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German Pages 142 [141] Year 2012
Geschichte kompakt Herausgegeben von Kai Brodersen, Martin Kintzinger, Uwe Puschner, Volker Reinhardt Herausgeber für den Bereich Antike: Kai Brodersen Beratung: Ernst Baltrusch, Peter Funke, Charlotte Schubert, Aloys Winterling
Josef Fischer
Griechische Frühgeschichte bis 500 v. Chr.
Wissenschaftliche Buchgesellschaft
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ISBN 978-3-534-15491-3 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-70510-8 eBook (epub): 978-3-534-70511-5
Inhaltsverzeichnis Geschichte kompakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Die frühesten Kulturen Griechenlands . . . . . . . . . . 1. Die Anfänge der Kultur in Griechenland – Die Steinzeit 2. Chronologie der Bronzezeit in der Ägäis . . . . . . . . 3. Frühbronzezeitliche Kulturen der Ägäis . . . . . . . . a) Kykladen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Festland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kreta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Die Zeit der minoischen Paläste . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Die mykenische Epoche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prolog: Das griechische Festland in der mittleren Bronzezeit 2. Die Spätbronzezeit auf dem griechischen Festland und in der Ägäis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kultur und Kunst der Mykener . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Frühe Schriftlichkeit in der Ägäis . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die kretischen Hieroglyphen . . . . . . . . . . . . . . . c) Linear A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kyprische Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Diskos von Phaistos . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Linear B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Die „dunklen Jahrhunderte“ und das homerische Zeitalter 1. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die nachpalatiale Periode – SH III C . . . . . . . . . . 3. Ein „Zeitalter der Wanderungen“ . . . . . . . . . . . . 4. Die Gesellschaft der „dunklen Jahrhunderte“ . . . . . 5. Das griechische Alphabet . . . . . . . . . . . . . . . 6. Homer und seine Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ilias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Odyssee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Dichter und sein Werk . . . . . . . . . . . . . 7. Hesiod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die archaische Epoche . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die sog. „große griechische Kolonisation“ 3. Händler, Krieger, Seeräuber . . . . . . . 4. Die griechische Polis . . . . . . . . . . . 5. Sklaven und Aristokraten . . . . . . . . . 6. Gesetzgeber und Tyrannen . . . . . . . . 7. Philosophen und Künstler . . . . . . . .
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43 43 43 45 47 51 54 54 56 57 62
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66 66 67 74 78 85 94 97
V
Inhaltsverzeichnis a) Die Anfänge der griechischen Philosophie . . . b) Kunst und Architektur in der archaischen Epoche 8. Sparta und Athen in archaischer Zeit . . . . . . . . a) Sparta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Die Perserkriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI
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Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Geschichte kompakt In der Geschichte, wie auch sonst, dürfen Ursachen nicht postuliert werden, man muss sie suchen. (Marc Bloch) Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden. Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen und europäischen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte. Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissenstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden. Kai Brodersen Martin Kintzinger Uwe Puschner Volker Reinhardt
VII
I. Einleitung Am Beginn jeder Darstellung der griechischen Frühgeschichte muss die Frage stehen, wann und mit welchen Geschehnissen und Entwicklungen eine derartige Schilderung einsetzen soll. Damit ist auch das komplexe und innerhalb der althistorischen Forschung kontrovers diskutierte Problem der Ethnogenese („Volkwerdung“) der Griechen verbunden, das in diesem Zusammenhang allerdings nur knapp gestreift werden kann. Eine mögliche Antwort auf die Frage nach dem Anfang der griechischen Geschichte wäre, mit den ältesten uns überlieferten literarischen Quellen in griechischer Sprache, den homerischen Epen Ilias und Odyssee, im 8. Jh. v. Chr. zu beginnen. Dies brächte allerdings den Nachteil mit sich, dass die ersten Hochkulturen auf europäischem Boden, die minoische Zivilisation auf Kreta sowie die mykenische Kultur, die vom griechischen Festland ihren Ausgang nahm, keine Berücksichtigung fänden. Dies wäre umso bedauerlicher, als zwar ein deutlicher kultureller Bruch diese Zivilisationen von der klassischen Antike trennt, diese aber doch in vielerlei Hinsicht das Fundament der späteren kulturellen Entwicklung Griechenlands bilden. Andererseits kann man die griechische Geschichte mit dem ersten Auftreten griechisch sprechender Menschen beginnen lassen. Das Griechische entstand wohl auf dem Boden des heutigen Griechenland, als sich die Sprache indogermanischer Einwanderer mit der nicht-indogermanischen Sprache einer bereits vorher dort ansässigen Bevölkerung vermischte. Spuren dieser nichtindogermanischen Sprache, über die nur wenig bekannt ist, lassen sich noch als Substrat im späteren Griechisch erkennen, so etwa im Fall der Wörter, welche die Suffixe -ss- (z. B. kypárissos „Zypresse“, thálassa „Meer“) oder -nth- (z. B. asáminthos „Badewanne“, laby´rinthos „Labyrinth“) enthalten. Als Indogermanen werden sowohl die Träger einzelner indogermanischer Sprachen als auch die Sprecher des nur sprachwissenschaftlich rekonstruierbaren Urindogermanischen bezeichnet. Außerhalb des deutschen Sprachraums ist der Terminus Indoeuropäisch (z. B. Indo-European languages) gebräuchlicher. Die Benennung ergibt sich aus dem Verbreitungsgebiet jener Sprachen, für welche im frühen 19. Jh. eine Verwandtschaft erkannt wurde: dem Germanischen im Nordwesten Europas als dem vermeintlich westlichstem Vertreter sowie dem Indoarischen auf dem indischen Subkontinent als dem östlichsten damals bekannten Angehörigen dieser Sprachfamilie. Inzwischen sind jedoch sowohl weiter im Westen (Keltisch) als auch im Osten (Tocharisch) indogermanische Sprachen belegt. Auf der Grundlage des rekonstruierten urindogermanischen Wortschatzes sowie dem Vergleich der sprachwissenschaftlichen Ergebnisse mit archäologischen Funden und Befunden wurden zahlreiche Versuche unternommen, Herkunft, zeitliche Einordnung, Lebensweise oder Sozialstruktur der Urindogermanen zu erschließen, doch herrscht in der Fachwelt keine Einigkeit über die gewonnenen Ergebnisse.
Abgrenzung des Themas
Indogermanen
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Die Lokalisierung der ursprünglichen Heimat der Indogermanen, die man vermutlich in Zentralasien zu suchen hat, ist in der Forschung ebenso umstritten wie der Zeitpunkt ihrer Einwanderung ins heutige Griechenland.
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Einleitung
I.
Gute Gründe sprechen jedoch dafür, dieses Ereignis um 2000 v. Chr. zu datieren. Im Folgenden soll daher die Geschichte Griechenlands von etwa 2000 bis ungefähr 500 v. Chr. dargestellt werden, wobei zunächst noch ein Rückblick auf die neolithischen und frühbronzezeitlichen Kulturen der Ägäis erfolgen muss, da sich ohne deren Kenntnis die folgenden Entwicklungen kaum verstehen lassen. Im Mittelpunkt der Betrachtungen werden dann die beiden bronzezeitlichen Hochkulturen der Minoer, die freilich keine Griechen waren, und der bereits Griechisch sprechenden Mykener stehen, daran anschließend die sog. „dunklen Jahrhunderte“, welche diese frühen Zivilisationen von der klassischen Antike trennen. Schließlich gilt es, die Entwicklungen der archaischen Epoche Griechenlands, in welcher die Fundamente der kulturellen Hochblüte der klassischen Zeit gelegt wurden, nachzuzeichnen. Dass es nicht möglich ist, alle wesentlichen Phänomene und Entwicklungen eines so langen Zeitraumes ausführlich zu besprechen, dass bestimmte Schwerpunkte gesetzt und manche Aspekte übergangen werden müssen, versteht sich von selbst. Auch kann nicht jeder Forschungsdiskussion Raum zugestanden werden. Die der Darstellung zugrunde liegende Quellenbasis, die Debatten und Kontroversen lassen sich aber in jedem Fall durch die im Anschluss genannte Literatur nachvollziehen. Überdies ist eine Konzentration auf die Verhältnisse in der Ägäis bzw. auf dem griechischen Mutterland notwendig, wodurch Entwicklungen im Osten und Westen des griechischen Siedlungsgebiets meist nicht genauer behandelt werden können. Auch auf eine – für das Verständnis der griechischen Kultur eigentlich notwendige – Einbettung der griechischen Geschichte in die historischen und kulturellen Entwicklungen in den angrenzenden Gebieten, insbesondere des östlichen Mittelmeerraums, muss verzichtet werden, da eine – selbst noch so knappe – Skizze der Geschichte und Kultur von Völkern wie etwa den Hethitern, Ägyptern, Assyrern, Phoinikern, Babyloniern, Phrygern, Lydern oder Persern den Rahmen des vorliegenden Bandes sprengen würde. Aufgrund der unterschiedlichen Natur der Quellen, auf die sich dieser Überblick stützt, fällt die Schilderung der jeweiligen Epochen höchst unterschiedlich aus. Denn während für die frühen Perioden archäologische Funde und Befunde die Grundlage dieser Untersuchung bilden, sind es für die inneren Verhältnisse der mykenischen Königreiche vor allem epigraphische Dokumente, die Linear-B-Texte, welche tiefere Einblicke in die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen gewähren. Die Ausführungen zur archaischen Epoche basieren dagegen vor allem auf der Auswertung literarischer Quellen. Dass die jeweilige Quellenlage höchst unterschiedliche Erkenntnisse über die Geschichte und Kultur der entsprechenden Perioden zulässt, dass also z. B. bestimmte Aspekte des gesellschaftlichen oder religiösen Lebens der archaischen Zeit gut bezeugt sind, während vergleichbare Einsichten für die prähistorische Zeit nicht möglich sind, ist offenkundig.
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II. Die frühesten Kulturen Griechenlands 1. Die Anfänge der Kultur in Griechenland – Die Steinzeit Die europäische Vorgeschichte wird seit dem frühen 19. Jahrhundert, als der dänische Gelehrte C. J. Thomsen das Dreiperiodensystem einführte, nach den vorherrschenden Werkstoffen in drei Abschnitte gegliedert: die Steinzeit, die Bronzezeit und die Eisenzeit. Die Steinzeit wiederum lässt sich ebenfalls in drei Abschnitte gliedern: die Altsteinzeit (Paläolithikum), die Mittelsteinzeit (Mesolithikum) und die Jungsteinzeit (Neolithikum). Die Epochenbezeichnungen Paläolithikum, Mesolithikum und Neolithikum sind von den griechischen Termini líthos „Stein“ sowie palaiós „alt“, mésos „mittlere(r), in der Mitte“ und néos „neu, jung“ abgeleitet.
Das Paläolithikum beginnt mit dem Zeitpunkt der Herstellung der ersten Steingeräte, die vor etwa 2,5 Millionen Jahren in Afrika gefertigt wurden. Sein Ende ist regional unterschiedlich zu datieren, in Griechenland endete es vor ca. 13.000 Jahren. Dieser fast unvorstellbar lange Zeitraum kann aufgrund des archäologischen Fundmaterials in drei Phasen unterteilt werden: das Altpaläolithikum (bis vor etwa 150.000 Jahren), das Mittelpaläolithikum (bis vor etwa 30.000 Jahren) und das Jungpaläolithikum. Die ersten menschlichen Spuren, die man auf dem Gebiet des heutigen Griechenland gefunden hat, gehören in das Altpaläolithikum. Erwähnenswert sind etwa die Funde von Steingeräten aus Thessalien, so beispielsweise beim Dorf Rodia beim Fluss Peneios, die ca. 300.000–400.000 Jahre alt sind, oder der Schädel eines Homo heidelbergensis oder eines archaischen Homo sapiens, der in der Höhle von Petralona zu Tage trat und ein Alter von etwa 200.000 Jahren aufweist. Während für das Altpaläolithikum in Griechenland nur wenige Fundstellen bekannt sind, nimmt im Mittelpaläolithikum, der Zeit des Neandertalers (Homo neanderthalensis), die Zahl solcher Orte – sowohl Höhlen als auch Plätze unter freiem Himmel, die sich meist in der Nähe von ganzjährig verfügbarem Wasser befanden – deutlich zu. Am Ende des Mittelpaläolithikums wurden die Neandertaler von den modernen Menschen (Homo sapiens sapiens) abgelöst. Wie diese Ablösung vor sich ging, ob sie friedlich oder unter der Anwendung von Gewalt verlief, ist in der Forschung umstritten. Vor 30.000 Jahren waren in Griechenland jedenfalls nur mehr anatomisch moderne Menschen anzutreffen. Für die Folgezeit nehmen die Fundstellen, die in der Regel am Meer, an Flüssen oder Seen liegen, weiterhin zu. Wichtige Fundplätze sind etwa Spilaion an der Mündung des Flusses Acheron in Epirus, wo mehr als 150.000 Reste von Steinwerkzeugen gefunden werden konnten, die Kephalari-Höhle in der Argolis, die Theopetra-Höhle in Thessalien, die Grava-Höhle auf Korfu oder die Fundstätten von Asprochaliko, Kastritsa und Klithi in Epirus. Am bedeutendsten sind jedoch die Funde und Befunde von der Zeit des Mittelpaläolithikums bis an das Ende des Neolithikums, die in der FranchthiHöhle in der Argolis gemacht wurden.
E Paläolithikum
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Die frühesten Kulturen
II.
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Mesolithikum
Vor etwa 13.000 Jahren wurden dann fast alle paläolithischen Fundstätten (mit Ausnahme der Franchthi-Höhle) aufgegeben. Im archäologischen Befund ist ein klarer Bruch zu erkennen. Das Land war entweder verlassen, oder die Bevölkerung hatte sich in bisher nicht ausreichend erforschte Bereiche zurückgezogen. Erst nach mehreren Jahrhunderten lässt sich wieder eine Besiedelung greifen, und damit beginnt die Epoche des Mesolithikums (vor etwa 12.500 bis 9000 Jahren). Diese Periode ist nur an wenigen Fundstellen gut fassbar, so etwa in der Sidari-Höhle auf Korfu. Am besten lässt sie sich jedoch in der schon erwähnten Franchthi-Höhle in der Argolis studieren. Eine neue Gruppe von Bewohnern kann nun nachgewiesen werden, die sich in vielen Dingen von ihren Vorgängern unterschieden, etwa in ihren Werkzeugen, den sog. Mikrolithen (auffallend kleine, sorgfältig bearbeitete Steingeräte) oder in den ersten Totenbestattungen, die sich nun in Griechenland finden. Die Menschen begannen damals außerdem, wild wachsendes Getreide zu sammeln. Naturwissenschaftliche Untersuchungen ergaben des Weiteren, dass der Obsidian, der in der Franchthi-Höhle gefunden wurde, von der mehr als 100 km entfernten Insel Melos stammt. Man vermochte also schon größere Distanzen mit Booten zurückzulegen.
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Obsidian ist ein glasartiges, dunkles Vulkangestein, das aufgrund seiner scharfen Bruchkanten vor allem in prähistorischer Zeit als Material zur Herstellung von Werkzeugen sowie als Schmuckstein geschätzt wurde. Wichtige Obsidianvorkommen im Mittelmeerraum befinden sich etwa auf der Insel Melos, auf der Insel Gyali (südlich von Kos) sowie auf Lipari im tyrrhenischen Meer.
Neolithikum
Im Anschluss an das Mesolithikum blühte in Griechenland die Kultur des Neolithikums, das in drei Phasen gegliedert wird, das Frühneolithikum von ca. 7000–5700 v. Chr., das Mittelneolithikum von ca. 5700–5300 v. Chr. und das Spätneolithikum von ca. 5300–3700 v. Chr., wobei dieses Spätneolithikum in eine frühe Phase von ca. 5300–4300 v. Chr. und in eine späte Phase von ca. 4300–3700 v. Chr. unterteilt wird. Auf das Spätneolithikum folgte eine längere Phase von ca. 3700–3100 v. Chr., die sich kulturell vom Vorangegangenen absetzt und bereits zur nachfolgenden Frühbronzezeit überleitet, das Chalkolithikum oder Endneolithikum. Am Ende des 4. Jt. v. Chr. ging das Neolithikum schließlich ohne einen erkennbaren kulturellen Bruch in die Bronzezeit über. Mit dem Beginn des Neolithikums kam es zu tief greifenden Änderungen in der Lebensweise der Menschen, die im Paläolithikum und Mesolithikum noch Jäger und Sammler gewesen waren, nun aber damit begannen, Ackerbau zu betreiben und Vieh zu züchten. Sie wurden sesshaft, und es entstanden die ersten permanenten Siedlungen auf griechischem Gebiet. Es fällt dabei auf, dass an allen frühesten neolithischen Fundstellen in Griechenland die neolithische Wirtschaftsweise von Ackerbau und Viehzucht von Anfang an bereits vollkommen ausgebildet auftritt. Die Kulturpflanzen und Zuchttiere entsprechen den vom Vorderen Orient bekannten Kulturformen und wurden wohl ebenso von dort übernommen wie die Kenntnis der Keramikerzeugung. Ob diese Neolithisierung Griechenlands durch eine Einwanderung von Bevölkerungsteilen aus dem Vorderen Orient oder
Die Anfänge der Kultur – Steinzeit
II.
durch eine reine Kontaktnahme mit der bloßen Übernahme von Ideen vor sich gegangen ist, wird in der Forschung durchaus kontrovers diskutiert. Es ist vermutlich der These der Einwanderung neuer Bevölkerungselemente der Vorzug zu geben, wobei der Prozess der Neolithisierung mit der Verbreitung einer nicht-indogermanischen Sprache einhergegangen ist, die im griechischen Raum in Orts- und Personennamen sowie verschiedenen kulturellen Begriffen belegt ist, und von der in der Einleitung schon die Rede war. Die Menschen des Neolithikums lebten in offenen, dörflichen Anlagen, die in der Regel an Stellen errichtet wurden, an denen ganzjährig Wasser verfügbar war, und die in der Nähe von gutem Ackerland lagen. Auf diesem baute man hauptsächlich Getreide und Hülsenfrüchte an, im Chalkolithikum wurden dann Feigen und Wein kultiviert. Daneben betrieb man Viehzucht, wobei Rind und Schwein im Verlauf der Epoche vermehrt an Bedeutung gewannen. Ihre Toten bestatteten die Menschen dieser Epoche in seichten Erdgruben, in welche die Leichname einzeln und in kontrahierter Lage gelegt wurden. Die Friedhöfe befanden sich in der Regel außerhalb der Siedlungen. Im Spätneolithikum traten dann vermehrt Siedlungen mit Umfassungsmauern und Kreisgräben auf, deren Interpretation jedoch umstritten ist. Als Beispiel kann die Akropolis von Dimini in Thessalien mit ihren auf dem Siedlungshügel angelegten Ringmauern genannt werden. Im Gegensatz zum recht fließenden Übergang vom Früh- zum Mittelneolithikum scheint die Wende vom Mittel- zum Spätneolithikum nicht ganz reibungslos verlaufen zu sein. An einigen Fundplätzen brach die Besiedlung ab, ebenso wurden zahlreiche Orte neu gegründet. Die Kykladen und die Inseln der Ostägäis wurden im Spätneolithikum erstmals besiedelt. An wichtigen Fundorten sind dabei Saliagos auf Antiparos, eine Siedlung der ersten Hälfte des 5. Jt. v. Chr., und Kephala auf Keos, eine Siedlung sowie eine Nekropole des 4. Jt. v. Chr., zu nennen. Dazu kommen Funde aus Naxos, und zwar von der Fundstelle Grotta sowie aus der sog. Zeus-Höhle. Die ersten sicheren Hinweise auf eine dauerhafte Besiedlung der Insel Kreta, die wohl bereits im Mesolithikum regelmäßig besucht und vielleicht sogar bewohnt wurde, stammen dagegen bereits aus dem frühen Neolithikum. Wichtig ist dabei die Fundstelle von Knossos, wo sich kurz vor 7000 v. Chr. die ersten Siedler niederließen. Auch an einigen anderen Orten konnten frühneolithische Befunde festgestellt werden, die vielfach in Höhlen zu Tage traten, so z. B. in der Lera-Höhle auf der Halbinsel Akrotiri bei Chania. Der Versuch, das kretische Neolithikum mit den neolithischen Kulturen des Festlandes zu korrelieren, führte zu der Erkenntnis, dass für die Zeit des festländischen Mittelneolithikums sowie Teile des Spätneolithikums aus Kreta so gut wie keine Funde vorliegen, es auf der Insel also zu einer deutlichen Unterbrechung in der Besiedlungsgeschichte gekommen ist. Erst für das Endneolithikum kennen wir wieder eine Reihe von Fundstellen, sowohl in Höhlen als auch errichtete Siedlungen. Diese Siedlungen lagen im westlichen Kreta im Gebiet um Chania, im südlichen Zentralkreta (hier ist die relativ große Siedlung von Phaistos hervorzuheben) sowie an der Nordküste im Gebiet um das bedeutende Knossos, aber auch weiter im Osten in der Lasithi-Ebene oder auf der Insel Pseira.
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Die frühesten Kulturen
II.
2. Chronologie der Bronzezeit in der Ägäis Relative Chronologie
Absolute Chronologie
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Die Bronzezeit in der Ägäis wird unterteilt in die frühe, die mittlere und die späte Bronzezeit. Je nach betroffenem Kulturraum werden diese Phasen unterschiedlich benannt. Auf Kreta spricht man dabei von der frühminoischen (FM), mittelminoischen (MM) oder spätminoischen (SM) Zeit – benannt nach dem mythischen König Minos. Auf den Kykladen unterscheidet man frühkykladisch (FK), mittelkykladisch (MK) und spätkykladisch (SK), und auf dem Festland heißt es frühhelladisch (FH), mittelhelladisch (MH) und späthelladisch (SH), wobei die späthelladische Zeit oft auch als mykenische Epoche bezeichnet wird. Diese Hauptphasen können wiederum in jeweils drei Unterphasen gegliedert werden – also etwa FM I, II und III. Hinter diesem System steckt das Modell von Aufstieg, Blüte und Niedergang der jeweiligen Hauptphase. Obwohl diese aus dem 19. Jahrhundert stammende, biologisierende Betrachtungsweise kulturgeschichtlicher Abläufe heute nicht mehr akzeptiert ist, hält man an diesem chronologischen Schema der ägäischen Bronzezeit fest, das man im Laufe der Zeit immer mehr verfeinern konnte. So war es etwa möglich, die einzelnen Phasen weiter und genauer zu unterteilen. Die Phase SH III wird beispielsweise heute in die Subphasen SH III A, B und C untergliedert, welche wiederum in SH III A1, SH III A2, SH III B1, SH III B2, SH III C früh, SH III C entwickelt, SH III C fortgeschritten und SH III C spät unterteilt werden kann. Daneben ist in manchen Bereichen und zu bestimmten Zeiten die Datierung nach einzelnen „Kulturen“ praktischer, etwa bei der Behandlung der frühkykladischen Periode, welche nach wichtigen Fundorten in die GrottaPelos-Kultur, die Keros-Syros-Kultur und die Phylakopi-I-Kultur unterteilt werden kann, oder nach historischen Epochen, wie im Falle der minoischen Geschichte, die man in eine Vorpalastzeit, eine Altpalastzeit, eine Jungpalastzeit und eine Nachpalastzeit gliedert. Über die relative Chronologie, also das zeitliche Verhältnis der einzelnen Phasen der ägäischen Vorgeschichte zueinander, die auf der stilistischen Entwicklung bestimmter Keramikwaren und anderer Denkmälergruppen sowie auf der stratigraphischen Abfolge einzelner Fundschichten in den Siedlungen basiert, herrscht in der Forschung weitgehende Einigkeit. Es ist jedoch nicht immer einfach, diese relative Abfolge von Kulturen absolutchronologisch zu verankern. Traditionell wird dies vor allem durch die Verbindung mit den besser datierten Kulturen des Vorderen Orients und Ägyptens versucht. Findet man beispielsweise ein minoisches Gefäß in einem ägyptischen Grab, so gibt der ägyptische Grabkontext einen Hinweis auf die zeitliche Einordnung der entsprechenden minoischen Phase, welcher das Gefäß angehört. Ebenso verhält es sich etwa mit den Funden von Ägyptiaka im mykenischen Griechenland. Hier lässt die Datierung der ägyptischen Objekte Rückschlüsse auf die chronologische Fixierung des mykenischen Kontextes zu. Solche Datierungsfragen sind im Einzelnen nicht immer leicht zu klären, oft bleibt ein relativ großer chronologischer Spielraum, da besonders Luxusgegenstände lange in Gebrauch gewesen sein können, ehe sie in einen geschlossenen Kontext kamen.
Chronologie der Bronzezeit Wichtige Funde sind in diesem Zusammenhang etwa Skarabäen der XI. und frühen XII. Dynastie in MM-I-A-und-B-Gräbern in Gournes / Pediada nordöstlich von Knossos oder ein Alabasterdeckel mit der Kartusche des Hyksos Chajen (Khyan) aus einem MM-III-A-Stratum in Knossos. Für die späte Bronzezeit ist etwa ein Skarabäus Amenophis’ III. (1392–1355 v. Chr.) in einer SM-III-A 1-Bestattung bei Sellopoulo unweit Knossos bedeutend. Umgekehrt muss beispielsweise die große Menge mykenischer Keramik der Phase SH III A 2 beim Baukomplex von Achet-Aton (Tell el-Amarna) erwähnt werden, der von Amenophis IV., bekannter unter dem Namen Echnaton (1355–1337 v. Chr.), errichtet wurde.
II.
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In den letzten Jahrzehnten wurden verstärkt auch naturwissenschaftliche Methoden zur Erforschung der Chronologie der bronzezeitlichen Ägäis herangezogen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen standen und stehen oft im Widerspruch zu den Ergebnissen der traditionellen Chronologie, ein Problem, das bisher noch nicht zufriedenstellend gelöst werden konnte, sodass die exakte zeitliche Einordnung bestimmter Ereignisse nach wie vor fraglich bleiben muss. Das beste Beispiel dafür ist die Datierung des Vulkanausbruches von Santorin, der nach der traditionellen Chronologie in die zweite Hälfte des 16. Jh. v. Chr. datiert wird. Kalibrierte 14C-Daten aus der bei diesem Vulkanausbruch zerstörten Siedlung von Akrotiri deuten jedoch auf die zweite Hälfte des 17. Jh. v. Chr. hin. Gleichfalls verweisen dendrochronologische Untersuchungen auf eine Wachstumsanomalie der Bäume im späten 17. Jh. v. Chr. (um 1628 v. Chr.), die ebenso mit diesem Ereignis in Verbindung gebracht wird wie eine bei Eislagenzählungen in Bohrkernen von grönländischem Eis festgestellte, wohl durch vulkanische Aktivität verursachte anormale Acidität (hoher Säuregehalt), die in das mittlere 17. Jh. (1645 v. Chr. + / –20 Jahre) datiert wird. Eine endgültige Klärung dieses Problems sowie eine sichere Fixierung der Chronologie der bronzezeitlichen Ägäis bleiben noch abzuwarten. Die Radiokohlenstoffdatierung („14C-Methode“) ist ein Verfahren zur Datierung kohlenstoffhaltiger, insbesondere organischer Materialien. Sie beruht auf dem radioaktiven Zerfall des Kohlenstoffisotops 14C, das eine Halbwertszeit von 5730 Jahren besitzt. Diese Methode, die 1946 vom amerikanischen Chemiker Willard F. Libby entwickelt wurde, ist für archäologische Fundstücke mit einem Alter von bis zu ca. 50.000 Jahren anwendbar. Während die Radiokohlenstoffdatierung stets nur Datierungen innerhalb eines bestimmten Schwankungsbereichs ermöglicht, erlaubt die Dendrochronologie jahrgenaue Festlegungen. Diese Methode macht sich den Umstand zunutze, dass Bäume einer Art in einem bestimmten Gebiet stets das gleiche Muster an schmalen und breiten Jahresringen aufweisen und somit Informationen über die jeweiligen klimatischen Wachstumsbedingungen gewähren. Steht eine genügend große Menge an Holzresten zur Verfügung, kann durch Überlappung der Jahresringmuster eine Jahresringtabelle erstellt werden, die Tausende von Jahren zurückreicht. Die Dendrochronologie ermöglicht nicht nur die Altersbestimmung von Holzfunden, sondern auch klimageschichtliche Rekonstruktionen und damit verbunden etwa den Nachweis und die chronologische Fixierung einschneidender Naturkatastrophen wie z. B. Vulkanausbrüchen. Darüber hinaus gestattet sie eine Kalibrierung von Radiokohlenstoffdatierungen, da sich aus dem nicht immer konstanten 14C-Anteil in der Erdatmosphäre sonst Ungenauigkeiten in der Messung ergäben.
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Die frühesten Kulturen
II.
Abb. 1: Karte der prähistorischen Ägäiswelt
3. Frühbronzezeitliche Kulturen der Ägäis Die Frühbronzezeit umfasst den Zeitraum vom Ende des 4. Jt. v. Chr. bis an das Ende des 3. Jt. v. Chr. (ca. 3100–2000 v. Chr.), nur auf den Kykladen dauerte die frühbronzezeitliche Kultur ein wenig länger an. Dieser Zeitraum wird in drei Phasen unterteilt, die als Frühkykladisch (FK) I, II und III, Frühhelladisch (FH) I, II und III sowie Frühminoisch (FM) I, II und III bezeichnet werden. Ihren Namen verdankt diese Epoche dem Werkstoff Bronze, der nun zum wichtigsten Material zur Herstellung von Waffen und Werkzeugen wurde. Bereits im 4. Jt. v. Chr. hatte man begonnen, Geräte aus Kupfer und natürlich vorkommender Bronze, der Arsenbronze, zu erzeugen. Die echte Bronze – eine Legierung aus Kupfer und Zinn – gewann nur langsam an Bedeutung, und erst ab der Mitte des 3. Jt. v. Chr. kann man von einer voll entwickelten Bronzezeit sprechen. Dieser Gebrauch von Metall brachte tief greifende Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft mit sich. Die Lebensgrundlage der Menschen bildete nach wie vor die Landwirtschaft. Zumindest auf Kreta wurde in dieser Zeit eine der charakteristischsten Nutzpflanzen des Mittelmeers kultiviert – die Olive.
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Frühbronzezeitliche Kulturen
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a) Kykladen Von besonderer Bedeutung war in der frühen Bronzezeit die Kultur der Kykladen, die nicht nur in die drei Abschnitte FK I, FK II und FK III, sondern alternativ auch in drei nach den jeweils wichtigsten Fundorten der Epoche benannte Kulturen (die Grotta-Pelos-Kultur, die Keros-Syros-Kultur, die Phylakopi-I-Kultur) gegliedert werden kann. Innerhalb dieser Kulturen lassen sich wiederum einzelne Kulturgruppen unterscheiden, die nach den Fundplätzen benannt sind, so sind das innerhalb der Grotta-Pelos-Kultur etwa die Lakkoudes-Gruppe nach einem Gräberfeld auf Naxos, die PlastirasGruppe nach einer Nekropole auf Paros, die Louros-Gruppe nach einem Friedhof wiederum auf Naxos und die Kampos-Gruppe, erneut benannt nach einem Bestattungsplatz auf Paros. Diese Kampos-Gruppe ist am Übergang zwischen Grotta-Pelos-Kultur und Keros-Syros-Kultur anzusetzen und gehört schon eher in FK II. Innerhalb der Keros-Syros-Kultur kann man weiters die Kastri-Gruppe und die Amorgos-Gruppe differenzieren. Die chronologische Trennung zwischen diesen archäologischen Kulturen darf man sich allerdings nicht allzu streng vorstellen, diese konnten sich durchaus überlappen und an verschiedenen Fundstellen parallel existieren, d. h. während am einem Ort beispielsweise bereits die Materialkultur der Keros-Syros-Stufe vorherrschte, waren an einem anderen Ort gleichzeitig noch typische Geräte der Grotta-Pelos-Stufe in Gebrauch. Die Übergänge zwischen dem Neolithikum und der Grotta-Pelos-Stufe sowie zwischen dieser und der Keros-Syros-Kultur gingen offensichtlich ohne einschneidende Ereignisse vor sich. Dagegen kam es am Übergang zur Phylakopi-I-Kultur zu einem deutlichen Kulturbruch. Für einen Zeitraum von etwa 100 Jahren lassen sich kaum archäologische Reste fassen. Für die Zeit danach kennt man weniger Siedlungen als für die Periode davor. Bei diesen handelte es sich außerdem größtenteils nicht um die Fortsetzung von Niederlassungen der vorangehenden Epoche, sondern um Neuansiedlungen. In der Sachkultur lassen sich ebenfalls tief greifende Änderungen feststellen. Die nun folgende Phase Phylakopi I währte auch etwas länger als die Frühbronzezeit auf dem Festland und auf Kreta, wo sich zeitgleich bereits die ersten Phasen der Mittelbronzezeit greifen lassen. Man kennt das Frühkykladikum hauptsächlich von seinen Bestattungen, die – abgesehen von Kindergräbern – stets außerhalb der Siedlungen vorgenommen wurden. Üblich waren Körperbestattungen, die zunächst einzeln in einfachen Steinkistengräbern vorgenommen wurden. Kinder wurden gelegentlich auch in großen Gefäßen zu Grabe getragen. Am Ende der GrottaPelos-Phase tauchten Mehrfachbestattungen auf, die dann in der Keros-Syros-Periode üblich wurden. Gelegentlich trifft man auch auf oberirdische Grabmarkierungen. Eine besondere Grabform wurde bei Chalandriani auf Syros entwickelt. Hier baute man in der Phase FK II kleine Gräber mit rundem oder rechteckigem Grundriss und einem Durchmesser von 0,80 bis 1,50 Metern, über die eine Kuppel aus vorkragenden Steinen errichtet wurde. Auf der Insel Melos wurden in FK III Kammergräber angelegt, die aus dem Felsen herausgearbeitet wurden. Diese Gräber waren größer als frühere Gräber, oft wurden auch hintereinander liegende Kammern angelegt.
Bestattungen
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Die frühesten Kulturen
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Siedlungen
Kykladenidole
Die meisten Gräber enthielten Beigaben, die beim Kopf des Leichnams oder um den ganzen Körper herum platziert wurden. Die häufigsten Beigaben waren Keramik und Obsidianklingen, am seltensten waren Marmorobjekte, gelegentlich findet man auch einfachen Schmuck, fast nie trifft man dagegen auf Metallfunde. In der Ausstattung der Gräber sind deutliche Unterschiede zu erkennen, die auf eine ausgeprägte soziale Schichtung hindeuten. Die Siedlungen der Keros-Syros-Kultur – besonders aus der zweiten Hälfte dieser Phase – sind besser bekannt als diejenigen der vorhergegangenen Epoche. Es handelt sich meist um Niederlassungen auf zum Teil schwer zugänglichen Berghöhen, die allesamt befestigt waren. Es waren wohl unsichere Zeiten, während derer man sich mit großem Aufwand gegen Angreifer schützen musste. Trotzdem ist die Keros-Syros-Periode als Zeit der höchsten Blüte der frühkykladischen Kultur zu betrachten, während welcher die Inseln weit reichende Beziehungen nicht nur mit dem griechischen Festland und Kreta, sondern auch mit Anatolien, Syrien und Ägypten unterhielten. Einer der bedeutendsten Siedlungsplätze dieser Zeit ist Kastri bei Chalandriani auf Syros. Dieser Ort weist eine 72 Meter lange, anderthalb Meter starke Befestigung mit vorgelagerten hufeisenförmigen Bastionen und zusätzlichen Schutzmauern sowie mindestens zwei gesicherten Eingängen auf. Weitere wichtige Siedlungen dieser Zeit wurden auf dem Kynthosberg auf Delos, auf der kleinen Insel Daskalió, bei Pyrgos auf Paros, oder bei Spedos sowie bei Kap Panormos auf Naxos entdeckt. Nach dem deutlichen Kulturbruch am Übergang von der Keros-Syros-Kultur zur Phylakopi-I-Kultur wurden, wie bereits erwähnt, die meisten Siedlungen nicht weiterbewohnt, sondern man legte neue Niederlassungen an, die sich meist in geschützter Lage, nun aber unbefestigt am Meer befanden. Wichtige Fundorte sind etwa das namengebende Phylakopi auf Melos oder die Siedlung von Paroikia auf Paros. Den künstlerischen Ruhm dieser Epoche machen die Marmorarbeiten aus, besonders die sog. Kykladenidole, bei denen man zwischen schematischen und naturalistischen Idolen unterscheiden kann. Schematische Idole sind vor allem in der Grotta-Pelos-Phase sehr häufig zu finden, sie kommen jedoch während des gesamten Frühkykladikums vor. Ihre vollkommenste Ausgestaltung erreicht diese Form in der Gattung der Violinidole. In der Keros-Syros-Phase entstanden jene Idole, die in der Forschung als kanonisch bezeichnet werden. Es hat sich auch der Begriff der FAF-Idole (folded arm figurines) eingebürgert, dabei handelt es sich um meist weibliche Statuetten, deren Kennzeichen die vor dem Leib verschränkten Hände sind. Von besonderem Reiz sind einzelne Idole, die von diesen Schemata abweichen, so etwa die Darstellung eines Harfenspielers oder eines sitzenden Mannes, der einen Becher hebt. Die Idole, die nach einem festen Maßverhältnis gefertigt wurden, waren zu einem großen Teil auch mit Farbe bemalt, die sich in der Regel aber nicht erhalten hat. Die Interpretation dieser Figurinen, die sich sowohl in Gräbern als auch in Siedlungen gefunden haben, ist umstritten. Eine kultische Bedeutung ist jedoch anzunehmen. b) Festland Das Frühhelladikum auf dem griechischen Festland entwickelte sich ohne größere Kulturbrüche aus der neolithischen Epoche. Auch der Übergang
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Frühbronzezeitliche Kulturen zwischen FH I und FH II scheint friedlich verlaufen zu sein. Neue Formen im keramischen Repertoire deuten auf eine Intensivierung des Kontakts mit den Kykladen hin, die in dieser Periode eine kulturelle Vorreiterstellung innehatten. Auch mit weiter entfernten Gegenden, wie Anatolien, wurden Beziehungen unterhalten. Einschneidende Veränderungen sind allerdings am Beginn der Periode FH III bzw. schon am Ende von FH II zu erkennen. Neben Veränderungen im Keramikrepertoire sind auch Neuerungen in der Architektur (Apsidenbauten) und in der Bestattungssitte (Errichtung von Tumuli) zu beobachten. Diese Entwicklungen waren bereits in einer späten Phase der Periode FH II von Zerstörungen, die in Form von Ascheschichten an zahlreichen Fundplätzen erkennbar sind, begleitet. Die Unruhen dauerten einige Zeit an, und bis ans Ende von FH III wurden mehrere Siedlungen zerstört. Wichtige Funde und Befunde dieser Epoche wurden in Eutresis, nahe Plataiai in Boiotien, aufgedeckt, wo in FH II ein beeindruckendes Gebäude errichtet wurde, das mindestens einmal umgebaute Haus L, dessen Rückraum religiösen Funktionen gedient haben könnte. Eine weitere bedeutende frühhelladische Fundstelle, die ebenfalls in Boiotien liegt, ist Lithares, wo sich eine ausgedehnte Siedlung der Phasen FH I und FH II befand. Die bekannteste frühhelladische Siedlung ist jedoch Lerna in der Argolis. Das wichtigste Gebäude, das hier aufgedeckt werden konnte, ist das House of Tiles („Haus der Dachziegel“, so genannt wegen der Funde von zahlreichen Tonziegeln des Daches), das in die Phase FH II datiert. Der Eingang zu diesem Haus, eine große Vorhalle, befindet sich im Nordosten. Daran schließen sich zwei viereckige Räume an, die sich mit zwei anderen, schmalen und länglichen Räumen abwechseln. Die Längsseiten entlang laufen zwei Korridore, nach welchen Bauwerke dieses Typs Korridorhäuser genannt werden. Treppenstufen belegen, dass es ein oberes Stockwerk gab. Bei den Korridor-
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Lerna: House of Tiles
Abb. 2: Plan der frühbronzezeitlichen Siedlung von Lerna.
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Die frühesten Kulturen
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Bestattungen
häusern handelte es sich offensichtlich um die jeweiligen Sitze lokaler Fürsten sowie um Administrationszentren recht entwickelter, proto-urbaner Gesellschaften. Dies zeigen etwa unzählige tönerne Versiegelungen mit Siegelabdrücken, die im House of Tiles gefunden wurden. Andere solche Korridorhäuser konnten in Theben in Boiotien, Akovitika auf der Peloponnes oder auf der Insel Aigina festgestellt werden. Ein ungewöhnliches, monumentales Gebäude der Phase FH II wurde in Tiryns im Bereich des späteren mykenischen Megarons aufgedeckt. Es handelt sich dabei um einen Rundbau mit einem Durchmesser von etwa 28 Metern, dessen Verwendungszweck bisher noch nicht eindeutig geklärt werden konnte. Interpretationen als Fürstensitz oder sakraler Bau sind jedoch nicht überzeugend, vielmehr scheint es sich um Wirtschaftsgebäude gehandelt zu haben. Die übliche Bestattungsform war in dieser Zeit das Steinkistengrab, manchmal wurden die Toten auch in großen Vorratsgefäßen, in sog. Pithoi, bestattet. Zunächst recht beigabenarm, bargen diese Gräber gegen das Ende der Epoche hin manchmal reiche Funde von Goldschmuck. Die Bestattungen bildeten oft kleine Gruppen, manchmal sogar in der Form bescheidener Nekropolen. Gelegentlich befanden sich die Gräber auch innerhalb der Siedlungen, Kinder wurden zum Teil sogar im Haus selbst bestattet. c) Kreta
Siedlungen
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Die Frühbronzezeit Kretas kann zusammen mit der ihr nachfolgenden ersten Phase der mittleren Bronzezeit, der Periode MM I A, zur sog. Vorpalastzeit zusammengefasst werden, da nicht das Ende der Frühbronzezeit, das auf Kreta im Gegensatz zum griechischen Festland und den Kykladen nicht von großen Zerstörungen begleitet war, das eigentliche einschneidende kulturelle Ereignis war, sondern die Errichtung der älteren minoischen Paläste in der Phase MM I B (ca. 1950 v. Chr.). Die Ansiedlungen der frühen Bronzezeit sind oft nur schwer zu fassen, da sie an vielen Orten, wie etwa den Standorten der späteren Paläste, von jüngeren Bauten überlagert werden. Gerade über die Siedlungen der Phase FM I weiß man nur wenig. Einerseits wurden Siedlungshöhlen der spätneolithischen Epoche weiterbewohnt, andererseits gab es auch größere offene Siedlungen im Freien, wie etwa in Phaistos und Knossos. Siedlungen der Periode FM II wurden wurden etwa in Vasiliki am Isthmos von Ierapetra oder in Myrtos-Fournou Korifi im südöstlichen Kreta entdeckt. In den Häusern von Myrtos konnten nicht nur Feuerstellen, eingebaute Bänke oder große Vorratsgefäße festgestellt werden, sondern auch Webgewichte, die auf eine häusliche Textilproduktion hindeuteten. Außerdem fand man frühe Exemplare einer langsam drehenden Drehscheibe zur Produktion von Keramik. Aus einem Bereich in der Südwestecke der Siedlung, der als Heiligtum gedeutet wurde, stammt eine bemerkenswerte Terrakottafigur, die sog. Göttin von Myrtos. Bedeutsam ist der Nachweis der Verwendung von Siegeln und Siegelabdrücken, wie sie auch aus dem House of Tiles in Lerna bekannt sind. Diese dienten zur Sicherung, Identifizierung und Kontrolle im Rahmen der Lagerung sowie des Transportes diverser Waren und Güter. In FM III und MM I A wuchsen die Siedlungen von Knossos und Phaistos weiter an, große Niederlassungen befanden sich auch in Mallia, Palaikastro, Gournia, Vasiliki und
Frühbronzezeitliche Kulturen Mochlos. Bemerkenswert sind die Befunde in Agia Photia bei Sitia, wo ein großes, zum Meer hin befestigtes Gebäude mit einem zentralen Hof festgestellt werden konnte, das als ein möglicher experimenteller Vorläufer eines Palastes angesprochen wurde, sowie das einzigartige sog. Ovale Haus von Chamexi. Von größtem Wert sind für die Kenntnis der frühminoischen Periode die Funde und Befunde aus den Nekropolen. Diese sind zahlreicher als die Funde aus Siedlungen, sie lassen auf die Lage und Größe der Ansiedlungen schließen und legen durch die Beigabenfunde Zeugnis vom hohen künstlerischen und handwerklichen Standard dieser Zeit ab. Die typische Grabform im Süden der Insel war die Tholos, das Rundgrab. Diese Gräber, deren Dachkonstruktion nicht in allen Fällen geklärt ist, und deren Eingänge regelhaft nach Osten zeigen, waren bisweilen Jahrhunderte lang in Benutzung. In Nordkreta finden sich zeitgleich mit den Rundgräbern in der Phase FM I einfache Bestattungen in Höhlen oder Felsspalten, in FM II entstanden rechteckige gemauerte Hausgräber. Sowohl Tholosgräber als auch Hausgräber finden sich weiterhin in den Phasen FM III und MM I A. Während in den frühen Phasen der Vorpalastzeit die Leichname offensichtlich direkt auf den Boden gelegt wurden, kamen in FM III und MM I A verstärkt Pithoi und Larnakes (Tonsarkophage) als Behältnisse zur Aufnahme der Toten in Verwendung. Eine Besonderheit stellt ein einzigartiger Grabbau nahe des späteren Palastes von Mallia dar, ein aus Kalksteinquadern erbauter Komplex von beeindruckender Größe, in dessen Inneren mehrere kleine Räume zur Beisetzung der Toten zur Verfügung standen. Dieser Komplex, der aufgrund seines Rufes als ergiebige Fundstelle den Namen Chrysolakkos „Goldgrube“ erhielt, wurde auf einem Vorgängerbau zum größten Teil in MM I A errichtet und bis in die Zeit der alten Paläste genutzt. Auch zahlreiche andere minoische Friedhöfe wurden über einen langen Zeitraum belegt, so beispielsweise die Nekropole von Phourni bei Archanes, die verschiedene Grabtypen von FM II bis an das Ende der minoischen Epoche aufweist. Gepflasterte Bereiche in der Nähe der Gräber stehen wohl mit kultischen Aktivitäten in Zusammenhang. Daneben wurden auch Höhlen, die in späterer Zeit als Heiligtümer angesehen wurden, bereits in frühminoischer Zeit kultisch genutzt – so etwa die Höhle von Psychro, die Kamares-Höhle oder die Höhle von Eileithyia bei Amnisos. Zudem entstanden spätestens in der letzten Phase der Vorpalastzeit die ersten so typischen minoischen Gipfelheiligtümer. Diese wurden auf – von der entsprechenden Siedlung meist gut sichtbaren – Bergplateaus errichtet, wobei ein heiliges Areal durch eine Mauer abgetrennt werden konnte. Gebäude spielten dagegen nur eine untergeordnete Rolle, da der Kult unter freiem Himmel vollzogen wurde.
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Bestattungen
Kult
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III. Die Zeit der minoischen Paläste
Ältere Paläste
Jüngere Paläste
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Um 1950 v. Chr. begann die Epoche der minoischen Paläste, die bis etwa 1450 v. Chr. andauerte. Es war dies das Zeitalter der größten Entfaltung der minoischen Zivilisation, der ersten Hochkultur auf europäischem Boden, deren Fundamente in Neolithikum und Frühbronzezeit gelegt wurden. Diese minoische Palastzeit lässt sich in zwei Phasen unterteilen, die Zeit der älteren Paläste von MM I B bis an das Ende von MM II B (1950–1700 v. Chr.) sowie die Zeit der jüngeren Paläste von MM III bis an das Ende von SM I B (ca. 1700–1450 v. Chr.). Es entstanden nun in Knossos, Phaistos, Mallia, wohl auch in Chania und Zakros sowie möglicherweise bei Petras nahe Sitia zentrale Palastanlagen, bei denen es sich weiträumige, komplexe, multifunktionale Anlagen – Herrschaftssitze, Kultanlagen und Wirtschaftszentren in einem – inmitten großer Städte handelte. Die Ursprünge der Palastidee sind in der Forschung diskutiert worden, die Entstehung dieser Anlagen ist aber wohl am ehesten im Rahmen innerkretischer wirtschaftlicher Veränderungen und der Entwicklung einer immer komplexer werdenden Gesellschaft zu verstehen, wenngleich Vorbilder und Anregungen aus Ägypten und vor allem aus dem Vorderen Orient sicher mit eine Rolle gespielt haben. Um 1700 v. Chr. fielen diese älteren Paläste einer Naturkatastrophe, einem gewaltigen Erdbeben, zum Opfer, ein Ereignis, das jedoch keinen größeren kulturellen Einschnitt bedeutete, da die Anlagen nach kurzer Zeit wieder aufgebaut wurden. Beim Wiederaufbau der Paläste wurden auch ausgedehnte Reste der älteren Paläste in die neuen Paläste integriert. Andere, stärker zerstöre Teile wurden überbaut, es ist daher schwer, einen exakten Eindruck der älteren Paläste zu gewinnen. Möglich ist das vor allem in Bereichen, die nach der Erdbebenkatastrophe nicht wieder überbaut wurden, so etwa im Westbereich des Palastes von Phaistos, oder im Bereich des sog. Quartier Mu in Mallia, wobei es sich allerdings nicht um den Palast selbst, sondern um eine städtische Anlage in der Nähe des Palastes handelt. Jüngere Paläste entstanden nun in Knossos, wo sich die weitaus größte Anlage befand, in Phaistos, Mallia, Zakros, Galatas und Chania. Typisch für die Architektur eines minoischen Palastes sind ein rechteckiger, annähernd Nord-Süd orientierter Zentralhof, um den die einzelnen Gebäudetrakte geordnet sind, sowie ein Westhof. In Verbindung mit dem Westhof steht in der Regel eine besonders sorgfältig ausgearbeitete, in Quadermauerwerk errichtete Westfassade. Sowohl in Knossos als auch in Phaistos befindet sich im Westen ein aus flachen Stufen bestehendes sog. Theaterareal, wo sich wohl Publikum für politische oder kultische Anlässe versammeln konnte. Von der wirtschaftlichen Funktion der Palastanlagen zeugen ausgedehnte, korridorartige Vorratslager und Magazine, oft mit langen Reihen von Pithoi. Ebenso finden sich innerhalb der Paläste zahlreiche Werkstätten zur Erzeugung unterschiedlichster Handwerksprodukte, genauso Archivräume. Viel Platz nehmen auch Areale für kultische Praktiken oder zur Aufbewahrung von Kultgeräten ein. Dazu traten natürlich Repräsentationsräume und
Die Zeit der minoischen Paläste
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Wohnbereiche. Da die Paläste mehrstöckig waren, gehören zahlreiche Treppen genauso zum charakteristischen Erscheinungsbild der Anlagen wie Portiken, Lichtschächte und die sog. Polythyra (griech. „viele Türen“) – ein typisches Element minoischer Architektur, bei dem Innenwände zwischen einzelnen Räumen und Innenhöfen als Reihen deckenhoher Türen ausgeführt werden konnten. Auffällig ist des Weiteren, dass die Paläste unbefestigt waren. Aus der relativen Seltenheit von Befestigungen im minoischen Kreta darf jedoch keinesfalls geschlossen werden, dass es sich hier um ein besonders friedliebendes Volk gehandelt hätte, das untereinander oder mit seinen Nachbarn keinerlei militärische Auseinandersetzungen ausgefochten hat.
Abb. 3: Plan des Palastes von Knossos. Legende: 1 Thronsaal. 2 Treppenhaus. 3 Tempeldepots. 4 Pfeilerkrypta. 5 Hauptheiligtum. 6 Korridor zu den Magazinen. 7 Altäre. 8 Prozessionskorridor. 9 Treppenhaus. 10 Halle der Doppeläxte. 11 Königinmegaron. 12 Badezimmer. 13 Toilette. 14 Vorratsraum. 15 Großes Treppenhaus. 16 Steinmetzwerkstatt.
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Die Zeit der minoischen Paläste
III.
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Minoische Villen
Bestattungen
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Die eigentliche Auffindung des Palastes von Knossos gelang dem Kreter Minos Kalokairinos, der hier auch die ersten Ausgrabungen unternahm. Das größere Verdienst um die Freilegung des Palastes sowie die Entdeckung der minoischen Kultur gebührt jedoch dem britischen Archäologen Arthur Evans (1851–1941), der im Jahr 1900 seine Arbeiten in Knossos begann. Seine spektakulären Funde und seine wertvollen Beobachtungen und Interpretationen schrieb er in seinem umfassenden Werk The Palace of Minos nieder. Wenngleich manche Deutungen inzwischen überholt sind, markiert dieses Buch einen Meilenstein in der Forschungsgeschichte der Ägäischen Frühzeit. Durch seine Ausgrabungen hat Arthur Evans das Volk der Minoer und seine Schätze wieder ans Licht gebracht, große Kritik haben aber immer wieder die von ihm initiierten, umfangreichen Renovierungs- und Wiederaufbaumaßnahmen in Knossos hervorgerufen, die es vielfach nicht leicht machen, zwischen original erhaltenen minoischen Bauten und modernen (bisweilen wissenschaftlich nicht fundierten) Nachbauten zu unterscheiden.
