Heimat/Front: Geschlechtergeschichte(n) des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn 9783205794714, 3205794710

Die Katastrophe des Ersten Weltkriegs zeigt sich erst dann umfassend, wenn die engen Verschränkungen zwischen "Fron

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German Pages 279 [280] Year 2013

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Heimat/Front: Geschlechtergeschichte(n) des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn
 9783205794714, 3205794710

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Christa Hämmerle

Heimat/Front Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn

2014 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Gedruckt mit Unterstützung durch die Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliografie Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: (Hilfs-)Schwestern und männliches Pflegepersonal des Roten Kreuzes am Wiener Ostbahnhof, aufgenommen 1914 oder 1915. Das Foto ist Teil des Nachlasses von Maria Anna Kling (geb. Siess, 1887–1954) in der Sammlung Frauennachlässe am Institut für Geschichte der Universität Wien (NL 32 II). © 2014 by Böhlau Verlag Ges. m. b. H. & Co. KG Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Endlektorat und Satz: Jürgen Ehrmann Korrektorat: Brigitte Semanek Druck und Bindung: UAB BALTO Print, Vilnius Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier ISBN 978-3-205-79471-4

Für Jürgen und Niklas mit einem ganz besonderen Dank!

Inhaltsverzeichnis Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs in Österreich Ungarn Eine Einführung

9

Seelisch gebrochen, körperlich ein Wrack … Gewalterfahrungen von Kriegskrankenschwestern

27

Schau, daß Du fort kommst! Feldpostbriefe eines Ehepaares

55

Die „Frauenhilfsaktion im Kriege“ Weibliche (Selbst-)Mobilisierung und die Wiener Arbeitsstuben

85

Wäsche für Soldaten Die Militarisierung des weiblichen Handarbeitens

105

Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein … ‚Liebesgaben‘ für die Soldaten

139

Fritz Weber – ein österreichischer Remarque? Soldatische Erinnerungskulturen

161

Krank, feige, muthlos … ‚Eine Krise der Männlichkeit‘ nach dem Ersten Weltkrieg?

183

Anmerkungen 202



Der künftige Geschichtsschreiber des Weltkrieges wird der Tätigkeit der Frauen während desselben ein besonderes Blatt widmen müssen.1



Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn Eine Einführung

Gedenken und Re-Writing: 2014/18 als historiografische Chance Die Erforschung des Ersten Weltkriegs ist wieder in Bewegung geraten. Das kommende Erinnerungsjahr 2014 hat – hierzulande wie auf internationaler Ebene – zu einer Flut an einschlägigen Initiativen geführt: von neu gebildeten Experten-Netzwerken und häufig mehrbändigen wissenschaftlichen Publikationsvorhaben über diverse Ausstellungs- und Filmprojekte hin zu global ausgerichteten Internetplattformen, von Fachtagungen und Workshops über Summer Schools und Dissertationsstipendien hin zu verschiedensten Quelleneditionen ... Die Bandbreite der Aktivitäten, die derzeit in Hinblick auf den sich bald zum 100. Mal jährenden Ausbruch des Ersten Weltkriegs gesetzt werden, ist selbst für in diesem Feld ausgewiesene Historiker und Historikerinnen kaum mehr überschaubar, ebenso wenig wie die darin jeweils eingeschriebenen, oft sehr disparaten Ausrichtungen der Kriegsaufarbeitung. In diese mischen sich – das lässt sich bereits erkennen – nicht nur neue Einsichten und kritische Reflexion; der wissenschaftliche Anspruch paart sich mitunter mit Dilettantismus und knüpft noch immer an überkommene Deutungsmythen oder Ideologeme der offiziösen Kriegsdarstellungen an – nicht zuletzt in Österreich, wo die Weltkriegsforschung zu 1914/18, gemessen an internationalen Standards, lange rückständig, das heißt auch von Apologie und Traditionspflege beziehungsweise militärisch-politischen Instrumentalisierungen geprägt blieb.2 Gerade mit dem Blick auf die österreichische Forschungslandschaft ist daher jedenfalls positiv zu veranschlagen, dass der Erste Weltkrieg gegenwärtig von einer Randposition, die er im Vergleich zur dichten Erinnerungskultur des Zweiten Weltkriegs einnahm, wieder ins Zentrum des kollektiven Gedächtnisses an das „Katastrophenzeitalter“ des 20. Jahrhunderts rückt.3 Das kommende Jahrhundert-Gedenken bedeutet so gesehen eine Chance, indem es nicht nur eine Unmenge von historischen Projekten und Studien motiviert, sondern in Verbindung damit wohl auch eine anhaltende Neubewertung der Ereignisse von 1914 bis 1918 ermöglicht. Häufiger als zuvor werden diese schon jetzt in einen breiteren globalen wie gesellschaftlichen Kontext gestellt, insbesondere durch 9

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sozial-, wirtschafts-, kultur- und erfahrungsgeschichtliche Zugänge sowie die neuere Gewaltforschung, die das aktuelle Re-Writing der Geschichte des Ersten Weltkriegs leiten (sollten) und die Beschränktheit traditioneller militär- und kriegsgeschichtlicher Zugänge konterkarieren. Dies gilt etwa, um nur wenige Beispiele zu nennen, in Hinblick auf die Einschätzung der gesellschaftlichen Militarisierung vor 1914 und der daran anknüpfenden, mehr oder weniger das ganze ‚Volk‘ inkludierenden Kriegsmobilisierung, oder im Blick auf die realiter sehr verschiedenen Erfahrungen ‚gemeiner‘ Soldaten und die auch von der k. u. k. Armee verübten Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung, die heute als eine der Kontinuitätslinien (nicht nur) vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg gewertet werden.4 Frauen- und geschlechtergeschichtliche Perspektivierungen auf die Katastrophe des Ersten Weltkriegs sind in diesem historiographischen Re-Writing zwar mitunter vertreten, werden aber insbesondere in die österreichische Forschungslandschaft nur zögerlich integriert. Ein seit mehreren Jahrzehnten theoretisch und methodisch hoch entwickeltes Feld der neueren Geschichtswissenschaften stößt gerade in der hiesigen Militär- und Kriegsgeschichte noch immer oft auf Missachtung oder, im besseren Fall, auf Marginalisierung und eine nur oberflächlich umgesetzte Beifügung des Themas ‚Frau‘. Das mag zwar – endlich – der im Eingangszitat apodiktisch formulierten Hoffnung einer zeitgenössischen Repräsentantin der bürgerlichen Frauenbewegung der Jahre 1914/15 wenigstens vordergründig nachkommen, schöpft aber die Potenziale der Frauen- und Geschlechtergeschichte in keiner Weise aus. Ignoriert wird dabei, dass die Kriegsgesellschaften von 1914 bis 1918, und ebenso die komplexen Folgen des Ersten Weltkriegs, ganz generell ohne Berücksichtigung der analytischen Kategorie Geschlecht nicht ausreichend erfasst und verstanden werden können – was der internationale Forschungsstand mittlerweile eindeutig zeigt.5 Denn wie schon angedeutet, war der Erste Weltkrieg als weitgehend ‚totaler‘ Krieg auf die Mobilisierung der gesamten Gesellschaft ausgerichtet; das bedeutete unter anderem, dass auch der Geschlechterdiskurs als ‚Waffe‘ eingesetzt wurde, um ein solches Ziel durchzusetzen – ganz im Sinne der machterzeugenden und -stabilisierenden Funktion der Kategorie Geschlecht.6 Sie wurde damals, mehr oder weniger wirkmächtig, von vielen Akteuren und Akteurinnen der dichten Kriegspropagierung genutzt, um Männer und Frauen gleichermaßen zu mobilisieren – an den verschiedenen Frontlinien wie an der sogenannten ‚Heimatfront‘, die im zeit‑ genössischen Diskurs primär weiblich konnotiert war. Dem Idealbild der hier voll patriotischer Inbrunst agierenden Frau gegenüber 10

Eine Einführung

stand das vom republikanischen Konzept des ‚Bürgersoldaten‘ abgeleitete, im System der Allgemeinen Wehrpflicht verankerte Idealbild des soldatischen, das heißt auch heldisch kämpfenden Mannes, der sich für sein ‚Vaterland‘ respektive zur Verteidigung der Frauen und Kinder in der Heimat opferte und zu sterben bereit war.7 Dieses Bild wurde jedoch in der Kriegsrealität ebenso konterkariert und aufgehoben wie die dichotom gesetzte, ihrem angeblichen ‚Wesen‘ entsprechende Kriegs(unter-)stützung der Frauen an viele Grenzen und Widersprüchlichkeiten stieß; die stete Bewegung, Transgressionen und Irritationen der propagierten Geschlechterordnung sind im theoretischen Konzept der relationalen Kategorie Geschlecht ebenso inkludiert und, wie wir gleich sehen werden, in einer Kriegssituation umso augenscheinlicher. Um das darzulegen und zu erläutern, geht es im Folgenden – auch im Sinne einer einleitenden Hinführung zu den in diesem Band veröffentlichten Beiträgen dazu – um einige frauen- und geschlechtergeschichtliche Dimensionen des Ersten Weltkriegs. Dabei wird, ausgehend von seiner dramatischen Opferbilanz, insbesondere auf das ehemalige Österreich beziehungsweise die westliche Hälfte der Habsburgermonarchie fokussiert, was allein schon ein dichtes, in vielerlei Hinsicht noch unerforschtes Terrain darstellt, in dem sich auch die in diesem Buch vereinten Studien verorten mussten. Sie sind zu verschiedenen Zeitpunkten eines sich ab den 1990er-Jahren erst zögerlich entwickelnden Forschungsfeldes zur Geschichte von „Krieg, Militär und Geschlecht“8 entstanden und von daher an den jeweiligen historiografischen Kontext gebunden. Im Blick auf damit einhergehende Desiderate soll auch die Relevanz der analytischen Kategorie Geschlecht für die zukünftige österreichische Weltkriegshistoriografie deutlich gemacht werden, mit dem Anspruch, dafür mögliche Themen zu benennen. Denn gerade derzeit bietet sich die Chance, solche Forschungen verstärkt zu motivieren und an den internationalen Forschungsstand ebenso anzubinden wie an die globalgeschichtlichen Dimensionen des Ersten Weltkriegs.9

Zur Opferbilanz des Ersten Weltkriegs10 Dass der Erste Weltkrieg eine „Entfesselung bis dahin ungekannter Zerstörungsgewalt“11 evoziert hat, belegt schon die schier unvorstellbare Schreckensbilanz an getöteten und vermissten, verletzten, invalid oder krank gewordenen Menschen. Diese schrieb den „Großen Krieg“12 von 1914 bis 1918 in die Geschichte ein wie kein europäischer Krieg zuvor: Mehr als neun Millionen tote Solda11

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des

Ersten Weltkriegs

ten hinterließ er in allen beteiligten Staaten und zusätzlich weit mehr als 7 Millionen zivile Tote;13 davon verzeichnete allein Österreich-Ungarn zwischen 1,2 bis 1,46 Millionen militärische und wenigstens 400.000 zivile Todesopfer – wobei deren tatsächliche Zahl nie genau erhoben werden kann.14 Das gilt gleichermaßen für die wahrscheinlich 8 bis 9 Millionen in Kriegsgefangenschaft geratenen Soldaten, wovon wiederum allein geschätzte 2,77 Millionen aus der Habsburgermonarchie stammten. Diese Männer waren zu etwa drei Vierteln in russischen, aber auch in italienischen, serbischen, französischen und rumänischen Lagern stationiert und kehrten – so sie nicht zu den rund 453.000 in Kriegsgefangenschaft verstorbenen österreichisch-ungarischen Soldaten gehörten – vielfach erst 1921/22 zurück.15 Allein im „geschrumpften“ österreichischen Nachfolgestaat trafen sie auf über 100.000 staatlich zu unterstützende Kriegsinvalide sowie geschätzte 80.000 Kinder von Invaliden und etwa 350.000 Kriegswitwen und -waisen, die alle ebenfalls Opfer des langen Krieges waren16 – womit dessen zerstörerische Dimension, wie sie sich Ende des Jahres 1918 abzeichnete, nur annähernd umrissen ist. Es folgten politisch wie wirtschaftlich instabile Staatsgebilde der Zwischenkriegszeit, eine auch erzwungene „Neuordnung Europas“, die – etwa in Form von ethnischen Konflikten – in weiteren Kriegen resultierten und teilweise bis heute nachwirken; in dieser Perspektive wird der Erste Weltkrieg, einer Formulierung von George F. Kennan folgend, daher oft als „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet.

Die (Selbst-)Mobilisierung der Frauen an der ‚Heimatfront‘ Dabei war der Beginn des Krieges im Sommer 1914 zwar nicht unbedingt von einer in der Forschung lange überbewerteten „Kriegsbegeisterung“ der Bevölkerung charakterisiert, aber breit unterstützt wurde er zunächst dennoch – nicht zuletzt von vielen Frauen. Auch in Österreich-Ungarn wurden diese nun, ganz in Entsprechung zu einem Geschlechterkonzept der ‚getrennten Sphären‘, in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und Verwendungen zum gewichtigsten Teil der mittels einer dichten, geschlechtsspezifisch argumentierenden Kriegspropaganda intensiv vorangetriebenen ‚Heimatfront‘ – wie der nicht von ungefähr in dieser Zeit entstandene Begriff für die breite Mobilisierung der Gesamtbevölkerung zum Einsatz „hinter der Front“ lautete.17 In Österreich-Ungarn war dies einerseits bereits durch Maßnahmen wie das Kriegsleistungsgesetz von 1912 vorbereitet, das unter anderem alle nicht militärtauglichen Männer vom 18. bis zum 50. Lebensjahr zu verschiede12

Eine Einführung

nen Formen der „Dienstleistung im Kriegsfalle“ verpflichtete und die mögliche Unterstellung kriegswichtiger Betriebe unter militärische Verwaltung regelte.18 Andererseits wurde dieser umfassende Einsatz gleich ab Kriegsbeginn auch von vielen in- und außerhalb der bestehenden Frauenvereinigungen tätig werdenden Frauen (mit-)organisiert und gestützt. Insbesondere an der nun rasch etablierten ‚freiwilligen‘ Kriegsfürsorge beteiligten sich damals – mitunter geradezu enthusiastisch – große Teile der in den Jahrzehnten zuvor aufgebauten bürgerlichen wie proletarischen Frauenbewegung/en. Eine Ausnahme bildete diesbezüglich nur eine kleine Gruppe von Mitgliedern des radikaleren Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins, die von Anfang an gegen den Krieg opponierte und sich in der Folge auch an europäischen Frauenfriedenskongressen in neutralen Ländern beteiligte – was leider noch immer schlecht erforscht ist.19 Die absolute Mehrheit der anderen Frauenvereinigungen schloss sich, wie in einem Kapitel des hier vorgelegten Bandes genauer aufgezeigt wird, im Sommer 1914 zur nationalen „Frauenhilfsaktion im Kriege“ zusammen;20 ein erster, monarchieweit lancierter Aufruf „An Österreichs Frauen“, der zur aufopfernden weiblichen Unterstützung des kommenden Krieges mobilisierte, erschien sogar schon einen Tag vor der Kriegserklärung an Serbien, nämlich am 27. Juli 1914. Das gestellte Aufgabenfeld der auf Patriotismus eingeschworenen „Frauenhilfsaktion im Kriege“ war immens und überschritt die traditionellen, bereits im 19. Jahrhundert eingeübten Formen privater Frauenwohltätigkeit bei Weitem, selbst wenn natürlich an diese angeknüpft wurde. Es reichte von der sofortigen Einrichtung eines ‚Labedienstes‘ für durchziehende Truppen an den Bahnhöfen und der Verwundetenpflege über das in diesem Band genauer analysierte Herstellen, Verpacken und Versenden von diversen ‚Liebesgaben‘ für die Soldaten an den Fronten,21 die Errichtung von Näh- und Strickstuben oder anderen Arbeitsmöglichkeiten für die vielen kriegsbedingt arbeitslos gewordenen Frauen,22 verschiedenste Material- und Geldsammlungen, die Abhaltung von Kriegskochkursen und so weiter bis hin zur umfassenden Armen-, Wöchnerinnen-, Mütter-, Kinder- oder Säuglingsfürsorge, der Arbeit bei den zunehmend dringlicher werdenden öffentlichen Ausspeisungen und in winterlichen „Wärmestuben“.23 Daneben schien für Tausende und Abertausende von Frauen eine Tätigkeit als Kriegskrankenschwester besonders attraktiv – und zwar nicht nur im mehr oder weniger sicheren ‚Hinterland‘ oder der sogenannten ‚Etappe‘, sondern auch in den mobilen Feldspitälern, die oft in unmittelbarer Frontnähe stationiert waren. Auch hierher meldeten sich viele meist aus bürgerlichen und ade13

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des

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ligen Schichten stammende Frauen freiwillig, um ihrerseits dem ‚Vaterland‘ zu dienen beziehungsweise, wie manche es explizit formuliert haben, ebenfalls „im Felde“ zu stehen.24 Was sie dort, konfrontiert mit den katastrophalen Auswirkungen der industrialisierten Kriegsführung, die Jahre über erlebten, wird unter der primären Fragestellung nach aus solchen Kriegserfahrungen resultierenden Traumatisierungen dieser Frauen gleich im ersten thematischen Beitrag dieses Bandes untersucht.25 Es ist, wie sich in Zuge dieser Forschungsarbeit gezeigt hat, trotz durchaus vorhandener autobiografischer Quellen dazu und dem Vorliegen internationaler Studien zum ‚Kriegserlebnis‘ beziehungsweise den Deutungsmustern, Arbeitsbedingungen und Gewalterfahrungen von Krankenschwestern etwa an der Westfront, für Österreich-Ungarn bis heute nur völlig unzureichend dargelegt.26 Das mag auch damit zusammenhängen, dass die Kriegserinnerungen dieser Frauen in das kollektive Gedächtnis der Nachkriegsgesellschaft hier so gut wie keinen Eingang fanden; ihrer so großen Bedeutung und diskursiven Apostrophierung während des Krieges stand demnach ein öffentliches Vergessen nach 1918 entgegen27 ­– was für die anderen oben skizzierten Kriegsaktivitäten der Frauen ebenso gilt. Im offiziellen (Geschlechter-)Diskurs der Kriegszeit waren all diese Tätigkeitsfelder hingegen noch ‚vielbesungen‘, auch wenn manche Beobachter schon früh auf dieser Entwicklung angeblich innewohnende Gefahren für das ‚Wesen‘ oder die ‚Natur der Frau‘ hinwiesen oder den Frauen unlautere Motive unterstellten. Umso intensiver wurde insbesondere die breite „Frauenkriegshilfe“, sei es explizit oder implizit, in genuine Verbindung mit dem Konzept der ‚sozialen Mütterlichkeit‘ gebracht, das auch von der Ersten Frauenbewegung – ungeachtet aller Differenzen – übergreifend propagiert wurde. Dabei gab es sogar Stimmen, die meinten, dass erst der Krieg als „großer Lehrmeister“28 in den Frauen wieder jenen „unermeßlichen Schatz tiefer, echter, gesegneter Weiblichkeit […] ans Licht gebracht“ habe, der in ihnen „schlummerte“29; folglich würden sie den „Feind […] mit den weiblichen Edelwaffen der Liebe und der Barmherzigkeit, der Selbstaufopferung und des Fleißes [bekämpfen]“.30 Dem entsprach, ungeachtet solcher pathetischen Beschwörungen, eine in diesem Diskurs stets aufrechterhaltene dichotomische und hierarchische Geschlechterordnung. Sie stellte das so umfassende „Dienen“, „Helfen“ und „Aufopfern“ der Frauen im Krieg für die „Gesamtheit“31 – das von diesen selbst nicht zuletzt als Beleg für ihre erlangte staatsbürgerliche Reife gewertet wurde ­– immer unter den männlichen Beitrag der Soldaten als „wahre Helden“. Darauf hat auch die internationale Geschlechterforschung aufmerksam gemacht, die sich unter anderem für die 14

Eine Einführung

kontrovers diskutierte Frage der emanzipativen Folgen der vielfältigen Kriegsarbeit der Frauen und ihre Bedeutung für die Erlangung des Stimmrechts nach 1918 interessiert.32 Viele der erwähnten Aktivitäten der zeitgenössischen Frauenbewegung/en an der ‚Heimatfront‘ wurden in Kooperation mit der staatlicherseits ebenfalls schon Ende Juli 1914 eingerichteten offiziellen Kriegsfürsorge vorangetrieben, an deren oberster Stelle ein eigenes zentrales Kriegsfürsorgeamt mit mehreren Hundert Beschäftigten tätig war. Oder sie wurden angebunden an kommunale Einrichtungen und andere Institutionen, die sich damals der Unterstützung des Krieges in dieser Form verschrieben hatten. Dazu gehörten zum einen, wie in Wien, das Rathaus beziehungsweise Magistrate oder Gemeindestuben, wo die lokale „Frauenhilfsaktion“ wirken konnte, sowie – neben zahlreichen Vereinen – nicht zuletzt die Schulen. Auch diese zog man nun (häufig getrennt nach Buben und Mädchen) mittels eigener Erlässe für viele Aktionen im Rahmen der Kriegsfürsorge heran – von der Beteiligung am ‚Liebesgaben‘-System über Feld- und Waldarbeit bis hin zur Durchführung der unzähligen „patriotischen Sammlungen“ im Laufe des Krieges. Daneben warben Schülerinnen und Schüler, angeregt durch ihre immer häufiger weiblichen Lehrkräfte, massenhaft für die insgesamt acht Kriegsanleihen der Monarchie und die Beteiligung ihrer Eltern an der Aktion „Gold gab ich für Eisen“, wie eine andere für diesen ‚Volkskrieg‘ so charakteristische, auf Vorläufer in den antinapoleonischen Kriegen zurückgehende Maßnahme zur Beschaffung von ausreichenden Mitteln zur Kriegsführung hieß. Schon damals hatten sich daran auch viele Frauen beteiligt.33 Deutlich geworden ist in der Forschung auch das große Ausmaß, in dem Frauen die eingezogenen Männer ersetzten beziehungsweise zu ersetzen hatten – je länger der Krieg dauerte, umso mehr, was die propagierte Geschlechterordnung zunehmend konterkarierte. Das geschah in vielen Berufsfeldern, von der Landwirtschaft und der Industrie über die Büros und Geschäfte bis hin zur Post, der Bahn und den Wiener Straßenbahnen. Besonders die dortigen Schaffnerinnen avancierten rasch zur viel zitierten Kriegserscheinung und zeichneten als populäre Figur dafür mitverantwortlich, dass die Entwicklung der Frauenarbeit im Krieg immer wieder als sensationell gewertet und damit auch überschätzt wurde, gleichwohl sie in manchen Industriezweigen stark anstieg.34 In der langfristigen, auch die Vor- und Nachkriegszeit umfassenden Tendenz und der Zusammenschau aller Branchen gab es zwischen 1914 und 1918 jedoch weniger eine sensationelle Zunahme, sondern vielmehr eine auffallende Verschiebung der Frauenarbeit hin zu kriegswichtigen Bereichen, insbesondere zur stark expandier15

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ten Rüstungsindustrie, wo neben Jugendlichen auch besonders viele Frauen tätig waren. Deren von sinkenden Reallöhnen, extrem langen Arbeitszeiten (auch in der Nacht), schlechten sanitären Verhältnissen und einem hohen Risiko für Arbeitsunfälle geprägte Situation verschlechterte sich im Laufe des Krieges dramatisch, bis hin zu Verelendung und zur Einschränkung der persönlichen Mobilität durch eine Verschärfung des Kriegsleistungsgesetzes am 18. März 1917. Denn nun wurde eine entscheidende Erweiterung der Arbeitspflicht vorgenommen, indem man „für alle Beschäftigten der Kriegsindustrie ohne Unterschied des Alters und des Geschlechts“ die Freizügigkeit, das heißt das Recht auf einen Arbeitsplatzwechsel, aufhob; damit waren auch Frauen direkt unter dieses Gesetz gestellt. Erst seine weitere Reformierung auf der Basis eines im März 1918 vorgelegten Entwurfs, der überhaupt die allgemeine Arbeitspflicht von Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren vorsah und jene der nicht eingezogenen Männer von 16 bis 60 Jahren ausweiten wollte, ließ sich in einer Zeit des sich anbahnenden Zusammenbruchs der Kriegswirtschaft nicht mehr realisieren; der Moloch Krieg stieß auch so gesehen an Grenzen der Machbarkeit.35

Protest und Widerstand Die ‚Heimatfront‘ zerfiel jedoch schon sehr viel früher beziehungsweise war – ungeachtet der anhaltenden, so intensiv betriebenen medialen Kriegspropagierung, in die immer wieder auch Frauen einstimmten – von Anfang an gleichzeitig von sozialen Gegensätzen und Klassenkonflikten, Konkurrenz und Missgunst, Leid und Trauer, rasch einsetzender Desillusionierung, Protest und Friedenssehnsucht geprägt.36 Spätestens in der zweiten Kriegshälfte, als sich trotz des „Pyrrhussieges“ in der 12. Isonzoschlacht die militärischen Misserfolge an beiden Fronten der k. u. k. Monarchie häuften,37 begann diesbezüglich an der ‚Heimatfront‘ eine regelrechte Schlacht zu toben. Sie ging nicht nur um den steten Rohstoffbedarf der Kriegsindustrie, dem absolute Priorität eingeräumt war, sondern ebenso um Nahrungsmittel und Güter des täglichen Bedarfs. Daran herrschte, bedingt durch Faktoren wie die Blockade der Entente, den Rückgang der heimischen Produktion und der Binnenimporte sowie mehrere Missernten, ab 1916 ein dramatischer Mangel, der den Alltag von zunehmend mehr Menschen zum Kampf ums bloße Überleben machte. Schon ab April 1915 hatte eine Rationierung von Lebensmitteln und Bedarfsgütern eingesetzt, die ständig erweitert wurde und ein dichtes instituti16

Eine Einführung

onelles Netz von dafür zuständigen Stellen oder zentralen Wirtschaftsorganisationen schuf, denen ab Ende 1916 das ebenfalls neu gegründete k. u. k. Amt für Volksernährung vorstand.38 Abgestuft nach Kriterien wie Alter, Bedürftigkeit, Möglichkeit zur „Selbstversorgung“, Geschlechtszugehörigkeit oder Arbeitsbelastung, gab es bald nicht nur Brot-, Mehl-, Milch-, Zucker-, Fleisch- oder Kartoffelkarten und dergleichen mehr, sondern auch „Kleiderkarten“ und „Bedarfsscheine“ für Schuhe. Mit Ende 1916 wurde zusätzlich deren Rayonierung eingeführt, der zufolge man die Karten nur noch an bestimmten Stellen einlösen konnte; dennoch nahmen die Versorgungsschwierigkeiten wie auch die Qualitätsprobleme ständig zu. In der Folge wuchsen die Erfahrungen mit dem Mangel, sei es an Brennstoffen, Seife oder Kleidung, und vor allem der tägliche Hunger, ins Dramatische, insbesondere in den Städten und großen Industrieregionen der westlichen Reichshälfte der österreichischungarischen Monarchie. Parallel dazu häuften sich Krankheiten wie die Tuberkulose und diverse Mangelerscheinungen, was die Notwendigkeit von Fürsorgearbeit durch private wie öffentliche Initiativen erhöhte – auch wenn die Bereitschaft zur freiwilligen Mitarbeit daran längst nicht mehr so groß war wie in der ersten Kriegszeit und man daher weit stärker auf die staatlich institutionalisierte Fürsorgearbeit setzen musste. Paradoxerweise wurde der Krieg so gewissermaßen auch zum Motor sozialstaatlicher Tendenzen, was sich auf höchster Ebene Ende 1917 in der Bildung eines „k. k. Ministeriums für soziale Fürsorge“ manifestierte, mit einer eigenen „Kommission für Frauenarbeit“, in der wiederum Vertreterinnen der großen Frauenorganisationen mitwirkten. Sie sollten etwa das neu eingerichtete System von Inspektorinnen für arbeitende Frauen koordinieren und gleichzeitig schon den Abbau der weiblichen Arbeitskraft bei Kriegsende vorbereiten – galt doch die veränderte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, das hier angesprochene Vordringen der Frauen in bis dato ausschließlich oder vorwiegend ‚männliche‘ Berufszweige, schon im Krieg als vorläufiges Provisorium, das man nach Kriegsende rasch wieder aufheben wollte.39 Hunger und Mangel wurden außerdem zum Ausgangspunkt des breiteren Widerstands. Schon vor und dann insbesondere ab dem „Hungerwinter“ 1916/17, als sich die Situation dramatisch zuspitzte und der österreichische „Kriegsabsolutismus“ auch innenpolitisch zunehmend in die Kritik geriet, kam es gehäuft zu Massenprotesten gegen die staatliche Misswirtschaft beziehungsweise das durch stete Teuerung, Korruption und Wucher verschärfte Versorgungsdesaster. Der Protest dagegen erfolgte einerseits – schon 17

Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs

im Jahr 1915 – insbesondere in Form von vielen spontanen „Teuerungsdemonstrationen“ und „Hungerkrawallen“ auf Märkten und anderen öffentlichen Plätzen, die oft von Frauen, Jugendlichen und Kindern ausgingen und schon früh auch Friedensforderungen inkludierten. Andererseits häuften sich ab dem Sommer 1916 auch gezielte Protestaktionen der Arbeiterbewegung und Streiks der männlichen wie weiblichen Industriearbeiterschaft, bei denen es um verschiedene Forderungen ging, von der Verbesserung der tristen Lebens- und Arbeitsverhältnisse bis hin zu konkreten gewerkschaftlichen Anliegen. Die erste große Streikbewegung fand im Mai 1917 statt und zielte noch primär auf eine Neuregelung der Normalarbeitszeit sowie, in Fortsetzung früherer „Brotstreiks“, auf die Versorgung der Arbeiterschaft mit ausreichend Lebensmitteln, was jedoch – wie beim großen Januarstreik von 1918 – rasch durch die zunehmend lauter werdende Forderung nach Frieden unterstrichen oder erweitert wurde. Dabei nahmen die Gewerkschaften wie die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) allerdings eine eher kalmierende Position ein – was die rasche Radikalisierung der im Zuge des Januarstreiks von 1918 entstehenden österreichischen Rätebewegung, der sich später auch streikende Soldaten mit eigens gebildeten Soldatenräten anschlossen, jedoch nicht verhindern konnte. Das kriegsführende Österreich-Ungarn kollabierte so, unter Beteiligung vieler Aktivistinnen, auch politisch.40

(Nicht-)Männlichkeit/en an den Fronten und anderswo Und die davor mehr als vier Jahre lang an den Fronten eingesetzten Soldaten, denen allein im Geschlechterdiskurs der Kriegsgesellschaft ‚echte‘ oder ‚wahrhaftige‘ Männlichkeit zugeschrieben wurde? Oder jene jüngeren und älteren, vom Waffendienst freigestellten beziehungsweise nicht wehrtauglichen Männer in der ‚Etappe‘ und im ‚Hinterland‘, deren Status als Mann dort besonders anfällig, von daher eigens zu rechtfertigen war?41 Auch in Bezug auf alle diese Gruppen von Männern ist die Bedeutung der Kategorie Geschlecht, wie eingangs betont, hoch zu veranschlagen. Sie schuf einerseits Hierarchien und Differenzen unter Männern – sei es innerhalb der viel propagierten männlichen ‚Frontgemeinschaft‘, die realiter aus sehr verschiedenen (ohn-)mächtigen Soldaten aller Ethnien der Habsburgermonarchie bestand und zudem von einem strikten Klassengegensatz zwischen Offizieren und Mannschaften geprägt war,42 oder sei es in anderen Kontexten. Immer konkurrierten dabei auch situativ sowie sozial, kulturell, ethnisch, religiös et ctera mitfigurierte, das heißt unterschiedliche 18

Eine Einführung

(Selbst-)Entwürfe von (Nicht-)Männlichkeit, die – in einer großen Bandbreite – in Relation zum hegemonialen Leitbild des Soldaten gesetzt wurden und diesem nach- oder untergeordnet waren.43 Nicht kämpfende Männer galten demnach prinzipiell weniger als die kämpfenden (oder aber gefallenen und damit ebenfalls zu Helden erklärten) Soldaten, deren Ideal sich etwa im Mythos des nach alter Manier „Mann gegen Mann“ stehenden „Dolomitenkämpfers“ und des martialisch gezeichneten, dem industrialisierten Krieg gewachsenen „Isonzokriegers“ kristallisierte.44 Im Kontrast dazu taxierte man nicht-kombattante Männer gerne als (effeminierte) „Feiglinge“, „Drückeberger“, „Etappenhengste“ et cetera – alles Begriffe, die sich nicht nur im offiziellen Diskurs, sondern auch in der Sprache von Frontsoldaten finden. Dennoch waren solche Männer zahlreich vertreten, in den Fabriken und Verwaltungen wie als zur Arbeit herangezogene Kriegsgefangene und – dramatisch ansteigend – als körperlich verkrüppelte, das heißt invalide oder seelisch krank gewordene Opfer erfahrener Kriegsgewalt.45 Wie solche Situationen und Positionen von den massenhaft betroffenen Männern erfahren und gedeutet wurden, ist kaum erforscht, ebenso wenig wie die vielfach rasch einsetzende Desillusionierung der Mannschaftssoldaten an den Fronten.46 Auch die Selbst- und Fremddeutungen jener Männer, die hier – aus verschiedenen Gründen – in der soldatischen Hierarchie (eher) unten standen, sind kaum untersucht. Das gilt beispielsweise für auch in der Habsburgerarmee diskriminierte jüdische Soldaten47 oder für Homosexuelle, über deren Kriegseinsatz in Österreich-Ungarn wir so gut wie nichts wissen,48 sowie für die große Bandbreite „ungehorsamer“ Soldaten, deren Verhalten von der Militärpsychiatrie der Zeit bereits stark pathologisiert wurde. Das traf nicht nur die vielen „Kriegszitterer“, wie man die mit einer Kriegsneurose behafteten Soldaten nannte,49 sondern auch sogenannte „Überläufer“, „Selbstverstümmler“ und andere „unzuverlässige“ Soldaten bis hin zu den Deserteuren, die damals, so man ihrer habhaft werden konnte, mehr oder weniger streng bestraft und/oder erneut in die Kampflinie geschickt wurden.50 Evozierte ihre prekäre Situation in der den kombattanten Mann allein verherrlichenden Kriegsgesellschaft auch eine Krise in ihrem Selbstverständnis als Mann? Und wie gestalteten sich für solche Männer ihre späteren Lebensläufe, wie ihre gesellschaftliche und familiale Position? Solche Hinweise auf die in sich immer hierarchisch gegliederte, äußerst heterogene männliche Genus-Gruppe verdeutlichen, dass eine aus der hegemonialen Geschlechterordnung abgeleitete, polare Konzeptualisierung der Kriegsgesellschaft entlang der Dichotomie von ‚Front‘ und ‚Heimatfront‘ wenig Sinn macht – zu19

Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs

mindest dann nicht, wenn man dem erstgenannten Bereich nur das Schlachtengeschehen und in Verbindung damit die allein aus Männern bestehende Armee zuordnet, und dem zweitgenannten nur eine entweder nicht nach Geschlecht differenzierte Zivil‑ bevölkerung oder Frauen und Kinder. Obwohl deren Bedeutung, wie vorne gezeigt, an der ‚Heimatfront‘ sehr groß war, ja diese im Geschlechterdiskurs der Kriegszeit primär weiblich konnotiert war, und obwohl umgekehrt das Militär als eine ausschließlich von Männern besetzte Institution galt, in der gewissermaßen Männlichkeit regierte, waren beide Bereiche realiter eng ineinander verschränkt beziehungsweise von einem Neben-, Mit- oder Gegeneinander beider (oder mehrerer) Geschlechter geprägt. Ein geschlechtergeschichtlicher Ansatz vermag das in aller Deutlichkeit zu zeigen. Er sprengt somit den engen Blick der herkömmlichen Militär- und Kriegsgeschichte, die ‚Front‘ und ‚Heimat‘ lange als getrennte Sphären gewertet hat und damit die komplexen gesellschaftlichen Zusammenhänge totalisierter Kriegsführung aus dem Auge verlor. Die Verwobenheit und Untrennbarkeit, das stete Ineinandergreifen von ‚Front‘ und ‚Heimatfront‘ oder ‚Hinterland‘ kann, ergänzend zu den bisherigen Ausführungen, in weiteren Dimensionen sichtbar gemacht werden. Das soll wenigstens noch knapp angesprochen werden – zunächst in Erinnerung daran, dass sich im Umkreis der Kampflinien des Ersten Weltkriegs durchaus auch viele Frauen aufhielten. Neben den schon erwähnten, im vorliegenden Band in einem eigenen Kapitel behandelten Armeeschwestern und Rotkreuzhelferinnen oder manchen Ehefrauen, die ihren Männern nachreisten, und neben singulären Figuren wie der viel zitierten, für das Kriegspresseamt tätigen Reporterin Alice Schalek,51 waren das etwa auch Prostituierte, die in Frontnähe arbeiteten, und dort verbliebene Frauen der Zivilbevölkerung, die zum Teil nur vorübergehend flüchtete oder evakuiert wurde.52 Auch sie konnten zu Opfern direkter Kriegsgewalt werden – vor allem bei Bombardierungen aus der Luft, die insbesondere an der Südwestfront schon im Ersten Weltkrieg häufiger vorkamen, und bei raschen Truppenbewegungen. Der Mythos einer Kriegsführung zur Verteidigung der Heimat respektive zum Schutz der Frauen und Kinder desavouiert sich auch in Hinblick darauf und abgesehen von kriegsbedingtem Hungern, der Kälte, der Not, den Krankheiten bis hin zum Seuchentod, der unter anderem auch viele Kriegskrankenschwestern ereilte. Für einige Randgebiete der Habsburgermonarchie hat die einschlägige Forschung außerdem die – immer umstrittene – Existenz weiblicher Soldatinnen in ukrainischen und polnischen Einheiten 20

Eine Einführung

der k. u. k. Armee nachgewiesen, in seltenen Fällen auch in kombattanter Funktion. Sie kämpften dort vor allem aus nationalis‑ tischen Motiven.53 Zudem gab es monarchieweit geschätzte 33.000 bis 50.000 Frauen, die sich – wohl auch um den kata‑ strophal gewordenen Lebensverhältnissen im ‚Hinterland‘ zu entgehen – ab dem Frühjahr 1917 als „weibliche Hilfskräfte für die Armee im Felde“ anstellen ließen. Mit dieser Maßnahme der Integration von Frauen in den militärischen Verbund, die sich an ähnliche Entwicklungen in anderen Krieg führenden Staaten anlehnte, sollte primär dem Mangel an wehrfähigen Soldaten begegnet werden, die ihrerseits frei gemacht wurden für den unmittelbaren Einsatz an der Feuerlinie. Das war mit ein Grund für den schlechten Ruf, der den „weiblichen Hilfskräften“ anhing; sie wurden, wie die anderen genannten Frauengruppen, die sich im militärischen Feld aufhielten, gerne eines unmoralischen Lebenswandels bezichtigt, nicht zuletzt in sexueller Hinsicht – und waren dem Militär dennoch unersetzbar. Ihm direkt unterstellt, arbeiteten diese Frauen als Kanzleiarbeiterinnen und Telefonistinnen I. und II. Klasse oder als Köchinnen, Kellnerinnen, Wäscherinnen, Näherinnen, Wärterinnen, Schneiderinnen, Schusterinnen, Verkäuferinnen sowie als Technische Gehilfinnen und landwirtschaftliche Arbeiterinnen; auch Armeeschwestern, Krankenpflegerinnen und Hilfspflegerinnen waren später in diese Gruppe inkludiert.54 Alle diese genannten Frauengruppen erlebten den Krieg, das dürfte deutlich geworden sein, oft nahe hinter der Feuerlinie beziehungsweise gehörten als Frauen zu jenem Raum, der gemeinhin als ‚Etappe‘ bezeichnet wird, tatsächlich aber in vielerlei Hinsicht mit dem Frontraum verschwamm. Hier wurden sie vielfach unmittelbar zu Opfern des Krieges55 und überschritten zudem in unterschiedlicher Form die ihrem Geschlecht gesetzten Grenzen oder die hegemonialen Weiblichkeitsnormen, wodurch sie auch die diskursive Männlichkeit des militärischen Feldes unterminierten. Ihre dortige Präsenz evozierte daher – wie die Geschlechterforschung es formulieren würde – eine Reihe von ‚Gender Troubles‘, das heißt eine veritable und für viele irritierende ‚Geschlechterunordnung‘.56 Nicht zuletzt darum bemühte man sich schon während des Krieges, und umso mehr unmittelbar einsetzend mit seinem Ende, um eine Re-Etablierung der früheren Ordnung und geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung auch in Bezug auf diese Frauen. Darauf zielte als diskursives Instrument nicht zuletzt die Rede von einer kriegsbedingten „Krise der Männlichkeit“, mit der sich ein weiterer Beitrag dieses Bandes beschäftigt. Rekurrierend auf das erstmals von R. W. Connell entwickelte, in der historischen 21

Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs

Männlichkeitsforschung viel diskutierte Konzept der „hegemonialen Männlichkeit“57 wird darin unter anderem aufgezeigt, dass diese Rede in der Zwischenkriegszeit insbesondere von ‚entmachteten‘ ehemaligen Offizieren vorangetrieben wurde und eine auch geschlechterpolitisch konservative Stoßrichtung hatte, was manche geschlechtergeschichtlichen Studien zur Zwischenkriegszeit zu wenig beachtet haben.58 Dabei könnten auch einzelne Repräsentanten der hegemonialen Kriegserinnerungskultur noch weit umfassender und genauer in den Blick genommen werden als bisher vereinzelt geschehen. Sie sind, wie das Kapitel über den viel zitierten und sehr unterschiedlich, gar als „österreichischer Remarque“ bewerteten Offizier und Kriegsschriftsteller Fritz Weber im vorliegenden Band zeigen soll, auch in geschlechtergeschichtlicher Hinsicht äußerst interessant, da sie unter anderem Aufschluss über das Ineinandergreifen von in dieser Erinnerungsliteratur idealisierten soldatischen Männlichkeitsbildern und (prä-)faschistischen oder nationalsozialistischen Ideologien vermitteln – worüber wir insgesamt in Hinblick auf die österreichische Zwischenkriegszeit noch zu wenig wissen. Doch noch einmal zurück zum Krieg selbst. Dass sich in vielen neueren Forschungen dazu das Verständnis für ein analytisch nicht zu trennendes, stetes Aufeinander-bezogen-Sein von ‚Front‘ und ‚Heimat(-front)‘, von dem die hier versammelten Studien ebenfalls ausgehen, weitgehend durchgesetzt hat, zeigt auch die dichte Feldpostforschung. Sie hat die Verbindung zwischen diesen beiden geschlechtlich kodierten Sphären der Kriegsgesellschaft beziehungsweise ihre – gerade im Ersten Weltkrieg auch konfliktträchtige – Verflochtenheit besonders eindringlich belegt. Dabei wurde deutlich, wie essenziell das Schreiben von Briefen und Karten, der Versand von Paketen, der in dieser begrenzten Form doch mögliche Dialog zwischen Soldaten (oder fern von der Heimat eingesetzten Frauen) und ihren Angehörigen, Verwandten, Freunden und Freundinnen, für beide Seiten war – und zwar, wie auch die im Folgenden als Fallbeispiel analysierte Kriegskorrespondenz eines damals noch jungen, sich erst im Kriegsjahr 1917 verehelichenden Wiener Liebespaars veranschaulicht59 – sowohl in emotionaler Hinsicht als auch bezüglich ihrer materiellen Bedeutung. Gerade für die Soldaten boten die vielen Briefe, abgesehen davon, dass sie als „Liebesbeweise“ gewertet wurden, auch die Möglichkeit, inmitten aller Zerstörung, die sie erlebten, doch zumindest partiell ihre „zivile Identität“, etwa in Hinblick auf ihre Männlichkeit als Vater und Ehemann, zu behaupten.60 Für ihre Angehörigen daheim hatten sie außerdem in unzähligen Fällen eine sehr hohe Bedeutung als „Lebenszeichen“. 22

