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German Pages 141 [144] Year 2012
Frank M. Ausbttel Die Germanen
Geschichte kompakt Herausgegeben von Kai Brodersen, Martin Kintzinger, Uwe Puschner, Volker Reinhardt Herausgeber fr den Bereich Antike: Kai Brodersen Beratung: Ernst Baltrusch, Peter Funke, Charlotte Schubert, Aloys Winterling
Frank M. Ausbttel
Die Germanen
Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulssig. Das gilt insbesondere fr Vervielfltigungen, bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. i 2010 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermglicht. Gedruckt auf surefreiem und alterungsbestndigem Papier Redaktion: Eva Simone Scheuermann Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-22047-2
Inhaltsverzeichnis Geschichte kompakt – Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kritische Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Name und Herkunft der Germanen . . . . . . . . . . . . . .
3 3 3
II. Die Anfnge der rmisch-germanischen Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kimbern und Teutonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Caesars Feldzge gegen die Germanen . . . . . . . . . . . .
9 9 13
III. Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit . . . . . . 1. Die Einrichtung der Provinz Germanien und die Erhebung des Arminius . . . . . . . . . . . . . . 2. Kmpfe mit germanischen Stmmen bis zur Errichtung des Limes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Markomannenkriege . . . . . . . . . . . . . . .
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29 35
IV. Lebensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Siedlungsformen . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaft und Handel . . . . . . . . . . 3. Gesellschaft und Verfassung der Stmme 4. Religion . . . . . . . . . . . . . . . . .
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40 40 43 47 50
V. Germanen im Dienst der Rmer . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Soldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Siedler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 53 56
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VI. Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit 1. Die Alamannen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Goten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Tolosanische Reich der Westgoten . . . 4. Die Vandalen . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Burgunder . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Sachsen und Britannien . . . . . . . . . 7. Das Reich der Ostgoten in Italien . . . . . . 8. Die Anfnge des Frankenreiches . . . . . . . 9. Die Langobarden . . . . . . . . . . . . . . .
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59 59 64 71 77 88 94 96 105 113
VII. Bilanz und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V
Geschichte kompakt In der Geschichte, wie auch sonst, drfen Ursachen nicht postuliert werden, man muss sie suchen. (Marc Bloch) Das Interesse an Geschichte wchst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch fr Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfltige, neue Anreize. Die Flle dessen, was wir ber die Vergangenheit wissen, wchst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, vernderte Fragestellungen fhren zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven berwunden. Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlsslicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, bersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bnde der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhnge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verstndlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitren Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen und europischen Geschichte werden in Einzelbnden erschlossen. Beigefgte Erluterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergnzen den Text. Die Lektre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso fr eine erste Begegnung mit dem Thema wie fr eine Prfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage fr Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektre fr historisch Interessierte. Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenstndiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbnde insgesamt den heutigen Wissenstand zur deutschen und europischen Geschichte reprsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bnde nicht festgelegt und wird knftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden. Kai Brodersen Martin Kintzinger Uwe Puschner Volker Reinhardt
VII
Vorwort Es ist fast schon vermessen, als Einzelner ein Buch ber die Germanen zu schreiben, da viele Wissenschaften sich mit ihnen befassen, die Fachliteratur nicht mehr zu berschauen ist. Außerdem wurde den Germanen aufgrund ihrer angeblich „nationalen Bedeutung“ stets besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Sie eigneten sich gut als Projektionsflche fr eigene Sehnschte und Wnsche, ihre Kmpfe mit den Rmern boten die Grundlage fr Identifikation stiftende Mythen. Inzwischen begegnet die Wissenschaft den Germanen eher unvoreingenommen. Die Rezeption ihrer Geschichte ist mittlerweile selbst zu einem eigenen Forschungsgebiet geworden. Dennoch haben die Germanen weiterhin nichts an Faszination eingebßt, wie die Ausstellungen ber die Franken, Alamannen, Langobarden und Vandalen und vor allem die drei Ausstellungen anlsslich der 2000-Jahr-Feier zur Varusschlacht gezeigt haben. Ihre Anziehungskraft beruht nun auf den zahlreichen archologischen Funden, die zu neuen Sichtweisen fhren und die Geschichte zu einer Detektivgeschichte werden lassen. Das Hauptanliegen dieses Buches ist es, dem interessierten Leser einen Einstieg in das Thema zu geben. Inhaltlich beschrnkt es sich nicht auf die militrischen und politischen Auseinandersetzungen vor allem mit den Rmern, sondern geht auch auf die Lebensverhltnisse der Germanen ein. Zeitlich bewegt es sich in dem traditionellen Rahmen von der ersten Begegnung der Rmer mit den Kimbern und Teutonen bis zur Entstehung des Langobardenreiches, mit der die Zeit der germanischen Vlkerwanderung endete. Dies geschieht durchaus in dem Bewusstsein, dass damit die Geschichte der Germanenreiche noch lange nicht abgeschlossen ist. Allerdings gehrt die Erforschung ihrer weiteren Entwicklung in den Bereich der Medivistik. Die Nachrichten ber die Germanen stellen den Historiker vor ein Problem: Sie sind recht einseitig und allzu oft liegen ber wichtige Ereignisse keine nheren Angaben vor, sodass es weiterhin schwierig bleibt, ein einigermaßen ausgewogenes Geschichtsbild zu rekontruieren. Den Zugang zu den antiken Quellen erleichtert jetzt ein vierbndiges Werk, das H.-W. Goetz, St. Patzold und K.-W. Welwei herausgegeben haben und das alle Nachrichten bis zum Jahre 453 enthlt. Fr kritische Anmerkungen und Anregungen danke ich dem Herausgeber der Reihe, Herrn Kai Brodersen, fr seine wohlwollende Untersttzung und die konstruktive Zusammenarbeit einmal mehr Herrn Harald Baulig von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft. Gewidmet ist das Buch meiner Familie, die mir stets den Rckhalt bot, um dieses Buch zu schreiben. Frankfurt-Oberursel, im Juli 2010
Frank M. Ausbttel
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I. Einleitung 1. Kritische Anmerkung Die Germanen leisteten einen wichtigen Beitrag zur europischen Geschichte. Ohne sie sind viele Prozesse der Staatenbildung und der kulturellen Entwicklung nicht zu verstehen. Es fllt jedoch schwer, ihre historische Leistung unbefangen und unvoreingenommen zu bewerten. Allzu oft wurden in die Germanen bestimmte nicht zeitgemße Vorstellungen projiziert. Beflgelt von antiken Berichten ber die Lebensweise und die Kmpfe der Germanen gegen die Rmer feierten Gelehrte wie Literaten im Deutschen Reich seit dem frhen 16. Jahrhundert die Germanen als ein unverdorbenes Volk und betonten dessen berlegenheit gegenber der Kurie und den Franzosen. Die Gleichsetzung der Deutschen mit den Germanen bot eine willkommene Grundlage fr den seit dem Ende des 18. Jahrhunderts aufkommmenden Nationalismus. Die Kriege der Germanen gegen die rmische Herrschaft 9 bis 16 n. Chr. dienten als Vorbild fr den Kampf der Deutschen gegen die franzsische Fremdherrschaft (1806–1815). hnliche Glorifizierungen lassen sich auch in anderen Lndern beobachten. Die Niederlnder beriefen sich in ihrem Freiheitskampf gegen die spanisch-habsburgische Monarchie (1568–1648) auf den Aufstand der Bataver 69/70. Die schwedischen Knige begrndeten im 16. und 17. Jahrhundert ihr Großmachtstreben mit der Herrschaft der Goten ber weite Teile Europas seit dem 5. Jahrhundert. Besonders verhngnisvoll wirkte sich seit dem 19. Jahrhundert die Rassenlehre auf das Germanenbild aus. Frei von irgendwelchen „Beimischungen“ galten sie als die Trger der abendlndischen Kultur. Diese Idee fand schließlich Eingang in die Ideologie des Nationalsozialismus. Im Dritten Reich nahm die Germanenverehrung einen geradezu religisen Charakter an. Nach dem 2. Weltkrieg hat man sich allmhlich von diesem verklrten, kruden Germanenbild gelst. In einem sich vereinigenden Europa verloren nationale Mythen in zunehmendem Maße ihre Sinn stiftende Funktion. Die Gleichsetzung der Germanen oder einzelner Germanenstmmen mit bestimmten Nationen wurde folgerichtig aufgegeben. Die wissenschaftliche Diskussion hat sich weitgehend versachlicht und durch neue Forschnungsanstze konnte das tradierte Germanenbild revidiert werden.
Nationalismus
Rassenlehre
2. Name und Herkunft der Germanen Den Historiker stellt die Erforschung der germanischen Geschichte vor ein großes methodisches Problem: Alle Berichte ber die Germanen stammen aus den Federn rmischer Autoren. Zwar kannten die Germanen Gesnge, in denen sie ihre mythisch verklrte Herkunft feierten und die Taten ihrer Herrscher priesen, jedoch ist keiner dieser frhen Gesnge schriftlich festge-
Quellenlage
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I.
Einleitung
Erste Erwhnung
Oberbegriff fr verschiedene Vlker
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halten und berliefert worden. Folglich existieren keine Schriftquellen, in denen die Germanen selbst Auskunft geben ber ihre Lebensverhltnisse, ber ihre internen Konflikte, ber ihre Herrschaftsstrukturen oder ber die Mentalitten ihres Adels und ihrer einfachen Bauern. Bei den Berichten der Rmer ist stets damit zu rechnen, dass deren Autoren ohne nhere Kenntnisse der Wirklichkeit die mndliche berlieferung der Germanen und andere ihnen vorliegende Informationen ihren eigenen Vorstellungen und ihrer eigenen Lebenswelt entsprechend interpretierten und umformten. Folglich htten sich viele Germanen in den ihnen angehefteten Etikettierungen wohl nicht wiedererkannt. Diese Quellenproblematik offenbart sich bereits bei dem Namen Germanen. Er begegnet zum ersten Mal in einem Verzeichnis, in dem der Triumph eines Konsuls ber einen gallischen Stamm eben dieses Namens in Oberitalien 222 v. Chr. gefeiert wird. Jedoch ließ sich bislang nicht klren, in welcher Beziehung dieser Name zu dem erst spter berlieferten Germanenbegriff steht und ob er nicht erst nachtrglich in die Inschrift eingefgt worden ist. Der stoische Gelehrte Poseidonios von Apameia (ca. 135–51/50 v. Chr.), der fr seine geographischen und ethnographischen Studien nach Gallien kam, erwhnte kurz die Germanoi, die sich in ihren Essgewohnheiten kaum von den Galliern unterschieden. Er kannte sie somit als ein den Galliern nahestehendes Volk, lsst aber offen, ob es sich hierbei um einen eigenstndigen ethnischen Verband handelte. Wenn das zutreffen sollte, msste er seinen Standort Massalia (Marseille) verlassen haben und gen Norden gereist sein. Das Verdienst, die Bezeichnung Germanen als Oberbegriff fr verschiedene Vlker geprgt zu haben, kommt letztlich dem rmischen Feldherrn und Staatsmann Caius Julius Caesar (100–44) zu. Gleich zu Beginn seines Berichtes ber den Gallischen Krieg verwendete er diesen Namen mit einer solchen Selbstverstndlichkeit, dass man davon ausgehen kann, dass er in Rom bereits allgemein bekannt war. Im Laufe seiner Darstellung grenzte Caesar die Germanen klar und deutlich von den Galliern ab, indem er wiederholt auf Unterschiede in ihrer Lebensweise und Kultur hinwies. Dabei erklrte Caesar den Rhein zur geographischen Grenze zwischen beiden Vlkerschaften. Das Gebiet jenseits, das heißt rechts des Rheines bewohnten nach seiner Ansicht die Germanen, das Gebiet diesseits, das heißt links des Rheines die Gallier. Allerdings wies er auch darauf hin, dass im Norden einige nicht-gallische Stmme lebten, die sich selbst Germanen nannten. Denkbar ist, dass Caesar bei seiner ethnischen Einteilung die Sichtweise von Galliern bernahm, die in Verhandlungen mit den Rmern die Invasoren, die ber den Rhein in ihre Gebiete vorgestoßenen waren, unter der Bezeichnung Germanen subsumierten. Die Belger ein germanischer Stamm? Caesar, Bellum Gallicum 1,1,3 und 2,4,1–3 Von all diesen (Stmmen) sind die Belger am tapfersten, weil sie von der Lebensweise und der (hheren) Bildung der Provinz (gemeint ist die Gallia Narbonensis) am weitesten entfernt leben und zu ihnen am wenigsten hufig Kaufleute gelan-
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I.
Name und Herkunft der Germanen
gen und (Dinge) einfhren, die zur Verweichlung des Charakters beitragen, auch weil sie den Germanen am nchsten leben, die jenseits des Rheins wohnen (und) mit denen sie stndig Krieg fhren. (…) Als Caesar (die Remer) fragte, welche und wie viele Stmme unter Waffen stnden und wie stark sie im Krieg seien, erfuhr er Folgendes: Die meisten Belger stammten von den Germanen ab und htten in alten Zeiten den Rhein berschritten, sich wegen des fruchtbaren Bodens dort niedergelassen und die Gallier, die diese Gegend bewohnten, vertrieben; sie htten als einzige zurzeit unserer Vter, als ganz Gallien heimgesucht wurde, verhindert, dass die Teutonen und Kimbern in ihr Gebiet einfielen; aus der Erinnerung an diese Vorflle bezgen sie ein großes Ansehen und einen hohen Sinn im Kriegswesen. (bersetzung Goetz-Welwei I 277 und 315)
Der griechische Geograph Strabon von Amaseia (65/64 v. Chr. – nach 23 n. Chr.) bernahm nicht Caesars Sichtweise. Zwar hießen die Bewohner jenseits des Rheines fr ihn ebenfalls Germanen, jedoch unterschieden sie sich fr ihn kaum von den Galliern, sondern hnelten ihnen hinsichtlich ihrer Gestalt und Lebensgewohnheiten. Tacitus griff indes wieder die Vorstellungen Caesars auf und grenzte die Germanen klar und eindeutig von den Galliern ab. Die Bewohner Germaniens, das heißt des Gebietes jenseits von Rhein und Donau, sah er als eine autochthone Bevlkerung an, die sich aufgrund der Lage ihres Landes nicht mit anderen Vlkern vermischt habe. Als ihren Stammvater fhrte er Mannus an, den Sohn des Gottes Tuisto. Da Mannus drei Shne hatte, zerfielen die Germanen in die drei Großverbnde der Ingvaeonen, Herminonen und Istvaeonen, bei denen es sich offensichtlich um Kultgemeinschaften handelte. Publius Cornelius Tacitus (etwa 55 – nach 113 n. Chr.) entstammte einer wohlhabenden Familie, die entweder in Sdgallien oder Oberitalien beheimatet war. Innerhalb der rmischen mterlaufbahn hatte er 88 die Prtur und 97 den Konsulat inne. Er verwaltete schließlich 112/113 als Statthalter die bedeutende Provinz Asia. Ob er vorher ein militrisches Kommando am Rhein innehatte, lsst sich nur vermuten. Als Kritiker der Kaiserherrschaft und Anhnger der Republik verfasste Tacitus zwei grßere, nicht vollstndig berlieferte Geschichtswerke, die Annales und Historiae. In den Annales beschrieb er die politischen Ereignisse in der Zeit von 14 bis 68 n. Chr., in den Historiae in der Zeit von 69 bis 96 n. Chr. Grundlegend fr das Verstndnis der Germanen wurde seine 98 verfasste ethnographische Schrift mit dem Titel Germania.
Herkunft und Name der Germanen Tacitus, Germania 2,1.3
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Ich mchte glauben, dass die Germanen selbst Eingeborene sind und sich keineswegs durch Einwanderung und Aufnahme anderer Vlker vermischt haben, weil doch in alter Zeit diejenigen, die ihre Wohnsitze wechseln wollten, nicht zu Lande, sondern zu Schiff nahten und dort drben ein riesiger und sozusagen widriger Ozean selten von Schiffen aus unserer Welt befahren wird. Wer wrde außerdem, ganz abgesehen von der Gefahr der rauen und unbekannten See, Asien, Afrika
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I.
Einleitung
oder Italien verlassen und gerade Germanien mit seiner ungestalteten Landschaft, seinem rauen Klima und seinem trbseligen Anbau und Anblick aufsuchen, es sei denn, es wre seine Heimat? (…) Im brigen sei die Bezeichnung Germaniens jung und erst seit kurzem (dem Land) beigelegt, weil diejenigen, die als erste den Rhein berschritten und die Gallier vertrieben htten und jetzt Tungrer hießen, damals Germanen geheißen htten: So habe sich allmhlich der Name einer Vlkerschaft, nicht des (ganzen) Volkes durchgesetzt, sodass alle anfangs aus Furcht nach dem Sieger benannt wurden, bald auch sich selbst mit dem aufgefundenen Namen Germanen nannten. (bersetzung Goetz-Welwei I 127–129)
In dem letzten Absatz des hier aufgefhrten Zitats, dem sogenannten „Namen(s)satz“, der sprachlich nicht ganz sicher berliefert und dessen Interpretation daher umstritten ist, referierte Tacitus die These, dass der Name Germanien neu sei und sich von den linksrheinischen Tungrern ableitete, die sich einmal selbst als Germanen bezeichnet htten. Unklar bleibt bei Tacitus’ Feststellung, warum gerade die Tungrer, ein eher unbedeutender Stamm, als Namensgeber fungiert haben sollen und wer mit dem Sieger gemeint ist. Allerdings ist hier genau auf die Formulierung des rmischen Historikers zu achten. Offensichtlich betrachtete er diese Aussage selbst mit einer gewissen Skepsis und schenkte ihr wenig Glauben. Der Hinweis auf die Selbstbezeichnung knnte auch dahingehend verstanden werden, dass die Germanen in Verhandlungen mit den Rmern die von diesen gebrauchte Fremdbezeichnung schließlich fr sich bernahmen, um Missverstndnissen vorzubeugen. Whrend Tacitus im Westen den Rhein als eindeutige Grenze angibt, wird er ungenau bei der geographischen Abgrenzung des germanischen Einzugsgebietes nach Norden und Osten, das fr ihn irgendwo am Nordpolarmeer und im Ostseeraum endete. Ein exaktes Bild der ethnischen Verhltnisse in Mitteleuropa entsteht so nicht. Letztlich ging es Tacitus wohl darum, die Germanen hinsichtlich ihrer Abstammung, Lebensweise und Sprache als eigenstndige Vlkerfamilie darzustellen und von den Galliern im Westen und den Sarmaten beziehungsweise Skythen im Osten abzugrenzen. Caesar und Tacitus haben mit ihren Darstellungen zwar die neuzeitlichen Vorstellungen von den Germanen geprgt, aber in der antiken Geschichtsschreibung setzte sich ihr ethnographisches Konzept nicht durch. Ab dem 3. Jahrhundert wurde die Bezeichnung Germanen kaum noch verwendet; stattdessen begegnen Bezeichnungen wie Alamannen, Goten und Franken, mit denen ganz konkret bestimmte Großstmme der Germanen benannt werden. Die unklare Abgrenzung zu den Galliern und anderen auswrtigen Vlkern blieb bestehen. So werden die Kimbern, die Caesar bereits als Germanen identifizierte, als Keltoskythen, die Goten, weil sie nicht aus den germanischen Provinzen des Rmischen Reiches stammten, wie andere auswrtige Vlker als Skythen bezeichnet. Neben den philologisch-historischen Erkenntnissen kommt den Erkenntnissen der Archologie eine grßer werdende Bedeutung zu, die allerdings nicht immer mit den Aussagen der antiken Schriftsteller bereinstimmen.
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I.
Name und Herkunft der Germanen Dies lsst sich an der Abgrenzung der gallischen von der germanischen Kultur zeigen. Whrend der Latnezeit, insbesondere seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. errichteten die Gallier unter dem Einfluss der griechischen und rmischen Zivilisation, der sie in Sdgallien, in Oberitalien und auf dem Balkan begegneten, mehrere großflchige, stadtartige Siedlungen, die sie mit eindrucksvollen Mauern und Wallanlagen befestigten. In Anlehnung an Caesar werden diese stadtartigen Siedlungen heute noch als oppida (Singular: oppidum) bezeichnet. Die Oppida waren Zentren fr den Handel und Verkehr in einem weitgehend kultivierten Umland, in dem es weiterhin Drfer und Einzelhfe gab. Kennzeichnend fr diese Stadtkultur waren eine hochwertige Eisenverarbeitung, das Prgen von Mnzen und ein bescheidener Schriftverkehr, fr den die Gallier das griechische Alphabet benutzten. Oppida lassen sich von Frankreich ber Deutschland und Tschechien bis auf den Balkan nachweisen. In Deutschland erstreckte sich die Oppida-Kultur bis in den Mittelgebirgsraum. Latnezeit In La Tne am Neuenburger See in der Schweiz wurden 1857 tausende von Fundobjekten (Waffen und Fibeln) entdeckt. Nach dieser Fundsttte ist die Phase der klassischen Kunst und Kultur der Gallier benannt worden, die von 450 bis 50 v. Chr. reichte und in der Gallier sich in weiten Teilen Europas (Irland, Britannien, von der Iberischen Halbinsel bis nach Kleinasien) niederließen.
Im niederlndisch-norddeutschen Raum existierten dagegen keine derartigen Großsiedlungen mit einer differenzierten, hoch entwickelten Produktionsweise. In der nach dem Fundort Jastorf (Kreis Uelzen) benannten Kultur, die sich von Holstein ber das nordstliche Niedersachsen bis in den Westen Mecklenburgs erstreckte, herrschten kleinere Siedlungen vor, die mit anderen Siedlungen in Waldgebieten sogenannte Siedlungskammern bildeten und deren Bewohner vorwiegend von Ackerbau und Viehzucht lebten. Mnz- und Eisenfunde belegen Handelskontakte zu den Galliern. Anhand von Grab- und Siedlungsfunden lassen sich somit bestimmte Kulturregionen ausmachen. So unterscheidet man zwischen Elb-, Rhein-Weseroder Nordseegermanen und den Trgern der Przeworsker-Gruppe, denen sich nur schwer die Namen der in den Schriftquellen berlieferten Germanenstmme zuordnen lassen. Auch mit Hilfe der Archologie kann nicht eindeutig geklrt werden, was unter den Germanen zu verstehen ist. Die materiellen Funde sagen wenig oder gar nichts aus ber die Sprache, ber die rechtlichen und religisen Vorstellungen und ber das Zusammengehrigkeitsgefhl der Bewohner bestimmter Gebiete. Dies sind aber Faktoren, die letztlich entscheidend sind fr die Bestimmung der Zugehrigkeit zu einem Volk, zu einer Vlkergemeinschaft. Anhand der archologischen Funde lassen sich jedoch zwei Sichtweisen der antiken Historiographie korrigieren: Der Rhein bildete keine Kultur- und Vlkergrenze, vielmehr existierte eine kulturelle Grenze zwischen Norden und Sden. Die Germanen stellten kein einheitliches Volk dar und besaßen folglich keinen einheitlichen Ursprung und kein stammesbergreifendes Gemeinschaftsbewusstsein. Zwischen den Vlkern der Oppida-Kultur und den Vlkern Nordeuropas herrschte ein reger kultureller Austausch. Ar-
Abgrenzung der gallischen von der germanischen Kultur
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Kulturregionen
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I.
Einleitung chologische Funde in Dnemark, die sich der Latnekultur zuordnen lassen, sprechen dafr, dass sie durch Handel dorthin gelangten oder einheimische Handwerker Produkte der gallischen Oppida-Kultur nachahmten, die offensichtlich eine große Anziehungskraft auf die Germanen ausbten. Es wre nun naheliegend Germanen und Gallier anhand ihrer Sprache zu unterscheiden. Allerdings ist es problematisch, die archologisch fassbaren Kulturen bestimmten Sprachen zuzuordnen, sofern nicht sprachliche Zeugnisse dies erlauben. Immerhin gab es Germanenstmme vor allem links des Rheines, die einen gallischen Dialekt sprachen. berhaupt waren die Grenzen zur benachbarten gallischen Kultur fließend, was letztlich auch Caesar bewusst war, wenn er auf die engen Beziehungen bestimmter germanischer Stmme wie der Sueben mit den gallischen Nachbarn hinwies. Ungeachtet der hier aufgezeigten Probleme folgt die moderne Geschichtswissenschaft weiterhin der antiken Ethnographie darin, bestimmte Vlker zu Großverbnden (Kelten, Skythen) zusammenzufassen, obwohl die Bezeichnung Germanen fr Vlker im Nordosten des gallischen und spter rmischen Herrschaftsbereiches genauso wenig zutrifft wie die Bezeichnung Indianer fr die Ureinwohner des amerikanischen Doppelkontinents, die Columbus aufbrachte. Dieser Oberbegriff ist aber dennoch beibehalten worden, weil bei aller Ungenauigkeit und Kritik bislang keine Alternative fr ihn gefunden wurde.
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II. Die Anfnge der rmisch-germanischen Auseinandersetzungen 113–101 Einflle der Kimbern und Teutonen in Gallien und in rmisches Reichsgebiet 58 Feldzug Caesars gegen den Suebenknig Ariovist 55/53 Rheinbergnge Caesars
1. Kimbern und Teutonen Die Kimbern und Teutonen waren die ersten Germanenstmme, mit denen die Rmer Krieg fhrten. Allerdings erfolgte ihre ethnische Einordnung als Germanen erst in spterer Zeit. Whrend diese Zuordnung bei den Kimbern mehr oder weniger unumstritten ist, drfte es sich bei den Teutonen eher um Gallier gehandelt haben. Ferner verschleiern die vorhandenen Berichte die eigentlichen Hintergrnde der Auseinandersetzung. Die rmischen Historiker waren vor allem an den Schlachten ihrer Feldherren mit diesen Barbarenvlkern interessiert und dramatisierten die Geschehnisse, indem sie den Kimbern und Teutonen unterstellten, dass sie beabsichtigt htten, Rom einzunehmen, Italien zu verwsten oder gar das Rmische Reich zu vernichten. Mit derartigen Vorwrfen stilisierten sie beide Vlker zur zweiten großen, existenzbedrohenden Gefahr fr die Rmer nach den Galliern, die 387 unter ihrem legendren Heerfhrer Brennus Rom eingenommen hatten.
Gefahr der Kimbern und Teutonen Plutarch, Marius 11,3–5
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Es rckten 300.000 Kmpfer in voller Ausrstung heran, whrend die Massen der Frauen und Kinder, die mit ihnen zogen, angeblich noch weit grßer waren; sie suchten Land, das eine derartige Menschenmenge ernhren sollte, und Stdte, in denen sie sich ansiedeln und leben knnten, so wie vor ihnen die Kelten – wie ihnen berichtet worden war – den besten Teil Italiens den Etruskern entrissen und selbst in Besitz genommen hatten. Da sie aber nicht mit anderen Vlkern in Verbindung gestanden und ein weites Land durchzogen hatten, war nicht bekannt, um welche Menschen es sich handelte und woher sie kamen, als sie wie eine Wetterwolke ber Gallien und Italien hereinbrachen. Wegen ihrer gewaltigen Krpergrße und der hellen Farbe ihrer Augen vermutetet man indes zumeist, dass sie zu den am nrdlichen Ozean wohnenden germanischen Stmmen zhlten, zumal die Germanen Ruber als „Kimbern“ bezeichnen. (bersetzung Goetz-Welwei I 237–239)
Es entspricht eher der Realitt, die Zge der Kimbern und Teutonen in die Wanderbewegungen germanischer Stmme einzuordnen und damit in
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II.
Die Anfnge der rmisch-germanischen Auseinandersetzungen
Grund fr die Auswanderung
Zusammenschluss mit anderen Stmmen
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einen Migrationsprozess, dessen Komplexitt sich dem heutigen Betrachter kaum noch erschließt. So waren gegen Ende des 3. Jahrhunderts die Bastarner in das Gebiet des Donaudeltas am Schwarzen Meer vorgedrungen. 179 berschritten sie die Donau um den Makedonenknig Philipp V. (222–179) in seinem Kampf gegen die Dardaner in Thrakien zu untersttzen. Wie sein Nachfolger Perseus (179–168) wollte er sie zudem als Verbndete im Kampf gegen die Rmer einsetzen. Nach wechselvollen Kmpfen mit den Dardanern zogen sich die Bastarner jedoch wieder zurck. Die Kimbern stammten aus Jtland und Schleswig. Die Ambronen, die sich ihnen anschlossen, kamen ebenfalls aus dieser Gegend; denn der Name der Nordseeinsel Amrum wird mit ihrem Stammesnamen in Verbindung gebracht. Als Grund fr die Auswanderung werden eine Klimaverschlechterung und damit verbundene Missernten oder eine Naturkatastrophe angenommen. So knnen Sturmfluten ihre Siedlungsverhltnisse verschlechtert haben. Hchstwahrscheinlich wanderte nicht der gesamte Stamm der Kimbern aus, sondern nur ein Teil, insbesondere die jngere Bevlkerung, unter ihnen Frauen und Kinder. Ihre Habseligkeiten fhrten sie auf Ochsenkarren mit sich, sodass sich der Treck nur langsam fortbewegte; zudem bestimmte die tgliche Suche nach Nahrung, Futter und Wasser die Marschgeschwindigkeit und letztlich auch die Marschroute. Angesichts einer solchen Ausgangslage drfte es nicht das vorrangige Ziel der Kimbern gewesen sein, irgendwelche Gegenden zu plndern und zu verwsten, sondern sich irgendwo niederzulassen und als Gegenleistung fr das zugewiesene Land ihre Dienste als „Sldner“ oder fr andere Ttigkeiten anzubieten. Deshalb werden die Kimbern nicht einfach losgezogen sein, sondern vorher Kontakte zu den benachbarten Stmmen aufgenommen und Verhandlungen bezglich einer Ansiedlung gefhrt haben. Auf ihrer Wanderung schlossen sich den eigentlichen Initiatoren des Wanderprozesses die Mitglieder anderer germanischer und gallischer Stmme an, sodass sie unter dem Oberbegriff Kimbern einen heterogenen Stammesverband bildeten. Dies erklrt wiederum, warum sie keine zentrale, auf eine einzige Person zugeschnittene Fhrung besaßen, sondern mehrere „Knige“ ber sie herrschten. Trotz ihrer heterogenen Struktur ist in den Kimbern und ihren Verbndeten keineswegs ein bunt zusammengewrfeltes und disziplinloses „Vlkergemisch“ zu sehen. Wie den rmischen Schlachtenberichten zu entnehmen ist, traten sie gut ausgerstet auf und kmpften diszipliniert in Schlachtreihen, was auf Einflsse der Gallier zurckzufhren ist, mit denen sie nher in Kontakt gekommen waren. berhaupt drften die Kimbern auf ihrer Wanderung zunehmend ihre germanische Identitt verloren haben; denn in den von ihnen okkupierten Gebieten lassen sich so gut wie keine Funde nachweisen, die ihnen zugeschrieben werden knnten. Um 120 zogen die Kimbern zunchst nach Bhmen. Welchen Weg sie dabei an der Elbe oder an der Oder entlang einschlugen, bleibt unklar. Von Bhmen ging ihr Zug weiter nach Pannonien in kroatisch-slowenisches Gebiet und von da nach Krnten in das Stammland der Noriker. Offensichtlich bten die in diesen Gebieten verbreitete Oppida-Kultur der Gallier und deren Reichtum an Eisen und Gold eine große Anziehungskraft auf sie aus. Al-
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Kimbern und Teutonen lerdings waren die Kimbern kaum in der Lage, die befestigten Stdte zu erobern, sondern mussten darauf hoffen, von den jeweiligen Landesbewohnern freundlich aufgenommen zu werden, was aber offensichtlich nicht ber einen lngeren Zeitraum hinweg geschah. In Krnten gerieten die Kimbern erstmalig in den Einflussbereich der Rmer. Diese hatten zu Beginn des 2. Jahrhunderts in jahrzehntelangen Kmpfen die Gallier in Oberitalien, in der so genannten Gallia Cisalpina, unterworfen und nahezu ausgerottet. Ab 121 hatten die Rmer zum Schutz der reichen Handelsstadt Massalia (Marseille) Sdgallien unter der Bezeichnung Gallia Transalpina/Narbonensis in Besitz genommen. Als die Kimbern 113 in das Stammesgebiet der Noriker im heutigen Krnten einwanderten, marschierte ihnen der Konsul Cnaeus Papirius Carbo mit seinen Truppen entgegen und griff in der Hoffnung auf einen leicht zu erringenden Sieg ihr Lager an, obwohl sich die Kimbern zuvor in Verhandlungen vershnlich und kompromissbereit gezeigt hatten. Carbos berraschungsangriff misslang vollstndig, nur ein Unwetter bewahrte sein Heer vor der endgltigen Vernichtung. Die Kimbern nutzten die Niederlage der Rmer nicht aus, sondern zogen weiter nach Westen in Richtung Gallien. Ihr Verhalten zeigt, dass die Kimbern kein Interesse hatten sich im Rmischen Reich niederzulassen. Viel wichtiger waren ihnen die Kontakte, die sie offensichtlich zu den Helvetiern besaßen, die damals im Sdwesten Deutschlands beheimatet waren; denn in der Folgezeit schlossen sich ihnen die helvetischen Teilstmme der Tiguriner und Tougener an. Um 110 ließen sich die Kimbern im Rhnetal nieder. Damals baten ihre Gesandten den rmischen Senat um Wohnsitz und Ackerland. Darunter ist wohl kein Gesuch um Aufnahme ins Reichsgebiet zu verstehen, sondern eher das Bestreben, sich die neuen gallischen Besitzungen im Vorfeld der Provinz Gallia Narbonensis von den Rmern besttigen zu lassen. Da der Konsul Marcus Junius Silanus in ihnen eine Bedrohung sah, griff er sie an, musste sich aber geschlagen geben. In den folgenden Jahren dehnten die Kimbern und die mit ihnen verbndeten Stmme ihren Einfluss in Zentralgallien aus. Die Tiguriner brachten 107 dem Heer des Konsuls Lucius Cassius Longinus eine schmachvolle Niederlage bei. Das mit Rom verbndete Tolosa (Toulouse) fiel zu den Kimbern ab. Die Rmer boten nun erneut Truppen zum Schutz ihrer Provinz auf, aber ohne Erfolg. Der Legat Marcus Aurelius Scaurus geriet 105 nach der Niederlage seines Heeres bei Vienne in kimbrische Gefangenschaft. Der Konsul Cnaeus Mallius Maximus wollte daraufhin seine Truppen mit denen des Prokonsuls Quintus Servilius Caepio vereinen, um einer mglichen Bedrohung der Kimbern zuvorzukommen. Caepio gnnte ihm aber nicht den militrischen Erfolg und kam ihm daher zu spt zu Hilfe, nachdem er ein Friedensangebot der Kimbern abgelehnt hatte. Bei Arausio (Orange) musste Mallius eine empfindliche Niederlage gegen die Kimbern hinnehmen. Da sie ausreichend Rckendeckung in ihrem Herrschaftsgebiet hatten, nutzten die Kimbern die Gelegenheit zu weiteren Feldzgen in Gallien aus. Einige ihrer Stammesangehrigen zogen damals sogar ber die Pyrenen bis in den Norden Spaniens, wo sie auf heftigen Widerstand der Keltiberer stießen. Im Norden Galliens wehrten sie die Belger ab. Allerdings schlossen
Kmpfe mit den Rmern
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Die Anfnge der rmisch-germanischen Auseinandersetzungen sich den Kimbern 103/102 – ob erstmals oder erneut, bleibt unklar – die nordgallischen Teutonen im Gebiet von Rouen an. Die andauernden militrischen Erfolge der Kimbern, die in erster Linie auf ein leichtsinniges Verhalten und unkoordiniertes Vorgehen der rmischen Befehlshaber zurckzufhren waren, bewirkten in Rom einen Stimmungsumschwung. Der Konsul Caius Marius, der ein hohes Ansehen unter den Legionren genoss, bernahm jetzt den Oberbefehl in Gallien. Die Kimbern und Teutonen hatten inzwischen die Zielrichtung ihrer Vorstße gendert. Da die Beutezge nach Spanien und Nordgallien wenig erfolgreich verlaufen waren, beabsichtigten sie doch nach Sden in rmisches Gebiet bis auf die Apenninhalbinsel vorzudringen. Allerdings teilten sie sich damals auf; die Teutonen und Ambronen zogen ohne die Kimbern das Rhnetal abwrts. An der Isremndung griffen sie vergeblich das Lager des Marius an, der ihnen daraufhin nachsetzte und sie 102 in in zwei Schlachten bei Aquae Sextiae (Aix-en-Provence) besiegte. Durch diesen Sieg konnte er verhindern, dass sie die Alpen in Richtung Oberitalien berquerten.
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Fortleben
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Caius Marius (etwa 158/157–13.01.86 v. Chr.) Obwohl er nicht aus einer der fhrenden Familien stammte, stieg Marius zu den hchsten mtern Roms auf. Nach seiner Statthalterschaft in Spanien 114 bis 113 nahm er von 108 bis 105 in Nordafrika an den Feldzgen gegen den Numiderfrsten Jugurtha teil. In dieser Zeit wurde er erstmals zum Konsul gewhlt. Mit seinem Namen verbindet sich eine Heeresreform, mit der er die Legionen in kleinere Einheiten unterteilte, die Anforderungen an die Ausbildung der Soldaten erhhte und auch besitzlose Brger in sein Heer aufnahm. Obwohl in Rom die Wiederwahl zum Konsul verboten war, bekleidete er dieses Amt ohne Unterbrechung in der Zeit von 104 bis 100. Danach zog Marius sich aus der Politik zurck, beteiligte sich aber ab 90 an den politischen Machtkmpfen mit dem spteren Diktator Sulla, der ihm einst als Offizier gedient hatte.
Die Kimbern umgingen unterdessen die Alpen. Den Brenner werden sie mit ihren Ochsenkarren wohl schwerlich passiert haben; viel eher drften sie ber die ihnen schon bekannte Gegend im Osten der Alpen in den Nordosten Italiens eingedrungen sein. An der Etsch hatte allerdings der Konsul Quintus Lutatius Catulus bereits mit seinen Truppen Stellung bezogen und erwartete ihren Angriff. Die Kimbern stauten daraufhin das Wasser des Flusses und lenkten es gegen die feindlichen Stellungen. Catulus konnte sich jedoch mit seinen Soldaten noch rechtzeitig zurckziehen. Da eilte ihm Marius zu Hilfe, um noch nrdlich des Pos den Vormarsch der Germanen aufzuhalten. Bei Vercellae – nicht das heutige Vercelli in Piemont, sondern ein Ort zwischen Rovigo und Ferrara – fgten die vereinten rmischen Truppen den Kimbern 101 eine vernichtende Niederlage zu, von der sie sich nicht mehr erholen sollten. Insgesamt sollen bei Arausio und Vercellae 340.000 Kimbern und Teutonen gefallen und 150.000 in Gefangenschaft geraten sein. Was aus den berlebenden Kimbern und Teutonen wurde, ist unbekannt. In der frhen Kaiserzeit existierte der Stamm der Kimbern weiterhin in seiner alten Heimat. Er schickte sogar eine Gesandtschaft an den Kaiser Augustus, die, nachdem sie ihm den heiligsten ihrer Kessel geschenkt hatte, um Freundschaft und Amnestie fr die Untaten ihrer Vorfahren bat. Obwohl der Stamm der Kimbern damals ohne grßere Bedeutung war, haben die Rmer
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Caesars Feldzge gegen die Germanen die Erinnerung an die Kmpfe mit ihnen und den Teutonen in der Folgezeit immer wieder propagandistisch genutzt. Fr Tacitus stellte Carbos Niederlage den Beginn der wechselvollen Kmpfe in Germanien dar. Bereits Caesar diente der Hinweis auf die Bedrohung der Gallia Narbonensis durch die Kimbern und Teutonen auch als Vorwand, um gegen die Sueben des Germanenknigs Ariovist vorzugehen.
2. Caesars Feldzge gegen die Germanen Zu Beginn des 1. Jahrhunderts v. Chr. setzte in Mitteleuropa ein Niedergang der Oppida-Kultur ein, dessen genaue Ursachen und dessen Verlauf im Unklaren bleiben, weil hierber die Schriftquellen schweigen. Da die verlassenen Oppida keine Spuren von Gewalteinwirkungen aufweisen, scheinen sie nicht infolge von Kriegen und Belagerungen verlassen worden zu sein. Daher ist die Vermutung naheliegend, dass die gallische Bevlkerung sie mit ihrem Hab und Gut verließ, weil die konomischen Rahmenbedingungen sich so vernderten, dass ein Leben in den Oppida nicht mehr rentabel erschien. In diesem Prozess drften die in den Oppida ansssigen politischen Fhrungsschichten an Autoritt und Macht verloren haben. Seit der ersten Hlfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. lsst sich anhand archologischer Funde belegen, dass namentlich nicht weiter bekannte Germanenstmme in die gallischen Gebiete vordrangen. Der sdlichste Fundkomplex ist im Gebiet am unteren Main zu finden. Germanische Siedler, deren Keramik auf eine Herkunft aus dem Oder-Warthe-Raum hindeutet, waren wahrscheinlich ber Thringen und von dort ber die Hessische Senke bis in die nrdliche Wetterau eingewandert. Diese Zuwanderung, die sich ber Jahrzehnte hinzog, verlief offensichtlich grßtenteils friedlich. Denn die Einwanderer bewirtschafteten eher die nicht so ertragreichen Bden in der Randlage der Wetterau. Keineswegs vertrieben sie die einheimische Bevlkerung und zerstrten deren Produktionssttten; vielmehr waren sie daran interessiert, dass Handel und Gewerbe in gewohnter Weise bestehen blieben. Dass Germanen in Gebiete der Gallier vordrangen, besttigt Caesar in seinem Bericht ber den Gallischen Krieg. Caesar zufolge holten gallische Stmme germanische „Sldner“ ber den Rhein, damit sie sie im Kampf gegen mchtige Nachbarstmme untersttzten. So hatten die Arverner und Sequaner, die die Auvergne und das Gebiet zwischen dem Schweizer Jura und der Sane bewohnten, sich an einen germanischen Heerfhrer namens Ariovist gewandt, weil sie mit den Haeduern, Verbndeten der Rmer, im Streit um die Vorherrschaft ber Gallien und um die Zolleinnahmen auf der Sane lagen. Welchem Stamm Ariovist angehrte, geht aus Caesars Bericht nicht eindeutig hervor. Es ist jedoch naheliegend, in ihm einen Sueben zu sehen, da die erste seiner beiden bekannten Frauen eine Suebin war und er sie aus seiner Heimat mitgebracht hatte.
Niedergang der Oppida-Kultur
Ariovist
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Die Anfnge der rmisch-germanischen Auseinandersetzungen
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Sieg Ariovists ber die Haeduer
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Sueben Fr Caesar und Strabon stellten sie den grßten und kriegerischsten aller Germanenstmme dar, der das Gebiet zwischen Rhein und Elbe bewohnte und in hundert Gaue aufgeteilt war, von denen jeder 1.000 Krieger zu stellen hatte. Eine ethnische Charakterisierung fllt aus heutiger Sicht schwer, da die rmischen Schriftsteller in ihren Angaben nicht przise sind. Zum einen diente ihnen der Name als Bezeichnung fr einen bestimmten Stamm, zum anderen als Oberbegriff fr zahlreiche Vlker. Nicht auszuschließen ist, dass die Germanen sich ursprnglich selbst so bezeichneten. Der auf verschiedenen archologischen Zeugnissen dargestellte Suebenknoten, bei dem das zur Seite gekmmte Haar zu einem Knoten zusammengebunden wurde, lsst sich auch fr andere Stmme nachweisen. Mit ihm signalisierten seine Trger die Zugehrigkeit zu einem kultischen Verband.
Um 71 setzte Ariovist, der vermutlich bereits ein anerkannter Heerfhrer war, mit angeblich 15.000 bewaffneten Kriegern ber den Rhein. Die Averner und Sequaner sollen ihm als Gegenleistung fr seine militrische Untersttzung Sold angeboten haben, was angesichts des unter den Germanen vorherrschenden Tauschhandels wenig wahrscheinlich ist. Viel eher drften sie Ariovist und seinen Kriegern im Falle eines Sieges einen großen Anteil an der Beute sowie Acker- und Weideland in Aussicht gestellt haben. So lsst sich erklren, warum die Germanen ihre Heimat verließen, sich an dem langwierigen Krieg mit den Haeduern beteiligten und sich nicht wie Sldner nach den ersten Misserfolgen zurckzogen. Denkbar ist aber auch, dass sich Ariovist mit seinen Germanen bereits auf linksrheinischem Gebiet befand und ihn die benachbarten Sequaner deshalb um Hilfe baten. Die Kmpfe zogen sich ungefhr zehn Jahre hin. Es kam immer wieder zu Gefechten, die keine endgltige Entscheidung brachten, obwohl sie fr die Sequaner und ihre germanischen Verbndeten siegreich ausgingen. Erst 61 errang Ariovist bei einem nicht mehr zu identifizierenden Ort namens Magetobriga den entscheidenden Sieg. ber mehrere Monate hatte er sich zuvor mit seinen Kriegern in seinen Lagern und in sumpfigen Gebieten versteckt gehalten. Als die Haeduer die Germanen fr besiegt und vertrieben hielten und daraufhin ihre Truppen auflsten, griffen Ariovists Krieger sie an und unterwarfen sie. Die Haeduer verloren fast ihre gesamte Reiterei und einen großen Teil ihres Adels und mussten nach ihrer Unterwerfung den Sequanern die Shne ihrer Frsten als Geiseln stellen, Tribute zahlen und einen Teil ihrer Grenzgebiete abtreten. Darber hinaus verpflichteten sie sich unter anderem Rom nicht um Hilfe gegen ihre Sieger zu bitten. Ariovist hielt sich nach diesem Sieg nicht mehr an die ursprnglichen Vereinbarungen mit den Sequanern und beanspruchte ein Drittel des fruchtbaren sequanischen Ackerlandes fr sich und seine Krieger. Um seine Besitzungen abzusichern, holte er weitere germanische Vlker zu sich. Bis zum Jahre 58 kamen Angehrige von sieben germanischen Vlkerschaften, nmlich Haruden, Markomannen, Triboker, Vangionen, Nemeter, Sedusier und Sueben ber den Rhein. Ingesamt soll es sich um 120.000 Menschen gehandelt haben. Um sie angemessen zu versorgen, forderte Ariovist die Sequaner auf, ein weiteres Drittel ihres Ackerlandes abzutreten. Bei dem Ackerland handelte es sich sehr wahrscheinlich nicht um einzelne cker, sondern um ein geschlossenes Gebiet; denn Ariovist war daran interessiert, einen eigenen Machtbereich aufzubauen. Um sein Gebiet bes-
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Caesars Feldzge gegen die Germanen ser beherrschen zu knnen, brachte er einige Oppida in seine Gewalt. Den Eindruck einer Fremdherrschaft vermied er, indem er sich seiner neuen Umgebung anpasste und die gallische Sprache erlernte. Da trotz aller Sicherheitsvorkehrungen damit zu rechnen war, dass sich sowohl Sequaner als auch Haeduer gegen ihn auflehnten, suchte sich Ariovist vorsichtshalber außerhalb seines Herrschaftsgebietes mchtige Verbndete. So heiratete er die Schwester Voccios, des Knigs von Noricum (im heutigen Krnten). Beide Herrscher verband ein Misstrauen gegenber dem gallischen Stamm der Boier. Nachdem Voccio diese aus Noricum vertrieben hatte, hatten sie sich mit den Helvetiern zusammengetan, deren Stammesgebiet wiederum an das der Sequaner grenzte. Gleichzeitig nahm Ariovist Kontakte zu fhrenden Politikern der Rmer auf. Sein Ziel war ein Bndnis mit Rom, mit dem er zum einen sein Ansehen steigern, zum anderen sich vor bergriffen besser schtzen und die Haeduer, Roms langjhrigen Bundesgenossen, isolieren konnte. Immerhin hatte der Senat, nachdem sich eine haeduische Gesandtschaft Hilfe suchend an ihn gewandt hatte, 61 beschlossen, dass der jeweilige Statthalter der Gallia Narbonensis die Haeduer und die brigen Freunde des rmischen Volkes verteidigen solle. Allerdings milderte der Senat diesen Beschluss insofern ab, als er ihn mit einer Zusatzklausel versah: Die Statthalter sollten nur dann eingreifen, wenn die Republik davon keinen Schaden nhme. Zwei Jahre spter war Ariovist mit seinen diplomatischen Bemhungen erfolgreich. Gerade im Jahr 59, als Caesar den Konsulat innehatte, verlieh der Senat Ariovist den Ehrentitel Knig und Freund des rmischen Volkes und beschenkte ihn reichlich. Offensichtlich trauten ihm die Politiker in Rom mehr als anderen Stammesfhrern zu, bei Bedarf fr die Sicherheit ihrer gallischen Besitzungen eintreten zu knnen. Caius Julius Caesar (13.07.100 – 15.03.44 v. Chr.) war ber seine Tante Julia mit Marius verwandt. Mit Untersttzung des Feldherrn Pompeius und des Geschftsmanns und Politikers Crassus wurde er zum Konsul fr das Jahr 59 gewhlt. Als Konsul erhielt Caesar den Oberbefehl ber die Provinzen Illyricum, Gallia Cisalpina (Oberitalien) und Gallia Narbonensis. Von der Gallia Narbonensis aus eroberte er ganz Gallien. Sein Kommando wurde zweimal bis Anfang 49 v. Chr. verlngert. Danach kam es zum Brgerkrieg mit seinen politischen Gegnern, den Caesar in fast allen Teilen des Rmischen Reiches fr sich entscheiden konnte; am 15.3.44 fiel er aber einer Verschwrung von Senatoren zum Opfer. Seine Feldzge in Gallien versuchte er in Jahresberichten (commentarii) gegenber dem Senat zu rechtfertigen.
Das Bndnis endete bereits im darauffolgenden Jahr, als Caesar nach Abschluss seines Konsulats in die Gallia Narbonensis kam. Als deren Statthalter gab er die traditionelle Politik der Zurckhaltung und Defensive in Gallien auf. Zunchst wies er die Helvetier in die Schranken, als sie ihr Stammesgebiet verlassen wollten. Als die Haeduer und Sequaner Caesar um Untersttzung gegen Ariovist baten, kam er ihnen ohne zu zgern zu Hilfe. Um die von Ariovist ausgehende Gefahr zu verdeutlichen, beschrieb Caesar ihn als einen barbarischen, jhzornigen, unbesonnenen Menschen, der zudem noch aufgeblasen, arrogant und grausam sei. Allerdings zeigt sein Bericht auch, dass Ariovist ein pragmatisch und durchaus berlegt handelnder
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Krieg mit Caesar
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Die Anfnge der rmisch-germanischen Auseinandersetzungen Heerfhrer war, der ber die politischen Verhltnisse sehr gut informiert war.
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Die Reaktion Ariovists auf Caesars Gesprchsangebot Caesar, Bellum Gallicum 1,34,1–4 (Caesar) beliebte es, an Ariovist Gesandte mit der Forderung zu schicken, er solle einen Ort in der Mitte zwischen beiden zu einer Unterredung whlen: Er wolle ber Staatsangelegenheiten und Dinge, die fr beide von grßter Bedeutung wren, mit ihm verhandeln. Ariovist antwortete dieser Gesandtschaft: Wenn er selbst etwas von Caesar wollte, so wre er zu ihm gekommen, wenn jener etwas von ihm wolle, so msse er schon zu ihm kommen. Außerdem knne er es weder wagen, ohne Heer in jene Teile Galliens zu kommen, die Caesar besetzt halte, noch knne er sein Heer ohne großen Proviant und große Anstrengung an einem Ort zusammenziehen. Auch wunderte es ihn, was Caesar oder berhaupt das rmische Volk in seinem Gallien, das er im Krieg besiegt habe, zu suchen htten. (bersetzung Goetz-Welwei I 283–285)
Auf ein erstes Gesprchsangebot Caesars ging Ariovist nicht ein, da er keine Notwendigkeit hierzu sah und militrisch nicht darauf vorbereitet war. Der rmische Statthalter provozierte ihn mit einer weiteren Gesandtschaft, die ihn an die Ehrung seiner Person durch den Senat erinnerte und aufforderte, keine weiteren Germanen ber den Rhein zu holen und den Haeduern ihre Geiseln zurckzugeben. Ariovist ging auf diese Forderungen nicht ein, zeigte sich aber insofern kompromissbereit, als er versprach, die Haeduer und ihre Verbndeten nicht anzugreifen, wenn sie sich an ihre Vereinbarungen hielten. Die Nachricht, dass der germanische Stamm der Haruden das Gebiet der Haeduer verwstete und 100 Suebengaue am Rhein bereitstnden, um in das Gebiet der Treverer einzuwandern, nahm Caesar zum Anlass, um mit seinen Truppen in das Gebiet der Sequaner nach Vesontio (Besan on) zu marschieren. Er wollte so verhindern, dass sich die Sueben mit Ariovists Heer vereinigten. In Vesontio machte sich Unmut unter den rmischen Soldaten breit, weil sie beunruhigt waren durch Nachrichten ber die Kampfkraft der Germanen. Caesar konnte indes seine Soldaten beschwichtigen und marschierte mit ihnen sechs Tage lang in Richtung oberes Elsass. Am siebenten Tag nherten sie sich wahrscheinlich in der Gegend zwischen Belfort und Montbeliard bis auf 36 km den germanischen Truppen. Weil er von der Wucht des rmischen Vormarsches beeindruckt war, zeigte sich Ariovist gesprchsbereit. Auf einem Erdhgel in der Mitte zwischen ihren Lagern trafen sich die beiden Feldherrn. Da Caesar bei seinen Forderungen blieb und Ariovist die Rechtmßigkeit seiner Herrschaft und seines Handelns betonte, kam keine Einigung zustande. Der Germane wollte einlenken und bot zustzlich an, die Rmer bei einem Abzug reichlich zu belohnen und jeden Krieg, den sie wollten, fr sie zu fhren. Als Caesar kurz darauf ein von ihm unterbreitetes Gesprchsangebot ausschlug, ließ Ariovist unter Verletzung des Gesandtschaftsrechts die rmischen Unterhndler in Ketten legen und rckte mit seinen Soldaten auf Caesars Lager vor, um es von der Zufuhr abzuschneiden. Beide Parteien errichteten ein
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Caesars Feldzge gegen die Germanen zweites Lager und insbesondere die Germanen warteten auf einen gnstigen Moment fr die Schlacht. Als Caesar seine Soldaten in drei Schlachtreihen zum Lager der Feinde fhrte, nahm Ariovist die Herausforderung an und ließ seine Soldaten getrennt nach ihrer Stammeszugehrigkeit Aufstellung nehmen. Damit sie nicht so leicht fliehen konnten, wurden um die Schlachtreihe Wagen und Karren gefahren, von denen aus ihre Frauen sie anflehten, sie nicht in die Hnde der Rmer fallen zu lassen. Da sich die feindlichen Truppen schnell aufeinander zu bewegten, kam es zu einem blutigen Handgemenge, in dem sich die Rmer aufgrund ihrer besseren Ausrstung und grßeren Kampferfahrung als berlegen erwiesen. Caesar erffnete die Schlacht auf dem rechten Flgel, wo er die Germanen schneller zurckdrngen konnte. Mit Hilfe von Reserveeinheiten besiegte er auch den zahlenmßig berlegenen linken Flgel. Die Rmer eroberten schließlich die Wagenburg und tteten viele Frauen und Kinder. Einigen Germanen gelang die Flucht. Verfolgt von der rmischen Reiterei, konnten sie sich bis zum Rhein durchschlagen, der immerhin 75 km vom Schlachtfeld entfernt lag. Durch Schwimmen oder mit Khnen brachten sie sich auf dem rechten Rheinufer in Sicherheit. Ariovist selbst fand ein Boot, mit dem er bersetzen konnte. Auf der Flucht verlor er allerdings seine beiden Frauen und eine Tochter. Eine andere Tochter fiel in die Hnde der Rmer. Insgesamt 80.000 Germanen sollen damals gefallen sein. Das wrde bedeuten, dass Ariovist in einer einzigen Schlacht zwei Drittel seiner Germanen verloren htte. Diese Zahl ist sicherlich zu hoch angesetzt. Allerdings zogen sich die brigen Sueben, als sie die Nachricht von Caesars Sieg erhielten, wieder auf das andere Rheinufer zurck, wo sie in Kmpfe mit den einheimischen Stmmen verwickelt wurden. Andere Stmme, wie die Vangionen und Nemeter, die Ariovist nach Gallien gefolgt waren, blieben auf linksrheinischem Gebiet wohnen. Ariovist starb vor dem Jahr 54 unter großer Anteilnahme der Germanen. Sein Schicksal zeigt, wie schnell im Vorfeld des Rmischen Reiches ein germanisches „Reich“ entstehen und untergehen konnte, das trotz aller diplomatischen Absicherungen nicht auf sicheren Fundamenten stand. Die Niederlage und die Vertreibung von Ariovists Germanen sprachen sich rasch stlich des Rheins herum, die sich dort vollziehenden Wanderbewegungen hielten sie indes nicht auf. So mussten, bedrngt von den Sueben, die beiden am Niederrhein wohnenden Stmme der Usipeter und Tenkterer ihre Gebiete verlassen und wollten nach einem drei Jahre whrenden Zug durch Germanien 55 ber den Rhein in das Land der gallischen Menapier einwandern und diese vertreiben. Die Menapier zogen sich daraufhin auf das linke Rheinufer zurck, wohin ihnen die Germanen nicht folgen konnten, weil sie nicht gengend Schiffe besaßen, um den Fluss zu berqueren. Die Germanen tuschten daraufhin ihren Rckzug vor und die Menapier kehrten zurck. Die Germanen konnten sie nun berwltigen und mit den erbeuteten Schiffen die Menapier auf der anderen Rheinseite bezwingen. Danach unternahmen die Usipeter und Tenkterer Streifzge in die Gebiete der mit den Treverern verbndeten Eburonen und Kondrusen. Dabei war es nicht ihre Absicht einen Konflikt mit den Rmern zu provozieren, die inzwischen weite Teile Galliens unter ihre Herrschaft gebracht hat-
Niederlage Ariovists
Konflikt mit den Usipetern und Tenkterern
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Die Anfnge der rmisch-germanischen Auseinandersetzungen ten. Caesar setzte allerdings nach Absprache mit gallischen Frsten seine Truppen gegen sie in Bewegung. Er wollte eine weitere Expansion der Germanen verhindern. Als sich das rmische Heer nherte, schickten die Usipeter und Tenkterer eine Gesandtschaft zu Caesar. Sie bat Caesar mit dem Hinweis auf ihre Vertreibung durch die Sueben, ihnen Land zuzuweisen oder den Besitz des bereits okkupierten Landes zu besttigen. Caesar lehnte eine Ansiedlung der Usipeter und Tenkterer in Gallien strikt ab und bot ihnen lediglich an, sich rechts des Rheines in den von den Ubiern verlassenen Gebieten niederzulassen. Dies htte bedeutet, dass sich die Usipeter und Tenkterer in das Gebiet um den Dnsberg nordwestlich von Gießen htten begeben mssen. Da ihre Reiterei die Maas berschritten und die Ambivariten angegriffen hatte, ließ Caesar den Gesandten kaum Zeit sich mit ihren beiden Stmmen zu beraten und rckte weiter vor. Die Usipeter und Tenkterer befanden sich in einer solchen Notsituation, dass sie Caesars Vorschlag zur Umsiedlung zustimmen wollten, wenn sich die Fhrung der Ubier durch Eid zu Zugestndnissen bereit erklrte. Obwohl sie einlenkten und ihre Forderungen durchaus berechtigt waren, misstraute ihnen Caesar und suchte geradezu den Kampf mit ihnen, bevor sich alle ihre Truppen gegen ihn vereinigen konnten. Nachdem germanische Reiter Caesars Reiterei zu einem Gefecht provoziert hatten, nahm er am darauffolgenden Tag die fhrenden Mnner der Usipeter und Tenkterer gefangen, die zu ihm gekommen waren, um das Vorgehen ihrer Leute zu rechtfertigen. Die rmischen Truppen rckten unterdessen in einem Gewaltmarsch gegen das Lager der nun fhrungslosen Germanen vor, das sich nicht weit vom Zusammenfluss von Maas und Rhein befand. Die vllig berraschten Usipeter und Tenkterer gaben sich schnell geschlagen. Viele flohen zur Maasmndung, wo sie in den Fluten der beiden Flsse umkamen. Die rmischen Soldaten kannten selbst gegenber den Frauen und Kindern der Germanen kein Erbarmen. Caesars Vorgehen, vor allem die Verletzung des Gesandtschaftsrechtes, lste in Rom heftigen Protest aus, der aber ohne Wirkung auf die Ereignisse in Gallien blieb. Ein Teil der besiegten Usipeter und Tenkterer, insbesondere ihre schlagkrftige Reiterei, fand Zuflucht bei den Sugambrern, die zwischen Lippe und Sieg lebten. Da sie auf diese Weise Verstrkung erhielten, whnten sich die Sugambrer stark genug, Caesars Forderung nach Auslieferung der zu ihnen geflohenen Germanen abzulehnen. Nach Caesar sollen sie damals die rmischen Gesandten mit der Bemerkung abgefertigt haben, dass die Herrschaft des rmischen Volkes am Rhein ende: Das klingt so, als ob die Germanen trotz der noch relativ instabilen Verhltnisse in Gallien bereits Caesars geostrategisches Ziel bernommen und anerkannt htten. Das ist aber unwahrscheinlich, vielmehr scheint Caesar eine hnlich lautende Formulierung in seinem Sinn umgedeutet zu haben.