Wie die älteren Paläste waren auch die jüngeren Paläste keine isolierten Anlagen, sondern sie befanden sich inmitten ausgedehnter Städte. In Knossos konnten etwa zahlreiche große Häuser in unmittelbarer Nähe des Palastes festgestellt werden. Bei diesen herrschaftlichen Anlagen handelt es sich vermutlich um die Häuser der herrschenden Eliten, der Aristokraten und hoher Funktionäre, so beispielsweise das sog. Südhaus, die sog. Karawanserei, die sog. Königliche Villa oder das sog. Unexplored Mansion. Städte existierten aber auch ohne Paläste. Das beste Beispiel einer minoischen Stadtanlage ohne Palast ist die Siedlung von Gournia im Osten von Kreta, die von Harriet Boyd Hawes, einer Pionierin der ägäischen Archäologie, entdeckt wurde. Diese Siedlung bestand recht lange, von FM II bis SM III; auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung, in der Phase SM I, wurde inmitten eines dichten Netzes von Straßen und Gebäuden ein eindrucksvolles, zentrales Gebäude errichtet, bei dem es sich aber nicht um einen Palast handelt. Die Häuser von Gournia sind eher klein, doch verfügen sie in der Regel über ein Kellergeschoß, und viele wiesen einst auch einen Oberstock auf. Über das Aussehen minoischer Häuser weiß man allerdings nicht nur aufgrund der ausgegrabenen architektonischen Reste Bescheid. Informationen liefern auch zeitgenössische Darstellungen von Häusern oder Städten, wie das sog. Stadtmosaik von Knossos (MM III) – zahlreiche Fayenceplättchen in Form von Häusern, die ursprünglich in ein Holzmöbel eingelegt waren – oder das zeitgleiche Terrakottamodell eines Hauses aus Archanes. Neben den Palästen und Städten finden sich in ganz Kreta auch die sog. Villen, wie etwa in Vathypetro, Sklavokampos oder Nirou Khani. Dabei handelt es sich um Herrenhäuser bzw. Landsitze unterschiedlicher Größe und unterschiedlicher Ausstattung, die sich in ihrer Architektur oft an diejenige der Paläste anlehnen. Zu ihren Funktionen zählte die Lagerung landwirtschaftlicher Produkte und diverser Rohmaterialien, sie besaßen oft administrative Funktion, vielfach wurden auch Kultbereiche festgestellt. Häufig wurden die Villen als „zweitrangige Paläste“ bezeichnet, doch ist eine klare Hierarchie der verschiedenen Anlagen nur schwer aufzustellen. Es handelte sich jedenfalls um die Häuser lokaler Eliten, die ihre unmittelbare Umgebung regierten oder verwalteten, wohl in Abhängigkeit zu einem Palast. Es fällt auf, dass gerade aus der Zeit der jüngeren Paläste bisher nur wenige Gräber entdeckt werden konnten, doch kann man daraus keinesfalls
Die Zeit der minoischen Paläste auf dramatische Veränderungen in der Bestattungspraxis folgern. Man hat zum einen Gräber der vorangegangenen Epochen weiterverwendet, so wurden beispielsweise die Hausgräber von Mochlos, die bereits in frühminoischer Zeit in Nutzung waren, weiterbelegt. Zum anderen kennen wir einige wenige Grabanlagen, wie das sog. Königsgrab von Isopata oder das sog. Tempelgrab, das aus einer in den Fels geschnittenen Kammer für die Bestattungen und einer vorgelagerten, teilweise zweistöckige Anlage aus einer Pfeilerkrypta, einem Vorhof und einer Säulenhalle besteht. Beide Anlagen wurden in der jüngeren Palastzeit errichtet, die dort gefundenen Bestattungen gehören aber erst in die Phasen SM II und III. An einigen Orten, wie etwa in Pachyammos oder Gournia wurden Pithos-Nekropolen freigelegt. Außerdem hat man Felskammernekropolen – eine Neuerung der Palastzeit – festgestellt, so etwa in Poros bei Herakleion, wo zahlreiche Gräber mit durch kurze Dromoi zugänglichen Kammern aufgedeckt werden konnten, in denen sich – obwohl die Gräber in der Regel gestört sind – hunderte Keramikgefäße, Steinsiegel und Schmuck befanden. Kammergräber wurden schließlich zur häufigsten Grabform der späten Bronzezeit auf Kreta. Als besondere künstlerische Leistung der Minoer hat die Wandmalerei zu gelten, deren Wurzeln auf Kreta bereits in neolithischer Zeit zu suchen sind. In der frühen Bronzezeit hat man Wände vor allem mit roter Farbe bemalt, in der Zeit der Älteren Paläste kamen andere Farben wie Blau, Gelb, Grau und Weiß dazu. Nach frühen geometrischen und gelegentlich auch floralen Mustern tauchten in der Phase MM III die ersten figürlichen Wandmalereien auf. Bei der Ausgestaltung der Räume wurde auf die meist aus Steinen errichtete Wand eine grobe Schicht aus Lehm und Stroh und darüber dann ein Kalkputz aufgebracht, der dann bemalt wurde, wobei die Farben mineralischen Ursprungs teils in reiner Freskotechnik auf dem feuchten Putz, teils aber auch mit Hilfe einer organischen Fixierung aufgetragen wurden. Eine eigene Gruppe – und gleichzeitig die aufwändigste Form der Wanddekoration – sind die Relieffresken, bei denen Stuck verwendet wurde, um die Figuren im Flachrelief wiederzugeben. Eine spezifische Entwicklung der jüngeren Palastzeit sind schließlich die Miniaturfresken. Die Ikonographie der minoischen Freskenmalerei wird durch religiöse Themen bestimmt, es finden sich Szenen der Kultausübung, wie etwa Darstellungen von Prozessionen, aber auch zahlreiche Landschaftsbilder und Abbildungen von (Fabel-)Tieren. Auffällig ist, dass Zeugnisse direkter herrschaftlicher Repräsentation völlig fehlen, was einen deutlichen Gegensatz zur Kunst Ägyptens oder des Vorderen Orients darstellt. Minoische Fresken wurden auch außerhalb Kretas gefunden, so etwa in Tell Kabri in Israel. Das bekannteste Beispiel stammt aus Ägypten, und zwar aus Auaris / Tell el-Dab’a im Nildelta. Die dort gefundenen Freskenreste, die in die Zeit der 18. Dynastie gehören und damit etwa zeitgleich mit den Therafresken sind, zeigen Stierspringerszenen, die in der Ägäis ein weit verbreitetes Motiv darstellen. Den Hintergrund bildet ein Labyrinthmuster. Erstaunlicherweise kennen wir aus dem minoischen Kreta keine steinerne Großplastik, wie sie in Ägypten und dem Vorderen Orient existiert hat, und wie sie von dort den Minoern mit Sicherheit bekannt war. Es ist dieses Fehlen weder mit einem Mangel an geeigneten Steinen auf Kreta, noch mit fehlenden Fertigkeiten kretischer Handwerker zu erklären, sondern kann –
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Kunst
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Die Zeit der minoischen Paläste
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Kult und Religion
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wenn man keine kultischen oder ideologischen Hintergründe annimmt – am ehesten am minoischen Kunstgeschmack gelegen haben. Neben Hinweisen auf Kompositstatuen, die zum Teil aus vergänglichen Materialien gefertigt waren, besitzen wir aber zahlreiche unterlebensgroße Figuren aus verschiedenen Materialien wie Elfenbein, Fayence oder Bronze. Von den Fähigkeiten minoischer Handwerker in der Metallbearbeitung zeugen etwa Doppeläxte aus Bronzeblech, Bronzeschwerter und Dolche, die mitunter Goldgriffe aufwiesen, außerdem Metallgefäße aus Bronze, Silber und Gold sowie diverser Schmuck – Ketten, Ohrringe oder Ringe. Von besonderer Bedeutung – einerseits für das Studium minoischer Verwaltungspraktiken, andererseits für die Erforschung der minoischen Religion – sind die minoischen Siegelringe, die oft aus Gold gefertigt wurden. Siegel wurden aber auch aus diversen Halbedelsteinen hergestellt, wie Achat, Karneol, Amethyst oder Bergkristall. Es finden sich sowohl ornamentale als auch figürliche Darstellungen. Oft sind uns die Siegelringe selbst nicht erhalten, dafür aber ihre Abdrücke, wie etwa im Fall der berühmten Master Impression aus Chania. Dieses Siegelbild der Periode SM I B zeigt einen Herrscher oder Gott, der mit einem Speer oder Szepter in der Hand über einer Stadt bzw. einem Palast steht. Auch Steinvasen, von denen manche mit kunstvollen Reliefszenen als Dekor versehen sind, bildeten ein wichtiges Produkt minoischen Kunstschaffens. Die rein mengenmäßig bedeutendste Fundgruppe ist – wie in allen Epochen – die Keramik. Während in der älteren Palastzeit die sog. Kamaresware mit ihrem weißen und roten Dekor auf dunklem Grund üblich war, setzte sich in der Zeit der jüngeren Paläste dunkler Dekor auf hellem Grund durch. In der Phase SM I A tritt ein floraler Stil mit Spiraldekor, Rosetten, Blättergirlanden und Schilfmustern und oft sehr naturalistischen Pflanzen und Blütenarrangements auf, ein Dekorschema, das sich dann bis an das Ende der Bronzezeit findet. In SM I B wird das Keramikrepertoire durch im sog. Meeresstil verzierte Gefäße ergänzt. Dieser Stil ist von Seetieren, Schilf, Klippen und Muscheln inspiriert, sein häufigstes Motiv ist der Tintenfisch. Außerdem finden sich Vasen im sog. abstrakten und geometrischen Stil, bei dem Motive aus dem breiten Spektrum des minoischen Repertoires auf der gesamten Gefäßfläche wiederholt werden. Beim sog. alternierenden Stil werden sie abwechselnd verwendet. Typisch sind florale Elemente, aber auch Achterschilde, Doppeläxte oder Stierköpfe. Zwischen diesen Stilen gibt es aber immer wieder Überschneidungen. Besonderes Interesse hat in der wissenschaftlichen Forschung immer wieder die minoische Religion gefunden, wenngleich gerade in diesem Bereich aufgrund fehlender Textquellen wenig sicheres Wissen vorhanden ist. Vielmehr ist man auf die Interpretation archäologischer Funde wie den architektonischen Resten von Heiligtümern und Kultinventar sowie die Deutung religiöser Bilddarstellungen angewiesen. Die Minoer verehrten – wie schon in der Vorpalastzeit – ihre Gottheiten in heiligen Höhlen sowie in Heiligtümern auf Berggipfeln bzw. Höhenplateaus, dazu traten Heiligtümer in den Palästen und Städten. Ikonographisch sind weibliche wie männliche Gottheiten zu identifizieren, wobei weibliche Gottheiten überwiegen. Die Frage, ob es sich jeweils um unterschiedliche Götter oder nur um verschiedene Erscheinungsformen (z. B. Schlan-
Die Zeit der minoischen Paläste gengöttin, Herrin der Tiere, Vegetationsgöttin) bestimmter weniger höherer Wesen handelt, muss dabei offen bleiben. Als Kultsymbole spielen unter anderem Darstellungen von Stieren bzw. Stierhörnern und die Doppelaxt eine wichtige Rolle. Die Doppelaxt, von der Plutarch (Quaestiones Graecae 302 A) berichtet, dass die Lyder sie lábrys nannten, könnte nicht nur religiöses und herrschaftliches Symbol, sondern auch Namen gebend für den Palast von Knossos gewesen sein, der in der späteren Überlieferung ja als Labyrinth (laby´rinthos) bezeichnet wird. Interessanterweise taucht in den späteren Linear-B-Texten aus Knossos (siehe dazu weiter unten) die Bezeichnung *da-pu2-ri-to auf, die dem späteren laby´rinthos entspricht. Zwei besonders interessante Fundplätze werfen weiteres Licht auf minoische Kultpraktiken. Zum einen wurden in Knossos zusammen mit Speiseresten Kinderknochen gefunden, von denen – wie Schnittspuren belegen – das Fleisch entfernt worden war, und die der Ausgräber Peter Warren als Spuren von rituellem Kannibalismus interpretierte. Zum anderen wurden im Heiligtum von Anemospilia an den Nordhängen des Iuktas, das in die Zeit der älteren Paläste datiert, deutliche Hinweise auf Menschenopfer aufgedeckt. Als das Heiligtum nämlich infolge eines Erdbebens plötzlich in sich zusammenstürzte, konnten sich die Teilnehmer der letzten dort stattfindenden Zeremonie nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen und wurden mitsamt der Einrichtung und dem Kultgerät verschüttet. Neben den Leichen eines Mannes und einer Frau, die als Priester und Priesterin angesprochen wurden, entdeckte man auf einem Altar liegend das Skelett eines jungen Mannes, der zum Zeitpunkt seines Todes offenbar gefesselt war und als Opfer dargebracht wurde. Beide Befunde sind wegen ihres sensationellen Charakters in der griechischen Frühgeschichtsforschung freilich viel diskutiert und nicht unumstritten. Wenig Sicheres kann man über das politische System der Minoer sagen. Der Vergleich mit zeitgleichen Nachbarkulturen lässt auf die Existenz eines theokratischen (= religiös legitimierten) Königtums schließen und verweist das manchmal für das minoische Kreta postulierte Matriarchat in das Reich der Legende. Dass der König von Knossos den erblichen Titel „Minos“ trug, wie dies bereits Arthur Evans vermutet hat, ist gut möglich, lässt sich aber kaum beweisen. Die Frage, ob und wie Kreta in einzelne Staaten gegliedert war, oder ob etwa Knossos ab einem bestimmten Zeitpunkt eine wie auch immer geartete Oberherrschaft über die Insel innehatte, kann ebenso kaum beantwortet werden. Gleiches gilt für eine mögliche politische Dominanz der Minoer in den Gewässern der Ägäis, wie man sie aus der etwa von Thukydides erwähnten Thalassokratie (= Seeherrschaft) des Minos ableiten könnte.
Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges 1, 4
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Staat und Politik
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Minos nämlich war der erste, von dem wir Kunde haben, dass er eine Flotte besaß, das heute hellenische Meer weithin beherrschte und die Kykladen eroberte und meistenteils zuerst besiedelte, wobei er die Karer verdrängte und seine eignen Söhne als Fürsten einsetzte. Auch von den Seeräubern reinigte er vermutlich das Meer nach Kräften, um seine Einkünfte zu verbessern.
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Die Zeit der minoischen Paläste
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Akrotiri, das „Pompeji der Ägäis“
Kulturkontakte
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Der Geschichtsschreiber Thukydides (um 460 – kurz nach 400 v. Chr.) wird von vielen für den bedeutendsten Historiker der Antike gehalten. Er stammte aus Athen, musste die Stadt aber nach einer militärischen Niederlage 424 v. Chr., die er als verantwortlicher Stratege nicht verhindern konnte, verlassen und ins Exil gehen, aus dem er erst 20 Jahre später zurückkehren durfte. Thukydides verfasste ein Werk über den Peloponnesischen Krieg (431–404 v. Chr.), dessen originaler Titel nicht bekannt ist, und das er auch nicht vollenden konnte – im 8. Buch bricht es mitten in der Schilderung der Ereignisse des Jahres 411 v. Chr. ab. Für das Studium der archaischen Zeit ist besonders die sog. Archäologie im ersten Buch (Thuk. 1, 2–19) von Bedeutung, die einen gerafften Überblick der griechischen Geschichte von der Vorzeit bis zu den Perserkriegen bietet. Thukydides, der sich selbst deutlich von seinem Vorgänger Herodot abgrenzt, gilt als Begründer einer kritischen Historiographie. Er widmet sich der Zeitgeschichtsschreibung, richtet sein Augenmerk fast ausschließlich auf politisch-militärische Ereignisse und reflektiert im sog. „Methodenkapitel“ über seinen Umgang mit dem Quellenmaterial. Nur scheinbar stellt es einen Widerspruch zum von ihm geforderten kritischen Umgang mit den Quellen dar, wenn er seinen Protagonisten Reden in den Mund legt, die in dieser Form sicher nie gehalten wurden – am berühmtesten der sog. Epitaphios (= Leichenrede) des Perikles.
Auf alle Fälle ist während der Palastzeit auf den Inseln der Ägäis, auf dem griechischen Festland sowie in Kleinasien (etwa in Milet) ein starker Einfluss der minoischen Kultur spürbar. Vielfach gibt es deutliche Hinweise auf die Anwesenheit von Minoern vor Ort, als Beispiel sei die minoische Niederlassung von Kastri auf Kythera, auf halber Strecke zwischen Westkreta und der Peloponnes genannt. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Fundstelle von Akrotiri auf Thera (Santorin), das zu Recht oft als das „Pompeji der Ägäis“ bezeichnet wird. Dieser kykladische Ort stand in der späten Bronzezeit unter starkem minoischen Einfluss, und offenbar haben sich hier auch zahlreiche Kreter, viele von ihnen anscheinend Kaufleute, niedergelassen, wie etwa die dort aufgefundenen Belege der LinearA-Schrift bezeugen. In der Phase SM I A brach der Vulkan von Thera aus und begrub die Siedlung unter einer dicken Ascheschicht. Diese Katastrophe wurde zum Glücksfall für die Archäologie, denn obgleich die flüchtenden Einwohner ihre wertvollsten Besitztümer mitgenommen hatten, blieben hier doch zahlreiche einzigartige Funde konserviert, unter denen die erhaltenen Wandmalereien einen besonders bedeutenden Platz einnehmen. Als Kuriosum ist zu erwähnen, dass der Ausbruch des Vulkanes von Thera wiederholt mit dem Untergang der vom Philosophen Platon ersonnenen, mythischen Insel Atlantis in Zusammenhang gebracht worden ist, doch entbehrt dies jeder Grundlage. Zu den Kulturen des Vorderen Orients wie zu Ägypten bestand ein intensiver Kontakt, wie nicht nur die Funde von Stücken nahöstlicher und ägyptischer Provenienz auf Kreta, sondern umgekehrt auch von minoischen Artefakten in diesen Ländern belegen. Einen Hinweis auf den Austausch besonders hochwertiger Stücke bietet etwa der Silberschatz, der unter dem Fußboden des Monthtempels von Tod bei Luxor in Ägypten entdeckt werden konnte, in welchem sich zahlreiche wertvolle Gefäße aus Kreta fanden. Von besonderem Interesse sind auch die schriftlichen Erwähnungen der Minoer in Dokumenten der zeitgenössischen Nachbarkulturen. So ist in Texten des 18. Jh. v. Chr. aus Mari in Syrien von Gütern aus Kaptara die Rede, was
Die Zeit der minoischen Paläste dem biblischen Kaphtor entspricht und ebenso mit Kreta zu identifizieren ist wie das in ägyptischen Aufzeichnungen belegte Keftiu. Am Ende der Phase SM I B (um 1450 v. Chr.) wurde Kreta von mehreren Katastrophen heimgesucht, in deren Verlauf alle Paläste mit Ausnahme von Knossos, die „Villen“ sowie zahlreiche Städte und Siedlungen zerstört wurden. Die Folgen dieser Ereignisse blieben noch lange spürbar, manche Gegenden waren regelrecht entvölkert, zahlreiche Ortschaften wurden aufgegeben, künstlerische Errungenschaften gingen verloren. Was die exakte Ursache dieser Zerstörungen war, kann nicht mit Sicherheit rekonstruiert werden, keinesfalls haben sie aber, wie dies von der älteren Forschung vermutet wurde, mit dem Ausbruch des Vulkans von Thera zu tun, der chronologisch deutlich früher anzusetzen ist. Am wahrscheinlichsten ist die These, dass Kreta auswärtigen Eroberern zum Opfer gefallen ist, den griechischen Mykenern nämlich, die der Insel in der Folgezeit ihren Stempel aufzudrücken vermochten.
III. Untergang der minoischen Paläste
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IV. Die mykenische Epoche 1. Prolog: Das griechische Festland in der mittleren Bronzezeit
Siedlungen
Bestattungen
Keramik
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Der Übergang von der frühen zur mittleren Bronzezeit vollzog sich, wie bereits erwähnt, auf dem griechischen Festland sowie auf den Kykladen nicht ohne größere Veränderungen. Zerstörungsschichten in zahlreichen Siedlungen, die bereits in der Phase FH II beginnen, sowie das Auftauchen neuartiger Elemente im keramischen Repertoire, in der Architektur sowie im Bestattungsbrauch zeugen von der Zuwanderung neuer Volksgruppen. Vermutlich ist diese Zuwanderung mit dem Kommen indogermanischer Stämme, aus denen sich die späteren Griechen entwickelten, gleich zu setzen. Diese Ankunft der Indogermanen darf man sich nicht als eine große Völkerwanderung vorstellen, es handelte sich vielmehr um die Zuwanderung vieler kleiner Gruppen, die im Laufe von Jahrhunderten peu à peu in Griechenland eintrafen und sich mit der bereits ansässigen helladischen Bevölkerung vermischten. Kulturell hatte das Eintreffen der neuen Stämme zunächst eine Retardierung zur Folge. Das Mittelhelladikum (ca. 2000–1600 v. Chr.) zeichnete sich über weite Strecken durch Armut und kulturelle Stagnation aus. Erst gegen Ende der mittelhelladischen Epoche kam es zu einem erneuten Aufschwung und zu deutlichen Anzeichen einer sozialen Differenzierung und Hierarchisierung. Auf Kreta aber, das von den Umwälzungen am Ende der frühen Bronzezeit verschont geblieben war, vollzog sich in dieser Zeit, wie im vorangehenden Kapitel besprochen wurde, mit der Herausbildung der minoischen Paläste eine glanzvolle Entwicklung. Auf dem Festland ist während des Mittelhelladikums eine einfachere, bäuerliche Kultur anzutreffen. Die Menschen lebten großteils in überschaubaren und bescheidenen Siedlungen, die meist recht einfachen Bauwerke, die aus Lehmziegeln auf einem aus groben Steinen gemauerten Sockel errichtet wurden, waren in der Regel rechtwinklig, gelegentlich – besonders in der ersten Hälfte der Periode – wiesen sie einen apsidalen Abschluss auf. Unter den Fundorten sind etwa das gut ausgegrabenen Malthi in Messenien und Kiapha Thiti in Attika hervorzuheben. Ein bedeutender Platz dieser Zeit war Kolonna auf Aigina, wo eindrucksvolle Befestigungen aufgedeckt werden konnten. Diese Siedlung weist aber nicht ausschließlich festländischen Charakter auf, sondern ist auch von den Inseln her beeinflusst. Die übliche Bestattungsform war im Mittelhelladikum das Steinkistengrab, darüber hinaus finden sich auch Beisetzungen in einfachen Erdgruben und in Pithoi. Zunächst recht beigabenarm, bargen diese Gräber gegen Ende der Epoche manchmal reiche Funde von Goldschmuck. Die Bestattungen bildeten oft kleine Gruppen, manchmal sogar in der Form bescheidener Nekropolen. Besonders am Anfang der Epoche befanden sich die Gräber auch innerhalb der Siedlungen, Kinder wurden zum Teil sogar im Haus selbst bestattet. Eine besondere Grabform ist der Tumulus, der Grabhügel, in den Pithosbestattungen und Kistengräber eingetieft wurden. Die wichtigste Fundgattung ist, wie auch in anderen Perioden, die Keramik. Die häufigste Keramikgattung des Mittelhelladikums wurde bereits von
Die Spätbronzezeit
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Heinrich Schliemann, der zuerst während seiner Ausgrabungen in Orchomenos auf diese Ware stieß, in Anspielung auf Minyas, den mythischen König dieser Stadt, als minysch bezeichnet. Am häufigsten ist die grauminysche Keramik, ebenfalls stark vertreten sind – je nach Region – eine rotbraune oder gelbliche Ware, die oft auch Bemalung aufweisen kann, sowie eine schwarze Variation. Daneben findet sich auch eine kykladisch beeinflusste, mattbemalte Keramik, für die geometrische Verzierungen wie Fachwerkmuster typisch sind. Zu den Keramikfunden treten Funde von Stein-, Bein- und Metallgeräten, doch sind aus dieser Epoche weniger Metallartefakte überliefert als aus frühhelladischer Zeit.
2. Die Spätbronzezeit auf dem griechischen Festland und in der Ägäis Am Ende der mittelhelladischen Epoche vollzog sich ein kultureller Aufstieg, der in die späte Bronzezeit, das Zeitalter der mykenischen Hochkultur überleitete. Diese Epoche (ca. 1600–1100 v. Chr.) lässt sich archäologisch in mehrere Subperioden untergliedern: SH I (ca. 1600–1500 v. Chr.), SH II (ca. 1500–1400 v. Chr.) und SH III (ca. 1400–1100 v. Chr.), wobei die lange Periode SH III wiederum in drei Untereinheiten geteilt ist: SH III A (ca. 1400–1330 v. Chr.), SH III B (ca. 1330–1200 v. Chr.) und SH III C (ca. 1200–1100 v. Chr.). Darüber hinaus wird SH III A in SH III A 1 und SH III A 2 unterteilt, SH III B in SH III B 1 und SH III B 2 sowie SH III C in SH III C Früh, SH III C Mitte (entwickelt und fortgeschritten) und SH III C Spät. Historisch kann man die späte Bronzezeit in folgende Abschnitte gliedern: die frühmykenische Zeit (SH I und II), die mykenische Palastzeit (SH III A und B) sowie die Nachpalastzeit (SH III C), an welche sich die sog. submykenische Periode (ca. 1100–1050 v. Chr.) anschließt. In der frühmykenischen Periode, die nach den reichen Funden der Schachtgräber in Mykene auch als Schachtgräberzeit bezeichnet wird, setzte sich der kulturelle Aufschwung, der mit dem späten Mittelhelladikum auf dem griechischen Festland einsetzte, fort. Was genau diesen Aufschwung ausgelöst hatte, was die Ursache für den enormen Reichtum war, der sich in den Schachtgräbern manifestiert, ist nicht sicher geklärt. Wenig überzeugend scheinen Thesen, welche die Gründe im militärischen Bereich suchen und die angehäuften Wertgegenstände etwa als Lohn für Söldnerdienste interpretieren. Eine tragfähige Erklärung könnte vielmehr in einer verstärkten Handelsaktivität der Mykener, vor allem mit Metallen, mit Zentral- und Nordeuropa sowie mit dem westlichen Mittelmeergebiet zu suchen sein. Auf enge Kontakte mit dem nördlichen Europa deutet jedenfalls der Bernstein hin, der sich in beachtlichen Mengen schon am Beginn der mykenischen Zeit in Griechenland findet. Durch die Vermittlerstellung im Handel könnte das mykenische Griechenland auch für Kreta einen interessanten Geschäftspartner dargestellt haben. Jedenfalls lässt sich in der Sachkultur jener Zeit ein dominierender minoischer Einfluss greifen. Politisch war Griechenland in dieser Zeit geprägt durch zahlreiche kleinere Fürstentümer unter der Herrschaft einer lokalen Aristokratie. Solche frühmykeni-
Frühmykenische Zeit
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Die mykenische Epoche
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Mykenische Palastzeit
Kulturkontakte
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schen Fürstensitze befanden sich unter anderem in Mykene in der Argolis, in Thorikos in Attika oder in Kakovatos in Messenien. Am Ende der Phase SH II A (die chronologisch der Phase SM I B auf Kreta entspricht), also um 1450 v. Chr., wurden – wie im vorigen Kapitel geschildert – die minoischen Paläste Kretas, mit Ausnahme von Knossos, zerstört und nicht wieder aufgebaut. Dies ist am wahrscheinlichsten mit der Eroberung Kretas durch mykenische Griechen zu erklären, die daraufhin auch als Herren der Insel greifbar sind. Die nun folgende Palastzeit sah die größte Entfaltung der mykenischen Kultur. In Griechenland hatten sich mehrere voneinander unabhängige Staaten entwickelt, deren Mittelpunkte die sog. Paläste bildeten. Diese Staaten waren geprägt von einer erstaunlich einheitlichen Kultur, auch ihre administrative und ökonomische Struktur hat sich wohl weitgehend entsprochen. Mit einer übergreifenden politischen Organisationsform dürfte aber kaum zu rechnen sein. Allerdings war nicht ganz Griechenland durch dieses System geprägt, manche Landschaften, etwa im Norden, besaßen keine Paläste, orientierten sich aber am kulturellen Vorbild der Palaststaaten. Wenig weiß man über die politischen Beziehungen zwischen den mykenischen Staaten. Auf ein zeitweise gespanntes Verhältnis sowie kriegerische Auseinandersetzungen weisen neben archäologischen Befunden auch manche griechische Mythen hin. So könnte man Erzählungen wie die Geschichte der Sieben gegen Theben oder des Zugs der Epigonen durchaus als Reflexe und vage Erinnerungen an innergriechische bronzezeitliche Feldzüge ansehen. In dieser Zeit strahlte die mykenische Kultur über das ganze Mittelmeer aus, man spricht zu Recht auch von einer mykenischen Koiné. Nicht nur Kreta und die Kykladeninseln befanden sich unter mykenischem Einfluss. Nachdem das minoische Kommunikations- und Handelsnetzwerk auf die Mykener übergegangen war, standen die Mykener auch in engem Kontakt mit den Ländern des Ostens. Auf Rhodos, Kos und in Kleinasien wurden sogar mykenische Stützpunkte errichtet. Den diplomatischen und wirtschaftlichen Verkehr mit Syrien, Palästina oder Ägypten belegen nicht nur Funde von mykenischen Produkten in diesen Ländern, sondern auch zahlreiche Artefakte östlichen Ursprungs in Griechenland selbst. In den Schriftquellen der Kulturen des Vorderen Orients spiegeln sich diese Kontakte ebenfalls wider, so meint etwa der in den Keilschrifturkunden aus der hethitischen Hauptstadt HattuÐa(heute: Bogazkale) belegte Terminus Ahhijawa mit großer Wahrscheinlichkeit das griechische Festland, und in Ägypten sind beispielsweise griechische Ortsnamen auf Statuenbasen in einem Tempel des Pharaos Amenophis III. in Kom el-Hetan belegt. Enge Beziehungen bestanden aber nicht nur zum östlichen Mittelmeer, sondern auch zu den Regionen im Westen, wo sich Mykener etwa im Golf von Tarent oder auf Sizilien niederließen. Spektakuläre Zeugnisse für bronzezeitlichen Handel im Mittelmeerraum sind die Funde von Schiffswracks wie bei Kap Iria im Golf von Argos oder bei Kap Gelidonya an der türkischen Südküste (beide um 1200 v. Chr.) sowie die Aufsehen erregenden Entdeckungen bei Uluburun, ebenfalls vor der türkischen Südküste. Das dort im späten 14. Jh. v. Chr. gesunkene kanaanitische Schiff hatte zehn Tonnen Kupferbarren, eine Tonne Zinnbarren, 350
Die Spätbronzezeit Kilogramm blaues Glas, Elfenbein und Zedernholz geladen, außerdem Terebinthenharz, zahlreiche Gefäße, Waffen, Werkzeuge und verschiedene Luxusprodukte. Am Ende der Periode SH III B 2, um 1200 v. Chr., wurden alle mykenischen Paläste in Griechenland zerstört – Knossos hatte dieses Schicksal bereits früher ereilt, nämlich am Ende der Phase SM III A 1 (um 1370 v. Chr.). Die Gründe für die Katastrophe, in welcher diese Anlagen sowie zahlreiche Siedlungen in Schutt und Asche gelegt wurden und die das Ende der mykenischen Palastkultur bedeutete, sind nach wie vor unklar. Zwar war es bereits einige Jahrzehnte früher – am Ende der Phase SH III B 1 – an einigen Orten zu Zerstörungen gekommen, welche die letzte Phase der mykenischen Palastzeit einleiteten, die endgültige Katastrophe scheint aber recht plötzlich über die Paläste hereingebrochen zu sein. Dies zeigt sich etwa daran, dass die lokale Administration, wie sie durch die Evidenz der Linear-BTexte widergespiegelt wird, offenbar bis zum letzten Tag normal funktioniert hat. Einerseits hat man an Naturkatastrophen wie Dürreperioden oder schwere Erdbeben, wie sie in Griechenland immer wieder vorkommen, gedacht. An einigen Orten, wie etwa Mykene, hat man auch tatsächlich eindeutige Spuren solch schwerer Erdbeben ausmachen können. Doch können solche Naturkatastrophen kaum eine Erklärung für das fast gleichzeitige Ende aller Paläste und so vieler Siedlungen auf dem Festland wie auf Kreta liefern, und es bleibt auch die Frage offen, warum die Anlagen im Falle einer Naturkatastrophe nicht einfach wieder aufgebaut wurden, wie es etwa nach der Zerstörung der älteren Paläste auf Kreta geschah. Andererseits finden sich auch Anzeichen einer wirtschaftlichen Krisensituation. Der Handel im Ostmittelmeerraum scheint stark beeinträchtigt gewesen zu sein, was sich etwa in einem akuten Mangel an Metallen in Griechenland auswirkte. Überdies hatte der intensive Ackerbau der mykenischen Paläste den Boden in Griechenland über die Maßen beansprucht. Ein deutlicher Rückgang in der Größe des Saatgutes sowie massive Verunkrautung waren die Folgen und führten zu dieser Zeit zu katastrophalen Missernten, welche die Bevölkerung mangels Ausweichmöglichkeiten hart getroffen haben müssen. Ebenso hat man an interne Konflikte oder Aufstände als entscheidendes Element des Untergangs der mykenischen Welt gedacht. Wie die Linear-BTexte verraten, führten die Paläste ein strenges Regiment, beträchtliche Teile der Bevölkerung lebten in Abhängigkeit und wurden zu Arbeitsleistungen herangezogen. Wenn die damals existierenden sozialen Spannungen auch nicht der Auslöser der Zerstörungen gewesen sein müssen, so mögen sie doch dafür verantwortlich gewesen sein, dass nach einschneidenden Ereignissen – wie etwa Erdbeben – das alte System einfach weiterexistierte, sondern vielmehr umgestürzt wurde. Ob dieses Erklärungsmodell aber derart markante und großräumige Veränderungen erklären kann, muss fraglich bleiben. Schließlich hat man auswärtige Feinde für das Ende der mykenischen Palastkultur verantwortlich gemacht. Auffällig ist zumindest, dass in den Jahrzehnten vor dem Ende der Paläste eine deutliche Intensivierung des Festungsbaues beobachtet werden kann. Umfassungsmauern wurden erweitert
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Zerstörung der mykenischen Paläste
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Die mykenische Epoche
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und verstärkt, oft hat man dabei unterirdische Brunnengänge in die Fortifikationen einbezogen, auch neue Befestigungsanlagen wurden errichtet. Man fühlte sich offensichtlich unsicher und versuchte sich gegen einen Angriff zu wappnen. Darauf scheinen auch einige zeitgenössische Linear-BTexte aus Pylos hinzudeuten, die möglicherweise mit der Aufstellung einer Küstenwache befasst sind. Doch lässt sich nicht belegen, ob dies eine außergewöhnliche Maßnahme oder vielmehr ein Routinevorgang war. Massive Zerstörungen sind jedenfalls nicht nur in Griechenland zu beobachten, sondern auch auf Zypern, in Kleinasien, wo das hethitische Reich sein Ende fand, oder in Syrien, wo etwa die Stadt Ugarit vernichtet wurde. Aus der letzten Korrespondenz des dortigen Königs geht hervor, dass sein Reich von Feinden, die auf Schiffen kamen, attackiert wurde. Aus ägyptischen Quellen ist schließlich zu erfahren, dass – wohl wenige Jahre nach diesen Ereignissen – der Pharao Ramses III. in seinem 8. Regierungsjahr einen Ansturm der sog. Nord- und Seevölker von seinem Land abwehren konnte. Diese Völkerkoalition wurde von manchen Forschern auch für die Zerstörung der mykenischen Paläste verantwortlich gemacht. Keinesfalls aber ist der Untergang der mykenischen Staatenwelt mit der Einwanderung dorischer Stämme nach Griechenland in Verbindung zu bringen, wie dies die frühere Forschung bisweilen getan hat. Diese Wanderung fand erst zu einem späteren Zeitpunkt statt. Auf jeden Fall ist der Zusammenbruch einer so komplexen Kultur wie der mykenischen Palastkultur kaum monokausal zu erklären. Vielmehr muss mit einem ganzen Bündel von Ursachen gerechnet werden, die schließlich den Untergang der mykenischen Staatenwelt zur Folge hatten.
3. Kultur und Kunst der Mykener Mykenische Paläste
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Dominierendes Element der mykenischen Kultur waren die Paläste, welche die politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und religiösen Zentren der einzelnen Staaten darstellten. Erste Vorläufer dieser Anlagen wurden bereits in den Phasen SH II und SH III A 1 errichtet, so etwa beim lakonischen Menelaion. Die frühen mykenischen Herrschersitze lassen sich in der Regel aber nur schlecht greifen. Die eigentlichen mykenischen Paläste wurden dann in der Phase SH III A 2 erbaut. Bisher sind Paläste aus der Argolis (Mykene, Tiryns, Midea), Boiotien (Theben, Orchomenos), Messenien (Pylos), Thessalien (Iolkos / Dimini) und Kreta (Knossos, Chania) bekannt. Ein Palast befand sich wohl auch auf der Akropolis in Athen, doch haben sich von diesem kaum Reste erhalten. Anzunehmen ist ein Palast auch in Lakonien, doch ist ein solcher archäologisch noch nicht sicher nachgewiesen. Interessant ist der relativ kleine Raum, auf welchem die drei argivischen Paläste stehen. Ihr exaktes Verhältnis zueinander ist ungeklärt, eine Vorherrschaft Mykenes kann angenommen werden, ebenso die Funktion der Anlage von Tiryns, die in der späten Bronzezeit noch am Meer lag, als Hafen von Mykene. Architektonisch unterscheiden sich die mykenischen Palastbauten klar von ihren minoischen Pendants. Zwar weisen alle Paläste individuelle Züge
Kultur und Kunst auf, doch finden sich manche Elemente in vielen Anlagen wieder, so etwa der Thronraum, das Megaron, mit seinem zentralen Herd und den umstehenden Säulen. In einigen Palästen ist auch ein zweiter, kleinerer Thronraum anzutreffen, wer dort saß, muss aber offenbleiben. Im Gegensatz zu den minoischen Palästen waren manche der mykenischen Anlagen mit mächtigen Befestigungsanlagen versehen. Neben den Repräsentationsräumen fanden sich Wohnräume, Speicher und Magazine, Werkstätten, Archivräume und Kultgebäude. Das mykenische Leben war aber nicht auf die Paläste beschränkt. Zum einen waren diese selbst von Städten umgeben, zum anderen finden sich über das ganze Land verteilt zahlreiche kleinere Städte, Dörfer und auch einzelne Gehöfte. Die jeweiligen Zentren und Siedlungsplätze waren durch ein ausgefeiltes System von Straßen und Brücken miteinander verbunden, das sich etwa in der Argolis besonders gut greifen lässt. Des Weiteren künden Staudämme, Kanäle und Terrassenanlagen von den Fähigkeiten mykenischer Baumeister. Ein besonderes Großprojekt mykenischer Ingenieurskunst stellt die Trockenlegung des Kopaissees in Boiotien dar, die durch die Anlage eines am Nordrand des Kopaisbeckens entlang geführten Kanals zur Ableitung des ankommenden Wassers zu leistungsfähigen Sinklöchern (Katawothren) erreicht wurde. So konnten in Zentralgriechenland weite Anbauflächen bzw. neues Siedlungsland gewonnen werden, der Kanal dürfte überdies für die Binnenschifffahrt genutzt worden sein. In der Nähe des Palastes von Orchomenos wurde außerdem durch die Errichtung eines Dammes ein großer, künstlicher Speichersee aufgestaut, welcher der Wasserversorgung der Siedlungen und der landwirtschaftlichen Nutzflächen dieser Gegend diente. Diese einzigartige ingenieurstechnische Leistung wurde bereits in der Antike mit Minyas, dem mythischen König von Orchomenos, in Verbindung gebracht. Strabon, Geographika 9, 415
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Trockenlegung des Kopaisbeckens
Q
Man sagt, das Gebiet, das jetzt der Kopais-See einnimmt, sei einst trocken gelegen und mannigfach bebaut gewesen; es gehörte zur nahe gelegenen Stadt Orchomenos; auch das betrachtet man als einen Beweis für ihren Reichtum.
Strabon von Amaseia im nördlichen Kleinasien (63 v. Chr. bis nach 23 n. Chr.) war Historiker und Geograph. Er verfasste eine an das Werk des Historikers Polybios anschließende Unversalgeschichte (Historika Hypomnemata), die heute allerdings verloren ist. Erhalten blieb nur eine als Ergänzung zu diesem Geschichtswerk konzipierte Erdkunde (Geographika) in 17 Büchern, welche die damals bekannte Welt und ihre Völker vorstellt.
E
Da aufgrund der geographischen Lage Orchomenos der primäre Nutznießer der Bauten war, dürften sie auch tatsächlich entsprechend der antiken Tradition von diesem Palast aus errichtet worden sein. In Zusammenhang mit dieser Trockenlegung des Kopaisbeckens steht vermutlich die Anlage der Zitadelle von Gla, der größten mykenischen Burganlage überhaupt. Gla lässt sich allerdings nur schwer mit den anderen bekannten mykenischen Zitadellen vergleichen, es handelte sich bei dieser Anlage wohl nicht um den
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Die mykenische Epoche
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Bestattungen
Schachtgräber
Tholosgräber
Kammergräber
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Sitz eines Herrschers, also um keinen Palast. Die Funktion der Burg ist unklar, man hat an den Sitz zweier Funktionäre gedacht sowie einen Bezug zur landwirtschaftlichen Nutzbarmachung der Kopaisebene. Vieles, was man über die mykenische Kultur weiß, ist durch die Funde aus Gräbern bekannt. Wie bereits erwähnt, setzte die mykenische Epoche mit den prunkvoll ausgestatteten Schachtgräbern ein, welche die Grablegen der lokalen Eliten darstellten und der frühmykenischen Zeit ihren Namen als Schachtgräberzeit verliehen. In Mykene konnten zwei Gräberkreise aufgedeckt werden, der bereits von Heinrich Schliemann ergrabene Schachtgräberkreis A (SH I / II A) und der etwas ältere Schachtgräberkreis B (MH III / SH I). In beiden Anlagen, vor allem aber in Kreis A, konnten wertvolle Grabbeigaben entdeckt werden, so etwa die bekannten goldenen Totenmasken, von denen eine durch Schliemann irreführend als „Maske des Agamemnon“ bezeichnet wurde, Prunkwaffen – wie die berühmten, mit NielloEinlagen verzierten Dolche – und für den tatsächlichen Gebrauch gefertigte Geräte, Gefäße aus Stein – wie eine kleine Kristallschale, deren Griff in Form eines nach hinten blickenden Entenkopfes gestaltet ist – und Edelmetall sowie Schmuck in den verschiedensten Formen. Oberhalb der Gräber befanden sich steinerne Grabstelen, die mit Reliefdekor versehen waren. Interessant ist, dass man viele Jahre nach den letzten Bestattungen im Gräberkreis A, als man im frühen 13. Jh. v. Chr. die Befestigungen von Mykene erweiterte, nun auch den Bereich der alten Fürstengräber in die Ummauerung hereinnahm und diesen monumental ausgestaltete. Man hat damals Terrassierungen vorgenommen, das Gelände aufgeschüttet, die Grabsteine höher gesetzt und auch einen umgebenden Steinplattenring angelegt, damit diese Stelle hinkünftig als ein Ort der Erinnerung und wohl auch des Kultes dienen konnte. Gleichzeitig mit den Schachtgräbern in Mykene entwickelte sich in Messenien das Tholosgrab (Kuppelgrab) als typische Grabform der Elite. Kuppelgräber sollten bis ans Ende der mykenischen Palastzeit die typische Grablege der Aristokratie bleiben, wenn auch gegen Ende der Palastzeit keine neuen Anlagen mehr errichtet wurden. Ein oft langer Zugang (Dromos) führte dabei zum Eingangsbereich (Stomion) des Grabes, die als sog. falsches Gewölbe errichtete Kuppel war häufig mit Erde überdeckt. Auch in manchen dieser Tholoi, die über lange Zeit und für mehrfache Beisetzungen benutzt wurden, fanden sich reiche Beigaben, so etwa die bekannten Goldbecher in dem Kuppelgrab bei Vapheio in Lakonien. Die meisten Kuppelgräber, die überirdisch oft gut erkennbar waren, wurden aber schon in früher Zeit beraubt. Aufgrund der aus ihnen geborgenen Kostbarkeiten erhielten sie bald schon die Bezeichnung Schatzhäuser, da man sie irrtümlich für die ehemaligen Schatzkammern der mythischen Könige hielt, so etwa das Schatzhaus des Atreus in Mykene oder das Schatzhaus des Minyas in Orchomenos. Bei diesen beiden handelte es sich um die monumentalsten Beispiele dieses Grabtyps, beide mit einer Nebenkammer ausgestattet und beide vielleicht von derselben Bauhütte errichtet. Die am weitesten verbreitete und üblichste mykenische Grabform war jedoch das Kammergrab. Wie die Tholoi weisen die Kammergräber einen Dromos und ein Stomion auf sowie eine oft unregelmäßig geformte, in den Fels eingetiefte Grabkammer, die in der Regel mehrere Bestattungen auf-
Kultur und Kunst
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Abb. 4: Isometrischer Plan des sog. Atreus-Schatzhauses in Mykene.
nahm. Die Forschung hat diese Anlagen oft als Familiengräber bezeichnet, was allerdings nicht unproblematisch ist. Bei einer Beisetzung legte man den Toten in die Mitte der Grabkammer, um ihn herum platzierte man die Grabbeigaben; anschließend wurde das Grab verschlossen. Beim nächsten Begräbnis hat man das Kammergrab wieder geöffnet, die Reste der alten Bestattung wurden zur Seite geräumt, mit Erde bedeckt oder in einer Grube deponiert, und die neue Beisetzung wurde zentral vorgenommen. Diese Kammergräber werden meist mit einer wohlhabenden Ober- oder Mittelschicht in Verbindung gebracht, doch lässt sich dies nicht verallgemeinern. So hat man etwa in Theben in Boiotien, wo Kuppelgräber fehlen, ein monumentales Kammergrab mit zwei Zugängen und Freskenausstattung aufgedeckt, das sicherlich als Grablege von Angehörigen der herrschenden Dynastie anzusprechen ist. Daneben gibt es jedoch noch zahlreiche einfache Beisetzungen, wie Bestattungen in Erdgruben oder in Steinkistengräbern. Diese Gräber treten in Nekropolen gemeinsam mit anderen Grabtypen, vor allem Kammergräbern, auf, in einigen Fällen finden sich jedoch auch Nekropolen, die fast ausschließlich aus einfachen Gruben- und Steinkistengräbern bestehen. Da zahlreiche dieser Gräber nur wenige und ärmliche Beigaben besaßen, hat
„Einfache“ Gräber
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Mykenische Kunst
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man sie als Bestattungen von Angehörigen der Unterschicht und als Gräber von Sklaven interpretiert, doch gilt es, auch hier vorsichtig zu sein, denn manche dieser „einfachen Gräber“ weisen durchaus reiche Beigaben auf, sodass der Status der so bestatteten Personen variiert haben mag. In manchen Fällen mögen etwa lokale Traditionen und ein gewisser Konservatismus bei der Wahl der Grabform eine Rolle gespielt haben. So ist etwa vorstellbar, dass manche Leute die aus Kreta übernommenen Kammergräber abgelehnt und willentlich an der festländischen, mittelbronzezeitlichen Tradition der Erdgruben- und Steinkistengräber festgehalten haben könnten. Die mykenische Kunst ist stark von der minoischen beeinflusst. Es ist oft schwer zu entscheiden, ob etwa ein auf dem griechischen Festland gefundenes Objekt von einem mykenischen Künstler geschaffen wurde, ob es ein hier tätiger minoischer Handwerker angefertigt hat, oder ob es einen Import aus Kreta darstellt. Die manchmal zu beobachtende Tendenz der Forschung, alle hochwertigen Erzeugnisse als minoisch anzusehen, geht jedoch sicher fehl. Trotz des starken minoischen Einflusses gelang es den Mykenern durchaus, beeindruckende eigenständige Leistungen zu erbringen. Die Räumlichkeiten in den Palästen – und gelegentlich auch außerhalb dieser – waren zum Teil mit herrlichen, den minoischen Fresken durchaus ebenbürtigen Wandmalereien ausgestattet. Als Motive finden sich Darstellungen von Prozessionen, des Stierspringens, von Göttern, übernatürlichen Wesen und anderen Motiven mit Bezug zum Kult oder Jagd- und Kampfszenen, was aber fehlt, sind etwa die so typisch minoischen Landschaftsdarstellungen. Großformatige Steinskulpturen spielten auch in der mykenischen Kunst keine bedeutende Rolle, an Bildhauerarbeiten sind aber die frühmykenischen Schachtgräberstelen sowie das Namen gebende Relief über dem Löwentor, dem Haupteingang in den Palast von Mykene zu nennen. Dazu kommen die Herstellung von Steingeräten und Steingefäßen sowie die Produktion von Schmuckstücken aus Edel- und Halbedelsteinen. Große Meisterschaft erreichten mykenische Handwerker in der Anfertigung von Elfenbeinschnitzereien, hervorzuheben sind dabei etwa Elfenbeinpyxiden (wie aus Theben) oder ein kleiner Elfenbeinkopf und eine Figurengruppe aus Mykene. Aus Edelmetallen wurden prächtiger Schmuck und prunkvolle Gefäße gefertigt, aus Bronze stellte man Geräte, Gefäße und Waffen her. Ein besonderes Fundstück stammt aus der Nekropole von Dendra bei Midea, nämlich ein gut erhaltener Körperpanzer aus Bronze, der einen einzigartigen Eindruck von der Kriegsausrüstung der Bronzezeit vermittelt. Die häufigste Fundgattung stellt wiederum die Keramik dar, deren Formen- und Dekorwandel wesentliche Hinweise zur Datierung archäologischer Befunde erlaubt. Die mykenische Keramik entwickelte sich einerseits aus der festländischen, mittelhelladischen Tradition heraus, stand aber andererseits gerade in der frühmykenischen Zeit unter starkem minoischen Einfluss. Die Folgezeit sieht in der Dekoration der Gefäße dann eine immer stärker werdende Stilisierung und Schematisierung der Motive. Eine zahlenmäßig bedeutende Fundgruppe stellen schließlich die aus Ton gefertigten Idole dar, die nach den griechischen Buchstaben, welcher der Handhaltung der jeweiligen Figuren am ähnlichsten sind, als Phi-, Psi- und Tau-Idole bezeichnet werden.
