wie umworben ihr Autor gewesen war und wie er umhegt und geehrt worden wäre, hätte er wirklich im vollen Umfange Caesars Werben um seinen politischen Anschluss entsprochen. 5. Zum Faktor Kontrolle gehörte die Leistung eines Eides für Caesars Wohl (pro salute) (Sueton, Caesar 84), den vielleicht alle Bürger, gewiss aber die Senatoren ablegen mussten; er sollte wie die Übertragung der tri-
Sozialpolitik und Fürsorge bunizischen Unverletzlichkeit (sacrosanctitas) vor körperlichen Angriffen schützen. Diesen Schutz konnte der Eid zwar, wie die Iden des März zeigen, nicht gewährleisten, doch musste sich der Caesar-Mörder Brutus unmittelbar nach seiner Tat wegen dieses Eidbruches ausführlich rechtfertigen (Appian, Bella civilia 2, 137–139). 6. Auch der persönliche Lebenswandel der nobiles wurde einer Kontrolle unterworfen, die allerdings auf traditionelle Formen der Selbstkontrolle zurückgriff. Ein Beispiel dieser Umdeutung ist die schon erwähnte lex sumptuaria (Gesetz gegen den Tafelluxus), die sich an den früheren Aufwandsgesetzen orientierte, die Bestimmungen aber ausweitete. Ein wesentliches Ziel in ihrer Auseinandersetzung mit Caesar war für die Senatoren die Wahrung ihrer Standesehre, mittels derer sie wenigstens gesellschaftlich, wenn auch nicht mehr politisch als führende Schicht anerkannt wurden. Caesar hat die Standesehre der Senatoren im Allgemeinen wohl geachtet. Gelegentlich allerdings stimmten die Auffassungen beider Seiten darüber, was mit der Standesehre noch vereinbar war, nicht überein. Caesar ließ anlässlich eines von ihm veranstalteten Gladiatorenspiels (munus) im Jahre 46 Angehörige der Oberschicht als Kämpfer auftreten (Sueton, Caesar 39; Cassius Dio 43, 23). Solche Auftritte waren traditionell mit der Würde eines Senators und eines römischen Ritters unvereinbar; sie waren mit Infamie – eine Art Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte – behaftet und wurden während der Republik mit Entzug des Senatssitzes beziehungsweise des Ritterpferdes durch die Zensoren bestraft. Caesar setzte sich, zumindest bei manchen Anlässen, darüber hinweg. Berühmt wurde der Fall des römischen Ritters Laberius, der von Caesar zu einem Bühnenauftritt als Schauspieler veranlasst worden war; zwar verlieh ihm der Diktator nach diesem Eklat die Insignien des Ritterstandes erneut, doch weigerten sich seine Standesgenossen, den Delinquenten wieder in ihre Reihen aufzunehmen (Seneca, Controversiae 7, 3, 9; Sueton, Caesar 39; Macrobius, Saturnalia 2, 7 ff.). Für Caesar hingegen hatte in solchen Fällen sein persönliches und politisches Interesse an prächtigen Spielveranstaltungen als „Wohltat“ für alle absoluten Vorrang vor der Wahrung der Standesehre von Rittern oder Senatoren. Vornehme Teilnehmer erhöhten nämlich den Glanz der Spiele und damit die Reputation ihres Ausrichters. Hier war ihm also eine breite Akzeptanz im Volk wichtiger als die Standesehre von Senatoren und Rittern. Gesellschaftlich unter den Senatoren standen die Ritter und der Adel in den Munizipien. Caesars Politik dieser Gruppe gegenüber, der zumeist außerordentlich wohlhabende Personen angehörten, war differenziert. Insbesondere bereiteten ihm die Bankiers und Steuerpächter aus dem Ritterstand einiges Kopfzerbrechen, da sie in wirtschaftlicher Hinsicht gleichsam die Gegenspieler von Caesars Klientel in der plebs urbana und bei den Provinzialen waren: Einerseits waren sie als Gläubiger zahlreicher römischer Bürger Adressaten der Forderung nach Schuldentilgung, andererseits standen sie für das heftig umstrittene Steuersystem in den Provinzen. Caesar machte sich keineswegs zum Handlanger dieser wirtschaftlich mächtigen Schicht. Natürlich wollte er sie nicht zum Feind haben, aber nicht in allen Bereichen entsprach er ihren Forderungen. Es kam ihm auch im Umgang mit den Rittern zugute, dass die Pompeianer (etwa Aulus Gabinius als
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Standesehre
Ritter und Munizipaladel
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Der Staat des Diktators Caesar
VI.
plebs urbana
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Statthalter in Syrien) zum Teil gegen die ritterständischen Steuerpächter Politik gemacht hatten. Caesar entzog den Publikanen (Steuerpächtern) im Interesse der Provinzialen einige Provinzen, unter anderem die einträglichste von allen, nämlich Asia (Appian, Bella civilia 2, 92; Plutarch, Caesar 48). Andererseits unterstützte er aber ihre wirtschaftlichen Interessen, indem er Zölle auf auswärtige Waren in Italien erhob (Sueton, Caesar 43). In der immer wieder hochkochenden Schuldenfrage war Caesar noch stärker der Garant des Bestehenden gegenüber starken Tendenzen innerhalb seiner Anhängerschaft, eine komplette Schuldentilgung durchzuführen. Außerdem zählten Vertreter des Ritterstandes wie die „Minister“ Oppius und Balbus zu Caesars einflussreichsten Beratern. Sie konnten bei Caesar erreichen, dass der Bürgerkrieg für den Ritterstand keine desaströsen Folgen hatte; Cicero bezeichnete die Ritter deshalb als amicissimi („engste Freunde“) Caesars. Das gilt wohl auch für die Munizipalaristokratie, der Caesar mit im Allgemeinen maßvollen Forderungen gegenübertrat. Wenn man auf ritterlicher Seite dagegenhielt, was man von den Pompeianern im Falle ihres Sieges gegen Caesar für die eigenen wirtschaftlichen Belange zu befürchten gehabt hätte, so war man mit dem Ausgang des Krieges gewiss zufrieden; Proscriptionen, Schuldentilgungen und Enteignungen größeren Stils blieben jedenfalls bei Caesar aus. Von der republikanischen Gegenseite, die Italien hatte verlassen müssen, wurden dagegen schlimme Drohungen ausgestreut; so schreibt Cicero im März 49 über die Pompeianer: „Welche Drohungen (erhoben sie) gegenüber den Munizipien, welche namentlich gegenüber den Guten, schließlich welche gegenüber allen, die (in Italien) geblieben waren“ (Cicero, Epistulae ad Atticum 9, 10, 2; ebenso 8, 11, 4; Plutarch, Caesar 61). Differenziert nahm sich auch Caesars Politik der dritten Schicht gegenüber aus, der plebs urbana. Auf den ersten Blick überrascht diese Differenziertheit sicherlich, denn von Anbeginn haben wir die kompromisslos populare Ausrichtung der caesarischen Karriere kennen gelernt. Auch während seiner Abwesenheit in Gallien nach seinem Konsulat 59 behielt Caesar diesen Kurs bei und sicherte sich so eine große Popularität in Rom (Cicero, Epistulae ad Atticum 7, 7, 6); wie selbstverständlich betrachtete Cicero die plebs urbana als pro-caesarisch. Während seiner Romaufenthalte nach Ausbruch des Bürgerkrieges konnte Caesar auf diese Popularität aufbauen und den verbreitet negativen Ruf eines Bürgerkriegsgenerals in dieser Schicht verwischen. Die moderne Forschung hat seit etwa zwanzig Jahren wieder die bedeutende Rolle der plebs urbana im Gefüge der Römischen Republik betont, sodass uns die Mühe, die Caesar für die Pflege der wechselseitigen Beziehungen aufwandte, nicht mehr verwundert. Da er das Volk von Rom als seine Klientel auffasste, muss man seine Politik als Ausfluss patronaler Fürsorge auffassen, und diese war traditionell keineswegs einseitig durch Ausgaben definiert, sondern auch durch Beschränkungen. Die Hauptsache aber war, dass eine Zuwendung des Patrons erkennbar war, die man bei den Republikanern mit ihrer ebenfalls traditionellen Geringschätzung der hauptstädtischen plebs nicht erwarten konnte. Die konkrete und materiell fassbare Zuwendung Caesars umfasste verschiedene Bereiche: Getreideversorgung, Spielveranstaltungen (hier bereitet sich das kaiserzeitiche System von „Brot und Spielen“ vor), Geld-
Sozialpolitik und Fürsorge geschenke, Miet- und Schuldennachlässe, Volksspeisungen, Bauten und Infrastruktur, Ansiedlungen in Kolonien. Eine zweite Form der Zuwendung bestand in der Durchsetzung sozialpolitischer Konzepte, eine dritte und eher restriktive in der Disziplinierung. Auf diese Punkte soll im Folgenden kurz eingegangen werden. Unbestreitbar ist, dass es der plebs urbana zumindest finanziell in der spätrepublikanischen Zeit nie so gut gegangen war wie unter Caesar. Getreide, Öl und Fleisch wurden verteilt und durch Geldgeschenke ergänzt. Anlässe für Sondergaben waren die von Caesar grandios gefeierten Triumphe. Daneben gab es die regelmäßigen Getreideverteilungen, die Caesar neu und jetzt straffer organisierte. Getreideverteilung Kostenlose Lebensmittelverteilungen in Rom durch römische Politiker sind uns seit der Zeit des 2. Punischen Krieges bekannt (218–201 v. Chr.); die Versorgung wurde aber generell nicht als staatliche Aufgabe betrachtet. Am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. mag Rom vielleicht 500 000 Einwohner gehabt haben, deren Versorgung, wie wir gesehen haben, nicht immer gewährleistet werden konnte. Zwar hatte 123 v. Chr. Gaius Gracchus ein Getreidegesetz eingebracht, das die Versorgung der römischen Bevölkerung mit preisgünstigem Getreide sichern sollte, doch tat der römische Staat in der Folgezeit wenig: Die Versorgung blieb im Wesentlichen in der Hand einzelner ehrgeiziger nobiles. Sulla ließ sogar die Verteilung verbilligten Getreides ganz streichen. Längst versorgten sich die Römer nicht mehr durch ihre eigenen Agrarbetriebe, sondern man importierte über den Hafen Ostia an der Tibermündung Getreide aus Sizilien und Afrika. Mit den erfolgreichen außenpolitischen Unternehmungen des Pompeius änderte sich auch die Versorgungspolitik, da jetzt genügend Geld in der Staatskasse war. Wir wissen heute, dass sich die jährlichen Kosten auf 38 400 000 Sesterzen beliefen, als im Jahre 62 160 000 römische Bürger ein Anrecht auf verbilligtes Getreide erhielten; dieser Betrag vervierfachte sich in den fünfziger Jahren, und unter Pompeius waren seit der Mitte der fünfziger Jahre wohl 320 000 Bürger bezugsberechtigt. Die Liste mit den Namen dieser Berechtigten wurde im Tempel der Nymphen auf dem Marsfeld in der Nähe des Amtslokals der Zensoren deponiert. Die staatlichen Garantien überforderten offensichtlich die fiskalischen Möglichkeiten, sodass Caesar die Empfängerliste stark reduzierte. Der Ort für die Verteilung des Getreides ist, zumindest für die Zeit der Republik, umstritten; in der Kaiserzeit war es die porticus Minucia frumentaria auf dem Marsfeld (am heutigen Largo Argentina) gewesen. Auf dem Marsfeld dürfte auch in der Republik das Getreide monatlich verteilt worden sein.
VI.
Versorgung
E
Volksspeisungen waren schon vorher bei den nobiles beliebte Mittel der Wahlwerbung gewesen, und auch Caesar setzte diese Art von beneficia („Wohltaten“) systematisch ein. Ihre Bedeutung verschob sich allerdings: Caesar wollte sich mit diesem Werbemittel die Zustimmung der plebs urbana zu seiner Form von Alleinherrschaft honorieren lassen. Anlässlich des Triumphes nach dem Sieg bei Munda veranstaltete er zum Beispiel zwei große Gastmähler für die Menschen der Hauptstadt; das erste wurde wiederholt mit der Begründung, es sei nicht üppig genug gewesen (Sueton, Caesar 38). Auch die Veranstaltung von abwechslungsreichen und mit Neuigkeiten aufwartenden Spielen gehörte zur Versorgung der plebs urbana. Ob circensische oder Gladiatorenspiele, ob Theateraufführungen oder inszenierte Seegefechte (Naumachien), ob Tierhetzen (venationes) oder Athletenspiele – Caesar ließ es an nichts fehlen, wenn es nur Popularität
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VI.
Baupolitik
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brachte; die Anzahl seiner Gladiatoren, die Ungewöhnlichkeit seiner Naumachien und die Seltenheit seiner Tiere für die venationes übertraf alles bisher Dagewesene. Neu war ein Troia-Spiel, das die Verbindung zu Caesars mythischer Herkunft herstellte (Sueton, Caesar 39). Angehörige der Oberschicht adelten gleichsam die Spiele des Diktators durch ihre Auftritte als Schauspieler oder Kämpfer und machten sie in den Augen des Publikums noch attraktiver. Kränkend wirkte freilich, dass Caesar selbst offenbar an seinen eigenen Darbietungen desinteressiert war und bei solchen Anlässen Aktenstudium trieb (Sueton, Augustus 45). Die Spielveranstaltungen waren ein wesentlicher Bestandteil religiöser Feierlichkeiten. Neue Spiele zu geloben und die alten immer prachtvoller und kostspieliger auszugestalten, war eine altbewährte Praxis republikanischer Politiker gewesen, und die Gladiatorenspiele, die wichtigsten privaten Spiele, bewahrten auch immer ihren ursprünglichen Charakter als Begräbnisfeierlichkeiten, den sie seit ihrem ersten Auftreten 264 v. Chr. gehabt hatten. Selbstverständlich beachtete auch Caesar bei der Veranstaltung seiner Spiele immer den religiösen Hintergrund der Feste, in deren Rahmen sie durchgeführt wurden. Wie wichtig ihm die Präsenz aller Bevölkerungsgruppen Roms bei den Spielen war, verdeutlicht seine Verfügung, je nach Bezirk die Aufführungen auch mit fremdsprachigen Schauspielern zu veranstalten; er trug damit der Multiethnizität Roms Rechnung. Keiner seiner Vorgänger hatte je die Möglichkeit gehabt, so in Rom zu bauen, wie Caesar es tat. Er orientierte sich dabei an den Bedürfnissen der Römer und an seinem eigenen Selbstverständnis und seinen propagandistischen Interessen. Anders als Pompeius, dessen baulicher Schwerpunkt auf dem Marsfeld gelegen hatte, gestaltete Caesar auch das politische Zentrum Roms um. Die von den Quellen überlieferten Planungen für weitere Projekte gingen sogar noch erheblich weiter (Sueton, Caesar 44). Schon erwähnt wurde sein eigenes forum Iulium an der Nordwest-Seite des forum Romanum über der curia des Senates, die ebenfalls neu errichtet wurde und jetzt curia Iulia hieß. Die Baukosten für seine Projekte im Zentrum Roms sollen über 100 Millionen Sesterzen betragen haben (Cicero, Epistulae ad Atticum 13, 35 ff.). Tempelbauten für „seine“ Götter wie Venus, politische Bauten wie die curia Iulia oder die saepta (ein eingezäunter Platz als Versammlungsplatz der Zenturiatskomitien) auf dem Marsfeld wurden ergänzt durch stadtplanerische Projekte, die er allerdings nur zu einem geringen Teil umsetzen konnte. Straßen sollten gebaut, Seen und Sümpfe trockengelegt und der Tiberfluss durch Begradigung gebändigt werden. Dadurch sollte die Versorgung der Bevölkerung gesichert und die Gefahr von Überschwemmungen beseitigt werden. Ein weiteres ehrgeiziges Projekt war die Überbauung des Marsfeldes nördlich des heutigen Largo Argentina; dazu sollten öffentliche Bibliotheken, ein Stadion und ein Theater in Konkurrenz zum bestehenden Pompeius-Theater errichtet werden. Rationalität, nicht Megalomanie, aber eigenes Profil und allmähliche Ersetzung der republikanischen Unordnung im Bauwesen durch monarchische Planung, symbolische Überlagerung der alten republikanischen Zentren durch die neuen caesarischen Bauten – so oder ähnlich haben moderne Forscher über das stadtplanerische Wirken Caesars geurteilt. Zudem wurde die Bauindustrie veritabel gefördert, konnten die Architekten profitieren, und
Sozialpolitik und Fürsorge wurde der Arbeitsmarkt entlastet. Das waren Vorteile, die dem durch den Bürgerkrieg stagnierenden und rückläufigen Wirtschaftsleben neue Impulse gaben, viele Menschen von der Straße holten und unabhängig von Almosen machten. Die Kaiser, allen voran Augustus, setzten Caesars Baupolitik fort; in dieser wurde das neue Zeitalter am sichtbarsten. Und schließlich gab es für Caesar noch ein weiteres Mittel, die Stadt zu entlasten: die Versorgung ärmerer römischer Bürger – die Quellen sprechen von 80 000 – mit Land in den Pflanzstädten (coloniae). Diese wurden insbesondere in Spanien, Afrika und Gallien, aber auch in Griechenland und Asien gegründet. Gewiss dürfte ihm diese Politik auch in der Hauptstadt Sympathien eingebracht haben. Die große Bedeutung, die Caesar der plebs urbana beimaß, geht auch aus seinen testamentarischen Verfügungen hervor. Diese bedachten jeden Römer mit einem beachtlichen Geldgeschenk von 300 Sesterzen; ferner wurden die Gärten im Privatbesitz Caesars auf dem jenseits des Tiber gelegenen vatikanischen Hügel dem allgemeinen Gebrauche übergeben sowie (weitere) Volksspeisungen festgelegt. Als nach der Ermordung Caesars diese Bestimmungen sowie die ebenfalls testamentarisch verfügte Adoption seines Großneffen Octavian verlesen wurden, sei das Volk, so berichten einmütig die Quellen, begeistert gewesen und der Zorn auf die Mörder ihres Patrons noch größer geworden (Appian, Bella civilia 2, 143; Cassius Dio 44, 35; Plutarch, Caesar 68; Nikolaus von Damaskus, Fragment 130, 48). Aktiv sozialpolitisch im Sinne einer geradezu programmatischen Orientierung sind einige wenige, aber richtungsweisende Verfügungen gewesen. Zuvörderst ist in diesem Zusammenhang die bevölkerungspolitisch wirksame Verknüpfung von Prämien mit Kinderreichtum gewesen. Der Bürgerkrieg hatte in der Tat viele Opfer unter allen Schichten der römischen Bevölkerung gefordert, obwohl die Hauptstadt und Italien selbst keine Kriegsschauplätze gewesen waren. Als Diktator, der sich als „Sittenwächter“ (praefectus moribus) auch zensorische Befugnisse hatte übertragen lassen, konnte Caesar Einblick in die Zensuslisten nehmen. Wie ein Zensor, dem es um den Erhalt der Bevölkerungsstruktur ging, reagierte er deshalb auch: Er setzte nämlich Belohnungen für Kinderreichtum aus. Für viele Besitzund Arbeitslose erschloss sich damit eine neue Einkommensquelle und wurde zudem die Möglichkeit geschaffen, sich ihrem Wohltäter, dem Diktator, und dem Staat als nützlich zu erweisen. Caesar führte außerdem ein neues Volkszählungssystem ein, dessen Grundlage jetzt die Wohnviertel (domini insularum) und Bezirke bildeten. In Zukunft sollte das Volk nicht mehr auf dem forum Romanum gezählt werden. Aber Caesars Blick ging über die Stadtgrenzen hinaus: Rom und Italien wuchsen immer mehr zu einer Einheit zusammen, die von römischen Bürgern besiedelt sein sollte. Dieses Ziel stand auch im Mittelpunkt der folgenden Verfügung: „Kein Bürger über 20 und unter 40 Jahren, der nicht im Heer dient, darf sich länger als drei Jahre hintereinander außerhalb Italiens aufhalten; auch darf kein Sohn eines Senators außer im Gefolge eines Feldherrn oder Beamten ins Ausland reisen“ (Sueton, Caesar 42). Dies in Verbindung mit der Bestimmung, dass in der Weidewirtschaft mindestens ein Drittel freie römische Bürger zu beschäftigen seien, zeigt Caesars bevölkerungspolitisches Konzept zur Stärkung des Bürgertums, das nach den Kriegswirren wieder in ge-
VI.
Umsiedlungen
Sozialpolitisches Konzept
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VI.
Disziplinierungsmaßnahmen
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ordnete Verhältnisse geführt werden sollte. Offenbar war die Weidewirtschaft in stärkerem Maße als der Ackerbau abhängig von billigen, unfreien Arbeitskräften. Wenn Caesar nun einen erheblichen Teil der römischen Bürger in der Landwirtschaft oder im Bausektor in Lohn und Brot brachte oder durch Koloniegründungen versorgte, konnte er die seit dem Jahre 58 (lex Clodia frumentaria) unentgeltlichen und regelmäßigen Getreideverteilungen für die Staatskasse erträglicher gestalten. Sueton überliefert (Caesar 41), dass die Zahl der Berechtigten von 320 000 auf 150 000 reduziert und dieser Stand auch eingefroren wurde; nur im Todesfall eines Berechtigten konnte ein anderer nachnominiert werden. Wie schon angedeutet, musste gleichzeitig mit dieser Regelung auch die allgemeine Registrierung der römischen Bürger systematisiert werden. Denn dass sich auch Fremde und sogar Sklaven Rechte, die eigentlich nur Bürgern zustanden, angemaßt haben, zumal im Bereich der kostenlosen Getreideversorgung, ist mit einiger Sicherheit anzunehmen. Diese nicht berechtigten Bevölkerungsgruppen wirksam von bürgerlichen Privilegien ausgeschlossen zu haben mochte angesichts des verbreiteten Sozialneids Caesars Ruhm innerhalb der Bürgerschaft trotz der auch sie betreffenden Beschränkung sogar noch gesteigert haben. Einen beträchtlichen Raum in Caesars Überlegungen zur Sozialpolitik nahm auch die Kontrolle der plebs urbana ein. Darunter sind primär solche Maßnahmen zu fassen, die der Sicherung der eigenen Herrschaft dienen sollten. Das gleichsam subversive Potential innerhalb der römischen Bürgerschaft galt es zu verringern. In erster Linie ging es Caesar um die Kontrolle der Magistratswahlen und um die Verabschiedung von Gesetzen. Diese beiden wichtigen Politikfelder musste Caesar bei sich monopolisieren, um vor unliebsamen Überraschungen sicher zu sein. Deshalb behielt er es sich vor, verbindliche Empfehlungen für Kandidaten geben zu dürfen und die Wahlen nur während seiner Anwesenheit durchführen zu lassen, und das über die sonst übliche Jahresfrist hinaus; so wurden 45 bereits die Konsulate der nächsten drei Jahre vergeben. Trotz dieser Regel war seit 49 nicht alles nach Plan verlaufen. Insbesondere die radikalen Vertreter einer kompletten Schuldentilgung, Marcus Caelius und Dolabella, hatten es gegen Caesars Willen vermocht, die Massen zu organisieren und zu mobilisieren. Dieses zum Anlass nehmend, verbot Caesar „alle Vereine, mit Ausnahme derjenigen, die in alter Zeit gegründet waren“ (Sueton, Caesar 42). Mit „Verein“ ist hier der Begriff collegium übersetzt, unter dem kultische und berufliche Zusammenschlüsse zu verstehen sind. Solange diese Vereine nichts unternahmen, was gegen die bestehenden Gesetze verstieß, waren sie staatlich schon seit der Mitte des 5. Jahrhunderts anerkannt. In den Machtkämpfen der späten Republik wurde jedoch das Vereinswesen immer stärker politisiert und von den aristokratischen Politikern als Vehikel benutzt, um eigene Forderungen wirkungsvoll durchsetzen zu können. In den desolaten sechziger und fünfziger Jahren gab es Klubs, die mit Hilfe von Wahlbeeinflussung und Gewalt subversiv und machtvoll agierten. Clodius hatte sie als Volkstribun 58 legalisieren lassen, Caesar schaffte sie aus gegebenem Anlass wieder ab: Ein angeblicher Marius-Enkel hatte sich durch seinen Anhang in der Plebs in die politische und verwandtschaftliche Nähe zu Caesar katapultieren wollen und sich bei diesem Versuch
Caesar und die Reichspolitik auf collegia gestützt (Nikolaus von Damaskus, Fragment 128, 31–3; Valerius Maximus 9, 15, 1). So hatte Caesar also schlechte Erfahrungen mit den Vereinen gemacht, und ihr Verbot war nichts anderes als eine Vorsichtsmaßnahme zur Kontrolle der plebs urbana. Eine solche Kontrolle hatte sich nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte im Interesse der Stabilität als notwendig erwiesen. Caesar traf sich in diesem Punkt durchaus mit der Einschätzung konservativer Politiker wie Cicero. Alteingewurzelte collegia behielten aber ihren Status, und davon profitierte auch die jüdische Religion, der Caesar in Rom und überall, wo es Juden gab, ihren Platz im römischen Staat sicherte. Augustus setzte diese Politik fort, und beide zusammen schufen für die jüdischen Gemeinden eine Rechtsgrundlage, die den Status der Juden als eine „erlaubte Religion“ auch in solchen Zeiten bewahrte, als der Wind eines stärkeren staatlichen Druckes immer heftiger zu wehen begann. Die Juden waren Caesar dafür außerordentlich dankbar, und als er starb, gehörten sie zu jenen Gruppen, die seinen Tod am heftigsten beweinten (Sueton, Caesar 84). Wie viele Juden es in Rom gab, wissen wir nicht. Die caesarischen Privilegien für die Juden waren die Belohnung für deren Unterstützung Caesars in Ägypten im Jahre 48. Anderen östlichen Religionen gegenüber war Caesar offenbar weniger großzügig, obwohl sich bereits in weiten Teilen der römischen Bürgerschaft ein Trend zu solchen neuen Formen der Gottesverehrung entwickelt hatte. Der oben erwähnte Flavius Josephus bestätigt uns, dass Caesar nur die jüdische Religion akzeptiert habe (Antiquitates 14, 215). Sollte das richtig sein, wäre darin eine weitsichtige Anerkenntnis der Sonderrolle einer monotheistischen Religion zu erblicken. Denn anderer Religionen als der römischen bedurfte es nicht; sie waren vielmehr der Einheit des Staates abträglich. Das religiöse Bedürfnis der Römer, dem offenkundig die traditionelle Götterwelt nicht mehr ausreichte, sollte durch die Divinisierung des Diktators befriedigt werden. Denn, wie vor allem durch den Althistoriker Andreas Alföldi herausgearbeitet wurde, konnte sich der alleinige Herr in Rom den immer einflussreicheren Erlöser-Gedanken der hellenistisch-orientalischen Religionen (Isis und Serapis, Dionysos, Mithras, Kybele) sehr zunutze machen. Trotzdem orientierte sich Caesar weiterhin an der altrömischen Religion, die für ihn der einzige Bezugspunkt seiner Divinisierungsbestrebungen war. Wie weit er sich aber den Unwillen breiterer Kreise zuzog, wenn er den anderen Religionen allzu restriktiv gegenüber stand, ist nicht bekannt (Cassius Dio 42, 26).