Eine Einführung

Wenn die Feldpost länger nicht funktionierte, sei es im Zuge der vielen Postsperren vor und während Offensiven oder weil die Zustellung mit der Masse an Sendungen nicht zurecht kam, untergrub das rasch die Kampfmoral der Soldaten sowie die Geduld und Kriegsloyalität ihrer Angehörigen. Dass wussten die Militärverwaltungen sehr genau, weshalb man versuchte, dem auch auf propagandistischer Ebene entgegenzusteuern. Die Anleitungen zur Abfassung von patriotisch stützenden Feldpostbriefen richteten sich dabei insbesondere an Frauen an der ‚Heimatfront‘, deren „Jammerbriefe“ – sei es über die katastrophal werdende Versorgung und den Wucher, eine allzu geringe oder überhaupt ausbleibende Kriegsunterstützung als Soldatenfrau,61 die hohe Arbeitsbelastung et cetera – sich im Verlauf des Krieges dennoch häuften. Soldaten klagten umgekehrt Missstände innerhalb der ‚Frontgemeinschaft‘ der Offiziere und der Mannschaften an, zweifelten an der Treue und Liebe ihrer Frauen, suchten im Briefkontakt ihre Rollen als ‚männlich‘ kämpfender Soldat wie als Oberhaupt der Familie zu wahren und abzusichern et cetera Die vielen Funktionen, die Feldpost im Dialog der Geschlechter damals hatte, sind für den Kontext Österreich-Ungarn noch nicht ausreichend erforscht, bis hin zur Frage, inwieweit sie trotz aller Kritik, die darin der Zensur ungeachtet geäußert wurde, nicht doch als letztlich kriegsstabilisierendes System gewertet werden muss. Dass all die milliardenfach ausgetauschten Briefe und Karten ‚Front‘ und ‚Heimat‘ so eng verbunden haben und prinzipiell ein Fortschreiben beziehungsweise auch stetes Neuschreiben von emotionalen (Liebes-)Beziehungen zwischen Menschen ermöglichten, die der Krieg grausam trennte, deutet darauf hin. Weitere Forschungen werden diese These vermutlich erhärten.62

Ein vorläufiger Ausblick Ob sich die zukünftige österreichische Weltkriegshistoriografie ganz generell in das weite Feld der Frauen- und Geschlechter‑ geschichte einbinden wird, oder vice versa, ob diese mit ihren Paradigmen, theoretischen Konzepten und Inhalten die neu entstehende Geschichtsschreibung zu 1914/18 tatsächlich auch neu zu perspektivieren vermag, ist noch offen. Dass derzeit Forschungsthemen zur so folgenreichen „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ geradezu zu explodieren scheinen, und dass selbst ein von mehreren Ministerien initiiertes „Grundlagenpapier österreichischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Anlass des Gedenkens des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren“ einen – 23

Geschlechtergeschichte/n

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Ersten Weltkriegs

wenn auch eigenen – Abschnitt zur Frauen- und Geschlechtergeschichte des Krieges enthält,63 könnte darauf hindeuten; am Ende stünde dann eine tatsächlich erneuerte Historiografie zum Ersten Weltkrieg. Dazu würde nicht zuletzt gehören, sich jenen vielen Lücken zuzuwenden, die auch die in diesem Band zusammengestellten Beiträge determiniert haben. Viele Fragen sind dabei unbeantwortet geblieben, viele Kapitel noch nicht geschrieben – von der Darlegung konkreter, teilweise geschlechtlich kodierter Gewalterfahrungen über die umfassende Analyse kriegsbedingter ‚Gender Troubles‘ oder der pazifistischen Positionierungen von Frauen bis hin zu komparatistischen Perspektiven, die andere Ethnien oder Länder der k. u. k. Monarchie ebenso einbeziehen wie andere europäische Kontexte. Die österreichische Frauen- und Geschlechtergeschichte des Ersten Weltkriegs sollte sich auch in diese verstärkt einbringen. Vor allem aber mangelt es ihr – um das zuletzt noch einmal zu betonen ­– an übergreifenden Synthesen und der Integration in das, was noch immer unter ‚Allgemeingeschichte‘ des Ersten Weltkriegs firmiert beziehungsweise Fragen der Kriegspolitik, Diplomatie, Wirtschaft, Rüstung und des Kriegsverlaufs, der Kultur, (Feindbild-)Propaganda, Kriegsgefangenschaft, ‚Heimkehr‘ und so weiter abhandelt. Die damals lebenden Frauen kommen dabei, gleichgültig, ob sie in verschiedenen Rollen die Kriegsführung unterstützten oder dagegen opponierten, meist ebenso wenig vor wie die so wirkmächtig eingesetzten, kriegsbezogenen Weiblichkeitsdiskurse; und auch die im Unterschied dazu vielbehandelten Soldaten haben in solchen Studien im Prinzip meist keine ‚Männlichkeit‘, werden nicht auch in Bezug auf ihren gesellschaftlichen Status und ihr Selbstverständnis als Mann analysiert – obwohl gerade das ihren Kriegseinsatz leitete und maßgeblich auch die hegemoniale Kriegserinnerungskultur nach 1918 figurierte. Vor diesem Hintergrund will dieser Band, so vorläufig er insgesamt im Blick auf eine synthetische Darstellung der Frauen- und Geschlechtergeschichte des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn noch sein mag, anhand ausgewählter Beiträge wenigstens deutlich machen, dass deren Erklärungspotenzial jedenfalls umfassend ist und auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge zielt. Die Beifügung eines „besonderen Blattes“ der Weltkriegs‑ historiografie zum Thema ‚Frauen‘, wie sie Henriette Herzfelder im Kriegsjahr 1915 erhofft hatte, mag zwar ein erster und wichtiger Schritt sein, kann aber keine ausreichende Erklärung der so hohen Bedeutung und Wirkmacht der Kategorie Geschlecht für die totalisierte Kriegsführung der Jahre 1914/18 leisten. 24

Wollte ich ein Kriegsbuch schreiben, wäre ich wohl reichlich spät daran, denn die Mode der Kriegsbücher ist längst vorüber. Aber ich erzähle mein Lebensschicksal und da dasselbe gleichsam mit dem Weltkrieg seinen Anfang nahm, komme ich um diese schreckliche Zeit nicht herum und blutrot möchte ich die Sätze niederschreiben. [...] Kameradinnen – ihr Schwestern im Kriegsdienst! Gemeinsam haben wir Freud, Leid und irdisches Gut geteilt; wir nahmen Anteil an jedem Schmerz; mitfühlend und ermunternd schritten wir den armen Soldaten zur Seite! Wer erfaßt die Qual innerer Kämpfe, die von den Schwestern durchgerungen werden mußten aus Elend und Jammer, durch Wunden und Leiden angesichts der sich steigenden Graumsamkeit und Gräßlichkeit der Kriegsfurie? Und für wen? Und der Dank?1

Seelisch gebrochen, körperlich ein Wrack … Gewalterfahrungen von Kriegskrankenschwestern

In den frühen 1960er-Jahren schrieb Marianne Jarka, eine ehemalige Operationsschwester des Roten Kreuzes, die fast den ganzen Ersten Weltkrieg hindurch im Einsatz gewesen war und später in die USA emigrierte, ihre Autobiografie.2 Dabei entstand ein Text, der über viele Seiten insbesondere Erinnerungen an die Zeit vom Januar 1916 bis zum Kriegsende behandelt, als seine Verfasserin in zwei mobilen Feldspitälern an der Südwestfront arbeitete. Dorthin hatte sie sich, nachdem sie zu Kriegsbeginn an den Sanatorien Löw und Hera ausgebildet worden war, vom Reservespital der Wiener Stiftkaserne freiwillig versetzen lassen, in der Hoffnung, an der neuen Front gegen Italien ihrem bei einer Gebirgsartillerie dienenden Freund näher zu sein.3 Marianne Jarka war daraufhin zunächst in Gorjansko im Karstgebiet und in Udine stationiert, das heißt im südlichen Abschnitt der heftig umkämpften Isonzofront, von wo sie Ende Oktober 1917 nach dem „Durchbruch“ bei Karfreit/Caporetto/Kobarid über Görz/Gorizia nach Vicentin/Vicenza und schließlich sogar noch an den Piave kam – alles Orte, an denen der Krieg durch zahlreiche, teils lange anhaltende und besonders verlustreiche Schlachten geführt wurde.4 Diese Krankenschwester erlebte daher die Konsequenzen der industrialisierten Kriegsführung für Soldaten mit all ihren Schrecken, was sie augenscheinlich nie vergessen und bewältigen konnte: „Heute bin ich 72 Jahre alt. Bis zu meinem letzten Atemzug werden mich die zerfetzten Leiber verfolgen“,5 schrieb sie an einer Stelle ihrer Autobiografie. Gegen Schluss des Manuskripts erzählt Marianne Jarka außerdem von der für sie ebenfalls schweren Zeit nach dem Kriegsende; sie konnte nicht mehr in ihrem Beruf unterkommen und verarmte rasch. Als alleinstehende Mutter zweier lediger Kinder, von denen das erste aus einer Beziehung zu einem ihrem Feldspital zugeteilten Medizinstudenten stammte, musste sie einen harten Existenzkampf führen, arbeitete als Dienst- und Kindermädchen und dann jahrelang als Näherin in einer Fabrik. Ihr ehemaliger Kriegseinsatz und ihre Erfahrungen als ausgebildete Krankenschwester zählten nun ebenso wenig wie die Kriegsauszeichnungen, die sie einst erhalten hatte und die in ihrer Autobiografie exakt aufgelistet sind – schließlich gab sie diese weg. Darüber, und über die damit verbundene gesellschaftliche Missachtung ihrer früheren Leistungen, schrieb sie lakonisch: „Die Kriegsauszeichnung gab ich der Milchfrau für einen Liter; sie gab sie ihren Buben zum Spielen.“6 27

Seelisch

gebrochen , körperlich ein

Wrack …

Erinnern und Vergessen: Zur Ambivalenz der Quellen Diese zwei Passagen aus einem bis heute unveröffentlicht gebliebenen lebensgeschichtlichen Text einer ehemaligen österreichischen Kriegskrankenschwester verweisen – gerade auch in ihrer Kürze – paradigmatisch auf eines jener Spannungsverhältnisse, denen im folgenden Kapitel nachgegangen wird. Es handelt von einer Gruppe von Frauen, deren Geschichte hierzulande noch weitgehend ungeschrieben ist, obwohl sie besonders große Bedeutung für die Frauen- und Geschlechtergeschichte des Ersten Weltkriegs hat. Das mag auch mit der Ambivalenz und der Komplexität des Themas zusammenhängen. Denn einerseits erlebten viele Kriegskrankenschwestern die Grausamkeit des Krieges in unmittelbarer Nähe zu den Zentren von Gewalt und Zerstörung und waren nahe den Frontlinien direkt mit dem Leid, den oft schrecklichen, nicht mehr heilbaren Verwundungen, dem Sterben von Tausenden und Abertausenden Soldaten konfrontiert. Dabei arbeiteten sie, wie wir sehen werden, vielfach unter schwierigsten und für sie selbst gefährlichen Bedingungen, die sie an Grenzen stoßen ließen, auch in Bezug auf die ihnen vertraute Identität als Frau. Andererseits wurde das Bild der Kriegskrankenschwester in der öffentlichen Kriegspropaganda stark idealisiert, indem man ihre aufopfernde und fürsorgende oder liebende ‚Weiblichkeit‘ unterstrich und sie als „Engel in Weiß“, „Schwester“ oder „Mutter des kranken Kriegers“7 apostrophierte beziehungsweise diese Frauen sogar in den Rang von „Kameraden“ und „Soldaten“ erhob – und damit gewissermaßen in die ‚Frontgemeinschaft‘ einschrieb.8 Das geschah im kriegspropagandistischen Diskurs wohl umso mehr, als es gleichzeitig gegenläufige Bilder der Kriegskrankenschwester gab, die diese sexualisierten oder auf andere Weise abwerteten, ihnen bloße Abenteuerlust und eigennützige Motive unterstellten, sodass die Figur auch in dieser Hinsicht ambivalent scheint. Wie auch immer: Wir haben trotz der großen Bedeutung, die Kriegskrankenschwestern im Ersten Weltkrieg hatten, davon auszugehen, dass ihre Leistungen und Erfahrungen nach 1918 in kaum einem der kriegsführenden Staaten öffentlich erinnert und wertgeschätzt wurden,9 von ganz wenigen Ausnahmen einzelner „Kriegsheldinnen“ an der Westfront abgesehen.10 Ein weitestgehendes Vergessen trifft für Österreich in besonderem Ausmaß zu; gerade hier hat das ‚Kriegserlebnis‘ der ehemaligen Offiziere, das heißt die von dieser Gruppe veröffentlichten Kriegsmemoiren, die offizielle oder hegemoniale Erinnerungskultur der Zwischenkriegszeit wirkmächtig beherrscht – umso mehr, als Offiziere die Kriegsgeschichte damals überhaupt monopolisiert und in Bezug 28

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auf ihre politisch-ideologischen, von Rechtfertigung getragenen Deutungen instrumentalisiert haben.11 Dementsprechend wurden nach Kriegsende in der Ersten österreichischen Republik nicht nur kaum Selbstzeugnisse von Mannschaftssoldaten publiziert, sondern ebenso wenig solche von Frauen, die – sei es als diplomierte oder rasch ausgebildete Krankenschwester – zwischen 1914 und 1918 in großer Zahl in den Krieg gezogen waren. Ihre Erfahrungen sind daher nur aus einem alles in allem heterogenen Sample verschiedener autobiografischer Texte zu filtrieren, die sehr unterschiedlichen ‚privaten‘ wie ‚(halb-)öffentlichen‘ Entstehungskontexten zuzuordnen sind. Es ist prinzipiell davon auszugehen, dass innerhalb der deutschsprachigen Länder nur sehr wenige von Kriegskrankenschwestern des Ersten Weltkriegs verfertigte Aufzeichnungen öffentlich zirkulierten12 – was wiederum für Österreich in besonderem Maße gilt. Marianne Jarkas Manuskript ist heute hier nur deshalb zugänglich, weil ihr Sohn es an ein Archiv sandte, das sich auf die Dokumentation von lebensgeschichtlichen Aufzeichnungen der Unter- und unteren Mittelschichten, der sogenannten „popularen Autobiografik“, spezialisiert hat.13 Andere, mehr oder weniger umfangreiche autobiografische Texte ehemaliger k. u. k. Kriegskrankenschwestern, die zum Teil auf während des Krieges gemachten Notizen basieren, wurden von diesen nach Kriegsende im Eigenverlag publiziert (und möglicherweise auch selbst bezahlt). Das ist besonders auffällig im diesem Kapitel zugrunde liegenden Sample und stellt den Großteil seiner Quellen dar. Es trifft unter anderem, neben den im Folgenden behandelten Texten von Agathe Fessler, R. M. Konrad und Mary Gasch,14 auch auf jenes bemerkenswerte Beispiel der Schweizerin Maria Pöll-Naepflin zu, die – gerade erst diplomiert und volljährig geworden – zusammen mit einer Gruppe von elf Frauen im Herbst 1914 nach Österreich-Ungarn reiste, um hier als „Auslandsschwester“ zu dienen – was sie dann, von kurzen Unterbrechungen abgesehen, den ganzen Krieg über tat.15 Das vorangestellte Eingangszitat stammt aus ihrem den schweizerischen „Kameradinnen“ gewidmeten Text, der diese ebenso verklärt wie er ihre Kriegserfahrungen auf sehr drastische Art und Weise einführt; ihr mehrfach aufgelegtes Buch ist besonders interessant. Zusätzlich zu solchen selbst edierten Quellen kommen nur ganz wenige andere, die von Verlagen gedruckt wurden. Sie erschienen entweder während des Ersten Weltkriegs und sind entsprechend tendenziös, indem sie den Kriegseinsatz der betreffenden Krankenschwestern mehr oder weniger durchgängig in patriotisch-propagandistische Darstellungsmuster einbinden, oder wurden schon 29

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im kriegstreiberischen Fahrwasser der 1930er-Jahre veröffentlicht, als (Austro-)Faschismus und Nationalsozialismus den Rückblick auf den Ersten Weltkrieg leiteten und sich erneut eine gesellschaftliche Re-Militarisierung durchgesetzt hatte.16 Aus naheliegenden Gründen haben solche Selbstzeugnisse daher auch offiziös-ideologische und apologetische Tendenzen, was für manche mehr, für andere weniger zutrifft.17 Dennoch enthalten sie gleichzeitig gegenläufige Geschichten beziehungsweise zahlreiche Belege dafür, dass die Arbeit der Kriegskrankenschwestern von großen körperlichen wie psychischen Problemen und Strapazen geprägt war und dass die extrem belastenden Erfahrungen im industrialisierten Krieg für sie oft kaum zu bewältigen, ja traumatisierend waren; als Folge dessen enthalten ihre Erinnerungstexte, wie wir sehen werden, neben drastischen Beschreibungen von Gewalt durchaus auch kriegskritische Passagen. Sie sind, wie Regina Schulte in einer ersten Bestandsaufnahme solcher Quellen festgehalten hat, alles in allem als „vielschichtiges und reichhaltiges Textcorpus“18 zu lesen und als solches höchst aufschlussreich. Selbst die stärker tendenziösen Beispiele können – gegen den Strich gelesen – durchaus im Verein mit jenen analysiert werden, die nicht für die Öffentlichkeit verfasst wurden und von daher in der Sicht auf die Kriegserfahrungen und -deutungen offener sind; wie im Falle von Marianne Jarka, die ihre Autobiografie für ihren Sohn schrieb, oder wie jene Aufzeichnungen, die nach dem Ende des Krieges selbst verlegt wurden. Die Tatsache, dass gerade das in Österreich mehrfach geschah und ehemalige Krankenschwestern hier offenbar kaum einen Verlag für die Veröffentlichung ihrer Kriegserinnerungen finden konnten, belegt meines Erachtens die schon angesprochene, in den zwei Zitaten von Marianne Jarka so stark zum Ausdruck kommende Ambivalenz zwischen einer möglicherweise lebenslang wirksam bleibenden Traumatisierung dieser Frauen einerseits und der öffentlichen, vielleicht auch familiären Indifferenz all dem gegenüber, was sie im Krieg erleben und erleiden mussten. Vor diesem Hintergrund werde ich vor allem auf die vielfältigen Gewalterfahrungen der Kriegskrankenschwestern im Ersten Weltkrieg eingehen, da diese – so lautet meine These – ein zentrales Leitmotiv ihrer Erinnerungen sind. Dabei ist sekundär, ob das darin nun explizit und ausführlich dargelegt wird oder implizit in die Erzählungen eingeschrieben ist. Kriegskrankenschwestern machten jedenfalls im Ersten Weltkrieg viele sie erschütternde Erfahrungen mit der industrialisierten Kriegsführung und der damit verbundenen Eskalation von Gewalt, die jenen der Soldaten durchaus ähnlich gewesen sein mochten – auch wenn das natürlich gleich30

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zeitig geschlechtsspezifische Dimensionen hatte. Ihre Geschichte ist daher auch im Kontext der vielen kriegsbedingten Irritationen oder Transgressionen der hegemonialen Geschlechterordnung zu verorten, die sich nicht zuletzt im realiter stets gegebenen Ineinandergreifen der zwei geschlechtlich kodierten Sphären ‚Front‘ und ‚Heimat‘ oder ‚Heimatfront‘ konstituierten.19 Gerade Krankenschwestern überschritten die Grenzen der ihrem Geschlecht eigentlich zugewiesenen oder zugeschriebenen (Handlungs-) Räume und Weiblichkeitsnormen in vielerlei Hinsicht. Ihre Aufzeichnungen changieren entsprechend im Spannungsverhältnis zwischen solchen Normen und Begrenzungen einerseits und ihren antagonistischen Kriegserfahrungen andererseits – was schon dadurch deutlich wird, dass viele von ihnen eben nicht im sicheren ‚Hinterland‘, sondern unmittelbar hinter den Kampflinien auch in Frontgebieten im Einsatz waren. Die internationale Forschung hat daher ihre schwierige Tätigkeit dort sehr konkret und treffend als „frontline nursing“ definiert.20

Kriegskrankenschwestern in der historischen Forschung Bevor all das am Beispiel Österreich-Ungarns näher dargelegt wird, soll diese internationale Forschung kurz skizziert werden. Sie hat gezeigt, dass die Krankenschwestern des Ersten Weltkriegs nicht nur aus den kriegsführenden Staaten selbst stammten oder dort rekrutiert wurden, sondern auch aus vielen neutralen Ländern anreisten, die zum Teil weitab von den großen Kriegsschauplätzen lagen; das trifft etwa für Australien und Neuseeland zu, oder für die USA und Kanada.21 Nur eine Minderheit war als diplomierte Krankenschwester voll ausgebildet, da die Professionalisierung der ‚weiblichen‘ Krankenpflege in allen diesen Ländern erst in den Jahrzehnten davor begonnen hatte.22 Dies führte dazu, dass die meisten Frauen, die sich – oft auf in der Presse lancierte Aufrufe hin – im Sommer 1914 freiwillig meldeten, um als Kriegskrankenschwester zu arbeiten, nicht ausgebildet waren und daher nur in Form von eilig organisierten Kursen auf eine solche Tätigkeit vorbereitet werden konnten; sie wurden so zu Hilfsschwestern, die dann zusammen mit den diplomierten Schwestern und dem anderen Sanitätspersonal zum Einsatz kamen. Die verfügbaren Zahlen belegen, dass auf diese Weise eine immense Zahl von Frauen rekrutiert wurde, obwohl es vor allem zu Kriegsbeginn seitens der Militärverwaltungen auch große Skepsis gegen sie gab und viele zunächst abgelehnt wurden. Ihre Bedeutung und Unersetzbarkeit war dennoch enorm, je länger der Krieg 32

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dauerte, natürlich umso mehr. Allein im Deutschen Reich soll es insgesamt 92.000 diplomierte Schwestern und Hilfsschwestern gegeben haben, das waren rund zwei Fünftel des ganzen Sanitätsapparats. Sie arbeiteten unter dem Dach geistlicher wie weltlicher Organisationen, deren Bandbreite vom Roten Kreuz über die Malteser und den Deutschen Ritterorden bis hin zu den Diakonissen reichte.23 In Frankreich kletterte die Zahl der in den drei Zweigen des Roten Kreuzes eingesetzten Frauen zur Zeit der stärksten Dichte auf 63.000 voll ausgebildete Krankenschwestern, die ab 1916 durch eine neue Kategorie ergänzt wurden; diese zielte insbesondere auf Frauen der Unterschichten, die eigens bezahlt wurden, und umfasste noch einmal rund 30.000 neue Schwestern.24 Und für Großbritannien, wo „military nursing“ in der zum Mythos gewordenen Arbeit von Florence Nightingale eine besonders wirkmächtige Tradition hatte25 und von daher schon früher als in anderen Staaten professionalisiert worden war, lassen sich zumindest ähnlich hohe Zahlen finden: Das 1909 gegründete „Voluntary Aid Detachment“ (VAD) allein konnte hier schon im August 1914 insgesamt 47.197 diplomierte Krankenschwestern zur Verfügung stellen, deren Zahl bis April 1920 auf 82.857 anstieg.26 Daneben gab es mehr als 23.500 ganz, teilweise oder gar nicht ausgebildete (Hilfs-)Schwestern des „Queen Alexandra’s Imperial Military Nursing Service“ und der „Territorial Force Nursing Services“27 – alles wiederum Zahlen, die unter anderem durch ungefähr 25.000 amerikanische,28 650 neuseeländische und 2.500 australische Schwestern29 zu ergänzen sind und in der Tat den globalen Charakter der ‚weiblichen‘ Kriegskrankenpflege im Ersten Weltkrieg belegen. Diese Hunderttausende von Frauen kamen nicht nur aus Ländern rund um die Welt, sondern waren auch an allen Kriegsschauplätzen in- und außerhalb von Europa im Einsatz – davon haben wir jedenfalls auszugehen. Es ist daher auch kaum verwunderlich, dass die Kriegskrankenschwestern, deren Zahl und Bedeutung sich dann im Zweiten Weltkrieg noch steigerte, zu einer „ikonischen Figur des 20. Jahrhunderts“ wurden, wie Christine E. Hallett argumentiert hat.30 Das auch vor dem Hintergrund, dass man Krankenpflege vom 19. Jahrhundert an als genuin ‚weibliche‘ Aufgabe definierte und durchsetzte, die in der bürgerlichen Geschlechterordnung in eins gesetzt wurde mit der Frauen zugeschriebenen ‚Geschlechtscharaktere‘31; das Idealbild der Krankenschwester leitete sich davon ab. Im Ersten Weltkrieg wurde sie in Verbindung damit zum Inbegriff oder höchstmöglichen Ausdruck von ‚weiblichem‘ Patriotismus diskursiviert, auch seitens vieler Akteurinnen der Ersten Frauenbewegung/en. Das hat die schon mehr oder weniger dichte, in man33

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chen Ländern bis in die erste Phase der neuen Frauengeschichte ab den 1970er-Jahren zurückgehende Geschichtsschreibung zu den Kriegskrankenschwestern jener Jahre ebenso dargelegt wie die Verankerung solcher vergeschlechtlichter Diskurse im Konzept der ‚sozialen Mütterlichkeit‘ – wodurch ihre idealisierte, vor allem mit liebender Fürsorge oder Aufopferung, Geduld, Empathie et cetera gleichgesetzte ‚Weiblichkeit‘ im Fokus stand.32 Diesen Forschungen zufolge meldeten sich als freiwillige Kriegskrankenschwestern vor allem adelige und gutbürgerliche Frauen der Ober- und Mittelschichten.33 Sie waren zu Kriegsbeginn oft geradezu enthusiastisch und davon überzeugt, ihr Zuhause beziehungsweise ihr bisheriges Tätigkeitsfeld aus dem einzig richtigen Motiv heraus zu verlassen, um ihrer Nation, ihrem vom Krieg heimgesuchten ‚Vaterland‘ zu dienen. In dieser Hinsicht galt die ‚weibliche‘ Kriegskrankenpflege als Äquivalent zum ‚männlichen‘ Soldatsein, was umso mehr dazu führte, dass sich Frauen in großem Ausmaß damit identifizierten. Die hegemonialen oder offiziösen Geschlechterdiskurse figurierten somit – wenigstens zum Teil – auch ihre Kriegsdeutungen, wie oben bereits erwähnt; auch das haben einzelne Studien bereits genauer dargelegt.34 Gleichzeitig ist das wiederum nur die eine Seite. Denn die meisten (schon zitierten) Studien zu Kriegskrankenschwestern im Ersten Weltkrieg haben auch gezeigt, dass die über sie zirkulierenden Bilder, wie ebenfalls schon angedeutet, auch ambivalent waren. Dabei wurde auf verschiedene Gegensätze oder Widersprüche zur so stark idealisierten Figur der ‚weiblichen‘ Schwester hingewiesen, vor allem in Bezug auf gleichzeitig auffindbare Abwertungen ihrer Motive und Tätigkeiten und die Sexualisierung dieser Frauen, die im Laufe des Krieges in den medialen Mainstream sickerte und sich nicht zuletzt in Texten und (von Soldaten gezeichneten) Karikaturen finden ließ.35 Das alles war nicht nur auf die vielen sich freiwillig meldenden Hilfsschwestern gemünzt und hat die Selbstwahrnehmungen, Erfahrungen und Erinnerungen der betroffenen Frauen sicher beeinflusst. Das Bild der „schlechten“ oder „falschen Krankenschwester“36 beziehungsweise die darin zum Ausdruck gebrachte Tendenz der Verunglimpfung von Frauen, die das ausschließlich männlich konnotierte ‚militärische Feld‘ betreten haben (aus welchen Gründen auch immer), haben Geschlechterhistoriker/innen jedenfalls seit Längerem beschäftigt, da die Belege dafür in der Zusammenschau verschiedener Quellen gewissermaßen ins Auge sprangen.37 Hingegen hat sich die Forschung erst in jüngster Zeit jener zweiten, die normativen Konzepte oder Idealbilder der Krankenschwester konterkarierenden Tendenz zugewandt, die hier im 34

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Zentrum steht – nämlich ihren konkreten Erfahrungen mit all dem Horror und der Vernichtungsgewalt des ‚modernen‘ Krieges, aus denen anhaltende Traumatisierung resultieren konnte. Gerade das aufzuzeigen, ist meines Erachtens ungemein wichtig für das Verständnis der so umfassenden, für viele Menchen lebenslang wirksam bleibenden Katastrophe des Ersten Weltkriegs. In Hinblick auf das in den Lazaretten oder Feldspitälern stationierte medizinische Personal in dieser Katastrophe haben Historiker/innen kürzlich den Begriff des „zweiten Schlachtfeldes“ (im Original „the second battlefield“) eingeführt; er stammt ursprünglich von einer US-amerikanischen Kriegskrankenschwester und Schriftstellerin namens Mary Borden, die ab 1915 im Einsatz war. Damit beschrieb diese Frau die aufreibende Arbeit von ihr und den anderen Schwestern in der „Forbidden Zone“ der Westfront, wo sie in ihrem Feldhospital einen unaufhörlichen Kampf gegen die „real enemies“ Tod und Schmerz führten – allzu oft vergeblich. Ihre literarisierten Skizzen über diese Zeit veröffentlichte Borden später unter dem Titel „Fragments of a great confusion“.38 Vor einem solchen Hintergrund hat Margaret Higonnet, die diesen und andere Texte ehemaliger Kriegskrankenschwestern der Westfront ediert und kommentiert hat, dafür plädiert, eine weitere, sich auch wechselseitig bedingende (das heißt zwischen den Soldaten und dem Sanitätspersonal changierende) „history of World War I traumas“ zu schreiben. Sie hat jenen „traumatic stress“ unterstrichen, den Krankenschwestern sowie Ärzte und – vereinzelt – Ärztinnen oder männliche Pfleger und Krankenträger durchstehen mussten, da sie oft „under conditions similar to those faced by combatants“ arbeiteten und kontinuierlich mit deren verstümmelten Körpern, den vielen Leichen konfrontiert waren. Daher schlägt Higonnet vor, eine gegebene Bandbreite verschiedener Texte, die von diesen nicht-kombattanten Kriegsteilnehmer/innen verfasst wurden – von Tagebüchern über Briefe und Memoiren bis hin zu fiktionalisierten Autobiografien oder Erlebnisskizzen –, zu analysieren. Sie nennt solche Texte „trauma narratives“, die von Metaphorik und einer fragmentierten, oft sogar surrealistischen Sprache des ‚Modernismus‘ geprägt seien – was sie mit den Aufzeichnungen traumatisierter beziehungsweise an einer ‚Kriegsneurose‘ erkrankten Soldaten vergleichbar mache.39 Ähnlich hat auch der Literaturwissenschaftler Santanu Das argumentiert, der in einer viel zitierten Studie über „Touch and Intimacy“ im Ersten Weltkrieg ebenfalls auf den engen Zusammenhang zwischen einer traumatischen Erkrankung und den literarischen Darstellungsmustern in den Aufzeichnungen von Kriegskrankenschwestern hinwies. In seiner stärker psychonaly35

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tisch ausgerichteten Untersuchung einer Auswahl solcher Texte konzentriert sich Santanu Das vor allem auf die spannungsgeladene Beziehung zwischen „traumatic witnessing and the limits of empathy“, die sich eben auch sprachlich manifestiere.40 Im Unterschied dazu betont eine weitere Untersuchung zur Frage der Traumatisierung im Ersten Weltkrieg, vorgelegt von der Medizinhistorikerin Christine E. Hallett, dass diese Frauen gerade in ihrer so stressvollen Arbeit Sinn und Zweck fanden, da diese – wirkungsvoll – darauf zielte, das Trauma der Soldaten zu begrenzen oder zu besänftigen (im Original „containing trauma“). Hallett stellt demnach, Bezug nehmend auf zahlreiche Zeugnisse von Schwestern aus Großbritannien, seinen Dominions und den USA, die „real and profoundly positive effects“ ihres Wirkens „on the health and well-being of patients“ in den Vordergrund41 und liest die Texte der Kriegskrankenschwestern in Hinblick auf Spuren eines damit verbundenen, überwiegend positiv besetzten Selbstbildes.42

Der Kontext Österreich-Ungarn Wie fügen sich nun die autobiografischen Aufzeichnungen von Krankenschwestern der österreichisch-ungarischen Armee in solche Befunde? Inwiefern nehmen sie Bezug auf durch den Krieg evozierte Gewalt und daraus resultierende Traumatisierung, und welche narrativen Muster oder Darstellungsmodi verwenden die Autorinnen in ihrer Kriegserzählung? Wie schon erwähnt, ist derzeit nur eine relativ geringe Zahl solcher Texte verfügbar, von denen die Mehrheit im Eigenverlag erschien oder gar nicht publiziert wurde. Das mag mit ein Grund sein, warum die Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg diese Quellen, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, bislang so weitgehend ignoriert hat. Ein anderer liegt vermutlich im Umstand, dass in diesem Feld in Österreich lange althergebrachte militär-, kriegs- und politikgeschichtliche Ansätze dominiert haben und die Entwicklungen oder neuen Fragestellungen und Paradigmen der internationalen Weltkriegshistoriografie missachtet wurden.43 Vor diesem Hintergrund haben auch jene Forschungsarbeiten, die sich mit dem Sanitätsapparat der österreichisch-ungarischen Armee und dessen im Laufe des Krieges mehrfach umorganisierten Struktur befasst haben, die Kriegskrankenschwestern nur kurz oder am Rande, das heißt mehr oder weniger beiläufig erwähnt und zitiert.44 Der Forschungsstand ist daher noch völlig unzureichend – umso mehr, als sich auch die österreichische Frauen- und Geschlechtergeschichte mit dieser großen Gruppe von Frauen bislang kaum befasst hat. 36

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Sie hat vor allem auf verschiedene Aspekte der Professionalisierung und ‚Feminisierung‘ der Krankenpflege seit dem 19. Jahrhundert fokussiert, nicht aber auf die Geschichte der Kriegskrankenschwestern, seien diese nun voll ausgebildet gewesen oder nicht.45 Es liegen daher nicht einmal halbwegs verlässliche Zahlenangaben oder Schätzungen zu ihrer Gesamtzahl vor, obwohl vermutet werden kann, dass es Zehntausende von Frauen waren, die sich zwischen 1914 und Ende 1918 auch in Österreich-Ungarn der Kriegskrankenpflege widmeten.46 Sie dienten hier nicht nur unter dem Roten Kreuz und seinen „Patriotischen Frauen-Hilfsvereinen“47, sondern auch beim „Souveränen Malteser-Ritter-Orden“ und dem „Deutschen Ritterorden“, welche zusammen die drei Hauptsäulen zur „Unterstützung“ des militärischen Sanitätsapparates waren und durch andere Vereinigungen der „freiwilligen Kriegskrankenpflege“, wie zum Beispiel die deutsche Diakonie, ergänzt wurden.48 Alle diese Institutionen beschäftigten sowohl diplomierte als auch rasch und behelfsmäßig ausgebildete (Hilfs-) Schwestern, wobei die Letztgenannten auch in der Habsburgermonarchie zu Kriegsbeginn jedenfalls in der absoluten Mehrheit waren, da die Professionalisierung der ‚weiblichen‘ Krankenpflege hier besonders spät begonnen hatte.49 Im Prinzip waren es erst die Balkankriege der Jahre 1912/13, die in Österreich-Ungarn frühere Bemühungen um eine umfassende Institutionalisierung der Schwesternausbildung beschleunigt haben. Das führte zu ihrer Reorganisation und resultierte in einem Gesetz vom 25. Juni 1914, welches die ‚weibliche‘ Krankenpflege erstmals staatlich regelte und für die Ausbildung zwei Jahre vorsah; dabei wurde – wenig verwunderlich – diese Arbeit als idealer, ihrem ‚Wesen‘ entsprechender Beruf für Frauen definiert, und zwar für Friedens- wie für Kriegszeiten.50 Dessen ungeachtet gab es zu Beginn des Ersten Weltkriegs noch einen dramatischen Mangel an ausgebildeten Krankenschwestern, was zur Rekrutierung einer großen Zahl von schweizerischen und reichsdeutschen Berufsschwestern führte. Diese waren, damit die Maßnahme Erfolg hatte, besser zu bezahlen, was manchen Hinweisen zufolge die Entlohnung für alle diplomierten Schwestern im Dienste der k. u. k. Armee anhob. Sie erhielten ein zwar noch immer karges, aber zumindest garantiertes Einkommen, was insbesondere auch Frauen der unteren Mittelschichten ansprechen sollte.51 Im Unterschied dazu wurden bei Weitem nicht alle sich gleich zu Kriegsbeginn freiwillig meldenden, aber nicht ausgebildeten Frauen aus gutbürgerlichen und adeligen Kreisen aufgenommen, denen gegenüber nicht nur die zuständigen Militärbehörden misstrauisch eingestellt waren.52 37

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Diese Situation änderte sich freilich rasch, sodass immer mehr Schwestern – seien sie diplomiert oder nur kurz angelernt, weltlich oder geistlich – engagiert werden mussten. Wie in den anderen kriegsführenden Staaten war anfänglich geplant, sie nur in Spitälern des ‚Hinterlands‘ beziehungsweise in sicheren Etappengebieten einzusetzen, was der hegemonialen Geschlechterordnung und deren Konzept der getrennten Sphären entsprochen hätte. Das konnte jedoch nicht realisiert werden; es dauerte nur kurze Zeit, bis die Kriegskrankenschwestern Österreich-Ungarns ebenso in mobilen Feldspitälern und chirurgischen Operationsstationen in Frontnähe arbeiteten, oder in Sanitätszügen, -zelten und -schiffen.53 Andere waren in Epidemiespitälern beschäftigt, die oft ebenfalls nahe der Ost-, Südost- und Südwestfront lagen – in Serbien und Palästina, Syrien, Galizien, Russland et cetera. Dabei mussten viele Schwestern ihren Einsatzort mehrfach wechseln und konnten aus den unterzeichneten Verträgen nicht leicht wieder aussteigen, da diese normalerweise auf drei Jahre oder sogar bis zu einem Ende des Krieges abgeschlossen waren.54 Und nicht alle überlebten, das dürfte bereits klar geworden sein. An den gerade erwähnten Einsatzorten konnten auch Kriegskrankenschwestern unter Beschuss geraten, wobei eine nicht zu bestimmende Zahl sogar getötet wurde. Andere starben durch Ansteckung an einer Seuche oder einer anderen kriegsbedingten Erkrankung.55 Alle diese Frauen gehören – ungezählt und demnach in den verfügbaren Verluststatistiken nicht eigens angeführt56 – zu den Opfern dieses Krieges, die sie umgekehrt zu pflegen und zu heilen suchten: Rund 4,15 Millionen registrierte Verwundungen, die im Ersten Weltkrieg in den k. u. k. Sanitätsanstalten „behandelt und geheilt“ wurden, sind amtlich vermerkt.57 Dabei wurden viele Soldaten im Laufe des Krieges zweimal oder sogar öfter verwundet; einer anderen Statistik zufolge sollen durchschnittlich 85 von 100 verletzten Soldaten wieder einsatzbereit gemacht worden sein58 – nicht zuletzt durch die Hilfe der Schwestern, deren schwere Tätigkeit daher von „competing ethical and patriotic responsibilities“ geprägt war.59

Zeugnis ablegen: Das Schreiben der Schwestern Doch zu Beginn waren auch in der Habsburgermonarchie viele Krankenschwestern von Enthusiasmus beziehungsweise dem patriotischen Wunsch motiviert, am allseits als nationales oder „vaterländisches“ Ereignis apostrophierten „Großen Krieg“ aktiv teilzuhaben. Sie waren überzeugt von der Notwendigkeit und Be38

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deutung ihres Einsatzes, und zwar umso mehr, wenn sie sich freiwillig meldeten, um in Frontgebieten zu arbeiten. Damit verband sich das Bedürfnis, die zu erwartenden Opfer und Anstrengungen, die sie auf sich zu nehmen bereit waren, zu dokumentieren – und zwar als Frauen, die wie die männlichen Soldaten „einberufen“ wurden oder „einrückten“, ihren „Marschbefehl“ erhielten und „ins Feld zogen“.60 Solche in den hier untersuchten Aufzeichnungen der Schwestern oft verwendeten Begriffe stellen diese in die Nähe zur Sprache der Soldaten, an die sie angelehnt sind. Auch das signalisiert eine Bindung an das Militär oder den Anspruch auf ein Einschreiben in eine ‚Frontgemeinschaft‘, in der die Verfasserinnen dieser Texte in der Tat gaben, was sie zu leisten und auszuhalten imstande waren – oder auch mehr. Folglich drängte es sie, ähnlich wie viele Soldaten, vom Krieg und ihrem spezifischen ‚Fronterlebnis‘ Zeugnis abzulegen. Die Motive der Schwestern, ihre Kriegserlebnisse festzuhalten, mögen zwar im Detail auch andere gewesen sein, sind aber generell ebenso Ausdruck oder Ergebnis von dem, was die Forschung als ein inneres Bedürfnis im Kontext der totalisierten Kriegsführung gewertet hat: Wie viele Soldaten, verspürten auch diese Kriegskrankenschwestern „the immense urge for self-expression“; sie versuchten, von ihren Erfahrungen im Krieg zu erzählen und seine Gewalteinwirkungen zu beschreiben, oder wenigstens etwas davon zu berichten – wie Stéphane Audoin-Rouzeau und Annette Becker es für französische Soldaten konstatiert haben.61 Das beinhaltet ebenso ein Scheitern daran, das heißt ein (bewusstes oder unbewusstes) Verschweigen oder Umschreiben solcher Erfahrungen. Wie in anderen Staaten, haben daher auch in Österreich-Ungarn Kriegskrankenschwestern, die sich freiwillig für ein „frontline nursing“ meldeten, schon im Aufbruch damit begonnen, ihre Erlebnisse festzuhalten – sei es in Form von Notizen oder sei es in Form eines eigens dem Kriegseinsatz gewidmeten Tagebuch. Eine dieser Frauen war die Rotkreuzschwester R. M. Konrad, die zunächst in verschiedenen Militärspitälern des ‚Hinterlands‘ tätig war. Gegen Ende 1915 entschied sie sich zum Einsatz in einem Frontgebiet, da ihr, wie sie schrieb, „auf die Dauer [...] das Arbeiten nach der Schablone nicht zu[sagte]“. Sie wollte zukünftig „direkten Anteil an der Verwundetenpflege im Felde nehmen! Nach der Schlacht Verwundete suchen, den ersten Notverband anlegen, Hilfsbedürftige unter ein schützendes Dach geleiten und tun, was man sich nach Gehörtem und Gelesenem erdenkt, um das Elend zu mildern.“62 Konrad war daher erfreut, als sie ihre „Marschroute“63 bekam und „an die Front“ abgehen konnte, „gar nach dem vielumstrittenen Görz“. Auf dem Weg dorthin verließ sie in Graz extra den Zug, um „Kerzen 39