Frühe Schriftlichkeit
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4. Frühe Schriftlichkeit in der Ägäis Ein Aspekt, der bisher bei der Besprechung sowohl der minoischen als auch der mykenischen Kultur ausgeklammert wurde, muss an dieser Stelle nun ausführlich erörtert werden, geht es doch um eine der wesentlichsten Errungenschaften dieser Kulturen, nämlich die Schrift. a) Anfänge Die Wiege der europäischen Schriftkultur liegt auf Kreta, wo um die Wende vom 3. zum 2. Jt. die ersten Anzeichen des Schriftgebrauches auftreten. Dies steht in Verbindung mit der historischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung der Region in der frühen Bronzezeit, als es zur Entstehung von Siedlungszentren kam, in welchen die Überschüsse der landwirtschaftlichen und handwerklichen Produktion angesammelt und auch umverteilt wurden. Als diese Vorgänge immer komplexer wurden, entstanden das Bedürfnis, die Transaktionen zu registrieren und kontrollierbar zu machen, sowie die Notwendigkeit, kollektive und individuelle Eigentumsansprüche festzuhalten. Mit der Bestandsaufnahme und Aufzeichnung von Güterbewegungen steht der Gebrauch von Siegelsteinen in Zusammenhang. Das in den weichen Ton eingepresste Siegelbild stellte ein wichtiges Instrument der Sicherung des materiellen Besitzes wie auch der individuellen Identifikation dar. Zeugnisse des Siegelgebrauches in der prähistorischen Ägäiswelt sind oft kleine Tonplomben, die mit einem Gegenstand oder einem Behältnis verbunden waren und durch den Abdruck des Siegelbildes den Eigentümer oder verantwortlichen Verwalter der so gekennzeichneten Güter identifizierten. Aus weichen Steinen und Bein hergestellte Siegel mit zunächst einfachen linearen Mustern finden sich ab der Stufe FM II, aus der gleichen Zeit sind auch Siegelabdrücke vom griechischen Festland – etwa aus Lerna – bekannt. Die Darstellungen auf den Siegeln werden dann in den Perioden FM III und MM I A immer komplexer. Schließlich finden sich auf einer kleinen Anzahl solcher Siegel aus der Nekropole von Archanes, die in die Zeit MM I A–B (ca. 2000–1900 v. Chr.) datieren, die ersten Zeugnisse von Schriftverwendung, und zwar bestimmte Kombinationen von etwa 10 verschiedenen Zeichen, die schon eine deutliche formale Verwandtschaft mit den Schriftzeichen der jüngeren Systeme Hieroglyphisch und Linear A erkennen lassen. Inwieweit wir es dabei aber bereits mit einer Schrift im engeren Sinn (d. h. einem Medium zur Bezeichnung phonetischer Einheiten) zu tun haben, ist noch nicht sicher festzustellen. In weiterer Folge wurden in der Ägäis im Wesentlichen drei Schriften verwendet, die nach Sir Arthur Evans als Hieroglyphisch, Linear A und Linear B bezeichnet werden. Dabei ist für die einzelnen Schriftsysteme eine recht unterschiedliche Anzahl von Dokumenten erhalten. Für das Hieroglyphische sind ca. 400, für Linear A ca. 1400 und für Linear B fast 6000 komplette und fragmentierte Textbelege bekannt. Die Texte sind auch unterschiedlich lang – am kürzesten sind die hieroglyphischen, am längsten die
Siegel
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in Linear B. Diese Unterschiede im verfügbaren Textmaterial tragen dazu bei, dass nur Linear B entziffert ist. b) Die kretischen Hieroglyphen Hieroglyphische Dokumente fanden sich – abgesehen von einigen Abdrücken auf Samothrake – ausschließlich auf Kreta. Schriftträger sind in erster Linie Siegel, weiters fanden sich Siegelabdrücke in Ton, beschriftete Tontafeln und eine singuläre Inschrift auf Stein (Mallia). Die wichtigsten Archive sind auf Nordkreta beschränkt (obwohl besonders die Siegelabdrücke weiter streuen): Knossos, Mallia und Petras (bei Sitia in Ostkreta). Das Zeichenrepertoire des Hieroglyphischen umfasst 96 Silbenzeichen, 32 Ideogramme und eine Reihe von Zahl- und Bruchzahlzeichen. Je etwa 30 Silbenzeichen und ca. 15 Ideogramme weisen Entsprechungen in Linear A und B auf. Eine besondere Stellung innerhalb der Dokumente nehmen die Tafeln ein, die sich aufgrund ihrer Zahlzeichen und Ideogramme eindeutig als Belege der Wirtschaftsverwaltung erwiesen haben und einen beträchtlichen Umfang der registrierten Güter belegen. Neben der Auflistung kleinerer Posten verzeichnen die Tafeln in erstaunlich vielen Fälle auch recht hohe Beträge von oft mehreren tausend Einheiten. Es ist vermutet worden, dass es sich dabei vor allem um Berechnungen von Abgaben handelt. Bei den Texten der Siegel handelt es sich am ehesten um Namen und Titulaturen. c) Linear A Das Linear A hat sich wohl aus dem Hieroglyphischen entwickelt. Während das Hieroglyphische seinen Schwerpunkt im Norden besaß, fanden sich frühe Linear-A-Texte bereits im altpalastzeitlichen Phaistos und im damit zusammenhängenden Verwaltungszentrum von Monastiraki. Die Blütezeit von Linear A war dann die Epoche der jüngeren Paläste. Linear A verdrängte die Tafeln in hieroglyphischer Schrift, Siegel mit hieroglyphischen Zeichen finden sich aber parallel mit den Linear-A-Texten bis zu deren Ende mit der Zerstörung der jüngeren minoischen Paläste am Ende von SM I B (ca. 1450 v. Chr.). Linear-A-Inschriften sind weit verbreitet. Das wichtigste Archiv wurde in Hagia Triada aufgedeckt, weitere Funde stammen etwa aus Chania, Kato Zakros, Archanes, Knossos, Mallia, Petras, Phaistos, Gournia, Tylissos oder Palaikastro. Dazu kommen zahlreiche Fundorte außerhalb Kretas, so etwa Kythera, Melos, Thera, Keos, Milet und wohl auch Troia. Als Schriftträger dienten in erster Linie Tontafeln, die meiste etwa 10 cm hoch und – so gut wie immer ohne Zeilenangabe – durchlaufend beschrieben sind. Linear-AInschriften finden sich aber auch auf sog. roundels – flachen Tonscheiben von ca. 5 cm Durchmesser, die an ihren Randflächen Siegeleindrücke aufweisen, während die Oberseite und gelegentlich auch die Unterseite eingeritzte Bild-, Laut- oder Zahlzeichen tragen kann – sowie auf Ton- und Steingefäßen, auf metallenen Gegenständen (Haarnadeln, Ringe, Doppeläxte) sowie auf Wandstuck. Die Schrift verwendet ca. 70 syllabische Zeichen, die üblichen Zahl- und Bruchzahlzeichen und eine große Zahl von Logogrammen, die in Ligatur mit syllabischen Zeichen weiter differenziert werden können (insgesamt ca. 150
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erweiterte Bildzeichen). Dank dieser zahlreichen Bildzeichen wissen wir relativ gut über den Inhalt der Linear-A-Texte Bescheid: es handelt sich überwiegend um Personenlisten und Güterverzeichnisse, vor allem von Naturalprodukten wie etwa Getreide, Wein, Feigen oder Wolle, aber auch von Gefäßen. Aufgrund von formalen Entsprechungen von zahlreichen Linear-A- und Linear-B-Zeichen und in beiden Systemen auftretenden gleichartigen Zeichenfolgen ist es zum Teil möglich, die Lautwerte der Linear-B-Zeichen auf Linear A zu übertragen und die Texte ansatzweise zu lesen. Die hinter Linear A stehende Sprache bleibt uns aber im Wesentlichen verschlossen. Das liegt zum einen daran, dass die Texte nur ein sehr eingeschränktes Vokabular und einen Mangel an erkennbaren Strukturelementen liefern, und zum anderen – und vor allem – daran, dass die Sprache selbst bisher noch keiner bekannten Sprachfamilie zugeordnet werden konnte. Ein Beispiel ist der Terminus ku-ro, der sich regelmäßig am Ende von Aufzählungen von Einzelposten findet. Man kann daher mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass ku-ro „insgesamt, Summe“ bedeutet, doch konnte der Begriff bisher mit keiner bekannten Sprache in Verbindung gebracht werden. Es handelt sich beim Minoischen also um eine vermutlich ausgestorbene, nicht indogermanische und nicht semitische Sprache, die wohl mit derjenigen Sprache verwandt war, die im 3. Jt. v. Chr. auch auf dem griechischen Festland gesprochen wurde und aus der das Griechische zahlreiche Appellative und Toponyme übernommen hat. Des Weiteren ist es durchaus plausibel anzunehmen, dass dieses Minoische in gewissen Teilen Kretas bis ins 1. Jt. v. Chr. überlebt und in den sog. eteokretischen Texten noch fassbar ist. d) Kyprische Schriften Mit Linear A verwandt ist die kyprominoische Schrift, die in der späten Bronzezeit auf Zypern in Gebrauch war. Bei ihr handelt es sich ebenfalls um eine Silbenschrift. Die Texte sind noch weitgehend unentziffert. Es lassen sich drei Varianten der Schrift feststellen, hinter denen sich wohl auch verschiedene Sprachen verbergen. Aus dem Kyprominoischen entwickelte sich eine eng mit Linear B verwandte Schrift. Diese kyprische Schrift, die vom 11. bis zum 2. / 1. Jh. v. Chr. belegt ist, ist eine reine Silbenschrift, die auch keine Ideogramme kennt. Sie ist auf unterschiedlichen Schriftträgern, wie etwa auf Stein, auf Siegeln, auf Keramik und auf Bronze erhalten. Mit dieser kyprischen Schrift wurden zwei verschiedene Sprachen geschrieben, der griechische kyprische Dialekt und das noch ungedeutete Eteokyprische. Ab dem 6. Jh. v. Chr. finden sich dann auch Texte in griechischer Alphabetschrift, zunächst als Diagraphen neben demselben Text in kyprischer Schrift. Ab dem 4. Jh. werden sie dann häufiger und verdrängen den kyprischen Dialekt und das kyprische Syllabar. Die kyprische Schrift wurde Mitte des 19. Jh. entdeckt. Zwischen 1871 und 1876 gelang ihre Entzifferung mittels einer phönizisch-kyprischen Bilingue. e) Der Diskos von Phaistos In diesem Zusammenhang muss auch der berühmte Diskos von Phaistos erwähnt werden, der immer ein breites öffentliches Interesse hervorgerufen
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hat – was man auch an der Unzahl vorgebrachter pseudo-wissenschaftlicher Entzifferungsvorschläge erkennen kann. Es handelt sich um eine Tonscheibe von etwa 16 cm Durchmesser, die 1908 im Palast von Phaistos gefunden wurde. Wie der leider nicht klare Fundkontext vermuten lässt, datiert sie wohl in die Periode MM III und damit etwa gleichzeitig mit dem jüngeren, auf Siegeln belegten Hieroglyphischen und Linear A. Der Diskos ist beidseitig mit einer spiralig angeordneten Inschrift versehen. Auf Seite A stehen insgesamt 123, auf Seite B 119 Zeichen, die durch vertikale Linien jeweils zu Gruppen von 2–7 Zeichen zusammengefasst sind. Auf A sind 31, auf B 30 solcher Gruppen zu finden. Insgesamt sind 45 verschiedene Zeichen zu erkennen, dies lässt ein syllabisches System vermuten. Die Schreibrichtung scheint von außen nach innen zu laufen, dies würde eine für Kreta eigentlich unübliche Linksläufigkeit des Textes bedeuten. Die Zeichen selbst sind mittels vorgefertigter Stempel, vermutlich aus Holz, in den Ton eingepresst worden. Der Diskos ist in seiner Art singulär. Seine Herkunft war und ist heiß diskutiert (von manchen wird er auch für eine Fälschung gehalten), es spricht aber manches für eine lokale, also kretische Provenienz. Manche Ähnlichkeiten lassen sich etwa mit den Schriftzeichen auf der Kultaxt von Arkalochori erkennen. Für viele der Schriftzeichen auf dem Diskos gibt es aber keine Entsprechungen in den gleichzeitigen kretischen Schriften. Obgleich man versucht hat, bestimmte Strukturen der Wortbildung zu erkennen, ist jedem Entzifferungsversuch aufgrund der mangelnden statistischen Breite von vornherein jeder tragfähige Boden entzogen. f) Linear B
Datierung der Texte
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Das Linear B ist die einzige bisher entzifferte Schrift der bronzezeitlichen Ägäis, was – wie bereits erwähnt – vor allem daran liegt, dass eine entsprechend große Anzahl verfügbarer Texte vorhanden ist, und dass die Linear-BTexte ein vergleichsweise recht umfangreiches Vokabular und zahlreiche Elemente grammatikalischer Strukturen aufweisen. Linear B findet sich in der Regel auf Tontafeln, wobei Tafeln im Palmblattformat und Tafeln im Seitenformat zu unterscheiden sind. Weiters finden sich Linear-B-Inschriften auf kleinen Tonklumpen bzw. Tonplomben sowie auf Vasen, ausnahmsweise auf Stein (Dimini) und Elfenbein (Medeon). In die Tafeln und Tonplomben sind die Schriftzeichen eingeritzt, auf die Vasen aber mit Pinsel und Farbe aufgetragen. Andere Schriftträger, wie etwa Papyrus, sind zu vermuten, haben sich aber nicht erhalten. Linear-B-Tafeln fanden sich in Knossos, Chania, Pylos, Mykene, Tiryns und Theben. Beschriftete Tonplomben kennt man aus Knossos, Pylos, Mykene, Midea und Theben. Vasen mit Linear-B-Aufschriften stammen aus Knossos, Chania, Mamelouko, Armenoi, Mallia, Pylos, Mykene, Tiryns, Midea, Eleusis, Kreusis, Theben, Gla, Orchomenos und Dimini. Insgesamt besitzen wir fast 6000 Linear-B-Texte, von denen mehr als die Hälfte aus Knossos stammt, dann folgen Pylos mit gut 1000 Texten, Theben mit etwa 300 Texten und Mykene mit rund 90 Texten. Die Datierung der Linear-B-Texte ist im Detail nicht unumstritten. Die ältesten Texte stammen aus Knossos, aus dem Room of the Chariot Tablets, und gehören vermutlich in die Phase SM II (ca. 1400 v. Chr.). Die restlichen
Frühe Schriftlichkeit Texte aus Knossos sind dann – nach der communis opinio – um 1370 v. Chr. mit der Zerstörung des dortigen mykenischen Palastes zu datieren. Manche Forscher datieren die Texte aus Knossos allerdings in das 13. Jh. v. Chr. (sog. Knossos-Problem). Der Grund für diese Kontroverse liegt vor allem in der Datierung der Texte aller übrigen Fundorte in die Phase SH III B, also das 13. Jh. v. Chr. Die meisten gehören an das Ende von SH III B, für manche – wie etwa einige Texte aus Theben und Mykene sowie die Texte aus Chania – wurde eine Datierung in die erste Jahrhunderthälfte bzw. um die Jahrhundertmitte vorgeschlagen (einige wenige Texte aus Pylos gehören in die Phase SH III A 2). Dazu kommen die auffallende Gleichartigkeit der knossischen und der festländischen Aufzeichnungen sowohl nach Inhalt als auch nach äußerer Form, Übereinstimmungen bei Zeichenform und Orthographie sowie die allen Texten gemeinsame Sprachform. Natürlich weist dies alles nicht zwingend auf ein gleichzeitiges Entstehen der Texte hin, ein solcher Konservatismus ist aber bemerkenswert. Auch Alter und Ursprung des Schriftsystems selbst sind nicht unumstritten. Schwierig ist es vor allem, das genaue Verhältnis des Linear B zum Linear A zu bestimmen. Zahlreiche Linear-B-Zeichen haben Vorläufer in Linear A, ebenso viele Ideogramme. Auch die Art der Verwendung dieser Bildzeichen – etwa das genauere Festlegen ihrer speziellen Bedeutung durch das Darüber-, Daneben- oder Hineinschreiben von Silbenzeichen – entspricht dem Usus der Linear-A-Texte. Es lassen sich aber auch klare Unterschiede zwischen Linear A und Linear B feststellen. So fehlen im Linear B Silbenzeichen, Ideogramme und Ligaturen, die in Linear A von wesentlicher Bedeutung sind; es fehlen auch die Bruchzahlen. Andererseits kennt auch das Linear B zahlreiche Silbenzeichen, Ideogramme und Ligaturen, für die es in Linear A keine Entsprechungen gibt. Ebenso stellen die Maß- und Gewichtszeichen eine Neuerung des Linear B dar. Auch die Leitlinien, welche die Zeilen trennen, fehlen in Linear A. Für manche Linear-B-Zeichen ohne Entsprechung in Linear A gibt es dafür vergleichbare Zeichen im Hieroglyphischen. Diese Beobachtungen lassen die Vermutung zu, dass Linear B eine bewusste und gezielte Neuschöpfung darstellte, mit dem Zweck, Altes durch Neues zu ersetzen, damit eine neue Aufgabe besser zu erfüllen war. Diese Neuschöpfung beruhte auf der engen Vertrautheit mit dem Vorhandenen, also mit Linear A, aber auch mit der hieroglyphischen Schrift. Linear B ist daher nicht als eine reine genetische Weiterentwicklung des Linear A zu verstehen. Auch die These, dass sich Linear A und Linear B unabhängig voneinander aus einem aus dem Hieroglyphischen abgeleiteten, nur hypothetisch zu erschließenden „Proto-Linear“ entwickelt hätten, ist nicht überzeugend. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Schöpfer von Linear B sowohl Linear A als auch das Hieroglyphische kannten und aus beiden Schriften, überwiegend aber aus Linear A, Anregungen nahmen und diese verbunden mit eigenen Vorstellungen zu einem neuen Ganzen formten. Diese Neuschöpfung ist wahrscheinlich auf Kreta vorgenommen worden, vielleicht im Palast von Knossos, und sie kann kaum nach SM II, also der zweiten Hälfte des 15. Jh. v. Chr., erfolgt sein. Vermutlich steht diese Entwicklung in Zusammenhang mit der offensichtlichen Machtübernahme festländischer, mykenischer Fürsten auf Kreta um 1450 v. Chr., die das Schrift-
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Entstehung des Linear B
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system des knossischen Palastes übernommen und für ihre Zwecke und vor allem für ihre Sprache, das Griechische, adaptiert haben. Das Ende von Linear B kam schließlich mit der großen Zerstörungswelle um 1200 v. Chr., der die mykenischen Paläste und der Großteil der mykenischen Siedlungen zum Opfer fielen. Diese Brände haben aber auch dafür gesorgt, dass wir überhaupt Textmaterial zur Verfügung haben. Anders als im Orient wurden in der Ägäis die Tontafeln nie absichtlich gebrannt. Man hat den Ton in die gewünschte Form geknetet, ihn beschrieben und dann trocknen lassen. Sobald man die Tafel nicht mehr brauchte, hat man sie zerstoßen, befeuchtet und den neu gekneteten Ton wieder verwendet.
Abb. 5: Linear-B-Tafel aus Knossos (KN Da 1166 + 7236)
Das Schriftsystem von Linear B Nach wichtigen Vorarbeiten verschiedener Gelehrter, etwa durch Arthur Evans und Alice Kober, gelang im Jahr 1952 dem englischen Architekten Michael Ventris in Zusammenarbeit mit dem Philologen John Chadwick die Entzifferung des Linear B. Nach anfänglicher Diskussion und Skepsis herrscht an der Richtigkeit dieser Entzifferung inzwischen nicht mehr der geringste ernst zu nehmende Zweifel. Dies bedeutet natürlich nicht, dass bereits alle Fragen gelöst wären. Die Bedeutung etlicher Wörter und Ideogramme ist noch nicht geklärt, und viele bereits gefundene Interpretationen sind noch nicht hinreichend verifiziert. Das Linear-B-Textmaterial ist in Serien geordnet, d. h. in Texte, die sich mit derselben Materie befassen. Diese Einteilung aufgrund der Ideogramme wurde bereits vor der eigentlichen Entzifferung durch den amerikanischen Gelehrten Emmett L. Bennett vorgenommen. Diese Serien lassen sich wiederum in Untergruppen (sets) von zusammengehörigen Tafeln unterteilen, die vom selben Schreiber verfasst wurden und ein mehrere Tafeln umfassendes Dokument darstellen, das aus einem bestimmten Verwaltungsvorgang resultierte. Diese Einteilungen beruhen auf Kriterien wie dem Fundort, der äußeren Form und der graphischen Gestaltung der Texte. Es ist gelungen, auf den Linear-B-Tafeln verschiedene Handschriften festzustellen, für Knossos hat man anhand der einzelnen Handschriften zumindest 60 Schreiber identifizieren können, für Pylos kam man auf mindestens 30. Häufig ist dabei ein Schreiber für ein bestimmtes Sachgebiet zuständig, doch gibt es auch Ausnahmen. So beschäftigte sich etwa Schreiber Nr. 21 in Pylos mit einer großen Bandbreite von Dingen, wie etwa Landbesitz, Viehherden, Bronzezuteilungen und Nahrungsmittelrationen. Im Gegensatz zum Vorderen Orient oder Ägypten wurden die Linear-B-Texte nicht von Berufsschreibern, sondern von Funktionären, die auch mit anderen Aufgaben befasst waren, geschrieben.
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Das Schriftsystem von Linear B umfasst etwa 90 phonetische Silbenzeichen sowie ca. 160 einfache und erweiterte logographische Zeichen (reine Ideogramme, Kombinationen aus Silbenzeichen und Ideogrammen). Auch einzelne Silbenzeichen können im Sinn von Abkürzungen für Ideogramme auftreten. Dazu kommen die numerischen und metrischen Symbole. Es gibt in Linear B Zeichen für Vokale, Vokalverbindungen (ai, au), aspirierte Vokale (a2) und für offene Silben einfachen Baus (pa, te, mo) bzw. komplexen Baus (pte, two, nwa). Wenige, nur selten vorkommende Zeichen sind noch nicht sicher gedeutet. Satzzeichen gibt es nicht, einzig als Worttrenner findet sich oft ein kleiner Strich. Das Fehlen geschlossener Silben macht Linear B für die Schreibung griechischer Wörter nicht besonders geeignet. So werden silbenauslautende Konsonanten stets unterdrückt. Schwierigkeiten ergeben sich vor allem bei Konsonantenhäufungen, sofern nicht spezielle Zeichen – wie etwa dwe – existieren. Diese können mit offenen Silben naturgemäß nicht dargestellt werden. In diesen Fällen stehen dann zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Entweder wird der erste Konsonant durch Einfügung des auf die Konsonanten folgenden Vokals als eine offene Silbe umschrieben (sog. Plene-Schreibung), oder der erste Konsonant wird unterdrückt (defektive Schreibung). Welche Möglichkeit zur Anwendung kommt, hängt von der Silbengrenze ab – liegt diese zwischen den beiden Konsonanten, wird der erste unterdrückt, leiten zwei Konsonanten die Silbe ein, kommt die Plene-Schreibung zur Anwendung. Entsprechend werden worteinleitende Konsonantenhäufungen immer plene geschrieben, auch Lauteinheiten, die im griechischen Alphabet durch ein einzelnes konsonantisches Zeichen ausgedrückt werden, wie etwa n oder w. Eine wesentliche Ausnahme bildet das einleitende s, das in der Regel unterdrückt wird, so etwa bei pe-mo, das für das griechische spérmon „Saatgut“ steht. Ferner ist zu beachten, dass Doppelkonsonanten nicht angezeigt werden, und des Weiteren bei Verschlusslauten zwischen Tenuis, Media und Aspirata nicht unterschieden wird, nur t und d werden verschieden ausgedrückt. Bei Vokalen werden die Quantitäten nicht angezeigt. Bei Diphthongen wird das u als zweiter Bestandteil geschrieben, bei i-Diphthongen dieses auf festländischen Tafeln im Allgemeinen unterdrückt, in Knossos hingegen meist notiert. Die Liquida r und l werden nicht unterschieden. Ein paar Beispiele können das Gesagte verdeutlichen. So wird a’ cqo´y / agrós etwa als a-ko-ro geschrieben (Pleneschreibung für -cq-, Unterdrückung des Endkonsonanten), a’ lui´ / amphí als a-pi (Unterdrückung von l, q für u). Viele Wörter können nur durch den Kontext erschlossen werden, der Ausdruck pa-te kann etwa genauso gut pasg´q / patér wie pa´msey / pantes heißen. Einige weitere Beispiele: te-o steht für heo´y / theós „Gott“ (t für h, Endkonsonant unterdrückt), a-re-ku-tu-ru-wo für a’ kejsqtx´m / alektryo´n „Hahn“ (Pleneschreibung der Konsonantenhäufung, Schreibung des später geschwundenen Digamma, Unterdrückung des Endkonsonanten) ~ oder wo-no für oi’ moy / oînos „Wein“ (Schreibung des Digamma, Unterdrückung des i im Diphthong und des Endkonsonanten).
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Die mittels der Linear-B-Texte verzeichnete Sprache stellt den ältesten bislang bekannten griechischen Dialekt dar. Es besitzt einige Altertümlichkei-
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ten, wie etwa die Bewahrung des Digamma oder das Vorhandensein eines Instrumentalis Plural in der a- und der konsonantischen Deklination. Andererseits ist das Mykenische auch durch einige jüngere Züge gekennzeichnet, die nicht von allen alphabetisch griechischen Dialekten geteilt werden, etwa den Vollzug der Assibilation (n)t(h)i > (n)si (e-ko-si /hekhonsi/) wie im Arkadischen, Kyprischen, Ionischen, Attischen und Aiolischen, nicht aber im Dorischen. Von den späteren Dialekten stellt keiner eine unmittelbare Fortsetzung des Mykenischen dar, die engste Verbindung weist noch die arkado-kyprische Dialektgruppe auf. Das Mykenische besitzt an den verschiedenen Fundorten kaum dialektale Züge, das hängt wohl damit zusammen, dass es sich um eine überregionale Kanzleisprache handelte, die nur eingeschränkt Verwendung fand. Es wurde allerdings auch die These aufgestellt, dass innerhalb der Texte aus Pylos zwei Sprachschichten zu erkennen seien, das sog. „mycénien normal“ als die offizielle Sprache des Hofes, und das sog. „mycénien spécial“ als Idiom der niedrigeren Volksschichten.
Staat und Verwaltung
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Aussagen der Linear-B-Texte Welche Informationen liefern nun diese Texte? Alle, die historische Aufzeichnungen, Korrespondenzen oder literarische Texte, vielleicht sogar Vorläufer der homerischen Epen erwartet hatten, wurden von der Entzifferung bitter enttäuscht. Bei den Linear-B-Texten handelt es sich nämlich meist um stichwortartige Verwaltungstexte, Bestandsaufnahmen, Listen von Ablieferungen und Zuweisungen von Personen, Tieren und Waren, ferner von Außenständen und Fehlbeträgen. Die Texte stellen Notizen eines einzigen Verwaltungsjahres dar, nur gelegentlich wird auf das Jahr zuvor oder das Jahr danach angespielt. Die Informationen auf den Tafeln wurden wohl am Ende des jeweiligen Verwaltungsjahres auf ein anderes Medium übertragen, und die Texte wurden nicht länger aufbewahrt. Ihre Erhaltung ist nur dem Zufall der Härtung in jener Brandkatastrophe zu verdanken, der die Paläste zum Opfer fielen. Trotz ihres eingeschränkten Spektrums sind die Texte für uns aber von großem historischen Aufschlusswert. Sie liefern quasi eine „Momentaufnahme“ der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation und der Administration des Palastes. Sie bilanzieren den Bestand an diversen materiellen Gütern und gewähren uns Einblicke in die einzelnen Sparten der palatialen Landwirtschaft, sie ermöglichen Rückschlüsse auf die politische und administrative Struktur und beleuchten auch den kultischen und religiösen Bereich. So ist aus den Linear-B-Texten etwa zu erfahren, dass ein König an der Spitze der einzelnen mykenischen Königreiche stand, der den Titel wa-naka /wanaks/ trug, eine Bezeichnung, die sich noch bei Homer findet, wo beispielsweise Agamemnon als ánax andrôn („Herr der Männer“) bezeichnet wird. Der mykenische König hatte nicht nur politische, sondern auch kultische Funktionen, er besaß selbst große Ländereien, und Teile der Wirtschaft waren ihm direkt unterstellt. Möglicherweise kennt man auch den Namen des letzten Königs aus Pylos, nämlich E-ke-ra2-wo /Ekhelawon/. Einer der höchsten Palastfunktionäre und wohl nur dem König selbst unterstellt war der ra-wa-ke-ta /lawagetas/, wobei der letzte Inhaber dieser Funktion in Pylos vielleicht den Namen we-da-ne-u trug. Sein Titel charak-
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terisiert ihn als „Führer des (waffenfähigen) Volkes“ und legt somit eine Funktion als Oberbefehlshaber nahe. Doch wird gerade dieses Betätigungsfeld in den Texten, auf denen er im Kontext von Grundbesitz, Handwerk und Kult auftaucht, nicht weiter erwähnt. Ebenfalls dem König unterstellt waren seine „Gefolgsleute“, die als e-qe-ta /(h)ekwetai/ bezeichnet wurden und sowohl in der mykenischen Wirtschaft als auch in militärischen Belangen eine wichtige Rolle spielten. Besonders die Texte aus dem Palast von Pylos ermöglichen tiefere Einblicke in die mykenische Verwaltungsstruktur, so ist etwa zu erfahren, dass dieses Reich in zwei Provinzen und in insgesamt 16 Bezirke gegliedert war, wobei an der Spitze dieser Bezirke jeweils ein ko-re-te /k(h)oreter/ sowie dessen Stellvertreter, der po-ro-ko-re-te /prok(h)oreter/, standen. Interessant ist, dass auf lokaler Ebene der Begriff da-mo /da¯mos/ zu finden ist, der dem späteren dÞmos „Volk“ entspricht, und dass dieser dÞmos als Institution und Besitzer von Grundstücken auftritt und auch in Verbindung mit bestimmten Funktionären, wie etwa dem da-mo-ko-ro /damokoros/, dessen Funktion nicht klar ist, steht. Die Registrierung von Grundbesitz, Grundstücksverpachtungen und Nießbrauch an Landparzellen spielt in den Linear-B-Aufzeichnungen eine große Rolle. Auf der lokalen Ebene begegnen uns auch Funktionäre, die als qa-si-re-u /gwasileus/ bezeichnet werden, was dem späteren Titel basileffls „König“ entspricht. Diese Bedeutung nahm der Terminus aber erst in nachmykenischer Zeit an, als nach dem Wegfall des wana-ka mit seiner Palastadministration die lokalen basileîs die Spitzen der Gesellschaft darstellten. In den Linear-B-Texten finden sich aber auch Spuren der mittleren und unteren Gesellschaftsschichten. So sind nicht nur unzählige Ruderer, Handwerker oder Hirten verzeichnet, sondern auch große Arbeitsgruppen von Frauen und Kindern, die vor allem in der Textilproduktion und im Haushalt tätig waren und vom Palast mit Nahrungsmittelrationen versorgt wurden. Schließlich registrieren die Täfelchen auch Sklaven, die als do-e-ro /do(h)elos/ bzw. doe-ra /do(h)ela/ bezeichnet werden, was den späteren attischen Formen duˆlos bzw. dfflle entspricht. Wie diese Menschen in die Unfreiheit geraten waren, ist unklar, doch belegen einige Texte aus Knossos ihren Kauf bzw. Verkauf.
Linear-B-Tafel aus Pylos: PY Ab 553
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.A GRA 11 T 1 DA TA .B pu-ro , re-wo-to-ro-ko-wo 37 ko-wa 13 ko-wo 15 NI 11 T 1 Übersetzung: „(In) Pylos, Badeeingießerinnen: 37 Frauen, 13 Mädchen, 15 Knaben, (erhalten) Getreide: 1065,6 Liter, Feigen: 1065,6 Liter. DA TA.“ Kommentar: Die Abkürzungen DA und TA verzeichnen wohl Aufsichtspersonal, das für die Frauen zuständig war. Die Umrechnung der mykenischen Hohlmaße in heutige Maßsysteme ist unsicher, vielleicht sind die angegebenen Mengen auch nur halb so groß.
Besonders für die frühgriechische Wirtschaftsgeschichte liefern die LinearB-Texte wertvolle Informationen. Sie registrieren etwa die Besitzverhältnisse von Ländereien und Nutzungsrechte an bestimmten Grundstücken. In die-
Wirtschaft
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sem Zusammenhang überliefern sie etwa für die mykenische Zeit den Brauch, die Größe von Grundstücken durch die Angabe der zur Bestellung nötigen Saatgutmenge zu registrieren. Diese Messmethode, die im Altertum durchaus nicht unüblich war, hat den Vorteil, dass Ertragsunterschiede einzelner Landstriche besser als bei anderen Methoden zum Ausdruck gebracht werden können. Des Weiteren werden nicht nur die angebauten Nutzpflanzen – wie Getreide, Oliven, Feigen, Wein – und die Erträge einzelner Landstriche verzeichnet, sondern auch Details der landwirtschaftlichen Organisation. Es ist etwa zu erfahren, dass bestimmte Beamte für einzelne Anbauten verantwortlich waren, so beispielsweise der o-pi-su-ko /opisukos/, der „Aufseher über die Feigenpflanzungen“. Von großer Bedeutung war der Anbau von Ölbäumen, wobei die Oliven vor allem der Erzeugung von Olivenöl dienten, das nicht nur in der Küche Verwendung fand. Vielmehr bildeten die Erzeugung und auch der Export von parfümierten Ölen einen wichtigen Wirtschaftzweig des Palastes von Pylos und anderer Zentren. Gleiches gilt für die Tierhaltung, der ein großer Teil der Texte aus Knossos gewidmet ist. So sind etwa allein für Kreta ca. 100.000 Schafe registriert, wobei nicht nur Anzahl und Aufenthaltsort bestimmter Tiere sowie der jeweils verantwortliche Hirte genannt, sondern auch akribisch Geschlecht und Alter der Schafe registriert werden. Der Grund für die Schafzucht in derart großem Stil lag in der Gewinnung von Wolle, die dann zu den unterschiedlichsten Textilien verarbeitet wurde. Wie die Texte zeigen, stellten die Textilproduktion und der Handel mit Geweben den wichtigsten Wirtschaftszweig in Knossos dar.
Q
Linear-B-Tafel aus Knossos: KN Dd 1171 .A .B
OVISm 20 OVISf 72 po-ro / pa-i-to pa OVISm 8
Übersetzung: „(Der Hirte?) Poros (ist verantwortlich für) 20 männliche Schafe, 72 weibliche Schafe, 8 „alte“ männliche Schafe in Phaistos.“
Religion
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Auch andere Zweige des palatialen Wirtschaftslebens werden in den Texten angesprochen, so liest man von Metallen und ihrer Verarbeitung durch zahlreiche Schmiede, von Holzfällern und kunstvoll gefertigten Möbeln, von Streitwagen und Wagenmachern, von Töpfern und Vasen, von Schiffsbauern oder von Maurern. Interessant ist aber auch, welche Bereiche, deren Erwähnung man eigentlich erwarten könnte, in den Dokumenten keine Berücksichtigung finden. So fehlt etwa, um nur ein Beispiel aus dem landwirtschaftlichen Sektor anzuführen, jeder Hinweis auf den Anbau von Hülsenfrüchten, obwohl wir durch die Ergebnisse der archäobotanischen Forschung wissen, dass diese einen Hauptbestandteil der mykenischen Ernährung bildeten. Es scheint so, als ob die mykenischen Paläste nicht das ganze Wirtschaftsleben kontrollierten, sondern nur bestimmte Bereiche unter ihrer Obhut hatten. Von besonderer Bedeutung ist die Evidenz der Linear-B-Tafeln schließlich für die Religionsgeschichte. Zwar konnte man aufgrund der archäologi-
Frühe Schriftlichkeit
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schen Funde und Befunde, wie den Resten von Heiligtümern (etwa im sog. Kultzentrum im Palast von Mykene), Fresken oder Siegeldarstellungen religiösen Inhalts (Darstellungen von Gottheiten, übernatürlichen Wesen oder Kultdienern) oder diversem Kultgerät bereits vage Rückschlüsse auf Kult und Religion dieser Epoche, auf die Verehrung bestimmter übernatürlicher Wesen und einzelner Aspekte der Kultpraxis ziehen, doch vermögen erst die Linear-B-Inschriften konkretere Informationen zu liefern. So werden in den Texten bereits einige der aus späteren Epochen gut bekannten olympischen Gottheiten verzeichnet, so beispielsweise Zeus als di-wo /Diwos/ (Genitiv) bzw. di-we /Diwei/ (Dativ), Hera als e-ra /Hera/, Poseidon, offenbar die Hauptgottheit von Pylos, als po-se-da-o /Poseidaon/, Artemis als a-te-mi-to /Artemitos/ (Genitiv) bzw. a-ti-mi-te /Artemitei/ (Dativ), Hermes als e-ma-a2 /Hermahas/ oder Athene als a-ta-na-po-ti-ni-ja /Athana potnia/ (belegt im Dativ). Auch Dionysos, von dem man lange annahm, er sei erst später nach Griechenland gekommen, ist in der Form diwo-nu-so /Diwonusos/ inzwischen gut belegt. Einerseits fehlen aber auch später bekannte Gottheiten wie etwa Aphrodite oder Apollon (doch ist in der Form pa-ja-wo-ne, dem Dativ von *pa-ja-wo /Paiawon/, dessen späterer Beiname Paian belegt). Andererseits tauchen göttliche Wesen auf, die in den folgenden Epochen nicht mehr belegt sind. An erster Stelle muss hier po-ti-ni-ja /potnia/ die „Herrin“ genannt werden, die offenbar eine dominierende Rolle spielte, insofern als ihr auch ein Bereich der palatialen Wirtschaft unterstellt war. Gelegentlich taucht der Name po-ti-ni-ja auch in Verbindung mit anderen Begriffen auf (so vorhin auch im Fall von a-ta-na-po-tini-ja), etwa als si-to-po-ti-ni-ja /siton potnia/ „Herrin des Getreides“ oder in Knossos als da-pu2-ri-ti-jo po-ti-ni-ja /daburinthojjo potnia/ „Herrin des Labyrinths“ – ob es sich in diesen Fällen immer um dieselbe Göttin handelt, muss offenbleiben. Außerdem sind etwa mit di-wi-ja /Diwya/ und po-si-dae-ja /Posida(h)eia/ weibliche Entsprechungen für Zeus und Poseidon belegt, während andere Gottheiten ganz rätselhaft bleiben müssen, wie etwa pi-pitu-na, hinter der sich eine minoische Göttin verbergen mag. Auch die im Kult tätigen Personen werden verzeichnet, so etwa i-je-re-u /(h)iereus/ „Priester“, i-je-re-ja /(h)ierejja/ „Priesterin“, di-wi-je-u /diwyeus/ „Zeuspriester“, a-ne-mo i-je-re-ja /anemon (h)ierejja/ „Priesterin der Winde“. Bezeugt sind aber auch am Kult beteiligte Frauen und Männer, deren Funktion und Rang unklar bleibt, wie ka-ra-wi-po-ro / klawiphoros / „Schlüsselträgerin“ oder te-o-jo do-e-ro /the(h)ojo do(he)los/ „Gottessklave“. Schließlich registrieren die Texte auch zahlreiche Opfergaben – u. a. Wein, Honig, Tiere, mittels des Begriffes po-re-na vielleicht sogar Menschenopfer (sehr umstritten) – für einzelne Gottheiten oder in manchen Fällen auch pa-si-te-o-i /pansi the(h)oi(h)i/ „für alle Götter“. Doch nicht nur die religiösen Bezeichnungen, auch die Personennamen in den Texten – darunter so bekannte Namen wie a-ki-re-u „Achilleus“, e-ko-to „Hektor“ oder tu-we-ta „Thyestes“ (wobei die so bezeichneten Personen mit den berühmten Gestalten aus dem Mythos natürlich nichts zu tun haben) – sind für die Forschung von genauso großer Bedeutung wie die Ortsnamen – z. B. ko-no-so „Knossos“ oder pu-ro „Pylos“ – oder die Monatsnamen – z. B. po-ro-wi-to-jo (me-no) /plowistojjo menos/, vielleicht „Monat des Segelns“.
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Die mykenische Epoche
IV.
Trotz ihres eingeschränkten inhaltlichen Spektrums und ihres stichwortartigen Charakters bereichern also die Linear-B-Texte unser Wissen um die mykenische Kultur ungemein und eröffnen Einblicke, die auf der Grundlage der archäologischen Forschung allein nicht möglich wären.
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V. Die „dunklen Jahrhunderte“ und das homerische Zeitalter 1. Terminologie Die Bezeichnung „dunkle Jahrhunderte“ (dark ages) ist eine Schöpfung der modernen archäologischen Forschung. Die damit verbundene Vorstellung von kultureller Verarmung und Bedeutungslosigkeit, einem Mangel an gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Organisation sowie dem vollständigen Abbruch der Außenbeziehungen wird aber heute, da neue archäologische Forschungen ein differenziertes Bild dieser Epoche erlauben, von vielen Forschern abgelehnt, welche als Alternative die Benennung „Frühe Eisenzeit“ vorziehen. Die Quellenlage zur Erforschung dieses Zeitraums ist aufgrund der fehlenden Schriftzeugnisse aber nach wie vor ungenügend und unbefriedigend und erlaubt nur vage und spekulative Einblicke in viele Aspekte der Sozial-, Wirtschafts- oder Religionsgeschichte. Aus historischer Sicht hat die Bezeichnung der „dunklen Jahrhunderte“ also durchaus noch immer ihre Berechtigung. Der in der früheren deutschsprachigen Forschung anzutreffende Begriff des „griechischen Mittelalters“ ist hingegen problematisch und zu Recht nicht mehr in Gebrauch. Die sog. „dunklen Jahrhunderte“ umfassen die rund 500 Jahre vom Untergang der mykenischen Paläste (ca. 1200 v. Chr.) bis in „homerische Zeit“ bzw. zum Beginn der archaischen Periode (2. Hälfte 8. Jh. v. Chr.). Es ist dies eine Zeit, welche eine Brücke schlägt zwischen den bronzezeitlichen Palastkulturen und der Poliswelt des archaischen und klassischen Griechenland, eine Zeit, die durch vielfältige gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen geprägt ist. Archäologisch umfassen die sog. „dunklen Jahrhunderte“ die Periode SH III C (ca. 1200–1100 v. Chr.), die noch als Teil der mykenischen Epoche („nachpalatiale Periode“) aufgefasst wird, die submykenische Phase (ca. 1100–1050 v. Chr.), welche das endgültige Verlöschen der mykenischen Kultur erlebte, die protogeometrische (ca. 1050–900 v. Chr.) und die geometrische Periode (900–700 v. Chr.). Die beiden letztgenannten Bezeichnungen stammen aus der klassischen Archäologie und rühren von der charakteristischen, zeitgenössischen Vasenmalerei her. Typisch für die Gefäße der protogeometrischen Zeit sind konzentrische, mit Zirkeln und Mehrfachpinseln gezogene Kreise und Halbkreise. Die Vasenmalerei der geometrischen Epoche, welche wiederum in eine frühe, eine mittlere und eine späte Phase unterteilt werden kann, zeichnet sich durch umlaufende geradlinige Ornamente (Rauten-, Winkel-, Zickzackmuster) aus, wobei der Mäander das Hauptmotiv darstellt; im 8. Jh. v. Chr. finden sich wieder die ersten figürlichen Darstellungen von Menschen und Tieren.
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2. Die nachpalatiale Periode – SH III C Die Zerstörungen am Ende der Phase SH III B, welchen die mykenischen Paläste zum Opfer fielen, bedeuteten nicht das Ende der mykenischen Kul-
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Die „dunklen Jahrhunderte“
V. Transformation der Ägäiswelt
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tur, gleichwohl zeigte sich Griechenland danach in einem völlig veränderten Gesicht. Die komplexe mykenische Staatenwelt war verschwunden – überhaupt fehlte nun jede überregionale Herrschaftsform, die griechische Welt war in unzählige kleinere Gemeinwesen zersplittert. Verloren gingen die monumentale Repräsentationsarchitektur sowie die Hofkunst der Paläste, verloren ging binnen kürzester Zeit auch der Schriftgebrauch in Griechenland. Die Verwendung des Linear B war nämlich stets auf die Belange der Paläste beschränkt gewesen, und mit dem Wegfall dieser Strukturen entfiel der Bedarf an einer schriftlichen Fixierung wirtschaftlicher Vorgänge. Die materielle Kultur Griechenlands sank in fast allen Sektoren auf ein deutlich niedrigeres Niveau herab – einzig im Töpferhandwerk und in der Schmiedekunst – vor allem in der Produktion von Waffen – konnte an die Leistungen der vorangehenden Epoche angeknüpft werden. Der Charakter des archäologischen Fundmaterials bleibt aber mykenisch – trotz aller Veränderungen und Neuerungen (Violinbogenfibel, Naue-II-Schwert, handgemachte geglättete Keramik), die zwar teilweise schon vor den Zerstörungen greifbar sind, jetzt aber vermehrt auftraten. Nicht nur die Paläste als Zentren der mykenischen Staatenwelt, auch zahlreiche kleinere Siedlungen waren von den Zerstörungen betroffen, viele Siedlungsplätze wurden aber auch ohne Zerstörung aufgegeben. Nicht nur die Gesamtzahl der bewohnten Ortschaften ging drastisch zurück, auch innerhalb einzelner Ansiedlungen ist ein klarer Bevölkerungsrückgang erkennbar. Besonders deutlich zeigt sich in Messenien eine dramatische Entvölkerung. Auch in Lakonien oder Thessalien ging die Bevölkerung zurück, in Boiotien wurde das Kopaisbecken, da das ausgefeilte Kanalisationssystem nun verfiel, wieder überschwemmt bzw. versumpfte von Neuem. Viele Bewohner des Festlandes verließen ihre Siedlungen und zogen an die Küste oder auf die Inseln. Auf den Ionischen Inseln, den Kykladen, der Dodekanes und Zypern kam es daher im Gegensatz zu anderen Gegenden zu einem deutlichen Bevölkerungsanstieg und zur Neugründung von Siedlungen, so etwa des Ortes Koukounaries auf Paros. Doch auch einige Gemeinwesen auf dem Festland erlebten – besonders um die Mitte des 12. Jh. v. Chr. – nochmals eine Nachblüte. In Mykene lassen sich Ausbesserungsarbeiten feststellen, und in Tiryns wurde nicht nur über dem alten Megaron das sog. „Gebäude T“ als repräsentativer Neubau errichtet, sondern man baute auch die Unterburg großflächig aus. Die Funde in einem dort festgestellten Heiligtum erlauben überdies Einblicke in das religiöse Leben dieser Epoche. Auch in Palaiokastro in Arkadien oder in Pellana in Lakonien fanden sich florierende Gemeinwesen, einige Städte an der Küste des östlichen Festlandbereiches, wie Perati, Lefkandi oder Asine, erlebten ebenfalls eine Blütezeit und entwickelten weit reichende Handelskontakte. Dass es aber trotz allem unruhige Zeiten waren, dies zeigt sich etwa auf Kreta, wo sich viele Menschen in schwer erreichbare Höhensiedlungen zurückzogen. Bei der Bestattung der Toten wurden alte Kammergrabnekropolen weiterbelegt, aber auch neue Gräberfelder angelegt. Teilweise verwendete man auch alte Tholoi erneut als Grablege, doch errichtete man keine neuen Kuppelgräber mehr. Die Verbrennung der Toten kam nun, wenn sie auch kein neues Phänomen war, häufiger vor.
Ein „Zeitalter der Wanderungen“
V.
Doch kam es bald zu neuen Zerstörungen, wiederum ging die Bevölkerung zurück, und um die Mitte des 11. Jh. v. Chr. verlosch die mykenische Kultur endgültig – Griechenland trat nun wirklich in die sog. „dunklen Jahrhunderte“ ein.
3. Ein „Zeitalter der Wanderungen“ Die sog. „dunklen Jahrhunderte“ waren geprägt von massiven Bevölkerungsverschiebungen. Von der massiven Entvölkerung Griechenlands nach dem Untergang der Paläste und der Abwanderung vieler Menschen auf die Kykladen und nach Zypern war bereits die Rede. Nach den erneuten Zerstörungen am Ende der Phase SH III C kam es nochmals zu einem Bevölkerungsrückgang. In das entstandene Vakuum drangen dorische Stämme aus Nordwestgriechenland vor. Diese sog. „dorische Wanderung“ findet ihren Widerhall im antiken Mythos von der Rückkehr der Herakliden, der Söhne des Herakles. Archäologisch ist die „dorische Wanderung“ schwer fassbar, dies hat dazu geführt, dass wiederholt an ihrer Historizität gezweifelt wurde, doch besteht aus sprachgeschichtlichen Gründen dazu kein Anlass. Kein Zusammenhang ist allerdings, wie bereits erwähnt, zwischen dem Eindringen dorischer Stämme in ihre historischen Siedlungsgebiete im Süden Griechenlands und dem Untergang der mykenischen Paläste gut 150 Jahre früher zu sehen. Eine zweite Wanderbewegung, die ebenfalls durch die Verteilung der griechischen Dialekte in historischer Zeit bestätigt wird, ist die sog. „ionische Wanderung“, die ab dem 11. Jh. v. Chr. stattgefunden hat, und in deren Verlauf ein großer Abschnitt der kleinasiatischen Westküste – das spätere Ionien – kolonisiert wurde. In der antiken Überlieferung wird sie mit der Auswanderung festländischer Griechen nach Kleinasien unter der Führung der Söhne des athenischen Königs Kodros in Verbindung gebracht, als deren Ursache ein Streit um die Königswürde gilt. Zwar ist bei der Beurteilung der literarischen Quellen von Manipulationen im Interesse der attischen Politik in klassischer Zeit auszugehen, doch wird die Herkunft der Ionier aus Attika von vielen Forschern akzeptiert – an dieser Kolonisation haben aber ohne Zweifel auch Griechen anderer Gegenden, wie Achaia oder Messenien, teilgenommen. Das so kolonisierte Gebiet war für die Siedler kein absolutes Neuland, bestanden doch seit mykenischer Zeit intensive Kontakte – die Stadt Milet war sogar seither ununterbrochen von Griechen besiedelt gewesen, die Neuankömmlinge sind in diesem Fall also nur als „Aufstockung“ einer hier bereits lange lebenden griechischen Bevölkerung zu betrachten. Bereits vor der „ionischen Wanderung“ waren im Rahmen einer auch als „aiolische Wanderung“ bezeichneten Kolonisation bestimmte Landstriche Kleinasiens besiedelt worden, die anschließend teilweise an die ankommenden Ionier abgetreten wurden. Als ursprüngliche Heimat der Aioler ist genauso wie im Fall der nach Mittelgriechenland gezogenen Boioter das nordgriechische Thessalien anzunehmen. Einen Abriss der Wanderungsbewegungen in Griechenland zur Zeit der sog. „dunklen Jahrhunderte“ gibt auch der Geschichtsschreiber Thukydides.
Dorische Wanderung
Ionische Wanderung
Aiolische Wanderung
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Die „dunklen Jahrhunderte“
V.
Q
Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Kriegs 1, 12 Gab es doch auch nach dem Troischen Krieg in Hellas noch lauter Wanderungen und Neugründungen, so dass es nicht in Ruhe wachsen konnte. So brachte die Heimkehr der Hellenen aus Ilion, nach so langer Zeit, manchen Umsturz, und häufig gab es in den Städten Bürgerkrieg, und die Verbannten siedelten sich anderwärts an. Sodann wurden die heutigen Boioter sechzig Jahre nach der Einnahme von Ilion durch die Thessaler aus Arne vertrieben und ließen sich nieder im jetzigen Boiotien, das früher das Kadmeische Land hieß (nur ein Splitter von ihnen hatte schon vorher in diesem Land gewohnt, von denen kamen die Kämpfer vor Troia). Und die Dorier eroberten im achtzigsten Jahr mit den Herakliden den Peloponnes. Nur mühsam und langsam kam Hellas zu Ruhe und Stetigkeit und konnte, als die Vertreibungen aufhörten, die Tochterstädte anlegen; Ionien wie auch die meisten Inseln wurden von Athen aus, Italien und Sizilien meist vom Peloponnes und der oder jener andern Hellenenstadt besiedelt. Alle diese Gründungen sind später als der Troische Krieg.
Verbreitung der griechischen Dialekte
Phoiniker
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Für alle diese Bevölkerungsbewegungen gilt, dass man sich unter diesen Ereignissen keine Völkerwanderungen im Sinne großer in Bewegung geratener Menschenmassen vorstellen darf, die womöglich unter Waffengewalt neues Land in Besitz genommen hätten. Vielmehr erstreckten sich diese Prozesse über einen langen Zeitraum, der die Auswanderung vieler kleiner Menschengruppen erlebte. Das Ergebnis der hier nur kurz skizzierten Wanderungen war die geographische Verteilung der griechischen Dialekte in historischer Zeit – abgesehen natürlich von der noch weiteren Verbreitung des Griechischen durch die weiter unten zu behandelnde sog. „große griechische Kolonisation“. Dorisch sprach man in großen Teilen der Peloponnes (Lakonien, Messenien, Argolis, Korinthia, Megaris), auf Kreta, den Inseln der Südägäis (z. B. Melos oder Rhodos) und im südlichen Teil der kleinasiatischen Westküste. Das eng verwandte Nordwestgriechische wurde auf der Peloponnes (Elis, Achaia), in Akarnanien, Aitolien, Lokris, Phokis, Phthiotis, Doris und auf den Inseln Kephallenia, Ithaka und Zakynthos) gesprochen. In Arkadien bediente man sich dagegen eines eng mit dem Kyprischen verwandten Dialekts, der große Ähnlichkeiten mit dem Mykenischen aufweist. Offenbar haben sich in den unruhigen Zeiten nach dem Untergang der mykenischen Kultur etliche Mykenisch sprechende Griechen in diese isolierte Gegend zurückgezogen. Das Aiolische wurde im nördlichen Abschnitt der kleinasiatischen Westküste, auf der Insel Lesbos, in Thessalien und Boiotien gesprochen. Das Attische und das eng verwandte Ionische schließlich waren in Attika, auf Euboia, im mittleren Teil der kleinasiatischen Westküste samt den vorgelagerten Inseln sowie auf etlichen Kykladeninseln gebräuchlich. Es waren aber nicht nur die Griechen, die während der sog. „dunklen Jahrhunderte“ für sich neuen Lebensraum erschlossen. Ausgehend von den phoinikischen Stadtstaaten an der Levanteküste erfasste eine phoinikische Kolonisationswelle den gesamten Mittelmeerraum, die sich zunächst auf die Metallvorkommen in Zypern, Kreta, Sardinien und auf der Iberischen Halbinsel konzentrierte. Mit den Griechen standen die Phoiniker dabei stets
Die Gesellschaft
V.
Abb. 6: Verteilung der griechischen Dialekte in historischer Zeit.
in Kontakt. Die Phoiniker gründeten zahlreiche feste Niederlassungen, bei denen es sich um am Meer gelegene Städte mit Stadtmauer, Heiligtum und Friedhof handelte. Das Hinterland wurde in der Regel nicht erschlossen. Die wichtigste phoinikische Niederlassung im Westen – die Überlieferung datiert ihre Gründung in das Jahr 814 / 13 v. Chr. – war Karthago im heutigen Tunesien, das von der Stadt Tyros aus gegründet wurde. Karthago selbst wurde zur Mutterstadt zahlreicher Kolonien und entwickelte sich zu einer führenden See- und Handelsmacht, die schließlich von den Römern zerstört wurde (punische Kriege).
4. Die Gesellschaft der „dunklen Jahrhunderte“ Nach dem Untergang der mykenischen Palaststaaten waren in Griechenland keine überregionalen politischen Gebilde mehr anzutreffen. Vielmehr war das Leben in den sog. „dunklen Jahrhunderten“ auf kleinere, regionale Strukturen – Siedlungen und Siedlungsverbände – beschränkt, deren Lebensgrundlage Ackerbau und Viehzucht bildeten. Bedeutsam war das vermehrte Auftreten von Eisen in der protogeometrischen Epoche, das zunächst vor allem für Schmuck, dann für Waffen und Gebrauchsgegenstände verwendet wurde. Völlig ersetzte das Eisen die Bronze jedoch nicht.
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Die „dunklen Jahrhunderte“
V. basileffls
Lefkandi
Die Gesellschaft war durchaus sozial strukturiert, an der Spitze der Personenverbände mögen oft herausragende Männer gestanden haben, die mit einer aus dem Mykenischen überkommenen Bezeichnung als basileffls angesprochen worden sein dürften. Ihre Vorrangstellung haben diese Männer weniger aufgrund Abstammung, als vielmehr aufgrund ihres Besitzes eingenommen. Eine der wichtigsten archäologischen Fundstellen dieser Epoche, die als Grablege eines dieser lokalen „Fürsten“ angesprochen werden kann, ist in Lefkandi auf Euboia zu Tage getreten. An dieser Stelle hatte schon während der Bronzezeit eine florierende Siedlung bestanden, die nach den Unruhen im 12. Jh. v. Chr. und einer Umbruchs- und Krisenzeit um 1100 v. Chr. einen beachtlichen Aufschwung erlebte. Die Bedeutung der Siedlung lässt sich vor allem den reichen Funden der Nekropolen entnehmen, wo Keramik, Schmuck und Metallgeräte zu Tage traten, darunter zahlreiche qualitätvolle Importe aus dem Vorderen Orient. Dies zeigt, dass die Menschen der sog. „dunklen Jahrhunderte“ in Griechenland keinesfalls isoliert lebten, sondern durchaus Kontakte zu den anderen zeitgleichen Kulturen unterhielten. Den bedeutendsten Befund in Lefkandi stellt das sog. „Heroon“ dar, ein gut zehn Meter breites und etwa 45 Meter langes Apsidenhaus, das in mehrere Räume unterteilt war. Eine Pfostenreihe im Inneren des Hauses
Abb. 7: Das sog. „Heroon“ von Lefkandi (Rekonstruktionszeichnung).