VI.
Umgang mit jüdischer Religion
5. Caesar und die Reichspolitik Die ältere Forschung hatte, wenn sie Caesars Wirken zusammenfassen wollte, den Begriff „Reichspolitik“ benutzt, den sie dem stadtstaatlich ausgerichteten republikanischen System und also einer rückwärts gewandten, romzentrierten Politik gegenüberstellen wollte. Diese Charakteristik der caesarischen Ordnung soll Fortschrittlichkeit implizieren, denn von nur wenigen wurde und wird bezweifelt, dass die Römische Republik an dem
Reichspolitik?
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Der Staat des Diktators Caesar
VI.
Kolonisationsund Bürgerrechtspolitik
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Widerspruch zwischen stadtstaatlicher Verfassung und der Realität eines Weltreiches zerbrochen ist. Hat Caesar also einen „Reichsgedanken“ gehabt, dem seine Politik konsequent gefolgt ist? Spielt in seinem System das Reich eine ebenso wichtige oder gar wichtigere Rolle als die Ordnung in Rom? Wollte er einen monarchisch regierten Reichsstaat schaffen (Lothar Wickert)? Oder hatte er die Absicht, „eine gewisse Verschmelzung der national und … politisch stark verschiedenen Völker des Reichs herbeizuführen“ (Matthias Gelzer)? Betrachten wir genauer, was Caesar auf diesem Gebiet geleistet hat. Zunächst denkt man an die umfassende Kolonisations- und Bürgerrechtspolitik des Diktators (Sueton, Caesar 42). Deren Konsequenz bestand in der Romanisierung insbesondere der westlichen Reichsgebiete, in denen ihr Schwerpunkt lag. Vor allem Spanien, das einer der Hauptkriegsschauplätze des Bürgerkrieges in den Jahren zwischen 49 und 45 gewesen war, und Gallien, gleichsam das Kernland Caesars, waren die „Nutznießer“ dieser Politik, doch auch in Afrika und gelegentlich sogar in Illyrien, Griechenland und Kleinasien wurde kolonisiert. Der Grund für diese Gewichtung lag darin, dass die östlichen Regionen auf eine lange Geschichte zurückblicken konnten und zivilisatorisch viel besser erschlossen waren als der Westen. Sie verfügten vor allem über eine Vielzahl von Städten mit den für die Beherrschung der umliegenden Territorien unerlässlichen Institutionen. Im Westen dagegen mussten vergleichbare Siedlungszentren erst eingerichtet werden. Die Vorteile der Pflanzstadtgründungen, bei denen römische Bürger oder ausgediente Soldaten irgendwo auf Provinzterritorium angesiedelt werden konnten, liegen auf der Hand: Erstens konnten alte Kämpfer und arme Bürger mit Land versorgt werden, zweitens wurde die Hauptstadt und die Staatskasse entlastet (zum Beispiel in der Versorgungsfrage), drittens verschaffte sich der Koloniegründer, also Caesar, eine treue Klientel in den Provinzen, und schließlich viertens übernahmen die Kolonien eine wichtige Romanisierungsfunktion, zumal in Bezug auf die lokalen Eliten, die immer stärker integriert wurden. Unproblematisch war freilich der Vorgang einer Koloniegründung nicht, denn sie brachte Belastungen für die provinzialen Gemeinden mit sich, da sie von ihrem Territorium für die römischen Kolonisten Land, und gewiss nicht das schlechteste, abtreten mussten (von einem konkreten Fall ist die Rede bei Cicero, Epistulae ad Atticum 16, 16a; 14, 12). Ohne Landkonfiskationen wären also die zahlreichen Koloniegründungen Caesars gar nicht durchführbar gewesen, die die Provinzialen sicher zu Recht als Strafaktion verstanden. Berühmte Koloniegründungen Caesars waren die beiden im Jahre 146 v. Chr. von Rom zerstörten Städte Karthago und Korinth; Letztere wurde wohl auf Kosten des benachbarten Sikyon ausgestattet. Auch das Bürgerrecht wurde von Caesar als regelrechtes Herrschaftsinstrument eingesetzt. Es wurde so häufig wie nie zuvor verliehen: an einzelne Personen, an Gruppen, an ganze Städte (wie das spanische Gades, Cassius Dio 43, 39, 5) und sogar an Provinzen. Die Transpadana (jenseits des Po-Flusses) erhielt das volle römische Bürgerrecht (Cassius Dio 41, 36, 3), die Narbonensis und Sizilien erhielten – gegen den ausdrücklichen Willen Ciceros – das latinische (Cicero, Epistulae ad Atticum 14, 12, 1), das ja eine Vorstufe zum römischen Bürgerrecht darstellte (s. S. 127 f.).
Caesar und die Reichspolitik Auch hier war es der Westen, der hauptsächlich in den Genuss dieser Verleihungen kam. Caesars Ziel war es, Personen und Regionen näher an Rom heranzuführen, zu „romanisieren“ – das heißt, sie leichter beherrschbar zu machen – und neue Klienteln zu erschließen. Je nach Verhalten im Bürgerkrieg wurde belohnt oder bestraft, also das traditionell republikanische Prinzip, Personen, Städte und Gebiete „nach Verdienst“ zu behandeln, systematisch angewandt. Im Grunde ist auch Caesars Reichspolitik durch den uns schon geläufigen Kernbegriff im Umgang mit den Untertanen erfassbar: Es wurden „Wohltaten“ (beneficia) beziehungsweise ihr Gegenteil, „Liebesentzug“, verfügt. Damit vollzog sich eine besondere Art von „Gabentausch“ auf Reichsebene – die beteiligten Parteien gaben das, was von ihnen erwartet wurde, und empfingen dafür entsprechende Gegenleistungen –, und zu diesem Gabentausch gehörten Bürgerrechtsverleihungen ebenso wie Statuserhöhungen von Städten. Alles war jedoch an Caesar, nicht mehr an den römischen Senat gebunden, und so sollte es auch sein: Wer beneficia erhielt, musste die daraus erwachsenden Pflichten ihm gegenüber erfüllt haben beziehungsweise erfüllen; tat er das nicht, wurden die „Wohltaten“ wieder entzogen. Unter dieser Maßgabe griff Caesar laufend in die inneren Strukturen der Provinzialgemeinden ein: Statusverbesserungen, territoriale Veränderungen, Asylgarantien, Stiftungen zur Unterstützung von Bauvorhaben, Religionsprivilegien, Schwächung der ritterständischen Steuerpächter – die Bandbreite römischer Privilegierungen war groß. Durch unsere antiken Gewährsmänner und Inschriften ist eine Fülle solcher Maßnahmen Caesars überliefert, mit denen er in jedem einzelnen Fall, und wie immer er auch entschied, in die regionale Autonomie eingriff. Im Vergleich zu den desolaten und für die Provinzialen zunehmend unwägbaren Verhältnissen in der späten Republik machten sich jedoch in den verschiedenen Reichsteilen nach Caesars Sieg im Bürgerkrieg vermehrte Rechtssicherheit und wirtschaftliche Erholung bemerkbar. Für diese Vorteile war man reichsweit dankbar, sodass in der Regel die Beschränkung der Selbstbestimmung in Kauf genommen wurde. Für manche Städte allerdings wurde ihre anticaesarische Parteinahme im Bürgerkrieg zum Verhängnis; sie wurden ebenfalls „nach Verdienst“ bestraft wie Gomphos in Thessalien oder Megara in Griechenland – mit Privilegienentzug, territorialen Verlusten, Aberkennung von bisher gewährten Ehrenrechten und der Erlaubnis, Münzen prägen zu dürfen, Auferlegung oder Erhöhung von Tributen, Güterkonfiskationen und zum Teil horrenden Kriegsentschädigungszahlungen (Sueton, Caesar 54). Vor allem traf es diejenigen Städte, die sich als besonders treue Anhänger des Pompeius erwiesen hatten und schwer einzunehmen gewesen waren, etwa Massilia, von dessen hartnäckigem Widerstand im Bürgerkrieg schon die Rede gewesen war (Cassius Dio 41, 25, 3), oder einige spanische Städte, bei deren Bestrafung nach dem Sieg von Munda (Cassius Dio 43, 39, 4 f.) sich Caesar auch über Tabus, wie die Beschlagnahme von Weihegaben in den Tempeln, hinwegsetzte. Man sieht an diesen Vorgängen, dass Caesars systematischer Zugriff auf das republikanische Repertoire im Umgang mit den Provinzen und Städten etwas völlig Neues schuf und dies durchaus unter den Begriff „Reichspolitik“ subsumiert werden kann. Man muss sich aber bewusst machen, dass
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Bindung an Caesar
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VI.
Klientelstaaten
Erbe des Pompeius
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diese Art von Reichspolitik nicht einem vorher entwickelten Programm zur Neustrukturierung des Römischen Reiches zu verdanken war, sondern der pragmatischen Zusammenfassung und Systematisierung eines bereits vorgefundenen republikanischen Instrumentariums. Ein wesentlicher Bestandteil des Reiches waren seit je die so genannten Klientelstaaten oder – nach heutiger Terminologie – die Satellitenstaaten. Die Römer zählten sie wahrscheinlich schon immer, spätestens aber seit Augustus zum Reich hinzu, obwohl sie formell über völkerrechtliche Verträge an Rom gebunden und daher nominell noch autonom waren. Caesars Politik hat – wie schon zuvor die des Pompeius – in dieser Deutung der Klientelstaaten Pionierarbeit geleistet. In der wichtigen Quelle zum „alexandrinischen Krieg“, die wir schon des Öfteren benutzt haben und die von einem engen Vertrauten Caesars verfasst wurde, wird berichtet, wie Caesar jeweils den Provinzen benachbarte Könige, Tyrannen und Dynasten sehr weitgehend in seine fides (wörtlich „in sein Treueverhältnis“, gemeint ist: „in seine Klientel“) aufnahm, sie zu „Freunden des römischen Volkes“ machte und mit Reichsaufgaben betraute (Bellum Alexandrinum 65, 4). Der Zeitpunkt ist das Jahr 47: Kurz zuvor hatte derselbe Autor verlauten lassen, dass Caesar zuerst die Reichsangelegenheiten im Osten behandeln wollte, obwohl ihm aus Rom, das als Hauptstadt an sich höchste Priorität beanspruchen konnte, Unruhen gemeldet wurden. Hatte also das Reich, die Provinzen und die Klientelstaaten, in Caesars Welt den Vorrang vor Rom? So die Frage zu stellen führt in die Irre. Beide Teile, der Stadtstaat Rom und das Imperium, mussten und sollten sich Caesars Herrschaft unterstellen, doch gewiss fiel es dem alten General im schon unterworfenen oder noch zu unterwerfenden Terrain leichter als in Rom unter den Standesgenossen, sich Eintracht, Zustimmung und Unterstützung zu verschaffen. Ein Autor zur Zeit des Augustus meinte ganz treffend, dass Caesar durch seine dauerhafte Abwesenheit von Rom eine gewisse Naivität in der Regelung der stadtrömischen Ordnung an den Tag gelegt habe (Nikolaus von Damaskus, Frg. 130, 67). Im Grunde war es für Caesar eine Notwendigkeit, in Reichsfragen in die Fußstapfen des Pompeius zu treten, den er ja auch überall – von Spanien über Afrika bis nach Syrien und Palästina – als Patron zu ersetzen hatte. Das ging nicht reibungslos, wie wir in Syrien 45 gesehen haben, denn Pompeius wurde vielerorts immer noch verehrt. Teilweise machte Caesar die Regelungen seines ehemaligen Widersachers wieder rückgängig; manche Provinzen wie etwa Kilikien wurden aufgelöst und einem Klientelfürsten übertragen. Aus der bisherigen, Griechenland und das makedonische Kernland umfassenden Provinz Makedonien machte er dagegen zwei, nämlich Macedonia und Achaia. In Afrika zog er das ihm feindliche Reich des Juba ein und errichtete auf einem Teil des Territoriums die Provinz Africa nova. In Judäa stützte er sich auf die ihm gewogenen Regionalfürsten Antipater und Johannes Hyrkan II., in Ägypten auf die Königin Kleopatra VII. Wenn er es für nötig befand, wie in Ägypten, stationierte er römische Soldaten sogar in formal selbständigen Klientelstaaten (nämlich in Ägypten drei Legionen unter dem zuverlässigen Sohn eines Freigelassenen). Natürlich hatten die sich selbst verwaltenden, aber abhängigen Staaten auch die Aufgabe, ihn finanziell zu unterstützen; sie mussten also in
Caesars Zukunftspläne der Regel Tribute leisten. Diese Leistungen wurden als der schuldige Dank für die eigenstaatliche Erhaltung durch Caesar angesehen. Klientelfürsten waren nur ihm verpflichtet, wie sich überhaupt alles unter seinem Namen zusammenfügen sollte. Das Reich hatte insgesamt, seien es die Provinzen, seien es die Klientelfürstentümer, eine neue, personale Mitte erhalten, für die es gleich war, an welchem Ort sie sich jeweils gerade aufhielt. Die Hauptstadt Rom mit dem bisher zuständigen Senat trat demgegenüber in der Reichspolitik zurück. Caesar legte damit die Grundlagen zu einem neuen System der Reichsverwaltung. Reichspolitisch bedeutsam war ferner die gewaltige Militarisierung, die der Bürgerkrieg mit sich gebracht hatte. Caesar allein befehligte nach den Berechnungen von Peter Brunt fast so viele Truppen wie Antonius und Octavian am Ende ihres Bürgerkrieges im Jahre 31 v. Chr. zusammen. 45 Legionen waren es mindestens, die ständig kampfbereit waren; das bedeutete, dass allein an römischen Bürgern etwa 250 000 Mann unter Waffen standen (zwischen fünf und zehn Prozent aller römischen Bürger) – einmal ganz von den nicht aus römischen Bürgern bestehenden Hilfstruppen abgesehen. In der Forschung wurde diskutiert, ob Caesar vielleicht die dauerhafte Stationierung von Truppen im Reich zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung vorgesehen habe. Die mangelnde Sicherung der eroberten Territorien und Grenzen war in der Tat eines der gravierendsten Probleme römischer Außenpolitik in der späten Republik gewesen, das Caesar mit der Errichtung eines ständigen Grenzheeres hätte vermindern können. Doch war die Zeit seiner Herrschaft zu kurz, um über seine Pläne eine definitive Aussage machen zu können. Zusammenfassend kann man festhalten, dass es eine „Reichspolitik“ Caesars zweifellos gegeben hat, auch wenn kein politisches Programm einer Vereinheitlichung des Mittelmeerraumes dahinter gestanden hat. Caesar präsentierte sich – und das war spätestens seit Pharsalos gewiss sein Ziel – als die neue Reichsmitte. Der Senat wurde für alle Welt sichtbar aus dieser seiner alten Funktion verdrängt – und damit auch Rom als Hauptstadt eines Imperium Romanum durch den neuen „Reichspatron“ Caesar als personale Mitte des Reiches gleichsam ersetzt.
VI.
Militarisierung
6. Caesars Zukunftspläne: Der Krieg gegen die Parther „Der Tote lag noch da, wo er gefallen war, ehrlos beschmiert mit dem Blut des Mannes, der im Westen bis nach Britannien und dem Ozean gezogen war und jetzt daran dachte, nach dem Osten gegen die Zentrale der Parther und Inder zu ziehen, um, wenn jene untertan gemacht wären, alle Macht der Erde unter eine einzige Herrschaft zu fassen“ – mit diesen Worten beschreibt Nikolaus von Damaskus, ein am Hofe des jüdischen Königs Herodes lebender griechischer Historiker und Biograph des Augustus, die Leistungen und die Pläne Caesars (Leben des Augustus 95). Danach wäre es das Ziel Caesars gewesen, das Partherreich zu erobern und ein zweiter Alexander zu werden. Sicher ist, dass Caesar schon seit geraumer Zeit einen Krieg gegen die Parther zu führen gedachte. Er wusste, dass Pom-
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VI. Lage in Syrien
Die Parther als Bedrohung
Gründe Caesars für den Partherkrieg
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peius schon im Jahre 49 Kontakte mit dem Partherkönig aufgenommen hatte (Caesar, De bello civili 3, 82), und nach seinem Aufenthalt in Alexandria war ihm keine Zeit geblieben, die Verhältnisse in Syrien dauerhaft zu regeln, wie er es wohl vorgehabt hatte. So hatte er einen Verwandten, Sextus Julius Caesar (den Enkel eines Vaterbruders), der 48 Quaestor gewesen war, im Jahre 47 an die Spitze Syriens mit der Ausstattung von einer Legion gestellt (Bellum Alexandrinum 66, 1). Denn auch in Syrien wirkte immer noch der greifbare Einfluss selbst des toten Pompeius nach, vor allem als sich der erwähnte Sextus als grausam und arrogant erwies. So kam es zu einem Aufstand, angezettelt von dem pompeianischen Ritter Quintus Caecilius Bassus, bei dem Sextus schließlich sein Leben lassen musste (Appian, Bella civilia 3, 77). Diese Krise hatte enge Verbindungen mit dem afrikanischen Feldzug des Jahres 46, denn aus Afrika waren falsche Gerüchte über einen Sieg der Pompeianer nach Syrien gelangt (Cicero, Pro rege Deiotaro 25). Caecilius Bassus sammelte daraufhin ein großes Heer aus ehemaligen Anhängern des Pompeius zusammen und knüpfte auch Beziehungen zu den Parthern (Cassius Dio 47, 26 f.). Auf Caesars Seite blieben als treue Verbündete nur noch die Juden unter Antipater (Flavius Josephus, Bellum Iudaicum 1, 216 f.). Faktisch lag hier also nichts anderes als eine Meuterei vor, die infolge der Abwesenheit Caesars nicht ohne weiteres beendet werden konnte und anders verlief als die schon erwähnten Meutereien in Placentia und Kampanien. Sie hatte auch deshalb eine erheblich größere Dimension angenommen, weil einer der wichtigsten außenpolitischen Kontrahenten Roms, die Parther nämlich, in den Konflikt mit hineingezogen worden waren. Im September 46 waren die Nachrichten aus Syrien auch nach Rom gelangt (Cicero, Ad familiares 12, 17). Da gleichzeitig auch Spanien durch die Pompeius-Söhne in Aufruhr gebracht worden war, entsandte Caesar wohl im Oktober den Statthalter von Kilikien (in der Funktion eines quaestor pro praetore) Quintus Cornificius nach Syrien (Cicero, Ad familiares 12, 19) und anschließend Gaius Antistius Vetus als Statthalter Syriens für das Jahr 45, der daraufhin Caecilius Bassus mit verstärkter Truppenmacht in Apameia belagerte. Doch um den Lohn des bevorstehenden Sieges wurde Antistius Vetus durch den Partherkönig Pacorus gebracht, der ihm eine erhebliche Niederlage mit schweren Verlusten beibrachte (Cicero, Epistulae ad Atticum 14, 9). Die ganze Affäre in Syrien, die sich im Übrigen noch bis März 43 hinziehen sollte (Cicero, Ad familiares 12, 11), machte offenbar, dass es im Osten des Reiches gefährlich brannte und dass die Parther, zumal im Zusammengehen mit unzufriedenen Pompeianern, eine erhebliche Bedrohung für Caesar und das Reich bedeuteten. Für diesen hatte zunächst die Befriedung Spaniens absolute Priorität, doch im Anschluss daran waren die Verhältnisse im Osten endgültig zu ordnen. Es war für Caesar durchaus sinnvoll, möglichst wenig Zeit verstreichen zu lassen, um auch in Syrien seine Herrschaft wieder abzusichern. Das konnte dauerhaft aber nur durch einen Krieg gegen die benachbarte Großmacht, das Partherreich, geschehen. Die geplante Expedition entbehrte also nicht einer herrschaftspolitischen Berechtigung; lediglich der Zeitpunkt war noch offen. Wenn also aus Caesars Sicht definitiv eine sachliche Notwendigkeit für
Caesars Zukunftspläne einen Partherkrieg im Interesse der Herrschaftssicherung bestand, trifft es nicht zu, dass der Plan, diesen Krieg am 18. März 44 zu beginnen, allein aus einer gewissen Resignation über die stadtrömischen Verhältnisse, mit denen er sich seit dem Oktober 45 herumzuschlagen hatte, zu erklären ist; dies gilt umso mehr, als er offenbar bereits seit langem eine Rolle in Caesars Überlegungen gespielt hatte (Appian, Bella civilia 3, 77; Cicero, Epistulae ad Atticum 13, 27) und die Verhältnisse dort in ihrer explosiven innen- und außenpolitischen Mischung wirklich nicht zum Besten standen. Zudem hatte Caesar verlauten lassen, dass er Rom nicht eher verlassen wolle, als bis die politischen Verhältnisse in der Hauptstadt endgültig geregelt seien (Cicero, Epistulae ad Atticum 13, 31). Diese waren, wie wir gesehen haben, zumindest nach Caesars Einschätzung geordnet, wenn vielleicht auch nicht zur Zufriedenheit der führenden Schicht. Es ist freilich nicht zu Unrecht in der modernen Forschung betont worden, dass Caesars ordnungspolitische Maßnahmen in Rom schon deshalb den Charakter von Provisorien hatten, als ein Sieg im Osten, mit dem man allgemein rechnen konnte, ganz neue Perspektiven auch und gerade für eine erneute Umstrukturierung der römischen Ordnung mit sich bringen musste. Dieser hätte insbesondere die Position der konservativen Republikaner weiter geschwächt und nicht nur die Machtmittel und den Ruhm des Siegers, sondern auch seine Rechtmäßigkeit als Monarch weiter hervorgehoben. Caesar hatte die Vorbereitungen für den Waffengang gegen die Parther bereits weit vorangetrieben. Von den stadtrömischen Planungen im Hinblick auf die Besetzung der Ämter für die Zeit seiner Abwesenheit war schon die Rede gewesen. Es war vorgesehen, dass Caesars „Stellvertreter“ beziehungsweise sein „Kabinett“ um Oppius und Balbus die Fäden im Hintergrund ziehen sollten. Gleichzeitig kamen aber Gerüchte auf, dass Caesar die Hauptstadt des Reiches von Rom in den Osten verlegen wolle; als Orte wurden Troia, die Stadt „seiner“ Göttin Aphrodite/Venus, oder Alexandria, der Hauptstadt Ägyptens und seiner Königin Kleopatra, genannt. Auch die Rüstungen im Osten liefen in den ersten Monaten des Jahres 44 auf Hochtouren. Geplant war, mit 16 Legionen und 10 000 Reitern anzugreifen (Appian, Bella civilia 2, 468); von dieser gewaltigen Streitmacht standen bereits sechs Legionen jenseits der Adria im Hafen von Apollonia bereit. Der junge Gaius Octavius – der spätere Kaiser Augustus war damals gerade 18 Jahre alt – erwartete dort seinen Großonkel, denn am 18. März 44 sollte der Marsch in den Osten beginnen. Für eine Verschwörung gegen den Diktator, die sich erst seit Februar abzuzeichnen begann, blieb also wenig Zeit, denn nach einer Rückkehr als Sieger – und niemand zweifelte daran, dass Caesar siegen würde – wäre eine Bluttat vollends sinnlos gewesen. Der Krieg gegen die Parther war in Rom durchaus populär, denn er versprach reiche Beute und die Niederwerfung des einzigen noch verbliebenen außenpolitischen Gegners Roms. Man erging sich in Spekulationen über den Ablauf der Unternehmung und sprach davon, dass Caesar gleichsam „im Vorbeigehen“ zuerst in Makedonien die Ausbreitung des Dakerkönigs Burebista unterbinden (Appian, Bella civilia 2, 110; Sueton, Caesar 44), sodann seinen Angriff von Armenien aus gegen das Partherreich vortragen wollte. Sagenhaft ausgeschmückt wurde seine vermutete Rückroute: Sie sollte vom Kaspischen Meer über den Kaukasus