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und nicht zuletzt Papier zu einem Tagebuch“ beziehungsweise „ein Einschreibbuch“ zu kaufen, „in welchem sich meine Patienten verewigen sollten durch kleine Kriegsepisoden, Verslein oder auch nur durch ihre Namenseinzeichnung“.64 In ihrem Selbstverständnis gehörten damit, wie bei anderen Schwestern auch, „frontline nursing“ und Schreiben zusammen. Wir können davon ausgehen, dass sie Tagebuch führten, wann immer sie sich danach fühlten oder Zeit dazu hatten; in den hier untersuchten Quellen wird eine solche Schreibpraxis jedenfalls regelmäßig erwähnt, ebenso wie die besonders weitverbreitete Praxis des Briefeschreibens.65 Diese Frauen zogen demnach in der Tat nicht nur in ihrer Schwesterntracht oder versehen mit Rotkreuzbinden, ihren Taschen, Wäsche, Büchern und so weiter in den Krieg, sondern sie waren auch mit Papier und Stift ‚bewaffnet‘, um darüber zu schreiben. Eine von ihnen, die bereits erwähnte Schweizerin Maria Pöll-Naepflin, hielt sogar fest, dass sie in diesen Jahren kontinuierlich fotografierte und ein „großes Kriegsalbum“ anlegte, das dann „hunderte von [...] Aufnahmen enthielt, weil sie „[f]ast jeden schönen Tag [...] Gruppenaufnahmen“ machte; dieses diente ihr später beim Abfassen ihrer Kriegsmemoiren als Erinnerungsstütze.66

Vom „Kriegsenthusiasmus“ zur „Feuertaufe“: Die Desillusionierung der Krankenschwestern Es versteht sich wohl von selbst, dass die oben zitierte Rotkreuzschwester Konrad in ihre Aufzeichnungen dann nicht nur „kleine Kriegsepisoden“ integrierte, die sich mehr oder weniger nahtlos in offiziöse Darlegungen oder kriegspropagandistische Ideologeme einpassen ließen. So wie ihr Beispiel, pendeln auch die anderen hier untersuchten Selbstzeugnisse in ihrer Narration zwischen zwei gegensätzlichen Polen. Sie sind einerseits – wie alle autobiografischen Texte – vom Bedürfnis nach Kohärenz geprägt, das die thematisierten Erfahrungen zu ordnen und in die hegemonialen (Nach-)Kriegsdiskurse einzuschreiben sucht; dies geschieht allein schon im Prozess des Schreibens und durch sprachliche Realisierungen, aber auch auf der Ebene der zugrunde gelegten Sinnstiftungsmuster. Andererseits brechen in diese Tendenz, bildlich gesprochen, immer wieder der weitgehend ‚total‘ geführte Erste Weltkrieg, und die erfahrene Gewalt, das Chaos, der Horror ein, und damit verbunden auch die schiere Unmöglichkeit, all dem Sinn abzugewinnen.67 Das wird schon deutlich, wenn wir die Beschreibungen des Aufbruchs, der feierlich inszenierten, oft auch fotografisch festgehaltenen Abreise in militärischer Ordnung und 40

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adretter, sauberer ‚Weiblichkeit‘ am Beginn mit jenen Stellen vergleichen, die von der rasch eintretenden Desillusionierung der Krankenschwestern nach der Ankunft an ihrem Bestimmungsort erzählen. Dabei bleibt zwar als Faktum, dass die Mehrheit dieser Frauen in der Tat geradezu davon beseelt war, „dem teueren Vaterland zu dienen“,68 wie es Agathe Fessler aus Bregenz formuliert hat, die im Oktober 1914 nach Sanok/Sonik an der Ostfront reiste, um dort ihren Dienst zu beginnen – doch das ist nur die eine Seite. Im Anschluss thematisierten die Schwestern in ihren Aufzeichnungen durchaus ähnliche Gefühle wie Mannschaftssoldaten, deren komplexe Prozesse der Desillusionierung die Forschung bereits eingehender untersucht hat.69 Dabei wurde deutlich, dass die anfängliche Kriegsbereitschaft oder sogar die viel zitierte „Kriegsbegeisterung“ sehr schnell mit der konkreten Erfahrung des industrialisierten Krieges an der Front kollidierte, und zwar mit nachhaltiger Wirkung. Ein solcher Gegensatz strukturiert daher viele soldatische Selbstzeugnisse oder führt zumindest zu einer zweigleisigen Erzählung, die einerseits den eigenen Einsatz und die Kriegsführung des eigenen ‚Vaterlands‘ idealisiert oder heroisiert und andererseits gleichzeitig auf zahlreiche Situationen Bezug nimmt, die eben von Desillusionierung, Chaos und Orientierungslosigkeit, Schrecken und Verzweiflung berichten. Genau das trifft zum Beispiel auf den autobiografischen Text einer österreichischen Kriegskrankenschwester zu, die – wie wir wissen als Ausnahme – sogar einen größeren Verlag finden konnte, der diesen im Jahr 1935, also schon zur Zeit des Austrofaschismus, veröffentlicht hat. Wenig überraschend, enthält Eveline Hroudas Kriegserzählung daher eine Reihe von apologetischen oder kriegsverherrlichenden Passagen, was sich etwa schon ganz am Anfang im Ausdruck des Bedauerns manifestiert, dass sie „nur ein Mädchen“ war, das „nicht mit ins Feld“ kann.70 Folglich meldete sie sich gleich zu Kriegsbeginn wenigstens für die freiwillige Krankenpflege – und zwar zunächst heimlich, da sie den Protest ihrer wohlhabenden Eltern fürchtete.71 Nach ihrer Ausbildung in Brünn/Brno, als „vom Kriegsschauplatz“ die ersten Verwundeten eintrafen und Hrouda ihren eigenen Worten zufolge erneut sehr unglücklich darüber war, „noch nicht an der Front!!!“ zu sein,72 tat sie alles, um möglichst rasch dorthin zu kommen; dabei zählte nicht, dass ihr Vater ihr erklärte, auch Feldlazarette könnten direkt vom Feind angegriffen werden.73 Ihr Wunsch erfüllte sich schon im Oktober 1914, als Hrouda endlich an die Ostfront abreisen konnte. Ganz in Übereinstimmung mit der hegemonialen Geschlechterordnung, der zufolge die 41

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Aufgaben der Männer und Frauen im Krieg strikt getrennt waren und innerhalb derer mit dem angeblichen „Schutz“ von „Herd und Heimat“ argumentierte wurde, schrieb sie darüber: Ich ging, einem unwiderstehlichen inneren Drange folgend, in höchster Begeisterung, mir der ganzen Schwere dieses Schrittes voll bewußt, mit dem heiligen Vorsatz, meine ganzen Kräfte dem Dienste der tapferen Krieger zu weihen, die Leben und Blut dahingeben, um für uns Herd und Heimat zu schützen. Dieses erschien mir als eine so große Pflicht, daß ich mir deren Unterlassung mein ganzes Leben nicht verziehen hätte, zumal ich vollkommen frei war und es deshalb gerne anderen, die nicht von daheim weg konnten, überließ, im Hinterland zu pflegen.74

Kurz nach ihrer Ankunft in Sanok/Sonik im damaligen Galizien hatten Eveline Hrouda und ihre Kameradinnen die erste Begegnung mit dem Tod, als sie eine an Cholera verstorbene Schwester sahen – „ein schwerer Schlag“, wie sie festhielt.75 Danach erlebte sie infolge des überstürzten Rückzugs der österreichisch-ungarischen Armee aus Przemýsl die erste gefährliche Situation, die auch unter der Zivilbevölkerung eine chaotische Fluchtbewegung auslöste. Am Bahnhof waren die Krankenschwestern nun mit toten Körpern von Soldaten konfrontiert und „prallten“ davor „entsetzt zurück“76 – wie so oft in den folgenden Jahren, die Hrouda ebenfalls genau beschrieben hat. Sie wechselte vom Dienst beim Roten Kreuz zum Malteserorden, reiste vom Kriegsschauplatz Galizien in den russischen Teil Polens und nach Troppau/Opava und von Bulgarien an die Isonzofront, wo die insgesamt zwölf lange währenden Materialschlachten wohl so blutig waren wie die industrialisierte Kriegsführung an der Westfront.77 Kehren wir in diesem Zusammenhang auch zur schon zitierten Schwester R. M. Konrad zurück. Wie erwähnt, reiste sie Anfang Dezember 1915 mit zehn anderen Kameradinnen nach Görz/Gorizia/Gorica. Dort mussten die Frauen rasch realisieren, dass die Feldspitäler, denen sie zugeteilt waren, leicht unter Beschuss geraten konnten. Schon in der Nacht hörte Konrad zum ersten Mal „argen Kanonendonner“ und begann um Mitternacht ihren Dienst: „Um vier Uhr morgens starb mir der erste Patient – Bauchschuß. Im Zimmer nebenan quält sich einer mit zertrümmerter Schädeldecke; nachdem er den Streifverband verschoben, wühlt er mit den Fingern im Gehirn! Grauen erfaßt einen!“78 Wenige Tage später wurde die Schwestergruppe nach Laibach/Ljubljana versetzt, wo ihr Spital unter heftiges Feuer geriet, was Konrad in einem Eintrag vom 16. Dezember 1915 folgendermaßen beschrieben hat: 43

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Fast möchte ich es für einen Traum halten und – es ist rauhe Wirklichkeit! [...] Am 13. vormittags fiel der erste Volltreffer in das Spital. Weitere folgten nach längeren und kürzeren Pausen. Erst wollte ich es gar nicht recht glauben, hörte wohl einen dumpfen Knall, darauf ein Hin- und Herhasten; eine Schwester, ganz verstört aussehend, kam auf mich zu und sagte, daß es in dem Operationssaal eingeschlagen habe, zwei Mann seien tot. Der Operationssaal war ein Schutthaufen. [...] Da, wieder ein Krach! – Meine Knie knickten ein, ein kalter Hauch umwehte mich. [...] Mir war es, als streifte mich der Flügelschlag des Todesengels.79

In ihrer Erinnerung bezog sich Konrad auf diese Episode dann explizit mit dem Begriff der „Feuertaufe“, die sie so erhalten habe.80 Sie verwendet damit erneut eine an die Kriegserfahrung der Soldaten beziehungsweise die Militärsprache angelehnte Ausdrucksweise, die bezeichnend ist für die Rhetorik dieser „Frontschwestern“ und sich demnach etwa auch bei der Schweizerin Maria Pöll-Naepflin findet.81 Wie wir schon wissen, ging sie zusammen mit elf anderen diplomierten Schwestern aus ihrem im Krieg neutral bleibenden Land im Sommer 1914 nach Österreich-Ungarn, wo diese Frauen als Armeeschwestern unter Vertrag genommen wurden. In ihrem selbst verlegten Buch schrieb Pöll-Naepflin unter anderem darüber, dass sogar sie und ihre Kameradinnen damals so etwas wie „Patriotismus“ empfunden hätten: Während ihrer Zugreise von der Grenzstadt Feldkirch im westlichen Vorarlberg durch ganz Österreich beobachteten sie die öffentlich inszenierte „begeisterte Begrüßung an jedem Ort“, die – wie sie schrieb – „unsern Mut [hob] und […] in uns sogar patriotische Gefühle für ‚unser‘ Oesterreich [erweckte]“.82 In Wien angekommen, bekamen die „Auslandsschwestern“ ein „Quartier im kaiserlichen Schloß“ Schönbrunn und wurden dort persönlich vom alten Kaiser Franz Joseph in Audienz empfangen;83 es fing demnach eigentlich gut an. Kurz darauf erlebten jedoch auch sie ihre „Feuertaufe“ – und zwar wenige Kilometer hinter der serbischen Front, wohin sie stationiert worden waren, als die November-Offensive der k. u. k. Armee begann. An diesem Ort setzte auch ihre Desillusionierung ein. Maria Pöll-Naepflin, die in ihren Aufzeichnungen damit fortfahren sollte, die österreichisch-ungarische Armee als „unsere“ zu bezeichnen und sich durch ein oft verwendetes „wir“ in deren ‚Frontgemeinschaft‘ einzuschreiben, hielt darüber fest, dass „[d]raußen […] unausgesetzt die Kanonen [heulten] und der Krach der explodierenden Geschlosse […] wie ein höllisches Gelächter [klang]. Doch ungeachtet dessen mußten wir an die Arbeit, es gab alle Hände voll zu tun.“84 Oder sie schrieb, noch drastischer: 44

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Draußen an der Save sahen wir zum erstenmal die Schanzen, an denen vor Tagen der Kampf getobt. In den Gräben lagen noch Gewehre und Patronen, Stücke von Schrapnells, Wäsche und Kleiderfetzen und Tierkadaver. Wir starrten in das braune Savewasser und hörten in der Ferne die Geschütze donnern und hallen – schauerlich! Von unserem Kriegsenthusiasmus waren wir Schweizerinnen schon gründlich kuriert: Verwüstung, verstümmelte Glieder und Blut – ach, es war ein Jammer, überall wo man hinsah! Auch in Sabac florierte unser trauriges Geschäft. Tag für Tag kamen Verwundete von den Höhen der Kolubra. In der Schlachtbank – so nannten wir den Operationssaal – war blutige Arbeit ohne Unterlaß.85

Horror, Zerstörung, Leid – und die Grenzen der Sprache Mit diesem Zitat sind bereits jene Dimensionen der Gewalterfahrung angesprochen, die in den Kriegsbildern und -erinnerungen der hier behandelten Krankenschwestern im Anschluss an ihre „Feuertaufe“ dann sehr häufig und sehr detailliert thematisiert werden. Maria Pöll-Naepflins weiteres Schreiben etwa handelt immer wieder von den vielen getöteten, verletzten und invaliden Soldaten, die sie sah und denen sie zu helfen suchte, oder von Epidemien, die ihrerseits Opfer kosteten, auch unter dem Sanitätspersonal. Daneben thematisiert sie häufig Konflikte zwischen den Schwestern und die kriegsbedingte ‚Geschlechterunordnung‘ sowie außereheliche sexuelle Beziehungen, die Verbreitung von Läusen und Syphilis, die von der k. u. k. Armee begangenen Kriegsverbrechen, militärische Willkür und so weiter. Alles in allem sind ihre Kriegsaufzeichnungen als permanenter Versuch zu lesen, mit all dem irgendwie umzugehen und dennoch innerlich zu überleben, das heißt nicht aufzugeben angesichts der sich so oft einstellenden Depressionen und der Verzweiflung, des Chaos, der Zerstörung und der menschlichen Tragödie, die dieser Krieg bedeutete: „Gebrochene Glieder – zerschossene Körper – es war ein Jammer wohin man schaute und der verdammte Krieg nahm noch immer kein Ende!“86, schrieb sie schon über die Zeit vom Frühjahr 1915. Doch obwohl sie auch danach „soviel Entsetzliches und Verbrecherisches“87 mitansehen musste, funktionierte diese Berufsschwester, von zwei Urlaubsreisen in die Schweiz, krankheitsbedingten Ausfällen und einer Inhaftierung wegen Spionageverdacht abgesehen, bis zum Ende des Krieges – wohl vor allem weil sie Morphium nahm. Maria Pöll-Naepflin beschreibt in ihrem Buch sehr offen und detailliert, wie es zu ihrer Morphiumsucht kam und dass sie, wie andere Schwestern und Ärzte im Ersten Weltkrieg, diese 45

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in vielen Kriegsspitälern verfügbare Droge immer wieder nahm, obwohl sie oft den Vorsatz fasste, damit aufzuhören.88 Ihr Befinden verschlechterte sich dennoch immer wieder massiv, sowohl physisch als auch psychisch, worüber sie beispielsweise festhielt: „Seelisch gebrochen, körperlich ein Wrack, so kam ich in den ersten Märztagen 1916 nach Wien zurück.“89 Marianne Jarka, deren Autobiografie ganz am Anfang vorgestellt wurde, beschreibt darin Ähnliches. Sie thematisiert die Schrecken des Krieges so offen wie Maria Pöll-Naepflin, sei es im Zusammenhang mit der Evakuierung und der Zerstörung ganzer Dörfer im Umkreis der Front oder in Bezug auf die vielen Luft- und Gasangriffe sowie das Plündern österreichisch-ungarischer Soldaten nach der zwölften Isonzoschlacht,90 oder sei es, indem sie die oftmalige Hilflosigkeit der Operationsteams und das Sterben der Soldaten nach den großen Schlachten erinnert hat; daneben sind auch bei ihr Erkrankungen, physische und psychische Erschöpfung oder Verzweiflung der Schwestern ein ständig wiederkehrendes Thema. Besonders eindringlich wird das in Jarkas Text dort, wo der brutale Rhythmus der industrialierten Kriegsführung mit ihrem zermürbenden Stellungskampf und den großen Angriffen, die den Frontverlauf dennoch nicht gravierend änderten, beschrieben wird. Jede Offensive, ob von österreichisch-ungarischer oder italienischer Seite, bedeutete Tausende und Abertausende verwundete Soldaten, Kriegsgefangene, tote und zerstückelte Körper und damit auch die Verschränkung der Kriegserfahrungen der Schwestern mit dem grausamen Rhythmus der Schlacht: Und dann kamen die Blessiertenwagen mit vier mageren Pferden bespannt. Je vier Verwundete in einem Wagen. Was kam da für eine traurige Last. Freund und angeblicher Feind nebeneinander von Schmerzen gepeinigt, nicht nur von den Geschossen durch Menschenhand verletzt, auch von den Steinsplittern. Und jung waren sie alle, so jung. Kirchenplätze, Höfe, der Meierhof im Nu überfüllt auf den Gängen und im Freien. Die Ärzte vor mir suchten die Fälle aus, die sofort auf den Tisch mußten. Ich ging mit der Morphiumspritze. Und dann wurde geflickt, amputiert. Schädel- und Bauchoperationen ohne Pause die Nacht durch, am Tag und nachts, bis alle versorgt oder im Steingeröll notdürftig verscharrt waren.91

Jarkas Beschreibung eines solchen Geschehens verweist nachdrücklich auf die weiter vorne erläuterte Bezeichnung der Feldspitäler und Operationsstationen als „zweites Schlachtfeld“, auf dem die Ärzte, Sanitäter und Schwestern zu kämpfen hatten – und allzu oft vom Tod besiegt wurden. In kürzester Zeit darüber 46

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entscheiden oder mitansehen zu müssen, wem zuerst geholfen werden sollte und wer zu den hoffnungslosen Fällen zählte, war vermutlich traumatisierend und evozierte mit Sicherheit auch Gefühle von Hilflosigkeit und Schuld, umso mehr angesichts der Absolutheit von körperlichem Schmerz. Dieser ist, wie Elaine Scarry argumentiert hat, nicht kommunizierbar und von „Unausdrückbarkeit“ bestimmt; er errichtet „eine unüberwindbare Mauer“ zwischen jenen, die an Schmerz leiden, und allen anderen.92 Scarrys Pionierstudie zufolge ist körperlicher Schmerz zudem „nicht nur resistent gegen Sprache“, sondern „er zerstört sie“ und versetzt die Betroffenen „in einen Zustand zurück, in dem Laute und Schreie vorherrschen“.93 Genau das beschreiben auch Kriegskrankenschwestern: „Es gab Schmerz und Weh und Schreie, die alles übertönten“, notierte beispielsweise Agathe Fessler.94 Eveline Hrouda, die einst so enthusiastisch an die Front gegangen war und in der Folge mehrere Auszeichnungen für ihren Dienst dort verliehen bekommen hatte,95 hielt in einem mit 21. August 1917 datierten Eintrag während der 11. Isonzoschlacht unter anderem folgende Schreckensszene fest: Große Transporte mit Schwerverwundeten waren über Nacht eingelangt. Im Laufe von 24 Stunden hatten wir 200 Schwerverwundete übernommen. Das ganze Spital, alle Offizierszimmer sind voll belegt gewesen, auf den Gängen lag Mann an Mann, Stöhnen und Wehklagen tönte uns von allen Seiten entgegen; ein namenloser Jammer!96

In ihrem Fokus auf einen solchen „namenlose[n] Jammer“ des körperlichen Schmerzes, der Verwundungen, des Leidens und des Sterbens der Soldaten konzentrieren sich solche Erzählungen insbesondere auf deren Viktimisierung. Damit in Verbindung dominiert eine medizinische Terminologie, die dem das gesamte Sanitätspersonal einenden professionellen Diskurs entspricht. Auch die Kriegskrankenschwestern erinnern demnach die zu Opfern des Krieges gewordenen Soldaten, die sie betreuten, selten individuell, das heißt mit Namen und Lebensgeschichten versehen – obwohl gerade das durch medial verbreitete Geschichten über die besondere Empathie der „Engel in Weiß“, die schwer verletzte Soldaten noch im Sterben liebevoll ermunterten und ‚begleiteten‘, transponiert wurde.97 Umso auffallender ist die Tendenz zur Abstraktion und Entindividualisierung in den hier untersuchten Texten, die wirkt, als würde schon auf der sprachlichen Ebene innere Distanz geschaffen zur Masse der „Schwer-“ oder „Leichtverwundeten“ und der „Kopfschüsse“, der „Amputierten“, der „Lungen-“ oder 47

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„Bauchschüsse“, „Typhusfälle“ und so weiter und so fort. Solche allein auf die Art oder das Ausmaß der Verwundung oder Erkrankung bezogenen Taxierungen herrschen sogar in Aufzeichnungen vor, die durchgehend das idealistische Leitmotiv des mütterlichen oder schwesterlichen „Engels in Weiß“ verwenden, wie bei Mary Gasch aus Bielitz/Bielsko in Österreich-Schlesien der Fall. Sie machte am Beginn des Krieges gemeinsam mit ihrer Schwester einen dreitägigen Kurs und einige Abendkurse beim Roten Kreuz und bekam 1915 ihre „Einberufung“ als Armeeschwester. Daraufhin war sie an mehreren Kriegsschauplätzen tätig und zog am Ende des Krieges unter den Maltesern sogar noch an die Westfront. In ihrem relativ kurzen Erlebnisbericht über diese Jahre schrieb Mary Gasch zum Beispiel: „Wir bekamen vor allem Leichtverwundete und Kranke, später auch viele Typhus- und Ruhrfälle, die in kleine Isolationszimmer gelegt wurden. Gleich im ersten Winter bekamen wir viele mit Erfrierungen dritten Grades. Ich hatte zwei Zimmer mit acht an Erfrierungen Leidenden zu versorgen.“98 Umgekehrt blieb gerade den in Frontnähe arbeitenden Krankenschwestern nicht verborgen, dass die ‚moderne‘ Kriegsführung auch Massen von nicht mehr taxier- und identifizierbaren Körpern hinterließ. Oder sogar noch weniger, wie wiederum Eveline Hrouda, bezogen auf die Monate August und September 1917 an der Isonzofront, in quälenden Worten beschrieben hat: In der Dämmerung unterschied ich zwei Fuhrwerke, welche auf der Wiese vor dem Spital etwas abluden, nähertretend kam mir zum Bewußtsein, daß der entsetzliche Geruch von dort herkam. „Was ist das?“ rief ich hinüber. „37 Leichen, die wir hier abladen“, war die Antwort. Doch das waren keine Leichen mehr; Arme und Beine lagen umher, Köpfe ohne Augen, Rümpfe ohne Köpfe und ohne Gliedmaßen, halb verweste, ganz schwarze Menschenreste sowie Körperstücke voller Würmer, die wochenlang in einer Doline gelegen hatten. Der Anblick war schauderhaft. Wir aber leben im Zeitalter der Humanität.99

Diese Stelle ist nicht zuletzt ein bezeichnendes Beispiel dafür, dass auch österreichisch-ungarische Kriegskrankenschwestern in ihren Erinnerungen dazu tendierten, eine elliptische und impressionistische, mitunter geradezu Stakkato-gleiche Sprache zu verwenden, um Kriegsbilder und -erfahrungen überhaupt kommunizieren zu können; sie verfuhren damit ähnlich, wie Higonnet und Das es für vergleichbare Texte von Frauen aus anderen kriegsführenden Ländern beschrieben haben.100 Außerdem zeigt das Zitat, dass solche Kriegserzählungen abrupt unterbrochen werden können, um eine 48

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kurze Passage der Anklage oder harschen Kritik zu integrieren – was die mit der industrialisierten Kriegsführung korrespondierende rhetorische Dramatik noch intensiviert. Das ist umso häufiger dort der Fall, wo sich solche narrativen Stränge überhaupt ineinander verschränken, wie bei Agathe Fessler in ihren selbst publizierten Aufzeichnungen. Schon über ihre erste Zeit am östlichen Kriegsschauplatz schrieb sie: Antreten! Fassen! Brot, Wurst, und – Schnaps. Vor einem Sturmangriff war es. Jedes bekam eine Feldflasche voll Schnaps (Fusel) und welche Marke! Steine hätte er verrückt machen können. Wie mich das entsetzte. Gift, pures Gift gibt das Vaterland seinen Söhnen! Betäubung, daß sie blindlings in den Kugelregen stürmen! Die folgende Nacht war so grauenhaft, daß die Hölle nichts schrecklicheres bieten kann. Wieviele arme Menschen mit Nervenchock [sic] waren am Morgen am Hilfsplatz!101

Erklären solche Darstellungen nicht auch, warum wir in den autobiografischen Texten ehemaliger Kriegskrankenschwestern – mehr oder weniger offen formuliert – ebenso pazifistische, gegen Krieg im Allgemeinen gerichtete Statements finden? Oder zumindest vage formulierte Anklagen gegen jene, die für den Ausbruch und die so lange Dauer des Ersten Weltkriegs verantwortlich gemacht werden? Das beinhaltet beispielsweise Maria Pöll-Naepflins Feststellung, dass sie – gleichwohl angeblich „[u]nkompetent“ in ihrem „Urteil über den Krieg“ –­ diesen „als Frau [verurteilt]“; daran anschließend kritisiert sie die „Nationen“, die zwar um Millionen von Toten trauern und deren Namen „in Erz und Stein [meißeln]“, sie aber gleichzeitig nicht ehren, denn: „[...] wenn sie die gefallenen Helden ehren würden – dürften keine neuen Waffen geschmiedet und Kanonen gegossen werden; dann müßte als ehrendes Gedächtnis ein dauernder Frieden unter den Völkern aufgerichtet werden“.102 Und es beinhaltet Eveline Hroudas schon zitierte, ins Sarkastische gewendete Festellung vom „Zeitalter der Humanität“103 sowie Marianne Jarkas in die Erinnerung an den Selbstmord eines schwer gesichtsverletzten Soldaten eingestreute Feststellung, dass ihr, „[n]ach all dem grauenvollen Leid, das ich in jenen Jahren sah, [...] niemand erzählen [kann], es gibt einen allwissenden, allgütigen allmächtigen, gerechten Gott“.104 Agathe Fessler hingegen blieb zwar einerseits ihrem christlichen Glauben treu und schrieb ihre Kriegsdarstellung immer wieder in hegemoniale Deutungsund Rechtfertigungsmuster ein. Andererseits und geradezu im Gegensatz zu ihren Durchhalteparolen und dem Topos vom „in vierjähriger Feuerprobe gestählte[n] Herz“105 erhob jedoch auch sie 49

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des Öfteren scharfe Anklage, wie zum Beispiel im Kontext ihrer wiederkehrenden Erinnerung an jene gefangen genommenen russischen Soldaten, die sie in Galizien sah und „denen man alles, alles wegnahm. Und dann ekelt mich die Menschheit an, die Krieg anzettelt.“106 Ganz am Ende ihrer Schrift „Aus der Mappe einer ehemaligen Armeeschwester“, in der letzten Passage zum Thema „Heimkehr“, findet sich auch bei Fessler breit formulierte Kritik sowohl am ‚modernen‘ Nationalismus und Kapitalismus als auch an dem, was die frühere Sozialarbeiterin als deren „rechte Hand“ wertete – dem Alkohol. Das alles machte sie hier verantwortlich für die Katastrophe des Krieges in Europa: Vorüber ziehen die vier Jahre im Dienste des Vaterlandes vor meinen Augen in mancher schlaflosen Nacht. War es möglich? Im zwanzigsten Jahrhundert? So viele Millionen Menschen zu zwingen, in Waffen zu stecken, wie verstandlose, unvernünftige Tiere aufeinander zu hetzen? Zum Morden zu zwingen? Und der treibende Pol des furchtbaren Weltkrieges? Die Börse war es; die blutdürstige Bestie Geldgier; der Handel mit den verschiedensten Währungen, der fabelhaften, mühelosen Gewinn bringt, begünstigt durch das europäische Sprachengewirr, durch das es eine Leichtigkeit ist, die Völker in Meinungsverschiedenheiten zu entzweien und hauptsächlich des Großkapitals rechte Hand, der Alkohol, der nicht nur enorm gewinnbringend, sondern, was die Hauptsache ist, die Menschen zu willenlosen Werkzeugen macht, um alsdann fähig zu sein zu allen Grausamkeiten und Schandtaten.107

Fazit Zusammenfassend sind noch einmal einige auffallende und starke Ambivalenzen zu unterstreichen: Die Frauen, deren autobiografische Texte hier untersucht wurden, hatten an der totalisierten oder ‚modernen‘ Kriegsführung von 1914/18 Anteil, indem sie die ihrem ‚Geschlecht‘ zugeschriebenen Weiblichkeitskonzepte nutzten (aber auch in vielerlei Hinsicht überschritten). Wie gezeigt wurde, sind sie in ihrem Kriegseinsatz wie in ihrem Schreiben beziehungsweise mit ihren darin vorgenommenen Anleihen an hegemoniale Muster der Kriegsdarstellung und -erinnerung in den komplexen Prozess der „Vergesellschaftung von Gewalt“ involviert gewesen.108 Gleichzeitig sind ihre Aufzeichnungen von mehreren Spannungsbögen bestimmt, die aus jenen Antagonismen resultieren, denen die Kriegskrankenschwestern ausgesetzt waren – gleichgültig, ob sie das wahrnahmen und schriftlich reflektierten oder nicht. 50

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Der erste dieser Spannungsbögen gründet auf den Weiblichkeitsnormen und der Asymmetrie der bürgerlichen Geschlechterordnung. Angesichts ihrer großen Wirkmacht hatten die in den Krieg ziehenden Schwestern mit dem immer stärker klaffenden Widerspruch zwischen einer von aufopfernder und liebender ‚Weiblichkeit‘ oder ‚Mütterlichkeit‘ geleiteten Idealfigur (und deren Kehrseite, das heißt dem Bild der angeblich unmoralischen, nur Abenteuer und sexuelle Ausschweifung suchenden Frau) einerseits und den konkreten Erfahrungen im Laufe ihres Kriegseinsatzes andererseits zurechtzukommen – was sie in besonderer Weise an die Schnittstelle immer auch fluider Männlichkeits- und Weiblichkeitsentwürfe setzte. Ein zweites Spannungsverhältnis ergab sich aus dem Patriotismus und dem von so vielen geteilten Glauben, dass Österreich-Ungarn in einen gerechten „Verteidigungskrieg“ involviert war, der ihm durch perfide, rücksichtslose ‚Feinde‘ aufgezwungen worden war. Das stand im Gegensatz zu den Begegnungen der Schwestern mit verwundeten und kriegsgefangenen Soldaten der gegnerischen Mächte, die sie ebenso zu pflegen hatten, was mitunter eine Art von Transnationalismus oder den Wunsch nach grenzüberschreitender Humanität förderte. Es mag zudem erklären, warum einzelne dieser Frauen ihrer Aussage zufolge ertappte „Selbstverstümmler“ unter den eigenen Soldaten nicht anzeigten, wie es ihre Pflicht gewesen wäre,109 und warum sie wiederholt Mitgefühl auch gegenüber den ‚Feinden’ formuliert haben. Das kommt insbesondere in jenen Texten vor, die unveröffentlicht geblieben sind oder sich, da im Eigendruck erschienen, nur an einen kleinen Kreis richteten – was den dritten hier zu konstatierenden Spannungsbogen bezeichnet. Solche Unterschiede herauszuarbeiten und damit verschiedene Erzählformen, Entstehungskontexte und Erinnerungskulturen, die diese Texte figurierten, in Relation zur Geschichte der Kriegskrankenschwestern vor und nach 1918 zu bringen, wäre eine wichtige Forschungsfrage, der hier nicht systematisch nachgegangen werden konnte. Stattdessen wollte ich vor allem aufzeigen, dass die Kriegskrankenpflege im Ersten Weltkrieg in der Tat zu einem Alptraum werden konnte. Die verschiedenen Dimensionen der Kriegsgewalt in diesen Jahren der gesamtgesellschaftlichen Katastrophe bemächtigten sich auch der Körper und der Gefühle, der physischen wie der psychischen Verfassung der Schwestern, wie ihre überlieferten Aufzeichnungen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, belegen. Manche dieser Frauen haben darüber offener geschrieben, manche verdeckter; gegen den Strich gelesen, lassen sich jedoch auch aus diesen Texten Spuren extremer Belastung filtrieren. Sie alle zeugen von einem Einsatz, der zumindest jene Krankenschwestern, die 51

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für sich die Option des „frontline nursing“ wählten, auch mit den schrecklichsten Folgen der industrialisierten Kriegsführung konfrontierte – vom Beschuss mit ‚moderner‘ Artillerie oder Fliegerangriffen über das kaum mehr quantifizierbare Sterben der Soldaten und die Zerstückelung ihrer Körper bis hin zu den verheerenden Folgen des Einsatzes von Giftgas, der vielen „Kriegsseuchen“ und so weiter. Dabei wurden die Schwestern oft selbst schwer krank, mussten ihrerseits viel Entbehrung, Kälte, Läuse, Schlafmangel und extreme Müdigkeit ertragen sowie – in unzähligen Fällen – das Gefühl von Hilflosigkeit. Dies alles wirkte mit Sicherheit traumatisierend und beeinflusste stark auch ihr Leben nach dem Krieg, wohl umso mehr, wenn sie ihren Beruf nicht mehr ausübten. Das war bei Marianne Jarka der Fall, mit der dieses Kapitel begonnen hat, und ebenso bei Agathe Fessler, der es nach 1918 nicht mehr gelingen sollte, in ihrer Heimatstadt Bregenz an das frühere Wirken als anerkannte Pionierin der Sozialarbeit anzuknüpfen. Daraufhin reiste sie auf der Suche nach Arbeit mehrmals in die USA und emigrierte schließlich definitiv nach Brasilien.110 Marie Pöll-Naepflin wiederum schaffte es noch über Jahre hindurch nicht, von ihrer Morphiumsucht loszukommen und führte ein entsprechend leidvolles, unstetes, vom Krieg nachhaltig zerrüttetes Leben.111 Es muss also gefolgert werden, dass die schriftlichen Aufzeichnungen dieser Frauen uns weit mehr von ihrer kriegsbedingten Traumatisierung erzählen als von der ‚Einhegung‘ solcher erschütternder Erfahrungen (der Soldaten). Sie entsprechen damit mehr den von Higonnet beschriebenen „trauma narratives“ als jenem Konzept des „containing trauma“, das Hallett in die Forschung eingeführt hat, um die so schwere Arbeit der Kriegskrankenschwestern zu würdigen – was sie natürlich allemal war. In ihre hier untersuchten autobiografischen Texte sind jedoch weniger eine heilende Tendenz des „held[ing] people together“112 eingeschrieben, sondern vielmehr eine auch sprachlich manifeste Selbst-Fragmentisierung oder – in anderen Worten – kriegsbedingte biografische ‚Verwerfungen‘, die auch im Rückblick kaum mehr zusammenzufügen waren. Auch so gesehen teilte diese Gruppe von Frauen manche ihrer Kriegserfahrungen mit jenen der Soldaten, die ihrerseits, wenn überhaupt, am Ende vielfach traumatisiert zurückkehrten. Das gilt ebenso in Hinblick auf ihr spezifisches ‚Heimkehr-Erlebnis‘ und die Frage der (Des-)Integration in die Nachkriegsgesellschaft, die durch weitere Forschungen genauer untersucht werden müsste: Was geschah im neuen Österreich und den Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie mit den vielen Tausenden von Frauen, die 1914/18 als (Hilfs-)Schwes52

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tern im Kriegseinsatz gewesen waren? Wurden sie alle einfach demobilisiert, unter welchen Voraussetzungen konnten sie als Berufsschwestern weiterhin Fuß fassen? Und wie mussten sie sich in einer Gesellschaft, die im Prinzip keinerlei Interesse an ihren Kriegserfahrungen und -leistungen sowie den dafür sogar erhaltenen Auszeichnungen mehr hatte und ihnen kein Denkmal, keine öffentliche Anerkennung zubilligte, als Frau positionieren? Wie wirkte sich in diesem Kontext ihre Kriegstraumatisierung aus? Damit sei ganz zuletzt noch einmal auf jenes die Geschichte der österreichisch-ungarischen Kriegskrankenschwestern mitfigurierende Spannungsverhältnis verwiesen, welches sich aus den spezifischen Erinnerungskulturen der Verliererstaaten ableitet. Wie wir gesehen haben, ist der Kontrast zwischen der öffentlichen Anerkennung, ja Heroisierung dieser Frauen zur Zeit des Krieges selbst,113 als sie unbedingt benötigt wurden, und einem so weitgehenden Vergessen ihres Kriegseinsatzes danach, hier besonders stark ausgeprägt. So sehr, dass man sich fragen könnte, ob das nicht auch mit den kritischen Beschreibungen und Aussagen der Kriegskrankenschwestern zum Thema Gewalt und Gewalterfahrung zusammenhing oder mit ihrer aus der eigenen Erfahrung ‚gespeisten‘ Ablehnung jeglichen Krieges, der zudem – auch dafür stand ja das Beispiel der Kriegskrankenschwester – in den Jahren 1914/18 zu einer veritablen ‚Geschlechterunordnung‘ geführt hatte. Das alles scheint, so muss abschließend konstatiert werden, nicht in die hegemonialen Deutungsmuster und Ordnungsvorstellungen der Nachkriegsgesellschaft gepasst zu haben, die in den „Erinnerungskriegen“ der politischen und kulturellen Eliten durchgesetzt wurden114 – mit einem allzu hohen Preis für die betroffenen Frauen.