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Die Gesellschaft stützte ein Satteldach, um das Haus herum lief wohl ein von Pfosten gestütztes Vordach. In diesem Haus, das um die Mitte des 10. Jh. v. Chr. zu datieren ist, wurden zwei Gräber entdeckt, in dem einen fand man die Skelette von vier Pferden, in dem anderen stieß man auf das Skelett einer Frau sowie die verbrannten Überreste eines Mannes in einer bronzenen Urne. Der Frau waren Schmuckstücke aus Gold, Bronze und Eisen sowie ein eisernes Schwert mitgegeben worden, neben der Urne des Mannes fanden sich ein Eisenschwert, ein Schleifstein sowie ein eisernes Rasiermesser als Grabbeigaben. Nach der Bestattung wurde das Haus zerstört und von einem aufgeschütteten Hügel (Tumulus) überdeckt. Ob das Gebäude vor der Verwendung als Grab auch als Wohnhaus benutzt wurde, ist in der Forschung umstritten, ebenso ob beide Bestattungen gleichzeitig erfolgten, und ob die Frau ihrem Mann vielleicht freiwillig ins Grab gefolgt ist oder gar geopfert wurde. Mit größerer Sicherheit kann man davon ausgehen, dass die vier Pferde den Leichenwagen gezogen hatten und anschließend geopfert wurden. Die gesamte Bestattung hat viele Forscher an Begräbnisse in den homerischen Epen, besonders die Leichenfeierlichkeiten zu Ehren des gefallenen Patroklos im 23. Buch der Ilias, erinnert. Die monumentale Grablege des „Fürsten“ von Lefkandi und die damit verbundene Zurschaustellung von Macht und Reichtum stellt bisher eine Ausnahmeerscheinung im früheisenzeitlichen Griechenland dar. Die Wohnhäuser der lokalen „Aristokratie“ an anderen Orten nehmen sich um vieles bescheidener aus, so etwa das größte Haus (Unit IV-1) der protogeometrischen Siedlung von Nichoria in Messenien. Schwierig ist es, Aussagen über das religiöse Leben dieser Zeit zu treffen, da diese einzig auf der Interpretation archäologischer Befunde (z. B. Heiligtümer) und Funde (z. B. Kultgerät oder Votivgaben) beruhen. Im Zentrum der wissenschaftlichen Diskussion steht vor allem die Frage nach der Kontinuität von der mykenischen zur archaischen Zeit. Was die verehrten Götter betrifft, so wurde bereits erwähnt, dass etliche der olympischen Gottheiten des 1. Jt. v. Chr. bereits in den Linear-B-Texten auftauchen (wie Zeus, Hera, Poseidon, Artemis, Athena, Hermes, Ares oder Dionysos). Andere später wichtige Gottheiten dagegen fehlen in den mykenischen Dokumenten, so etwa Apollon oder Aphrodite. Beide haben wohl im Laufe der sog. „dunklen Jahrhunderte“ in Griechenland eine Heimat gefunden, wobei Aphrodite vermutlich aus dem Osten nach Hellas gekommen ist, während die Verehrung des Apollon womöglich von den Dorern eingeführt wurde. Gleichzeitig gerieten andere, in mykenischer Zeit verehrte Gottheiten (z. B. di-ri-mi-jo, ma-na-sa oder pi-pi-tu-na) in Vergessenheit. Unklar ist in vielen Fällen auch die frühe Geschichte der Heiligtümer und Kultorte. Nur selten ist eine Kontinuität der Kultausübung von der Bronzezeit bis in archaische Zeit oder noch länger eindeutig zu erweisen. Ein solcher Fall ist etwa die Idäische Grotte auf Kreta, der berühmteste Kultort der Insel in der Antike. Hierher soll der neugeborene Zeus gebracht worden sein, um ihn vor seinem Vater Kronos zu schützen, hier wurde er von der Ziege Amaltheia gesäugt, während die Kureten, eine Gruppe von Dämonen, durch das Geklirre ihrer Waffen das Geschrei des Kindes übertönten. Der Kult an diesem Ort setzte in der Zeit der älteren minoischen Paläste ein und dauerte bis in die römische Kaiserzeit an, seine größte Blüte erlebte er jedoch im frühen 1. Jt.
V.
Religion
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Die „dunklen Jahrhunderte“
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Olympia und die olympischen Spiele
Hellenen und Barbaren
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v. Chr. Ein anderes Beispiel ist das Apollonheiligtum von Kalapodi – hier lässt sich eine fortwährende Kultpraxis zumindest bis in die Phase SH III C zurückverfolgen. Andere Heiligtümer wurden während der sog. „dunklen Jahrhunderte“ neu gegründet, so etwa im 11. Jh. v. Chr. das berühmte Heiligtum von Olympia im Tal des Flusses Alpheios in der Landschaft Elis im Westen der Peloponnes. Olympia war zunächst nur ein regionales Zentrum des Zeuskultes, gewann dann als Orakelstätte überregionale Bedeutung und wurde schließlich als Austragungsort der alle vier Jahre stattfindenden olympischen Spiele ein Anziehungspunkt für Besucher aus der gesamten griechischen Welt. Als traditionelles Anfangsdatum der olympischen Spiele, an denen lange Zeit nur Hellenen teilnehmen durften, gilt das Jahr 776 v. Chr., mit dem die Zählung der Olympiaden, die einzige gemeinsame Chronologie der griechischen Welt, begann. Als Olympiaden bezeichnete man – anders als dies heute fälschlicherweise geschieht, wenn man die Spiele selbst als „Olympiade“ bezeichnet – den Zeitraum von vier Jahren zwischen einem „Festspiel“ in Olympia zum nächsten. Die letzten olympischen Spiele fanden im Jahr 393 n. Chr. statt. Bereits von Beginn an soll während der Spiele sowie auf der An- und Abreise der Athleten und Besucher eine heilige Waffenruhe geherrscht haben. Als erster Sieger im Stadionlauf, der vornehmsten Disziplin, ist ein gewisser Koroibos aus Elis überliefert. Andere Disziplinen, wie der Faustkampf, der Ringkampf, das Pankration („Allkampf“) oder der Fünfkampf (Pentathlon), traten später hinzu. Diese Wettkämpfe wurden wegen der Nacktheit der teilnehmenden Athleten als gymnische Agone – von gymnós „nackt“ (vgl. auch Gymnasium, Gymnastik) – bezeichnet. Ab 680 v. Chr. sind auch hippische – von híppos „Pferd“ – Disziplinen, bei denen Reittiere zum Einsatz kamen, durchgeführt worden. Musische Wettkämpfe, wie sie bei anderen Wettspielen üblich waren, wurden in Olympia nicht ausgetragen. Außer in Olympia wurden Wettspiele auch von bzw. bei anderen überregional bedeutenden Heiligtümern ausgetragen. So genannte panhellenische („allgriechische“) Wettkämpfe waren die pythischen Spiele in Delphi, die isthmischen Spiele bei Korinth und die nemeischen Spiele in Nemea. Alle diese Spiele wurden später – allerdings auch bereits in archaischer Zeit – begründet und stehen in ihrer Bedeutung hinter den olympischen Spielen zurück. Da die Sieger bei den panhellenischen Spielen als Siegesprämie Kränze erhielten, wurden diese Wettkämpfe auch Kranzagone genannt. Die Gewinner erlangten jedoch nicht nur Ruhm und Ehre, sondern wurden in ihren Heimatstädten auch mit diversen Privilegien und Preisen geehrt. Ganz besonderen Ruhm konnten sich schließlich jene Athleten erwerben, die in ihrer Disziplin innerhalb eines Umlaufs (períodos) alle vier panhellenischen Agone gewinnen konnten, diese Sportler wurden Periodoniken genannt. Das gegenseitige Kräftemessen und der Wettkampf besaßen in der griechischen Kultur jedenfalls stets einen großen Stellenwert. Dieses sog. agonale Prinzip betraf dabei nicht bloß den Sport, sondern beeinflusste alle Lebensbereiche. Im Zusammenhang mit der Herausbildung der panhellenischen Agone könnte man erste Anfänge eines sich entwickelnden Zusammengehörig-
Das griechische Alphabet
V.
keitsgefühls der Griechen bzw. eines Bewusstseins des gemeinsamen Griechentums erkennen wollen, doch lässt sich ein ausgeprägter Panhellenismus erst im 5. Jh. v. Chr. in Folge der Auseinandersetzung mit dem Perserreich greifen. Herodot (8, 144) betonte die gleichen religiösen Überzeugungen, die gleiche Lebensweise und die Verwendung der griechischen Sprache als verbindende Faktoren. Wer anders lebte und vor allem die griechische Sprache nicht beherrschte, galt als Barbar. Diese Bezeichnung, die in anderen Sprachen, wie im Sumerischem oder im Sanskrit, ihre Parallelen hat, soll nach einer weit verbreiteten Erklärung daher rühren, dass die Laute, welche diese Menschen hervorbrachten, in griechischen Ohren wie bar-bar klangen. Die Griechen selbst bezeichneten sich wohl ab etwa 700 v. Chr. als Hellenen, ein Begriff, der in den homerischen Epen als Name eines nordgriechischen Stammes diente. Als Sammelbezeichnungen für die Griechen gebrauchte Homer vielmehr die Termini Achaier (am häufigsten), Danaer und Argiver (am seltensten). Die deutsche Bezeichnung „Griechen“ – und mit ihr der Name der Griechen in den meisten europäischen Sprachen – leitet sich vom lateinischen Graeci ab, mit dem die Römer zunächst die griechischen Kolonisten in Italien bezeichneten. Dieser Begriff geht wiederum auf das griechische Graikoí zurück, das wohl vom Namen der Bewohner einer bestimmten Gegend in der nordwestgriechischen Landschaft Epeiros abhängt.
5. Das griechische Alphabet Mit dem Untergang der mykenischen Paläste war in Griechenland die Kenntnis der Schrift verloren gegangen. Das mag auf den ersten Blick erstaunen, doch war die Verwendung des Linear-B-Syllabars in so starkem Maße von den Belangen der Palastverwaltungen abhängig gewesen, dass nach deren Wegfall kein Bedarf und auch offenbar kein Interesse mehr an einem weiteren Schriftgebrauch geherrscht haben. Dies blieb so für die nächsten vierhundert Jahre. Erst um 800 v. Chr. – über die genaue Datierung herrscht in der Forschung allerdings keine Einigkeit – begannen die Griechen wieder zu schreiben. Die Schrift, die sie nun verwendeten, war keine Silbenschrift mehr, wie noch in mykenischer Zeit, sondern eine Alphabetschrift, die mit viel weniger Zeichen in der Lage war, alle gesprochenen Inhalte genau zu notieren. Das griechische Alphabet war eine Neuschöpfung auf der Grundlage des phoinikischen Alphabets, das die Griechen durch ihren intensiven Kontakt mit den Phoinikern kennen gelernt hatten. Das phoinikische Alphabet selbst wurde aus dem proto-kanaanitischen (proto-semitischen) Alphabet entwickelt, das seinen Ursprung wiederum in den Lautzeichen der ägyptischen Hieroglyphen hat. Das phoinikische Alphabet bildete nicht nur den Ausgangspunkt für die Schaffung des griechischen Alphabets, von ihm leitete sich auch das aramäische Alphabet ab, welches den Grundstock für die
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Die „dunklen Jahrhunderte“
V.
meisten anderen semitischen Schriften legte, darunter die hebräische und die arabische. Die große Leistung der Griechen war es, das phoinikische Alphabet, das eine reine Konsonantenschrift war, der eigenen Sprache anzupassen. Das bedeutete vor allem, nicht benötigte Konsonantenzeichen bestimmten Vokalen zuzuordnen. Von den Phoinikern wurde auch die Reihenfolge und die Namen der Buchstaben übernommen, aus Aleph, Beth, Gimmel, usw. wurden Alpha, Beta, Gamma, etc. Ebenso wurde die linksläufige Schreibrichtung – also von Rechts nach Links – übernommen, doch kam bald auch die furchenwendige Schreibung – also der Wechsel der Schreibrichtung nach jeder Zeile (bustrophedón, eigentlich: „wie der Ochse sich dreht“) – auf. Erst nach dem 4. Jh. v. Chr. scheint diese beliebte Schreibart aus der Mode gekommen zu sein. Von den ältesten Schriftzeugnissen an begegnet uns aber auch schon die rechtsläufige Schrift, die sich schließlich durchsetzte. Im Gegensatz zu unserer heutigen Schrift bestand das Griechische zu diesem Zeitpunkt nur aus Großbuchstaben, und es besaß keine Worttrennung (scriptio continua). Es ist unklar, wo das phoinikische Alphabet für die griechische Sprache adaptiert wurde. Vorgeschlagen hat man Orte in Kleinasien oder im Nahen Osten (etwa den syrischen Handelsplatz Al Mina, wo sich schon früh Griechen niedergelassen hatten) genauso wie die Inseln Zypern, Kreta oder Euboia. Eine sichere Entscheidung lässt sich derzeit nicht treffen. Vermutlich kann man aber davon ausgehen, dass diese Übernahme zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer Stelle vorgenommen wurde, und dass es nicht zu mehreren „Erfindungen“ des griechischen Alphabets an unterschiedlichen Orten zu verschiedenen Zeiten gekommen ist. Den phoinikische Ursprung ihrer Schrift haben die Griechen nie ganz vergessen, und noch der Geschichtsschreiber Herodot (5, 58) spricht im 5. Jh. v. Chr. von den phoinikeía grámmata, von den „phoinikischen Buchstaben“. Er verlegt aber die Übernahme der Schrift in mythische Zeit zurück und bringt sie mit Kadmos zusammen, der auf der Suche nach seiner von Zeus entführten Schwester Europa von Phoinikien nach Boiotien kommt.
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Herodot, Historien 5, 58 Diese mit Kadmos nach Griechenland eingewanderten Phoiniker […] haben durch ihre dortige Ansiedlung viele Wissenschaften und Künste zu den Griechen gebracht, unter anderem auch die Schrift, die die Griechen, wie ich glaube, bis dahin nicht kannten. Anfangs benutzten die Kadmeier die gleichen Buchstaben wie alle anderen Phoiniker. Später aber veränderten sie im Laufe der Zeit mit der Sprache auch die Form der Buchstaben. Nachbarn der Kadmeier in den meisten Gegenden waren damals die Ionier. Diese übernahmen durch Unterweisung die Buchstaben von den Phoinikern, bildeten sie im Gebrauch ein wenig um und nannten sie „phoinikische Buchstaben“, was recht und billig war; denn die Phoiniker hatten sie ja in Griechenland eingeführt. Ebenso nennen die Ionier seit alters her ihre Bücher „Häute“, weil sie einst in Ermangelung von Papyros Ziegen und Schafshäute verwendeten. Noch in unserer Zeit schreiben viele Barbarenvölker auf derartige Häute.
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Das griechische Alphabet Der Geschichtsschreiber Herodot (ca. 485–425 v. Chr.) stammte aus dem kleinasiatischen Halikarnassos. Die antike Tradition berichtet, er habe seine Heimatstadt aus politischen Gründen verlassen müssen, sei dann aber wieder zurückgekehrt, um ihr im Streit mit seinen Mitbürgern erneut den Rücken zu kehren. Nach ausgedehnten Forschungsreisen – etwa nach Ägypten, nach Babylonien und ins Schwarzmeergebiet – und einem Aufenthalt in Athen, wo er in den Kreis um den Politiker Perikles Eingang fand, wanderte er in die neu gegründete süditalienische Kolonie Thurioi aus, in der er schließlich auch starb. Sein Werk, die von alexandrinischen Philologen in neun Büchern eingeteilte Histories Apodeixis („Darlegung der Erkundung“, meist als Historien bezeichnet), ist eine weit ausholende Darstellung der griechisch-persischen Konflikte bis zum Jahr 479 v. Chr., in welche viele, oft umfangreiche historische, geographische und ethnographische Exkurse sowie Erzählungen, Novellen und Anekdoten eingeschoben sind. Cicero (leg. 1,5) bezeichnete ihn, der als Erster eine umfassende Darstellung historischer Ereignisse verfasst hat, als Vater der Geschichtsschreibung (pater historiae). Wenn ihn ein Teil der modernen Forschung als einen unzuverlässigen Fabulierer abgetan hat, der seine Quellen erfunden und seine Forschungsreisen nie unternommen hätte, so ist dieses Urteil trotz aller sachlichen Fehler und Ungenauigkeiten der Darlegung, die den zeitgenössischen Auffassungen der Geschichtsschreibung wie auch der künstlerischen Konzeption des Werkes geschuldet sein können, ungerechtfertigt.
Motivation zur Entwicklung einer griechischen Schrift mögen – wie in den meisten Fällen bei der Einführung einer Schrift – wirtschaftliche Belange gewesen sein, doch handelt es sich bei den ersten bekannten Zeugnissen um rein private, oft auch poetische Äußerungen. Zu diesen frühesten Belegen für griechischen Schriftgebrauch zählen die sog. Dipylonkanne aus Athen und der sog. Nestorbecher aus Pithekoussai (Ischia), welche beide Versinschriften tragen. Bei der sog. Dipylonkanne, die in der Nekropole nahe dem Dipylontor in Athen gefunden wurde, handelt es sich um eine Weinkanne (Oinochoe), die mit der Darstellung eines Reigentanzes verziert ist. Sie trägt die Inschrift:
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Früheste Zeugnisse
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„Wer nun von allen Tänzern am anmutigsten (tanzt und) spielt, der möge (diesen Krug erhalten).“ Der sog. Nestorbecher, ein mit geometrischem Dekor verziertes Trinkgefäß (Kotyle), stammt wohl aus Rhodos, wurde aber in einer Nekropole auf der Insel Ischia gefunden. In das Gefäß ist folgende Inschrift geritzt: „Des Nestors Becher [bin ich ?], aus dem sich gut trinken lässt. Wer aus diesem Becher trinkt, den wird sogleich Verlangen ergreifen, (die Gabe) der schön bekränzten Aphrodite.“ Dieser Text bezieht sich auf das Trinkgefäß des pylischen Königs Nestor, das Homer in seiner Ilias (Hom. Il. 11, 632 ff.) beschreibt.
Exkurs: Zur weiteren Geschichte der griechischen Schrift Erstaunlich rasch hat sich die neue Schrift dann in alle Gegenden der griechischen Welt verbreitet, auch in die griechischen Niederlassungen im Westen. Dabei hat sich auch schnell ein breites Spektrum regional unterschiedlicher Varianten entwickelt. Nach Unteritalien ist die Schrift in der
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Form des Alphabets von Chalkis auf Euboia gelangt. Dieses Alphabet wurde damit zum Ausgangspunkt der italischen Schriften, vor allem über etruskische Vermittlung des lateinischen Alphabets, und somit zur Grundlage des heutigen westeuropäischen Schriftsystems. Im Osten nahm im Laufe des 5. Jh. v. Chr. dagegen immer mehr das ostionische Alphabet überhand, dessen Verwendung unter dem Archonten Eukleides 403 / 2 v. Chr. in Athen obligatorisch wurde. In der Folgezeit setzte es sich immer mehr durch und verdrängte allmählich die anderen Alphabete. Ebenso entwickelten sich ab dem 4. Jh. v. Chr. diverse Lesehilfen, wie etwa die Satzinterpunktion oder die Akzente zur Unterscheidung der Intonation, die auf den alexandrinischen Gelehrten Aristophanes von Byzanz (3. / 2. Jh. v. Chr.) zurückgehen. Erst in byzantinischer Zeit entwickelte sich aus der spätantiken Alltagsschrift (Kursive) die Minuskel, für welche die ersten literarischen Beispiele aus dem 7. Jh. n. Chr. stammen. Im 9. Jh. n. Chr. wurden dann die meisten antiken literarischen Texte in die Minuskel umgeschrieben. Was man nicht transkribierte, ging verloren. Im 10. Jh. diente die griechische Schrift als Grundlage zur Schaffung des kyrillischen Alphabets.
6. Homer und seine Welt Die Geschichte der griechischen Literatur – und damit die europäische Literaturgeschichte überhaupt – beginnt mit einem Paukenschlag, stehen doch am Beginn der Überlieferung zwei monumentale Werke, die inzwischen über mehr als zweieinhalb Jahrtausende hinweg Kunst und Kultur beeinflusst haben, nämlich die beiden Homer zugeschriebenen Versepen Ilias und Odyssee. a) Ilias Das ältere der beiden Epen, die Ilias (der Name ist wie bei fast allen Werken frühgriechischer Literatur nicht vom Autor selbst gegeben, sondern eine spätere Erfindung), umfasst 24 Bücher mit insgesamt knapp 15.700 Versen und bringt eine Episode aus dem Sagenkreis um die kleinasiatische Stadt Troia, die auch Ilios bzw. Ilion genannt wird. Der Dichter erzählt aber nicht den ganzen Mythos, sondern von der zehn Jahre dauernden Belagerung der Stadt wird nur ein Zeitraum von 51 Tagen aus dem letzten Kriegsjahr geschildert. Dies stellte für das damalige Publikum kein Problem dar, denn jeder kannte den Mythos mit all seinen verästelten Nebengeschichten. Die Erzählung von Paris, der im Streit zwischen den drei Göttinnen Hera, Athena und Aphrodite der Letzteren den goldenen Apfel zusprach, welcher der Schönsten gebühren sollte, war genauso Gemeingut wie der Fortgang der Geschichte: Aphrodite hatte Paris, dem troianischen Königssohn, die schönste sterbliche Frau zur Gattin versprochen, worauf dieser Helena, die Gemahlin des spartanischen Königs Menelaos, raubte und heim nach Troia führte. Dies provozierte einen gewaltigen Feldzug der griechischen Könige unter der Führung Agamemnons, des Herrschers von Mykene und Bruders
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des Menelaos, nach Kleinasien – das Epos nennt 1086 Schiffe, die gegen Troia zogen. Doch kam es lange Zeit zu keiner Entscheidung, erst nach zehnjähriger Belagerung führte die List des griechischen Helden Odysseus, in einem Holzpferd versteckte Krieger in die umkämpfte Stadt zu schmuggeln („Troianisches Pferd“), zum Untergang Troias. Die genaue Kenntnis des Mythos konnte der Schöpfer der Ilias voraussetzen, wenn er seine Geschichte erzählte, die – wie er in den Eingangszeilen sagt – vom Groll des Helden Achilleus handeln sollte. Homer, Ilias 1, 1–7
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Singe, Göttin, den Zorn des Peleiaden Achilleus, Der zum Verhängnis unendliche Leiden schuf den Achaiern Und die Seelen so vieler gewaltiger Helden zum Hades Sandte, aber sie selbst zum Raub den Hunden gewährte Und den Vögeln zum Fraß – so wurde der Wille Kronions Endlich erfüllt –, nachdem sich einmal im Zwiste geschieden Atreus’ Sohn, der Herrscher des Volks, und der edle Achilleus.
Wie kam es zu dem angesprochenen Streit und dem daraus resultierenden Groll, und was waren seine Folgen? Um eine Pest im Lager der Griechen, die Apollon geschickt hat, abzuwehren, muss Agamemnon die Tochter des Apollonpriesters Chryses, die ihm als Kriegsbeute zugefallen ist, an ihren Vater zurückgeben. Als Ersatz verlangt er nun das Mädchen Briseis, welches zuvor Achilleus, dem König der Myrmidonen, als Beute zugesprochen worden ist. Als er sich mit dieser Forderung durchsetzt, zieht sich Achilleus zutiefst gekränkt und grollend aus dem Kampfgeschehen zurück. Die Troianer gewinnen daraufhin die Oberhand, können die Griechen in ihr Lager zurückdrängen und erreichen sogar deren Schiffe. Auch eine Bittgesandtschaft der Griechen an Achilleus bleibt erfolglos. Nun aber greift Patroklos, der Freund des Achilleus, in dessen Rüstung gekleidet in die Kämpfe ein, und er vermag die Troianer bis an die Stadtmauer zurückzuwerfen. Er wird aber von Hektor, dem Sohn des Königs Priamos und größten Helden der Troianer, getötet. Als Achilleus vom Tod seines Freundes hört, vergisst er seinen Groll und denkt nur mehr an Rache. Vom Gott Hephaistos erhält er – da Hektor seine Waffen erbeutet hat – eine neue Rüstung und zieht wieder in den Kampf, wo er ein Blutbad unter den Troianern anrichtet. Den Höhepunkt des Epos bildet der Zweikampf zwischen Achilleus und Hektor, in dem der Troianer den Tod findet. In seinem rasenden Zorn schleift der Myrmidone den Leichnam Hektors um die Mauern der Stadt. Nach den ausführlich geschilderten Leichenspielen für Patroklos sucht der greise Priamos, von Hermes geleitet, Achilleus auf und erwirkt die Auslösung seines Sohnes – er darf den Leichnam des gefallenen Helden schließlich mitnehmen und würdig bestatten. So steht ein Akt der Versöhnung am Ende des Epos. Der berühmteste Übersetzer der homerischen Epen ins Deutsche ist Johann Heinrich Voß (1751–1826), ein Freund Goethes, der auch selbst als Dichter hervorgetreten ist. Als Philologe leistete er wichtige Beiträge zum Studium der antiken Mythologie, zudem stammen von ihm neben seiner Homerübertragung Übersetzun-
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gen anderer antiker Autoren wie Hesiod, Theokrit, Vergil, Ovid, Tibull oder Properz, aber auch der Werke William Shakespeares. Wenn es mittlerweile auch exaktere und leichter verständlichere Übertragungen der homerischen Epen ins Deutsche geben mag – etwa von Wolfgang Schadewaldt –, werden hier doch die Übersetzungen der Ilias (1793) und Odyssee (1781) von Johann Heinrich Voß verwendet, da diese durch die Kraft ihrer Sprache Generationen deutscher Dichter und Schriftsteller beeinflusst haben.
b) Odyssee Die jüngere Odyssee ist ebenfalls in 24 Bücher gegliedert und umfasst gut 12.000 Verse. Geschildert wird eine Geschichte aus dem Erzählkomplex der Nostoi, der Heimfahrten der griechischen Helden von Troia, nämlich die zehn Jahre dauernde Heimkehr des Odysseus, wobei die tatsächlich dargestellte Handlung nur die letzten vierzig Tage umfasst.
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Homer, Odyssee 1, 1–9 Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes, Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troia Zerstörung, Vieler Menschen Städte gesehn und Sitte gelernt hat, Und auf dem Meere so viel’ unnennbare Leiden erduldet, Seine Seele zu retten, und seiner Freunde Zurückkunft. Aber die Freunde rettet’ er nicht, wie viel er sich mühte, Denn sie schufen sich selbst durch Missetat ihr Verderben; Toren! welche die Rinder des Sonnenbeherrschers Aßen; aber der Gott nahm ihnen den Tag der Zurückkunft.
Wiederum gibt der Dichter in den ersten Versen eine Inhaltsangabe seines Werkes, doch ist diese Schilderung des Inhalts unvollständig, denn bereits zur Hälfte des Epos ist der Held in seine Heimat Ithaka zurückgekehrt, die zweiten zwölf Bücher schildern dann, wie er sein Haus und seinen Besitz wiedererlangt. Am Anfang steht die Schilderung der Verhältnisse auf Ithaka: Seit mittlerweile zwanzig Jahren ist der König Odysseus nun abwesend, die Hoffnung auf seine Rückkehr haben die meisten schon längst aufgegeben, und seine Frau Penelope wird von zahlreichen Freiern bedrängt, sich für einen von ihnen zu entscheiden, der dann der neue König des Landes werden soll. Die ersten vier Bücher der Odyssee schildern, wie sich der junge Sohn des Odysseus, Telemachos, von Athena veranlasst, auf die Reise zu ehemaligen Kampfgefährten seines Vaters nach Pylos und Sparta macht, um dort etwas über die Taten und den Verbleib des Odysseus zu erfahren. Im fünften Buch rückt dann Odysseus selbst, der inzwischen seit mehreren Jahren als Geliebter der Nymphe Kalypso auf der Insel Ogygia festgehalten wird, in den Mittelpunkt der Schilderung. Auf Geheiß des Götterboten Hermes muss Kalypso ihren Geliebten nun ziehen lassen, der sich mit einem Floß auf die Heimfahrt macht. Ein von Poseidon, dem göttlichen Widersacher des Helden, geschickter Seesturm wirft ihn aber auf die Insel Scheria, wo die Phaia-
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ken wohnen. Am Hof des gastfreundlichen Königs Alkinoos erzählt Odysseus die Geschichte seiner Irrfahrten – durch diesen geschickten Rückgriff in der Erzählung werden die Ereignisse vom Fall Troias bis zum Aufenthalt auf Ogygia nachgetragen. Geschildert wird der Kampf mit den Kikonen und die Begegnung mit den Lotophagen, den Lotosessern, die durch den Verzehr dieser Pflanze auf alles andere vergessen, sowie die Episode um den Kyklopen Polyphem, der von Odysseus getäuscht und geblendet wird. Odysseus erzählt des Weiteren vom Windgott Aiolos und dem Windsack, den er den Reisenden schenkt, den Laistrygonen, einem Volk Menschen fressender Riesen, und der Zauberin Kirke, die seine Gefährten in Schweine verwandelt, und mit welcher der Held nach der Rückverwandlung seiner Männer ein Liebesverhältnis eingeht. Außerdem berichtet er von seinem Abstieg in die Unterwelt, von den Sirenen, die mit ihrem Gesang Seeleute in ihr Verderben locken, vom Seeungeheuer Skylla und dem Tod bringenden Strudel der Charybdis und schließlich von den Geschehnissen auf der Insel Thrinakia. Während Odysseus schläft, schlachten seine Kameraden hier nämlich die heiligen Rinder des Sonnengottes Helios, wofür alle mit ihrem Leben bezahlen müssen. Nur Odysseus selbst wird verschont und landet schließlich bei Kalypso. Im zweiten Teil der Odyssee versucht Odysseus, der von Athena in einen alten Bettler verwandelt wird, sein Haus und das Vertrauen seiner Frau zurückzugewinnen. Gemeinsam mit seinem Sohn Telemachos, dem er sich offenbart, kann er die Freier überwinden und nach der berühmten Bogenprobe töten. Höhepunkt des Werkes bildet das 23. Buch, in dem er sich nach langer Abwesenheit seiner zunächst zweifelnden Ehefrau zu erkennen gibt. Der Besuch auf dem Landgut des Laërtes, des Vaters des Odysseus, und die Aussöhnung mit den Verwandten der getöteten Freier im letzten Buch beschließen dann das Epos. c) Der Dichter und sein Werk In der Antike herrschte kein Zweifel an der tatsächlichen Existenz eines Dichters namens Homer, wenngleich manche Gelehrte (sog. Chorizonten) ab hellenistischer Zeit dessen Autorschaft beider Epen zu bezweifeln begannen. Obwohl man wenig Sicheres über das Leben Homers wusste, sind aus der römischen Kaiserzeit mehrere fiktive Lebensbeschreibungen des Poeten erhalten, und verschiedene Städte stritten darum, sein Geburtsort zu sein, darunter Smyrna und Chios. Dass Homer aus dem aiolisch-ionischen Kleinasien stammte, kann jedenfalls als sicher gelten. Man nahm an, dass er blind gewesen sei, und dass er mit den Unterschichten verkehrt habe. Der Dichter der Ilias und der Odyssee hat aber genaue Kenntnisse aristokratischer Lebensformen besessen und stand sicherlich dem Adel nahe. Auch seine angebliche Blindheit ist reine Fiktion. Die moderne Homer-Forschung hat jedoch generelle Zweifel an der Historizität der Person Homers geäußert und viele Fragen aufgeworfen: Ist überhaupt von einem Dichter als Schöpfer beider Epen auszugehen oder stellen diese – wie schon die Chorizonten vermuteten – vielmehr das Werk zweier oder gar mehrerer Poeten dar, welche die Epen über einen längeren Zeitraum zusammenstellten? Welche Rolle spielte die Schriftlichkeit bei der
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Entstehung von Ilias und Odyssee? Und wann ist die schriftliche Fixierung der beiden Werke anzusetzen? Ansätze der jüngeren Forschung, die Entstehungszeit von Ilias und Odyssee sehr spät anzusetzen, gehen vermutlich fehl. Vieles spricht dafür, dass an der traditionellen Datierung der beiden Epen in die zweite Hälfte des 8. Jh. v. Chr. festzuhalten ist. Die Ilias als das ältere Werk ist demnach um 740 / 30 v. Chr. entstanden, die jüngere Odyssee wohl um 700 v. Chr. Es ist davon auszugehen, dass beide Epen zu dieser Zeit jeweils von einem einzigen Dichter konzipiert und schriftlich niedergelegt wurden – wenngleich es später noch zu einzelnen Einschüben kam. Ob es in beiden Fällen derselbe Dichter war, ist nicht leicht zu entscheiden. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Werken, doch sollte man auch nicht die mögliche Entwicklung und Wandlungsfähigkeit eines Künstlers im Verlauf von 30–40 Jahren außer Acht lassen. Es spricht also nichts zwingend gegen die Richtigkeit der alten Auffassung eines einzigen Schöpfers von Ilias und Odyssee. Ob dieser jedoch tatsächlich den Namen Homer trug, kann nicht mehr entschieden werden. Natürlich konnten Werke wie Ilias und Odyssee nur vor dem Hintergrund einer zum Zeitpunkt ihrer Abfassung bereits langen epischen Tradition entstehen. In der Forschung besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass mündliche Heldendichtung, die von den großen Leistungen herausragender Männer (kléa andrôn) kündete, schon während der Bronzezeit bestanden hat – selbstverständlich ist sie damals noch nicht schriftlich fixiert worden, wozu die Linear-B-Schrift auch gänzlich ungeeignet gewesen wäre. Vielmehr wurden die Geschichten mündlich überliefert und von professionellen Sängern vorgetragen. Einen solchen Sänger (aoidós), den Demodokos am Hof des Phaiakenkönigs, porträtiert Homer im achten Buch der Odyssee.
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Homer, Odyssee 8, 484 ff. Und sie erhoben die Hände zum lecker bereiteten Mahle. Aber nachdem die Lust an Trank und Speise gestillt war, Sprach zu Demodokos drauf der erfindungsreiche Odysseus: Wahrlich, vor allen Menschen, Demodokos, achtet mein Herz dich! Dich hat die Muse gelehrt, Zeus’ Tochter, oder Apollon! So, zum Erstaunen genau besingst du der Danaer Schicksal, Alles, was sie getan und erduldet im mühsamen Kriegszug, Gleich, als hättest du selbst es gesehen oder vernommen. Fahre nun fort und singe des hölzernen Rosses Erfindung, Welches Epeios gebaut mit Hilfe der Pallas Athene, Und zum Trug in die Burg geführt der edle Odysseus, Mit bewaffneten Männern gefüllt, die Troja bezwangen. Wenn du mir jetzt auch das erzählst, recht wie es sich zutrug, Siehe, dann will ich sofort es allen Menschen verkünden, Daß ein waltender Gott den hohen Gesang dir verliehn hat. Sprach’s, und der Sänger, erfüllt vom Gott, begann mit dem Tage, Da das Heer der Achaier in schöngebordeten Schiffen Stach in die See, nachdem sie Brand ins Lager geworfen.
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Homer und seine Welt Diese Sänger trugen nicht nur auswendig gelernte Lieder vor, vielmehr wurden ihre Texte im Rahmen der jeweiligen Darbietung neu formuliert. Wie vor allem die bahnbrechenden Forschungen von Milman Parry und Albert Lord zur mündlich überlieferten Dichtung (oral poetry) zeigten, bedienten sich die Sänger dabei als Hilfsmittel einer stark formelhaften, zu einem guten Teil aus vorgefertigten Formulierungen, Versen und Szenen bestehenden Sprache. Im Falle der homerischen Epen betrifft dies etwa die immer wieder gebrauchten schmückenden Beiwörter (Epitheta ornantia), die zwar ihre Bezugsperson charakterisieren, zur konkreten Situation aber in keiner Verbindung stehen müssen, wie etwa „die rosenfingrige Morgenröte“, „der schnellfüßige Achilleus“ oder „der hochdonnernde Zeus“. Ebenso kehren in vergleichbaren Situationen immer die gleichen Formulierungen wieder, so etwa „was für ein Wort entfloh dem Gehege deiner Zähne?“ oder die Wendung „und sie erhoben die Hände zum lecker bereiteten Mahle“. Gerade Szenen wie die Bewirtung von Gästen oder die Rüstung eines Kriegers zum Kampf laufen stets – auch wenn einzelne Formulierungen dem konkreten Fall angepasst sind – nach demselben Schema ab. Typisch für den homerischen Stil sind auch das Gleichnis – wenn etwa der Held Diomedes im fünften Buch der Ilias (87 ff.) mit einem reißenden Fluss verglichen wird – und die ausführliche Beschreibung eines Gegenstandes (Ekphrasis). Das bekannteste Beispiel einer Ekphrasis stellt die Beschreibung des neuen Schildes dar (Hom. Il. 18, 483 ff.), den Achilleus von Hephaistos erhält. Ohne direkten Bezug zur Handlung des Epos werden da detailliert zwei Städte beschrieben, die eine im Frieden, die andere im Krieg – dargestellt sind etwa ein Hochzeitsfest, eine Volksversammlung, die Belagerung einer Stadt und das damit verbundene Kriegsgeschehen, die Landarbeit und vieles mehr. Auffällig sind auch die langen Kataloge in der Ilias, wie etwa der Schiffskatalog mit der Aufzählung der am Kampf beteiligten griechischen und troianischen Kontingente im 2. Buch oder die sog. Mauerschau (Teichoskopie) im 3. Buch, bei der Helena dem troianischen König Priamos die griechischen Haupthelden zeigt. Dies ist im zehnten Kriegsjahr natürlich wenig plausibel, zeugt aber vom Vorhaben des Dichters, seinem Publikum trotz der behandelten kurzen Episode die wesentlichen Punkte des Kampfgeschehens vor Troia zu verdeutlichen. Die Gesellschaft, welche Homer schildert, ist die instabile Welt von Kriegern mit ihren ständigen Rivalitäten um Ruhm und Besitz. Im Mittelpunkt der Epen stehen Helden und Könige, die ihre Legitimation einerseits durch ihre edle, oft sogar göttliche Abstammung, andererseits durch militärische Tüchtigkeit und Reichtum, der in den Epen mit dem Besitz von Land und Herden gleichgesetzt wird, erhalten. Im Rahmen des geschilderten „adligen Lebensstils“ spielen gemeinsame Gastmähler, der sportliche Wettkampf gegeneinander sowie Gastfreundschaft und Gabentausch eine wesentliche Rolle. Die Welt der freien Bauern, welche die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, wird nur am Rande erwähnt. Grundlage der Gesellschaft – sowohl der oberen wie der unteren Schichten – bildet stets der oîkos, der Haushalt, dem nicht nur die Familie des Hausherrn, sondern alle zum Hauswesen gehörigen Menschen und Besitztümer, also etwa auch die Sklaven, angehörten. Die homerischen Epen kennen bereits ein ausgeprägtes System der Sklaverei, sie erzählen von unfreien Männern wie Frauen, welche im
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Homerische Gesellschaft
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Weiterwirkung
Historizität der Epen
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Haushalt wie in der Landwirtschaft die verschiedensten Tätigkeiten verrichten müssen. Zwischen Herren und Sklaven herrschen zum Teil enge persönliche Beziehungen (sog. patriarchalische Sklaverei), doch schützt dies die Unfreien nicht vor harter Arbeit und strenger Bestrafung. In die Unfreiheit gelangt sind diese Menschen auf unterschiedliche Weise: In der Ilias spielt die Kriegsgefangenschaft die dominierende Rolle, es wird geschildert, wie bei der Eroberung von Städten die Männer meist getötet werden, während man die Frauen und Kinder versklavt. In der Odyssee ist dagegen die Kaufsklaverei üblich, wobei die Betroffenen durch Menschenraub in die Unfreiheit geraten, so etwa Eumaios, der Sklave des Odysseus. Eine wichtige Rolle spielen in den Epen die Götter (sog. Götterapparat). So löst etwa die Intervention Apollons zugunsten seines Priesters Chryses überhaupt erst die Handlung der Ilias aus, während Zeus lange Zeit die Troianer stärkt, um so die Rache des Achilleus für seine gekränkte Ehre zu unterstützen. Auch in direkten Zweikämpfen werden die Helden häufig von bestimmten Gottheiten unterstützt. Die Menschen sind dem Willen der Götter in der Ilias hilflos ausgeliefert, in der Odyssee ändert sich dies, und die Akteure werden nun verantwortlich für ihr Handeln, sie können sich selbst für Gut oder Böse entscheiden und werden dementsprechend belohnt oder bestraft. Dadurch ergibt sich ein weiterer Unterschied: Während in der Ilias das Streben nach Ruhm und Ehre und die Vermeidung von deren Verlust – sowie die schrecklichen Folgen übertriebenen Ehrgefühls – die Hauptmotive bilden, geht es in der Odyssee um die Problematik von Schuld und Sühne. Sänger, welche Epen in der homerischen Tradition vortrugen, bildeten einen wichtigen Teil der griechischen Kultur, sie traten im Rahmen von herrschaftlichen Gastmählern oder an öffentlichen Orten anlässlich von Festen oder Versammlungen auf. Mit der Verschriftlichung der homerischen Epen endete aber die Zeit der freien Improvisation, vielmehr traten nun Rezitatoren an die Stelle der schöpferischen Sänger. Als Nachlasspfleger Homers fungierten vor allem die sog. Homeridai von der Insel Chios, die ihre Abstammung direkt auf Homer zurückführten und als fahrende Sänger bis in spätklassische / hellenistische Zeit die griechische Welt bereisten und die homerischen Texte vortrugen. Um 520 v. Chr. kam es in Athen unter dem Tyrannen Hipparchos, dem Sohn des Peisistratos, zu einer Redaktion der Epen (sog. peisistratidische Redaktion) – wenn man auch nicht von der Schaffung eines „Staatsexemplars“ sprechen kann. Diese Texte verloren in Griechenland nie ihre immense Bedeutung, auch noch in späterer Zeit bildeten sie stets die Grundlage der Bildung. Geht man an eine historische Auswertung der homerischen Epen, muss man im Auge behalten, dass die „homerische Welt“ realiter niemals existiert hat, sie vielmehr als eine rein literarische Welt ein Phantasieprodukt des Dichters darstellt, der vage Rückerinnerungen an die Zeit der mykenischen Paläste, Reminiszenzen an die Welt der sog. „dunklen Jahrhunderte“ und Elemente seiner eigenen Zeit zu einem kunstvollen Ganzen verwebt. Jede historische Analyse dieser Texte bewegt sich daher zwangsläufig auf unsicherem Boden. Doch kann wohl davon ausgegangen werden, dass manche „nebenher“ geschilderte Aspekte des sozialen Lebens, vor allem aber vermittelte Werte und Moralvorstellungen, den Gegebenheiten und vorherrschenden Ansichten des 8. Jh. v. Chr. entsprechen.
Homer und seine Welt Was bedeutet dies aber für die Frage nach der möglichen Historizität der geschilderten Ereignisse? Für die Menschen der Antike gab es keinen Zweifel daran, dass der troianische Krieg tatsächlich stattgefunden hat, und man bemühte sich auch, zu einer exakten Datierung dieses Ereignisses zu gelangen. Dabei waren mehrere Vorschläge im Umlauf, von denen die meisten den Krieg in das 13. oder 12. Jh. v. Chr. setzten. Allmählich hat sich von diesen dann die Datierung des Eratosthenes auf 1184 / 3 v. Chr. (FGrH 241 F 1) durchgesetzt. Auch für Heinrich Schliemann, der – angeleitet von Homer – die Siedlung von Troia entdeckte, bestand an der Geschichtlichkeit der Auseinandersetzung zwischen Griechen und Troianern kein Zweifel. Heinrich Schliemann (1822–1890) war zunächst als Kaufmann zu Reichtum gekommen und hatte dann beschlossen, sein Leben der Archäologie zu widmen. In den Jahren 1871 bis 1890 führte er – nach Vorarbeiten des Amerikaners Frank Calvert – auf dem Hügel von Hisarlık Ausgrabungen durch und identifizierte die dort aufgefundene prähistorische Siedlung, in der er auf einen spektakulären frühbronzezeitlichen Schatzfund (sog. Schatz des Priamos) stieß, mit dem homerischen Troia. Zwar wurden Schliemann, der auch in Mykene, Tiryns, Orchomenos und auf Ithaka Ausgrabungen unternahm, von späteren Archäologen die unsystematischen und unbekümmerten Methoden seiner ersten Grabungen vorgehalten, doch hat er sich in späteren Jahren durchaus um die Entwicklung wissenschaftlicher Ausgrabungsmethoden bemüht, was ihn ebenso auszeichnet wie seine unermüdliche Publikationstätigkeit. Die Grabungen in Troia führte nach Schliemanns Tod zunächst sein ehemaliger Assistent Wilhelm Dörpfeld fort, von 1932 bis 1938 war der amerikanische Archäologe Carl Blegen, der später auch den mykenischen Palast von Pylos ausgrub, in Troia tätig. Darauf folgte eine Unterbrechung in der Erforschung dieses Siedlungsplatzes, ehe im Jahr 1988 der Tübinger Prähistoriker Manfred Korfmann erneut Grabungen aufnahm, nach Korfmanns Tod übernahm Ernst Pernicka die Leitung des Projekts.
V. Der troianische Krieg
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Die moderne Forschung diskutiert die Frage nach der Historizität des troianischen Krieges aber kontrovers und nimmt meist eine durchaus skeptische Haltung ein. Zur Lösung dieses Problems muss zunächst der Ausgrabungsbefund von Troia betrachtet werden: Bereits auf Wilhelm Dörpfeld geht die Einteilung der Stratigraphie des antiken Troia in 9 Städte zurück, Troia I – IX, wenngleich die Anzahl der tatsächlich festzustellenden Schichten größer ist. Die Schichten Troia I bis V gehören der frühen Bronzezeit an, die Schichten VI bis VII b 2 gehören in die mittlere und späte Bronzezeit. Die Schicht Troia VIII – das griechische Ilion – gehört bereits in das 1. Jt. v. Chr. und umfasst die Zeit von der archaischen Periode bis zur hellenistischen Epoche, Troia IX ist schließlich das römische Ilium. Als Kandidaten für das „homerische Troia“ gelten die Schichten Troia VI und VIIa. Kern der Siedlung von Troia VI (ca. 1750–1300 v. Chr.) war die befestigte Burg, die von einer Unterstadt, welche ebenfalls durch eine Befestigung geschützt war, umgeben war. Leider ist das Zentrum der Burg dieser Phase nicht mehr rekonstruierbar, da es bei der Errichtung von Troia IX abgetragen wurde, und auch die Bebauung der Unterstadt ließ sich bisher nur unzureichend greifen. Als die Stadt am Ende der Phase Troia VI durch ein Erdbeben zerstört wurde, baute man sie umgehend wieder auf. Die Befestigungsmauern der Burg wurden weiter ausgestaltet, in der Unterstadt hat man anscheinend neue Häuser errichtet, und vielleicht wurde die Siedlungsfläche sogar ver-
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größert. Am Ende der Phase Troia VIIa (1300–1180 v. Chr.) stand eine Brandzerstörung, die durch kriegerische Ereignisse verursacht worden sein könnte, doch weisen die Befunde nicht eindeutig auf eine Eroberung hin. Umstritten ist die Bedeutung der Siedlung von Troia. Sie als prunkvolle Residenzstadt und bronzezeitliche Handelsmetropolen zu sehen, ist sicherlich übertrieben, doch kann sie als ein regionales Zentrum gelten. Ein anderer Streitpunkt ist die Frage nach der Erwähnung von Troia in den hethitischen Quellen, konkret um die Termini TaruiÐaund WiluÐa, die manche Forscher mit den Bezeichnungen Troia und Ilios gleichsetzen möchten. Als zusätzliches Argument für diese Deutung wird angeführt, dass ein Herrscher von WiluÐanamens AlakÐandubelegt ist, den man als Alexandros (Paris) interpretiert. Ob diese Gleichsetzungen zulässig sind, ist jedoch umstritten. Was bedeuten diese Befunde für den Mythos vom troianischen Krieg? Dass es sich bei der Ausgrabungsstätte von Hisarlık um jenen Ort handelt, welcher den Schauplatz der Ilias bildet, steht zweifelsfrei fest. Doch selbst wenn man die Zerstörung von Troia VIIa, welche chronologisch erstaunlich genau mit den antiken Daten zum Fall Troias zusammenfällt, mit feindlicher Einwirkung in Verbindung bringt, so ist doch gänzlich unwahrscheinlich, dass zu diesem Zeitpunkt ein großer Feldzug stattfand, der von mehreren mykenischen Königen organisiert wurde. Schließlich hatten um diese Zeit – bzw. ein wenig früher – auch die mykenischen Paläste selbst ein gewaltsames Ende gefunden. Am ehesten ist es daher vorstellbar, dass Troia VIIa durch die sog. Seevölker, zu denen sich auch Griechen gesellt haben mögen, ein Ende gefunden hat. Ein troianischer Krieg jedoch, wie er in der Ilias geschildert wird, hat nie stattgefunden.
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Neben den beiden Epen überliefert die Tradition eine Reihe weiterer Werke, welche Homer zugeschrieben werden. Doch stammt keine dieser Schriften, unter denen die Epenparodien Margites und Batrachomyomachie (Froschmäusekrieg) sowie 33 Götterhymnen zu nennen sind, tatsächlich aus der Feder des Dichters von Ilias und Odyssee.
7. Hesiod Eine ganz andere Welt als die homerische tritt uns in den Werken Hesiods entgegen. Während die Gestalt Homers, wie gezeigt wurde, kaum greifbar ist, stellt Hesiod den ersten europäischen Dichter dar, der auch als historische Person fassbar ist. Aufgrund von Angaben in seinem Werk wissen wir, dass Hesiod um 700 v. Chr. – also zur selben Zeit, als die homerische Odyssee entstand – im boiotischen Askra lebte und arbeitete, wohin sein Vater aus dem kleinasiatischen Kyme gekommen war. Hesiod führte anscheinend das Leben eines Bauern, der – so berichtet er – von den Musen selbst zur Dichtung berufen wurde, als er eines Tages am Berg Helikon Schafe hütete. Diese Dichterweihe durch höhere Wesen rechtfertigt seine poetische Tätigkeit, die eben in seiner Gesellschaftsschicht nicht selbstverständlich gewesen zu sein scheint. Er widmete sich jedoch nicht, wie Homer, der Heldenepik, vielmehr ist Hesiod als Begründer des Lehrgedichts von Bedeutung.
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Hesiod Von den zahlreichen Werken, welche ihm die Überlieferung zuschreibt, sind nur zwei sicher authentisch: die Theogonie (Götterentstehung) und die Erga kai hemerai (Werke und Tage). Die Theogonie beschreibt die Entstehung der Götter und die Verteilung ihrer Aufgabenbereiche vom Anfang, an dem es nur Chaos (den leeren Raum) gab, aus dem Gaia (Erde) und Eros (Liebe) entstanden, bis zu den olympischen Gottheiten. An die Darstellung der Götterehen schließt sich eine Schilderung der Verbindungen zwischen Göttern und Menschen an, welche in der Überlieferung in den sog. Frauenkatalog übergeht, eine Auflistung bedeutender Frauen des Mythos. Dieser Frauenkatalog, wie auch der Schluss der Theogonie, stammen aber offensichtlich nicht mehr von Hesiod selbst. Auffällig sind die Parallelen, welche die Geschichten der Theogonie mit orientalischen Mythen aufweisen. Die weitere Wirkung des Werkes war beachtlich, Hesiod wurde mit Homer zum wichtigsten Bezugspunkt der späteren griechischen Dichtung, und im 5. Jh. v. Chr. schreibt noch Herodot (Hdt. 2, 53), dass Hesiod und Homer es gewesen wären, die den Stammbaum der Götter in Griechenland aufgestellt, ihnen ihre Beinamen gegeben, die Ämter und Ehren unter sie verteilt und ihre Gestalt klargemacht hätten. Für den Historiker ist das zweite Sachepos Hesiods, die Werke und Tage (wobei der Schluss, die Tage, immer wieder für nicht authentisch gehalten wurden), von fast größerem Interesse. Keinesfalls wird es diesem Werk gerecht, wenn es – wie dies bisweilen geschieht – als ein bloßer „Bauernkalender“ bezeichnet wird.
Hesiod, Werke und Tage 570 ff.
V. Theogonie
Werke und Tage
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Wenn aber die Hausträgerin vom Boden die Gewächse hinauf kriecht und die Pleiaden flieht, dann grabe nicht länger im Weinberg, nein, schärfe die Sicheln und scheuche die Knechte! Schluss mit schattigen Sitzen und Schlaf in den hellen Tag zur Zeit der Ernte, wenn Helios die Haut dörrt! An diesen Tagen spute dich, stehe früh auf und bringe die Feldfrucht ein, damit du reichlich Vorrat hast. Der Morgen nämlich schenkt dir ein Drittel des Tagwerks, der Morgen bringt dich in Weg und Werk voran, der Morgen, dessen Erscheinen viele Menschen auf die Straßen führt und vielen Rindern das Joch auflegt. Blüht dann die Distel, sitzt die Zikade schrillend im Baum und gießt endlos helle Töne nieder, unter den Flügeln hervor, zur Zeit des lähmenden Sommers, dann sind die Geißen am fettesten und der Wein am besten, sind die Frauen am geilsten, die Männer am schlappsten, weil ihnen der Sirius Haupt und Knie dörrt und ihr Leib im Gluthauch verschmachtet. Da nun suche Schatten am Fels und Thrakerwein, Gerstenbrot mit Milch von entwöhnten Ziegen, Fleisch einer Kuh, die frisches Laub geweidet und noch nicht gekalbt hat, oder von Erstlingszicklein. Dazu trinke feurigen Wein,
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Die „dunklen Jahrhunderte“
V.
gelagert im Schatten, das Herz mit Speise gesättigt, das Gesicht dem wehenden Zephyr zugewandt. Von der ständig sprudelnden Quelle, die gut abfließt und sich nicht eintrübt, schöpfe drei Teile Wasser, als vierten aber gib Wein zu.
Zwar enthalten die Werke und Tage auch Anweisungen, welche Tätigkeiten zu welchen Zeiten und an welchen Tagen am besten erledigt werden sollen, sowie allgemeine Lebensregeln, doch werden auch Betrachtungen angestellt über den guten und den schlechten Streit (Eris), die Gerechtigkeit und die Arbeit. Eingebettet sind darin mythologische Erzählungen, wie der Prometheusmythos, die Geschichte der Pandora oder der Mythos der Weltalter, der den Abstieg von einem goldenen Zeitalter bis zu einem eisernen, welches die Gegenwart bildet, zum Inhalt hat. Gerichtet ist die Mahnung zum rechten Leben, welche den Grundtenor des Werkes bildet, an Perses, den Bruder Hesiods, der den Dichter in einem Erbschaftsstreit durch die Bestechung der zuständigen Richter übervorteilen wollte oder dies bereits getan hatte.
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Hesiod, Werke und Tage 694 ff. Im richtigen Alter führe ein Weib in dein Haus, wenn du nicht mehr viel unter dreißig Jahren oder noch nicht weit darüber bist. Da passt dein Alter zur Heirat. Die Frau aber sei vier Jahre schon mannbar und heirate im fünften. Nimm nur eine Jungfrau, die du rechten Wandel lehren kannst, heirate die am liebsten, die in deiner Nachbarschaft wohnt, und sieh dich rings gründlich um, damit du nicht den Nachbarn zum Vergnügen freist. Ein Mann gewinnt ja nichts Besseres als eine gute Gattin, nichts Schauerlicheres aber als eine schlechte, eine fressgierige. Die versengt ihren Mann, und sei er noch so kräftig, ohne Fackel und lässt ihn vorzeitig altern.