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Vorbereitungen
Popularität des Vorhabens
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Der Staat des Diktators Caesar
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Bewertung in der Forschung
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und Südrussland schließlich nach Gallien führen (Plutarch, Caesar 58); manche fabulierten noch weiter und phantasierten von dem Plan einer Unterwerfung der Inder und Chinesen (Horaz, Carmina 1, 12, 56; Nikolaus von Damaskus, Leben des Augustus 95). Die Idee von der Herrschaft über den „Erdkreis“ (orbis terrarum) wäre in diesem Projekt verwirklicht worden, und genau darin lag das Faszinierende des Partherkrieges. Man traute Caesar nach seinen bisherigen Erfolgen alles zu. Drei Jahre Zeit waren für die Durchführung veranschlagt (Cicero, Epistulae ad Atticum 14, 6). Und schon jetzt, bevor Caesar auch nur einen Schritt über die Grenzen Italiens hinaus getan hatte, zeigte sich bereits, wie der Partherkrieg auch innenpolitisch hilfreich für den Diktator sein konnte. Im Zusammenhang mit diesem Krieg stand nämlich ein erneuter Versuch der Anhänger Caesars, ihrem Meister das Königtum zu verschaffen: Angeblich habe das sybillinische Orakel verkündet, dass nur ein König die Parther besiegen könne (Cassius Dio 44, 15; Sueton, Caesar 79; Plutarch, Caesar 60; Cicero, De divinatone 2, 110). Doch auch bei dieser Gelegenheit soll Caesar die Königswürde ausgeschlagen haben (Appian, Bella civilia 2, 110). Was waren die wirklichen Hintergründe für dieses Unternehmen gegen die Parther? Die moderne Forschung hat sich intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt. Als Beweggründe wurden genannt: 1. Rache für die Niederlage des Crassus bei Carrhae im Jahre 53 und Rückgewinnung der bei dieser Gelegenheit verlorenen römischen Feldzeichen; 2. Ruhigstellung der nach dem Bürgerkrieg beschäftigungslos gewordenen Soldaten unter Waffen; 3. Schaffung einer einheitlichen Front von Republikanern und Caesarianern gegen den Reichsfeind Nummer eins als Demonstration einer vollständigen Beendigung des Bürgerkrieges; 4. Ausschaltung der im Osten immer noch mächtigen und mit den Parthern kooperierenden Pompeianer; 5. Visionen Caesars von einer Weltherrschaft nach dem Vorbild Alexanders des Großen; 6. Demonstration der Macht Caesars an die Adresse der inneren Gegner; 7. Flucht Caesars aus seiner innenpolitischen Verantwortung angesichts der Schwierigkeiten in Rom bei der Neuordnung; und schließlich 8. Demonstration der eigenen Unabkömmlichkeit, wenn in der Zeit der Abwesenheit Unruhen und Chaos ausbrächen – so oder ähnlich deutete man das Vorhaben gegen die Parther. Sicher ist: Der Krieg sollte außenpolitisch wie auch für seine innenpolitische Stellung etwas Herausragendes, noch nie Dagewesenes bewirken, worauf allein schon die gewaltigen Rüstungen einen Hinweis geben. Caesar hätte seine persönliche Stellung, von der er ja wusste, dass sie nach wie vor prekär war, im Falle eines Erfolges gefestigt, alle römisch-republikanischen Werte in höchster, auch in Zukunft nur schwer wieder erreichbarer Weise verkörpert und sich damit gleichsam zur Vollendung der römischrepublikanischen Geschichte gemacht – so wie es der Titan der Altertumswissenschaften, Theodor Mommsen, im 19. Jahrhundert nachdrücklich vertreten hat. Seiner dignitas hätte niemand mehr etwas anhaben können. Caesar wäre so zu einem Kulminationspunkt römischer Tugenden geworden und hätte auf dieser Basis die republikanische Ordnung – ideell basierend auf der Gleichheit der Aristokraten und der Freiheit des römischen Bürgers – uminterpretiert: Die Leistungen eines Caesars waren zu gewaltig, als dass sie in dieses auf Gleichheit gegründete Konzept eingepasst werden
Caesars Zukunftspläne
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konnten. Sollte dies eine Perspektive für eine neue Ordnung sein, mit der die seit Jahrzehnten virulenten Widersprüche beseitigt werden konnten? Neben der Partherunternehmung sind noch andere, ebenfalls kühne, nicht verwirklichte Pläne Caesars in den Quellen überliefert. Es sind dies ebenfalls Pläne der Superlative, welche die dignitas und auctoritas ihres Urhebers im Falle ihrer Verwirklichung weiter gesteigert hätten. Caesar plante, das bisher schon Geleistete noch zu steigern, genauso wie der Partherkrieg auf den Ergebnissen des Bürgerkrieges aufbauen sollte. Sein Nachdenken über weitere Taten betraf die Stadt Rom, daneben das Reich und die Rechtsordnung. Letztere sollte, in weitem Vorgriff auf die Zukunft, kodifiziert werden, das Zivilrecht vereinfacht und aus der Vielzahl der existierenden Gesetze nur das Beste und Notwendige zusammengetragen werden; dieses Projekt ist freilich erst in der Spätantike durchgeführt worden. Von Caesars Reichsplänen war der spektakulärste das Durchstechen des Isthmos von Korinth (Sueton, Caesar 44). Infrastrukturelle Verbesserungen waren auch für Italien vorgesehen, so die Anlage einer Straße von der Adria zum Tiber und eines Kanals vom Tiber nach Tarracina, ferner die Trockenlegung des Fuciner Sees. Besonders aber richtete Caesar sein Augenmerk auf Rom – vielleicht symbolisch als Ausgleich dafür, dass dieses Rom in seinem politischen Verständnis nicht den ersten Platz einnahm. Geplant war die bauliche Ausgestaltung des Marsfeldes und die städtische Einbeziehung und Umwidmung des ager Vaticanus als Marsfeld-Ersatz. Das Pomerium, die alte heilige Stadtgrenze, sollte als sichtbares Symbol der Ausdehnung der Reichsgrenzen erweitert werden. Daneben standen Projekte für Tempel- und Theaterbauten im Zentrum Roms von „nie da gewesener Größe“ (Sueton, Caesar 44). Marcus Terentius Varro, den berühmtesten Universalgelehrten jener Zeit, hatte Caesar schon mit der Ausgestaltung des Bibliothekswesens beauftragt. Zukunftsweisend war auch das bereits erwähnte Vorhaben, den Tiber umzuleiten und seine Flusskraft zu entschärfen, damit Rom von den Überschwemmungen und der beständigen Angst davor befreit würde. Ostia, der Hafen Roms an der Tibermündung, sollte um- und ausgebaut werden, was die römischen Kaiser Claudius und Trajan auch tatsächlich durchgeführt haben. Man muss überhaupt sagen, dass Caesars Nachfolger vieles, wenn auch nicht alles, von dem aufgriffen, was er bereits vorgedacht hatte. In der Summe war die Umsetzung dieser Pläne zwar mit gewaltigen Kosten verbunden, doch sachlich durchaus sinnvoll und durchdacht. Für die Bereitstellung der Finanzen hatten die ungezählten erfolgreichen Kriege, Beutezüge und Tributleistungen gesorgt. Caesar präsentiert sich in der Planung wie in der Durchführung seiner Projekte als hyperaktiver, rationaler, offener, doch auch selbstbezogener Politiker, dem es um die Beseitigung von Missständen ging, über die er laufend informiert wurde, aber dem es ebenso auf die Sicherung seiner eigenen herausgehobenen Stellung im Staate ankam. Deren Legitimität – um diesen Begriff hier einmal zu gebrauchen – wurde weniger in einem neuen Amt oder als Teil einer neuen Verfassung, eher schon in der idealen Erfüllung aller durch die römische Tradition vorgegebenen Wertvorstellungen, vor allem aber in einem umfassenden und unablässigen Aktionismus zum Nutzen aller gesehen. Um mit einem Bild zu sprechen: Er versuchte sich
Weitere Pläne
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Der Staat des Diktators Caesar
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gleichsam als Puppenspieler, der mit fünf Strippen die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu bewegen und zufrieden zu stellen hatte. Damit erreichte er viel Anerkennung und Zustimmung in Rom und im Reich, doch unterschätzte er wohl auch die Macht der Symbolik. Das sollte sich fatal auswirken in einer Umgebung, deren Vorstellungswelt von symbolischen Handlungen dominiert war. Es gab jedenfalls nach wie vor unzufriedene Republikaner, Ausgestoßene, Klienten des Pompeius, und dies durchaus nicht nur in der Führungsschicht, denen die Neuerungen und deren fehlende Verankerung in einer Verfassung zu unverhohlen daherkamen. Die eingangs zitierte Bemerkung Ciceros zur Stellung Caesars im römischen Staat hat also zwei Seiten: Sie ist sicher falsch, denn ein regnum hat Caesar vielleicht erstrebt, aber nicht erhalten; sie ist aber richtig, was den Vergleich mit Cinna und Sulla angeht, denn Caesars rechtliche und reale Machtbefugnisse gingen weit über die seiner Vorgänger hinaus.
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VII. Die Iden des März 44: Befreiung oder Mord? 1. War Caesar ein Tyrann? Ist ein Attentat ein legitimes Mittel zur Befreiung von einem Tyrannen? Diese Frage ist immer wieder aktuell. In der antiken Polisgesellschaft beantwortete man sie eindeutig positiv: Ein Tyrannenmord wurde gebilligt, ja sogar gefordert, wenn zwei Voraussetzungen gegeben waren. Erstens: Der Tyrann musste unzweifelhaft ein solcher sein, und zweitens: Die Attentäter durften keine selbstsüchtigen und insbesondere keine eigenen tyrannischen Ziele verfolgen. Der Bezugspunkt jeder politischen Handlung und also auch des Tyrannenmords war die freie bürgerliche Gesellschaft einer jeden Stadt. Tyrannen In der griechischen Poliswelt nannte man Alleinherrscher Tyrannen. Der Begriff Tyrannos ist aber nicht griechischen Ursprungs und etymologisch noch immer ungeklärt. Wahrscheinlich ist er aus dem syrisch-palästinischen oder kleinasiatischen Raum nach Griechenland gelangt. Dort bezeichnete er Herrscher mit selbst angeeigneter und unumschränkter Gewalt. Tyrannenherrschaften in Griechenland waren in einer ersten Phase (so genannte „Ältere Tyrannis“ im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. in Städten wie Korinth, Megara oder Athen) aus Adelskämpfen um die Macht hervorgegangen. Die Sieger aus diesen Kämpfen umgaben sich mit einer Leibwache, vertrieben und enteigneten oftmals ihre Gegner und stützten sich auf die Hilfe befreundeter Tyrannen in anderen Städten. In der Regel verstanden sie es auch, sich durch eine aktive Wirtschafts- , Sozial- und Baupolitik eine breite gesellschaftliche Basis zu verschaffen. Einer der berühmtesten Tyrannen der griechischen Geschichte war Peisistratos von Athen, dem es um 550 gelungen war, für fast ein halbes Jahrhundert eine Tyrannis zu etablieren. Unter seinen Söhnen wurde die Tyrannis immer bedrückender; daraufhin wurde der eine von ihnen ermordet. Seinen Mördern wurden nach der endgültigen Befreiung von der Tyrannenherrschaft im Jahre 510 und den ersten demokratischen Reformen Statuen auf der Agora aufgestellt. Ihre Namen Aristogeiton und Harmodius wurden in Griechenland und später in Rom zum Synonym für den Freiheitskampf gegen jede Form von Tyrannei, und auch für die Rechtmäßigkeit der Ermordung Caesars wurden sie als Kronzeugen herangezogen.
Tyrannenmord erlaubt?
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Weder nach modernen noch wohl auch nach antiken Maßstäben kann man in Caesars Ermordung eine Befreiungstat sehen, denn, wie wir gesehen haben, hatte Caesar in der gesamten Bürgerschaft Roms erheblich mehr Anhänger als Gegner und von einer verbreiteten Einschätzung seiner Herrschaft als Tyrannis kann wohl keine Rede sein. Doch die Verschwörer, Angehörige der Nobilität und überzeugte Republikaner, nahmen begreiflicherweise eine andere Haltung ein. Sie gingen tatsächlich von einer tief sitzenden anticaesarischen Stimmung in Rom aus, die aus Furcht vor dem Diktator nur nicht offen geäußert werden durfte. Um sich nicht selbst der Tyrannei schuldig zu machen, waren sie zudem ängstlich darauf bedacht, niemanden außer Caesar selbst zu treffen und seine engsten Vertrauten wie Marcus Antonius am Leben zu lassen, denn alles andere schien ihnen von einer selbstlos motivierten Befreiungstat abzuweichen. In Wirklichkeit je-
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Die Iden des März 44
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doch täuschten sie sich so ziemlich in allem, was sie zur Voraussetzung ihrer Tat gemacht hatten. Das ideelle Fundament ihres Tuns sahen sie darin, dass Caesars Tod für den Staat nützlich sei; sie hofften dadurch, selbst Anhänger und persönliche Freunde Caesars zu sich herüberziehen zu können: „Sie sagen, das Vaterland sei einer persönlichen Freundschaft (zu Caesar) voranzustellen“, schrieb Matius, ein enger Freund Caesars auch über den Tod hinaus, nach dessen Ermordung an Cicero (Cicero, Ad familiares 11 28, 2). So sollten Republikaner, Pompeianer und Caesarianer nach dem Willen der Verschwörer im Interesse des Staates wieder zusammengeführt werden. Die Realität freilich war komplexer, als es die Verschwörer erwartet hatten, und ihre Gruppe erheblich diffuser.
2. Der Bericht des Nikolaus von Damaskus über die Motive der Verschwörer Ausführlich hat uns über die Beteiligten, ihre Motive und den Hergang der Tat ein Zeitgenosse und Augustus-Freund berichtet, der griechische Geschichtsschreiber Nikolaus von Damaskus (geb. etwa 64 v. Chr.). Er schrieb eine Biographie des Augustus, von der ein Stück am Anfang (gerade die Ermordung Caesars) erhalten ist und die sich auf die Autobiographie des Kaisers selbst stützt; sie ist also eine Quelle von allerhöchstem Rang. Aus diesem Werk sei an dieser Stelle eine längere Passage über die Zusammensetzung und Motive des Kreises der Verschwörer zitiert: „Den Anfang des Anschlags machten zuerst wenige Männer, dann aber so viele, wie noch nie gegen einen ‚Führer‘ (Hegemon) der Erinnerung nach. Angeblich sollen über 80 teilgenommen haben, unter ihnen am einflussreichsten Decimus Brutus, ein besonderer Freund Caesars, sowie C. Cassius und M. Brutus, der wie kein Zweiter in Ansehen bei den Römern stand. Alle waren sie früher seine Feinde gewesen und hatten die pompeianische Partei unterstützt, doch als jener unterlegen war (bei Pharsalos), wurden sie Caesarianer und führten ein friedvolles Leben. […] Sie missbrauchten sein vertrauensseliges Wesen, um ihren Plan noch mehr geheim halten zu können, mit verlockenden und verstellten Reden. Die Gründe, die sie zu dem Anschlag auf den Mann verleiteten, entsprangen nicht aus geringfügigen Zerwürfnissen; jeder Einzelne hatte seine privaten, alle zusammen ihre gemeinsamen Gründe. Die einen trugen sich mit der Hoffnung, wenn sie jenen aus dem Wege räumten, selbst an seiner statt Führer zu werden, und bereiteten deshalb den Anschlag mit vor. Die anderen waren erzürnt über ihr Schicksal während des Krieges; sie hatten all ihr Hab und Gut verloren, waren entweder ihres Geldes oder ihrer Ämter in der Stadt verlustig gegangen und waren darüber verbittert; sie verbargen ihren Groll und sannen auf etwas, das einen ehrbaren Anschein machte, so als ob sie die Herrschaft eines Einzelnen ablehnten und lieber in einer republikanisch verfassten Bürgerschaft leben wollten (Isonomie). Jeder hatte seinen eigenen Grund und Vorwand; diese vereinigten zuerst die Mäch-
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tigsten, dann aber führten sie erheblich größere Gruppen heran, ein Teil aus eigenem Antrieb und mit je eigenen Vorwürfen, ein anderer Teil ließ im traditionell freundschaftlichen Zusammenwirken mit anderen vollständige Vertrauenswürdigkeit erkennen und wurde dementsprechend in die Gruppe aufgenommen. Es gab auch solche, die sich dem Plan aus keinem der beiden Gründe anschlossen, sondern wegen des hohen Ranges der Männer, außerdem über die Macht eines Einzigen nach so langer Demokratie ungehalten waren; und auch wenn sie nicht selbst mit der Sache begonnen hätten, so waren sie doch gerne und im Verbund mit solchen Männern bereit, einem Initiator zur Hand zu gehen und zögerten auch nicht, sollte es etwas zu erleiden geben. Insbesondere spornte auch der gute Ruf an, den der Name Brutus seit alters mit sich brachte, da seine Vorfahren die römischen Könige seit Romulus abgesetzt und zuerst die Demokratie eingeführt hatten, und die früheren Freunde Caesars nicht mehr wie sonst diesem wohlgesonnen waren, sahen sie doch diejenigen, die früher Feinde, aber von Caesar gerettet worden waren, in gleicher Weise wie sie selbst [Caesars Freunde] geehrt. Doch auch jene hatten nicht mehr das gleiche Wohlwollen, sondern stärker als Dankbarkeit (nämlich für die schonende Behandlung) war jetzt der alte Hass, und der pflanzte ihnen nicht die Erinnerung an das an, was sie infolge ihrer Bewahrung durch Caesar Gutes erfahren hatten, sondern der Gedanke an die Güter, derer sie durch die Niederlage beraubt waren, stachelte sie noch an. Ja, gerade dadurch, dass sie durch ihn gerettet worden waren, wurden viele gegen ihn aufgebracht, obwohl er sie doch wirklich ganz ohne Schimpf in allem behandelt hatte. Dennoch, dass sie durch Gnadenakt empfingen, was an sich Herrschenden sehr leicht zuzukommen pflegt, das prägte sie tief und zermarterte sie. Und dann waren außerdem die Sitten jener ihm entfremdet, nämlich die mit ihm gezogen waren in der Gruppe der Privatleute und die als Führer nach Belohnung verlangten. Denn die im Kriege Gefangenen waren in das alte Heer aufgenommen worden und erhielten den gleichen Sold. Sie ärgerten sich, dass sie als Freunde auf die gleiche Stufe gestellt wurden wie die, die von ihnen gefangen genommen worden waren, ja sogar manchmal zurückgestuft wurden. Besonders unangenehm war vielen auch, dass sie von ihm Gutes erfuhren, was Geldverteilungen und Ämtervergaben betraf, da nur er selbst dies tun konnte, während alle anderen in ein Nichts gestoßen waren. Und jener, der sich vieler und schöner Siege rühmte und ja nicht unbillig forderte, mehr als ein Mensch schon zu gelten, wurde zwar von der Menge bewundert, doch schien er den Großen und selbst eine Machtstellung Anstrebenden lästig zu sein. So taten sich gegen ihn vielfältige Gruppen von Männern zusammen: Freunde und Feinde, Soldaten und Bürger; und jeder hatte eigene Gründe für die Tat und schenkte ausgehend von seinen eigenen Vorwürfen auch den Anklagen vonseiten der anderen Glauben. Alle spornten sich gegenseitig an und gewährten sich gegenseitige Zuverlässigkeit gerade durch die von jedem Einzelnen vorgebrachten Anklagen. Deshalb wagte auch keiner die Tat anzuzeigen, obwohl die Zahl der Verschwörer so groß war. Es wird berichtet, dass Caesar vor seinem Tod ein Schriftstück überreicht worden sei, indem der Anschlag angezeigt gewesen sei und mit dem in Händen er abgeschlachtet worden sei, bevor er es lesen konnte. Später, als er tot war,
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wurde es unter den anderen Schriftstücken gefunden“ (Nikolaus von Damaskus, Leben des Augustus 59–66). Dies ist der umfassendste Bericht über die soziologische Zusammensetzung der Verschwörer und über ihre Motive. Darin werden wir mit allen uns interessierenden Informationen aus der Perspektive des Großneffen und Adoptivsohnes Augustus versorgt. Der Bericht ist natürlich tendenziös, wie man unschwer erkennen kann: Die Täter haben offensichtlich keine ehrbaren Motive, sie sind undankbar, benutzen die Republik als Vorwand, um ihre eigensüchtigen und zum Teil ganz irrationalen Ziele zu verwirklichen. Es handelt sich eben um einen Bericht des Caesar-Sohnes, der sich zwar von der Politik seines Vaters durchaus distanzierte, aber den Mord an ihm zur Rechtfertigung des eigenen Vorgehens nutzte und schon aus Pietätsgründen nicht gutheißen konnte. Zugleich enthält die Darstellung die Quintessenz der zeitgenössischen Diskussionen über die Tat und bewertet sie im Sinne der siegreichen Partei des auf das Attentat hin erneut ausbrechenden Bürgerkrieges. Dadurch hat sie uns aber eine Authentizität und Vollständigkeit bewahrt, die andere und noch ausführlichere Quellenberichte nicht erreichen. In der Synopse insbesondere mit Ciceros Briefen aus den Monaten nach den Iden des März sowie mit seinen so genannten „philippischen Reden“ gegen den Caesar-Günstling und späteren Triumvirn Marcus Antonius bietet er uns ein sicheres Fundament für ein eigenes Urteil über die Ermordung Caesars. Dieses hängt natürlich entscheidend davon ab, wie wir heute Caesars Herrschaft selbst bewerten: Sehen wir in ihm den Tyrannen, werden wir mit den Mördern sympathisieren, sehen wir in ihm dagegen einen Ausweg aus der Krise, dann werden wir die Verschwörer verdammen. Beides ist in der neueren Forschung seit Theodor Mommsen in vielfältiger Nuancierung geschehen. Als Historiker registrieren wir zunächst die Fakten, um dann unsere Interpretation der Tat abzugeben.