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Grnde fr den Rheinbergang Caesar, Bellum Gallicum 4,16,1–4 Nach Beendigung des germanischen Krieges glaubte Caesar aus vielen Grnden, den Rhein berschreiten zu mssen. Der triftigste war, dass er in der Erkenntnis,
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Caesars Feldzge gegen die Germanen
wie leicht die Germanen dazu zu bewegen waren, nach Gallien zu kommen, wollte, dass sie ihrerseits um ihre eigenen Gter frchteten, wenn sie shen, dass auch ein Heer des rmischen Volkes die Macht und den Mut hatte, den Rhein zu berschreiten. Hinzu kam noch, dass jener Teil der Reiterei der Usipeter und Tenkterer, der, wie oben erwhnt, zur Plnderung und Getreidebeschaffung die Maas berschritten und nicht an der Schlacht teilgenommen hatte, sich nach der Flucht ihrer Leute ber den Rhein in die Gebiete der Sugambrer zurckgezogen und sich mit ihnen verbunden hatte. Als Caesar Gesandte zu diesen geschickt hatte, um von ihnen die Auslieferung derjenigen zu fordern, die den Krieg gegen ihn und Gallien begonnen htten, antworteten sie: Die Herrschaft des rmischen Volkes hre am Rhein auf; wenn er es missbillige, dass die Germanen gegen seinen Willen nach Gallien herberkmen, weshalb beanspruche er dann seinerseits irgendeine Herrschaft oder Macht jenseits des Rheins? (bersetzung Goetz-Welwei I 327)
Das Verhalten der Sugambrer und ein Hilfegesuch der Ubier, die sich in ihrem Gebiet zwischen Sieg und Taunus bedrngt sahen, nahm Caesar zum Anlass, eine Strafexpedition in rechtsrheinisches Gebiet zu unternehmen. Er ließ zu diesem Zweck im Bereich des Neuwieder Beckens eine Brcke ber den Rhein bauen. Bereits kurz nach der berquerung des Rheins unterwarfen sich ihm mehrere Stmme und boten Frieden an, um einer verlustreichen Auseinandersetzung zu entgehen. Allerdings waren ihre Befrchtungen unbegrndet. Da die Germanen stlich des Rheins keine grßeren befestigten Orte besaßen, sondern ber das Land verteilt in kleineren Siedlungen lebten, die sie schnell aufgeben konnten, boten sie nur wenige Angriffspunkte. Sowohl die Sugambrer als auch die Sueben zogen sich in entlegene, durch die Wlder geschtzte Gebiete zurck. Caesar war vorsichtig genug, um keine Entscheidungsschlacht mit ihnen zu suchen und trat bereits nach 18 Tagen, in denen er die Drfer und Huser der Sugambrer und deren Getreidevorrte vernichtet hatte, den Rckzug ber den Rhein an. Die von ihm erbaute Brcke ließ er abreißen. Allein die Tatsache, dass er als erster Rmer den Rhein berquerte hatte, reichte aus um seinen Ruhm zu mehren. Die abschreckende Wirkung dieser Militroperation hielt nicht lange an. Da die Sueben mit Truppen aufstndische Gallier untersttzten, ließ Caesar 53 erneut eine Brcke ber den Rhein schlagen, die etwas oberhalb der ersten Brcke lag. Die Sueben zogen ihre Truppen am Anfang eines Waldes am Rande des deutschen Mittelgebirgsraumes namens Bacenis zusammen. Aus Sorge, bei einem zu weiten Vormarsch ins Landesinnere nicht mehr ausreichend mit Getreide versorgt zu werden, vermied Caesar wiederum einen Kampf und beließ es bei einer bloßen Machtdemonstration. An der Rheinbrcke, die er nur zu einem Teil abreißen ließ, errichtete er einen Schutzposten. Dies hinderte die Sugambrer nicht daran, den Fluss zu berqueren. 45 km unterhalb der Rheinbrcke drangen 2.000 Reiter zu einem Raubzug in das Gebiet der gerade von Caesar unterworfenen Eburonen ein. Als sie erfuhren, dass in Aduatuca (Tongern) die rmischen Legionen ihr Vermgen gelagert hatten, nderten sie ihren Plan und griffen das Kastell an. Nur mit Mhe konnten die rmischen Soldaten einen Erfolg der Sugambrer verhindern, die sich daraufhin ungehindert mit ihrer Beute ber den Rhein zurckzogen.
Caesars Vorstße ber den Rhein
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III. Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit 38 v. Chr. 16 v. Chr. 12–9 v. Chr. 9 n. Chr. 13–16 69–70 166–180
Rheinbergang Agrippas Sieg der Sugambrer, Usipeter und Tenkterer ber Lollius Eroberung Germaniens durch Drusus Sieg des Cheruskerfrsten Arminius ber Varus Feldzge des Germanicus Bataveraufstand Markomannenkriege
1. Die Einrichtung der Provinz Germanien und die Erhebung des Arminius
Vorstße der Rmer nach Germanien
Niederlage des Lollius
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Fr die Zeit nach dem Gallischen Krieg liegen keine detaillierten und zeitgenssischen Berichte ber die rmisch-germanischen Beziehungen und schon gar nicht ber die innergermanischen Verhltnisse vor, sodass sich das Ausmaß und die Intensitt der Kontakte nicht genau einschtzen lsst. Letztlich muss oft anhand vereinzelter, in sich widersprchlicher Nachrichten in verschiedenen Geschichtswerken und anhand archologischer Funde (insbesondere von Militrlagern) der Verlauf der Ereignisse rekonstruiert werden. Nach Caesars Abzug aus Gallien blieb es an der Rheingrenze relativ ruhig. Obwohl das Rmische Reich in den darauffolgenden Jahren durch den Brgerkrieg geschwcht war, nutzten germanische Stmme offenbar nicht die Situation fr Einflle und Raubzge nach Gallien aus, was dafr spricht, dass Caesars Maßnahmen eine abschreckende Wirkung gehabt hatten. Dieser Zustand hielt gut zehn Jahre lang an. Danach kam es zu Auseinandersetzungen am Untermain und im Gebiet stlich des Niederrheins bis zur Elbe. 38 v. Chr. berschritt Marcus Vipsanius Agrippa (64/63–12 v. Chr.), ein enger Vertrauter des spteren Kaisers Augustus, als zweiter rmischer Feldherr den Rhein, weil Germanen die von ihm besiegten aufstndischen Gallier untersttzt hatten. Nonius Gallus unterwarf 30/29 die Treverer, die ebenfalls Germanen zu Hilfe geholt hatten, und Caius Carrinas drngte die Sueben ber den Rhein zurck. Als Germanen rmische Hndler, die in ihr Stammesgebiet gekommen waren, tteten, unternahm Marcus Vinicius wahrscheinlich im Jahr 25 v. Chr. eine Strafexpedition gegen sie. 20/19 v. Chr. kam Agrippa erneut als Statthalter nach Gallien, unter anderem um die Bewohner seiner Provinz vor bergriffen der Germanen zu schtzen. Bald darauf fand ein Aufsehen erregendes Ereignis statt: Die Sugambrer, Usipeter und Tenkterer kreuzigten 16 v. Chr. rmische Offiziere, die zu ihnen gekommen waren, um die vereinbarten Tribute einzufordern, und fielen dann plndernd in Gallien ein. Einer Kavallerieeinheit, die sie verfolgte,
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Die Einrichtung der Provinz Germanien stellten sie eine Falle und stießen bei ihrem Vormarsch unerwartet auf die 5. Legion des Legaten Marcus Lollius. Die Niederlage, die sie ihr zufgten, war nicht so groß wie die Schmach, dass auf rmischem Gebiet eine Legion besiegt worden war und dabei ihr Feldzeichen, den Adler, verloren hatte. Als sowohl Augustus als auch Lollius eine Strafexpedition gegen die drei Germanenstmme planten, wichen diese rechtzeitig ber den Rhein aus und schlossen mit den Rmern Frieden, indem sie Geiseln stellten. Die Niederlage des Lollius wird als Grund fr die Großoffensive gesehen, die Kaiser Augustus (27 v. Chr. – 14 n. Chr.) wenige Jahre spter gegen die Germanen einleitete. Allerdings lsst sich ein solcher Zusammenhang anhand der sprlichen Informationen nicht herstellen. Denkbar ist, dass bereits Agrippa whrend seiner zweiten Statthalterschaft in Gallien zusammen mit Augustus eine grßere Militroperation plante. Ein wichtiges Ziel der Großoffensive drfte die dauerhafte Sicherung Galliens vor germanischen Einfllen gewesen sein. Angaben in seinem Tatenbericht sprechen dafr, dass Augustus von dem Ehrgeiz besessen war, das Werk seines Adoptivvaters Caesar fortzusetzen und ihn mit der Eroberung Germaniens noch zu bertrumpfen – ein Erfolg, der wiederum seine Herrschaft festigte. Da 15 v. Chr. der Alpenraum unter rmische Herrschaft gelangt war, kann man auch eine grßere geopolitische Konzeption des Augustus mit Elbe und Donau als neuen, gnstigeren Reichsgrenzen annehmen.
Augustus ber seine Germanienpolitik Res gestae divi Augusti 26,1–4
Großoffensive des Augustus
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In allen Provinzen des rmischen Volkes, denen Vlkerschaften benachbart waren, die unserem Befehl (noch) nicht gehorchten, habe ich die Grenzen erweitert. Die gallischen und spanischen Provinzen und ebenso Germanien, soweit sie der Ozean von Cadiz bis zur Elbemndung umschließt, habe ich unterworfen. Die Alpen ließ ich von der Gegend nahe dem Adriatischen bis zum Tyrrhenischen Meer unterwerfen, ohne unrechtmßig gegen ein Volk Krieg zu fhren. Meine Flotte segelte von der Rheinmndung gegen Sonnenaufgang ber den Ozean bis zum Gebiet der Kimbern, wohin weder zu Lande noch zu Wasser je zuvor ein Rmer gelangte; und die Kimbern, Charyden, Semnonen und andere Germanenvlker dieser Gegend erbaten durch Gesandte meine Freundschaft und die des rmischen Volkes. (bersetzung Goetz-Welwei II 43)
Die Operation wurde minutis geplant. Die Rmer waren offensichtlich genau ber die Verhltnisse in Germanien informiert. Dabei kam ihnen zugute, dass die Germanenstmme keine einheitliche Front bildeten, sondern sich in pro- und antirmische Gruppen aufteilten. Als Ausgangsbasis fr die geplanten militrischen Operationen dienten die Militrlager in Castra Vetera (nahe Xanten) und Mogontiacum (Mainz); von dort konnten die Legionen entlang der Lippe und ber die Untermainebene und Wetterau in das Innere Germaniens vorstoßen. Mit der Leitung des Germanienfeldzuges betraute Augustus seinen jngeren Stiefsohn Drusus (38–9 v. Chr.). Nachdem er die antirmischen Krfte in Gallien zum Schweigen gebracht hatte, wehrte Drusus 12 v. Chr. eine Invasion der Germanen ab und setzte am Nie-
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III.
Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit
Feldzge des Tiberius
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derrhein nahe der Bataverinsel zuerst in das Gebiet der Usipeter ber, um von dort in das Gebiet der Sugambrer vorzustoßen. Nach dessen Verwstung fuhr Drusus mit seiner Flotte bis zur Rheinmndung, verbndete sich mit den an der Nordseekste lebenden Friesen und berfiel mit deren militrischer Untersttzung die Chauken im Mndungsgebiet der Elbe. Im Frhjahr des Jahres 11 v. Chr. unterwarf Drusus erneut die Usipeter, ließ eine Brcke ber die Lippe errichten, um so besser in das Gebiet der Sugambrer und Cherusker bis zur Weser vorstoßen zu knnen. Dabei nutzte er die Lage der Sugambrer aus, die damals gegen die Chatten, die ihre Herrschaft bis ins Rhein-Main-Gebiet ausgedehnt hatten, zu Felde zogen und sich der Bedrohung durch die Rmer nicht bewusst waren. Weil ihm der Proviant ausging und der Winter einsetzte, kehrte Drusus an der Weser wieder um. Obwohl er ganz bewusst durch das Gebiet befreundeter Stmme zog, versuchten Germanen ihn immer wieder aus dem Hinterhalt zu berfallen. Gegen die diszipliniert kmpfenden rmischen Soldaten waren sie aber im Nahkampf unterlegen. Nach seiner Rckkehr ließ Drusus am Zusammenfluss von Lippe und Elison wohl in Oberaden bei Bergkamen ein Kastell zur Kontrolle der Sugambrer und ein weiteres am Rhein zur Kontrolle der Chatten errichten. Wahrscheinlich von Mogontiacum (Mainz) aus unternahm Drusus 9 v. Chr. zunchst einen Feldzug gegen die Chatten und danach gegen die Sugambrer und Cherusker. Diesmal berquerte er die Weser und gelangte bis zur Elbe, wo er ein Siegesdenkmal errichtete. Auf dem Rckzug starb er nach einem Sturz von seinem Pferd. Sein lterer Bruder Tiberius (42 v. Chr. – 37 n. Chr.) erhielt daraufhin von Augustus das Oberkommando in Germanien. Ihm gelang 8 bis 6 v. Chr. die Unterwerfung aller Germanenstmme zwischen Rhein und Elbe. Um die Zeitenwende wagte der Statthalter Lucius Domitius Ahenobarbus einen erneuten und weiter reichenden Vorstoß ber die Elbe. Die dort lebenden Germanen leisteten ihm keinen Widerstand und schlossen sogar einen Bndnisvertrag mit ihm. Bei seiner Rckkehr an den Rhein mischte sich Ahenobarbus in einen Streit der Cherusker ein. Diese waren hchstwahrscheinlich in eine pro- und antirmische Partei gespalten. Letztere hatte ihre Gegner vertrieben. Indem Ahenobarbus andere Germanen als Vermittler einschaltete, wollte er den vertriebenen Cheruskern ihre Rckkehr ermglichen. Jedoch scheiterten seine Bemhungen klglich und erhhten nur noch den Unmut gegen die Rmer. Kurze Zeit spter brach in Germanien ein grßerer Krieg aus, den der Statthalter Marcus Vinicius nur teilweise fr sich entscheiden konnte, ehe ihn im Jahre 4 n. Chr. unter dem Jubel der Soldaten Tiberius ablste. Er besiegte die Canninefaten, Attuarier und Brukterer und unterwarf auch die Cherusker, die den Weserbergang beherrschten. Dann drang er ber die Weser weiter nach Germanien vor. Nachdem seine Truppen an der Lippe berwintert hatten, stießen sie bis zur Elbe vor, wo sie auf eine rmische Flotte trafen, die entlang der Nordseekste gesegelt war. Um das Jahr 5 n. Chr. galten die germanischen Stmme zwischen Rhein und Elbe als unterworfen. Tiberius wandte sich nun einem anderen ernst zu nehmenden Gegner zu. Maroboduus, der in jungen Jahren in Rom gelebt und von Augustus auf nicht nher bezeichnete Weise ausgezeichnet wor-
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Die Einrichtung der Provinz Germanien den war. Er war nach seiner Rckkehr 8 v. Chr. mit Sueben und Markomannen aus dem Maingebiet in das bevlkerungsarme Bhmen ausgewandert, wo zwanzig Jahre zuvor die Oppida-Kultur zu Ende gegangen war. Dort unterwarf Maroboduus die einheimische Bevlkerung und dehnte danach seine Herrschaft bis an die Elbe zu den Langobarden aus. Fr die Rmer stellte sein Reich insofern eine Gefahr dar, als er ihren Gegnern Zuflucht und Rckendeckung bot. Im Jahr 6 n. Chr. wollte Tiberius es mit zwlf Legionen wohl von dem Rmerlager bei Marktbreit am Main und von Carnuntum (Bad Deutsch-Altenburg) aus in einer Zangenoperation angreifen, jedoch musste er mit Maroboduus notgedrungen Frieden schließen, als in Pannonien ein Aufstand ausbrach. Umstritten war lange Zeit, mit welcher Intensitt die Rmer seit 12 v. Chr. versuchten ihre Herrschaft in Germanien zu etablieren. Die Aussagen in Werken rmischer Historiker, nach denen die Rmer eine dauerhafte Beherrschung dieses Gebietes anstrebten, wurden zunchst angezweifelt, neue archologische Funde haben sie indes besttigt. Diese lassen vermuten, dass Germanien zumindest teilweise provinzialisiert werden sollte. Denn in Waldgirmes im Lahntal entstand eine zivile rmische Siedlung und das Militrlager Haltern wurde auch fr zivile Zwecke genutzt. Im nrdlichen Sauerland und mglicherweise auch im Bergischen Land existierten kaiserliche Minen, die Blei produzierten, was wiederum eine entsprechende Infrastruktur voraussetzte. Auf dem Gebiet der Ubier wurde nach 8 v. Chr. eine Stadt, die sptere Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Kln), gegrndet und mit monumentalen Bauwerken ausgestattet. Als zentraler Ort fr den Kaiserkult zog sie Abgesandte germanischer Stmme an.
Germanien als rmische Provinz Velleius Paterculus 2,97,4 Die Last dieses Krieges wurde dann auf Nero (gemeint ist Tiberius) bertragen: Er leitete ihn dank seiner Tapferkeit und seines Glckes und durchzog als Sieger alle Teile Germaniens ohne jeden Verlust in dem ihm anvertrauten Heer, was diesem Feldherrn stets besonders am Herzen lag; er hat es so gnzlich bezwungen, dass er es beinahe zu einer tributpflichtigen Provinz machte. (bersetzung Goetz-Welwei II 17) Cassius Dio 56, 18,1–3
Germanien als rmische Provinz
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Die Rmer hatten dieses Gebiet nicht als geschlossenes Territorium in ihrem Besitz, sondern beherrschten nur Teile, wie diese gerade unterworfen worden waren. Daher wird dieser Aspekt in der geschichtlichen berlieferung auch nicht erwhnt; ihre Truppen berwinterten dort und grndeten Stdte, und die Barbaren passten sich an ihre Ordnung an, gewhnten sich an Mrkte und trafen sich in friedlichen Versammlungen. Sie vergaßen freilich nicht ihre traditionellen Bruche, ihre angestammte Art und ihre auf dem Recht des Waffentragens beruhende freie Lebensweise. Daher waren sie nicht emprt ber die Vernderung ihres Lebens und bemerkten den Wandel kaum, solange sie nur allmhlich und nach einem behutsamen Verfahren ihre alten Gewohnheiten verlernten. (bersetzung Goetz-Welwei II 53–55)
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III.
Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit Varus
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Erhebung des Arminius
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Trotz ihrer militrischen und zivilisatorischen Anstrengungen hatten die Rmer das Gebiet zwischen Rhein und Elbe noch lange nicht befriedet und unter Kontrolle. Unter dem Statthalter Publius Quinctilius Varus nahm der Unmut vieler Germanen gegen die rmische Herrschaft wieder zu. Im Umgang mit ihren Stammesfrsten ließ Varus das ntige Fingerspitzengefhl vermissen und vergriff sich im Ton, gerade wenn es um die Zahlung von Tributen ging. Jedoch ist zu bedenken, dass fr die Erhebung der Steuern damals nicht der Statthalter, sondern der Finanzprokurator verantwortlich war. berdies hatte der Prozess der Provinzialisierung schon vor Varus’ Statthalterschaft eingesetzt, sodass der nicht nher zu bestimmende Unmut nicht allein auf sein Verhalten zurckzufhren ist. Publius Quinctilius Varus (47/46 v. Chr. – 9 n. Chr.) Aufgrund einer ußerung des rmischen Historikers Velleius Paterculus wurde in Varus ein wenig agiler, minderbemittelter und unerfahrener Feldherr gesehen. Mit diesem negativen Urteil sollte wahrscheinlich nachtrglich seine schmachvolle Niederlage gerechtfertigt werden. Neuere Untersuchungen kommen indes zu einem anderen Ergebnis. Varus gehrte zum unmittelbaren Umfeld des Kaisers Augustus, den er 22 bis 19 als Quaestor auf einer Reise in den Osten begleitete und der ihm danach verantwortungsvolle Aufgaben bertrug. 15 v. Chr. hatte Varus das Kommando ber die 19. Legion inne und nahm unter seinem Schwager und spteren Mitkonsul Tiberius an der Okkupation des Alpenraumes teil. 8 bis 7 und 6 bis 4 v. Chr. leitete er die Provinzen Africa und Syrien, bevor ihn Augustus 7 n. Chr. nach Germanien schickte, wo er zwei Jahre spter im Kampf gegen aufstndische Germanen fiel.
An die Spitze dieser antirmischen Bewegung setzten sich mit anderen Stammesfrsten der Cherusker Sigimer und dessen Sohn Arminius, obwohl oder gerade weil sie das persnliche Vertrauen des Varus besaßen und oft bei ihm zu Gast waren. Dabei mag bei ihnen auch machtpolitisches Kalkl eine Rolle gespielt haben; denn indem sich Arminius mit seinem Vater zum Sprecher der antirmischen Partei machte, gewann er an Einfluss gegenber Vertretern der prormischen Partei, die sich angesichts dieser Situation eher zurckhielten. Arminius (18 v. Chr. – 19 n. Chr.) stammte aus einer der fhrenden Familien der Cherusker. In jungen Jahren kam er als Geisel zu den Rmern und erhielt wie andere Germanen seines Standes das rmische Brgerrecht. Sein vollstndiger Name drfte daher Caius Julius Arminius gelautet haben. Zudem erwarb er den Rang eines Ritters und wurde vermutlich als Prfekt einer aus Cheruskern bestehenden Militreinheit in Pannonien whrend des Aufstandes 7 n. Chr. eingesetzt. In dieser Funktion kehrte er wahrscheinlich 8 oder 9 n. Chr. nach Germanien zurck. Arminius, der mit Thusnelda, der Tochter seines Widersachers Segestes, verheiratet war, herrschte zwlf Jahre ber die Cherusker, bevor er ermordet wurde.
Mit seiner großen berzeugungskraft gelang es Arminius viele Stammesfrsten fr einen Aufstand zu gewinnen. Sie wiegten Varus in Sicherheit, indem sie seine weisen richterlichen Entscheidungen lobten und die Segnungen der rmischen Herrschaft priesen. Als einzelne Stmme um militrische
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III.
Die Einrichtung der Provinz Germanien Untersttzung baten, schickte der Statthalter ihnen Soldaten und dezimierte so seine eigenen Truppen. Varus fhlte sich so sicher, dass er Warnungen aus seiner engsten Umgebung in den Wind schlug. Selbst der Cherusker Segestes, ein fhrender Vertreter der prormischen Partei, der ihn bei einem Gastmahl riet, Arminius und andere Frsten wegen eines bevorstehenden Aufstandes in Fesseln legen zu lassen, fand bei ihm kein Gehr. Als Varus erfuhr, dass in entfernt gelegenen Gebieten ein Aufstand ausgebrochen sei, rckte er bedenkenlos mit drei Legionen, drei Alen und sechs Kohorten aus. Der umfangreiche Tross, den er mit sich fhrte, deutet darauf hin, dass der Marsch fr die Rmer eine geplante Unternehmung war. Unter dem Vorwand, weitere Truppen fr Varus zu rekrutieren, entfernten sich germanische Verbndete von dem Heer, mobilisierten ihre Landsleute und berfielen rmische Einheiten in ihren Stammesgebieten. In dem unwegsamen, bergigen Gelnde kamen die schwer bewaffneten Truppen des Varus nur langsam voran. Außerdem machten ihnen starker Regen und Sturm zu schaffen. Als ihre Marschordnung immer mehr durcheinandergeriet, griffen die Germanen, die aufgrund ihrer Bewaffnung den Legionren in einer offenen Feldschlacht unterlegen waren, die rmischen Truppen aus dem Dickicht der Wlder an. Drei Tage zogen sich auf diese Weise die Kmpfe zwischen Rmern und Germanen hin, bis am vierten Tag die Germanen, die immer wieder Zulauf erhalten hatten, ihre Feinde umzingelten und niedermetzelten. Angesichts der aussichtslosen Lage begingen Varus und einige seiner Offiziere und Soldaten Selbstmord, whrend andere zu fliehen versuchten. Allerdings entkamen nur wenige. Auf Geheiß des Arminius gingen die Germanen grausam mit den Legionren um, die in ihre Hnde fielen. Sie wurden gefoltert, gehngt oder an Altren den Gttern geopfert. Varus’ halbverbrannter Leichnam wurde zerstckelt, seinen Kopf schickte Arminius dem Markomannenknig Maroboduus als Beweis fr seinen Triumph. Der genaue Ort des Schlachtfeldes ist nicht berliefert, nur dass er im Teutoburgiensis saltus lag, der allerdings nicht mit dem heutigen Teutoburger Wald gleichzusetzen ist. Diese Tatsache hat Anlass zu zahlreichen Spekulationen und Lokalisierungsversuchen gegeben. Neuere Funde von Mnzen, Waffen und Ausrstungsgegenstnden sprechen dafr, dass bei Kalkriese im Osnabrcker Land an einem Engpass zwischen einem Berg und einem Moorgebiet einer der letzten Kmpfe dieses Feldzuges stattfand. Wenn die Rmer das bei Barkhausen nahe Minden entdeckte Marschlager benutzt haben sollten, dann sind sie von dort entlang des Wiehengebirges marschiert. Untersuchungen von Pflanzenresten haben ergeben, dass Germanien damals nicht so dicht bewaldet war, wie gemeinhin angenommen wird. berhaupt waren die Wegeverhltnisse besser als gedacht; denn ansonsten htte Arminius nicht in kurzer Zeit so viele Stmme mobilisieren knnen. Das bedeutet wiederum, dass die rmischen Historiker die Umstnde der Katastrophe dramatischer darstellten, um die Niederlage ihrer Landsleute zu entschuldigen. Arminius’ Sieg war nur der Auftakt zu einer Reihe langwieriger und zermrbender Kmpfe mit den Rmern, die die Cherusker spalten sollten. Bereits im Jahre 10 n. Chr. beauftragte Augustus seinen Adoptivsohn Tiberius
Feldzge des Germanicus
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III.
Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit ein weiteres Mal in Germanien fr Ruhe und Ordnung zu sorgen. Tiberius war zunchst auf die Sicherung des Rheines als Reichsgrenze bedacht und mied groß angelegte Feldzge. 13 n. Chr. bergab Augustus dann Germanicus, dem von Tiberius adoptierten Sohn des Drusus, die Befehlsgewalt ber die Truppen am Rhein. Mit acht von 25 Legionen befehligte er fast ein Drittel der gesamten rmischen Streitmacht und damit ein wesentlich grßeres Heer als Varus. Seine Aufgabe bestand auch nach Augustus’ Tod im Jahre 14 n. Chr. darin, nicht nur die Niederlage des Varus zu rchen und das Ansehen Roms und seiner Truppen in Germanien wiederherzustellen, sondern durch gezielte weit reichende Vorstße den Widerstand der Germanen endgltig zu brechen. Die Voraussetzungen hierfr schienen gnstig, zumal bei den Cheruskern nach dem Sieg ber Varus die alten Feindseligkeiten wieder offen ausbrachen. Segestes, der sich whrend des Kampfes gegen Varus noch bedeckt gehalten hatte, machte sich zum Wortfhrer der prormischen Adelspartei und damit zum direkten Widersacher des Arminius, der Thusnelda, Segestes’ Tochter entfhrt und geheiratet hatte, obwohl sie bereits mit einem anderen Mann verlobt war. Als Segestes im Jahre 15 seine hochschwangere Tochter zurckholte, ließ Arminius Segestes mit seinem Gefolge einkreisen und belagern, dieser bat daraufhin Germanicus um Hilfe. Der rmische Feldherr befreite Segestes und befahl spter, Thusnelda und ihren Sohn Thumelicus nach Italien zu bringen. In Ravenna hielten die Rmer Thumelicus jahrelang als Faustpfand fest. Gegen die Truppen des Germanicus setzte Arminius seine bewhrte Taktik mit Angriffen aus dem Hinterhalt fort, wenn auch nicht mit demselben Erfolg wie gegen die Truppen des Varus. Nachdem die Rmer im Jahr zuvor gezielte Einzelaktionen durchgefhrt hatten, gingen sie 15 entsprechend den Planungen ihres Oberbefehlshabers dazu ber, durch eine groß angelegte Offensive die Germanen strker unter Druck zu setzen. Als rmische Soldaten in das Gebiet der in Hessen lebenden Chatten einfielen, konnten diese den mit ihnen verbndeten Cheruskern nicht, wie geplant, zu Hilfe kommen, weil rmische Einheiten sie an verschiedenen Stellen attackierten. Nach Thusneldas Auslieferung gewann Arminius, zumal Segestes zum Feind bergelaufen war, viele Cherusker und benachbarte Stmme fr einen Feldzug gegen Germanicus. Selbst sein Onkel Inguiomerus schloss sich ihm, trotz seiner guten Beziehungen zu den Rmern, an. Die von den Rmern erhoffte Spaltung der Cherusker fand somit nicht statt. Allerdings ging zunchst nicht Arminius, sondern Germanicus in die Offensive, nachdem er zuvor die Sttten der so genannten Varuskatastrophe aufgesucht und den Gefallenen die letzte Ehre erwiesen hatte.
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Bestattung der Gefallenen Tacitus, Annales 1,62,1–2 So bestattete das anwesende rmische Heer sechs Jahre nach der Katastrophe traurig und erbittert zugleich die Gebeine der drei Legionen und niemand wusste, ob er die berreste von Fremden oder die seiner Angehrigen begrub, alle waren
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III.
Die Einrichtung der Provinz Germanien
wie Vertraute und Verwandte, whrend die Wut auf den Feind wuchs. Das erste Rasenstck beim Bau des Grabhgels legte Caesar (Germanicus) selbst an, in einem hochwillkommenen Dienst an den Toten und als Anteilnahme an dem Schmerz der Anwesenden. Tiberius aber billigte das keineswegs, sei es, weil er alles zum Nachteil des Germanicus auslegte, sei es, weil er glaubte, das Heer sei durch den Anblick der Gefallenen und Unbestatteten in seiner Kampfes(lust) gehemmt und furchtsamer gegenber den Feinden geworden; auch htte ein Imperator, der den Augurat mit den uralten Kultbruchen bekleidete, nicht mit Leichen in Berhrung kommen drfen. (bersetzung Goetz-Welwei II 87)
Germanicus verfolgte danach den Cherusker und dessen Anhnger, die sich in unwegsames Gelnde zurckzogen. Ein Gefecht htte Arminius beinahe fr sich entschieden, wenn nicht Germanicus im entscheidenden Moment mit seinen Legionen verhindert htte, dass der Feind seine Reiterei und Reservekohorten in sumpfiges Gelnde abdrngte. Als sich gegen Ende des Jahres 15 Germanicus’ Heer wieder zurckzog, verfolgte Arminius die Truppen, die unter dem Befehl seines Generals Aulus Caecina severus standen. An den pontes longi, einem schmalen Pfad durch sumpfiges Gelnde, den bereits Lucius Domitius Ahenobarbus mit Bohlen abgesichert hatte, lauerte er ihm auf. Die Germanen htten den Kampf gewonnen, wenn sie sich nicht gegen den Rat des Arminius so siegessicher und unvorsichtig verhalten htten. Der bevorstehende Winter verschaffte ihnen jedoch eine Ruhepause. Ungeachtet der eigenen Verluste stieß Germanicus im Frhjahr des Jahres 16 wieder bis zur Ems und Weser vor und ließ dort einen Aufstand der Angrivarier niederschlagen. Um diese groß angelegte Offensive zu stren, erwartete Arminius das Heer des Germanicus an der Weser. Dort traf er an den Ufern des Flusses seinen Bruder Flavus, der nach wie vor auf Seiten der Rmer kmpfte, zu einer sehr emotionsgeladenen Unterredung. Nach diesem Wortgefecht nahm Arminius am nchsten Tag mit seinen Truppen Aufstellung an der Weser. Jedoch kam es zunchst nur zu einem Gefecht mit der Reiterei der Bataver, die ber den Fluss gesetzt war und die die Cherusker in eine von einem Bergwald umgebene Ebene gelockt hatten. Erst das beherzte Eingreifen rmischer Kavallerie konnte die Bataver retten. Die entscheidende Schlacht fand bald darauf bei Idistaviso, einer nicht mehr zu lokalisierenden Ebene im Weserbergland, statt. Arminius hatte einen Teil seiner germanischen Verbndeten in der Ebene aufgestellt, whrend die Cherusker auf den bewaldeten Anhhen Stellung bezogen. Jedoch ging diesmal Arminius’ Plan nicht auf, weil die Cherusker sich undiszipliniert verhielten und vorschnell angriffen, sodass die Rmer ihre Taktik rasch durchschauten. Die rmische Reiterei griff die Germanen von der Seite und von hinten an und trieb sie vor sich her, whrend die rmischen Fußtruppen sie zu den Anhhen zurckdrngten. Obwohl ihre Verluste sehr hoch waren, gaben Arminius und seine Krieger nicht auf und attackierten die Marschkolonnen der Rmer. Sie forderten sie am Angrivarierwall, einem Damm, der in einem sumpfigen, von Wald umgebenen Gelnde die Grenze zwischen den Cheruskern und Angrivariern darstellte, erneut zur Schlacht heraus. Auf dem Damm hatten
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III.
Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit
Rckzug des Germanicus
Herrschaft des Arminius
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sich die germanischen Fußsoldaten aufgestellt, die Reiterei hielt sich in nahe gelegenen Lichtungen auf. Allerdings war Germanicus die Aufstellung der Germanen verraten worden. Er griff daher selbst in den Kampf ein und ließ nach einer erfolglosen Attacke mit Schleudern und Wurfgeschtzen zuerst den Wall beschießen, um ihn dann mit seiner Eliteeinheit zu erobern. Obwohl Arminius im Jahre 16 zwei schwere, verlustreiche Niederlagen hinnehmen musste, brachte dieses Jahr die entscheidende Wende zu seinen Gunsten. Germanicus verlor einen Großteil seiner Flotte und mit ihr viele Soldaten, als sie auf ihrer Rckkehr auf der Nordsee in einen Sturm gerieten. Kaiser Tiberius berief bald darauf seinen Neffen und Adoptivsohn ab und setzte den Kmpfen ein Ende. Zu hoch waren die Verluste an Soldaten und Material, zu gering die Aussichten auf eine erfolgreiche Befriedung und Provinzialisierung des Gebietes zwischen Rhein und Elbe. Der Kaiser gab sich daher damit zufrieden, mit der Rckgewinnung der verlorenen Feldzeichen Roms Prestige in Germanien wiederhergestellt zu haben. Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen konnte er diese Kurskorrektur berzeugend gegen alle Widerstnde unter den Senatoren vertreten. Trotz seiner Niederlagen war Arminius somit in seinen Kmpfen mit den Rmern erfolgreich. Er erwies sich als berlegener Stratege, weil er ganz pragmatisch die Strken und Schwchen seiner Truppen richtig einschtzte. In einem achtjhrigen Krieg, der fr beide Seiten mit hohen Verlusten verbunden war, verhinderte er die Provinzialisierung des Gebietes zwischen Rhein und Elbe. Sein Aktionsradius blieb aber vornehmlich auf den Norden Germaniens beschrnkt. Mit seinen germanischen Verbndeten war er nicht stark genug, um in einem „Befreiungsfeldzug“ bis zum Rhein vorzustoßen und die dort stationierten Legionen zu besiegen. Nach dem Rckzug der Rmer konnte Arminius seine Macht immer weiter ausdehnen. Er brachte die Sueben in Bedrngnis und entwickelte sich so zu einem ernst zunehmenden Konkurrenten fr Maroboduus, dessen Anerkennung er nach dem Sieg ber Varus gesucht hatte. Nachdem auch die Semnonen und Langobarden von dem Markomannenknig abgefallen waren und sich dem Cherusker angeschlossen hatten, schien er die Oberhand zu gewinnen, allerdings war jetzt Inguiomerus nicht mehr bereit, sich seinem Neffen unterzuordnen. Mit seinem Gefolge floh er zu Maroboduus. Die Entscheidung brachte schließlich im Jahre 17 eine Schlacht, die wohl außerhalb Bhmens stattfand. In ihr stießen beide Heere in Schlachtreihen aufeinander, deren Ordnungsprinzip sie den Rmern abgeschaut hatten. Das erste Treffen ging zwar unentschieden aus, aber als sich der Markomannenknig in sein Reich zurckzog, liefen vieler seiner Gefolgsleute zu Arminius ber. Dieser hatte damit den Hhepunkt seiner Macht erreicht, zumal Tiberius weder auf Bitten der Sueben noch Knigs Maroboduus bereit war, zu intervenieren. Vielmehr sorgte der Kaiser dafr, dass Maroboduus im Jahre 18 von Germanen aus seinem Reich vertrieben wurde und um Aufnahme bei den Rmern bitten musste. Doch war Arminius’ Stellung unter den Cheruskern weiterhin umstritten. In Kmpfen mit den eigenen Landsleuten gelang es ihm nicht, die entscheidende Wende herbeizufhren. Schließlich fiel er einem heimtckischen Anschlag seiner Verwandten zum Opfer.
III.
Kmpfe mit germanischen Stmmen
2. Kmpfe mit germanischen Stmmen bis zur Errichtung des Limes Bis zum Beginn des 2. Jahrhunderts fanden weitere Aufstnde germanischer Stmme statt, die aber nie die Herrschaft der Rmer am Rhein und an der Donau gefhrdeten; vielmehr verstanden es die Rmer ihre Machtposition durch verschiedene Maßnahmen zu festigen und auszubauen. Ein einfaches Mittel war die Einsetzung von romfreundlichen Knigen, ber die sich die Politik eines Stammes ber einen bestimmten Zeitraum beeinflussen ließ; denn es gab durchaus Germanenstmme, die nicht imstande waren, eine Fhrungskrise eigenstndig zu lsen, und sich daher an einen rmischen Feldherren oder gar an den Kaiser wandten. So ernannte Drusus, der Sohn des Kaisers Tiberius, bald nach der Vertreibung des Maroboduus, 19 n. Chr. Vannius zum Knig ber die Markomannen und Quaden. Vannius konnte sich ber dreißig Jahre an ihrer Spitze behaupten, machte sich aber durch seine zahlreichen Raubzge bei den Nachbarstmmen so unbeliebt, dass er sich im Jahre 50 ihrer Streitmacht geschlagen geben und seine Herrschaft an seine Neffen Vangio und Sido abtreten musste. Kaiser Claudius (41–54) gewhrte ihm und seinem Gefolge daraufhin Zuflucht in Pannonien. Den durch interne Machtkmpfe geschwchten Cheruskern hatte Claudius 47 Italicus, den in Rom geborenen Neffen des Arminius, als Knig geschickt. Italicus’ Herrschaft begann Erfolg versprechend. Weil er nicht in die Streitigkeiten seiner Stammesgenossen verwickelt war, konnte er ausgleichend wirken. Seine ausschweifende Lebensweise und die prormische Haltung seiner Familie nutzten aber seine Gegner aus und brachten eine große Streitmacht gegen ihn auf. Obwohl Italicus die Schlacht gegen sie gewann, musste er einige Zeit spter fliehen, erlangte jedoch mit Untersttzung der Langobarden erneut die Herrschaft ber die Cherusker. Zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam es in der frhen Kaiserzeit vor allem am Niederrhein mit den Kstenstmmen der Friesen und Chauken. Von den Kastellen an der Rheinmndung ließen sich offenbar ohne Weiteres die Friesen beherrschen, sodass sie weiterhin ihren Tribut an Rinderfellen ablieferten, den ihnen einst Drusus auferlegt hatte. Als 28 ein rmischer Offizier diese Forderung einfach erhhte, indem er nicht mehr die Felle der kleineren Haustiere, sondern der grßeren Auerochsen als Maßstab ansetzte und dadurch die Friesen zur Auslieferung von Kindern, Frauen, ckern und Rindern zwang, erhoben sie sich und bestraften die Soldaten, indem sie sie ans Kreuz schlugen. Als Lucius Apronius, der Statthalter Niedergermaniens, mit eigenen und obergermanischen Einheiten in ihr Gebiet einmarschierte, erwiesen sich die Friesen als beinahe ebenbrtige Gegner. Obwohl Apronius eine wichtige Schlacht fr sich entscheiden konnte, zog er sich rasch wieder zurck. Eine vollstndige Unterwerfung der Friesen erschien ihm offensichtlich zu aufwndig und nicht lohnenswert. Allerdings griff neunzehn Jahre spter der niedergermanische Statthalter Cnaeus Domitius Corbulo ganz massiv in die inneren Verhltnisse der Friesen ein. Nach ihrer Unterwerfung mussten sie in das ihnen zugewiesene Land umsiedeln, Geiseln stellen und eine „Schutztruppe“ auf ihrem Territorium dul-
Einsetzung von romfreundlichen Knigen
Friesen und Chauken
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III.
Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit den. berdies erhielten sie nach rmischem Vorbild einen „Senat“, Amtstrger und Gesetze.
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Bataveraufstand
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Die germanischen Provinzen Die Rmer errichteten links des Rheins zwei Provinzen, die sich von der Nordseekste bis zum Genfer See erstreckten: Niedergermanien (Germania inferior) und Obergermanien (Germania superior). Ihre gemeinsame Grenze bildete der Vinxtbach, der in der Nhe von Bad Breisig in den Rhein mndet. Die Grndung dieser Provinzen wird in die Zeit um 84 datiert, da Kaiser Domitian (81–96) nach seinem Sieg ber die Chatten auf Mnzen verkndete, dass er Germanien erobert habe. Allerdings lassen sich seit 14 n. Chr. zwei Befehlshaber nachweisen, die wie die Statthalter der kaiserlichen Provinzen als legati Augusti bezeichnet werden.
Diese Maßnahme war Teil einer grßeren Militraktion, durch die die Verhltnisse im Norden Germaniens beruhigt werden sollten. Denn die Chauken, die 40/41 nach einem Aufstand unterworfen worden waren, verunsicherten unter der Fhrung eines desertierten Soldaten der germanischen Hilfstruppen mit ihren Beutezgen die Kste Galliens. Den Schiffen und Truppen, die Corbulo 47 heranfhrte, waren sie aber nicht gewachsen. Als ihr Befehlshaber auf Betreiben der Rmer heimtckisch ermordet wurde, rebellierten sie. Auf Geheiß des Kaisers Claudius musste Corbulo seinen Feldzug gegen die Chauken abbrechen. Infolge der Eroberung Britanniens trat die Expansion in Germanien in den Hintergrund. Die gegen die Friesen ergriffenen Maßnahmen blieben ohne Wirkung. Als die rmische Militrmacht unttig zu sein schien, besetzten junge Friesen unter der Fhrung der Knige Verritus und Malorix Gebiete rechts des Rheines, die die Rmer zur Versorgung ihrer Soldaten und zu bungszwecken frei von Siedlungen gehalten hatten. Der Statthalter Lucius Duvius Avitus zwang im Jahre 58 die Friesen gewaltsam zur Aufgabe des Landes, nachdem eine Reise der beiden Knige nach Rom zu Nero (54–68) erfolglos verlaufen war. Die Chauken dehnten in dieser Zeit ihr Stammesgebiet weiter aus, indem sie die an der unteren Ems lebenden Ampsivarier vertrieben, die ihrerseits das von den Friesen aufgegebene Gebiet beanspruchten. Da rmische Truppen sie bedrohten, riefen die Ampsivarier die Brukterer, Tenkterer und andere Stmme zu Hilfe. Als Avitus in deren Gebiet einmarschierte, ließen sie die Ampsivarier im Stich. Auf sich allein gestellt, flohen die Ampsivarier zunchst zu den Usipern und Tubanten, dann zu den Chatten und Cheruskern. Durch die Kmpfe mit ihnen lste sich der Stamm auf. Zu einem geschlossenen Auftreten germanischer und gallischer Stmme kam es 69/70 whrend des Bataveraufstandes, ber den Tacitus ausfhrlich in seinen Historien berichtet. Begnstigt wurde der Aufstand durch die innenpolitische Lage im Rmischen Reich, denn nach Neros Ermordung kmpften 68/69 die vier Thronprtendenten Galba, Otho, Vitellius und Vespasian um die Macht. Den Aufstand ausgelst hatten, wie vierzig Jahre zuvor bei den Friesen, bergriffe rmischer Offiziere. Die Bataver waren als einer der ersten germanischen Stmme in den Dienst der Rmer getreten und hatten sich zwischen 55 und 12 v. Chr. auf deren Betreiben im Mndungsgebiet von Rhein und Maas auf der insula Batavorum, der heutigen
III.
Kmpfe mit germanischen Stmmen Betuwe, niedergelassen. Bei ihrer Ansiedlung hatten sie mit den Rmern einen Vertrag geschlossen, der sie zum Grenzschutz und zur Stellung von Hilfstruppen verpflichtete. Allerdings genossen sie insofern eine Sonderstellung, als sie keine Tribute zahlen mussten und ihre Adligen die Aushebung von Hilfssoldaten kontrollierten. Als aber rmische Offiziere diese Aufgabe bernahmen und dabei mit großer Willkr vorgingen, fhlten sich die Bataver in ihren Stammesrechten verletzt und provoziert. An die Spitze der Aufstandsbewegung setzte sich Julius Civilis, der wohl das Ziel verfolgte, whrend einer innenpolitischen Krise mehr Rechte fr sein Volk und damit eine grßere Unabhngigkeit zu erlangen. Julius Civilis gehrte einer der fhrenden Familien der Bataver an, die angeblich den Knig gestellt haben soll. Wie sein Bruder und seine Neffen diente er im rmischen Heer und erhielt deshalb, wofr sein Name spricht, das rmische Brgerrecht verliehen. Im Frhjahr 68 ließ ihn der niedergermanische Statthalter Fonteius Capito unter dem Vorwand einer Rebellion verhaften und nach Rom bringen. Kaiser Galba entließ ihn aber in seine Heimat, wo Civilis als Prfekt das Kommando ber die 9. Bataverkohorte bernahm. Nach anfangs erfolgreichen Kmpfen im Bataveraufstand unterwarf er sich 70. ber sein weiteres Schicksal liegen keine Angaben vor.
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Civilis gewann nicht nur fhrende Mnner seines Stammes fr sich, sondern auch die rechtsrheinischen Canninefaten und Friesen. Ferner zog er eine Kohorte der Tungrer, die in Mainz stationierten acht Bataverkohorten und durch den Verrat batavischer Ruderer einen rmischen Flottenverband auf seine Seite.
Verschwrung des Civilis Tacitus, Historien 4,14,2–4
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Civilis rief die Großen des Stammes und die Bereitwilligsten aus dem Volk scheinbar zu einem kultischen Mahl in einem Hain zusammen, sobald er merkte, wie sie sich durch die nchtliche Festfreude erhitzt hatten, begann er vom Lob und Ruhm des Stammes (zu reden) und zhlte (dann) die Ungerechtigkeiten, Plnderungen und brigen bel der Knechtschaft auf: Schließlich wrden sie nicht mehr, wie einst, als Bundesgenossen, sondern gleichsam als Sklaven behandelt. Wann komme einmal ein Legat mit Amtsgewalt, selbst wenn er ein lstiges und anmaßendes Gefolge mitbringe? Den Prfekten und Centurionen seien sie ausgeliefert; sobald sie diese mit Beutegut und Blut gesttigt htten, wrden sie ausgewechselt und neue „Beutel“ und wechselnde Begriffe fr dieselben Plnderungen erdacht. Nun stehe eine Aushebung bevor, durch die Kinder von ihren Eltern und Brder von ihren Brdern so gut wie fr immer getrennt wrden. Niemals sei der rmische Staat mehr in Bedrngnis gewesen, und in den Winterlagern gebe es nichts als Beutegut und alte Mnner: Man mge nur aufblicken und sich nicht vor den leeren Namen der Legionen frchten. Vielmehr htten sie selbst eine starke Fuß- und Reitertruppe, Germanen als Blutsverwandte und gallische Provinzen, die dasselbe wollten. Dieser Krieg wre nicht einmal den Rmern unwillkommen; bei schwankendem Kriegsglck wrde man Vespasian die Schuld geben; im Falle eines Sieges brauche man gar keine Rechenschaft abzulegen. (bersetzung Goetz-Welwei II 185)
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III.
Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit Im Sptsommer 69 bekam Civilis Rckendeckung durch die Flavianer, die Anhnger des Generals Flavius Vespasianus (9–79), der im Nahen Osten den Oberbefehl im Krieg gegen die aufstndischen Juden hatte. Vespasians General Antonius Primus forderte den Bataver in einem Schreiben auf, die von Kaiser Vitellius gewnschten Hilfstruppen zurckzuhalten und durch einen vorgetuschten Germanenaufstand Legionen zu binden. Auf diese Weise sollte Vitellius von seiner Machtbasis abgeschnitten werden. Als von dem Legionslager Vetera bei Xanten Legionre gegen die Aufstndischen in den Kampf zogen, wurden sie, als es zur Schlacht kam, von den eigenen Hilfstruppen im Stich gelassen. Die in Bonn stationierte Legion konnte die Bataverkohorten nicht an deren Marsch in ihre Heimat hindern. Nach ihrer Ankunft verfgte Civilis ber eine ansehnliche Streitmacht, die er ganz im Sinne der Abmachung mit Antonius Primus sogleich auf Vespasian vereidigte. Die beiden Legionen in Vetera forderte er ebenfalls dazu auf, diesen Eid abzulegen. Diese waren aber infolge ihrer negativen Erfahrung zu keiner Kooperation bereit und bekundeten ihre Treue zu Vitellius. Eine neue Auseinandersetzung mit der vitelliustreuen Rheinarmee bahnte sich an. Civilis ließ daher alle Bataver bewaffnen und bat auch rechts des Rheines mit Rom verbndete Germanenstmme um Hilfe. So schlossen sich ihm die Brukterer und Tenkterer an. Mit seinen Truppen zog Civilis rheinaufwrts gegen Vetera. Da sie das Legionslager nicht einnehmen konnten, verwsteten und plnderten sie die auf rmischem Gebiet liegenden Gebiete der Ubier, Treverer, Menapier und Moriner. Obwohl Civilis Ende 69 von dem Sieg der Flavianer ber Vitellius erfuhr, stellte er wider Erwarten seine Kampfhandlungen nicht ein, sondern nahm das Lager einer rmischen Reiterabteilung bei Asberg ein und berrumpelte das Lager von Gellep. Als die rmische Rheinarmee meuterte und sich offen zu Vitellius bekannte, nutzte Civilis die verfahrene und konfuse Situation, indem er die Nachschublinie der Rmer von Neuss nach Gellep angriff und vereinzelt rmische Soldaten attackierte. Wahrscheinlich zu Beginn des Jahres 70 setzte er sich mit Julius Classicus in Verbindung, einem vermgenden und angesehenen Treverer, der ebenfalls von kniglicher Abstammung war und als Prfekt eine Reiterabteilung seines Volkes befehligte. Zusammen mit dem Treverer und Vitellianer Julius Tutor und dem Lingonen Julius Sabinus, der damit prahlte ein Urenkel Caesars zu sein, zettelte er eine weitere Verschwrung an. Mit anderen Verschwrern trafen sie sich in einem Privathaus in der Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Kln). Civilis nahm an diesem Treffen nicht teil. Zum einen misstraute er als Angehriger der flavianischen Partei den Vitellianern, zum anderen hatte er durch die Raubzge seiner Soldaten die Ubier, in deren Gebiet Kln lag, gegen sich aufgebracht. Welches Ziel Classicus und seine Anhnger verfolgten, wird zunchst nicht ganz deutlich. Als Auxiliaroffizier versuchte Classicus den Oberbefehl ber die Legionen am Niederrhein zu bernehmen und vereidigte die Soldaten auf sich. hnlich verfuhr Tutor, der Kln eingenommen hatte, mit den Truppen oberhalb des Rheines, nachdem in Mainz die wichtigsten Offiziere vertrieben oder gar gettet worden waren. Sabinus ließ sich sogar als Caesar begrßen. Derartige Maßnahmen mussten den Eindruck einer weiteren Usurpation erwecken.
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III.
Kmpfe mit germanischen Stmmen Civilis gelang es schließlich Anfang 70 Vetera einzunehmen und duldete es, dass die meisten Legionre niedergemetzelt wurden. Außerdem gerieten die linksrheinischen Gebiete der Sunuker, Baetasier, Tungrer und Nervier unter seine Kontrolle und schlossen die Bewohner Klns ein Schutzbndnis mit ihm. Die Flavianer sahen die Entwicklung am Niederrhein mit Sorge und ernannten als neue Statthalter fr Nieder- und Obergermanien Quintus Petillius Cerialis, einen Verwandten Vespasians, und Appius Annius Gallus, die mit acht Legionen in die Geschehnisse eingriffen. Noch vor Cerialis’ Ankunft wurde Tutor beim heutigen Bingen besiegt und gaben sich viele Treverer geschlagen. Nachdem der neue Statthalter einen großen Verband Treverer und Lingonen, die ein weiterer Mitverschwrer namens Julius Valentinus befehligte, bei Riol an der Mosel besiegt hatte, nahm er die Colonia Augusta Treverorum (Trier) ein, das Machtzentrum des Classicus. Dieser verbndete sich mit Civilis, jedoch scheiterte ihr Angriff auf Trier im letzten Moment. Civilis verlor daraufhin einige seiner Verbndeten und musste sich bei Vetera in einer zweitgigen Schlacht Cerialis geschlagen geben. Obwohl die Chauken ihm noch Hilfstruppen schickten, zog er sich mit Classicus und Tutor auf die Betuwe zurck. Anfnglich waren sie mit ihren Attacken gegen die rmischen Truppen erfolgreich. Nachdem Cerialis die Kampfbereitschaft seiner Flotte wiederhergestellt hatte, brachte er Ende 70 die Aufstndischen in Bedrngnis. Schließlich bot der Rmer den Batavern Frieden an und stellte Civilis die Vergebung seiner Taten in Aussicht. Da Civilis den Rckhalt unter seinen engsten Anhngern schwinden sah, traf er sich mit Cerialis und handelte mit ihm die Unterwerfung seiner Truppen aus. Das Ergebnis ihrer Verhandlungen ist nicht berliefert; doch kann man davon ausgehen, dass die Bataver damals mit gewissen Einschrnkungen in ihre alte Rechtsstellung eingesetzt wurden; denn nach dem Aufstand gab es wieder fnf batavische Auxiliareinheiten, die allerdings ohne eigene Befehlshaber fern der Heimat in Britannien und danach in den Donauprovinzen und Raetien stationiert waren. Ob Civilis entgegen Cerialis’ Versprechungen bestraft wurde, ist unbekannt. Angaben ber sein weiteres Schicksal liegen nicht vor. Durch die politische Propaganda der Flavianer lebten Civilis und Classicus als Mnner fort, die die Herrschaft ber Gallien und Germanien angestrebt hatten. Dass es sich hierbei um eine Unterstellung handelt, wird bei einer genaueren Betrachtung der Ereignisse deutlich: Der Aufstand blieb auf die gallischen und germanischen Gebiete am Nieder- und Mittelrhein beschrnkt. Außerdem fehlten jegliche organisatorischen Anstze fr die Grndung eines „gallisch-germanischen Reiches“. Nicht einmal die Grndung einer neuen „Machtzentrale“ war geplant. Angesichts der starken Interessengegenstze zwischen den verschiedenen gallischen und germanischen Vlkern wre das Vorhaben einer Reichsgrndung schwerlich zu realisieren gewesen. Zudem htten Civilis und Classicus, wenn sie selbst „nationale“ Interessen verfolgt htten, wohl kaum Cerialis die Herrschaft ber Gallien angeboten. In Obergermanien entwickelten sich in dieser Zeit im Rhein-Main-Gebiet die Chatten immer mehr zu einer Gefahr, obwohl sie als Verbndete der
Kmpfe mit den Chatten
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III.
Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit
Errichtung des Limes
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Cherusker sehr unter den rmischen Truppen zu leiden hatten. Germanicus fiel 15 n. Chr. mit vier Legionen und 10.000 Hilfssoldaten in ihr Stammesgebiet ein und verwstete ihren Hauptort Mattium nahe der Eder; ein Jahr spter unternahm der Statthalter Caius Silius mit einer vergleichbaren Streitmacht sogar zwei Feldzge gegen die Chatten. Danach nderten sie, wenn auch nur vorbergehend, ihre Haltung. Angesichts der rmischen bermacht versuchte der Chattenfrst Adgandestrius sich bei den Rmern anzubiedern, indem er anbot Arminius umzubringen, wenn man ihm ein Gift schicke. Senat und Kaiser lehnten dieses Ansinnen jedoch ab. Weil sich die Rmer vor den Chatten nicht sicher fhlten, gaben sie die zwischen dem heutigen Mainz und der Wetterau angelegten Kastelle nicht auf. 41 und 50 drangen die Chatten auf ihren Raubzgen bis nach Gallien vor. In beiden Fllen konnten sie der sptere Kaiser Galba und der Statthalter Sabinus Pomponius besiegen. Trotz dieser Niederlagen waren die Chatten noch stark genug, um Konflikte mit anderen Stmmen durchzustehen. Ihr freundschaftliches Verhltnis zu den Cheruskern schlug in Feindschaft um. Mit den Hermunduren stritten sie sich um die Kontrolle eines nicht mehr eindeutig zu identifizierenden Flusses, der sich zur Salzgewinnung eignete. Allerdings konnten die Hermunduren 58 nach einer Schlacht den Streit fr sich entscheiden. Whrend des Bataveraufstandes 69/70 nutzten die Chatten die Schwche der Rmer aus und wagten es zusammen mit den Mattiakern und Usipern Mainz, die Hauptstadt Obergermaniens, zu belagern. Nur unter schweren Verlusten konnte sie der rmische Feldherr Vocula vertreiben. Als Reaktion auf die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Chatten verstrkte Kaiser Vespasian (69–79) bald nach seiner Machtbernahme die rmischen Truppen im Maingebiet und errichtete neue Truppenlager. Offensichtlich plante er bereits eine grßere Offensive, um ihren bergriffen ein fr alle Mal ein Ende zu setzen. Aber erst sein Sohn und Nachfolger Domitian (81–96) setzte diesen Plan mit aller Hrte um. In den Jahren 83 und 85 fielen dessen Truppen in das Gebiet der Chatten ein. Um zu verhindern, dass die Chatten sich in ihre entlegenen Verstecke in den Wldern zurckzogen, schlugen die rmischen Soldaten fast 180 km lange Schneisen, so genannte limites, in deren Land. Da das Untermaingebiet bereits weitgehend kultiviert war, drften von dieser ungewhnlichen Maßnahme die zentralen Siedlungsrume der Chatten zwischen Ohm und Schwalm betroffen gewesen sein. Domitians Vorgehensweise erwies sich als so abschreckend und wirkungsvoll, dass die Chatten sich unterwarfen. Bis 162 wagten sie keine Angriffe mehr auf rmisches Gebiet. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Chatten sich 88/89 am Aufstand des obergermanischen Statthalters Lucius Antonius Saturninus beteiligten. Um 90 vertrieben sie immerhin fr eine gewisse Zeit den rmerfreundlichen Knig der Cherusker Chariomerus. Nach den Chattenkriegen wurde die Zahl der rmischen Truppen halbiert. Kaiser Traian (98–117) ging 103/111 zu einem anderen System der Grenzsicherung ber. Die im Binnenland stationierten Truppen ließ er an die neu errichtete Grenze, den Limes, abziehen und dort auf mehrere Kastelle verteilen. Im Laufe des 2. Jahrhunderts wurde der Limes immer weiter ausgebaut.
III.
Die Markomannenkriege Limes (lat. Grenzlinie, Grenzweg) Nachdem ihr Reich in der Kaiserzeit kaum noch expandierte, errichteten die Rmer nicht nur in Germanien, sondern in allen anderen Grenzgebieten ihres Reiches Grenzanlagen, die den geographischen Bedingungen entsprechend ausfielen. So bauten sie vornehmlich Wall- und Grabenanlagen wie in Obergermanien, aber auch Steinmauern wie in Raetien. Der Limes bot allerdings keinen sicheren Schutz vor Angriffen, zumal vor Großoffensiven, sondern diente als Demarkationslinie zwischen der „zivilisierten“ (rmischen) und der „barbarischen“ Welt. Darber hinaus konnte ber ihn der Personen- und Warenverkehr kontrolliert werden.
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An der mittleren Donau provozierten die Quaden und Markomannen im Jahr 92 einen Konflikt mit Domitian, indem sie sich weigerten, ihm Hilfstruppen als Untersttzung fr seinen Feldzug gegen die Daker zu schicken. Der Kaiser konnte eine derartige Unbotmßigkeit nicht hinnehmen, htte sie doch eine entsprechende Signalwirkung fr andere Vlker gehabt. Von Pannonien aus griff er sie daher an, allerdings mit wechselhaftem Erfolg. Erst Kaiser Traian konnte den Krieg mit den Quaden und Markomannen erfolgreich beenden. Zwei Generationen spter spitzte sich aber nrdlich der Donau die Lage wieder zu.
3. Die Markomannenkriege Fr die erste Hlfte des 2. Jahrhunderts sind keine grßeren Zusammenstßen zwischen Rmern und Germanen berliefert, was auch darauf zurckfhren ist, dass die Rmer mit dem Ausbau des Limes auf weitere Expansionsplne verzichtet hatten. Whrend der Regierungszeit des Kaisers Marc Aurel (161–180) fand diese friedliche Koexistenz ihr Ende. Auf breiter Front kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, die vor allem an der mittleren Donau an Intensitt zunahmen und an denen sich sowohl grenznahe Stmme wie die Markomannen, Quaden, Naristen, Hermunduren und die sarmatischen Jazygen als auch weiter entfernt lebende Stmme wie die Langobarden, Obier, Viktualen und Vandalen beteiligten. Diese Tatsache spricht dafr, dass die Ursachen der Auseinandersetzungen nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft von Rmern und Germanen zu suchen sind, sondern sehr viel weiter reichend waren. Archologische Funde besttigen die Annahme, dass whrend der frhen Kaiserzeit die Bevlkerung in Mitteleuropa zunahm. Infolgedessen verließen Germanen immer hufiger ihre Heimat, unternahmen vermehrt Raubzge und verlagerten ihre Siedlungszentren. Insbesondere die Gutonen (Goten) und Langobarden, die von der Weichsel beziehungsweise von der Elbe nach Sdosten in Richtung Schwarzes Meer und Donau zogen, werden mit dieser Entwicklung in Zusammenhang gebracht. Aber auch auf andere Gebiete Germaniens wirkte sich die Zunahme der Bevlkerung aus. So sind die Einflle der Chatten nach Obergermanien und Raetien nach 162 und die Piraterie der Chauken an der Kste der Provinz Belgica 170/175 ebenfalls darauf zurckzufhren.
Ursache
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III.
Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit
Anfang
Q
Der Verlauf der Markomannenkriege lsst sich nicht mit letzter Sicherheit rekonstruieren. Zu summarisch und lckenhaft sind die Angaben in den literarischen Quellen, sodass man verstrkt auf Inschriften und Mnzen zur Klrung chronologischer Fragen angewiesen ist. Ihren Anfang nahmen die Markomannenkriege Ende 166/167, als 6.000 Langobarden und Obier die Donau berschritten. Ihre vergleichsweise kleine Streitmacht stellte fr die Rmer kein Problem dar; sie konnte schnell in die Flucht geschlagen werden. Dennoch warf ihr Vorstoß die Frage auf, warum sie mehr oder weniger ungehindert durch das Gebiet der Nachbarstmme bis zur Reichsgrenze vordringen konnten. Jedenfalls erwartete die rmische Ordnungsmacht eine Erklrung und Rechtfertigung dieser Situation, die die Germanen angesichts ihrer militrischen Unterlegenheit bereitwillig erbrachten, um etwaigen Strafaktionen zu entgehen. So kam eine Gesandtschaft von elf Germanenstmmen unter der Fhrung des Markomannenknigs Ballomar zustande, die dem oberpannonischen Statthalter Marcus Iallius Bassus schwor, Frieden zu halten. Dieser Friede hielt jedoch nicht lange an, vielmehr weitete sich der Grenzkonflikt immer weiter aus, da die grenznahen Stmme sich in ihrem Verhalten den Invasoren anglichen. Gemeinsam mit ihnen forderten 168 die Markomannen und Viktualen die Aufnahme in rmisches Reichsgebiet und drohten den Rmern mit Krieg, falls man ihrer Forderung nicht nachkme. Da im Osten rmische Truppen durch den Krieg gegen die Parther gebunden waren, schien die Durchsetzung einer derartigen Forderung Erfolg versprechend. Aber bereits beim Aufbruch des kaiserlichen Heeres von der oberitalischen Stadt Aquileia gaben die Germanen auf und zogen sich zurck. Eine aus dem Osten eingeschleppte Seuche dezimierte indes die rmischen Truppen. Zudem verstarb Anfang 169 der Kaiser Lucius Verus, der Mitregent Marc Aurels.
Beginn der Markomannenkriege Historia Augusta, Marcus Antoninus 14,1–6 Beide Kaiser (Marc Aurel und Lucius Verus) brachen im Feldherrenmantel auf, als die Viktualen und Markomannen alles in Unruhe versetzten und auch andere Stmme, die vor den entfernteren Barbaren geflohen waren, mit Krieg drohten, falls man sie nicht aufnhme. Der Aufbruch zeigte bereits Wirkung, als man bis nach Aquileia gelangt war. Denn die meisten Knige zogen sich mit ihren Vlkern zurck und ließen die Anstifter des Aufstandes umbringen. Die Quaden aber, die ihren Knig verloren hatten, sagten zu, den (zum Nachfolger) Gewhlten nicht eher zu besttigen, als unsere Kaiser dem zugestimmt htten. Dennoch rckte Lucius nur unwillig weiter vor, da die meisten (Gesandte) zu den Legaten der Kaiser schickten und um Vergebung fr den Abfall baten. Lucius aber hielt es fr besser umzukehren, weil man den Prtorianerprfekten Furius Victorinus verloren hatte und ein Teil des Heeres zugrundegegangen war; Marcus aber glaubte, die Barbaren wrden die Flucht und die brigen (Zeichen), mit denen sie zu verstehen gaben, dass sie vor einem Krieg sicher seien, nur vortuschen; deshalb meinte er, man msse ihnen zusetzen, um nicht von der Masse eines solchen Aufgebots zermalmt zu werden. So rckten sie schließlich nach berschreitung der Alpen weiter vor und trafen alle Vorkehrungen zum Schutz Italiens und Illyriens. (bersetzung Goetz-Welwei II 289–291)
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III.
Die Markomannenkriege Im Frhjahr 170 nutzten die Markomannen und die Quaden, die sich bislang romfreundlich verhalten hatten, die Lage an der Grenze erneut fr sich aus und drangen durch Pannonien ber die Julischen Alpen bis nach Venetien vor. Dort zerstrten sie das unbefestigte Stdtchen Opitergium (Oderzo) und belagerten Aquileia. Es dauerte immerhin bis Mitte 171, bis zwei rmische Feldherren die Provinzen Pannonien, Raetien und Noricum wieder zurckgewannen. Als die Markomannen die Donau berquerten, schlugen die Rmer sie vernichtend und nahmen ihnen ihre Beute ab. Fr die Rmer hatte diese Invasion eine große Signalwirkung. Erstmals seit dem Einfall der Kimbern vor rund 280 Jahren waren wieder Germanen in Italien, in das Kernland des Reiches, eingedrungen. Im Alpenraum schtzten seitdem ein neu eingerichtetes Grenzkommando und Befestigungsanlagen das Land vor weiteren Invasionen. Darber hinaus offenbarte dieser Feldzug, dass die instabile Lage an der Reichsgrenze nur dauerhaft gelst werden konnte, wenn neben den militrischen Offensiven weitere Maßnahmen gegenber den verschiedenen Stmmen ergriffen wurden. Die Germanen befanden sich nach ihrer Vertreibung in einer bedrckenden Lage und waren daher zu Verhandlungen bereit. Als Marc Aurel sich Ende 171 in Carnuntum, seinem Hauptquartier an der Donau nahe Wien, aufhielt, schloss er mit seinen Gegnern unterschiedliche Abkommen. Den Stammesgruppen, die eingewandert waren, bot er Geld fr militrische Hilfeleistungen in Dakien an. Mit einem solchen Waffenbndnis wollte er sie auch dazu bringen, sesshaft zu werden. Mit anderen Stmmen, bei denen es sich wie bei den Quaden um bereits bekannte Nachbarstmme handelte, ging der Kaiser regelrechte Friedensvertrge ein, um sie von der Kooperation mit den Markomannen und Jazygen abzuhalten. Sie durften keine gemeinsamen Mrkte mehr aufsuchen, was mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen fr sie verbunden war. Die Gesandten der Quaden mussten sogar schwren, keine Markomannen bei sich aufzunehmen und durch ihr Gebiet ziehen zu lassen. Weitere Verpflichtungen bestanden in der Auslieferung von Kriegsgefangenen und Deserteuren sowie in der Stellung von Hilfstruppen. Einigen Stmmen kam der Kaiser soweit entgegen, dass er ihnen, ihrem Wunsch entsprechend, Land in den Grenzprovinzen Dakien, Moesien, Pannonien, Ober- und Niedergermanien und sogar in Oberitalien zuwies. Die Isolierung der Markomannen zeigte alsbald Wirkung. Sie kapitulierten 172 und mussten mehrere harte Auflagen akzeptieren. Dazu gehrten die Rckgabe von Beute, die Auslieferung von Gefangenen und Deserteuren, die Stellung von Hilfstruppen und Geiseln sowie eine Einschrnkung des Handels mit den Rmern. Ferner durften sie keinen Kontakt zu Nachbarstmmen aufnehmen, vor allem nicht zu den Quaden. Allerdings erhielten die Markomannen die Hlfte des Grenzlandes zurck mit der Auflage, eine mehr als 7 km breite unbewohnte Sicherheitszone zur Donau einzuhalten. Die Quaden hielten sich indes nicht an ihren Friedensvertrag und erhoben sich 172 erneut. Sie brachten damals das Heer des Kaisers in so große Bedrngnis, dass es nur durch einen pltzlichen Regen- und Hagelschauer vor einer Niederlage bewahrt wurde. Als die Quaden im darauffolgenden
Einfall nach Italien
Kapitulation der Markomannen
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III.
Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit
Offensive der Rmer
Friedensschluss
Vorstße der Rmer im 3. Jahrhundert
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Jahr wieder um Frieden baten, ging der Kaiser trotz großzgiger Versprechungen nicht auf diese Bitte ein. Wie schwer es fiel, gerade die germanischen Wandergruppen in den Griff zu bekommen, zeigt das Beispiel der Asdinger, die spter in den Vandalen aufgingen. 172 scheiterten sie zunchst mit ihrem Ansinnen, in Dakien aufgenommen zu werden. Der dortige Statthalter Sextus Cornelius Clemens konnte sie aber zu einem Feldzug gegen die feindlichen Kostoboken, die im Nordosten der Donaumndung wohnten, berreden und behielt ihre Frauen und Kinder als Pfand zurck. Als die Asdinger nach ihrem Sieg ber die Kostoboken marodierend durch Dakien zogen, wiegelte Clemens die Lakringer, die befrchteten ihr Land an die Asdinger zu verlieren, gegen sie auf. Nachdem die Lakringer den Asdingern eine Niederlage zugefgt hatten, unterwarfen diese sich dem Statthalter und erhielten Land und Geld gegen die Zusicherung militrischer Hilfeleistung. Als Marc Aurel im Jahr 175 die Donau berquerte, um die Jazygen zu unterwerfen, sah er sich durch einen Aufstand im Osten des Reiches gentigt, mit ihnen voreilig Frieden zu schließen. Um die Situation an der mittleren Donau nach jahrelangen Kmpfen endgltig zu regeln, unternahm der Kaiser 178/179 eine grßere Offensive, in deren Verlauf er rmische Truppen nrdlich der Donau in Kastellen außerhalb des Reichsgebietes stationierte. Jedoch beruhigte sich dadurch die Lage nicht; denn die rmischen Soldaten behinderten die Quaden und Markomannen beim Ackerbau und bei der Viehzucht und nahmen berlufer auf. Da Verhandlungen die Situation nicht verbesserten, versuchten die Quaden auszuwandern, was rmische Truppen aber noch rechtzeitig verhindern konnten. Als Marc Aurel im Jahr 180 starb, waren die Auseinandersetzungen mit den Germanen noch nicht beendet. Sein Sohn und Nachfolger Commodus (180–192) war indes bestrebt, zu einem raschen Friedensschluss zu kommen. Mit den Markomannen erneuerte er den Vertrag, den sein Vater mit ihnen geschlossen hatte. Um Handel zu treiben durften sie sich unter der Aufsicht eines rmischen Offiziers einmal im Monat an einem bestimmten Ort versammeln. Als Gegenleistung ließ Commodus alle Kastelle jenseits der Reichsgrenze rumen. Mit dieser Maßnahme gab er den Plan seines Vaters auf, nrdlich der Donau eine neue Provinz namens Marcomannia einzurichten. hnliche Abkommen ging der neue Kaiser mit den Quaden und wohl auch mit anderen Stmmen ein. Den Stmmen, die nahe der Provinz Dakien lebten, war es seitdem aus Sicherheitsgrnden nicht mehr gestattet, einen mehr als 7,5 km breiten Streifen vor der Grenze zu besiedeln und zu bewirtschaften. Jedoch war damals noch nicht das Ende der Kriegshandlungen erreicht. Die Burer scheinen die neue Friedensordnung nicht akzeptiert zu haben und setzten zusammen mit anderen Germanenstmmen die Kmpfe mit den Rmern wahrscheinlich bis 182/183 fort. Mit dem Ende der Markomannenkriege kehrte fr einige Jahrzehnte Frieden an der Nordgrenze ein. Infolge ihrer großen Verluste verloren die Markomannen an politischer Bedeutung. Ob das Rmische Reich sich nach den wechselvollen Kmpfen gnzlich in die Defensive begab, ist nach der Entdeckung eines Schlachtfeldes am Westrand des Harzes am Harzhorn bei Northeim (Wiershausen-Kalefeld) fraglich geworden. Die vorlufige Aus-
III.
Die Markomannenkriege wertung des Fundmaterials, die eine Datierung in die Regierungszeit des Kaisers Maximinus Thrax (235–238) zulsst, spricht dafr, dass Germanen rmische Truppen, die von Norden her anmarschierten, den Weg nach Sden versperren wollten. Demnach operierten noch im frhen 3. Jahrhundert Rmer weit entfernt vom Limes im Innern Germaniens.
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IV. Lebensweise Durch die zahlreichen archologischen Funde ist die scheinbar paradoxe Situation eingetreten, dass wir heute ber die Lebensverhltnisse der Germanen besser informiert sind als die zeitgenssischen antiken Schriftsteller, die sich auf die Aussagen und Berichte einzelner Personen verlassen mussten. Bei der Analyse der Funde, zu denen auch die berreste von Pflanzen und Tieren zhlen, wurden in den letzten Jahrzehnten Erkenntnisse gewonnen, die das tradierte Bild von der Lebensweise der Germanen in einigen wesentlichen Aspekten revidiert haben. Allerdings sind noch nicht alle Lebensbereiche systematisch erfasst und untersucht worden. Das Germanenbild unterliegt somit weiterhin einem steten Wandel.
1. Siedlungsformen Im Unterschied zu den Rmern und Galliern kannten die Germanen keine Stdte oder stadtartigen Siedlungen. Sie lebten in Gehften, kleineren Siedlungen und Drfern, die 10 bis 20 beziehungsweise einige Dutzend Gebude umfassten. Fr das Gebiet zwischen Rhein und Oder sind heute rund 130 Siedlungen bekannt. Allerdings verteilen sich die verschiedenen Fundstellen nicht gleichmßig. Allein rund 100 Fundstellen liegen im Bereich der Nordseekste. Unsere Sicht auf die germanischen Siedlungsformen wird daher stark von deren Funden geprgt.
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Siedlungen und Huser Tacitus, Germania 16,1–4 Dass die Vlker der Germanen keine Stdte bewohnen und dass sie nicht einmal miteinander verbundene Siedlungen dulden, ist gengend bekannt. Sie wohnen abgesondert und einzeln, wie ihnen eine Quelle, ein Feld, ein Wald zusagt. Die Drfer errichten sie nicht in unserer Weise mit aneinandergereihten und zusammenhngenden Gebuden: Jeder umgibt sein Haus mit einem freien Raum, teils als Maßnahme fr den Fall eines Brandes, teils aus Unkenntnis ber die Bauweise. Nicht einmal Mauersteine oder Ziegel sind bei ihnen im Gebrauch: Sie verwenden fr alles unbearbeitetes Holz ohne Schnheit oder Reiz. Bestimmte Stellen bestreichen sie sorgfltiger mit einem so reinen und glnzenden Ton, dass es den Eindruck von Malerei und Farblinierungen macht. Sie pflegen auch unterirdische Hhlen aufzugraben und laden viel Dnger darber, als eine Zufluchtsttte fr den Winter und ein Lager fr die Feldfrchte, weil Orte dieser Art den strengen Frost ertrglicher machen, und wenn einmal ein Feind naht, dann plndert er das Offene, whrend Verstecktes und Vergrabenes unbemerkt bleibt und ihm eben dadurch entgeht, dass es erst gesucht werden muss. (bersetzung Goetz-Welwei I 141)
Wohn-Stall-Haus
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Ein Hof bestand in der Regel aus einem Haupthaus und mehreren Nebengebuden, die ohne feste Ordnung um das Haupthaus gruppiert waren. Bei
IV.
Siedlungsformen dem Haupthaus handelte es sich um ein Wohn-Stall-Haus. Das Gebude, in dem Mensch und Tier gemeinsam lebten, war in den meisten Fllen nach einer Ost-West-Achse ausgerichtet, sodass die Schmalseite gegen den Wind gestellt war. In seinem westlichen Teil lagen die Wohnrume mit Lehmfußboden, in seiner Mitte der Wirtschafts- beziehungsweise Gemeinschaftsbereich und im stlichen Teil die Stallungen. In grßeren Wohnstallhusern, die 30 bis 40 m lang und 4 bis 8 m breit waren, gab es Platz fr 24 bis 30 Rinder, in kleineren, die 12 bis 20 m lang waren, Platz fr ungefhr die Hlfte. Da wohl nur die wertvollsten Tiere eingestallt wurden, bieten die Stallungen nur einen ungefhren Anhaltspunkt fr die Grße der Viehherden. Bei den Wohnstallhusern ist zwischen den einschiffigen Wohnstallgebuden, bei denen die Dachkonstruktion auf den Pfosten der Außenwnde ruhte, und den zwei- und dreischiffigen Wohnstallgebuden, in denen im Innern eine beziehungsweise zwei parallele Pfostenreihen das Dach trugen, zu unterscheiden. Dreischiffige Wohnstallhuser, die die eindeutig vorherrschende Hausform darstellten, lassen sich im Norden der Niederlande und Deutschlands bis ins Mittelalter nachweisen; in Westfalen und in den sdlichen Niederlanden sind seit der Kaiserzeit zweischiffige Wohnstallhuser zu finden. Weniger einheitlich ist das Gebudespektrum in Sdwest- und Ostdeutschland. Neben ein- und zweischiffigen Wohnstallhusern kommen beispielsweise in Ost-Brandenburg sogar vierschiffige Wohnstallhuser vor. Fr die Nebengebude gab es kein festes, einheitliches Grundschema. In einigen Gebieten sind so genannte Grubenhuser zu finden, die zur Hlfte im Erdboden lagen. Sie dienten vornehmlich als Werksttten (Weberei, Schmiede, Schreinerei) oder als Vorratslager. Als Speicher wurden Huser genutzt, die auf Stelzen standen. Herdstellen in Nebengebuden deuten darauf hin, dass sie teilweise bewohnt wurden. Das Baumaterial bestand vorwiegend aus Holz, Lehm und Reet. Das zwischen den Wandpfosten befestigte Flechtwerk wurde mit Lehm oder auch Mist verputzt. In Kstenregionen schtzten auch Grassoden die Außenmauern. Die Dcher waren mit Schilf oder Stroh bedeckt. Steinhuser kamen sehr selten vor. Fr die Gebiete nahe der Grenze zum Rmischen Reich ist zu beobachten, dass die Germanen rmische Bauweisen und Bautechniken bernahmen. So hatten im Bereich der Niederlande germanische Huser Dachziegeln und Bodenfliesen, in Mainfranken sogar eine Fußbodenheizung (Hypokaustanlage). Innerhalb einer Siedlung lsst sich nur schwer eine klare Hierarchie der Huser feststellen. In Feddersen Wierde, einer auf einer Wurt errichteten Siedlung (nrdlich von Bremerhaven), entstand am sdstlichen Rand der Siedlung im 1. Jahrhundert n. Chr. ein grßeres Haus, das von einigen „Werksttten“ umgeben war. In Mitteljtland nahe Herning ist ein großer Hof entdeckt worden, der mehrere kleinere Hfe umfasste. Eine „Knigsburg“ und „Festung“, wie sie fr das Markomannenreich in der frhen Kaiserzeit erwhnt werden, lassen sich archologisch bislang nicht fr die verschiedenen Germanenstmme nachweisen. Die in Nordholland und Norddeutschland entdeckten „befestigten Pltze“, die sich in die Zeit vom 2. Jahrhundert v. Chr. bis zum 1. Jahrhundert n. Chr. datieren lassen und von einer Holzpalisade und einem Erdwall umgeben waren, stell-
Burgen
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Lebensweise
Bevlkerungsentwicklung
Territorium eines Stammes
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ten keine grßeren Siedlungen dar. So bleibt weiterhin unklar, wie der Hauptort eines Stammes, etwa das berlieferte Mattium der Chatten, aussah. Bis in die Sptantike kannten die Germanen offensichtlich keine „Burgen“ und errichteten auch keine Oppida wie die Gallier. Erst ab dem 3. Jahrhundert lassen sich Hhensiedlungen nachweisen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass bis zur hohen Kaiserzeit die Germanen Siedlungen auf dem flachen Land bevorzugten. Die einzelnen Hfe waren durch Freiflchen getrennt. Zune konnten einzelne, aber auch vier und mehr Gehfte umfassen. Palisaden und Verteidigungsgrben lassen sich lediglich im Vorfeld zur rmischen Grenze nachweisen. Vom 1. bis zum 5. Jahrhundert nahm die Grße und Zahl der Gebude und Werksttten in einigen Siedlungen zu, teilweise um das Zwei- bis Dreifache. Gab es in Feddersen Wierde um Christi Geburt 15 Gehfte, waren es im 3. Jahrhundert 45. Wenn man von 6 bis 8 Bewohnern je Haus ausgeht, dann stieg die Bevlkerung von 270–360 auf 360–480 Einwohner. Den ganzen Siedlungsbereich von Feddersen Wierde, der immerhin acht Dorfwurten umfasste, bewohnten ungefhr 2.000–3.000 Menschen auf einer Flche von 2.355 ha. Wenn der rmische Gelehrte Klaudios Ptolemaios im frhen 2. Jahrhundert 94 „Stdte“ fr Germanien auffhrte, drfte er solche Siedlungen gemeint haben. Die Zunahme der Bevlkerung in einer Siedlung darf aber nicht verallgemeinert werden, da nicht auszuschließen ist, dass es nur regional zu einer Konzentration der Bevlkerung in grßeren Siedlungen kam. Mehrere Siedlungen bildeten das Territorium eines Stammes. Einen Anhaltspunkt fr deren Ausdehnung und Grße bieten die so genannten „Frstengrber“, die 20 bis 30 km auseinanderlagen. Das Stammesgebiet des Oberjerstal-Kreises in Nordschleswig wird auf 1.000 km2 geschtzt und war in sieben Machtzentren unterteilt. Als Grenze zwischen den einzelnen Stammesterritorien dienten Grben, Wlle und Palisaden, die auch Zollgrenzen markierten. Ein Damm, der Angrivarierwall, trennte die Angrivarier von den Cheruskern. Der zwischen 50 und 90 errichtete Olgerdiget am Nydam-Moor in Jtland, der die Grenze wischen Angeln und Jten markierte, war 12 km lang und auf einer Lnge von 7,5 km mit einer Palisade versehen. Um 150 ersetzte ihn weiter nrdlich die neue Verteidigungsanlage Ævold. Die von antiken Autoren geprgte Vorstellung, dass Germanien ein durch seine Wlder und Smpfe schwer passierbares, unwegsames und letztlich undurchdringliches Land gewesen sei, lsst sich mit den Erkenntnissen der modernen Archologie nicht mehr ohne Weiteres vereinbaren. Moore gab es in der Tiefebene, Wlder auf den Hhen der Mittelgebirge, ansonsten muss man sich eine relativ offene Landschaft vorstellen, die mit zahlreichen Siedlungen durchsetzt war, deren Abstand an der Nordseekste nur 2 bis 4 km betrug. Unwegsames Germanien Pomponius Mela, De chorographia 3,3,29 Das Land selbst ist durch zahlreiche Flsse unwegsam, wegen zahlreicher Gebirge rau und wegen der Wlder und Smpfe ber weite Teile unzugnglich. Von
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Wirtschaft und Handel
den Smpfen sind Suesia, Metia und Melsyagum die grßten, von den Wldern der Herkynische (Schwarzwald und Schwbische Alb) und einige andere, die einen Namen tragen, doch da jener sich ber eine Lnge von 60 Tagesreisen erstreckt, ist er sowohl grßer als auch bekannter als die brigen. (bersetzung Goetz-Welwei I 101)
Zahlreiche Wege und auch „Fernstraßen“, wie sie beispielsweise fr die Gebiete der Marser und Chatten berliefert sind, verbanden die Siedlungen, sodass die Kommunikation untereinander nicht allzu schwer fiel. Diese Tatsache erklrt zum einen, warum sich germanische Stmme wie die Kimbern und Langobarden relativ schnell in Richtung Sden zum Rmischen Reich hin fortbewegten, zum anderen, warum sich Germanen bei einer Erhebung wie der des Arminius relativ rasch zusammenschließen konnten. Jedoch darf man sich unter dem Wegesystem der Germanen kein ausgebautes Straßennetz wie bei den Rmern vorstellen. Aus deren Sicht waren die Wege in Germanien fr Truppenbewegungen nur unzureichend ausgebaut. Feldherren wie Lucius Domitius Ahenobarbus oder Germanicus ließen daher befestigte Wege, in sumpfigen Gegenden Damm- und Bohlenwege anlegen.
Straßenverhltnisse
2. Wirtschaft und Handel Wie andere Vlker der damaligen Zeit lebten die Germanen vornehmlich von der Landwirtschaft. Im Unterschied zu den Rmern betrieben sie eine sehr einfache Subsistenzwirtschaft; das heißt, dass sie kaum berschsse erwirtschafteten und auch nicht die Risiken eingehen wollten, die mit einer Umstellung dieser Wirtschaftsform verbunden waren. Eine besondere Bedeutung kam der Viehzucht zu, die nach Angaben der antiken Schriftsteller die Grundlage fr den „Reichtum“ der Germanen bildete. Unter den Haustieren dominierte eindeutig das Rind, da es in mehrfacher Hinsicht ntzlich war. Es lieferte nicht nur Milch und Fleisch, sondern diente auch als Arbeitstier. Darber hinaus war sein Fell begehrt. An zweiter Stelle rangierte das Schwein. In Mainfranken gab es jedoch Orte, die sich auf die Schweinezucht spezialisierten. Schaf und Ziege sind in den Siedlungen weniger zu finden, aber immerhin noch hufiger als Geflgel, das fr die Ernhrung nur eine ußerst geringe Rolle spielte. Das Vieh der Germanen war sehr kleinwchsig. Die Widerristhhe der Rinder lag gerade einmal bei 1,10 m (zum Vergleich: 1,40–1,50 m bei Fleckvieh heute), die der Pferde bei 1,40 m (zum Vergleich: heute bei mehr als 1,48 m). Diese waren somit nicht grßer als Ponys. Schweine wurden nicht grßer als 73 cm. Durch die Rmer lernten die Germanen grßere Haustiere kennen, die auch, wie sich fr das Thringer Becken aufzeigen lsst, durch Beute oder Tauschhandel als Statussymbole in das Innere Germaniens gelangten. Solche Tiere wurden indes nicht zu Zuchtzwecken verwendet; denn die Zchtung von grßeren Rindern htte bei gleichbleibender Zahl eine Umstellung in der Viehhaltung und in der Beschaffung von
Viehzucht
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Lebensweise Futter erfordert. Dann htten die Weideflchen ausgedehnt und die Agrartechnik verbessert werden mssen.
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Germanen als Nomaden? Strabon, Geographica 7,1,3 Die Sueben sind also das grßte Volk; ihre Wohnsitze erstrecken sich vom Rhein bis zur Elbe, (…). Gemeinsam ist allen Menschen dort die Bereitschaft, die Wohnsitze zu wechseln, weil sie eine einfache Lebensweise haben und weder Ackerbau treiben noch Vorrte speichern, sondern in kleinen Htten leben und nur das Notwendige fr den tglichen Bedarf besitzen; sie ernhren sich grßtenteils von ihren Viehherden wie die Nomaden, sodass sie es diesen nachmachen, indem sie ihre Habe auf Wagen laden und mit ihren Weidetieren in jede beliebige Richtung ziehen. (bersetzung Goetz-Welwei I 91–93)
Ackerbau
Handwerk
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Der Ackerbau war ganz auf die Viehzucht abgestimmt. Die Germanen bauten vornehmlich Sommerfrchte an; denn nach der Ernte Mitte/Ende August konnte das Vieh bis Ende Februar außer den Brachen auch die abgeernteten Felder als Weiden benutzen, soweit kein Schnee lag. Als Getreide lassen sich Hirse, Emmer und Gerste, das unter anderem zum Bierbrauen verwendet wurde, und als Hlsenfrchte Linsen und Erbsen nachweisen. Wie bei der Viehzucht gingen auch beim Ackerbau von der rmischen Landwirtschaft kaum Impulse aus. Wintergetreide wie Dinkel und Weizen, durch das mehrere Ernten im Jahr mglich gewesen wren, und Gartenpflanzen, deren Pflege sehr arbeitsintensiv ist, fehlten weitgehend. Der jhrliche Wechsel von Acker und Brache verringerte ber die Jahre hinweg die Ernteertrge. Bezglich des Handwerks sind vor allem die Holzverarbeitung, die Weberei, die Tpferei und die Eisenverarbeitung zu nennen, fr die sich die notwendigen Materialien und Rohstoffe vor Ort befanden. Anders als Tacitus annahm, verfgte Germanien ber Eisenerzvorkommen. Lagersttten mit eisenhaltigem Gestein, das vorwiegend im Tagebau, aber auch in Schchten gewonnen wurde, erstreckten sich vom Ruhrtal ber den Harz bis nach Bhmen und Polen. Mit Ausnahme der Holzverarbeitung existierten in den genannten Bereichen Betriebe, die nicht allein fr den eigenen Bedarf produzierten und denen eine grßere berregionale Bedeutung zukam. Nahe Wolkenberg in der westlichen Niederlausitz bei Cottbus wurde im 4. Jahrhundert mit Holzkohle aus Raseneisenerz Metall gewonnen. Die Zahl von rund 1.200 Rennfen spricht dafr, dass die Produktion den Bedarf einer Siedlung berschritt. 20 Tonnen Eisenerz wurden nach 350 im norwegischen Trøndelag produziert. In Wijster im Nordosten Hollands gab es offensichtlich so viele Websthle, dass die mit ihnen hergestellten Stoffe mehr als den huslichen Bedarf deckten. Germanische Tpfer stellten im thringischen Haarhausen im spten 3. und frhen 4. Jahrhundert rmische Drehscheibenware her. Die Produktion belief sich auf rund 70.000 Gefße pro Jahr. Keramik dieser Tpferei war noch in einem Umkreis von 55 km zu finden. Der Fund von Haarhausen ist insofern bemerkenswert, als er belegt, dass Germanen außerhalb des Limes Produktionsweisen der Rmer bernahmen.
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Wirtschaft und Handel Jedoch darf man einen derartigen Befund nicht verallgemeinern. Eine systematische Analyse des archologischen Fundmaterials hat ergeben, dass selbst die direkte Nachbarschaft von Rmern und Germanen nicht, wie lange angenommen, zu einem regen Warenhandel und folglich zu einem generellen wirtschaftlichen Aufschwung in den limesnahen Gebieten fhrte. Am Niederrhein weckte die Anwesenheit der rmischen Truppen bei der einheimischen Bevlkerung keineswegs den Bedarf nach rmischen Erzeugnissen. Der Keramikbefund bei den Friesen in Noord Holland entspricht dem der auf Reichsgebiet ansssigen Canninefaten. In germanischen Siedlungen im Lahntal zwischen Gießen und Wetzlar treten rmische Funde erst im spten 2. Jahrhundert auf. Der Kultur- und Warenaustausch mit den in der nahe gelegenen Wetterau ansssigen Rmer war hier sehr gering. In Mainfranken und im thringischen Mhlberg, das immerhin 120 km vom Limes entfernt liegt, ist der Prozentsatz rmischer Funde dagegen eindeutig hher. Diese Unterschiede lassen sich mit bestimmten (sicherheits-)politischen Konstellationen erklren, die je nach Region und Zeit die Handelsbeziehungen unterschiedlich beeinflussten. So ist bekannt, dass die Tenkterer, die die Grenze am Rhein bedrohten, zur Zeit Neros (54–68) unter den ihnen auferlegten Handelsbeschrnkungen litten. Ebenso war whrend der Markomannenkriege und danach fr die Quaden und Markomannen der Besuch von Mrkten stark reguliert worden. Die den Rmern treu ergebenen Hermunduren durften dagegen unter Traian (98–117) als einziger Germanenstamm nicht nur am Donauufer, sondern auch im Innern der Provinz Raetien Handel treiben. Die rmischen Quellen enthalten keine genauen Beschreibungen ber den Ablauf des Handels im Innern Germaniens. Bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. brachten rmische Hndler Waren nach Germanien, was gerade in Krisenzeiten mit Lebensgefahr verbunden war. Die Hndler, die sich oft zu Vereinigungen zusammenschlossen, konnten nicht berall ihre Ttigkeit ungehindert ausben. Wie fr die Residenz des Maroboduus berliefert ist, verliehen germanische Herrscher Handelsrechte. Waren wurden nicht nur auf dem Landweg, sondern in grßeren Mengen auf dem Seeweg, insbesondere von der Rheinmndung entlang den Flussmndungen an der Nordseekste bis nach Jtland transportiert. Am Bentumersiel nahe der Emsmndung im Grenzgebiet der Friesen und Chauken, wo die Rmer 15/16 n. Chr. ein Lager zur Versorgung ihrer Truppen errichteten, existierte bis ins 5. Jahrhundert ein Handels- und Stapelplatz. Begehrt waren bei den Germanen Keramik, Tischgeschirr und Schmuck aus Bronze und Silber, Glas, dessen Herstellungsverfahren sie nicht kannten, und Waffen und Ausrstungsgegenstnde wie Schwerter, Schilde und Kettenpanzer, die trotz eines wiederholten Ausfuhrverbotes und Grenzkontrollen ber die Grenze gelangten. Solche Gegenstnde gelangten als Geschenke bei diplomatischen Kontakten und als Ware germanischer Hndler, die im Auftrag eines „Frsten“ handelten, ins Land. In einem erst 1988 entdeckten Grab bei Musˇov in Sdmhren, in dem zwei fhrende Germanen vermutlich in der Zeit der Markomannenkriege bestattet worden waren, konnten trotz frherer Plnderungen immerhin noch 187 Beigaben geborgen werden, von denen viele provinzialrmischen Ursprungs waren. Zu
Warenhandel
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Lebensweise
Mnzverkehr
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ihnen zhlen unter anderem 15 Glasgefße, 9 Keramikgefße aus Pannonien, ein Bronzetisch, eine Bronzelampe und Fragmente eines Schuppenpanzers. Zur Ausstattung eines 1990 entdeckten „Frstengrabes“ bei Gommern nahe Magdeburg, das um 250 angelegt wurde, gehrte ebenfalls Tafel- und Trinkgeschirr aus rmischen Provinzen. Die 70 gut erhaltenen Silbergefße, die bereits 1868 bei Hildesheim gefunden wurden und wahrscheinlich aus der Zeit der Flavier stammen, waren vermutlich als Geschenk fr einen germanischen Herrscher gedacht. Rmische Mnzen, vor allem Silber-Denare, waren bei den Germanen sehr beliebt. In mehr als 500 Mnzhorten lassen sie sich nachweisen. Diese hohe Zahl darf nicht darber hinwegtuschen, dass lediglich ein geringer Prozentsatz aller im Umlauf befindlichen Mnzen erhalten geblieben ist, die durch Subsidien und Soldzahlungen an die nicht-rmischen Soldaten der Hilfstruppen zu ihnen gelangten. Da die Germanen Tauschhandel praktizierten, spielten die Mnzen fr den Handelsverkehr so gut wie keine Rolle, sondern dienten als Schmuck und Tauschobjekte. Eine systematische Analyse der Mnzschatzfunde hat ergeben, dass die Germanen in den Grenzgebieten des Rmischen Reiches sich in ihrem Annahmeverhalten beziehungsweise in ihrem Gebrauch von rmischen Mnzen nicht, wie lange angenommen, von den Bewohnern im Innern Germaniens unterschieden.
Handel mit Gold und Silber Tacitus, Germania 5,3 Man kann beobachten, wie bei ihnen silberne Gefße, die man ihren Gesandten und Frsten geschenkt hat, nicht weniger gering geachtet werden als das, was sie aus Ton formen; indessen wissen (unsere) nchsten Nachbarn Gold und Silber wegen des Handelsverkehrs zu schtzen, und sie erkennen etliche unserer Geldprgungen an und whlen sie aus: Weiter im Innern bedient man sich auf einfachere und altertmliche Weise des Tauschhandels. (Jene aber) lassen altes und seit langem bekanntes Geld, die Serraten und Bigaten, gelten. Auch trachten sie mehr nach Silber als nach Gold, nicht aus (gefhlsmßiger) Vorliebe, sondern weil die Anzahl der Silbermnzen beim Handel mit gewhnlichen und billigen (Dingen) bequemer ist. (bersetzung Goetz-Welwei I 131)
Bernsteinstraße
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Die Germanen empfingen aber nicht nur Waren aus dem Rmischen Reich, sondern exportierten auch Waren. Zu den wichtigsten Exportgtern zhlten Felle, Pelze, Honig, Wachs, blondes Haar, Sklaven, gelegentlich Eisen, vor allem aber Bernstein. Dieser Stein war insbesondere in dem Gebiet zwischen der Memel- und Weichselmndung auf der Halbinsel Samland zu haben und bei den Rmern sehr begehrt, wie die Expedition eines rmischen Ritters zur Zeit Neros zu diesen Handelszentren belegt. Die sogenannte Bernsteinstraße fhrte anfnglich entlang der Weichsel durch Mittelpolen und Bhmen ber Lauriacum (Enns-Lorch) an der Donau nach Aquileia, nach dem Sturz des Markomannenknigs Vannius von Mittelpolen ber Oberschlesien, Carnuntum, Emona (Ljubljana) nach Aquileia. Infolge der langandauernden Markomannenkriege nderte sich die Handelsroute grundlegend. Der Bernstein gelangte nun auf Schiffen ber die
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Gesellschaft und Verfassung der Stmme Ostsee, Jtland und den Niederrhein ins Reich. Trotz des langen Transportwegs lohnte sich der Handel fr die Rmer, weil die Germanen dem Bernstein keinen großen Wert beimaßen und folglich aus seinem Export keinen hohen Gewinn zogen.
3. Gesellschaft und Verfassung der Stmme Die Stmme der Germanen waren relativ kleine politische Gebilde, die in der Regel nur wenige Tausend Personen umfassten. Angaben von mehreren zehntausend oder gar hundertausend Personen entsprachen nicht der Realitt. Die Stmme stellten sehr oft keine dauerhaften kulturellen und ethnischen Gemeinschaften dar, vielmehr konnten sie sich infolge von Wanderungen und Kriegen rasch verndern oder sogar auflsen. Erinnert sei hier an das kurzlebige Reich, das der Suebe Ariovist auf gallischem Gebiet errichtete, oder an die Sugambrer und Cherusker, deren Stmme in der frhen Kaiserzeit verschwanden. Die germanischen Siedler, die sich im Laufe des 1. Jahrhunderts v. Chr. in Mittelhessen niederließen, schlossen sich zum Stamm der Chatten zusammen, von dem sich zwischen 55 und 12 v. Chr. nach einem Aufstand die Bataver abspalteten. Trotz ihrer geringen Grße wiesen die Germanenstmme ein hohes Maß an sozialer Differenzierung auf. Dies belegen insbesondere die zahlreichen Grabfunde. Gerade whrend der Kaiserzeit wurden Grber wohlhabender Germanen reichlicher ausgestattet. Fr diese Grber, deren Schwerpunkt in Mitteldeutschland liegt, hat sich die Bezeichnung „Frstengrber“ eingebrgert, obwohl nicht auszuschließen ist, dass in ihnen auch vermgende „Großbauern“ bestattet wurden. Zeitgenssische Bezeichnungen fr die verschiedenen sozialen Gruppierungen und die Funktionstrger der Stmme fehlen. Ein Begriff wie kuninc fr Knig begegnet erst im 7. Jahrhundert. Man ist daher auf die Bezeichnungen antiker Autoren angewiesen, die allerdings kein genaues Bild der Stammesstrukturen wiedergeben. Caesar bediente sich bei seiner Schilderung der germanischen Herrschaftsstrukturen der fr die republikanischen Magistratsverfassung gelufigen Terminologie, wenn er schreibt, dass die Germanen im Falle eines Verteidigungs- oder Angriffskrieges Amtstrger (magistratus) whlten, die die Fhrung in diesem Krieg innehatten und Gewalt ber Leben und Tod besaßen. Im Frieden habe es dagegen keine gemeinsamen Amtstrger gegeben, vielmehr htten die Frsten (principes) der Regionen oder Gaue unter ihren Leuten Recht gesprochen und Streitigkeiten geschlichtet. Tacitus wiederum bte indirekt Zeitkritik an den Verhltnissen im Rmischen Reich, wenn er die begrenzte Amtsgewalt der germanischen Knige (reges) und die Wahl der Heerfhrer (duces) nach ihrer Leistung pries. Zu bedenken ist hier, dass rmische Feldherren und Politiker die Anfhrer germanischer Heerhaufen gerne als reges bezeichneten und ihnen dadurch Macht und Kompetenzen zuschrieben, die diese letztlich nicht besaßen.
Funktionstrger der Stmme
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Lebensweise
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Stellung der Knige und Heerfhrer Tacitus, Germania 7,1 Knige erwhlen sie nach der edlen Abstammung, Heerfhrer nach der Tchtigkeit. Doch besitzen die Knige keine unumschrnkte oder willkrliche Gewalt, und die Heerfhrer fhren eher durch ihr Vorbild als durch ihre Amtsgewalt, weil sie bewundert werden, wenn sie entschlossen handeln, wenn sie herausragen, wenn sie sich vor der Schlachtreihe aufhalten. brigens ist es allein den Priestern erlaubt, zu strafen oder zu fesseln oder auch nur zu zchtigen, (und zwar) nicht wie zur Strafe und auch nicht auf Befehl des Heerfhrers, sondern wie auf Geheiß des Gottes, der, wie sie glauben, den Kmpfern beisteht. (bersetzung Goetz-Welwei I 133)
Gefolgschaft
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In der Forschung ist lange Zeit der Fehler gemacht worden, gerade die Bemerkungen des Tacitus trotz ihrer Ungenauigkeit und Widersprchlichkeit zu verallgemeinern und die Verhltnisse im Mittelalter auf die Frhzeit der Germanen zu bertragen. Zu nennen ist hier vor allem die Idee eines Sakralknigtums, dessen Konzeption auf der Vorstellung basierte, dass germanische Krieger sich zu kultischen Mnnerbnden zusammengeschlossen, sich in ekstatischen Feiern mit dmonischen Wesen identifiziert und ihren Anfhrer folglich in einer religisen Funktion gesehen haben. Bei Tacitus lsst sich kein Hinweis auf das Knigsheil und auf einen Sakralknig finden. Das schließt aber nicht aus, dass die Germanenknige auch Aufgaben von Priestern wahrgenommen haben, da ein eigener Priesterstand neben dem Knig nicht erkennbar ist. Tacitus’ Darstellung ber die Gefolgschaft (comitatus) eines Frsten ist ebenfalls berbewertet worden. Keineswegs schilderte er den Urtyp einer sozialen und rechtlichen Institution, die bis weit in das Mittelalter fortbestand. Zudem ist die vielzitierte Treue-Bindung an einen Herrn keine typisch germanische Eigenschaft. Vielmehr bediente sich Tacitus in seinem Bericht eines Klischees von der Aggressivitt und Zgellosigkeit der Germanen. Gefolgschaft der Frsten Tacitus, Germania 13,2–14,1 Ausgezeichnete Abstammung oder hohe Verdienste der Vorfahren verschaffen auch ganz jungen Mnnern die Gunst eines Frsten; sie schließen sich den brigen, strkeren und schon frher erprobten an, und es ist keine Schande, unter deren Gefolgsleuten erblickt zu werden. Ja, die Gefolgschaft selbst kennt sogar Rangstufen nach dem Urteil dessen, dem man folgt; und groß ist auch der Wetteifer der Gefolgsleute, wem der erste Platz bei ihrem Frsten (gebhrt), wie auch der Frsten, wer die meisten und tatkrftigsten Gefolgsleute (besitzt). (…) Wenn man in die Schlacht gezogen ist, ist es schmachvoll fr den Frsten, an Tchtigkeit bertroffen zu werden, schmachvoll fr die Gefolgschaft, nicht die Tchtigkeit des Frsten zu erreichen. Vollends schimpflich fr das ganze Leben und eine Schande aber ist es, aus der Schlacht herauszukommen und seinen Frsten berlebt zu haben: Ihn zu verteidigen, zu schtzen und auch die eigenen Heldentaten seinem Ruhm zuzuschreiben, ist eine besondere Schwurverpflichtung: Die Frsten kmpfen fr den Sieg, die Gefolgsleute fr den Frsten. (bersetzung Goetz-Welwei I 139)
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Gesellschaft und Verfassung der Stmme Den Schriftquellen ist kein eindeutiger verbindlicher Rechtscharakter der Beziehungen zwischen einem Gefolgsherren und seinen Gefolgsleuten zu entnehmen. Zum einen drften die Bindungen nicht allzu fest gewesen sein, da sich waffenfhige Mnner auch anderen Gefolgsherren und sogar anderen Stmmen anschließen konnten, zum anderen existierten verschiedene Formen der Gefolgschaft. Zu dem Gefolge des Cheruskerfrsten Segestes zhlten Verwandte und „Klienten“, zur engeren Gefolgschaft des Sueben Ariovist gehrten 50 und zu der des Alamannen Chnodomar 200 Krieger als Leibwchter. Der Cheruskerfrst Inguiomerus wechselte 17 n. Chr. ohne Weiteres mit seinem Gefolge zum Markomannenknig Maroboduus, weil er sich nicht mehr seinem Neffen Arminius unterordnen wollte. Ein wichtiges Element in der „Verfassung“ der Germanenstmme bildeten die Volksversammlungen, zu denen sich alle waffenfhigen Mnner an bestimmten Tagen trafen und die in alle relevanten Entscheidungen eingebunden waren, doch trafen die „Frsten“ die wichtigen Vorentscheidungen. Entsprechend der Macht der Frsten reichte die Herrschaftsform bei den Stmmen von der Adelsherrschaft bis zur Knigsherrschaft. Bei den Canninefaten regierte wie bei den Batavern der Adel; im Kriegsfall whlten die fhrenden Canninefaten durch eine Schilderhebung einen Heerfhrer, fr dessen Wahl außer seiner Khnheit seine edle Abstammung ausschlaggebend war. Bei den Kimbern und Teutonen teilten sich mehrere Knige die Herrschaft. Fr die Friesen ist um die Mitte des 1. Jahrhunderts, fr die Vandalen bis ins 4. Jahrhundert ein Doppelknigtum berliefert. ber die Quaden regierte um 200 ein Knig, um 350 mehrere Knige. Vernderungen in der Herrschaftsform sind nicht nur auf interne Machtkmpfe zwischen rivalisierenden Familien zurckzufhren, sondern auch auf den Einfluss rmischer Kaiser. Whrend sich Arminius letztlich doch nicht gegen die fhrenden Familien seines Stammes behaupten konnte, gelang dies seinem Neffen Italicus mit der Untersttzung Roms. Ein anderes Beispiel liefern die Markomannen. Bei ihnen hatte der Adlige Maroboduus nach seiner Rckkehr aus Rom eine starke Knigsherrschaft errichtet, indem er sein Volk nach Bhmen fhrte und noch weitere Stmme an sich band. Als er sich 17 n. Chr. mit seinem großen Heer den Cheruskern geschlagen geben musste und seinen Rckhalt bei den Rmern verlor, setzte ihn der Adlige Catualda ab. Nachdem diesen die Hermunduren vertrieben hatten, bestimmten die Rmer den Quadenknig Vannius zum neuen Herrscher ber die Markomannen. Am Ende seiner dreißig Jahre whrenden Herrschaft zog er sich aber den Unmut der Rmer und der eigenen Stammesgenossen zu, sodass seine Neffen Vangio und Sido ihn zur Abdankung zwangen und sich die Herrschaft untereinander aufteilten. Nach ihnen regierten dann wieder einzelne Knige, unter ihnen Angehrige aus der Familie des Maroboduus. Entsprechend ihrer Machtstellung sind die Befugnisse der einzelnen Herrscher wahrscheinlich unterschiedlich ausgefallen. In vielen Fllen waren die Knige gleichzeitig Heerfhrer. Zudem drften Knige gerade bei Streitigkeiten, die auf Feldzgen auftraten, richterliche Funktionen bernommen haben, die nach dem rmischen Historiker Tacitus ansonsten nur den Priestern zustanden. Das Bettigungsfeld der Frau beschrnkte sich vor allem auf den huslichen Bereich. Spinnen, Weben und Tpfern gehrten zu ihren Aufgaben. An
Vernderungen in der Herrschaftsform
Stellung der Frau
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Priesterinnen
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kriegerischen Unternehmungen beteiligten sie sich eher selten und wenn, dann nur in Notsituationen. Von den Frauen der Kimbern ist bekannt, dass sie nach der Schlacht von Vercellae 101 v. Chr. ihre Wagenburg mit Lanzen und Wurfspießen gegen die anstrmenden rmischen Soldaten verteidigten. Bei den Markomannen waren um 170 n. Chr. Frauen am Kampf beteiligt und bei den Goten kmpften zur Zeit Kaiser Aurelians (270–275) Frauen mit. Eine wichtige ffentliche Funktion versahen die Frauen im religisen Bereich als Priesterinnen und Wahrsagerinnen. So begleiteten weißgekleidete Priesterinnen die Kimbern auf deren Kriegszgen. Sie tteten die ihnen bergebenen Gefangenen, um aus deren Blut und aus deren Eingeweiden die Zukunft vorauszusagen. Die Sueben Ariovists entschieden aufgrund der Losorakel und Prophezeiungen ihrer Familienmtter (matres familiae), ob sie eine Schlacht beginnen sollten oder nicht. Große Berhmtheit erlangte whrend des Bataveraufstandes eine Jungfrau namens Veleda aus dem Stamm der Brukterer, die in einem Turm wohnte. Sie empfing die sie um Rat bittenden Germanen nicht selbst, sondern ließ die Antworten, die ihre Gottheit auf die an sie gerichteten Fragen gab, ber einen auserwhlten Verwandten berbringen. Da Veleda den anfnglichen Erfolg des Bataveraufstandes vorhergesagt hatte, wurde sie wie eine Gttin verehrt und war in viele wichtige Entscheidungen eingebunden, bis die Rmer sie gefangen nahmen. Priesterinnen und Menschenopfer Poseidonios, Fragmente der griechischen Historiker 87 F 31,3 (F 44a,3 Theiler = Strabon, Geographica 7,2,3) Von den Kimbern erzhlt man folgenden Brauch: Ihre Frauen nahmen an den Kriegszgen teil und wurden hierbei von Priesterinnen begleitet, die als Seherinnen fungierten; es waren weißgekleidete Weiber mit grauem Haar, die ihre Gewnder aus Leinen mit Spangen befestigt hatten, Bronzegrtel trugen und barfuß gingen. Diese Priesterinnen gingen mit einem Schwert in der Hand den Kriegsgefangenen durch das Lager entgegen, bekrnzten sie und fhrten sie zu einem Kessel aus Bronze, der etwa 20 Amphoren fasste. Sie bestiegen dort ein Gerst und schnitten dann – ber den Kessel gebeugt – jedem Gefangenen, den man zu ihnen emporhob, die Kehle durch; aus dem Blut, das in den Kessel floss, sagten sie die Zukunft voraus. Andere aber schnitten den Gefangenen den Leib auf und verkndeten nach einer Art Eingeweideschau ihren Leuten mit lauter Stimme Sieg. Whrend der Schlachten schlugen sie (die Frauen) auf Hute, die ber das Flechtwerk ihrer Wagen gespannt waren, sodass ein ungeheurer Lrm entstand. (bersetzung Goetz-Welwei I 269)
ber die rechtliche Stellung der germanischen Frau ist kaum etwas bekannt. Bei der Heirat erhielt sie von ihrem Ehemann eine „Brautgabe“. Auch wenn in erster Linie die mnnlichen Nachkommen erbberechtigt waren, ist nicht ganz auszuschließen, dass auch Frauen Besitz vererben konnten.
4. Religion Gottheiten
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Die literarischen Quellen und die Inschriften sagen wenig ber die Religion der Germanen aus. Sie nennen zwar die wichtigsten Gottheiten und ffent-
IV.