Auffallend ist das schlechte Frauenbild, das bei Hesiod an verschiedenen Stellen zum Ausdruck gebracht wird und im klaren Gegensatz zum homerischen Bild der Frau steht. Gleichzeitig nimmt es eine deutlich misogyne Tendenz der nachfolgenden archaischen Literatur voraus, die etwa im sog. Weiberiambos des Simonides ihren Höhepunkt findet. Wie sind diese Verachtung der Frau und die Angst vor der weiblichen Sexualität in der frühgriechischen Literatur zu erklären? Ein Grund mag im derben Humor des vorwiegend männlichen Publikums dieser Dichtung gelegen haben, ein anderer vielleicht in der Angst des Mannes, bei der Hochzeit eine Ehefrau ins Haus zu bekommen, die nicht in der Lage oder willens war, ihren notwendigen Arbeitsbeitrag zum Überleben des Haushalts in harten und entbehrungsreichen Zeiten zu leisten. Diese Angst konnte zusätzlich dadurch geschürt werden, dass viele Männer zum Zeitpunkt der Hochzeit ihre Bräute kaum kannten. Schließlich mag auch der große Altersunterschied bei grie-
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Hesiod
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chischen Ehen, wie er auch aus der abgedruckten Textstelle kenntlich wird, bewirkt haben, dass sich oft kein tieferes emotionales Verhältnis zwischen den Eheleuten entwickeln konnte. Hesiod hat, wie er berichtet, einmal in Chalkis auf der Insel Euboia an einem Sängerwettstreit teilgenommen, der zu Ehren des verstorbenen Fürsten Amphidamas ausgetragen wurde. Hesiod gewann diesen Wettbewerb und weihte seinen Siegespreis, einen Dreifuß, den helikonischen Musen. An solchen Wettbewerben hat wahrscheinlich auch der Schöpfer von Ilias und Odyssee teilgenommen. Fiktiv ist freilich die Schilderung eines Aufeinandertreffens von Homer und Hesiod im Rahmen eines Sängerwettstreits, den ein späterer, namentlich nicht bekannter Autor in seinem Certamen Homeri et Hesiodi schildert. Dabei sei Hesiod der Sieg zugesprochen worden, weil er nicht von Mord und Krieg, sondern von Ackerbau und Frieden gesungen habe.
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VI. Die archaische Epoche 1. Einführung Terminologie
Chronologie
Griechenland und der Orient
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Jene Periode der griechischen Geschichte, welche der klassischen Zeit Griechenlands vorangeht, wird als archaische Epoche bzw. Archaik bezeichnet. Diese Bezeichnung stammt aus der Kunstwissenschaft, sie wurde aber schon früh zur Benennung der historischen Periode verwendet. Problematisch ist – ähnlich wie bei der Bezeichnung der im vorigen Kapitel besprochenen sog. „dunklen Jahrhunderte“ – der negative Beiklang dieses Begriffes, der einen altertümlich-primitiven Charakter der so bezeichneten Epoche suggeriert. Eine solche Charakterisierung wäre ungerechtfertigt, doch hat sich bisher keine treffendere Bezeichnung dieses Zeitabschnitts, der eine der kreativsten Phasen der europäischen Geschichte darstellt, finden lassen. Doch so heikel Periodisierungen und Epochenbezeichnungen in der Geschichte stets sind, so unentbehrlich sind sie auf der anderen Seite. Das Ende der archaischen Epoche wird gewöhnlich mit der persischen Invasion in Griechenland unter dem Großkönig Xerxes und deren Abwehr durch die Schlachten von Salamis (480 v. Chr.) und Plataiai bzw. Mykale (479 v. Chr.) festgesetzt. Ohne Zweifel stellten die Perserkriege einen wichtigen Einschnitt in der griechischen Geschichte dar, die Grundlagen vieler Phänomene der darauf folgenden Zeit wurden aber schon früher gelegt. Mit gleichem Recht könnte man daher das Ende der archaischen Zeit und den Beginn der klassischen Epoche einige Jahrzehnte früher, etwa mit dem Sturz der Tyrannis in Athen im Jahr 510 und den Reformen des Kleisthenes, ansetzen. Der Beginn der archaischen Epoche ist noch schwieriger zu fixieren. Während die archäologische Forschung den Beginn der Archaik um das Jahr 700 v. Chr. ansetzt, ist es aus historischen Gründen sinnvoller, noch einige Jahrzehnte hinaufzugehen. Denn bereits um die Mitte des 8. Jh. v. Chr. lassen sich wesentliche Entwicklungen greifen, welche die Folgezeit prägten – der Beginn der sog. „großen griechischen Kolonisation“ ist dafür nur ein Beispiel. Auch eine Binnengliederung dieser Epoche gestaltet sich schwierig, doch wird etwa in der Kunstwissenschaft eine Unterteilung in früh- (bis ca. 620 v. Chr.), hoch- (bis ca. 560 v. Chr.) und spätarchaisch vollzogen. Die Archaik ist eine Periode, die durch zahlreiche wichtige Entwicklungen in Gesellschaft, Wirtschaft, Kunst und Kultur geprägt ist. Sie sah den Siegeszug des griechischen Stadtstaats (Polis) als prägende Lebensform und dessen Verbreitung im gesamten Mittelmeerraum durch die sog. „große griechische Kolonisation“, wesentliche Entwicklungen im Kriegswesen, das Auftreten von Tyrannen und Gesetzgebern, die Einführung des Münzgeldes, die Entstehung der griechischen Großtempel und der Monumentalplastik, die Entwicklung der griechischen Lyrik und die Geburt der antiken Philosophie. Das späte 8. und das frühe 7. Jh. v. Chr. werden oft als orientalisierende Epoche bezeichnet, da es damals aufgrund des verstärkten Kontaktes zwischen Griechenland und dem Vorderen Orient zu deutlich greifbaren östli-
Die „große griechische Kolonisation“
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chen Einflüssen in der griechischen Kultur kam. Diese Einflüsse, deren Ursprünge nicht nur durch die Anwesenheit von Griechen im Vorderen Orient, sondern umgekehrt vielleicht auch durch die Präsenz wandernder Spezialisten aus diesem Raum in Griechenland selbst erklärt werden können, lassen sich in den unterschiedlichsten Bereichen feststellen. Einerseits bedingten sie Veränderungen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben, andererseits sind sie in allen Gattungen der Kunst, von der Kleinkunst über die Großplastik bis zur Monumentalarchitektur, in Kult und Religion sowie in Mythos und Literatur greifbar, wofür etwa die Werke Homers und Hesiods aussagekräftige Zeugnisse darstellen. Besonders deutlich manifestieren sich die damaligen Kontakte zwischen Griechenland und dem Vorderen Orient in der Einführung der griechischen Schrift.
2. Die sog. „große griechische Kolonisation“ Der Terminus „große griechische Kolonisation“ oder auch die bisweilen gebrauchte Bezeichnung „Zeitalter der Kolonisation“ sind in vielfacher Hinsicht problematisch. Denn einerseits fand die Anlage von griechischen Siedlungen außerhalb des Mutterlandes sowohl vor als auch nach dem so charakterisierten Zeitraum statt, und andererseits legt der Begriff „Kolonisation“ historisch unrichtige Assoziationen mit den Ereignissen späterer Epochen (vgl. Kolonialismus) nahe. Da die Bezeichnung „große griechische Kolonisation“ im wissenschaftlichen Sprachgebrauch allerdings mittlerweile fest verankert ist, wird sie hier auch weiterhin verwendet – vgl. die oben besprochene Problematik bei der Benennung der sog. „dunklen Jahrhunderte“. Die sog. „große griechische Kolonisation“ setzt – wenngleich diese Niederlassung in mancherlei Hinsicht einen Sonderfall darstellt – um die Mitte des 8. Jh. v. Chr. mit der Anlage der Siedlung von Pithekoussai auf der Insel Ischia im Golf von Neapel durch Kolonisten aus den euboischen Städten Chalkis und Eretria ein. Ihr Ende nimmt man gewöhnlich um das Jahr 500 v. Chr. an. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie die Welt des Mittelmeeres und des Schwarzen Meeres gründlich verändert – die Griechen saßen um das Meer wie „Ameisen oder Frösche um einen Sumpf“ (Platon, Phaidon 109). Als Ausgangspunkte der Kolonistenzüge spielten zunächst die eben erwähnten Städte Chalkis und Eretria auf Euboia eine wichtige Rolle, ebenfalls Korinth und Megara, später dann Milet und Phokaia. Einige Städte beteiligten sich nur mit wenigen Gründungen an der Kolonisationsbewegung, so etwa Sparta, oder traten erst vergleichsweise spät als Gründer von Tochterstädten in Erscheinung, so z. B. Athen. Andere bedeutende Städte schickten dagegen überhaupt keine Siedler aus, so beispielsweise Theben oder Ephesos. Zu den ursprünglichen Kolonien traten bald auch Tochterstädte, die wiederum von den Kolonien selbst gegründet wurden. Bevorzugte Zielgebiete waren zunächst Süditalien und Sizilien. Damit wurden Gegenden besiedelt, zu denen die Griechen bereits in mykenischer Zeit intensive Kontakte pflegten. Einige Jahre nach der Gründung von Pithekoussai erfolgte die Anlage der Siedlungen von Kyme an der nördlichen
Verlauf
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Die archaische Epoche
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Küste des Golfes von Neapel, daraufhin folgten noch im 8. Jh. v. Chr. die Niederlassungen von Rhegion, Sybaris, Kroton und Tarent in Süditalien sowie von Naxos, Leontinoi, Katane, Syrakus, Zankle / Messana und Megara Hyblaia auf Sizilien. Einen Abriss der frühen Besiedlungsgeschichte Sizilien und der damit verbundenen – bisweilen verwickelten – historischen Ereignisse gibt Thukydides im 6. Buch seines Geschichtswerks.
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Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges 6, 3 ff. Von den Hellenen aber gründeten zuerst die Chalkidier, die von Euboia herüberfuhren, Naxos – Thukles hieß der Gründer – und bauten den Altar des Apollon Archegetes, der jetzt außerhalb der Stadt ist, und an dem alle Festboten, die aus Sizilien abfahren, zuerst opfern. Syrakus gründete das Jahr darauf Archias, ein Heraklide aus Korinth – er verjagte zuerst die Sikeler von der Insel, die jetzt, nicht mehr rings umspült, die innere Stadt trägt, später wurde mit der Zeit auch die äußere befestigt und einbezogen und wurde volkreich. Thukles und die Chalkidier legten von Naxos aus, vier Jahre nach der Gründung von Syrakus, die Stadt Leontinoi an, nachdem sie im Krieg die Sikeler verjagt, und danach Katana; zu ihrem Gründer machten die Kataner selbst den Euarchos. Um die gleiche Zeit kam auch Lamis aus Megara mit Siedlern nach Sizilien und gründete über dem Fluss Pantakyas einen Ort namens Trotilos, später kamen sie von dort nach Leontinoi, um da für kurze Zeit Mitbürger der Chalkidier zu werden, wurden wieder heraus geworfen, gründeten Thapsos, wo Lamis starb, die andern gaben Thapsos wieder auf, um nach dem Rat des Sikelerkönigs Hyblon, der die Feldmark hergab, Megara anzulegen, das das hybläische genannt wurde. Nachdem sie dort 245 Jahre gewohnt, wurden sie von Gelon, dem Tyrannen von Syrakus, aus Stadt und Land vertrieben. Vor dieser Vertreibung, hundert Jahre nach ihrer eigenen Niederlassung, holten sie sich Pamillos und gründeten Selinus, er kam zu ihnen aus ihrer Mutterstadt Megara und half bei der Gründung. Gela gründeten Antiphemos aus Rhodos und Entimos aus Kreta gemeinsam, mit neuen Siedlern, vierundvierzig Jahre nach der Anlage von Syrakus. Die Stadt erhielt ihren Namen vom Fluss Gelas, aber die Stelle, wo die Stadt jetzt steht und die zuerst befestigt wurde, heißt Lindioi; dorisches Gesetz wurde ihr gegeben. Ziemlich genau hundertacht Jahre nach ihrer eigenen Gründung legten die Geloer Akragas an – den Namen gaben sie der Stadt vom Fluss Akragas, zu Gründern machten sie Aristonus und Pystilos und gaben ihr das Gesetz von Gela. Zankle wurde ursprünglich gegründet von Kyme, einer chalkidischen Stadt im Opikerland, wo Seeräuber hingekommen waren; später strömten auch von Chalkis und dem übrigen Euboia eine Menge dort zusammen und bebaute das Land gemeinsam; als ihre Gründer nannten sie Perieres und Krataimenes, jenen aus Kyme, diesen aus Chalkis. Es hieß zuerst Zankle, welchen Namen ihm die Sikeler gaben nach der sichelartigen Form des Ortes (die Sichel heißt auf sikelisch Zanklon), später wurden sie vertrieben von den Samiern und andern Ioniern, die von den Persern verdrängt, in Sizilien gelandet waren; diese Samier verjagte nicht viel später Anaxilas, der Tyrann von Rhegion, besiedelte die Stadt selbst mit einer vermischten Bevölkerung und nannte sie nach seiner eignen alten Heimat um in Messene. Auch Himera wurde von Zankle aus gegründet von Eukleides, Simos und Sakon, mit einer meist chalkidischen Siedlerschaft, es beteiligten sich aber auch Ver-
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Die „große griechische Kolonisation“
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bannte aus Syrakus, Besiegte eines Bürgerkriegs, die so genannten Myletiden; die Sprache wurde eine Mischung aus chalkidisch und dorisch, aber das Gesetz von Chalkis drang durch. Akrai und Kasmenai wurden von Syrakus gegründet, Akrai siebzig Jahre nach Syrakus, Kasmenai etwa zwanzig Jahre nach Akrai, Kamarina wurde zuerst von Syrakus angelegt, ziemlich genau hundertfünfunddreißig Jahre nach der Gründung von Syrakus; Gründer waren Daskon und Menekolos; da aber die Kamariner in einem Krieg gegen Syrakus, von dem sie abgefallen, ihre Heimat verloren, übernahm später Hippokrates, der Tyrann von Gela, ihr Land von Syrakus als Lösegeld für syrakusanische Gefangene und wurde selbst der Gründer einer neuen Siedlung Kamarina. Abermals entvölkert von Gelon, wurde sie ein drittes Mal von den Geloern neu gegründet.
Siedler aus Chalkis begannen früh auch mit der Kolonisation des nordägäischen Raumes, nämlich der thrakischen Küste und der Halbinsel Chalkidike. Seit dem Ende des 8. Jh. v. Chr. wurden Niederlassungen im Gebiet der sog. Propontis, dem Gebiet des Marmarameeres, angelegt (Kyzikos, Kalchedon, Byzantion), ebenso an den Küsten des Schwarzen Meeres (Astakos, Herakleia Pontike, Istros, Olbia, Sinope, Pantikapaion), wobei besonders die Städte Megara und Milet die Initiative ergriffen. Die bedeutendste Kolonie (Apoikie) im Westen ist Massalia (heute: Marseille), das um 600 v. Chr. vom kleinasiatischen Phokaia aus gegründet wurde. Massalia, das aufgrund seiner günstigen Lage zwischen der iberischen, der keltischen und der griechischen Welt eine große Blüte erlebte, gründete seinerseits die Siedlungen von Nikaia (Nizza), Antipolis (Antibes) und Emporion (Ampurias). An den Küsten der Levante, Ägyptens und Nordafrikas wurden so gut wie keine griechischen Siedlungen errichtet (die bekannteste Ausnahme: Kyrene), da dort mächtige Monarchien oder Fürstentümer das Gebiet beherrschten. Zum Teil hatten in den entsprechenden Gebieten die Phoiniker bereits früher ihre Kolonien gegründet. Ebenso entzog sich der nördliche Adriaraum weitgehend der griechischen Kolonisation. Die Anlage so zahlreicher griechischer Siedlungen am Mittelmeer sowie am Schwarzen Meer hatte vielfache Gründe und Ursachen. Die früher vertretene Ansicht, dass durch Überbevölkerung verursachte Landknappheit im griechischen Mutterland den Auszug der Siedler verursacht hätte, kann heute nicht mehr aufrecht erhalten werden, da es für eine solche Überbevölkerung bzw. eine plötzliche Bevölkerungsexplosion in Griechenland keinerlei stichhaltige Beweise gibt. Vielmehr spielten ökonomische Interessen eine wichtige Rolle. Die Anlage der ersten Niederlassung in Pithekoussai war etwa durch das Interesse an den etruskischen Erzvorkommen begründet, auch für die Gründung bestimmter Kolonien im Schwarzmeerraum waren dort vorkommende Bodenschätze ausschlaggebend. Andere Siedlungen sollten der Sicherung von Handelswegen dienen. Natürlich mögen auch wirtschaftliche Krisen in der Heimat der Kolonisten oder persönliche ökonomische Nöte der Siedler diese zum Auszug bewegt haben. In anderen Fällen waren es die Unterlegenen in innenpolitischen Auseinandersetzungen, die ihre Stadt verlassen mussten. Und manchen lockte wohl auch einfach die Aussicht, durch ein Kolonisationsunternehmen Einfluss, Macht und Reichtum zu gewinnen.
Gründe und Ursachen
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Die archaische Epoche
VI. Organisation
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Ein Kolonistenzug bestand in der Regel aus etwa 100 bis 200 Männern im wehrfähigen Alter, die sich meist freiwillig zu einem solchen Unternehmen gemeldet hatten. Vermutlich nur in Ausnahmefällen wurden Siedler zwangsrekrutiert. Normalerweise wurden die Kolonisten wohl nicht von Frauen und Kindern begleitet, diese konnten eventuell später nachkommen, oder die Griechen gingen am Ort ihrer neuen Siedlung Verbindungen mit einheimischen Frauen ein. Die Führer eines Kolonistenzuges, die Oikisten, waren in der Regel Aristokraten – so handelte es sich etwa bei den Gründern von Ambrakia, Leukas und Anaktorion um Söhne des korinthischen Tyrannen Kypselos. Die Oikisten, die nach ihrem Tod in den Kolonien häufig als Heroen verehrt wurden, waren die militärischen Führer der Siedler und für die Organisation der zu gründenden Stadt verantwortlich. Zu ihren Aufgaben zählte die religiöse, gesellschaftliche und politische Ordnung der Apoikie, vor allem auch die Verteilung des neu in Besitz genommenen Landes, das in Grundstücke von vergleichbarer Größe und Qualität aufgeteilt und verlost wurde, wobei die Anwartschaft auf die Landlose wohl schon zu Beginn der Reise bestand. Kolonien wurden nicht immer nur von einer Stadt aus gegründet, vielmehr konnte die Anlage einer Apoikie ein Gemeinschaftsunternehmen mehrerer Mutterstädte darstellen. Anders wäre es auch gar nicht möglich gewesen, dass etwa vergleichsweise kleine Städte wie Chalkis, Eretria oder Megara binnen weniger Jahrzehnte zahlreiche Kolonistenzüge ausrichten konnten. In diesen Fällen konnten die Apoikien mehrere Oikisten aufweisen – so nennt etwa Thukydides in der oben abgedruckten Stelle Antiphemos aus Rhodos und Entimos aus Kreta als gemeinsame Gründer von Gela. In der gleichen Stelle wird mit der Geschichte des Thukles auch der Fall erwähnt, dass Siedlergruppen nach der Gründung einer Kolonie einfach weiterziehen konnten. Eine wichtige Rolle bei der Entsendung von Kolonistenzügen spielte das Heiligtum von Delphi. Viele Oikisten suchten der antiken Überlieferung zufolge vor ihrer Abreise Rat beim berühmten Orakel des Apollon, der seinen Willen dort durch den Mund der Priesterin Pythia kundtat. Delphi, wo Berichte und Informationen von Seeleuten, Händlern und Siedlern zusammenliefen, war ein Informationszentrum ersten Ranges, keinesfalls kann es aber als eine die Siedlerströme steuernde „Koordinationsstelle“ betrachtet werden. Im Zielgebiet angelangt, ging es zunächst darum, einen günstigen Platz für die Anlage der neuen Siedlung auszuwählen. Die griechischen Kolonisten bevorzugten dabei der Küste direkt vorgelagerte Inseln (von denen sie oft erst Jahre später den Schritt aufs Festland wagten), Halbinseln, Landzungen oder das Areal im Mündungsgebiet zweier Flüsse. Ausschlaggebend waren eine strategisch günstige Lage, durch welche sich die Apoikie leicht verteidigen ließ, die Verfügbarkeit von fruchtbarem Umland und eine ausreichende Wasserversorgung. Man verteilte das Land, bestimmte Areale für die Errichtung von Heiligtümern und öffentlichen Anlagen und umgab die Kolonie in der Regel mit einer Befestigung. Häufig trafen die Griechen bei der Anlage von Apoikien auf bereits in diesem Gebiet ansässige Bewohner, wobei sich die Kontakte mit diesen einheimischen Völkerschaften höchst unterschiedlich gestalteten. In vielen Fäl-
Die „große griechische Kolonisation“
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len kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Vorbevölkerung, die häufig unterworfen und davongejagt, bisweilen auch versklavt wurde. So vertrieben etwa die korinthischen Neuankömmlinge die Sikeler von der Insel Ortygia, die zum Stadtkern von Syrakus werden sollte. Einen Sonderfall stellt das Verhalten der einheimischen Mariandyner, eines lokalen Stammes an der Südküste des Schwarzen Meeres, dar. Diese haben sich angeblich freiwillig den Kolonisten in Herakleia Pontike ausgeliefert und erhielten als Gegenleistung für ihre Unterwerfung und ihre Arbeit auf den Feldern der Griechen von jenen ihren Lebensunterhalt sowie militärischen Schutz. In anderen Fällen vermochten sich einheimische Stämme erfolgreich gegen die Neuankömmlinge zur zu Wehr setzen. So wurde um 580 v. Chr. eine Siedlergruppe, welche vom Knidier Pentathlos angeführt wurde und gegenüber der phoinikischen Siedlung Motye auf Sizilien eine Kolonie namens Herakleia gründen wollte, vertrieben, und Pentathlos wurde getötet. Bei anderen Gelegenheiten verliefen die Kontakte mit den im Zielgebiet ansässigen Völkern viel friedlicher. So sollen etwa Kolonisten aus Megara – auch dies berichtet Thukydides in der oben abgedruckten Stelle – nach längerem Umherwandern ihre Siedlung im Einvernehmen mit dem lokalen Fürsten Hyblon auf einem Areal, das dieser zur Verfügung gestellt hatte, gegründet und deshalb Megara Hyblaia genannt haben. Die Welt der einheimischen Stämme wurde aber in jedem Fall nachhaltig verändert. Die überlegene griechische Zivilisation strahlte weit aus und beeinflusste die Sitten und Gebräuche sowie die materielle Kultur der Völker, welche mit ihr in Kontakt traten. Bisweilen wurden die griechischen Kolonisten auch in größere Konflikte mit anderen Mächten verwickelt, wofür das Schicksal der Kolonie Alalia (Aleria) auf Korsika das bekannteste Beispiel darstellt. Die Siedlung war um 565 v. Chr. von der kleinasiatischen Stadt Phokaia aus gegründet worden. Einige Jahre später erlebte sie einen gewaltigen Zuzug aus ihrer Mutterstadt, als etwa die Hälfte der Einwohner Phokaias vor den Persern hierher flüchtete. Dass sich die Einwohner Alalias in großem Stil als Piraten betätigten, brachte allerdings die Etrusker und die Karthager gegen sie auf, welche sie 540 v. Chr. in einer großen Seeschlacht besiegten. Die Phokaier mussten nun Alalia, das von nun an bis ins 3. Jh. v. Chr. unter etruskischer Herrschaft stand, wieder verlassen und zogen nach Italien, wo sie Elea (Velia) gründeten. Die Kolonien blieben in enger Verbindung zu ihrer jeweiligen Mutterstadt (Metropolis), von der sie meist die Kulte sowie die gesellschaftliche und politische Organisationsform übernahmen. Häufig waren in den Pflanzstädten auch die gleiche Schrift und der gleiche Dialekt wie in der Mutterstadt anzutreffen. In vielen Fällen wurden auch einige Zeit nach der erfolgreichen Koloniegründung noch Nachzügler (époikoi) in die neue Tochterstadt geschickt. Die Apoikien, die oft viel größer und mächtiger als ihre Mutterstädte wurden, waren jedoch politisch völlig unabhängig. Dass die Beziehungen zwischen Metropolis und Kolonie für die tägliche Politik meist keine Auswirkungen hatten, zeigt sich etwa daran, dass angesichts der Bedrohung Griechenlands durch die Perser aus den Kolonien keine militärische Unterstützung kam (nur aus Kroton nahm – wie Herodot berichtet – ein einziges Schiff an der Schlacht von Salamis teil). Einzig Korinth ver-
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Die archaische Epoche
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Die Gründung Kyrenes
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mochte über manche seiner Tochterstädte Herrschaftsansprüche zu begründen, so erhielt etwa die korinthische Kolonie Poteidaia jährlich einen Oberbeamten aus ihrer Mutterstadt. Bei der bedeutendsten korinthischen Gründung, der Stadt Syrakus, war an ein solches hegemoniales Vorgehen dagegen gar nicht zu denken. Ein besonders interessantes Beispiel einer griechischen Koloniegründung ist die Anlage der Apoikie Kyrene in Nordafrika durch Siedler von der Insel Thera, ein Ereignis, von dem etwa der Geschichtsschreiber Herodot zwei verschiedene Versionen darlegt, darunter die folgende, die er als die Erzählung der Kyrenaier selbst bezeichnet:
Herodot, Historien 4, 150 ff. […] Dort nahm ein vornehmer Bürger von Thera, Polymnestos, Phronime zu seiner Nebenfrau. Nach einiger Zeit gebar sie ihm einen Sohn, der stotterte und stammelte. Er bekam den Namen Battos […]. Er war … herangewachsen und nach Delphi gekommen, um sich wegen seiner Stimme ein Orakel geben zu lassen. Auf seine Frage erteilte ihm die Pythia folgenden Spruch als Antwort: „Battos, zwar kamst du der Stimme wegen, doch Phoibos Apollon sendet dich Libyen zu, dem herdenreichen, als Siedler.“ […] Er aber gab zur Antwort: „Herr, ich kam allerdings zu dir, um dich wegen meiner Stimme um Rat zu fragen. Du aber gibst mir anderes auf, Unmögliches, indem du mich heißt, Libyen zu besiedeln. Mit welcher Macht? Mit welcher Mannschaft?“ Trotz dieser Antwort konnte er den Gott nicht dazu bringen, ihm einen anderen Spruch zu geben. Als er ihm die gleiche Weissagung wiederholte wie vorher, ging Battos, noch während die Pythia sprach, heim nach Thera. Danach traf ihn und die anderen Theraier neuerdings allerlei Unglück. Da sie sich die Ursache der Leiden nicht erklären konnten, schickten sie nach Delphi und befragten das Orakel, warum es ihnen augenblicklich so schlecht gehe. Die Pythia erteilte die Antwort: wenn sie gemeinsam mit Battos Kyrene in Libyen besiedelten, würden sie es wieder besser haben. Darauf entsandten die Theraier Battos mit zwei Fünfzigruderern. Als sie nach Libyen abgesegelt waren und nicht wussten, was sie anders tun sollten, kehrten sie wieder nach Thera zurück. Die Theraier aber schossen nach ihnen, als sie in den Hafen einfuhren, und ließen sie nicht landen; vielmehr befahlen sie ihnen zurückzusegeln. Notgedrungen fuhren sie also wieder ab und besiedelten jene Insel an der libyschen Küste, die, wie oben schon erwähnt, Platea heißt. Diese Insel soll ebenso groß sein wie die jetzige Stadt Kyrene. Hier wohnten sie zwei Jahre; aber es ging ihnen dort nicht gut. So ließen sie denn einen einzigen aus ihrer Mitte zurück, und alle übrigen fuhren nach Delphi. Dort baten sie das Orakel um einen Spruch und erzählten, sie hätten sich in Libyen angesiedelt, aber es gehe ihnen trotzdem keineswegs besser, obwohl sie dort wohnten. Darauf verkündete ihnen die Pythia folgendes: „Kennst du besser als ich, der ich dort war, Libyens Herden: Dich, der du nicht dort warst, muss ich ob deiner Weisheit bewundern.“ Als Battos und seine Leute dies hörten, segelten sie wieder zurück; denn offenbar ersparte ihnen der Gott die Ansiedlung nicht, bis sie nach Libyen selbst gekommen seien. Sie landeten auf der Insel, nahmen die Zurückgelassenen an Bord und siedelten sich auf dem libyschen Festland gegenüber der In-
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Die „große griechische Kolonisation“
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sel an. Die Landschaft heißt Aziris. Diese umschließen nach zwei Seiten hin sehr schöne Täler, an der anderen Seite zieht sich ein Fluss hin. Hier wohnten sie sechs Jahre. Im siebten Jahr erboten sich die Libyer, sie an einen noch schöneren Platz zu führen. Sie entschlossen sich mitzugehen, und die Libyer brachten sie nun von dort weg, indem sie sie gegen Abend aufbrechen ließen. Um den Griechen die schönste Gegend beim Durchzug vorzuenthalten, hatten sie die Tageszeit genau ausgerechnet und führten sie nachts dort vorbei. Dieses Gebiet heißt Irasa. Sie geleiteten sie dann an eine Quelle, die dem Apollon heilig sein soll, und sprachen: „Griechen, hier ist die rechte Stelle für die Gründung eurer Stadt; denn hier steht der Himmel offen.“
Diese Erzählung enthält einerseits zahlreiche typische Märchenmotive, wie sie in den Schilderungen Herodots häufig vorkommen. Andererseits zeigen sich auch etliche Elemente, wie sie für die Berichte von Koloniegründungen üblich sind: Nöte, welche die Gemeinde zu bestehen hatte, ein Orakel des Gottes Apollon, das zum Aufbruch mahnte, die Niederlassung auf einer vorgelagerten Insel und erst später die Inbesitznahme eines Siedlungsareals auf dem Festland. Besondere Bedeutung erlangt dieser Bericht allerdings durch die parallele epigraphische Überlieferung: anlässlich eines Beschlusses mehr als 200 Jahre später wurde nämlich die Eidesvereinbarung der damaligen Kolonisten auf einer Inschrift aufgezeichnet. Marmorstele aus Kyrene aus dem 4. Jh. v. Chr. (HGIÜ 6), Wiederaufzeichnung eines Volksbeschlusses aus Thera und der ursprünglichen Eidesvereinbarung um 630 v. Chr. (Echtheit nicht unumstritten)
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Eidesvereinbarung der Siedler. Beschlossen hat die Versammlung: Da Apollon ungefragt dem Battos und den Theraiern das Orakel gegeben hat, Kyrene (als Apoikie) zu besiedeln, legten die Theraier fest, dass man nach Libyen fort sende den Battos als Archegetes und König, und dass als Gefährten die Theraier mitziehen. Zu völlig gleichen Bedingungen sollen sie ziehen aus jedem Haushalt, je einen Sohn auswählen aus jedem einzelnen Haushalt, ziehen sollen die Erwachsenen {oder: aus sämtlichen Ortschaften die Erwachsenen oder: von den Stadtbewohnern einhundert Erwachsene}, und von den sonstigen Theraiern, soweit sie Freie sind, soll ziehen, wer will. Wenn die Siedler die Ansiedlung behaupten können, dann soll jeder von den Familienangehörigen, der später nach Libyen fährt, sowohl am Bürgerrecht als auch an den Ehrenämtern teilhaben, und er soll von dem noch nicht einem Besitzer zugewiesenen Land einen Anteil durch Los erhalten. Wenn sie aber die Ansiedlung nicht behaupten können und auch die Theraier ihnen nicht zu Hilfe kommen können, sondern sie binnen fünf Jahren von Not verdrängt werden, sollen sie aus dem Land fortgehen ohne Nachteil nach Thera zu ihrem Besitz und sollen dort Bürger sein. Wenn aber einer nicht ziehen will, obwohl die Stadt ihn fortschickt, soll er todgeweiht sein, und sein Besitz soll eingezogen werden. Wer ihn aber aufnimmt oder versteckt, sei es ein Vater seinen Sohn oder ein Bruder seinen Bruder, wird dasselbe erleiden wie der, der nicht ziehen will. Unter diesen Bedingungen haben die Eideszeremonie durchgeführt die, die am Ort blieben, und die, die um zu siedeln fortzogen; und sie sprachen Flü-
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Die archaische Epoche
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che aus gegen die, die das Beschworene überträten und nicht daran festhielten, seien dies Leute, von denen, die in Libyen siedelten, oder von denen, die hier blieben. Sie formten dazu wächserne Figuren und verbrannten sie unter Fluchformeln, nachdem alle zusammengekommen waren, Männer, Frauen, Jungen und Mädchen: Wer nicht bei diesen Eidesbestimmungen bleibe, sondern sie übertrete, solle so zerschmelzen und zerrinnen wie die Figuren, er selbst, sein Geschlecht und sein Vermögen: für die aber, die bei diesen Eidesbestimmungen blieben, sowohl die, die nach Libyen zögen als auch die, die in Thera blieben, solle es viel Gutes geben für sie selbst und ihr Geschlecht.
Dieses Dokument ist in der althistorischen Forschung durchaus umstritten, an seiner grundsätzlichen Authentizität ist m. E. aber nicht zu zweifeln. Es bestätigt nicht nur den Namen des von Herodot genannten Oikisten Battos, es zeigt uns auch, unter welch strengen Vorgaben in diesem (wohl nicht typischen) Fall die Kolonisten ausgewählt wurden. Die Stadt Kyrene, die bis 440 v. Chr. von Königen aus der Dynastie der Battiaden regiert wurde, erlebte in der Folgezeit trotz militärischer Niederlagen gegen den ägyptischen Pharao Apries und innerer Konflikte, die von Demonax von Mantineia geschlichtet wurden, eine große Blüte, die außer auf dem Getreideanbau und der Viehzucht vor allem auf dem Handel mit der Pflanze Silphion beruhte. Diese nur in dieser Gegend wachsende und bis heute nicht genau identifizierte Wildpflanze war als Gemüse und Gewürz ein unentbehrlicher Bestandteil der antiken Küche und kam auch als Heilmittel in der griechischen und römischen Medizin zum Einsatz. Im Laufe der römischen Kaiserzeit ist das Silphion allerdings ausgestorben.
3. Händler, Krieger, Seeräuber
Händler
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Nicht nur als Land suchende Kolonisten waren Griechen im gesamten Mittelmeergebiet anzutreffen. Auch als Händler und Kaufleute kamen sie in die entlegendsten Gegenden, wobei ja bereits erwähnt wurde, dass auch viele Kolonien aus Handelsinteressen der Mutterstadt im Zielgebiet oder zur Absicherung von Handelsrouten entstanden. Die bei der Charakterisierung griechischer Niederlassungen oft getroffene Unterscheidung in Apoikien und Emporia (Handelsstützpunkte) ist daher schwierig und oft wenig sinnvoll. Herodot (4, 152) berichtet etwa von Sostratos, dem Sohn des Laodamas, von der Insel Aigina, der so große Profite wie kein zweiter erzielt haben soll. Durch Funde aus Gravisca, dem Hafen der etruskischen Stadt Tarquinia, ist bekannt, dass Sostratos vor allem mit den Bewohnern dieser Gegend Geschäfte machte. An der gleichen Herodotstelle ist auch von Kolaios von der Insel Samos die Rede, der in Tartessos, jenseits der Säulen des Herakles (= jenseits der Straße von Gibraltar), ernorme Gewinne machte. Intensive Kontakte griechischer Händler mit den Bergbauregionen im Südwesten der iberischen Halbinsel bezeugen auch archäologische Funde. Ein weiterer
Händler, Krieger, Seeräuber griechischer Kaufmann, der zu Berühmtheit gelangte, ist schließlich Charaxos von Mytilene, der Bruder der Dichterin Sappho, der im Weinhandel mit der Stadt Naukratis in Ägypten tätig war. Auch Angehörige anderer Berufsgruppen konnten in archaischer Zeit eine erstaunliche Mobilität aufweisen. So berichtet etwa Thukydides (1, 13, 2) vom korinthischen Schiffsbauer Ameinokles, der schon um 700 v. Chr. den Samiern Trieren gebaut haben soll. Griechische („ionische“) Arbeiter sind um die selbe Zeit auch im Rahmen eines Schiffsbauprogramms des assyrischen Herrschers Sennacherib bezeugt, und am Ende der hier zu behandelnden Epoche kennen wir beispielsweise griechische Architekten in persischen Diensten, so wie Mandrokles aus Samos, der für den Skythenfeldzug des persischen Großkönigs Dareios eine Brücke über den thrakischen Bosporos errichtete, oder Harpalos von Tenedos, der für Xerxes anlässlich dessen Griechenlandfeldzugs eine Brücke über den Hellespont konstruierte. Weit ist auch der Arzt Demokedes von Kroton in Süditalien, einer der geschicktesten Mediziner seiner Zeit, herumgekommen, der auf Aigina, in Athen und auf Samos tätig war, ehe es ihn als Sklave an den Hof des persischen Großkönigs verschlug (Herodot 3, 129 ff.). Auch Sportler bereisten die gesamte griechische Welt, um an den verschiedenen Wettbewerben anzutreten, ebenso taten dies Künstler. Bereits von Hesiod wurde ja berichtet, dass er nach Euboia gereist war, um an den Leichenspielen für Amphidamas von Chalkis teilzunehmen. Besondere Berühmtheit hat die Geschichte des Arion, des größten Sängers und Kitharaspielers seiner Zeit, erlangt, der auf einer Reise durch Sizilien und Italien von Piraten entführt wurde und auf märchenhafte Weise von einem Delphin gerettet worden sein soll (Herodot 1, 24). Zahlreiche Griechen – sei es, dass sie in ihrer Heimat von wirtschaftlicher Not bedrängt wurden, sei es, dass sie in der Fremde Abenteuer, Ruhm und Reichtum suchten – stellten sich auch als Söldner in den Dienst auswärtiger Machthaber. So kennen wir etwa einen Phanes aus Halikarnassos, der unter Pharao Amasis als Söldnerführer in Ägypten diente. Er lief jedoch zu den Persern über, die unter ihrem König Kambyses Ägypten eroberten. In persischen Diensten stand zur Zeit des Königs Dareios der griechische Kapitän Skylax aus Karyanda, der eine Expedition von der Mündung des Indus um die arabische Halbinsel herum bis nach Ägypten leitete und darüber einen Reisebericht (Periplous) verfasste. Bereits einige Jahrzehnte früher waren Griechen im Heer des neubabylonischen Herrschers Nebukadnezar (ca. 640–562 v. Chr.) tätig. Besonders gut lässt sich der Einsatz griechischer Söldner in Ägypten ab der Zeit des Pharaos Psammetich I. (664–610 v. Chr.) greifen. Eine wertvolle Quelle sind dabei Inschriften, welche die griechischen Mitglieder einer Garnison am Beginn des 6. Jh. v. Chr. an Kolossalstatuen des Pharaos Ramses II. vor dem Großen Tempel in Abu-Simbel, rund 1000 Kilometer südlich des Nildeltas an der Grenze zu Nubien, anbrachten:
Inschriften griechischer Söldner in Abu-Simbel (HGIÜ 8)
VI.
Handwerker
Künstler
Griechische Söldner
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(A) Als König Psammetichos nach Elephantine gekommen war, | schrieben dies auf, die zusammen mit Psammetichos Sohn des Theokles | auf Schiffen fuhren und bis oberhalb von Kerkis kamen, soweit es der Fluss | zuließ. Die (Leute) frem-
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Die archaische Epoche
VI.
der Zunge befehligte Potasimto, die Ägypter Amasis. | Geschrieben haben uns (= die Buchstaben) Archon Sohn des Amoibichos und Pelekos Sohn des Udamos („Beil, Sohn des Niemand“). (B) Elesibios aus Teos (C) Telephos hat mich geschrieben aus Ialysos (D) Python, Sohn des Amoibichos (E) [–] und | Krithis haben mich geschrieben. (F) Pabis aus Kolophon, | mit Psammata. (G) Anaxanor [–] aus Ialysos, als der Kö|nig das Heer zum ersten Mal führte [–] Psamatichos
Archilochos
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Einige dieser Söldner waren offensichtlich schon lange Zeit in Ägypten, wie die hier verzeichneten Namen zeigen. Zum einen finden sich Träger griechischer Namen als Söhne von Vätern mit ägyptischen Namen, zum anderen Söhne mit ägyptischen Namen von Vätern, die griechische Namen tragen. Auffallend ist auch die Anspielung auf den Wortwitz des Odysseus, der sich, als er auf den Kyklopen Polyphem traf, diesem als ffltis „Niemand“ vorstellte. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch archäologische Funde, die von der Rückkehr solcher Söldner in ihre Heimat Zeugnis ablegen. So hat etwa ein Pedon, Sohn des Amphinnes, nachdem er unter Psammetich I. in Ägypten gedient hatte, in Priene eine ägyptische Statue aufgestellt samt einer Inschrift, welche die für seine Leistungen erhaltenen Auszeichnungen nennt. Griechen dienten aber nicht nur fremden Machthabern als Söldner, sie konnten sich durchaus auch bei anderen Griechen verdingen. Dass es gerade auch Angehörige der Aristokratie waren, welche ein solches Leben wählten, zeigt der Fall des spartanischen Prinzen Dorieus, der zu Beginn des 6. Jh. v. Chr. nach Thronstreitigkeiten mit seinen Anhängern seine Heimat verließ. Nachdem er sich vergeblich als Koloniegründer in Nordafrika versucht hatte, war er als Söldner der Stadt Kroton in den Auseinandersetzungen mit Sybaris aktiv, ehe er schließlich auf Sizilien den Tod fand. Tiefere Einblicke in das Leben und in die Mentalität dieser Menschen erlauben die Gedichte des Lyrikers Archilochos von Paros (ca. 680–630 v. Chr.). Dieser war als Söldner für die von seinem Vater gegründete parische Kolonie Thasos in deren langwierigen Kämpfen gegen die Thraker tätig. Er soll auch im Krieg, und zwar im Kampf gegen die Naxier, gestorben sein. Gedichte des Archilochos 1 West Ich bin ein Knappe – jawohl! – von Enyalios, Herrn der Schlachten, – auch mit der Musen Geschenk, lieblichem, bestens vertraut – … 2 West Auf dem Speer beruht mein Brot, und auf dem Speer mein Wein, der von Ismaros! Ich trink’ auf den Speer gestützt.
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Händler, Krieger, Seeräuber
VI.
5 West Ja – mit dem Schild protzt jetzt ein Saier wohl! hab ihn beim Strauche, die „tadellose Wehr“, zurückgelassen, ungewollt – mich selbst jedoch gerettet! Was schert mich der Schild da hinten? Vorbei! demnächst hol ich mir einen, der nicht schlechter ist!
Archilochos, der sich als ein Knappe des Enyalios (= Ares), also ein Krieger, genauso wie als Dichter, der mit der Musen Geschenk vertraut ist, bezeichnet, und dessen Lebensunterhalt vom Krieg geleistet wird, verrät eine Lebenseinstellung, die mit den traditionellen Werten der Aristokratie nicht vereinbar ist, wenn er freimütig eingesteht, dass er in der Schlacht, auf der Flucht, seinen Schild verloren hat. Wenigstens konnte er sein Leben retten, und einen neuen Schild würde er sich schon kaufen. Von kriegerischen Unternehmungen wie solchen, an denen Archilochos beteiligt war, zu verbrecherischen Aktivitäten wie Plünderungen, Raub oder Piraterie ist es oft nur ein kleiner Schritt. Stets – und offenbar besonders in der Frühzeit – stellte der Seeraub ein wichtiges Betätigungsfeld der Griechen dar, wie der Historiker Thukydides berichtet: Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges 1, 5
Seeräuber
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Denn die ältesten Hellenen und auch die Barbaren an den Küsten des Festlandes und die die Inseln bewohnten, hatten kaum begonnen, mit Schiffen häufiger zueinander hinüberzufahren, als sie sich schon auf den Seeraub verlegten, wobei gerade die tüchtigsten Männer sie anführten, zu eigenem Gewinn und um Nahrung für die Schwachen; sie überfielen unbefestigte Städte und offene Siedlungen und lebten so ganz vom Raub. Dies Werk brachte noch keine Schande, eher sogar Ruhm.
Dies entspricht ganz den Verhältnissen, die bereits in den homerischen Epen geschildert werden. Denn auch Odysseus berichtet in seiner berühmten Lügengeschichte (14. Buch), in welcher er dem Hirten Eumaios sein fiktives Leben schildert, von Überfällen auf unbefestigte Städte. Dabei erzählt er aber auch von dem Fall, dass nach einem gescheiterten Angriff die Angreifer selbst versklavt wurden. Dass die Griechen mit anderen Mächten in Konflikt gerieten, wurde anlässlich der Seeschlacht von Alalia 540 v. Chr., als sich griechische Kolonisten auf der einen sowie Etrusker und Karthager auf der anderen Seite gegenüber standen, bereits erwähnt. Wichtige diesbezügliche Zeugnisse stehen auch aus dem östlichen Mittelmeerraum zur Verfügung. In assyrischen Texten ist nämlich von Griechen bzw. Ioniern die Rede, welche als Iamnaja bezeichnet werden, und die als Räuber ihr Unwesen trieben: Brief eines assyrischen Beamten (aus der Gegend um Tyros) an König Tiglatpilesar III (um 730 v. Chr.)
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Die „Ionier“ sind aufgetaucht. Bei der Stadt Samsimuruna haben sie ein Gefecht geliefert, bei der Stadt Harisu, und bei der Stadt […]. Ein Berittener kam nach Da-
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Die archaische Epoche
VI.
nabu (um mir alles mitzuteilen). Ich sammelte die regulären Truppen und Dienstverpflichteten und verfolgte sie. Gar nichts haben sie (die „Ionier“) mitgenommen. Sobald sie (nämlich) meine Soldaten sahen, suchten sie auf ihren Booten das Weite, (und) sie verschwanden in der Mitte des Meeres.
Entstehung des Münzgelds
Sowohl das Söldnerwesen als auch die Tätigkeit von Händlern ist mit der Entstehung des Münzgeldes in archaischer Zeit in Zusammenhang gebracht worden. Die ersten Münzen, die aus Elektron gefertigt waren, entstanden im 7. Jh. v. Chr. im westlichen Kleinasien, ihre Einführung wird bereits in der antiken Literatur wiederholt mit den dort ansässigen Lydern in Verbindung gebracht. Rasch wurde das Münzgeld auch von den in dieser Region lebenden Griechen übernommen. Im griechischen Mutterland wurden die ersten Münzen dann im 6. Jh. v. Chr. geprägt.
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Vorher hatten lange Zeit andere Objekte die sog. Geldfunktionen (Wertmaßstab, Wertspeicher, Zahlungsmittel) wahrgenommen, man spricht dann von Naturalgeld (z. B. Vieh) oder Gerätegeld bzw. Warengeld, aus dem sich das Barrengeld entwickelte. Eine besondere Rolle als Geld spielten in früher Zeit offenbar metallene Bratspieße, deren Name (obelós) sich noch in der späteren griechischen Nominalbezeichnung Obol wieder findet, während der Name der Drachme von dráx „eine Handvoll“ (Spieße) herrührt.
4. Die griechische Polis
Anfänge der Polis
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Die typische Form der politischen Organisation in den von Griechen besiedelten Gebieten der antiken Welt ist der Stadtstaat (pólis, Plural: póleis). Zwar waren in Randgebieten auch noch Stammesherrschaften (Ethne) anzutreffen, doch entwickelten diese (mit Ausnahme Makedoniens) keine politischen Kräfte. Eine Polis umfasste dabei ein Siedlungszentrum (ásty), das städtischen Charakter besitzen konnte, sowie das dieses umgebende Land (chóra). Dabei gab es keinen rechtlichen Unterschied zwischen Bewohnern des Zentralortes und des Umlandes, das in der Regel die wirtschaftliche Basis des Stadtstaates bildete. Während des gesamten Altertums waren ja – obwohl Städte als ein wesentliches Element antiken Lebens und antiker Kultur anzusehen sind – die meisten Menschen in der Landwirtschaft tätig. Die Polisbildung fand ihren Anfang während der sog. „dunklen Jahrhunderte“ und lässt sich bereits in den homerischen Epen gut greifen. Die fortschreitende Urbanisierung wird meist mit einem kontinuierlichen Bevölkerungswachstum in Zusammenhang gebracht. Der Übergang zu einer weniger zerstreuten Siedlungsweise mag in Griechenland und an der Küste Kleinasiens auch durch die geographischen Gegebenheiten bedingt sein. In der antiken Überlieferung konnte die Gründung einer Stadt durch den Zusammenschluss mehrerer kleiner Dörfer (Synoikismos) herausragenden Persönlichkeiten zugeschrieben werden, so etwa im Fall Athens dem Heroen Theseus:
Die griechische Polis
Plutarch, Lebensbeschreibung des Theseus 24
VI.
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Nach dem Tode des Aigeus setzte sich Theseus eine große und bewunderungswürdige Aufgabe: er schloss die Bewohner Attikas zu einem Staat zusammen und machte zu einer Bürgerschaft einer Gemeinde Menschen, die bis dahin verstreut lebten und schwer zur Beratung über das allgemeine Wohl zusammen zu berufen waren, zuweilen auch miteinander im Streit lagen und sich befehdeten. Er ging umher und suchte Dorfgemeinden und Sippen zu gewinnen, wobei die schlichten und armen Leute schnell seinem Aufruf Folge gaben, während er den Mächtigen einen Staat ohne König vor Augen stellte, eine Demokratie, in der er nur der Anführer im Kriege und der Hüter der Gesetze sein, alle anderen gleiches Recht genießen würden. […] So hob er also die in den einzelnen Siedlungen bestehenden Prytaneien, Rathäuser und Obrigkeiten auf und schuf ein für alle gemeinsames Prytaneion und Rathaus dort, wo jetzt die Altstadt steht, nannte den ganzen Staat Athen und stiftete ein Fest für alle, die Panathenäen. Er stiftete ferner das Fest der Metoikien am sechzehnten Hekatombaion, welches noch jetzt gefeiert wird. Dann legte er, wie er versprochen hatte, die Königswürde nieder und schuf die neue Staatsordnung. Plutarch von Chaironeia (ca. 45–125 n. Chr.) war einer der produktivsten griechischen Schriftsteller. Nach Studien in Athen bereiste er die griechische Welt, mehrmals kam er auch nach Rom, wo er Kontakte mit einflussreichen Römern knüpfte, die ihm das römische Bürgerrecht vermittelten. Eine Karriere im Imperium strebte er jedoch nicht an, vielmehr widmete er sich in seiner Heimat, wo er einen Kreis von Schülern um sich versammelte, der Philosophie und seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Ab ca. 100 n. Chr. bekleidet er das Amt eines Apollonpriesters in Delphi. Sein Werk, von dem nur etwa die Hälfte erhalten ist, zerfällt in zwei große Gruppen. Dies sind einerseits die sog. Moralia, eine Sammlung von 78 recht unterschiedlichen philosophischen Schriften, die sich mit verschiedensten Themen – wie Geschichte, Philosophie, Religion, Musik, korrekter Lebensführung, menschlichen Charakterzügen, Kindererziehung oder Naturwissenschaften – befassen. Andererseits handelt es sich um eine Reihe von Biographien, von denen die sog. Parallelbiographien am bedeutendsten sind, die jeweils einen bedeutenden Griechen und einen korrespondierenden Römer gegenüberstellen. Bei der Abfassung dieser Lebensbeschreibungen ging es Plutarch aber – wie er selbst sagt – nicht um die exakte Erfassung historischer Daten und Zusammenhänge, sondern um das Zeichnen von Charakterbildern, durch die er auch pädagogische Ziele verfolgte.
Mit der sog. „großen griechischen Kolonisation“ trat die Polis ihren Siegeszug durch den gesamten Mittelmeerraum an und wurde auch von anderen Völkern übernommen. Die meisten Poleis, von denen es schließlich in klassischer Zeit um die 700 gab, waren vergleichsweise kleine Städte mit 500 bis 1500 wehrfähigen Bürgern. Größere Poleis wie Sparta, Athen, Argos, Syrakus oder Milet waren eher Ausnahmen. Das Polisleben stellte also eine verhältnismäßig kleine, überschaubare und intensive Lebensform dar, in welcher die meisten Bürger miteinander gesellschaftlich verbunden waren. Charakteristisch für griechische Poleis war das Streben ihrer Bewohner nach innerer wie äußerer Unabhängigkeit, nach Selbstbestimmung (autonomía), Freiheit (eleuthería) und wirtschaftlicher Selbstständigkeit (autárkeia).
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Charakteristika
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Die archaische Epoche
VI.
Viele dieser Stadtanlagen verfügten über Mauern, manche auch über eine ummauerte Burg (Akropolis), doch war dies weniger bedeutsam als das Vorhandenseineines öffentlichen, zentralen Platzes, der Agora. Diese diente als Versammlungsplatz des Volkes, hier wurde über politische Angelegenheiten beraten und abgestimmt, hier wurde Recht gesprochen, und hier versammelte sich mitunter das militärische Aufgebot der Stadt. Zudem verfügte die Polis, die stets auch Kultgemeinschaft war, vielfach ihren eigenen Kalender besaß und ihre spezifischen Feste feierte, über religiöse Bereiche sowie vor den Toren der Stadt über eine Nekropole. Architektonische oder topographische Merkmale waren aber weniger ausschlaggebend als organisatorische. Die griechische Polis definierte sich auch nicht über ihr Territorium, vielmehr verstand sie sich als eine Gemeinschaft ihrer Bürger. Dies zeigt sich bereits in der griechischen Benennung der Staaten nach ihren Bürgern (z. B. hoi Athenaíoi, hoi Korínthioi).
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Aristoteles, Politik 1275 b Was also der Staatsbürger ist, wird daraus offenbar: Wem nämlich die Erlaubnis gegeben ist, teilzunehmen an einem beratenden oder einem Recht sprechenden Amt, den nennen wir bereits Bürger dieses Staates. Staat aber die Menge solcher Bürger, die hinreicht zur Selbstgenügsamkeit des Lebens, um es einfach auszudrücken.
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Phylen
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Aristoteles (384–322), der wirkungsmächtigste Philosoph der Antike, stammte aus der nordgriechischen Stadt Stageira. Im Jahr 367 v. Chr. kam er nach Athen und schloss sich der platonischen Akademie an. Nach Platons Tod folgten Aufenthalte in Assos und Mytilene sowie in Makedonien, wo Aristoteles für drei Jahre als Lehrer Alexanders des Großen wirkte. Nach der Schlacht von Chaironeia (338 v. Chr.) kehrte er wieder nach Athen zurück und gründete seine eigene philosophische Schule, den Peripatos (wörtlich „Wandelhalle“), da der Unterricht in einer öffentlichen Wandelhalle im Hain des Apollon Lykeios (Lykeion) stattfand. 323 v. Chr. musste er die Stadt wieder verlassen und starb kurz darauf in Chalkis auf Euboia. So gut wie alle Bücher, die Aristoteles zur Publikation verfasst hat, sind verloren gegangen. Dafür hat der Zufall der Überlieferung zahlreiche Schriften, welche die Grundlage seines Unterrichts und seiner Forschungstätigkeit bildeten (sog. esoterische Schriften), erhalten, die zwischen 40 und 20 v. Chr. von Andronikos von Rhodos herausgegeben wurden. Diese insgesamt 106 überlieferten Bücher werden in vier Gruppen unterteilt: die Schriften zur Logik, die Schriften zu Ethik, Politik, Rhetorik und Poesie (darunter auch sein einflussreiches staatstheoretisches Werk Politiká, aus dem das oben stehende Zitat entnommen ist), die im weiteren Sinn naturwissenschaftlichen Schriften sowie die thematisch weit reichenden 14 Bücher der Metaphysik.