3. Zahl, Zusammensetzung und soziale Basis der Verschwörer
Senatoren
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Überliefert ist, dass die Gruppe der Verschwörer aus über 60, vielleicht sogar 80 Personen bestand, von denen heute namentlich immerhin noch 20 bekannt sind. Damit ist der aktive Kern aus senatorischen Tätern gemeint, der aber durchaus auf Unterstützung aus anderen sozialen Schichten bauen konnte, und zwar in einer nicht gering zu veranschlagenden Größenordnung, die offenbar die Täter selbst und deren Hintermänner über das Ausmaß der erhofften breiten Stimmung gegen den Diktator blendete. Aus der Oberschicht waren natürlich in erster Linie die Senatoren und Angehörigen der alten Familien in größerem Umfange anticaesarisch. Doch bildete diese Opposition keineswegs eine homogene Einheit, denn sie bestand aus überzeugten Republikanern, Anhängern und Freunden des Pompeius sowie aus den quantitativ nicht eben wenigen enttäuschten Caesarianern. Was sie freilich alle miteinander verband, war die Ernüchterung über die von Caesar praktizierte Form einer Ein-Mann-Herrschaft, die allen anderen eine selbst-
Zahl, Zusammensetzung und soziale Basis der Verschwörer ständige und unabhängige politische Betätigung vorenthielt. Damit stellten die senatorischen Kritiker Caesars gleichsam automatisch das alte republikanische Ideal von Isonomie (Gleichberechtigung) und Demokratie, wie der Grieche Nikolaus von Damaskus es nennt, in den Mittelpunkt ihres Engagements, ohne dass wir diese Begriffe nach modernen Kriterien beurteilen dürfen. Was sie zu schützen meinten, war den Zeitgenossen ohnehin klar: Die Wahrung der dignitas und Gleichheit der aristokratischen Standesgenossen durch die politische Ordnung. Dies wollte ihnen Caesar freilich nicht zubilligen, denn ein solches Zugeständnis hätte die realen Machtverhältnisse ignoriert. Die Verteidiger Caesars beschuldigten diese oppositionellen Zirkel denn auch – damals wie heute –, lediglich ihren eigenen Machtinteressen nachgegangen zu sein und Caesar nur aus persönlichen Gründen aus dem Wege geräumt zu haben, weil er ihnen hinderlich war (Helga Gesche). Von einer unbeteiligteren Warte aus betrachtet, wird man freilich in Erwägung ziehen müssen, erstens inwieweit die Zeitgenossen wirklich zwischen persönlichen und politischen Motiven streng unterschieden haben (vgl. Cicero, Philippica 2, 27) und zweitens, in welchem Umfang der Diktator die alten Werte beeinträchtigt oder zerstört hatte. Die übermäßige Divinisierung (Cicero, Philippica 1, 13), die nicht enden wollenden Demütigungen der traditionellen Institutionen und insbesondere des Senates, die Perpetuierung eines Notstandsamtes – um nur einiges anzuführen – erklären in Verbindung mit dem persönlichen Verdruss über das eigene Schicksal recht einleuchtend die Formierung des Widerstandes gerade in der von dieser Missachtung besonders betroffenen führenden Schicht. Überraschender ist da schon, wenn Nikolaus von Damaskus bei der römischen plebs urbana gleichfalls anticaesarische Stimmungen registriert. Denn dieser Gruppe gegenüber hatte sich Caesar bis zuletzt – sogar noch in seinem Testament – äußerst spendabel, ja verschwenderisch gezeigt; sein Aufstieg hatte sich weitgehend gerade auf diese Schicht gestützt. Bei näherem Zusehen finden wir allerdings Erklärungen für die Opposition von Teilen der plebs urbana, wie sie Nikolaus berichtet: Das Klientelwesen war trotz bürgerkriegsbedingter Auflösungserscheinungen immer noch intakt, die Bindungen an Pompeius, seine Freunde sowie an die Republikaner, die ja den alten Adel repräsentierten, waren fest und dauerhaft verankert und in vielen Fällen von Caesar auch durch großzügige Geschenke, Brot und Spiele nicht zu zerstören. Es scheint, dass in der Vorstellungswelt der römischen Bürger die Republik mit ihren Errungenschaften seit den Ständekämpfen tiefer verankert war, als wir das angesichts der Popularität Caesars vermuten. Es war ja auch nichts Geringes, was an politischen Mitspracherechten, an Wahlmöglichkeiten, an persönlichen Freiheiten, an Rechtssicherheit auf dem Spiele stand. Es war zu fürchten, dass mit einem unkontrollierten, absoluten Monarchen Caesar die integralen und in seiner offiziellen Titulatur auftauchenden Bestandteile des römischen Staates, nämlich „Senat und Volk von Rom“ (senatus populusque Romanus: berühmt ist diese Formel in der auch in der Kaiserzeit noch gebräuchlichen Abkürzung SPQR), zurückgesetzt würden. Die Quellen berichten, wie wir gesehen haben, von einer vehementen Ablehnung all jener Versuche, die darauf abzielten, Caesar den Königstitel zu verleihen, und dies gerade aus der plebs Romana und von Seiten ihrer Vertreter, den Volkstribunen – trotz oder gerade wegen Caesars
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plebs urbana
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Caesars Anhänger und Klienten
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großer Beliebtheit in dieser Schicht. Damit brachte man die Furcht zum Ausdruck, man könnte hinter den einmal erreichten Fortschritt zurückfallen. Auch in der plebs Romana hatte sich die Macht der Tradition nicht verringert. Nobilität und Volk hatten schließlich gemeinsam das Weltreich erobert und Rom zum „Haupt des Erdkreises“ (caput orbis) gemacht. Die politische und gesellschaftliche Ordnung, die diesen Erfolg zuwege gebracht hatte, war also ohne Zweifel gut gewesen, man brauchte sie nicht zu ändern. Es gab zudem nobiles wie Brutus oder Cato, deren auctoritas man folgen konnte. Vielleicht mochte sich auch aus sozialen Gründen mancher Bürger fragen, ob nicht ein vielsäuliges System doch insgesamt mehr Sicherheit versprach als die totale Abhängigkeit von einem Einzelnen. Schließlich gab es auch Unmut und Verbitterung unter Caesars Anhängern und Klienten über die allzu milde Behandlung des Gegners; für Nikolaus von Damaskus lag darin einer der Hauptgründe für den zunehmenden Widerstand gegen Caesar. Bei seinen Gegnern und bei der Nachwelt mochte ihm die clementia viel Ruhm und Ehre einbringen, doch die unmittelbar Betroffenen und zumal seine Anhänger verstanden sie nicht immer. Und die ehemaligen Pompeianer, die von Caesar begnadigt worden waren, durften im Falle der Beseitigung des Diktators durchaus den vollen Wiedereintritt in die alten Rechte sowie eine angemessene Entschädigung für ihre Verluste erhoffen. Nikolaus von Damaskus erwähnt in seinem Bericht über die Verschwörung gegen Caesar schließlich eine Gruppe, bei der man am wenigsten eine Opposition gegen Caesar vermutet: die Soldaten. Diese hatten sich seit der Heeresreform des Marius immer mehr von dem republikanischen Staat entfernt und hingen in ihrer sozialen Existenz völlig von ihren jeweiligen Feldherren ab. Sie waren es vor allem, die sich in der Vergangenheit mehr als einmal von Senat und Volk im Stich gelassen fühlten, zum Beispiel wenn ihre Forderungen nach einer angemessenen Versorgung mit Land durch die römischen Institutionen abschlägig beschieden wurden. Gewiss wollten sie deshalb am wenigsten die Wiederherstellung der Republik, doch es gab ja neben der Republik und Caesar noch eine weitere Alternative: einen anderen Feldherrn. Und lange vor den Iden des März hatten Teile des caesarischen Heeres ihrem Unmut Luft gemacht: In der Bürgerkriegszeit gab es trotz des dauerhaften Erfolges mehrere durchaus bemerkenswerte Meutereien gegen Caesar, von denen wir diejenigen in Placentia und Kampanien bereits kennen gelernt haben. Die Gründe für diese Meutereien waren Überlastung durch die ununterbrochenen Kriege, Nichteinhaltung von Versprechen seitens des Feldherrn und zu geringe Ehrungen. Viele Truppenteile waren enttäuscht, und zwar auch schon im gallischen Krieg, doch erst recht, als Caesar nach dem Sieg im Bürgerkrieg der alleinige Herr Roms und der Welt geworden war. Von einer Alleinherrschaft, die nur mit Hilfe des Heeres gewonnen worden war, von einer „Militärmonarchie“ im Wortsinne, hatten sie sich mehr erhofft. Das Gefühl der Abhängigkeit von einem Einzigen, der sich gelegentlich sogar mit dem Gedanken einer Abrüstung oder eines Soldatenaustausches trug, dürfen wir bei den Soldaten nicht unterschätzen. Und auch hier spielt wie bei der plebs Romana eine wichtige Rolle, dass Caesar die gegnerischen, pompeianischen Soldaten milde behandelte. Nach zum Teil unter großen Stra-
Die Häupter der Verschwörung pazen und Gefahren erfochtenen Siegen entließ er oftmals das feindliche Heer oder nahm dessen Soldaten in seine eigenen Reihen auf und stattete sie, die kurz vorher Todfeinde gewesen waren, nicht weniger als seine eigenen mit Beuteanteilen und Belohnungen aus. Es war vielleicht gar nicht so sehr der materielle als vielmehr der symbolische Gehalt solchen Bemühens um den Gegner, mit dem er sich den Feinden ebenso zuwandte wie seinen eigenen Gefolgsleuten, der Schmerz und Verbitterung hervorrief. Man fühlte sich für die Mühen und für die allerorten zu bestehenden existentiellen Gefahren nicht angemessen gewürdigt, wenn der unterlegene Gegner nur unwesentlich schlechter behandelt wurde. Das kostete Caesar viele Sympathien. Man wird gewiss nicht so weit gehen und von einer verbreiteten Unzufriedenheit des gesamten Heeres mit ihrem Feldherrn sprechen. Die Meutereien bedeuteten deshalb wohl keine wirkliche Gefahr für Caesar, dass das Heer von ihm abfallen könnte; sie konnten ja auch durch Caesars persönlichen Einsatz immer schnell beigelegt werden, das heißt, wenn der Feldherr mit seinen Soldaten von Angesicht zu Angesicht redete, brach die Meuterei jeweils in sich zusammen. Vielleicht sind sie eher als eine Geste oder als Drohung zu verstehen, mit der Caesars Soldaten nur ihren Anspruch auf Bevorzugung einfordern wollten. Indes, es gab auch im Heer Caesars, dem Fundament seiner Macht, durchaus ein zumindest verstecktes Grollen gegen die Politik des Diktators. So zog sich Unzufriedenheit, Unwillen bis hin zur Opposition durch alle gesellschaftlichen Schichten, wenn auch jeweils in unterschiedlichem Ausmaße. Das erklärt uns heute die auf den ersten Blick blauäugig anmutende Einschätzung der Verschwörer von einer gesamtgesellschaftlichen Oppositionshaltung gegen Caesar. Quantifizierbar ist diese Stimmung für uns natürlich nicht, zumal auch völlig unklar ist, wie viele Einzelpersonen oder Gruppen ihre augenblicklichen Vorwürfe gegenüber Caesar in einen aktiven oder passiven Widerstand einbringen würden. Darin lag der Kardinalfehler der Verschwörer bei ihrer Einschätzung. Sie hatten hie und da unzufriedene Stimmen vernommen, von mangelnder Kampfeslust und Meutereien gehört und in Rom mitangesehen, dass die Abneigung gegen den Königstitel in der Bürgerschaft weit verbreitet war, und sie schlossen daraus auf eine verbreitete anticaesarische Stimmung in Rom. Dass dem nicht so war, mussten sie schon am 16. und 17. März, zwei Tage nach der Tat, erkennen. Wir wissen heute, dass trotz aller Streitereien über Einzelfragen ganz offensichtlich die Beliebtheit Caesars, die Zustimmung zu seiner Politik in allen Schichten – vielleicht mit Ausnahme des alteingesessenen Adels – überwog, dass sie größer war als Ablehnung und Unzufriedenheit; eine Restauration des früheren Senatsregimes schien zumindest für plebs und Soldaten aus sozialen Gründen die schlechtere Alternative.
VII.
Fehleinschätzung der Attentäter
4. Die Häupter der Verschwörung Von den Verschwörern waren drei besonders bedeutend. Da mit diesen dreien auch unterschiedliche Intentionen und Konzeptionen verbunden waren, sollen sie kurz vorgestellt werden.
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VII. Brutus
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Der berühmteste von ihnen war Marcus Iunius Brutus, dessen Name sich später aufgrund seiner Adoption in Quintus Caepio Brutus änderte. Von Nikolaus von Damaskus wird er nur als besonders angesehen unter den Verschwörern herausgehoben, doch war er gleichsam das moralische Aushängeschild der Verschwörung, die lebende Verkörperung der republikanischen Idee. Fast alle Quellen erwecken den Eindruck, dass genau darin seine Aufgabe bestand: der Tat, die ja zunächst nichts anderes als ein Meuchelmord war, Legitimität zu verleihen. Dafür prädestinierten Brutus neben seinem Charakter eine Reihe von Voraussetzungen, die nur er aufwies: der für republikanische Ohren gute Klang seines Namens, die Verwandtschaft mit dem Inbegriff der Freiheit, nämlich dem für die Republik bei Utica in den Freitod gegangenen Marcus Porcius Cato, und paradoxerweise auch die Nähe zu Caesar selbst. Cicero nährt in seinen Briefen und Reden das Bild des idealistischen, doch reichlich naiven Verschwörers Brutus. Der Nachwelt war er je nach Standort Idealist oder bornierter Ewiggestriger. Wer war dieser Mann? Er entstammte der plebejischen Nobilität – das heißt, seine Familie, die Iunii, gehörte zu jenen plebejischen Familien, die nach den Ständekämpfen durch das Konsulat in die Nobilität aufsteigen konnten – und besaß von Geburt an die besten Voraussetzungen für eine politische Karriere. Er galt als Nachfahre des legendären Lucius Iunius Brutus, der den letzten König Roms, Tarquinius „den Hochmütigen“ (superbus), im Jahre 509 v. Chr. verjagt und die Republik begründet haben soll (Plutarch, Brutus 1). Aber nicht nur von Vater-, sondern auch von Mutterseite hatte Brutus die besten Voraussetzungen für einen perfekten Republikaner und damit zum Verschwörer gegen den Tyrannen mitbekommen. Ein legendärer Urahn mütterlicherseits war nämlich Servilius Ahala, ebenfalls ein heroisierter Inbegriff des republikanischen Selbstverständnisses wie Lucius Brutus; er soll im Jahre 439 den nach der Alleinherrschaft strebenden Spurius Maelius getötet haben. Die Mutter des Brutus, Servilia, war eine langjährige und einflussreiche Geliebte Caesars gewesen; immer wieder – als Letztes durch jene schon in der Antike oft zitierten Schlussworte Caesars im Angesicht des Todes: „Auch du, mein Kind Brutus“ – wurden Gerüchte laut, dass Brutus gar Caesars wirklicher Sohn gewesen sei. Geboren um 85, erlebte er als Kind während der sullanischen Wirren die Ermordung seines gleichnamigen Vaters durch Pompeius mit, was ihn diesem zeitlebens entfremdet hat (Plutarch, Pompeius 16). Daraufhin wurde er in die partrizische Familie seiner Mutter adoptiert und hieß von da an, römischem Brauch entsprechend, Quintus Servilius Caepio Brutus. Seine Erziehung übernahm Cato, den er auch im Kampf gegen Caesar und Pompeius in der Zeit des Ersten Triumvirates unterstützte. 53 finden wir ihn am Beginn seiner politischen Karriere als Quaestor in Kilikien, wo er freilich wenig rühmliche, ja wucherische Geldgeschäfte tätigte; 48 Prozent Zinsen soll er von seinen Schuldnern erpresst haben (Cicero, Ad familiares 15, 14, 6). Beim Beginn des innerrömischen Waffenganges im Jahre 49 beteiligte er sich schweren Herzens als Pompeianer am Krieg, doch „so weit entfernt wie nur möglich“ (Maria Dettenhofer), was aus seinem persönlichen Schikksal erklärbar ist. Gleich nach dem pompeianischen Fiasko bei Pharsalos wechselte Brutus auf die Seite Caesars über (Plutarch, Brutus 6), dessen Ur-
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teil über ihn in folgendem Satz überliefert ist: „Es kommt sehr darauf an, was er will; aber was immer er will, will er sehr“ (Cicero, Epistulae ad Atticum 14, 1, 2; Plutarch, Brutus 6). Offenbar handelte es sich bei dem Parteiwechsel des Brutus nach Pharsalos nicht um bloßen Opportunismus. Er erhoffte sich vielmehr von Caesar wirkliche Reformen (Cicero, Epistulae ad Atticum 13, 40, 1), reihte ihn sogar unter die „Guten“ ein. Caesar seinerseits förderte seinen Schützling nach Kräften, machte ihn im Jahre 47 zum Statthalter von Gallia cisalpina (wohl mit propraetorischer Amtsgewalt: legatus pro praetore) und 44 zum Praetor, wobei er als praetor urbanus den Ehrenvorrang vor seinem Kollegen Cassius, der „nur“praetor peregrinus geworden war, erhalten hatte. Die allmähliche Hinwendung zur oppositionellen Gruppe um die Anhänger der Republik datiert wohl schon auf 46 und Catos Freitod, mit dessen Vermächtnis er sich zunehmend identifizierte. Die Ehe mit Catos Tochter Porcia beförderte zusätzlich die Liebe zur Republik. Den Quellen, insbesondere Cicero, nach zu urteilen, war Brutus gewiss kein überragender Politiker, doch auf seine Beteiligung an der Verschwörung wollte die längst konstituierte Widerstandsgruppe aus den genannten Gründen nicht verzichten. Den letzten Anstoß gaben Grafitti an Häuserwänden in Rom und verbreitete Anspielungen, die an seine gleichsam genetisch übertragene Verantwortung für den Staat und die daraus resultierende Verpflichtung zum Tyrannenmord appellierten. So machte er bei der Tat mit, unter der Voraussetzung allerdings, dass sich das Schwert nur und ausschließlich gegen Caesar, nicht aber gegen seinen Helfershelfer Marcus Antonius und andere Caesarianer richten sollte. Der unbeteiligte Cicero kritisierte diese Einschränkung später als überaus naiv. Der wirkliche Anführer der Verschwörer war aber nicht Brutus, sondern Gaius Cassius Longinus. Wie Brutus der plebejischen Nobilität entstammend und nur wenig älter als dieser, trat er ins Rampenlicht der Geschichte als Proquaestor des damaligen Triumvirn Crassus bei dessen Partherfeldzug im Jahre 53. Nach der römischen Niederlage gegen die Parther bei Carrhae und dem Schlachtentod des Crassus blieb Cassius bis 51 noch in Syrien und erwies sich als militärisch durchaus fähig. Im Jahre 50 wurde er in Rom zum Volkstribunen gewählt, in welchem Amt er gegen die Caesarianer Antonius und Quintus Cassius die Aufträge des Pompeius vollführte (Cicero, Epistulae ad Atticum 7, 21 ff.). Seine militärischen Fähigkeiten stellte er seinem Parteiführer Pompeius als Flottenkommandant in Italien und auf Sizilien zur Verfügung. Nach Pharsalos entschloss sich Cassius, nach Möglichkeit auf die Seite Caesars zu wechseln, wobei er von dessen auf clementia im Umgang mit den Pompeianern gegründeten Politik profitierte, und gelangte seit 47 sogar in den Beraterstab Caesars. Auch Cassius, den die Zeitgenossen philosophisch den Epikureern zurechneten, setzte seine Hoffnungen auf Caesars republikanischen Reformwillen; noch 45 rechnete er damit, dass Caesar zu den „Guten“ nach philosophischer Diktion überschwenken würde, also sich zur traditionellen Ordnung bekehren ließe. Noch sah er überhaupt keinen Gegensatz zwischen den boni und dem Diktator (Cicero, Ad familiares 15, 19). Gewiss verlief für Cassius spätestens ab 45 die politische Entwicklung enttäuschend, und 44 kam noch die schon im Zusammenhang mit Brutus
Cassius
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erwähnte persönliche Kränkung durch Caesar hinzu: Der Diktator hatte bei der Amtsbereichaufteilung an die Praetoren Brutus, nicht Cassius als praetor urbanus eingesetzt, da doch die Stadtpraetur die bei weitem ehrenvollste war. Caesar hatte die Aufgabenvergabe offenbar allein nach seiner persönlichen Zuneigung und entgegen der höheren Qualifikation des Cassius entschieden (Plutarch, Brutus 7; Caesar 62). Ob und wieweit daraus ein Konflikt zwischen Caesar und Cassius wurde, können wir heute nicht genau sagen. Jedenfalls fügte sich diese Episode trefflich in das Bild eines willkürlich handelnden Monarchen ein, der bei Stellenbesetzungen nicht nach Leistungen, sondern nach persönlichen Beziehungen vorging. Denn es bestand kein Zweifel daran, wer von beiden nach der republikanischen Vorstellungswelt mehr geleistet hatte und darum würdiger war. Noch aus einem anderen Grund war für Cassius die republikanische Ordnung durch nichts ersetzbar. Denn seine Familie nahm ebenso wie diejenige des Brutus im kollektiven Gedächtnis des republikanischen Rom einen Sonderplatz ein. Ihr wurde nachgesagt, in der Frühzeit der Republik einen der Ihren, der im Verdacht stand, nach der Königsherrschaft zu streben, den Gerichten ausgeliefert zu haben und dementsprechend niemals die Vorherrschaft eines Einzelnen (dominatus), geschweige denn eine Alleinherrschaft (potentia) zu dulden (Cicero, Philippica 2, 26). So reproduzierte sich in dem Nachfahren dieser Familie das Selbstverständnis der Republik und ihrer Werte, die nicht aufgegeben werden durften – schon gar nicht zugunsten persönlicher Vorlieben. Cassius gilt wohl heute als der eigentliche Kopf der Verschwörung gegen Caesar, dem auch vorschwebte, Antonius und andere führende Caesarianer zusammen mit dem Diktator zu beseitigen und dadurch die Erfolgschancen der Verschwörung von vornherein zu vergrößern. In die gleiche Richtung zielte sein Plan, das Testament Caesars vernichten zu lassen. Bekanntlich scheiterten diese Ideen an dem Widerstand des Brutus. Bereits drei Jahre zuvor soll Cassius einen Anschlag auf Caesar in Kilikien geplant haben, der allerdings nicht ausgeführt werden konnte; so jedenfalls ließ Cicero in seiner nach der Ermordung Caesars gehaltenen Zweiten philippischen Rede verlauten (Cicero, Philippica 2, 26). Decimus Brutus
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Als Letzter der drei wichtigsten Verschwörer ist an dieser Stelle kurz Decimus Iunius Brutus Albinus vorzustellen. In der Darstellung des Nikolaus von Damaskus nimmt der zweite Brutus allerdings die führende Position unter den Verschwörern ein. Der Grund für diese Heraushebung ist indes offensichtlich: Decimus Brutus war ohne Zweifel für die Anhänger Caesars die verwerflichste und hinterhältigste Person des Trios, war er doch von dem Diktator in mannigfacher Weise ausgezeichnet, belohnt und geehrt worden. Decimus war der „Erzverräter“ schlechthin (Appian, Bella civilia 2, 143), derjenige, der die republikanischen Ideale der Mörder als bloße Fassade enttarnte, der den Glanz der Gruppe um Marcus Iunius Brutus am meisten zu beschmutzen schien. Seine Mutter war die berüchtigte Sempronia, der Sallust „männliche Verwegenheit“ und Begabung bescheinigt, aber gleichzeitig auch ein eindrucksvolles Zeugnis ihrer Sittenlosigkeit ausgestellt hat (Sallust, De coniuratione Catilinae 25); sein Vater war der gleichnamige Konsul des Jahres 77. Decimus gehörte der Generation seiner Mitstreiter Brutus und Cassius an und wurde am 21. April 85 geboren. Bemerkenswert
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an seinem Leben ist insbesondere die Unterstützung, die sein Mentor Caesar ihm zuteil werden ließ. Auch Decimus mutierte vom Plebejer zum Patrizier durch eine Adoption (in die Familie der Postumii Albinii), schloss sich früher als die anderen beiden Caesar an und erntete in Gallien seine ersten militärischen Erfolge. Im Bürgerkrieg treffen wir ihn während der Belagerung vor Massilia in der Position eines erfolgreichen Flottenbefehlshabers unter C. Trebonius an. Zum Lohn konnte er unter Caesar politische Karriere machen. Zunächst wurde er drei Jahre lang Statthalter der Gallia transalpina (Appian, Bella civilia 2, 48), sodann 45 Praetor, erhielt 44 als Statthalter die Provinz Gallia cisalpina und wurde für 42 von Caesar im Zuge seiner Regelungen für die Zeit seiner Abwesenheit gegen die Parther als Konsul nominiert. Auch nach Caesars Tod blieb er eine bedeutende Persönlichkeit: Seinetwegen brach der Mutinensische Krieg um die Statthalterschaft in den gallischen Provinzen aus, denn er weigerte sich, diese an Marcus Antonius abzugeben. Der junge Adoptivsohn Caesars, Octavian, mit propraetorischem Imperium ausgestattet und im Einvernehmen mit dem römischen Senat (Cicero, 5. Philippica), half schließlich am 21. April 43, Decimus Brutus von einer bedrohlichen Belagerung durch Marcus Antonius in Mutina (heute Modena) zu befreien. Decimus wurde jedoch wenig später von seinen eigenen Truppen verlassen, und Antonius gelang es, im Verein mit Lepidus und trotz der Niederlage bei Mutina Herr der westlichen Provinzen zu werden. Als Erster der drei bedeutendsten Caesar-Mörder kam der zweite Brutus auf der Flucht ums Leben. Nie trat Decimus mit republikanischer Gesinnung hervor. Was also mag ihn zu diesem Schritt, seinen eigenen Förderer, den Garanten seiner Karriere, zu beseitigen, bewogen haben? Wir wissen es nicht und können nur spekulieren. Möglich wäre, dass er sich von der aufkeimenden Renaissance republikanischer Traditionen leiten ließ, denen er ja in gewissem Sinne ähnlich wie Marcus Brutus schon durch seinen Namen verpflichtet war; vielleicht rechnete er sich auch angesichts der bereits erreichten Stellung persönlich noch glänzendere Zukunftsperspektiven aus, wenn die Person, der alles unterworfen war, beseitigt wäre. Das wäre zumindest republikanisch gedacht, denn ein freier Wettbewerb um die höchsten Positionen war im Staate Caesars natürlich nicht möglich, jede Karriere musste zwangsläufig in der persönlichen Nähe zu Caesar enden. Unter den Verschwörern steht der Name Decimus Brutus für die Caesarianer, die von Caesar sich politisch oder persönlich mehr versprochen hatten und deshalb enttäuscht von ihrem Herrn und Meister waren.