Religion liche Opferriten, enthalten aber keine Informationen ber Jenseitsvorstellungen und Totenglauben, ber den Ablauf von Kulthandlungen und Prozessionen oder den Inhalt von Gesngen. Tacitus bemerkte, dass die Germanen am hufigsten Merkur, dem sie an bestimmten Tagen Menschenopfer darbrachten, und Herkules und Mars, denen sie Tiere opferten, verehrten. Gemeinhin werden diese Gtter mit den germanischen Gottheiten Odin (Wodan), Tyr und Thor gleichgesetzt. Abgesehen von der Verwendung lateinischer Namen fr einheimische Gtter ist bei dieser Feststellung zu bedenken, dass der rmische Historiker bei seiner Bemerkung wohl eher von den gallo-rmischen Verhltnissen ausging und es keine einheitliche Religion und somit keine einheitliche, allen Stmmen gemeinsame Gtterwelt bei den Germanen gab. Vielmehr ist zeitlich und regional mit unterschiedlichen Entwicklungen zu rechnen. Aber nicht jeder Stamm hatte seine eigenen Gottheiten. Einige Stmme schlossen sich zu Kultgemeinschaften zusammen. Die Marser verehrten gemeinsam mit den Brukterern, Tubanten und Usipetern in einem Tempel eine Gottheit namens Tanfana. Bei den Friesen stand der Hain fr die Kriegsgttin Baduhenna hoch in Ehren. Bei den Nahar(na)valen bte ein Priester in Frauenkleidern die Aufsicht ber den Kult fr die Alci, einem gttlichen Brderpaar, aus. Die in Schleswig-Holstein und Jtland lebenden Stmme, unter ihnen die Angeln, verehrten die Erdmutter Nerthus. Ein mit einem Umhang bedeckter Wagen stand auf einer Insel in einem ihr geweihten Hain. Wenn der Priester der Nerthus ihre Ankunft bemerkte, fhrte er den von Khen gezogenen Wagen durchs Land und zum Heiligtum zurck. Danach reinigten „Sklaven“ den Wagen, den Umhang und ein Ebenbild der Gttin in einem entlegenen See, in dem sie selbst verschwanden. In den rmisch besetzten Gebieten am Niederrhein sind ber 1.100 Matronensteine gefunden worden, die zu Ehren dreier weiblicher Gottheiten gesetzt wurden. Vor allem ab der Mitte des 2. Jahrhunderts haben einige dieser Gottheiten, die eher gallischen Ursprungs sind, germanische Beinamen wie Aufaniae, Gabiae oder Vataranehae, die sich von Flurnamen, Drfern und segenbringenden Krften ableiten und somit auf die Vielfltigkeit in der germanischen Gtterwelt hinweisen. Kulthandlungen bten die Germanen an Quellen, Flssen, Seen, Mooren, an Passbergngen, in dicht besiedelten und unbewohnten Gebieten aus. Dort vollbrachten sie ihre Dank-, Bitt- und Shneopfer. Wie eine solche Kultsttte aussah, lsst sich am besten fr Oberdorla in Thringen aufzeigen, wo verschiedene Opferstellen von unterschiedlicher Benutzungsdauer aus der Zeit zwischen dem 6. Jahrhundert v. Chr. und dem 10./11. Jahrhundert n. Chr. entdeckt wurden. Die Kultpltze waren durch Stcke oder Flechtwerkzune abgegrenzt worden. Auf Stcken beziehungsweise Pfhlen waren Felle oder Schdel von (Haus-)Tieren, insbesondere von Rindern und Pferden befestigt, die wahrscheinlich in einem direkten Zusammenhang mit der an dieser Stelle verehrten Gottheit standen. Innerhalb des umzunten Bezirks trafen sich die dort ansssigen Germanen. Tempel, die ihnen als Versammlungs- und Kultraum dienten, kannten sie nicht. Allerdings verehrten die Germanen ihre Gtter nicht nur im Freien; in Oberdorla ließen sich einfache „Sakralhtten“ aus Holz nachweisen, die als Schutzbau fr Idole dienten; bei ihnen handelte es sich um die Darstellung einer Gottheit mit
Kultgemeinschaften
Kulthandlungen
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IV.
Lebensweise
Waffenopfer
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Hilfe eines Pfahles, dessen oberes Ende mit einem aus ihm geschnitzten Kopf abschloss. So hnlich knnte auch der von Tacitus erwhnte „Tempel“ der Tanfana ausgesehen haben. In Empel am Niederrhein errichteten die Bataver einen Tempel fr ihren Kriegsgott Hercules Magusanus im griechisch-rmischen Stil. In Oberdorla wurden nicht nur Haustiere, sondern auch Menschen geopfert; darauf deuten die Knochenfunde von etwa 40 verschiedenen Personen hin, die wie die Tiere mit Hmmern, xten und Keulen gettet wurden. Die Kultsttte der Semnonen, an der sich Abgesandte der mit ihnen „verwandten“ Suebenstmme trafen, diente ebenfalls dazu, ffentlich einen Menschen zu tten. Derartige Opfer vollbrachten die Germanen insbesondere nach einem Sieg ber ihre Feinde. So opferten sie nach der endgltigen Niederlage des Varus auf in Hainen errichteten Altren rmische Offiziere. Hermunduren und Chatten weihten 58 n. Chr. vor einer gemeinsamen Schlacht gegenseitig die Krieger und Pferde des anderen Stammes ihren Gttern „Mars“ und „Merkur“. Auf Unverstndnis stieß bei den Rmern ferner das Verhalten der Germanen, die Rstungen und Waffen ihrer Feinde zu zerstren, indem sie sie zerschlugen, verbogen oder verbrannten. Ein solches Verhalten registrierten die Rmer bereits bei den Kimbern. Die erbeuteten Waffen und Rstungen brachten die Germanen der Gottheit dar, die sie im Kampf untersttzt hatte. Im Moor von Thorsberg nahe Schleswig, einer ehemaligen mit Wasser gefllten Senke, wurden zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert Waffen, Pferdegeschirr und Kleidung versenkt. Im Tal der Illerup dal in Ostjtland bei Aarhus wurde um 200 zweimal die vollstndige Ausrstung eines Heeres geopfert und erneut um 400 und 500. Nachdem die Ausrstungsgegenstnde vorsortiert worden waren, warf man sie entweder vom Ufer oder von einem Boot in den nahe gelegenen See. Die Anlsse fr derartige Opfer geben bis heute noch Rtsel auf. Eine Opferstelle anderer Art, die vor allem im 2. Jahrhundert berregionale Bedeutung erlangte, befand sich in Bad Pyrmont im Weserbergland. In den Brunnen einer Mineralquelle hinterlegten Angehrige der unteren Bevlkerungsschicht Fibeln, von denen immerhin 253 geborgen werden konnten. Offensichtlich existierte hier ein Heiligtum, an dem vielleicht in Verbindung mit einem Fruchtbarkeitskult eine Quellgottheit verehrt wurde.
V. Germanen im Dienst der Rmer Darstellungen ber die Germanen konzentrieren sich vor allem auf ihr Leben außerhalb des Rmischen Reiches im „freien“ Germanien. Die Rmer holten aber auch Germanen als Soldaten und Siedler in ihr Reich. Die militrische und die zivile Ttigkeit hingen eng zusammen, da die Soldaten fr ihren Dienst Land zugewiesen bekamen und die Siedler ihrerseits Kriegsdienst zu leisten hatten.
1. Soldaten Die Rekrutierung von Soldaten bei nicht-rmischen Vlkern war fr die Rmer nichts Neues und nicht nur auf die Germanen beschrnkt. Das Anheuern von Germanen ist seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. bezeugt. Obwohl Caesar nicht mde wurde, die Gefhrlichkeit der Germanen zu betonen, nahm er germanische Einheiten, insbesondere germanische Reiter, als Hilfstruppen in sein Heer auf, die ihn 52 v. Chr. bei der Belagerung von Alesia und auf seinen Feldzgen in Spanien Nordafrika, gypten und Kleinasien begleiteten. Er setzte damit die seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. bestehende Tradition fort, nicht-italische Vlker, die ber besondere Fhigkeiten im Kriegshandwerk verfgten, fr die rmische Armee zu rekrutieren. Ein Vorteil dieser Hilfstruppen (auxilia) bestand darin, dass sie je nach Bedarf angeworben und wieder entlassen werden konnten. Sie erwiesen sich zudem als wirkungsvoll im Einsatz gegen ihre eigenen Landsleute. Die „Barbaren“, die sich anwerben ließen, hofften angesichts der berlegenheit des rmischen Heeres reichlich aus der Kriegsbeute belohnt zu werden und ihren Ruhm und ihr Ansehen zu vermehren. Bei den germanischen Soldaten im rmischen Dienst ist zum einen zwischen den Angehrigen der kaiserlichen Leibwache, die nicht zu der regulren Armee gehrte, und den Angehrigen der Hilfstruppen zu trennen. Bereits Kaiser Augustus hielt sich eine germanische Leibwache, die um 40 n. Chr. fast 1.000 Mann stark war. Ihr gehrten vorwiegend Bataver und Ubier an. Nachdem Galba sie 68 aus unbekannten Grnden aufgelst hatte, ließ Traian (98–117) diese Tradition wieder aufleben und bildete zu seinem persnlichen Schutz Reitereinheiten aus Angehrigen dieser Stmme. Caracalla (212–217) legte ebenfalls Wert darauf von Germanen bewacht zu werden. Constantin (306–337) setzte schließlich diese Tradition mit seinen scholae palatinae fort. Bei den Hilfstruppen der frhen Kaiserzeit ist zwischen Volksaufgeboten und regulren Einheiten zu unterscheiden. Im Falle eines Volksaufgebotes verpflichtete sich ein bestimmtes Volk auf der Grundlage eines Vertrages, Soldaten zu stellen, die unter der Fhrung ihrer Landsleute kmpften. Die regulren Hilfstruppen gingen, wie es um die Mitte des 1. Jahrhunderts bei den Batavern geschah, aus solchen Volksaufgeboten hervor. Sie waren un-
Hilfstruppen
Kaiserliche Leibwache
53
V.
Germanen im Dienst der Rmer
Brgerrecht nach 25 Dienstjahren
Foederaten
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terteilt in reine oder teilweise berittene Infanterieeinheiten, den Kohorten, und in Kavallerieeinheiten, den Alen. An ihrer Spitze standen Prfekten, die bei den germanischen Truppen aus dem Adel der jeweiligen Stmme kamen. Prominente Beispiele hierfr sind der Cherusker Arminius und der Bataver Civilis. Allerdings unterstellten die Rmer die germanischen Truppen einem Tribunen und gliederten ihnen eigene Soldaten ein, wenn sie, wie im Falle der Usiper, dem Aufgebot eines Stammes misstrauten. Mit der Aufnahme fremder Vlker vernderte sich nicht nur die Organisationsform des rmischen Heeres, sondern nahmen auch die rechtlichen Unterschiede unter den Soldaten zu. Whrend die Legionre alle das rmische Brgerrecht besaßen, hatten die Soldaten der Volksaufgebote keinen Anspruch darauf. Außerdem war die Dauer ihrer Dienstzeit geregelt. 52 gewhrte Claudius den Angehrigen der regulren Auxiliareinheiten das Brgerrecht nach 25 Dienstjahren, in denen sie sich mit den rmischen Lebensverhltnissen vertraut gemacht hatten. Er stellte sie in dieser Hinsicht den Legionren gleich. Da in der frhen Kaiserzeit beinahe die Hlfte aller Soldaten in Hilfstruppen organisiert war, betraf diese Regelung sehr viele Soldaten. Durch sie sollte die Loyalitt der Hilfssoldaten gesteigert werden; doch reichte die Verleihung des Brgerrechts allein nicht aus um Streitigkeiten zu verhindern. Zu groß war bei vielen Germanenstmmen der Unmut ber das Verhalten rmischer Offiziere, wie der Aufstand der Bataver 69/70 am Niederrhein bewies. Die Bataver liefern aber auch ein besonderes Beispiel dafr, wie sehr sich der rmische Militrdienst auf das Leben eines Stammes auswirken konnte. Bei einer geschtzten Gesamtbevlkerung von 40.000 Menschen stellten sie rund 4.500 Soldaten, sodass jede Familie von der Einberufungspflicht betroffen war. Hinsichtlich der Namen, Sprache und Essgewohnheiten passten sich die Bataver den Rmern an, behielten aber ihre Wohnkultur und Bestattungsrituale bei. Nach der Niederlage des Varus warben die Rmer lange keine Hilfstruppen von Stmmen an, die außerhalb des Reiches lebten. Dies nderte sich, als mit den Markomannenkriegen das Rmische Reich in die Defensive geriet. Im Kampf gegen den Usurpator Avidius Cassius untersttzte 175 eine aus Markomannen, Naristen und Quaden bestehende Reitertruppe Marc Aurel. Maximinus Thrax (235–238), ein Kaiser „barbarischer“ Herkunft, bediente sich vorwiegend germanischer Hilfstruppen im Brgerkrieg gegen seine Gegner aus dem Senat. Aurelian (270–275) ließ nach Kmpfen in Palmyra Alen und Kohorten von Franken, Quaden, Chamaven und Alamannen in gypten stationieren, die dort in vernderter Zusammensetzung bis zum Beginn des 5. Jahrhunderts fortbestanden. Als Constantin sich 306 in Britannien zum Kaiser ausriefen ließ, untersttzten ihn vor allem alamannische Einheiten. 332 vereinbarte Constantin mit den gotischen Terwingen, dass sie zum Schutz der Reichsgrenze Truppen stellten, fr die die Rmer jhrlich Sold zahlten. Magnentius fand bei seinem Usurpationsversuch 350/351 Rckhalt bei Franken und Alamannen. Fr die germanischen Einheiten brgerte sich seit dem frhen 5. Jahrhundert die Bezeichnung Foederaten (foederati) ein, weil der Anwerbung von germanischen Soldaten wie im Falle der Goten oft ein Vertrag (foedus) zugrunde lag. Die eigentliche Bedeutung dieser Bezeichnung geriet aber bald
V.
Soldaten in Vergessenheit, weshalb im 6. Jahrhundert auch Soldaten regulrer Einheiten als Foederaten bezeichnet wurden.
Die Vernderung des Begriffs Foederaten Prokop, Bellum Vandalicum 1,11,3–4
Q
Zu den Foederaten gehrten frher nur Barbaren, die – da von den Rmern nicht besiegt – nicht als Unterjochte, sondern als vllig Gleichberechtigte in den Staatsverband aufgenommen worden waren. Foedera heißen nmlich bei den Rmern die mit ihnen abgeschlossenen Vertrge. Heutzutage (Mitte 6. Jahrhundert) aber drfen alle diese Bezeichnung verwenden; denn die Zeit lsst den Dingen keineswegs ihre ursprnglichen Namen, vielmehr ndern sich dauernd die Gegenstnde, und die Menschen kmmern sich, ihrer Art entsprechend, nicht weiter um die alte Namensgebung. (bersetzung Veh 85)
Sptestens ab der Regierungszeit Constantins (306–337) ist zu beobachten, dass germanische Adlige, die Hilfstruppen befehligten, in fhrende Positionen des Reiches aufstiegen und durch Heirat in verwandtschaftlicher Beziehung zu den fhrenden Familien des Reiches und sogar zu den Kaisern standen. Diese Entwicklung wurde durch die klare Trennung von militrischem Kommando und ziviler Verwaltung gefrdert, die seit dem spten 3. Jahrhundert bestand. Seitdem blieben die wichtigsten Positionen in der Zivilverwaltung den Senatorenfamilien vorbehalten. Germanen erhielten nun hohe Kommandostellen im Heer, so auch das unter Constantin geschaffene Amt des Heermeisters. Der Heermeister Flavius Ursus war 338 schließlich der erste Konsul germanischer Herkunft. Der Heermeister Silvanus, Sohn eines frnkischen Frsten, ließ sich 355 in Kln sogar zum Gegenkaiser ausrufen. Der Franke Flavius Bauto diente den Kaisern Gratian (375–383) und Valentinian II. (375–392) als Heermeister und hatte 385 den Konsulat inne. Seine Tochter Eudoxia heiratete Kaiser Arcadius. Der Vandale Flavius Stilicho, Konsul 400 und 405, bestimmte als Heermeister von 395 bis zu seiner Ermordung 408 die Politik des Westreiches und verheiratete seine Tchter mit dem Kaiser Honorius und verlobte seinen Sohn mit dessen Halbschwester. Der Heermeister Flavius Ricimer, der Sohn eines Sueben und einer Westgotin, entschied zwischen 456 und 472 ber das Schicksal mehrerer Kaiser, auch ber das seines Schwiegervaters Anthemius (467–472). Es ist kein Zufall, dass die genannten Befehlshaber den Namen Flavius trugen; er ist als Indiz dafr zu werten, dass ihnen das rmische Brgerrecht verliehen worden war. Die zahlreichen Erwhnungen von germanischen Einheiten und Offizieren verleiteten zu der Annahme, dass es infolge eines Bevlkerungsrckganges und eines damit einhergehenden Rekrutenmangels im 4. und 5. Jahrhundert zu einer „allmhlichen Barbarisierung“ des rmischen Heeres gekommen sei. Einmal abgesehen davon, dass rmische Soldaten den Schlachtgesang (barritus) der Germanen bernahmen, sind keine weiteren „Germanisierungen“ zu erkennen. Dass Germanen in ihren Einheiten ihre Kampfesweise beibehielten, war gerade ein Grund fr ihre Rekrutierung. Germanen wurden auch nicht durch eine entsprechende Personalpolitik bei
Germanische Heermeister
Barbarisierung des rmischen Heeres
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V.
Germanen im Dienst der Rmer Befrderungen bevorzugt. Lediglich fr knapp zwanzig Prozent der 644 Offiziere, die fr den Zeitraum von 350 bis 476 bekannt sind, lsst sich mehr oder weniger sicher eine „barbarische“ Herkunft nachweisen. Die Befreiung bestimmter Bevlkerungsgruppen, wie zum Beispiel der Kolonen, Kurialen, Juden und Sklaven, vom Militrdienst spricht außerdem gegen die These von einem generellen Rekrutenmangel.
2. Siedler Um- und Ansiedlungen
Q
Um- und Ansiedlungen externer Vlker sind bereits fr die spte Republik bezeugt. Fr die Zeit von 38 v. Chr. bis 395 n. Chr. lassen sich mehr als vierzig Ansiedlungen von Barbarengruppen nachweisen, unter denen auffallend viele Germanen zu finden sind. Diese Gruppen kamen entweder freiwillig oder wurden zwangsweise umgesiedelt. Agrippa wies 19 v. Chr. den Ubiern auf der linken Rheinseite das Gebiet zwischen Krefeld und Bonn zu, Ahenobarbus den Hermunduren das Gebiet am Main, das 8 v. Chr. die Markomannen verlassen hatten. Nach ihrer Unterwerfung 9 v. Chr. gab Tiberius den Sugambrern, die sich kooperationsbereit zeigten, Land in dem Gebiet zwischen Xanten und Krefeld. Es spricht einiges fr die Annahme, dass die Rmer, nachdem sich die Chatten in das Gebiet zwischen Ohm und Diemel zurckgezogen hatten, dem chattischen Teilstamm der Mattiaker Land in der Untermainebene zuwiesen. Dort konnten die Mattiaker von dem nahe gelegenen Legionslager in Mainz berwacht werden. Aber nicht alle Umsiedlungsaktionen verliefen erfolgreich. Die Chatten, die Drusus 11/10 v. Chr. besiegt hatte, gaben alsbald das ihnen zugewiesene neue Land auf. Die Stadt, die die Rmer zwischen 4 v. und 9 n. Chr. in Waldgirmes mit Bewohnern aus dem Umland erbauten, um das Lahntal, die Wetterau und das Rhein-Main-Gebiet zu kontrollieren, drfte nach der Niederlage des Varus verlassen worden sein. Die „Barbaren“, die Marc Aurel 172 whrend der Markomannenkriege im Gebiet von Ravenna ansiedelte, brachten die Stadt in ihre Gewalt, sodass der Kaiser alle fremden Siedler in Italien des Landes verwies. Zwischen 68 und 169, als die Rmer ihre Reichsgrenze ausbauten, ging die Zahl der Ansiedlungen anscheinend zurck, nahm aber danach wieder zu. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts zwang beispielsweise Constantius I. die gefangen genommenen Franken sich in Nordgallien niederzulassen.
Lob germanischer Siedler Panegyricus Latinus 8 (4),9,3–4. (Aus einer Lobrede auf Constantius I., gehalten am 1. Mrz 297) Es pflgt also nun fr mich der Chamave und der Friese, und jener Nomade, jener Plnderer mht sich mit der schmutzigen Landarbeit und besucht meinen Wochenmarkt mit kuflichem Vieh, und der barbarische Landmann lsst den Getreidepreis sinken. Selbst wenn er zur Aushebung gerufen wird, eilt er herbei und
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V.
Siedler
wird durch Militrgehorsam geschliffen und auf dem Rcken bestraft und beglckwnscht sich noch dazu, dass er unter dem Namen des rmischen Kriegsdienstes dient. (bersetzung Goetz-Patzold-Welwei I 161)
Die germanischen Siedler erhielten entweder ffentliches oder kaiserliches Land, das teilweise verdet war oder brachlag und von ihnen erst kultiviert werden musste. Außerdem standen sie jetzt unter dem Schutz des Reiches. Als Gegenleistung mussten sie Tribute zahlen. Die 370 am Po angesiedelten Alamannen hießen deshalb tributarii. Außerdem mussten sie Legionen mit Lebensmitteln versorgen und/oder Kriegsdienst leisten, indem sie beispielsweise bestimmte Abschnitte der Reichsgrenze bewachten. Fr die Kaiser bot sich durch die Ansiedlungen die Mglichkeit, Wanderbewegungen im Vorfeld ihres Reiches zu kontrollieren. Sie legten großen Wert darauf, dass die jeweiligen Stammesgruppen, auch wenn sie freiwillig bersiedelten, sich ihnen vor ihrer Aufnahme ins Reichsgebiet unterwarfen. Damit erlangten die Kaiser nicht nur die absolute Verfgungsgewalt ber sie, sondern verdeutlichten gleichzeitig die Vormachtstellung des Rmischen Reiches. Aufgrund der Unterwerfung (deditio) hießen die aufgenommenen „Barbaren“ Deditizier (dediticii). Sie genossen kein hohes Ansehen und wurden daher 212 von der Verleihung des rmischen Brgerrechts an alle freien Bewohner des Reiches ausgenommen. Eine besondere Stellung nahmen die Laeten (laeti) ein, denen der Kaiser Land mit einer besonderen Rechtsqualitt (terrae laeticae) zuwies, das dem staatlichen Fiskus und somit dem Prtorianerprfekten unterstand. Im 4. Jahrhundert nahmen die Laeten, bei denen es sich ursprnglich um aus der Kriegsgefangenschaft befreite Rmer handelte, germanische Einwanderer in ihre Siedlungen auf. Sie standen unter der Aufsicht eines Prfekten und dienten unter dessen Kommando in regulren Einheiten, die entweder nach ihrer Stammesherkunft (zum Beispiel Franken, Alamannen, Bataver) oder nach dem Gebiet ihrer Ansiedlung (zum Beispiel dem Gebiet der Treverer und Lingonen) unterschieden wurden. Da sie zu der regulren Feldarmee zhlten, besaßen sie wohl auch das rmische Brgerrecht. Gemeinsam mit den Laeten werden die Gentilen (gentiles) erwhnt, die seit 232 bezeugt sind und damit schon vor den Laeten existierten. Sie kamen anscheinend vorwiegend von der mittleren und unteren Donau. Neben Germanen waren auch Sarmaten unter ihnen vertreten. Ihre Rechtsstellung ist unklar. Mglicherweise erhielten sie als ehemalige Deditizier am Ende ihrer Dienstzeit das rmische Brgerrecht verliehen. Die germanischen Siedlungen auf rmischem Gebiet sind noch nicht systematisch erforscht worden. Fr Nordgallien, ein bevorzugtes Ansiedlungsgebiet, ergibt sich kein einheitliches Bild ihrer Lebensweise. Die dort entdeckten Grber weisen mehr oder weniger starke Abweichungen von den rmischen beziehungsweise germanischen Begrbnissitten auf und konnten bislang nicht eindeutig einer der genannten Bevlkerungsgruppen zugeordnet werden. Inzwischen tendieren Archologen dazu, diese Grber aufgrund ihrer Beigaben (Schmuck, Kleidung, Waffen) als Grber einer neuen Elite der betreffenden Region anzusprechen.
Deditizier
Laeten
Gentilen
Germanische Siedlungen
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V.
Germanen im Dienst der Rmer Die germanischen Siedler, die rmische Landgter (villae rusticae) bernahmen, waren offensichtlich bemht die vorhandenen Wirtschafts- und Siedlungsformen zu bernehmen. Dort, wo die germanischen Siedler in Drfern lebten, dominierten germanische Lebensweisen und Hausformen (wie das Wohnstallhaus). Nicht selten kamen germanische Siedler mit ihren Familienverbnden und standen, wie es in ihren Militreinheiten ohnehin blich war, weiterhin unter der Fhrung ihrer Frsten. Fr die Transdanuviani, die Stmme jenseits der Donau, die unter Nero Aufnahme in der Provinz Moesien fanden, wird dies ausdrcklich erwhnt. Obwohl diese ihre Stammesfhrung beibehielten, waren sie an einem friedlichen Zusammenleben mit den Rmern interessiert. Sie waren zahlenmßig und militrisch zu schwach, um eigene Reiche zu grnden, dies nderte sich erst in der Sptantike.
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VI. Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit Bereits whrend der Markomannenkriege waren Germanen in das Rmische Reich eingefallen. Rund hundert Jahre spter nahmen die Angriffe und Invasionen der Germanen an Massivitt zu. In der spten Kaiserzeit entstanden Großstmme wie die der Alamannen, Goten, Vandalen und Burgunder, die mehr als zehntausend Personen umfassten und sich schließlich dauerhaft auf rmischem Territorium niederließen. Zusammen mit der romanischen Bevlkerung grndeten sie neue Reiche. Als Ursache fr diese Entwicklung wird eine Bevlkerungszunahme in Germanien angenommen. Ihre militrische Schlagkraft erhhten die Germanen im 3. und 4. Jahrhundert durch eine verbesserte Waffenproduktion, die offensichtlich eine immer grßer werdende wirtschaftliche Bedeutung erlangte. Mit den Reichsgrndungen vernderten sich die Sozial- und Herrschaftsstrukturen der einzelnen Stmme. So ist die Machtposition eines germanischen Knigs im 5. Jahrhundert kaum mit der eines germanischen Heerfhrers um Christi Geburt vergleichbar.
1. Die Alamannen Ende 3. Jh. Landnahme rechtsrheinischer Gebiete durch germanische Siedler 297 Einflle alamannischer Stmme zwischen Mainz und Gnzburg 357 Niederlage bei Straßburg gegen Julian 378 Niederlage nahe Colmar gegen Gratian Die Alamannen, deren Name nicht vor 289 auftauchte, waren einer der ersten Großstmme im Vorfeld der rmischen Reichsgrenze. Sie okkupierten nicht als ein bereits existierender Stamm rechtsrheinische Gebiete. Siedlungsfunde sprechen dafr, dass Ihre Ethnogenese erst nach 260 im Sdwesten Deutschlands begann. Alamanni/Alamannen Die gngige Interpretation dieses Stammesnamens besagt, dass er soviel bedeutet wie „alle Mnner“. Nicht zu klren ist, ob es sich dabei um die negative Bezeichnung von Nachbarn fr ein „zusammengewrfeltes Volk“ oder um die stolze Selbstbezeichnung einer Kriegergemeinschaft handelte. Der Name kann aber auch als Selbstbezeichnung elbgermanischer Einwanderer verstanden werden, die sich als religise Gemeinschaft des Mannus zu erkennen gaben, der in ihrer Heimat als Stammvater der Germanen verehrt wurde. Ethnogenese ist ein Begriff, der in der neueren Forschung verwendet wird, um die Entstehung eines (Germanen-)Volkes zu bezeichnen. Er bezeichnet die Entstehung eines
Entstehung des Stammes
E E 59
VI.
Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit Stammes, die nicht geradlinig verluft und die nicht, wie frher angenommen, auf eine Abstammungsgemeinschaft oder auf „Rassenzugehrigkeit“ zurckzufhren ist. Vielmehr ist die Genese eines Stammes ein vielschichtiger Prozess, dem sich ihm Bevlkerungsgruppen unterschiedlicher Herkunft anschlossen, zum Beispiel Sarmaten, Hunnen und Rmer. Das Erscheinungsbild eines Stammes wandelte sich im Laufe der Zeit grundlegend. So wurde aus den heidnischen, Germanisch sprechenden Franken ein christliches, Lateinisch sprechendes Volk.
Landnahme
Hhensiedlungen
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In der Mitte des 3. Jahrhunderts verschrfte sich die Situation an Rhein und Donau, weil die Kaiser aufgrund der Bedrohung durch die Perser immer mehr Truppen an die Grenze im Osten abzogen. Kaiser Gallienus (253–268), der sich mit verschiedenen Usurpationsversuchen konfrontiert sah, konnte die rmischen Provinzen nicht ausreichend schtzen. Daraufhin sagte sich Postumus, der Statthalter von Niedergermanien, von Rom los und grndete 260 das Gallische Sonderreich, zu dem auch Spanien und Britannien gehrten. Um 275 gaben die Rmer die Limeskastelle und mit ihnen die militrischen Siedlungspltze auf. Kaiser Probus (276–282) verlegte aus strategischen Grnden die Reichsgrenze an den Rhein, kmmerte sich aber weiterhin um die Versorgung der Bewohner rechts des Rheines. Sein Nachfolger Diocletian (284–305) organisierte dann die germanischen Provinzen neu. Damals verließ zumindest der Teil der rmischen Zivilbevlkerung, dem dies mglich war, die rechtsrheinischen Provinzgebiete oder zog sich in befestigte Siedlungen zurck. An den von den Rmern verlassenen Orten siedelten seit dem spten 3. Jahrhundert Germanen, die sich der rheinwesergermanischen Kultur zuordnen lassen, die sich vom Niederrhein ber Nordhessen bis nach Mainfranken erstreckte. Dabei fand keine systematische Landnahme oder planmßige Besiedlung durch die Germanen statt. Vielmehr war ihre Ansiedlung in verlassenen Siedlungen, Gutshfen und Kastellen oder in deren Nhe weiterhin von der Erlaubnis der Rmer abhngig. Mit deren Einverstndnis bildeten sie regelrechte Enklaven. Die neuen germanischen Siedler bernahmen nicht ohne weiteres die rmischen Einrichtungen und Betriebe und fhrten sie fort, sondern nutzten diese allenfalls kurzfristig. Dort, wo sich Germanen dauerhaft niederließen, errichteten sie ihre traditionellen Gruben- oder Pfostenhuser. Rmische Bauten dienten ihnen bis ins Frhmittelalter als Steinbruch. Die Rmer bildeten weiterhin den dominierenden Bevlkerungsteil. Dies lsst sich anhand von Mnzfunden beweisen, deren Auswertung ergab, dass der Geldverkehr mit rmischem Geld nach 250 ein Ausmaß besaß, das dem des 2. Jahrhunderts entsprach. Ebenso lsst sich feststellen, dass die Landwirtschaft, von regionalen Ausnahmen wie der stlichen Wetterau abgesehen, grßtenteils unverndert blieb. Allerdings behielten die germanischen Einwanderer ihre herkmmliche Wirtschaftsweise bei und bernahmen nur bestimmte Pflanzen (zum Beispiel verschiedene Gartenkruter und die Kirsche) und Tiere (zum Beispiel Gnse und Enten) von den Rmern. Der grßte Teil der Alamannen lebte in Drfern und Einzelhfen. Seit dem spten 3. Jahrhundert begegnen die sogenannten Hhensiedlungen, zum Beispiel auf dem Glauberg in der Wetterau, auf dem Zhringer Burg-
VI.
Die Alamannen berg bei Freiburg und auf dem Runden Berg bei Bad Urach. Sie beruhen entweder auf lteren (keltischen) Anlagen oder wurden gnzlich neu errichtet und lagen sowohl innerhalb als auch außerhalb des rmischen Gebietes. Die in ihnen gefundenen Gegenstnde zeugen von einem berdurchschnittlich hohen Wohlstand ihrer Besitzer, sodass sie als Herrschaftszentren gedeutet werden, von denen aus lokale „Frsten“ das Umland beherrschten. Mit ihnen wohnten Krieger und spezialisierte Handwerker, insbesondere Schmiede, in den Hhensiedlungen. Nach Informationen, die aus der Mitte des 4. Jahrhunderts stammen, gab es bei den Alamannen mehrere (mindestens sieben) Knige, gefolgt von Verwandten des Knigs (regales), Adligen (optimates) und bewaffneten Kriegern. Die Macht der Knige war unterschiedlich groß und beschrnkte sich auf bestimmte Gaue (pagi). Einer der angesehensten und bedeutendsten Knige um 350 war Chnodomar, dessen Reich vermutlich auf der Straßburg gegenberliegenden Rheinseite lag. Er entstammte einer einflussreichen Familie, die wohl mehrere Knige stellte, und wird als außerordentlich starker, umtriebiger und furchtloser Heerfhrer beschrieben. Die Alamannen bildeten somit kein einheitliches Knigreich, vielmehr existierten mehrere untereinander rivalisierende Reiche, die sich auf gemeinsamen Feldzgen unter der Fhrung eines Knigs zusammenschlossen. Vier Teilstmme sind bekannt: die Bucinobanten im Untermaingebiet, die Brisigaver am Oberrhein im Breisgau, die Lentienser nrdlich des Bodensees und die Raetovarier im Nrdlinger Ries. Bis auf den Namen der Bucinobanten handelt es sich hierbei wohl um rmische Namen und nicht um Selbstbezeichnungen regionaler Stammesgruppen. Da mit ihnen auch (Elite-)Einheiten des kaiserlichen Heeres bezeichnet wurden, scheinen rmische Offiziere, die in die alamannischen Gebiete kamen um Soldaten zu rekrutieren, die Namen der Teilstmme aufgebracht zu haben. Das Verhltnis der Alamannen zu ihren rmischen Nachbarn war wechselhaft und zwiespltig. Zum einen stellten die Alamannen Hilfstruppen fr die Rmer, zum anderen unternahmen sie immer wieder Raubzge in die germanischen und gallischen Provinzen. Die Rmer gaben ihrerseits nach Verlegung des Limes ihren Anspruch auf die rechtsrheinischen Gebiete nicht auf; sie dienten ihnen weiterhin als Pufferzone, in die rmische Kaiser zur Absicherung des Reichsgebietes eingriffen.
Anspruch des Kaisers auf germanische Gebiete Panegyricus Latinus 10 (2),7,1–7 (Aus einer Lobrede auf Maximian, gehalten am 21. April 289)
Stammesverfassung
Q
Was folgte also einem solchen Vorzeichen fr jenes Jahr, wenn nicht ein neues und ungeheures Wunder? Was aber konnte grßeres geschehen als Dein bergang nach Germanien, durch den Du, Imperator, als erster von allen bewiesen hast, dass es keine Grenze des Rmischen Reiches gibt außer derjenigen Deiner Waffen? (…) Du aber, unbesiegter Imperator, hast jene wilden und ungezhmten Vlker durch Verwstung, Schlachten, Blutbder, mit Feuer und Schwert bezhmt. Das Schicksal des Herkulischen Geschlechts ist es, allein Deinem kriegerischen Mut das zu schulden, was Du forderst. Seitdem also sind wir im Geiste befreit und gelst. Selbst wenn der Rhein austrocknet und durch seine schwache
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VI.
Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Strmung auf seinem durchscheinenden Bett kaum die leichten Kiesel fortstßt, haben wir deshalb keine Furcht mehr: Was auch immer ich jenseits des Rheines erblicke, ist rmisch. (bersetzung Goetz-Patzold-Welwei I 153–155)
Einflle in das Reichsgebiet
Schlacht bei Straßburg
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Ein Vorstoß des Kaisers Maximian 287 ber den Rhein hielt die Alamannen nicht von Einfllen in das Reichsgebiet ab; bereits 297 verwsteten sie das Gebiet zwischen Mainz und dem schwbischen Gnzburg. Nach einer Strafaktion, die Constantius I. (293–306) gegen die Alamannen unternommen hatte, scheinen sich die Verhltnisse an der rmisch-alamannischen Grenze fr lngere Zeit beruhigt zu haben. Jedenfalls unternahm Constantin, den 306 alamannische Hilfstruppen bei seiner Erhebung zum Kaiser untersttzt hatten, keine grßeren Feldzge ber den Rhein. Die Situation nderte sich, als 350 in Gallien der germanische Offizier Magnentius zum Kaiser ausgerufen wurde und schnell Anerkennung fand. Kaiser Constantius II. (337–361) wiegelte die am Rhein lebenden Germanen, unter ihnen die Alamannen, gegen den Usurpator auf, um dessen Streitkrfte an sich zu binden. Da Constantius II. alamannische Knige schriftlich aufforderte, soviel Land zu okkupieren, wie sie wollten, fielen diese mit ihren Truppen in linksrheinische Gebiete ein. Chnodomar, einer der Alamannenknige, besiegte das Heer des Magnus Decentius, den Magnentius zum Mitkaiser hatte ausrufen lassen. Die Alamannen setzten danach ihre Feld- und Raubzge fort und beanspruchten schließlich alle Gebiete, die sich links des Rheines bis zu 55 km in das Landesinnere links des Rheines erstreckten. Nachdem Constantius II. sich 353 im Brgerkrieg gegen Magnentius behauptet hatte, zog er selbst gegen die Alamannen. Ihre Knige Vadomar und Gundobad ergaben sich rasch angesichts der berlegenen rmischen Militrmacht und schlossen mit dem Kaiser Frieden. Im Frhjahr 355 zog Constantius II. gegen die Lentienser und Raetovarier. Da sich die Lage in Gallien nicht beruhigte, ernannte Constantius II. seinen Cousin Julian (355–363) zum Mitkaiser. Dieser konnte einen alamannischen Heerhaufen besiegen, der sich ihm am Oberrhein entgegenstellte. Allerdings belagerte ihn in Sens, wohin er sich ins Winterlager zurckgezogen hatte, dreißig Tage lang ein alamannisches Heer. Nachdem der Winter vorber war, beabsichtigte Julian durch einen Zangenangriff die Alamannen am Oberrhein zu unterwerfen. Whrend Julian nur langsam mit seinen Truppen vorankam, gelang es den Alamannen den Oberrhein zu berqueren und seinen Heermeister Barbatio am Weitermarsch zu hindern. Ende August 357 konnte Chnodomar zusammen mit seinem Neffen Serapio fnf weitere Knige fr eine gemeinsame Schlacht gegen Julians Truppen gewinnen. Nach dem Erfolg ber Barbatio und aufgrund falscher Information ber die Truppenstrke der Rmer glaubten die beiden an einen leichten Sieg und bezogen auf dem ersten Hhenzug vor der oberrheinischen Tiefebene bei Oberhausbergen nahe Straßburg Stellung. Obwohl sie sich gut verschanzt hatten, konnten die Alamannen gegen die besser formierten und festgefgten Reihen der Rmer nichts ausrichten und mussten sich unter hohen Verlusten geschlagen geben. Chnodomar ge-
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Die Alamannen riet in Gefangenschaft, die anderen Knige ergaben sich in der darauffolgenden Zeit und sicherten dem Kaiser vertraglich zu, keine weiteren Angriffe auf rmisches Gebiet zu unternehmen, gefangene Provinziale auszuliefern und die rmischen Verteidigungsanlagen zu versorgen. 357/358 unternahm Julian weiter nrdlich einen Vorstoß in das Untermaingebiet, um die Macht der rmischen Truppen zu demonstrieren. 359 hatte er alle alamannischen Gebiete unterworfen. Bevor er danach gen Osten zog, ließ Julian den mchtigen Alamannenknig Vadomar gefangen nehmen und nach Spanien bringen, weil er in Kontakt mit seinem Widersacher Constantius II. stand. Valentinian I. (364–375) setzte Julians harte Haltung gegenber den Alamannen fort. Als deren Gesandte bald nach seinem Regierungsantritt 365 am kaiserlichen Hof zu Mailand nicht die erwarteten „Zuwendungen“ erhielten, unternahmen alamannische Einheiten Raubzge nach Gallien. Sie mussten aber 366 bei Catelauni (Chlons-sur-Marne) eine Niederlage einstecken. Da Vadomars Sohn Vithicab eine wichtige Rolle bei den berfllen spielte, ließen die Rmer ihn 368 durch einen seiner Diener umbringen. Danach setzte Valentinian I. mit seinen Truppen ber den Rhein und eroberte eine nicht mehr zu lokalisierende Hhenburg namens Solicinium. Wie verletzbar die rmischen Grenzanlagen waren, demonstrierte kurz vor diesen Ereignissen 368 der wohl in der Umgebung von Wiesbaden lebende alamannische Knigssohn Rando. Als Mainz ohne Schutztruppen war, nutzte er die Situation aus und schlich sich whrend eines christlichen Festes (Ostern oder Pfingsten) mit seinen Kriegern in die Stadt und plnderte sie. Auch wenn der berfall nicht mit dem Bucinobantenknig Macrian abgesprochen war, ermglichte er ihm, seine Macht im Untermaingebiet auszudehnen. Valentinian I. versuchte ihn zunchst mit germanischen Verbndeten, dann 371 mit einem Feldzug zu besiegen, whrend dem er bis zum 50. Meilenstein (= 74 km) in Feindesgebiet vorstieß. Macrian berstand dies ebenso wie seine vorbergehende Absetzung, da der neue, romfreundliche Knig sich nicht lange halten konnte. 374 schloss der Bucinobantenknig bei Mainz einen Friedensvertrag mit Gratian, dem Sohn Valentinians I. Macrian geriet jedoch um 380 in eine Falle des Frankenknigs Mallobaudes. Ob sein Ende auch das Ende seines Reiches war, ist nicht berliefert. Obwohl Valentinian I. die Befestigungsanlagen an Rhein und Donau erneuern ließ, brachen die Lentienser und andere benachbarte Stmme ihren Vertrag mit Rom und fielen Ende 377 ungehindert in linksrheinisches Gebiet ein. Die Lage schien gnstig, da der neue Kaiser Gratian (375–383) sich auf einem Feldzug in den Osten befand. Bei Argentaria, einem Ort in der Umgebung von Colmar, konnte einer seiner Generle das große Heer der Alamannen in die Flucht schlagen. Der Kaiser selbst nahm bei seiner Ankunft am Rhein die Verfolgung der Lentienser und ihrer Verbndeten auf und zwang sie, sich ihm zu unterwerfen und ihm Rekruten zu stellen. Sein militrischer Erfolg blieb allerdings ohne nachhaltige Wirkung. 383/384 kam es zu weiteren Einfllen der Alamannen. Gratians Sieg ist die letzte bekannte Begegnung zwischen Rmern und Alamannen. Danach gehen die Nachrichten ber sie zurck. Es wre jedoch voreilig, aus der Quellenlage die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Alamannen durch ihre hufigen Niederlagen entscheidend geschwcht
Schlacht bei Colmar
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit worden wren und an Macht verloren htten. Vielmehr nahm das Interesse der rmischen Autoren an ihnen ab, weil andere Germanenvlker ihre Aufmerksamkeit erregten. Erst am Ende des 5. Jahrhunderts gerieten die Alamannen durch ihre Konflikte mit den Franken wieder in den Blickpunkt der Geschichtsschreibung.
2. Die Goten 238 251 268 332 378 410
erster Einfall ins Rmische Reich Knivas Sieg ber das Heer des Decius bei Abrittus gotische Vorstße in die gis Vertrag mit Constantin Sieg bei Adrianopel ber Kaiser Valens Eroberung Roms durch Alarich
In seiner Gotengeschichte vermittelt der rmische Bischof Jordanes um die Mitte des 6. Jahrhunderts den Eindruck, ein geschlossener gotischer Stammesverband sei von Skandinavien ber die Ostsee quer durch Mitteleuropa bis an die untere Donau gezogen.
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Herkunft der Goten (Jordanes, Getica 4,25–26) Man erinnert sich, dass also aus dieser Insel Scandia gleichsam wie aus einer Vlkerwerkstatt – oder besser wie aus einem Mutterschoß der Vlker – die Goten gemeinsam mit ihrem Knig namens Berig ausgezogen seien: Sowie sie erstmals aus ihren Schiffen ausstiegen und das Festland erreichten, gaben sie dem Ort dort ihren Namen. Denn auch heute, sagt man, wird er da „Gothiskandia“ genannt. Von da zogen sie rasch weiter zu den Wohnsitzen der Ulmirugier, die damals die Ksten des Ozeans bewohnten, schlugen ihr Lager auf und vertrieben sie in einer Schlacht aus deren eigenen Wohnsitzen; und dadurch, dass sie deren Nachbarn, die Vandalen, schon damals unterjochten, schlossen sie sich diese durch ihre Siege an. Sobald aber eine große Volksmenge heranwuchs und Filimer, der Sohn Gadarigs, schon als fnfter Knig nach Berig regierte, kam er zu dem Entschluss, dass das Heer der Goten von dort mit den Familien fortziehen solle. (bersetzung Goetz-Patzold-Welwei I 13–15)
Herkunft
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Die Anfnge der Goten gestalteten sich indes viel komplexer. Die aus dem spten 1. Jahrhundert bekannten Gutonen/Gotonen oder Gouten wohnten im Bereich der unteren und mittleren Weichsel. Von dort sind wahrscheinlich Familien- oder Gefolgschaftsverbnde seit Anfang des 2. Jahrhunderts immer weiter in das Gebiet zwischen Don und Dnjepr am Schwarzen Meer gezogen und haben sich in Richtung Donaumndung ausgedehnt. Auf ihren Wanderungsbewegungen kamen sie in Kontakt mit anderen Vlkern wie den Dakern und Karpen und vermischten sich mit den ansssigen Bevlkerungsgruppen, sodass der Stamm der Goten eine recht heterogene Ansammlung von Menschen darstellte. Zudem zerfiel er in mehrere Teilstmme. Aus
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Die Goten dem spten 3. Jahrhundert sind die Terwingen, aus dem 4. Jahrhundert die Greutungen bekannt, die in der modernen Fachliteratur mit den West- und Ostgoten gleichgesetzt werden, was jedoch insofern bedenklich ist, als diese Stammesbezeichnungen erst aus dem 6. Jahrhundert stammen. Sie sind zudem nicht korrekt, weil sich diese Bezeichnungen nicht von den Himmelsrichtungen ableiten, sondern von den gotischen Wrtern austra (glnzend) und vesu (gut). Daher treffen eigentlich eher die in der Wissenschaft verwendeten Bezeichnungen Ostro- und Visigoten zu. 238 setzte erstmals eine gotische Kriegergruppe ber die Donau nach Niedermoesien ber. Um sie von weiteren Einfllen abzuhalten, zahlten die Rmer ihnen jhrlich Gelder. Nichtsdestotrotz fielen 250/251 Goten unter ihrem Anfhrer Kniva erneut in Moesien ein. Nach einem anfnglichen Rckschlag gelang es ihm 251, das rmische Heer bei Abrittus (Razgrad/ Bulgarien) zu besiegen. Kaiser Decius kam in dieser Schlacht ums Leben. Ab 255 unternahmen die Goten zusammen mit anderen Vlkern wie den Boranen und Karpen Raubzge ber das Schwarze Meer bis zu den Dardanellen. Ihren vorlufigen Hhepunkt fanden diese Raubzge 268, als die Goten gemeinsam mit den Herulern von mehreren Sttzpunkten mit einer großen Flotte aufbrachen. Zwar konnten sie in Moesien nicht Fuß fassen, stießen jedoch durch den Bosporus gegen Byzanz vor. Trotz des Verlustes vieler Schiffe aufgrund der schnellen Strmung und durch die rmische Armee gelang es ihnen bis zur griechischen Halbinsel Chalkidike vorzustoßen. Whrend ein Teil des gotisch-herulischen Verbandes in das Landesinnere vorstieß und in Kmpfe mit rmischen Truppen verwickelt wurde, teilte sich der brige Verband in zwei Gruppen. Die eine Gruppe wandte sich nach Kleinasien, wo sie vergeblich Side belagerte, aber wahrscheinlich Ephesos und Troja brandschatzte; die andere Gruppe landete in Griechenland, wo Athen und der Peloponnes in ihre Hnde fielen. Bei Naissus (Nisch/Serbien) konnte Kaiser Claudius II. 269 den Vormarsch der Goten stoppen und sie anschließend von der Balkanhalbinsel vertreiben. Den Abwehrkampf gegen die gotischen Invasoren setzten seine Nachfolger erfolgreich fort. Vor 297 schlossen die Terwingen offensichtlich Frieden mit den Rmern, der bis 323 hielt. Einen bergriff der Terwingen auf rmisches Gebiet ahndete Constantin sofort und drngte in der darauffolgenden Zeit die Goten von der Donau. Diese versuchten sich 330 in Dakien, das die Rmer bereits 271 aufgegeben hatten, niederzulassen, gerieten dort aber in Konflikt mit den Sarmaten. Constantin nutzte diese Lage aus, indem sein gleichnamiger Sohn den Terwingen in den Rcken fiel. Stark dezimiert gingen sie 332 den ersten sicher bezeugten Vertrag mit den Rmern ein. Sie mussten Hilfstruppen stellen, erhielten dafr aber Geldzahlungen. Ferner erlaubte ihnen der Kaiser, weiterhin ber die Donaugrenze Handel zu treiben. Mit diesem Vertrag beruhigten sich fr mehr als eine Generation die Verhltnisse. Um die Mitte des 4. Jahrhunderts bildeten die Terwingen und Greutungen zwei machtvolle Reiche, die unterschiedlich strukturiert waren. Whrend das Leben der Terwingen als direkte Nachbarn der Rmer von einem eher buerlichen Lebensstil geprgt war, hatten die Greutungen, die nrdlich des Schwarzen Meeres in Sdrussland lebten, Lebensgewohnheiten der von ihnen beherrschten Reitervlker angenommen. An der Spitze der Greutun-
Einflle in das Rmische Reich
Reiche der Terwingen und Greutungen
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Missionsttigkeit Wulfilas
E Athanarich
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Aufnahme in das Rmische Reich
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gen stand ein mchtiger Knig namens Ermanarich, die Terwingen fhrte ein Richter namens Athanarich an. Was unter dessem Amt zu verstehen ist, lsst sich nicht mehr genau ermitteln. Als Oberhaupt der terwingischen Stammeskonfderation schlichtete er wahrscheinlich Streitigkeiten zwischen ihren Angehrigen und nahm in Abstimmung mit den gotischen Adligen Einfluss auf innen- und außenpolitische Entscheidungen. berdies agierte er als Heerfhrer. Ein großer Teil der Terwingen hing dem christlichen Glauben an, dessen Verbreitung auf ihre Kontakte mit den Rmern, insbesondere aber auf die erfolgreiche Missionsttigkeit Wulfilas zurckzufhren ist. Wulfila, dessen Vorfahren seine Stammesgenossen aus Kappadokien verschleppt hatten, war 336 oder 341 zum Bischof der Goten geweiht worden und vertrat die arianische Glaubensauffassung. Als fhrende Goten ihre getauften Stammesgefhrten mit dem Kaiser in Verbindung brachten, floh Wulfila mit ihnen 348 nach Konstantinopel. Arianismus Ist eine nach dem Priester Arius aus Alexandria (256–336) benannte Glaubensrichtung. Die Arianer sahen in Christus nicht ein Geschpf Gottes und erkannten daher die im Glaubensbekenntnis von Nika formulierte Wesenseinheit von Vater und Sohn nicht an.
Als die Goten 365 den Usurpator Procopius untersttzten, nahm der ostrmische Kaiser Valens (364–378) dies zum Anlass, um gegen sie vorzugehen und das Grenzgebiet zu schtzen. 367 und 369 berschritt er die Donau, die Goten vermieden jedoch den Kampf, indem ihr mobiler Stammesverband in die unzugnglichen Karpaten floh. Im September 369 verstndigte sich der Kaiser mit Athanarich auf einen Friedensschluss, in dem er Athanarich als gleichrangigen Verhandlungspartner anerkannte, ihm aber dafr einige Zugestndnisse abrang. Die Goten erhielten keine jhrlichen Geldzahlungen mehr und mussten den Rmern Geiseln stellen. Der Handel mit ihnen blieb auf zwei Grenzposten beschrnkt. Nach dem Friedensvertrag von 369 ging Athanarich gegen die Goten vor, die sich infolge von Wulfilas Missionsttigkeit zum christlichen Glauben bekannten, und fhrte so eine Spaltung seines Stammes herbei. Wegen des Glaubensstreits oder wegen anderer Meinungsverschiedenheiten trennten sich die Heerfhrer Alaviv und Fritigern von Athanarich und baten 376 mit ihrem Gefolge Kaiser Valens um Aufnahme in Thrakien. Diese Ereignisse stehen in enger Verbindung mit dem Vorstoß der Hunnen nach Europa, der gemeinhin als Beginn der sogenannten Vlkerwanderung angesehen wird. Vlkerwanderung Der Begriff leitet sich von dem lateinischen Ausdruck migratio gentium ab. Whrend er anfnglich noch im Plural verwendet wurde, setzte sich seit dem spten 18. Jahrhundert die Form im Singular als eigenstndige Epochenbezeichnung durch. Sie wird immer wieder wegen ihrer Ungenauigkeit kritisiert, da zum einen keine Vlker, sondern Stmme beziehungsweise Stammesgruppen wanderten und zum anderen bereits vor 376 nennenswerte Migrationen stattfanden.
Die Hunnen brachten die Goten in große Bedrngnis. Der Greutungenknig Ermanarich beging 375 angesichts der Niederlage seines Volkes Selbst-
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Die Goten mord. Das Bild der von den Hunnen bedrngten Goten, die an den Ufern der Donau flehentlich um Aufnahme in das Rmische Reich baten, entspricht aber dennoch nicht dem wahren Verlauf der Ereignisse. Immerhin berieten die Terwingen eine Zeit lang unter sich, in welches Gebiet sie bersiedeln sollten. Die Verhandlungen mit dem Kaiser zogen sich dann ebenfalls mehrere Tage hin, da er sich in der syrischen Stadt Antiochia aufhielt. Einige Goten, unter ihnen die Gefolgsleute Athanarichs, der aufgrund seiner Untersttzung des Usurpators Procopius keine gute Behandlung durch den Kaiser erwarten durfte, blieben weiterhin in den Gebieten nrdlich der Donau. Zwei weitere Aspekte sprechen ferner gegen die Annahme, dass die Hunnen einen allzu großen Druck ausbten. Denn sie verbndeten sich spter mit den Goten und kontrollierten erst um 400 das Gebiet an der Donau in grßerer Zahl. Ansturm der Hunnen Eunapios fr. 42 Blockley
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Als die Skythen (Goten) von den Hunnen vernichtend geschlagen waren und ihnen der vllige Untergang drohte, gingen diejenigen, die ergriffen worden waren, mit ihren Frauen und Kindern zugrunde, und es gab keine Schonung bei der Grausamkeit des Mordens. Nachdem aber (noch) eine große Masse – fast 200.000 Menschen – sich gesammelt und zur Flucht aufgemacht hatte, kamen am Ufer der Donau kampffhige Mnner zusammen und streckten die Hnde aus unter Schreien und Jammern und hielten Zweige als Zeichen der Bittflehenden; und sie baten, den Strom berschreiten zu drfen, indem sie ihr Schicksal beklagten und sich als Verstrkung fr die Hilfstruppen (im rmischen Heer) anboten. Die rmischen Befehlshaber aber, denen der Schutz des Ufers bertragen war, erklrten, ohne Einwilligung des Kaisers nichts tun zu drfen. Infolgedessen wurde die Entscheidung an den Kaiser berwiesen; es entstand am Hofe eine große Debatte. Und nachdem der Kronrat viele zustimmende oder ablehnende Auffassungen dargelegt hatte, traf der Kaiser seine Entscheidung, die Skythen aufzunehmen. (bersetzung Goetz-Patzold-Welwei II 65)
Alaviv, Fritigern und die mit ihnen ziehenden Goten hatten sich Thrakien als neues Siedlungsgebiet ausgesucht, weil das Land dort sehr fruchtbar war und die Donau angesichts ihres breiten Flussverlaufes Sicherheit suggerierte. Als Gegenleistung fr ihre Aufnahme versprachen sie dem Kaiser, Hilfstruppen zu stellen und ein friedliches Leben zu fhren. Zum Beweis ihrer Friedfertigkeit nahmen Fritigern und wohl auch Alaviv nach ihrem bertritt auf Reichsgebiet den arianischen Glauben des Kaisers an. Da die Goten selbst Friedensangebote machten und nicht erst unterworfen werden mussten, verzichtete Valens auf ein formales Abkommen mit den Terwingen. Nach dem gnstigen Verlauf der Verhandlungen entwickelte sich deren Aufnahme jedoch zu einem Desaster, obwohl die Rmer eine gnstige und gut zu kontrollierende Stelle der Donau nahe Durostorum (Silistra/Bulgarien) fr die berquerung ausgewhlt hatten. Die Donau fhrte zum Zeitpunkt der berquerung infolge hufiger Regenflle Hochwasser. Außerdem war die berfahrt schlecht organisiert. Da die Schiffe berfllt waren, setzten die Goten mit Flßen und ausgehhlten Baumstmmen ber. Viele von ihnen kamen dabei in den Fluten der Donau um. Die,
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Schlacht bei Adrianopel
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die berlebten, wurden von den Rmern entgegen den Vereinbarungen nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt. Um der Lage Herr zu werden, zogen die Rmer ihre Truppen zusammen, sodass andere Abschnitte der Donau unbewacht blieben. Diese Gelegenheit nutzten die Greutungen aus, deren Aufnahme Valens abgelehnt hatte, und setzten unter der Fhrung des Alatheus, Safrax und Farnobius ebenfalls ber. Mit ihnen nahm Fritigern, den die Terwingen zu ihrem obersten Heerfhrer bestimmt hatten, Kontakt auf und zog Anfang 377 nach Marcianopolis (Rek D vnja/Bulgarien), wo er einem Attentat des rmischen Befehlshabers entging. Daraufhin plnderten die Terwingen das umliegende Land und belagerten Marcianopolis. Obwohl sie Verstrkung durch bergelaufene gotische Hilfstruppen erhielten, brachen sie die Belagerung der Stadt ab und zogen durch Thrakien. Vor der heranrckenden rmischen Streitmacht wichen sie in das Gebiet unterhalb der Donaumndung zurck. Als sie sich mit den Hunnen und Alanen verbndeten, gaben die Rmer die Passstraßen nach Thrakien frei, wohin die Goten erneut einfielen. Um die Verhltnisse zu beruhigen, schloss Valens im Osten mit den Persern Frieden und begab sich ber Konstantinopel Anfang 378 in das Krisengebiet. Bei Adrianopel (Edirne/Trkei) hatte Fritigern inzwischen die gotische Streitmacht konzentriert. Valens, der in Erwartung eines sicheren Sieges nicht die Untersttzung seines Mitkaisers Gratian abwartete, ließ sich dort am 9. August 378 auf eine Schlacht mit den Goten ein. Beinahe htten seine Soldaten die Wagenburg der Feinde eingenommen. Aber die zahlenmßige berlegenheit der Gegner und ein berraschungsangriff der greutungischen Reiterei unter Alatheus und Safrax waren Ursache dafr, dass die Rmer eine der schwersten Niederlagen ihrer Geschichte erlitten. Wie viele seiner Generle fiel auch der Kaiser auf dem Schlachtfeld. Beflgelt von ihrem militrischen Erfolg zogen die Goten gegen Konstantinopel, vor dessen Belagerung sie angesichts der gewaltigen Befestigungsanlagen zurckschreckten. berhaupt waren sie danach nicht in der Lage ihren Sieg politisch auszunutzen, da sie sich wieder in ihre alten Stammesgruppen aufteilten. Die Greutungen, die nach Pannonien gezogen waren, ergaben sich 380 Gratian. Selbst der mchtige Richter Athanarich fand nach einer Verschwrung in den eigenen Reihen Zuflucht bei dem neuen Kaiser Theodosius (379–395). Nachdem der Gote erstmalig rmischen Boden betreten hatte, empfing ihn der Kaiser ehrenvoll in Konstantinopel. Mit den Terwingen, die wahrscheinlich noch unter Fritigerns Fhrung standen, schloss Theodosius am 3. Oktober 382 ein Abkommen, dem in der historischen Forschung eine besondere Bedeutung zugeschrieben worden ist. Es wurde als ein Vertrag (foedus) gedeutet, in dem zum ersten Mal ein rmischer Kaiser einem Germanenstamm weit reichende Rechte zugestand und mit dem er gleichzeitig seine Souvernitt einschrnkte. Die verschiedenen Aussagen ber das Verhltnis zwischen Goten und Rmern in dieser Zeit deuten jedoch eher daraufhin, dass es dem Abkommen mit den Greutungen entsprach; so wies Theodosius den Terwingen ebenfalls Land auf dem Balkan vor allem im Grenzgebiet des Verwaltungsbezirks Thrakien zu. Als Gegenleistung mussten sie Hilfstruppen stellen, die mit Jahresgeldern belohnt wurden. Die Goten ordneten sich damit der rmischen Herrschaft unter, auch wenn ihre Frsten das Kommando ber die Hilfstruppen erhielten.