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Sourbrodt, 18. 8. 14. Nach herrlichem Aufenthalt in [unleserlich] sind wir heut nacht abgedampft, und bewundern die hohe Eifel. Was? Feiner Krieg das! Herzlichste Grüße Dein Olli.1

Schau, daß du fort kommst! Feldpostbriefe eines Ehepaares

Akzente und Defizite der Forschung Zwei Tendenzen bestimmen die noch relativ junge, erfahrungsgeschichtlich orientierte Erforschung der Feldpost im deutschsprachigen Raum.2 Einerseits sucht sie „das andere Gesicht des Krieges“3 meist kaleidoskopisch, das heißt in möglichst vielen biografischen Schattierungen zu konturieren, und beschränkte sich dabei andererseits doch vor allem auf Soldatenbriefe4. Die Einsicht, dass durch Feldpost evozierte Fragen „tief in das durch den Krieg gestörte Mann-Frau-Verhältnis hineinreichen“,5 wurde kaum heuristisch eingelöst, von wenigen Ausnahmen abgesehen.6 Auch das Feld der in vielerlei Hinsicht neuen, subjektorientierten Kriegsgeschichte der Jahre 1914/18 wird somit von der Diskussion um die Vielfalt oder Homogenität männlicher Kriegserlebnisse und Kriegsdeutungen beherrscht. Allein aus dieser Perspektive wurden bislang die Einflüsse der Zensur oder der massiven öffentlichen Instrumentalisierung der Feldpost erkundet.7 So erscheinen die Frauen daheim, gleichwohl sie meist häufiger schrieben,8 als „stumme“ Leserinnen männlicher Erfahrungen,9 die im besten Falle mit ihren Briefen nur „verstärken[d]“ auf „schon vorhandene Mißstimmungen“ an den Fronten wirkten.10 Frauen bleiben auf ihren Objektcharakter in soldatischen Briefen reduziert – trotz des auch expliziten Anspruchs, mittels Feldpost die „Kommunikation zwischen Front und Heimatfront“11 sichtbar zu machen. Ein solches Desiderat mag auf den ersten Blick plausibel erscheinen und folgt der Problematik der Quellenüberlieferung. Denn zweifellos sind Männerbriefe, die von den Fronten in die Heimat geschickt wurden, häufiger erhalten geblieben als Frauenbriefe, die oft schon während des Krieges verlorengingen.12 Und es waren in der Tat vor allem Millionen von Soldaten, die – überwiegend wehrpflichtig beziehungsweise eingezogen – in ihrer Korrespondenz die Schrecken des industriellen Krieges zu „verarbeiten“ hatten, durch welche Formen des Benennens und Verschweigens auch immer. Die große Bedeutung der privaten Korrespondenz für ihre psychische Verfassung manifestierte sich in unzähligen soldatischen Selbstzeugnissen, aber auch in den Berichten und Programmen der militärischen Führung. Sie hatte im Laufe des 19. Jahrhunderts die strategische Funktion der Feldpost zunehmend erkannt und befördert, wie auch in einem Helmuth 55

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Graf von Moltke zugeschriebenen Diktum deutlich wird: „Ohne Feldpost ist ein Krieg nicht zu führen.“13 Noch 1913 regelte daher auch Österreich-Ungarn diese Einrichtung für den Kriegsfall neu und umfassend.14 Im Ersten Weltkrieg wurde dann ein Zensursystem etabliert, das die Post der Armeeangehörigen sowie jene Briefe und Karten, die von den Heimatländern ins Ausland beziehungsweise an kriegsgefangene Männer gingen, stichprobenartig kontrollierte.15 Auf dieser Basis erstellte man seit 1916 umfangreiche, mit zahllosen Briefzitaten bestückte Monatsberichte über die „Stimmung der Bevölkerung“, die den Militärs und den Regierungen, aber auch der heutigen Geschichtswissenschaft als wichtige Quelle dien(t)en.16 Schließlich folgt die historiografische Auswertung des Genres noch in einer anderen Hinsicht dem Primat der Kriegsgesellschaft: Auch die zeitgenössische Publizistik der Jahre 1914/18 favorisierte soldatische Feldpost – in einem Ausmaß, das Bernd Ulrich als „Herrschaft des Feldpostbriefes“17 charakterisiert hat. Sie zeitigte eine Unmenge von Anthologien18 und eigens eingerichteten Seiten oder Rubriken in Tageszeitungen, die als authentisch gepriesene, von Patriotismus und Kampfesgeist getragene Stimmen „aus dem Felde“19 veröffentlichten, um die „Seele der Front“20 zu bezeugen. Das Ausmaß dessen provozierte sogar offizielle Einschränkungen der Vermarktung von Soldatenpost.21 Umgekehrt wurden solche Zeugnisse von staatlichen oder militärischen Institutionen selbst mehr oder weniger systematisch gesammelt und dokumentiert, mit zum Teil weitreichenden Perspektiven auf eine spätere Geschichtsschreibung des Krieges.22 Auch viele Schulen, Frauenvereine und offizielle Kriegsfürsorgeinitiativen druckten in ihren Tätigkeitsberichten Dankesschreiben von beschenkten und betreuten Soldaten ab.23 Sie partizipierten damit ebenso an der Konjunktur der Feldpost wie so manche Angehörige von gefallenen Männern, die zugunsten einer Teilhabe an der durch die Presse vermittelten Öffentlichkeit nicht davor zurückscheuten, die hinterlassene Feldpost ihrer Söhne oder Brüder bereits während des Krieges zu publizieren.24 Die breite öffentliche Inszenierung der Feldpost bezog sich also vor allem auf ein durch die Medien künstlich vereinheitlichtes männliches ‚Kriegserlebnis‘. Sein weibliches Pendant blieb in der ersten Zeit des Krieges meist vorausgesetzt und jenem offiziellen Diskurs eingewoben, der zu Kriegsbeginn eine Inkarnation des bürgerlichen Frauenideals des 19. Jahrhunderts vorantrieb.25 Unterstrichen wurden damit insbesondere die angeblich natürlichen Rollen und Aufgaben der Frauen, ihre ‚soziale Mutterschaft‘, was sich vor allem im Bild der Kriegskrankenschwester26 oder in ähn56

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lich populären ‚Liebesgaben‘-Initiativen27 verdichtete. Erst in den späteren Kriegsjahren wurde das gesellschaftliche Paradigma der „Frau im Kriege“ verstärkt Gegenstand konkurrierender Definitionen,28 und das Schlagwort der kriegsbedingten „Frauenemanzipation“ gewann an Kraft. Doch obwohl Frauen im Laufe des Krieges unbestreitbar neue Räume und neue Rechte für sich in Anspruch nahmen, blieb immer „der Front und den Frontkämpfern uneingeschränkt die ökonomische, soziale und kulturelle Priorität“ eingeräumt.29 Das zeigte sich auch an den zunehmend dichter lancierten Vorgaben für die weiblichen Kriegsbriefe: Frauen wurden dazu angehalten, nur „Sonntagsbriefe“ oder „starke, fröhliche Briefe“30 ins Feld zu schicken, um den Kampfesgeist oder das Durchhaltevermögen ihrer Männer nicht zu unterminieren, und galten in diesem Sinne als für den Kriegsverlauf verantwortlich: „Dachtest du daran, daß du ihre Sorgen und Nöte nur noch vermehrst und vergrößerst? Daß du durch deine Klagen ihre Waffen stumpf und ihren Blick trübe machst?“ hieß es etwa in einer deutschen Schützengrabenzeitung als Ermahnung.31 Der moralische Druck verstärkte sich mit der Zunahme des Protests über die schlechte Versorgung mit Lebensmitteln und angesichts der Erfahrung, dass sich auch die feindliche Propaganda der bei toten Soldaten und Gefangenen gefundenen „Jammerbriefe“ ihrer Frauen bediente.32 Konfrontiert mit ihrer als gefährlich gewerteten Verbreitung ließ das Deutsche Reich eigene Informationsbroschüren anfertigen, in denen es hieß: „Keine Jammerbriefe mehr“, weil sie einer „echt deutschen Frau“ unwürdig seien.33 Die österreichische Zensur ging verstärkt dazu über, weibliche „Klagebriefe“, versehen mit einer entsprechenden Belehrung, zu retournieren.34 Anders als der Mainstream der heutigen Feldpostforschung erkannten die Obrigkeiten der Kriegsjahre 1914/18 also durchaus, dass sich die Korrespondenzen von Männern und Frauen wechselseitig bedingten – eben in der Tat Kommunikation zwischen ‚Heimat‘ und ‚Front‘ darstellten. Man fürchtete offenbar deren letztlich nicht zu kontrollierende Verflechtung, da sie die entlang der Geschlechterdichotomie organisierte offizielle Ordnung der Kriegsgesellschaft unterminierte. Der Logik des polaren Modells entsprechend, blieben die männliche und weibliche Feldpost selbst dort aufeinander bezogen, wo die viel betonte Differenz der jeweiligen Erfahrungen und Sinnstiftungen zwischen ‚Heimat‘ und ‚Front‘ ihren Inhalt beherrschte. Gerade das wird häufig übersehen, wenn in Anlehnung an den zeitgenössischen Diskurs vor allem die fundamentale Trennung der Geschlechter im Krieg unterstrichen und im Zusammenhang damit eine – meist statisch gesetzte – Dicho57

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tomie von ‚Heimat‘ und ‚Front‘ verabsolutiert wird.35 So bleibt die prinzipielle Interdependenz von mehr oder weniger differenten Wahrnehmungs-, Erlebnis- und Sichtweisen ausgeblendet, die den Dialog zwischen einem Briefschreiber und einer Briefschreiberin im Laufe des Krieges konstituierte; die wichtige Frage nach Stabilität oder Wandel entsprechender Äußerungen und Einstellungen im Kontext biografischer oder struktureller Bedingungen36 stellt sich nicht. Gerade damit wird aber eine Perspektive eröffnet, die versucht, Kriegsbriefe stärker in die persönlichen Lebenszusammenhänge ihrer Autorinnen und Autoren einzubinden und dabei von einem ‚inneren‘ Zusammenhang der Kriegserfahrungen an der ‚Front‘ und in der ‚Heimat‘ ausgeht.37 Das erfordert den gleichwertigen Blick auf die Geschlechter und deren Interaktion im Krieg – eine Herangehensweise also, die beiden Seiten einer Briefkommunikation den Status handelnder Subjekte zugesteht. So kann die Bedeutung der Feldpost als vielfach einziges ‚Bindeglied‘ zwischen Männern und Frauen der Kriegsgesellschaft ausgelotet werden, was ich im Folgenden am Beispiel der überlieferten Feldpost eines Wiener Liebes- und Ehepaares zur Diskussion stellen möchte. Wie zahllose andere ist sie nur in Fragmenten vorhanden und dennoch selten umfangreich: Überliefert sind weit über hundert mehrseitige, dicht beschriebene Briefe und fast ebenso viele Bildpost- und Ansichtskarten oder vorgedruckte Feldpost-Korrespondenzkarten aus verschiedenen Kriegsphasen.38 Sie ermöglichen trotz der zahlreichen Lücken und Durchbrechungen der dialogischen Struktur eine erfahrungsgeschichtlich orientierte Analyse, die auch daraus schöpft, dass die Perspektive der einen Seite häufig auf ihre Rezeption in der Wahrnehmung der anderen Seite reduziert bleibt. Indem sich so das jeglichem Briefwechsel eigene „Spannungsverhältnis von Selbst- und Fremdentwurf“39 noch steigert, gewinnt meine These der untrennbaren Verflochtenheit der Feldpost zwischen den Geschlechtern an Kontur. Ich möchte sie an jenen inhaltlichen Leitlinien exemplarisch darstellen, die in der Forschungsliteratur zur Feldpost häufig diskutiert werden: der Frage nach Konzeptionen von Normalitäten im Kontext der gesamtgesellschaftlichen Krise eines Krieges, der in vielerlei Hinsicht bereits ein ‚totaler‘ war und ein bis dato unbekanntes Ausmaß der Mobilisierung und der Vernichtung von Menschenleben mit sich brachte.

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„Schreib! Schreib!! Schreib!“ – Feldpost in der neuen Geografie des Krieges Warum auch sollten die zwischen einem Paar in der Trennungssituation des Krieges ausgetauschten Briefe und Karten nicht Stück für Stück, Tag für Tag aufeinander bezogen gewesen sein – selbst dann, wenn ein Dialog verunmöglicht wurde, in Monologe zerfiel oder aber einen über die Paarbeziehung hinausgreifenden Charakter annahm? Für Christl Lang und Leopold Wolf galt das in besonderem Maße. Sie hatten sich erst zu Neujahr 1914 kennengelernt, im Sommer darauf brach der Krieg aus. Als sogenannter EinjährigFreiwilliger, dessen militärische Laufbahn nach dem Abschluss einer höheren Baufachschule im Oktober 1910 begonnen hatte, wurde Leopold Wolf, nunmehr Kadett in der Reserve, sofort zu einer Mörserdivision des 7. schweren Artillerieregiments der k. u. k. Armee eingezogen. Er kam zuerst nach Belgien und Frankreich, dann nach Polen und nach Russland an den östlichen Kriegsschauplatz.40 Ab Februar 1916 war er, unterbrochen durch eine viermonatige Genesungszeit nach einer Verwundung Ende Mai 1916,41 im Karstgebiet und schließlich nahe dem südlichen Frontabschnitt zwischen Italien und Österreich-Ungarn stationiert. Dazwischen erhielt er nur selten Heimaturlaub. Trotzdem wurde 1915 Verlobung gefeiert und im April 1917 geheiratet. Im Frühjahr 1918 kam eine Tochter zur Welt. Christl Wolf lebte in diesem Jahr abwechselnd in Wien und auf dem Land, während Leopold Wolf bis zuletzt im Kriegseinsatz war. Aufgrund solcher Lebenszusammenhänge und der Dynamik einer Liebesbeziehung, die sich erst im Laufe des Krieges konstituierte und festigte, spielte die Feldpost für beide eine äußerst wichtige und wirklichkeitsstiftende Rolle. Sie schrieben sich häufig, mitunter täglich – und mussten doch oft lange auf Post des anderen warten, was deren Bedeutung als „Lebenszeichen und Liebesbeweise“42 noch steigerte, wie zum Beispiel am 5. Dezember 1916, als Christl Lang festhielt: „Ich war gerade 8 Tage ohne Nachricht von Dir und befand mich dementsprechend in Aufregung. Seit gestern atme ich wieder auf.“ Denn die Rahmenbedingungen für die private Korrespondenz im Ersten Weltkrieg waren häufig schlecht, trotz der Bemühungen der Obrigkeiten, die immense Postflut effektiv zu organisieren, um dem ständig drohenden Unmut Herr zu werden. Die vielen Hindernisse reichten von Beförderungsproblemen über die zahlreichen, vor allem vor Offensiven oder bei Überlastung der Feldpost verhängten Postsperren43 hin zum Verlust mobiler Feldpostämter, sodass viele Sendungen gar nicht oder erst Tage, gar Wochen später an die Adressaten und Ad60

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ressatinnen gelangten. Zudem verbot die Zensur die Angabe genauer Orts- und Truppenbezeichnungen, die durch die Feld- oder Etappenpostnummern zu ersetzen waren.44 Wie wohl nie zuvor, förderte die neue Geografie des Krieges damit nicht nur allgemeine Ortskenntnisse, sondern verknüpfte viele der tagtäglich durch die Zeitungen und das Netzwerk der informellen Kommunikation45 kolportierten Ortsbezeichnungen gleichzeitig mit Fragezeichen der Angst und Ungewissheit. Das kommt auch in einem Brief von Christl Lang vom 13. Dezember 1916 deutlich zum Ausdruck: Lieber Olly Du verweist mich auf die Zeitung, da steht aber nicht viel drinnen. Solange die Offensive war konnte man öfters von dem Südflügel am Karstplateau lesen, aber jetzt heißt es immer, Lage unverändert, Nichts Neues. Das ist alles. Daß Du damals beim Südflügel warst konnte ich mir leicht denken. Ich glaube aber Ihr seid seit dem ihr unten seid, ein ziemliches Stück vorgegangen, stimmt das? Ich vermute Dich nun bei Sistiano, Grigano ungefähr.

Wir müssen also davon ausgehen, dass die Feldpost nur eine partielle, ständig irritierte Kommunikation ermöglichte, die nicht mehr als einen fragilen Faden darstellte, der häufig zerrissen wurde – und entsprechend verunsicherte. Das hatte vielschichtige Konsequenzen, von der Einmütigkeit stiftenden, oft äußerst heftig vorgebrachten Kritik am mangelnden Funktionieren der Feldpost über Aufruhr und Sorge bis hin zu tief greifenden Konflikten und Vertrauenskrisen. Als ein besonders dramatisches Beispiel für die bis Kriegsende anhaltende, immer wieder kulminierende Auseinandersetzung um die existenzielle Bedeutung des Schreibens, die sich – mit durchaus wechselnden Rollen – im Auf und Ab von Reflexionen und Entschuldigungen über Schreibkrisen oder -pausen und Aufforderungen zum möglichst häufigen Schreiben, von ständigen Bitten, Fragen und Klagen bewegte,46 seien Ausschnitte aus einem Brief Leopold Wolfs vom 21. März 1915 wiedergegeben. Er schrieb die folgenden Worte als Reaktion darauf, dass er zuvor mehrmals vergeblich darum gebeten hatte, „etwas nachsichtiger“ mit ihm zu sein: Er stehe kurz vor dem Abmarsch seiner Truppe und habe daher weniger Zeit zum Schreiben als sonst. Doch Christl Lang und wohl auch seine Angehörigen übermittelten ihm weiterhin Vorwürfe, was Leopold Wolf, der bislang in eher humoristischer Manier auf das leidige Problem reagiert hatte, zu harscher Kritik veranlasste. Dabei rekurrierte er auch auf die Vorschriften der Zensur und stellte unmissverständlich klar, wer von beiden Seiten im Kriegseinsatz war – was angesichts des von ihm nur angedeuteten Bezugs auf die k. u. k. Offensive zum Entsatz 61

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der Festung Przemýsl, die nach viereinhalbmonatiger Einschließung zwei Tage später gleichwohl von russischen Truppen erobert wurde,47 besonderen Nachdruck erhielt: Gestern habe ich eine Karte an Dich und Mama abgesendet, aus der Du siehst daß ich auf eine Unmenge Post ein Monat lang warten mußte. Wenn auch hier der Grund bekannt ist, warum sie solang nicht kam, weißt Du natürlich nicht, weshalb solange keine Post an Deine [Unterstreichung hier und im Folgenden im Original, C. H.] Adresse gelangte. Aber auf alle Fälle werde ich verurteilt! Wenn es Euch Friedensleutchen wirklich nur auf Nachrichten ankäme, hättet Ihr Euch niemals beklagen können, aber es scheint doch, als gälte nur die Überschrift. Du kannst Dir denken Christl, daß es mir unangenehm genug ist, zu der Korrespondenz die sich seit 3 Monaten auf fast nichts anderes als auf Schreiben und Nichtschreiben bezieht, noch dieses Kapitel hinzufügen zu müssen. [...] Wenn ich Euch schreibe: Wir haben nichts zu tun, so meint man doch – (es ist aber sehr schwer draufzukommen!) – etwas, worüber man nicht schreiben darf. Eure nebelhafte Vorstellung vom Krieg hat sich noch nicht so weit verdichtet, daß Ihr, Nesthocker, draufgekommen wäret, daß wir auch sonst noch was zu tun haben, wenn auch grad nicht geschossen wird, und daß unsere Beschäftigung nicht in erster Linie Briefschreiben sein kann.

In Anbetracht solcher Missverständnisse und Konflikte, denen Leopold Wolf bereits 1915 unter Zuhilfenahme pejorativer Stereotype für die Kluft zwischen ‚Heimat‘ und ‚Front‘ begegnete, könnte es verwundern, wenn es dem Paar im Laufe des Krieges dennoch gelang, ihre Beziehung aufzubauen und als Ehe zu etablieren. Dafür bedurfte es nicht nur der Erfahrung Leopold Wolfs, dass sich sein Warten auf Nachrichten von Christl Lang in anderen Situationen ebenfalls in Verzweiflung kehren konnte, wie am 27. Januar 1916, als er auf einer Feldpostkarte aus Russland den eindringlichen Appell übermittelte: „Ein Tag vergeht nach dem anderen und niemals kommt Post. [...] Schreib! Schreib!! Schreib!“ Es bedurfte vor allem auch einer Unzahl von Briefen und Karten, deren Inhalte der gerade skizzierten destablisierenden Tendenz entgegenwirkten. Sie ermöglichten eine Annäherung des Paares abseits der entzweienden und beängstigenden Geografie des Krieges. Das schuf einen diskursiven Raum, in dem die durch wenige Heimaturlaube Leopold Wolfs und einen achttägigen Besuch Christl Langs gemeinsam mit ihrer Mutter im Etappenort Krakau im Juli 1915 intensivierte Verbindung ständig neu gefestigt und in ihre jeweiligen Familienzusammenhänge integriert werden konnte. 62

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„Für sie alle schreib ich ja auch, wenn ich Dir schreib [...]“ – Feldpost und die Öffentlichkeit der Familie Der gerade zitierte Brief vom 21. März 1915, in dem Leopold Wolf seiner Verlobten durchaus Mitverantwortung für sein Überleben „auf der Scheide zwischen dem irdischen und ewigen Leben“ zuteilte, ist noch in anderer Hinsicht besonders aufschlussreich. Sein Postskript enthält die Bitte um absolute Geheimhaltung des Inhalts: „Ich bitte Dich vielmals Liebste, lies den Brief, aber nur Du allein, und verbrenn ihn. Er ist nur für Dich, versprichst Du mir das?“ Das musste in der Tat eigens betont werden, denn gewöhnlich war es in Kriegszeiten nicht, im Gegenteil. Es existieren zahlreiche Hinweise darauf, dass insbesondere die Briefe der Soldaten ungeachtet all ihrer auf eine Paarbeziehung bezogenen Inhalte vielfach nicht nur die eine Adressatin hatten, die in der Eröffnung direkt angesprochen wurde. Wie die Zensur sprengte auch die zentrale Rolle der Feldpostbriefe als „Lebensfaden“ zwischen mehreren mehr oder weniger vertrauten Personen das ‚Briefgeheimnis‘ und die Bande der Zweisamkeit. Sie erweiterte den Adressatenkreis der Briefe hin zu einer familialen, sogar darüber hinausreichenden Öffentlichkeit,48 in der vor allem die Frau zum Sprachrohr des abwesenden Mannes wurde.49 Das hatte selbstverständlich inhaltliche Implikationen, vor allem in Bezug auf die Intimität des Mitgeteilten, und bedeutete im Prinzip eine weitgehende Mitgestaltung des Genres der Feldpost durch implizit gemeinte oder auch explizit genannte, beim Schreiben ebenfalls imaginierte Personen. Im Briefwechsel zwischen Christl Lang und Leopold Wolf wird eine Mittlerfunktion der Frau besonders in den ersten Kriegsjahren evident. Das war auch jene Zeit, in der sich ihre Bekanntschaft zur Liebesbeziehung wandelte und der Status des Verlobtseins, das heißt die Absicht zur Heirat, das Familiengefüge öffnete: Man lernte sich erst kennen und hatte doch bald das Ziel einer Ehe vor Augen, die nicht nur ein Paar, sondern auch zwei Familien binden würde – und damit alle betraf. In dieser Situation scheinen die Feldpostbriefe von und zu Leopold Wolf in der Familienkommunikation eine wichtige, identitätsstiftende Rolle gespielt zu haben, und Christl Lang förderte aktiv den doppelten Dialogcharakter der Briefe Leopolds: „Lieber Olly! Donnerstag früh bekam ich Deinen Brief, den ich gleich nachmittags Deinen Eltern hinausbrachte, die auch schon mit Sehnsucht eine Nachricht von Dir erwarteten und herzlich froh waren, daß selbe nun eingetroffen ist“, schrieb sie etwa am 2. Januar 1915, und weiter: „Die Mutter bat mich zur Jause zu bleiben, was ich gern tat, und es war sehr gemütlich.“ 63

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Anschließend erzählte sie von einem Besuch der Mutter Leopold Wolfs, bei dem diese ihr einen Brief ihres zweiten eingerückten Sohnes namens Hanns zeigte. Dabei forderte sie auch von Leopold ein persönlich an sie adressiertes Schreiben, was von Christl Lang, die ihrerseits auch direkt mit Hanns Wolf korrespondierte, wortstark unterstützt wurde. Doch ihr Verlobter verfuhr weiterhin oft doppelgleisig, worauf häufig wiederkehrende Formeln am Briefende deuten, die in etwa lauteten wie am 16. Januar 1916: „Bitte zeig den Brief auch den Unseren zu Hause.“ Umgekehrt gab er Briefe aus der Heimat an seinen Bruder Hanns weiter und vielleicht auch an seinen Onkel, den er im Feld oft traf. Zusätzlich integrierte er sich von Brief zu Brief durch ständig wiederholte Grußformeln an alle möglichen Verwandten und Bekannten in die Heimat und forderte Christl Lang dazu auf, „niemanden in herzlichster Weise zu vergessen!“ In einem Brief vom 27. Januar 1915, nur ein Jahr nach dem Beginn ihrer Bekanntschaft, definierte er eine solche ausgeweitete Öffentlichkeit für seine Korrespondenz sogar als Voraussetzung. Wohl vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt noch anhaltenden Konjunktur für soldatische Feldpost in der Heimat verwies er zuerst darauf, dass so viele Seiten Post von ihm erwarten würden, von der „Liebsten“ über den „Bruder und Vater und Mutter und Freund und Bekannten, und Hausherrn und Godeln und [...]“ Antworten darauf kämen allerdings, abgesehen von Christl Lang, „nicht fünfzig Prozent von dem!! [...] obzwar man annehmen könnte, daß die Summe der Briefe von Vater, Mutter, Brüder, Freund et cetera mehr ausmachen sollte. Aber nicht die Idee!“ Dann folgt die Bitte an Christl Lang, ihre wie seine Verwandten aufzufordern, seiner auch öfter mit einigen Zeilen [zu] gedenken. Für sie alle schreib ich ja auch, wenn ich Dir schreib oder nach Hause und wenn ich einmal die Phrase vergessen sollte, mich speziell dafür zu bedanken, so möge es sie nicht gereuen, mir Undankbarem eine Freude gemacht zu haben.

Das Netz der in vielen Briefen potenziell mit angesprochenen Verwandten und Bekannten war somit in der Trennungssituation des Krieges weitläufig – umso mehr, wenn auch eine Ehe angebahnt wurde, wenn Familienbande erst geknüpft und intensiviert werden sollten. In diesen Fällen kam der Feldpost eines Paares jedenfalls eine weitaus umfassendere Funktion zu als jene der „Aufrechterhaltung familialer und freundschaftlicher sozialer Kontakte“.50 Sie diente vor allem dem Auf- und Ausbau solcher Beziehungen und ermöglichte so erst Integration in die jeweiligen Herkunftsfamilien 64

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und Lebenszusammenhänge,51 die der Bildung einer eigenen Familie gemäß bürgerlicher Konvention voranzugehen hatte. In diesem Sinne war Christl Lang in ihren Briefen äußerst rege, was sich auch am wachsenden Stellenwert der Übermittlung verschiedener familialer Vorkommnisse und Neuigkeiten manifestierte. Zunehmend häufiger berichtete sie Leopold Wolf von Verwandten und Familienangelegenheiten, die beides meinten: seine und ihre Familie, wodurch sie ihr Hineinwachsen in die Rolle der Verlobten dokumentierte – etwa indem sie ausführlich von Sonntagsausflügen gemeinsam mit ihren und seinen Eltern und Geschwistern berichtete. An diesem Prozess des Hineinwachsens in seine Familie sollte Leopold Wolf partizipieren, und er wurde auch von ihm massiv unterstützt, wie in einem Brief vom 18. April 1915 zum Ausdruck kommt: „Vor allem muß ich Dir sagen, daß ich Dirs nicht hoch genug anrechnen kann, daß Du öfters bei uns draußen bist.“ Dann wieder sollte ihn die Annäherung der Familien daheim auch motivieren, seinerseits Entscheidungen zu treffen, was zu Beginn des Jahres 1917 deutlich wird, als Christl Lang am 27. Februar schrieb: Du, Poldi, so wie am Montag hab ich schon lang nicht, d. h. noch nie mit Deiner Mutter gesprochen, über allerhand, hauptsächlich von Dir und vom Heiraten. Mutter hat mir auch gesagt, daß sie sehr einverstanden ist, wir sollen sogar sobald als möglich. Vater hatte zwar Einwendungen zu machen, aber Mutter sagt, das macht nichts es nützt doch nichts. Also jetzt hängt es nur von Dir ab Poldi, komm bald.

Selbstverständlich konnte das Netz solcher Allianzen enger oder lockerer gestrickt werden. So sind im Briefwechsel zwischen Leopold und Christl Wolf zwei gegenläufige Tendenzen erkennbar, wenn beide versuchten, die familiale Öffentlichkeit ihrer Briefe, die sie selbst mitschufen, wiederum einzuschränken. Das war zum einen der Fall, nachdem die eigene Kernfamilie endgültig etabliert war und damit die gerade skizzierte Funktion der Feldpost ihre zentrale Bedeutung eingebüßt hatte. Mittlerweile waren auch Diskrepanzen zwischen den Familien offenbar geworden, über die besonders Christl Wolf im Laufe des letzten Kriegsjahres immer wieder berichtete; das oben angedeutete Bild der Schwiegermutter findet hier sein negativ konnotiertes Gegenbild. Die andere Tendenz zum Ausschluss des Familienkreises aus der Korrespondenz des Paares verlief diskontinuierlich und sehr viel deutlicher als Ausdruck von Konfliktkonstellationen, die aus einer kriegsbedingten Instabilität der Verhältnisse und Befindlichkeiten herrührten. So erfolgte ein Rekurs auf ein ‚Briefgeheimnis‘ keines65

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wegs dann ausdrücklich, wenn Erotik durchschimmerte oder gemeinsam erlebte Sexualität vage angedeutet wurde, was manchmal vorkam, jedoch immer in Übereinstimmung mit der durch die Konvention auferlegten Zurückhaltung.52 Notwendiger erschien der Ausschluss dritter daher vor allem im Zusammenhang mit besonders expressiv geäußerten, gewissermaßen „aus der Kontrolle geratenen“ Gefühlen: Dies war etwa dann der Fall, wenn einzelne Briefe außergewöhnlich introspektiv gehalten waren oder der Bewältigung von Vertrauenskrisen dienen sollten, wie das bereits zitierte Beispiel vom 21. März 1915 zeigt, und wenn Verzweiflung artikuliert wurde. In einem solchen Brief vom 11. Januar 1916, den er wenige Tage nach einem Heimaturlaub verfasst hatte, schloss Leopold Wolf seine Eltern vom Wissen um seine ausführlich beschriebene „schlechte Stimmung“ explizit aus, indem er diese Erfahrung im Krieg – wie viele andere Kriegsteilnehmer auch – innerlich zensurierte: Weiß der Kuckuck ich bin noch viel zerstreuter, als ich war, und noch dazu recht traurig – wie’s ja nach so einem schönen Urlaub gar nicht anders denkbar ist. Ich möchte den ganzen Tag dasitzen und den Kopf in die Hände stützen und nachdenken. Ich möchte mich immer erinnern, wie schön es doch war, trotz einiger Wermutstropfen, ich möchte die Zukunft ergründen, wann es wieder so sein wird, und was noch alles dazwischen liegen kann. Jedesmal auf Urlaub kommen wird’s schöner, der Abschied schwerer und auch das alte Kriegshandwerk unerquicklicher als je [...] Sag’ aber nicht, daß ich in schlechter Stimmung bin, übrigens sollte ich Dir’s auch nicht sagen – aber wem denn? Ich möchte mich am liebsten eingraben.

Diesen Brief hatte er, „der Zensur wegen“, die eingreifen hätte können, weil er Christl Lang über die knapp bevorstehende Verlegung seiner Batterie Richtung russische Front informierte, einem auf Heimaturlaub abgehenden Kameraden zur heimlichen Beförderung mitgegeben – was häufig vorkam und von den Zensurbehörden nie unterbunden werden konnte.53

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„[...] jetzt kann ich mir doch annähernd eine Vorstellung Deiner Behausung und Deines Treibens machen.“ – Die ‚Front‘ als ,Heimat‘54 Angesichts solcher Ungewissheiten und für beide Seiten beängstigenden Situationen gewinnt die Frage nach – dem Schrecken des Krieges entgegengesetzten – Normalitätsorientierungen von Leopold Wolf und Christl Lang erneut an Gewicht. Im Folgenden möchte ich daher darlegen, ob und inwieweit es in ihrer Kriegskorrespondenz weiterer Erzählstrategien bedurfte, um verbindende Vertrautheit zu erzeugen und zu bezeugen, und welcher Stellenwert in diesem Zusammenhang Alltagskonzeptionen zukam, die darauf zielten, „den Krieg außer Kraft zu setzen“55 und „Vorkriegsnormalität“56 zu beschwören. Dabei ist freilich zuerst mit Nachdruck auf eine Diskrepanz zwischen dem hier behandelten Beispiel und der Ausrichtung der eingangs erwähnten Forschung zu verweisen, die solche dominierenden oder typischen Erzählmuster für den Umgang mit der Destruktion des Krieges vor allem mit dem Augenmerk auf „kleine Leute“57 oder „unbekannte Soldaten“58 beantwortet hat. Das blieb zwar häufig nur vage definiert,59 gewinnt aber angesichts der krassen Klassengegensätze im Militär wie in der Kriegsgesellschaft des Ersten Weltkriegs besondere Brisanz. In diesem Kontext gestalteten sich die Bedingungen, die Christl Lang und Leopold Wolf im Laufe des Krieges vorfanden, entsprechend ihrer Herkunft aus wohlhabenden Verhältnissen: Die Eltern des Reserveoffiziers Leopold, der rasch zum Leutnant und Mitte 1916 zum Oberleutnant befördert wurde, betrieben ein Baugeschäft, die Adoptiveltern der früh verwaisten Christl Lang waren die Inhaber eines renommierten Hut- und Modegeschäfts mit einem beachtlichen Vermögen, das allerdings nach 1918 großteils verloren ging. Im Krieg hatte das Paar daher in vielerlei Hinsicht eine privilegierte Situation, die sich im Vergleich mit anderen Kriegskorrespondenzen rasch offenbart60 – umso mehr, da Leopold Wolf der Artillerie angehörte,61 ständig einen Offiziersdiener zur Seite hatte und über längere Phasen hindurch an der Ostfront oder in der Etappe stationiert war. So überrascht es wohl kaum, wenn sich in seiner überlieferten Feldpost selbst das nur in „sekundären Merkmalen“ beschriebene „Leiden am Krieg“ nicht etwa an Erfahrungen mit extremer Kälte oder Hitze, mit Übermüdung und Hunger festmacht,62 sondern – wie im oben zitierten Brief vom 11. Januar 1916 – an angstauslösenden Situationen vor einem Abmarsch seiner Batterie ins Ungewisse und vor allem am Heimweh, an der Sehnsucht nach einer Zukunft mit Christl. Auch die Realität des modernen Massenkrieges wird 67

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weitgehend ausgeblendet: Gewalt, Grauen und Tod wurden von Leopold Wolf zwar fotografisch, nicht aber schriftlich fixiert,63 von einem Bericht über die Explosion in einer dem Militär unterstellten Fabrik in Krakau abgesehen, den er in zwei langen Briefen vom 18. und 19. Juli 1915 festhielt. Nur hier, auf einen Etappenort bezogen, musste ich von „Toten und tödlich Verletzten“, „eine[r] gräßlich zerrissene[n] Leiche“ ohne Arme und Beine und „unkenntliche[n] Fleischklumpen“, „Blut und Knochen“ lesen, und nur in zwei Briefen vom 21. und 26. März desselben Kriegsjahres manifest vom Todesrisiko im Unterstand. Ansonsten erscheint die Vernichtungsgewalt des Krieges primär mittels jener „emotiver Sprachhandlungsstrategien“ bearbeitet, die Isa Schikorsky als typisch für das Genre der Kriegsbriefe erörtert hat: Ihr zufolge überwogen in der Korrespondenz der Soldaten mit Frauen in Bezug auf das Frontgeschehen die Konversationsmaximen Verschweigen, Verharmlosung, Poetisierung und Phraseologisierung.64 In diesem Sinne spricht Leopold Wolf zwar mitunter konkret vom Krieg, reduziert und pauschalisiert das Thema aber gleichzeitig, was eine Form des Verschweigens darstellt. Sein Hang zur Verharmlosung und zur Poetisierung ist ebenfalls unverkennbar, wie auf einer Bildpostkarte vom 21. August 1915 aus Warschau: „Mit dem Fall von Nowo Georgiewsk habe ich die 7te Festung hinter mir. Davon drei belgische, eine französische, eine österreichische (!) und zwei russische! Da kannst du auch stolz sein! So eine ,Heldenbraut‘ gibts nur eine!“ Oder in einem Brief vom 20. Januar 1916: Also Du siehst, brave Christl, daß es bei uns nicht so kriegerisch zugeht und jedenfalls zeigt es sich nun wieder, daß der Russe ein nobler Gegner ist. Man geht schon gemütlich auf die Beobachtungsstände und entschwindet in einem ihnen längst bekannten Loch, man fährt mit Schlitten und Wagen hinter der Schwarmlinie – und niemand schießt.

Auch die Wendung der Erzählung ins Ironische und in Phrasen65 oder Routineformeln als Aussagen über die persönliche Verfassung66 finden sich in diesem Zusammenhang – selbst als Wolf verwundet war, was er noch drei Tage später, auf einer mit 23. Mai 1916 datierten Karte, verheimlichte: „Liebste Christl! Bei uns gehts recht fein zu, Ihr werdet ja aus den Zeitungen alles gehört haben. Von Dir habe ich gestern 2 Briefe bekommen, für die ich Dir recht herzlich danke. Sonst gehts mir gut, den Verhältnissen angemessen.“ 68

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Inwieweit solche narrativen Muster auch im Falle Wolfs als der angesichts der Briefzensur umso nachhaltiger geübte mentale Versuch einer – objektiv unmöglichen – Verbalisierung des ,Felderlebnisses‘67 zu interpretieren sind, kann hier nicht beantwortet werden; ihre manifesten Inhalte scheinen geradezu undurchdringbar. Verschränkt mit dem Bemühen um die Schonung der Partnerin entspringen sie sicher auch einer spezifischen Offiziersmentalität, die gegenständliche Kommunikation über den (drohenden) Kriegstod verbietet. Über „Taten und gefährliche Sachen“ zu schweigen, verlangte Leopold Wolf von sich und von Christl, die er stattdessen wiederholt auf Zeitungsmeldungen und damit auf die offiziellen Armeeberichte verwies, wie oben belegt wurde. In einem Brief vom 19. Januar 1917 maßregelte er seine Verlobte sogar dafür, dass sie ihn gefragt hatte, ob er Autofahrten in feindliches Gebiet machen müsse: „Tini, schäm Dich! So eine Frage! Wie stellst Du Dir das vor? Jetzt bist Du von einer Kadetten Braut bis zum Oberleutnant avanciert und stellst solche Fragen!“ Wenn an den zitierten Schlüsselstellen ein Dialog nicht zustande kam, so floss er als Konsequenz der eigentlich dominierenden Erzählstrategie in den Briefen Leopold Wolfs, die sein „diskursive[s] Schweigen“68 über den Krieg erst nachhaltig konstituierte, umso mehr. Sie besteht – nicht zuletzt deshalb – im ständig wiederholten und beharrlichen Verweis auf einen ,normalen‘ Alltag im Krieg, was einem Offizier selbstverständlich viel weitgehender möglich war als Mannschaftssoldaten.69 Entsprechend herrscht in Wolfs Feldpost ein Code, der in der Sprache der Heimat die gewohnten Grundlagen des Lebens, wie Essen und Trinken, Schlafen und Wohnen, Arbeit und Freizeit oder Natur repetiert70 und sich vielfach ungebrochen und seitenlang, über ganze Briefe und Kriegsphasen erstreckt; hinzu kommen seine ausführlichen Erzählungen über häufige gegenseitige Besuche der Offiziere und deren Unterhaltung im Kasino oder im Kaffeehaus, die „Front-Heimeligkeit“ suggerieren.71 In solche Alltagsstrukturen eingefügt, erscheint auch die eigentliche Kriegsarbeit Leopold Wolfs, von der ihm unterstellten Wartung und Reparatur von Mörsern und Autoparks bis hin zu anderen Tätigkeiten in der Etappe, ausschließlich durch den Bezug auf Zusammenhänge der Vorkriegszeit ausgewiesen, als er bereits im Baugeschäft des Vaters tätig gewesen war. Das manifestiert sich in vielen Formulierungen über „das Geschäft“ und „die Baustelle“, die „Werkstatt“ und das „Büro“ und in entsprechenden Szenarien, die veranschaulichen sollten, dass Leopold viel zu leisten vermochte. So schrieb er beispielsweise am 26. Dezember 1917 aus der Etappe in Oberitalien an seine bereits schwangere Frau: 69

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Jetzt hab ich wieder gemein viel zu tun, um nur den einen Ruhetag von gestern wieder herein zu bringen. Bei mir ist schon das reinste Büro: ich muß natürlich die Bürokräfte selbst abgeben. Ich bin also Leiter, Zeichner, Schreiber und Verwalter in einem, alles aber mit viel Arbeit verbunden. Momentan bin ich daran einen guten Gleitschutz für die Eisenruder zu konstruieren, damit sie sich nicht im Schnee durchdrehen und den Wagen weiterbringen. Die Bedingungen sind: abnehmbar, rasch wieder aufzubringen, vielfache Konstruktion, leicht und dauerhaft. Sonst nichts. Aber ich hab schon was und hoffe demnächst schon Parade zu machen damit. ,Gleitschutz System Wolf!‘ Wird der Armee eingesendet.

Dennoch gilt hier nur bedingt, was in Analysen von Soldatenbriefen des Ersten Weltkriegs betont wurde – nämlich dass „der Horizont aller Wünsche und Hoffnungen [...] immer die Heimat der Vorkriegszeit [blieb]“.72 Briefinhalte wie der oben zitierte verwiesen gleichzeitig als Verheißung auf Zukunft und folgten daher einer doppelten Ausrichtung: Sie versicherten Leopold Wolf in Verbindung mit dem häufig unterlegten Topos der Pflichterfüllung die Funktionalität seines ausgeprägten Leistungsethos im Krieg, sollten aber auch Christl die Botschaft vermitteln, dass gerade das die Realisierung ihrer Ehe im kommenden Frieden erleichtern, wenn nicht überhaupt erst ermöglichen würde. In einem Brief Leopold Wolfs vom 3. Februar 1916 aus dem bei Zloczów gelegenen Dorf Plotycza, „dem letzten Etappenort“ vor dem eigentlichen Frontgebiet am Rande Galiziens, heißt es in diesem Sinne im Zusammenhang mit dem Bemühen Leopolds, mithilfe mehrerer Handwerker aus einer „elendsten Dorfkeusche [...] das schönste Heim zu machen“: „Weißt Du, ich hab mir gedacht, wenn ein gutes Geschick auch mir diese Unermüdlichkeit und Strebsamkeit erhalten wollte, so können wir’s noch einmal zu etwas bringen.“ So gesehen, stellt die trotz mancher Irritationen ungebrochene „Beschwörung von Alltäglichkeit“73 in Leopold Wolfs Feldpost auch eine Variable der Annäherung zweier Liebender dar, die eine gemeinsam gelebte Wirklichkeit im Erfahrungsmuster eines stabilen Alltags74 noch nicht kannten. Darauf rekurrierende Erzählungen schienen ihnen daher – bewusst oder unbewusst angewandt – umso notwendiger. Sie untermauerten die Stabilität ihrer Beziehung und erleichterten so den Dialog. Dadurch konnte insbesondere Christl Lang am ihr unbekannten ‚Kriegserlebnis‘ ihres fernen Partners, den sie noch nicht einmal sehr gut kannte, besser partizipieren – auch wenn die einhergehende Fiktion auf ihrer Seite mitunter ebenso eine Erstarrung der Kommunikation in Phrasen förderte, wovon ein Brief vom 1. Februar 1916 anschaulich spricht: 70

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„Na also Eure Wohnung muß ja ,piekfein‘ werden, ein sogenanntes ,polnisches Schloß‘. Wann wird die feierliche Einweihung stattfinden? Bist Du schon zurück von Deiner ,Besuchstournee‘? Wie war das ,Wiedersehen im Felde‘?“ Dennoch wog vor allem die Gemeinsamkeit stiftende Wirkung der hier skizzierten Briefinhalte, was Christl Lang selbst auch ausführte. Ihrer doppelten Ausrichtung entsprechend, nahm sie etwa am 5. Mai 1916 auf Naturschilderungen ihres Partners im Kontext seiner Darstellung des Krieges als Reise75 gerade mit dem Verweis auf ihre ungewisse Zukunft Bezug: „Ach Du, den einen Brief muß ich wieder und immer lesen wo Du so schön von den Bergen schreibst, ich sehe mit meinen geistigen Augen alles so schön und deutlich vor mir [...] Wenn ein gütiges Schicksal es will, hoff ich werden wir die Pracht auch einmal zusammen bewundern können, gelt Poldi?“ Wenige Tage später, am 9. Mai 1916, artikulierte sie dann die verbindende Wirkung solcher Briefe Leopold Wolfs explizit – wohl wissend, wie es scheint, dass damit die „Schattenseiten“ des Kriegseinsatzes gleichzeitig verschleiert wurden: Nun danke ich Dir sehr für Deine ausführliche Beschreibung, jetzt kann ich mir doch annähernd eine Vorstellung Deiner Behausung und Deines Treibens machen. [...] Eigentlich beneide ich Dich um Deinen Aufenthalt, d. h. daß ich ihn Dir von ganzem Herzen gönne sowie alles, was Dich glücklich macht. Ich freue mich ja unendlich daß es Dir vergönnt ist alle diese Herrlichkeiten die zwar auch viele Schattenseiten haben werden, zu schauen, besonders aber daß wir uns auch in diesem Punkt nahe gekommen sind.