5. Die Ermordung Caesars an den Iden des März Der eingeweihte Kreis der Verschwörer dürfte sich seit Februar 44, als Caesar sich zum „Diktator auf Lebenszeit“ (dictator perpetuo) hatte ernennen lassen, auf einen genauen Termin für die Tat verständigt haben. Denn spätestens mit diesem Akt, mit dem ursprünglichen Notstandsamt die Alleinherrschaft ohne jede zeitliche Befristung und inhaltliche Beschränkung fest zu verankern, war jede selbst nur theoretische Rückkehr zur Republik ver-
Zeitpunkt
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Ort
Rekonstruktion des Ablaufs
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baut. Auf den Titel „König“ verzichtete Caesar, doch das regnum, die Königsherrschaft, wurde nicht einmal mehr notdürftig verschleiert. Cicero bezeichnet denn auch mehr als einmal diese kurze Phase caesarischer Dominanz – sie dauerte ja nicht mehr als einen Monat – als Königsherrschaft. Und ein Ende des „Republikabbaus“ schien nicht einmal damit erreicht. Denn abgesehen von ständig neuen und entmutigenden Gerüchten, etwa von der angeblichen Verlegung der Hauptstadt nach Alexandria oder nach Ilion, wurde kolportiert, dass der Senat Caesar die Königswürde, wenn schon nicht in Rom, so doch wenigstens im Reich verleihen wolle. Es hätten nämlich die sibyllinischen Bücher prophezeit, dass „die Parther nur ein König besiegen könne“ (Sueton, Caesar 79). Und Caesar stand kurz vor dem Abmarsch in den Osten, am 18. März wollte er Rom verlassen. Stand nicht zu erwarten, dass er doch noch die Gelegenheit ergreifen würde, sich den offiziellen Titel eines rex verleihen zu lassen? Wie dem auch sei, es war jetzt Eile geboten. Doch wo sollte die Tat stattfinden? In Caesars Privathaus? In der Öffentlichkeit? Einige Verschwörer rieten zum symbolisch aussagekräftigen Marsfeld, wo die Wahlen abgehalten wurden und welches der Hauptort seines Widersachers im Bürgerkrieg, des Pompeius, war; andere bevorzugten die via sacra auf dem Forum, wo Caesar, wie erwähnt, eine offizielle Amtswohnung hatte. Schließlich wurde auch das Theater des Pompeius ins Spiel gebracht. Diese Vorschläge wurden alle verworfen. Man suchte eher einen Ort, an dem man vor Überraschungen sicher sein konnte. Am sichersten aber war man gewiss dort, wo die größte Anzahl von Anticaesarianern versammelt war, also im römischen Senat. Auch der Symbolik und der Geschichte entsprach dieser Ort am ehesten. Der Zufall wollte es, dass für den 15. März eine Senatssitzung ausgerechnet in die curia des Pompeius einberufen werden sollte. Symbolträchtiger ging es kaum: Der Tyrann Caesar wird während einer Sitzung des ehrwürdigen republikanischen Senates in einem Gebäude seines größten Widersachers ermordet! Republikaner, Pompeianer und enttäuschte Caesarianer – alle könnten sich durch die Wahl dieses Ortes mit der Tat identifizieren, größtmögliche Zustimmung wäre gewährleistet und damit der konsensualen Wiederherstellung der Republik der Weg geebnet. So oder ähnlich mochten es sich die Verschwörer vorgestellt haben – sie würden das Signal mit der Ermordung des Diktators geben und alle Anwesenden und Herbeiströmenden würden diesem Signal folgen und die Tyrannei einmütig beseitigen! Doch der wirkliche Ablauf der Tat war ein anderer. Die Quellen schmücken die Ereignisse des 14. und 15. März zum Teil legendenhaft aus; ihre Auswertung lässt in etwa folgende Rekonstruktion des Ablaufes zu: Am Abend des 14. März machte Caesar einen Besuch bei seinem „Reiterobersten“ (magister equitum) Lepidus und unterhielt sich dort angeblich über das Thema, welches die beste Todesart sei. Die Verschwörer selbst hatten sich am Morgen des 15. März, der Iden des März und also des Todestages von Caesar, im Haus des Cassius versammelt, der zunächst gemeinsam mit Brutus noch seine Amtshandlungen als Praetor absolvierte. Caesar verspätete sich an diesem Morgen, sodass Decimus Brutus ihn von zu Hause für die Senatssitzung abholen musste. Angeblich hielten ihn die Sorgen seiner Frau Calpurnia, die schlecht geträumt hatte, auf. Schon fast geneigt, die Sitzung zu verschieben, machte er sich, massiv
Die Ermordung Caesars an den Iden des März
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von Decimus bedrängt, schließlich doch gegen 11 Uhr (nach römischer Rechnung: zur fünften Stunde) auf den Weg zum Sitzungsort, der wie gewöhnlich gesäumt war von zahlreichen Bittstellern und Schaulustigen. Es wird berichtet, dass ihn einige Personen – ein fremder Sklave und ein gewisser Artemidorus werden genannt – warnen wollten (Plutarch, Caesar 65), doch gehört das wohl zum Repertoire spannungserzeugender Rhetorik. Als Caesar endlich zum Marsfeld gelangt war und die curia des Pompeius betreten hatte, wurde er sogleich von den Verschwörern umringt, während Marcus Antonius von einem der Verschwörer, C. Trebonius, zur Ablenkung vor der Tür des Sitzungsraumes in ein Gespräch verwickelt wurde. Da man diesen als den amtierenden Konsul aus moralischen Gründen nicht aus dem Wege räumen wollte, musste man ihn zum mindesten beschäftigen. Auf ein verabredetes Zeichen hin – ein gewisser Tillius Cimber riss Caesar plötzlich die Toga von der Schulter – stürzten sich die Verschwörer der Reihe nach, beginnend mit Casca, auf den Diktator. Dieser hatte kurz zuvor in blindem Vertrauen auf seine persönliche Sicherheit seine Leibwache entlassen. So hatte er nichts bei sich als einen Schreibgriffel, und mit dieser „Waffe“ allein ausgerüstet blieb die Gegenwehr wirkungslos. Caesars Wehrlosigkeit war vollkommen – von der entlassenen Leibwache bis zur Missachtung der Warnungen, man könnte meinen, sie sei geplant gewesen. Es gehört zu den wissenschaftlichen Kuriositäten, dass neuerdings die These vertreten wird, Caesar habe an den Iden des März seinen Selbstmord bühnenreif inszeniert. Sein Ruhm, ja seine Unsterblichkeit habe nicht wirkungsvoller bewahrt, die Republik nicht vollständiger zerstört werden können als durch diese ruchlose Tat republikanischer Ewiggestriger, begangen an dem größten Römer auf der Höhe seines Erfolges. Heuristisch ist diese Theorie reizvoll, weil sie vor Augen führt, wie alle Wünsche der Verschwörer in ihr Gegenteil ausschlugen. Sie ist freilich nicht nur unbeweisbar und spekulativ, sondern auch überhaupt von der Wirklichkeit weit entfernt; mit dem geplanten Partherfeldzug hätte Caesar seinen Ruhm auf seine ganz persönliche Weise und zudem für ihn selbst erlebbar auf noch größere Höhen führen können – Caesar hat viel inszeniert, aber eine Selbsttötung und noch dazu ausgeführt von seinen persönlichen Feinden passt nicht zu ihm. Vor der Statue des Pompeius, die mit seinem Blut beschmiert war, brach Caesar – von 23 Messerstichen getroffen – zusammen. Cassius soll Caesar im Gesicht verwundet haben (Nikolaus von Damaskus, Leben des Augustus 24 f.; Appian, Bella civilia 2, 117), und auch Brutus hatte zugestochen; er schwang seinen blutigen Dolch triumphierend, rief den gar nicht eingeweihten Cicero beim Namen und beglückwünschte ihn wegen der wiedergewonnenen Freiheit (Cicero, Philippica 2, 28). Im Senat brach jetzt eine Panik aus, die Verschwörer versuchten, eine Ansprache zu halten, doch sie wurden nicht gehört; die versammelten Senatoren einschließlich des Konsuls Antonius flohen aufgeschreckt in alle Himmelsrichtungen. Antonius soll nach Plutarch „die Kleidung eines einfachen Bürgers“ angelegt haben, das heißt, er entledigte sich sicherheitshalber seines Amtes (Plutarch, Brutus 18; Antonius 14). Vervollständigt wurde das Bild allgemeiner Verwirrung, als Decimus Brutus die im nahen Theater versammelten Gladiatoren anrücken ließ. Auch die Verschwörer waren längst nicht mehr Herren ihrer
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Entscheidungen; so wurde Caesars Leichnam, der eine Zeit lang unbeachtet dagelegen hatte, schließlich von drei Sklaven auf einer Sänfte mit herabhängendem Arm nach Hause getragen. Die Verschwörer hatten es sich ganz anders ausgedacht: Sofort nach der Ermordung des Diktators sollte sein Leichnam in den Tiber geworfen werden, das Testament vernichtet, seine Güter konfisziert und seine Verfügungen widerrufen werden. Das entsprach dem traditionellen Umgang mit „echten“ Tyrannen nach ihrer Beseitigung. All das unterblieb jedoch aus Furcht vor Antonius und Lepidus, dessen Soldaten ganz in der Nähe lagerten. So kam es, dass sich die Verschwörer im allgemeinen Chaos auf dem Kapitol verschanzen mussten und damit das Heft des Handelns aus der Hand gaben, als vielleicht noch Zeit gewesen wäre, vollendete Tatsachen in der Frage einer Republikerneuerung zu schaffen. Erst jetzt, auf dem Kapitol, wurden sie sich über die Täuschung, der sie sich in ihrer Konzentration auf die Person Caesars hingegeben hatten, bewusst, dass sie nämlich das Volk hinter sich hätten (Plutarch, Brutus 18). Damit war die Sache der Republik schon an den Iden des März verloren.
6. Das Nachspiel Vollständiges Scheitern
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Der Eindruck eines vollständigen Scheiterns der Verschwörung wurde in den nächsten fünf Tagen zur Gewissheit. Es kam zu Gesprächen zwischen den „Befreiern“ auf dem Kapitol und dem amtierenden Konsul Antonius, der die Lage wohl am ehesten durchschaut hatte. Caesars Testament, das im Tempel der Vesta auf dem forum Romanum von den Vestalinnen deponiert worden war, wurde öffentlich verlesen; außerdem wurde eine feierliche Beisetzung von Caesars Leichnam auf dem Marsfeld beschlossen (Plutarch, Brutus 19 f.). In diesem Beschluss sahen Zeitgenossen wie Cicero ebenso wie nachgeborene Autoren, zum Beispiel Plutarch, den entscheidenden Fehler. Die öffentliche Verlesung des Testamentes offenbarte die Undankbarkeit der Verschwörer ihrem Gönner gegenüber in ihrem vollen Ausmaß, da etwa Decimus Brutus besonders bedacht worden war, und es beschenkte zudem das römische Volk so reichlich, dass sich urplötzlich die Stimmung radikalisierte (Sueton, Caesar 83). Der Unmut entlud sich vollends am 20. März, als die Leiche auf dem Forum aufgebahrt worden war und Antonius die Leichenrede gehalten hatte. Diese Rede kennen wir aus einer viel späteren und sehr ausführlichen Rekonstruktion des kaiserzeitlichen Geschichtsschreibers Cassius Dio (Dio 44, 36–49). Antonius glorifizierte in seiner Ansprache den toten Diktator und entzündete damit zusätzlich die Emotionen der anwesenden plebs und Soldaten. Caesars Leichnam wurde gleich an Ort und Stelle auf dem Forum verbrannt, die enthemmte Masse fahndete regelrecht nach den Caesar-Mördern und lynchte Personen, die sie dafür hielt. Unsere Quellen berichten von den Szenen keineswegs einheitlich, doch alle verdeutlichen, dass sich die Verschwörer gründlich verschätzt hatten (Plutarch berichtet in seinen drei Biographien darüber: Brutus 20; Antonius 14 und Caesar 68; Appian, Bella civilia 2, 146 f.; Sueton, Caesar 84 f.).
Vergangenheitsbewältigung in Rom Was dann folgte, waren Weichenstellungen zu neuen Bürgerkriegen, aber nicht für eine dauerhafte Neuordnung. Bereits am 17. März hatte der römische Senat auf Antrag Ciceros eine Amnestie für die Caesarmörder beschlossen. Der Tyrannenmord erfuhr also nicht nur keine Belobigung, war also definitiv gar keine Ruhmestat, sondern vielmehr ein Verbrechen, für das eine Amnestie ausgesprochen werden musste. Deutlicher konnte man den Zusammenbruch der Verschwörung nicht dokumentieren als durch diesen Senatsbeschluss drei Tage nach der „Befreiung“. Ende März verzichteten folgerichtig Brutus und Cassius auf ihre Amtstätigkeit als Praetoren in Rom und ließen sich per Senatsbeschluss ihren Aufenthalt außerhalb Roms zusichern. Am 8. Mai erschien schließlich Caesars testamentarisch adoptierter Sohn C. Octavius – offiziell hieß er jetzt Gaius Iulius Caesar; den Beinamen Octavianus hat er sich nicht selbst zugelegt – in Rom und machte seine Ansprüche geltend. Die Cicero-Briefe dieser Zeit sind bewegende Zeugnisse einer gedrückten und völlig ratlosen Stimmung (Epistulae ad Atticum 14, 13). Auch Antonius meldete sich zu Wort, denn er betrachtete sich als den eigentlichen Erben Caesars, und er berief sich auf tatsächliche oder angebliche Verfügungen (acta) Caesars (Cicero, Philippica 1). Damit war der Boden für neue Zwiste bereitet, die schließlich wieder zu einem Bürgerkrieg führten, den wir an dieser Stelle außer Acht lassen können.
VII. Endgültiger Zusammenbruch
7. Vergangenheitsbewältigung in Rom nach dem Sturz des Diktators Die Vorstellung, dass mit dem Tyrannenmord allein und automatisch die Republik wiederhergestellt würde und dass der seit den Ständekämpfen für die republikanische Ordnung konstitutive Wert einer innerhalb der Aristokratie geachteten libertas (welche nicht mit unserem Freiheitsbegriff identisch ist) wieder zu Ehren käme, hatte sich zwar in den dramatischen Ereignissen unmittelbar nach der Tat als trügerisch erwiesen. Doch wie immer, wenn Diktaturen enden, gerieten viele Personen öffentlich und im privaten Freundeskreis in einen Erklärungsnotstand. Es wurden Fragen gestellt: Welche Stellung hattest du und wie hast du dich verhalten während der Diktatur? Warum hast du mitgemacht? Die Werte der Republik wurden wieder sehr intensiv diskutiert. Sogar Caesars Konsul Marcus Antonius hatte sich unmittelbar nach der Ermordung Caesars unmissverständlich auf den Boden der Republik gestellt, als er plakativ die Abschaffung der Diktatur verkündete: „Die Diktatur, die schon die Bedeutung einer königlichen Zwingherrschaft gewonnen hatte, tilgte er [Antonius] von Grund auf aus der Verfassung. […] Das Licht schien uns wiedergeschenkt, als nicht nur die Königsherrschaft, die wir zu erdulden gehabt hatten, sondern sogar die Furcht vor dem Königtum überhaupt von uns genommen war. Antonius hatte damit dem Staat ein sicheres Unterpfand dafür gegeben, dass er ein freies Gemeinwesen wünschte – hatte er doch das Amt des Diktators, das oftmals nach Recht und Gesetz ausgeübt worden war – von Grund auf aus der Verfassung getilgt“, so beschrieb Cicero seine Empfindungen über die Politik des Antonius unmittelbar nach der Ermordung Caesars (Cicero, Philippica 1, 4). Die republikanische Verfassung wurde Gegenstand eines
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Asinius Pollio
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umfassenden und auf breiter gesellschaftlicher Basis geführten Nachdenkens, ja sie war zum Gegenstand einer gesamtgesellschaftlichen Vergangenheitsbewältigung geworden. Antonius, Lepidus, Decimus Brutus – sie alle führten die res publica im Munde, wie es in Caesars Diktatur nur die Fundamentalisten unter den Republikanern zu tun gewagt hatten. Durch den glücklichen Umstand, dass Ciceros Korrespondenz auch Briefe von Caesarianern der ersten Stunde enthält, ist diese Diskussion für uns greifbar, und auch, dass es ganz unterschiedliche Deutungsmuster der Kollaboration gab. Zwei bedeutende Persönlichkeiten jener Zeit, Asinius Pollio und Gaius Matius, seien als Beispiele für die römische Vergangenheitsbewältigung nach den Iden des März herausgegriffen. Sie unterscheiden sich in nahezu allen Belangen – in ihrer sozialen und politischen Stellung, in ihrer geistigen Potenz, in ihrer Bedeutung für Caesar und in ihrem rückblickenden Urteil über die eigene Kollaboration –, nur ihre Zugehörigkeit zur Gefolgschaft Caesars verband sie miteinander. Asinius Pollio, geboren 76/75, war von Anfang an Caesarianer gewesen, und auch nach den Iden des März schloss er sich dem politischen CaesarErben Marcus Antonius an. Unter diesen Voraussetzungen machte er Karriere: 45 war er Praetor, 44 Statthalter in Spanien, 41 bekleidete er dasselbe Amt in Gallien und erreichte 40 das Konsulat. Als Redner und Literat war er selbst bekannt und auch mit den bedeutendsten Schriftstellern seiner Zeit, wie Catull und Vergil, befreundet. Sein viel benutztes Geschichtswerk, das den Titel historiae trug, aber leider für uns verloren ist, behandelte die Zeit der Bürgerkriege von 60 bis ca. 42. Gestorben ist er 5 n. Chr. Über seine politischen Auffassungen äußerte er sich in drei erhaltenen Briefen an Cicero aus dem Jahre 43, die im Zusammenhang mit dessen Korrespondenz „an seine Freunde“ erhalten geblieben sind (Cicero, Ad familiares 10, 31–33). Sie sind sehr aufschlussreich für den Umgang der postcaesarischen Gesellschaft mit ihrer eigenen Vergangenheit. Im ersten dieser Briefe schrieb Asinius Pollio über seine politische Stellung während der Diktatur Caesars (s. Quelle). In diesem Brief kombiniert Asinius Pollio zwei Erklärungsebenen für seinen Anschluss an den Diktator, die politische und die persönliche. Die politische ist die maßgebliche auch für ihn selbst. Ein Mann von Herkunft und Bildung des Asinius Pollio konnte gar nicht anders argumentieren, als dass Friede und Freiheit die höchsten Güter seien. Immerhin gab es beim Ausbruch des Bürgerkrieges gute Gründe, neutral zu bleiben. Natürlich wusste Asinius, dass die Republik im Lager des Pompeius kämpfte. Doch konnte man, zumal bei dem ja ebenfalls lange zögernden Cicero, auf Verständnis rechnen, wenn er sich anders entschied. Neutral bleiben durfte er jedoch auf keinen Fall, und hier kommt die persönliche Ebene ins Spiel. Es war aber gerade nicht die persönliche Freundschaft zu Caesar, die ihn bewogen hatte, auf dessen Seite in den Bürgerkrieg einzutreten, obwohl sie beiderseitig tief und innig war. Vielmehr befürchtete er die Nachstellungen seines persönlichen Feindes im Lager des anderen. Mit dieser Begründung entzog er der Kritik an seiner politischen Präferenz die Grundlage. Diese habe sich vielmehr überhaupt nicht geändert, und er selbst habe sich in seinem Handeln an immerhin exponierter Stelle unter Caesars Gefolgsleu-
Vergangenheitsbewältigung in Rom Asinius Pollo über Caesars Diktatur (Cicero, Ad familiares 10, 31, 2 f.)
VII.
Q
Meine Naturanlage und Neigung ziehen mich hin zu Frieden und Freiheit. Deshalb habe ich jenen Beginn des Bürgerkrieges zutiefst bedauert; aber da ich nicht neutral bleiben konnte, habe ich mich, weil ich auf beiden Seiten erbitterte Feinde hatte, der Partei entzogen, bei der ich, wie ich wusste, den Nachstellungen eines meiner Feinde einfach schutzlos preisgegeben sein würde. So sah ich mich in eine mir durchaus nicht erwünschte Lage gedrängt, und um nicht zu den Letzten zu gehören, habe ich mich ganz bewusst in Gefahren gestürzt. Caesar aber behandelte mich auf der Höhe seines Glücks, wiewohl er mich eben erst kennen gelernt hatte, mit pietas und fides. Darum habe ich an ihm persönlich mit aller Liebe und Freude gehangen. Wo ich nach eigener Überzeugung verfahren durfte, habe ich so gehandelt, dass jeder anständige Mensch völlig damit einverstanden sein konnte; was mir befohlen wurde, habe ich dann gemacht, aber so, dass man sah, wie ungern ich es ausführte. Die ganz unverdiente Missgunst, der mein Tun begegnete, musste mir eine Lehre sein, wie schön die Freiheit und wie elend das Leben unter einer Gewaltherrschaft ist. Wenn es also darauf hinausläuft, dass wieder alles in die Hand eines einzigen kommt, mag er sein, wer er will, dann bekenne ich mich als seinen Gegner, und es gibt keine Gefahr, der ich mich für die Freiheit entziehen oder versagen werde.
ten nichts zuschulden kommen lassen. Caesars Herrschaft wird auch von Asinius Pollio als negativ klassifiziert, und er räumt sogar freimütig ein, dass es auch an ihn Befehle des Diktators gab, deren gleichwohl notwendige Ausführung gegen seine politische Überzeugung verstieß; jeder Außenstehende habe ja sehen können, wie unwillig er die Befehle Caesars befolgt habe. Paradoxerweise erhält die Diktatur dadurch eine positive Note, als Lehrstück nämlich für jeden Einzelnen, insofern sie die eigene Erkenntnis und damit zukünftige Wachsamkeit befördert habe: Wie angenehm die Freiheit und wie schlimm die Gewaltherrschaft sei, das habe ihn Caesars Herrschaft gelehrt. Und in Anspielung an seinen (menschlich ja verständlichen) Anschluss an Caesar kann Asinius nach eigener Aussage nun umso unnachsichtiger jeder Gefahr für die Freiheit begegnen. Dieser Rückblick auf die Diktatur sowie das eigene Verhalten in ihr muten sonderbar an, und es ist nicht ganz leicht, den politischen Standpunkt des Asinius Pollio zu ergründen. Es gibt auch kaum eine Persönlichkeit dieser Zeit, die in der modernen Forschung so unterschiedliche Bewertungen gefunden hat (Zecchini). War er Republikaner? Seine Äußerungen zur Freiheit verweisen in diese Richtung. Oder blieb er doch überzeugter Caesarianer, der sich später auch Antonius anschloss? Asinius Pollio hat jedenfalls seinen Weg offenbar in seiner Unbestimmtheit allseits befriedigend erklären können – so befriedigend, dass seine Karriere ungehindert weiter voranschreiten konnte. Ganz anders die Vergangenheitsbewältigung des Gaius Matius, der gleichfalls mit Cicero korrespondiert hat – zwei Briefe, einer von Cicero, der andere von Matius, sind über dieses Problem erhalten geblieben –, darüber hinaus für uns aber ein unbeschriebenes Blatt ist. Matius war Caesarianer von Anbeginn an, ein „gemäßigter und kluger Mann“ (Cicero,
Matius
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Die Iden des März 44
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Epistulae ad Atticum 9, 11, 2), der vor allem nach Ausbruch des Bürgerkrieges eine vermittelnde Position zwischen Cicero und Caesar eingenommen hatte. Der Briefwechsel zwischen Cicero und Matius ist bei Cicero, Ad familiares 11, 27 (Ciceros Brief) und 28 (Matius an Cicero) überliefert. Der Anlass des Briefwechsels waren Beschwerden des Matius über Ciceros Kritik an seinem Verhalten nach Caesars Tod gewesen. Cicero beginnt seinen Brief sehr vorsichtig und bezieht sich ausführlich auf die dauerhaft guten Beziehungen zwischen beiden, um dann zum Kern des Problems zu kommen: „Aber du bist doch ein hochgebildeter Mann, und so kann es dir nicht entgehen, dass man, wenn Caesar etwa ein monarchisches Regiment geführt hat – und der Ansicht bin ich allerdings –, über deine Dienstleistung in doppeltem Sinne reden kann, entweder so, wie ich es tue, dass man deine Treue und edle Gesinnung anerkennen müsse, der du den Freund auch noch im Tode liebtest, oder so, wie manche tun, dass man die Freiheit des Vaterlandes über das Leben des Freundes stellen müsse. Ach hätte man dir doch von meinen Ausführungen bei diesen Erörterungen berichtet! Aber deine beiden schönsten Ruhmestitel – wer spricht schon davon? Dass du ausdrücklich dafür eingetreten bist, erst den Bürgerkrieg nicht zu beginnen, und hernach, sich im Siege zu mäßigen. Ich habe noch niemanden gefunden, der mir darin nicht beistimmte.“ Matius schrieb wenig später zurück: „Mir ist ja bekannt, was alles die Leute nach Caesars Tod über mich geklatscht haben. Sie werfen mir vor, dass ich mich mit dem Tode des mir so eng verbundenen Mannes nicht abfinden kann und empört bin, dass er, den ich geliebt habe, ein solches Ende finden musste; sie sagen nämlich, erst komme das Vaterland und dann der Freund; gerade als ob sie schon bewiesen hätten, dass sein Tod ein Segen für den Staat gewesen ist. Aber ich will mich nicht hinter dieser Frage verschanzen; ich gebe zu, dass ich diesen Grad der Weisheit noch nicht erreicht habe. Denn ich bin in dem Bürgerzwist nicht dem Parteimann Caesar gefolgt, sondern habe nur, obwohl ich mich an der Sache stieß, den Freund nicht im Stiche gelassen und den Bürgerkrieg oder auch nur den Anlass zu den Misshelligkeiten niemals gutgeheißen, mich vielmehr ernstlich bemüht, den Brand schon im Entstehen zu löschen. Und so habe ich mich auch nach dem Siege meines Freundes nicht durch den Reiz von Geld und Ehren fangen lassen, Belohnungen, von denen alle Übrigen, obwohl sie weniger bei ihm galten als ich, einen maßlosen Gebrauch gemacht haben. […] Muss ich, der ich alle am Leben zu erhalten wünschte, also nicht empört darüber sein, dass der Mann, der diesen Wunsch erfüllt hat, ums Leben gekommen ist? […] Mögen sie mich mit Gefahren schrecken, so viel sie wollen, den Verpflichtungen der Menschlichkeit werde ich niemals untreu. […] Caesar hat mich nie gehindert, zu verkehren, mit wem ich wollte, auch mit Leuten, die er selbst nicht schätzte, und diese Herren, die mir den Freund entrissen haben, versuchen, mich durch boshafte Bemerkungen davon abzubringen, zu lieben, wen ich will!“ Nach der Ermordung des Diktators blieb Matius, anders als Asinius Pollio, standhaft und machte die Wende nach den Iden des März innerlich nicht mit. Cicero, in einer sehr einfühlsamen und menschlichen Art und Weise, versuchte, Matius die Unmöglichkeit einer solchen Position klarzumachen und ihm eine Brücke zurück zur Republik mittels des im philo-
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Vergangenheitsbewältigung in Rom
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sophischen Diskurs geläufigen Pflichtenbegriffes (officium) zu bauen (Cicero, Ad familiares 11, 27, 8): Treue und Loyalität einem persönlichen Freund gegenüber auch über den Tod hinaus sei zwar in höchstem Maße lobenswert; doch die Pflicht, für die Freiheit des Vaterlandes einzutreten, müsse in der Güterabwägung einen noch höheren Rang beanspruchen können (libertas patriae vitae amici anteponenda). Diese Gegenüberstellung der Werte „Freundschaft“ und „Freiheit“ erhält natürlich nur ihre Berechtigung unter der Prämisse, dass Caesar außerhalb der Rechtsordnung gestanden habe, ein König, also ein Feind der Freiheit gewesen sei (si Caesar rex fuerit, quod mihi quidem videtur: „wenn Caesar denn ein König war, wie ich jedenfalls meine“, sagt Cicero). Genau das ist aber der Punkt, den Matius schlicht in seiner Antwort ignoriert. So war es ihm möglich, sein Verhalten, den Anschluss an Caesar und die Treue ihm gegenüber sowohl während der Diktatur selbst als auch nach den Iden des März, als vollständig im Einklang mit den republikanischen Traditionen stehend zu rechtfertigen. „Freundschaft“ wird bei Matius also nicht primär privat verstanden, sondern politisch; sie auch in Krisen zu bewahren, ist ein Akt der Stabilität. Der Brief des Matius ist ein noch heute aktuelles Dokument, mit welchen Winkelzügen man sein eigenes Verhalten in der Diktatur rechtfertigen kann. Er greift die fundamentalen Begriffe wie „Freundschaft“ und „Freiheit“ auf – und interpretiert sie so, dass sie auf sein Verhalten passen. Ihm werde ja, so klagt Matius, Trauer über den Verlust eines toten Freundes versagt; da hätten ja Sklaven größere Freiheit, da sie doch immer über das Ableben ihrer Herren weinen dürften. Oder ein anderes „Argument“: Unter Caesar habe er eine viel größere Freiheit gehabt, zu besuchen, wen er wollte; jetzt werde ihm diese Freiheit verweigert. Die Diktatur an sich als Rechtsbruch wird ausgeblendet, lediglich der vorhergehende Bürgerkrieg als ein Übel, das er auch nie gebilligt habe, anerkannt; doch auch in dieser Grenzsituation stand er in Freundespflicht, habe er Caesar helfen müssen. Profitiert habe er von Caesars Macht in keiner Weise, vielmehr sogar Schaden an seinem Vermögen hinnehmen müssen. Ob Caesar König war oder nicht, sei ihm gar nicht wichtig. Wichtig allein sei, dass Caesars Tod nicht nützlich für den Staat sei (vgl. schon Cicero, Epistulae ad Atticum 14, 1, 1), ja er möchte sogar, dass allen Bürgern dessen Tod als ebenso bitter wie ihm selbst erscheine. Matius erweist den republikanischen Tugenden wie fides und humanitas ihre Referenz, ohne zu begreifen, dass gerade die Anbindung dieser Tugenden an das durch Caesar repräsentierte Neue ihren ideellen Bezugspunkt, die Republik, zunichte gemacht habe. Er entzieht sich einer klaren Festlegung in der Frage, wie Caesars Herrschaft zu bewerten sei. Dass Caesar kein Tyrann war, sagt er ebenso wenig wie dass er ein Tyrann war; aber die Pflichten eines Freundes habe er erfüllen müssen. Diese politische Ambivalenz, die zur eigenen Rechtfertigung und Selbstvergewisserung notwendig war, hat die modernen Interpreten zu den unterschiedlichsten Deutungen des Briefwechsels zwischen Cicero und Matius getrieben. Von unterschiedlichen Freundschaftskonzeptionen – wobei Cicero eine politische, Matius eine persönliche unterstellt wurde –, von einem Disput zwischen dem politischen Opportunisten Cicero und dem rein und lauter gesinnten Matius war die Rede. Die verschiede-
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nen Deutungsvarianten sind in einem bemerkenswerten und grundlegenden Aufsatz von Alfred Heuß aus dem Jahre 1956 besprochen und bewertet worden. Heuß beurteilte den Briefwechsel sehr einfühlsam, indem er auf die spezifische Existenz in einer postdiktatorischen Gesellschaft einging, und es lässt sich überhaupt nicht verheimlichen, dass hier nicht nur ein Althistoriker, sondern auch ein Betroffener mit eigenen Erfahrungen in einer Diktatur spricht. Freilich erweist die Forschungsgeschichte gerade zu dem hier behandelten Problem einer Vergangenheitsbewältigung immer deutliche Zeitbezüge. Den Caesar-Bewunderern des 19. Jahrhunderts wurde die persönliche Treue und die vermeintliche politische Klarsicht des Matius zu einem Dokument der moralischen Überlegenheit gegenüber der Verstocktheit des ewiggestrigen Cicero. Die Zeitgenossen der totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts dagegen konnten in dem Augenverschließen des Matius vor der Realität einer Diktatur und auch darin, wie sich Matius in dieser Diktatur einrichtete und seine persönliche Nische fand, die Probleme der eigenen Zeit wieder finden. Und wer die Idee des demokratischen Rechtsstaates verinnerlicht hat, der lehnt Caesars offenkundig die republikanische Ordnung zerstörende dictatura perpetua ab und kann dann natürlich auch die Argumentation des Matius nicht gutheißen (Helga Botermann). So hat dieser Seitenblick auf die Diskussionen nach Caesars Tod auch heute noch seine unverminderte Aktualität: Das Thema Vergangenheitsbewältigung in der Antike ist gewiss ein schlüssiges Argument für die Sinnhaftigkeit von Wissenschaftsgeschichte.