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Die Goten Unter den gotischen Heerfhrern tat sich in den folgenden Jahren Alarich hervor. Er erregte erstmals Aufsehen, als er 388 oder 391 Theodosius daran hinderte, auf dem Weg von Thrakien nach Makedonien den Fluss Hebrus zu berqueren. Obwohl Alarich zu der antirmischen Partei unter den Goten gehrte, setzte der Kaiser alles daran, Alarich und sein Gefolge fr sich zu gewinnen. Dies gelang ihm auch, denn 394 begleiteten sie ihn auf seinem Feldzug gegen den Usurpator Eugenius. Nach einem Marsch quer ber den Balkan stießen am 5./6. September 394 die feindlichen Heere am Flsschen Frigidus im heutigen Slowenien aufeinander. Das kaiserliche Heer errang den Sieg nicht zuletzt dank des Einsatzes der Goten, die Theodosius gegen die Reihen des Feindes vorgeschickt hatte. Alarich (um 370–410) stammte aus der Familie der Balthen und kam vermutlich als Kind 376 mit den Terwingen in das Rmische Reich. Er stieg bald zu einem ihrer Heerfhrer auf. Obwohl er als Knig (rex) bezeichnet wird, lasst sich kein Datum fr eine Knigserhebung ausmachen. Alarich begrndete den Stammesverband der Westgoten, mit dem er nach Italien zog. Dort starb er nach der Eroberung Roms Ende 410.
Feldzge Alarichs
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Als die Ehrungen und das Kommando, die Alarich von Theodosius erhoffte hatte, ausblieben, zog er 395 mit seinen Goten plndernd durch Illyrien und Thrakien bis vor die Mauern Konstantinopels und von dort nach Makedonien und Thessalien. Ungehindert passierten sie die Thermopylen, fielen in Boiotien ein und eroberten Athen und danach Korinth und Sparta. Als Stilicho mit einer Streitmacht in Griechenland erschien, zogen sich die Goten aus der Peloponnes zurck, setzten aber nach Stilichos Abzug ihre Raubzge in Griechenland fort und wichen erst 397 nach verlustreichen Kmpfen nach Epirus aus. Flavius Stilicho (um 365–22.08.408) war der Sohn eines rmischen Generals vandalischer Herkunft und stieg 391 zum Heermeister auf. Theodosius ernannte ihn 395 zum Oberbefehlshaber des Westreiches und bertrug ihm kurz vor seinem Tod die Sorge um seine Shne Honorius und Arcadius. Stilicho konnte sich allerdings im Ostreich nicht durchsetzen. Nach Arcadius’ Tod verlor er das Vertrauen des Honorius und fiel einer Intrige zum Opfer.
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Um sich seine Untersttzung im Kampf gegen Stilicho zu sichern, ernannte der ostrmische Kaiser Arcadius (395–408) Alarich zum Heermeister. Er war nun fr Illyrien zustndig und konnte von den Rmern Waffen und Ausrstungsgegenstnde fr seine Truppen verlangen. Als sich in Konstantinopel 400 die antigotische Partei endgltig durchsetzte, verließ Alarich Ende 401 den Balkan und zog mit seinen Goten nach Oberitalien, wo sie 402 den westrmischen Kaiser Honorius (395–421) in seiner Residenzstadt Mailand belagerten. Ostern 402 mussten sie sich aber am Fuße der Westalpen bei Pollentia (Polenza) ergeben. Nach einer weiteren Niederlage bei Verona und infolge einer Seuche kehrten die Goten stark dezimiert nach Illyrien zurck. 404/405 profitierte Alarich erneut von dem Konflikt zwischen dem Ostund Westreich. Diesmal war es Stilicho, der ihm ein militrisches Kommando bertrug und der ihn aufforderte nach Epirus zu gehen. Als sich bald
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darauf die Lage im Westreich durch Germaneneinflle und Usurpationen zuspitzte, bat Kaiser Honorius Alarich um Hilfe, der daraufhin 407/408 mit seinem Gefolge in die Grenzprovinz Noricum zog. Er konnte damals seine Streitmacht vergrßern, weil nach Stilichos Ermordung viele seiner Anhnger sowie versklavte Goten zu ihm berliefen. Als Honorius einen Friedensvertrag mit Alarich ablehnte, bat dieser seinen Schwager Athaulf um Untersttzung, der mit einer großen Zahl Goten in Pannonien geblieben war, marschierte mit seinen Truppen auf Rom und belagerte die Stadt. Nachdem er große Mengen an Gold, Silber, Seidengewndern, Fellen und Pfeffer erhalten hatte, zog Alarich wieder ab. Jedoch erfllten sich seine Hoffnungen auf einen Friedensvertrag mit Honorius nicht; von ihm hatte er sich die Zuweisung von Land an dem Donauabschnitt in Noricum versprochen. Da sich in der Zwischenzeit viele Sklaven den Goten angeschlossen hatten und Athaulf mit seiner Streitmacht in Italien eingetroffen war, rckte Alarich 409 erneut auf Rom vor und riegelte die Stadt hermetisch ab. Aus Angst vor einer neuen Hungersnot ging der rmische Senat auf Alarichs Forderungen ein. Auf Alarichs Weisung hin wurde der Stadtprfekt und anerkannte Senator Priscus Attalus zum neuen Kaiser ausgerufen. Im Gegenzug ernannte Attalus Alarich zum Heermeister und Athaulf zum Reitergeneral. Als „Kaisermacher“ erlangte Alarich eine einflussreiche Position und entwickelte ein neues Bewusstsein seiner Macht. Der von ihm abhngige Kaiser machte sich sogleich zu einem Feldzug gegen Honorius nach Ravenna auf. Dessen Offerte, sich mit ihm die Herrschaft zu teilen, lehnte Honorius ab. An der Belagerung der kaiserlichen Residenzstadt beteiligte sich Alarich nur am Anfang und unterwarf anschließend die Aemilia und Ligurien. Damals kamen in ihm immer grßere Zweifel an den Fhigkeiten und der Loyalitt des Attalus auf. Dieser weigerte sich nmlich hartnckig, Alarichs Anweisungen zu folgen und eine angemessene Streitmacht nach Nordafrika zu schicken. Die dortigen Amtstrger waren Honorius treu ergeben und lieferten keine Lebensmittel mehr nach Rom. Dadurch wurde weitere Hungersnot in der Stadt ausgelst. Kurz entschlossen entkleidete daher Alarich vor Ariminum (Rimini) Attalus seiner kaiserlichen Insignien und nahm ihn und dessen Sohn als Geiseln. Bei Ravenna trat der Gotenknig danach in direkte Friedensverhandlungen mit Honorius, obwohl ihm dessen abgrundtiefer Hass auf die Goten nur allzu bekannt gewesen sein drfte. Die Aussichten auf eine Verstndigung schienen gut zu sein, bis der Gote Sarus, der mit Alarich seit langem verfeindet war, eine Verstndigung zwischen den beiden Parteien vereitelte, indem er mit seinen Kriegern Alarich angriff. Dieser kehrte daraufhin verrgert um und zog ein drittes und letztes Mal gegen Rom. Nachdem er die Stadt von ihrer Lebensmittelversorgung abgeschnitten hatte, ergab sich am 24. August 410 die Hauptstadt des Reiches. Drei Tage lang plnderten die Goten Rom, zeigten jedoch dabei Zurckhaltung und Mßigung. Sie steckten zwar viele Huser in Brand, schonten aber heilige Sttten der Christen. So blieben die Peterskirche und die Paulus-Basilika unversehrt und mit ihnen die Bewohner der Stadt, die dort Zuflucht gefunden hatten. Unter den Bewohnern, die den Goten in die Hnde fielen, befand sich Galla Placidia, die Schwester des Honorius.
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Das Tolosanische Reich der Westgoten Nach der Eroberung der Ewigen Stadt wandten sich die Goten nach Sden und marschierten durch Campanien und Lucanien nach Bruttium. Alarich beabsichtigte zunchst von der bruttischen Stadt Rhegium (Reggio di Calabria) nach Sizilien und von dort nach Nordafrika berzusetzen. Offensichtlich wollte er damals das Vorhaben verwirklichen, dem sich Attalus einige Monate zuvor erfolgreich widersetzt hatte. Von den wohlhabenden nordafrikanischen Provinzen hat sich Alarich wahrscheinlich ein vor rmischen Angriffen relativ sicheres Siedlungsgebiet fr seine Landsleute versprochen. Aber alle Planungen und Hoffnungen machten die widrigen Witterungsverhltnisse zunichte. Die fr die berfahrt bereitgestellten Schiffe wurden entweder vernichtet oder rissen sich aus ihren Verankerungen los. Entmutigt trat Alarich mit den Goten den Rckzug an, starb aber kurz darauf gegen Ende des Jahres 410 an einer Krankheit und wurde angeblich im Fluss Busentus bei Cosentia (Cosenza) in Sditalien bestattet. Der Fall Roms war das Ergebnis einer kompromisslosen, ungeschickten und wenig vorausschauenden Politik des kaiserlichen Hofes. Er blieb politisch und militrisch gesehen folgenlos, da Alarich nicht die Vernichtung des Rmischen Reiches und die Grndung eines eigenen Reiches im Sinne hatte, sondern auf die Integration seiner Goten in den Reichsverband aus war. Der Eroberung Roms kam vielmehr eine symbolische Bedeutung zu, da sie den Glauben an die Fortdauer der Ewigen Stadt erschtterte. Insbesondere die Christen waren schockiert, da sie das Ende des Imperium Romanum mit der Erwartung des Weltengerichts verbanden. Klage ber den Fall Roms Hieronymus, epistula 127,12
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Whrend das in Iebus (Jerusalem) geschieht, kommt eine schlechte Nachricht aus dem Westen: Rom werde belagert, mit Gold das Wohlergehen der Brger erkauft, Ausgeraubte werden erneut belagert, sodass sie nach ihrem Besitz auch ihr Leben verlren. Die Stimme stockt und Schluchzen unterbricht die Worte des Diktierenden. Erobert wird die Stadt, die den ganzen Erdkreis erobert hat; ja sogar durch Hunger geht sie zugrunde, ehe sie durch das Schwert fllt, und es wurden nur ganz wenige Gefangene gefunden. Der Wahnsinn der Hungernden trieb sie zu frevelhaften Speisen und gegenseitig zerfleischten sie ihre Glieder, whrend die Mutter nicht den Sugling schonte und in ihren Leib ihn aufnimmt, den sie kurz zuvor geboren hatte.
3. Das Tolosanische Reich der Westgoten 418 Ansiedlung in Aquitanien 451 Teilnahme an der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern 466–484 grßte Ausdehnung unter Eurich, Festigung der Herrschaft in Spanien 507 Niederlage gegen die Franken bei Vouill 531 erneute Niederlage bei Narbonne
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit Athaulf
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Nach Alarichs Tod erhoben die Goten seinen Schwager Athaulf zum Knig. Auf Anraten des Attalus verbndete sich Athaulf mit dem Usurpator Jovinus, der weite Teile Galliens beherrschte, und verließ 412 mit seinen Goten die Apenninhalbinsel in Richtung Sdgallien. Als er sich von Jovinus zur Seite gedrngt fhlte, nahm der Gotenknig Kontakt zu Honorius auf und lieferte ihm dessen Gegenspieler aus. Die Rmer hielten jedoch die versprochenen Getreidelieferungen nicht ein, sodass die Kmpfe zwischen Goten und Rmern erneut aufflammten. Um einen Ausgleich herbeizufhren, heiratete Athaulf 414 in Narbonne im Haus eines angesehenen Rmers Galla Placidia, die Tochter des Kaisers Theodosius, und verhielt sich ganz wie ein rmischer Feldherr. Den gemeinsamen Sohn nannte er Theodosius nach dem Vater der Mutter, um so seine Verbundenheit mit der Herrscherfamilie auszudrcken. Honorius bestand aber auf der Auslieferung seiner Schwester und setzte den Krieg gegen die Goten fort. Seinem Feldherrn Constantius gelang es die Goten aus Narbonne und Gallien zu vertreiben und sie schließlich nach Spanien abzudrngen, indem er sie von jeglichem Nachschub abschnitt. Im Sptsommer 415 fiel Athaulf bei Barcelona der Privatrache eines Dieners zum Opfer. ber das Verhltnis von Goten und Rmern Orosius, Historiae adversus paganos 7,43,4–6 Denn auch ich selbst (Orosius) habe gehrt, wie ein gewisser Mann aus Narbonne, der sich unter Theodosius im Kriegsdienst ausgezeichnet hatte und zudem fromm, klug und bedchtig war, bei der Stadt Bethlehem in Palstina dem gesegneten Priester Hieronymus erzhlte, er sei mit Athaulf bei Narbonne sehr vertraut gewesen und habe von ihm oft unter Zeugen erfahren, dass jener, wenn er bei guter Laune, bei Krften und bei Verstand war, zu sagen pflegte: Zuerst habe er heftig danach getrachtet, den rmischen Namen (aus dem Gedchtnis) auszulschen und dann den gesamten rmischen Boden zu einem Reich der Goten zu machen und auch so zu benennen, auf dass, um das volkstmlich auszudrcken, zur Gothia werde, was jetzt die Romania sei, und Athaulf jetzt das werde, was einst Caesar Augustus gewesen sei; da die vielfltige Erfahrung jedoch bewiesen habe, dass die Goten wegen ihres zgellosen Barbarentums weder auf irgendeine Weise Gesetzen gehorchen knnten, noch man dem Staat Gesetze untersagen drfe, ohne die ein Staat (nun einmal) kein Staat ist, habe er es vorgezogen, sich wenigstens darin eigenen Ruhm zu erwerben, dass er den rmischen Namen mit den Streitkrften der Goten ungeschmlert wiederherstelle und noch vergrßere und in den Augen der Nachfahren als Begrnder der rmischen Erneuerung angesehen werde, nachdem er schon nicht dessen Verwandler sein knne. (bersetzung Goetz-Patzold-Welwei II 381–383)
Vallia
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Die Goten bestimmten nun Sigerich, einen Gegner Athaulfs, zum neuen Knig. Er wurde aber bereits nach sieben Tagen gettet. Auf ihn folgte der gotische Heerfhrer Vallia, der wie einst Alarich mit den Goten nach Nordafrika bersetzen wollte. An der Straße von Gibraltar scheiterte sein Unternehmen jedoch an einem Unwetter. Vallia sah sich deshalb gezwungen, 416 eine Verstndigung mit den Rmern herbeizufhren, und gab endlich ihrer Forderung nach Auslieferung Galla Placidias nach. Zu ihrer eigenen Versorgung erhielten die Goten von Constantius eine große Menge an Getreide. Ferner versprach ihnen Cons-
VI.
Das Tolosanische Reich der Westgoten tantius Land in der Provinz Aquitania II. Als Gegenleistung mussten sie auf der Iberischen Halbinsel gegen die dort eingedrungenen Vandalen, Sueben und Alanen vorgehen. Vallia fhrte die geforderte militrische Hilfeleistung mit Erfolg durch, musste sie aber 418 auf Befehl des Constantius abbrechen und nach Gallien zurckkehren; die Ansiedlung der Goten erlebte er jedoch nicht mehr. Es liegen keine Angaben darber vor, ob die Ansiedlung der Goten in dem Gebiet zwischen Toulouse und Bordeaux auf der Grundlage eines bereits bestehenden oder eines neuen Vertrages erfolgte und wie sie im Einzelnen vollzogen wurde. Da es offensichtlich zu keinen grßeren Konflikten kam, scheint ber diese Maßnahme Einvernehmen bestanden zu haben, das heißt, dass ihr die fhrenden Grundbesitzer, in erster Linie die Senatoren der Gegend, zugestimmt haben drften. Die These, dass die Ansiedlung nach dem Grundsatz der hospitalitas erfolgte, wird heute kaum noch vertreten. Anscheinend gab es in Aquitanien in ausreichendem Maße (brachliegendes) Land, das den Goten zugewiesen werden konnte und dessen Abgabe die rmischen Grundbesitzer nicht als großen Verlust empfanden. Ob dieses Land in Form von Landlosen an die gotischen Krieger verteilt wurde, bleibt unklar. Sicher ist, dass die Goten in der darauffolgenden Zeit weiteres Land erwerben durften. Da das rmische Steuersystem bestehen blieb, ist auch denkbar, dass die Goten einen Teil der Steuereinnahmen, die aus Naturalien bestanden, erhielten. Ferner ist der Ort der Ansiedlung ungewhnlich. Normalerweise erhielten Germanen gefhrdete Bereiche an der Reichsgrenze zugewiesen. Die Goten durften sich hingegen gerade im Innern Galliens dauerhaft niederlassen. Das spricht fr die Annahme, dass die Bewohner Aquitaniens ebenfalls vor feindlichen bergriffen geschtzt werden mussten. Als mgliche Feinde kommen die Bagauden, Ruberbanden, die in der Sptantike Gallien heimsuchten, in Betracht. hospitalitas Th. Gaupp stellte 1844 die Theorie auf, dass die Ansiedlung von Germanen auf rmischem Reichsgebiet nach einem Gesetz ablief, das Kaiser Honorius 398 fr die Einquartierung von Truppen erlassen hatte. Unter dem beschnigenden Titel der hospitalitas (Gastfreundschaft) schrieb es vor, dass die Hausbesitzer ein Drittel ihres Hausbesitzes an die einzuquartierenden Soldaten abzutreten htten. W. Goffart und J. Durliat brachten dagegen die Idee auf, dass die Rmer den angesiedelten Germanen ein Drittel des Steueraufkommens zuwiesen.
Nach Vallias Tod bernahmen 418 die Balthen, Alarichs Familie, endgltig die Herrschaft ber die Westgoten. Unter der langen Regierungszeit Theoderichs I. (418–451), einem Sohn oder Schwiegersohn Alarichs, der zur besseren Unterscheidung von dem gleichnamigen Ostgotenknig auch Theoderid genannt wird, konnten die Goten ihre Macht in Gallien festigen, obwohl sie sich den Rmern nicht als zuverlssige Foederaten erwiesen. Als sie 422 mit ihnen nach Spanien gegen die Vandalen zogen, fielen sie vor dem entscheidenden Sieg den Rmern in den Rcken. Bei dem Bestreben, ihre Herrschaft in Richtung Rhne und Mittelmeer auszudehnen, mussten sie aber mehrere Rckschlge hinnehmen. Sie scheiterten 423, 425 und 430 bei dem Versuch Arles einzunehmen. 437 belagerten sie vergeblich Narbonne und wurden im darauffolgenden Jahr in Tou-
Ansiedlung in Gallien
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Theoderich I.
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit louse von den Rmern eingeschlossen, gewannen indes 439 die entscheidende Schlacht. Theoderich I., der durch Eheschließungen die Vandalen und Sueben an sich zu binden suchte, war seitdem auf Ausgleich mit den Rmern bedacht. Wenn auch erst nach einigem Zgern kam er 451 dem rmischen Feldherren Atius zu Hilfe, als die Hunnen unter ihrem Knig Attila in Gallien einfielen. Gemeinsam mit anderen in Gallien ansssigen Vlkern wie den Burgundern, Franken, Sachsen, Bretonen und Alanen kmpften sie in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern zwischen Troyes und Chlons-sur-Marne gegen die Hunnen und brachten sie dazu, den Rckzug anzutreten.
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Grßte Ausdehnung des Reiches unter Eurich
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Flavius Atius (nach 390–21.09.454) entstammte dem rmischen Militradel und wurde in jungen Jahren als Geisel zu den Westgoten und Hunnen geschickt. Nachdem er 425 vergeblich den Usurpator Johannes untersttzt hatte, arrangierte er sich mit Galla Placidia, der Mutter des minderjhrigen Kaisers Valentinian III. Daraufhin wurde Atius erstmals zum Heermeister ernannt. Nachdem er sich erfolgreich gegen seine innenpolitischen Widersacher durchgesetzt hatte, bestimmte er seit 435 die Politik des westrmischen Reiches. Sein grßtes Verdienst lag darin, das rmische Gallien in Kmpfen gegen die Westgoten, Burgunder, Franken und Hunnen gestrkt zu haben. Als Atius dem Kaiser zu mchtig wurde, brachte Valentinian III. ihn eigenhndig um.
Theoderich I. fiel in der Schlacht. Im Kampf um seine Nachfolge setzte sich zunchst sein Sohn Thorismund (451–453) durch, dem es gelang die Herrschaft der Goten weiter nach Norden auszudehnen und bei Orleans die Alanen zu unterwerfen. Sein Bruder Theoderich II. (453–466), der einen prormischen Kurs einschlug, vernichtete in Spanien die Bagauden und besiegte 456 die Sueben. Bereits 455 hatte er die Erhebung seines ehemaligen Erziehers Avitus zum rmischen Kaiser untersttzt. Als dessen Usurpation scheiterte, geriet der Gotenknig in eine prekre Lage. Zustzlich zu seinem Engagement in Spanien musste er sich gegen die Angriffe seiner rmischen Gegner zur Wehr setzen. Insbesondere der gallormische Heermeister Aegidius ging entschlossen gegen die Goten vor. Er vermochte Arles gegen sie zu behaupten, griff 463 mit Untersttzung der Franken Orleans an und zog gegen Toulouse. Als Aegidius 464 starb, stieß Theoderich II. bis zur Loire vor. Unter Eurich (466–484), dem Bruder Theoderichs II., erlangte das Gotenreich seine grßte Ausdehnung, nachdem der neue Knig das Foederatenverhltnis mit den Rmern gekndigt hatte. Zunchst dehnte Eurich 468 den Machtbereich der Goten in Spanien bis M rida aus und unterwarf die Bretonen in der Gegend um Bourges. 470 berschritt er mit seinen Truppen die Rhne und vernichtete eine kaiserliche Armee, die sich ihm entgegenstellte. Allerdings leisteten ihm die Burgunder und in der Auvergne die Rmer so hartnckig Widerstand, dass er sich zurckzog und den Schwerpunkt seiner militrischen Aktionen nach Spanien verlagerte, wo 472/473 Pamplona und Zaragoza sowie das Gebiet um Tarragona in seine Hnde fielen. Kurz darauf gelang es Eurich dann doch die Auvergne sowie Arles und Marseille zu erobern. Der westrmische Kaiser Nepos (474–480) war zu schwach, um den Vormarsch der Goten aufzuhalten und suchte deshalb
VI.
Das Tolosanische Reich der Westgoten den Ausgleich mit ihnen. Er einigte sich mit Eurich darauf, von dem Gotenknig als Freund (amicus) bezeichnet zu werden, obwohl ihm die Anrede Herr (dominus) zustand. Nach Nepos’ Vertreibung aus Italien okkupierte Eurich kurz entschlossen den sdlichen Teil der Provence. Verglichen mit seinen Anfngen um 420 hatte das nach seinem Machtzentrum Tolosa (Toulouse) benannte Reich der Goten seinen Umfang versechsfacht. Alarich II. (484–507) konnte allerdings die Expansionspolitik seines Vaters Eurich nicht mehr ungehindert fortsetzen. In Spanien festigte er zwar die Herrschaft der Goten und schlug eine Rebellion im Ebrogebiet nieder. In Gallien musste er sich jedoch immer gegen das aufstrebende Frankenreich verteidigen. Die Vorstße der Franken nach Saintes und Bordeaux vermochte der Gotenknig noch abzuwehren. Auch schickte ihm der Burgunderknig Gundobad als Dank fr seine Untersttzung im burgundischen Erbfolgestreit gefangen genommene Franken, auf deren Auslieferung er sich 502 im Frieden von Amboise mit dem Frankenknig Chlodwig verstndigt hatte. Der Frieden hielt jedoch nicht lange. Als die Burgunder sich den Franken anschlossen, fgten sie den Goten 507 bei Vouill nordwestlich von Poitiers eine Niederlage zu. Da Alarich II. in der Schlacht fiel, war das Gotenreich ohne Fhrung. Rasch besetzten die Franken Aquitanien und die Auvergne und erbeuteten in Toulouse den Knigsschatz der Goten. Als der Ostgotenknig Theoderich, der Schwiegervater Alarichs II., 508 in Gallien eingriff, befreite er Arles, Narbonne und Carcassone, wo ihm der Knigsschatz in die Hnde fiel. Den Franken berließ er die Gebiete zwischen Garonne und Loire. Die gallischen Besitzungen der Westgoten erstreckten sich nur noch von den Pyrenen bis zur Rhne; ihre Herrschaft konzentrierte sich von da an auf Spanien. Als Nachfolger von Alarich II. kam sein Sohn Amalarich aus der Ehe mit Theoderichs Tochter in Frage. Da er noch minderjhrig war, erhoben die Westgoten seinen Halbbruder Gesalech zum Knig. Als Gesalech in Konflikt mit dem Adel geriet, vertrieben ihn 511 ostgotische Truppen. Bald nach seiner Flucht in das Vandalenreich kehrte Gesalech 513 zurck, musste sich aber vor Barcelona geschlagen geben und wurde auf der Flucht gettet. Bereits 511 hatte Theoderich die westgotische Knigswrde auf Amalarich bertragen und gleichzeitig die Vormundschaft fr ihn bernommen. Da Theoderich sich selbst nie in Spanien aufhielt, bte Theudis, sein enger Vertrauter und der Oberbefehlshaber seiner Truppen, die Herrschaft aus. Nach Theoderichs Tod 526 bernahm Amalarich die Knigsherrschaft. Den Knigsschatz, den Theoderich einst von Carcassone nach Ravenna hatte bringen lassen, erhielten die Westgoten zurck. Da Amalarich aber nicht mit militrischer Untersttzung der Ostgoten rechnen konnte, verbndete er sich notgedrungen mit den Franken und heiratete eine Tochter Chlodwigs. Als diese sich darber beklagte, von ihrem arianischen Ehemann wegen ihres katholischen Glaubens misshandelt zu werden, griff ihr Bruder, der Frankenknig Childebert, das Westgotenreich an und siegte 531 bei Narbonne ber Amalarich, der nach Barcelona floh, wo er von Feindeshand fiel. Mit ihm starb der letzte Knig aus dem Geschlecht der Balthen. Childebert kehrte indes mit seiner Schwester und mit reicher Beute aus Spanien heim und beanspruchte einige gallische Gebiete der Westgoten fr sich.
Niederlage gegen die Franken
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VI.
Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit Ausbau der Herrschaft in Spanien
Stellung des Knigs
Hofrat
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Nach einem mehrmonatigen Interregnum bestieg Theoderichs ehemaliger Stellvertreter Theudis den Knigsthron der Westgoten. Er konnte sich im Kampf gegen die Franken behaupten und die Macht der Westgoten ber Gibraltar bis nach Ceuta ausdehnen. Durch diesen Vorstoß wollte er sein Reich vor Angriffen der Byzantiner absichern, die Nordafrika den Vandalen abgenommen hatten. Nach Theudis’ Ermordung 548 nutzten die Byzantiner die Thronkmpfe aus, um sich 552 an der spanischen Sdkste festzusetzen. Erst mit der Thronbesteigung Leovigilds 568/569 konsolidierten sich die politischen Verhltnisse der Westgoten. Mit dem Ausbau der Herrschaft in Spanien begann eine neue Phase in der Geschichte des Westgotenreiches, das von da an nach seiner neuen Hauptstadt Toledo als Toledanisches Reich bezeichnet wird. In dem Tolosanischen Reich hatten sich die Rmer im Laufe der Zeit immer mehr mit den westgotischen Machthabern arrangiert. Obwohl sie der „barbarischen“ Lebensweise der Goten reserviert gegenberstanden, fiel ihnen dies nicht schwer, weil sie nun weniger Steuern zahlten und die Verwaltung der Stdte und Provinzen bestehen blieb. Angehrige der gallormischen Oberschicht bernahmen sogar wichtige Positionen am Hofe des Knigs oder in seiner Flotte. Der Knig, der wohl durch Akklamation gewhlt wurde und der grßte Grundbesitzer war, fungierte als oberster Heerfhrer und Richter sowie als Gesetzgeber. Eurich legte um 475 eine systematische Gesetzessammlung, den codex Euricianus, Alarich II. 506 eine weitere Gesetzessammlung, das breviarium Alaricianum, vor. Die Entstehung beider Rechtssammlungen ist in der Forschung umstritten, jedoch nicht ihr Hauptanliegen. Sie dienten dazu, Streitigkeiten zwischen den Goten, die weiterhin in Gefolgschaften lebten, und den Rmern zu regeln. An den Gesetzeswerken wirkten sowohl rmische Juristen als auch gotische Rechtskundige mit. Da die Gesetze in lateinischer Sprache abgefasst waren, trugen sie wesentlich zur Romanisierung der Goten bei. Zur Erledigung der Regierungsgeschfte verfgte der Knig ber einen Hofrat und eine Kanzlei. Dem Hofrat gehrten sein Waffentrger, ein Marschall, ein Mundschenk und der Verwalter des Knigsschatzes an. Dass die Leitung der Kanzlei in den Hnden eines Senators lag, zeigt, wie sehr die Westgoten auf die Fachkenntnisse der rmischen Fhrungsschicht angewiesen waren. Fr Theoderich II. ist berliefert, wie er in einem streng geregelten Tagesablauf Gesandte und Bittsteller empfing und sich mit verschiedenen Fragen und Problemen der Reichsverwaltung befasste.
Der Regierungsstil Theoderichs II. Sidonius Apollinaris, epistulae 1,2,4.9 (Aus dem Brief eines Bischofs an den Sohn des Kaisers Avitus) Wenn Du nach dem Tagesablauf fragst, der sich außerhalb abspielt: Vor Tagesanbruch sucht er (Theoderich II.) mit einem sehr kleinen Gefolge die Zusammenknfte seiner Geistlichen auf und betet mit großer Inbrunst. Obwohl, wenn Du mit ihm allein sprichst, kannst Du feststellen, dass er diese Andacht eher aus Gewohnheit als aus berzeugung einhlt. Den Rest des Morgens bestimmt er fr die Verwaltung des Knigreiches. Nahe dem Thronsessel steht sein Waffentrger; die
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VI.
Die Vandalen
Schar der mit Pelzen bekleideten Gefolgsleute wird insoweit zugelassen, als sie helfen kann; damit sie nicht lrmt, wird sie ausgeschlossen; so kann sie durch Vorhnge ausgeschlossen, durch Schranken eingeschlossen sich außerhalb etwas zumurmeln. Unterdessen, nachdem die Gesandtschaften der Vlker eingelassen wurden, hrt er sich sehr vieles an, beantwortet sehr weniges; wenn irgendetwas nher behandelt werden muss, schiebt er es auf, wenn irgendetwas schnell erledigt werden muss, treibt er es voran. Die zweite Stunde ist da: Er erhebt sich von seinem Thron, um entweder seine Schtze oder Stlle zu inspizieren. (…) Um die neunte Stunde kommt jene Last des Regierens wieder: Bittsteller kehren zurck, ihre Antragsgegner kehren zurck, berall ertnt znkisches Begehren, das sich bis zum Abend hinzieht und abnimmt, wenn das knigliche Abendmahl es unterbricht, und darauf auf die Hflinge entsprechend der Bedeutung ihrer Schutzherren verteilt wird, um so bis Mitternacht anzudauern.
Der Aufbau einer eigenen „Regionalverwaltung“ begann erst unter Eurich. Aufgrund der Quellenlage ist in der Forschung umstritten, welche Aufgaben die duces und comites versahen. Die duces amtierten ebenso als regionale „Verwaltungschefs“ wie die comites, die Eurich berief um die verschiedenen Gebiete seines gewachsenen Reiches systematisch zu erfassen. Im Laufe der Zeit ersetzten sie wahrscheinlich die noch vorhandenen Provinzstatthalter. Gegenber der Kirche verhielten sich die Gotenknige indifferent und mischten sich nicht weiter in die Streitigkeiten zwischen Katholiken und Arianern ein. Eurich machte insofern eine Ausnahme, als unter ihm gut ein Viertel der gallormischen Bischofssthle vakant blieb. Vermutlich wollte er katholische Geistliche ausschalten, die seinen politischen Intentionen widersprachen und eher zum Kaiser hielten. Alarich II. hingegen versuchte am Ende seiner Herrschaft die Stellung der Geistlichen zu strken, indem er sie dem Einfluss des Papstes entzog.
Regionalverwaltung
4. Die Vandalen 406 409–428 429 442 455 483 533/534
berquerung des Rheins bei Mainz Landnahme auf der Iberischen Halbinsel bergang nach Nordafrika unter Geiserich Anerkennung des Vandalenreiches durch den Kaiser Eroberung Roms Verfolgung katholischer Kleriker Eroberung des Vandalenreiches durch Belisar
Der Name der Vandalen begegnet ebenso wie der der Goten erst seit der Mitte des 1. Jahrhunderts. Ihr Siedlungsgebiet wird grßtenteils mit dem Verbreitungsgebiet der Przeworsk-Kultur in Sd- und Zentralpolen in Verbindung gebracht. Die Vandalen bestanden aus recht eigenstndigen Stammesgruppen wie den Hasdingen und Silingen und wurden bis ins 4. Jahrhundert von zwei Knigen gefhrt. Mit den Rmern gerieten sie in den Mar-
Herkunft
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Einwanderung nach Gallien und Spanien
bergang nach Nordafrika
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komannenkriegen nher in Kontakt, als sie sich in Dakien niederlassen wollten. Die Hasdingen verließen im spten 3. Jahrhundert ihr Siedlungsgebiet sdlich der Karpaten, mussten sich aber in mehreren Kmpfen den Kaisern Aurelian (270–275) und Probus (276–282) geschlagen geben. Ein Teil der Vandalen, vermutlich die Hasdingen, erhielt um 400 Land in Pannonien zugewiesen, zog aber bald darauf ber Noricum und Raetien gen Westen. Zusammen mit den Silingen, deren Marschroute sich nicht mehr rekonstruieren lsst, und den Alanen und Sueben berschritten sie Ende 405/Anfang 406 nahe Mainz den Rhein. Da sie auf keinen nennenswerten Widerstand stießen, zogen sie drei Jahre lang brandschatzend durch Gallien, ehe sie 409 die Gelegenheit nutzten, ber die kaum bewachten Pyrenenpsse auf die Iberische Halbinsel einzudringen, die bislang von Barbareneinfllen verschont geblieben war. Dort setzten sie ihre Raubzge ungehindert fort und teilten 411 einen Teil der Halbinsel unter sich auf. Die Sueben und Hasdingen beanspruchten Galizien, die Alanen die Provinzen Lusitania und Carthaginiensis und die Silingen, die wohl etwas spter nach Spanien gekommen waren, die Provinz Baetica fr sich. Um den Anspruch auf diese Gebiete abzusichern, nahmen sie Kontakt zu dem westrmischen Kaiser Honorius (395–423) auf, der ihnen gestattete brachliegendes Ackerland zu besiedeln. Als Gegenleistung verlangte er nur, dass sie sich friedlich verhielten. Allerdings hielt sich Honorius selbst nicht an diese Vereinbarung. In seinem Auftrag brachen die Goten unter ihrem Knig Vallia nach Spanien auf und fgten 416 den Silingen und 418 den Alanen mehrere Niederlagen zu. Nachdem die Goten berraschend den Rckzug angetreten hatten, schlossen sich die offensichtlich stark dezimierten Silingen und Alanen den Hasdingen an, deren Knig sich von da an als Knig der Vandalen und Alanen (rex Vandalorum et Alanorum) bezeichnete. Aufgrund dieses Zusammenschlusses konnten die Invasoren die Angriffe der rmischen Truppen unter dem Befehl des Heermeisters Castinus erfolgreich abwehren und ihre Raubzge weiter ausdehnen. Dabei erlernten sie, die vorher keinen Kontakt zum Meer gehabt hatten, in kurzer Zeit die Seefahrt. 425 berfielen sie die Balearen und drangen bis zur mauretanischen Kste vor. Obwohl sie ihre Herrschaft immer weiter ausdehnten und es zu keinen nennenswerten Konflikten mit der einheimischen Bevlkerung kam, beschlossen die Vandalen 429 nach Nordafrika berzusetzen. Der Grund hierfr ist in der Lage Nordafrikas zu sehen. Ungeachtet aller sozialen und religisen Spannungen existierten in den afrikanischen Provinzen ein blhendes Stdtewesen und eine intakte Staatsverwaltung. Wer Karthago und sein Umland beherrschte, besaß großen Einfluss auf die Reichspolitik, da die Getreideversorgung Roms in hohem Maße von Nordafrika abhngig war. berdies waren die Vandalen dort wegen der geographischen Lage Nordafrikas sicherer vor weiteren Attacken der Rmer und ihrer Verbndeten als auf der Iberischen Halbinsel. Den direkten Anstoß zur Invasion Nordafrikas gab dann ein Hilfegesuch des dortigen Oberbefehlshabers Bonifatius, der am kaiserlichen Hof in Ungnade gefallen war und sich gegen die Angriffe einer kaiserlichen Armee wehren musste. Bonifatius konnte sie zwar besiegen, gleichzeitig nahm er ber Vertrauensleute Kontakte zu den Vandalen auf und vereinbarte mit ihnen eine militrische Untersttzung zur Absicherung
VI.
Die Vandalen seiner eigenen Position. Die Behauptung des griechischen Historikers Prokop, dass Bonifatius mit den beiden Vandalenknigen Gunderich und Geiserich Nordafrika zu gleichen Teilen aufteilte, entsprach nicht den Tatsachen, sondern beruhte auf der Propaganda der Gegner des Bonifatius. Geiserich (um 390 – 25.01.477) war der Sohn des hasdingischen Vandalenknigs Godigisel und einer Sklavin. Seine „niedere“ Herkunft drfte der Grund dafr gewesen sein, dass sein jngerer Halbbruder Gunderich (410–428) vor ihm die Knigsherrschaft bernahm. 428 trat Geiserich dessen Nachfolge an. Er begrndete nach langwierigen Kmpfen das Reich der Vandalen in Nordafrika und beherrschte mit seiner Flotte weite Teile des Mittelmeeres.
Nachdem Geiserich einen Angriff der Sueben in sein Herrschaftsgebiet erfolgreich abgewehrt hatte, berquerte er im Mai 429 mit 80.000 Menschen, unter denen sich 15.000–20.000 Krieger befanden, die Straße von Gibraltar. Ob sie von der Hafenstadt Iulia Traducta (Tarifa) die schmalste Stelle zur berfahrt nutzten, wird zu Recht bezweifelt. Angesichts der Zahl der zu transportierenden Menschen, Tiere, Wagen und Gertschaften und der Krze der Zeit drfte die berquerung von mehreren Hfen aus erfolgt sein. Auf den rmischen Straßen stießen die Vandalen zunchst ungehindert nach Osten vor. Langwierige Belagerungen von Stdten, auf die die Vandalen nicht vorbereitet waren, vermieden sie, bis sie nach einem Marsch von rund 1.200 km die wichtige Hafenstadt Hippo Regius (Annaba/Algerien) erreichten. Dort stellte sich ihnen im Frhjahr 430 Bonifatius mit seinem Heer entgegen. Er war nicht mehr auf die Hilfe der Vandalen angewiesen, nachdem er sich mit dem kaiserlichen Hof ausgeshnt hatte. Geiserich gelang es allerdings mit seinen Soldaten das Heer des Bonifatius in die Flucht zu schlagen, er belagerte daraufhin vom Juni 430 bis zum Juli 431 Hippo Regius. Die Belagerung ging in die Geschichte ein, weil whrenddessen am 28. August 430 der Bischof der Stadt, der bedeutende Kirchenvater Augustinus, starb. Geiserich machte Hippo Regius nach der Eroberung zu seiner ersten afrikanischen Residenz. Sein neu gewonnenes Territorium verteidigte er Anfang 432 erfolgreich gegen die Streitmacht des Bonifatius und des ostrmischen Heermeisters Flavius Ardabur Aspar. Bonifatius kehrte im selben Jahr nach Italien zurck, whrend Aspar bis 434 in Afrika blieb. Nach einem aussichtslosen Kleinkrieg hat er vermutlich zwischen den Rmern und Vandalen vermittelt und so die Grundlagen fr den Friedensvertrag gelegt, den 435 Kaiser Valentinian III. (425–455) mit Geiserich schloss. In ihm gestattete der Kaiser den Germanen, sich in den von ihnen bereits okkupierten Gebieten niederzulassen, die die Gegend zwischen Sitifis und Calama umfassten. Als Gegenleistung ging Geiserich vermutlich die Verpflichtung ein, sich mit seinen Vandalen ruhig zu verhalten, keine weiteren Eroberungszge zu unternehmen, gegebenenfalls Rom militrisch zu untersttzen und die afrikanische Reichsgrenze zu verteidigen. Mit dem Vertrag von 435 wollte der Kaiser wahrscheinlich in erster Linie erreichen, dass sich fast sieben Jahre nach der Invasion der Vandalen die Verhltnisse in Nordafrika wieder beruhigten. Unter juristischen Aspekten werden er und sein Hof die Landzuweisung an die Vandalen hnlich wie
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Landnahme in Nordafrika
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VI.
Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Vandalenreich als souverner Staat
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die an die Goten 418 in Gallien als eine Unterwerfung (deditio) angesehen und das betreffende Gebiet somit weiterhin als rmisches Territorium betrachtet haben. Fr Geiserich war entscheidend, dass er nach dem Abzug von Aspars Truppen frs Erste keine rmischen Strafexpeditionen zu befrchten brauchte und wie ein souverner Herrscher in seinem Gebiet schalten und walten konnte. Geiserich gab sich mit seinen bisherigen Eroberungen aber noch nicht zufrieden. Das eigentliche Kernland der afrikanischen Provinzen, die reiche und wohlhabende Gegend um Karthago, gehrte nicht zu seinem Herrschaftsgebiet. Daher rckte er mit seinen Truppen bald immer weiter nach Osten vor. Die politische Lage war fr ihn gnstig, da rmische Truppen in Gallien in Kmpfe mit den Westgoten verwickelt waren und schwerlich in Nordafrika eingreifen konnten. Am 19. Oktober 439 fiel die afrikanische Metropole durch ein Tuschungsmanver in seine Hnde und mit ihr das brige Land der Provinzen Africa Proconsularis und Byzacena. Wie wichtig dieses Ereignis fr Geiserich war, ist daran zu erkennen, dass er mit diesem Datum seine (afrikanische) Knigsherrschaft beginnen ließ. Mit der Einnahme Karthagos vergrßerten die Vandalen ihre Flotte. Außerdem besaßen sie mit der Stadt eine gnstige Operationsbasis fr weitere militrische Aktionen. Nachdem sie schon 437 und 438 Sizilien und andere Inseln berfallen hatten, plnderten sie 440 erneut Sizilien und belagerten Palermo. Als Geiserich befrchtete, dass der ehemalige Heermeister Sebastianus, der Schwiegersohn des Bonifatius, von Spanien aus einen Angriff auf Afrika plante, zog er sich sicherheitshalber aus Sizilien zurck. Sebastianus, der mit seinem Versuch gescheitert war, in Barcelona eine eigene Herrschaft zu errichten, bat indes um Aufnahme bei den Vandalen. Geiserich willigte ein und machte Sebastianus zu einem seiner engsten Berater. Da die Kaiser Valentinian III. und Theodosius II. (408–450) mit ihren Invasionsplnen in Nordafrika scheiterten, gingen sie angesichts der Bedrohung ihrer Reiche durch die Hunnen und Perser 441 und 442 erneut Vertrge mit dem Vandalenknig ein. Geiserich war ebenfalls an einem Friedensschluss interessiert und ließ, um sein Entgegenkommen zu signalisieren, den von den Rmern abtrnnigen Heermeister Sebastianus umbringen. ber den Inhalt des Vertrages von 441 liegen keine nheren Angaben vor. Angesichts der wachsenden Macht des Vandalenreiches wird er, wie der Vertrag von 442, weiter reichende Zugestndnisse an Geiserich enthalten haben als das Abkommen von 435. Valentinian III. teilte nmlich 442 Afrika zwischen sich und Geiserich auf, indem er ihm das von seinem Volk besetzte Land, das heißt die Provinzen Africa Proconsularis und Byzacena, sowie den sdstlichen Teil Numidiens zusprach. Damit verzichtete ein rmischer Kaiser erstmals in einem Vertrag auf von Germanen okkupiertes Reichsgebiet und gestattete ihnen ein autonomes Reich auf rmischem Boden zu grnden. Jedoch gab Valentinian III. die Hoffnung auf eine Wiedereroberung Afrikas nicht auf. Ein derart weit reichendes Zugestndnis konnte Valentinian III. nur machen, wenn Geiserich ihm ebenfalls entgegenkam. So zahlte dieser jhrlich Tribute und stellte seinen Sohn Hunerich als Geisel. Mit dieser Geisel wurde zum einen die Einhaltung des Vertrages sicher gestellt, zum anderen
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Die Vandalen Geiserich dazu gezwungen, keine weiteren bergriffe auf rmisches Territorium zu unternehmen. Das Kaiserhaus band Geiserich zudem durch die Verlobung Hunerichs mit Eudocia, der Tochter Valentinians III., enger an sich. Ferner ist nicht auszuschließen, dass der Vandalenknig sich zu militrischen Hilfeleistungen gegenber dem Kaiser verpflichtete, wofr seine Anrede als „Freund und Bundesgenosse“ spricht. Der Vertrag mit Geiserich 442 Prokop, Bellum Vandalicum 1,4,12–14
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Geiserich bewies damals nach seinem Sieg ber Aspar und Bonifatius eine bemerkenswerte Voraussicht und festigte so in starkem Maße seine Position. Er frchtete nmlich, dass die Vandalen gegen ein erneut von Rom und Byzanz anrckendes Heer nicht mit gleicher Strke und gleichem Glck kmpfen wrden, denn alle menschlichen Dinge knnten ja durch gttliches Einwirken zu Fall gebracht und die Krperkrfte geschwcht werden; so wurde Geiserich durch sein Glck nicht bermtig, sondern seine Sorgen ließen ihn Maß halten, und er beschloss daher, mit Kaiser Valentinian (III.) einen Vertrag zu schließen, wonach er ihm Jahr fr Jahr Tribute aus Nordafrika zu liefern hatte; zudem stellte er aufgrund jenes Vertrages einen seiner Shne, und zwar den Honorichus (Hunerich) als Geisel. Geiserich bewhrte sich im Kampf als tchtiger Mann und sicherte sich den Sieg in trefflicher Weise und erhielt seinen Sohn zurck, als sich ein freundschaftliches Verhltnis (zum Kaiser) entwickelte. (bersetzung Goetz-Patzold-Welwei II 415) Aus einem Schreiben des Kaisers Valentinian III. vom 19.10. 443 an den fr Nordafrika zustndigen Prtorianerprfekten (Novellae Valentiniani III. 12,2) Auch ber diese Dinge, die innerhalb der Provinz geschehen sind, in der es nicht nur ein freies Gewohnheitsrecht ist unter jedem beliebigen Titel von Rechtsfllen und Prozessen von irgendjemandem Vertrge einzufordern, muss niemand erschttert sein, (…). Wir wollen, dass das eingehalten wird, so wie es gesagt worden ist, bis zu jenem Zeitpunkt, an dem es durch einen gnstigen Verlauf gelingen wird, das Vaterland und das Eigentum, wie gewnscht, zurckzugewinnen.
Ungeachtet seiner außenpolitischen Erfolge erhoben sich 442 Adlige gegen Geiserich. Die Hintergrnde ihrer Rebellion sind nicht mehr klar zu erkennen. Denkbar ist, dass sich einige Adlige bei der Aufteilung der eroberten Gebiete bergangen fhlten oder Rache fr die Ermordung der Witwe und des Sohnes von Geiserichs Vorgnger Gunderich nehmen wollten. Der Aufstand blieb ohne Auswirkungen, da Geiserich alsbald seine Widersacher gefangen nehmen und hinrichten ließ. Solange Valentinian III. lebte, hielt sich Geiserich an den mit ihm geschlossenen Vertrag. Selbst als der Hunnenknig Attila 451 das westrmische Reich angriff, ließ er sich nicht dazu verleiten, die Gelegenheit auszunutzen. Allerdings ermunterte Geiserich Attila zu einem Vorgehen gegen die Westgoten, mit denen er sein Bndnis nach der Eroberung Nordafrikas gebrochen hatte. Als Valentinian III. am 16. Mrz 455 von einem Gefolgsmann des Atius ermordet wurde, gab Geiserich seine Zurckhaltung gegenber den Rmern auf. Angeblich soll die Kaiserwitwe Licinia Eudoxia den Vandalenknig gegen den neuen Kaiser Petronius Maximus zu Hilfe ge-
Plnderung Roms
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Kmpfe mit dem West- und Ostreich
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holt haben. Trotz der Verlobung ihrer Tochter Eudocia mit dem Vandalenprinzen wre dies fr ein Mitglied des Kaiserhauses eine ungewhnliche Tat gewesen. Vielmehr drften die Machtkmpfe in Rom Geiserich dazu bewogen haben, die Lage fr sich auszunutzen und in der Hoffnung auf reiche Beute einzugreifen. Ohne auf Widerstand zu stoßen, fuhren die Vandalen mit einer stattlichen Flotte ber das Meer und tiberaufwrts. Nachdem die Rmer am 31. Mai 455 Petronius Maximus auf der Flucht gesteinigt hatten, bemchtigten sich die Vandalen in der ersten Junihlfte der Stadt, in der der Papst als Oberhaupt der wohlhabenden katholischen Kirche eine wichtige Position erlangt hatte. Es ist aber wohl eher ein Topos der christlichen Geschichtsschreibung, dass Papst Leo I. (440–461) persnlich Geiserich von Brand und Mord abgehalten haben soll. Bemerkenswert ist dennoch, dass die Vandalen Rom nicht in Schutt und Asche legten. Sie hatten es vornehmlich auf Beute abgesehen. Zwei Wochen lang plnderten sie die Stadt und deren Bauwerke, unter ihnen viele Kirchen sowie den Kaiserpalast und den Jupiter-Tempel auf dem Kapitol. Unter den Tausenden von Gefangenen, die sie mitnahmen, befanden sich auch Licinia Eudoxia und ihre beiden Tchter Eudocia und Placidia. Mit ihrer Gefangennahme besaß Geiserich ein wichtiges Gegenmittel gegen die zu erwartenden Strafmaßnahmen der rmischen Kaiser. Sowohl der westrmische Kaiser Avitus (455–456) als auch der ostrmische Kaiser Marcian (450–457) blieben erfolglos. Wohl schon 456 vermhlte Geiserich seinen Sohn Hunerich mit Eudocia, die mit Marcians Ehefrau verwandt war. Ihre Schwester Licinia durfte Anicius Olybrius, den Angehrigen einer der mchtigsten Senatorenfamilien im Westen, heiraten. Auf diese Weise hoffte Geiserich irgendwie zu einem Ausgleich mit dem west- und ostrmischen Reich zu kommen. Seine Hoffnungen erfllten sich aber nicht, da Marcian bereits 457 starb und Eudocias Familie nicht mehr an der Macht blieb. Den neuen westrmischen Kaiser Maiorian (457–461) provozierte Geiserich mit einer Truppenlandung in Campanien. Als jener sich verteidigen wollte, ließ der Vandalenknig dessen Flotte bei Carthago Nova (Cartagena) zerstren und berfiel nach dem gewaltsamen Tod des Kaisers Sizilien. Gleichzeitig verlangte er, dass Olybrius, der Schwager seines Sohnes Hunerich, zum rmischen Kaiser ausgerufen und ihm das Vermgen von Valentinian III. und von dessen Heermeister Atius ausgehndigt werde. Letzteres htte bedeutet, dass er zu einem der grßten Grundbesitzer des Reiches geworden wre. ber Olybrius htte er zudem die rmische Politik entscheidend mitbestimmen knnen. Dies konnten der Heermeister Ricimer und der neue Kaiser Libius Severus (461–465) nicht akzeptieren und suchten den Beistand des ostrmischen Kaisers. Geiserich strebte unterdessen selbst einen Ausgleich mit Konstantinopel an und entließ als Zeichen seiner Kooperationsbereitschaft Licinia Eudoxia und Placidia aus ihrer Geiselhaft zu dem ostrmischen Kaiser Leo (457–474). Als Gegenleistung sagte dieser Geiserich einen Teil des Besitzes Valentinians III. zu. Zudem schlossen der Vandalenknig und der Kaiser 462 einen Vertrag, bei dem es sich vermutlich um eine Art Nichtangriffspakt gehandelt hat. Die Schwche Westroms nutzte Geiserich indes weiterhin fr sich aus. Seine Vandalen berfielen Jahr fr Jahr Italien und die umlie-
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Die Vandalen genden Inseln und dehnten ihre Raubzge sogar bis nach Illyrien, Griechenland und in die gis aus. Als nach dem Tod des Libius Severus Kaiser Leo die politische Verantwortung fr das Westreich bernahm und seinen Heermeister Anthemius (467–472) zum westrmischen Kaiser ernannte, forderte er 467 Geiserich auf, den neuen Kaiser anzuerkennen. Leo drohte ferner mit einem Angriff, falls die Vandalen nicht Italien und Sizilien verließen. Der Vandalenknig erklrte daraufhin den Vertrag von 462 fr gebrochen und begann seinerseits mit Kriegsvorbereitungen. Eine rmische Strafexpedition gegen Geiserich musste jedoch 467 wegen der schlechten Witterungsverhltnisse abgebrochen werden. Aber bereits im folgenden Jahr ließ Leo mit einer groß angelegten Offensive, an der 100.000 Soldaten teilnahmen, das Vandalenreich angreifen. Westrmische Truppen vertrieben zunchst die Vandalen aus Sizilien und Sardinien, whrend ostrmische Einheiten Tripolis besetzten und von dort nach Westen vorstießen. Die Hauptstreitmacht landete unter dem Befehl von Leos Schwager Basiliscus ungefhr 50 km von Karthago entfernt am Kap Bon und htte durch einen direkten Vorstoß das Zentrum des Vandalenreiches einnehmen knnen. Basiliscus zgerte allerdings und ließ sich durch Geiserich zu einem fnftgigen Waffenstillstand berreden. Als sich das Wetter zu seinen Gunsten nderte, griff Geiserich zuerst mit brennenden Schiffen, dann mit seinen Kriegsschiffen die rmische Flotte an und zerstrte sie. Nach dem Rckzug der rmischen Truppen gab sich Leo noch nicht geschlagen. 470 berraschten zwei seiner Feldherren von gypten aus mit einem unerwarteten Angriff die Vandalen in Libyen und drngten sie immer weiter zurck. Innenpolitische Machtkmpfe brachten den Kaiser dann jedoch dazu, mit Geiserich Frieden zu schließen. Aus dem Westreich brauchte Geiserich auch keine weiteren Angriffe zu befrchten. Der Machtkampf zwischen dem Heermeister Ricimer und Anthemius verhinderte den Einsatz eines 6.000 Mann umfassenden Heeres gegen die Vandalen. 472 wurde schließlich Geiserichs „Kandidat“ Olybrius zum Kaiser ausgerufen. Nach 470 hielt sich Geiserich mit bergriffen zurck, da er nunmehr darauf bedacht war, seinen Besitzstand zu sichern. Wohl zu Beginn des Jahres 476 schloss er mit dem westrmischen Patrizius Orestes zu diesem Zweck ein Abkommen. Als im Sommer 476 Odoaker (siehe Kapitel 7) die Macht in Italien bernahm, vereinbarte er mit ihm sogar die Rckgabe Siziliens gegen die jhrliche Zahlung eines Tributes. Den Abschluss seines neuen außenpolitischen Kurses bildete ein Abkommen mit Konstantinopel, das ihm Leos Nachfolger Zeno (474–491) unterbreitete. Beide Seiten kamen berein, auf ewige Zeiten keine Feindseligkeiten mehr gegeneinander zu unternehmen. Bei den Friedensverhandlungen lieferte Geiserich alle ihm und seinen Shnen gehrenden Gefangenen aus und gestattete der ostrmischen Gesandtschaft, von anderen Vandalen Gefangene freizukaufen. Ferner ließ er auf Bitten Zenos alle katholischen Geistlichen Karthagos aus ihrem Exil zurckkehren und erneuerte so die katholische Kirche im Zentrum seines Reiches. Kurz vor seinem Tode hatte Geiserich schriftlich verfgt, dass die Knigsherrschaft in seiner Familie bleiben und jeweils der lteste seiner mnnli-
Thronfolge
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Ende des Vandalenreiches
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chen Nachkommen die Knigswrde bernehmen sollte. Im Unterschied zu anderen Germanenstmmen besaßen die Vandalen daher eine klar geregelte Thronfolge, die allerdings das „Volk“ von jeglicher Mitwirkung ausschloss. Mit seiner Senioratserbfolge knpfte Geiserich weder an rmische, germanische oder gar an berberische Vorbilder an, wie lange vermutet wurde. Vielmehr besttigte er mit seiner Regelung zum einen, dass es bei den Vandalen sptestens seit der Herrschaft seines Vaters Godigisel und durch seine eigene langjhrige Herrschaft eine unumstrittene Knigsfamilie gab, die sich nach ihrem Stamm Hasdingen nannte; zum anderen wollte Geiserich mit ihr verhindern, dass es zwischen seinen beiden noch lebenden Shnen zu Streitigkeiten kam. Als Geiserich 477 starb, erstreckte sich sein Herrschaftsbereich nicht nur ber Nordafrika, sondern auch ber die Inseln im westlichen Mittelmeer. Unter seinem Sohn Hunerich (477–484) und seinen Enkeln Gunthamund (484–496), Thrasamund (496–523) und Hilderich (523–530) dehnten die Vandalen ihre Herrschaft nicht weiter aus. Ein berfall auf Sizilien 491 blieb ohne Folgen. Als Thrasamund 500 Amalafrida, die Schwester des Ostgotenknigs Theoderich, heiratete, brachte sie neben einer gotischen Leibwache die sizilianische Hafenstadt Lilybaeum mit in die Ehe. Mglicherweise sollten die Vandalen ber diesen Flottensttzpunkt im Kriegsfall den Ostgoten militrische Untersttzung zukommen lassen; allerdings fanden die Beziehungen zu den Ostgoten ein jhes Ende, als Amalafrida 526 nach einem Fluchtversuch ermordet wurde. Im eigenen Land gerieten die Vandalen zunehmend in Bedrngnis. Immer hufiger und weiter stießen die Mauren aus den unwirtlichen Gebirgsregionen und ber die libysche Steppe in das Herrschaftsgebiet der Vandalen vor, okkupierten Land und kmmerten sich um die dort lebende Bevlkerung. Einer ihrer Frsten im sdlichen Numidien bezeichnete sich daher als Knig der Mauren und Rmer (rex Maurorum et Romanorum). Thrasamund musste gegen den Maurenfrsten von Tripolis um 520 und Hilderich 528/ 529 gegen die Mauren der Byzacena eine empfindliche Niederlage hinnehmen. Gelimer, ein Urenkel Geiserichs, nahm diese Niederlage zum Vorwand, um Hilderich abzusetzen, sah sich allerdings bald durch Aufstnde in Tripolitanien und Sardinien isoliert. Gedrngt von afrikanischen Exilanten nutzte der ostrmische Kaiser Justinian (527–565) die Schwche des Vandalenreiches aus und erneuerte – ungeachtet aller durch seine Vorgnger geschlossenen Vertrge – seinen Anspruch auf die ehemals rmischen Gebiete. Am 30./31. August 533 landete sein Feldherr Belisar mit einer vergleichsweise kleinen Armada von 500 Schiffen mit 15.000–16.000 Soldaten an der Ostkste des heutigen Tunesien. Bei Ad Decimum und Tricamarum nahe Karthago schlug er Ende 533 die Truppen Gelimers, der sich daraufhin in die Gebirgsregion westlich von Hippo Regius zurck. Eingeschlossen von Belisars Truppen ergab sich der Vandalenknig Ende Mrz/Anfang April 534, nachdem die Rmer ihm ein ruhiges Leben als Landbesitzer in Kleinasien zugesichert hatten. Nach 100 Jahren war die Herrschaft der Vandalen in Nordafrika beendet. Mit ihrem Namen verbindet sich die Vorstellung einer auf Raub, Zerstrung und Gewalt basierender Herrschaft, was bis heute noch in dem Begriff Vandalismus zum Ausdruck kommt.