„[...] dann hat die Regierung nichts zu lachen, und mit Recht.“ – Die ‚Heimat‘ verändert sich War es damit im vorliegenden Briefdialog tatsächlich so, dass „der Primat für die Konstruktion neuer Deutungen bei den Männern an der Front [lag]“, wie Benjamin Ziemann in Hinblick auf die ländliche Bevölkerung Bayerns festgehalten hat?76 Die an vielen Stellen manifeste Bereitschaft, mit der Christl Lang den dargelegten Tendenzen der Kriegskorrespondenz Leopold Wolfs begegnete, obwohl diese ihr oft nicht mehr denn offizielle Sinnstiftungen des Krieges vermittelten, scheint eine solche Sicht zu erhärten – umso mehr, da Christl in vielerlei Hinsicht auch selbst der Rede vom Privaten und Alltäglichen abseits der Wirklichkeit des Krieges verpflichtet blieb. In diesem Sinne ließe sich anhand zahlreicher Beispiele leicht darlegen, wie uneingeschränkt in ihren Briefen häufig 71

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ein vom Krieg weitgehend unberührter, mithin ,normaler‘ Alltag einer Tochter ,aus gutem Hause‘ dominierte, der bestimmt war von Familiärem, Musik oder Handarbeiten, von Theaterbesuchen und anderen Geselligkeiten. Einen Höhepunkt fand ihr privilegiertes Bemühen um normale Verhältnisse im Jahre 1917, an dessen Beginn die baldige Verehelichung des Paares beschlossen worden war. Die nachfolgende Korrespondenz Christl Langs erscheint umso deutlicher als der kontinuierliche Versuch, die Verbindung mit Leopold Wolf allen Widrigkeiten des Krieges zum Trotz in eine für ihre Klasse angemessene und abgesicherte Ehe münden zu lassen. Dabei wurde sie von ihren Eltern unterstützt, wodurch tatsächlich noch die Gründung eines offenbar bestens ausgestatteten Haushalts in einer eigenen, neu eingerichteten Wohnung gelang – zu einem Zeitpunkt wohlgemerkt, als der Großteil der Wiener Bevölkerung bereits hungerte und fror, da die kargen Lebensmittel und Bedarfsgüter nur noch gegen Marken, über ländliche Verwandte, Hamstern oder gegen viel Geld auf dem Schwarzmarkt zu bekommen waren.77 Auch ab Dezember 1917, als ihre Korrespondenz wieder erhalten ist, demonstrieren viele Alltagserzählungen Christl Wolfs, die nun häufig um die neuen Rollen als (werdende) Mutter, Haus- und Ehefrau kreisen, noch relativen Wohlstand, wenn auch manchmal bereits Geldmangel artikuliert wurde. Dennoch konnte sie ausreichend Vorsorge für ein Kind treffen, ein Dienstmädchen beschäftigen, 1918 auf Sommerfrische auf dem Land leben und sich dort der Obsorge um den Säugling widmen, dessen Entwicklung sie Leopold in vielen langen Briefen ausführlich beschrieb. In ihren Entscheidungen bedachte sie die Instanz des abwesenden Ehemannes ständig mit und hielt sich an dessen familiale Autorität. Die mit der überkommenen Gesellschaftsordnung einhergehende Geschlechterordnung schien, so gesehen, aufrechterhalten. So verwundert es nicht, wenn sie deren gleichwohl aufmerksam beobachtete, kriegsbedingte Virulenz des Öfteren auch anprangerte. Das äußerte sich in vorurteilsbeladenen Darstellungen über die steigende Bedarfskriminalität und die jüdischen Kriegsflüchtlinge aus dem Osten wie in der Kritik an ihren Geschlechtsgenossinnen aus gesellschaftlichen Unterschichten. Solche Frauen würden jede Gelegenheit ergreifen, um von den kriegsbedingten Veränderungen am Arbeitsmarkt zu profitieren, meinte sie, und urteilte aus dieser Perspektive über die legendären Wiener Schaffnerinnen wie über die städtischen Dienstbotinnen, die 1918 zum viel strapazierten Thema ihrer Briefe wurden. Hier fiel das Urteil vielfach äußerst negativ aus – vielleicht auch deshalb, weil Christl Wolf sich im Gegensatz zu vielen anderen bürgerlichen Frauen 72

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dieser Zeit nie in der Kriegsfürsorge engagiert hatte, die auch zahlreiche Initiativen für besonders „notleidende“ (Arbeiter-)Frauen beinhaltete.78 Zudem war sie aufgrund ihrer persönlichen Lage als Schwangere und dann als junge Mutter in einem eigenen Haushalt nun mehr denn je auf deren Arbeit angewiesen. So klagte sie darüber, dass ein „anständiges Dienstmädel“ kaum mehr zu haben sei und schon „das dümmste Bauerntrampel“ mehr Lohn verlange als „eine perfekte Köchin“ seinerzeit, wie sie am 11. Februar 1918 schrieb, und entließ das eine Mädchen so rasch wie das andere. Die Gründe dafür teilte sie ihrem Mann genau mit. Sie reichten von der angeblich maßlosen Neugierde und Schlamperei einer Dienstbotin bis hin zum Umstand, dass sich eine andere offenbar lieber „auf der Gasse als zu Hause“ aufhielt – dort, wo zu jener Zeit ständig Protest grassierte, der jederzeit in einen „Hungerkrawall“ münden konnte.79 So heißt es in einem Brief vom 19. April 1918, als auch Christl Wolf angesichts der katastrophalen Versorgungslage in Wien bereits dazu gezwungen war, fertig gekochte Mahlzeiten aus der Kriegsküche zu beziehen: „Sie schimpft täglich über die Kriegsküche in einer Weise, die mir zuwider ist. Ich glaube nämlich auch, sie wird von den anderen Mädeln beim Essen holen aufgehetzt. Sie erzählt mir ja sehr oft wie sie alle miteinander schimpfen über die Küche und ihre Frauen.“ Zum Zeitpunkt dieses Briefes hatte sich die Relevanz der verschiedenen Erfahrungsfelder Christl Wolfs freilich bereits verschoben.80 Als Konsequenz dessen finden wir nun auch eine zur Klassendifferenz gegenläufige Briefrhetorik, die sich durchaus als Ausdruck von Solidarität mit dem „Volk“ manifestieren konnte. Diese Rhetorik zeigt, wie aktiv selbst diese in vielerlei Hinsicht rollenkonforme Offiziersgattin nun den Krieg und die einhergehenden politischen und sozialen Verhältnisse deutete – mitunter auch gegen die Sichtweisen ihrer Klasse und ihres Ehemanns. So gesehen, fügen sich manche ihrer Erfahrungen und Einstellungen in das Kollektiv vieler anderer Frauen der Zeit, die am Krieg und an den sozioökonomischen Konsequenzen des Krieges heftige Kritik übten. Damit spannt sich ein Bogen zu den eingangs erwähnten, in der zweiten Kriegshälfte so heftig denunzierten weiblichen „Jammer-“ oder „Klagebriefen“. Er reicht über das kriegspropagandistisch eng gespannte Bedeutungsfeld weit hinaus und demonstriert stattdessen „Eigen-Sinn“ – den „Versuch, Abstand von Zumutungen ,von oben‘ wie ,von nebenan‘ zu gewinnen“.81 Der Erzählrahmen dafür öffnete sich bei Christl Lang relativ früh, obwohl Leopold Wolf ihren kritischen Hinweisen auf die Versorgungslage in Wien durchaus zynisch begegnen konnte. Das belegt ein Brief vom 18. April 1915, in dem es heißt: 73

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Ich kann trotz allem Gejammer über die Verhältnisse in Wien nicht die Hälfte glauben. Ihr regt Euch auf, daß man jetzt Brot- und Milchkarten kriegt. Wer kennt nicht schon längst die Fahr-Karten, Wein-Karten, Ansichts-, Post- und andere Karten. Wir wären froh, Brotkarten zu kriegen, denn da kriegt man wenigstens sicher Brot dafür, so aber kriegen wir keins, und müssen Semmeln, Paunzerln, Nockerln, Zwieback und so Zeugs essen. Wie froh wären wir, wenn wir wieder einmal Land-Karten bekämen!

Dennoch setzte Christl ihre Berichte über die Verschlechterung der Lebensbedingungen in der Heimat fort, wovon mehrere Briefe des Jahres 1916 zeugen. So beschrieb sie ausführlich das stundenlange Anstellen um Lebensmittel von Hunderten von Menschen vor den Geschäften und verteidigte einhergehende Auseinandersetzungen mit dem Wachpersonal. Oder sie identifizierte sich sogar mit dem sozialen Protest von Frauen, den sie andererseits auch noch 1918 fürchtete, wie oben belegt wurde. In diesem Zusammenhang schrieb sie in einem vielsagenden Brief vom 9. Mai 1916 unter Bezugnahme auf ein von Leopold Wolf beschriebenes „Ostersonntagsmenü“ der Offiziere, das sich „pompös“ lese: Bei uns in Wien aber ist man schon sehr ungeduldig und mit Recht. Heute sollen fürchterliche Krawalle am Rudolfsheimer Markt u. im X. Bez. gewesen sein. Eine nicht unbedeutende Menge Frauen zogen sogar ins Parlament um zu randalieren. Wenn nur auch ein Erfolg zu sehen wäre. Auch auf unseren Bürgermeister haben sie es scharf.

Oder sie reflektierte ihre eigene privilegierte Situation, wie am 7. November 1916: Es gibt jetzt leider Gottes Menschen, arme Menschen, die Tag und Nacht beim schwachen Schein einer Kerze arbeiten müssen, und oft haben sie nicht einmal die, weil es keine gibt, o. weil sie wahrscheinlich teuer sind. Wir haben ja so noch keinen Begriff was Not heißt, um die zu verstehen muß man hinunter schauen in die untersten Schichten, da kann man was erleben, daß Gott erbarm.

Im Jahr 1918 war der kritische Tenor in den Briefen Christl Wolfs dann unüberhörbar und häufig artikuliert; die noch 1917 aufgrund der Verehelichung des Paares kulminierende Inszenierung von Normalität hatte damit endgültig ihr ebenso auffälliges Gegengewicht gefunden. Auslöser dafür waren der für sie selbst spürbar gewordene Mangel, das heißt ihre eigene Betroffenheit von den 74

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dramatischen Versorgungsengpässen der Mittelmächte. Zusätzlich machte sie, wie sie am 15. Februar 1918 resümierte, nur bittere Erfahrungen mit der „schlampigen Wirtschaft“ der Kriegsliquidatur, wo sich trotz mehrerer Interventionen die Auszahlung der ihr als Offiziersgattin zustehenden Kriegsunterstützung laufend verzögerte – was den ganzen „Jammer“, „buchstäblich ein Kampf ums Dasein“, noch verschärfte. Davon berichtete Christl Wolf ihrem Mann, der ihr nun häufig Pakete mit Lebensmitteln, Stoffen und dergleichen schickte, in sehr offener, anklagender Weise, indem sie vor allem auch die politischen Verhältnisse, die Kriegswirtschaft und damit den Staat und die Militärführung anprangerte – wie am 16. Februar 1918: Nun ich seh nur, vom Staat aus könnt’ man regelrecht verhungern [...] Ich bin wirklich schon wütend auf diese ganze Soldatenwirtschaft. Die Hauptsache wäre die, daß wir jetzt von der Ukraine Lebensmittel bekommen um das aufgeregte Volk in Wien und überall vorläufig zu beruhigen, denn im Grunde genommen ist’s ja der Magen der Hungrigen, der schreit zum Generalstreik und zum Ausstand. Wunder ist es wirklich keines. Seit 14 Tagen gibts kein Fleisch in Wien, auf Schleichwegen natürlich ausgenommen, da kannst Du Dir, wenn Du’s nötige Kleingeld hast, auch einen Ochsen braten. Ja, ja, alles gibts heutzutage, nur keine Gerechtigkeit und Ehrlichkeit.

Im April 1918 deuten Briefe von ihr sogar auf den inneren Wunsch nach Beteiligung am Protest gegen die „Sauwirtschaft“ und die „hundsmiserablen“ Zustände im ‚Hinterland‘, denen die Regierung nur Versprechungen über „goldene Berge“ entgegenzuhalten habe: „[...] dann hat die Regierung nichts zu lachen, und mit Recht“, schrieb sie am 28. April. Die imaginierten Formen dafür hatte Christl Wolf den Frauen der „Gasse“, die Protest tatsächlich betrieben, abgeschaut, was sie am 25. April 1918 verdeutlichte: „In Wien gibt’s seit dieser Woche kein Mehl, nur Mais und Haberreis, es ist haarsträubend. Am liebsten möchte ich dem Ernährungsamt die Fenster einhauen und dem Minister den Kopf dazu, dem Trottel.“ Das ist die eine Tendenz der zeitgenössischen weiblichen „Klage-“ oder „Jammerbriefe“. Sie entwickelte sich, je nach der sozialen und materiellen Situation der Frauen, früher oder später und brachte ihr durch die Kriegsverhältnisse gesteigertes Wissen um Politik zum Ausdruck. Das Interesse daran hatte bereits der Ausbruch des Krieges geschürt, als die durch Tageszeitungen und „ExtraAusgaben“ kolportierten Nachrichten in aller Munde waren und zu einer allgemeinen Politisierung führten, an der insbesondere die Frauen – aber auch viele Schülerinnen und Schüler – teilhatten.82 In 75

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der Folge nahmen sie sehr bald eine neue, aktive Rolle ein, indem sie in ihrer Feldpost Inhalte der täglich gelesenen Zeitungen und politische Debatten an der ,Heimatfront‘ oder auch in ihrer beziehungsweise des Ehemanns Partei nicht nur wiedergaben, sondern auch kritisch diskutierten.83 Umgekehrt wussten ihre Partner, obwohl sie sich im Kriegseinsatz befanden, vom Kriegsverlauf wie vom Geschehen in der Heimat oft nur sehr wenig und waren auch in dieser Hinsicht auf Briefe angewiesen – insbesondere dann, wenn sie keine Zeitungen erhielten und Postsperre herrschte. Damit führte der Krieg, je länger er dauerte, zu einer Veränderung, mitunter sogar zu einer Umkehr im Dialog der Geschlechter über Politik, was sich auch in der Kriegskorrespondenz Christl Wolfs andeutet, wenn sie ausführlich auf die Berichterstattung der Zeitungen oder Gerüchte über den Kriegsverlauf und Friedensverhandlungen eingeht. Dass daher Definitionen zu kurz greifen, die weibliche Briefe dem „engen Aktionsradius Familie“ zuordnen und als theoretische Prämisse davon ausgehen, dass Frauen Briefe schreiben, „anstatt Reisen, Geschäfte, Politik zu machen oder große Literatur zu schreiben“,84 möchte ich zuletzt am Beispiel einer zweiten Tendenz weiblicher „Jammerbriefe“ des Ersten Weltkriegs aufzeigen. Sie hängt zwar ebenfalls mit dem Bereich der Familie zusammen, bedeutete jedoch massives – letztlich politisches – Handeln und Intervenieren von Frauen, das mit ihrer Teilnahme an „Hungerkrawallen“, Streiks und Demonstrationen gegen den Krieg vergleichbar ist.

„[...] daß Du Dich, wie Du sagst, von einem ,Weib heimflennen läßt‘“ – Die ‚Heimat‘ greift nach der ‚Front‘ Denn eines vor allem verbindet Christl Wolf mit anderen Frauen jener Jahre: Sie nahmen es häufig nicht einfach hin, dass das ‚Vaterland‘ ihre Männer in den Krieg geschickt hatte, und versuchten, in ihren Briefen dagegen Einfluss zu nehmen. Dabei beriefen sie sich auf das Beispiel anderer Männer, die angeblich aus gesundheitlichen oder familiären Gründen Urlaub erhalten hatten oder erst gar nicht zum Dienst an der Front eingezogen worden waren, und übermittelten Informationen oder kursierende Gerüchte darüber, wie es anzustellen wäre, ins ‚Hinterland‘ versetzt zu werden. Die Palette der vorgeschlagenen Strategien reichte vom Ansuchen um Heirats-, Geburts- oder Ernteurlaub über den möglichen Verweis auf eine Erkrankung der Frau bis zur Aufforderung, den Feldwebel durch Geld zu bestechen.85 Fruchteten solche Ratschläge nicht, intervenierten viele Frauen auch selbst, sei es durch schriftliche 76

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Gesuche und dringliche Telegramme,86 oder sei es durch persönliche Vorsprachen bei Militärpersonen und Behörden, denen der Ruf anhaftete, bei den Enthebungen vom Militärdienst vor allem Korruption und Protektion walten zu lassen.87 All das wurde in Kriegsbriefen von Frauen offen artikuliert und ausgehandelt, und viele der entsprechenden Stellen lesen sich als Ausdruck eines erbitterten Ankämpfens gegen den Staat, das Militär oder verinnerlichte Ansprüche der Soldaten – was wohl mit ein Grund für jene Gefährlichkeit war, die weiblichen „Klage-“ oder „Jammerbriefen“ im offiziellen zeitgenössischen Diskurs beigemessen wurde. Das Beispiel von Leopold und Christl Wolf fügt sich in das Raster einer solchen Unterwanderung männlicher Pflichterfüllung durch Frauenbriefe, auch wenn die vielen diesbezüglichen Versuche letztlich vergeblich waren. Sie setzten ab dem November 1916 ein, als Leopold nach seiner Verwundung erneut im Kriegseinsatz war. Am 7. dieses Monats äußerte Christl eindringlich ihre große Sorge um das Wohlbefinden des Verlobten. Dabei berief sie sich auch auf einen befreundeten Arzt, der sagte, es ist überhaupt ein Wahnsinn, daß Du hinausgegangen bist, auf das, daß Du so schon seit Kriegsbeginn draußen warst, und noch dazu die Erkrankung im Sommer, hättest Du einen mehrmonatlichen Urlaub, oder einen ganz leichten Dienst im Hinterland anstreben können. Aber diese Predigt wird bei einem Ohr hinein und beim anderen heraus gehen fürcht ich bei Dir, gelt, oder solltest Du dich gebessert haben?

Schon am 3. Januar 1917 lesen wir dann in einem Brief, den sie einem rückkehrenden Urlauber mitgegeben hatte, der ihr bestätigte, dass Leopold Wolf ständig im Einsatz war, eine konkrete Aufforderung: Nun muß ich aber ein ernstes Wort mit Dir reden, und hoffe ich predige nicht tauben Ohren. Also Poldi, so geht das nicht weiter alles hat seine Grenzen, und wenn Du nicht irgendetwas unternimmst um die große Last Deiner freiwilligen und unfreiwilligen Pflichten teilweise auf andere Schultern zu laden, bin ich wirklich ernstlich besorgt. [...] Ich bitte Dich inständig, wirf ihnen alles hin und schau, daß du fort kommst. Haben sich so viele auf unrechtmäßige Weise ein gutes Platzerl ausgesucht, kannst Du es gestützt auf Deine Leistungen seit Kriegsbeginn, umso eher tun. Zumindest schau, daß Du jetzt auf Urlaub kommst. [...] Ich habe Dir schon einmal geschrieben darüber, aber Du scheinst das nicht gelesen zu haben, o. wollen, gelt? Diesmal aber folg, bitte! 77

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Dieses diskursive Grundmuster zwischen Bitten und Flehen oder, in der Sprache Christl Wolfs, ihrem „Lamentieren“ und „Gejammer“ auf der einen Seite und einem damit verknüpften Aufgebot verschiedenster Argumente auf der anderen Seite verfestigte sich in der Folge und gewann 1918 eine besondere Dramatik. Nun nahm das Bemühen, Leopold Wolf für einen „leichten Dienst im Hinterland“ „freizubekommen“, das er selbst noch 1917 durch ein entsprechendes, in seinen und Christls Briefen ständig angesprochenes Gesuch und mehrere Interventionen aktiv mitgetragen hatte, auch die Form eines Geschlechterkampfes an. Er steht als Ausdruck einer Entfremdung zwischen den beiden im Zuge der zugespitzten Heterogenisierung ihrer Lebenswelten und ihrer Erfahrungen, was ein durchaus verbreitetes Charakteristikum der Geschlechterbeziehungen in jener letzten Kriegszeit war. Der Konflikt verschärfte sich, nachdem gegen Leopold Wolf zu Weihnachten 1917 wegen angeblich mangelhafter Erfüllung seiner Aufgaben als Vorgesetzter und Auto-Offizier der Brigade ein gerichtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war.88 Zutiefst gekränkt in seiner Würde als „gewissenhafter Offizier, der noch echt österreichisch denkt und handelt“, äußerte er daraufhin in einem Brief vom 18. Januar 1918, aus dem diese Formulierung stammt, sogar explizit Kritik am Krieg beziehungsweise wie man nun einen Menschen behandelt, der in den Kriegsjahren die beste Zeit seines Lebens verbracht hat. Da möchte man gern vergessen, daß man auch ein guter Soldat ist, und mit den Wiener Arbeitern rufen: ,Genug! Ich halte mit!‘ Es ist wirklich kaum glaublich, daß es heute, nach 4 Jahren Krieg noch Leute geben kann, denen Existenz und Stellung eines Offiziers nichts ist [...]

Doch die solchermaßen artikulierte Erbitterung bewirkte, so scheint es, nichts dergleichen; Leopold Wolf blieb seinem Standesdenken auch in den letzten Kriegsmonaten verhaftet; über seine Sicht nach Kriegsende wissen wir leider nicht Bescheid.89 Anders als seine Frau, deren klassengemäße Orientierung in mancherlei Hinsicht brüchig geworden war, und anders auch als viele Soldaten, die ihren Kriegseinsatz im Jahr 1918 zunehmend verweigerten,90 reagierte er auf die sich dahinschleppende Untersuchung gegen ihn durch erhöhte Anpassung und Pflichterfüllung bis zum Kriegsende.91 Seine letzten erhalten gebliebenen Feldpostbriefe geben uns jedenfalls keinerlei Hinweis auf eine antagonistische Tendenz, im Gegenteil: Die „Wendung zum Privaten“92 blieb vorherrschend, und Leopold Wolf zementierte noch die skizzierte Offiziersperspektive auf angebliche Normalität des Krieges in der 78

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Etappe, was sich in gehäuften Erzählungen über die im Gegensatz zur Heimat reichliche Versorgung mit Lebensmitteln und Bedarfsgütern ebenso manifestierte wie in Hinweisen auf seine Arbeitsbelastung, aber auch auf wiederkehrende Langeweile. Das veranlasste die frischgebackene Mutter Christl Wolf, ihrerseits mehr denn je in Familienarbeit involviert, am 25. April 1918 sogar zur folgenden kritischen Bemerkung: Ich sag Dir der Tag wird mir zu kurz, kannst mir ein paar Stunden schenken, die Dir in Deiner Langeweile zu viel sind. Ich danke Dir noch herzlich für Deinen letzten Brief, aus dem ich leider bemerken muß, daß Du ein richtiger Faulenzer geworden bist, aber nicht so einer, den man zum Briefschreiben benutzt, sondern ein anderer. Lernt man diese löbliche Beschäftigung im Krieg?

Trotz oder gerade in der Konsequenz solcher kritischer Untertöne, die ich als Reaktion auf das Auseinanderdriften einer separierten männlichen und weiblichen Lebenswelt im letzten Kriegsjahr deute, intensivierte Christl Wolf nun ihre Bemühungen um eine Abberufung Leopolds massiv. Diese wurde ihr zwar immer wieder in Aussicht gestellt, trat aber nicht ein, weder vor der Geburt der Tochter, als sie verzweifelter denn je darauf wartete, noch in der Zeit danach. Besonders für die ersten Monate des Jahres 1918 belegen ihre Briefe eine beachtliche Bandbreite von entsprechenden Versuchen im Hin und Her starker Gefühlsschwankungen zwischen Hoffnung und zerstörter Hoffnung, Akzeptanz und Auflehnung. So schrieb sie beispielsweise am 5. Februar 1918: Also, daß Du mir noch immer Deine Ankunft nicht meldest ist garnicht [sic!] schön, ich hab geglaubt, Du kommst so Hals über Kopf nach Wien, und einstweilen merke ich nix davon. Kannst Du die Herren gar nicht stupfen, daß sie ein bissl schneller arbeiten, mit ihrer Aktenschmiererei, was anderes ist das so nicht.

In der darauffolgenden Zeit setzte Christl Wolf neben dem ausführlich formulierten Rat, für das Gesuch um Enthebung ins Hinterland nur ja alle denkbaren Gründe bis hin zur „enormen Schwächung“ der ökonomischen Existenz wie der Nerven seit Kriegsbeginn aufzulisten, zum Mindesten auf die Möglichkeit einer Beurlaubung des werdenden Vaters. Am 5. März 1918 schrieb sie in einem inständig flehenden Brief: Ich beschwör Dich liebster Poldi um meiner Gesundheit willen, laß kein Mittel unversucht, von dort wegzukommen, sag wegen drin79

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gender Familienangelegenheiten, oder wegen Krankheit Deiner Frau etc., schwätz das Blaue vom Himmel herunter, nur komm. [...] Du mußt nur recht energisch sein und nicht nachgeben. [...] Wie schön wäre es gewesen, wenn Du gestern gekommen wärest, wie es Deine Absicht war und nun bin ich trostloser als je.

Von solchen appellativen Strategien und ihren Ratschlägen abgesehen, versuchte Christl Wolf noch anderes, um ihren Mann baldigst ganz in Sicherheit und in ihrer Nähe zu haben. Sie wusste sehr wohl um die entscheidende Macht der Protektion, deren Möglichkeiten sie durch den wiederholten Verweis auf bekannte Offiziere, die aufgrunddessen vom Kriegsdienst an der Front nach Wien versetzt worden waren, zusätzlich untermauerte. Daher intervenierte sie auch als aktiv Handelnde, indem sie ihren im Kriegsministerium beschäftigten Onkel mit der Angelegenheit betraute. Als dieser „Traumichnicht“ jedoch allzu rasch „gehorsamst die Flinte ins Korn“ zu werfen schien, beschloss sie kurz vor der Geburt des Kindes, selbst beim zuständigen Herrn vorzusprechen, worüber sie ihren Mann im erwähnten Brief vom 5. März 1918 informierte: „Weißt Du daß ich schon entschlossen war, heute ins Kriegsministerium zum H. zu gehen? Du staunst über Dein freches Weibi [...] Ich weiß doch, daß so und so viele andere Frauen auch hinein gehen.“93 Von diesem Schritt ließ sich Christl Wolf im letzten Moment nur abhalten, weil ihr der Onkel doch zuvorkam. Er teilte ihr mit, daß „er zufällig Gelegenheit hatte mit H. zu sprechen und ihm meine Absicht mitteilte. H. läßt sich ergebendst empfehlen und mir sagen, daß ich mich nicht erst bemühen soll, er ist ganz genau orientiert, kennt alle Deine Wünsche und verspricht auch mir sein möglichstes zu machen.“ Doch alle diese Versuche fruchteten letztendlich nichts. An der Geburt des Kindes sollte Leopold Wolf zwar als im letzten Moment hinzugeeilter „Urlauber“ tatsächlich teilhaben, seine Versetzung zum Militärdienst in Wien gelang aber, wie wir bereits wissen, bis Kriegsende nicht – wohl auch deshalb, weil er selbst sie aufgrund seiner infrage gestellten Identität als höherer, befehlsgewohnter Offizier nicht mehr intensiv vorangetrieben hatte. Offenbar reagierte er auf die mit seinem Ethos kollidierenden „Jammerbriefe“ und die entsprechenden Bemühungen seiner Frau sogar in Anlehnung an jenen offiziellen Diskurs, der Männer, die sich vom Krieg abzusetzen suchten, zu „Drückebergern“ stempelte.94 Er hatte sich nur insofern arrangiert, als er sich anders als früher in der Etappe vor gefahrvollen Situationen „drückte“, wie er am 26. Dezember 1917 schrieb – wodurch seine soldatische Männlichkeit im Prinzip intakt bleiben konnte. Eine aussagekräftige Be80

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merkung Christls vom 7. Februar 1918 deutet jedenfalls auf seine Verinnerlichung eines entsprechenden Männerbildes ungeachtet der sich seit Längerem abzeichnenden Niederlage der Mittelmächte: Du brauchst Dich doch nicht schämen, liebster Poldi, daß Du Dich, wie Du sagst, von einem „Weib heimflennen läßt“. Ich mein Dir’s doch nur von ganzem Herzen gut, und nicht aus, vielleicht rechthaberischen Gründen, wie Du Dir es sonst bei Frauen vielleicht vorstellst, nicht wahr?

Damit ist schließlich auch jene weibliche Identität eindringlich bezeichnet, die durch den Krieg zweifellos widersprüchlicher geworden war. Denn Christl Wolf war bis zum Kriegsende in vielerlei Hinsicht sicher kritischer, selbstständiger und wohl auch selbstbewusster geworden. Ungeachtet dessen hielt sie an der Vormachtstellung ihres Mannes fest, was sich auch sprachlich äußerte, wenn sie ihre Aussagen, ihren Unmut und auch ihre Forderungen durch abschließende Formulierungen wie „gelt“ oder „nicht wahr“ wieder relativierte. Sie setzte bis zuletzt auf die alleinige Perspektive einer erfüllten Ehe gemäß traditioneller Vorgaben. Das aber wurde ihr verwehrt – vom kriegsführenden Staat wie von ihrem Mann, der diesem Staat bis zuletzt loyal blieb; dagegen kämpfte Christl Wolf im Sinne eines informellen politischen Handelns an. Wie schmerzlich sie die kriegsbedingte Erschütterung der konventionellen Geschlechterordnung selbst erfuhr, soll zuletzt ein Brief veranschaulichen, den sie am 11. Mai 1918 geschrieben hat – zu einem Zeitpunkt, als sie jegliche Hoffnung auf eine Versetzung ihres Mannes endgültig aufgeben musste: Was ich geahnt und längst befürchtet habe ist nun zur Tatsache geworden [...] Ich habe für eine solche Enttäuschung keine Worte, was würden sie auch nützen? Soll ich schimpfen o. soll ich klagen, es wird nicht anders. Ich grüble so den ganzen Tag nach, warum es gerade so u. nicht anders kommen mußte. Alle unsere schönen Hoffnungen zerstört, auf weiß Gott wie lange, und dieses entsetzliche Alleinsein, ich leide so darunter, so sehr ich mich auch aufraffe, schon um unser kleines Mädi willen, gelingt es mir nur sehr sehr schwer. Oft bin ich so trostlos daß ich mich am liebsten vergraben möchte. [...] Auch Deine in letzter Zeit so selten gewordenen Briefe sind nicht danach meine Stimmung zu verbessern. Freilich Dir wird’s auch nicht viel besser gehen, aber Du steckst mitten in der Arbeit drinnen [...], und somit mit Deinen Gedanken doch mehr abgelenkt bist als ich, die ich hier Tag für Tag vergeblich warte, die ich alles hergerichtet hab und mir bei jedem Handgriff denke, das ist für 81

den Poldi, oder das wird Dir Freude machen, so oft ich mein Kind anschau, denk ich mir wenn Du sie nur auch so sehen könntest. Es ist eine Zeit die für immer verloren.

Epilog Verloren war kurz darauf für die Mittelmächte auch dieser Krieg, der alles in allem fast zehn Millionen Menschen den gewaltsamen Tod gebracht hatte. Besonders in Deutschland und in der neuen Republik Deutsch-Österreich wurde die Schuld an der militärischen Niederlage auch den Frauen angelastet, als sich hier rasch die Legende vom Dolchstoß der Heimat in den Rücken der angeblich bis zuletzt „standhaft“ kämpfenden ‚Frontgemeinschaft‘ durchsetzte.95 Dabei war nicht nur die Rede davon, dass „die Frau“ in der Kriegswirtschaft „nicht das geleistet [hat], was sie hätte leisten können“. Auch die Denunziation weiblicher „Klage-“ oder „Jammerbriefe“ fand in diesem Kontext ihre Fortsetzung: Sie hätten die „Stimmung“ der Männer untergraben und damit in deren Wahrnehmung die Kluft zwischen „dem alles opfernden, schlecht bezahlten Krieger und dem gut bezahlten, genießenden Heimgebliebenen“ geschaffen.96 Dass sich in der hegemonialen Erinnerungskultur nach 1918 wirkungsmächtig das Bild des weiblichen „Klage-“ oder „Jammerbriefes“ verfestigte und hielt, war eine der ideologischen Manifestationen eines nunmehr vehement geführten „Geschlechterkrieges“, der darauf zielte, Frauen wieder auf ihre traditionellen Rollen und Räume zu beschränken.97 Die Heftigkeit der Anklage erklärt sich aus den Antagonismen der Wirklichkeit: Denn die Frauen hatten sich, wie wir gesehen haben, in der Praxis des Schreibens keineswegs auf die offiziell propagierte, ‚vorbildliche‘ Briefkultur im Kriege festlegen lassen. Sie handelten mitunter auch diametral entgegengesetzt, und die Funktionen der Briefe und Feldpostkarten waren so facettenreich wie die enorme Bandbreite weiblicher Einzelerfahrungen im Krieg – so wie umgekehrt das Erleben des Krieges und die Wahrnehmung der ‚Heimat‘ durch die Soldaten stets vielschichtig blieb. ‚Heimat‘ bedeutete für sie wie für ihre Angehörigen nicht nur ein etablierter Ort oder ein allein der Vorkriegszeit entlehntes Konstrukt, sondern konnte – als Vorstellung – ebenso auf eine noch offene Zukunft nach dem Krieg hin orientiert sein. In diesem Sinne habe ich mit dem Fokus auf die emotionale Dynamik in der Korrespondenz zwischen einem Paar im Verlauf des Krieges von einer doppelten Ausrichtung der Feldpost gesprochen und ihre große Bedeutung für die – mitunter 82

Feldpostbriefe

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konfliktträchtige – Imagination und Konstruktion von Familienbildern dargelegt. Männer und Frauen nutzten zwar durchaus die im ideologischen Diskurs geschürte Dichotomie von ‚Heimat‘ und ‚Front‘, indem sie selbst darauf rekurrierten, um ihre Erfahrungen zu deuten und Konflikte auszutragen. Zugleich aber suchten sie mit größter Intensität das Verbindende und Gemeinsame abseits der Realität des Krieges. Ihre private Korrespondenz war damit nicht nur Ausdruck der Verleugnung dieser Wirklichkeit, sondern auch Widerstand dagegen.

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Frauen Oesterreichs! Beklagenswerte Ereignisse haben Oesterreich den Krieg aufgezwungen. Wir müssen unsere Söhne, Gatten und Väter in den Kampf ziehen sehen und sehen unser Vaterland allen Schrecken, welche die blutige Rechtssühnung mit sich bringt, ausgesetzt. Unaussprechliches Leid bewegt uns, denn wir teilen die Geschicke unserer Lieben und bangen täglich und stündlich um die Fernen. Sollen wir passiv dulden und leiden? Das geziemt der Gattin und Mutter, der Staatsbürgerin nicht, sondern es ist an uns zu versuchen, wie wir die Not lindern, unsern Soldaten Erleichterungen, der Kriegsführung Unterstützung zuführen können. An den Frauen ist es jetzt ihre Arbeitskräfte, ihre organisatorischen Fähigkeiten und an Geldmitteln, so viel sie aufzubringen vermögen, dem bedrängten Vaterlande zur Verfügung zu stellen. Alle Opfer werden doppelt gelohnt werden, denn sie werden Hilfe bringen und es wird das Bewußtsein zu helfen, die bangen, gedrückten Gemüter erleichtern. Davon durchdrungen, daß es die Pflicht der Frauen ist, die Verwundeten zu pflegen, die Genesenden in Obhut zu nehmen, für die Kinder und alten Eltern der im Feld stehenden zu sorgen, den Behörden Hilfskräfte zu stellen, bitte ich im Namen des Bundes österreichischer Frauenvereine die österreichischen Frauen, die uns stets treu zur Seite standen, sich für den Dienst im Kriegsfalle zu organisieren. Wir wollen es uns zur Aufgabe machen die Zentralstellen aufzusuchen, in welche die Hilfskräfte einzureihen wären. Anmeldungen von Vereinen und Einzelpersonen erbitten wir Wien, III., Rochusgasse 7. Frauen Oesterreichs sammelt Euch, Eure Arbeit gilt dem Liebsten das Ihr habt; können wir den Krieg nicht hindern, so können wir doch dazu beitragen, manches Leid und manche Qual zu mildern. Seite an Seite laßt uns zu unseren Männern stehen, zu Oesterreichs Ehre! Eichberg, 27. Juli 1914 Marianne Hainisch Vorsitzende des Bundes österr. Frauenvereine1

Die „Frauenhilfsaktion im Kriege“ Weibliche (Selbst-)Mobilisierung und die Wiener Arbeitsstuben

Die Geschichte der Frauen in der Kriegsgesellschaft von 1914 bis 1918 ist nicht zu schreiben, ohne auch die große Bereitwilligkeit der ‚gemäßigten‘ bürgerlichen und der katholischen, aber auch der sozialdemokratischen Frauenbewegungen, sich aktiv für den Krieg zu engagieren, in den Blick zu nehmen. Diese ist insbesondere ein Phänomen der ersten Kriegshälfte und formierte sich schon im Sommer 1914 als selbsttätige Organisierung der Frauen, die ihrerseits auf staatliche Instrumentalisie­rung stieß – im Deutschen Reich wie in Österreich-Ungarn und anderen europäischen Ländern. So wurde beispielsweise für Deutschland untersucht, dass es dort Anfang August 1914 zum Zusammenschluss der bedeu­tendsten Frauenorganisationen im „Nationalen Frauendienst“ kam, „um fast die gesamte Kriegswohlfahrtspflege in ihre Regie zu nehmen“.2 Und noch in der zweiten Kriegshälfte, als es bereits breiten, auch von vielen Frauen getragenen Protest gegen die Fortsetzung des Krieges gab, richteten die Kriegsämter der Regierungsbehörden aller Militärbezirke hier sogenannte Frauenreferate ein, die überwiegend mit Vertreterinnen der ‚gemäßigten‘ Frauenbewegung besetzt wurden. Ihre primäre Aufgabe war nun die industrielle Frauenarbeit, die Mobilisierung von Arbeiterinnen für die Muni­tionsfabriken.3 So hatte sich zwar der Schwerpunkt des Kriegsengagements von Repräsentantinnen der damaligen bürgerlichen Frauenbewegung verschoben, nicht aber ihre Unterstützung des kriegsführenden ‚Vaterlandes‘ – die folglich in der Forschung sogar unter der provokativen Frage „Opfer oder Täter“? zur Diskussion gestellt wurde.4 Rasche Mobilisierung der Frauen gilt auch für den Kriegsbeginn in der österreichisch-ungarischen Monarchie: Am 27. Juli, das heißt sogar schon einen Tag vor der offiziellen Kriegs­erklärung an Serbien, veröffentlichte die Reichsorganisation der Haus­frauen Öster­reichs (ROHÖ), die damals in Wien und in ihren Ortsgruppen zu­sammen etwa 30.000 Mitglieder zählte, in den Zeitungen erstmals einen Aufruf „An Österreichs Frauen“, der ihre „Dienst­ leistung für die Kriegszeit“ einleitete.5 Auch die Katholische Frauenorganisation sowie der Bund Österreichi­ scher Frauenvereine (BÖV), der 1914 auf eine Gesamtmitgliedszahl von 40.000 Frauen aus 80 Vereinen verweisen konnte,6 handelten unverzüglich und erließen ihrerseits ähnliche Appelle. Sie appellierten, wie das ein85

Die „Frauenhilfsaktion

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Kriege“

gangs zitierte Beispiel des durch Marianne Hainisch vertretenen BÖV anschaulich belegt, dabei insbesondere auch an die Rollen der Frauen als „Gattin und Mutter“, was hier vor dem Verweis auf ihre Aufgabe als „Staatsbürgerin“ steht. Aus beidem leitete sich die Identifikation mit dem „bedrängten Vaterlande“ ab, das es jedenfalls zu unterstützen gelte, da ihm – wie der Aufruf des BÖV in Übereinstimmung mit der offiziellen Kriegsbegründung Österreich-Ungarns vertrat – der Krieg aufgrund der notwendig gewordenen „Rechtssühnung“ gegen Serbien „aufgezwungen“ sei.7 Der von der ROHÖ veröffentlichte Aufruf unterstrich zudem als herausra­gende Aufgabe der zu bildenden „Frauenhilfsaktion im Kriege“, dass diese die „strengste Solidarität“ zeigen und „den Arbeitswillen aller Frauen zum Ausdruck bringen“ müsse, indem „alle Gegensätze [...] schweigen“; ausgehend davon wurde die Unterstützung der „wirtschaftlich Schwächsten in her­einbrechender Not und Sorge“ angekündigt: Die Familie, die sich plötzlich ihres Ernährers beraubt sieht, soll durch Fraueneinigkeit, durch Frau­enkraft und Frauenarbeit vor dem Äußersten bewahrt bleiben. Wir wollen schleunigst eine Organi­ sation der Arbeitsvermittlung für die Frauen schaffen, deren Männer in den Krieg abbe­rufen wer­den. Wenn wir den Frauen und Müttern rasch Verdienstmöglichkeiten schaffen, dann müssen die Kinder nicht hungern.8

Im unmittelbaren Anschluss an diese Aufrufe namhafter Vertreterinnen und Vereinigungen der zeitgenössischen Frauenbewegung kam es im Rahmen der „Frauenhilfsaktion im Kriege“ in der Tat zur Koopera­tion der meisten bestehenden Frauenorganisationen9 – in Wien ebenso wie in an­deren Regionen und Städten der Monarchie, wo bestehende lokale Vereine und Fraueninitiativen in unterschiedlichen Konstellationen miteinbezogen wur­ den. Das belegen Berichte aus ein­zelnen Kronländern und Städten über die dortige „Kriegsfürsorge“, „Frauenkriegshilfe“, „Kriegshilfsaktion der Frauen“ oder „Kriegsarbeit der Frauen“.10 Vielerorts scheinen solche Initiativen Frauen erstmals zum öffentli­chen Agieren motiviert zu haben, was auch betont wurde – mitunter so, als habe erst die­ser ‚moderne‘ Krieg Möglichkeiten und Räume für die ‚weibliche Eman­zipation‘ ge­schaffen:11 Obwohl Frauen und Mädchen aller Gesellschaftsklassen der „Frauenkriegshilfe“ angehörten, wa­ren viele von ihnen vor Ausbruch des Krieges nie in die Öffentlichkeit getreten, jetzt aber fand man sie alle, ohne erst eine Vorsitzende zu wählen, Sitzungen und Reden zu halten, vereinigt, um für die Allgemeinheit zu schaffen.12 86

Weibliche (Selbst-)Mobilisierung

Allein der „Almanach des Kriegsjahres 1914–15 der patriotischen Frauen Öster­ reichs“, aus dem dieses Zitat stammt, gibt Einblick in die große Bandbreite und re­ gionale Streuung verschiedenster solcher Aktivitäten: In dieser Publikation ha­ben insgesamt 72 Frauen – Schriftstellerinnen (zum Beispiel Marie von Ebner-Eschen­bach), Sängerinnen, Schauspielerinnen und andere Künstlerinnen, Lehre­rinnen und Erzieherinnen, führende Frauen aus der bürgerlichen Frauenbewe­ gung (zum Beispiel Marianne Hainisch), aus Wohltätigkeitsvereinen und so wei­ter – ihr Wort für den Krieg erhoben; nur sehr wenige Beiträge plädierten für ein Beenden des Kriegszustandes, indem auch seine Schrecken dargestellt oder unter­schwellig Kritik ge­äußert wurde. Neben kriegsverherrlichenden Gedichten und literarischen Prosatex­ten finden sich hierbei, nicht selten recht pathetisch formu­liert, auch zahlreiche Tätig­keitsberichte über weibliche Kriegsfürsorge – aus Salzburg, Innsbruck, Graz und Villach, aus Brünn, Leitmeritz, Troppau und Prag. Sie erzählten vom ‚Labedienst‘ und der Verwundetenpflege, dem ‚Liebesga­ben‘-System und der Armen-, Mütter-, Kinder- oder Säuglingsfürsorge ebenso wie von Ausspeisungen, wohltätigen Weih­nachtsfeiern und durch Lehrerinnen lancierten Aktionen in den Schulen, vom Ein­kochen von Obst und der Herstel­lung von Scharpie und Wäsche für Spitäler oder Lazarette, von Geld- und Materialsammlungen, der Organisation von Kriegskoch­ kursen oder der Einrichtung von Näh- und Strickstuben und so weiter. Ebenso umfangreich ist jene Bilanz, die der Bund Österreichischer Frauenver­eine in seinem „Kriegskalender 1915“ veröffentlicht hat. „Wir trachten zu hel­fen!“ hieß es hier einleitend, gefolgt von der Feststellung, dass sich zu diesem Zwecke „die Frauen in der Reichshaupt- und Residenzstadt, in den Städten und Märkten aller Kronländer, wie in den kleinsten Orten auf Grund der Bezirksver­tretungen oder der Zweigvereine des Roten Kreuzes organisiert“ hätten.13 Der Hauptteil des „Kriegskalenders“ enthält eine Zusammenschau der „freiwilligen Kriegsfürsorge“ der „Wiener Frauen“14 sowie eine längere Beschrei­bung der „Kriegstätigkeit der Bundesvereine“, in der 82 verschiedene Trägernamen aufscheinen.15 Nur einige wenige davon konnten über keine einschlägigen Be­mühungen berichten, sei es, wie in einem einzigen Falle, aufgrund einer dezidiert pazifistischen Einstellung,16 sei es aus Mangel an Zeit oder anderen Hinderungs­gründen für die Erstellung eines Berichts, um den die Leitung des BÖV offenbar gebeten hatte.17 Die meisten der 82 Vereine – angefangen vom Akademischen Frauen­verein und dem Verein Athenäum in Wien über lokale Frauen(bildungs)- und Frauenerwerbvereine, spezifische Wohltä­tigkeitsvereine oder Berufsvereine von Lehrerinnen, 87