8. Die moderne Bewertung der Iden des März Zusammenfassende Bewertung
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Die historische Forschung hat die Diskussion um die Bewertung der Iden des März höchst kontrovers geführt. Denn diese hängt von verschiedenen Faktoren ab: Erstens wie man zu Caesar, zweitens wie man zu den Ursachen der Krise der Römischen Republik und drittens wie man zu den nachfolgenden Bürgerkriegen und dem Prinzipat steht. So werden die Urteile über das Attentat und die Motive der Attentäter an die je unterschiedliche Beurteilung der Krisenhaftigkeit der Republik oder der Zukunftsperspektiven der caesarischen Neuordnung geknüpft, und immer sind sie auch vom Zeitgeist getragen. Zuletzt wurde in bewusster Radikalisierung formuliert: „Der … notwendige und ethisch legitime Akt politischer Verantwortung war das Attentat, die Tötung des Diktators“ (Girardet). Doch ebenso dezidiert, nur diametral entgegengesetzt hatte Theodor Mommsen von einer aus niedrigen, persönlichen Beweggründen resultierenden Mordtat gesprochen. Welche Erkenntnisse werden aus diesen Beurteilungen gewonnen? Es ist zum wenigsten Aufgabe des Historikers, moralische Werturteile über menschliche Handlungen abzugeben, die zumal dem beständigen Wandel der Zeiten unterliegen. Frei machen von seinen eigenen Wertvorstellungen und von seinem besonderen Zeithorizont kann sich niemand, doch sollte eine Untersuchung der Tat und ihrer Hintergründe in erster Linie genuin historisch sein, das heißt, sie sollte das
Die moderne Bewertung der Iden des März
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„Vorher“ mit dem „Nachher“ verbinden und die Bedeutung des Ereignisses für den Fortgang der Krise, für die Veränderungen und die weitere Entwicklung freilegen. Dazu seien an dieser Stelle einige Feststellungen formuliert, die die Iden des März in einen derartigen historischen Zusammenhang stellen: 1. Die Römische Republik war in einer Krise, deren tiefere Ursache die mangelnde Anpassung der stadtstaatlichen Ordnung Roms an die Realität eines eroberten Weltreiches war. 2. Aus dieser Krise heraus entstanden die Bürgerkriege, die einzelnen Aristokraten wie Marius, Sulla, Pompeius und Caesar große Machtmittel, und keineswegs nur militärische, an die Hand gaben. 3. Caesar war nach Sulla der Zweite, der seine Machtstellung mit dem ursprünglich republikanischen Amt der Diktatur in eine monarchische Form goss; doch über alle seine Vorgänger hinausgehend, machte er dieses Amt zu einem lebenslänglichen und vererbbaren. Diese faktisch monarchische Stellung konterkarierte seine eigene, geradezu penibel am mos maiorum ausgerichtete Selbstrechtfertigung. Der Widerspruch zwischen Sprache und Handeln war evident. 4. Die Verschwörer gegen Caesar, aus welchen persönlichen Motiven jeder Einzelne auch an dem Vorhaben teilnahm, fanden sich trotz oder gerade wegen ihrer Unterschiede in sozialer Stellung, Motiv oder Ziel unter dem Banner der Republik und der Freiheit (libertas) zusammen. 5. Die republikanischen Werte wurden ungeachtet des ultimativen Scheiterns der Verschwörung nach der Tat neu belebt. Man übte sich in Vergangenheitsbewältigung, diskutierte das Geschehene, verfasste republikanisch klingende Resolutionen und erließ ebensolche Edikte und Gesetze. Zwar verhinderte die Reflexion dieser Werte nicht neue Bürgerkriege und auch nicht eine neue Militärmonarchie, doch sie fand ihren Niederschlag in der Ordnung, die am Ende der Krise stand: dem Prinzipat des Augustus. Dieser definierte sich als eine „wiederhergestellte Republik“ (res publica restituta). 6. Aus dieser Entwicklung ist in gewisser Hinsicht die Unmöglichkeit einer Erneuerung der republikanischen Ordnung zu erschließen. Die Republik war nicht zu restaurieren, denn ihre Voraussetzungen waren im 2. Jahrhundert obsolet geworden. Aber sie bestimmte den gesellschaftlichen Diskurs stärker, als es Caesar geahnt hatte oder wahrhaben wollte. Der Prinzipat des Augustus ist daher ohne die Iden des März mit der ihnen folgenden Selbstvergewisserung der römischen Gesellschaft nicht denkbar. Insofern und nur mit dem Blick auf die res publica restituta des Augustus ist die Verschwörung gegen Caesar dann doch die Rettung der Republik geworden. Darin liegt ihre große historische Bedeutung.
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VIII. Die historische Bedeutung von Pompeius und Caesar sowie das Urteil der Zeitgenossen und der Nachwelt 1.
Pompeius
Zusammenfassende Bewertung
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Pompeius war im doppelten Sinne eine tragische Gestalt. Er versuchte den Spagat, Republik und Weltreich zu verbinden, und scheiterte an einem Gegenspieler, der weniger Skrupel im Umgang mit den republikanischen Traditionen hatte als er. Dazu kam, dass seine republikanische Haltung mit dem größten Misstrauen seiner Umgebung behaftet blieb. Sie wirkte auf die Zeitgenossen unglaubwürdig und war ihm daher eher abträglich, weil man grundsätzlich einem Mann seiner Autorität, die ja aller anderen Autorität um Längen überragte, nicht zutraute, den Spielregeln aristokratischer Gleichheit Folge leisten zu wollen. Politischer Einfluss bemaß sich nach republikanischem Verständnis nach den Leistungen für den Staat, und gemessen daran kam niemand Pompeius gleich. „In Pompeius verschränkte sich sozusagen die Widersprüchlichkeit seiner Zeit, in welcher noch Republik genannt wurde, was bereits Monarchie war, und es kann gewiss kein Vorwurf gegen ihn sein, dass er an dieser Zerrissenheit litt und ihrer nicht Herr wurde. Aber eine staatsmännische Begabung ist dies gewiss auch nicht zu nennen“ – so lautete denn auch das Urteil Jochen Bleickens über Pompeius. In der Tat symbolisiert er die Krise der Römischen Republik, die wir als einen Konflikt zwischen der stadtstaatlichen Ordnung Roms einerseits und der Existenz eines Weltreiches andererseits definiert haben. Die Republik war von Anfang an unfähig, ein Weltreich zu beherrschen – also war die Krise dieser Republik nur zu beheben, wenn das Weltreich seinen gleichberechtigten Platz im Gefüge der römischen Ordnung erhielt. Keiner der Vorgänger des Pompeius hat dies gesehen, mochten sie nun Gaius Gracchus, Gaius Marius oder Lucius Cornelius Sulla geheißen haben. Diese Politiker waren entweder Popularen oder Optimaten, ihr Handeln war in jedem Fall von den stadtrömischen Verhältnissen bestimmt und auf sie bezogen. Selbst unter Sulla, der doch die römische Ordnung in ihrer Gesamtheit mittels der Gesetzgebung restaurieren wollte, waren Reichsangelegenheiten so geregelt worden, dass sie mit der republikanischen Verfassung kompatibel waren. Pompeius war der Erste, für den das Reich ein Faktor sui generis wurde. Diese Erkenntnis floss in alle reichspolitischen Unternehmungen des erfolgreichen Feldherrn ein, sei es im westlichen Spanien, sei es im östlichen Mittelmeergebiet. Davon kündet besonders die Neuordnung des östlichen Reichsteiles nach dem Krieg gegen Mithridates. In der systematischen Umsetzung einer aus der Krise gewonnenen Erkenntnis liegt also die große historische Bedeutung des Pompeius, und das ist gewiss auch als eine staatsmännische Leistung zu bezeichnen. Damit ist aber nur der eine, erfolgreiche Teil seines Wirkens beschrieben. Der andere Teil, nicht minder ehrenhaft zwar, ist aber verdunkelt durch sein Scheitern. Was die Verhältnisse in Rom betraf, so kannte die politische, auf dem Hintergrund der Zugehörigkeit zu einer noch nicht sehr
Pompeius etablierten und weiterhin aufstrebenden Familie entwickelten Vorstellungswelt des Pompeius nur die republikanischen Gepflogenheiten, als deren Bewahrer er am Ende seines Lebens folgerichtig gegen Caesar auftrat. Nach außen wirkte sein Verhalten im politischen Leben der Hauptstadt auf seltsame Weise unentschlossen und zögerlich, so ganz anders als „draußen“ im Reich. Womöglich und nach allem, was wir über ihn wissen, stand dahinter jedoch eine bewusste Entscheidung. Seine Biographie deutet jedenfalls umfassend darauf hin. Denn der Historiker hat es scheinbar mit einem gespaltenen Pompeius zu tun: Entschlossen und überlegt handelte er außerhalb Roms, dagegen agierte er abwartend, zögerlich, behäbig, sobald die politischen und personalen Konstellationen in der Hauptstadt selbst in sein Blickfeld gerieten. Dieser Eindruck entsteht nicht erst durch die Rückschau auf die fünfziger Jahre, sondern durchzieht seine gesamte politische Existenz. Sein Konsulat im Jahre 70 zusammen mit Crassus, die Versuche, seine Verfügungen (acta) im Osten und die Veteranenversorgung durch die römischen Institutionen durchzusetzen, die kontinuierlichen Rückschläge zwischen 58 und 52 während seiner Präsenz in Rom kontrastierten auffällig mit der durchaus gleichzeitigen „Reichs“- und Sozialpolitik. Letztere wurde sogar in der Hauptstadt selbst entschlossen umgesetzt, etwa bei der Bebauung des Marsfeldes mit Tempel, Theater und Nutzbauten oder bei der Getreideversorgung für die stadtrömische Bevölkerung. Alles das betrieb Pompeius in einer bisher nicht gekannten Systematik, aber nur, wenn er offiziell damit beauftragt worden war. Er erkannte die republikanischen Institutionen als für sein Handeln ausschlaggebende Instanzen an, hebelte sie aber gleichsam durch seine Reichs- und soziale Fürsorgepolitik aus. Dieser Spagat zwischen Stärkung der republikanischen Institutionen in Rom einerseits und einer schon als monarchisch zu bezeichnenden Reichs- und Sozialpolitik andererseits wurde überdehnt. Von diesem gespaltenen Eindruck eines persönlichen Scheiterns bei gleichzeitig dauerhaft in der Nachwelt wirksamen Erfolgen und politischem Nachwirken des Pompeius ist das Urteil über ihn von Zeitgenossen wie Nachwelt im Grunde bis auf den heutigen Tag geprägt. Hervorzuheben ist jedoch, dass das eigentliche Scheitern, nämlich die Niederlage gegen Caesar, gerade nicht sein Ansehen bei den Späteren vermindert hat. Das ist umso erstaunlicher, als sich in ihm doch – zumindest zum Schluss – die Vergangenheit in ihrem Kampf gegen die Zukunft versinnbildlicht. Das Urteil der Zeitgenossen über Pompeius war ambivalent und abhängig von deren politischem Standort. Erhalten sind Stellungnahmen von Cicero, Sallust und Caesar, allesamt nicht unbedingt zu den politischen Anhängern beziehungsweise Freunden des Pompeius zu zählen. Unbestritten waren allerdings dessen Leistungen als Feldherr und Organisator, die ihm schon in den achtziger Jahren den Beinamen „der Große“ (magnus) und Vergleiche mit Alexander dem Großen eingebracht hatten. Für den etwas jüngeren Caesar wurden die Erfolge und die unmittelbar darauf gründende Autorität des Pompeius zum alles bestimmenden Beweggrund der eigenen politischen Handlungen. Und von diesen Leistungen künden auch Ciceros Korrespondenz und insbesondere einige geradezu panegyrische Reden, als welche pro Flacco aus dem Jahre 59 und namentlich diejenige „über den Oberbefehl des Gnaeus Pompeius“ (de imperio Cn. Pom-
VIII.
Urteil der Zeitgenossen
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Die historische Bedeutung von Pompeius und Caesar
VIII.
Kaiserzeit
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pei) aus dem Jahre 66 hervorzuheben sind. Sie sind bei aller Übertreibung doch in der Sache überzeugender und der Realität stärker verhaftet, als es vergleichbare Produkte aus späterer Zeit über amtierende Kaiser sind. In diesen Reden Ciceros wird nicht nur die militärische, sondern auch die politische und humanitäre Seite des Pompeius dargelegt. Zwiespältig waren freilich schon bei den Zeitgenossen diejenigen Bewertungen seiner Persönlichkeit, die sich aus seinem Auftreten als römischer Politiker ergaben. Besonders deutlich formulierte es M. Caelius Rufus in einem Brief an Cicero vom 26. Mai 51: „Er pflegt ja anders zu reden, als er denkt, und besitzt doch nicht so viel Geist, um zu verbergen, worauf er hinaus will“ (Cicero, Ad familiares 8, 1, 3). Daraus spricht Resignation, Unwillen, Ungeduld, sogar Verachtung. Die Führung der Republik übernahm Pompeius nicht, oder jedenfalls erst spät, ließ sich aber auch von keiner Seite vereinnahmen und schien sich nicht festlegen zu wollen. Als „erster Mann im Staate“, als Princeps, wollte er ausgleichend wirken und geriet schließlich zwischen alle Stühle. Die Zweifel führender Republikaner an der Zuverlässigkeit ihres Anführers kamen Caesar gewiss nicht ungelegen. Er selbst strickte an dem Bild eines Mannes mit, der die Seiten nur deshalb gewechselt habe, „weil er von niemandem an Dignität erreicht werden wollte“ (Caesar, De bello civili 1, 4). Pompeius wollte niemanden neben sich dulden – also wandte er sich der republikanischen Seite zu. Ansonsten äußerte sich Caesar in der Rechtfertigungsschrift „Über den Bürgerkrieg“ keineswegs feindlich, abwertend oder boshaft zu Pompeius. Sein Ziel war es ja auch, die zahlreichen Pompeianer und vielleicht sogar Pompeius selbst wieder auf seine Seite zu ziehen und nur die Republikaner in die Ecke von Rechts- und Verfassungsbrechern zu stellen (Caesar, De bello civili 1, 7). Sallust schließlich musste als „reiner“ Caesarianer auf solche Bedenken keine Rücksicht nehmen und konnte deutlicher werden. Wenn die unter seinem Namen überlieferten Briefe an Caesar echt sind und wirklich 51/50 (2. Brief) beziehungsweise 46 (1. Brief) geschrieben wurden, dann bezichtigte Sallust Pompeius der Alleinschuld am Bürgerkrieg: „Weil es aber mit Cn. Pompeius infolge seiner Torheit (animi pravitate) oder deshalb, weil er nichts lieber wollte, als was gegen dich ging, so weit gekommen ist, dass er den Feinden Waffen in die Hand gab, musst du [Caesar] in eben den Punkten, in denen er die Ordnung des Staates zerrüttet hat, sie wiederherstellen“ (Sallust, Epistulae 2, 3). Das ist gewiss eine Verdrehung der historischen Tatsachen, entspricht aber durchaus der Interpretation Caesars selbst. So entpuppen sich die kritischen Äußerungen der Zeitgenossen zu Pompeius als parteiisch, misstrauisch oder berechnend, reflektieren aber nicht eine generell pompeiusfeindliche Grundhaltung der Zeit. Das ist wichtig zu wissen, denn die Folgezeit urteilte trotz Caesars Sieg im Bürgerkrieg weitaus positiver über dessen Rivalen. Der Historiker Livius (59 v. Chr. – 17 n. Chr.), der als Kind noch den Ruhm des „Großen“ wahrgenommen haben muss, zeichnete offenbar ein so positives Bild von Pompeius, dass der Kaiser Augustus ihn – wohl eher scherzhaft als drohend – einen „Pompeianer“ nannte (Tacitus, Annalen 4, 34). Dass Augustus für seine „Wiederherstellung der Republik“ dem Vorgänger einiges abgeschaut hatte, erklärt nur zum Teil dieses, von vielen
Pompeius geteilte positive Bild. Pompeius mochte, ohne die prinzipienverhaftete Attitüde eines Cato, gerade für die kaiserzeitlichen und zumeist auch senatorischen Autoren das Korrektiv für absolutistische Tendenzen unter den Principes spielen, zumal für stoische Kritiker des Prinzipates wie den Dichter Lucan, der in seinem Epos über den Bürgerkrieg Pompeius als eine tragische, der besseren Sache verpflichtete Gestalt präsentiert; freilich fiel ihm nicht die Funktion einer moralischen Instanz zu – diese Rolle blieb Cato vorbehalten. Griechische Autoren registrierten zudem wohlwollend die hellenistischen Einflüsse in seiner Politik. Enthaltsamkeit und einfache Lebensführung gehörten ebenso dazu wie die Tatsache, dass der Grieche Theophanes einen sehr großen Einfluss auf ihn hatte. Plutarch hat eine insgesamt positive, den Leistungen gerecht werdende Biographie verfasst. Er verglich ihn mit dem Spartanerkönig Agesilaos, der zu Beginn des 4. Jahrhunderts eine letzte und vergebliche Anstrengung unternommen hatte, Sparta als Hegemonialmacht in Griechenland zu erhalten. Insbesondere in der Schlusscharakteristik des Pompeius, im direkten Vergleich mit seinem griechischen Gegenstück Agesilaos, fasst er noch einmal seine Stärken, welche in den militärischen Siegen sowie in seiner Milde bestanden, zusammen. Zu dem positiven Pompeius-Bild der Kaiserzeit trug auch die Stabilität der pompeianischen Ordnung im Ostteil des Reiches bei und die ihm dort zuteil gewordene Verehrung. Dass er in der römischen Innenpolitik nicht die beste Figur gemacht habe, wird allerdings ebenso betont wie sein übermäßiger Ehrgeiz und sein stetes Warten auf neue staatliche Aufträge für außerordentliche Imperien. Was Plutarch und Livius über Pompeius gesagt haben, übernahm im Wesentlichen auch die Spätantike einschließlich der christlichen Autoren, das heißt, es wurden insbesondere die militärischen Fähigkeiten und Erfolge in den Mittelpunkt gestellt, so etwa bei dem christlichen Geschichtsschreiber Orosius. Eutrop, der im 4. Jahrhundert als magister memoriae am Hofe des oströmischen Kaisers Valens einen „Abriss der Römischen Geschichte seit Gründung der Stadt“ schrieb, präsentiert Pompeius im 6. Buch als den gemeinsam mit Caesar fähigsten römischen Feldherrn, der anders als sein Rivale aber auf der Seite des Rechts gestanden habe. Sein nichtchristlicher, griechischer Zeitgenosse aus Antiochien, Ammianus Marcellinus, der eine römische Geschichte bis Theodosius I. in der Tradition des Tacitus verfasste, reiht Pompeius unter die herausragenden Persönlichkeiten Roms ein, deren Ruhm man durch Kritik an Belanglosigkeiten zu schmälern suche. Vielleicht wirkte bei dem Antiochener noch die positive Erinnerung an den populären Organisator des Ostens nach. Von dem PompeiusBild der spätantiken und frühchristlichen Autoren drang eine aufgrund der militärischen und organisatorischen Leistungen im Ganzen positive Auffassung in die Werke mittelalterlicher Geschichtsschreiber wie Otto von Freising, der Pompeius im Zusammenhang mit dem Krieg um Jerusalem als „herausragenden römischen Feldherrn“ (clarissimus dux Romanorum) einführt. Es war die Distanz zwischen dem Prinzipat des Augustus und der Monarchie Caesars, die auch ein positives Urteil über den Verlierer im Bürgerkrieg Pompeius ermöglichte. Denn dieser wurde abgesehen von seinen militärischen Erfolgen immer auch als Vertreter der staatlichen Ordnung
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Spätantike
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Die historische Bedeutung von Pompeius und Caesar
VIII.
gegen den Usurpator gedeutet. Die christliche Spätantike und das Mittelalter übernahmen dieses weitgehend positive Bild, zumal Pompeius zum einen keine hemmende Rolle in der christlichen Heilserwartung gespielt und zum anderen Jerusalem erobert und den Tempel betreten, sich dabei aber, zumindest nach christlichem Verständnis, sehr maßvoll verhalten hatte. Neuzeit
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Die neuzeitliche Bewertung setzte sich zum Teil recht deutlich von ihren Vorgängern ab, weil sie weder von gegenwartsbezogenen noch christlichen Geschichtsbildern beeinflusst wurde, sondern ganz eigenen Voraussetzungen unterworfen war. Insbesondere musste noch eindeutiger Pompeius über sein Scheitern definiert werden, wenn man Caesars Sieg als historische Notwendigkeit betrachtete. Das war vor allem im 19. Jahrhundert weit verbreitet der Fall. In dieser Hinsicht ist der gewiss bedeutendste (Alt-) Historiker Theodor Mommsen hervorzuheben, der mit seinen wissenschaftlichen Werken die bis heute gültigen Grundlagen der Erforschung der römischen Geschichte gelegt hat. In seiner „Römischen Geschichte“ war Pompeius gleichsam auf dem Tiefstpunkt seines Nachruhms angelangt. Bei Mommsen spielte er nicht mehr als den düsteren Gegenpol zur Lichtgestalt Caesar, war noch vor Cicero, Cato, Bibulus die negative Hauptfigur, die sich der Bestimmung der römischen Geschichte entgegenzustellen wagte. Mommsen verfolgte Pompeius mit beißendem Spott und bitterer Verachtung, sodass am Ende nur ein lächerlicher Hohlkopf übrig blieb, „dieser langweiligste und steifleinenste aller nachgemachten großen Männer“, den die Zeit, nicht seine eigenen Fähigkeiten nach oben gespült habe. Wenn Mommsen auch Monarchie und Demokratie in Caesar in vollkommener Form vereinigt und vollendet sah, so musste er schließlich doch einräumen, dass Pompeius „eben in gewissem Sinne die Reihe der Monarchen eröffnet“ hatte (III 436). Doch bleiben solche Zwischentöne fast unbemerkt. Das Verdikt über den Gegner Caesars schien vielmehr vollständig und war auch von den Nachfolgern Mommsens nicht leicht abzuschütteln. Am radikalsten distanzierte sich nach Mommsens Tod Eduard Meyer vom großen Mentor der Alten Geschichte, indem er nun seinerseits ein diametral entgegengesetztes Bild des Pompeius entwarf. In seinem Buch mit dem programmatischen Titel „Caesars Monarchie und das Principat des Pompeius“ aus dem Jahre 1918 präsentierte Eduard Meyer Pompeius als heimlichen, aber bewussten Vorbereiter des augusteischen Prinzipates. Ganz konnte sich freilich auch Meyer nicht von Mommsen freimachen, denn es überwog letzten Endes auch in seiner Darstellung die Bewunderung für Caesar. Zudem schwankte er offensichtlich in seinem Urteil und sprach Pompeius, ganz im Gegensatz zur Hauptthese des Buches, gleich zu Beginn wirkliche Größe ab. Das war nicht sehr überzeugend, obwohl das Buch neue Perspektiven für weitere Forschungen aufdeckte. Der vielleicht kompetenteste Biograph des Pompeius, Matthias Gelzer, zog sich demgegenüber aber wieder in die Nähe Mommsens zurück, setzte Caesar als idealen Staatsmann, hinter dem Pompeius bestenfalls als Militär und Organisator eine respektable Bedeutung erlangt habe, doch sei ihm „die Gabe der schöpferischen Staatskunst“ versagt geblieben. Gänzlich negativ und unter dem Blickwinkel des Scheiterns urteilte auch der englische Althistori-
Caesar ker Ronald Syme in seinem klassischen Werk über „The Roman Revolution“ von 1939: „Pompeius war finster und ehrgeizig. Dieser Prinzeps heilte nicht die Krankheiten des römischen Staates, sondern verschlimmerte sie“, so lautete Symes vernichtendes Verdikt über den Widersacher Caesars. Insgesamt ist das Urteil über Pompeius also immer schlechter ausgefallen, weil eine deterministische Vorstellung vom Gang der Geschichte vorherrschend wurde und darin natürlich ein gescheiterter und rückwärts gewandter Politiker keinen Beitrag für die Zukunft aufweisen konnte. Inzwischen geht es ihm etwas besser. Die neueste Forschung bemüht sich darum, Person und Leistungen des Pompeius ohne den Vorurteile geradezu provozierenden Blick auf sein militärisches Scheitern und auf den Fortgang der Geschichte im Prinzipat des Augustus abgewogener gerecht zu werden. Gewiss hat der oben zitierte Satz Jochen Bleickens von der in Pompeius personifizierten Widersprüchlichkeit der Republik nach wie vor seine Richtigkeit, doch tun wir gut daran, das persönliche Handeln am Zeithorizont zu messen. Diese Möglichkeit ist gewiss in der heutigen Zeit eher gegeben als noch vor 100 Jahren, da Caesar jeder Kritik enthoben und als die Vollendung der römischen Geschichte schien. In dem Maße wie sich die Forschung von Caesar distanzierte, rehabilitierte sie Pompeius. Pompeius war der Erste, der auf die der republikanischen Ordnung immanente Widersprüchlichkeit tatkräftig reagiert hatte. Darin und überhaupt in der Erkenntnis des Problems war er seinem Ziehvater Sulla ebenso wie allen seinen Zeitgenossen, einschließlich Caesar, weit voraus.