Die Bürgerschaft der einzelnen Poleis war nach den unterschiedlichsten religiösen wie profanen Kriterien geschichtet, wobei die jeweiligen Systeme von Stadt zu Stadt bzw. von Gegend zu Gegend recht verschieden sein konnten. Das verbreitetste Gliederungselement waren die ursprünglich nur bei Dorern und Ioniern üblichen Phylen (eigentlich: „Stämme, Sippen“). Die Entstehungszeit dieser bereits bei Homer erwähnten Strukturen ist unklar. Dorische Städte wiesen in der Regel drei Phylen auf, deren Namen ursprünglich überein stimmten (Hylleis, Dymanes, Pamphyloi). Zahl und Na-
Die griechische Polis men der ionischen Phylen waren dagegen oft unterschiedlich. Athen besaß etwa vor den kleisthenischen Reformen vier Phylen (Geleontes, Aigikoreis, Argadeis, Hopletes – benannt nach den Söhnen des Ion, des mythischen Stammvaters der Ionier). Dieses System, das durch die Kolonisation von den Metropoleis in die Apoikien getragen wurde, war im Laufe der Zeit aber an den einzelnen Orten immer wieder diversen Reformen und Neuordnungen – etwa bezüglich ihrer Anzahl, ihrer Benennung, ihrer Abgrenzungsprinzipien – unterworfen. Die erbliche Zugehörigkeit zu einer Phyle, die alle Schichten der Gesellschaft miteinander verband, war die Voraussetzung zur Teilhabe am Bürgerrecht. Die Phylen bildeten das Grundgerüst des politischen, militärischen und kulturellen Polislebens, etwa indem sie die Ratsgremien, Magistrate und Funktionäre stellten, das Bürgerheer formierten oder auch Teile des religiösen Lebens strukturierten. Von ebenso großer Bedeutung waren in vielen Städten die Phratrien („Bruderschaften“), fiktive Verwandtschaftsverbände, deren Ursprung in früheste Zeit zurückgeht. Die Bedeutung der Phratrien liegt nicht nur in ihren kultischen Aktivitäten. Hier wurden auch die Bürgerlisten geführt: in den Phratrien wurden Geburten bekannt gegeben, Volljährigkeit und Hochzeit begangen und somit die Zugehörigkeit zur Polis kontrolliert. Nur ein Mitglied einer Phratrie war ein vollberechtigter Bürger.
„Verfassungsgesetz“ von Dreros (650–600 v. Chr.), von der Wand des ApollonDelphinios-Tempels (HGIÜ 2)
VI.
Phratrien
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Gott möge gnädig sein (?). So hat entschieden die Polis: Wenn einer kósmos (= Oberbeamter) gewesen ist, soll für zehn Jahre derselbe nicht wieder kósmos sein. Wenn er (doch) als kósmos amtiert: gleich, was er geurteilt hat, soll er (an Strafe) schulden ein Doppeltes, und er soll (für das Amt) unbrauchbar sein, solange er lebt, und was er als kósmos verfügt hat, soll nichtig sein. Eidesleiter sollen sein der kósmos und die dámioi und die Zwanzig der Stadt.
Die Herausforderungen des Polislebens führten schon früh zur Schaffung öffentlicher Ämter, die nur den männlichen Mitgliedern bestimmter Schichten offenstanden. Dabei scheint es auch bald schon zum Missbrauch verliehener Kompetenzen bzw. zur Konzentration der Macht in wenigen Händen gekommen zu sein, denn bereits im 7. Jh. v. Chr. lassen sich Regelungen zur Einschränkung der Amtsdauer und des Intervalls zwischen der Bekleidung diverser Ämter greifen, wie etwa im kretischen Dreros. Das dort überlieferte Gesetz beschränkt die Iteration im Amt, erst zehn Jahre nachdem ein Bürger von Dreros das einjährige Amt des kósmos bekleidet hatte, durfte er diese Funktion wieder wahrnehmen. Neben den kósmoi gab es in Dreros – wie auch in anderen kretischen Poleis – noch andere Amtsträger, die dámioi und die „Zwanzig“. Der kósmos war der Inschrift zufolge offensichtlich für die Rechtsprechung und die Verhängung von Strafen zuständig. Über die Aufgaben der dámioi sind wir nicht unterrichtet, in den „Zwanzig“ ist wohl ein Adels- bzw. Ältestenrat zu sehen. Analog zu den Bezeichnungen in Dreros sind für andere Poleis verschiedene Oberbeamte belegt, die als basileffls, árchon oder pry´tanis bezeichnet werden konnten. In den Händen dieser
Öffentliche Ämter
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Die archaische Epoche
VI.
Funktionäre lagen die Kriegsführung, kultische Belange und die Rechtspflege, wobei die einzelnen Kompetenzen auf verschiedene Zuständige aufgeteilt wurden. Den einzelnen Beamten gegenüber stand die Versammlung (ekklesía) des Volkes (dÞmos), womit stets die erwachsenen männlichen Vollbürger gemeint waren. Daraus konnte sich dann parallel und manchmal wohl durchaus in Konkurrenz zu einem schon früher existierenden Adelsrat ein „Volksrat“ (bulé) herausbilden, wie dies etwa eine Inschrift aus der ersten Hälfte des 6. Jh. v. Chr. von der Insel Chios zeigt:
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Gesetz aus Chios (HGIÜ 10) (A) [Betreffs dessen, was geweiht ist] der Hestia, soll des Volkes Satzungen (der Beamte) beachte[n –], das (dies) besagt (?). Wenn ein (amtierender) démarchos oder basileffls sich beste[chen lässt (?) soll er –] der Hestia zahlen als démarchos. Eintreiben soll der [–] wenn der Demos einberufen ist. (Bei) Verurteilungen durch Überführen (?) doppelte Buße [–] so hoch wie von [–]. (B) –] das Berufungsverfahren [–] wenn er Unrecht erleidet, beim démarchos Stater[e –]. (C) Berufung einlegen soll er vor dem Rat des Volkes. Am dritten (Tag) nach den Hebdomaia (= 7. Tag des Monats) soll der Rat sich versammeln, der des Volkes, der Buße auferlegen darf {oder: (bei Nichtversammlung) Buße zahlen muss}, der auserlesen ist aus fünfzig (Männern) von (jeder) Phyle. Und das andere soll verhandelt werden, was das Volk betrifft, und Prozesse, soweit sie Gegenstand einer Berufung geworden sind im (jeweiligen) Monat, allesamt [–]. (D) [–] (im Monat) Artemision [–] soll Eidopfer schlachten und sch[wören(?) – den b]asile s.
Krieg
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Trotz seines fragmentarischen Erhaltungszustands zeigt dieser Text, dass Gemeindeangelegenheiten auf Chios durch Volksbeschlüsse geregelt wurden, und dass die Beamten, von denen ein démarchos und ein basileffls genannt werden, vom Volk genau kontrolliert wurden. Zuständig dafür (wie auch für Berufungen gegen die Entscheidungen der Beamten und das „andere, was das Volk betrifft“) war ein Volksrat, gebildet aus je fünfzig Männern jeder Phyle (also insgesamt 200 Personen), der einmal im Monat zusammentrat. Das Leben in der griechischen Antike war geprägt von kriegerischen Auseinandersetzungen. Krieg und Militärwesen gehörten wie selbstverständlich zum menschlichen Dasein. Die Polis war daher nicht nur eine politische Einheit sowie eine Kult- und Festgemeinde, sondern auch eine Wehrgemeinschaft. Im Vergleich zu späteren Epochen kam es in der archaischen Periode kaum zu Auseinandersetzungen, die auf die völlige Vernichtung oder Unterwerfung des Gegners abzielten. Meist ging es eher um die Vorherrschaft über kleinere Landstriche, vor allem aber um das Erringen von Beute – eine Ausnahme bildeten allerdings die Messenischen Kriege im 8. und 7. Jh. v. Chr., in deren Verlauf die Spartaner die Landschaft Messenien im Südwesten der Peloponnes eroberten und deren Einwohner zu unfreien Heloten machten. Andere wichtige kriegerische Konflikte der archaischen Zeit sind der in seiner Historizität bestrittene sog. „Erste Heilige Krieg“, der
Die griechische Polis im frühen 6. Jh. v. Chr. um die Vorherrschaft über das Apollonheiligtum von Delphi geführt worden sein soll, oder die langwierige Auseinandersetzung um die Lelantinischen Felder, die sich im späten 8. Jh. v. Chr. zwischen den Städten Chalkis und Eretria auf Euboia entwickelt haben soll (auch die Historizität dieses Krieges ist von der modernen Forschung teilweise in Abrede gestellt worden). Die antiken Quellen berichten, dass sich dieser Konflikt, da beide Poleis über zahlreiche Verbündete verfügten, über große Teile Griechenlands ausgeweitet haben soll. Die meisten Kriege der archaischen Zeit waren aber kurzfristige Kampagnen und dauerten nur wenige Wochen. Dies lag daran, dass man in der Regel nur während einer bestimmten Saison Krieg führte, nämlich im Sommer in der Zeit zwischen Aussaat und Ernte. Denn mit Ausnahme der Spartaner handelte es sich damals ausschließlich um Milizsoldaten, um Bauern, die ihre Felder nicht für lange Zeit im Stich lassen konnten. Auch im Winter, wenn das Wetter schlecht und die Nahrungsmittel knapp werden konnten, führte man nur ungern Krieg. Zudem fehlten in frühgriechischer Zeit die Mittel für eine direkte Erstürmung gut befestigter Stadtanlagen, und lange Belagerungen konnten sich die Miliztruppen ohnehin kaum leisten. So kulminierten kriegerische Auseinandersetzungen in der Regel in einer alles entscheidenden Feldschlacht, deren Sieger anschließend auf dem Kampffeld als Zeichen seines Triumphes ein Siegeszeichen (trópaion) errichtete, in der Regel ein mit einer Inschrift versehener Holzpfahl, auf den ein Teil der erbeuteten Waffen gehängt wurde. In der Kampfesweise selbst vollzog sich in früharchaischer Zeit ein bedeutsamer Wandel. In den homerischen Epen spielt noch der ritterliche Zweikampf der Helden eine dominierende Rolle, wenngleich dieser nicht als so repräsentativ zu gelten hat, wie ihn die bisherige Forschung oft dargestellt hat. Denn auch Homer beschreibt die Kontingente der einfachen Krieger, die auf verschiedene Art und Weise in die Kämpfe eingebunden waren und auch Fernwaffen (Pfeil und Bogen) gebrauchten. Dennoch stellt es eine Neuerung dar, wenn sich – nach Ansätzen im 8. Jh. v. Chr. – schließlich im 7. Jh. v. Chr. die militärische Taktik der Hoplitenphalanx herausbildete, welche für die nächsten Jahrhunderte in Griechenland bestimmend bleiben sollte. Die entwickelte Hoplitenarmee bestand aus Männern mit einer standardisierten (aber nicht uniformen) Ausrüstung: als Charakteristikum hat das Namen gebende hóplon, der stark nach außen gewölbte hölzerne Rundschild, zu gelten. Dazu kamen ein Helm, Beinschienen und ein Brustpanzer aus Bronze. Als Angriffswaffen standen dem Krieger eine lange Lanze sowie ein Kurzschwert für den Nahkampf zur Verfügung. Die Soldaten standen regelmäßig und geordnet in dichter Formation, entscheidend war im Kampf das möglichst gleichmäßige und rasche Vorrücken der Schlachtreihen, wobei häufig ein Flötenspieler den Takt vorgab. Die Krieger waren in die Tiefe gestaffelt, vier bis acht Reihen hintereinander waren wohl die Regel. Ein Ausbruch einzelner Soldaten aus der Phalanx bedrohte den Zusammenhalt und damit den Erfolg des gesamten Heeres. Ordnung, Disziplin, Mut und Beharrungsvermögen waren daher entscheidende, von den Kämpfern geforderte Tugenden. Die Geschlossenheit der Truppe und ihre dadurch im Kampf erreichte Energie und Wucht bildeten den großen Vorteil dieser Strategie. Ihre Nachteile lagen in der Unbeweglichkeit der Kampfverbände, den Schwierigkeiten in der Aufrechterhaltung der Disziplin
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Hoplitenphalanx
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Die archaische Epoche
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und im fehlenden Flankenschutz. Da eine Hoplitenphalanx in unwegsamem Gelände nicht operieren konnte, fanden die Schlachten stets in Ebenen statt. War es in der Schlacht gelungen, die gegnerische Schlachtreihe aufzubrechen, suchte diese in der Regel ihr Heil in der Flucht, wobei eine Verfolgung der Fliehenden meist unterblieb. Dadurch kam es normalerweise nicht zu hohen Verlustzahlen, da nur die Soldaten in den vorderen Reihen gefährdet waren. Dieser neue Stil der Kriegsführung – der freilich nicht gegen den Willen der Aristokratie eingeführt werden konnte – hatte auch Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Verhältnisse der Epoche. Voraussetzung für den Erfolg der Hoplitentaktik war, dass möglichst viele Bürger sich die Rüstung eines Schwerbewaffneten leisten und in der Phalanx kämpfen konnten, was auch für eine bemerkenswert große Gruppe zutraf – freilich nahmen aber auch Männer, welche keine vollständige Hoplitenrüstung aufbringen konnten, als Leichtbewaffnete an den Gefechten teil. Da in der Antike der Beitrag, den eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zum militärischen Potential ihrer Heimat leisten konnte, in der Regel auch ihren politischen Einfluss bestimmte, trug – freilich neben anderen Faktoren – der wachsende Anteil der Schwerbewaffneten am Kriegswesen auch zu ihrem größeren Einfluss in der politischen Entscheidungsfindung bei. Diesen Zusammenhang zwischen militärischer Taktik und politischer Verfassung hat auch bereits der griechische Philosoph Aristoteles erkannt:
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Aristoteles, Politik 1297 b Und die erste Staatsverfassung wurde bei den Griechen nach den Königsherrschaften von denen getragen, die Krieg führten, und zwar leitete sie sich aus der Herrschaft der Reiter ab. Denn der Krieg pflegte seine Stärke und Überlegenheit in den Reitern zu beweisen. Denn ohne Schlachtordnung sind die schwer bewaffneten Truppen nutzlos, doch Erfahrungen in derartigen Belangen und diesbezügliche Anordnungen standen den Alten noch nicht zu Gebote, so dass eben die Hauptstärke bei den Reitern lag. Als sich aber die Staaten vergrößerten und die in Waffen Stehenden immer mehr an Macht gewannen, hatten mehr Leute Anteil an der Staatsverfassung. Daher nannten die Früheren die Verfassungen Demokratien, die wir heute Politien nennen.
Eine vergleichbare Entwicklung vollzog sich auch in klassischer Zeit. Als nämlich Athen im 5. Jh. v. Chr. zur führenden Seemacht aufstieg, und selbst die mittellosen Bürger als Ruderer auf den athenischen Kriegsschiffen zur Verstärkung des Wehrpotential ihrer Heimatpolis beitragen konnten, leistete dies der radikalen Demokratisierung der Stadt Vorschub. Das Zeitalter der Bürgerheere, die als Hoplitenphalanx in den Kampf zogen, und deren Stärke das Kollektiv, die geschlossene Schlachtreihe, darstellte, führte auch zu einer neuen militärischen Ethik, die in der zeitgenössischen Kriegslyrik deutlich zum Ausdruck kommt. Sie beschwört die Tapferkeit und Standhaftigkeit des Soldaten, betont aber vor allem die Pflicht des einzelnen gegenüber seiner Heimat. Sie appelliert an patriotische Gefühle, feiert Tugenden wie Solidarität und Kameradschaft und suggeriert,
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Sklaven und Aristokraten dass der Tod im Dienste der Gemeinschaft dem Gefallenen Ruhm und Ehre bringt. Ein Vertreter dieser Kriegslyrik war der aus Sparta stammende Elegiendichter Tyrtaios, dessen Werke die Kampfkraft seiner Mitbürger während des sog. „Zweiten Messenischen Krieges“ in der zweiten Hälfte des 7. Jh. v. Chr. stärken sollten. Tyrtaios 6 / 7 G.-P. = 10 West
VI. Tyrtaios
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… tot sein nämlich ist schön, wenn man vorn bei den ersten gefallen als braver Mann um seine Vaterstadt im Kampf! Doch seine Stadt verlassen und die fetten Äcker und betteln gehn – das ist von allem schlimmste Pein! umherirrn mit der lieben Mutter und dem Vater, alt schon, und mit den kleinen Kindern – und der angetrauten Frau! Denn angefeindet wird man sein bei allen, die man angeht – von bittrer Not getrieben und vom Mangel, hassenswert; man schändet seinen Stamm und straft sein gutes Aussehn Lügen, Ehrlosigkeit in jeder Form und Schmach hängt einem an! Wenn aber so dem, der umherirrt kein Deut Achtung entgegenschlägt, und kein Respekt, auch seinen Kindern nicht –, mit Wut lasst uns um dieses Land dann kämpfen! für die Kinder sterben wir hin! und schonen unsre Leben länger nicht, ihr jungen Männer! sondern kämpft eng beieinander bleibend! und fangt die Flucht, die hässliche nicht an, und nicht die Furcht! macht vielmehr groß in euch den Mut und wehrhaft tief im Innern, und liebt das Leben nicht zu sehr, wenn ihr mit Männern kämpft! […] Drum auf! im Spreizschritt halt’ man stand, mit beiden Füßen gestemmt ans Erdreich! in die Lippe grab sich ein der Zähne Biss!
Den Gedichten des Tyrtaios war großer Nachruhm beschieden. Noch in klassischer Zeit wurden seine Werke nicht nur auf Feldzügen vorgetragen, sondern auch als Zeugnisse korrekter patriotische Gesinnung zitiert – z. B. in der Rede des attischen Rhetors Lykurg gegen Leokrates (107). Einen späten Nachhall findet die zitierte Elegie mit ihrem Lobpreis auf den Tod fürs Vaterland bei Horaz (Carmina 3, 2, 13) mit den bis in die Neuzeit berühmten Worten: dulce et decorum est pro patria mori.
5. Sklaven und Aristokraten Athenaios, Deipnosophistai 6, 88 (265 b / c)
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Ich weiß, dass von den Griechen als erste die Bewohner von Chios für Geld gekaufte Sklaven gehalten haben, wie Theopompos im siebzehnten Buch seiner „Geschichte“ nachweist: ‚Die Chier haben als erste der Griechen – nach den Thessalern und den Spartanern – von Sklaven Gebrauch gemacht; allerdings er-
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warben sie diese nicht auf dieselbe Weise wie jene … Die Spartaner und die Thessaler haben nämlich – so wird sich herausstellen – ihren Sklavenbestand aus den Griechen genommen, die das Land, das sie jetzt haben, früher bewohnten, die einen aus Achaiern, die Thessaler aus Perrhaibern und Magneten. Jene nannten diejenigen, die sie versklavten, Heloten, diese Penesten. Die Bewohner von Chios jedoch besitzen als Sklaven Nicht-Griechen, und sie zahlen einen Preis für sie.‘
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Beginn der Sklaverei
Herkunft der Sklaven
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Athenaios aus Naukratis lebte um 200 n. Chr. und verfasste ein Werk namens Deipnosophistai („Die Gelehrten beim Gastmahl“) in 15 Büchern. Den Rahmen bildet ein mehrtägiges Gastmahl beim römischen Aristokraten Larensius, zu dem 29 Personen geladen sind, die sich über die verschiedensten Dinge unterhalten, wobei das Gastmahl selbst als Aufhänger dient. Die Gespräche kreisen um Essen und Trinken, Feste und Festkultur, Musik und Tanz, Sklaven oder Hetären. Der immense Wert des Werkes liegt nicht nur in der Überlieferung zahlreicher sonst unbekannter antiquarischer Details, sondern vor allem in den unzähligen sehr sorgsamen Zitaten aus inzwischen verlorener antiker Literatur, so sind die Deipnosophistai etwa unsere wichtigste Quelle für die Mittlere und Neue Komödie, und auch für das Studium der antiken Geschichtsschreibung sind sie unerlässlich.
Theopompos von Chios, ein griechischer Historiker des 4. Jh. v. Chr., schreibt in dieser bei Athenaios überlieferten Passage seines Geschichtswerks die Einführung der Kaufsklaverei seinen Landsleuten zu. Wann genau das geschehen sein soll, sagt er nicht, doch denkt er offensichtlich an einen unbestimmten Zeitpunkt während der sog. „dunklen Jahrhunderte“ oder in früharchaischer Zeit, jedenfalls nach den großen Wanderungsbewegungen dieser Epoche, welche die Dorer auf die Peloponnes und die Thessaler nach Thessalien gebracht haben. Diese Ansicht ist freilich nicht korrekt, denn die Kaufsklaverei kann in Griechenland auf eine viel längere Tradition zurückblicken, tauchen doch Sklaven, die erworben und auch wieder veräußert werden konnten, bereits in den mykenischen Linear-B-Texten auf. Dennoch kann vielleicht von einem „Wiederaufblühen“ und einem erneuten Aufschwung dieser Institution in Zusammenhang mit der sog. „großen griechischen Kolonisation“ ab dem Beginn des archaischen Zeitalters gesprochen werden, da durch die Anlage der zahlreichen Apoikien im ganzen Mittelmeerraum sowie im Schwarzmeergebiet nicht nur neue Märkte, sondern auch neue Quellen für Sklaven erschlossen wurden. Die Insel Chios scheint durchaus ein Zentrum der frühgriechischen Sklaverei gewesen zu sein. So kolportiert Thukydides (8, 40), dass die Chier Ende des 5. Jh. v. Chr. nach Sparta die meisten Unfreien besessen und diese auch stets hart bestraft hätten. Natürlich hatte die Sklaverei im archaischen Griechenland noch nicht jenes Ausmaß und jene Bedeutung erreicht, die ihr in klassischer Zeit insbesondere in Athen zukommen sollte. Dennoch ist in den damaligen Zentren (Korinth, Aigina, Milet, Athen) bereits mit einer größeren Anzahl von Unfreien zu rechnen, die in der Landwirtschaft, im Bergbau, in Handel und Gewerbe oder im Haushalt tätig waren. Meist waren es Fremde, die durch kriegerische Ereignisse oder organisierten Menschenraub in die Unfreiheit
Sklaven und Aristokraten geraten waren. Doch konnte das Los der Sklaverei durchaus auch Griechen treffen. Diese konnten etwa durch Schuldknechtschaft oder Selbstverkauf in die Sklaverei ihrer Freiheit verlustig gehen. Eine nicht zu unterschätzende Quelle des Sklavennachschubs war auch die Aufzucht von Findelkindern als Sklaven. Und selbstverständlich waren auch Griechen von den Folgen militärischer Geschehnisse bedroht. Etliche Sklaven waren selbst Kinder von Unfreien und damit von Geburt an unfrei, da sich der Stand eines Kindes in der Regel nach dem der Mutter richtete. Bisweilen wird vermutet, dass die Mehrzahl der Sklaven im archaischen Griechenland Frauen gewesen seien. Diese mussten ihren Herren wohl oft auch sexuell zur Verfügung stehen. Die Sklaven waren rechtlich und wirtschaftlich völlig von ihren Besitzern abhängig. Weder besaßen sie Teilhabe an politischen Entscheidungen, noch konnten sie über ihre eigenen Lebensumstände bestimmen. Wie hart oder angenehm ihr Los war, hing einzig vom Willen ihres Besitzers ab. Dieser bestimmte, ob sie persönlichen Besitz erwerben oder eine eigene Familie gründen durften; er entschied auch darüber, welche Arbeiten sie zu verrichten hatten, und ob und wie sie für Verfehlungen (oder auch grundlos) bestraft wurden. Schließlich kam es zur Vorstellung einer physischen und moralischen Unterlegenheit der Sklaven gegenüber den Freien, die sich besonders dezidiert dann im 4. Jh. v. Chr. bei Aristoteles greifen lässt, der die Auffassung entwickelte, es gebe Menschen, die von Natur aus zur Sklaverei bestimmt seien. Von den Kaufsklaven sind – wie dies auch Theopomp in der oben angeführten Stelle tut – jene Menschengruppen zu unterscheiden, die bei der Eroberung der von ihnen bewohnten Landstriche von den Neuankömmlingen unterworfen und kollektiv versklavt wurden. Zu derartigen Vorkommnissen kam es im Rahmen der Wanderungsbewegungen der sog. „dunklen Jahrhunderte“ genauso wie ein wenig später in Zusammenhang mit der sog. „großen griechischen Kolonisation“. Das berühmteste Beispiel für solche Bevölkerungsgruppen sind die Heloten im lakedaimonischen Staatswesen, sowohl jene in Lakonien, deren soziale Stellung sich nach der Ankunft dorischer Griechen in dieser Landschaft entwickelt hatte, als auch jene in Messenien, die nach dem sog. „Zweiten Messenischen Krieg“ auf diesen Status herabgedrückt worden waren. Andere Gruppen, die ein solches Schicksal erlitten, waren beispielsweise die Penesten in Thessalien, die Klaroten auf Kreta oder die schon erwähnten Mariandyner im Gebiet von Herakleia am Pontos. Im Gegensatz zu den oben behandelten Kaufsklaven erfreuten sich diese Völkerschaften größerer Freiheiten. Sie konnten etwa selbstständig wirtschaften und durften in festen Familienverbindungen leben sowie bewegliche Habe als persönlichen Besitz erwerben. Auf der anderen Seite waren sie an die Scholle gebunden und hatten auf den Feldern ihrer Herren, denen auch ein wesentlicher Anteil des Ernteertrages abgeliefert werden musste, hart zu arbeiten. Zudem waren sie weitgehend rechtlos und der Willkür der herrschenden Bevölkerungsschicht ausgeliefert. Für Sparta wird etwa überliefert (Plut. Lyk. 28), dass den Heloten alljährlich offiziell der Krieg erklärt wurde, um deren Tötung zu legitimieren. Während die Quellen für die von den Spartanern beherrschten Heloten mehrmals von Aufständen berichten, ist dies von den anderen Gruppen nicht bekannt. Der ge-
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Lebensumstände
Heloten
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Die archaische Epoche
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Aristokraten
Theognis
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naue Status und auch die adäquate Benennung dieser Menschen, die jeweils nicht einem einzigen Besitzer, sondern dem Gemeinwesen gehörten, sind in der Forschung umstritten. Der kaiserzeitliche Gelehrte Pollux (3, 83) hat sie als „zwischen Freien und Sklaven“ stehend bezeichnet, doch könnte man sie genauso mit Strabon (8, 5, 4) als „auf bestimmte Weise öffentliche Sklaven“ charakterisieren. Am anderen Ende der sozialen Skala stand der frühgriechische Adel, dem trotz der Existenz eines selbstbewussten und nach Mitbestimmung strebenden Hoplitenstandes die politische und militärische Führungsrolle zukam. Dabei ist zu beachten, dass der frühgriechische Adel zunächst keine Geblütsaristokratie mit ausgeprägtem Standescharakter und weit verzweigten Blutverwandtschaftsverbänden war. Es fehlte in den frühgriechischen Staaten auch an einer übergeordneten Instanz, die einzelne Familien hätte adeln können. Natürlich war die Abstammung von einem Aristokraten eine gute Voraussetzung, um selber in den Kreis der Adeligen aufgenommen zu werden, eine Bedingung war sie jedoch nicht. Erst in spätarchaischer Zeit werden – wohl in Zusammenhang mit sozialen Spannungen – Versuche, die Aristokratie stärker an die Abstammung zu binden, deutlicher greifbar, etwa durch das Aufkommen von Bezeichnungen wie eugenés („wohlgeboren“) oder eupatrídes („von einem guten Vater“). Das Aufkommen eines an die Herkunft geknüpften Standesbewusstseins zeigen auch die Gedichte des Theognis:
Theognis, Elegien I 183 ff. Widder und Esel wollen wir, Kyrnos, und Pferde, von guter Abstammung haben, und gute wählt man für die Zucht, aber die schlechte Tochter eines schlechten Mannes zu heiraten macht einem edlen Mann nichts aus, sobald sie ihm viel Geld bringt, und auch eine Frau weigert sich nicht, Gattin eines schlechten Mannes zu sein, der reich ist; den begüterten zieht sie dem guten vor. Geld verehren sie. Und ein edler nimmt eine Frau aus schlechter Familie, ein schlechter eine aus guter: Reichtum mischt die Gattung. So wundere dich nicht, Polypaïde, dass die Gattung unserer Mitbürger schwach wird: Edles mischt sich nämlich mit Schlechtem. Wohl wissend, dass sie aus schlechter Familie stammt, führt er sie in sein Haus, vom Geld überredet, er, der berühmte, sie, die mit dem schlechten Ruf, da ihn große Not in diese Lage bringt, die den Sinn eines Mannes duldsam macht.
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Der Dichter Theognis (6. Jh. v. Chr.) stammte aus der nahe Korinth gelegenen Stadt Megara. Er verfasste eine Reihe von Elegien, die an den – wohl fiktiven – jungen Adligen Kyrnos gerichtet sind und diesen zur richtigen Lebensführung anleiten sollten. Die Verse des Theognis, die zum Vortrag im Rahmen des Symposions bestimmt waren, mahnen seine Standesgenossen, sich auf ihre traditionellen Tugenden und Werte zu besinnen und sich nicht an nicht-aristokratische, „neureiche“ Bevölkerungsschichten anzubiedern. Den Werken des Theognis, die eine
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große Verbreitung erfuhren, wurden im Laufe der Zeit Gedichte anderer Poeten hinzugefügt, sodass schließlich ein Corpus Theognideum von insgesamt fast 1400 Versen entstand, von denen weniger als 300 tatsächlich auf die Autorschaft des Theognis zurückgehen.
Ursprünglich war es aber nicht die Herkunft, welche für den aristokratischen Stand konstituierend war, sondern die Anerkennung eines adligen Status durch die Gesellschaft auf der Grundlage der jeweiligen persönlichen Leistung und Tüchtigkeit (areté) und des dadurch erworbenen Reichtums. Wer nicht reich war, konnte kein Aristokrat sein – das Bild des „verarmten Edelmannes“ war den Griechen der Archaik fremd. Der Reichtum ermöglichte den Aristokraten ihren repräsentativen Lebensstil, der in erster Linie der Behauptung des erreichten Status diente und vom Wettkampf in Krieg und Sport und der Zurschaustellung von Reichtum und Kultur geprägt war. Der sportliche Wettkampf nahm im Leben der griechischen Aristokratie eine wichtige Stellung ein, da er eine Möglichkeit bot, die eigene areté unter Beweis zu stellen. Eine zentrale Rolle spielten dabei die vier großen panhellenischen Agone in Olympia, Delphi, Nemea und Korinth, von denen bereits die Rede war. Dass die sportliche Betätigung ein Anzeichen aristokratischen Lebens war, zeigt sich bereits in der homerischen Odyssee, als dem Helden bei seinem Aufenthalt im Lande der Phaiaken unterstellt wird, dass er ein Kaufmann sei und sich deshalb nicht auf sportliche Wettkämpfe verstehe (Hom. Od. 8, 158 ff.). Denn die Muße, sich auf die Wettkämpfe, die ja keinen Bezug zum direkten Leben hatten, vorzubereiten, war ein Anzeichen aristokratischen Daseins. In ganz besonderer Weise war das Wagenrennen eine Sportart des reichen Mannes, denn nur ein solcher konnte die enormen Kosten der Pferdezucht und des Trainings der Tiere bestreiten. Als Sieger im Wagenrennen galt auch nicht der Wagenlenker, sondern stets der Besitzer des erfolgreichen Vierergespanns. Der Sieger in einem panhellenischen Agon galt nicht nur als ein guter Sportler, ein solcher Erfolg brachte dem siegreichen Athleten, dessen areté nun bewiesen war, immensen Ruhm und konnte auch politische Auswirkungen haben – nicht immer nur zum Vorteil des Siegers. Herodot (6, 103) berichtet etwa von Kimon, dem Vater des gegen die Perser erfolgreichen Feldherrn Miltiades, dass dieser einst vom Tyrannen Peisistratos aus Athen verbannt worden war. Als er in Olympia zweimal beim Pferderennen erfolgreich war (und den zweiten Sieg auch dem Peisistratos widmete), wurde er nach Athen zurückberufen. Als er aber ein drittes Mal siegte, ließen ihn die Söhne des Peisistratos töten, da sein Prestige zu groß und seine soziale Stellung für die Machthaber damit zu gefährlich geworden war. In vielen Fällen wurden die Sieger in panhellenischen Agonen auch durch Siegeslieder (Epinikien), die auf Bestellung von Dichtern verfasst wurden, gefeiert. Der erste, der solche Oden auf die Sieger in Wettspielen geschrieben hat, war offenbar Simonides von Keos (557 / 56–468 v. Chr.), der berühmteste ist aber sicher Pindar aus Kynoskephalai bei Theben in Boiotien (ca. 520–440 v. Chr.), der als der größte griechische Chorlyriker gilt. Nicht alle teilten jedoch die Begeisterung für die siegreichen Athleten. Eine der – allerdings wenigen – Stimmen gegen den Enthusiasmus um sportliche Triumphe gehört dem Philosophen Xenophanes von Kolophon (ca. 570–475 v. Chr.), der nicht
Wettkampf
Xenophanes
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nur die anthropomorphen griechischen Göttervorstellungen, sondern auch die überkommenen Werte und Traditionen kritisierte.
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Xenophanes 2 G.-P. = 2 DK Aber wenn einer durch die Flinkheit der Füße den Sieg nun erränge oder den Fünfkampf bestreitend dort, wo des Zeus Heiligtum liegt neben dem Pises-Strom in Olympia – oder als Ringer oder als einer, der schmerzvollen Faustkampf betreibt oder den furchtbaren Wettbewerb, den sie als Allkampf bezeichnen – dann käme dieser den Städtern gleich glanzvoller anzuschaun vor und er erhielt den Ehrenplatz, deutlich erkennbar, bei Festen, und auch die Speisung wohl fiele ihm zu aus Gemeindebesitz: stattlicher Lohn! ein Geschenk noch dazu, das ein Kleinod ihm wäre; siegte er gar mit dem Wagen, dann hätt’ er das alles zugleich – und wär doch dessen nicht so wert wie ich! – Denn mehr als Stärke von Männern und Pferden wiegt doch meine Geisteskraft! Ganz unbedacht wird das doch praktiziert und ist gerecht nicht: voranzustellen Körperstärke guter Geisteskraft! Denn weder wenn ein guter Boxer sich beim Volk befindet noch einer, der im Fünfkampf gut ist oder ringen kann, noch wenn ein Star im Laufen da ist (das der ehrenvollste von allen Wettbewerben ist in reiner Körperkraft), wird deshalb schon die Stadt mehr in der guten Ordnung leben! Geringen Grund nur hat die Stadt, darüber sich zu freuen, wenn im Athletenwettkampf einer siegt an Pises’ Ufern: das macht die Vorratskammern unsrer Stadt nicht fett und voll!
Symposion
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Neben dem sportlichen Wettkampf stellte das gemeinschaftliche Trinkgelage (Symposion) einen Dreh- und Angelpunkt des aristokratischen Lebens dar. Gemeinsame Mahlzeiten spielten im antiken Griechenland in vielen Zusammenhängen eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt der Gemeinschaft und die Konstitution der Bürgerschaft, seien es die großen Festmähler im Zusammenhang mit Kulthandlungen, seien es die Mahlzeiten und Gelage im Rahmen der genossenschaftlichen Verbände (z. B. der Phratrien), oder seien es die gemeinsamen Mähler der Bürger in Sparta und auf Kreta (Syssitien) oder im klassischen Athen die Bewirtung der Prytanen (= geschäftsführender Ausschuss des Rates) in ihrem Amtsgebäude (Prytaneion), wozu auch die Gäste der Stadt geladen werden konnten. In diesem Rahmen ist auch das aristokratische Symposion im archaischen Griechenland zu verstehen, das als zentrale gesellschaftliche und kulturelle Institution nicht nur der Repräsentation des Wohlstandes eines aristokratischen Oikos, sondern auch dem Knüpfen und Erhalt sozialer Bindungen zwischen den Beteiligten diente. Dazu kam oftmals ein pädagogischer Aspekt; durch die Teilnahme Jugendlicher am Symposion sollten diese auf ihr zukünftiges Leben als Aristokraten vorbereitet werden. Zum Symposion traf sich ein begrenzter Kreis von zehn bis fünfzehn Männern – ihre Frauen waren dabei nicht zugelassen –, um nach einem
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Gastmahl gemeinsam zu trinken. Die Teilnehmer am Gelage saßen dabei nicht, sondern lagen auf Speisesofas (Klinen), vor denen kleine Tische mit den Speisen und Getränken standen. Der Ablauf eines Symposions war durch Rituale und Bräuche geprägt, deren Einhaltung von einem extra gewählten Vorsitzenden (Symposiarch) überwacht wurde. Dieser bestimmte etwa das Mischverhältnis von Wein und Wasser im Mischgefäß (Krater), wobei ein Verhältnis von einem Teil Wein auf zwei oder drei Teile Wasser als normal anzusehen ist. Am Anfang des Symposions stehen allerdings Reinigungsrituale, die Bekränzung der Teilnehmer und Trankspenden an die Götter. Das Symposion war einerseits durchaus ein Ort für ernsthafte Gespräche und Diskussionen. Dies wird ab dem 4. Jh. v. Chr. in der sog. SymposionLiteratur aufgegriffen, die das Trinkgelage als Rahmen für in Dialogform vorgebrachte philosophische Erörterungen verwendet. Die berühmtesten Beispiele dafür sind Platons Symposion und das gleichnamige Werk des Xenophon, von den späteren Werken sind etwa Plutarchs Symposiaka oder die Deipnosophistai des Athenaios zu nennen. Das Symposion bot aber andererseits auch Raum für andere Zerstreuungen. Man vergnügte sich mit diversen Spielen, von denen das sog. KottabosSpiel, bei dem es darum ging, mit einem Rest Wein aus der Trinkschale ein bestimmtes Ziel zu treffen, das beliebteste war. Zur Unterhaltung der Zechenden konnten professionelle Künstler wie Tänzerinnen oder Musikantinnen auftreten, die Symposionsteilnehmer konnten aber auch selbst singen und tanzen. Zahlreiche Werke der archaischen Literatur wurden speziell für den Vortrag während der Gelage geschrieben. Auch erotische Aspekte spielten im Rahmen des Symposions eine wesentliche Rolle. Wer es sich leisten konnte, nahm dabei die Dienste von Hetären in Anspruch. Hetären (wörtlich „Gefährtinnen“) sind von einfachen Prostituierten zu unterscheiden, wenngleich die Grenze zwischen beiden oft fließend gewesen sein mag. Hetären unterhielten mit den Männern eher längerfristige, außereheliche, erotische Beziehungen, wobei die Quellen immer wieder den Freundschaftscharakter dieser Verhältnisse hervorheben. Die Hetären, die kein Geld, sondern diverse materielle Geschenke als Lohn annahmen, gewährten nicht jedem ihre Gunst. Schlagfertigkeit sowie literarische, musikalische und tänzerische Bildung galten als besondere Qualitäten dieser oft unfreien Frauen, die besonders im Rahmen von Symposien anzutreffen waren. Der Umgang mit Hetären war – obwohl er in manchen Fällen zu innerfamiliären Problemen führen konnte – nichts Anstößiges, vielmehr wurden kostspielige Hetären als Statusobjekte betrachtet.
Die beiden eben behandelten Bereiche des Wettkampfs der Aristokraten untereinander und des gemeinsamen Mahls, das ebenso dem sich gegenseitig Messen dienen konnte, verbindet eine Geschichte, die Herodot überliefert, nämlich die Erzählung von Kleisthenes, dem Tyrannen von Sikyon, der einen Wettbewerb um die Hand seiner Tochter veranstaltete. Herodot, Historien 6, 126 ff.
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Kleisthenes von Sikyon
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Kleisthenes war der Sohn des Aristonymos, der Enkel des Myron, der Urenkel des Andreus. Er hatte eine Tochter namens Agariste, die er dem tapfersten und edelsten aller Griechen, den er fände, zur Frau geben wollte. Als Kleisthenes bei den
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olympischen Spielen mit dem Viergespann siegte, ließ er durch einen Herold verkünden: Welcher Grieche sich für würdig halte, des Kleisthenes Schwiegersohn zu werden, solle am sechzigsten Tage oder früher in Sikyon erscheinen, da Kleisthenes innerhalb eines Jahres, von diesem 60. Tage an gezählt, die Hochzeit seiner Tochter feiern wolle. Da machten sich alle Griechen, die auf sich und ihr Vaterland stolz waren, als Freier auf nach Sikyon, und Kleisthenes richtete für sie eine Rennbahn und einen Ringplatz ein, eben zu diesem Zwecke. […] Als diese zu dem festgesetzten Tag erschienen, fragte Kleisthenes zuerst jeden nach seiner Vaterstadt und seinem Geschlecht. Dann behielt er sie ein Jahr bei sich. Er prüfte ihren Mannesmut, ihre Gemütsart, ihre Bildung, den Charakter, indem er sich mit jedem einzeln unterhielt und mit allen zusammen. Er führte die jüngeren von ihnen auf die Turnplätze und prüfte sie, was das wichtigste war, beim gemeinsamen Mahl. Solange er sie bei sich behielt, tat er das unausgesetzt, und dabei bewirtete er sie großartig. Am besten gefielen ihm die Freier aus Athen, und unter ihnen besonders Hippokleides, der Sohn des Teisandros, wegen seines Mannesmutes und auch wegen seiner verwandtschaftlichen Herkunft mit den Kypseliden in Korinth. Als nun der Tag nahte, an dem Kleisthenes die Hochzeit feiern und die getroffene Wahl allen verkünden sollte, opferte er 100 Rinder und lud die Freier selbst und ganz Sikyon zum Festmahl ein. Nach dem Essen wetteiferten die Freier im Vortrag von Liedern und Beiträgen zur Geselligkeit. Im Verlauf des Gelages forderte Hippokleides, der die andern alle in seinen Bann zog, den Flötenspieler auf, ihm zum Tanz aufzuspielen. Als der Flötenspieler gehorchte, tanzte er, und zwar nach seinem Geschmack sehr schön; dem Kleisthenes gefiel die ganze Sache beim Zuschauen nicht. Nach einer Pause ließ Hippokleides einen Tisch hereinbringen und tanzte darauf zunächst lakonische Weisen, dann andere attische, und beim dritten Tanz stand er kopf und schlenkerte mit den Beinen im Takt. Beim ersten Tanz und beim zweiten wies Kleisthenes zwar mit Abscheu den Gedanken von sich, dass Hippokleides noch sein Schwiegersohn werden könnte, eben wegen der Schamlosigkeit des Tanzes; doch er beherrschte sich und wollte ihn nicht beleidigen. Als er ihn aber mit den Beinen so herumbaumeln sah, konnte er sich nicht mehr beherrschen und sagte: „Sohn des Teisandros, du hast deine Hochzeit vertanzt!“ Hippokleides aber unterbrach ihn und rief: „Das kümmert Hippokleides wenig.“ Daher stammt das bekannte Sprichwort.
Es ist dies eine typische aitiologische Geschichte, die dem Zweck dient, die Herkunft des von Herodot am Ende erwähnten Sprichworts zu erläutern. Gleichzeitig führt sie uns aber nochmals eindrücklich den Wertekanon der griechischen Aristokratie in archaischer Zeit vor Augen. Diese Erzählung zeigt auch, dass die Ehe vor allem als Möglichkeit gesehen wurde, politische und gesellschaftliche Verbindungen zu knüpfen und die Position des eigenen Oikos in der internationalen Welt der Aristokratie zu festigen. Die Gefühle der betroffenen Braut spielten dabei keine Rolle, nach ihrer Zustimmung zu einer etwaigen ehelichen Verbindung wurde nicht gefragt. Kleisthenes als Brautvater suchte in dieser Geschichte einen Schwiegersohn, der ihm zusätzlichen Reichtum und eine Vermehrung seiner Macht einbringen konnte. Wenngleich die Ehefrauen – vor allem aufgrund ihrer Bedeutung für den Fortbestand des Oikos – grundsätzlich geschätzt und angesehen waren, war
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Sklaven und Aristokraten die Ehe nicht der Ort für romantische Gefühle (obwohl sie natürlich vorhanden sein konnten!). Durchaus begegnen uns diese aber bei der Schilderung homosexueller Verbindungen. Das zeigt etwa folgendes Gedicht des Anakreon von Teos (ca. 575–485 v. Chr.). Das Zielpublikum der Werke des Anakreon waren die adligen Teilnehmer der Symposien. Die Hauptthemen seiner auch in späteren Zeiten noch beliebten Gedichte, deren Wiederentdeckung im 16. Jh. zu zahlreichen Nachahmungen (Anakreontik) führte, sind die Liebe und der Wein.
Anakreon 357 PMG
VI. Homosexualität
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O Herr – den Eros, der alles bezwingt, und die schwarzäugige Nymphenschar und Aphrodite im Purpurglanz heiter umspielen, und der du schweifst hoch auf den höchsten Gebirgeshöh’n – kniend bitt’ ich dich (und du komm freundlich zu uns!), dies geziemende Bittgebet zu hören: Sei Kleobulos ein guter Ratgeber, dass er mein Liebesbegehr, o Dionysos, nicht abweist!
Homosexuelle Beziehungen unter Männern waren im frühen Griechenland allerdings strengen Reglementierungen unterworfen. Akzeptiert waren nur Verbindungen zwischen freien Männern, nämlich einem älteren Liebhaber (erastés) und einem jugendlichen, etwa 12- bis 18-jährigen Geliebten (erómenos). Die Besonderheit dieser Beziehungen lag in ihrer erzieherischen Funktion, der erastés war für die moralisch-geistige Ausbildung des erómenos zuständig, der Jugendliche sollte unter seiner Anleitung zur areté bzw. zum Ideal der kalokagathía geführt werden, doch darf auch der sexuelle Aspekt dieser Verbindungen sicher nicht vernachlässigt werden. Ähnlich den Beziehungen zu Hetären spielte bei dieser paiderastía das Buhlen um die Gunst des auserwählten Jünglings mit Geschenken eine wichtige Rolle, wobei die Bezahlung mit Geld, die an die Praktiken der Prostitution erinnerte, verpönt war. In eine andere Welt führen dagegen die Werke der Dichterin Sappho, die zwischen 630 und 612 auf der Insel Lesbos geboren wurde. Sie stammte aus der aristokratischen Oberschicht, soll mit einem gewissen Kerkylas verheiratet gewesen sein und hatte eine Tochter namens Kleïs. Zwischen 603 und 595 hat sie offenbar von ihrer Heimat nach Sizilien fliehen müssen. Nach ihrer Rückkehr einige Jahre später wurde sie als Erzieherin von Mädchen aus der Oberschicht tätig, die sie in die Erwachsenenwelt einführen sollte. Dazu zählte eine Ausbildung in Religion, Musik und Literatur wohl ebenso wie eine sexuelle Initiation. Die Welt dieses Mädchenkreises liefert den Stoff für Sapphos Dichtung, neben Hochzeitsliedern sind es vor allem sehr persönliche Gedichte, die uns überliefert sind. Dabei werden immer wieder tiefe Emotionen zwischen den Mädchen und auch Sappho selbst
Sappho
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thematisiert. Dies hat dazu geführt, dass bereits in der Antike die Heimat der Dichterin Pate stand für die Bezeichnung der weiblichen Homosexualität.
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Sappho 31 L.-P. Es scheint derjenige mir gleich den Göttern zu sein, der Mann, der gegenüber dir stets sitzt und aus der Nähe stets, wenn süß du redest, dir zuhört, und wenn du lachst – betörend … Das hat mir – wahrhaftig! – das Herz in der Brust jäh aufgeschreckt! Denn wie ich auf dich blicke, kurz nur, ist zum Sprechen kein Raum mehr, nein: ganz gebrochen ist die Zunge, fein ist augenblicks unter die Haut ein Feuer mir gelaufen, und mit den Augen seh’ ich nichts, es dröhnen die Ohren, herab rinnt kalter Schweiß an mir, ein Zittern hält ganz gepackt mich, fahler noch als Dürrgras bin ich – vom Totsein wenig nur entfernt komm’ ich mir selbst vor … Doch alles ist durchstehbar, da […]
6. Gesetzgeber und Tyrannen stáseis
Drakon
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Wirtschaftliche, soziale und politische Probleme konnten in den griechischen Poleis immer wieder zu Notlagen und Spannungen führen, die sich mitunter zu bürgerkriegsähnlichen Krisen (stáseis) steigerten. Mit der Schlichtung der Konflikte und der Lösung der anstehenden Probleme betraute man häufig dafür besonders geeignet erscheinende Männer aus dem Adelstand, die mitunter – um ihre Unparteilichkeit zu gewährleisten – auch von auswärts kommen konnten. Solche Schlichter wurden als aisymnétes oder diallaktés bezeichnet. Im Rahmen derartiger Konflikte und deren Schlichtung kam es vielerorts zur Aufzeichnung von Gesetzen, wobei einerseits ererbtes Recht erstmals schriftlich fixiert, andererseits auch neue, zukunftsträchtige Regelungen getroffen wurden. Zu den ersten solchen Gesetzgebern (nomothétai), von denen die antike Überlieferung berichtet, gehören etwa Zaleukos von Lokroi Epizephyroi oder Charondas aus Katane, die aber historisch kaum greifbar sind. Besser fassbar ist Drakon, der 621 / 20 v. Chr. – kurze Zeit nach dem missglückten Putschversuch des Kylon – in Athen seine „Satzungen“ (thesmoí) schriftlich fixiert haben soll, indem er sie auf drehbare Holzzylinder schrieb und öffentlich aufstellte. Erhalten ist von den drakontischen Gesetzen nur ein Fragment des Strafrechts, das zwischen vorsätzlicher und unbeabsichtigter Tötung unterscheidet, die Blutrache einschränkt und Straffrei-
Gesetzgeber und Tyrannen heit bei Notwehr gewährt. Auch ein Gesetz über Ehebruch, das die straffreie Tötung des Ehebrechers gestattet, gehört wohl in diesen Zusammenhang. In der späteren Überlieferung wird den Gesetzen Drakons eine sprichwörtliche Härte zugeschrieben, doch ist über die weiteren Bestimmungen nur wenig bekannt, wohl weil Solon, der knapp dreißig Jahre später zum diallaktés berufen wurde, viele davon aufgehoben haben soll. Im Rahmen der erwähnten innenpolitischen Auseinandersetzungen, die – je nach lokalen Gegebenheiten – aus wirtschaftlichen, sozialen oder auch ethnischen Problemen und Konflikten erwachsen waren, kam es ab der Mitte des 7. Jh. v. Chr. in mehreren Poleis auch zur Usurpation der Macht durch Einzelpersonen, die fortan für einen gewissen Zeitraum als Tyrannen regierten. Man spricht in diesem Zusammenhang von der sog. „älteren Tyrannis“ der archaischen Epoche, die sich von der sog. „jüngeren Tyrannis“ ab dem späten 5. Jh., welche sich besonders auf Sizilien und in Thessalien manifestiert hat, und der hellenistischen Tyrannis unterscheidet. Die Bezeichnung ty´rannos ist kein griechisches Wort, sondern wohl aus einer kleinasiatischen Sprache entlehnt. Obwohl der Begriff anfangs wohl nicht negativ konnotiert war, diente er nicht als Selbstbezeichnung oder Titel der Machthaber. Spätestens ab dem 4. Jh. v. Chr. stand man aber den Tyrannen, die ihre Herrschaft wider die Gesetze ausübten, einhellig ablehnend gegenüber. Sie wurden als gewalttätig, ruhmsüchtig und habgierig charakterisiert, und man warf ihnen maßund respektloses Verhalten (Hybris) gegenüber Menschen wie Göttern zu.
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Tyrannis
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Die Dürftigkeit zeitgenössischer Quellen sowie die unter dem Eindruck der klassischen athenischen Demokratie und jüngerer Alleinherrschaften eindeutig tyrannenfeindliche Tendenz der späteren Überlieferung macht es schwer, die sog. „ältere Tyrannis“ und die Leistungen ihrer Vertreter angemessen zu beurteilen. Aristoteles, Politik 1305
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Doch in den alten Zeiten, als noch der Volksführer und der Feldherr ein und dieselbe Person waren, ereignete sich öfter die Änderung in eine Tyrannis. Denn beinahe die meisten der alten Tyrannen gingen aus Volksführern hervor. Die Ursache dafür aber, dass dies damals vorkam, heute jedoch nicht mehr, ist darin zu sehen, dass damals die Volksführer aus dem Feldherrnstand kamen – denn sie waren noch nicht in der Redekunst gewandt –, aber heute, wo sich die Redekunst entwickelt hat, führen zwar die, die in der Lage sind, diese Kunst auszuüben, das Volk, doch wegen Unerfahrenheit in Kriegsbelangen unternehmen sie keine Angriffe mehr, es sei denn, dass etwas Derartiges nur kurzfristig vorkommt. Es kam aber früher mehr zu Tyrannenherrschaften als heute, und zwar deswegen, weil gewissen Leuten große Machtbefugnisse anvertraut wurden, wie etwa in Milet aufgrund der Prytanie. Der Prytane war nämlich die Entscheidungsinstanz über Vieles und Bedeutsames. Weiterhin aber verlegten sich die Vorsteher des Volkes, weil es damals keine großen Staaten gab, das Volk vielmehr draußen auf dem Lande wohnte und wegen der Arbeiten nicht der Muße pflegen konnte, wenn sie kriegerisch waren, auf die Tyrannis. Alle taten dies jedoch, weil ihnen vom Volk vertraut wurde, das Vertrauen aber ging vom Hass wider die Reichen aus, wie etwa in Athen Peisistratos sich gegen die Großgrundbesitzer empörte und Theagenes in Megara den
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Viehbestand der Wohlhabenden schlachtete und ihn an sich nahm, als er am Flusse weidete, und Dionysios, der den Daphnaios und die Reichen anklagte und der Tyrannis für wert erachtet wurde, weil er durch eben diese Feindschaft wie ein Volksfreund das Vertrauen bekommen hatte.