Die „Frauenhilfsaktion

im

Kriege“

Erzieherinnen, Stenografin­ nen, Postoffiziantinnen und Hebam­ men bis hin zu den Zweigvereinen der Vereinigung arbeitender Frauen – führ­ten jedoch zahlreiche Aktivitäten in ver­schiedenen Feldern der Kriegsfürsorge an. Diese konnten durchaus dem schon vor dem Krieg festgelegten Vereinszweck entsprechen, etwa wenn der Bund abstinen­ter Frauen in Österreich angab, „ganz besonders in den Labestellen gegen den Al­koholismus gewirkt“ zu ha­ben.18 Abgesehen von solchen Sonderfällen ergibt eine Zusammenschau ähnli­che Schwerpunkte wie die oben genannten des „Almanach[s] der patriotischen Frauen Österreichs“, wobei auch hier oft von Strick-, Näh- oder Arbeitsstuben die Rede ist. Dass darüber hinausgehend im „Kriegskalender 1915“ auch Arbeitsfelder wie die Durchführung von Erhebungen zu Fürsorgezwecken oder die Übernahme von Schreibarbeiten in öffentlichen Ämtern beschrieben wurden, hängt vermutlich mit dessen systematischer angelegten Bilanz weiblicher Vereinstätigkeit seit Kriegsbe­ginn zusammen. Dadurch wird hier die für weite Bereiche der organi­sierten Frauen-Kriegsfürsorge charakteristische Zusammenarbeit mit kommuna­len Einrichtungen, beziehungsweise die „staatliche Instrumentalisierung der vor­handenen Organisati­ onsstrukturen der Frauenbewegung“19 im Ersten Weltkrieg besonders deutlich. Die Mobilisierung der meisten „in den Frauenvereinen ge­einten Frauen“20 zur „Frauenhilfsaktion im Kriege“ zeitigte zwar mitunter, re­ gionalen Vorläufern und Gege­ benheiten folgend,21 verschiedene Bündnisse, doch ihre auf die Unterstützung staatli­cher Belange ausgerichtete Struktur scheint vielerorts auch ähnlich gewesen zu sein. Sie manifestierte sich etwa in einer häufigen Ansiedlung der „Frauenhilfsaktion“ in öffentlichen Gebäuden oder im Umstand, dass der Gattin des Bürgermeisters oder des Statthalters, aber auch an­deren Ehefrauen von Regierungsmitgliedern eine Schlüsselrolle zukam – was hier nur für Graz und Wien ausgeführt werden kann.22 In Graz wurde von den Frauen kurz nach der Kriegserklärung im Gebäude der Statthalterei, der Grazer Burg, eine „umfassende Hilfsaktion“ für die Steiermark eingerichtet. Die Anregung ging vom Präsidium des Allgemeinen deutschen Frauenvereins aus, und in Kürze schlos­sen sich der Initiative „sämtliche Frauenvereine von Graz, die Katholische Frauenorganisation, die übrigen konfessionellen Vereine, die nationalen Vereine, der sozialdemo­kratische Frauenverein, der Verband deutscher Hochschülerinnen, der Bund absti­nenter Frauen“ und die ROHÖ an.23 Sie alle entsandten ihre Vertreterinnen in den „steiermärkischen Frauenhilfsausschuß“, wie das unter dem Protektorat der Frau des Statthalters, Gräfin Clary und Aldringen, stehende „Frauenhilfskomitee“ bald hieß. 88

Weibliche (Selbst-)Mobilisierung

Seine Arbeitsschwerpunkte waren die „Krieger-, Kinder- und Arbeitslosenfürsorge“, wozu unter anderem Geldsammlungen durchgeführt, Küchen- und Desin­fektionswagen für Verwundetentransportzüge organisiert und Arbeitsstuben einge­richtet wurden. Eine Nähstube zur Herstellung von Monturwäsche und Tuchent durch „plötzlich brotlos gewordene Arbeiterinnen“ befand sich im Schulhaus des steiermärkischen Gewerbevereins, eine andere, in der vorwiegend „freiwillige Hilfskräfte“ tätig waren, in der Burg, und eine weitere, in der Frauen vorwiegend Hausschuhe für Spitäler anfertigten, gab es in der Grazer Bürgergasse 4;24 die Li­ste ließe sich höchstwahrscheinlich ergänzen.25 Darüber hinaus engagierten sich die Frauen der „Hilfsaktion“ hier beim Einkochen von Obst, das sie, ebenso wie von „steiermärkischen Jagdherrn“ gespendetes Wildbret, in den Spitälern verteilten, oder indem sie Wolle ankauften, die in den Schulen und von Frauen zu „Kälteschutz“ verarbeitet wurde. Sie pflegten außerdem in- und außerhalb des Roten Kreuzes verwundete Soldaten und betreuten Flüchtlinge, kümmerten sich um ‚Hinterbliebene‘ und arbeiteten an den Bahnhöfen – wo „die Gemahlin des Statthalters mit gutem Beispiel voranging und zu jeder Tages- und Nachtzeit trotz Kälte und Regen den übernommenen Labedienst durchführte“.26 Das ist wiederum ein Überblick, der „keineswegs den Anspruch erhebt, für lüc­kenlos zu gelten, da sich insbesondere viele Privatwohltätigkeit jeder Kontrolle entzieht“,27 wie Sylvia Glowacki es beurteilte. Sie weist damit auf komplexe Netze der „offiziellen“ und der „freiwilligen“ (weiblichen) Kriegsfürsorge hin, das sich von ober­sten staatlichen Instanzen bis hin zu privaten, gänzlich selbsttätig initiierten Aktio­nen spannte. In Wien erfolgte der Zusammenschluss von Frauen gleich zu Kriegsbeginn durch die Schaffung eines siebzehnköpfigen „Frauenbeirats“ unter der Leitung von Berta Weiskirchner, der Gattin des Bürgermeisters. Ihm gehörten folgende Vertreterinnen an: Marianne Hainisch, Hertha von Sprung und Rosa Wien vom BÖV, Helene Granitsch, Fanny Freund-Marcus, El­vira Rott und Tony Colbert von der ROHÖ, Anna Kaff, Mathilde Eisler und Emmi Freundlich von der sozialdemokratischen Frauenvereinigung, Sophie Guttmann vom christlichen Wiener Frauenbund sowie Clementine Metternich-Sandor, Herta Walterskirchen, Hanny Brentano, Hil­degard Burjan, Josefine Kurzbauer und Alma Seitz von der katholischen Frauen­organisation Niederösterreichs.28 Parallel zur Etablierung der Zusammenarbeit erfolgte die institutionelle Verankerung dieser „freiwilligen Frauen-Kriegsfürsorge“ in der „Kommune“. Nach dem Be­ginn der Tätigkeit in einem kleinen Lokal der ROHÖ am Getreidemarkt, wohin angeblich sofort 89

Die „Frauenhilfsaktion

im

Kriege“

nach dem Er­scheinen des ersten öffentlichen Aufrufs „Tausende von Hilfe Suchenden und Hilfe Bringenden [strömten]“, konnten die Frauen schon am 29. Juli 1914 in mehrere Räume einer vom Bürgermeister zur Verfügung gestellten Schule in der Wiener Gumpendorfer Straße übersiedeln. Dort wurden die „einzelnen Amtsge­biete“ – nämlich Aus­kunftserteilung, Arbeitsvermittlung und Zuweisung der ar­ beitslosen Städterinnen zur Erntearbeit, Kinderfürsorge, Unterstützungsausgabe – zwar „nach Zimmern ge­trennt behandelt“, doch auch diese erwiesen sich sehr bald als zu klein. Daher zog die „Frauenhilfsaktion“ wieder um, zuerst in Räumlichkeiten der Wiener Handels­kammer und von dort aus schließlich in das Wiener Rathaus.29 Hier hielt der nunmehr auch örtlich an die „Zentralstelle der Fürsorge für die Angehörigen von Einberufenen und für die durch den Krieg in Not Geratenen im Rat­haus“ angeschlossene, der kommunalen Verwaltung eingegliederte „Frauenbeirat“, beginnend mit dem 13. August 1914, regelmäßig einmal in der Woche eine Sitzung ab, um die rasch angewachsene „Frauenhilfsaktion“ in Wien zu koordinieren. Diese Treffen, an denen auch ein Obermagi­stratsrat namens Dr. Jakob Dont teil­nahm, der „den Damen“ angeblich „mit Rat und Tat in der liebenswürdigsten Weise zur Seite“ stand, wurden von Berta Weiskirchner geleitet.30 Dem „Frauenbeirat“ unterstellt wirkten in allen 21 Wiener Gemeindebezirken eine große Anzahl von ebenfalls großteils unbezahlt tätigen Helferin­ nen. Sie waren in 23 Arbeitskomitees gegliedert, deren Sitz meistens im Ge­meindeamtshaus des jeweiligen Bezirkes war; im ersten und dreizehnten Bezirk gab es zwei solche Arbeitskomitees. Ihnen stan­den je eine Leiterin und zwei bis vier Stellvertreterinnen vor, die aus verschiedenen Frauenorganisationen stamm­ten und vom Bürgermeister persönlich „beeidet“ wor­den waren. Unterstützt wurden sie von einem „Stab“ „angelobter“ Frauen, die sich zu bestimmten Dienststunden verpflichtet hatten.31 Insgesamt soll der Kreis der freiwilligen Mitarbeiterinnen der kommunalen Wiener „Frauenhilfsaktion“ am Be­ginn fast aus „tausend Damen“ bestanden haben; in der Folge reduzierte sich die Zahl bis 1916 allmählich auf etwa 700 Frauen.32 Ihre Fürsorgearbeit verteilte sich bis in das Jahr 1916 hinein, als sich die Aktivitäten verringerten und deren Schwerpunkte zunehmend verlagerten, im Wesentlichen auf folgende Aufgabengebiete: Die Frauen unterstützten die einzelnen Bezirksorga­nisationen bei den vielen Geld- und Naturalsammlungen, die ge­rade in diesem Krieg sehr häufig erfolgten,33 und bei den sogenannten „Freitischablösungen“, wo­durch mittels Spendengeldern Freitische bei öffentlichen Ausspeisungen ermöglicht wurden. Hier halfen sie 90

Weibliche (Selbst-)Mobilisierung

mit, indem sie kochten und das Essen auftrugen oder die Speisemarken verteilten. Weiters waren Frauen im „Recherchedienst“ sowie bei der Auskunftserteilung im Hinblick auf öffentli­che oder private (Kinder- und Säug­ lings-)Fürsorge und die Gewährung von Un­terstützung eingesetzt, und vor allem bei der allgemeinen „Hilfstätigkeit in Be­ziehung auf die Frauen der Einberufenen und der durch den Krieg in Not Geratenen durch Beistand mit Rat und Tat“, wozu auch die Mitwirkung bei der Arbeitsvermittlung und bei der Arbeitsbeschaffung und „insbesondere die Leitung der Arbeitsstuben (Näh- und Strickstuben)“ zählte.34 Damit sind wir wieder bei einer für die Frauengeschichte des Ersten Weltkriegs meines Erachtens besonders in­teressanten Einrichtung angelangt, die im Folgen­den am Beispiel der Haupt- und Residenzstadt Wien ausführlicher behandelt werden soll. Dabei ist abermals zu bedenken, dass solche Arbeitsstuben vor allem ein Phänomen der ersten Kriegsjahre waren und dann von anderen Aktivitäten der „Frauenhilfsaktion im Kriege“ beziehungsweise mancher Vertreterinnen der Frauenbewegung/en abgelöst wurden, oder aber nicht mehr dringlich schienen und aufgrund des gravierend gewordenen Mangels an Material aufgelöst wurden.

Die Wiener Arbeitsstuben Gerade die „Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten“ stellte laut Helene Granitsch „das wichtigste Problem“ dar, das die „Frauenhilfsaktion“ zu lösen hatte – wohl nicht zuletzt, da hiermit einer außerordentlich großen und breit gestreuten Gruppe von Frauen geholfen werden sollte: „[...] die vielen Existenzen, die nur infolge der au­ ßerordentlichen Kriegsereignisse ihren wirtschaftlichen Halt plötzlich ver­loren hat­ten, durften nicht der Armenunterstützung anheimfallen.“35 Wenn dazu in großem Ausmaß auf textiles Arbeiten zurückgegriffen wurde, hatte dies wohl mehrere zusammenhängende Ursachen: Es entsprach zum einen der Logik, mit der die patriotischen Fraueninitiativen damals weitestgehend am Konzept der ‚weiblichen Geschlechtscharaktere‘36 anknüpften, um sich dem kriegsführenden ‚Vaterland‘ zur Verfügung zu stellen. So galt als selbstver­ständlich, dass die ar­beitssuchenden Frauen jene angeblich genuin weiblichen Fertigkeiten bereits besa­ ßen oder aber leicht und schnell erlernen konnten. Zum anderen zeigte die Realität, dass insbesondere traditionell weibliche Berufe – darunter in bürgerlichen Verhält­nissen situierte Schneiderinnen und Näherinnen – zu Kriegsbeginn einen hohen Prozentsatz der erwerbslos 91

Die „Frauenhilfsaktion

im

Kriege“

gewordenen Frauen darstellten.37 Viele davon benötigten gerade in dieser Krisenzeit dringend be­zahlte Arbeit, um ‚stellvertretend‘ ihre Fa­milien zu erhalten. Warum also sollten nicht gerade sie von der Notwendigkeit profitieren, ein Millionenheer von Soldaten – es umfasste am Beginn des Krieges etwa 1.750.000 und zum Jahre­sende 1914 bereits eine Million mehr Einberufene38 – für den Winter auszurü­sten? Aus ähnlichen Überlegungen erklärt sich vermutlich auch das im Zuge meiner Analyse des patriotischen Handarbeitens der Schulmäd­chen recherchierte, erst im November 1914 offiziell aufgehobene Verbot des Wiener Bürgermeisters Weiskirchner, mit dem dieser im Sinne seiner der „Frauenhilfsak­ tion“ vorste­henden Gattin die „Strickarbeiten in den Wiener Schulen [...] im Inter­esse des Schutzes der zahlreichen Arbeitslosen in Wien“39 vorerst verhindern wollte.40 Eine solche Vorsichtsmaßnahme entbehrt trotz des riesigen Bedarfs an textilen Aus­rüstungsstücken nicht einer gewissen realen Grundlage. Denn schon in der ersten Kriegszeit, als weite Kreise noch der Vorstellung eines nur kurz dauern­den Krieges anhingen und niemand so genau wusste, wie viel „Kälteschutz“ und Ausrüstungsmaterial für die Soldaten nun tatsächlich notwendig sein würde, existierten allein in Wien mehr als 50 Strick-, Näh-, Flickoder Pelzstuben, von denen die meisten für das Heer arbeiteten – und damit jedenfalls weitaus mehr, als in der hi­storischen Literatur mitunter erwähnt wurden.41 Deren genaue Zahl konnte aufgrund unter­schiedlicher Angaben und Aufzählungen in den gesichteten Quel­len allerdings nicht exakt eruiert werden. Allein die vorne beschriebene, im Wiener Rathaus und in den einzelnen Gemeinde­ämtern organisierte kommunale „Frauenhilfsaktion im Kriege“ hatte Ende 1914 bereits 19 Strick- und Nähstuben inne, ein Jahr später waren es insgesamt 29 und im März 1916 wiederum 28 solcher Einrichtungen, die sich auf fast alle Wiener Gemeindebezirke verteilten.42 Vom August 1914 bis zum 31. Dezember 1915 wur­den hier angeblich genau 6.516.917 Arbeitsstücke herge­stellt und im Januar, Fe­bruar und März 1916 1.214.643 Stücke – wobei Paare sogar nur als ein solches Stück gezählt wurden.43 Die Zahl der in diesen kommunalen Arbeitsstuben beschäftigten Arbeiterinnen variierte stark: Je nach Auftragslage, die sehr kurzfristigen Schwankungen unterlegen war, wurden zwischen 2.000 und 8.000 Frauen beschäftigt, und zwar vor allem Nä­herinnen und Strickerinnen, wobei Letztere überwiegend als Heimarbeiterinnen tätig waren.44 Am Ende des Jahres 1914 sollen es zusammen etwa 7.000 Arbeiterinnen gewesen sein;45 anzunehmen ist, dass dieser Beschäfti­gungsstand 1915 nur am Anfang gehalten oder gar über92

Weibliche (Selbst-)Mobilisierung

schritten werden konnte. Denn schon in diesem Jahr setzte jedenfalls ein Rückgang ein. Im Januar 1916 waren von insgesamt 2.784 Arbeiterinnen 1.567 als Näherinnen und 1.217 als Strickerinnen registriert, im Fe­bruar des Jahres von 2.427 Arbeiterinnen 1.359 als Näherinnen und 1.068 als Stricke­rinnen, im März 1.916 von insgesamt nur mehr 2.016 Frauen 1.062 als Näherinnen und 954 als Strickerinnen.46 Neben diesen kommunalen Arbeitsstuben, die darum fallweise auch „Rathaus(näh)stuben“ genannt wurden,47 gab es zahlreiche andere. Ein Teil da­von wurde zwar ebenfalls von in der „Frauenhilfsaktion“ aktiven Organisatio­nen eingerichtet, aber zusätzlich zu den dort gemeinsam durchgeführten Initiati­ven als „selbstständige Fürsorgeeinrichtungen“48 des jeweiligen Vereins getra­gen; ein solches gleichzeitiges Mit- und Nebeneinander scheint typisch gewesen zu sein. So or­ganisierte die Katholische Frauenorganisation für Niederöster­reich eine Kriegsblu­sen-Nähstube im 18. Bezirk, die allerdings, wie es hieß, „in engem Anschluß an die Frauenhilfsaktion“ stand.49 Die ROHÖ in Wien betrieb zwei eigene Nähstuben (Fleischmarkt 28, 1. Bezirk, und Große Moh­rengasse, 2. Bezirk) sowie eine Strickstube (Mariahilfer Straße 28, 7. Bezirk) und zumindest eine Pelzstube, deren „Zentralsammelstelle“ bis zum 15. März 1915 tätig war.50 Außerdem gab es eine „Kriegswerkstätte“ dieser Organisation, in der 260 Frauen und 40 Männer „auf sechs Monate hinaus dauernden Verdienst“ erhielten, indem Zelte für das Heer angefertigt wurden.51 Ihre Strickstube gab im ersten hal­ben Jahr des Krieges Heimarbeit an über 860 Frauen aus,52 ihre beiden Nähstuben beschäftigten im selben Zeitraum etwa 200 Frauen,53 und diese Zahl erhöhte sich 1915 noch: In einem damals veröffentlichten Bericht gab Fanny Freund-Marcus für die zwei Nähstuben der ROHÖ zirka 80 Frauen an, die „in den Stuben selbst“, und 260 Frauen, die „dauernd mit Heimar­beit be­ schäftigt“ wurden.54 Einige der zum BÖV gehörigen Vereine hatten ebenfalls eigene Näh- und Strickstuben. Das ist für den Frauenbildungsverein im 23. Bezirk in Wien belegt, wo Mitte August 1914 eine Nähstube eröffnet wurde, und für die Frauenvereinigung für Soziale Hilfstätigkeit in Wien, die Anfang September 1914 zwei Strickstuben einrichtete.55 Auch der Verein „Settlement“ im 16. Wiener Gemeindebezirk, ein Zweigverein der aus Großbri­tannien stammenden, sozial- und bildungspolitischen „Settlement“-Bewegung, betrieb eine Nähund eine Strickstube. Erstere beschäftigte gegen Ende 1914 etwa 30, Letztere immerhin 110 Arbeiterinnen. Die Aktivistinnen des Vereins „Settlement“ waren allerdings bereits im September 1914 aus dem „Frauenkomitee“ des 16. Bezirks, „in welchem sie eifrigst 93

Die „Frauenhilfsaktion

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Kriege“

mitgearbeitet hatten“, ausgetreten, um sich ganz auf die konkrete Ver­einsarbeit im Kriege konzentrie­ren zu können.56 Schließlich gab es, abgesehen von einer bereits für das Jahr 1915 erwähnten „Flüchtlingsnähstube“ in der Zieglergasse im 7. Bezirk,57 mindestens noch 14 weitere, von der „Frauenhilfsaktion im Kriege“ gänzlich unabhängige Näh- und Strickstuben in Wien.58 Sie standen „unter hohen Protektoraten“,59 konkret unter der Schirmherrschaft „Ihrer kaiserlichen Hoheiten der Frauen Erzherzogin­ nen Marie Valerie und Maria Josefa“.60 Zwölf davon wurden vom Verein „Soziale Fürsorge für erwerbslose Frauen und Mädchen unter dem hohen Pro­tektorat der Frau Erzherzogin Marie Valerie“ getragen, dessen Ehrenpräsidentin die Gräfin Luise Fünfkirchen, eine geborene Prinzessin Liechtenstein, war. Dem Vorstand dieses katholischen Vereins gehörten Lola Gräfin Marschall und die bekannte christliche Sozialreformerin und spätere Sozialpolitikerin Dr. Hildegard Burjan61 als Präsi­dentinnen an.62 Da Letztere in ihrer Funktion als Leiterin des „Frauenarbeitskomi­tees“ im 12. Bezirk bereits erfolgreich eine Nähstube – die erste „Kriegsnähstube“ Wiens – gegründet hatte, beschlossen sie und die Gräfin Mar­schall, im Rahmen ih­rer Vereinstätigkeit gerade solche Einrichtungen aufzubauen. Sie fanden dafür, ab­gesehen von der Erzherzogin Marie Valerie, zahlrei­che Mitarbeiterinnen und Unter­stützende, von denen auffallend viele adeliger Herkunft waren – wie die Gräfin Wenckheim und die Gräfin Kottu­linsky, die für das Sekretariat des Vereins ein Lokal in der Operngasse 4 bereit­stellte, oder die Gräfinnen Kinsky-Wilczek, Seilern-Pejacevich und Wyden­bruckEsterházy, die eine „eifrige Sammeltätigkeit“ entfalteten.63 So gelang es diesem Verein, dem außerdem „Klöster, katholische Vereinsheime und andere Wohltäter [...] unentgeltlich, nur gegen Ersatz von Beleuchtungs- und Behei­zungskosten, schöne Räume“ zur Verfügung gestellt hatten, um in verschiedenen Bezirken Wiens seine zwölf Nähstuben einzurichten, ungefähr ebenso viele Einzel­stücke herzustellen wie die Arbeitsstuben des Rathauses. Während sich deren vorne wiedergegebenen Listen auf den Zeitraum bis Ende März 1916 beziehen und dafür eine Anzahl von 7.731.560 Arbeitsstücken bilanzieren, ent­hält die Zusammenschau des Vereins „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen [...]“ für die er­sten zwei Jahre, das heißt für die Zeit bis zum Som­ mer 1916, 7.250.000 genähte Wäschestücke (wie Militärhemden und -hosen, Spitals- und Bettwäsche, Schnee­mäntel), 1.260.000 Stück genähte Gewehrrollen und immerhin 94.500 Stück „Kälteschutzmittel“.64 Bedingt durch solche Men­gen konnte allein im ersten Kriegswinter rund 1.500 Näherinnen und 1.000 Strickerinnen „lohnende Arbeit“ ver­schafft werden.65 Auch sie waren in 94

Weibliche (Selbst-)Mobilisierung

den Nähstuben selbst tätig oder, so sie eine eigene Nähmaschine besaßen „und keiner Anlernung bedurften“ beziehungsweise „nur leichte Handnäharbeit oder Strick­arbeit anfertigen konnten“, als Heimarbeite­rinnen.66 Die meisten dieser Frauen stammten nicht aus den unteren sozialen Schichten: Vor dem Krieg waren sie „Kontoristinnen, Privatlehrerinnen, Arbeite­ rinnen der verschiedenen Luxusbranchen“ gewesen, oder Frauen, „die sich sonst nur dem Haushalt gewidmet hatten, durch die Not der Zeit aber gezwungen wur­den, zur Nadel zu greifen“.67 In diesem Überblick sind mehrere Probleme angeschnitten, mit denen die Wiener Arbeitsstuben zu kämpfen hatten – umso mehr, da ihre Anzahl beträchtlich war. Meine Bilanz enthält immerhin 55 verschiedene Näh-, Strick- und Pelzstuben, die in mehreren auf die ersten zwei Kriegsjahre bezogenen Quellen genannt wer­ den. Dazu kamen noch Stellen wie insbesondere die „Hilfsaktion Kälteschutz“ in der Schwarzenbergstraße: Sie betrieb zwar keine eigene Arbeitsstube für erwerbs­lose Frauen, vergab aber Aufträge an die kommunalen Strick- und Nähstuben. Außer­dem wurden hier nicht nur als ‚Liebesgaben‘ hergestellte Handarbeiten für Soldaten gesammelt oder „‚in die Arbeit‘ der Wohltätigkeit“ gehende Mädchen und Frauen beschäftigt,68 sondern in Form einer „Wollabteilung und Arbeits­ausgabe“ zusätz­lich Wolle und andere Materialien an solche Frauen ausgegeben, die daheim gegen Bezahlung arbeiteten.69 Vermutlich waren auch darunter nicht nur Frauen aus den Unterschichten, son­dern ebenso „Mittelstandsfälle“, wie Fanny Freund-Marcus es formulierte.70 Der Kreis der durch den Krieg brotlos gewordenen oder akut verarmten Frauen und Familien war jedenfalls groß und keinesfalls auf Industriearbeiterinnen oder entlassene Dienstmädchen beschränkt; daher war organisierte Hilfe umso dringli­cher. So gese­hen waren die Probleme, die sich anfangs stellten, um geeignete Räume zu finden und Näh- oder auch Handstrickmaschinen zu organisieren, wohl noch relativ ein­ fach zu lösen. Wir haben gehört, dass dem Verein „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen [...]“, der besonders viele eigene Arbeitsstuben betrieb, von katholischen Einrichtungen und „Wohltätern“ Räume zur Verfügung gestellt wur­den. Andere von Fürsorgevereinen eingerichtete Näh- und Strickstuben waren in vereinseigenen oder angemieteten Lokalen unterge­bracht. Die kommunalen Frauen-Arbeitskomitees wiederum griffen großteils auf Räumlichkeiten in öffentlichen Ge­bäuden zurück.71 Die Anschaffung der nötigen Maschinen erfolgte teils durch Ankauf, teils durch Ausleihen, sei es gegen wöchentliche Ratenzahlungen, sei es unentgeltlich.72 Um die „Einberufung aller verfüg95

Die „Frauenhilfsaktion

im

Kriege“

baren Näh- und Strickmaschinen“ zu erwirken, gingen die Initiatorinnen häufig auch in die Presse, wo eindringlich um Solida­rität mit den durch den Krieg besonders betroffenen Geschlechtsgenossinnen ge­worben wurde, wie das folgende Beispiel zeigt. Es ist ein im Duktus der offiziell inszenierten Kriegs­euphorie formulierter Aufruf, den die Gräfinnen Wenkheim und Marschall-Ale­ mann wenige Tage vor der Eröffnung der ersten Arbeitsstuben des Vereins „Soziale Fürsorge für erwerbslose Frauen und Mädchen [...]“ in der „Neuen Freien Presse“ ver­öffentlichten. Seine Überschrift lautete: „Leihet Nähma­schinen und Strickmaschi­nen!“ Nun darf keine Nähmaschine in Haushalten und in feiernden [sic!] Betrieben unbenützt stehen bleiben, denn das ist totes Kapital; mit jeder Maschine aber, die in den Dienst der Aktion gestellt wird, rettet man eine Existenz vor dem Schiffbruch. In dieser ernsten, aber doch so hochgemuten Kriegszeit stehen wir alle füreinander; der Ueberfluß des einen wird der Trost des andern, gerade so wie die Kraft des einen die Stütze des andern bildet. Unsere arbeitslosen Frauen und Mädchen haben freudig und tapfer ihre Männer, Söhne und Brüder in den Kampf geschickt. Sie opfern freudig ihr teuerstes Gut auf dem Altar des Vaterlandes – aber sie wollen auch nicht dem Elend überantwortet werden! Der Weg, um dies zu verhindern, ist die Einberufung aller verfügbaren Näh- und Strickma­schinen! Das Komitee bittet, dieselben im Büro der Zentrale, 1. Bezirk, altes Rathaus, Wipplinger­straße 8, per Karte oder mündlich anzumelden. Die Nähmaschinen werden dann abgeholt und in die Nähstuben verteilt. Nach Beendigung der Notstandsaktion werden sie den Besitzern zurückge­stellt.73

Wenn die ausgewerteten Quellen über die Wiener Arbeitsstuben der ersten Kriegsjahre keine Hinweise auf einen gravierenden Mangel an Nähmaschinen74 enthalten, kann angenommen werden, dass zumindest das kein besonderes Problem darstellte. Viel zentraler waren die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Aufträgen, was angesichts der großen Zahl von Arbeitsstuben kaum verwun­derlich ist. Zusammen mit der Knappheit an Material, die ständig wuchs und letzt­lich ganz außer Planung geriet, schuf diese Situation wohl oder übel Kon­kurrenz – und damit ein Konfliktpotenzial, das auf mehreren Ebenen der Bezie­hungen zwi­schen den beteiligten Frauen wirksam werden konnte. So gesehen, waren die zeit­genössischen Strick- und Nähstuben nicht nur ein außergewöhn­lich interessantes Modell, das durch Hilfestellungen und Zusammenarbeit sowie durch erhöhte Kom­munikation unter Frauen charakterisiert war. 96

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Zum einen ist die Konkurrenz zwischen den Arbeitsstuben der verschie­denen Vereine und Vereinigungen zu nennen. Ihr Beschäftigungsstand fluktuierte stark je nach Auftragslage und erforderte ökonomisches Kalkül, Verhandlungsgeschick und nicht zuletzt ‚gute Beziehungen‘. Denn am einträglichsten waren jedenfalls Heeresaufträge, da sie der weitaus größten Zahl von Näherin­nen und Strickerinnen Verdienst ermöglichten. So produzierten al­lein die Strick- und Nähstuben der kommunalen „Frauenhilfsaktion“ bis zum 31. Dezember 1915 insgesamt 5.996.831 Arbeitsstücke für die k. u. k. Heeres­verwaltung,75 wobei diese Liste verschiedenste Posten enthielt: Strohsäcke und Strohsack-Polster, Leintü­cher, Militärwäsche, Decken und Deckenüberzüge, Uniformstücke, Pelzmuffe, Gewehrgurten, Gewehrrollen, Sand-, Ruck- und Brotsäcke, Zeltblätter, Schneemäntel und Schneebrillen, Schutzmasken gegen Gasbomben, Hosenbänder, Bauch­binden, auch Fäustlinge, Wintersocken oder Schneehauben. Den Rest der weiter vorne genannten Gesamtzahl von 6.575.542 Arbeitsstücken stellten im Vergleich dazu nur 427.657 Stück Wäsche, Kompres­sen, Handtücher und Bettschuhe dar, die für (Kranken-)Anstalten angefertigt wurden, sowie 151.054 Stück, die als „Privatarbeiten“ definiert sind. Das waren Wäscheteile, Anzüge, Kinderkleider, Schlaf- und Unterröcke, Schürzen und Markttaschen, die von Privatpersonen in Auftrag gegeben wurden, um die Strick- und Nähstuben zu unterstützen.76 Ob diese so weitgehende Dominanz von Bestellungen durch Behörden der k. u. k. Heeresverwaltung auch darauf zurückzuführen ist, dass die kommunale „Frauenhilfsaktion“ die „größte Last der Arbeitsbeschaffung“ für ihre Näh- und Strickstuben „auf die Schultern“ jenes Obermagistratsrats Dr. Jakob Dont gelegt hatte, der, wie erwähnt, an ihren wöchentlichen Sitzungen teilnahm,77 bleibe dahingestellt. Ihre enge Verbindung zur Wiener Regierung führte vermutlich zu gewissen Bevor­zugungen bei der Auftragsvergabe durch öffentliche Einrichtun­gen und Militärbehörden, die zwar auch viele andere Arbeitsstuben mit Aufträ­gen versorgten, aber nicht in so einem großen Ausmaß oder zumindest nicht kontinuierlich. Diese waren daher umso mehr auch auf Eigeninitiativen angewiesen und entwickelten dabei mit­unter großes Engagement, um „jede Stockung“ im „Betriebe durch Aufstöbern aller nur für die Arbeiterinnen lohnenden Arbeits­gelegenheit [...] zu verhindern“.78 So rühmte sich die Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs nicht nur damit, dass ihre Strickstube für Weihnachten 1914 „große Aufträge“ vom Kriegsmini­sterium und vom Kriegsfürsorgeamt erhalten hatte, wobei die Organisation umge­kehrt 97

Die „Frauenhilfsaktion

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Kriege“

der zweitgenannten Behörde immerhin „500 komplette Wollgar­ nituren im Werte von 4.000 Kronen vor Weihnachten spendete“.79 „Als die Wolle gar wurde“, konnte sie einen Auftrag des Kriegsministeriums für 30.000 handgenähte Baschliks (Kapuzen) erlangen, wodurch die Strickerinnen zu Handnäherinnen umgelernt wer­den mussten.80 Diese als Notstandsarbeit in vier Wo­chen ausgeführte Bestellung entsprang einer Idee von Fanny Freund-Marcus, der zufolge die Baschliks aus weißgrauem „Doublestoff“ hergestellt wurden. Er sollte gewährleisten, „daß für den Schneefall die weiße Umhüllung des Kopfes der Soldaten, für das dunkle Erd­gelände die graue Umhüllung unsere Tapferen davor bewahrt, allzu deutliche Ziel­scheibe für die feindlichen Schüsse zu wer­den“.81 Die ROHÖ ergänzte auch die­sen Auftrag durch 200 zusätzliche Baschliks, deren Herstellung mittels eigener Spendengelder finanziert wurde; 100 solcher Baschliks gingen alsbald als ‚Liebesgaben‘ an die Karpatenfront. Es folgte ein Auftrag des Gewerbeförde­rungsamtes, das „Gewehrachselröllchen“ her­stellen ließ, dann wurden, „mit Rücksicht“ auf den baldigen Liefertermin, im Verein mit anderen Nähstuben „Flanelleibchen“ für Soldaten verfertigt.82 Weiters initi­ierte die ROHÖ, abgese­hen von der Pelzverarbeitung in ihrer Pelzstube, eine „dänische Papierdeckenak­tion“, die wiederum nicht nur von Aufträgen des Kriegsministeriums lebte, son­dern auch „viele Hunderte von Papierdecken als Spende der ROHÖ“ anfer­tigte.83 Der Verein „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen unter dem hohen Protektorat der Frau Erzherzogin Marie Valerie“ finanzierte den Großteil seiner Ausgaben zuerst ebenfalls durch Spendengelder. Gleich zu Beginn konnte das „durch die hochherzige Spende der hohen Protektorin und durch die eifrige Sam­meltätigkeit einiger Damen [...] aufgebrachte Betriebskapital“ in den Ankauf von Stoffen und anderen Arbeitsmaterialien investiert werden. Seine Verarbei­tung zu „Spitals- und Armenwäsche“ ermöglichte einerseits den hilfesuchenden Frauen be­ zahlte Beschäftigung und stellte andererseits eine karitative Fürsorgetätig­ keit des Vereins dar. Sie wurde durch „zahlreiche Bestellungen“ ergänzt, die „Mitglieder des Erz­hauses und des Adels“ in Auftrag gaben, um ihrerseits Spenden an Spitäler und Arme zu vergeben.84 Da aber solche Formen angesichts der rasch wachsenden Zahl erwerbsloser Frauen bald nicht mehr genügten, sahen sich auch die Initiatorinnen der Arbeits­stuben dieses Vereins noch 1914 genötigt, nach öffentlichen Aufträgen „Umschau zu halten“. Ihre „Bitte“ an das Kriegsministerium hatte Erfolg und brachte „im Wege des k.k. Gewerbeförderungsamtes, dem große Wäscheliefe­ rungen übertragen worden wa­ren“, für längere Zeit Näharbeit; danach kam ein großer Auftrag für Flüchtlingswä­sche, erteilt vom 98

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Ministerium des Innern.85 Erst im Herbst 1915, „als die militäri­ schen Bestellungen abzuflauen begannen“, griff der Verein, bevor er begann, seine Näh- und Strickstuben aufzulösen,86 noch einmal in größerem Ausmaß auf das an­fängliche Muster zurück, „um we­ nigstens jenen Frauen Arbeitsgelegenheit zu schaf­fen, die sonst dem Elend und Hunger preisgegeben wären“. Er kaufte wieder selbst um insgesamt 100.000 Kronen Stoffe und Wolle an und stellte weitere 30.000 Kro­nen für Arbeitslöhne zur Verfügung, wodurch immerhin noch ungefähr 5.000 Frauen- und Kinderklei­der sowie 5.000 „Wäschestücke, Socken, Strümpfe usw. ver­arbeitet“ werden konnten. Diese wurden an invalide oder bedürftige „Krieger“ und deren Frauen und Kinder verschenkt.87 Die hier erneut zum Ausdruck kommende Fürsorgearbeit von besser situierten „Damen“ für erwerbslose, vom Verhungern oder „Abfall“ in größtes Elend be­drohte „Frauen“88 begegnet in den zeitgenössischen Darstellungen immer wieder als zentrale Legitimation für die Errichtung und den Betrieb der Arbeitsstuben. Argumentiert wurde vor allem mit der Notwendigkeit, den hier beschäftigten Nähe­ rinnen und Strickerinnen ein ökonomisches Überleben zu sichern. Das zeigt auch das folgende Beispiel des Fürsorgevereins „Settlement“ im 16. Wiener Gemeinde­bezirk, einem traditionellen Arbeiterbezirk, der dort eine Nähstube zur Herstellung von Kleidung für Kinder von Arbeitslosen errichtet hatte. Er schlug eine weitere, vorne bereits erwähnte Gangart ein, um Aufträge zu erhalten, in­dem versucht wurde, Frauen der „besser situierten Stände“ dazu zu motivieren, jegliche Nähar­beiten nicht mehr selbst auszuführen, sondern damit eine Handarbeitsstube zu be­auftragen. Der folgende Pressetext verhieß, dass gerade so „den Aermsten“ geholfen werden könne. Gleichzeitig wurde um Material- und Geldspenden gebeten: Die Not der Arbeitslosen ist unbeschreiblich. Die Räume des Settlement fassen kaum die Reihen ar­beitssuchender Männer und Frauen, denn Fabriken und Betriebe aller Art haben ihre Tore geschlos­sen. Frauen besser situierter Stände, an euch geht unser Ruf! Habt ihr Näharbeiten wel­cher Art im­mer, tut sie nicht selbst; ihr nehmt den Aermsten das letzte Stückchen Brot! Wir ha­ben eine Näh­stube eingerichtet, wo geschickte Arbeiterinnen unter Aufsicht des Vereines bezahlte Arbeit finden sollen. Frauen, verschafft uns Arbeit! Braucht ihr nichts für euch selbst, verschafft uns Stoffe, daß wir für die Kinder der Arbeitslosen Wäsche und Kleider nähen lassen können! Verschafft uns Geld, damit wir unseren Arbeiterinnen Lohn zahlen können.89

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Die „Frauenhilfsaktion

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Kriege“

In diesem Kontext ist zu bedenken, dass viele Initiativen der „Frauenhilfsak­tion“ eine größere Anzahl von „besser situierten“ bürgerlichen oder adeligen Frauen erstmals direkt mit dem Elend der arbeitenden Klassen oder Arbeitslosig­keit in Be­rührung brachte, was das Pathos ihrer Parteinahme gesteigert haben mag. Auch in den Arbeitsstuben kam es zu einem Zusammentreffen von Frauen unterschiedlicher Klassen oder Schichten – und damit nicht nur zu gemeinsamen, sondern ebenso zu trennenden Erfahrungen. Lucy Laube, die Vorsitzende des deutschen Prager Frau­ enerwerbvereins, kleidete dies euphemistisch in folgende Worte: „Nun arbeiten wir still seit Mo­naten, im Verein, in unseren Nähund Flickstuben, viel Jammer und Elend ar­beitsloser Frauen zog an mir vorüber [...]“90 Das Modell war also durchaus ambivalent: Die Frauen-Arbeitsstuben des Ersten Weltkriegs waren einerseits durch von Frauen für Frauen initiierte und selbstverwaltete Produktionsverhältnisse charakterisiert, wo Frauen sich treffen und gemein­sam arbeiten konnten. Außerdem gelang es hier angeblich, das vor dem Krieg übli­ che, extrem niedrige Entlohnungsniveau von Heim- oder Textil­arbeiterinnen anzu­heben. Darauf verwiesen einzelne Initiatorinnen jedenfalls immer wieder mit Stolz, umso mehr, wenn sie in ihren Strick- und Nähstuben die von einem eigenen Lohn­ komitee der kommunalen Kommission für soziale Für­sorge festgelegten Sätze noch überschreiten konnten.91 In diesem Sinne mag stimmig sein, wenn Laube, wiewohl sie am oberen Aste einer auch hierarchisch aufgebauten Beziehung zwischen Frauen stand, von „unseren“ Näh- und Flickstuben schrieb. Andererseits darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass diese Einrichtungen für die beteiligten bürgerlichen und adeligen „Damen“ auf der einen und für die „Frauen“ auf der anderen Seite, die sich ihrerseits ebenso aus Angehörigen mehrerer sozialer Schichten rekrutierten, auch gänzlich differente Bedeutungen hatten. Während ihre Gründerinnen und Leiterinnen hier „freiwillige Kriegsdienstlei­stung“92 tätigten, um zum patriotischen „Liebeswerk der Frauen“ beizutragen, wog für die (Heim-)Arbeiterinnen eine grundsätzlich andere, rein ökonomische Funktion der Arbeitsstuben: Sie ermög­lichten ihnen in all dem „Jammer und Elend“ der Kriegssituation – zumindest zeitweise – ein karges Verdie­nen. Für viele von ihnen, besonders für die isoliert zu Hause in Heimarbeit strickenden und nä­henden Frauen, mag alles andere einerlei gewesen sein – auch der Umstand, dass sie mitunter sogar als ‚Liebesgaben‘ gespendete Materialien zu verarbeiten hatten, die von Sammelwagen eingebracht wurden.93 Die in diesem Bild symbolisch verdich­teten Gegensätze konterkarieren jedenfalls den in 100

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zeitgenössischen Schriften gerne beteuerten Zusammenhalt aller am Pro­jekt der Arbeitsstuben beteiligten Frauen au­genfällig. Doch über mögliche Aus­wirkungen der Differenz zwischen Arbeitgebe­ rinnen und Arbeitnehmerinnen auf die alltägliche Arbeits- und Lebenspraxis geben meine Quellen keinerlei Aus­kunft. Ein anderes Problem wird darin offenkundiger: Da die Zahl der für oder in Arbeitsstu­ben gegen Entgelt tätigen Frauen sehr groß war und die Milderung der kriegsbe­dingten Frauenerwerbslosigkeit als besonders dringlich galt, verwundert es nicht, wenn diese Einrichtungen heftig befürwortet und gegenüber möglicher Konkurrenz verteidigt wurden. Und Konkurrenz sichteten ihre Initiatorinnen und Leiterinnen nicht nur in den Millionen seit Kriegsbeginn ebenfalls handarbeiten­den Schulmäd­chen, was in Wien zum bereits erwähnten, bis November 1914 gültigen Verbot führte.94 Es war vor allem das karitative Stricken und Nähen der nicht auf Entlohnung ange­wiesenen Frauen, und hier vor allem der wohlhabenden adeligen und bürgerlichen „Damen“, das sehr kontrovers erörtert wurde. Dieses in „geselligen“ Stunden in Frauenvereinen oder in der Freizeit gemeinsam mit anderen Frauen, im Familienkreis daheim oder am Arbeitsplatz getätigte pa­triotische Handarbeiten stieß keineswegs nur auf Lob und Anerkennung, es musste sich im Gegenteil gerade von Geschlechtsgenossinnen auch heftig vorgetragene Kritik ge­fallen lassen, die zur Solidarität aufrief: „Mögen nun diese Frauen bei der Wahl ih­rer Arbeit vor allem daran denken, daß sie nicht andere schädigen. [...] Wenn eine wohlwollende Dame unentgeltlich Näharbeit übernimmt, so nimmt sie einer Nähe­rin ihr Brot“, hieß es beispielsweise schon Ende August 1914 in der „Österreichi­schen Volkszeitung“.95 Und Anfang September 1914 veröffent­lichte Berta Weis­kirchner in ihrer Funktion als Präsidentin der „Frauenhilfsak­tion im Kriege“ in der „Rathauskorrespondenz“ einen Appell an die Wiener Frauen, der in seiner Par­ teinahme für die (Heim-)Arbeiterinnen der Strick- und Nähstuben und der „Hilfsaktion Kälteschutz“ geradezu klassenkämpferische Töne anschlug. Das Mor­genblatt der „Neuen Freien Presse“ vom 6. September 1914 gab den Wortlaut unter dem Titel „Frauenhilfsaktion. Eine Mahnung der Gattin des Bürgermeisters“ wie folgt wieder: Seit Wochen kämpfen wir mit der großen Arbeitslosigkeit der Frauen und Mädchen und richteten ge­rade darauf unser Augenmerk, dieselben, welche einer schweren Arbeit nicht fähig sind, mit Strick­ arbeit zu beschäftigen. Tausenden von Frauen und Mädchen, die auf diese Arbeiten ange­wiesen sind, entziehen Sie, wenn Sie selbst stricken, den Verdienst und geben sie dem Hunger preis. Ich bitte Sie 101

Die „Frauenhilfsaktion

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alle herzlich, lassen Sie diesen Armen einen Lohn verdienen. [sic] In jedem Bezirke errichtete die Frauenhilfsaktion Nähstuben, wo Frauen und Mädchen sich dieser Arbeit gegen Entlohnung unter­ziehen, ebenso tat dies Exzellenz Frau Karoline Mataja. Auch sie nimmt sich gerade dieser Arbeit wärmstens an. Ich bitte Sie daher, ruhig an Ihren feinen Arbeiten wei­terzuarbeiten und bitte alle die Frauen, welche in dieser schweren Zeit noch Zeit zum Kaffee­hausbesuche haben, jeden Tag wenig­stens 20 H. zusammenzulegen und diese zur Anschaffung von Wolle entweder im Rathause, „Zentralstelle für Fürsorge“ oder bei Exzellenz Mataja, 1. Be­zirk, Schwarzenbergstraße 5, abzuge­ben. Sie würden für die gute Sache derart viel mehr tun, als wenn Sie tagelang an einem Socken stricken würden.96

Ausblick Die hier skizzierten Strick-, Näh- oder Pelzstuben waren vor allem ein Phänomen der ersten Kriegshälfte. Sie wurden, wie wir gesehen haben, entweder direkt durch die „Frauenhilfsaktion im Kriege“ oder durch andere Vereine und Vereinigungen betrieben, an denen Frauen maßgeblich beteiligt waren, und scheinen zumindest in der Großstadt Wien eine zunächst viel und gern favorisierte Einrichtung gewesen zu sein. Ungeachtet aller Zusammenhaltsund Einheitsrhetorik der Zeit waren diese Arbeitsstuben jedoch von Anfang an auch in einem Konfliktfeld situiert. Das zeigte sich an der Konkurrenzsituation, die zwischen den textile ‚Liebesgaben‘ herstellenden Schulmädchen und besser gestellten Frauen, die den Aufrufen zum so populären „freiwilligen“, das heißt zum aus primär patriotischen Motiven begründeten Stricken und Nähen für die Soldaten folgten, auf der einen Seite,97 und den auf Lohn für solche Tätigkeiten zur Ausstattung des Millionenheeres angewiesenen Frauen der ‚unteren‘ Schichten auf der anderen. Gerade die Unterstützungsinitiativen für kriegsbedingt entlassene Arbeiterinnen und Dienstmädchen beziehungsweise all jene Frauen, die durch die Einberufung ihres Ehemannes in große existentielle Schwierigkeiten kamen, gehörten zu den zentralen Aktivitäten der von allen großen Gruppierungen der damaligen Frauenbewegung/en organisierten und mitgetragenen Kriegsfürsorge-Initiativen; wie umfassend ihre Bandbreite war, wurde im ersten Teil dieses Beitrages behandelt. Dies änderte sich selbstverständlich, je länger der Krieg dauerte, umso mehr. Auch in Österreich-Ungarn stieß das kriegsunterstützende Engagement von Frauen somit an Grenzen – sowohl was die organisatorischen und materiellen Rahmenbedingungen dafür 102

Weibliche (Selbst-)Mobilisierung

anbelangt, als auch in Hinblick auf schwindende Zustimmung. Der Mangel an Material, Bedarfsgütern und Lebensmitteln wurde spätestens ab dem „Hungerwinter“ 1916/17 nicht nur in Wien dramatisch, was auch durch die immer häufiger durchgeführten Sammelaktionen in der Bevölkerung nicht wirklich gemindert werden konnte. Folglich spitzte sich die Konkurrenz um das in den Näh-, Strick- oder Pelzstuben zu verarbeitende Material zu, und sie wurden zunehmend aufgelöst. Die hier beschäftigten Arbeiterinnen mochten in die Rüstungsindustrie wechseln und/oder zu jenen Frauen gehören, die auf die Straße gingen, um gegen den Krieg und die kriegsbedingte Verelendung zu protestieren, während ihre Initiatorinnen sich vielleicht weiterhin in anderen Feldern der Kriegsfürsorge engagierten – oder aber, selbst unmittelbar mit Mangel und Tod konfrontiert, ebenfalls nur mehr das Ende des längst zur totalen Katastrophe gewordenen Massensterbens herbeisehnten. Solche Entwicklungen genauer zu untersuchen, wäre wichtig und dringlich.