VIII.
Neueste Forschungen
2. Caesar Über Caesar wurde ungleich mehr geschrieben als über seinen gescheiterten Widersacher, und allein gemessen an der Druckerschwärze, die zu seiner Glorifizierung oder Verdammung aufgebraucht wurde, ist er (abgesehen von Jesus) neben Alexander dem Großen gewiss die bedeutendste Persönlichkeit der gesamten Antike gewesen, ein Ruhmestitel, den er sich spätestens seit dem 19. Jahrhundert anheften darf. Auch heute noch, da die Reihe „Geschichte kompakt – Antike“ versucht, ein Mindestmaß an Grundkenntnissen über die Alte Geschichte an Schüler und Studenten weiterzugeben, vergeht kein Jahr ohne eine Vielzahl von Buch- und Aufsatzpublikationen, auch für ein breiteres, historisch interessiertes Publikum, zu Caesar. Also scheint zu einer Zeit, da allgemein die Luft dünner geworden ist für „Männer, die Geschichte machten“, das Interesse für Caesar im Vergleich zu anderen Themen und Persönlichkeiten der Antike ungebrochen zu sein. Selbst wenn seit mehr als einem halben Jahrhundert darüber diskutiert wird, ob Caesar ein Staatsmann war oder nicht, und sich die Mehrheit der Forschermeinungen allmählich letzterem zuneigt, so geht doch noch immer eine eigenartige Faszination von diesem Mann aus, der die Römische Republik faktisch zerstört hat und der selbst gerade dafür umgebracht wurde. Rätsel gibt Caesar allemal auch heute noch auf. Caesars Aufstieg vollzog sich so langsam, so gewöhnlich, überhaupt nicht spektakulär und verlief also diametral entgegengesetzt demjenigen
Zusammenfassende Bewertung
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Urteil der Zeitgenossen
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seines späteren Gegenspielers Pompeius. Er war Popular, gehörte somit zur Minderheit der nobiles, aber selbst diese Minderheitenvertretung war seit Sulla kein Hinderungsgrund mehr für eine politische Karriere. Im Gegenteil, in gewisser Weise war mit Sulla auch die optimatische Sache diskreditiert. Auf jeden Fall hatte sie es schwer, sie wurde von ihrer sullanischen Hypothek gleichsam zu Boden gedrückt. Ob Lepidus, Crassus, Pompeius, ja sogar Cicero, sie alle schwammen zeitweilig mit auf der popularen Welle. Wichtiger und bezeichnender für seinen Charakter war schon, dass Caesar anders als die Mehrheit der Politiker konsequent in dieser Rolle als Popular verblieb und insbesondere die konservativen Senatoren eher verprellte, als von seiner Position abzuweichen. Eine Zäsur für Caesars politische Karriere stellte sein Konsulat von 59 dar. Im Zusammenspiel mit Pompeius und Crassus, aber doch in Wirklichkeit als der Motor dieses Triumvirates entwickelte er neue politische Strategien, die die Republik aus den Angeln hoben. Als die militärischen Erfolge in Gallien alles bisher Dagewesene übertrafen, hatte er sich eine Stellung erarbeitet, aus der es für ihn kein Zurück mehr geben konnte. Caesar hatte auch ein anderes politisches Konzept als Pompeius, spätestens seit dem Gallischen Krieg. Trotzdem bewegte er sich natürlich in der Vorstellungswelt seiner Zeit, das heißt, eine von der republikanischen Ordnung losgelöste Alleinherrschaft lag nicht in der ursprünglichen Absicht Caesars. Also: Alleinherrschaft oder eine „Dreierherrschaft“ war für Caesar seit 59 denkbar, doch nur in ihrer Verkleidung mit republikanischen Begriffen. Aber er wollte seit diesem Konsulat auch in der Hauptstadt Rom selbst – und hier unterschied er sich deutlich von Pompeius – eine herausragende Stellung notfalls mit Gewalt durchsetzen. Auf diese Stellung richtete sich nach allem, was wir wissen, sogar sein Hauptaugenmerk, denn von einer gleichsam von der Republik abgetrennten „Reichspolitik“ nach dem Vorbild des Pompeius kann bei Caesar keine Rede sein. Weder in Spanien als Propraetor noch in Gallien hatte er in einem so umfassenden Sinne wie sein Gegenspieler gewirkt – ansatzweise vielleicht während der Bürgerkriegszeit nach Pharsalos. Er verfuhr in seinen Entscheidungen generell höchst pragmatisch und war dabei weder Theoretiker noch Dogmatiker, weder Traditionalist noch Revolutionär. Seine Handlungen entsprangen schlicht den sachlichen Notwendigkeiten vor Ort. So mag denn für uns Heutige gerade die eigenartige, doch unverkennbare Unbestimmtheit von Caesars politischen Plänen in Verbindung mit dem grandiosen Erfolg, mit einer (vermuteten) Nachwirkung, der sympathischen Maßhaltung im Umgang mit den Gegnern und schließlich dem erschütternden Ende als Mordopfer zu der Faszination, die nach wie vor von seiner Persönlichkeit ausgeht, beigetragen haben. In den zeitgenössischen Urteilen über ihn trifft man bereits wesentliche Züge des immer wieder rezitierten Bildes von Caesar an, der seine Handlungen rational plante und kühl berechnend ausführte; doch begegneten die Zeitgenossen ihm ganz ohne Glorifizierung, eher mit einer gewissen Dämonisierung. Caesar selbst schon zeichnete, seinem Publikum eine Rechtfertigung schuldend, ein überaus vernunftbestimmtes Bild seiner selbst, alle seine Handlungen waren erklärbar, und sie werden erklärt als im Einklang mit den traditionellen Gepflogenheiten der römischen Ordnung stehend – die Gegner waren es vielmehr, die sich von dieser ab-
Caesar gekehrt hatten. Sallust und Cicero erstellen demgegenüber ein aus ihrer jeweiligen Position zu Caesar gespeistes Porträt, dem jedoch neben Rationalität auch eine gehörige Portion Unerklärliches, Dämonisches anhaftet und das jedenfalls die Ungewissheit der zeitgenössischen Umwelt über Caesars politisches Konzept ausdrückt. An dieser Stelle kann auf weitere Ausführungen zum Urteil der Zeitgenossen über Caesar verzichtet werden, da darauf bereits im Verlaufe der Darstellung gründlich eingegangen wurde. Die Bewertung Caesars in der Prinzipatszeit mischt Bewunderung für die geistigen und militärischen Leistungen sowie für die viel gerühmte Milde (clementia) mit auch unüberhörbaren kritischen Tönen über Rechtsbrüche und den unverhohlenen Herrschaftsanspruch. Sie war also differenziert; Caesar gehörte trotz des Versuches des kaiserzeitlichen Schriftstellers Gaius Suetonius Tranquillus, ihn in seiner Biographiensammlung zum ersten „Kaiser“ Roms zu machen, eben nicht zu den principes. Bei der Bürgerkriegsdarstellung des Dichters Lucan, des stoischen Teilnehmers an einer Verschwörung gegen Nero, sagt sich Caesar wie ein böser Dämon von Frieden, vom geschändeten Recht und von Verträgen los, als er den Rubicon überschreitet (1, 225 ff.), und auch die differenzierende Biographie Plutarchs weiß Tugenden und Untugenden ihres Helden nebeneinander zu stellen. Ähnlich entwirft der schon erwähnte Sueton einen Caesar, dessen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften geradezu hymnisch gefeiert werden; doch dann fährt er fort: „seine Handlungen und Reden belasten ihn schwer genug, um das Urteil zu rechtfertigen, er habe seine Herrschergewalt missbraucht und den gewaltsamen Tod mit Recht erlitten“ (76). Die Tat der Caesarmörder Brutus und Cassius wurde damit in die Sphäre eines legitimierten Tyrannenmordes gerückt, was eine spätere Zeit, als Anschläge auf amtierende Kaiser sich häuften, ablehnte. Cassius Dio etwa, der in der Zeit der Severer seine römische Geschichte schrieb, kritisierte durchaus Caesars Anspruch, „überall der Erste sein zu wollen“ (41, 54), doch noch schärfer geißelte er den „Meuchelmord“ der Caesarmörder, weil er „den Staat, in welchen bereits wieder Ordnung kam, neuen Zerrüttungen preisgab“ (44, 1). Diese beiden Stränge des Caesar-Bildes – militärische Erfolge und maßvolle Nutzung dieser Erfolge auf der einen Seite, maßloser Ehrgeiz und Herrschaftsstreben auf der anderen Seite – wurden auch maßgeblich für das spätantike Caesar-Bild, und zwar sowohl aus politischer wie aus christlicher Perspektive. Die idealen Herrschergestalten hießen jetzt Trajan oder Mark Aurel, nicht Caesar, wie wir es bei Ammianus Marcellinus nachlesen können. Für die christliche Sicht der Dinge waren natürlich in erster Linie die Milde und Begnadigungspolitik Caesars lobenswert, doch er war, wie übrigens auch Pompeius, insgesamt für das Heilsgeschehen nicht besonders wichtig – wenn überhaupt, dann ist es Caesars Hochmut, der hinleitet zu der für das Wirken Jesu notwendigen Voraussetzung der augusteischen Neuordnung (Orosius 6, 17, 9 f.). Für die meisten Christen des 4. und 5. Jahrhunderts, wie Lactantius und Augustin, war jedenfalls Caesar gleichsam der Kulminationspunkt sinnloser römischer Eroberungspolitik und zudem ein Usurpator. Das Mittelalter übernahm das ambivalente Bild von Caesar, das von
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Prinzipat
Spätantike
Mittelalter
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Neuzeit
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christlichen Schriftstellern wie Orosius auf der Basis insbesondere Suetons formuliert worden war. Otto von Freising (1111/15–1158), der Historiograph Friedrich Barbarossas, beschließt mit Caesar das zweite Buch seiner Chronik, und Caesars Ermordung bietet ihm die Gelegenheit, Reflexionen über den Jammer des ständig wechselnden Schicksals anzustellen. Wie Orosius kam er zu einem durchaus negativen Urteil. In mittelalterlicher Deutung treten Caesar und Augustus in einen deutlichen Kontrast, jener als Kriegsheld, dieser als Friedensfürst. Der Stauferkaiser Friedrich II. zum Beispiel berief sich auf beide, Caesar und Augustus, als Namensgeber, und er verband damit die Wesensmerkmale seiner Stellung: Der Kaiser ist wie die römischen Kaiser mit beiden Namensbestandteilen als Caesar Augustus Fridericus siegreicher Feldherr und Friedensfürst zugleich. Auch die Renaissance, jene Wiederentdeckung insbesondere der römischen Antike, diskutierte über Caesar. Einerseits galt er als Tyrann und Rechtsbrecher, andererseits als Held, ja man stritt sich in Italien seit Petrarca um den Ehrenvorrang der berühmtesten römischen Heldengestalten, und als solche sah man Scipio Africanus (der Bezwinger Hannibals im 2. Punischen Krieg 218–201 v. Chr.) und Caesar an. Die Neuzeit gelangte im Gefolge ihrer Abkehr vom Christentum, ihrer Hinwendung zu Rationalität und Geschichtsphilosophie zu einem ganz neuen, immer positiver werdenden Caesarbild. In der Literatur wird diese Entwicklung als Erstes sichtbar. Shakespeares Caesar (im Julius Cesar von 1598/9) war noch ganz an den Quellen, insbesondere Plutarch ausgerichtet. Wiewohl der Titelheld nur in den ersten drei Akten persönlich mitwirkt, so ist sein Geist auch nach der Ermordung omnipräsent, das heißt, die Verschwörer haben trotz aller ehrbaren Rechtsgründe nichts Zählbares erreicht. Caesar ist tot, aber sein Wirken hat ihn unsterblich gemacht. Goethe steigerte, ausgehend von Shakespeare, die Größe Caesars ins Unermessliche. Ein ihm gewidmetes Drama, wie er es geplant hatte, kam nicht zustande, aber in den Nachträgen zur Farbenlehre heißt es: „Die Römer waren … zur großen Breite der Weltherrschaft gelangt, ohne ihre Beschränktheit abzulegen. […] Sie waren Könige geworden und wollten nach wie vor Hausväter, Gatten, Freunde bleiben; und wie wenig selbst die Besseren begriffen, was Regieren heißt, sieht man an der abgeschmacktesten Tat, die jemals begangen worden, an der Ermordung Caesars.“ Goethes Bewunderung eines offensichtlichen Übermenschen war zu seiner Zeit durchaus nicht der einzig mögliche Blick auf Caesar; vielmehr wurde der „Kampf um Caesar“ weitergeführt. Montesquieu etwa äußerte im Anschluss an Sueton Verständnis für die Caesarmörder und relativierte sogar die vielgerühmte Milde des Diktators (Kapitel 11 der Considérations: „In der Tat, war das Verbrechen Caesars, der in einem freien Staat lebte, nicht derart, dass es nur durch Mord gestraft werden konnte?“). Für JeanJacques Rousseau (1712–1788) zählten ohnehin Brutus und Cato viel mehr, sodass ein regelrechter Caesar-Haß bei ihm deutlich wird. Und auch in Deutschland wandte sich Johann Gottfried Herder (1744–1803) gegen jede Idealisierung eines Eroberers, der den Besiegten Leid und Zerstörung gebracht habe. Dennoch kreierte die Aufklärung mit ihrer Betonung des Rationalen, des Verstandes, den Caesar ja nach den antiken Autoren in so
Caesar reichem Maße besessen hatte (Plinius der Ältere, Naturalis Historia 7, 91– 94: „Mit Geistesstärke am hervorragendsten begabt ist meines Erachtens der Diktator Caesar zur Welt gekommen“), sowie die napoleonische Ära ein neues Caesarbild, das im 19. Jahrhundert geradezu zu einer Verherrlichung und hymnischen Verklärung des Diktators führte und Vorbildfunktion in der damals gerade aktuellen Verfassungsdebatte erhielt. Napoleon I. verglich sich selbst mit Caesar in erster Linie in militärischer Hinsicht; er schrieb 1819 auf St. Helena ein Précis des guerres de César (Napoleon III. ließ dann eine viel kritisierte und -rezipierte Caesarbiographie folgen). Seit dieser Zeit entwickelte sich Caesar, um es mit dem einflussreichen Urteil Gottfried Wilhelm Friedrich Hegels (1770–1831) in seinen „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“ von 1837 auszudrücken, zu einer Art Inkarnation oder Geschäftsführer des „Weltgeistes“, nach dessen Plan die Römische Republik durch eine Monarchie ersetzt werden musste. Pompeius und vor allem die Caesarmörder hätten in ihrer Beschränktheit nicht begriffen, wohin der vorgezeichnete Weg führe. Hegel folgten die Koryphäen der jungen historischen Wissenschaft, mögen sie nun Niebuhr, Ranke oder Jacob Burckhardt heißen. Noch weit einflussreicher als dieser mit seiner Verklärung Caesars, aber auch Anlass für konträre Positionen, wurde Theodor Mommsen (1817– 1903) in seiner „Römischen Geschichte“, deren erste drei Bände zur Römischen Republik auf Caesar als Ziel der Geschichte zusteuern. Sein Urteil ist beileibe nicht allein das Ergebnis wissenschaftlicher Studien, sondern, wie mehrfach zu Recht betont wurde, Ausfluss seiner eigenen politischen und persönlichen Lebensumstände und Auffassungen. Caesar bewies in der Sicht Mommsens insbesondere die Vereinbarkeit von Demokratie und Monarchie. Nach Hegels Vorarbeit war für Mommsen Caesar der Vollender der römischen Geschichte, die Inkarnation des Weltgeistes, eine wohl nie wieder zu erreichende Persönlichkeit ohne Grenzen für Begabung und Tatkraft. Er habe das Ziel der Geschichtsentwicklung erkannt, und das liege für jedes Volk in der nationalen Einigung. Für Rom habe das bedeutet: in der Universalmonarchie. Für Mommsen verlief also wie für Hegel Geschichte gesetzmäßig auf ein bestimmtes Telos hin. Caesar habe dieses Ziel des geschichtlichen Prozesses verinnerlicht und folglich von Beginn an auf die Monarchie hingearbeitet. Das Mommsen-Portrait Caesars hat angesichts der Reputation und Autorität seines Autors breit und dauerhaft nachgewirkt, Zustimmung, aber auch Ablehnung provoziert. Es hatte indes seine Verankerung in dem zeitpolitischen Rahmen der 48er-Revolution und des seit etwa 1850 aufkommenden „Caesarismus“ eines Napoleon III. (Rebenich); sein Urteil klingt fast so, als wäre es von der Abteilung „Sturm und Drang“. Die apodiktische Stellungnahme, das nicht wirklich lebensechte Portrait und die aktualisierende Einordnung Caesars forderte deshalb schon in Rezensionen, Briefen und Gegenentwürfen Kritik heraus. Doch durchsetzen konnte sich ein wirklich fundamental anderes Caesarbild erst in einem neuen, von zwei Weltkriegen und gegensätzlichen totalitären Systemen dominierten neuen Jahrhundert. Eine erste Zäsur in der Entwicklung des Caesar-Bildes im 20. Jahrhundert ließ allerdings nicht lange auf sich warten. Bezeichnenderweise im Kriegs-
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Mommsen
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jahr 1918, fünfzehn Jahre nach Mommsens Tod, kam eine Abhandlung mit einer grundsätzlichen Neuinterpretation der beiden Protagonisten unseres Buches auf den Wissenschaftsmarkt. Der dezidierte Universalhistoriker Eduard Meyer, wohl wissend um die Unmöglichkeit, die Gegenwart des Historikers aus der Geschichtsdarstellung herauszuhalten, wandte sich in seinem Buch über Caesar und Pompeius dennoch explizit gegen Mommsens Wertungen, die er viel zu stark von Zeitfragen überfrachtet fand. Doch wirklich entzogen hat sich Meyer der Portraitkunst Mommsens nicht: Denn auch er stellte Caesar über Pompeius, sah in ihm den Staatsmann, dem Pompeius nicht einmal auf militärischem Feld gleichgekommen sei. So war es der Zeit nach dem großen Kontinuitätsbruch 1945 vorbehalten, in der Ernüchterung über planmäßig ablaufende Geschichte große Männer und vor allem große Diktatoren auch in dem römischen Diktator par exellence, Caesar, neu zu werten. Die Wandlung verdichtete sich in einer der spannendsten und niveauvollsten Lehrer-Schüler-Kontroversen innerhalb der deutschen Althistorie. Hermann Strasburger hatte 1953, acht Jahre nach dem Zusammenbruch der Hitler-Diktatur, einen Aufsatz in der Historischen Zeitschrift unter dem Titel „Caesar im Urteil seiner Zeitgenossen“ veröffentlicht, in dem er die Bewunderung der Moderne für Caesar mit dem ungünstigen Urteil der Zeitgenossen kontrastierte und insbesondere mit Mommsen scharf ins Gericht ging. Caesar habe weder von Anfang an ein feststehendes politisches Programm gehabt, noch sei die grausame Eroberung Galliens lobenswert, noch seine Monarchie die einzige denkbare Lösung der Krise gewesen. Als Feldherr und Schriftsteller sei Caesar genial gewesen, als Staatsmann nicht. Wie Strasburger selbst eingestand, war dieses Urteil Reflex eigenen Erlebens: „Wer einmal bei den Spänen war, als Männer, die Geschichte machten, hobelten, lernt den Konflikt zwischen Vitalität und Objektivität bei sich selber kennen, vermag aber umso eher auf eben solche Erlebnisse im geschichtlichen Felde aufmerksam zu machen“, so formulierte Strasburger in der zweiten Auflage seines „Caesar im Urteil seiner Zeitgenossen“ im Jahre 1968. Zudem mag die intensive Arbeit am Werk Ciceros Strasburgers Blick auf die Defekte Caesars geschärft haben, die er zudem in interdisziplinärer Arbeit mit dem Frankfurter Professor für Psychiatrie und Neurologie, Karl Kleist, über Caesars Krankheitssymptome (Epilepsie), wenn auch erfolglos, zu erklären beabsichtigte. Gegen dieses vernichtende Urteil über einen der Heroen der Alten Geschichte trat umgehend der akademische Lehrer Strasburgers, Matthias Gelzer, auf, der bereits 1921 eine Caesar-Biographie in enger Anlehnung und kritisch-methodischer Auswertung der Quellen verfasst hatte. Diese Biographie, die bis 1983 immer wieder neuaufgelegt und nachgedruckt wurde, muss auch heute noch wegen ihrer strengen, ja trockenen Wissenschaftlichkeit als Ausgangspunkt jeder Beschäftigung mit Caesar gelten. 1954 erschien, ebenfalls in der Historischen Zeitschrift, der Beitrag Gelzers unter dem Titel „War Caesar ein Staatsmann?“ als Antwort auf Strasburger. Für Gelzer war seine selbstgestellte Frage mit einem klaren „Ja“ zu beantworten, auch wenn er sich in höchstem Respekt über die Ausführungen seines Schülers äußerte. Die sachliche Kritik in diesem Beitrag wie dann insbesondere die 6. Auflage des „Caesar“ von 1960 machten durchaus Eindruck auf Strasburger, doch hielt er am Kern seiner These fest. Diese Kontroverse war ins-
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Caesar
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gesamt für die fachliche Diskussion außerordentlich fruchtbar, weil sie von zwei methodisch überaus stringent arbeitenden Fachwissenschaftlern geführt wurde, die ihre jeweilige Position argumentativ und dokumentarisch gut absicherten. Auch heute noch greift die Fachwissenschaft auf beider Analysen zurück. Am Ende war man also wieder zu jener ursprünglichen Ambivalenz im Urteil über Caesar zurückgekehrt. Die Diskussion wurde auch weiterhin manchmal scharf und leidenschaftlich, manchmal sachlich und wissenschaftlich-argumentativ geführt, aber immer wurde und wird um die Bewertung einer Persönlichkeit gerungen, deren intellektuelle und militärische Fähigkeiten außer Frage stehen, deren politisches Wirken aber wohl auch für immer rätselhaft bleiben muss. Die heutige Caesar-Forschung ist von einer scheinbar sehr viel größeren Distanz zum Gegenstand geprägt. Caesar dient nach 1945 nicht mehr als Vorbild für die eigene Zeit. Dazu hat sich auch das Fach Geschichtswissenschaft zu sehr verändert, was Fragestellungen oder Methoden angeht. Naturgemäß sind Wandlungen dieser Art eher auf dem Gebiet der Neueren Geschichte spürbar; die Alte Geschichte ist wegen ihres beschränkten und sich nur noch unwesentlich vergrößernden Quellenbestandes beharrender. Dennoch haben sich Blickfeld und Methoden auch hier erweitert. Hervorzuheben ist etwa die akribische numismatische Sammel- und Interpretationsleistung eines der bedeutendsten Althistoriker des 20. Jahrhunderts, Andreas Alföldi. Aufgrund der Münzprägungen rekonstruierte Alföldi ein regelrechtes staatspolitisches Konzept Caesars, das auf die altrömische Königsherrschaft in der Tradition des Romulus hinzielte. Damit wurde – erstmalig in dieser Eindringlichkeit – die Numismatik zur Klärung der lange diskutierten Frage, worauf denn Caesars Wollen überhaupt gerichtet war, nutzbar gemacht. Auch sozial- und wirtschafts-, religions-, mentalitäts-, strukturgeschichtliche und anthropologische Methoden wurden und werden genutzt, um sich der Krise der Römischen Republik und der Position Caesars in dieser Krise von immer neuen Seiten anzunehmen. Jedenfalls ist insbesondere die Caesar-Forschung – anders als die Pompeius-Forschung – nie wirklich zum Stillstand gekommen. Die Faszination dieses Diktators scheint ungebrochen und selbst unter gewandelten zeitgeschichtlichen Perspektiven noch lebendig. Der Münchner Althistoriker Christian Meier leitete 1982 mit seiner umfangreichen und mit hoher Darstellungskunst verfassten, weithin und selbst in politischen Kreisen rezipierten Caesar-Biographie eine neue Runde der Diskussion ein. Sein wesentliches Verdienst ist es, das Wirken Caesars von seiner Zeit her verstehbar gemacht zu haben, ihn gewissermaßen von seinem Podest einer von Zeit und Raum losgelösten übermenschlichen Persönlichkeit heruntergeholt zu haben. Caesar hatte nach Meier Macht in den Verhältnissen seiner Zeit, aber nicht über sie; in letzter Konsequenz war er aber doch ohnmächtig. Die Republik stand trotz aller Krisensymptome gegen ihn wie eine Mauer, es gab zu ihr nach dem Kriterium des Möglichen offenbar keine Alternative. Daher war Caesar, glaubt man Meier, auf dem falschen Weg. Das Buch inspirierte zu neuen Forschungen zu Caesar. Die bis jetzt letzte Caesar-Biographie stammt von dem Italiener Lucio Canfora, dessen 1999 auf Italienisch, 2001 auf Deutsch erschienenes Werk
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den programmatischen, an Mommsen bewusst anknüpfenden Titel trägt: „Caesar. Der demokratische Diktator“. Als klassischer Philologe bevorzugt Canfora die kleinteilige Interpretation zentraler Quellen, um auf diesem Wege zu einem Gesamtbild über Ziele und Methoden Caesars zu gelangen. Inzwischen hat die Erforschung der Römischen Republik generell eine neue Wendung erfahren. Seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts mehren sich nämlich die Stimmen, die in diametralem Gegensatz zur bisherigen Auffassung die Römische Republik keineswegs krisengeschüttelt auf ihr zwangsläufig bevorstehendes Ende durch Caesar zueilen sehen. Schon gar nicht sehen diese Forscher prädestinierte geschichtliche Prozesse voranschreiten, an deren Ende notwendig die Monarchie in Form des Prinzipates des Augustus stehen musste. Vielmehr sei es der Gewaltherrscher Caesar gewesen, der ein an sich funktionsfähiges Staatswesen ruiniert habe. Diese Auffassung ist nicht neu, denn bereits Cicero intepretierte Caesars Politik in seinem großen Werk „Über den Staat“ ähnlich. Doch für die Moderne ist sie durchaus originell, hat sich aber in den Arbeiten Strasburgers und Meiers vorbereitet. Freilich bleibt abzuwarten, ob und wie sich diese These durchsetzen wird – Kritik an ihr wurde schon geäußert. In der Tat muss, wenn man Caesar als reinen Zerstörer eines an sich durchaus noch lebens- und funktionsfähigen Staatswesens deutet, auch das Problem der republikanischen Unfähigkeit, ein Weltreich zu verwalten, neu diskutiert werden. Von hier aus nahmen ja wesentliche Konflikte seit 133 ihren Ausgang. Andererseits ziehen wir Heutigen als Bürger eines demokratischen Rechtstaates der Idee nach den Verfassungsstaat der Republik der absoluten Monarchie eines Caesar vor; auch heutige Geschichtsforscher urteilen nach den Vorgaben ihrer eigenen Umwelt. Allerdings wird wohl, unter dieser Prämisse des Verfassungsstaates betrachtet, die Fähigkeit des römisch-republikanischen Staates, Probleme zu lösen, zu gering beachtet. Es bleibt nach diesem Überblick festzustellen, dass Caesar nach wie vor aktuell ist. Für Pompeius gilt das in minderem Maße, was wohl wirklich seinem Scheitern gegenüber Caesar geschuldet ist. Vielleicht sollten wir Maß walten lassen und zum Abschluss konstatieren, dass mit Caesar weder die römische Geschichte vollendet wurde, noch überhaupt eine Zäsur vorlag. Er war ein Alleinherrscher, dessen Ermordung den Bürgerkrieg fortsetzte und den römischen Staat in eine erneute Aporie stieß. So beurteilten ihn die Zeitgenossen, die kaiserzeitlichen, christlichen und auch die mittelalterlichen Stellungnahmen. Erst die Neuzeit bewunderte das hemmungslose, das als rational und positiv gedeutete, gänzlich bindungslose, sich weder um Götter noch um Traditionen scherende Handeln eines Mannes, dem es letzten Endes doch nur um „die Ehre des Kriegers“ (Dahlheim) zu tun war. Es ist nur natürlich, dass demgegenüber sein Gegenspieler verblasste und in einer als rückständig, geistlos und kleinkariert verschrienen Beschränktheit eine lächerliche Figur abgab – nämlich eine, die aus Rücksicht um die Erhaltung der Rechtsordnung, der Tradition und des republikanischen Prinzips sein Heer entließ, als er auf Rom hätte marschieren können. Doch die Antike bewertete den Konflikt zwischen diesen beiden Polen und die ihn symbolisierenden Persönlichkeiten anders, und wir tun gut daran, uns darauf wieder stärker zu besinnen.