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Die Vandalen Vandalismus Insbesondere die Plnderung Roms 455 schadete dem Ansehen der Vandalen, obwohl sie ohne grßere Zerstrungen verlief. Sie prgte seit dem 16. Jahrhundert in der europischen Literatur das Bild der Vandalen als Kulturzerstrer. Der Begriff Vandalismus stammt aber nicht aus der Sptantike. Ihn prgte erst HenriBaptiste Gr goire, der Bischof von Blois, als er 1794 in einem Bericht an den franzsischen Nationalkonvent das Vorgehen der Jakobiner gegen die Kirche anprangerte.
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Zweifellos litten die nordafrikanischen Provinzen anfnglich unter dem Feldzug und unter den Eroberungen der Vandalen. Vielen Menschen kosteten sie das Leben, durch sie wurden Landstriche verwstet und bedeutende Bauwerke, insbesondere in Karthago, zerstrt. Das generell negative Bild der Vandalen ist vor allem auf die negativen Darstellungen katholischer Kleriker wie Victor von Vita zurckzufhren. Das Verhalten der Vandalen Victor von Vita, Historia persecutionis Africanae provinciae 1,1,3–1,2,5
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Sie (die Vandalen) fanden daher eine friedliche und ruhige Provinz, ein schnes, berall blhendes Land, griffen es mit ihren gottlosen Scharen an, ruinierten es durch Verwstung, vernichteten alles durch Brand und Mord. Und sie verschonten berhaupt nicht die Frchte tragenden Grten, damit nicht zufllig diejenigen, die Berghhlen oder steile Abgrnde des Landes oder jegliche abgeschiedene Orte versteckt hielten, nach ihrem Durchmarsch sich von jener Nahrung ernhren konnten. Und whrend sie wiederum so mit solcher Grausamkeit tobten, blieb von dem Kontakt mit ihnen kein Ort unversehrt. Besonders in den Kirchen und Basiliken der Heiligen, auf den Friedhfen und in den Klstern wteten sie ziemlich frevelhaft, sodass sie Huser der Predigt durch grßere Brnde niederbrannten, als sie sie an Stdte und alle Wohnorte legten. (…) Wie viele hochberhmte Bischfe und edle Priester sind von ihnen durch unterschiedliche Martern umgebracht worden, damit sie ihnen bergaben, was sie an Gold oder Silber als persnliches Eigentum oder Eigentum der Kirche besaßen. Und damit sie ihren Besitz unter dem Druck der Martern schneller herausgaben, bten sie durch grausame Foltern Druck auf die Personen aus, die etwas anboten, indem sie behaupteten, dass sie einen Teil, nicht alles abgeliefert htten. Je mehr eine Person gab, umso mehr besaß sie nach ihrer Meinung.
Neuere Forschungen, die durch archologische Funde gesttzt werden, ergeben indes ein anderes Bild. Danach ging das Leben in den nordafrikanischen Stdten, die sich ohnehin seit dem 4. Jahrhundert in einem Wandlungsprozess befanden, ungebrochen weiter. Die Tatsache, dass die afrikanischen Provinzen ihre berschsse an Lebensmitteln, insbesondere an Getreide nicht mehr nach Rom exportierten, bewirkte keinen wirtschaftlichen Niedergang. Vielmehr erschlossen die afrikanischen Produzenten und Hndler rasch neue Mrkte. Whrend die Exporte (zum Beispiel von Olivenl, Wein, Keramik) nach Mittelitalien seit der Mitte des 5. Jahrhunderts nachließen, nahmen sie nach Spanien und Sdgallien zu. Vielerorts, vor allem in den Kstenregionen ist ein regelrechter Bauboom bei der Errichtung von Landsitzen und Bdern zu beobachten. Selbst vandalische Adlige und Knige errichteten innerhalb wie außerhalb der Stdte reprsentative Bauten.
Wirtschaftliche Lage
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Verwaltung
Heer und Flotte
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Bei der Herrschaft der Vandalen ist vor allem zu bedenken, dass sie mit einem Anteil von rund fnf Prozent an der nordafrikanischen Gesamtbevlkerung nur eine kleine Minderheit darstellten, deren Zusammensetzung aus verschiedenen Stmmen berdies recht heterogen war. Daher mussten die Vandalen auf eine friedliche Koexistenz und Kooperation mit der einheimischen Bevlkerung, insbesondere mit deren Eliten bedacht sein. bergriffe gegenber fhrenden Personen der rmischen Provinzen blieben zwar nicht aus, als Geiserich viele einheimische (Groß-)Grundbesitzer enteignen und ihren Besitz unter sich und seinen Shnen sowie im Losverfahren unter den brigen Vandalen aufteilen ließ. Offensichtlich stand aber gengend Land fr die Ansiedlung zur Verfgung, denn es brachen, wie es in Nordafrika oft geschehen war, keine Unruhen aus. Nachdem die enteigneten Grundbesitzer nach Numidien, Mauretanien, Italien und in den Osten ins Exil gegangen waren, scheinen die meisten Rmer den Herrschaftswechsel 429/442 ohne weiteres akzeptiert zu haben. Die Vandalen passten sich schnell dem Lebensstil der rmischen Bevlkerung an, wie sich an ihrer Kleidung und Wohnkultur zeigen lsst. Die Villen reicher Vandalen unterschieden sich nicht von denen wohlhabender Rmer. Rmische Kunst und Literatur erlebten unter der Vandalenherrschaft geradezu eine Renaissance. Latein blieb als Amtssprache bestehen, zumal Geiserich und seine Nachfolger kaum die von ihnen vorgefundenen Verwaltungsstrukturen vernderten. Dies gilt insbesondere fr die Stdte, die ihre kommunale Selbstverwaltung behielten. Jedoch verschwanden die bergeordneten Verwaltungsinstanzen, die Statthalter und Vikare, da der Kontakt zur kaiserlichen Zentrale verloren ging. Insbesondere in den Randgebieten des Vandalenreiches drften sie rasch an Bedeutung verloren haben. In dem Gebiet um Karthago amtierte allerdings wahrscheinlich weiterhin ein Prokonsul, der dem Vandalenknig als Ansprechpartner diente, wenn es um Anliegen der rmischen Zivilbevlkerung ging. Selbst die Verwaltung des kniglichen Hofes dominierten rmische Amtstrger; allerdings oblag ihre Leitung einem Vandalen, der den Titel praepositus regni trug. Mit der Eroberung Nordafrikas erweiterte der Vandalenknig seine ethnische Herrschaft um eine territoriale Komponente. Fr seine Landsleute und fr die Rmer war er die oberste richterliche und gesetzgebende Instanz. Durch seine Dekrete sorgte er fr eine Kontinuitt im rmischen Rechtswesen. Im Unterschied zu anderen germanischen Herrschern des 5. und 6. Jahrhunderts ordneten sich die Vandalenknige, die in der Byrsa, der Burg Karthagos, residierten, nicht dem rmischen Kaiser unter und bernahmen auch nicht pro forma ein rmisches Amt und bewiesen damit die ihnen von Valentinian III. garantierte Unabhngigkeit. Die wichtigste Sttze fr Geiserichs Macht bildeten das Heer und die Flotte. Die vandalischen und alanischen Truppen teilte Geiserich in 80 Einheiten ein und unterstellte sie Tausendschaftsfhrern (millenarii). Mit dieser Bezeichnung wollte er angeblich eine falsche Vorstellung von dem tatschlichen Umfang der vandalischen Streitmacht suggerieren. Neben den germanisch-alanischen Einheiten konnte zumindest Geiserich auch auf maurische Hilfstruppen zurckgreifen, die in den Außenbesitzungen der Vandalen eingesetzt wurden. Rmer dienten wohl nur in der Flotte, die allenfalls
VI.
Die Vandalen aus 120 Schiffen bestand und somit fr grßere Eroberungsfeldzge nicht ausreichte. Eine besondere Qualitt besaß der religise Konflikt zwischen den arianischen Vandalen und den katholischen Rmern, dessen Ausmaße in der jngeren Forschung kritisch eingeschtzt werden. Ein wesentlicher Grund fr die im Vergleich mit anderen Germanenstmme sehr antikatholische Haltung der Vandalen ist in deren Vorstellung zu sehen, dass sie wie das Volk Israel als auserwhltes Volk Gottes auf gttlichen Befehl hin ihren „langen Marsch“ nach Nordafrika unternommen htten. Eine derartige Idee hatte ihnen offensichtlich Geiserich selbst suggeriert, der seinerseits glaubte, dass Gott ihm seine Macht (auctoritas) verliehen habe. Bei der katholischen Mehrheit und insbesondere bei den katholischen Klerikern stießen solche Vorstellungen auf herbe Kritik, wenn nicht gar auf Ablehnung. Die Bemerkung Victors von Vita, dass von 164 Bischfen in den Provinzen Africa Proconsularis und Zeugitana nur noch drei im Amt geblieben seien, lsst auf eine systematische Vertreibung katholischer Kleriker schließen. Das Bild relativiert sich indes, wenn man andere Angaben ber die katholische Kirche bercksichtigt. hnlich wie bei der Landnahme gingen die Vandalen vor allem in dem Kerngebiet ihres Reiches gegen die Katholiken vor, whrend in anderen Gebieten, wie zum Beispiel der Byzacena, das kirchliche Leben nicht nur ungestrt blieb, sondern sogar zunahm und sich Widerstand gegen die Vandalen regte. Mit der Amtsenthebung von Priestern und dem Verbot von Gottesdiensten sollten offensichtlich grßere Streitigkeiten mit den zahlenmßig unterlegenen arianischen Klerikern vermieden und so ein potentieller Unruhefaktor ausgeschaltet werden. Geiserich handelte in seiner Religionspolitik zudem nicht durchweg konsequent und ließ sich von pragmatischen berlegungen leiten. Dies verdeutlicht sein Verhalten gegenber dem Bistum Karthago. 439 war der dortige Bischof Quodvultdeus ins Exil gegangen. Als er 454 starb, gestattete Geiserich die Einsetzung eines neuen Bischofs namens Deogratias. Dessen Hilfeleistungen gegenber den 455 aus Rom mitgebrachten Gefangenen empfand der Vandalenknig als Affront, sodass er nach dem Tod des Deogratias nicht die Wahl eines Nachfolgers zuließ. Erst der Vertrag mit Zeno bewirkte einen Ausgleich, der 480/481 zur Wahl eines neuen Bischofs fhrte. Als Hunerich die katholischen Bischfe nicht fr eine Reform der Thronfolge, die seinen Sohn als direkten Nachfolger vorsah, gewinnen konnte und die Bischfe berdies seinen Plan einer von Rom unabhngigen Landeskirche ablehnten, kam es 483 zu einer regelrechten Verfolgung von Katholiken, in deren Verlauf 4.966 Geistliche im Sden der Provinz Africa Proconsularis interniert wurden. Als ein fr 484 einberufenes Religionsgesprch scheiterte, forderte Hunerich alle Katholiken auf, zum arianischen Glauben berzutreten. Bis 494 blieben die katholischen Kirchen geschlossen. Durch Zwangsbekehrungen und freiwillige bertritte nahm die Zahl der Katholiken drastisch ab. Zwar hielten sich Gunthamund und Thrasamund bei der Verfolgung der Katholiken zurck, aber erst Hilderich vollzog 523 einen radikalen Kurswechsel und holte Verbannte zurck. Seine Annherung an Konstantinopel verhinderte indes nicht die Okkupation seines Reiches.
Konflikt mit der katholischen Kirche
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
5. Die Burgunder 256/257 406 443 474 500 534 Herkunft
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Ansiedlung in Gallien
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erste Einflle in das Rmische Reich Grndung eines Reiches am Mittelrhein Ansiedlung in der Sapaudia grßte Ausdehnung des Reiches Bruderkrieg zwischen Godigisel und Gundobad Unterwerfung durch die Franken
Die hufig geußerte These, dass die Burgunder von der Ostseeinsel Bornholm, deren Name sich von Burgundarholm ableitet, nach Mitteleuropa eingewandert seien, hat sich als falsch erwiesen. Die Burgunder, die im spten 1. Jahrhundert zum ersten Mal erwhnt werden, bewohnten um die Mitte des 2. Jahrhunderts das Gebiet zwischen Warthe, Netze und mittlerer Oder. Der stliche Teil ihres Stammes unternahm zusammen mit den Goten 256/257 von der unteren Donau aus Einflle in das Rmische Reich, der westliche Teil wurde 278/279 von Kaiser Probus (276–282) am Lech besiegt. Wohl aufgrund dieser Niederlage zogen die Burgunder an den Mittellauf des Mains, wo sie im Bereich des Limes Gebiete okkupierten. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts gerieten sie nach anfnglicher Kooperation in Konkurrenz zu den Alamannen. Die Rmer nutzten diese Situation fr sich aus und untersttzten ab 356 die Burgunder in ihren Kmpfen gegen die Alamannen. Im Zuge der großen Barbareninvasion 405/406 (siehe Kapitel 4) berschritten die Burgunder ebenfalls die Reichsgrenze und ließen sich am Mittelrhein bei Worms nieder. Als sie ihre Herrschaft durch Einflle in die Provinz Belgica I ausdehnen wollten, besiegte der rmische Feldherr Atius mit seinen hunnischen Hilfstruppen die Burgunder 435. Diese Schlacht fand Eingang in das Nibelungenlied. Nibelungenlied In dem um 1200 verfassten Epos wurden Ereignisse aus der Vlkerwanderungszeit verarbeitet, so auch der Untergang der Burgunder unter ihrem Knig Gunther. Nach einer neueren These hielten die Franken die Erinnerung an die Vernichtung der Burgunder wach. Ein Karolinger, der um 740 in Burgund an einem Feldzug teilnahm und dessen Nachkommen dort bis 870 als Grafen amtierten, nannte seinen Sohn Nibelung nach einer wohl mit den Gibichungen, der Knigsfamilie der Burgunder, verwandten Sippe.
443 siedelte Atius die restlichen Burgunder in der Sapaudia, einem Gebiet am Genfer See zwischen Jura und Alpen, an. Als Foederaten erhielten sie brachliegendes Land zugewiesen und sollten die wichtigen Verkehrsverbindungen zwischen der Rhne und dem Oberrhein, zwischen Italien und Nordgallien bewachen; es ist anzunehmen, dass sie in diesem Gebiet Vorstße der Alamannen abwehren sollten, allerdings stellten die Alamannen damals keine ernste Gefahr mehr fr das Reich dar. Burgundische Truppen untersttzten die Rmer auf deren Feldzgen in Gallien und Spanien. 451 nahmen sie an der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern gegen Attila teil, 456 zogen sie auf Geheiß des Kaisers Avitus mit den Westgoten gegen die Sueben.
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Die Burgunder In der Folgezeit konnten die Burgunder die Krise an der Reichsspitze geschickt fr die Expansion ihrer Herrschaft ausnutzen. Nach ihrer Rckkehr aus Spanien halfen sie dem senatorischen Adel Galliens in seinem Kampf gegen Kaiser Maiorian. Als Gegenleistung gestatteten die Senatoren den Burgundern, dass sie ihr Gebiet im oberen Rhnetal bis nach Lyon ausdehnten. Nach Maiorians Sturz 461 zerfiel Gallien in drei große Machtbereiche: Den Norden beherrschte der Heermeister Aegidius, den Sdwesten die Goten und den Sdosten der Kaiser Libius Severus mit seinem Heermeister Ricimer. Da Libius Severus sich auf die dortige Aristokratie nicht verlassen konnte, bentigte er einen starken Verbndeten und fand ihn in den Burgundern, deren Knig Gundioc er 463 zum Heermeister fr Gallien ernannte. Nicht zuletzt aufgrund ihrer engen Beziehungen zur Reichsspitze stießen die Burgunder, nachdem sie bereits 461/ 462 Lyon eingenommen hatten, in Kmpfen gegen die Goten entlang der Rhne weiter nach Sden vor. 474, als ihr Reich seine grßte Ausdehnung erlangte, bildeten die Durance, Sane und Rhne dessen Sd-, Nord- und Westgrenze. Die Herrschaft ber die Burgunder und der Oberbefehl ber ihr Heer lag damals in den Hnden einer Familie, der Gibichungen, die ihren Namen von dem legendren Knig Gibica ableitete und zu der auch Knig Gunthar zhlte. Da alle Shne eines Knigs erbberechtigt waren, kam es wiederholt zu Reichsteilungen. Doch bildeten sich kaum mehr als zwei burgundische Reiche, da sich mit Genf und Lyon nur zwei feste Knigssitze nachweisen lassen. Genf gehrte zum nrdlichen Teilreich, das an die Gebiete der Franken und Alamannen grenzte, Lyon zum sdlichen Teilreich, das rund zwei Drittel des gesamten burgundischen Territoriums umfasste und die Westund Ostgoten als Nachbarn hatte. Als Befehlshaber foederierter Truppen bekleideten mehrere burgundische Knige hohe Kommandostellen, insbesondere das Amt des gallischen Heermeisters, das mit der Erhebung zum Patricius verbunden war. Der Heermeister Ricimer, der die Politik des Westreiches bestimmte, holte 472 Gundobad, den Neffen seiner Frau und Sohn Gundiocs, nach Italien, damit er ihn in seinem Kampf gegen Kaiser Anthemius untersttzte. Es war schließlich Gundobad, der nach der Eroberung Roms am 11. Juli 472 dem Kaiser den Kopf abschlug. Nach Ricimers Tod am 19. August 472 ernannte der neue Kaiser Olybrius Gundobad, obwohl er noch jung an Jahren war, zum Heermeister und damit zum Oberbefehlshaber ber die gesamten Truppen des westrmischen Reiches. Gundobads Macht nahm noch weiter zu, als am 2. November 472 Olybrius aus dem Leben schied. Er konnte jetzt den Kaiser bestimmen. Auf seine Veranlassung wurde am 3. Mrz 473 der gallische Aristokrat und Befehlshaber der kaiserlichen Leibgarde Glycerius zum neuen Augustus ausgerufen. Allerdings bertrug der ostrmische Kaiser dem Heermeister fr Dalmatien Iulius Nepos die Herrschaft ber das Westreich. Als Nepos mit seiner Streitmacht nahte, zog sich Gundobad abrupt in das Burgunderreich zurck und berließ ihm die Herrschaft ber Italien. Fr Gundobads Rckkehr nach Gallien lassen sich zwei Grnde ausmachen. Erstens fhlte er sich den Truppen des Nepos unterlegen und musste im Falle einer Gefangennahme als Kaisermrder mit einer harten Strafe rechnen; zweitens wollte er seinen Rckhalt bei den Burgundern nicht ver-
Knigtum
Gundobad als Heermeister und Knig
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Krieg zwischen Gundobad und Godigisel
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lieren, zumal deren Reich durch die Gallormer und Westgoten bedroht war. Nepos hatte nmlich den gallischen Aristokraten Ecdicius, der mit der Untersttzung seiner Standesgenossen rechnen konnte, zum neuen Heermeister ernannt. Da dessen Berufung in Lyon, einem Zentrum des Burgunderreichs stattfand, brskierte er den Burgunderknig Chilperich I., der sich ganz im Sinne Gundobads nicht zu dem neuen Kaiser bekannte. Zudem schloss Nepos Frieden mit den Westgoten, die sich unter ihrem Knig Eurich immer weiter in Sdgallien ausdehnten. Als Nepos sich 475 aus Italien zurckziehen musste, brachten die Westgoten 476 die Provence in ihren Besitz und unterwarfen angeblich alle Burgunder. Da diese aber weiterhin ihre Unabhngigkeit behielten, scheinen sie lediglich zu nicht weiter bekannten Gebietsabtretungen gezwungen worden zu sein. Gundobad stieg bald nach seiner Rckkehr aus Italien zum Burgunderknig auf, nachdem 474 sein Vater Gundioc gestorben war und zwei seiner Brder und sein Onkel Chilperich I. nicht mehr am Leben waren. Er teilte sich die Herrschaft mit seinem Bruder Godigisel, indem er mit dem Lyoner Reich den grßeren Teil erhielt, whrend Godigisel sich mit dem kleineren Genfer Reich zufriedengeben musste. Da die Burgunder zahlenmßig und militrisch einfach zu schwach waren, um wie die Westgoten und Franken eine expansive Politik zu betreiben, war Gundobad stets auf einen Ausgleich mit seinen Nachbarn bedacht. Doch fiel er 490 mit einem großen Heer in Ligurien ein, nachdem ihn wohl Odoaker im Machtkampf gegen Theoderich mit einem Bndnisangebot gelockt hatte. Als Gundobad aber die Aussichtslosigkeit des Unternehmens erkannte, zog er sich mit seinen Soldaten wieder zurck. Bald darauf musste er befrchten, dass sein Reich von zwei Seiten bedroht wurde, nachdem Theoderich die Schwester des Frankenknigs Chlodwig geheiratet hatte. Als 494 unter der Leitung des Bischofs Epiphanius von Pavia eine Gesandtschaft Theoderichs nach Lyon reiste, empfing Gundobad sie sogleich an seinem Hof und gestattete Epiphanius alle bei seinem Einfall nach Oberitalien verschleppten Kriegsgefangenen von den Burgundern freizukaufen, deren Zahl sich immerhin auf 6.000 belief. Bei diesem großzgigen Zugestndnis handelte es sich zugleich um eine Art Brautgeschenk, da Gundobads Sohn Sigismund damals Theoderichs Tochter Ostrogotho heiratete. Um sich gegen die Franken, die zu unmittelbaren Nachbarn der Burgunder geworden waren, abzusichern, stimmte der Burgunderknig ungefhr zur selben Zeit der Hochzeit seiner Nichte Chrodechilde mit Chlodwig zu. Nach der frnkischen Geschichtsschreibung ging die Initiative zur Eheschließung von Chlodwig aus, den seine Gesandten auf die burgundische Prinzessin aufmerksam gemacht hatten. Chrodechilde soll schließlich in das Frankenreich geflohen sein, als Gundobad nach reiflicher berlegung seine Zustimmung zur Eheschließung rckgngig machen wollte. Die Eheschließung trug zunchst aber zur Entspannung zwischen den beiden Reichen bei. Bis 500 verhielten sich die Franken ruhig. Als die Streitigkeiten zwischen Gundobad und Godigisel zunahmen, untersttzte Chlodwig Godigisel, der sich wahrscheinlich gegenber seinem mchtigeren Bruder benachteiligt fhlte und die Franken auf ihren Feldzgen gegen die Alamannen untersttzt hatte. In einem Geheimabkommen versprach er dem Fran-
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Die Burgunder kenknig einen jhrlichen Tribut zu zahlen, dessen Hhe dieser selbst bestimmen durfte. Als Gegenleistung verpflichtete sich Chlodwig mit seinem Heer in das Burgunderreich einzufallen. Als dies geschah, rief Gundobad seinen Bruder zu Hilfe. Bei Dijon stießen ihre Truppen auf das Frankenheer. Als es zum Kampf kam, lief Godigisel, wie vorher vereinbart, mit seinem Heer zu Chlodwig ber. Gundobad gab sich daraufhin geschlagen und floh rhneabwrts bis nach Avignon. Zu seinem Glck gab sich Chlodwig nach dem Sieg mit Gebietsabtretungen zufrieden und stellte Godigisel frnkische Einheiten zur Verfgung. Dieser riss die Herrschaft ber das gesamte Burgunderreich an sich und zog mit seiner Streitmacht triumphierend in Vienne ein. Gundobad nahm unterdessen Kontakt zu den Westgoten auf, deren Knig Alarich II. ihn offensichtlich untersttzte. So gestrkt belagerte er Vienne und nahm die Stadt durch den Verrat eines Amtstrgers ein. Godigisel wurde damals in einer Kirche erschlagen. Als Dank fr seine Untersttzung schickte Gundobad die gefangen genommenen Franken zu Alarich II. nach Toulouse. Ob er zudem Avignon an die Westgoten abtrat, ist umstritten. Wahrscheinlich geriet die Stadt sowohl unter den Einfluss der Burgunder als auch der Westgoten. Nach der Eroberung von Vienne hob Gundobad zunchst die Teilung des Burgunderreiches auf und bernahm die Gesamtherrschaft, was angesichts der prekren außenpolitischen Lage seines Reiches angebracht war. Wahrscheinlich um 505, nachdem das im Krieg gegen Godigisel zerstrte Genf wieder aufgebaut worden war, bertrug Gundobad die Herrschaft ber das nrdliche Teilreich auf seinen Sohn Sigismund, der aber nicht als gleichrangiger Knig fungierte. In seiner Außenpolitik nherte sich Gundobad immer mehr den Franken an, nachdem sich 502 Alarich II. und Chlodwig in Amboise verstndigt hatten. Als die Franken das Westgotenreich angriffen, kam Gundobad ihnen zu Hilfe und verhalf mit seinen Truppen Chlodwig bei Vouill zum Sieg. Bei Narbonne besiegte der Burgunder Gesalech, den Nachfolger Alarichs II., und vertrieb ihn nach Spanien. Gleichzeitig belagerten seine Truppen Arles. Als die Ostgoten jedoch in Sdgallien eingriffen, musste sich Gundobad mit seinen Truppen zurckziehen und das Gebiet sdlich der Durance und links der Rhne und damit fast alle eroberten Gebiete an Theoderich abtreten. Seine Hoffnungen auf eine Expansion seines Reiches nach Sden waren ein fr alle Mal zunichte gemacht worden. Eingekeilt zwischen den erstarkten Reichen der Franken und Ostgoten blieb ihm nichts anderes brig, als sich bis zum Ende seiner Regierungszeit defensiv und friedlich zu verhalten. Sptestens bis 513 drfte er mit Theoderich einen Friedensvertrag geschlossen haben, nachdem zuvor auf beiden Seiten Kriegsgefangene freigekauft und ausgetauscht worden waren. In seiner Herrschaftsauffassung war Gundobad ein sehr rmischer Germanenknig. Auch nach seinem Rckzug aus Italien legte er seine Titel als Heermeister und Patricius nicht ab und sah sich weiterhin wie seine Vorgnger als rmischer Offizier, der mit seinem Volk im Dienst des Kaisers stand.
Vereinigung der beiden Knigreiche
Außenpolitik
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VI.
Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
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Das Verhltnis zum rmischen Kaiser Avitus von Vienne, Epistula 93 (Aus dem Brief Sigismunds an Anastasius I., verfasst um 515) Es ist allen bekannt, dass Eure Hoheit nicht den Problemen der Zeiten, sondern den Wnschen der Untertanen Gewicht beimisst. Die Zuversicht hierauf macht uns sicher und frhlich und dadurch sind wir, obwohl wir physisch abwesend sind, unserem ruhmreichsten Kaiser im Geiste gegenwrtig. Und obgleich Eure Dienerschaft, meine Familie, diese Verpflichtung aus ihrer Ergebenheit heraus eingelst hat, bringen mich dennoch nicht so sehr die Verpflichtungen gegenber dem Vater als die Wohltaten, die Ihr mir erwiesen habt, dazu dankbar zu sein. Euer ist jedenfalls mein Volk und es freut mich mehr, Euch zu dienen als ihm vorzustehen. Die stete Ergebenheit im Geiste gegenber den Rmern hat jene Erkenntnis bernommen von den Vorvtern meines Geschlechtes im Hinblick auf Euch und Eure Vorgnger, sodass jener Ruhm, den Eure Hoheit an militrischen Titeln gewhrte, bei uns mehr galt, und alle meine Vorfahren schtzten immer das mehr, was sie von den Kaisern erhielten, als das, was sie von ihren Vtern bernommen hatten. Obwohl wir unser Volk zu regieren scheinen, glauben wir nichts anderes als Eure Soldaten zu sein. Euer Glck erfllt uns mit dem Geschenk der Freude. Alles, worum Ihr Euch weit weg zum Wohle aller sorgt, ist auch unser. Durch uns verwaltet Ihr weite Gebiete entfernter Gegenden; unsere Heimat ist Euer Reich; das Licht des Ostens berhrt Gallien und Skythien und sein Lichtstrahl, der, wie man glaubt, dort entsteht, leuchtet hier hell auf.
Verhltnis zur rmischen Bevlkerung
Verwaltung
Gesetzgebung
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Aufgrund seiner romfreundlichen Gesinnung ließ Gundobad Mnzen prgen, die zwar seinen Namen, aber auf der Vorderseite das Bild des Kaisers trugen. Seine Ergebenheit gegenber dem Kaiser war nicht so sehr auf seine militrische Karriere zurckzufhren, sondern vielmehr auf die ganz pragmatische Einsicht, dass die vor ihrer Ansiedlung in der Sapaudia stark dezimierten Burgunder nur mit dem Einverstndnis und der Hilfe der Rmer ihr neues Reich an der Rhne aufbauen konnten. Gundobad war deshalb stets darauf bedacht, den Ausgleich mit ihnen zu suchen. Aufgrund seiner Bildung, seiner Beredsamkeit und seiner guten Kenntnisse der lateinischen Sprache fiel ihm das nicht schwer. Angesichts dieser Situation arbeitete Gundobad in der Verwaltung seines Reiches eng mit den Rmern zusammen. Viele seiner engsten Berater kamen aus der senatorischen Fhrungsschicht. Die rmischen Verwaltungsstrukturen blieben grßtenteils bestehen, allerdings verschwanden die Statthalter, deren Hauptaufgabe in der Rechtsprechung gelegen hatte. An ihre Stelle traten fr jede Stadt zwei comites, von denen der eine ein Rmer, der andere ein Burgunder war, sodass jede der beiden Bevlkerungsgruppen in Rechtsangelegenheiten ihren eigenen Ansprechpartner hatte. Beide comites mussten sich in ihren Entscheidungen absprechen. Gundobad richtete sein besonderes Augenmerk auf die Gesetzgebung und Rechtsprechung. Als germanischer Knig und rmischer Amtstrger verfgte Gundobad bereits ber richterliche und gesetzgeberische Kompetenzen. Ein wichtiges Anliegen war ihm dabei der Ausgleich zwischen Rmern und Burgundern. Er erließ eine Gesetzessammlung (liber constitutionum), die als Grundlage fr eine geregelte Rechtsprechung dienen sollte. Sprache, Form und Inhalt sprechen dafr, dass im rmischen Recht bewanderte Bera-
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Die Burgunder ter des Knigs sie wahrscheinlich im letzten Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts verfassten. Dabei sttzten sie sich vornehmlich auf Gesetzessammlungen wie den codex Theodosianus, nahmen aber auch burgundische Rechtsvorstellungen zum Beispiel ber das Wergeld (Shnegeld bei Totschlag) auf. In der ersten Konstitution seines Gesetzeswerkes versprach Gundobad den Rmern noch ein eigenes Gesetzbuch. Bei ihm handelte es sich vermutlich um die lex Romana Burgundionum, die viele Parallelen zum liber constitutionum aufweist. Mit den beiden Gesetzessammlungen machte Gundobad unmissverstndlich deutlich, dass er in seinem Territorium in allen Fragen der Rechtsprechung unumstritten die oberste Instanz darstellte. Das gelang ihm so gut, dass der von seinem Sohn Sigismund berarbeitete liber constitutionum als lex Gonbada bis ins 10. Jahrhundert fortwirkte. In ihrer Religionspolitik verhielten sich die Burgunder, die konfessionell gespalten waren, recht tolerant. Dies trifft in besonderem Maße fr die Knigsfamilie zu. Chilperichs II. Familie neigte dem Katholizismus zu; immerhin trat seine Tochter Chrodechilde offen fr ihren Glauben ein. Gundobads Frau Caretena war ebenfalls Katholikin und ging, als sie keine Kinder mehr bekam, ins Kloster, um dort ein asketisches Leben zu fhren. Sie drfte ihren Sohn Sigismund stark beeinflusst haben, der nach seinem zweiten Rombesuch 501/502 vom arianischen zum katholischen Glauben bertrat, aber auch nach seiner Konversion mit seinem Vater Ostern nach dem arianischen Ritus feierte. Gundobad stand als ein an Glaubensfragen interessierter Arianer in engem Kontakt mit dem Bischof Avitus von Vienne, dem fhrenden Kopf der Katholiken in seinem Knigreich, und untersttzte dessen Kirche wahrscheinlich materiell. Der Burgunderknig war in erster Linie daran interessiert, von den beiden bedeutendsten Glaubensrichtungen in seinem Reich und damit von Rmern und Burgundern als oberster Schutzherr akzeptiert zu werden. Als Gundobad 516 hochbetagt starb, befand sich sein Reich in einer prekren außenpolitischen Lage. Um innenpolitische Kmpfe zu verhindern, bestimmte er entgegen den frheren Regelungen bei den Gibichungen seinen Sohn Sigismund zum alleinigen Nachfolger und berging so seinen jngeren Sohn Godomar. Sigismund schlug eine andere Politik als sein Vater ein. Kirchenpolitisch verfolgte er konsequent die Annherung an Rom, außenpolitisch strebte er ein Bndnis mit den Franken und Ostrmern an. Der Ostgotenknig Theoderich fing daher eine burgundische Gesandtschaft ab, die nach Gundobads Tod nach Konstantinopel reisen wollte, weil er befrchtete, dass der Kaiser, der Sigismund den lang ersehnten Titel eines Heermeisters verliehen hatte, die Burgunder fr sich gegen die Ostgoten vereinnahmen knnte. Sigismund bot schließlich dem Gotenknig einen wichtigen Grund zur Intervention, als er 522 auf Betreiben seiner zweiten Ehefrau Theoderichs Enkel Sigerich umbringen ließ. Obwohl er fr dieses Verbrechen Buße tat, verzieh ihm sein frherer Schwiegervater den Mord nicht. Zusammen mit Chlodwigs Shnen, die es schon seit langem auf das Nachbarreich abgesehen hatten, schloss er ein Bndnis gegen die Burgunder. Im Kampf gegen die Franken war Sigismund alsbald unterlegen. Nach seiner Auslieferung tteten die Franken ihn und seine Familie.
Religionspolitik
Ende des Burgunderreiches
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit Die Burgunder whlten Godomar zu seinem Nachfolger. Er konnte einen zweiten Angriff der Franken abwehren, musste aber die Gebiete zwischen Durance und Isre an die Ostgoten abtreten. 534 gelang es den Merowingern endgltig das Reich der Burgunder zu erobern und sie tributpflichtig zu machen. Der Name der Burgunder diente danach als Bezeichnung fr ein frnkisches Teilreich und eine franzsische Grafschaft und lebt bis heute als Bezeichnung fr eine Landschaft in Frankreich fort.
6. Die Sachsen und Britannien 356 erste Erwhnung der Sachsen 455 Landung der Sachsen in England unter Hengist und Horsa um 490 Niederlage am mons Badonicus Ursprngliches Siedlungsgebiet
Raubzge
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Im Unterschied zu anderen Germanenstmmen gaben die Sachsen ihr ursprngliches Siedlungsgebiet nicht auf. Sie gehrten mit zu den an der Nordseekste lebenden Vlkern, die sich angeblich vom Sdwesten Holsteins ber die Elbe in das Gebiet der Chauken weiter in Richtung Weser ausdehnten. Die Funde des als Sax bezeichneten einschneidigen Hiebschwertes, von dem die Sachsen ihren Namen ableiteten, beschrnken sich allerdings nicht nur auf diese Region. Der Sachsenname ist sicher erst seit 356 bezeugt. Zu dieser Zeit bildeten die Sachsen keinen geschlossenen grßeren Stammesverband, sondern lebten ber einzelne Drfer verteilt in lockeren Stammesgruppen, ber deren Organisation keine weiteren Informationen vorliegen. Nicht auszuschließen ist, dass die Rmer den Namen eines norddeutschen Stammes auf alle Nordseegermanen bertrugen, die gemeinsam mit den Franken die Ksten Galliens und Britanniens berfielen. Die Bezeichnung Sachsen wurde geradezu zu einem Synonym fr Piraten. Ihre Raubzge unternahmen die Sachsen nicht quer ber die Nordsee, vielmehr fuhren sie entlang der Kste und setzten dann ber den rmelkanal nach Britannien. Als Beispiel fr die von ihnen benutzten Boote wird immer wieder das bei Nydam in Nordschleswig gefundene Boot genannt, das 12 m lang ist und rund 40 Personen fasste. Jedoch drften die von den Sachsen fr ihre berflle verwendeten Boote kleiner und wendiger gewesen sein. Da die rmische Kanalflotte die Attacken immer weniger abwehren konnte, ließ Kaiser Valentinian I. (364–375) an der Kste Siedlungen mit Erdwllen und Steinmauern befestigen und sicherte einige Orte, insbesondere die Flussmndungen, mit Wachttrmen ab. Die so geschtzte Kste hieß nach ihren Angreifern schsische Kste (litus Saxonicum). ber einen berfall in den Norden Galliens liegt aus dem Jahre 370 ein Bericht vor. Der dortige rmische Befehlshaber konnte nur mit Mhe Angriffe der Sachsen abwehren. Nachdem Kaiser Valentinian I. ihm Fußtruppen zu Hilfe geschickt hatte, legte er den Invasoren einen Hinterhalt und zermrbte sie vollstndig, obwohl sie sich zuvor ergeben hatten. In dem Vertrag, den sie mit den Rmern bei ihrer Unterwerfung geschlossen hatten,
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Die Sachsen und Britannien verpflichteten sich die Sachsen, viele zum Kriegsdienst taugliche junge Mnner zu stellen. Dies ist ein Beleg dafr, dass bereits seit dem spten 4. Jahrhundert schsische Krieger fr den Dienst im rmischen Heer angeworben wurden. Aus dem 5. Jahrhundert sind weitere militrische Hilfeleistungen bekannt. So kmpften 451 in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern in der Champagne unter dem Befehl des rmischen Feldherrn Atius Sachsen gegen das Heer des Hunnenknigs Attila. Fr das 5. Jahrhundert ist ein Bevlkerungsrckgang im Stammland der Sachsen zu beobachten, der wohl vielfltige Ursachen hatte. Eine Ursache drfte in der Abwanderung von schsischen Adligen mit ihrem Gefolge nach Britannien zu sehen sein. Der Verlauf der Landnahme gibt nach wie vor Rtsel auf, da die schriftlichen Quellen aus dem 6. bis 8. Jahrhundert, durch Mythen verklrt, den Vorgang ungenau und verkrzt beschreiben. Die Ankunft der Sachsen Gildas, De excidio et conquestu Britanniae 23,1–5
Abwanderung nach Britannien
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Damals waren alle, die an der Ratsversammlung mit dem hochmtigen Tyrannen teilnahmen, mit Blindheit geschlagen; sie holten eine solche Hilfe, dass geradezu zum Untergang der Heimat jene sehr wilden, verbrecherischen Sachsen, die bei Gott und den Menschen verhasst waren, wie Wlfe in Schafpferche auf die Insel gelassen wurden um die Vlker im Norden zu vertreiben. (…) Dann brach die Schar der jungen Raubtiere von der Lagersttte der barbarischen Lwin auf mit drei Kielen, wie sie in ihrer Sprache, mit Langschiffen, wie sie in unserer Sprache genannt werden, bei gnstigen Winden, Vorzeichen und Wahrsagungen, durch die man voraussagte, dass sie gemß einer bei ihnen sicheren Weissagung dreimal hundert Jahre die Heimat, auf die sich der Bug richtete, besetzen, aber 150 Jahre, das heißt die Hlfte der Zeit, fters verwsten wrden; (…). Die auf die Insel gelassenen Barbaren baten wie Soldaten, die vorgaben, große Gefahren fr ihre ehrlichen Auftraggeber auf sich zu nehmen, dass ihnen Nahrungsmittel gegeben werden; diese wurden eine lange Zeit gewhrt und schlossen, wie man sagt, das Maul des Hundes. Dann beklagten sie, dass ihnen die monatlichen Zahlungen nicht in ausreichendem Maße zugewiesen werden, malten ihre Einstze in schnen Farben aus und beschworen, wenn die Zahlungen nicht reichlicher fr sie ausfielen, dass sie die gesamte Insel unter Bruch des Bndnisses verwsten werden. Ohne zu zgern setzten sie ihre Drohungen in die Tat um.
Sicher ist, dass, als Constantin III. 407 in Britannien zum Kaiser ausgerufen wurde und mit einer großen Streitmacht nach Gallien bersetzte, nur noch wenige Einheiten in Britannien zurckblieben. Die rmisch-britische Bevlkerung organisierte, nun auf sich selbst gestellt, die Verteidigung ihrer Insel. Das Kommando bernahmen lokale Potentaten, die anfnglich die Einflle der Pikten aus Schottland, der Skoten aus Irland und auch der Sachsen erfolgreich abwehren konnten. Als die erhoffte Untersttzung vom Festland ausblieb, baten die Briten in ihrer Not die Sachsen um Hilfe und holten sie als Foederaten ins Land. Angeblich lud um 455 der britische Knig Vortigern die Sachsen nach Britannien ein, die auf drei Langbooten unter der Fhrung von Hengist und Horsa bersetzten und die Feinde aus dem Norden besiegten. Es kamen aber nicht allein Sachsen, sondern auch andere Nordseegermanen, zu denen die Angeln und Jten zhlten. Diese germanischen Foederaten erhielten neben Nahrungsmitteln und Sold auch
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Germanisierung Britanniens
Land zugewiesen. Im Bereich der Themsemndung und in East Anglia lassen sich in der Nhe rmischer Stdte germanische Grberfelder und Siedlungen nachweisen. Einwanderer und Einheimische lebten demnach in friedlicher Koexistenz nebeneinander, da die Ansiedlung der Germanen im Einvernehmen mit den lokalen Machthabern geschah. Allerdings rebellierten gegen Ende des 5. Jahrhunderts die schsischen Foederaten, als sie die von ihnen geforderten Subsidienzahlungen nicht erhielten. Unter dem Kommando des Ambrosius Aurelianus konnte die rmisch-britische Bevlkerung nach 490 die Sachsen am nicht mehr zu lokalisierenden mons Badonicus schlagen. Aber dieser Sieg konnte die einmal in Gang gesetzte Entwicklung nicht aufhalten. Immer mehr Sachsen wanderten nach England ein und vermischten sich mit der einheimischen Bevlkerung. Im Gegensatz zu anderen ehemaligen Gebieten des Rmischen Reiches fand hier ein allmhlicher Germanisierungsprozess statt; denn die Einwanderer, die in regem Kontakt zu ihren Herkunftsgebieten standen, bernahmen nicht die ihnen fremden wirtschaftlichen und technischen Errungenschaften der Rmer, sondern fhrten die ihnen bekannten Wirtschaftsformen weiter. Zudem verdrngte ihre Sprache alsbald die lateinische. Im 7. Jahrhundert entstanden aus den bereits bestehenden lokalen Herrschaften mehrere kleinere Knigreiche wie Wessex, Essex, East Anglia, Mercia oder Northumbria, die ber eine beachtliche Kultur verfgten, wie der erst vor kurzem gemachte Fund an Waffen und Schmuck in Staffordshire zeigt. Die Bezeichnung Angelsachsen fr ihre Bewohner setzte sich erst in der Karolingerzeit durch, als der Assimilierungsprozess abgeschlossen war.
7. Das Reich der Ostgoten in Italien 454 484 488–493 493–526 533–552/562 Herrschaft in Pannonien
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Sieg ber die Hunnen Vereinigung der pannonischen und thrakischen Goten Eroberung Italiens Herrschaft Theoderichs Gotenkrieg
Die Ostgoten sind aus den (greutungischen) Goten hervorgegangen, die nach der Schlacht von Adrianopel Land in Pannonien erhielten. 440 gerieten sie unter die Herrschaft von Attilas Hunnen, die ihnen in dem Gebiet zwischen Plattensee und Drau neue Wohnsitze zuwiesen. In der Schlacht am Nedao, einem Nebenfluss der Save, befreiten sich die pannonischen Goten 453/454 von ihren hunnischen Machthabern. Nachdem ihr Knig Valamer einen erneuten Angriff der Hunnen abgewehrt hatte, arrangierte er sich mit dem ostrmischen Kaiser Marcian (450–457), der vor 457 die Ansiedlung der Goten in Pannonien besttigte. Mit dem neuen Kaiser Leo I. (457–474) vereinbarte Valamer um 461, dass seine Goten als Foederaten jhrlich 300 Pfund Gold erhielten.
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Das Reich der Ostgoten in Italien Unter Theodemer, der 465 die Knigsherrschaft bernahm, dehnten die Goten ihren Machtbereich immer weiter aus. Sie besiegten die Sarmaten, Sueven und Skiren und vertrieben die Hunnen. 471 setzte Theoderich mit 6.000 Mann ber die Donau und stieß bis Singidunum (Belgrad) vor. Dabei gelang es ihm, den Sarmatenknig zu tten und dessen Familie gefangen zu nehmen. Obwohl der Gote das Gebiet bald wieder verlor, stellte dieser Eroberungszug fr ihn den Beginn seiner langen Knigsherrschaft dar. Theoderich (um 453–30.08.526) gehrte der einflussreichen Familie der Amaler an. Sein Vater war Theodemer, seine Mutter dessen Konkubine Erelieva, die spter zum katholischen Glauben bertrat. 461 kam Theoderich als Geisel seines Stammes an den kaiserlichen Hof in Konstantinopel, wo er nicht nur die rmische Kultur nher kennen lernte, sondern auch Erfahrungen in der Politik und Verwaltung des Reiches sammelte. Nach seiner Rckkehr aus der Geiselhaft 471 bewhrte sich Theoderich in mehreren Feldzgen auf dem Balkan. Dabei vereinte er dort lebende Goten zum neuen Stammesverband der Ostgoten. Mit ihm eroberte Theoderich im Auftrag des Kaisers Zeno Italien; dort herrschte er als Knig von 493 bis 526.
Bedingt durch die kargen Lebensverhltnisse in Pannonien und interne Rivalitten entschlossen sich die Goten, Pannonien zu verlassen. Theodemers Bruder Vidimer zog mit seinem Gefolge in Richtung Italien, Theodemer dagegen weiter nach Illyricum. Mit seiner Gefolgschaft erreichte er Naissus (Nisch/Serbien), einen zentral gelegenen Handelsmittelpunkt in Moesien, wo sie den Winter 473/474 verbrachten. Dann teilten sich die Goten. Theoderich stieß mit seinem Gefolge durch Makedonien bis nach Thessalien vor. Ermutigt durch diesen raschen Vorstoß folgte ihm bald darauf Theodemer. In Thessalonica (Saloniki) einigte sich der Gotenknig mit dem Befehlshaber der rmischen Truppen darauf, dass die Goten ein fruchtbares, gnstig gelegenes Gebiet in Makedonien zugewiesen bekamen. Bald nach Abschluss des Friedensvertrages starb Theodemer. Als seinen Nachfolger hatte er noch seinen erst zwanzigjhrigen Sohn Theoderich bestimmt. Weil sie mit den Verhltnissen in Makedonien unzufrieden waren, zogen die pannonischen Goten weiter nach Nordosten an die rmische Grenze in das Gebiet der niedermoesischen Stadt Novae (Svisˇtov) und gerieten so nher in das Machtzentrum des Reiches. Kaiser Zeno (474–491) bat Theoderich um Untersttzung gegen seine innenpolitischen Gegner, die von den thrakischen Goten unter der Fhrung von Theoderich Strabo untersttzt wurden. Theoderich ließ sich darauf ein und wurde 476 nach Zenos Rckkehr zum Heermeister am Hofe ernannt. Um seinen Verbndeten, der keiner der mchtigen Heermeisterfamilien angehrte, zu sttzen und seine Vorrangstellung zu verdeutlichen, adoptierte Zeno den Amaler nach germanischer Sitte und erkannte ihn als Waffengefhrten (Waffensohn) an – eine bis dahin unbekannte und einmalige Auszeichnung durch den Kaiser. Die pannonischen Goten profitierten ihrerseits von der Lage, da sie jetzt die Subsidien erhielten, die der Kaiser einst den thrakischen Goten zugestanden hatte. Als Theoderich Strabo seine verlorene Machtposition zurckgewinnen wollte, forderte Zeno Theoderich auf, gegen ihn zu ziehen. Da aber die versprochene Untersttzung des Kaisers ausblieb, htte Theoderich in diesem
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Feldzge auf dem Balkan
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Vereinigung mit den thrakischen Goten
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Eroberung Italiens
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„Bruderkrieg“ am Fuße des Berges Sondis im Haemusgebirge fast eine Niederlage erlitten. Nachdem er einen Waffenstillstand mit Theoderich Strabo geschlossen hatte, zog Theoderich mit seinen Goten plndernd durch das Rhodopegebirge nach Makedonien und von dort an die Adria nach Dyrrhachium (Durrs), das er im Sommer 480 eroberte. Nach langwierigen Kmpfen schloss Theoderich 483 einen Vertrag mit dem Kaiser. Zeno versprach ihm nicht nur das Gebiet, das die Goten bereits 476 eingenommen hatten, sondern ernannte ihn erneut zum Heermeister am Hofe, nominierte ihn zum Konsul fr das Jahr 484 und ehrte ihn außerdem mit einer Reiterstatue vor dem Kaiserpalast. Theoderich konnte seinen Einfluss noch erweitern, nachdem 481 sein Rivale Theoderich Strabo nach einem Sturz vom Pferd gestorben war. Er brachte den grßten Teil der thrakischen Goten auf seine Seite, indem er deren unbeliebten Knig, Strabos Sohn Rekitach, bei einem Gastmahl eigenhndig ermordete. Durch dieses Verbrechen verdoppelte er sein Gefolge auf ber 20.000 Soldaten. Der Zusammenschluss der pannonischen und thrakischen Goten kann als die eigentliche „Geburtsstunde“ der Ostgoten gelten. Um den neuen Stammesverband zusammenhalten zu knnen, musste Theoderich ihm ein gemeinsames militrisches Ziel geben. Zunchst nahm er an Zenos Feldzgen in Kleinasien teil, dann marschierte er mit seinen Truppen plndernd durch Thrakien gegen die Bulgaren und sogar gegen Konstantinopel. In dieser fr ihn heiklen Situation betraute Zeno Theoderich mit einem Feldzug gegen seinen vermeintlichen Gegner Odoaker. Beide kamen berein, dass der Gote im Falle eines Sieges bis zur Ankunft des Kaisers ber Italien herrschen sollte. Odoaker (um 433–15.03.493) war als Sohn des Thringers Edeco, eines Vertrauten des Hunnenknigs Attila, und einer Skirin geboren worden. 463/469 tat er sich als Anfhrer schsischer Piraten in Nordgallien hervor, um 470 zog er mit seinem Gefolge ber Noricum nach Italien, wo er zum Offizier der kaiserlichen Leibgarde aufstieg. Als der Heermeister Orestes den Forderungen seiner Soldaten nach Zuweisung von Land nicht nachkam, strzte ihn Odoaker und setzte dessen Sohn, den westrmischen Kaiser Romulus Augustulus, ab. Am 23. August 476 riefen die nichtrmischen Truppen Odoaker zu ihrem Knig aus. Kaiser Zeno erkannte ihn offiziell als neuen Machthaber an, besttigte ihn aber nicht in seiner Rechtsstellung, zumal bis 480 ein westrmischer Kaiser in Dalmatien lebte. Da sich Odoaker angeblich mit seinen innenpolitischen Gegnern verbndet hatte, misstraute ihm Zeno. Der Kaiser beauftragte daher Theoderich mit seiner Unterwerfung.
Im Sptsommer 488 brach Theoderich von der Stadt Novae auf. Sein Heereszug, der 20.000 Krieger, mit Frauen und Kindern rund 100.000 Menschen umfasste, bewegte sich ber Sirmium (Sremska Mitrovica/ Serbien), wo ihm die Gepiden, ein ehemals gotischer Teilstamm, ohne Erfolg den Weg versperrten, und ber Emona (Ljubljana/Slowenien) nach Venetien. Am Isonzo stießen sie am 28. August 489 zum ersten Mal auf seinen Feind Odoaker. berrascht von der Ankunft der Goten trat Odoaker, zumal er sich bei Verona geschlagen geben musste, den Rckzug nach Ravenna an. Theoderich sicherte sich zunchst die Herrschaft ber Oberitalien, wo sich ihm Mailand und Pavia ergaben. Nachdem Odoaker kurzfristig seine
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Das Reich der Ostgoten in Italien Machtposition ausbauen konnte, besiegte ihn Theoderich am 11. August 490 an der Adda. Als sich Odoaker erneut nach Ravenna zurckzog, folgte ihm Theoderich und belagerte fast drei Jahre lang die stark befestigte und durch ihre Lage am Podelta und Meer gut geschtzte Residenzstadt. Sie ergab sich, als die Goten die Zufuhr ber See abschnitten. Am 26. Februar 493 zogen die Goten in Ravenna ein. Jedoch dachte Theoderich nicht daran, sich die Herrschaft mit Odoaker zu teilen und ttete ihn vor einem gemeinsamen Gastmahl mit seinem Schwert. Theoderich regierte von da an ohne offizielle Anerkennung aus Konstantinopel alleine ber Italien, die Alpenprovinzen Raetien und Noricum und die Donauprovinzen Dalmatien und Pannonien. Nach seinem Sieg an der Adda hatte Theoderich 490 eine Gesandtschaft zu Zeno geschickt, die darum bat, ihn wie Odoaker als Knig anzuerkennen und ihm als Zeichen der Anerkennung das kaiserliche Ornat zu schicken. Zeno ließ jedoch mit einer Antwort auf sich warten. Als Theoderich 491/492 eine zweite Gesandtschaft losschickte, erreichte sie Konstantinopel zu einem Zeitpunkt, als der Kaiser bereits gestorben war. Dessen Nachfolger Anastasius I. (491–518) wollte die Anerkennung Theoderichs von der Klrung kirchenpolitischer Streitfragen nach der Natur Gottes und der Vorrangstellung des Papstes abhngig machen. Der Gotenknig ließ sich aber nicht darauf ein. Immerhin hatte ihn das Gotenheer nach der Ermordung Odoakers durch eine Schilderhebung zum Knig ausgerufen. Dies war seine dritte Knigserhebung, durch die Theoderich nicht mehr allein ber einen Personenverband gotischer Krieger, sondern ber Rmer und Goten in einem fest umgrenzten Gebiet herrschte. Mit seiner Knigserhebung dokumentierte Theoderich, dass er aus eigener Kraft zu herrschen vermochte. Um aber nicht als Usurpator bezeichnet zu werden, war der Gotenknig weiterhin an einem Ausgleich mit dem neuen Kaiser interessiert. Eine dritte Gesandtschaft brachte 497 die Einigung. Anastasius I. erkannte Theoderich als Knig an und ließ ihm als Zeichen seiner Anerkennung die einst von Odoaker zugesandten kaiserlichen Herrschaftsabzeichen berbringen. Theoderich akzeptierte im Gegenzug die Suprematie des ostrmischen Kaisers. Zwei Staaten in einem Krper Cassiodor, Variae 1,1,2–5 (Aus einem Schreiben Theoderichs an Anastasius I. von 508)
Anerkennung von Theoderichs Knigsherrschaft
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Und daher verpflichtet uns Eure Macht und Ehre, frmmster Frst, dass wir ein gutes Einvernehmen mit Euch suchen mssen, durch dessen Liebe wir noch weiter Fortschritte machen. Denn Ihr seid die herrlichste Zierde aller Reiche, Ihr seid der Heil bringende Schutz der ganzen Welt, zu dem mit Recht alle brigen Herrscher aufblicken, weil sie erkennen, dass Ihr etwas Eigenartiges an Euch habt, am meisten aber wir, die wir mit Gottes Hilfe in Eurem Staate gelernt haben, wie wir unparteiisch ber die Rmer herrschen knnen. Unsere Herrschaft ist nur eine Nachahmung der Euren, die Gestaltung eines guten Vorhabens, das Abbild des alleinigen Reiches. Wie sehr wir Euch hierin folgen, umso mehr zeichnen wir uns vor den anderen Vlkern aus. (…) Denn wir glauben, dass Ihr nicht dulden knnt, dass zwischen den beiden Staaten, die unter den frheren Kaisern immer fr einen einzigen Krper gehalten wurden, irgendeine Uneinigkeit fortbesteht. Sie
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
mssen daher nicht nur in friedlicher Liebe miteinander verbunden werden, sondern es gehrt sich auch, dass sie sich gegenseitig nach Krften untersttzen. Dass es ein Zeichen der rmischen Herrschaft sei, ein und dasselbe zu wollen, mge stets die alleinige Meinung sein. Und was immer in unserer Kraft steht, soll auf Eure Verherrlichung ausgerichtet sein.