Tyrannen sind in archaischer Zeit nur in etwa dreißig, vornehmlich größeren Poleis greifbar; es handelt sich also um ein in seiner Verbreitung durchaus eingeschränktes Phänomen. Die Tyrannen waren stets Angehörige der Aristokratie, die ihre Herrschaft mit der Unterstützung bestimmter Bevölkerungsschichten erringen konnten. Welche Rolle die neu entstandene Hoplitenklasse bei der Machtergreifung der Usurpatoren spielte, ist in der Forschung umstritten, doch scheinen adelige Gefolgschaften (Hetairien) von größerer Bedeutung gewesen zu sein. In manchen Fällen diente offenbar ein politisches bzw. militärisches Amt dessen Inhaber als Sprungbrett zur Tyrannis. Die Ursachen der Entstehung einer Tyrannis waren aber im Einzelfall immer unterschiedliche, sodass Verallgemeinerungen nicht möglich sind. Wenngleich einige Tyrannen mit der Unterstützung der unteren Bevölkerungsschichten an die Macht gelangen konnten, so sind sie doch nicht als deren Fürsprecher oder als Verfechter neuer politischer oder sozialer Ideen anzusehen. Das wäre ihnen auch gar nicht möglich gewesen, da sie auf eine funktionierende Zusammenarbeit mit der aristokratischen Oberschicht angewiesen waren. Ihre Herrschaft diente stets nur der Sicherung und Ausweitung der eigenen Machtstellung, etwa durch die Enteignung oder Verbannung potentieller politischer Gegner. Diesem Zweck diente auch eine „internationale“ Heirats- und Freundschaftspolitik, wie sie sich beispielsweise in der oben behandelten Erzählung von der Verheiratung der Agariste, der Tochter des Kleisthenes, des Tyrannen von Sikyon, zeigt. Viele Städte erlebten unter der Herrschaft der Tyrannen, die oft Kunst und Wissenschaft förderten, eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit, inwiefern aber das vorrangige Verdienst daran den Regierenden gebührt, ist schwer zu beurteilen. Ihren Ausgang nahm die Geschichte der sog. „älteren Tyrannis“ um 660 v. Chr. auf dem griechischen Festland, als Kypselos in Korinth der Vorherrschaft des adeligen Geschlechtes der Bakchiaden, dem er nach einer Überlieferung sogar selbst entstammte, ein Ende setzte. Auf Kypselos folgten sein Sohn Periandros, der einerseits als grausamer Tyrann galt, andererseits aber auch zu den Sieben Weisen gerechnet wurde, sowie schließlich dessen Neffe Psammetichos, der aber kurz nach dem Antritt seiner Herrschaft gestürzt wurde. Weitere bekannte Tyrannen waren Theagenes, der um 640 v. Chr. in Megara die Herrschaft ergriff, Orthagoras, der ab der Mitte des 7. Jh. v. Chr. in Sikyon regierte, sowie dessen Nachfolger Kleisthenes, Thrasybulos, unter dem Milet eine Blütezeit erlebte, oder Polykrates, der Tyrann von Samos, dessen Glück bereits in der Antike berühmt war und Friedrich Schiller zu seinem Ring des Polykrates inspirierte, der aber schließlich 522 v. Chr. vom persischen Satrapen Oroites ermordet wurde.
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Eine besondere Stellung nahmen die sog. „Vasallentyrannen“ in Kleinasien ein, die unter der Protektion der Satrapen oder überhaupt mit tatkräftiger Unterstützung der Perser ihre Position erreichen konnten. Auch wenn es zuweilen gelang, die Tyrannenherrschaft auf einen in der Regel aus der eigenen Familie stammenden Nachfolger zu übertragen, so konnten doch nirgends eine Tyrannis dauerhaft etabliert werden. Über kurz oder lang wurden die Tyrannen an allen Orten wieder gestürzt. Fast immer geschah dies mit Gewalt, sei es durch Verschwörungen oder durch das Eingreifen auswärtiger Truppen, regelrechte Volksaufstände gegen die Gewaltherrscher waren jedoch selten.
7. Philosophen und Künstler a) Die Anfänge der griechischen Philosophie Ab dem frühen 6. Jh. v. Chr. wurden in der griechischen Welt nachweisbar Versuche unternommen, ohne Rückgriffe auf übernatürliche Phänomene, sondern vielmehr auf logischem Weg Erkenntnisse über die Beschaffenheit der Welt zu erlangen. Eine rationale Deutung von Phänomenen trat an die Stelle von mythischen Erklärungsversuchen und markiert so den Beginn der griechischen Philosophie (wörtlich: „Liebe zur Weisheit“ bzw. „Streben nach Weisheit“). In der Geschichte der griechischen Philosophie gilt die Gestalt des Sokrates als Epochengrenze, und alle vor ihm wirkenden Philosophen werden als „Vorsokratiker“ bezeichnet. Das hat insofern seine Berechtigung, als sich mit Sokrates das hauptsächliche Interesse des zeitgenössischen philosophischen Denkens von Fragen der Naturphilosophie mit einem Schwerpunkt auf der Kosmologie sowie der Ontologie (Seinslehre) hin zu Problemen von Ethik und Moral verlagerte. Freilich wurden auch schon vor Sokrates ethische Fragen diskutiert, und manche der „Vorsokratiker“ waren Zeitgenossen des Sokrates – der letzte „Vorsokratiker“, Demokrit, war sogar jünger als Sokrates und hat diesen um etwa 20 Jahre überlebt. Obwohl manche der im Folgenden behandelten Philosophen damit bereits in die klassische Epoche gehören, soll ihr Leben und Werk in diesem Rahmen kurz besprochen werden. Die vorsokratischen Philosophen und ihre Ansichten sind vielfach nur schwer fassbar, denn keines ihrer Werke blieb vollständig erhalten, und die Exzerpte und Referate ihrer Lehren bei späteren Autoren sind nur mit größter Vorsicht heranzuziehen. Die frühe griechische Philosophie blühte nicht im griechischen Mutterland selbst, sondern zunächst in Kleinasien und wenig später in Süditalien bzw. auf Sizilien, was vielleicht mit einem etwas offenerem Klima in den dortigen Städten zu tun gehabt haben mag. Als erster Philosoph galt schon in der Antike Thales von Milet (ca. 625–547 v. Chr.). Ihm wird die These zugeschrieben, dass das Wasser die Grundsubstanz des Universums sei. Im Jahr 585 v. Chr. soll er eine Sonnenfinsternis richtig vorhergesagt haben, doch ist die Historizität dieser Voraussage nicht unumstritten. Ebenso ist
Thales
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Anaximander
Anaximenes
Pythagoras
Xenophanes
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die Zuschreibung des Beweises des – freilich empirisch schon früher den Babyloniern bekannten – nach ihm benannten mathematischen Satzes, dass alle über einem Kreisdurchmesser errichteten Dreiecke, welche die Kreislinie berühren, rechtwinklig sind, an diesen Gelehrten unsicher. Der antiken Tradition zufolge ein Schüler des Thales war Anaximander (ca. 610 – nach 547 v. Chr.), ebenfalls aus Milet, der Verfasser des ersten Prosawerkes der griechischen Literatur. Er nahm an, dass am Anfang aller Dinge das ápeiron, das „Unbegrenzte“, stand, das unentstanden und unvergänglich war, das alles umfasste und alles steuerte. Das Werden hängt, nach Ansicht des Anaximander, mit dem Vorhandensein von Gegensätzen zusammen. Die Substanzen, aus denen die Welt zusammengesetzt ist, stehen in ständiger Wechselwirkung zueinander, wobei letzten Endes immer ein gerechter Ausgleich stattfindet. Anaximenes (ca. 585 – 525 v. Chr.), vielleicht ein Schüler des Anaximander, sah die Luft als Urstoff des Universums an, durch deren Verdichtung oder Auflockerung alle Substanzen entstanden seien. Pythagoras (ca. 570 – 495 v. Chr.) stammte aus Samos und war ein Mitglied der dortigen Aristokratie. Um 532 v. Chr. musste er aus politischen Gründen seine Heimat verlassen und emigrierte nach Kroton in Unteritalien. Dort gründete er eine straff organisierte, religiös-kultische Gemeinschaft, als deren Meister ihm beinahe göttliche Ehren zuteil wurden. Da die Mitglieder dieser Gemeinschaft zur Geheimhaltung verpflichtet waren, ist es unmöglich, die Lehre des Pythagoras hinreichend zu beurteilen und zu würdigen. Er betonte offenbar die mathematische Ordnung des Kosmos, der von harmonischen Zahlenverhältnissen bestimmt sei. Auch die Musik und ihre mathematische Analyse spielten in der Lehre des Philosophen eine wichtige Rolle. Ob der ihm zugeschriebene – wiederum schon früher den Babyloniern bekannte – mathematische Satz, dass in rechtwinkligen Dreiecken die Summe der Flächeninhalte der Kathetenquadrate gleich dem Flächeninhalt des Hypotenusenquadrats ist („a2 + b2 = c2“), tatsächlich von Pythagoras bewiesen wurde, muss bezweifelt werden. Pythagoras und seine Anhänger glaubten an eine unsterbliche göttliche Seele des Menschen sowie der Tiere, die in immer neuen Körpern wiedergeboren werde. Sie propagierten eine asketische, auf Reinhaltung der Seele bedachte Lebensführung, die etwa den Verzicht auf Fleisch und das Verbot des Bohnenverzehrs beinhaltete. Ähnliche Vorstellungen lassen auch bei den sog. orphischen Sekten, die ihren Namen vom mythischen Sänger Orpheus ableiteten, greifen. Da Pythagoras und seine Gefolgsleute auch politisch aktiv waren, stießen sie auf Widerstand der Bevölkerung von Kroton, und es wird überliefert, dass sie um 500 v. Chr. die Stadt verlassen mussten und nach Metapont weiter zogen. In deutlichem Gegensatz zu Pythagoras steht Xenophanes (ca. 570 – 475 v. Chr.) aus dem kleinasiatischen Kolophon. Er verließ wohl um 545 v. Chr. angesichts der Bedrohung durch die Perser seine Heimat, wanderte nach Unteritalien aus und führte das Leben eines wandernden Dichters. Xenophanes betonte die Unfähigkeit des Menschen, sicheres Wissen über das Wesen der Natur zu erlangen. Vielmehr sei dieser nur fähig, Meinungen und Annahmen zu entwickeln. Darüber hinaus kritisierte er das von Homer und Hesiod geprägte anthropomorphe Götterbild der Griechen, die den
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Göttern sogar menschliche Verfehlungen wie Ehebruch und Diebstahl zuschrieben. Xenophanes über die Götter
Q
15 G.-P. = 11 DK Alles das schrieben den Göttern Homeros und Hesiodos zu, was bei den Menschen zu Schande und Tadel nur gut ist: stehlen und Ehebruch treiben und einer den andern betrügen! 17 G.-P. = 14 DK Die Menschen meinen, Götter würden ganz normal gezeugt, hätten dann Kleidung genau wie sie selbst und Stimme und Körper … 18. G.-P. = 16 DK … und Aithiopen erdenken sich stumpfnasig schwarz ihre Götter, Thraker hinwieder die ihren blauäugig und mit roten Haaren … 19. G.-P. = 15 DK … doch wenn nun Hände besäßen die Rinder, die Pferde und Löwen, und könnten zeichnen mit ihnen und gleiches verfert’gen wie Menschen – Pferde würden dann Pferden, und Rindviecher Rindviechern gleiche Göttergestalten zeichnen, und Körper würden sie formen eben dieselben, wie jener Leib wär’, den sie selbst jeweils hätten!
Heraklit (ca. 540–480 v. Chr.) gehörte zum Adel der kleinasiatischen Stadt Ephesos. Auf ein ihm zustehendes hohes Priesteramt in seiner Heimatstadt soll er zugunsten seines Bruders verzichtet haben. Die ihm bereits in der Antike nachgesagte Arroganz manifestiert sich in der überlieferten Kritik seiner Kollegen und Vorgänger. Aufgrund seines oft schwer verständlichen, aphoristischen Stils wurde ihm schon früh der Beiname „der Dunkle“ verliehen. Zwar nahm Heraklit keinen allem zugrunde liegenden Urstoff an, doch spielt das Feuer in seinen Vorstellungen eine wichtige Rolle. Seine Lehre kündet von der unablässigen Veränderung der Dinge und der Einheit der Gegensätze. Zu den bekanntesten ihm zugeschriebenen Sätzen gehört die Erkenntnis, dass niemand zweimal in den gleichen Fluss steigen könne, deren prägnante Kurzform pánta rheî „alles fließt“ allerdings erst in späterer Zeit geprägt wurde. Sein Werk soll er im Artemistempel von Ephesos hinterlegt haben. Sätze des Heraklit
Heraklit
Q
53 DK Der Krieg ist von allem der Vater, von allem aber auch der König: er lässt offenbar werden, dass die einen Götter sind, die andren Menschen, und die einen macht er zu Sklaven, die anderen zu Freien. 49a DK In dieselben Flüsse steigen wir hinein und steigen wir nicht hinein; wir sind und sind nicht.
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VI. Parmenides
Zenon
Empedokles
Anaxagoras
Atomisten
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Aus Elea in Unteritalien stammte ein Zeitgenosse Heraklits, Parmenides, der seine Gedanken in einem hexametrischen Gedicht zu Papier brachte. Parmenides gab die Versuche, die Welt aus einem Urstoff zu erklären, auf. Er unterschied zwischen dem Schein und der Wahrheit, die sich nicht durch Wahrnehmung, sondern bloß auf rationalem Weg erkennen lässt. Nach seiner Ansicht besteht ein Gegensatz zwischen dem Sein und dem Nicht-Sein, die einander ausschließen. Da das Nicht-Sein, so Parmenides, nicht existiert, kann das Sein auch nicht beweglich sein, und folglich kann es auch keine Bewegung geben. Sein Schüler Zenon (ca. 490–430 v. Chr.), der ebenfalls aus Elea stammte, versuchte die Ontologie seines Lehrers zu verteidigen, indem er zu zeigen bemüht war, dass die Annahme von Veränderung und einer Vielheit von Sein unweigerlich in Aporie führt. Berühmt sind seine Paradoxien, von denen jene um Achilleus und der Schildkröte die bekannteste ist. Dabei geht es um den Beweis der Unmöglichkeit von Bewegung am Beispiel des Läufers Achilleus, der nicht in der Lage ist, eine Schildkröte einzuholen, da diese, sobald der Läufer an dem Ort ankommt, wo sie eben weggegangen ist, schon wieder ein kleines Stück Vorsprung hat. Zu den Gegnern des Parmenides zählte Empedokles (ca. 495–435 v. Chr.) aus Akragas auf Sizilien, der nicht so skeptisch bezüglich der sinnlichen Wahrnehmung war, sondern vielmehr die Meinung vertrat, dass sich empirisch durchaus Erkenntnisse über das Wesen der Welt gewinnen ließen. Der Kosmos setzt sich, seiner Ansicht nach, aus den vier Grundelementen Feuer, Luft, Erde und Wasser zusammen, die von den Kräften der Liebe und des Streits gemischt bzw. auseinander gebracht werden. Wie Pythagoras vertrat er eine Seelenwanderungslehre und nahm Wiedergeburtszyklen an, die der Mensch entsprechend seinen Verfehlungen zu durchlaufen habe. Einer antiken Tradition zufolge kam Empedokles durch einen Sprung in den Vulkan Ätna ums Leben. Die Wirkungszeit der letzten besprochenen Philosophen fällt bereits in die klassische Epoche der griechischen Geschichte. In diese Zeit gehört auch Anaxagoras (ca. 500–428 v. Chr.) aus Klazomenai in Ionien, der die Philosophie nach Athen, wo er zum Kreis des Politikers Perikles zählte, gebracht haben soll. Wie später Sokrates, ist er dort wegen Gottlosigkeit (Asebie) angeklagt und zur Emigration gezwungen worden. Anaxagoras versuchte, die Ansichten des Parmenides mit der Empirie zu verbinden. Er nahm an, dass die Welt aus unzähligen, verschiedenen, kleinen Grundbausteinen besteht, die später Homoiomerien genannt wurden, und die in allem Existierenden in unterschiedlichen Mischverhältnissen vorhanden sind. Über allem aber steht – selbst ungemischt und unabhängig – der nouˆs („Geist“, „Vernunft“). Schließlich entwickelten die sog. Atomisten Leukippos und dessen Schüler Demokrit von Abdera (460 – nach 380 v. Chr.), der produktivste Vorsokratiker, ein neues Weltmodell. Ausgehend von der parmenidischen These, dass nichts aus nichts entstehen könne, nahmen sie eine unendliche Anzahl von unwahrnehmbar kleinen und unteilbaren Einheiten (Atome, von átomos „unteilbar“) an, aus denen die Welt gebildet ist. Den Raum zwischen den Atomen dachten sie als leer. Obwohl die Atomisten keine übergeordnete lenkende Kraft annahmen, gingen sie trotzdem davon aus, dass in der
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Welt nichts dem Zufall überlassen ist. In seiner Ethik strebte Demokrit nach einem guten Zustand der Seele (euthymía), der von heiter-gelassener Ausgeglichenheit gekennzeichnet ist. Es ist eine Lebensweise des Maßhaltens, des Vermeidens der extremer Gefühlsregungen und des Beherrschens der Begierden, die aber nicht von Abstinenz oder Askese geprägt ist, wie dies ein Demokrit zugeschriebener Satz zeigt: „Ein Leben ohne Feste ist ein langer Weg ohne Herberge“ (B 230).
b) Kunst und Architektur in der archaischen Epoche Die griechischen Poleis waren, wie oben bereits erwähnt, nicht nur politische Einheiten, sondern auch Kultgemeinschaften. Eine besondere Rolle spielten daher auch Tempel und Heiligtümer, die sich zum Teil innerhalb der Stadt (etwa in Athen) oder außerhalb der Siedlungen (z. B. in Argos) befanden. Daneben erlangten einzelne Kultplätze überregionale Bedeutung, wie etwa Delphi oder Olympia. In der Gestaltung der Tempelbauten, die anfangs noch einen apsidalen Grundriss aufweisen konnten, zeichnete sich ab dem späten 8. Jh. v. Chr. eine zunehmende Monumentalität ab, die schließlich in der Errichtung von sog. Hekatompedoi, 100 Fuß (ca. 32–33 m) langen Tempeln, gipfelte. Im Verlauf des 7. Jh. v. Chr. erhielten viele Tempelbauten nicht nur eine umlaufende Säulenhalle (wenngleich es auch weiterhin Tempel ohne Säulenhalle gab), sondern es vollzog sich nun auch die Ablösung der früheren Lehmziegel- und Holzkonstruktionen durch Steinbauten. Ab dem 7. bzw. frühen 6. Jh. v. Chr. lassen sich auch die dorische und ionische Architekturordnung greifen, welche sich unter anderem durch die Gestaltung der Säulen oder des Frieses, der bei der dorischen Ordnung durch Metopen und Triglyphen gegliedert ist, unterscheiden. Tempel mit einem umlaufenden Säulenkranz (Peristasis) bezeichnet man als Peripteros, ist der Säulenumgang zweischiffig (mit zwei umlaufenden Säulenreihen), spricht man von einem Dipteros. Das Kerngebäude (naós bzw. cella) ist meistens ein rechteckiger Raum, innerhalb dessen noch ein eigener Raum (Adyton) abgetrennt sein kann. An der Front der Cella schließt sich in der Regel eine Vorhalle (Pronaos) an, häufig findet sich auch ein entsprechender Raum an der Rückseite (Opisthodom). Pronaos und Opisthodom werden von Anten eingefasst, zwischen denen normalerweise Säulen stehen. Tempel mit einem Pronaos werden daher Antentempel genannt, solche mit einem zusätzlichen Opisthodom Doppelantentempel. Befindet sich vor dem Pronaos eine Säulenreihe, spricht man von einem Prostylos, gibt es eine solche auch auf der Rückseite, von einem Amphiprostylos.
Griechische Tempel
E
Eine Besonderheit des archaischen ionischen Tempelbaus war die Errichtung von riesigen Dipteroi mit über hundert Metern Länge, wie etwa dem Heraion von Samos oder dem als Weltwunder angesehenen Artemision von Ephesos. Eine Eigentümlichkeit dieser Tempel stellt es dar, dass der Kernbau als offener (hypaithraler) Hof gestaltet sein konnte, so etwa beim Apollontempel von Didyma bei Milet. Neben der charakteristischen und uns vertrauten Form des rechteckigen, von Säulen umgebenen griechischen Tempels treten allerdings sowohl in archaischer Zeit als auch in späteren Epo-
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Die archaische Epoche
VI.
Abb. 8: Grundrisstypen griechischer Tempel.
chen andere Bauformen auf, wie etwa Rundtempel oder Bauten mit unregelmäßigen Grundrissen. Griechische Tempel waren allerdings – anders als etwa heutige Kirchen – keine Versammlungsplätze für die Gemeinde oder Orte, an denen der Gottesdienst vollzogen wurde. Vielmehr dienten sie als Haus der Gottheit bzw. ihres Kultbildes und zur Aufnahme wertvoller Votivgaben, während die eigentlichen Kulthandlungen, von denen das Opfer das wichtigste darstellte, am Altar im Freien stattfanden. Dementsprechend musste ein Heiligtum einen Altar aufweisen, es konnte aber durchaus auf einen Tempel verzichten, so etwa im Fall des Zeusheiligtums und Orakels in Dodona. Neben anderen Bauten stellen die sog. Schatzhäuser ein typisches Element überregional bedeutsamer Heiligtümer dar. Diese kleinen, oft prachtvoll mit Bau-
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Philosophen und Künstler schmuck verzierten Gebäude dienten der Aufnahme wertvoller Weihegeschenke und brachten die Ambitionen und den Repräsentationswillen besonders ehrgeiziger Städte oft spektakulär zum Ausdruck. In den Heiligtümern wurden schon früh die unterschiedlichsten Weihegaben deponiert. Die Votivgabe par excellence stellte der bronzene Dreifußkessel dar, der durch Bildschmuck in seinem ohnehin schon beträchtlichen Wert weiter gesteigert werden konnte. Dazu traten Bildwerke als solche, wie eine Fülle von menschen- und tiergestaltigen Statuetten (v. a. in Form von Pferden und Rindern) aus Ton, Bronze oder Elfenbein aus dem 9. und 8. Jh. v. Chr. belegen. Ab früharchaischer Zeit, also ab dem frühen 7. Jh. v. Chr., trat im Rahmen intensiven kulturellen Austauschs mit dem Orient eine neue Form bauchiger Bronzekessel auf konischen Ständern auf. Diese Kessel waren mit Greifenprotomen und Attachen in Form geflügelter Menschengestalten verziert, wobei die Figuren immer mehr an Tiefendimension gewannen. Im späteren 7. Jh. v. Chr. kam es schließlich zur Entwicklung der griechischen Großplastik aus Stein, wobei die Kykladen und die Insel Kreta als erste Zentren der Statuenherstellung hervortraten. Der Stil dieser frühen Bildwerke, zu denen die sog. Dame von Auxerre im Louvre (um 640 v. Chr.) als eines der berühmtesten Beispiele zählt, wird nach dem legendären Künstler Daidalos als dädalisch bezeichnet. In der Folgezeit lassen sich vor allem zwei Typen von Statuen greifen. Zum einen sind dies die Bildnisse aufrecht stehender nackter Männer, die sog. Kouroi. Stets haben diese einen Fuß leicht vorgestellt, ihre Arme hängen ruhig herunter, während ihre Hände zur Faust geschlossen sind. Ihre frontale Ausrichtung und ihr symmetrischer Aufbau weisen auf ihre ägyptischen Vorbilder hin, doch stehen sie im Gegensatz zu diesen, die in der Regel einen Pfeiler im Rücken aufweisen, „aus eigener Kraft“. Die Nacktheit der Standbilder ist vielleicht Anzeichen einer Idealisierung und Heroisierung der Schönheit und Kraft eines athletisch durchtrainierten Körpers. Dieser Statuentyp bleibt in der Folgezeit in seinem Grundschema unverändert, nur die stilistische Ausführung der Figuren ändert sich. So werden die Kouroi immer naturgetreuer und nehmen realistischere Proportionen und geschmeidigere Konturen an. Die Entwicklung endete im frühen 5. Jh. v. Chr. mit Standbildern wie dem sog. Kritios-Knaben. Dieser leitet bereits über zu einem neuen Figurenaufbau, bei dem das Gewicht des Körpers auf ein Bein der Statue verlagert wird (Ponderation). Den zweiten Haupttyp archaischer Plastik stellen die Statuen bekleideter, stehender Frauen dar, die sog. Korai. Auch diese nehmen eine aufrechte, gerade Körperhaltung ein, einen Arm haben sie oft vorgestreckt, um einen Granatapfel oder ähnliche Attribute zu tragen. Veränderungen und chronologische Entwicklungen lassen sich bei den Koren weniger an der Anatomie der Figuren ablesen, als vielmehr an den extravaganter werdenden Frisuren und an den Details der Tracht, die aus einem Untergewand (Peplos oder Chiton) sowie einem Obergewand (Himation) bestand. Eine beeindruckende Reihe von Korai stammt von der Athener Akropolis. Sowohl bei den Korai als auch bei den Kouroi lassen sich nicht nur chronologisch bedingte Veränderungen, sondern auch unterschiedliche Stile in verschiedenen Landschaften feststellen. Das beiden Typen in vielen Fällen
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Weihegaben
Großplastik
Kouroi
Korai
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Die archaische Epoche
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Reliefkunst
Vasenmalerei
Korinth
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gemeinsame sog. archaische Lächeln ist kein Ausdruck von Emotionen, sondern vielmehr wohl ein Anzeichen von Vitalität. Beide Statuentypen treten in verschiedenen Kontexten auf. Zum einen sind sie in Heiligtümern anzutreffen, wo sie als Weihegaben Verwendung fanden, zum anderen in Nekropolen, wo sie als Grabstatuen dienten. Es fällt auf, dass vor allem jung Verstorbene im Bild festgehalten wurden, deren vorzeitiger Tod von den gelegentlich anzutreffenden Inschriften beklagt wird. Neben den Korai und den Kouroi wurden aber noch andere Statuentypen gefertigt, so etwa sitzende und liegende Figuren, Reiterstandbilder (wie der um 560 v. Chr. datierenden sog. Reiter Rampin in Athen, die erste großformatige Reiterstatue der antiken Kunst) oder singuläre Kompositionen, wie der sog. Kalbträger (Moschophoros) von der Athener Akropolis, der ebenfalls um 560 v. Chr. datiert. Dazu treten Reliefs, die nicht nur als Schmuck von Gebäuden – wie Tempeln oder Schatzhäusern – Verwendung fanden, sondern auch Votiv- oder Grabstelen verzierten, so etwa die Grabstele des Aristion, ein Werk des Bildhauers Aristokles, welches den Verstorbenen als bärtigen Krieger mit Brustpanzer, Beinschienen und Speer zeigt. Kunstwerke aus anderen Werkstoffen, wie etwa aus Bronze, blieben in der Regel nicht erhalten, da sie aufgrund ihres Materialwertes eingeschmolzen, und die Bronze wiederverwertet wurde. Einen Eindruck archaischen Bronzehandwerks vermittelt aber etwa der sog. Krater von Vix, ein um 510 v. Chr. gefertigter, figürlich verzierter Bronzekessel, der im Grab einer keltischen Fürstin bei Châtillon-sur-Seine gefunden wurde, und somit gleichzeitig ein Beispiel für die Kulturkontakte zwischen den antiken Völkern des Mittelmeerraums und den zeitgleichen Bewohnern Zentral- und Westeuropas darstellt. In der Vasenmalerei tauchen ab dem frühen 8. Jh. v. Chr. wieder figürliche Darstellungen auf, nachdem die protogeometrischen Gefäße mit ihren charakteristischen Kreisen und Halbkreisen sowie die Vasen der ersten Hälfte der geometrischen Epoche mit ihrem typischen Mäandermuster bloß ornamental dekoriert gewesen waren. Ab spätgeometrischer Zeit (ca. 760–700 v. Chr.) finden sich wieder Darstellungen von Menschen, die als Silhouetten wiedergegeben sind. Als Themen dominieren zunächst Szenen des Totenkults, nämlich der Aufbahrung (próthesis) und der Überführung des Leichnams zum Grab (ekphorá). Dies liegt daran, dass monumentale Gefäße eigens für den sepulkralen Gebrauch hergestellt wurden, da es Sitte war, einzelne Tongefäße – in der Regel Kratere für die Männer, Amphoren für die Frauen – auf die Gräber zu stellen. Mit der orientalisierenden Periode übernahm Korinth von Athen die Führungsrolle in der Keramikproduktion. Man unterscheidet einen protokorinthischen (ca. 720–625 v. Chr.) und einen korinthischen Stil (ca. 625–550 v. Chr.). Eine entscheidende Neuerung stellt die Einführung der schwarzfigurigen Technik zu Beginn des 7. Jh. v. Chr. in Korinth dar, bei dem die Figuren als schwarze Silhouetten gemalt wurden, während man die Binnenzeichnung einritzte. Bald kam zusätzlich auch rote und weiße Farbe zum Einsatz. Zunächst ist der Tierfries, in dem auch orientalische Fabeltiere wie Greifen und Sphingen auftreten können, das dominierende Element. Rosetten dienten als beliebte Füllelemente. Menschliche Figuren wurden in diesem Stil seltener dargestellt, doch zeigt etwa die berühmte Chigi-Kanne, die um 650 v. Chr. datiert, neben einem Jagdfries und Darstellungen von Reitern und
Philosophen und Künstler Wagenfahrern in ihrer Hauptszene den Kampf zweier Hoplitenphalangen. Ab dem späten 7. Jh. v. Chr. vergröberte der korinthische Stil durch die Massenproduktion aber zusehends, der freie Raum zwischen den massigeren Figuren wurde nun häufig durch eine Unzahl von nicht mehr sorgfältig gemalten Rosetten aufgefüllt (sog. horror vacui). Neben wilden Tieren sowie Misch- und Fabelwesen wurden in der späteren korinthischen Vasenmalerei auch Szenen des aristokratischen Lebens wie Reiterzüge oder Symposien dargestellt. In Athen wurden im 7. Jh. v. Chr. Vasen im sog. protoattischen Stil verziert, bei dem in einer Kombination von Silhouetten- und Umrissmalerei unter der Verwendung von Binnenritzzeichnung Gefäße mit eindrucksvollen und großformatigen Figuren und Ornamenten verziert wurden. Man stellte Fabelwesen ebenso dar wie menschliche Figuren, eine wichtige Rolle spielten mythologische Szenen, wie etwa auf der sog. Eleusis-Amphora, die auf ihrem Hauptfries am Gefäßbauch die Verfolgung der Gorgonen durch Perseus zeigt, während auf dem Hals der Vase die Blendung des Polyphem durch Odysseus dargestellt ist. Gegen Ende des 7. Jh. v. Chr. übernahm man in Athen den schwarzfigurigen Stil aus Korinth, der voll ausgeprägt etwa auf der Namen gebenden Vase des Nessos-Malers, welche die Ermordung des Kentauren Nessos durch Herakles zeigt, auftritt. Einen Höhepunkt der attischen schwarzfigurigen Vasenmalerei stellt dann der sog. Françoiskrater des Töpfers Ergotimos und des Malers Kleitias um 570 v. Chr. dar, welcher in mehreren Zonen und mit über 200 Figuren ein umfassendes Repertoire von Sagenbildern bieten. Dargestellt sind auf diesem Gefäß etwa die Prozession der Götter zur Hochzeit von Peleus und Thetis, die Rückführung des Hephaistos auf den Olymp, Theseus und Ariadne mit den athenischen Knaben und Mädchen, die kalydonische Eberjagd, der Kampf der Lapithen gegen die Kentauren, die Leichenspiele für Patroklos und die Auflauerung des Troilos vor Troia. Überhaupt bildeten Mythenbilder das beliebteste Thema der schwarzfigurigen Vasenmalerei, wobei in der zweiten Jahrhunderthälfte die Taten des Herakles ein besonders beliebtes Sujet wurden. Doch finden sich verstärkt auch Darstellungen von Szenen des Alltagslebens. Berühmte Vasenmaler des dritten Viertels des 6. Jh. v. Chr. waren Exekias und der Amasis-Maler, wobei auffällt, dass der Name des Töpfers, von dem die Bezeichnung des zweiten Malers abgeleitet ist, die griechische Form des ägyptischen Namen Ahmose ist. Vielleicht handelte es sich bei ihm also gar nicht um einen Griechen. Auch von weiteren Personen, die in dieser Zeit mit der Herstellung von Keramik beschäftigt waren, kann aufgrund ihres Namens angenommen werden, dass sie Fremde waren, so etwa vom Vasenmaler Lydos, „dem Lyder“. Ebenso muss der Stand dieser Kunsthandwerker unklar bleiben. Um 530 v. Chr. setzte sich mit der rotfigurigen Malweise ein neuer Stil durch, der die bisherige Technik umkehrte. Die Figuren wurden nunmehr ausgespart und blieben in der roten Farbe des gebrannten Tones („Scherben“), während der Hintergrund der Darstellungen schwarz überzogen wurde. Die anatomischen Details wurden mit dünnen Pinselstrichen angegeben. Diese neue Malweise erlaubte eine detailliertere Wiedergabe der Körper und Gewänder sowie ihrer Bewegungen, sie gestattete Überschneidungen, Dreiviertelansichten und ermöglichte die realistischere Schilde-
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Athen: schwarzfiguriger Stil
Athen: rotfiguriger Stil
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Die archaische Epoche
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rung von Gemütsverfassungen. Die Einführung dieser Technik wird einem anonymen Maler zugeschrieben, der die Gefäße des Töpfers Andokides verzierte.
E
In zahlreichen Fällen haben sowohl die Töpfer, die in der Regel wohl die Besitzer der Werkstätten waren, als auch die Maler ihre Vasen signiert: X epoíese(n) „X hat gemacht“ bzw. X égrapse(n) „X hat bemalt“. Viele griechische Vasenmaler haben ihre Werke allerdings nicht mit ihrem Namen versehen, sodass dieser unbekannt bleibt. In diesen Fällen hat man diese Kunsthandwerker entweder nach charakteristischen Themen, nach von ihnen in sog. Lieblingsinschriften (X kalós „X ist schön“) bewunderten Jünglingen, nach einem mit ihnen verbundenen Töpfer oder nach dem Aufbewahrungsort wichtiger Gefäße benannt, so z. B. den Gorgo-Maler, den Kleophon-Maler, den Andokides-Maler oder den HeidelbergMaler.
Beide Techniken liefen noch eine Zeitlang nebeneinander her – wobei es anfangs sog. bilingue Gefäße gab, die auf der Vorderseite in dem einen, auf der Rückseite in dem anderen Stil dekoriert waren –, schließlich setzte sich aber die rotfigurige Technik durch. In der schwarzfigurigen Malweise wurden nur mehr Sonderformen dekoriert, so etwa die Panathenäischen Preisamphoren, mit kostbarem Öl gefüllte Tongefäße, welche den siegreichen Athleten bei den Panathenäischen Spielen überreicht wurden, und die auf ihrer Vorderseite eine Darstellung der Göttin Athena zwischen Säulen, auf denen Hähne sitzen, aufweisen, während auf ihrer Rückseite die jeweilige Disziplin, in welcher der Sieg errungen wurde, thematisiert wird. Gegen Ende des 6. Jh. v. Chr. war in Athen eine Gruppe experimentierfreudiger Maler aktiv, die den Namen „Pioniere“ erhalten hat. Zu diesen „Pionieren“ zählten etwa Euphronios und Euthymides, die sich in den Beischriften auf ihren Werken sogar aufeinander bezogen. So ist auf einer Vase des Euthymides, die sich heute in München befindet, zu lesen: „Euthymides, der Sohn des Pollias, hat mich gemalt, wie niemals Euphronios“ (es gekonnt hätte). Die letzten Jahre der archaischen Periode wurden schließlich von den Schülern der „Pioniere“ geprägt, zu denen als berühmteste Vertreter der Berliner-Maler oder der Kleophrades-Maler zählten.
8. Sparta und Athen in archaischer Zeit An dieser Stelle soll nun ein genauerer Blick auf die Verhältnisse in zwei Poleis geworfen werden, die einerseits in der folgenden klassischen Periode eine herausragende Rolle spielen sollten, und in denen sich andererseits besondere Entwicklungen vollzogen, welche von der Forschung häufig als „Sonderwege“ bezeichnet worden sind. a) Sparta Quellenlage
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Die Geschichte, Gesellschaft und Kultur Spartas in archaischer Zeit sind aufgrund der unzureichenden Quellenlage nur schwer zu fassen. Das liegt
Sparta und Athen zum einen daran, dass in Sparta selbst vor der hellenistischen Zeit keine Geschichtswerke entstanden, und dass zum anderen die Spartaner nicht nur, wie schon Thukydides (5, 68, 2) sagt, ihre Staatsangelegenheiten vor den anderen geheim hielten, sondern sogar die legendenhaften Vorstellungen, die ab der klassischen Zeit um ihr Staatswesen kreisten, förderten. Neben der nur fragmentarisch erhaltenen archaischen Dichtung aus Sparta (Tyrtaios, Alkman) ist der Historiker daher auf Bemerkungen bei athenischen Autoren der klassischen Epoche, unter denen Xenophon, der längere Zeit in Sparta lebte, mit seiner Verfassung der Spartaner besondere Bedeutung beansprucht, sowie auf Behandlungen der spartanischen Geschichte und Kultur bei Schriftstellern der hellenistischen und römischen Zeit angewiesen. Unter letzteren nimmt Plutarch eine dominierende Stellung ein, der sich in mehreren Werken (Biographie des Lykurg, Aussprüche der Spartaner, Aussprüche spartanischer Frauen, Sitten der Spartaner) mit Sparta auseinandersetzte, doch sind seine Angaben, da er sich kaum auf zuverlässige Quellen stützen konnte, problematisch. Die Geschichte Spartas bzw. des Staates der Lakedaimonier beginnt mit der allmählichen Einwanderung dorischer Griechen in die Landschaft Lakedaimon – von den Römern Laconia genannt, daher auch die Bezeichnung Lakonien – auf der Peloponnes im Verlauf der sog. „dunklen Jahrhunderte“. Diese ließen sich in der fruchtbaren Eurotasebene nieder und gründeten vier Dörfer (Limnai, Kynosura, Mesoa, Pitane), die sich schließlich zu einer Polis zusammenschlossen, der – wohl im frühen 8. Jh. v. Chr. – auch das ein wenig südlich gelegene Amyklai einverleibt wurde. In der Folge gelang es den Lakedaimoniern, das gesamte Südlakonien unter ihre Gewalt zu bringen. Das eroberte Land wurde in einzelne Landlose (Klaroi) aufgeteilt, welche den einzelnen Spartiaten zugeteilt wurden. Die ursprünglichen Bewohner dieses Gebietes blieben als Unfreie an ihr Land gebunden und mussten fortan einen bestimmten Anteil des Bodenertrages an ihre neuen Herren abliefern. Dies war der Beginn des Systems der Helotie, von dem oben bereits die Rede war. Im späten 8. oder im frühen 7. Jh. v. Chr. führten Auseinandersetzungen mit den Bewohnern des benachbarten Messenien zur Eroberung dieser Landschaft (1. Messenischer Krieg). Die Messenier wurden tributpflichtig und mussten fortan einen großen Teil – angeblich die Hälfte – ihrer Ernteerträge an die Spartaner abliefern. Als die Einwohner Messeniens zwei Generationen später, also in der zweiten Hälfte des 7. Jh. v. Chr. gegen die lakedaimonische Oberherrschaft rebellierten, wurden sie in einem erneuten Krieg (2. Messenischer Krieg) völlig unterworfen. Abgesehen von fünf Städten, die zu Perioikenstädten (siehe unten) wurden, wurde nun ganz Messenien in Klaroi aufgeteilt und die Bewohner auf den Status von Heloten herabgedrückt. In Zusammenhang mit den Messenischen Kriegen sieht die antike Tradition die Gründung der spartanischen Kolonie Taras (Tarent) in Süditalien. Bei den Kolonisten soll es sich um die Söhne von Spartiatenfrauen gehandelt haben, die während der langen Abwesenheit der Männer im 1. Messenischen Krieg gezeugt worden sind. Die Historizität dieser Legende ist allerdings in Zweifel zu ziehen. Vielmehr hat es sich wohl um Unterlegene in innenpolitischen Auseinandersetzungen gehandelt, welche ihre Heimatpo-
VI.
Dorische Wanderung
Messenische Kriege
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Die archaische Epoche
VI.
Peloponnesischer Bund
Staatswesen
Bevölkerung
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lis verlassen mussten. Tarent war zwar nicht die einzige Kolonie der Spartaner (auch Thera war der antiken Überlieferung zufolge eine spartanische Gründung), aber die Lakedaimonier beteiligten sich nicht in großem Umfang an den Kolonisationsbewegungen der archaischen Zeit. Aufgrund des gewaltigen Gebietes, das sie erobert hatten, bestand dazu wohl keine Notwendigkeit. Mit der Angliederung des messenischen Territoriums war Sparta zur größten und mächtigsten Polis im archaischen Griechenland aufgestiegen. Dennoch versuchten die Lakedaimonier, ihre Vormachtstellung immer weiter auszubauen. Im Laufe des 6. Jh. v. Chr. gelang es ihnen, in einem System von Einzelbündnissen eine Reihe anderer Poleis an sich zu binden und somit eine Hegemonie über die gesamte Peloponnes zu errichten. Während die Quellen in diesem Zusammenhang von den „Lakedaimoniern und ihren Verbündeten“ sprechen, wird dieses Bündnissystem heute als Peloponnesischer Bund bezeichnet. An der Spitze des lakedaimonischen Staatswesens standen zwei Könige, die immer aus zwei bestimmten Familien, nämlich den Agiaden und den Eurypontiden, stammten. Die Könige führten den Oberbefehl über das Heer, wobei – wie nach einem gescheiterten Feldzug gegen Athen am Ende des 6. Jh. v. Chr. beschlossen wurde – immer einer der beiden in Sparta bleiben musste. Darüber hinaus nahmen die Könige religiöse Funktionen wahr und waren Mitglieder des Ältestenrates (gerusía). Dieser Ältestenrat bestand aus insgesamt dreißig Mitgliedern, die – abgesehen von den Königen – über sechzig Jahre alt sein mussten. Die Aufgaben dieses Rates lagen in der Strafgerichtsbarkeit sowie in der Vorberatung aller Entscheidungen in der Volksversammlung. Zur Teilnahme an der Volksversammlung (ekklesía bzw. apellá) waren alle spartanischen Vollbürger ab einem Alter von dreißig Jahren berechtigt. Zu ihren Aufgaben zählte die Wahl der Geronten und Ephoren, in strittigen Fällen entschied die Volksversammlung über die Thronfolge. Sie bestimmte über Krieg und Frieden, und auch Vertragsabschlüsse und neue Gesetze bedurften wohl ihrer Zustimmung. Die Abstimmung erfolgte durch Zurufen, wobei der Antrag, dem am lautesten akklamiert wurde, als angenommen galt. Den Vorsitz in der Volksversammlung führten erst die Könige, später die Ephoren. Die Ephoren waren jährlich bestimmte Aufsichtsbeamte, von den fünf Inhabern dieses Amtes war einer eponym (= namengebend für das laufende Jahr). Sie kontrollierten die Amtsführung der Könige und der Geronten sowie generell die Einhaltung der Sitten und Vorschriften, überdies besaßen sie Kompetenzen in der Rechtssprechung und nahmen verschiedene politische, militärische sowie religiöse Aufgaben war. Jeder Spartiate konnte nur einmal in seinem Leben das Amt eines Ephors bekleiden. Die lakedaimonischen Bürger waren – wie dies bei dorischen Griechen üblich war – in drei Phylen eingeteilt und überdies nach Oben (über die man allerdings nur wenig weiß) gegliedert. Die Spartiaten nannten sich selbst Homoioi („Gleiche“), doch bestanden innerhalb der Bürgerschaft durchaus Unterschiede im sozialen Ansehen und politischen Gewicht einzelner Personen und Gruppen. Neben den Vollbürgern und den Heloten gab es die Gruppe der Perioiken („Umwohner“), die in zahlreichen Ortschaften im ganzen Staatsgebiet leb-
Sparta und Athen ten. Wie der Status dieser Perioiken entstanden ist, kann nicht mehr mit Sicherheit nachvollzogen werden. Zum Teil mag es sich bei den Perioikensiedlungen um eroberte Ortschaften handeln, zum Teil könnten es auch spartanische Gründungen sein. Ihre Gemeinden verwalteten die im Gegensatz zu den Heloten persönlich freien Perioiken, die einen Teil des lakedaimonischen Staates bildeten, selbst, sie waren aber von den Spartiaten, denen sie Heeresfolge leisten mussten, abhängig. Trotz ihrer rechtlichen Minderstellung, die sie etwa von einer Mitbestimmung über Politik und Gesetzgebung des Staatswesens ausschloss, scheinen die Perioiken – wie das Fehlen von Aufständen und Abfallbewegungen sowie die stete Loyalität dieser Gruppe zeigt – mit ihrer Lage durchaus zufrieden gewesen zu sein. Daneben existierten noch weitere minderberechtigte Bevölkerungsgruppen, deren genauer Status bzw. Ursprung nicht immer klar ist, so etwa die Hypomeiones, unter denen wohl ehemalige Spartiaten zu verstehen sind, die ihr früheres volles Bürgerrecht (z. B. aufgrund von Verarmung) verloren haben, oder die Mothakes, bei denen es sich wohl um die Kinder von Spartiaten mit Frauen aus dem Perioiken- oder Helotenstand gehandelt hat, sowie die Neodamodeis, die vielleicht freigelassene Heloten waren. Die antike Literatur überliefert eigentümliche Lebensgewohnheiten der Spartiaten. Die Männer sollen im Rahmen von Syskenien („Zeltgemeinschaften“) zusammengekommen sein, die etwa 15 Personen umfassten und in deren Mittelpunkt gemeinsame Mahlzeiten (Syssitien bzw. Phiditien) standen. Die tägliche Teilnahme an diesen Mahlzeiten war für jeden Spartiaten verpflichtend, die Speisen selbst mussten von den Beteiligten aus den Erträgen ihrer von den Heloten bewirtschafteten Güter gestellt werden. Wer dazu nicht mehr in der Lage war, verlor sein Bürgerrecht. Xenophon, Verfassung der Spartaner 5, 2 ff.
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Lebensgewohnheiten
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Lykurg fand (den Brauch) vor, dass die Spartiaten – wie die anderen Griechen – zu Hause ihre Mahlzeiten zu sich nahmen; da er aber zu der Überzeugung gelangte, dass dies zu einer Vernachlässigung der Pflichten führe, verlegte er die gemeinsamen Mahlzeiten in die Öffentlichkeit, weil er glaubte, auf diese Weise würden die Bestimmungen am wenigsten übertreten. Zugleich verordnete er ihnen eine solche Kost, dass sie sich weder übersättigten, noch Hunger litten. Aber viele Sonderrationen kommen von der Jagd, und die Reichen steuern dazu bisweilen auch Weizenbrot bei; so ist der Tisch weder jemals leer von Speisen noch aufwendig hergerichtet. Das unnötige Trinken beim Gelage unterband er, das dem Körper schadet und den intellektuellen Fähigkeiten abträglich ist, und gestattete jedem zu trinken, wenn er Durst habe, da er glaubte, auf diese Art werde das Trinken am unschädlichsten und angenehmsten. Wenn sie so speisen, wie sollte dann einer durch Völlerei oder Trunkenheit sich selbst oder seine Familie zugrunde richten?
Der Athener Xenophon (ca. 430–350 v. Chr.), ein Schüler des Sokrates, stammte aus einer reichen, oligarchisch gesinnten Familie und trat als Verfasser zahlreicher historischer, philosophischer, wirtschaftlicher und praktischer Schriften in Erscheinung. Er verließ seine Heimatstadt 401 v. Chr. und nahm am Feldzug des
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persischen Prinzen Kyros gegen seinen Bruder Artaxerxes teil. Nach der Schlacht von Kunaxa, bei der Kyros den Tod fand, führte Xenophon (neben anderen Offizieren) das griechische Söldnerheer durch Anatolien zum Schwarzen Meer (sog. Zug der 10.000), worüber er in seinem Werk Anabasis berichtet. In der Folgezeit schloss sich Xenophon den Spartanern an, was wohl zu seiner Verbannung aus Athen beitrug. Er ließ sich daraufhin in Skillous auf der Westpeloponnes nieder, wo er bis 371 v. Chr. blieb und den Großteil seiner Werke schrieb. Sein Hauptwerk sind die sog. Hellenika, eine griechische Geschichte, die mit dem Ende des Werks des Thukydides 411 v. Chr. einsetzt und mit der Schlacht von Mantineia 362 v. Chr. endet. Ebenso verfasste er die sog. Kyrupädie, eine romanhafte Biographie des persischen Monarchen Kyros, ein Enkomion (Lobrede) auf den Spartaner Agesilaos, ein Werk über den Staat der Lakedaimonier sowie seine sog. sokratischen Schriften (Apologie, Memorabilien [Erinnerungen an Sokrates]). Auch sein Symposion und der Oikonomikos, in dem es um Tugend und richtige Haushaltsführung geht, weisen die Form sokratischer Dialoge auf. Um wirtschaftliche und finanzielle Fragen geht es in dem Traktat Über die Staatseinkünfte, weitere Schriften befassen sich mit der Reitkunst und der Jagd.
Kindererziehung
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Die Syskenien waren nicht nur Mahlgemeinschaften, sie bildeten auch die kleinste Einheit der Heeresorganisation, und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt schliefen die jungen Männer auch gemeinsam in diesen Männergruppen. Auch homosexuelle Beziehungen zwischen jugendlichen Spartanern und ihren älteren Liebhabern wurden vom Staat – mit bestimmten Regeln und Einschränkungen – aus pädagogischen Gründen gefördert. Überhaupt wurde in Sparta besonderes Augenmerk auf die Erziehung der Kinder und Jugendlichen gelegt, die besonders auf die spätere Leistungsfähigkeit des Nachwuchses im Krieg abzielte. Dies begann offenbar bereits mit einer rigorosen Begutachtung der Neugeborenen, von denen nur die gesunden aufgezogen wurden, während man behinderte Kinder gnadenlos aussetzte. Ab dem Alter von sieben Jahren durchliefen die Knaben ein strenges, staatlich geregeltes Erziehungsprogramm, die sog. agogé, von der Plutarch eine Beschreibung bietet, die allerdings wohl erst eine recht späte Entwicklungsstufe dieses Systems schildert.
Plutarch, Lebensbeschreibung des Lykurg 16 Das zur Welt Gekommene aufzuziehen unterlag nicht der Entscheidung des Erzeugers, sondern er hatte es an einen Ort zu bringen, Lesche genannt, wo die Ältesten der Gemeindegenossen saßen und das Kind untersuchten und, wenn es wohl gebaut und kräftig war, seine Aufzucht anordneten und ihm eins der neuntausend Landlose zuwiesen; war es aber schwächlich und missgestaltet, so ließen sie es zu der so genannten Ablage bringen, einem Felsabgrund am Taygetos. Denn sie meinen, für ein Wesen, das von Anfang an nicht fähig sei, gesund und kräftig zu heranzuwachsen, sei es besser, nicht zu leben, sowohl um seiner selbst wie um des Staates willen. Daher badeten auch die Frauen die Neugeborenen nicht mit Wasser, sondern mit Wein, um so ihre Konstitution zu prüfen. […] Die Knaben der Spartaner aber gab Lykurg nicht in die Hände von gekauften oder gemieteten Pädagogen, noch durfte jeder seinen Sohn halten und aufziehen wie er wollte, sondern er nahm sie selbst alle, sobald sie sieben Jahre alt
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waren, zu sich und teilte sie in Gruppen, in denen sie miteinander aufwuchsen, erzogen und gewöhnt wurden, beim Spiel wie bei ernster Beschäftigung immer beisammen zu sein. Als Führer der Gruppe wählten sie sich denjenigen, der sich durch Klugheit und durch Kampfesmut auszeichnete. Auf ihn blickten sie, hörten auf seine Befehle und unterwarfen sich seinen Strafen, so dass die Erziehung wesentlich in der Übung im Gehorsam bestand. […] Lesen und Schreiben lernten sie nur soviel, wie sie brauchten; die ganze übrige Erziehung war darauf gerichtet, dass sie pünktlich gehorchen, Strapazen ertragen und im Kampf siegen lernen.