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Der Schal Die junge Frau, die blonde, Erwartet ihr erstes Kind, Sie strickt mit weißen Händen An einem weichen Gewebe Und sinnt – und sinnt. Doch ist’s kein winzig Jäckchen, Kein leuchtendes Wickelband, Es ist ein Schal, ein schlichter, Graufarben wie Donausand. Sie strickt für unsre Soldaten Die tapferen im Feld, Den wollenen Schal wird tragen ein fremder junger Held. Er wird den Braven wärmen, Legt er im Frost ihn an Und wird ihn schmeicheln und streicheln, Wie nie ein Schal getan. Und wird ihn beschützen am Ende, Daß ihn die Kugel versäumt – Weil in das weiche Gewebe Fromm eine werdende Mutter Ihre Liebe hineingeträumt!1

Wäsche für Soldaten Die Militarisierung des weiblichen Handarbeitens

Die Frage der Militarisierbarkeit von Männern und Frauen oder vielmehr der Grenzziehung zwischen den Geschlechtern im Hinblick auf kriegsfördernde und -stützende Aktivitäten ist sehr komplex und wird auch innerhalb der feministischen Geschichtswissenschaft kontrovers diskutiert. Dabei sind Untersuchungen über die besondere Verbindung der männlichen ‚Geschlechtscharaktere‘ mit Krieg und Militär einerseits und über weiblichen Pazifismus oder den Opferstatus der Frauen andererseits genauso wichtig wie Analysen von (historischen und aktuellen) Formen weiblicher Bereitschaft zum Krieg – was für den Ersten Weltkrieg wohl in besonderer Weise zutrifft. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass sich Frauen massiv an diesem „vaterländischen“ oder „großen Krieg“ von 1914 bis 1918 beteiligten und sollten versuchen zu verstehen, warum von ihrer Seite – zumindest bis 1916 – kaum Widerstand kam. Das gilt nicht nur für die österreichisch-ungarische Monarchie, sondern insgesamt für die kriegführenden westlichen Länder.2 Zwischen dem im Sommer 1914 von ‚Kriegsbegeisterung‘ und patriotischer Inszenierung begleiteten Auszug der Männer3 und der Schreckensbilanz Ende 1918 – allein in die Länder der ehemaligen k. u. k. Monarchie kehrten von ca. 7,8 Millionen eingerückten Soldaten mindestens 1,2 Millionen „Gefallene“ nicht mehr zurück4 – lagen Jahre, in denen die zurückgebliebenen Frauen nicht einfach ausharrten und duldeten. Vor allem in den ersten beiden Kriegsjahren waren sie auch nicht nur mit der Sicherung der Existenz oder des Überlebens durch Erwerbsarbeit und Beschaffung von Lebensmitteln und Bedarfsgütern beschäftigt. Die Palette überwiegend, weitgehend oder zumindest maßgeblich weiblicher Aktivitäten für den Krieg ist breit: Sie reicht vom ‚Labedienst‘ an den Bahnhöfen über die Beteiligung an den zahlreichen patriotischen Sammlungen für die Kriegsfürsorge, der Arbeit in den öffentlichen Diensten, in der Rüstungsindustrie und anderen Branchen der Kriegswirtschaft, der freiwilligen Meldung als Rotkreuzschwester oder Sanitätshelferin, bis hin zur Zeichnung von Kriegsanleihen und zur besonders regen Teilnahme an den vielfältigen Initiativen zur emotionalen und materiellen Versorgung der Soldaten durch Stricken und Nähen oder andere Handarbeiten, dem Versand von sogenannten ‚Liebesgaben‘.5 Die Einbeziehung der Frauen, aber auch der Kinder, ihr Engagement im Ersten Weltkrieg ging damit 105

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Soldaten

„über in früheren Kriegen praktiziertes Scharpiezupfen, Sammeln und Beten weit hinaus“.6 Ausdruck dieses neuartigen Verhältnisses zwischen der eigentlichen ‚Front‘ und dem ‚Hinterland‘ ist die Bezeichnung des Letzteren als ‚Heimatfront‘, also die Unterscheidung zwischen nunmehr zwei Kriegszonen, die es beide zu mobilisieren galt. Dafür konnte viel weitgehender als früher auf Strukturen und Organisationen des bürgerlichen Staates – wie Schulen, Vereine et cetera – zurückgegriffen werden. Ein damit zusammenhängender wichtiger Unterschied zu vorherigen Kriegen ist die aufgrund der Entwicklung der modernen Massenkommunikation möglich gewordene breit angelegte psychologische Kriegsführung, mit der die Mobilisierung der ‚Heimatfront‘ versucht und – zumindest bis in die Kriegsmitte respektive in das Jahr 1916 hinein – weitgehend auch erwirkt wurde.7 Auch so gesehen ist die Bezeichnung ‚Heimatfront‘ keineswegs nur ein häufig verwendeter Begriff der historischen Weltkriegsforschung, um solche Aspekte der modernen Kriegsführung zu charakterisieren. Analogien zwischen ‚Front‘ und ‚Heimat‘, Soldaten und Frauen oder Kindern finden sich im zeitgenössischen Diskurs vielfach und vielseitig variiert, zum Zwecke der Kriegspropaganda und der Mobilisierung der gesamten Bevölkerung. Sie sind dafür geradezu konstitutiv und wurden ebenso von Frauen verwendet: Das Kriegsdienstleistungsgesetz vom 26. Dezember 1912 [...] hat auf uns Frauen vergessen. Die Ereignisse haben aber bewiesen, daß Österreichs Frauen des geschriebenen Gesetzes nicht bedurften, sondern daß sie im vollen Bewußtsein der Pflichten aus eigenem Antrieb zur Kriegsarbeit sich mobilisiert haben. [...] Denn wie die Männer mit eiserner Kraft die Grenzen unseres Vaterlandes verteidigen, sind wir Frauen berufen, im Innern des Landes die wirtschaftliche Verteidigung zu führen.8

So entlarven bereits damalige Formulierungen den Mythos, dass Krieg eine Angelegenheit der Männer sei, die „in den Krieg“ ziehen und „daheim“, am ruhigen und „heilen“, angeblich zu verteidigenden Ort, Frauen und Kinder zurücklassen. ‚Heimat‘ war wesentlich mehr Kriegsschauplatz und etwas gänzlich anderes geworden als das Konstrukt in den Köpfen und Sehnsüchten der Soldaten und Heimkehrer, welches eine 1901 geborene Waldviertler Bäuerin namens Maria Beischlager, nicht ohne auch bitter gemeinte Ironie, folgendermaßen auf den Punkt gebracht hatte: „[...] freudig für Gott Kaiser und Vaterland sind [sie] in den Krieg gezogen, krank und zerlumpt in die Heimat, Heimat das einzige Glück“.9 106

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des weiblichen handarbeitens

Die Mobilisierung der weiblichen Bevölkerung setzte gleich mit Kriegsbeginn ein. Sie erfolgte über den ganzen Zeitraum des Krieges hinweg, durch verschiedene Maßnahmen, auf der propagandistisch-ideologischen ebenso wie auf der legistisch-politischen Ebene. Einige Aspekte davon sind bereits genauer untersucht, vor allem im Kontext der Produktions- und Dienstleistungsbereiche als bis dato männlichen Domänen – wie der Anstieg der letztendlich nur kriegsbedingten industriellen Frauenarbeit,10 die Beschäftigung der Frauen in der Rüstungsindustrie oder anderen Branchen der Kriegswirtschaft,11 die geradezu legendär gewordene Erscheinung der Schaffnerin und Ähnliches.12 Im Folgenden konzentriere ich mich im Gegensatz dazu, um die Bereitschaft von Frauen und Mädchen zur Unterstützung des Ersten Weltkriegs in Österreich beziehungsweise vielmehr den deutschsprachigen Gebieten der k. u. k. Monarchie darzulegen (und zu verstehen), auf Zuständigkeiten und Tätigkeiten, die als genuin weibliche definiert wurden und werden. Aufmerksam geworden durch die Texte der popularen Autobiografik, interessierte mich in diesem Zusammenhang vor allem das Stricken und Nähen, das Beschaffen, Be- und Verarbeiten von textilem Material während des Krieges, sofern es abseits der industriellen oder gewerblichen Produktion erfolgte. Es ist ein Bereich der sogenannten Hausarbeit, welcher gemeinhin als reproduktive und daher unbezahlte (Schatten-)Arbeit, als ‚weibliche Aufgabe‘ gilt; das korreliert mit den normativen (bürgerlichen) Konzepten der ‚guten‘ (Haus-) Frau, die ab dem 19. Jahrhundert immer mehr schicht-/klassenübergreifend auch die Mädchenerziehung leitete.13 Den konstituierenden Anteil des Handarbeitens an der Herausbildung eines solchen „weiblichen Sozialcharakters“ ebenso wie die Genese der geschlechtsspezifischen Zuschreibung im Zuge der Verbürgerlichung der Gesellschaft hat insbesondere Dagmar Ladj-Teichmann untersucht.14 Die Stimmen, denen ich in dieser Sache Kompetenz zuschreibe, gelten in der Forschung noch immer vielfach als eher bedeutungslose, im Abseits historischer Relevanzen erhobene. Sie befinden sich, zahlreich vertreten, im Bestand der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität, wo seit den 1980er-Jahren eine große Bandbreite von zumeist unveröffentlichten, retrospektiv verfassten autobiografischen Manuskripten archiviert wird.15 Ihre Hauptmerkmale – Herkunft der Autorinnen und Autoren aus gesellschaftlichen Unter- oder Mittelschichten, Niederschrift der Erinnerungen vorerst für Kinder und Enkelkinder, also im familiären Kontext16 – führten dazu, solche Lebensberichte als populare 107

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Autobiografik zu bezeichnen, die eigene Charakteristika aufweist. Damit wird auch ihr Unterschied zur traditionellen Autobiografik als Domäne des (männlichen) Bildungsbürgertums, der gesellschaftlichen Oberschichten, zur von diesen zugrundegelegten Annahme der Bedeutsamkeit des Lebens für die Öffentlichkeit charakterisiert.17 Diesen Quellenbestand durchforstete ich nach Kindheitserinnerungen an die Jahre des Ersten Weltkriegs. Dabei wurde ich mehr als fündig, gerade auch in Hinblick auf um 1900 geborene Frauen. Zusätzlich regte ich einige Vertreterinnen dieser Generation, die die Kriegsjahre in ihrer Kindheit zunächst nur knapp, fragmentarisch festgehalten hatten, zu ausführlicheren Texten an18 – was die Annahme, dass das Handarbeiten im Ersten Weltkrieg ein einzigartiges und insbesondere ein gewichtiges Puzzle im komplexen Zusammenspiel der verschiedenen Facetten weiblicher Kriegsunterstützung gewesen ist, noch erhärtete. Die Texte der popularen Autobiografik ernst zu nehmen hieß, eine auffallend häufige Schwerpunktsetzung in der lebensgeschichtlichen Darstellung der Kriegsjahre 1914 bis 1918 durch damalige Mädchen zu einer primären Fragestellung zu machen. Denn das kriegsbezogene weibliche Handarbeiten taucht hier fast ebenso oft auf wie die Erfahrungen mit dem Hunger, der Lebensmittel- und Bedarfsgüter-Knappheit, der damit verbundenen Überlastung der Mütter und dem stundenlangen Anstehen um Essen und Kohle.19 Es wird dabei vor allem als eigene Mädchenarbeit oder, seltener vorkommend, als Arbeit der Mütter, Nachbarinnen und Bekannten beschrieben, wobei der Tenor dieser Erinnerungspassagen immer wieder ähnlich klingt. Sie sind, wie zu zeigen sein wird, in der Tat von einer Konformität getragen, die innere Bilder von ständig handarbeitenden Mädchenkolonnen provoziert – als wären sie, früh geübt, damals einfach alle unmittelbar dazu übergegangen, ihre Schals, Socken, Näharbeiten et cetera für die Soldatenkolonnen zu verfertigen. Vom „berühmte[n] ‚Stricken für die Front‘“20 und von den Nähund Strickstuben, initiiert und geleitet auch von Frauen der Frauenbewegung, ist in der mir bekannten einschlägigen Forschungsliteratur mitunter kurz die Rede.21 Es wurde jedoch, soweit ich zu überblicken vermag, nicht genauer untersucht, wie dieses Stricken und Nähen so schnell und überregional organisiert werden konnte und vor allem, warum es gerade im Ersten Weltkrieg so effizient war und eine so große Akzeptanz erfuhr, was dies für eine Analyse des weiblichen Verhältnisses zum Krieg bedeutet und zum Verständnis der Kriegsgesellschaft beitragen kann. Nach den Spuren für solche Zusammenhänge suchte ich schließlich auch in anderen 108

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Quellen: in ministeriellen Akten im Österreichischen Staatsarchiv sowie einigen zeitgenössischen Publikationen. Sie belegen ebenfalls die hohe Bedeutung des hier gewählten Themas für die Mobilisierung von Frauen und Mädchen im Ersten Weltkrieg – weit über das familiäre Feld hinaus.

„In der Schule war das Handarbeiten ganz auf den Krieg eingestellt“ Denn vermehrt gestrickt und genäht wurde in diesen Jahren keineswegs nur für Brüder oder für Väter und andere Familienangehörige, seien sie eingerückt gewesen oder nicht. Die Kriegsgesellschaft wusste die von den Mädchen meist schon im Vorschulalter mit vier bis fünf Jahren angeeignete weibliche Fertigkeit des Handarbeitens viel unmittelbarer für den Krieg zu nutzen. Sie ‚sprengte‘ den ansonsten abgeschiedeneren Raum des Hauses und Haushaltens der Frauen und Mädchen, deren familiale Schattenarbeit wurde in einem sehr weitgehenden Ausmaß öffentlich, gar zum Politikum, und militarisiert. Bleiben wir, um das zu zeigen, zuerst bei den Texten der popularen Autobiografik. Das Handarbeiten für den Krieg wird darin oft beschrieben und taucht hier zumeist im Kontext der Schulen auf. Das folgende Beispiel der in der Nähe von Wien geborenen Maria Achernig belegt seine damalige Bedeutung für die Mädchen auch deshalb, weil es sogar in einem äußerst knapp gehaltenen, nur drei Seiten umfassenden Lebensbericht, diesen fast einleitend, erinnert wird: 1903 geboren in Baden, Steinbock, bei –20 Grad sagte meine Mutter. In der Bürgerschule mußten wir nachmittags in der „Patronage“ – ein Zimmer im Kaiserhaus – für die Soldaten Socken aus grauer Schafwolle stricken und bekamen dafür von Baronessen serviert eine Kakaojause.22

Ausführlicher schrieb die Arzttochter Christine Schleifer, geboren 1902 in Retz in Niederösterreich, wo sie auch aufwuchs, zum Thema. Hier ein Ausschnitt: In der Schule war das Handarbeiten ganz auf den Krieg eingestellt: Wir zupften Scharpie, die für Watte verwendet wurde, nähten Soldatenwäsche und strickten alles mögliche, da der Winter nahte. Jedes fertige Stück wurde der Handarbeitslehrerin übergeben, die die Wäsche weiterleitete.23 109

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Ähnlich verbindet Maria Beischlager, geboren 1901 in Zitternberg bei Gars in Niederösterreich, von der eingangs bereits kurz die Rede war, das Stricken in der Schule argumentativ mit der Kälte des nahenden Winters: Dann kam der erste Weltkrieg, da mußten wir dann in den höheren Klassen für die Soldaten in Rußland warme Socken, Kniewärmer und größere Schneehauben, die weiter in den Nacken reichten, damit sie gut wärmten, stricken. Und alte Leinwandstücke mußten wir von zu Hause mitnehmen und zerzupfen, das gehörte für die Verwundung.24

Außerdem sei hier noch Margarete Feuerbach zitiert, die 1905 als 13. Kind einer kleinbürgerlichen Familie in Wien geboren wurde. Sie führte unter anderem das schon genannte Scharpiezupfen aus: In den Handarbeitsstunden mußten wir für die verwundeten Soldaten Scharpie zupfen. Was ist das? Nun, wir mußten aus sauberen alten Leinenflecken, die zu Hause nicht mehr gebraucht wurden, die einzelnen Fäden herauszupfen, die dann für Verbandzeug verwendet wurden.25

Aus diesen Berichten spricht Konformität und Zwang, manifestiert im häufigen „wir“ und „müssen“ und im wiederholten Hinweis auf die Schule, die fast ausschließlich auf autoritäre, Obrigkeitsglauben vermittelnde Erziehung abzielte.26 Aber auch eine Palette von Möglichkeiten der Organisation dieses Handarbeitens wird deutlich: Die im „Kaiserhaus“ agierenden „Baronessen“ bei Maria Achernig implizieren eine eher private, jedenfalls außerhalb des normalen Unterrichts durchgeführte Initiative patriotischer Frauen; der hier erinnerte Kakao mag bedeuten, dass die Kinder für ihre Mühe extra belohnt wurden. Die anderen Autorinnen verbinden das Stricken und Scharpiezupfen mit den obligatorischen Handarbeitsstunden und nennen oder belegen nicht die Instanz der Lehrerinnen beziehungsweise der Schulen für die Weiterleitung der Produkte ihres Fleißes. Das „vaterländische“ Handarbeiten wurde, einsetzend mit der Generalmobilmachung, tatsächlich sehr schnell und von verschiedenen, sich manchmal auch konkurrierenden Gruppen, Institutionen oder Vereinen organisiert. Daher kam es, nicht ohne Erfolg, rasch zu Bestrebungen einer überregionalen Vereinheitlichung. Folgen wir diesbezüglich zuerst dem Pinselstrich eines männlichen Ideologen und nichtsdestotrotz kühl rechnenden Arithmetikers, der die einrückenden uniformierten Soldatenkolonnen tatsächlich 110

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bestrickt sehen wollte von uniformen Kolonnen handarbeitender Mädchen. In einem mit 21. September 1914 datierten Brief des Lehrers Eduard Blitz an den damaligen Minister für Kultus und Unterricht heißt es: Zu den wichtigsten Ausrüstungssachen für die im Felde stehende Armee zählen sehr starke, handgestrickte Socken, deren Beschaffung der k. u. k. Heeresverwaltung am wenigsten leicht fallen dürfte. [...] Wenn die Schülerinnen aller Schulgattungen in ganz Oesterreich bez. Ungarn im Handarbeitsunterrichte sich ausschließlich mit der Herstellung von Strümpfen befassen würden, könnte innerhalb ganz kurzer Zeit, auch wenn jede Schülerin nur 1 Strumpf abliefert, 1 Million Paar zur Verfügung gestellt und während des Winters ganz bedeutende Mengen nachgesandt werden. Die allgemeine Unkenntnis des Strickens starker Strümpfe wird bald behoben sein, da ja alle Schulen eines Kronlandes nur eine einzige Größensorte herstellen brauchen. [...] Die Nutzbarmachung der in der Schuljugend schlummernden Kräfte für den Staat würde aber auch einen großen Vorteil für das gesamte Volk bedeuten, da eine Handfertigkeit wieder erlernt würde, die gerade für die unteren Schichten des Volkes von großem Werte ist.27

Der so unterbreitete, mit einer angeblich notwendigen Disziplinierung gesellschaftlicher Unterschichten durch Handarbeiten – und damit in einer historisch bis in die Anfänge des Prozesses der „Sozialdisziplinierung“ zurückreichenden ideologischen Tradition28 – argumentierende, im Konjunktiv verfasste Vorschlag war mehr denn Ausgeburt der Fantasie eines patriotischen Pädagogen. Das Schreiben stieß im k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht bereits auf einschlägige Bemühungen, die es vermutlich beschleunigte. In einer schriftlich ergangenen „ReferentenErinnerung betreffend die Hinausgabe von Weisungen hinsichtlich der Anfertigung warmer Kleidungsstücke für die Soldaten durch die Schulmädchen“, protokolliert am 27. September 1914, wurde sowohl an schon gesetzte Initiativen angeknüpft als auch ein entsprechender überregionaler Erlass beraten, der wenige Tage später verlautbart wurde.29 Die „Handfertigkeit“ der Schülerinnen musste jedoch nicht erst „wieder erlernt“ werden, ihre „Nutzbarmachung“ war wenige Wochen nach Kriegsausbruch schon weit fortgeschritten – weiter als bis zu den Socken des patriotischen Herrn Lehrer. So wird in der zitierten „Referenten-Erinnerung“ vermerkt, dass eine „allgemeine Weisung“ „im Gegenstande“ an die Landesschulbehörden auch deshalb notwendig sei, 111

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damit der in einzelnen Schulen bereits eingeführten Strickarbeit der Kinder nicht etwa seitens der vorgesetzten Schulbehörden entgegengetreten, dieselbe vielmehr tunlichst allgemein eingeführt werde, und die Herstellung der in Betracht kommenden Bekleidungsstücke in einheitlicher Weise nach den vom Kriegsfürsorgeamt gegebenen Anweisungen erfolge.30

Der k. k. Landesschulrat für Niederösterreich – für jenes Kronland also, in dem Maria Beischlager, Christine Schleifer und Maria Archernig damals Schulmädchen waren – hatte in dieser Sache bereits am 26. September 1914, damit einen Tag vor dem genannten Protokoll, einen „dringenden“ Erlass an „alle Bezirksschulräte, Ortsschulräte und Schulleitungen Niederösterreichs außerhalb Wiens“ verlautbart.31 Darin wurden die genannten Behörden aufgefordert, im Handarbeitsunterricht aller „gemischten Mädchen-Volks- und Bürgerschulen“ nur noch als „Kälteschutz“ – so der zeitgenössische Begriff – für die Soldaten bestimmte Arbeiten ausführen zu lassen. Weiters, so hieß es hier, würde die Sache „wirksam unterstützt werden, wenn die schulpflichtigen Mädchen [...] nicht bloß innerhalb der Handarbeitsstunden, sondern auch darüber hinaus, in den Mittagspausen und zuhause in der schulfreien Zeit unter der Anleitung ihrer Arbeitslehrerin und nach deren Weisungen“ solche Handarbeiten ausführen würden – die zitierte Aktion der „Baronessen“ entpuppt sich somit als Puzzle in einer breit angelegten Mobilisierung der Mädchen. Schließlich wurde hier an die Eltern appelliert, „für den Bedarf an Arbeitsmateriale ihrer schulpflichtigen Mädchen aus eigenen Mitteln auf[zu]kommen“, sowie an die örtliche „vaterländisch gesinnte[n] und um das Wohl der im Felde stehenden Väter, Brüder und Söhne besorgte[n] Bevölkerung“, durch Spenden das Handarbeiten der Schülerinnen „tatkräftig“ zu unterstützen. Die fertiggestellten Arbeiten sollten über die bereits mit Erlass vom 12. August 1914 „zur Förderung der Fürsorgeaktion ins Leben gerufene[n]“ oder noch zu schaffende Komitees der Bezirksschulräte an den Landesschulrat und von diesem schließlich an das Kriegsfürsorgeamt in Wien – der für diese und alle ähnlichen Aktionen der Kriegsfürsorge eingerichteten zentralen Stelle im k. u. k. Kriegsministerium – weitergeleitet werden.32 Der nur kurze Zeit später ausgegebene Erlass des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht zur Koordination des Handarbeitens in den Schulen und zur Regelung der Beschaffung von Wolle und anderen Materialien war dem gerade ausgeführten niederösterreichischen sehr ähnlich; er sollte „an alle Landesschulbehörden, mit Ausnahme des Landesschulrates für Nied.Oest.“ ergehen.33 Einleitend argumentierten beide Erlässe mit der „einbrechenden 112

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rauhen Jahreszeit“ (k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht) oder, noch plastischer, mit der Notwendigkeit, die Soldaten „gegen die Unbilden der beginnenden rauhen Jahreszeit, die Kälte, die Nässe und die winterlichen Stürme tunlichst zu schützen“ (k. k. n.-ö. Landesschulrat). Dass dieser eindringliche Aufruf, das Bild der Härten und Gefahren des Winters, in den Köpfen der damaligen Schulmädchen so lange haften blieb, habe ich bereits erwähnt. Er ist sicher ein bedeutsamer, die Bereitschaft, den Fleiß und die Ausdauer der Mädchen und Lehrerinnen begründender, da an ihre weibliche Fürsorge appellierender Faktor. Sowohl das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht als auch der k. k. niederösterreichische und salzburgische Landesschulrat, und ähnlich vermutlich die anderen in Anlehnung agierenden Stellen, hatten der Fertigkeit der Schulmädchen viel mehr zugetraut als der Lehrer Blitz, mehr auch, als Maria Beischlager mit „Socken, Kniewärmer und größeren Schneehauben“ erinnert hatte. Detaillierte „Anweisungen“ ergingen nicht nur für „starke Strümpfe“, sondern ebenso für „alles mögliche“, wie Christine Schleifer es umschrieben hat: für Schneehauben und Wadenstutzen, Fäustlinge, Fußlappen, Pulswärmer, Shawles und Gamaschen, gar Taschentücher und, wie in Niederösterreich, auch für sogenannte Leibbinden.34 Letztere sollten „nicht gestrickt“ sein, sondern „zugeschnitten aus Kalmuck (Barchentflanell), aus Schafwollflanell, Schafwoll- oder Baumwolltrikot ohne Einfassung“. An den Enden musste „je ein Band von 90–100 cm Länge“ angebracht werden.35 Auch für die anderen Handarbeiten wurden genaueste Richtlinien vorgegeben, etwa für Schneehauben: hechtgrau, in Schlauchform gestrickt oder gehäkelt, 42 cm Umfang, 45 cm Länge, oder als Fleck gestrickt oder gehäkelt, 42 cm lang, 45 cm breit, und der Länge nach zusammengenäht, so dass ein Schlauch von 45 cm Länge entsteht. Wird die Schneehaube gestrickt, so ist die Strickerei in 2 glatt, 2 verkehrt auszuführen.36

Wadenstutzen und Fäustlinge sollten ebenfalls „möglichst graue Farbe“ haben beziehungsweise „hechtgrau“ sein, ebenso Pulswärmer („in dunkler Farbe“). Die genaueste Anleitung für Fäustlinge lässt vermuten, dass hier auch Schülerinnen, die überhaupt erst erlernten, solche zu stricken, angesprochen werden sollten: [...] ungefähr 60 Maschen anschlagen, 36 Gänge immer 2 glatt 2 verkehrt; dann 20 Gänge glatt. Daumen: 20 Gänge mit 24 Maschen, bei jeder 2. Reihe abnehmen. Vom Daumen bis zum Zeigefinger 30 Gänge, dann: Zeigefinger: 22 Gänge, 18 Maschen rasch abneh113

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men. Für die übrigen 3 Finger: 14 Gänge glatt, dann noch 18 Gänge wobei bei jedem 2. Gange 2 Maschen abgenommen werden.37

‚Schulfront‘ – ‚Heimatfront‘ Derartige sprachliche Formulierungen klingen fast militärisch, sie konnotieren Gleichschritt und Drill. Die Vorstellung, dass nun unzählige Mädchen zu strickenden Kolonnen der ‚Heimatfront‘ wurden, die Nadeln „eifrig bewegten“ und überwiegend „graue Wolle, nichts als graue Wolle“ verarbeiteten, wie es Marie Schwarz, die Präsidentin der Vereinigung der Lehrerinnen und Erzieherinnen in Wien in ihrem „Kriegsbild aus der Mädchenschule“ zeichnete,38 wird weiters durch Berichte der Landesschulräte an das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien erhärtet. Diese dokumentieren, unter Verwendung von Briefen diverser Schulleitungen ihrer Verwaltungsregion und einer Aufforderung des genannten Ministeriums folgend, die gesetzten „Massnahmen wegen Heranziehung der Schuljugend zu gemeinnütziger Tätigkeit während des Krieges“.39 Ihrem Inhalt zufolge wurde die fast gleichlautende, bereits am 7. August 1914 (!) ergangene ministerielle Weisung rasch umgesetzt: Gerade die Schulen fungierten als zentraler und sehr wirksamer Hebel zur Mobilisierung der ‚Heimatfront‘, in einem Ausmaß, dass in Anlehnung daran der Begriff ‚Schulfront‘ durchaus angebracht zu sein scheint.40 So waren die vielen, vom Kriegsfürsorgeamt geleiteten und koordinierten, auch interministeriell abgesprochenen patriotischen Sammelaktionen wesentlich durch die Beteiligung der Schulen, aber auch der Kirchen getragen.41 Darüber hinaus gab es immer auch die ausschließlich auf Arbeiten der Schulkinder beziehungsweise ihrer Lehrer/innen ausgerichteten Aktionen zur Unterstützung des Krieges. Am 6. März 1917 konnte das betreffende Ministerium rückblickend diesen „Kriegseinsatz“ wie folgt bilanzieren: Die Agenden betreffend Sammlungen der Schulkinder bzw. unter Mitwirkung der Schulfaktoren für Kriegs-Fürsorgezwecke aller Art werden seit mehr als 2 Jahren im Dep. XIII a bearbeitet. In die Kategorie dieser Sammelaktionen fielen u. a. die Kriegsmetallsammlung, die Aktion „Gold gab ich für Eisen“, die Geldsammlungen für das Rote Kreuz und andere Kriegsfürsorgezwecke, die Nesselsammlung, die Sammlung von Altpapier, von Zinn- und Bleiabfällen, die Sammlung von Brombeer- und Erdbeerblättern, endlich die Sammlung zahlreicher als Futtermittel verwendbarer wildwachsender Bodenprodukte [...]42 114

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Schulpflichtige Buben sowie die „männliche Mittelschuljugend“ wurden ab Kriegsbeginn „insbesondere zu Botendiensten, Kanzlei- und Schreibarbeiten, ferner zu Erntearbeiten herangezogen, während die weibliche Schuljugend“ – es soll angesichts der bereits gemachten Ausführungen nicht verwundern – „hauptsächlich mit Strick- und Näharbeiten beschäftigt war“.43 Teilweise, und im Verlauf des Krieges immer mehr, scheinen sich die Tätigkeiten aber auch „überlappt“ zu haben. So wird in den schriftlichen Kindheitserinnerungen, wenn auch weitaus seltener, mitunter von einer Teilnahme der Mädchen an anderen patriotischen Aktionen erzählt, die sich im Bürokratendeutsch der Kriegsbehörden, wie mit obigem Zitat deutlich wurde, geschlechtsneutral formuliert finden. Dies waren einerseits bereits im ersten Kriegsjahr 1914 vor allem die mit Ausflügen in die freie Natur verbundenen Sammlungen von Teeblättern44 oder von „Beeren für die Spitäler“45 sowie die ab 1916, als sich die Ernährungs- und Versorgungslage massiv verschlechterte, gehäuft verordneten Sammlungen von allerlei ErsatzNahrungs- und Futtermitteln oder -Kleidungsstoffen.46 Im Fall der „deutschen Privat-Volksschule“ in Lovrana/Laurana (Küstenland Triest) fand ich andererseits einen Hinweis darauf, dass auch die „Knaben [...] zum Scharpie zupfen und kleinen Hilfsarbeiten in der Volksküche verwendet“47 wurden – zu Tätigkeiten also, die in den autobiografischen Aufzeichnungen ausschließlich von Frauen thematisiert aufscheinen. Doch zurück zum Handarbeiten. Der eben zitierte Brief aus Lovrana belegt auch die bereits erwähnte Integration des kriegsbezogenen Strickens, Häkelns und Nähens in den Stundenplan des altersgemäßen Erlernens der verschiedenen Handarbeiten. Wer noch keine Socken oder Fäustlinge zu stricken vermochte, wie die Mädchen dieser Volksschule, übte die ersten glatten Maschen eben mittels der röhrenartigen, einfach zu verfertigenden Pulsund Kniewärmer: In Ausführung des Erlasses [...] wurde bestimmt, dass die Mädchen der hiesigen Schule zur Anfertigung von Strickarbeiten für die im Felde stehenden Truppen heranzuziehen seien, und es wurden bisher Pulswärmer und Kniewärmer in grösserer Menge an die dazu bestimmten Sammelstellen abgegeben.48

Schreiben anderer Schulen veranschaulichen die Wirksamkeit der Empfehlung, „nicht bloß innerhalb der Handarbeitsstunden“49 diesbezügliche Aktivitäten zu setzen. So hatte beispielsweise die Direktion des „Mädchen-Lyzeums“ in Görz/Gorizia angeordnet, dass nicht nur „in sämtlichen Handarbeitsstunden die Schülerin115

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nen mit der Anfertigung von gestrickten oder gehäkelten Kleidungsstücken für den Krieg beschäftigt sein sollen“, sondern auch „die Turnstunden [...] zur Anfertigung der Arbeiten verwendet werden. Die Direktion kann nicht umhin“, heißt es weiter, die Tatsache hervorzuheben, dass sämtliche Zöglinge und Schülerinnen in wirklich edlem Wetteifer den Anregungen der Lehrerinnen folgen und an der Verfertigung von oben angeführten Kleidungsstücken mitarbeiten, um wenigstens in etwas den Bedürfnissen unserer Vaterlandsverteidiger entgegen zu kommen.50

Die deutsche Schule in Abbazia/Opatija ließ die Mädchen sogar „schon in den Ferien einberufen“ – so die auffallend militärmäßige Redewendung – „und seit dieser Zeit mit der Herstellung von Wollsachen für die Soldaten“ beschäftigen.51 Ähnlich schrieb der Vorsitzende des k. k. Bezirksschulrates in Klagenfurt, dass die Schülerinnen und Lehrerinnen mehrerer Schulen „schon in den Hauptferien fleißig Kälteschutzmittel für die Kriegssoldaten angefertigt“ hätten.52

„Liebesgabenpäckchen für die Frontsoldaten“ Das skizzierte „patriotische Handarbeiten“ ist mit dem durch Regierungs- und Schulbehörden, Lehrpläne oder auch Eltern verordneten Zwang allein nicht zu begründen. Wenn in den zitierten amtlichen Briefen und anderen zeitgenössischen Quellen immer wieder mit Pathos Willigkeit und „Freiwilligkeit53, gar „große Freude“54 der „fleißigen“ Schulmädchen und „Hilfskräfte“55 bei der Erfüllung der auferlegten „Kriegsarbeiten“56 versichert wird, so ist dieser Tenor nicht nur als beteuerndes Lippenbekenntnis untergeordneter Instanzen oder bloßes propagandistisches Ideologem zur Förderung der allgemeinen Kriegsbereitschaft zu lesen. Die Aufforderung, „die schönste patriotische Pflicht darin zu suchen, dass sie [die Schülerinnen, C. H.] unter Leitung der Lehrerinnen mit grosser Bereitwilligkeit und von der Liebe zum Vaterland getragen, ihr Möglichstes tun, um das Los unserer Krieger zu erleichtern“,57 wie es im schon erwähnten Schreiben des Mädchen-Lyzeums Görz/Gorizia heißt, fiel auf fruchtbaren Boden. In diesem Zusammenhang ist, abgesehen von der durchgängigen Darstellung des Krieges als Verteidigungskrieg (und der parallelen Propagierung von Feindbildern), auf mehrerlei hinzuweisen. Zum einen ist die Wirkmacht der nicht selten mit fast drohendem Beiklang vermittelten Ideologie der Verantwortlichkeit auch des 116

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weiblichen Geschlechts beziehungsweise der ‚Heimatfront‘ für das Gelingen des Krieges an den Fronten, für Sieg oder – letztendlich – Tod zu nennen. Eine etwas ‚sanftere‘ Variante wird im eingangs wiedergegebenen Gedicht evident: „Und wird ihn beschützen am Ende, daß ihn die Kugel versäumt [...]“ Angelika Tramitz hat für bürgerliche deutsche Frauen den an diese gerichteten normativen Diskurs in zeitgenössischen religiösen, popularwissenschaftlichen und trivialen Kriegsschriften und -erzählungen aufgezeigt und analysiert, an welche „Eigenschaften und Wertvorstellungen appelliert werden [konnte], um ‚Weiblichkeit‘ national zu nutzen“, um Frauen die Verantwortlichkeit für den Kriegsverlauf zuzuweisen.58 Anton Staudingers ideologiekritische Untersuchung der Zeitschrift „Die christliche Familie“, des Organs des Katholischen Schulvereins und damit einer „der einflussreichsten Organisationen des habsburgischen Österreichs“, ergibt unter anderem eine indirekte Zuschreibung von Schuld sogar an Kinder. Die Frage „Mit welchen Waffen kämpfen die Kinder im Krieg?“ wurde in der Kinderbeilage „Das gute Kind“ mit „Das Gebet ist eure Waffe“ beantwortet. Nur „viel und gut“ betende Kinder würden also „die besten Hilfstruppen unserer Armee“ darstellen.59 Schließlich möchte ich hier, neben der bereits dargelegten eminent wichtigen Rolle der Schulen, das heißt der Lehrerinnen und Lehrer, auf die Mächtigkeit der zahlreichen, im Kriegsalltag auch für Kinder gegenwärtigen Kriegsplakate und Verlautbarungen hinweisen, deren Funktion die Mobilisierung der ‚Heimatfront‘ war – etwa durch Aufrufe zur Unterstützung der patriotischen Sammelaktionen für die Kriegsfürsorge oder zur Zeichnung der insgesamt acht Kriegsanleihen.60 Dass auch dabei oft mit der Zuschreibung von Schuld Wirkung zu erzielen versucht wurde, könnte anhand weiterer Beispiele aufgezeigt werden. Zum anderen gab es noch einen weiteren, meines Erachtens maßgeblichen Beweggrund für das patriotische Handarbeiten. Meine These lautet folglich, dass die Mobilisierung des weiblichen Geschlechts, wie sie sich im skizzierten Handarbeiten für den Krieg manifestierte, auch aufgrund eines spezifischen Diskurses, der mit dem oben Dargelegten verwoben war, so erfolgreich sein konnte – einem Diskurs, der mit Liebe argumentierte und unaufhörlich, nicht selten eindringlich, an die Liebe und damit an die Fürsorge der Mädchen und Frauen appellierte. Zumindest in der ersten Zeit des Krieges gelang es so, die weiblichen textilen Arbeiten nicht nur durch ihre angeblich unabdingbare Notwendigkeit – also mithilfe ‚objektiv‘ einsichtiger Argumente wie den nahenden Winter – und somit als Pflicht zu begründen, sondern vor allem und all dies auch mit Liebe zu koppeln. 117