Stellung Theoderichs
Verwaltung des Landes
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Dass Theoderich die Vorrangstellung des Kaisers anerkannte, machte er durch verschiedene Maßnahmen deutlich: Er nahm nicht den Titel Augustus an, zeigte sich nicht mit einem kaiserlichen Diadem und Zepter und residierte nicht im Kaiserpalast von Ravenna; auch ließ er keine Mnzen prgen und die von ihm nominierten Konsuln von Ostrom ernennen. Allerdings trug er ein Purpurgewand, baute sich in Ravenna einen eigenen Palast und ließ von sich Bildnisse anfertigen. Wie den Kaiser so musste man ihn mit dominus und princeps anreden. Ab 500 trug er den seit Constantin fr Kaiser blichen Gentilnomen Flavius, sodass sein offizieller Name Flavius Theodericus rex lautete. Fr Theoderich war letztlich entscheidend, dass er dieselbe Machtflle wie ein Kaiser besaß. Er hatte nicht nur den Oberbefehl ber das Heer inne, sondern bte auch die oberste Gerichtsbarkeit aus und leitete die Zivilverwaltung. Als sein oberstes Ziel proklamierte er die Wahrung und Erhaltung der bestehenden Ordnung und der bestehenden Gesetze (civilitas) und nderte daher nichts an den vorhandenen Verwaltungsstrukturen. Wie sein Vorgnger Odoaker arbeitete er eng mit der einflussreichen Senatsaristokratie zusammen, auf deren Kenntnisse er angewiesen war. Da die Goten nach ihrem Sieg ihre Eigenstndigkeit bewahrten, erweiterte Theoderich die Verwaltung des Landes um eine ethnische Komponente. In Provinzen und vor allem in Stdten setzte er gotische comites ein, die zum einen als Befehlshaber der einzelnen Gotengemeinden fungierten, zum anderen auch in Prozessen zwischen Goten und Rmern den Vorsitz bernahmen. Außer als Richter setzte Theoderich sie noch fr bestimmte administrative Sonderaufgaben ein. Neben den gotischen comites gab es als weitere gotische Amtstrger die Saionen, die als Boten des Knigs seine Befehle berbrachten und in seinem Auftrag Kontrollfunktionen wahrnahmen. Den alten Hofrat des Kaisers ersetzte Theoderich zunehmend durch einen gotischen Hofrat, zu dem Personen aus seinem Gefolge gehrten, die sein besonderes Vertrauen besaßen. Diese Vernderungen stießen bei den Rmern ebenso wenig auf Widerstand wie die Landnahme der Goten, ber deren Verlauf aufgrund der unzureichenden Quellenlage kaum etwas bekannt ist. Daher kann man nur spekulieren, ob die Goten mit Land oder Steuereinnahmen entschdigt wurden. Sicher ist lediglich, dass sie sich vornehmlich in Militrsiedlungen im Norden des Landes niederließen, wo am ehesten mit Invasionen zu rechnen war. Allein ihr Siedlungsschwerpunkt macht deutlich, dass die Goten eine Schutzfunktion erfllten und deshalb bei aller Disziplinlosigkeit und trotz ihres ausgeprgten Selbstbewusstseins von den Rmern akzeptiert wurden. Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung verfgte Theoderich ber kein rein gotisches Heer. Rmer dienten vor allem in den Grenzgebieten und befehligten militrische Einheiten.
VI.
Das Reich der Ostgoten in Italien Ihre barbarische Herkunft und militrische Lebensweise hinderte viele Goten daran, sich den Rmern anzupassen, obwohl Theoderich sie dazu aufforderte. Die Tatsache, dass die Goten keine Katholiken, sondern Arianer waren, spielte in dem Verhltnis zwischen beiden Bevlkerungsgruppen keine gravierende Rolle, wie lange angenommen wurde. Als berzeugter Arianer hielt sich Theoderich aus Angelegenheiten der Kirche heraus. Aus rein pragmatischen berlegungen war er auf ein gutes Verhltnis zum Papst bedacht, da die berwiegende Mehrheit seiner Untertanen der katholischen Kirche angehrte. Dem Papst war es nur recht, dass in Italien kein orthodoxer Kaiser mehr herrschte, der seinen Freiraum einengte, zumal er im Streit mit der Ostkirche lag bezglich der gttlichen Natur von Jesus und seiner Vorrangstellung als Papst. Theoderich wiederum profitierte von diesem Streit, da sich durch ihn der Einfluss des ostrmischen Kaisers auf Italien verringerte. Allerdings ließ sich der Gotenknig zu Beginn seiner Herrschaft in einen innerkirchlichen Konflikt hineinziehen. Nachdem 498 der Diakon Symmachus zum Papst gekrt worden war, whlten die Anhnger der probyzantinischen Partei den Presbyter Laurentius zum Gegenpapst. Beide Parteien riefen Theoderich als Schiedsrichter an, der sich fr Symmachus entschied, weil er zuerst ordiniert und mit eindeutiger Mehrheit gewhlt worden war. Als der Gotenknig im April oder Mai 500 nach Rom reiste um sein dreißigjhriges Regierungsjubilum zu feiern, bereiteten ihm der Senat und der neue Papst einen gebhrenden Empfang. Nach Theoderichs Abreise nahmen die Spannungen zwischen den Anhngern der beiden Ppste wieder zu. Weder durch die Berufung eines Visitators noch durch die Einberufung einer Synode nach Rom konnte das Schisma beigelegt werden. Ruhe kehrte erst ein, als Symmachus 514 starb und ihm mit Hormisdas ein Papst folgte, der auf ein Einvernehmen mit dem Gotenknig bedacht war und dem 519 mit dem neuen ostrmischen Kaiser Justin I. (518–527) der Ausgleich mit der Ostkirche gelang. Eine kirchenpolitische Einigung zwischen Ost und West strkte die antigotische Opposition bei den Rmern. Daher musste Theoderich seine Herrschaft auch nach außen absichern und war stets an guten Beziehungen zu den anderen Germanenreichen interessiert. Durch Eheschließungen schuf er ein „internationales Bndnissystem“, als dessen Oberhaupt er sich bei aller Zurckhaltung sah. Zwei seiner Tchter heirateten vor 496 den Westgotenknig Alarich II. und den burgundischen Thronfolger Sigismund. Theoderich selbst ehelichte bald nach seiner Herrschaftsbernahme in Italien Audefleda, die Schwester des Frankenknigs Chlodwig. Einen vorlufigen Abschluss fand Theoderichs Heirats- und Bndnispolitik bei seinem Rombesuch im Jahre 500. Damals beschloss er, Knig Thrasamund, dessen Vandalen Italien mit ihrer Flotte vom Sden her bedrohten, mit seiner verwitweten Schwester Amalafrida zu verheiraten. Zwischen 507 und 511 gab Theoderich dem Thringerknig Herminafrid eine Nichte zur Ehefrau und adoptierte den Herulerknig Rodulf als Waffensohn. Das Bndnissystem erwies sich allerdings als nicht sehr belastbar. Das zeigte sich, als Theoderich versuchte, seine Herrschaftsansprche auf dem Balkan geltend zu machen. Den Anlass hierfr boten ihm die Gepiden, die durch einen Zusammenschluss ihrer Teilstmme eine zunehmende Bedro-
Religionspolitik
Bndnissystem
Feldzug gegen die Gepiden
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VI.
Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Konflikt mit den Franken
Regelung seiner Nachfolge
Prozess gegen Bothius
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hung darstellten. Als ein gotisches Heer 504 in Sirmium eintraf, brach die Herrschaft des Gepidenknigs Traserich schnell zusammen. Nach diesem Feldzug eilten die Goten dem Gepiden Mundo, den Traserich um seine Thronansprche gebracht hatte, zu Hilfe und besiegten ein ostrmisches Heer, das gegen ihn vorgerckt war. Durch den Feldzug hatte Theoderich zwar Pannonien seinem Machtbereich eingegliedert, aber gleichzeitig Kaiser Anastasius I. durch einen Vorstoß in dessen Reich brskiert, zumal diesem durch die Kmpfe mit den Persern die Hnde gebunden waren. In Chlodwig fand der Kaiser aber einen geeigneten Verbndeten. Der Frankenknig dehnte in Gallien seine Herrschaft zu Lasten der Alamannen und Westgoten aus, was Theoderich nicht ohne Weiteres akzeptieren konnte. Als Chlodwig nach seinem Sieg ber die Alamannen die Westgoten 508 vernichtend schlug, konnte Theoderich nicht sofort eingreifen, weil 507/508 eine ostrmische Flotte die Ostkste Italiens angriff. Aber bereits im Juni 508 zog Theoderich seine Truppen bei Mailand zusammen, die auf unterschiedlichen Wegen in Gallien einfielen. Das Gebiet sdlich der Durance zwischen der Rhne und den Alpen verleibte er als Prfektur Gallien seinem Reich ein. Die ehemals westgotischen Gebiete zwischen Garonne und Loire berließ er den Franken. Nach der Vertreibung des Westgotenknigs Gesalech erhob Theoderich 511 fr seinen noch minderjhrigen Enkel Amalarich, den Sohn Alarichs II., Anspruch auf die Regentschaft ber das restliche Westgotenreich. Offiziell herrschte er nun ber ein Gebiet, das von Gibraltar ber Sdfrankreich und Italien bis zum Balkan reichte und in seiner Ausdehnung beinahe dem westrmischen Reich entsprach. Seine Herrschaft ber die Iberische Halbinsel bestand jedoch nur nominell, da dort sein Vertrauter Theudis die Regierungsgeschfte leitete. Zu einem weiteren Krieg kam es erst 522, als der Burgunderknig Sigismund Theoderichs Enkel Sigerich umbringen ließ. Den ersten und entscheidenden Schritt in diesem Krieg unternahmen indes die Franken. Sie fielen in das Gebiet der Burgunder ein und nahmen Sigismund und seine Familie gefangen. Die Goten warteten ihrerseits – sehr zum Unwillen ihres frnkischen Bndnispartners – ab und okkupierten dann kampflos die burgundischen Gebiete zwischen Durance und Isre. Gegen Ende seiner Regierungszeit ergaben sich fr Theoderich zwei innenpolitische Probleme: die Regelung seiner Nachfolge und die Streitigkeiten mit fhrenden katholischen Senatoren, die in Verbindung mit dem ostrmischen Kaiser standen. Da Theoderich ohne Shne geblieben war, hatte er als Thronfolger den Ehemann seiner Tochter Amalasuintha, den Westgoten Eutharich Cilliga, mglicherweise ein Enkel seines Onkels Vidimer, auserkoren. Um seine Stellung zu festigen, erreichte Theoderich, dass ihn Kaiser Justin fr das Jahr 519 zum Mitkonsul ernannte und ihn als Waffensohn annahm. Außerdem versuchte er Eutharich strker in die Verwaltung des Reiches einzubinden. Eutharich starb allerdings um 523 und hinterließ mit Athalarich einen noch minderjhrigen Sohn. Zu dieser Zeit fand der Prozess gegen den Senator Bothius statt, der sich aufgrund seines arroganten Auftretens viele Feinde gemacht hatte, insbesondere unter den Standesgenossen, die aus weniger angesehenen Familien stammten.
VI.
Das Reich der Ostgoten in Italien Anicius Manlius Severinus Bothius Iunior (um 480–Ende 524) entstammte mtterlicherseits der einflussreichen Senatorenfamilie der Anicier. Er wuchs in dem Haus seines spteren Schwiegervaters, des Senators und Philosophen Symmachus Iunior, auf. Bothius’ Interesse galt der griechischen Philosophie; er bersetzte Werke des Aristoteles. Aufgrund seiner Fhigkeiten holte ihn Theoderich frh an seinen Hof und betraute ihn 522 als magister officiorum mit der Aufsicht ber die verschiedenen Kanzleien.
Als einer von Bothius’ Feinden, der Kanzleibeamte Cyprianus, in Verona in Anwesenheit des Knigs den Senator Albinus beschuldigte, Briefe an Kaiser Justin gesandt zu haben, die sich gegen die Knigsherrschaft Theoderichs richteten, setzte sich Bothius vehement fr Albinus ein. Cyprianus weitete daraufhin seine Anklage aus und warf Bothius vor, Dokumente unterschlagen zu haben, mit denen sich beweisen ließe, wie der Senat die Majestt des Gotenknigs beleidigt habe. Ferner behauptete er, Bothius sei fr die Befreiung der Rmer von der Gotenherrschaft eingetreten und habe Zauberei begangen. Theoderich sah sich angesichts dieser massiven Anschuldigungen gezwungen, Bothius seines Amtes zu entheben und zu verhaften. Obwohl er sich von ihm persnlich angegriffen fhlen konnte, berließ der Gotenknig es dem Standesgericht der Senatoren in Rom, ber Bothius und Albinus zu urteilen und mischte sich nicht in den Prozess ein. Das Standesgericht zgerte nicht, die beiden Senatoren zum Tode zu verurteilen und ihnen ihre Gter zu entziehen. Nachdem das Urteil Theoderich berbracht worden war, nahm er es unverzglich an und verzichtete auf eine Revision. Zu erdrckend waren die Beweise gegen Bothius, zu groß der Argwohn gegenber der katholischen, kaiserfreundlichen, antigotischen Partei im Senat. Dieser gelang es immerhin Bothius zu einem zweiten Sokrates und Mrtyrer der Kirche und Theoderich zu einem Tyrannen und zu einem Feind dieser Kirche zu stilisieren. Weitere Gelegenheiten zur Kritik boten ihr die Verurteilung und Hinrichtung von Bothius’ Schwiegervater Symmachus, der 525 wegen Hochverrats angeklagt worden war, und der pltzliche Tod von Papst Johannes I. Dieser machte 526 nach seiner Rckkehr aus Konstantinopel in Ravenna Station, um Theoderich ber die Ergebnisse seiner Verhandlungen mit dem ostrmischen Kaiser Justin I. zu berichten. Als er kurz darauf starb, unterstellten Anhnger der katholischen, antigotischen Partei dem Gotenknig, obwohl er den Leichnam des Papstes sofort nach Rom berfhren ließ, Johannes I. sei von ihm inhaftiert worden und an den Folgen der Haft gestorben. Theoderichs Einfluss auf die fhrenden Kleriker in Rom war aber noch so groß, dass er mit der Wahl eines ihm freundlich gesonnenen Papstes bald darauf das Einvernehmen mit der katholischen Kirche wiederherstellen konnte. Das war fr ihn außerordentlich wichtig, weil sich 526 das Verhltnis zu den Vandalen dramatisch verschlechterte. Ihr neuer Knig Hilderich, der seine Politik ganz auf den ostrmischen Kaiser ausrichtete, ließ die Ehefrau seines Vorgngers, Theoderichs Schwester Amalafrida, hinrichten, weil sie angeblich einen Umsturz geplant hatte. Der Gotenknig nahm diesen Verwandtenmord nicht tatenlos hin und plante erstmals in seinem Leben den Bau einer großen Flotte, um mit ihr die Vandalen in Nordafrika anzugreifen. Im August erkrankte Theoderich aber schwer und berief, als er sein Ende nahen fhlte, eine Versammlung hochrangiger Goten ein. Mit einem Treueid
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Theoderichs Ende
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VI.
Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Herrschaft Amalasuinthas
Gotenkriege
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verpflichtete er sie auf seinen Enkel Athalarich als seinen Nachfolger und forderte sie auf, den Senat und das rmische Volk zu lieben und nach Gott dem Kaiser im Osten immer friedlich und gewogen zu sein. Nach seinem Tod am 30. August 526 wurde Theoderich vor der Stadtmauer Ravennas in dem Monument bestattet, mit dessen Bauarbeiten bereits zu seinen Lebzeiten begonnen worden war. Mit Theoderichs Tod lste sich das vereinigte Gotenreich auf. In Italien setzte Theoderichs Tochter Amalasuintha im Namen ihres Sohnes die prormische Politik des Vaters fort. Da Theoderich die kaiserliche Anerkennung seiner Herrschaft nur fr sich und nicht fr seine Nachkommen erlangt hatte, zeigte sie bei Kaiser Justin die Erhebung Athalarichs zum Knig an und bat ihn, seinem „Adoptivenkel“ die Herrschaft unter denselben Bedingungen zu besttigen, wie es bereits seine Vorgnger bei Theoderich getan hatten. Innenpolitisch achtete die Regentin darauf, dass der Konsens zwischen Goten und Rmern erhalten blieb und es zu keinen bergriffen zwischen den beiden Bevlkerungsgruppen kam. Allerdings geriet Amalasuintha bei ihren eigenen Stammesgenossen immer mehr in Gegensatz zu einer einflussreichen Gruppierung, die ihr vorwarf, Athalarich eher wie einen Rmer zu erziehen, anstatt ihn wie einen gotischen Krieger aufwachsen zu lassen. Amalasuintha bergab daraufhin ihren Sohn jungen Goten zur Erziehung. Da ihre Gegner weiter gegen sie opponierten, ließ sie drei Rdelsfhrer umbringen. Als Athalarich am 2. Oktober 534 starb, musste seine Mutter befrchten von der Herrschaft verdrngt zu werden und beteiligte daher ihren Cousin Theodahad an der Herrschaft. Er, der bei vielen Stammesgenossen verhasst war, weil er sich widerrechtlich Lndereien in Tuskien angeeignet hatte, verbndete sich mit den Gegnern seiner Cousine und ließ sie nach Tuskien auf eine Insel im Bolsinasee bringen, wo sie am 30. April 535 gettet wurde. hnlich wie seine Vorgnger bat Theodahad den neuen ostrmischen Kaiser Justinian um dessen Gnade und Gunst. Nach der raschen Unterwerfung des Vandalenreiches nahm Justinian die Ermordung Amalasuinthas aber zum Anlass, das Gotenreich anzugreifen. Im Osten rckte sein Heermeister Mundo in Dalmatien ein und zwang die Goten zum Rckzug. Aufgrund ihres heftigen Widerstandes griffen die Truppen des Kaisers Italien auch von Sden an. Ihr Feldherr Belisar eroberte Sizilien und setzte nach Sditalien ber, wo Ebrimuth, Theodahads Schwiegersohn, zu ihm berlief. Die ostrmischen Truppen belagerten schließlich Neapel und nahmen es nach heftigem Widerstand ein. Angesichts der sich verschlechternden militrischen Lage wuchs der Unmut im Gotenheer; in Regata bei Terracina rief es im November 536 Vitigis, einen alten Gefolgsmann Theoderichs, zum Knig aus. Er ließ Theodahad, der nach Ravenna flchtete, von einem seiner Getreuen umbringen. Um seine Stellung als Knig noch strker zu legitimieren, heiratete Vitigis Theoderichs Enkelin Matasuintha. Damit er die in Gallien stationierten Verbnde im Kampf gegen die Rmer einsetzen konnte, berließ Vitigis den Franken seine gallischen Besitzungen und zahlte ihnen eine bestimmte Geldsumme. Belisar besetzte indes Rom und drang mit seinen Truppen weiter nach Norden vor. Lediglich Mailand konnte Vitigis in seine Gewalt bringen, weil ihm der Frankenknig Theudebert 10.000 Burgunder zu Hilfe geschickt hatte.
VI.
Die Anfnge des Frankenreiches Belisar, der zwischenzeitlich durch neue Truppen unter dem Befehl des Eunuchen Narses Verstrkung erhalten hatte, schloss Vitigis 540 in Ravenna ein und nahm ihn und seine Frau Matasuintha nach der Eroberung der Stadt gefangen. Das auf den ersten Blick verlockende Angebot einflussreicher Goten, Vitigis’ Knigsherrschaft zu bernehmen, wies Belisar von sich, da er als ostrmischer Feldherr einen zu geringen Rckhalt bei den Goten und Italikern gehabt htte und seine Loyalitt zum Kaiser nicht aufs Spiel setzen wollte. So brachte er das gotische Knigspaar, fhrende Goten und Theoderichs Schatz nach Konstantinopel. Die Herrschaft der Amaler ber Italien war damit beendet, aber noch nicht der Krieg mit den Goten. 541 fanden sie in Totila, dem Kommandanten von Treviso, einen neuen starken Herrscher. Ihm gelang es, 543 Neapel und 546 Rom zurckzuerobern. Gegen ihn konnte Belisar, der 544 erneut den Oberbefehl in Italien bernommen hatte, wenig ausrichten. Ohne nennenswerte Erfolge kehrte er daher 548 nach Konstantinopel zurck. Der Feldherr Germanus, ein Cousin Justinians, versuchte daraufhin durch einen geschickten Schachzug die Goten zu spalten. Er heiratete Matasuintha, deren Mann zwei Jahre nach seiner Gefangennahme verstorben war, und hoffte so, viele Anhnger und Gefolgsleute der Amaler zu gewinnen. Bevor er jedoch zu seinem Feldzug aufbrechen konnte, starb er 550. Deshalb fhrte Narses die ostrmische Streitmacht nach Italien. In Ravenna vereinigten sich die rmischen Truppen und zogen gegen Totila, der von Rom aus aufbrach. Bei Busta Gallorum in Umbrien stießen 552 beide Heere aufeinander. Die Goten unterlagen, Totila fiel auf der Flucht. Noch einmal erhoben die Goten mit Teja einen neuen Knig, der sich allerdings noch im selben Jahr nahe dem Vesuv am Mons Lactarius den Truppen des Narses geschlagen geben musste. Mit Tejas Tod verloren die Goten endgltig ihre politische und militrische Einheit. An verschiedenen Orten, vor allem aber in Oberitalien kmpften vereinzelt gotische Verbnde untersttzt von frnkischen und alamannischen Truppen ohne Erfolg bis 562 weiter.
Ende des Reiches
8. Die Anfnge des Frankenreiches 358 457/461 486 496/508 508 511
Landnahme in Toxandrien Eroberung Klns Chlodwigs Sieg ber Syagrius Taufe Chlodwigs nach seinem Sieg ber die Alamannen Chlodwig wird rmischer Konsul Reichsteilung unter Chlodwigs Shnen
In ihrer Ethnogenese knnen die Franken mit den Alamannen und Sachsen verglichen werden. Bis zum Ende des 5. Jahrhunderts stellten sie keinen einheitlichen Stammesverband dar, sondern zerfielen in mehrere kleinere Stmme, aus denen sich grßere Stmme entwickelten.
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VI.
Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Ansiedlung in Nordgallien
Anfnge der Merowinger
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Beginn von Chlodwigs Herrschaft
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Ihr Name ist erstmalig fr 257/258 berliefert. Dabei bleibt unklar, ob es sich um eine Neuschpfung handelte oder ob der Name eines Stammes auf andere Stmme bertragen wurde. Den Rmern diente er offensichtlich als Sammelbezeichnung fr die Kriegergemeinschaften, die die Ksten Galliens und das Mndungsgebiet des Rheins mit ihren Raubzgen verunsicherten. Anders als bei den Goten und Vandalen stand bei den Franken die Reichsbildung nicht am Ende einer lngeren Wanderungsbewegung. Aus den von den Rmern in Nordgallien angesiedelten Germanen entwickelten sich mehrere kleinere Stmme, die der Frankenknig Chlodwig (481/ 482–511) zu einem Großstamm zusammenfasste. Die beiden bedeutendsten Teilstmme waren die Sal- und Rheinfranken, deren Namen allerdings nicht zeitgenssisch und in der Forschung umstritten sind. Die Salfranken oder Salier hatten vor 358 Toxandrien, das Gebiet zwischen Maas und Schelde, okkupiert. Als sie Kaiser Julian (355–363) um Frieden baten, unterwarf er sie, um sie zu Deditiziern zu machen. Die Rheinfranken berschritten gegen Ende des 4. Jahrhunderts mehrfach den Rhein und stießen vor allem auf den energischen Widerstand der Heermeister Stilichio und Arbogast, der selbst Franke war. Obwohl frnkische Verbnde als Foederaten im Dienst der Rmer standen, hinderte sie dies nicht daran, ihre Herrschaft weiter auszudehnen, insbesondere nach 454, als nach der Ermordung des mchtigen Feldherrn Atius die rmische Zentralgewalt deutlich an Einfluss verlor. Die Rheinfranken nahmen zwischen 457 und 461 Kln ein. Ihre Herrschaft erstreckte sich schließlich bis nach Trier und Toul. Unter ihrem Knig Chlogio aus dem Geschlecht der Merowinger stießen die Salfranken, denen Atius 448 das Gebiet um Tournai zugewiesen hatte, bis zur Somme vor. Ihr Knig Childerich untersttzte mit seinen Einheiten den im Gebiet nrdlich der Loire operierenden Heermeister Aegidius und dessen Nachfolger Paulus und Syagrius im Kampf gegen die Westgoten, Sachsen und Alamannen. Obwohl Childerich sich zeitweise mit Aegidius berwarf, gewann er so an Macht und Ansehen. Beigaben seines 1653 bei Tournai entdeckten Grabes weisen ihn nicht nur als frnkischen Knig, sondern auch als hohen rmischen Offizier aus. Merowinger Das Geschlecht der Merowinger herrschte fast 300 Jahre ber die Franken. Seinen Namen leitete es von einem Knig Merovech (= Meeresvieh) ab, der aus Chlogios Familie stammte und der der Sage nach von einem stierkpfigen Meeresungeheuer gezeugt worden ist, ber den aber keine weiteren historischen Nachrichten vorliegen. Die ersten bedeutenden Vertreter der Merowinger waren Merovechs Sohn Childerich und Chlodwig.
Als Childerich 481/482 starb, folgte ihm sein erst sechzehnjhriger Sohn Chlodwig nach. Er bernahm nicht nur das Reich seines Vaters, sondern auch die Verwaltung der Provinz Belgica II und befand sich damit in der Doppelfunktion eines frnkischen Knigs und eines rmischen Sprengelkommandanten. Aus dieser Machtposition heraus erlangte er binnen weniger Jahre die Herrschaft ber Nordgallien. 486/487 griff er den rmischen Befehlshaber Syagrius aus nicht nher bekannten Grnden an. Nach dessen Niederlage ließ er ihn umbringen und nahm dessen „Reich“ in Besitz. Das
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Die Anfnge des Frankenreiches bedeutete vermutlich, dass alle Truppen und Waffenfabriken sowie der gesamte Fiskalbesitz der Rmer ihm zugeschlagen wurden. Chlodwigs Machtbereich erstreckte sich jetzt bis zur Seine. In den folgenden Jahren erweiterte er ihn bis zur Loire, indem er nach wechselvollen Kmpfen mit den Aremorikanern, die das Gebiet zwischen Seine und Loire bewohnten, einen Vertrag schloss und weitere rmische Einheiten auf seine Seite zog. 491/492 unterwarf Chlodwig die Thoringer. Mit ihnen sind wohl nicht die Bewohner eines kleinen linksrheinischen Knigreiches der Thringer gemeint, sondern eher die Bewohner der Stadt Tongern, sodass Chlodwig mit ihrer Unterwerfung sein Reich weiter nach Osten bis an die Maas ausdehnte. Chlodwigs Reich grenzte nun an die Reiche der Westgoten und Burgunder. Da ihn mit den Westgoten ein offensichtlich von seinem Vater weiter gegebenes Misstrauen verband, suchte der Frankenknig Anschluss an die Burgunder und heiratete 493 Chrodechilde, die Nichte des Burgunderknigs Gundobad. Ungefhr zur selben Zeit gewann Chlodwig in Italien die Ostgoten als Bndnispartner, indem er auf Bitten ihres Knigs Theoderich seine Schwester Audefleda mit Theoderich verheiratete. Seit 496 waren die Franken in Kmpfe mit den Alamannen verwickelt, die mit ihren Vorstßen in die Gebiete am Untermain und Mittelrhein die Rheinfranken bedrohten. Chlodwig eilte ihnen zu Hilfe und schlug bei Zlpich ein Heer der Alamannen in die Flucht. Die Schlacht besaß nicht die ihr zugeschriebene epochale Bedeutung, da sie nicht zur endgltigen Unterwerfung der Alamannen fhrte. Diese leisteten vielmehr weiterhin den Franken Widerstand, sodass sich die Kmpfe bis 506 hinzogen. In diesem Jahr griffen die Franken die Alamannen an, stießen tief in deren Kernlande vor, okkupierten den nrdlichen Teil Alamanniens und vertrieben viele seiner Bewohner, die in Raetien und Noricum im Reich Theoderichs Zuflucht fanden. In der Zwischenzeit kam es zu Konflikten mit den Westgoten und Burgundern. Ungeachtet seiner verwandtschaftlichen Beziehungen mischte sich Chlodwig 500 in den Bruderzwist zwischen den Burgunderknigen Gundobad und Godigisel ein und besiegte bei Dijon Gundobads Heer. Trotzdem musste er auf den mit Godigisel vereinbarten Jahrestribut und mgliche Gebietsabtretungen verzichten, da Gundobad sich gegen seinen Bruder durchsetzte und die Herrschaft ber das gesamte Burgunderreich erlangte. Chlodwig verstand es aber, sich alsbald mit Gundobad zu verstndigen und ihn fr einen gemeinsamen Feldzug gegen die Westgoten zu gewinnen. Bereits 496 und 498 waren frnkische Truppen in westgotisches Gebiet eingedrungen. Daraufhin revanchierten sich die Westgoten und untersttzten den Burgunderknig Gundobad in seinem Kampf gegen die Franken. Die Auseinandersetzungen zwischen den Westgoten und Franken fanden ein vorlufiges Ende, als sich Alarich II. und Chlodwig 502 auf der Loire-Insel bei Amboise zu einem persnlichen Gesprch trafen und nach einem gemeinsamen Essen einander Freundschaft versprachen. Der Friede whrte nur fnf Jahre. 507 griffen die Salfranken zusammen mit einem rheinfrnkischen Aufgebot die Westgoten an, die durch interne Konflikte geschwcht waren und denen die Ostgoten aufgrund eines ostr-
Unterwerfung der Alamannen
Konflikte mit den Westgoten und Burgundern
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Stellung des Knigs
Gesetze
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mischen Flottenangriffs nicht zu Hilfe kommen konnten. In der Schlacht bei Vouill nordwestlich von Poitiers schlugen die Franken die Westgoten in die Flucht und tteten deren Knig. Nachdem Chlodwig den Winter in Bordeaux verbracht hatte, zog er gegen Toulouse, die Hauptstadt der Westgoten, und brachte den dort aufbewahrten Knigsschatz in seine Gewalt. Danach wandte er sich nach Norden und vertrieb die Goten aus AngoulÞme und zog sich nach Tours zurck. Sein ltester Sohn Theuderich stieß indes weiter westlich von Albi ber Rodez bis nach Clermont vor, whrend weiter im Sden frnkische Truppen Arles besetzt hielten und burgundische Einheiten bei Narbonne den neuen Knig der Westgoten besiegten. Weiter nach Osten und Westen konnten die Franken und ihr Verbndeter nicht vordringen, da sich ihnen die Ostgoten nach der erfolgreichen Abwehr des byzantinischen Expeditionskorps in den Weg stellten. Ohne dass eine Vereinbarung geschlossen wurde, berließen sie das Gebiet zwischen Garonne und Loire den Franken. Indem der Ostgotenknig Theoderich sein Reich mit dem der Westgoten vereinigte und als Verbindungslinie die sdlichen Gebiete Galliens fr sich behielt, schuf er einen mchtigen Gegenpol zu dem Frankenreich, das nach dem Sieg ber die Westgoten endgltig zur Vormacht in Gallien aufgestiegen war. Zwischen 509 und 511 bernahm Chlodwig die Herrschaft ber die Rheinfranken, deren Knig er ermorden ließ und die ihn auf ihrer Heeresversammlung durch Schilderhebung zu ihrem Knig ausriefen. Vor oder vielleicht nach diesem Ereignis brachte Chlodwig noch zwei andere frnkische Knigreiche unter seine Herrschaft und nahm dabei keine Rcksicht auf verwandtschaftliche Beziehungen und frhere Hilfeleistungen. Durch seine zahlreichen Feldzge hatte Chlodwig die Franken politisch geeinigt und gleichzeitig einen Vielvlkerstaat geschaffen, in dem heidnische Franken und Alamannen, arianische Westgoten und katholische Rmer nebeneinander lebten. Die Franken besaßen in diesem Reich die militrische und politische Fhrung, die Rmer bildeten aber die eindeutige Mehrheit. Die Leitung dieses Reiches stellte daher den Frankenknig vor keine leichte Aufgabe. Er besaß zudem keine uneingeschrnkten Machtbefugnisse; vielmehr war er von den Beschlssen seines Volkes, worunter die Beschlsse der Heeresversammlung zu verstehen sind, abhngig. Vor wichtigen Entscheidungen wandte er sich daher an die Heeresversammlung und holte sich deren Zustimmung ein. Selbst auf die Kriegsbeute hatte Chlodwig keinen alleinigen Anspruch, sondern teilte sie mit seinen Soldaten und akzeptierte, was ihm im Losverfahren zugewiesen wurde. Als oberster Heerfhrer duldete er keine Disziplinlosigkeit; Ungehorsam ahndete er umgehend, sogar mit der Todesstrafe. Wohl zu Beginn eines jeden Jahres im Mrz hielt der Frankenknig eine Heerschau ab, bei der er die Ausrstung seiner Soldaten musterte. Ob es mit der Ausdehnung seiner Herrschaft immer noch eine zentrale oder mehrere regionale Heerschauen gab, auf denen die neuen rmischen und germanischen Truppenkontingente inspiziert wurden, lsst sich nicht feststellen. Zwischen 507 und 511 ließ Chlodwig die Gesetze seines Volkes, das heißt der im Nordosten Galliens lebenden Franken, aufzeichnen. Mit dieser als lex Salica bezeichneten Gesetzessammlung reihte er sich unter die Ger-
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Die Anfnge des Frankenreiches manenknige ein, die zugleich als Gesetzgeber auftraten. Doch im Unterschied zu deren Gesetzeswerken ist die lex Salica kein „Knigsrecht“, sondern ein „Volksrecht“, da der Frankenknig die Aufzeichnung der verschiedenen Rechte rechtskundigen Mnnern seines Volkes bertrug, die im Vorwort der Gesetzessammlung ausdrcklich genannt werden. Zwar sind die Gesetze auf Latein zusammengefasst worden, was zeigt, dass die Sprache der Rmer die dominierende Amtssprache im Frankenreich war. Den Rmern gegenber war Chlodwig wie sein Vater Childerich auf Konsens und Ausgleich bedacht. Der mchtigen Bischfe, die in Gallien als Stadtherren fungierten, bediente er sich vor allem als Ratgeber.
Ratschlag von Remigius, Bischof von Reims, an Chlodwig Epistolae Austrasiacae 2, in: Monumenta Germaniae Historica Epistulae III S. 113
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Die große Nachricht erreichte uns, dass Ihr die Verwaltung der Belgica II bernommen habt. Es ist nicht ungewhnlich, dass Du genauso begonnen hast, wie es Deine Vorfahren immer getan haben. Du musst insbesondere darauf achten, dass das Urteil Gottes nicht von Dir weicht, sobald es sich um Dein Verdienst handelt, das durch den Einsatz Deiner Menschlichkeit zum hchsten Gipfel gelangt, weil, wie das Volk sagt, das Handeln der Menschen an seinem Ende gebilligt wird. Du musst Dir Ratgeber holen, die Deinen Ruf frdern knnen. Deine Gunstbezeigung muss rein und ehrenhaft sein. Du sollst Dich Deinen Bischfen anvertrauen und immer auf deren Ratschlge zurckgreifen. Wenn Du mit ihnen gut auskommst, kann es Deinem Amtsbereich nur besser gehen. Richte Deine Brger auf, muntere die Unterdrckten auf, sorge fr die Witwen, ernhre die Waisen, weil es besser ist, dass alle Dich lieben und achten, als dass Du sie erziehst. Die Gerechtigkeit spreche aus Eurem Mund; erwarte nichts von den Armen oder Fremden; mgest Du nicht mehr Geschenke oder irgendetwas annehmen; Dein Palast stehe allen offen, auf dass keiner traurig von ihm weggehe. Du hast allen mglichen Reichtum vom Vater ererbt, befreie damit Gefangene und erlse sie vom Joch der Sklaverei; wenn irgendjemand vor Dein Angesicht tritt, mge er sich nicht als Fremder fhlen. Scherze mit den Jungen, verhandle mit den alten Mnnern, wenn Du als edler Herrscher beurteilt werden willst.
Chlodwig nderte nichts an den bestehenden Verwaltungsstrukturen und verlagerte sogar seinen Knigssitz aus dem frnkischen Stammland immer weiter in von Rmern dominierte Gebiete. Nach Tournai machte er zunchst Soissons, den Amtssitz des Syagrius, und 508 nach seinem erfolgreichen Feldzug gegen die Westgoten Paris zur Hauptstadt seines Reiches. Ausschlaggebend fr diese weit reichende historische Entscheidung war nicht allein die verkehrsgnstige Lage der Stadt, sondern auch ihre wirtschaftliche Bedeutung. In ihrer Umgebung gab es umfangreichen rmischen Grundbesitz, dessen Einnahmen eine wichtige Grundlage fr die frnkische Herrschaft bildeten. Als Folge dieser Entwicklung ist anzunehmen, dass an Chlodwigs Hof neben Franken auch einflussreiche Rmer, Bischfe wie Senatoren, eine wichtige Rolle spielten. Um seine Herrschaft gegenber seinen rmischen Untertanen zu legitimieren, suchte der Frankenknig die Anerkennung des rmischen Kaisers. Diese erlangte er 508 durch seine Kooperation mit Anastasius I., fr die ihn der Kaiser mit einem Ehrenkonsulat auszeichnete.
Verhltnis zu den Rmern
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
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Chlodwig als rmischer Konsul Gregor von Tours, Historia Francorum 2,38 Damals erhielt er von Kaiser Anastasius eine Urkunde fr sein Konsulat und legte in der Kirche des heiligen Martin den Purpurrock und Mantel an und setzte ein Diadem auf sein Haupt. Dann, nachdem er sein Pferd bestiegen hatte, warf er eigenhndig Gold und Silber auf den Weg, der von der Pforte der Vorhalle zur Bischofskirche der Stadt fhrt, unter das anwesende Volk und gab es mit grßter Freigebigkeit aus; von diesem Tag an wurde er als Konsul oder Augustus angeredet.
Chlodwigs Taufe
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Die Interpretation dieses Ereignisses ist in der Forschung umstritten. In ihm die „erste deutsche Kaiserkrnung“ zu sehen, geht auf jeden Fall zu weit und trifft nicht den Kern der Angelegenheit. Unklar bleibt bei dieser Darstellung, um was fr eine Krone es sich bei dem Diadem handelte, mit dem sich Chlodwig selbst krnte, und ob Anastasius I. eigens fr den Frankenknig neue kaiserliche Gewnder anfertigen ließ, nachdem er Theoderich die des letzten westrmischen Kaisers zurckgeschickt hatte. Immerhin knnte es sich bei dem Mantel um ein hnliches Gewand gehandelt haben, wie es im Grab Childerichs gefunden wurde; dann wre der Frankenknig in der „Uniform“ eines rmischen Feldherrn aufgetreten. Da zudem das ganze Zeremoniell nicht dem in Rom und Konstantinopel blichen Zeremoniell fr Konsuln entsprach, hielt Chlodwig in Tours nach dem Feldzug ber die Westgoten wohl eher eine Siegesparade ab. Schließlich ist fraglich, ob Chlodwig wirklich soweit ging, sich als Augustus und damit als Kaiser anreden zu lassen. Denn es ist durchaus denkbar, dass der lateinische Text an dieser Stelle falsch berliefert ist und es stattdessen eher heißen msste, dass er wie der Kaiser als Konsul angeredet wurde. Ungeachtet aller offenen Fragen lsst Gregors Bericht eine Tatsache ganz deutlich hervortreten: Chlodwigs Neigung sich selbstbewusst und geschickt in Szene zu setzen. Wichtig waren ihm dabei zwei Dinge: Mit seinem Ritt durch die Stadt holte er sich die Zustimmung des Volkes ein. Mit der Annahme eines kaiserlichen Titels und kaiserlicher Insignien war er der unumstrittene Fhrer unter den frnkischen Knigen und stellte sich nach dem Sieg ber die Westgoten auf eine Stufe mit seinem mchtigen Widersacher Theoderich. Von noch grßerer historischer Bedeutung war Chlodwigs bertritt zum katholischen Glauben. Seine Taufe fand angeblich nach seinem Sieg ber die Alamannen bei Zlpich statt. In dieser Schlacht soll Chlodwig in seiner Verzweifelung Jesus Christus flehentlich um Beistand gebeten und im Falle eines Sieges seinen Glaubensbertritt versprochen haben, woraufhin die Alamannen flohen. Die Konversion des Frankenknigs vom Heidentum oder, wie neuerdings auch vermutet wird, vom arianischen zum katholischen Glauben, war indes kein kurzfristiger Entschluss, sondern das Resultat einer lngeren Entwicklung. Wie Childerich pflegte auch Chlodwig whrend seiner gesamten Regierungszeit Kontakte zu der katholischen Kirche. Außerdem bekannten sich vor seiner Taufe Angehrige seiner Familie in unterschiedlicher Form zum Christentum. Seine Schwester Lantechildis war Arianerin, seine Ehefrau Chrodechilde eine berzeugte und engagierte Ka-
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Die Anfnge des Frankenreiches tholikin, der er sich nicht widersetzte, als sie ihre ersten beiden Shne taufen ließ. Mit deren Taufe traf Chlodwig, was lange bersehen wurde, bereits eine wichtige Vorentscheidung ber die zuknftige Glaubensausrichtung seines Volkes, da seine Shne als seine Nachfolger bereits der katholischen Kirche angehrten. Ob sich Chlodwig 496, 498, 506 oder erst 508 am 25. Dezember taufen ließ, lsst sich nicht mehr sicher feststellen, da es nicht eine einzige Entscheidungsschlacht, sondern mehrere Schlachten gegen die Alamannen gab. Im Unterschied zu Gregor von Tours, der die Glaubensentscheidung des Frankenknigs mit einem Sieg ber dieses Volk in Verbindung brachte, fhrten ihn andere frnkische Geistliche auf den Sieg ber die Burgunder oder die Westgoten oder auf den Besuch des Martinsgrabes in Tours zurck. Die Bemerkung des Bischofs Avitus von Vienne in einem unmittelbar nach der Taufe verfassten Brief an Chlodwig, dass sich ganz Griechenland ber einen Frsten unseres Gesetzes freue, kann dahingehend verstanden werden, dass der byzantinische Kaiser vor der Verleihung des Ehrenkonsulates mit Genugtuung feststellte, dass der Franke kein Heide mehr war. Chlodwigs Taufe Gregor vor Tours, Historia Francorum 2,31
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Dann befahl die Knigin heimlich den heiligen Remigius, den Bischof von Reims, herbeizuholen und bat ihn, dass er dem Knig das Wort des Heils ans Herz lege. Der Bischof holte ihn herbei und begann ihn im Geheimen nahezulegen, dass er an den wahren Gott, den Schpfer des Himmels und der Erde glaube, von den Gtzen ablasse, die weder ihm noch anderen ntzen knnen. Aber jener sagte: „Gern wrde ich Dich, heiligster Vater, erhren; aber eins gibt mir zu Bedenken, dass das Volk, das mir folgt, nicht hinnimmt seine Gtter zu verlassen; aber ich gehe und spreche zu ihnen nach Deinem Wort.“ Aber als er mit den Seinigen zusammentraf, kam ihm, bevor er sprechen konnte, die Macht Gottes zuvor und das gesamte Volk schrie gleichzeitig: „Wir vertreiben die sterblichen Gtter, frommer Knig, und sind bereit, dem unsterblichen Gott, den Remigius verkndet, zu folgen.“ Das wurde dem Bischof gemeldet, der voll Freude befahl das Taufbad vorzubereiten. Mit bemalten Tchern wurden die Straßen behngt, die Kirchen wurden mit weißen Vorhngen geschmckt, die Taufkirche wurde zurechtgemacht, Wohlgerche wurden verstreut, brennende Kerzen erstrahlten in ihrem Duft, und solche Gnade ließ Gott dort den Anwesenden zuteilwerden, dass sie glaubten, sie seien den Wohlgerchen des Paradieses ausgesetzt. Der Knig verlangte also zuvor, dass er von dem Bischof getauft werde. Er ging als neuer Constantin zum Taufbad, um sich von dem alten Aussatz und den schmutzigen Flecken, die er seit altersher hatte, in frischem Wasser zu reinigen. Als er zur Taufe eintrat, sprach der Heilige Gottes mit beredtem Munde so zu ihm: „Beuge sanft Deinen Nacken, Sugambrer, bete an, was Du verfolgt hast, verfolge, was Du angebetet hast.“ (… ) Also bekannte der Knig den allmchtigen Gott in seiner Dreieinigkeit, er wurde getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und gesalbt mit dem heiligen l in dem Zeichen des Kreuzes Christi. Von seinem Heer ließen sich mehr als dreitausend taufen. Getauft wurde auch seine Schwester Albofledis, die nicht viel spter zum Herrn ging.
An dem Bericht ber Chlodwigs Taufe fllt auf, dass der Frankenknig es offensichtlich fr riskant hielt, allein zum neuen Glauben berzutreten und
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Schutzherr der Kirche
Teilung des Frankenreiches
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sich daher mit seinem Volk, das heißt mit seiner Heeresversammlung, beriet. Die Feierlichkeiten zur Taufe gestalteten sich, hnlich wie bei der Annahme des Ehrenkonsulats, zu einer Inszenierung seiner Macht. Zwar folgten nicht alle Franken Chlodwig, aber immerhin, wie der Schluss des Berichtes klarstellt, ein großer Teil seines persnlichen (militrischen) Gefolges und damit die Mehrheit seiner engeren Umgebung. Der Hinweis auf Chlodwig als neuen Constantin, der im Zusammenhang mit seinem Bekehrungserlebnis whrend der Alamannenschlacht die Erinnerung an die Ereignisse vor der Schlacht an der Milvischen Brcke 312 wecken sollte, in der Constantin im Zeichen des Kreuzes siegte, geht wahrscheinlich auf Remigius zurck, der damit damals gngige eschatalogische Vorstellungen von Klerikern zurckweisen wollte. Indem der Merowinger das Rmische Reich des ersten christlichen Kaisers erneuerte, verloren deren Vorstellungen von einem nahenden Weltenende an Bedeutung. Warum Remigius Chlodwig als Sugambrer ansprach, lsst sich dagegen kaum mehr erklren. Womglich sollte mit dieser Anrede an die Sugambrer erinnert werden, ein bereits fr die augusteische Zeit bezeugter mchtiger Germanenstamm, der spter in den Franken aufging. In Gregors Bericht steht vor allem der Bischof Remigius im Vordergrund. Jedoch nahm, wie dem Schreiben des Avitus von Vienne an Chlodwig zu entnehmen ist, eine große Zahl an Bischfen daran teil. Der Frankenknig, der sich anscheinend grndlich auf seine Taufe vorbereitet hatte, hatte demnach viele Geistliche in diesen wichtigen religisen Akt eingebunden und dabei einmal mehr den Ratschlag befolgt, den Remigius ihm zu Beginn seiner Regierungszeit erteilt hatte. Die Beziehungen zu den christlichen (katholischen) Rmern spielten nicht zuletzt eine entscheidende Rolle bei der Taufe. Durch sie gewann Chlodwig endgltig die Untersttzung der rmischen Bevlkerungsmehrheit, insbesondere der gallormischen Senatsaristokratie, und setzte sich damit von den anderen in Gallien herrschenden Germanenknigen ab, die an ihrem arianischen Glauben festhielten. Gleichzeitig machte er sich wie die rmischen Kaiser zum Schutzherren der katholischen Kirche, die er von nun an reichlich beschenkte. Schenkungen sind vor allem fr das Bistum Tours berliefert, in dem Martin, der Schutzheilige Galliens, verehrt wurde. In Paris ließen Chlodwig und Chrodechilde eine Kirche zu Ehren der Apostel Petrus und Paulus erbauen, die spter als Grablege fr die Heilige Genovefa diente. Als Schutzherr der Kirche nahm der Merowinger immer grßeren Einfluss auf den Klerus. Im Juli 511 berief Chlodwig ein Konzil nach Orleans an der Grenze zum frheren Westgotenreich. Die Bischfe folgten bereitwillig seiner Einladung und berieten Angelegenheiten, die der Knig ihnen zur Behandlung vorgelegt hatte, zum Beispiel Fragen des Kirchenasyls, des Verhaltens von Klerikern, des Zugangs zum Priesteramt und der Verwaltung von Kirchengtern. Bemerkenswert ist der Beschluss der Bischfe, dass Laien nur mit Zustimmung des Knigs Kleriker werden durften, da sie dadurch den Einfluss des Frankenknigs auf die Kirche und indirekt auch auf die Bischofswahlen strkten. Das Konzil von Orleans, mit dem Chlodwig noch einmal seine Macht und seinen Einfluss demonstrierte, fllt bereits in das Ende seiner Regie-
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Die Langobarden rungszeit. Bald darauf verstarb er am 27. November (?) 511 in Paris und wurde in der noch im Bau befindlichen Apostelkirche beigesetzt. Whrend Germanenknige wie Geiserich und Gundobad das Erbrecht fr einen einzigen Sohn durchsetzten, traf Chlodwig ganz im Sinne der lex Salica, nach der alle Shne als gleichberechtigte Erben anzusehen waren, keine derartige Regelung. Daher wurde sein Reich, kurz nachdem alle Franken unter einem Knig vereinigt worden waren, mit gleicher Waage geteilt. Als Erben standen sich zum einen sein Sohn Theuderich aus seiner ersten Ehe, zum anderen Chrodechildes Shne Chlodomer, Childebert und der noch nicht volljhrige Chlothar gegenber. Sie teilten das Reich aber nicht in vier Knigreiche auf, sondern jeder von ihnen erhielt aus der Francia, das heißt aus dem Gebiet zwischen Rhein und Loire, und aus Aquitanien, das heißt aus dem Gebiet sdlich der Loire, einen Teil zugewiesen. Der grßte Anteil mit rund einem Drittel fiel an Theuderich. Aus dieser Regelung erklrt sich auch, warum die Residenzen der vier Knige, nmlich Reims, Orleans, Paris und Soissons, alle im ehemaligen Herrschaftsgebiet des Syagrius lagen. Die Reichsteilungen hinderten Chlodwigs Nachfolger nicht daran seine Eroberungspolitik fortzusetzen. 531/532 verdrngten sie die Westgoten aus Gallien und eroberten 533/534 das Thringerreich, 534 Burgund und 537 die Provence. Wenige Jahre spter brachten sie auch das neu entstandene Herzogtum Bayern unter ihre Herrschaft. Trotz der vielen Reichsteilungen, die noch folgen sollten, ging die Idee eines geeinten gemeinsamen Reiches nicht verloren. Immerhin schafften es noch vier Merowinger, wenn auch nur kurzfristig, die Einheit wiederherzustellen: Chlothar I. 558–561, Chlothar II. 613–623, Dagobert I. 629–639 und Childerich II. 673–675.
9. Die Langobarden 1. Jh. 488/489 508/510 527/547 568
Siedlung an der unteren Elbe Okkupation des Rugiergebietes in Niedersterreich Befreiung von der Vorherrschaft der Heruler Vordringen nach Pannonien Einmarsch in Italien unter Alboin
Nach ihrer eigenen Stammeslegende aus dem 7. Jahrhundert kamen die Langobarden ursprnglich aus Skandinavien und hießen Winniler. Erst nach einer siegreichen Schlacht gegen die Vandalen erhielten sie ihren eigentlichen Namen. Historisch und auch archologisch lassen sich die Langobarden als Teilstamm der Sueben seit dem Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. an der unteren Elbe in Sdholstein und Westmecklenburg nachweisen, von wo aus sie Kontakte nach Skandinavien und zur mittleren Donau unterhielten. Im Jahre 5 besiegte sie Tiberius, zwlf Jahre spter waren sie in den Machtkampf zwischen Arminius und Maroboduus verwickelt. Als der Cheruskerknig Italicus nach 47 vertrieben wurde, verhalfen sie ihm wieder zu seiner Herrschaft. 167 nahmen sie an den Markomannenkriegen teil. Danach werden die Langobarden fr mehr als 300 Jahre in keiner Quelle er-
Herkunft
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Landnahme an der Donau
Herrschaft in Pannonien
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whnt. Ihr Name taucht erst wieder auf, als sie nach Odoakers Sieg ber die Rugier 488 deren Stammesgebiet in der Gegend um Krems in Niedersterreich an der Donau besetzten. Aufgrund dieser Fakten ist vermutet worden, dass die Langobarden allmhlich elbeaufwrts ber Bhmen bis an die Donau gezogen sind. Denkbar ist aber auch, dass sich vor 488 Langobarden mit anderen Stammesgruppen zusammenschlossen, die ihren anerkannten und traditionsreichen Namen fr den neuen Stammesverband bernahmen. Nach ihrer eigenen berlieferung zogen die Langobarden vom Rugiland weiter donauabwrts in das sogenannte Feld, mit dem sehr wahrscheinlich die Gegend um Tulln gemeint ist. Dort gerieten sie in Konflikt mit den Herulern, die die Westslowakei und Sdmhren beherrschten und von ihnen Tributzahlungen verlangten. Unklar bleibt, ob sie den Herulerknig Rodulf provozierten oder von ihm grundlos berfallen wurden. Jedenfalls konnten sich die Langobarden zwischen 508 und 510 unter ihrem Knig Tato aus dem Geschlecht der Lethinger von der Vorherrschaft der Heruler befreien und so zu einer eigenstndigen politischen Kraft im Grenzgebiet des Rmischen Reiches aufsteigen. Unter Wacho, der nach der Ermordung seines Onkels Tato von 510 bis 540 regierte, drangen die Langobarden auf rmisches Gebiet nach Nordpannonien vor. Um sein neu gewonnenes Herrschaftsgebiet abzusichern, heiratete Wacho nacheinander drei Prinzessinnen aus den Stmmen der Thringer, Gepiden und Heruler und vermhlte außerdem seine beiden Tchter mit zwei Frankenknigen, nachdem die Franken das Thringerreich erobert hatten. Der Gotenkrieg strkte Wachos Position zustzlich. Hatten die Rmer vorher den Langobarden kein besonderes Interesse entgegengebracht, bentigten sie sie ab 535/536 als Verbndete, um eine wichtige Flanke nach Italien abzusichern. Wacho ging ein Bndnis mit ihnen ein und stand zu seinen Versprechungen, als ihn um 539 der Gotenknig Vitigis als Bundesgenossen gewinnen wollte. Zum Vormund fr seinen noch minderjhrigen Sohn Walthari hatte Wacho Audoin berufen, der aus der einflussreichen Familie der Gausen stammte und wahrscheinlich der Halbbruder seiner ersten Ehefrau war. Nachdem Wacho gestorben war, bestimmte Audoin die Politik der Langobarden und bestieg nach Waltharis frhem Tod um 546 mit der Untersttzung des ostrmischen Kaisers Justinian (527–565) selbst den Thron. Der Kaiser hatte ihm zudem die Tochter des Thringerknigs Herminafrid, eine Großnichte des Ostgotenknigs Theoderich, zur Frau gegeben. Durch diese Ehe zwang er Audoin zu einer antifrnkischen Politik. Die Regierungszeit des Langobardenknigs war am Anfang geprgt von Streitigkeiten mit den Gepiden, die nach der Vertreibung der Ostgoten ihre Herrschaft immer weiter auf dem Balkan ausdehnten. Verschrft wurde dieser Konflikt dadurch, dass sich an Audoins Hof mit Ostrogotha ein Anwrter auf den Thron des Gepidenknigs Turisindus aufhielt, whrend bei diesem Ildigisal, Wachos Großneffe, Zuflucht gefunden hatte. Da Justinian whrend des Gotenkrieges in Italien ein sicheres Aufmarschgebiet fr seine Truppen bentigte, schloss er wahrscheinlich 543, sptestens 548, mit Audoin einen Vertrag, in dem er den Langobarden weitere Gebiete zusammen mit rmischen Festungen in Noricum und im Sden Pannoniens berließ. Ferner
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Die Langobarden zahlte der Kaiser ihnen reichlich Subsidien und erwartete dafr militrische Hilfeleistungen. Als ein rmisches Aufgebot den Langobarden gegen die Gepiden zu Hilfe eilen wollte, verstndigten sie sich berraschend mit ihren Feinden, doch hielt dieser Friede nicht lange. 550 marschierten Audoins und Turisindus’ Heere erneut gegeneinander, flohen aber kurz vor Beginn der Schlacht in wilder Panik, weil sie wahrscheinlich ein Naturereignis in Angst versetzte. Die beiden Knige vereinbarten daraufhin einen zweijhrigen Frieden, den sie dazu nutzten ihre Position auszubauen. So suchten die Gepiden Hilfe bei den Slawen, die Langobarden weiterhin bei dem Kaiser. Untersttzt von dem Gefolge seines Schwagers Amalafridas, der ein rmischer Offizier war, drang Audoin mit seinem Heer in das Gebiet der Gepiden ein und besiegte 552 die Truppen des Turisindus in der Schlacht auf dem zwischen Save und Donau gelegenen Asfeld. Nach dem Sieg ber die Gepiden beklagte sich Audoin bei Justinian ber die geringe militrische Untersttzung von rmischer Seite, da langobardische Einheiten gegen die Perser kmpften und 5.500 langobardische Krieger in Italien den rmischen Feldherren Narses im Kampf gegen den Gotenknig Totila untersttzten. berdies zeigte sich der Langobardenknig darber verstimmt, dass der Kaiser Ildigisal das Kommando ber die kaiserliche Leibwache verliehen hatte. Als Ildigisal wieder zu den Gepiden zurckkehrte, verstndigte sich Audoin mit ihrem Knig darber, die an ihren Hfen weilenden Thronprtendenten heimlich beseitigen zu lassen, obwohl Justinian die Auslieferung Ildigisals wegen diverser Vergehen verlangte. Die Ermordung der eigenen Konkurrenten schien ihm allemal besser als ein offizieller Bruch des Gastrechts auf Verlangen des Kaisers. Mit diesem Komplott hrten die Feindseligkeiten zwischen Langobarden und Gepiden fr einige Jahre auf. Nach Audoins Tod whlte die Heeresversammlung der Langobarden seinen Sohn Alboin zum Knig. Als sptester Zeitpunkt seines Regierungsantritts ist das Jahr 561 anzunehmen, in dem sein Schwiegervater, der Frankenknig Chlothar I., starb. Alboin hatte nmlich gleich nach seinem Regierungsantritt Kontakte zu dem Merowinger aufgenommen und dessen Tochter Chlodosinda geheiratet, die ihm eine Tochter namens Albsuinda gebar. Die Heirat war fr den Langobarden nicht ohne Bedeutung, da sie seine eigene Herrschaft absicherte; denn Wachos Tochter Walderada war mit einem Frankenknig verheiratet und mit seinem Schwiegervater liiert gewesen. Ein Bndnis mit den Franken verringerte zudem die Gefahr einer Bedrohung durch die Rmer, die nach ihrem Sieg ber die Goten Italien beherrschten, und zu denen sich seit 552 das Verhltnis abgekhlt hatte. In den ersten Jahren von Alboins Herrschaft verschlechterte sich das Verhltnis zu den Gepiden zusehends. Als Alboin sie 566 angriff, musste er eine Niederlage einstecken, da ihr Knig Cunimund Untersttzung von den Rmern erhielt. Auf Befehl des Kaisers Justin II. (565–578) zog dessen Feldherr Baduarius in Moesien und Skythien Truppen zusammen und besiegte Alboins Heer. Daraufhin schloss Alboin mit den Awaren ein „ewiges Bndnis“. Auffallend an ihm sind die schlechten Bedingungen, die sich Alboin von ihrem Khagan Baian diktieren ließ; immerhin versprach er, ein Zehntel des langobardischen Viehbestandes, die Hlfte der Beute und das gesamte
Sieg ber Gepiden
Anfnge Alboins
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit Gepidenland an die Awaren abzutreten. Gleichzeitig versicherten sich die Langobarden bei Justin II., dass er nicht in den anstehenden Krieg eingreifen werde. Alboin nutzte hier einen Fehler Cunimunds aus, der den Rmern nicht, wie vereinbart, Sirmium berlassen hatte. Verabredungsgemß fielen Awaren und Langobarden in das Reich der Gepiden ein. Ganz auf sich gestellt schlugen die Langobarden in der ersten großen Schlacht 567 das gepidische Heer vernichtend. Nach dem Sieg ehelichte Alboin Rosimunda, die Tochter Cunimunds, den er selbst auf dem Schlachtfeld gettet hatte.