Manches an dieser Schilderung des Plutarch ist unklar und umstritten, so etwa der Bericht über die Überprüfung der Neugeborenen und deren potentielle Tötung. Vermutlich ist die utopisch gefärbte Schilderung des lakedaimonischen Staatswesens bei Plutarch in diesem Punkt von seit dem 5. Jh. v. Chr. aufkommenden eugenischen Theorien, die nicht zuletzt von Platon und Aristoteles rezipiert worden waren, beeinflusst. In Anbetracht des – angesichts der steten Abnahme der Vollbürgerzahl – dringenden Bedarfs der Spartaner an zahlreicher Nachkommenschaft wurde sogar vermutet, dass diese Maßnahme – falls das beschriebene Verfahren tatsächlich praktiziert wurde – vielmehr dem Schutz der gesunden und kräftigen Kinder gedient habe. Dass behinderte Kinder auch in Sparta aufgezogen wurden, beweist jedenfalls nicht zuletzt das Beispiel des Agesilaos, der in klassischer Zeit sogar – wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten – als Invalide spartanischer König werden konnte. Die Quellen nennen auch eine Institution namens krypteía, die nach Platon ein militärisches Abhärtungstraining unter härtesten Bedingungen gewesen sein soll, während sie Plutarch als ein Terrorinstrument stilisiert, mit welchem die Spartiaten die ihnen zahlenmäßig weit überlegenen Heloten in Angst und Schrecken versetzten. Es sollen nämlich junge Spartaner die Aufgabe erhalten haben, nur mit einem Schwert bewaffnet eine Zeitlang allein auf sich gestellt in der Wildnis zu überleben, wobei sie sich tagsüber verborgen halten mussten, während sie nachts Nahrung stehlen und Heloten töten sollten. Die Historizität dieser Nachrichten ist in der wissenschaftlichen Forschung umstritten, wobei es durchaus Versuche gibt, beide Nachrichten miteinander zu vereinen. Auch die Erziehung der Frauen, in der Sport einen für das antike Griechenland ungewohnt breiten Raum einnahm, wurde in Sparta staatlich geregelt. Im Vergleich zu anderen griechischen Stadtstaaten waren Frauen in Sparta – wenngleich man sie in erster Linie in ihrer Rolle als Mütter neuer Krieger sah – bessergestellt, was sich etwa in ihrem Besitzrecht von Grund und Boden niederschlug. Die Ehe war bei den Lakedaimoniern hoch angesehen, für junge Männer bestand sogar eine gewisse Pflicht zur Heirat, Ehelosigkeit wurde dagegen bestraft. Das Hochzeitsalter der Frauen lag dabei in Sparta höher als im übrigen Griechenland, wovon man sich offensichtlich eine kräftigere Konstitution der Kinder bei ihrer Geburt erhoffte. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die befremdlichen spartanischen Hochzeitsbräuche, von denen wiederum Plutarch berichtet.
krypteía
Hochzeitsbräuche
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Plutarch, Lebensbeschreibung des Lykurg 15 Man heiratete durch Raub, nicht kleine und noch nicht mannbare, sondern voll erwachsene und reife Mädchen. Die Geraubte nahm die so genannte Brautbedienerin in Empfang, schor ihr den Kopf auf der Haut ab, zog ihr ein Männergewand und Schuhe an und legte sie allein ohne Licht auf eine Streu. Dann kam der Bräutigam herein, nicht betrunken und ausgelassen, sondern nüchtern, nachdem er wie immer bei dem Gemeinschaftsmahl gespeist hatte, löste ihren Gürtel, hob sie auf und legte sie aufs Bett. Doch blieb er nicht lange bei ihr, sondern ging sittsam davon, um wie früher am gewohnten Ort mit den anderen jungen Leuten zu schlafen. Und auch in der Folgezeit machte er es so, verbrachte den Tag mit den Altersgenossen und schlief mit ihnen bei Nacht, und nur heimlich und mit aller Vorsicht ging er zu seiner jungen Frau, mit Scheu und in der Besorgnis, dass jemand im Hause es bemerkte, wobei aber auch die junge Frau darauf bedacht war, es so einzurichten, dass sie zu guter Zeit und unbemerkt zusammenkommen konnten. […]
Lykurg
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Die Ordnung des lakedaimonischen Staates und der dortigen Gesellschaft wurde von der antiken Tradition auf den Gesetzgeber Lykurg zurückgeführt, der in frühester Zeit die Staatsverfassung in Form eines Orakels in Delphi (sog. Große Rhetra) erhalten haben soll. Als historische Gestalt lässt sich Lykurg jedoch nicht fassen. Es liegt aber auf der Hand, dass sich die Entwicklung des spartanischen Staatssystems wie auch der Gesellschaftsordnung mit ihren eigentümlichen Sitten und Gebräuchen (von denen manche in ihrer Historizität durchaus zu bezweifeln sind), in vielen Schritten und über einen längeren Zeitraum hingezogen hat. So wurde etwa die Institution der fünf Ephoren erst im Laufe des 6. Jh. v. Chr. eingeführt, wobei die Frage, ob die Schaffung dieses Amtes oder dessen Stärkung gegen das Königtum sowie weitere Maßnahmen durch den Politiker, Gesetzgeber und Dichter Chilon erfolgten, nicht zu klären ist. Auf jeden Fall zeigen die literarischen und archäologischen Quellen deutlich, dass das straff durchorganisierte lakedaimonische Staatswesen und der für Sparta scheinbar so charakteristische kommunitäre Lebensstil mit seiner Konzentration auf militärische Belange erst eine relativ späte Entwicklung darstellen. In früh- und hocharchaischer Zeit war Sparta eine weltoffene Polis, in der musischen und künstlerischen Aktivitäten hohe Wertschätzung entgegengebracht wurde. In der Keramikproduktion sowie in der Herstellung von Kleinkunst wurde ein beachtliches Niveau erreicht, und spartanische wie von auswärts zugezogene Musiker und Dichter – wie der aus Lesbos stammende Lyriker Terpandros (1. Hälfte des 7. Jh. v. Chr.), dem mit der Erfindung der siebensaitigen Leier eine Revolution des zeitgenössischen Musiklebens zugeschrieben wird – wirkten in der Stadt. Besondere Berühmtheit hat von diesen auch der in der zweiten Hälfte des 7. Jh. v. Chr. wirkende Chorlyriker Alkman erlangt. Um die Mitte des 6. Jh. v. Chr. begann sich das Bild jedoch allmählich zu ändern, das Interesse an der Dichtung erlosch, und in der Kunstproduktion begann ein langsamer, aber nachhaltiger Rückgang. Gleichzeitig fingen die Spartaner an, sich mehr und mehr von der restlichen griechischen Welt abzuschotten. Dies hängt sicher mit einer allmählichen Orientierung an einer auf die Kriegsführung ausgerichteten, „lykurgischen“ Lebensweise. Was da-
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für den Ausschlag gegeben hat, und welche Rolle der oben bereits erwähnte Chilon möglicherweise in dieser Entwicklung gespielt hat, ist kaum nachzuvollziehen. b) Athen Athen war bereits während der sog. „dunklen Jahrhunderte“ ein blühendes Gemeinwesen, dessen Wohlstand auf der Landwirtschaft und dem sich besonders im 8. Jh. v. Chr. intensivierenden Handel beruhte, und stellte ein Zentrum der Handwerkskunst (bes. der Keramikproduktion) dar. Die Polis verfügte über ein relativ großes Umland, das im Laufe der Zeit immer intensiver erschlossen wurde und offenbar hinreichende Versorgungsmöglichkeiten bot, sodass die Athener sich in dieser frühen Phase kaum an der sog. „großen griechischen Kolonisation“ beteiligten und auch nicht durch die Eroberung angrenzender Landstriche in Erscheinung traten. Die politische und militärische Macht lag in den Händen der Oberschicht, deren Angehörige als esthloí („Edle“), agathoí („Gute“) oder hegemónes („Führer“) bezeichnet wurden. Wie auch in anderen Poleis kam es in Athen spätestens mit der ersten Hälfte des 7. Jh. v. Chr. zur Ausbildung zeitlich beschränkter Ämter. Wichtigster Amtsträger war der für ein Jahr gewählte eponyme Archon, der als Leiter des Adelsgerichtes umfangreiche Kompetenzen in der Rechtssprechung besessen hat, die Volksversammlungen leitete und wohl den Sitzungen des Adelsrates vorstand. Als ersten Inhaber dieses Amtes überliefert die antike Tradition für das Jahr 683 / 2 v. Chr. einen gewissen Kreon. Ihm an die Seite wurde der polémarchos gestellt, welcher die Heeresführung übernahm. Ab wann er auch für die Rechtsangelegenheiten in Athen ansässiger Fremder zuständig wurde, was in klassischer Zeit seine Hauptaufgabe war, ist nicht bekannt. Für die sakralen Belange des Staatswesens – wie die Durchführung von Opfern oder die Leitung von Festen – war der basileffls verantwortlich. Zusätzlich zu diesen drei Oberämtern wurde – ebenfalls bereits im 7. Jh. v. Chr. – die Institution der sechs Thesmotheten („Rechtssetzer“) eingeführt, die als ein Kollegium fungierten. Bestimmt wurden alle diese Funktionäre, die in der Regel als die neun Archonten bezeichnet werden, von Adelsrat, der nach seinem Versammlungsort, dem Areshügel, als Areopag bezeichnet wurde, und dem sie auch nach Ablauf ihrer Amtszeit auf Lebenszeit angehörten. Möglicherweise war bei der Bestellung der Beamten aber auch – allerdings in geringerem Umfang – die Volksversammlung beteiligt, der alle freien Polisbürger angehörten, und die wohl über Fragen von Krieg und Frieden sowie diverse politische und kultische Angelegenheiten abzustimmen hatte. Konkrete historische Ereignisse in Athen können auf der Grundlage der schriftlichen Überlieferung erst für das späte 7. Jh. v. Chr. erfasst werden. Das erste bekannte Vorkommnis ist um 630 v. Chr. der Versuch des Olympiasiegers Kylon, der ein Schwiegersohn des Theagenes, des Tyrannen von Megara, war, durch einen Staatsstreich die Macht in Athen an sich zu reißen. Das Unternehmen scheiterte, wobei im Rahmen der Abwehr des Putsches ein Unrecht begangen wurde, das in Athen noch in klassischer Zeit politisch instrumentalisiert wurde (sog. kylonischer Frevel). Kylon und seine
Kylon
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Drakon
Solon
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Anhänger – nach Thukydides (1, 126) nur seine Anhänger, da Kylon selbst fliehen konnte – wurden nämlich hingerichtet, obwohl sie sich in das Asyl des Athena-Heiligtums auf der Akropolis geflüchtet bzw. am Altar der Eumeniden niedergelassen hatten, nachdem sie unter falschen Versprechungen aus dem Heiligtum gelockt worden waren. Die Verantwortung dafür trug der damalige Oberbeamte Megakles aus der Familie der Alkmaioniden, die daraufhin mit Verbannung aus Athen bestraft wurde (später aber wieder zu großem Einfluss kam). Wohl in Zusammenhang mit dem Putschversuch des Kylon und den damit in Verbindung stehenden Auseinandersetzungen zwischen den adeligen Familien steht die etwa zehn Jahre später, vermutlich 621 / 20 v. Chr., stattfindende Gesetzeskodifikation des Drakon, von der oben schon die Rede war. Diese vermochte zwar die in Athen bestehende Rechtsunsicherheit in vielen Punkten beheben, sie änderte aber nichts an der in Attika herrschenden wirtschaftlichen und sozialen Krise. Ein wesentliches Merkmal dieser Krise war, dass zahlreiche Kleinbauern verarmt und verschuldet, viele sogar auf den Status von Hektemoroi („Sechstelteiler“) herabgesunken waren. Dies bedeutete höchstwahrscheinlich, dass sie ein Sechstel ihrer Ernteerträge an ihre Gläubiger abzuliefern hatten, während auf ihren Ländereien aufgestellte Schuldsteine (sog. Horoi) anzeigten, dass das betreffende Grundstück verpfändet war. Schuldner, die nicht mehr in der Lage waren, ihre Schulden zurückzuzahlen, konnten aber nicht nur in Schuldknechtschaft geraten, sondern sogar ins Ausland in die Sklaverei verkauft werden. Um diese Missstände, die auch mit einer politischen Krise einhergingen, zu beheben, wurde der aus einer adligen Familie stammende Solon (ca. 640–560 v. Chr.) zum Archon und diallaktés gewählt und mit der Lösung der anstehenden Probleme beauftragt. Zentraler Punkt der solonischen Reformen war die seisáchtheia („Lastenabschüttelung“), die Tilgung der Schulden und damit die Rückgabe der verpfändeten Grundstücke in die uneingeschränkte Verfügungsgewalt der ursprünglichen Besitzer. Damit verbunden waren die Rückführung der in die Sklaverei verkauften Athener und das zukünftige Verbot der Schuldknechtschaft. Eine generelle Umverteilung des Grundbesitzes hat Solon dagegen weder durchgeführt, noch überhaupt angedacht. Dazu kamen eine Neuordnung der Polisinstitutionen, die Regelung des Zugangs der Politen zu den Ämtern und die Einteilung der Bürgerschaft in vier Zensusklassen, deren Grundlage der Ertrag aus dem Landbesitz der einzelnen Bürger bildete. Die oberste Klasse bildeten dabei die Pentakosiomedimnoi („Fünfhundertscheffler“), jene Männer also, deren Grundbesitz mindestens 500 medimnoi (1 medimnos entspricht ca. 52 Litern) Getreide oder die im Wert entsprechende Menge an Wein oder Öl hervorbrachte. Es folgten die Hippeis („Reiter“) mit einem Ertrag von mehr als 300 medimnoi, die Zeugiten („Jochbauern“ oder „Phalanxkämpfer“) mit zumindest 200 medimnoi Einkommen und schließlich die Theten („Tagelöhner“), die weniger als diese 200 medimnoi ernten konnten. Nur die Angehörigen der drei oberen Klassen konnten – wiederum wohl abgestuft nach ihrer Klassenzugehörigkeit – als Beamte der Polis gewählt werden. Eine solche Staatsordnung, in der die politischen Rechte nach Vermögensverhältnissen gestaffelt sind,
Sparta und Athen
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wird als Timokratie bezeichnet. Ob die Schaffung eines „Rates der Vierhundert“, der aus je 100 Vertretern aus jeder der vier Phylen, in welche die Bürgerschaft eingeteilt war, bestanden haben soll, parallel zum Adelsrat des Areopags ebenfalls auf Solon zurückgeht, wird in der althistorischen Forschung unterschiedlich beurteilt. Neben Bestimmungen zur Rechtssprechung werden Solon zahlreiche Gesetze zugeschrieben, die wirtschaftliche oder soziale Belange betreffen, doch sind viele dieser Regelungen wohl erst in späterer Zeit getroffen worden – so wird mit Solon zum Beispiel eine Münzreform in Verbindung gebracht, obwohl zu seiner Zeit in Athen wohl noch keine Münzen geprägt wurden. Authentisch sind aber wahrscheinlich Gesetze wie das Ausfuhrverbot von Nahrungsmitteln außer Getreide, die Bestimmungen zum Erbrecht oder seine Vorschriften zum Brunnenbau. Seine politischen Leistungen rechtfertigte Solon selbst in seiner Dichtung, die etwa Aristoteles zitiert.
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Dem Volke gab ich so viele Rechte, wie für es genügen; von seiner Ehre nahm ich ihm nichts, noch streckte ich selbst die Hand danach aus; die die Macht hatten und wegen ihres Reichtums bewundert wurden, auch ihnen sagte ich, sie würden nicht Ungebührliches haben. Fest stand ich und hielt über beide meinen starken Schild; dass eine Partei ungerecht siegte, das ließ ich nicht zu. […] Welches von den Vorhaben, wegen derer ich das Volk versammelte, habe ich aufgegeben, bevor es erreicht war? Zeugin dafür möge mir vor dem Richterstuhl der Zeit die größte und beste Mutter der olympischen Götter sein, die schwarze Erde, aus der ich einst die überall eingesetzten Schuldscheine herausriss; ehedem war sie versklavt, nun aber ist sie frei. Viele führte ich nach Athen zurück, in das von Gott geschaffene Vaterland: Der eine war unrechtmäßig, der andere rechtmäßig verkauft worden, andere waren aus nackter Not geflohen; die attische Sprache war ihnen nicht mehr geläufig, da sie vielerorts umherirrten. Die aber hier im Lande in schmachvoller Knechtschaft lebten und vor den Launen ihrer Herren zitterten, sie machte ich zu Freien. Das erreichte ich durch meine Macht, indem ich Zwang und Recht verband, und führte es zu Ende, wie ich es versprochen hatte. Gesetze schrieb ich, gleichermaßen für Hoch und Niedrig, für jeden schuf ich gerades Recht. […]
Nach dem Ende seiner Reformtätigkeit legte Solon seine Ämter nieder und verzichtete – offenbar zum Erstaunen vieler Zeitgenossen – auf den Versuch, eine Tyrannis zu errichten. Gescheitert ist Solon allerdings trotz all seiner Verdienste in dem Bemühen, innere Zerwürfnisse in Athen auf längere Zeit zu beseitigen, denn bereits für 590 / 89 v. Chr. berichten die Quellen von
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Die archaische Epoche
VI. Peisistratos
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Unregelmäßigkeiten bei der Besetzung der Oberämter aufgrund von Unruhen. Einige Jahrzehnte nach dem Archontat Solons kam es als Folge innenpolitischer Machtkämpfe auch in Athen zur Errichtung einer Tyrannis durch Peisistratos, der nach zwei erfolglosen Versuchen ab ca. 560 v. Chr. schließlich im dritten Anlauf im Jahre 546 v. Chr. die Alleinherrschaft erringen konnte. Wie diese Machtergreifung vor sich ging, schildert etwa Aristoteles in seinem Staat der Athener.
Aristoteles, Der Staat der Athener 14 ff. Peisistratos, der als der volksfreundlichste Führer galt und im Krieg gegen die Megarer großen Ruhm erlangt hatte, verwundete sich selbst und überredete das Volk, ihm eine Leibwache zu geben, weil er die Verletzung von seinen Gegnern erlitten habe; Aristion brachte den Antrag ein. Nachdem Peisistratos die so genannten Keulenträger aufgestellt hatte, erhob er sich auf diese gestützt gegen das Volk und besetzte die Akropolis im zweiunddreißigsten Jahr nach dem Erlass der Gesetze, unter dem Archonten Komeas (561 / 60 v. Chr.). […] Peisistratos … nahm die Herrschaft an sich und verwaltete das Gemeinwesen mehr zum Nutzen der Polis als auf tyrannische Art und Weise. Seine Herrschaft war noch nicht gefestigt, da vereinigten sich die Anhänger des Megakles und des Lykurg und vertrieben ihn im sechsten Jahr nach seiner ersten Machtergreifung, unter dem Archonten Hegesias (556 / 555 v. Chr.). Im zwölften Jahr danach aber bot Megakles, durch den Bürgerkrieg in die Enge getrieben, dem Peisistratos wieder ein Bündnis an unter der Bedingung, dass dieser seine Tochter heirate, und brachte ihn auf primitive und äußerst einfältige Art zurück. Nachdem er nämlich das Gerücht verbreitet hatte, Athena selbst werde Peisistratos zurückbringen, suchte er eine große und schöne Frau aus – wie Herodot sagt, aus dem Demos der Paianier, nach Meinung anderer aber eine thrakische Blumenverkäuferin aus Kollytos namens Phye –, verkleidete sie als die Göttin und führte sie zusammen mit Peisistratos in die Stadt. Peisistratos fuhr nun auf einem Wagen ein und hatte die Frau neben sich; die Leute in der Stadt aber empfingen ihn staunend und kniefällig. So verlief also seine erste Rückkehr. Dann, etwa im siebten Jahr nach seiner Rückkehr, wurde er zum zweiten Mal vertrieben […]. [Er] versuchte schließlich im elften Jahr, seine Herrschaft wiederzugewinnen, damals zum ersten Mal mit Gewalt […] . Nach seinem Sieg in der Schlacht am Heiligtum der Athena Pallenis nahm er die Polis ein und beraubte das Volk seiner Waffen, und dieses Mal bekam er die Tyrannis sicher in die Hand. Auch Naxos gewann er und setzte dort Lygdamis als Herrscher ein. […] Peisistratos verwaltete, wie gesagt, das Gemeinwesen maßvoll und mehr zum Nutzen der Polis als auf tyrannische Art und Weise. Denn im Allgemeinen war er menschenfreundlich, mild und bereit zu vergeben, wenn jemand ein Unrecht begangen hatte […]. Auch sonst setzte er in seiner Herrschaftszeit der Menge in keiner Weise zu, sondern erhielt immer den Frieden und sorgte für Ruhe. Deshalb hat man oft gesagt, die Tyrannis des Peisistratos sei das (goldene) Zeitalter unter Kronos. Denn später, als seine Söhne ihm nachgefolgt waren, wurde die Herrschaft viel härter. Das Wichtigste aber von allem, was oben genannt wurde, waren seine volksfreundliche Einstellung und seine Menschenfreundlichkeit. Denn im Allgemeinen war er bestrebt, alles gemäß den Gesetzen zu verwalten, ohne sich selbst irgendeinen Vorteil zu verschaffen […]. Deshalb
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Sparta und Athen
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dauerte seine Herrschaft auch lange Zeit, und jedes Mal, wenn er vertrieben wurde, erlangte er sie leicht wieder zurück. Denn die Mehrheit sowohl unter den Vornehmen als auch im Volk unterstützte ihn; die einen brachte er nämlich durch persönlichen Umgang, die anderen durch Hilfen bei ihren Privatangelegenheiten auf seine Seite, und zu beiden Gruppen verhielt er sich anständig.
Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit legte der Philosoph Aristoteles eine Sammlung von 158 antiken Verfassungen an, die ihm als Grundlage weiterer Arbeiten dienen sollten. Lange Zeit kannte man zwar einige Zitate aus dieser Sammlung, die Verfassungen selbst aber waren verloren gegangen. Im 19. Jh. tauchten jedoch Papyri auf, welche die verschollene Verfassung der Athener, die Athenaion politeia (oft auch als Staat der Athener bezeichnet), bewahrt haben. In diesem einzigartigen Dokument gibt Aristoteles zunächst einen historischen Abriss der inneren Organisation Athen von vorsolonischer Zeit bis 403 v. Chr., um dann im zweiten Teil der Schrift die Staatsordnung Athens zu seinen Lebzeiten zu beschreiben.
Die Begründung der Herrschaft des Peisistratos war illegitim und auf Gewalt gegründet. Er ließ zwar die geltenden Gesetze sowie die Polisinstitutionen bestehen, kontrollierte aber die Besetzung der Ämter und die Entscheidung der Magistraten. Seine Regierungszeit wurde jedoch – wie auch die obige Stelle belegt – nicht durchweg negativ beurteilt. Athen erlebte unter seiner Herrschaft eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit (wenngleich die moderne Forschung den aktiven Beitrag des Tyrannen zu dieser Entwicklung kontrovers diskutiert), die sich in einer regen Bautätigkeit, der großartigen Ausgestaltung der alle vier Jahre als panhellenisches Fest stattfindenden Großen Panathenäen oder der Stiftung der sog. Großen Dionysien manifestierte. Als Peisistratos im Jahr 527 v. Chr. eines friedlichen Todes starb, ging die Herrschaft problemlos an seinen ältesten Sohn Hippias über. Doch formierte sich im Laufe der Zeit immer stärker werdender Widerstand gegen den Tyrannen, vor allem als nach einem Attentat im Jahr 514 v. Chr., bei dem Hipparchos, der Bruder des Hippias, getötet worden war, die Gewaltherrschaft drückender geworden sein soll. Die Attentäter, Harmodios und Aristogeiton, erlangten später in Athen als Tyrannenmörder großen Ruhm, der Beweggrund für ihr Handeln soll aber ein rein privater gewesen sein, wie Thukydides (6, 54 ff.) schildert. Hippias konnte sich nicht mehr lange an der Macht halten, bereits im Jahr 510 v. Chr. wurde er durch ein spartanisches Heer, das auch von Teilen der athenischen Bevölkerung Unterstützung erhielt, gestürzt und musste ins Exil gehen. Nach dem Ende der Tyrannis kam es in Athen zum Konkurrenzkampf zwischen zwei adeligen Politikern. Der eine, Isagoras, der von den Spartanern unterstützt wurde und eine Wiedererrichtung der alten aristokratischen Herrschaftsformen anstrebte, setzte sich zunächst durch und wurde 508 v. Chr. zum Archonten gewählt. Doch konnte dann sein Kontrahent Kleisthenes aus der Familie der Alkmaioniden, der sich mit Vorschlägen zu einer tief greifenden Reform an das Volk wandte, die Oberhand gewinnen. Isagoras wurde mitsamt einer sich in der Stadt befindlichen spartanischen Garnison aus der Athen vertrieben, und auch ein Interventionsversuch der Lakedaimonier und
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Harmodios und Aristogeiton
Kleisthenes
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Die archaische Epoche
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Ostrakismos
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ihrer Bundesgenossen, Isagoras wieder als Machthaber in seiner Heimatstadt zu installieren, konnte kurze Zeit später abgewehrt werden. Den Kern der kleisthenischen Reform bildete eine Neuorganisation der attischen Gemeinden, der Demen, von denen es in klassischer Zeit 139 gab, die in ihrer Größe stark variieren konnten. Diese Demen bildeten fortan die Grundlage der staatlichen Organisation. Sie veranstalteten eigene Versammlungen, hatten eigene Beamte und eigene Kulte, sie führten die Bürgerlisten und prüften alle Bürgerrechtsansprüche. Zudem wurden auf Ebene der Demen die Wehrpflichtigen ausgehoben und die Kandidaten für höhere politische Ämter sowie die Richter bestellt. Die Demenzugehörigkeit war erblich, und sie wurde schließlich zum Teil des Namens eines Atheners. In einem zweiten Schritt wurde Attika in drei territoriale Zonen unterteilt: Asty („Stadt“), Mesogeia („Binnenland“) und Paralia („Küste“); zudem unterteilte Kleisthenes die Bevölkerung statt der bisherigen vier Phylen in zehn neue Phylen. Diese neu geschaffenen Phylen, die alle ungefähr die gleiche Bevölkerungszahl aufwiesen, bestanden jeweils aus drei Regionen (Trittyen) aus einer der drei Landschaftszonen. Durch diese künstlich herbeigeführte Mischung der Bevölkerung innerhalb der einzelnen Phylen sollten wohl unter anderem die alten Gefolgschaften der Aristokraten zerschlagen werden. Auch verloren regionale Interessen dadurch an Bedeutung und die in der Stadt Athen tagende Volksversammlung erhielt größeres politisches Gewicht. Die Phylen, die jeweils nach einem attischen Heroen benannt wurden, erfüllten ebenfalls vielfältige politische, militärische und kultische Aufgaben. Besondere Bedeutung kam ihnen bei der Konstituierung des neuen Rates (bulé) der „Fünfhundert“ zu, der aus je 50 – in den einzelnen Demen gewählten – Vertretern aus jeder Phyle gebildet wurde. Diese 50 Ratsmitglieder bildeten eine sog. Prytanie, wobei jede Prytanie für 36 Tage, also ein Zehntel des Jahres, unter dem Vorsitz eines täglich wechselnden epistátes als geschäftsführender Ausschuss die Ratsgeschäfte wahrnahm. Unverändert blieben die Funktionen der neun regierenden und jährlich gewählten Archonten sowie die Tätigkeit des Areopags, der die Funktionäre überwachte und mit der Rechtssprechung befasst war. Auch die Einführung eines politischen Verfahrens, das dazu dienen sollte, unliebsame bzw. politisch gefährliche Personen aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, geht vermutlich auf Kleisthenes zurück, wenngleich dieser ostrakismós („Scherbengericht“) erstmals 487 v. Chr. durchgeführt wurde. Dabei wurde das Volk jedes Jahr während der sechsten Prytanie gefragt, ob es einen ostrakismós durchzuführen wünsche, und wenn dem so war, kam es kurz darauf zu einer weiteren Versammlung, bei der jeder Teilnehmer den Namen desjenigen Mannes in eine Tonscherbe (óstrakon) ritzte, den er verbannt haben wollte. Derjenige, der bei dieser Abstimmung am häufigsten genannt wurde, musste Athen für zehn Jahre verlassen, behielt aber sein Vermögen, sein Ansehen sowie sein Bürgerrecht und konnte nach Ablauf dieser Frist wieder zurückkehren und erneut in die Politik einsteigen. Damit die Abstimmung gültig war, mussten wenigstens 6000 Bürger an der Entscheidung beteiligt sein (so etwa Plut. Arist. 7, 6) bzw. nach anderen Quellen mussten – was unwahrscheinlicher erscheint – mindestens 6000 Stim-
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men auf einen Kandidaten entfallen. Unklar bleibt, was von der Nachricht in einer auf unbekannte antike Quellen zurückgreifenden, byzantinischen Handschrift (Vaticanus Graecus) zu halten ist, dass zunächst der Rat und nicht die Volksversammlung für den Ostrakismos zuständig gewesen sei, oder warum – wenn wirklich Kleisthenes dieses Verfahren eingeführt hat – die erste Verbannung mittels des Scherbengerichts erst 20 Jahre nach seinen Reformen ausgesprochen wurde. Unsicher ist auch das weitere Schicksal des Kleisthenes, über das die Quellen schweigen. Es ist zu vermuten, dass er kurz nach der Durchführung seiner Reformen, die – wie schon das Wirken Solons drei Generationen zuvor – den Weg für die athenische Demokratie der klassischen Zeit bereitet haben, eines natürlichen Todes gestorben ist.
9. Die Perserkriege Im Jahr 559 v. Chr. hatte Kyros II. – der später den Beinamen „der Große“ erhielt – aus der Familie der Achaimeniden den persischen Thron bestiegen. Binnen weniger Jahre war es ihm gelungen, die Vorherrschaft der Meder über die Perser zu beenden, ihre Hauptstadt Ekbatana zu erobern und das medische Herrschaftsgebiet, das weite Teile Irans und des östlichen Kleinasien umfasste, seinem eigenen Reich zuzuschlagen. Einer weiteren Expansion des Perserreiches nach Westen versuchte Kroisos, der König des Lyderreiches im Westen Kleinasiens, der auch über die dortigen griechischen Städte herrschte, durch einen Präventivschlag zuvorzukommen, doch führte er damit sein eigenes Reich in den Untergang. So gerieten im Jahr 547 v. Chr. auch die kleinasiatischen Griechenstädte unter persische Oberherrschaft. In der Folgezeit konnte Kyros sein Reich im Osten bis an den Hindukusch ausdehnen und schließlich 539 v. Chr. auch das neubabylonische Reich seinem Herrschaftsgebiet einverleiben. Im Jahr 529 v. Chr. starb Kyros im Kampf gegen das nomadische Steppenvolk der Massageten. Sein Sohn und Nachfolger Kambyses setzte die Eroberungspolitik des Kyros fort und konnte 525 v. Chr. das pharaonische Ägypten unterwerfen. In den Thronwirren nach dem Tod des Kambyses, der bereits 522 v. Chr. verstarb, konnte sich schließlich Dareios I. – der ebenfalls oft mit dem Attribut „der Große“ versehen wird – durchsetzen. Dieser bemühte sich darum, die innere Stabilität der Perserreichs zu erhöhen und unternahm eine umfassende Neuorganisation der Reichsadministration, deren Grundlage die Einteilung des gesamten Herrschaftsgebiets in einzelne Verwaltungsbezirke (Satrapien) bildete, die jeweils von einem Satrapen regiert wurden. Parallel dazu wurde ein flächendeckendes Steuersystem entwickelt, das mit einem neuen einheitlichen Währungssystem, welches auf dem goldenen Dareikos als Grundeinheit beruhte, eingeführt. Überdies förderte Dareios den Ausbau des innerpersischen Straßennetzes. Außenpolitisch setzte der Perserkönig die Expansionspolitik seiner Vorgänger fort. Im Osten konnte er sein Herrschaftsgebiet bis zum Industal ausweiten, im Westen vermochte er einerseits das seit Beginn seiner Regierungszeit abtrünnige Ägypten wieder unter
Aufstieg des Perserreichs
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Ionischer Aufstand
Die persische Offensive gegen Griechenland
Marathon
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seine Botmäßigkeit bringen, während er andererseits 513 / 12 v. Chr. den Hellespont überquerte und erstmals europäisches Festland betrat, um im Norden gegen die Skythen vorzugehen. Dieser Feldzug verfehlte zwar sein eigentliches Ziel, doch wurden nun Thrakien und Makedonien dem Perserkönig untertan. Einige Jahre später, im Jahr 500 v. Chr., rief der milesische Tyrann Aristagoras, der nach einer gescheiterten Militäroperation gegen Naxos den Zorn seiner persischen Herren fürchtete, zum Widerstand gegen die Perser auf. Dieser von Aristagoras entfachte sog. „Ionische Aufstand“ breitete sich rasch aus, zahlreiche Griechenstädte – freilich nicht alle, so blieb beispielsweise Ephesos wohl auf Seiten der Perser – an der kleinasiatischen Küste und auf den vorgelagerten Inseln schlossen sich der Bewegung an. Auch im griechischen Mutterland suchten die Aufständischen nach Unterstützung, doch schickten nur Athen und Eretria auf Euboia – und das nur für kurze Zeit – kleine Kontingente. Nach anfänglichen Erfolgen, wie etwa der Eroberung und Zerstörung der Stadt Sardeis, dem Sitz des lokalen Satrapen, 499 v. Chr., wendete sich jedoch das Blatt, und der Aufstand endete schließlich für die Griechen in einer Katastrophe. Nach der Schlacht bei der Insel Lade 494 v. Chr. war mit der Einnahme und Zerstörung Milets durch die Perser die Entscheidung gefallen, und mit der Beseitigung der letzten Widerstandsnester im folgenden Jahr wurde die Erhebung endgültig niedergeworfen. Die – wenn auch geringe – Beteiligung des griechischen Mutterlandes am sog. „Ionischen Aufstand“ provozierte natürlich persische Vergeltungsmaßnahmen und rückte die griechische Halbinsel in das Visier der achaimenidischen Expansionspolitik. Eine erste persische Offensive scheiterte 492 v. Chr. am Berg Athos, wo die gesamte von den Persern entsandte Kriegsflotte in einem Sturm sank, doch bereits 490 v. Chr. kam – nachdem die Griechen eine letzte persische Aufforderung zur Unterwerfung abgelehnt hatten – ein neues Heer unter der Leitung von Datis und Artaphernes. Nach der Eroberung von Eretria auf Euboia landete die persische Heeresmacht, die den zwanzig Jahre zuvor aus Athen vertriebenen Tyrannen Hippias mit sich führte, um diesen nach dem zu erwartenden persischen Sieg als Vasall des Großkönigs wieder als Herrscher in Athen einzusetzen, in Attika. In der Ebene von Marathon kam es zur Schlacht, die allerdings überraschend die athenischen Truppen unter der Führung des Miltiades, die von einem Kontingent aus Plataiai unterstützt wurden (die verbündeten Spartaner waren wegen eines religiösen Festes nicht rechtzeitig am Schlachtfeld eingetroffen), für sich entscheiden konnten, worauf die Perser wieder abzogen. Natürlich war aber die Bedrohung durch das persische Großreich durch diesen Sieg nicht wirklich gebannt, und das war auch den Griechen durchaus bewusst. Tatsächlich wurden von Xerxes I., dem Nachfolger des 486 v. Chr. verstorbenen Dareios auf dem persischen Thron, umfangreiche Rüstungen für einen erneuten Griechenlandfeldzug in Gang gesetzt. Zu den immensen Vorbereitungsarbeiten für dieses Unternehmen zählen etwa der Durchstich des Athos an seiner schmalsten Stelle und die Anlage eines Kanals für die persische Kriegsflotte sowie die Überspannung der Dardanellen mit Brücken für die Fußtruppen und die Anlage von Vorratsmagazinen entlang der vorgesehenen Marschroute bis nach Makedonien. Wiederum rie-
Die Perserkriege fen die Perser die Griechenstädte – mit Ausnahme von Athen und Sparta – zur Unterwerfung auf, und zahlreiche Poleis kamen dieser Aufforderung auch nach bzw. verhielten sich im Verlauf der folgenden Auseinandersetzungen neutral. Nur eine geringe Anzahl von – etwa dreißig – Stadtstaaten schloss sich auf einer Konferenz, die 481 v. Chr. in Korinth stattfand, zu einem Abwehrbündnis zusammen, dem sog. „Hellenenbund“ unter der Führung Spartas. Auch die erhoffte Unterstützung aus den Kolonisationsgebieten im Westen blieb aus, da die Griechenstädte auf Sizilien gerade von den Karthagern bedroht wurden. Ob es allerdings eine Absprache zwischen Karthago und dem Perserreich über ein gemeinsames Vorgehen gegen die Griechen gegeben hat, wie aufgrund der zeitlichen Koinzidenz beider Angriffe schon antike Historiker vermutet haben, muss fraglich bleiben. Im Jahr 480 v. Chr. traf die persische Armee unter der Führung des Feldherrn Mardonios in Griechenland ein. Nachdem die Idee der Errichtung einer nördlichen Verteidigungslinie im thessalischen Tempetal gescheitert war, versuchten die Truppen des Hellenbundes, den persischen Vormarsch in Mittelgriechenland zu stoppen, doch wurde ein griechisches Heer unter dem Kommando des spartanischen Königs an den Thermopylen vernichtend geschlagen, und auch die griechische Flotte, die das Vordringen der persischen Kriegsschiffe am Kap Artemision an der Nordspitze Euboias verhindern sollte, musste sich nach Süden in den Saronischen Golf zurückziehen. Doch obwohl die Schlacht an den Thermopylen eine Niederlage der Griechen brachte, spielte gerade dieses Gefecht in der späteren historischen Erinnerung als ein Beispiel einzigartigen Heldenmuts und heroischen Opfertods eine ganz besondere Rolle. Mittelgriechenland und Attika waren aber nun den persischen Truppen ausgeliefert. Die Athener evakuierten daher ihre Stadt sowie deren Umland, wobei die Bevölkerung auf die Inseln Aigina und Salamis sowie in die Stadt Troizen in der Argolis gebracht wurde. Als die Perser schließlich Athen erreichten, fanden sie dort nur mehr eine kleine Besatzung vor und plünderten und brandschatzten die Stadt. Diese Evakuierung Athens sowie die Maßnahmen, welche zur Bemannung der attischen Kriegsflotte getroffen wurden, scheint ein sensationeller Inschriftenfund aus Troizen, der die literarische Überlieferung ergänzt, näher zu beleuchten.
Das Themistoklesdekret von Troizen Götter! Es beschlossen der Rat und das Volk, Themistokles, Sohn des Neokles, aus dem Demos Phrearrhioi stellte den Antrag: Die Stadt soll man anvertrauen der Athena, die über Athen waltet, und den anderen Göttern allen, dass sie sie beschützen und den Barbaren zur Rettung des Landes abwehren. Die Athener alle und die Fremden, die in Athen wohnen, sollen die Kinder und die Frauen nach Troizen bringen, in die Obhut des Theseus (oder Pittheus?), des Achegetes des Landes. Die Alten aber und den Besitz sollen sie nach Salamis bringen. Die Schatzmeister aber und die Priesterinnen sollen auf der Akropolis bleiben, indem sie den Besitz der Götter bewachen. Die übrigen Athener alle und die Fremden im waffenfähigen Alter sollen an Bord der bereitgestellten zweihundert Schiffe gehen und den Barbaren abwehren, sowohl um ihrer eigenen Freiheit willen als
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Thermopylen
Q Themistoklesdekret von Troizen
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auch der der übrigen Griechen, zusammen mit Lakedaimoniern und Korinthern und Aigineten und den übrigen, die bereit sind, sich gemeinsam der Gefahr zu stellen. […]
Salamis
Plataiai
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Die Authentizität dieses einzigartigen Dokuments ist allerdings vielfach bezweifelt worden. Die Frage ob es sich bei dieser Inschrift, die im frühen 3. Jh. v. Chr. angefertigt und aufgestellt wurde, um die – wenngleich inhaltlich und stilistisch geringfügig überarbeitete – Wiederaufzeichnung eines authentischen Dekrets von 480 v. Chr. oder um eine spätere, wohl um die Mitte des 4. Jh. v. Chr. aus propagandistischen Gründen vorgenommene Fälschung handelt, kann nicht sicher entschieden werden, wenngleich vieles für die zweite Möglichkeit spricht. Inzwischen hatte die griechische Flotte bei Salamis Stellung bezogen, wo es schließlich auch zur entscheidenden Seeschlacht kam. In dem engen Sund zwischen Salamis und dem attischen Festland konnte die persische Flotte ihre Überzahl nicht zur Geltung bringen und unterlag so den taktisch geschickt und angesichts ihrer teilweise verwüsteten und evakuierten Heimat verzweifelt um alles oder nichts kämpfenden Griechen. Das Verdienst um diesen Sieg kommt auf griechischer Seite vor allem dem athenischen Politiker Themistokles zu, der in den Jahren vor dem erneuten persischen Angriff, als die Erschließung neuer Silberlagerstätten in den Minen von Laureion neue Ressourcen verfügbar machte, den Ausbau der attischen Kriegsflotte gefördert hatte. Die geschlagene – aber nicht zerstörte – Flotte der Perser zog sich nach der Niederlage nach Kleinasien zurück. Der Krieg war mit diesem Sieg allerdings noch nicht beendet, da sich das persische Landheer nach wie vor in Griechenland aufhielt. Ein Jahr später, 479 v. Chr., kam es zum entscheidenden Aufeinandertreffen bei Plataiai, in welchem die Griechen unter spartanischer Führung den Persern eine vollständige Niederlage zufügten. Der Hellenbund ging nun in die Offensive über und konnte bei der gegenüber von Samos gelegenen Halbinsel Mykale die Reste der persischen Flotte vernichten. Der Angriff der Achaimeniden auf Griechenland war damit endgültig abgewehrt. Die historische Einordnung dieses Erfolgs der Griechen gestaltet sich schwierig. Lange Zeit wurde dieser Auseinandersetzung, bei der es nicht nur um die politische Freiheit der Griechen, sondern auch um die geistige Unabhängigkeit des abendländischen Menschen und somit generell um die kulturellen und geistigen Grundlagen Europas gegangen wäre, immense Bedeutung beigemessen. Der Engländer John Stuart Mill (1806–1873) ließ sich in einer Besprechung des Geschichtswerks von George Grote sogar zu der Bemerkung hinreißen, dass die Schlacht von Marathon selbst als ein Ereignis der englischen Geschichte wichtiger gewesen wäre, als die Schlacht von Hastings, mit der 1066 die normannische Herrschaft über England begann. Heutige Historiker sind in ihrem Urteil vorsichtiger, da zum einen der Glaube an die zeitlose Größe der griechischen Kultur geschwunden ist, während man zum anderen in den Persern nicht mehr den „orientalischen Despoten“ erkennen will. Zudem hätte eine persische Fremdherrschaft über
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Griechenland, die vielleicht auch nicht allzu lange gedauert hätte, kein Ende der griechischen Kultur bedeutet, wie die Entwicklung Ägyptens, Mesopotamiens oder auch der kleinasiatischen Griechenstädte unter persischer Herrschaft zeigt. Natürlich wären die griechischen Poleis zu Tributen verpflichtet gewesen und hätten auf eigene außenpolitische Aktivitäten verzichten müssen, ihre kulturelle Identität wäre aber wohl nicht bedroht gewesen. Viele Griechen wären deshalb auch bereit gewesen, eine persische Oberherrschaft in Kauf zu nehmen. Dennoch: die hellenische Welt wäre unter persischer Herrschaft eine andere gewesen, und gerade die weit reichenden Entwicklungen und Phänomene, die von Athen ausgegangen sind und in vielen Fällen nur in Verbindung mit der dort in klassischer Zeit entwickelten radikalen Demokratie in Gang gesetzt werden und entstehen konnten, sind ohne die Abwehr der persischen Invasoren nicht vorstellbar.
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Register Abu Simbel 75 f. Ägypten, Ägyptiaka 6 f., 10, 14, 17, 20 f., 24, 26, 51, 53, 69, 74 ff., 103, 119 agogé 110 f. Agora 80 f. Ahhijawa 24 Aigina 12, 22, 74, 86, 121 aiolische Wanderung 45 Akovitika 12 Akrotiri (Thera) 7, 20 Alalia 71, 77 Alkman 107, 112 Alphabet 33, 51 ff. Amorgos 9 Amt, Beamter 40, 72, 77, 80 ff., 108, 112, 113 f., 118 Anakreon 93 Anatolien 10 f., 110 Anaxagoras 100 Anaximander 98 Anaximenes 98 Anemospilia 19 Aphrodite 41, 49, 53 f., 93 Apollon 41, 49 f., 55, 60, 68, 70, 72 f., 83, 101 Apsidenbauten 11, 22, 48, 101 Archanes 13, 16, 31 f. Archilochos 76 f. areté 89, 93 Argolis 3 f., 11 f., 23, 26 f., 46, 121 Arion 75 Aristagoras 120 Aristokratie 16, 23, 28, 49, 70, 76 f., 88 ff., 96, 117 f. Aristoteles 80, 84, 87, 95, 111, 115 ff. Arsenbronze 8 Artemis 41, 49 Athen 20, 26, 45 f., 53 f., 60, 67, 75, 78 ff., 81, 84, 86, 89 f., 95, 100, 103, 105 f., 113 ff., 120 ff. Athena 41, 49, 54, 56 f. Athenaion politeia 115 ff. Athenaios 85 f., 91 Atlantis 20 Atreus-Schatzhaus 29 f. Attika 22, 24, 46, 79, 114, 118, 120 f. basileffls 39, 48, 81 f., 113 Bernstein 23 Bestattung, Grab 4 f., 7, 9, 11 f., 13, 16 f., 22, 28 ff., 44, 48 f., 104
Boiotien, Boioter 11 f., 26 f., 29, 44 ff., 52, 62, 89 Boyd Hawes, Harriet 16 Bronze 8, 18, 30, 33, 36, 47, 49, 83, 103 f. Chalandriani 9 f. Chalkolithikum 4 f. Chamexi 13 Chania 5, 14, 18, 26, 32, 34 f. Charaxos 75 Chronologie 6 ff., 9, 50, 66 Chrysolakkos 13 Dareios 75, 119 f. Delos 10 Deme 118 Demokedes 75 Demokrit 97, 100 f. Dendrochronologie 7 Dimini 5, 26, 34 Dipylonkanne 53 Diskos von Phaistos 33 f. Doppelaxt 19 Dorer 38, 46, 49, 80, 86, 101, 107 f. dorische Wanderung 26, 45 Drakon 94 f., 114 Dreiperiodensystem 3 Elfenbein 18, 25, 30, 34, 103 Empedokles 100 Epeiros 3, 51 Ephesos 67, 99, 101, 120 Erdgrubengrab 5, 22, 29 f. Ethnogenese 1 Eukleides 54 Eutresis 11 Evans, Arthur 16, 19, 31, 36 Franchthi-Höhle 3 f. Frühhelladikum 6, 8, 10 ff. Frühkykladikum 6, 8 ff. Frühminoikum 6, 8, 12 f. Galatas 14 Getreide 4 f., 33, 39 ff., 74, 114 f. Gipfelheiligtum 13, 18 Gla 27 f., 34 Gournia 12, 16 f., 32 Grabbeigabe 10, 12 f., 22, 28 ff., 49 Grotta-Pelos-Kultur 6, 9 f.
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Register Handel, Händler 23 ff., 40, 47, 69 f., 74 f., 78, 86, 113 Harmodios und Aristogeiton 117 Heiligtum 12, 15, 19, 44, 47, 50, 70, 83, 102, 114 Hellenenbegriff 51 Heloten 82, 87, 107, 109, 111 Hera 41, 49, 54 Herakliden 45 Heraklit 99 Hermes 41, 49, 55 f. Herodot 51 ff., 71 ff., 89, 91 f. Hesiod 62 ff., 75, 98 f. Hetäre 86, 91, 93 Hethiter 24, 26, 62 Hieroglyphen, kretische 31 f., 35 Hipparch 60, 117 Hippias 117, 120 Homer 38, 49, 51, 53 ff., 67, 77 f., 80, 83, 89, 98 f. Hopliten, Hoplitenphalanx 83 f., 88, 96, 105 Hülsenfrüchte 5, 40 Ilias 49, 53 ff., 57 ff. Indogermanen 1, 22 Iolkos 26 Ioner, ionisch 38, 46, 54, 57, 75, 81, 101 ionische Wanderung 45 Isagoras 117 f. Isopata, Königsgrab von 17 Kakovatos 24 Kamares-Höhle 13 Kamaresware 18 Kammergrab 9, 17, 28 ff., 44 Kannibalismus 19 Kap Gelidonya 24 Kap Iria 24 Kastri 9 f., 20 Keramik 4, 6 f., 12, 44, 48 – mattbemalte K. 23 – minoische K. 18 – minysche K. 22 f. – mykenische K. 30 Keros-Syros-Kultur 6, 9 f. Kindererziehung 79, 110 Kleinasien 20, 24, 26 f., 45, 52, 55, 57, 78, 97, 119, 122 Kleisthenes (von Athen) 66, 81, 117 ff. Kleisthenes (von Sikyon) 91 f., 96 Knossos 5, 7, 12, 14 ff., 19 f., 24 ff., 32, 34 ff., 39 ff. König, Königtum 19, 26 ff., 38, 47, 112 Koiné, mykenische 24 Kolaios 74 Kolonisation 45 ff., 66 ff., 76 f., 79, 81, 86 f., 107 f., 113 Kom el-Hetan 24
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Kopaisbecken 27, 44 Korai 103 f. Korridorhaus 11 f. Kos 24 Kouroi 103 f. Kreta 5 f., 8, 12 ff., 23 ff., 26, 31 ff., 49, 51, 87, 90, 103 Krieg 24, 30, 59, 70 f., 75 ff., 82 ff., 99 – lelantinischer Krieg 83 – messenische Kriege 87, 107 – Perserkrieg 65, 119 ff. – troianischer Krieg 54 ff., 61 f. krypteía 111 Kulturkontakte 20 f., 24 f., 104 Kunst 17 f., 30, 67, 96, 101 ff. Kykladen 5 f., 9 f., 20, 24, 44 ff., 103 Kykladenidol 10 Kylon, kylonischer Frevel 94, 113 f. Kyrene 69, 72 ff. Kyros II. 119 Kythera 20, 32 Labyrinth 1, 19, 41 Landwirtschaft 4, 8, 16, 27 f., 38 ff., 60, 78, 86 Larnax 13 Lefkandi 44, 48 f. Lerna 11 f. Linear A 20, 31 ff. Linear B 19, 25 f., 31, 34 ff., 44, 49, 51, 58, 86 Lithares 11 Lykurg 112 Mallia 12 f., 14, 32, 34 Marathon, Schlacht bei 120, 122 Mariandyner 71, 87 Massalia 69 Master Impression 18 Megaron 27, 44 Melos 4, 9 f., 32, 46 Menelaion 26 Menschenopfer 19, 41 Mesolithikum 3 f. Metallhandwerk 9, 18, 23, 25, 30, 32, 40, 46, 48 Midea 26, 30, 35 Mikrolithen 4 Milet 20, 32, 45, 67, 69, 79, 86, 96 ff., 101, 120 Minos 6, 19 Mittelhelladikum 22 f. Mochlos 13, 17 Münzgeld 78 Mykale, Schlacht bei 66, 122 Mykene 23 ff., 28 ff., 34 f., 41, 44, 54, 61 Myrtos 12 Mythos 6, 20, 23 f., 27, 41, 45, 54 ff., 63 f., 81, 97 f.
Register Neandertaler 3 Neolithikum 4 f. Neolithisierung 4 f. Nestorbecher 53 Nichoria 49 Nirou Khani 16 Nord- und Seevölker 26, 62 Obsidian 4, 10 Odyssee 56 ff., 89 Olive 8, 40 Olympia, olympische Spiele 50, 89, 101 orientalisierende Epoche 66 f., 104 Ostrakismos 118 f. Päderastie 93 Paläolithikum 3 Palästina 24 Palast – minoischer P. 13 ff. – mykenischer P. 25 ff., 38 ff. Palastzeit – minoische P. 6, 14 ff. – mykenische P. 24 f. Panhellenismus 50 f. Parmenides 100 Peisistratos 89, 116 Peloponnesischer Bund 108 Peneios 3 Penesten 86 f. Perioiken 107 ff. Perser 71, 75, 97 f., 119 ff. Petralona 3 Phaistos 5, 12 ff., 32 ff., 40 Philosophie 97 ff. Phokaia 67, 69, 71 Phratrie 81, 90 Phylakopi 10 Phylakopi-I-Kultur 6, 9 f. Phyle 80 ff., 108, 115, 118 Pindar 89 Pithekoussai 53, 67, 69 Pithos 12 ff., 17, 22 Plastik 17 f., 30, 103 ff. Plataiai, Schlacht bei 122 Plutarch 19, 79, 91, 107, 110 ff. Polis 78 ff. Polykrates 96 Poseidon 41, 49, 56 po-ti-ni-ja 41 protogeometrische Epoche 43, 47 ff., 104 Prytanen, Prytanie 79, 90, 95, 118 Pseira 5 Psychro-Höhle 13
Pylos 26, 34 ff., 56, 61 Pythagoras 98 Radiokohlenstoffdatierung 7 Relief 17, 28, 30, 104 Religion 18 f., 40 f., 49 f., 79, 93 Rhodos 24, 46, 53 Rodia 3 Salamis, Schlacht bei 66, 71, 122 Samothrake 32 Sappho 75, 93 ff. Schachtgräber 23, 28, 30 Schatzhäuser 28 f., 102 ff. Schliemann, Heinrich 23, 28, 61 Schmuck 4, 10, 12, 17 f., 22, 28, 30, 47 ff. Schrift – kyprische 33 – kyprominoische 33 Sidari 4 Siegel 12, 17 f., 31 ff., 41 Sitia 13 f., 32 Sklaverei 30, 39, 41, 59 f., 71, 75, 77, 85 ff., 114 Sklavokampos 16 Söldner 23, 75 ff., 110 Solon 95, 114 ff., 119 Sostratos 74 Sparta 56, 67, 79, 82 f., 85 ff., 90, 106 ff., 117, 120 ff. Stadtmosaik 16 stásis 94 Strabon 27, 88 Symposion 88, 90 f., 93, 105 Synoikismos 78 f. Syrakus 68 f., 71 f., 79 Syrien 10, 20, 24, 26 Syros 10 Syskenien 109 f. Syssitien 90, 109 Tell el-Amarna 7 Tell el-Daba 17 Tell Kabri 17 Tempel 20, 24, 75, 81, 99, 101 f. Tempelgrab 17 Textilien 12, 39 f. Thalassokratie 19 Thales 97 f. Theben 12, 24, 26, 29 f., 34 f., 67 Themistokles 122 Themistoklesdekret von Troizen 121 f. Theognis 88 f. Theogonie 63 Theopompos 85 ff. Thera, Santorin 17, 20 f., 32, 72 ff., 108
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Register Thermopylen, Schlacht an den 121 Theseus 78 f., 105 Thessalien 3, 5, 26, 44 ff., 86 f., 95, 121 Tholos 13, 28 f. Thomsen, Christian J. 3 Thorikos 24 Thukydides 19 f., 45 f., 68, 75, 77, 86, 107, 110, 114, 117 Tierhaltung 5, 40, 47, 74 Tiryns 12, 26, 34, 44, 61 Tod, Schatz von 20 Tonidole 30 Troia, troianischer Krieg 32, 46, 54 ff., 61 f. Tumulus 23, 49 Tyrann, Tyrannis 60, 66 ff., 89, 91, 95 ff., 113, 115 ff., 120 Tyrtaios 85, 107
Vasiliki 12 Vathypetro 16 Villa, minoische 16, 21 Vorderer Orient 4, 6, 14, 17, 20, 24, 36, 48, 66 f. Vorpalastzeit 6, 12 f. Voß, Johann Heinrich 55 f.
Uluburun 24
Zakros 14, 32 Zenon 100 Zerstörung der Paläste – minoisch 21 – mykenisch 25 f. Zeus 41, 49 f., 52, 59 f., 102
Vasenmalerei – attisch-rotfigurige 105 f. – attisch-schwarzfigurige 105 – korinthische 104 f.
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Wandmalerei 17, 20, 29 f., 41 Warren, Peter 19 Weihegaben 103 f. Wein 5, 33, 37, 40 f., 63, 75 f., 91, 110, 114 Werke und Tage 63 ff. Wettkampf 50, 59, 89 f. Xenophanes 89 f., 98 f. Xenophon 91, 107, 109 f.
Abbildungsverzeichnis Abb. 1 aus: Hölscher, Tonio: Klassische Archäologie. Grundwissen. Darmstadt 2002, S. 95. Abb. 2 aus: Pedley, John Griffith: Griechische Kunst und Archäologie. Köln 1999, S. 39. Abb. 3 aus: Pedley, John Griffith: Griechische Kunst und Archäologie. Köln 1999, S. 65. Abb. 4 aus: Pedley, John Griffith: Griechische Kunst und Archäologie. Köln 1999, S. 92. Abb. 5 aus: Chadwick, John – Godart, Louis – Killen, John T.: Corpus of Mycenaean Inscriptions from Knossos. 2. Band, Cambridge 1992, Nr. 1166. Abb. 6 nach: Schwyzer, Eduard: Griechische Grammatik. Erster Band, München 1939, S. 83. Abb. 7 aus: Dickinson, Oliver: The Aegean from Bronze Age to Iron Age: Continuity and Change between the Twelfth and Eighth centuries BC. London / New York 2006, S. 108. Abb. 8 nach: Hölscher, Tonio: Klassische Archäologie. Grundwissen. Darmstadt 2002, S. 148.
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