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Auswahlbibliographie hrsg. v. Chr. Selzer/U. Walter, revidierte Neuausgabe, Stuttgart 2003). Glänzend geschriebene, prosopographisch angelegte und noch immer unverzichtbare Analyse der Jahre 60 v.Chr. bis 14 n.Chr. A. Winterling, „Krise ohne Alternative“ im alten Rom, in: Christian Meier zur Diskussion. Autorenkolloquium am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld, hrsg. v. M. Bernett/W. Nippel/A. Winterling, Stuttgart 2008, S. 219 – 239. Pompeius E. Baltrusch, Auf dem Weg zum Prinzipat: Die Entwicklung der republikanischen Herrschaftspolitik von Sulla bis Pompeius (88 – 62 v. Chr.), in: Res publica reperta. ZurVerfassung und Gesellschaft der römischen Republik und des frühen Prinzipat. FS J. Bleicken zum 75. Geburttstag, hrsg. v. J. Spielvogel, Stuttgart 2002, S. 245 – 262. Chr. Battenberg, Pompeius und Caesar. Persönlichkeit und Programm in der Münzpropaganda, Diss. Marburg 1980. Nützliche Übersicht über die Münzprägungen beider Protagonisten; leider ohne Abbildungen. W. Dahlheim, Gnaeus Pompeius Magnus – “immer der erste zu sein und die anderen überragend”, in: K.-J. Hölkeskamp/E. Stein-Hölkeskamp (Hrsg.), Von Romulus zu Augustus. Große Gestalten der römischen Republik, München 2000, S. 230 – 249. M. Gelzer, Pompeius: Lebensbild eines Römers. Mit einem Forschungsüberblick und einer Ergänzungsbibliographie von Elisabeth Herrmann-Otto, Stuttgart 2005. Nüchterne und mit herausragender Quellenkenntnis verfasste, immer noch unentbehrliche Biographie. K. M. Girardet, Imperia und provinciae des Pompeius von 83/82 bis 48 v. Chr., in: Chiron 31 (2001), S. 153 – 209. P. Greenhalgh, Pompey. Vol. 1: The Roman Alexander, London 1980; Vol 2: The Republican Prince, London 1981. Allgemeinverständliche Biographie, deren Zweiteilung chronologisch angelegt ist: 106 – 59 (Bd.1) und 59 – 48 (Bd. 2). J. Losehand, Die letzten Tage des Pompeius. Von Pharsalos bis Pelusion, Wien 2008. Ed. Meyer, Caesars Monarchie und das Prinzipat des Pompeius, Stuttgart/Berlin 31922. Sachkundige und bedeutsame Studie in kritischer Auseinandersetzung mit dem Bild Mommsens von Pompeius und Caesar. Fr. Miltner, Cn. Pompeius, RE 21, 2, Sp. 2062 – 2211. J. v. Oooteghem, Pompée le Grand, bâtisseur d’Empire, Bruxelles 1954. Imposanter und umfassender Versuch, Pompeius als Begründer des Kaisertums gerecht zu werden, ohne freilich die Überlegenheit Caesars in Frage zu stellen.
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Personen- und Sachregister vidale der Friuli, 16 – 18 settembre 1999 (= Centro Ricerche e Documentazione sull’antichità classica monografi 20), Roma 2000. Ergebnisse einer international besetzten Tagung zum späten Caesar und seinen innen- und reichspolitischen Aktivitäten. Ders. (Hrsg.), Cesare: Precursore o visionario? Atti del convegno internazionale Cividale del Friuli, 17 – 19 settembre 2009, Pisa 2010. G. Walser, Bellum Helveticum. Studien zum Beginn der caesarischen Eroberung von Gallien (= Historia Einzelschriften 118), Stuttgart 1998. S. Weinstock, Divus Iulius, Oxford 1971. Untersuchung zu Caesars Politik auf dem weiten Feld der römischen Religion, z.B. der Einrichtung neuer und der Bewahrung tradierter Kulte, den Ehrungen und schließlich der Monarchie selbst.
K. W. Welwei, Caesars Diktatur, der Prinzipat des Augustus und die Fiktion der historischen Notwendigkeit, in: Gymnasium 103 (1996), S. 447 – 497. W. Will, Julius Caesar. Eine Bilanz, Stuttgart/Berlin/Köln 1992. Lesenswerte Biographie auf der wissenschaftlichen Basis von Gelzer, aber mit starker Betonung ökonomischer Aspekte. Ders., Veni, vidi, vici. Caesar und die Kunst der Selbstdarstellung (= Geschichte erzählt 11), Darmstadt 2008. Ders., Caesar, Darmstadt 2009. G. Zecchini, Cesare e il mos maiorum, Stuttgart 2001. Untersuchung zu Caesars Verhältnis zum traditionellen römischen Wertesystem.
Personen- und Sachregister Aufgeführt sind historische Persönlichkeiten der Römischen Republik sowie ausgewählte Sacherklärungen; die fett gedruckten Ziffern beziehen sich auf Erläuterungsabschnitte. Die Protagonisten des Buches sind nicht aufgenommen. Acco 70 Achillas 109, 111 Aedilität/Aedil 3, 38, 44 f. Aemilia 20 Aemilius Lepidus Paullus, Lucius (Konsul 59) 90 Aemilius Lepidus, Marcus (Konsul 78) 17, 20 f., 24 Aemilius Lepidus, Marcus (späterer Triumvir) 99, 101, 111, 116, 126, 127, 157, 167, 168, 170, 172, 184 Aemilius Scaurus, Marcus 34 Aeneas 42, 121, 135 Aerartribunen 26, 124 Afranius, Lucius 49, 82, 92, 99 Ägypten s. Ptolemäer Alexander der Große 1, 27, 33, 34, 50, 78, 108, 110, 151, 154, 179, 183 Alexander Jannaeus 35 Alexandra Salome 35 Ambiorix 69, 70 ambitus/Amtserschleichung 26, 39 f., 83, 86 amicitia/Freundschaft 52, 139, 171–176 Annius Milo, Titus 74, 85, 87, 107, 108 Antipater 110, 150, 152 Antistia 20 Antistius Vetus, Gaius 44, 152 Antistius, Publius 19 Antistius, Titus 114 Antonius, Gaius 41, 99
Antonius, Marcus 30, 78, 93, 98, 99, 104, 106, 110, 111, 115, 125, 128, 132, 135, 136, 137, 151, 157, 159, 165, 166, 167, 169, 170, 171, 172, 173 Apollonius Molon 43 Appius 79 Apuleius Saturninus, Lucius 45 Aquila, Pontius 133 Ardaschir I. 114 Aretas III. 34 Ariovist 59, 63, 64, 65 Aristobul I. 35 Aristobul II. 35, 99 Arsakes I. 113 Artabanos I. 114 Artemidorus 169 Attalus 28 Attius Varus, Publius 117 auctoritas/Autorität 40, 65 f., 94, 134 Augustus s. Octavian Aurelia, Mutter des Caesar 42 Aurelius Cotta, Lucius 25 Balbus 142, 153 bellum Africum 62, 112, 115, 116 ff. bellum Alexandrinum 62, 108, 109 ff. bellum Hispaniense 62, 112, 126 f. Bocchus 117, 118
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Personen- und Sachregister Britannien 59, 63, 68 f. Brutus s. Iunius Bundesgenossenkrieg 9, 18 Burebista 153 Bürgerkrieg Caesar–Pompeius 22, 30, 44, 59, 67, 72, 88, 89–128, 129, 142, 145, 148, 149, 151, 154, 160, 162, 167, 168, 171, 172, 173, 174, 175, 177, 180, 181 Bürgerkrieg Sulla–Marius 11, 13 Bürgerrecht 7, 8 f., 21, 102, 123, 127 f., 136, 148 f. Caecilia Metella 20 Caecilius Bassus, Quintus 129, 152 Caecilius Metellus Celer, Caius 49, 55 Caecilius Metellus Creticus, Quintus 32 Caecilius Metellus Nepos, Quintus 46, 49, 79, 118 Caecilius Metellus Pius Scipio Nasica, Quintus 86, 90, 105, 109, 116, 117, 118 Caecilius Metellus Pius, Quintus 22 Caelius Rufus, Marcus 106, 107, 108, 146 Caesarion 112, 126 Calpurnia 86, 168 Calpurnius Bibulus, Marcus 39, 51, 54, 55, 57, 86, 104, 182 Calpurnius Piso, Lucius 59 Casca 169 Cassius Longinus, Gaius 157–177 Cassius Longinus, Quintus 93, 98, 100, 126, 165 Cassivellaunus 69 Catilina s. Sergius Cato s. Porcius Celtillus (Vater des Vercingetorix) 71 Cicero s. Tullio Cingetorix 69 Cinna s. Cornelius Claudius Marcellus, Gaius (Konsul 49) 92 Claudius Marcellus, Gaius (Schwager des Octavian) 86 Claudius Marcellus, Marcus (Konsul 50) 87, 88, 92, 125, 140 Claudius Pulcher, Appius 28 Claudius/Clodius Pulcher, Publius 47, 59, 70, 74, 75, 76, 77, 85, 87, 107, 115, 132, 146 clientela/Klientelwesen 3, 139 Cornelia 43, 44 Cornelius Cinna, Lucius 11, 12, 13, 14, 18, 19, 31, 43, 129, 156 Cornelius Dolabella, Publius 115, 137, 146 Cornelius Lentulus Crus, Lucius 92, 93 Cornelius Lentulus Spinther, Publius 78, 95 Cornelius Rufinus, Publius 91 Cornelius Scipio Africanus, Publius 186 Cornelius Sulla, Lucius 1, 10–16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 38, 40,
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41, 43, 44, 45, 47, 61, 65, 74, 82, 85, 87, 91, 93, 94, 97, 101, 102, 107, 114, 121, 124, 126, 129, 134, 137, 140, 143, 156, 164, 177, 178, 183, 184 Cornificius, Quintus 152 Cossutia 43 Crassus s. Licinius Deiotarus 36, 114 dignitas 40, 65 f., 134, 161 Diktatur/Diktator 7, 13, 101, 106, 134 f., 145, 173, 177 Domitius Ahenobarbus, Gnaeus 19 Domitius Ahenobarbus, Lucius 57, 80, 81, 84, 85, 95 Domitius Calvinus, Gnaeus 113 Dumnorix 69 Fabius, Quintus 133 feriae Latinae 132 Flavius, Lucius 51 forum Iulium 73, 90, 121, 122, 134, 144 Gabinius, Aulus 29, 59, 79, 84, 141 Gallien 57, 59, 60, 61–73, 79, 80, 82, 84, 85, 86, 88, 99, 120, 148, 162, 167, 184, 188 Getreideversorgung/Getreideverteilung 26, 31, 76 f., 120, 143, 146 Gracchen s. Sempronius Hannibal 3, 13, 22, 33 Hasmonäer 34, 35, 99 Heer, römisches 1, 5, 8, 30 f., 162 Herodes 110, 151 Hortensius Hortalus, Quintus 31 imperia extraordinaria/außerordentliche Imperien 3, 22, 27, 30 f., 60, 77 Indutiomarus 69 Iunius Albinus Brutus, Decimus 100, 157–177 Iunus Albinus Brutus Decimus (Vater) 166 Iunius Brutus, Lucius 131, 164 Iunius Brutus, Marcus/Quintus Servilius Caepio Brutus 21, 108, 114, 129, 141, 157–177, 185, 186 Iunus Brutus, Marcus (Vater) 21 Johannes Hyrkan II. 35, 110, 150 Juba 12, 102, 117, 118, 150 Juden/Judäa 34 f., 36, 38, 79, 110, 123, 147, 150, 152 Jugurtha 8, 10, 18 Julia (Tante Caesars) 42, 43, 44 Julia (Tochter Caesars, Frau des Pompeius) 57, 76, 85, 86
Personen- und Sachregister Julius Caesar, Sextus 152 Julus 42, 121, 135 Kaiserkult 133 Kleopatra VII. 78, 106, 108–112 (111), 113, 126, 150, 153 Konsulat/Konsul 3, 7, 13, 15, 54, 83, 106, 132, 134 f., 137, 138, 146 Laberius, Decimus 141 Labienus, Titus 64, 69 leges – leges Corneliae 15 – leges iudiciariae 138 – lex Aemilia frumentaria 26 – lex agraria 4 ff. – lex Antia sumptuaria 26 – lex Antonia 136 – lex Aurelia iudiciaria 25 – lex Claudia de nave senatorum 5 f. – lex Clodia de exilio Ciceronis 76 – lex Clodia frumentaria 146 – lex Gabinia de bello piratico 17, 29, 31, 44 – lex Iulia frumentaria 120 – lex Iulia agraria 54 – lex Iulia de civitate Latinis (et sociis) danda 9 – lex Iulia de provinciis 137 – lex Iulia sumptuaria 141 – lex Manilia de imperio Cn. Pompei 17, 29, 31, 44 – lex Orchia 125 – lex Pompeia 36 – lex Pompeia Licinia de provincia Caesaris 82 – lex Pompeia Licinia de tribunicia potestate 25 – lex Roscia theatralis 39 – lex Terentia Cassia frumentaria 26 – lex Vatinia de provincia Caesaris 57 Lepidus s. Aemilius Licinius Caecina, Aulus 123 Licinius Crassus, Marcus 14, 17, 23, 24, 25, 26, 39, 45, 48, 52, 53, 57, 59, 60, 61, 74, 77, 79–84, 85, 113, 114, 138, 139, 154, 165, 179, 184 Licinius Lucullus, Lucius 28 f., 33, 51, 55, 56, 65 Licinius Murena, Lucius 39 Licinius Nerva 116 Ligarius, Quintus 125 Lucceius, Lucius 51 Lucullus s. Licinius Lutatius Catulus, Quintus 21, 31, 45, 46, 81, 119 Machares 32, 35 Maelius, Spurius 164 magister equitum 13, 106 f., 115 Magistrat/Magistratur 3, 18, 39, 55, 84, 94, 146
Majestätsvergehen 15, 124 f. Manilius, Gaius 29 Manlius, Gaius 41 Marcellus s. Claudius Marius, Gaius 1, 8, 10, 11, 21, 29, 31, 41, 43, 44, 45, 61, 65, 119, 121, 146, 162, 177, 178 Marius-Sohn 20 Massilia 99, 149, 167 Matius, Gaius 119, 172, 173–175, 176 Memmius, Gaius 57 Metellus s. Caecilius Milo s. Annius Mithridates VI./mithridatischer Krieg 1, 10 f., 12 f., 17, 18, 19, 22, 27–29, 32 f., 34, 35, 43, 56, 113, 178 Mucia 49 Murena s. Licinius Nikomedes IV. 28 Nobilität/nobiles 1, 6, 16, 23, 27, 43, 83, 116, 139, 143 obnuntatio 55 Octavia 86 Octavian/Gaius Octavius/Augustus 6, 12, 16, 38, 40, 44, 60, 72, 78, 82, 83, 85, 87, 91, 110, 111, 112, 113, 127, 128, 135, 136, 138, 145, 147, 150, 151, 153, 158, 160, 167, 171, 177, 180, 181, 182, 183, 185, 186, 190 Opimius, Lucius 7 Oppius, Gaius 142, 153 Orgetorix 63 Pacorus 152 Papirius Carbo, Gnaeus 19 Parther 82, 85, 113 f., 136, 137, 151–156, 165, 167, 168, 169 Pedius, Quintus 133 Peperna, Marcus 22 Petreius, Marcus 82, 92, 99, 100, 118 Pharnakes 90, 113, 120 Phraates III. 32 plebs urbana/Romana 3, 6, 26, 142 ff., 145, 146 f., 161 f., 163 Pollio, Asinius 172–173, 174 Pompeia 44, 47, 86 Pompeius Strabo, Gnaeus 9, 18, 19, 24 Pompeius, Gnaeus (Sohn des Pompeius) 118, 126, 127, 129, 131, 152 Pompeius, Sextus 90, 118, 126, 127, 152 Pompeius-Theater 82 f., 168 Porcia 165 Porcius Cato, Gaius 81 Porcius Cato, Marcus 42, 51, 55, 57, 61, 66, 67, 74, 81, 84, 85, 86, 87, 90, 93, 103, 104, 105,
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Personen- und Sachregister 108, 112, 116, 117, 118, 130, 162, 164, 165, 181, 182, 186 Potheinos 109, 110, 111 Praetur/Praetor 3, 4, 15, 38, 106 f., 116, 124, 137 princeps 19, 38, 40, 50, 87, 136, 180, 181, 183, 185 Prokonsulat/Prokonsul 4, 15, 61, 124 Propraetur/Propraetor 3, 4, 15, 124 provinciae/Provinzen 4, 6, 12, 15, 21, 31, 36, 38, 56, 61, 76, 82, 83, 88 f., 136, 137, 141 f., 149, 150 f. provocatio/Provokationsgesetz 7, 42 Ptolemäer/Ägypten 28, 34, 77 ff., 106, 112, 120, 150 Ptolemaios I. 78 Ptolemaios XII. Auletes 56, 78, 79, 84, 106, 109, 110, 111 Ptolemaios XIII. 111 Ptolemaios XIV. 112 Ptolemaios XV. 78 publicani/Steuerpächter 7, 37, 56, 141 f. Punischer Krieg, Erster 23 Punischer Krieg, Zweiter 13, 30, 143 Quaestur/Quaestor 3, 15, 26, 30 Rabirius, Gaius 45 Recht, römisches 37 f. Religion, römische 43 f. Restio, Antius 26 Rheinübergänge des Caesar 67, 69 f. Ritter/equites 5, 7, 14, 15, 25 f., 27, 39, 56, 112, 138, 141 f., 149 Romulus 132, 135, 159, 189 Roscius Otho, Lucius 39 Rubicon-Überschreitung 93 ff. Sallustius Crispus, Gaius 115 Scipio Africanus s. Cornelius Scribonius Curio, Gaius 74, 90, 91, 92, 99, 102, 104, 117 Seeräuber 27, 29, 31 f., 77, 99 Sempronia 166 Sempronius Gracchus, Gaius 1, 6 f., 76, 120, 143, 178 Sempronius Gracchus, Tiberius 1, 3, 4–6, 7, 14, 55 Senat/Senator 2, 5 f., 7, 13, 14, 15, 16, 18, 20, 26, 27, 39, 40, 49, 53, 54, 56, 84, 94, 98, 115, 119, 124, 136, 137, 138, 140 f., 151, 160 f., 163
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senatus consultum ultimum/Staatsnotstand 7, 21, 42, 92, 93, 107 Sergius Catilina, Lucius 14, 17, 30, 39, 41 f., 45, 46, 75, 76, 107 Sertorius, Quintus 17, 21 f., 24, 27, 28, 29, 99 Servilia 164 Servilius Ahala, Claudius 164 Servilius Isauricus, Publius 101, 107 Servilius Rullus, Publius 45 Sklaven 4, 14, 23 Spartacus 17, 22–24, 27 Statthalter/Statthalterschaften 7, 15, 27, 36, 37, 38, 137 Stratonike 34 Sulla s. Cornelius Sulpicius Rufus, Publius 10, 11, 88 Tarquinius (Superbus) 1, 164 Terentius Culleo, Quintus 76 Terentius Varro, Marcus 99, 100, 155 Theodotos von Chios 111 Theophanes 181 Tigranes 28, 33 Tillius Cimber, Lucius 169 Trebellius, Lucius 115 Trebonius, Gaius 82, 100, 106, 107, 126, 128, 167, 169 Triumph 13, 19 f., 25, 49 f., 51, 119, 120, 133, 143 Triumvirat 24, 39, 50–53, 54, 57 f., 59, 60, 75, 76, 79–84, 139, 164 Tullius Cicero, Marcus 17, 19, 25, 26, 30, 40, 41, 42, 45, 48, 49, 51, 52, 53, 57, 59, 60, 61, 66, 69, 73, 74, 75, 76, 77, 80, 81, 83, 84, 86, 88, 90, 91, 92, 93, 96, 97, 98, 99, 114, 125, 130, 137, 138, 139, 140, 142, 147, 148, 165, 169, 171, 172, 174, 175, 176, 182, 184 Tyrannen (Problematik) 11, 130, 133, 157, 160, 165, 170, 185 Vatinius, Publius 56, 57, 82 Vercingetorix 59, 70 ff., 86, 120 Verres, Gaius 26, 30 Vettius, Publius 57 Volk/Gesamtvolk/Volksversammlung 2, 5, 10, 15, 17 f., 20, 26, 39, 53, 54, 56, 75, 84, 136, 138, 139 Volkstribunat/Volkstribun 3, 14, 15, 17, 20, 25, 26, 138 Zensur/Zensor/zensorisches Sittengericht 3, 15, 18, 25, 26, 87, 91, 145