E Zug nach Italien
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Awaren waren ein den Hunnen nahestehendes Reitervolk aus Zentralasien, das seit dem spten 5. Jahrhundert von dem Schwarzen Meer in die rmischen Balkanprovinzen vorstieß und unter der Fhrung eines Herrschers stand, der Khagan genannt wurde.
Obwohl das Reich der Gepiden infolge dieser Niederlage unterging, nutzte Alboin seinen militrischen Erfolg nicht, um seine Herrschaft im Karpatenbecken auszudehnen. Vielmehr verließ er bereits ein Jahr spter mit seinem Volk dessen Wohnsitze und zog mit ihm nach Italien. Angeblich soll der rmische Feldherr Narses die Langobarden zu diesem Schritt aufgefordert haben, als ihn der Kaiser nach seinem Sieg ber die Ostgoten aus Italien abberufen wollte. Gegen einen solchen „Verrat“ spricht indes Narses’ ehrenvolle berfhrung ins Ostreich nach seinem Tod 574. Hilfegesuch des Narses Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 2,5 Damals war der Kaiser so sehr ber Narses aufgebracht, dass er sofort Longinos als Prfekten nach Italien sandte und Narses durch ihn ersetzte. (…) Und so zog er (Narses) sich, von Hass und Furcht getrieben, nach Neapel in Kampanien zurck und sandte bald darauf Boten zu den Langobarden mit der Aufforderung, die bescheidenen Fluren Pannoniens zu verlassen und zu kommen, um das mit allen Reichtmern gesegnete Italien in Besitz zu nehmen. Er schickte Frchte in reicher Auswahl und andere Kstlichkeiten mit, an denen Italien reich ist, um sie zum Kommen zu motivieren. Die Langobarden nahmen die frohe Kunde, die ihren eigenen Wnschen entgegenkam, bereitwillig auf und blickten mit Optimismus in eine bessere Zukunft. (bersetzung Schwarz 161–163)
ber die Grnde fr die Auswanderung lsst sich nur spekulieren. Ein mglicher Grund fr die Auswanderung knnte gewesen sein, dass sie dem Druck der immer mchtiger werdenden Awaren ausweichen wollten. Dagegen sprechen aber ihr gutes Verhltnis zu den Awaren, mit denen Alboin ein fr sie vorteilhaftes Bndnis geschlossen hatte, und die berlegung, dass die Awaren erst einmal ihre Herrschaft in dem ehemaligen Gepidenreich festigen mussten. Auch drften sie in Alboin nach seinem schnellen Erfolg ber Cunimund keinen leichten Gegner mehr gesehen haben. Immerhin hatte der Langobarde durch seinen Sieg sein Heer gestrkt und als Gemahl ihrer Knigstochter viele Gepiden an sich gezogen. Wichtig fr die Einordnung und Bewertung der Langobardeninvasion bleibt letztlich die Tatsache, dass die Langobarden nicht als Feinde, sondern
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Die Langobarden als Freunde nach Italien kamen. Dafr sprechen die folgenden Fakten und berlegungen: Wie archologische Untersuchungen belegen, wurden bei der Ankunft der Langobarden keine Festungen und Befestigungsanlagen zerstrt. Ferner fanden keine Kmpfe mit ostrmischen Truppen statt. Selbst Longinus, der Nachfolger des Narses, stellte sich ihnen nicht entgegen, sondern ließ lediglich nahe Ravenna eine Befestigungsanlage in Caesarea erbauen. Das lsst wiederum den Schluss zu, dass Alboin, wenn auch nicht wie Theoderich mit der offiziellen Zustimmung des ihm nicht gerade freundlich gesonnenen Kaisers, so doch mit dem stillen Einverstndnis der in Italien operierenden rmischen Befehlshaber, einmarschierte. Diese konnten nach den hohen Verlusten eines langjhrigen Krieges Alboins Soldaten gut als Verstrkung gebrauchen, um Aufstnde versprengter Ostgoten niederzuschlagen oder Angriffe der Franken abzuwehren. Fr Alboin hatte ein Feldzug nach Italien den Vorteil, dass die Okkupation eines wohlhabenden Gebietes des Rmischen Reiches sein polyethnisches Heer vor eine lohnende Aufgabe stellte, dessen Zusammenhalt strkte und seinen Ruhm vermehrte; denn außer den Langobarden gehrten seinem Heer Gepiden, Bulgaren, Sarmaten, Sueven, (Angel-)Sachsen sowie Rmer aus Pannonien und Noricum an. Alboin kam daher nicht als Knig eines homogenen Volksstammes, sondern als Befehlshaber einer Menge vermischten Volkes, wie es Paulus Diaconus formulierte, nach Italien. Nach modernen Schtzungen drften insgesamt 100.000–150.000 Menschen mit Alboin gezogen sein, von denen vielleicht 20.000 bewaffnet waren und das eigentliche Heer bildeten. Am 1. April 568 brach der Langobardenknig vermutlich vom westlichen Ufer des Plattensees auf. Auf den alten Rmerstraßen drfte der ganze Treck sich an Emona (Ljubljana/Slowenien) und den Julischen Alpen vorbeibewegt haben und ber den Isonzo bis nach Cividale vorgestoßen sein. Nachdem die Langobarden im Herbst 568 Cividale und seine Umgebung besetzt hatten, verbrachten sie dort einen ußerst strengen Winter. Im Frhjahr 569 fhrte Alboin sein Heer ber den Fluss Piave nach Treviso und von da nach Vicenza und Verona. Mit Ausnahme von Padua, Mantua, Monselice und Grado unterstellten sich die Stdte Venetiens seinem Schutz. Von Venetien aus zogen die Langobarden nach Mailand, das ihnen am 3. September 569 seine Tore ffnete. Die genaue Datumsangabe fr dieses Ereignis hngt anscheinend damit zusammen, dass Alboin sich seitdem als Herr Italiens betrachtete. Somit fand in Mailand seine zweite Knigserhebung statt. Nach der bernahme der oberitalischen Metropole schlossen sich den Langobarden alle Stdte Liguriens an, mit Ausnahme Genuas und anderer Kstenstdte. Von Ligurien aus fielen 569 langobardische Einheiten in das benachbarte Frankenreich ein, um Beute zu machen. Danach eroberte Alboin Tuskien. Rom, Ravenna und einige befestigte Kstenorte bewahrten dagegen ihre Unabhngigkeit. Pavia, die ehemalige Residenzstadt, drfte damals ebenfalls in seine Hnde gefallen sein und nicht erst nach einer dreijhrigen Belagerung. Die Reaktionen auf den Einmarsch der Langobarden waren unterschiedlich. In Treviso berantwortete angeblich der Bischof die Stadt Alboin, woraufhin der Knig der Kirche ihren Besitz berließ und dies sogar in einer Urkunde besttigt haben soll. Andernorts kam es hingegen zu massiven
Eroberung Oberitaliens
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Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen in der spten Kaiserzeit
Bildung von Dukaten
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Konflikten. Der Patriarch von Aquileia floh mit seinem Kirchenschatz in das geschtzte auf einer Insel gelegene Grado. Der Mailnder Erzbischof begab sich nach Genua und schwor dessen Bevlkerung gegen die Langobarden ein. Allerdings bewirkte gerade in Oberitalien der Langobardeneinfall keine grundlegende Vernderung der Kirchenorganisation. Vielerorts waren die Menschen auch gar nicht gewillt, den Langobarden massiv Widerstand zu leisten. Nach den jahrelangen Kmpfen mit den Goten war das Land ausgemergelt. Zudem hatten eine Hungersnot ganz Italien und die Pest Ligurien und Venetien heimgesucht. Die Langobarden waren ihrerseits an keiner lckenlosen Kontrolle des Landes interessiert und ließen sich daher nicht auf eine Belagerung der befestigten Kstenorte ein, obwohl ber sie die byzantinische Flotte relativ ungefhrdet die einheimische Bevlkerung versorgen und mit Waffen und Soldaten untersttzen konnte. Bis 572 hatte Alboin offensichtlich ohne hohe Verluste weite Teile Nord- und Mittelitaliens in seine Gewalt gebracht, die spter die Siedlungsschwerpunkte der Langobarden bildeten. Da er nicht auf die Truppen eines starken Feindes stieß, begann er bereits bei seinem Einmarsch in Italien seine Herrschaft zu organisieren und verteilte die okkupierten Gebiete nach einem in Pannonien praktizierten Prinzip an Herzge (duces). Mehr als dreißig Dukate entstanden auf diese Weise, die ber eigene Amtstrger verfgten. Aufteilung des Landes Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 2,9 Als Alboin, ohne auf irgendwelchen Widerstand zu treffen, von dort nach Venetien, die erste Provinz Italiens, genauer gesagt in die Grenzmark der Gemeinde beziehungsweise des festen Platzes Forum Julii, vorgestoßen war, stand er vor der Frage, wem vor allem er die erste der Provinzen, die er eingenommen hatte, anvertrauen solle. (…) Whrend also Alboin, wie gesagt, mit sich zu Rate ging, wen er in dieser Gegend als Herzog einsetzen solle, entschloss er sich, Gisulf, seinen Neffen, wie es heißt, einen vielseitig begabten Mann, der ihm als Oberhofmeister – sie nennen das in ihrer Sprache „marpahis“ – diente, mit der Leitung der Gemeinde Forum Julii und ihres ganzen Umlandes zu betrauen. Gisulf nun erklrte, er werde die Verantwortung fr dieses Gemeinwesen und seine Bevlkerung nur bernehmen, wenn Alboin ihm die von ihm selbst nach eigenem Ermessen ausgesuchten farae, das heißt Sippen oder Familienverbnde, der Langobarden zuweise. Das geschah, und mit Zustimmung des Knigs erhielt er die gewnschten ausgewhlten langobardischen Familien als seine Ansiedler. So trat er schließlich das Amt des Herzogs an. Außerdem verlangte er vom Knig noch edle Gestte, und auch damit fand er bei der Großzgigkeit seines Herrn ein offenes Ohr. (bersetzung Schwarz 165)
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farae Unter dem in der Forschung unterschiedlich gedeuteten Begriff sind wahrscheinlich Untereinheiten des langobardischen Heeres zu verstehen, sogenannte „Fahrtgemeinschaften“, deren Mitglieder sich auf dem Zug nach Italien selbst versorgten und grßtenteils miteinander verwandt waren. Mit diesem Gefolge residierte der dux dann in der ihm unterstellten Stadt.
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Die Langobarden Die relativ schnelle und problemlose Eroberung Italiens verlieh dem ganzen Unternehmen eine Eigendynamik, die Alboin nicht mehr zu beherrschen wusste und die ihm schließlich zum Verhngnis wurde. Die Herzge gewannen schnell an Macht und Selbststndigkeit und sahen sich als dem Knig ebenbrtig an, der ohnehin von den Stimmungen in seiner Heeresversammlung abhngig war. Die seit 569 fast jhrlich stattfindenden Einflle in das frnkische Burgund drften nicht in Alboins Sinn gewesen sein, brachten sie doch die mit ihm verbndeten Franken gegen ihn auf. Am 25. Mai oder 28. Juni 572 starb Alboin in Verona nach einem Mordanschlag. Angeblich soll seine Frau Rosimunda sich fr die Ermordung ihres Vaters gercht haben. Denkbar ist aber auch, dass Alboin einem Komplott in seiner engeren Umgebung zum Opfer fiel. Sein Mrder Helmigis hatte offensichtlich mit der Untersttzung der Rmer gerechnet. Doch in Pavia, einem anderen Machtzentrum der Langobarden, formierte sich rasch eine starke Opposition gegen ihn und entschied sich fr Cleph aus dem Geschlecht der Beleos als neuen Knig. Allerdings wurden Cleph und seine Frau bereits 574 von einem Diener ermordet. Die Macht ging jetzt ganz an die duces ber, die sich auf keinen neuen Knig einigen konnten. Whrend des nun folgenden Interregnums dehnten diese die Herrschaft der Langobarden in der Emilia und in Mittelund Sditalien weiter aus. Die Rmer und die Franken litten damals in zunehmendem Maße unter ihren berfllen. Als daraufhin eine Koalition zwischen dem Kaiser Mauricius (582–602) und dem Frankenreich die Langobarden ernsthaft bedrohte, whlten viele Herzge 584 Clephs Sohn Authari zum neuen Knig, der zur weiteren Legitimierung seiner Herrschaft Wachos Enkelin Theodelinda heiratete. Um seine Stellung zu strken, traten die Herzge die Hlfte ihrer Besitzungen an Authari ab. Bei den Langobarden bildete sich dennoch kein Knigtum mit einer festen Dynastie. Vielmehr wurde die Person zum Knig gewhlt, die den Mchtigen des Reiches am besten geeignet erschien. Die willkrliche Ausbeutung der Rmer fand unter Authari (584–590) ein Ende. Ein Drittel ihrer Ernteertrge mussten sie jetzt jhrlich an die Langobarden abliefern. Um als gemeinsamer Herrscher von Rmern und Langobarden akzeptiert zu werden, nahm der Knig wie Theoderich den Namen Flavius an. Im 7. Jahrhundert traten die numerisch weit unterlegenen Langobarden verstrkt zum katholischen Glauben ber und glichen sich kulturell immer mehr den Rmern an, denen sie zugestanden, nach ihrem eigenen Recht zu leben. Eine offizielle Anerkennung Autharis durch den ostrmischen Kaiser ließ dennoch lange auf sich warten. Am Hof in Konstantinopel setzte sich schließlich die Erkenntnis durch, dass eine zweite Reconquista Italiens die Krfte des Reiches berstieg. In einer Zeit wichtiger außenpolitischer Abkommen mit anderen Mchten erkannte Constantin IV. 680/681 das Langobardenreich an. Italien blieb somit ein geteiltes Land, in dem die Gebiete um Ravenna, Rom und Neapel sowie in Unteritalien unter byzantinischer Herrschaft blieben.
Ermordung Alboins
Bedrohung durch die Franken
Konsolidierung der Herrschaft
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VII. Bilanz und Ausblick
Lebensweise
Kmpfe mit den Rmern
Reichsbildungen
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Als Germanen bezeichneten Caesar und Tacitus die Bewohner rechts des Rheines, die sich von Ackerbau und Viehzucht ernhrten, verstreut in Gehften und Drfern lebten und keine stdtischen Siedlungen kannten. Ihre Bezeichnung wurde akzeptiert, obwohl sie ungenau war; es fehlt ihr eine klare Abgrenzung zu anderen Vlkerschaften. Die Germanen bildeten kein einheitliches Volk, sondern zerfielen in mehrere (mindestens 30 verschiedene) Stmme, die sich hinsichtlich ihrer Religion, ihrer Verfassung und ihrer politischen Ziele unterschieden. Zwar schlossen sich einige Stmme wie die Marser und Semnonen mit anderen Stmmen zu Kultgemeinschaften zusammen und gingen in Kriegszeiten Bndnisse ein, doch waren die meisten Germanen unter sich in ihrem Streben nach Beute und Landgewinn zerstritten. Die Stmme stellten zudem keine dauerhaften Staatsgebilde mit festen Grenzen dar. Nicht selten lsten sie sich nach einiger Zeit auf und verschwanden wie der Stamm der Cherusker. Bedingt durch ihre „nomadische“ Lebensweise, die auf ihre wenig ausgeprgten Kenntnisse in der Landwirtschaft zurckzufhren sind, sowie aufgrund von Naturkatastrophen, Bevlkerungszunahme und Kriegen waren viele Germanenstmme oder zumindest Teile von ihnen gezwungen zu wandern. Stndige Migrationsprozesse sind somit nicht erst ein Phnomen der Vlkerwanderungszeit. Mit dem Niedergang der keltischen Oppida-Kultur stießen die Germanen in Mitteleuropa immer weiter nach Osten und Sden bis nach Gallien vor und kamen dabei dauerhaft mit den Rmern in Kontakt, da Caesar 58 bis 51 die Grenze ihres Reiches bis an den Rhein vorgeschoben hatte. Augustus ließ ab 12 v. Chr. Germanien bis zur Elbe unterwerfen. Da die Rmer dort eine feste Infrastruktur mit Straßen und Stdten erst noch aufbauen und zudem empfindliche Niederlagen wie 9 n. Chr. durch Arminius im Teutoburger Wald hinnehmen mussten, zogen sie sich 16 n. Chr. wieder in Richtung Rhein zurck und markierten ab dem frhen 2. Jahrhundert ihre Besitzungen durch den Bau einer festen Reichsgrenze. Die direkte Nachbarschaft zu den Rmern nutzten die Germanen kaum, um sich ihnen in der Landwirtschaft, im Handwerk und Handel anzupassen. Die rmischen Kaiser nahmen dagegen gerne germanische Einheiten als Hilfstruppen in ihr Heer auf. Zur Vorfeldsicherung ihres Reiches siedelten sie Stmme um und/oder setzten ihnen freundlich gesonnene Herrscher ein. Die Germanen waren seit der ersten Begegnung mit den Rmern nicht zu einem geschlossenen Auftreten gegen sie in der Lage. Zu unterschiedlich waren die politischen Interessen auch innerhalb ihrer Stmme. Die Markomannenkriege (166–180) brachten aber das Rmische Reich in Bedrngnis, da seitdem germanische Einheiten tiefer in seine Gebiete vordrangen und sich germanische Siedler in den Grenzgebieten niederließen. Ab dem spten 3. Jahrhundert entstanden dann germanische Reiche auf rmischem Boden. Zuerst bildeten die auf rechtsrheinischem Gebiet angesiedelten Alamannen mehrere Teilstmme, die mit ihren Einfllen Gallien
VII.
Bilanz und Ausblick bedrohten. Die Westgoten, die 410 unter Alarich sogar Rom einnahmen, und die Burgunder erhielten 418 und 443 Gebiete in Gallien zugewiesen. Den Vandalen gestand der Kaiser 442 nach der Eroberung Karthagos die Herrschaft ber Nordafrika zu. Ab der Mitte des 5. Jahrhunderts ließen sich immer hufiger Sachsen in Britannien nieder. Schließlich unterwarfen nacheinander die Ostgoten 488–493 und die Langobarden 568–572 Italien, das Kernland des Imperium Romanum. Am Ende des 6. Jahrhunderts beherrschten Germanen West- und Mitteleuropa. Insofern ist es gerechtfertigt, mit dem Einfall der Langobarden in Italien 568 den Endpunkt der Vlkerwanderungszeit anzusetzen. Die genannten Germanenstmme waren in ihrer Zusammensetzung recht heterogen, da sich ihnen zum Beispiel Rmer, Sarmaten und Hunnen anschlossen. Mit Ausnahme von Britannien und den Gebieten rechts des Rheines und an der oberen und mittleren Donau, in denen die germanische Kultur vorherrschte, stellten die neuen Germanenreiche rmische Staatsgebilde dar, deren Herrscher mehr oder weniger die Anerkennung durch den ostrmischen Kaiser suchten. Die Germanen bildeten in ihren Reichen nur eine sehr kleine Minderheit. Der einzige Bereich des ffentlichen Lebens, den sie dominierten, war das Heerwesen. Ansonsten blieben die Stadtgemeinden, die kaiserliche Zivilverwaltung und die Gerichtsbarkeit der Rmer grßtenteils bestehen. Einige Knige wie die der Ost- und Westgoten und Burgunder fhrten Amtstrger fr ihre Stammesangehrigen ein, verstanden sich aber immer als Oberhaupt beider Bevlkerungsgruppen, was an ihren Gesetzessammlungen deutlich wird, in denen sie die Rechte der Rmer wahrten. Unterschiede gab es vor allem in der Religionspolitik. Whrend die arianischen Vandalenknige gegen Ende des 5. Jahrhunderts die katholischen Geistlichen regelrecht verfolgten, trat fast zur selben Zeit der Frankenknig Chlodwig offen zum katholischen Glauben ber. Die religisen Differenzen verhinderten selbst bei den Vandalen nicht, dass sie sich wie die Angehrigen anderer Germanenstmme in ihrem Lebensstil immer mehr den Rmern anpassten und die lateinische (romanische) Sprache ihres Herrschaftsgebietes annahmen. Infolge dieses Akkulturationsprozesses empfanden gerade die fhrenden Schichten der „Romanen“ die germanische Herrschaft nicht als Fremdherrschaft. Viele von ihnen stellten sich in deren Dienst. Geistliche wie Isidor von Sevilla, Gregor von Tours und Paulus Diaconus identifizierten sich so sehr mit der Geschichte ihrer Reiche, dass sie sie aufzeichneten. Dabei unterschieden sie nicht mehr nach Rmern und Germanen, sondern nach guten (christlichen) und schlechten (heidnischen) Herrschern. Fast alle Germanenreiche bestanden trotz der zunehmenden Romanisierung nicht lange. Die Reiche der Vandalen und Ostgoten fielen zwischen 533 und 552 den Eroberungsplnen des ostrmischen Kaisers zum Opfer. Das spanische Reich der Westgoten war seit Beginn des 7. Jahrhunderts so durch innenpolitische Rivalitten mchtiger Familien geschwcht, dass es 711 nach der Niederlage gegen die Araber keinen geschlossenen Widerstand mehr leisten konnte. Lediglich das Reich der Franken, in dem mehrere Germanenreiche aufgingen, war von Dauer. Nachdem die Franken 507 die Westgoten in Gallien zurckgedrngt hatten, nahmen sie 533/534 die Reiche der Thringer und Burgunder ein. Karl der Große eroberte 774 das
Romanisierung
Ende von Germanenreichen
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VII.
Bilanz und Ausblick Reich der Langobarden, die in die byzantinischen Besitzungen eingefallen waren, den Papst in Bedrngnis brachten und die Herrschaftsansprche seiner Neffen untersttzten. In mehreren Feldzgen unterwarf der Frankenknig zwischen 772 und 800 die Sachsen, die ber die Grndung lokaler Herrschaften nicht hinausgekommen waren, und nahm 787 den Bayern ihre Selbststndigkeit, die sie seit der Merowingerzeit genossen. Die germanischen Wanderungsbewegungen fanden mit der Reichsbildung im 5. und 6. Jahrhundert noch kein Ende. Vom 8. bis 11. Jahrhundert stießen die Wikinger beziehungsweise Normannen aus Skandinavien im Westen bis nach Britannien, Nordfrankreich, Italien und ber Grnland sogar bis nach Nordamerika vor und erreichten im Osten das Schwarze und Kaspische Meer und Bagdad. Auch sie grndeten neue Reiche, deren Geschichte wie die des Frankenreiches bereits zum Mittelalter zhlt.
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Auswahlbibliographie Die Titel sind in einigen Kapiteln thematisch geordnet.
Quellen/Quellensammlungen Alle Quellenaussagen ber die Germanen liegen fr die Zeit bis 453 vorbildlich zusammengefasst vor in: Goetz, Hans-Werner – Welwei, Karl-Wilhelm (Hrsg.): Altes Germanien. Auszge aus den antiken Quellen ber die Germanen und ihre Beziehungen zum Rmischen Reich. Quellen der Alten Geschichte bis zum Jahre 238 n. Chr., 2 Bde Darmstadt 1995 Goetz, Hans-Werner – Patzold, Steffen – Welwei, Karl-Wilhelm (Hrsg.): Die Germanen in der Vlkerwanderung. Auszge aus den antiken Quellen ber die Germanen von der Mitte des 3. Jahrhunderts bis zum Jahre 453 n. Chr., 2 Bde, Darmstadt 2006/2007 Quellensammlung zur Geschichte der Alamannen: Dirlmeier, Camilla – Gottlieb, Gunther – Sprigade, Klaus (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Alamannen, 4 Bde, Sigmaringen 1976–1980 Weitere wichtige Geschichtswerke: Knig, Ingemar: Aus der Zeit Theoderichs des Großen. Einleitung, Text, bersetzung und Kommentar einer anonymen Quelle (Anonymus Valesianus), Darmstadt 1997 gibt die Parallelberlieferung zu diesem Geschichtswerk an Prokop: Gotenkriege/Vandalenkriege, bers. von Otto Veh, Mnchen 21978 und 1971 Gregor von Tours: Historiarum Libri Decem. Zehn Bcher Geschichten, hrsg. von Rudolf Buchner, 2 Bde, Darmstadt 82000 Paulus Diaconus: Geschichte der Langobarden. Historia Langobardorum, hrsg. und bers. von Wolfgang Schwarz, Darmstadt 2009
Kalkriese/Landesverband Lippe (Hrsg.): 2000 Jahre Varusschlacht. Imperium-Konflikt-Mythos, 3 Bde, Stuttgart 2009 Sammlung von Aufstzen zu verschiedenen Aspekten der germanischen Geschichte und Kultur Krger, Bruno (Hrsg.): Die Germanen. Geschichte und Kultur der germanischen Stmme in Mitteleuropa, 2 Bde, Berlin 51988, 21986 archologisch ausgerichtete Darstellung der DDR-Forschung Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Rom und die Barbaren. Europa in der Zeit der Vlkerwanderung, Mnchen 2008 Pohl, Walter: Die Germanen. Enzyklopdie deutscher Geschichte, Bd 57, Mnchen 2000 gute und knappe Einfhrung in den Forschungsstand Reallexikon der Germanischen Altertumskunde: begr. von Hoops, Johannes, 2. neu bearbeitete Aufl. hrsg. von Heinrich Beck – Dieter Geuenich – Heiko Steuer, 35 Bde, sowie mehrere Ergnzungsbnde (RGA-E), Berlin 1973–2007 unentbehrliches Hilfsmittel Schmidt, Ludwig: Geschichte der deutschen Stmme bis zum Ausgang der Vlkerwanderung, 2 Bde, Mnchen 21934 (ND 1969), 21938–40 (ND 1970) immer noch die grundlegende Darstellung aufgrund der umfassenden Aufarbeitung aller Quellen Simek, Rudolf: Die Germanen, Stuttgart 2006 Tausend, Klaus: Im Inneren Germaniens. Beziehungen zwischen den germanischen Stmmen vom 1. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr., mit Beitrgen von Gnter Stangl und Sabine Tausend, Geographica Historica 25, Stuttgart 2009 Todd, Malcolm: Die Germanen. Von den frhen Stammesverbnden zu den Erben des westrmischen Reiches, Stuttgart 2000 Wenskus, Reinhard: Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frhmittelalterlichen gentes, Kln 21977 Dieses Werk leitete eine neue Diskussion ber die Wesenszge der germanischen Stmme ein.
Literatur zu den einzelnen Kapiteln Allgemeine Literatur I. Die Germanen Bleckmann, Bruno: Die Germanen. Von Ariovist bis zu den Wikingern, Mnchen 2009 LWL-Rmermuseum in Haltern am See/Varusschlacht im Osnabrcker Land – Museum und Park
See, Klaus von: Deutsche Germanenideologie vom Humanismus bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 1970
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Auswahlbibliografie Ders.: Barbar, Germane, Arier. Die Suche nach der Identitt der Deutschen, Heidelberg 1994 Pohl, Walter: Vom Nutzen des Germanenbegriffs zwischen Antike und Mittelalter: eine forschungsgeschichtliche Perspektive, in: Hgermann, Dieter – Haubrichs, Wolfgang – Jarnut, Jrg (Hrsg.): Akkulturation. Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Sptantike und frhem Mittelalter, Berlin–New York 2004, RGA-E Bd 41, 18–34 Lund, Allan A.: Versuch einer Gesamtinterpretaion der „Germania“ des Tacitus, mit einem Anhang: Zur Entstehung und Geschichte des Namens und Begriffs Germani, Aufstieg und Niedergang der Rmischen Welt II 33.3, 1858–1988 Ament, Hermann: Der Rhein und die Ethnogenese der Germanen, Prhistorische Zeitschrift 59, 1984, 37–47
II. Die Anfnge der rmisch-germanischen Auseinandersetzungen Timpe, Dieter: Kimberntradition und Kimbernmythos, in: ders. (Hrsg.): Rmisch-germanische Begegnungen in der spten Republik und frhen Kaiserzeit. Voraussetzungen – Konfrontationen – Wirkungen. Gesammelte Studien, Leipzig 2006, 63–113 Trzaska-Richter, Christine: Furor teutonicus. Das rmische Germanenbild in Politik und Propaganda von den Anfngen bis zum 2. Jahrhundert n. Chr., Trier 1991 Riemer, Ulrike: Die rmische Germanienpolitik. Von Caesar bis Commodus, Darmstadt 2006 Christ, Karl: Caesar und Ariovist, Chiron 4, 1974, 251–292 mit ausfhrlichen Literaturangaben Fischer, Franz: Caesar und Ariovist. Studien zum Verstndnis des Feldzugberichts, Bonner Jahrbcher 199, 1999, 31–68
III. Rmer und Germanen in der frhen Kaiserzeit Dreyer, Boris: Arminius und der Untergang des Varus. Warum die Germanen keine Rmer wurden, Stuttgart 2009 Eck, Werner: Augustus und die Großprovinz Germanien, Klner Jahrbuch 37, 2004, 11–22 Johne, Klaus-Peter: Die Rmer an der Elbe. Das Stromgebiet der Elbe im geographischen Weltbild und im politischen Bewusstsein der griechisch-rmischen Antike, Berlin 2006 Lehmann, Gustav – Wiegels, Rainer (Hrsg.): Rmische Prsenz und Herrschaft in Germanien der augusteischen Zeit. Der Fundplatz von Kalkriese im
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Kontext neuerer Forschungen und Ausgrabungsfunde, Gttingen 2007 Rasbach, Gabriele – Becker, Armin: „Stdte in Germanien“. Der Fundort Waldgirmes, in: Wiegels, Rainer (Hrsg.): Die Varusschlacht. Wendepunkt der Geschichte, Stuttgart 2007, 102–116 Schneider, Helmuth (Hrsg.): Feindliche Nachbarn. Rom und die Germanen, Kln 2008 Sommer, Michael: Die Arminiusschlacht. Spurensuche im Teutoburger Wald, Stuttgart 2009 Timpe, Dieter: Arminius-Studien, Heidelberg 1970 grundlegend fr ein neues Arminiusbild Wolters, Reinhard: Die Schlacht im Teutoburger Wald, Mnchen 22009 Timpe, Dieter: Tacitus und der Bataveraufstand, in: ders. (Hrsg.): Rmisch-germanische Begegnungen in der spten Republik und frhen Kaiserzeit. Voraussetzungen – Konfrontationen – Wirkungen. Gesammelte Studien, Leipzig 2006, 318–357 Urban, Ralf: Der „Bataveraufstand“ und die Erhebung des Iulius Classicus, Trier 1985 Ders.: Die Revolte des Iulius Classicus und des Iulius Sabinus, in: ders. (Hrsg.): Gallia rebellis. Erhebungen in Gallien im Spiegel antiker Zeugnisse, Stuttgart 1999. Schmitt, Oliver: Anmerkungen zum Bataveraufstand, Bonner Jahrbcher 193, 1993, 141–160 Seidel, Matthias: Die jngere Latnezeit und ltere rmische Kaiserzeit in der Wetterau, Fundberichte aus Hessen 34/35, 1994/95, Wiesbaden 2000 Strobel, Karl: Der Chattenkrieg Domitians. Historische und politische Aspekte, Germania 65, 1987, 423–452 Dobesch, Gerhard: Aus der Vor- und Nachgeschichte der Markomannenkriege, in: Heftner, Herbert – Tomaschitz, Kurt (Hrsg.): Ausgewhlte Schriften, Bd. 2: Kelten und Germanen, Kln 2001, 1031–1082 Friesinger, Herwig – Tejral, Jaroslav – Stuppner, Alois (Hrsg.): Markomannenkriege. Ursachen und Wirkung, Brno 1994 Stahl, Michael: Zwischen Abgrenzung und Integration. Die Vertrge der Kaiser Marc Aurel und Commodus mit den Vlkern jenseits der Donau, Chiron 19, 1989, 289–317
IV. Lebensweise Siedlungsformen Brabandt, Johanna: Hausbefunde der rmischen Kaiserzeit im freien Germanien. Ein Forschungsstand, Halle/Saale 1993 Donat, Peter: Zur Entwicklung und Wandlung der
Auswahlbibliografie Siedlungs- und Wirtschaftsrume bei den Germanen, in: Brachmann, Hansjrgen – Vogt, HeinzJoachim (Hrsg.): Mensch und Umwelt. Studien zu Siedlungsausgriff und Landesausbau in Ur- und Frhgeschichte, Berlin 1992, 67–72 Wirtschaft und Handel Haffner, Alfried – Schnurbein, Siegmar von (Hrsg.): Kelten, Germanen, Rmer im Mittelgebirgsraum zwischen Luxemburg und Thringen. Akten des Internat. Koll. zum DFG-Schwerpunktprogramm „Romanisierung“ vom 28.–30. Sept. 1998 in Trier, Koll. Vor- und Frhgeschichte 5, Bonn 2000 Grnewald, Thomas (mit Schalles, Hans-Joachim, Hrsg.): Germania Inferior. Besiedlung, Gesellschaft und Wirtschaft an der Grenze der rmisch-germanischen Welt, Berlin 2001, RGA-E Bd 28 Lund Hansen, Ulla: Rmischer Import im Norden. Warenaustausch zwischen dem Rmischen Reich und dem freien Germanien whrend der Kaiserzeit unter besonderer Bercksichtigung Nordeuropas, Kopenhagen 1987 Rothenhfer, Peter: Die Wirtschaftsstrukturen im sdlichen Niedergermanien. Untersuchungen zur Entwicklung eines Wirtschaftsraumes an der Peripherie des Imperium Romanum, KSARP 7, Rahden/ Westf. 2005 Stoll, Oliver: Terra pecorum fecunda, sed plerumque improcera oder: Warum die Germanen nicht an der Blte der Tierzucht der Rmer teilhatten, in: ders. (Hrsg.): Rmisches Heer und Gesellschaft, Stuttgart 2001, 421–451 Ders.: Armee und Agrarwirtschaft: die „Stationen“ vor dem norisch-pannonischen Limes und die Landwirtschaft im „Freien Germanien“, in: ders. (Hrsg.): Rmisches Heer und Gesellschaft, Stuttgart 2001, 452–511 Wielowieski, Jerzy: Bernsteinstraße und Bernsteinweg whrend der rmischen Kaiserzeit im Lichte der neueren Forschung, Mnstersche Beitrge zur antiken Handelsgeschichte 3(2), 1984, 69–87 Wolters, Reinhard – Stoess, Christian: Die rmischen Mnzschatzfunde im Westteil des Freien Germaniens – Ein Beitrag zur Beurteilung des Geldumlaufs im Gebiet zwischen Rhein, Donau und Oder whrend der ersten beiden Jahrhunderte n. Chr., Mnstersche Beitrge zur antiken Handelsgeschichte 4(2), 1985, 3–41 Wolters, Reinhard: Der Waren und Dienstleistungsaustausch zwischen dem Rmischen Reich und dem Freien Germanien in der Zeit des Prinzipats. Eine Bestandsaufnahme, Mnstersche Beitrge zur antiken Handelsgeschichte 9, 1990, 14–44 und 10(1), 1991, 78–132
Gesellschaft und Verfassung Dick, Stefanie: Der Mythos vom „germanischen“ Knigtum. Studien zur Herrschaftsorganisation bei den germanischsprachigen Barbaren bis zum Beginn der Vlkerwanderungszeit, Berlin 2008, RGA-E Bd 60 wichtige quellenkritische Aufarbeitung des Themas Timpe, Dieter: Germanische Gefolgschaften in den antiken Berichten, in: Varusschlacht im Osnabrcker Land – Museum und Park Kalkriese (Hrsg.): 2000 Jahre Varusschlacht. Konflikt, Stuttgart 2009, 294–300 kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Forschungsmeinungen zu einem zentralen Thema der germanischen Gesellschaft Religion Beck, Heinrich – Ellmers, Detlev – Schier, Kurt (Hrsg.): Germanische Religionsgeschichte. Quellen und Quellenprobleme, Berlin 1992, RGA-E Bd 5 Behm-Blancke, Gnter: Heiligtmer der Germanen und ihrer Vorgnger in Thringen. Die Kultsttte Oberdorla. Forschungen zum alteuropischen Religions- und Kultwesen, Stuttgart 2003 Teegten, Wolf-Rdiger: Studien zu dem kaiserzeitlichen Quellopferfund von Bad Pyrmont, Berlin 1999, RGA-E Bd 20
V. Germanen im Dienst der Rmer Alfdy, Geza: Die Hilfstruppen der rmischen Provinz Germania inferior, Epigraphische Studien 6, Dsseldorf 1968 Bellen, Heinz: Die germanische Leibwache der rmischen Kaiser, Mainz 1981 Elton, Hugh: Warfare in Roman Europe AD 350–425, Oxford 1996 Fehr, Hubert: Germanische Einwanderung oder kulturelle Neuorientierung? Zu den Anfngen des Reihengrberhorizontes, in: Brather, Sebastian (Hrsg.): Zwischen Antike und Frhmittelalter. Archologie des 4. bis 7. Jahrhunderts im Westen, Berlin–New York 2008, RGA-E Bd 57, 67–102 Hoffmann, Dieter: Das sptrmische Bewegungsheer und die Notitia Dignitatum, 2 Bde, Dsseldorf 1969/70 Lenz, Karl Heinz: Germanische Siedlungen des 3. bis 5. Jahrhunderts n. Chr. in Gallien. Schriftliche berlieferung und archologische Befunde, Berichte der Rmisch-Germanischen Kommission 86, 2005, 349–444 Rummel, Philipp von: Habitus barbarus. Kleidung
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Auswahlbibliografie und Reprsentation sptantiker Eliten im 4. und 5. Jahrhundert, Berlin – New York 2007, RGA-E Bd 55
VI. Die Bildung von Großstmmen und germanischen Reichen Pohl, Walter: Die Vlkerwanderung. Eroberung und Integration, Stuttgart 22005 grundlegende Zusammenfassung Alamannen Archologisches Landesmuseum Baden-Wrttemberg (Hrsg.): Die Alamannen, Stuttgart 1997 Brather, Sebastian: Zwischen Sptantike und Frhmittelalter. Archologie des 4. und 7. Jahrhunderts im Westen, Berlin 2008, RGA-E Bd 57 Castritius, Helmut – Springer, Matthias: Wurde der Namen der Alemannen doch schon 213 erwhnt?, in: Ludwig, Uwe – Schilp, Thomas (Hrsg.): Nomen et Fraternitas, Berlin 2008, RGA E-Bd 62, 431–449 Drinkwater, John F.: The Alamanni and Rome 213–496 (Caracalla to Clovis), Oxford 2007 ausfhrliche Analyse der Geschichte und Lebensverhltnisse Geuenich, Dieter: Geschichte der Alemannen, Stuttgart 22005 Steidl, Bernd: Die Wetterau vom 3. bis 5. Jahrhundert n. Chr., Wiesbaden 2000 Theune, Claudia: Germanen und Romanen in der Alamannia. Strukturvernderungen aufgrund der archologischen Quellen vom 3. bis zum 7. Jahrhundert, Berlin 2004, RGA E-Bd 45 Goten Errington, Robert M.: Theodosius and the Goths, Chiron 26, 1996, 1–27 Giese, Wolfgang : Die Goten, Stuttgart 2004 Heather, Peter J.: Goths and Romans 332–489, Oxford 1991 Revision bestehender Geschichtsbilder durch eine kritische Quellenanalyse Ders.: The Goths, Oxford 1996 Kulikowski, Michael: Die Goten vor Rom, Stuttgart 2008 Maier, Gideon: Amtstrger und Herrscher in der Romania Gothica. Vergleichende Untersuchungen zu den Institutionen der ostgermanischen Vlkerwanderungsreiche, Stuttgart 2005 Thompson, Edward A.: The Visigoths in the time of Ulfila, London 22009 Wanke, Ulrich: Die Gotenkriege des Valens. Studien
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zu Topographie und Chronologie im unteren Donauraum von 366 bis 378 n. Chr., Frankfurt am Main 1990. Wolfram, Herwig: Die Goten. Von den Anfngen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie, Mnchen 52009 umfassende und wegweisende Darstellung zur Ethnogenese eines germanischen Volkes Vandalen Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Erben des Imperiums in Nordafrika. Das Knigreich der Vandalen, Mainz 2009 Zusammenfassung der neuen Forschungsergebnisse zum revidierten Vandalenbild Berndt, Guido M.: Konflikt und Anpassung. Studien zu Migration und Ethnogenese der Vandalen, Husum 2007 Berndt, Guido M. – Steinacher, Roland (Hrsg.): Das Reich der Vandalen und seine (Vor-)Geschichten, Forschungen zur Geschichte des Mittelalters Bd 13, Wien 2008 Castritius, Helmut: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Stuttgart 2007 Clover, Frank M.: The late Roman west and the Vandals, Aldershot 1993 Courtois, Christian: Les Vandales et l’Afrique, Paris 1955 (Aalen 1964) grundlegende Aufarbeitung der Quellen zur Vandalengeschichte Hettinger, Anette: Migration und Integration: Zu den Beziehungen von Vandalen und Romanen im Norden Afrikas, Frhmittelalterliche Studien 35, 2001, 121–143 Burgunder Favrod, Justin: Histoire politique du royaume burgonde (443–534), Lausanne 1997 Gall , Volker (Hrsg.): Symposium: Die Burgunder – Ethnogenese und Assimilation eines Volkes, Worms 2008 Kaiser, Reinhold: Die Burgunder, Stuttgart 2004 zusammenfassende, aber detaillierte Analyse der Geschichte der Burgunder Sachsen und Britannien Bhme, Horst W.: Das Ende der Rmerherrschaft in Britannien und die angelschsische Besiedlung Englands im 5. Jahrhundert, Jahrbuch des Rmisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 33, 1986, 469–574 Capelle, Torsten: Die Sachsen des frhen Mittelalters, Darmstadt 1998
Auswahlbibliografie Chrysos, Evangelos: Die Rmerherrschaft in Britannien und ihr Ende, Bonner Jahrbcher 191, 1991, 247–276 Dickinson, Tania – Griffiths, David (Hrsg.): The making of kingdoms. Anglo-Saxon studies in archaeology and history 10, Oxford 1999 Springer, Matthias: Die Sachsen, Stuttgart 2004 Ostgoten Amory, Patrick: People and identity in Ostrogothic Italy 489–554, Cambridge 1997 Ausbttel, Frank M.: Theoderich der Große, Darmstadt 2003 Burns, Thomas S.: A history of the Ostrogoths, Bloomington 1984 Kohlhas-Mller, Dorothee: Untersuchungen zur Rechtsstellung Theoderichs des Großen, Frankfurt am Main 1995 Moorhead, John: Theoderic in Italy, Oxford 1992 Vitiello, Massimiliano: Il principe, il filosofo, il guerriero. Lineamenti di pensiero politico nell’Italia ostrogota, Stuttgart 2006
Franken Ewig, Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich, Stuttgart 21993 Geary, Patrick: Die Merowinger. Europa vor Karl dem Großen, Mnchen 32007 Kaiser, Reinhold: Das rmische Erbe und das Merowingerreich, Enzyklopdie deutscher Geschichte, Bd 26, Mnchen 32004 gute Zusammenfassung des Forschungsstandes Wood, Ian: The Merovingian Kingdoms 450–751, London 1994 Zllner, Erich: Geschichte der Franken bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts, Mnchen 1970 grundlegende Darstellung aufgrund der umfassenden Aufarbeitung der Quellen Langobarden Jarnut, Jrg: Geschichte der Langobarden. Stuttgart 1982 Landschaftsverband Rheinland – Rheinisches LandesMuseum Bonn (Hrsg.): Die Langobarden. Das Ende der Vlkerwanderung, Darmstadt 2008 Priester, Karin: Geschichte der Langobarden. Gesellschaft – Kultur – Alltagsleben, Stuttgart 2004
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Register Ackerbau 44 Adgandestrius 34 Aegidius 74, 89, 106 Atius, Flavius 74, 82, 88, 95, 106 Agrippa, Marcus Vipsanius 20, 21, 56 Akkulturation 121 Alamannen 6, 49, 54, 57, 59–64, 88, 89, 102, 105–112, 120 Alanen 68, 73–74, 78 Alarich 69–71, 72, 73, 121 Alarich II. 75–77, 91, 101, 102, 107 Alaviv 66–67 Albinus 103 Alboin 115–119 Albsuinda 115 Alci 51 Amalafrida 84, 101, 103 Amalafridas 115 Amalarich 75, 102 Amalasuintha 102, 104 Amaler 97, 105 Ambivariten 18 Ambronen 10, 12 Ambrosius Aurelianus 96 Ampsivarier 30 Anastasius I. 92, 99, 102, 109, 110 Angeln 42, 51, 95 Angrivarier 27, 42 Annius Gallus, Appius 33 Anthemius 55, 83, 89 Antonius Primus 32 Antonius Saturninus, Lucius 34 Apronius, Lucius 29 Arbogast 106 Arcadius 55, 69 Aremorikaner 107 Arianismus 66 Ariovist 13–17, 47, 49, 50 Arminius 20, 24–29, 34, 43, 49, 54, 113, 120 Arthanarich 66–68 Arverner 13, 14 Asdinger 38 Aspar, Flavius Ardabur 79–81 Athalarich 102, 104 Athaulf 70, 72 Attalus, Priscus 70–72 Attila 81, 88, 96, 98 Attuarier 22
Audefleda 101, 107 Audoin 114–115 Aufaniae 51 Augustinus 79 Augustus 12, 20–26, 53, 120 Aurelian 50, 54, 78 Aurelius Scaurus, Marcus 11 Authari 119 Avidius Cassius 54 Avitus 74, 76, 82, 88 Avitus von Vienne 92, 93, 111, 112 Awaren 115–116 Baduarius 115 Baduhenna 51 Baetasier 33 Baian 115 Ballomar 36 Balthen 69, 73, 75 Barbarisierung des Heeres 55–56 Barbatio 62 Basiliscus 83 Bastarner 10 Bataver 3, 20, 22, 27, 30–34, 47–50, 52–54, 58 Bauto 55 Bayern 113, 122 Beleos 119 Belger 4, 5, 11 Belisar 84, 104–105 Bergbau 44 Berig 64 Bernstein(straße) 46–47 Bothius, Anicius Manlius Severinus 102–103 Bonifatius 78–81 Boranen 65 breviarium Alaricianum 76 Brisigaver 61 Brukterer 22, 30, 50, 51 Bucinobanten 61, 63 Bulgaren 98, 117 Burer 38 Burgen 41–42 Burgunder 59, 74, 75, 88–94, 102, 104, 107, 111, 121 Caecina Severus, Aulus 27 Caesar, Caius Julius 4–9, 13–21, 32, 47, 53, 120 Canninefaten 22, 31, 45, 49
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Register Caracalla 53 Carbo, Cnaeus Papirius 11, 13 Caretena 101 Carrinas, Caius 20 Cassius Longinus, Lucius 11 Castinus 78 Catualda 49 Chamaven 54, 56 Charyden 21 Chatten 22, 26, 30, 33–35, 42, 43, 47, 52, 56 Chauken 22, 29, 30, 33, 35, 45, 94 Cherusker 22, 24–30, 34, 42, 47, 49, 54, 120 Childebert 75, 113 Childerich 106, 109, 110 Childerich II. 113 Chilperich I. 89 Chilperich II. 93 Chlodomer 113 Chlodosinda 115 Chlodwig 75, 90, 91, 101, 102, 106–113, 121 Chlogio 106 Chlothar 113, 115 Chlothar II. 113 Chnodomar 49, 61, 62 Chrodechilde 90, 93, 107, 110, 112, 113 Civilis, Julius 31–33, 54 Classicus, Julius 32–33 Claudius 29, 30, 54 Claudius II. 65 Cleph 119 codex Euricianus 76 codex Theodosianus 93 comites 77, 92, 100 Commodus 38 Constantin 53–55, 65, 100, 111, 112 Constantin III. 95 Constantin IV. 119 Constantius (Feldherr) 72–73 Constantius I. 56, 62 Constantius II. 62, 63 Cornelius Clemens, Sextus 38 Crassus 15 Cunimund 115–116 Cyprianus 103 Dagobert I. 113 Daker 64 Dardaner 10 Decius 65 Deditizier 57, 106 Deogratias 87 Diocletian 60 Domitian 30, 34, 35
130
Domitius Ahenobarbus, Lucius 22, 27, 43, 56 Domitius Corbulo, Cnaeus 29, 30 Drusus 21, 22, 26, 29, 56 duces 47, 77, 118–119 Dukate 118 Duvius Avitus, Lucius 30 Ebrimuth 104 Eburonen 17, 18 Ecdicius 89 Edeco 98 Epiphanius von Pavia 90 Erelieva 97 Ermanarich 66 erste Erwhnung 3 Ethnogenese 59–60, 105 Eudocia 81–82 Eudoxia 55 Eugenius 69 Eurich 74–77, 90 Eutharich Cilliga 102 farae 118 Farnobius 68 Flavius (Titel) 55, 100, 119 Flavus 27 Foederaten 54–55, 73, 88, 95, 96, 106 Fonteius Capito 31 Franken 6, 41, 43, 45, 54, 56, 57, 60, 63, 64, 71, 74–76, 88, 90–94, 101, 102, 104, 105–113, 114, 115, 117, 119, 121, 122 Friesen 22, 29–31, 45, 49, 51, 56 Fritigern 66–68 Furius Victorinus 36 Frsten 47–48, 61 Frstengrber 45–47 Gabiae 51 Gadarig 64 Galba 30, 31, 34, 53 Galla Placidia 70, 72, 74 Gallienus 60 Gallier 4–11, 13, 19, 40, 42 Gausen 114 Gefolgschaft 48–49, 64, 76, 97 Geiserich 79–87, 113 Gelimer 84 Gentilen 57 Gepiden 98, 101, 102, 114–117 Germania inferior 30 Germania superior 30 Germanicus 25–28, 34, 43 Germanus 105
Register Gesalech 75, 91, 102 Gibica 89 Gibichungen 88, 89, 93 Gisulf 118 Glycerius 89 Godigisel (Burgunderknig) 90–91, 107 Godigisel (Vandalenknig) 79, 84 Godomar 93–94 Goten 3, 6, 50, 54, 59, 64–71 Gratian 55, 63, 68 Gregor von Tours 110–112, 121 Greutungen 65–68 Grubenhaus 41, 60 Gunderich 79, 81 Gundioc 89, 90 Gundobad (Alamannenknig) 62 Gundobad (Burgunderknig) 75, 89–93, 107, 113 Gunthamund 84, 87 Gunthar/Gunther 88, 89 Gutonen/Gotonen 35, 64 Haeduer 13–16 Handel 45–46 Handwerk 44–45 Haruden 14, 16 Hasdingen 77, 78, 84 Heerfhrer 13, 47–49, 61, 77 Helmigis 118 Helvetier 11, 15 Hengist 95 Hercules Magusanus 52 Herminafrid 101, 114 Herminonen 5 Hermunduren 34, 35, 49, 56 Heruler 65, 101, 114 Hilderich 84, 87, 103 Hilfstruppen 30, 31, 32, 33, 37, 46, 53–55, 61, 62, 65, 67, 68, 86, 88, 120 Hofrat 76, 100 Hhensiedlungen 42, 60–61 Honorius 55, 69–73, 78 Hormisdas 101 Horsa 95 hospitalitas 73 Hunerich 80–82, 84, 87 Hunnen 60, 66–68, 74, 80, 81, 95–98, 116, 121 Iallius Bassus, Marcus 36 Ildigisal 114–115 Inguiomerus 26, 28, 49 Ingvaeonen 5 Isidor von Sevilla 121
Istvaeonen 5 Italicus 29, 49, 113 Jastorfkultur 7 Jazygen 35–38 Johannes (Usurpator) 74 Johannes I. (Papst) 103 Jordanes 64 Jovinus 72 Jugurtha 12 Julian 62–63, 106 Justin I. 101, 102, 103, 104 Justin II. 115, 116 Justinian 84, 104–105, 114–115 Jten 42, 95 Karl der Große 121 Karpen 64–65 Kelten s. Gallier Keltiberer 11 Khagan 115–116 Kimbern 5, 6, 9–13, 21, 37, 43, 49, 50, 52 Kniva 65 Kondrusen 17 Knigtum 47–49 Konzil von Orleans 112 Kostoboken 38 Laeten 57 Langobarden 23, 28, 29, 35, 36, 43, 113–119, 121–122 Lantechildis 110 Latnekultur 7–8 Laurentius 101 Leibwache (germanische) 53 Lentienser 61–63 Leo (Kaiser) 82, 83, 96 Leo I. (Papst) 82 Leovigild 76 Lethinger 114 lex Romana Burgundionum 93 lex Salica 108, 109, 113 liber constitutionum 92–93 Libius Severus 82, 83, 89 Licinia Eudoxia 81–82 Limes 34, 35, 39, 44–45, 60–61, 88 Lingonen 32, 33, 57 litus Saxonicum 94 Lollius, Marcus 21 Longinus 116–117 Lucius Verus 36 Lutatius Catulus, Quintus 12
131
Register Macrian 63 Magnentius 54, 62 Magnus Decentius 62 Maiorian 82, 89 Mallius Maximus, Cnaeus 11 Mallobaudes 63 Malorix 30 Mannus 5, 59 Marcian 82, 96 Marius, Caius 9, 22, 15 Markomannen 14, 25, 28, 29, 35–39, 41, 45, 46, 49, 50, 54, 56, 59, 113, 120 Maroboduus 22, 23, 25, 28, 45, 49, 113 Marser 43, 51, 120 Matasuintha 104–105 Matronen 51 Mattiaker 34, 56 Mauren 84 Mauricius 119 Maximian 61–62 Maximinus Thrax 39, 54 Menapier 17, 32 Menschenopfer 50, 52 Merovech 106 Merowinger 106, 112–113, 115, 122 millenarii 86 Moriner 32 Mundo 102, 104 Mnzen 46, 60 Naharnavalen 51 Naristen 35, 54 Narses 105, 115–117 nationale Mythen 3 Nemeter 14, 17 Nepos, Julius 74–75, 89–90 Nero 30, 45, 46, 58 Nerthus 51 Nervier 33 Nibelungen 88 Nonius Gallus 20 Normannen 122 Obier 35–36 Odoaker 83, 90, 98–100, 114 Olybrius, Anicius 82–83, 89 Oppida(-Kultur) 7–10, 13, 15, 23, 42, 120 Orestes 83, 98 Ostgoten 65, 73, 75, 84, 89, 91, 93, 94, 96–105, 107, 108, 114, 116, 117, 121 Ostrogotha 114
132
Ostrogotho 90 Otho 30 Papst 77, 82, 89, 101, 103, 122 Paulus 106 Paulus Diaconus 116–118, 121 Perseus 10 Petillius Cerialis, Quintus 33 Petronius Maximus 81–82 Philipp V. von Makedonien 10 Pikten 95 Placidia 82 Pompeius 15 Poseidonios 4, 50 praepositus regni 86 Priester 48–51 Probus 60, 78, 88 Procopius 66–67 Prokop 79 Przeworskkultur 7, 77 Ptolemaios, Klaudios 42 Quaden 35–38, 49, 54 Quodvultdeus 87 Raetovarier 61–62 Rando 63 Rekitach 98 Remer 4 Remigius von Reims 109, 111, 112 Rheinfranken 106–108 Ricimer 55, 82–83, 89 Rodulf 101, 114 Romulus Augustulus 98 Rosimunda 116, 119 Rugier 114 Sabinus Pomponius 34 Sabinus, Julius 32 Sachsen 74, 94–96, 105, 106, 117, 121, 122 Safrax 68 Saionen 100 Salfranken 106–107 Sarmaten 6, 57, 60, 65, 97, 117, 121 Sarus 70 Sebastianus 80 Sedusier 14 Segestes 24–26 Semnonen 21, 28, 52, 120 Sequaner 14–16 Serapio 62 Servilius Caepio, Quintus 11 Sido 29, 49
Register Sigerich (Gotenknig) 72 Sigerich (Theoderichs Enkel) 102 Sigimer 24 Sigismund 90–93, 101–102 Silingen 77, 78 Silius, Caius 34 Silvanus 55 Silvanus, Marcus Junius 11 Skiren 97 Skoten 95 Skythen 6, 8, 67 Slawen 115 Stilicho 55, 69–70, 106 Strabon 5, 14, 44, 50 Straßen 43 Sueben 13, 14, 16–20, 23, 28, 44, 49, 50, 52, 55, 73, 74, 78, 79, 88, 113 Sueven 97, 117 Sugambrer 18–20, 22, 47, 56, 111, 112 Sulla 12 Sunuker 33 Syagrius 106, 109, 113 Symmachus (Papst) 101 Symmachus (Senator) 103
Thringer 98, 101, 107, 113, 114, 121 Thusnelda 24, 26 Tiberius 22–29, 56, 113 Tiguriner 11 Tpferei 44 Totila 105, 115 Tougener 11 Traian 34, 35, 45, 53 Traserich 102 Treverer 16, 17, 20, 32, 33, 57 Triboker 14 Tubanten 30, 49 Tuisto 5 Tungrer 6, 31, 33 Turisindus 114–115 Tutor, Julius 32–33 Tyr 51
Tacitus, Publius Cornelius 6, 6, 13, 26, 30, 31, 40, 46–51, 120 Tanfana 51–52 Tato 114 Teja 105 Tempel 51–52 Tenkterer 17–19, 20, 30, 32, 45 Territorium (der Stmme) 42 Terwingen 54, 65–69 Teutonen 6, 9–13, 49 Theodahad 104 Theodelinda 119 Theodemer 97 Theoderich (der Große) 75, 76, 84, 90, 91, 93, 97–104, 107, 110, 114, 117, 119 Theoderich I. 73–74 Theoderich II. 74, 76 Theoderich Strabo 97–98 Theodosius 68–69, 72 Theodosius II. 80 Theudebert 104 Theuderich 108, 113 Theudis 75–76, 102 Thor 51 Thoringer 107 Thorismund 74 Thrasamund 84, 87, 101 Thumelicus 26
Vadomar 62–63 Valamer 96 Valens 66–68 Valentinian I. 63, 94 Valentinian II. 55 Valentinian III. 74, 79, 80–82, 86 Vallia 72–73, 78 Vandalen 35, 38, 59, 64, 73, 74–87, 103–106, 113, 121 Vandalismus 85 Vangio 14, 29, 49 Vangionen 14 Vannius 29, 46, 49 Varus, Publius Quinctilius 24–28, 52, 54, 56 Vataranehae 51 Veleda 50 Verritus 30 Vespasian 30–34 Victor von Vita 85, 87 Vidimer 97, 102 Viehzucht 43–44 Viktualen 35–36 Vinicius, Marcus 20, 21 Vitellius 30, 32 Vithicab 63 Vitigis 104–105, 114 Voccio 15
Ubier 18, 19, 23, 32, 53, 56 Ulmirugier 64 Ursus 55 Usiper 30, 34, 54 Usipeter 17–19, 20, 22, 51
133
Register Vocula 34 Vlkerwanderung 66, 88, 120 Volksversammlung 49 Vortigern 95 Wacho 114–115, 119 Waffenopfer 52 Walderada 115 Walthari 114
134
Westgoten 65, 69, 71–77, 80–81, 88, 90–91, 102, 106–112, 121 Wikinger 122 Winniler 113 Wodan 51 Wohnstallhaus 40–41, 58 Wulfila 66 Zeno 83, 87, 97–99