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Dass die Analyse des Strickens, Nähens, Scharpiezupfens und ähnlicher Tätigkeiten im Krieg daher nicht vom Versuch einer Bestimmung dieser Liebe zu trennen ist, mag vorerst erschrecken, aus zweierlei Gründen: Zwar verstehen wir unter dem Begriff wohl Ähnliches und doch individuell recht Unterschiedliches, etwas, was konkret schwer definier- und verallgemeinerbar und besonders widerspenstig gegen wissenschaftlich-historische Theoriebildung ist. (Dies einzulösen kann hier nicht mein Anspruch sein.) Auch sollte gerade Liebe dem Krieg mit allen Bedeutungen und Bildern, die wir dazu assoziieren, entgegenstehen – in diesem Sinne verbinden wir unseren Liebesbegriff mit Hoffnung, mit Pazifismus und der Utopie von Frieden. Und doch müssen wir, in der historischen Dimension wie der heutigen, durch nahe Kriegsereignisse geprägten Realität, eine ‚Verehelichung‘ von Krieg und Liebe wahrnehmen. Kriege wurden oder werden noch immer auch in ihrem Namen geführt – aus „Vaterlands-“ oder „Nationalliebe“, „Kaiserliebe“ et cetera, unter Zuhilfenahme von sich liebenden Männern, Frauen und Kindern – unter Missbrauch von Liebe für den Krieg also: „ [...] Weil in das weiche Gewebe fromm eine werdende Mutter ihre Liebe hineingeträumt!“ hatte es diesbezüglich im eingangs zitierten Gedicht „Der Schal“ geheißen. So oder ähnlich wurde (und wird) argumentiert, um den Krieg zu bejahen und zu verherrlichen, um das weibliche ebenso wie das männliche Geschlecht dafür zu mobilisieren, um Mädchen und Frauen dafür arbeiten zu lassen. Die Verbindung von Liebe und Arbeit ist keineswegs eine neue, im Gegenteil: Weibliche Hausarbeit – also das Kochen, Putzen, Handarbeiten et cetera – als ‚Liebesarbeit‘ zu definieren, konstituiert wesentlich die im Zuge der Etablierung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung entstehende bürgerliche Ideologie bezüglich der Geschlechterrollen.61 Es scheint jedoch, dass die Kriegsgesellschaft gerade diese Bewertung und Wertigkeit, diesen Begriff von Liebe also, für sich zu nutzen vermochte. Zur Begründung der Bedeutung, die ich dem propagandistischen zeitgenössischen Liebesdiskurs beimesse, ist wiederum der Bogen zu den autobiografischen Aufzeichnungen zu knüpfen. Denn sie haben mich gewissermaßen dafür sensibilisiert. Der bereits ausgeführte Umstand, dass sich der Zwang, die Verpflichtung zum Handarbeiten für die Front hier vielfach in der Verwendung von „müssen“ ausdrückt, ist nur die eine Seite. Im weiteren Kontext derselben Erinnerungstexte verändert sich die Perspektive häufig und auffallend von der Pflicht zur Freude, von „müssen“ oder ähnlichen Formulierungen zu „dürfen“: 118

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Wir strickten fleißig Schals und Socken im Handarbeitsunterricht, mit dicker feldgrauer Wolle, und ich durfte meine Erzeugnisse meinem Lehrer zu Weihnachten ins Feld schicken. Zu meiner großen Freude schrieb mein Lehrer einen langen Brief, in dem er sich für meinen Schal sehr herzlich bedankte.62

Direkt verknüpft mit dem Handarbeiten in den Schulen oder an dieses Thema anschließend findet sich auch in vielen anderen Texten der popularen Autobiografik eine damit tatsächlich oft verbundene Aktion der Kriegsfürsorge beschrieben – nämlich der Versand von sogenannten ‚Liebesgaben‘ an die Fronten. Dieser wurde vornehmlich zu Weihnachten organisiert,63 sei es vom staatlichen Kriegsfürsorgeamt, vom Roten Kreuz oder auch anderen karitativen Organisationen und Initiativen, von Frauenvereinen, Einzelpersonen und Schulen. Die dort hergestellten und auch verpackten ‚Liebesgaben‘ leitete man vermutlich an die genannten staatlichen und privaten Einrichtungen weiter, zum organisierten Versand an die Truppen.64 Dass so nicht etwa nur bekannte Soldaten beschenkt wurden, belegt ein zu dieser Aktion aufforderndes Plakat aus dem Jahr 1915. Darauf ist in großen Lettern „Weihnachten im Felde“ zu lesen, darunter heißt es: Das Kriegsfürsorgeamt will wie im letzten Jahr auch heuer den heldenmütigen Kämpfern, die fern von ihren Lieben – vielleicht auf einsamen Posten – das schöne Weihnachtsfest verbringen, Liebesgaben aus der Heimat senden. Keiner von Euch allen, die Ihr diesen Aufruf leset, keiner und keine von Euch allen, die Ihr von diesem Aufrufe höret, wird sich der Überzeugung verschließen: Hier muß ich mithelfen! Kein Soldat, und sei er im fernen Grenzwinkel oder auf schwindelnder Bergeshöhe, darf ausgeschlossen sein von dem herzerhebenden Bewußtsein: Meine Leute zuhause, meine Freunde in der Heimat, meine Mitbürger denken dankerfüllt an mich!65

Eine solche Zuständigkeit der Kriegsfürsorge, der liebenden ‚Heimatfront‘ für „jeden im Felde stehenden Mann“,66 wird auch aus den autobiografischen Texten ersichtlich. Außerdem zeigt die folgende Stelle, in der ein solches Konzept indirekt angesprochen wird, dass es in der Wahrnehmung der Mädchen die Lehrerinnen oder Lehrer beziehungsweise die Schulen waren, die diese Aktionen initiierten. Gleich im Anschluss an ihre schon zitierte Erinnerung an das Scharpiezupfen schrieb Margarete Feuerbach: Außerdem wurde von den Lehrern eine Aktion ins Leben gerufen, die einzige humane in dieser Zeit. Auch unsere Lehrerin, die na119

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türlich auch eine begeisterte Patriotin war, beteiligte sich an dieser Aktion. Wir mußten, je nach finanzieller Möglichkeit, Päckchen mit Lebensmitteln, wie Schokolade, Trockenfrüchte, Zwieback, und Zigaretten zusammenstellen und an die Soldaten an der Front schicken. Auch ich durfte ein solches Päckchen verschicken und ich war sehr stolz, als ich dann eines Tages von einem Soldaten an der Front eine Karte erhielt, auf der er sich für mein Päckchen bedankte. Seinen Namen weiß ich heute noch: Anton Blecha.67

Sicherlich enthielten nicht alle in den Schulen angefertigten Päckchen auch Gestricktes oder Genähtes, und vermutlich waren am Unternehmen „Weihnachten im Felde“ auch jüngere Schulbuben beteiligt.68 Dessen ungeachtet, war es überaus gängig, neben Artikeln wie den eben aufgelisteten als Zeichen besonderer Aufmerksamkeit und weiblicher Umsicht zumindest etwas selbst Gestricktes ebenfalls zur ‚Liebesgabe‘ zu machen; gerade die „wollene“ und „wärmende“ Form der Kriegsfürsorge scheint besonders beliebt gewesen zu sein.69 In der Steiermark wurde das als Zusammenspiel der Schulen und der „Kriegshilfsaktion der Grazer Frauen“ gemäß der dortigen Präsidentin des Allgemeinen deutschen Frauenvereins folgendermaßen organisiert: Noch ehe der Sommer zur Neige ging, hatte der steiermärkische Frauenhilfsausschuß bereits große Mengen von warmer Wolle aufgekauft, um die Herstellung gestrickter Wollsachen für unsere Soldaten im Felde von all den hilfsbereiten Frauen- und Kinderhänden herstellen zu lassen. Über Intervention Sr. Exzellenz des Herrn Statthalters wurde an den Mädchenschulen des ganzen Landes systematisch nach einheitlichen Vorschriften gestrickt und genäht. Lehrerinnen und Schülerinnen haben sich an Opfer- und Arbeitsfreudigkeit überboten und wenn wir die Zahl der an den steiermärk. Mädchenschulen erzeugten Gegenstände mit 150.000 Stück angeben dürfen, so ist dies der glänzendste Beweis für die Hilfsbereitschaft unserer weiblichen Jugend. Die Tausende Päckchen, von Kinderhänden erzeugt, mit bunten Bändchen gebunden und ungezählten, selbstverfaßten Versen versehen, gereichen unserer Jugend zur Ehre und lassen uns hoffen, daß aus ihr ein patriotisch fühlendes, opfer- und arbeitsfreudiges Geschlecht von Frauen erwachse.70

Noch deutlicher formulierte Marie Schwarz die erzieherischen Zielsetzungen solcher Aktionen. Sie intendierten sowohl Identifizierung mit dem ‚Volke‘, Einreihung der Mädchen in nationale Geschlossenheit und Einigkeit als auch Sozialisation zur helfenden, karitativen, aber duldenden und passiven Frau: 120

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Unsere Kinder werden die Tage, da sie, wenn auch in bescheidener Art, am Werke der Großen mitarbeiten durften, nicht vergessen; denn jede Liebesgabe, die sie hinaussandten ins feindliche Leben, hat ihre Zusammengehörigkeit mit dem ganzen Volke genährt, sie hat vor allem die Mädchen gelehrt, daß es echte und rechte Frauensache und Frauenart ist, zu helfen, zu mildern und – auf bessere Zeiten zu hoffen.71

Zu viel ‚Geschlecht‘ allerdings sollten die „fleißigen Kinderhände“ wiederum auch nicht zeigen. Zwar sollten sie „ihrer Liebe und Begeisterung für unsere tapferen Soldaten sichtbaren und Nutzen bringenden Ausdruck verleihen“72 und damit zur – kriegsnotwendigen – emotionalen Versorgung der Soldaten, zur psychischen Reproduktion der an den Fronten kämpfenden Soldaten beitragen, aber eben doch nicht zu sehr. Es ist geradezu absurd: In der damaligen auf Kinder bezogenen Kriegspropaganda wurde nicht nur etwa an die Liebe zwischen Eltern und Kindern, sondern ebenso und explizit an das Muster der Geschlechterliebe angeknüpft. Abgesehen davon konnotiert der auf die Mädchen daheim und die Soldaten an den Fronten bezogene Liebesdiskurs dieses Muster, es ist ihm gewissermaßen als Paradoxon implizit. Als Folge der vielen Bemühungen, Mädchen für den Krieg zu gewinnen, kam es dadurch auch zu von Erzieher/inn/en und Demagog/inn/en nicht intendierten Sehnsüchten und Hoffnungen, zu Liebesvorstellungen, die dem Krieg gefährlich werden, zumindest nicht kriegsfördernd sein könnten. Die nun folgenden Beispiele zeigen, dass es eben nicht immer dieselbe Form von Liebe war, welche die strickenden Mädchen und Frauen sowie die Soldaten einerseits und die Agent/inn/en der staatlichen und kommunalen Kriegsfürsorge andererseits jeweils meinten. Viele Mädchen schrieben, strickten und spendeten nicht, wie Margarete Domonkos es getan hatte, „ihrem“ Lehrer oder einem männlichen Verwandten, also vertrauten Bezugs- oder Autoritätspersonen, sondern einem vorerst anonymen Mann in der anonymen Masse der Soldaten. Darüber schrieb zum Beispiel Christine Schleifer: „Vor Weihnachten wurden in der Direktionskanzlei kleine ‚Liebesgaben‘ für Frontsoldaten gepackt [...] Aber jede Schülerin konnte eine Feldpostkarte mit ihrer Adresse beilegen.“73 Diese Frau besitzt noch heute eine Feldpostkarte, auf der ein unbekannter „Krieger“ ihr seinen Dank für die erhaltene ‚Liebesgabe‘ aussprach. Er schloss sein kurzes Schreiben mit den Worten: „[...] und es wird mich freuen, wenn es Ihnen die Zeit erlaubt, etwas von Ihnen zu hören.“ Solchen Einladungen folgten anscheinend nicht wenige Mädchen, sie antworteten und erhielten wiederum 121

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Antwort.74 Indem ein einzelner Soldat dadurch zum jeweils ‚persönlichen‘, mit einer ‚Liebesgabe‘, Karten oder Briefen versehenen wurde und damit konkret, als Individuum emotional besetzt werden konnte, und umgekehrt, indem der kämpfende, sein Leben riskierende, auch einsame und mit Massentod konfrontierte Soldat solche heimatlichen ‚Liebesgaben‘ erhielt, konnte die Kriegsbereitschaft einerseits sicherlich gefördert, zumindest stabilisiert werden. Andererseits resultierten gerade daraus wohl Schwierigkeiten: Die Nonnen dachten sich aus, daß wir „Tabaksbeutel“ für die Frontsoldaten stricken sollten. „Liebesgaben“, die zur Weihnachtszeit verteilt werden sollten. Wir mühten uns fleißig, die Nonnen halfen mit. Mein Häkelgarn war abwechselnd gelb und hellblau eingefärbt, das gefiel mir sehr, wie die Farben ineinander flossen. Der Beutel wurde gefüllt mit Tabak, Zuckerstücken und allerlei Kleinigkeiten. Dazu steckten wir eine Feldpostkarte mit einem gezeichneten Christbaum, und viele Grüße und gute Wünsche schrieben wir dazu. Und unsere Adresse! Der Empfänger meines Beutels schrieb mir ein Brieflein. Ich glaube, ich habe mich gar nicht gut ausgekannt in diesem Dankesschreiben. Aber einmal hörte ich, wie meine Mutter einer Nachbarin erzählte: „Es ist ein richtiger Liebesbrief!“ Anrede: „Liebes Fräulein.“ Ja, mein Alter, ganze acht Jahre, schrieb ich nicht dazu.75 Zu Weihnachten machten wir Pakete für die Soldaten an der Front. Jeder bekam einen Soldaten zugeteilt. Ich wickelte meine kleinen Gaben in grünes Seidenpapier mit Goldschnürl und Tannenzweigen, wie Zigaretten, Schokolade u.s.w. und legte einen Brief bei. Das Kloster führte die Pakete ihrer Bestimmung zu. Mein Soldat schrieb mir aus dem Feld einen Dankesbrief, ich schrieb zurück und so ging es eine Weile. Bis meine Mutter die Korrespondenz verbot. Sie meinte, daß ich noch zu jung sei, um mit Herren zu korrespondieren.76

Die älteren Frauen, die solche Erinnerungen festhielten, wussten wahrscheinlich nichts vom Ausmaß und dem Facettenreichtum der „Liebestätigkeit“77, zu der die ‚Heimatfront‘ immer wieder aufgerufen wurde. Die gestrickten Socken und dergleichen sowie die von den Kindern zusammengestellten Weihnachtspakete waren nur ein Puzzle in einer breit angelegten Indienstnahme von Liebe durch die Kriegsgesellschaft. Als ‚Liebesgabe‘ wurde all das definiert und dementsprechend gespendet beziehungsweise gesammelt, versandt und verteilt, was für die Soldaten und für deren Wehrtüchtigkeit, aber auch für ihre Angehörigen nützlich sein 122

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konnte oder aber – mehr oder weniger dringend – gebraucht wurde: Rauchwaren, Gebackenes und andere Süßigkeiten, Wäscheund andere Bekleidungsstücke,78 Nähzeug, Seife, Kerzen, Bleistifte79 und so weiter. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass an der Organisation eines solchen umfassenden ‚Liebesgaben‘-Systems auch viele Vertreterinnen und Vereine der damaligen Frauenbewegung/en beteiligt waren.

„Nun arbeiten wir still seit Monaten“ Die weiter vorne zitierte Grazer Präsidentin des Allgemeinen deutschen Frauenvereins hatte in ihrem Tätigkeitsbericht nicht nur die Mädchen, sondern ebenso den „steiermärkischen Frauenhilfsausschuß“ sowie die „hilfsbereiten Frauenhände“ gelobt – und damit die große Bereitwilligkeit von Frauen beziehungsweise der bürgerlichen wie der katholischen, aber auch der sozialdemokratischen Frauenbewegung, sich aktiv für den Krieg zu engagieren und mit dem kriegführenden ‚Vaterland‘ zu identifizieren. Das geschah, wie anderswo in Europa,80 in der Habsburgermonarchie ebenfalls in breitem Umfang und setzte schon im Vorfeld des tatsächlichen Kriegsausbruchs ein: Am 27. Juli 1914, einen Tag vor der offiziellen Kriegserklärung an Serbien, erschien der Aufruf „An Österreichs Frauen“, der die „Kriegsarbeit“ der Frauen einleitete.81 Bertha Weiskirchner, die Frau des Wiener Bürgermeisters, und Marianne Hainisch, die Vorsitzende des Bundes österreichischer Frauenvereine, initiierten in Wien einen „Frauenbeirat“, dem sich die Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs (ROHÖ), sozialdemokratische Frauenvereinigungen, der christliche Wiener Frauenbund und weitere Organisationen anschlossen. Daraus entwickelte sich sehr schnell die gemeinsam getragene „Frauenhilfsaktion im Kriege“,82 die eingebunden war in ein auch überregional entstehendes Netz der Kooperation zwischen zahlreichen lokalen Vereinen und Fraueninitiativen. Die teilweise bereits angeführten veröffentlichten Bilanzierungen aus verschiedenen Kronländern, Städten und Vereinen der Monarchie über die dortige „Kriegsfürsorge“, „Frauenkriegshilfe“, „Kriegshilfsaktion der Frauen“, „Kriegsarbeit der Frauen“ et cetera83 veranschaulichen das ebenso deutlich wie den Umstand, dass all diese Aktivitäten nun weit über den Kreis der bislang organisierten Frauen hinausgingen. Die Anfertigung von Bekleidung und anderen Textilien für die Truppen war, im damaligen Österreich ebenso wie in Deutschland, wo Gertrud Bäumer, die Vorsitzende des Bundes deutscher Frauenvereine, im „Nationalen Frauendienst“ zum „friedfertigen Pflegen 123

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und Stricken für’s Vaterland“ aufrief,84 in der ersten Kriegshälfte ein nicht unbedeutender Tätigkeitsbereich dieser patriotischen Fraueninitiativen. Hintergrund dafür war, ähnlich wie für den Fleiß der Schulmädchen und Lehrerinnen, die vom Kriegsfürsorgeamt angesichts der mangelhaften Ausrüstung der Truppen für den Winter ausgerufene „Kälteschutz-Hilfsaktion“. Die erforderlichen Kosten und Materialien sollten durch den Verkauf einer Bronzeplakette mit entsprechender Aufschrift, durch Wohltätigkeitsveranstaltungen, Spenden und Sammelaktionen von „warme[n] Sachen, Strickarbeiten, Liebesgaben“ aufgebracht werden.85 All dies kam vorerst in großem Ausmaß dem primären Ziel der „Frauenhilfsaktion“ und ihrem „wichtigste[n) Problem, das zu lösen war“86, zugute – nämlich der Beschaffung von Arbeitsplätzen für die vielen mit Beginn des Krieges arbeitslos gewordenen Frauen.87 Dafür wurden vor allem Näh- und Strickstuben geschaffen, wo solche Frauen Beschäftigung fanden, indem sie Wollsachen, Kleidung, Decken und Ähnliches für Heer und Spitäler anfertigten. Die Produktionsstätten dafür lagen höchstwahrscheinlich in der Eigenverwaltung der genannten Fraueninitiativen, die sie betrieben.88 Ihr Auftraggeber war jedoch in letzter Instanz oft das Kriegsministerium oder das dortige Kriegsfürsorgeamt, das auch Geld sowie Material, welches aus Aufrufen wie dem gerade genannten stammte, zur Verfügung stellte.89 Dass es hier zu einem Zusammentreffen von Frauen unterschiedlicher Klassen oder Schichten, zu von Frauen für Frauen organisierten Produktionsverhältnissen kam, beschrieb Lucie Laube, die Vorsitzende des deutschen Prager Frauenerwerbsvereins, indem sie das Gemeinsame ebenso wie das Trennende nannte, mit den Worten: „Nun arbeiten wir still seit Monaten, im Verein, in unseren Näh-und Flickstuben, viel Jammer und Elend arbeitsloser Frauen zog an mir vorüber [...]“90 Für Wien finden sich für die Kriegsjahre 1914 und 1915 unterschiedliche Angaben zu solchen Arbeitsstuben. So nennt etwa Helene Granitsch allein 27 Nähstuben der kommunalen „Frauenhilfsaktion“ in den einzelnen Bezirken, „die sich nach und nach zu Großbetrieben entwickelten und bald über 7.000 Arbeiterinnen beschäftigten;“ hinzu kamen mit Sicherheit mindestens ebenso viele andere, sodass zumindest von 50 bis 60 solcher Einrichtungen allein für Wien ausgegangen werden kann.91 Auch die Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs betrieb eine Strickstube, die an mehr als 860 Frauen Heimarbeit ausgab, außerdem mehrere Pelzstuben, in denen von erwerbslos gewordene[n] Frauen [...] aus freiwillig gespendetem Pelzmaterial, das die Sammelwagen aus allen Bezirken ablieferten, 124

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Kälteschutzmittel für unsere Soldaten angefertigt werden, und die Betriebe sind so gut eingerichtet, daß daselbst auch große Aufträge des Kriegsministeriums zur exakten Ausführung gelangen konnten.92

Offensichtlich blieb nicht einmal den Arbeiterinnen solcher Handarbeitsstuben der Kontext zum schon erläuterten kriegerischen Begriff von Liebe erspart. In den Pelz-, Näh- und Strickstuben verarbeiteten sie auch gespendete ‚Liebesgaben‘, die unter anderem von den genannten Sammelwagen eingebracht worden waren. Das auf Seite 126 reproduzierte Plakat „Der Sammelwagen kommt wieder!“ ruft auch zur Spende textiler „Liebesgaben für die Soldaten und ihre Angehörigen“ auf. Dass diese für die betreffenden Frauen der Unterschichten eine grundsätzlich andere, ökonomische, die karge Existenz sichernde Bedeutung hatte, das heißt eine andere als für die handarbeitenden Mädchen, die bürgerlichen Initiatorinnen und Leiterinnen der Arbeitstuben und die Spender/innen von ‚Liebesgaben‘, muss wohl nicht ausführlich betont werden. Doch auch nicht erwerbslose und nicht organisierte Frauen beteiligten sich an den Aufrufen der Kriegsfürsorge und wurden zu Strickerinnen für die eingerückten Soldaten. In Wien etwa gab die Zentrale der „Kälteschutz-Hilfsaktion“ in der Schwarzenbergstraße, angeblich in einer großangelegten Aktion, Wolle und Stoffe an Frauen aus, „die freiwillig Kleidungsstücke für die Soldaten strickten und nähten.“93 Der folgende Beleg zeugt von solcher „Freiwilligkeit“ auch in der Provinz. Er entstammt dem recht aufwendig gestalteten „Gedenkbuch über geleistete Kriegsfürsorge des k. k. Bahnstationsamtes Pernhofen-Wulzeshausen“, das der „Adjunkt und Vorstand“ dieses Bahnhofes, Alexander Schrom, von Kriegsbeginn bis zum 22. Oktober 1916 geführt und dann, gebunden und mit einem Siegel versehen, „Seiner Exzellenz Geheimen Rat Herrn k. k. Nordbahndirektor Dr. Karl Freiherr von Banhans ergebenst gewidmet“ hatte. Unter der Eintragung „Wärmeschutz für Soldaten im Felde“ verzeichnete er: Beide Male beteiligten sich die 3 Frauen der hiesigen Bediensteten mit löblichem Eifer an der Arbeit für unsere Krieger. Es wurden 25 Paar Socken und 25 Paar Fäustlinge in der kurzen Zeit von ca. 14 Tagen verfertigt. Für den kleinen Stand an Bediensteten eine gute Leistung.94

Zwar ist aus dieser Notiz keineswegs abzuleiten, dass die betreffenden Frauen ihre Socken und Fäustlinge für „fremde junge Helden“95 mit Liebe oder zumindest Freude verfertigt haben und dass ihr „Eifer“ für sie selbst ebenfalls ein „löbliche[r]“ war. Vielleicht 125

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zeigten sie diesen nur ihren Ehemännern zuliebe oder um des Hausfriedens willen – wir wissen es nicht. Tatsache ist die weite Verbreitung des – nicht bezahlten – Handarbeitens fürs ‚Vaterland‘ zu Beginn des Krieges, ebenso wie die große Resonanz, auf die diesbezügliche Aufrufe beim weiblichen Geschlecht stießen.

Von Konkurrenz zum Mangel Das praktisch mit Kriegsbeginn einsetzende und sich rasch verbreitende „freiwillige“ Stricken und Nähen für die Truppen stieß jedoch nicht nur auf Anerkennung und Lob. Das war in Wien sogar schon 1914 der Fall, als man es in den dortigen Schulen erst mit Verzögerung, und zwar im November, behördlich bewilligte. Das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht vermerkte im September 1914 im Zuge der Entwerfung des Handarbeits-Erlasses, von dem Wien daher ausgenommen wurde: „Unverbürgten Zeitungsnachrichten zufolge soll der Bürgermeister von Wien als Obmann des Bezirksschulrates die Vornahme dieser Strickarbeiten in den Wiener Schulen angeblich im Interesse des Schutzes der zahlreichen Arbeitslosen in Wien untersagt haben.“96 Da die Frau des genannten Bürgermeisters Weiskirchner eine der Gründerinnen der „Frauenhilfsaktion“ und damit der Wiener Arbeitsstuben für erwerbslose Arbeiterinnen war, ist anzunehmen, dass sich der Ehemann vorerst von ihren Argumenten leiten ließ. Doch auch er beziehungsweise die „Frauenhilfsaktion“ konnten den „fleißigen Händen“ der Schulmädchen und dem Engagement ihrer Lehrerinnen schließlich nicht Einhalt gebieten. Die bereits mehrmals zitierte Vorsitzende der Vereinigung der Lehrerinnen und Erzieherinnen in Wien, Marie Schwarz, repräsentierte in dieser Funktion andere aktive Frauen mit konkurrierenden Interessen. Sie hatte ihr pathetisches „Kriegsbild aus der Mädchenschule“ zum Zeitpunkt des „Besuche[s] eines kommunalen Würdenträgers [...], der die Sache selbst ansehen wollte, um sich ein Urteil zu bilden, ob sie des Aufhebens wert sei, das man damit machte“, gezeichnet. Am Ende ihrer Darstellung konnte sie stolz auf einen Erfolg verweisen: Mit freundlichen Worten schieden die Besucher, eifrig bewegten sich wieder die Nadeln, und die Mienen der Kinder trugen den Ausdruck der Genugtuung, als ob ihnen ein Freibrief ausgestellt werden sollte, für Staat und Gesellschaft eine würdige Arbeit zu leisten. Und tatsächlich wurde die Tätigkeit der kleinen Helferinnen in wenigen Tagen durch ein behördliches Schriftstück auch offiziell gestattet.97 127

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Doch nicht nur Kinder, Pädagoginnen und arbeitslose Frauen konkurrierten indirekt um die Verarbeitung der Wolle. Auch die karitative, unbezahlte Handarbeit wohlhabenderer, nicht auf Erwerb angewiesener Frauen musste sich Kritik gefallen lassen, da sie den verarmten, auf solche Tätigkeiten angewiesenen Frauen „ihr Brot“ nehmen würde, wie beispielsweise die „Österreichische Volkszeitung“ berichtete.98 Vor allem den adeligen und bürgerlichen „Damen“ wurde es in solchen zeitgenössischen Kontroversen verübelt, wenn sie unbezahlte Näh- und Strickarbeiten für patriotische Zwecke ausführten –­ was hier nicht weiter ausgeführt werden kann.99 Dabei handelte sich, das soll jedoch betont werden, um eine Form des Klassenkampfs auch im Kriege, ungeachtet des verordneten und bis in die zweite Kriegshälfte weitestgehend eingehaltenen ‚Burgfriedens‘, den viele Frauen mittrugen.100 Eine andere Konfliktebene ist von der eben dargestellten nicht zu trennen und hängt mit der schon angedeuteten Knappheit von textilem Material zusammen. Sie entwickelte sich im Laufe des Krieges von einer Art Konkurrenz um eine Mangelware zum regelrechten, mit den ‚Waffen‘ einer Militärdiktatur geführten Wirtschaftskampf, von ersten Engpässen bei der Einkleidung der Truppen zu hinzukommenden gravierenden Problemen bei der Versorgung der Zivilbevölkerung mit Bekleidung und Schuhen – und somit zu einem vollkommenen Desaster. Obwohl ein Krieg seit Jahren vorhersehbar gewesen und von führenden Regierungsinstanzen auch geplant worden war – wofür das im September 1912 erlassene sogenannte Kriegsdienstleistungsgesetz spricht –,101 waren Wirtschaft und Militär der k. u. k. Monarchie 1914 dennoch unvorbereitet. Durch den Rückgang der Getreideimporte aus Ungarn und vor allem durch die Blockade der Entente102 waren schon im Herbst 1914 die Reserven an Getreide, Munition und Bekleidung aufgebraucht.103 Bereits die Ausstattung der Truppen für den Winter machte Schwierigkeiten und erforderte, wie bisher deutlich wurde, die Mobilisierung der Arbeitskraft und Fürsorge von Tausenden von Frauen und Mädchen. Die Wolle für den „Kälteschutz“ entstammte schon 1914 zu einem sehr bedeutenden Teil nicht nur aus den skizzierten Initiativen des Kriegsfürsorgeamtes, sondern privaten Spenden und den Geld- und Materialsammlungen regionaler und kommunaler Vereine, Komitees, Schulen und ähnlicher Institutionen. Ihr Engagement war bereits zu Kriegsbeginn unabdingbar erforderlich für die Ausrüstung der Armee, was zunächst auch die Rahmenbedingungen für das vorne behandelte „freiwillige“ Handarbeiten der Mädchen in den Schulen beeinflusste. Denn in einer ersten Fassung der „allgemeinen Weisung“ des k. k. Ministeriums für Kultus und 128

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Unterricht hatte dieses Folgendes vorgesehen: „Die zur Herstellung dieser Wintersachen erforderliche Wolle wird, insoweit sie nicht von den bemittelten Eltern der Schulkinder als Spende zur Verfügung gestellt [werden sollte], seitens des Kriegsfürsorgeamtes den Schulleitungen unentgeltlich zugesendet [...]“104 Dieser Entwurf wurde an das k. u. k. Kriegsministerium weitergeleitet und von dort nur wenige Tage später retourniert. Nun war er allerdings mit einem Einspruch des Kriegsfürsorgeamtes versehen, „dass es nicht in der Lage wäre, die zur Herstellung der Kälteschutzmittel erforderliche Wolle den Schulleitungen zuzuwenden, da hier ein Vorrat an Wolle nicht besteht und die eingeleitete Bestellung derselben [...] durch Vormerkungen bereits zum größten Teil vergriffen ist.“105 Daraufhin kam es zu einer gravierenden Modifizierung: Die neuerlich ausgearbeitete Fassung verwies die Aufbringung der Wolle gänzlich an die Eltern und, im Falle der Kinder aus „mittellosen“ Familien, an die Ortsschulräte; weiters wurden „interne“ Sammlungen seitens der Schulleitungen empfohlen.106 Den Appell an die Spendenfreudigkeit der Eltern, Schulen und „vaterländisch gesinnten“ Bevölkerung enthielt, wie zitiert, auch der niederösterreichische Erlass. Ähnliches ist für die anderen Kronländer anzunehmen. Er blieb nicht ohne Resonanz, im Gegenteil: Die eingesehenen Berichte und Briefe der Schulbehörden aus der ersten Zeit des Krieges betonten immer wieder, manchmal mit patriotischer Inbrunst, wie durch die Schulen selbst und andere Spender/innen Geld und Material für das „vaterländische Handarbeiten“ aufgebracht werden konnte. Beispielsweise hatten in der k. k. Lehrerinnenbildungsanstalt in Görz angeblich „sämtliche Zöglinge der Anstalt klassenweise Geldsammlungen veranstaltet“ und insgesamt 120 Kronen gespendet, „aus deren Erlös Strickwolle angeschafft wird“. Aus Österreich ob der Enns berichtete der Landesschulrat am 29. September 1914 an das Ministerium in Wien, dass das Stricken „schon Erfolg namentlich dort [zeigt], wo die Wolle von Vereinen geschenkt wird“. Der Stadtschulrat in Klagenfurt schließlich bilanzierte am 31. Oktober 1914 für die „Mädchenvolksschulen“ die Herstellung von 83 Schneehauben, 66 Paar Pulswärmern, 17 Paar Wadenstutzen, 46 Paar Fäustlingen, 37 Paar Socken und 3 Paar Kniewärmern. Die Wolle dafür wurde zum Teil aus einem vom Stadtschulfonds klassenweise zur Verfügung gestellten „Pauschalbetrag“ von 35 Kronen, „zum Teil von den Eltern oder durch freiwillige Spenden der Öffentlichkeit“ gekauft. Die „Mädchenbürgerschule“, hieß es hier weiter, lieferte bisher aus Mangel an Wolle nichts ab, was sich jedoch ändern würde: „[...] da diese Schule nun aber 107 K Geldspenden für Kriegsfürsorgezwecke und Materialspenden im Werte von 160 K erhalten hat, 129

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wird sie in kurzer Zeit auch Erhebliches in dieser Richtung leisten können.“107 Der „Almanach des Kriegsjahres 1914–15“ wiederum dokumentiert die vielen Aktivitäten der „patriotischen Frauen“ und ihrer Komitees zur Besorgung von Wolle und Textilien. Er stützt ebenfalls – auch wenn der Propagandazweck dieser Veröffentlichung mitbedacht wird – die Annahme, dass in der ersten Kriegszeit die Beschaffung von Kleidungsstücken für die (verwundeten) Soldaten sehr weitgehend ein Aufgabenbereich der von Frauen initiierten und verwalteten Kriegshilfe war. Glowacki etwa schrieb: In emsiger, planmäßiger Arbeit hat ein großer Kreis von Frauen und Mädchen Wäsche für Spitäler und Verwundete ins Palais Meran, dem Heim der Vizepräsidentin des Roten Kreuzes, zusammengetragen, genäht, geschenkt, verteilt und versendet. 87.000 Stück sind in den ersten sieben Monaten des Krieges aus diesem Hause in die Spitäler des ganzen Landes gewandert. Zwei Sanitätskolonnen sind teilweise oder ganz aus diesen schier unerschöpflichen Vorräten ausgestattet worden. Es fehlt wohl an Raum, all die ungezählten Gaben aufzuführen, die von hier aus in die Spitäler und ins Feld gespendet wurden.108

Dies sollte sich jedoch bald ändern. Meinen Recherchen zufolge wurde die skizzierte – öffentlich gewordene – weibliche Kompetenz über die Aufbringung, Be- und Verarbeitung sowie über die partielle Verteilung von Wolle oder anderen textilen Materialien im Rahmen der Kriegsfürsorge und der „Liebestätigkeit“, aber auch der bezahlten Lohnarbeit, den Frauen im Laufe des Krieges wieder aus ihren „unermüdlichen“ Händen genommen. Auch den Schulen wurden zwar nicht die Sammlungen selbst entzogen – sie sollten dabei weiterhin eine wesentliche Rolle spielen –, wohl aber die eigentätige Verfügung über das aufgebrachte „kostbare Material“.109 Zuständig für dessen Verteilung sowohl an die Truppen als auch an die zivile Bevölkerung waren dann, so scheint es, ausschließlich die obersten Kriegsbehörden. Schon 1915 waren Wolle und auch Kautschuk aufgrund des Wegfalls der Importe Mangelware. Das Kriegsfürsorgeamt rief daher für den 27. September bis 2. Oktober die „Woll- und Kautschukwoche“ aus, während der in der ganzen Monarchie eine gleichnamige „patriotische Sammelaktion“ durchgeführt wurde.110 Die erste Sammlung dieser Art, die wie alle nachfolgenden wesentlich von den Schulen getragen wurde, war gemäß den Berichten der zuständigen Behörden in den einzelnen Ländern noch durchaus erfolgreich, zumindest in den nicht direkt als Kriegszo130

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nen betroffenen Gebieten. Die Statthaltereien überlieferten dem k. k. Ministerium des Innern, das die Aktion über die regionalen Landes-, Bezirks- und Gemeindeverwaltungen politisch organisierte, genaue Auflistungen der Gewichtsmengen des gesammelten und an das Kriegsfürsorgeamt weitergeleiteten Materials, zum Teil auf vorgedruckten Formularen. Ein Gutteil der angegebenen Zahlen ist nicht unbeachtlich: Allein in Tirol und Vorarlberg wurden den Behörden zufolge „ungefähr 200.000 kg Wolle und Baumwolle [...] abgeliefert“,111 in Kärnten 124.565 Kilogramm „Wolle“,112 in der Steiermark 125.204,60 Kilogramm „Webe-, Wirk- und Strickwaren aller Art“ sowie 120.032,80 Kilogramm „Leinen und Baumwolle aller Art“.113 Nicht einmal ein Jahr später gab es vom 11. bis 17. Juni 1916 bereits eine „zweite Woll- und Kautschuksammlung“.114 Die Palette der nachgefragten Gegenstände aus Wolle, Leinen und Baumwolle war sehr umfangreich, umso mehr, da „Damen- und Herrenkleider, Überzieher, Winterröcke, [...] alte Musterkollektionen von Stoffen, [...] wollene Hauben, gehäckelte Wolltücher, Wollvorhänge, Strümpfe und Socken, Teppiche, Matratzenwolle, Lambrequins, Läufer, [...] Reste, Fleckerl, [...] Schürzen, Kleider, Hemden, Hosen, [...] Seile, Spagate, Säcke, Packleinen“ et cetera gesammelt werden sollten, gleichgültig ob „alt[e], gebraucht[e], gewebt, gewirkt, gestrickt“, sogar ob „zerschlissen, zerrissen und scheinbar wertlos“.115 So sehr war die Kriegsindustrie schon auf die Wäschetruhen, Schränke und Dachböden, ja sogar auf die Lumpensäcke der ‚Heimatfront‘ angewiesen. Doch die Zahlen, die als Ergebnis dieser Sammlung angeführt sind, waren bereits wesentlich niedriger. Für Böhmen etwa erbrachte sie, im Unterschied zu den 1.253.791,04 Kilogramm „Wollware“ bei der ersten Wollsammlung, noch 353.791,50 Kilogramm.116 Dem war nicht genug, der Krieg ging weiter. Da die Bevölkerung den Tribut dafür nicht mehr leisten konnte oder auch wollte, sich verstärkt zu widersetzen begann, kam es 1917 zu einer Neuorganisation der Aufbringung von Wolle. Dazu wurden in mehreren Ländern zentrale „Wollsammelstellen“ errichtet, die einen militärischen Leiter hatten und ihrerseits unter die Führung von Oberleutnant Julius Hersch beziehungsweise des „Kriegsausschußes der Wollindustrie, Schaffwollübernahmskommission“ in Wien gestellt waren.117 Außerdem wurde nach intensiven interministeriellen Beratungen und nach dem Muster Tirols, das schon 1916 bei Kriegsfürsorge-Sammlungen die Gendarmerie einbezogen hatte, mit Erlass des k. k. Ministeriums des Innern vom 21. April 1917 beschlossen, „dass sich die Sammelorgane nicht bloss durch Vermittlung der politischen Behörden, sondern auch direkt an die 131

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Gendarmerie wenden können, um eine rasche Durchsetzung ihrer Aufgaben zu erreichen.“118 Als Reaktion auf einen Einspruch der k. k. Statthalterei Wien vom 16. Juni 1917, übermittelt von obigem Ministerium, kam das k. u. k. Kriegsministerium nicht umhin, nachdrücklich zu betonen, dass es sich bei der Schafwollaufbringung um eine der wichtigsten Massnahmen zur Erhaltung der materiellen Schlagfertigkeit der Armee handelt und daher die Gendarmerie zweifellos berufen erscheint, hiebei in vollem Masse den Organen der Heeresverwaltung ihre Mithilfe angedeihen zu lassen.119

Von dieser so eminent politisch und wichtig gewordenen Wolle scheint 1917 die ein Jahr zuvor noch mit ihr zusammen gesammelte Wäsche abgekoppelt geworden zu sein. Auch diese wurde nun Thema interministerieller Sitzungen, Korrespondenzen, Vereinbarungen und Erlässe, zu einer ersten Dringlichkeit der Regierenden – und rückte damit fernab der Zuständigkeit des weiblichen Geschlechts. Im Oktober 1917 verordnete das Kriegsfürsorgeamt des k. u. k. Kriegsministeriums eine „Allgemeine Wäschesammlung“. Der Aushang vom September 1917, betitelt mit „Wäsche für die Soldaten im Felde!“, bezeichnete diese Aktion als „ernste und wichtige Angelegenheit“, er appellierte an die Einsicht der Bevölkerung in die „unabwendbare Notwendigkeit“ der Sammlung trotz der „schweren Entbehrungen, unter denen der größte Teil der Bevölkerung leidet“. Außerdem listete man genau auf, was alles durch „freiwillige Spende“ beigestellt werden könne. Wieder waren „alle [...] Wäsche- und Kleidungsstücke erwünscht, gleichviel ob neu oder gebraucht, ganz oder zerrissen oder beschädigt, weiß oder bunt, oder ob sie nur Teile bilden“, und wieder öffneten die Forderungen der Kriegsbehörden alle scheinbar auch noch so unwichtigen Truhen und Schränke, dieses Mal sogar auf der Suche nach „Abfälle[n] von Materialien“. Der ‚Gefahr‘, dass sie bereits leer sein könnten, wurde durch zusätzliche Bürokratie begegnet: Die Versicherung der „Freiwilligkeit“ der Spenden verband sich bereits mit sanftem Zwang, der dann in der letzten solchen Sammlung im Frühjahr 1918 ganz unverhohlen zutage trat. Während den Spendenden 1917 noch angeraten wurde, eine „detaillierte Bestätigung [...] im eigenen Interesse wohl auf[zu]bewahren“,120 war das Anfang 1918 im Zuge einer vor allem für die nach der russischen Oktoberrevolution heimkehrenden Kriegsgefangenen durchgeführten erneuten „Wäschesammlung“ verpflichtend geworden. Die mit dem Betreff „Allgemeine Wäschesammlung“ vermerkten Protokolle und Berichte aus den einzelnen Ländern enthüllen 132

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trotz der Dienstbeflissenheit mancher Unterzeichnenden und dem Versuch der Verschleierung die Hintergründe dieser Entwicklung – nämlich das Chaos der nicht mehr funktionierenden Reproduktion der Kriegsgesellschaft aufgrund des katastrophal werdenden Mangels und der ‚Kriegsmüdigkeit‘ der ehemaligen ‚Heimatfront‘. So heißt es beispielsweise in einem mit 18. Oktober 1917 datierten Schreiben der k. k. Statthalter im Erzherzogtum Österreich ob der Enns, dass „infolge der zahlreichen, noch in der jüngst verflossenen Zeit stattgehabten Veranstaltungen ähnlicher Art [...] die Ankündigung [...] in der Bevölkerung [...] nicht mehr jene begeisterte Aufnahme wie am Anfang des Krieges“ fand.121 Und die k. k. Statthalterei in Böhmen begründete den „verhältnismässig sehr kleine[n] Erfolg“ mit der „allgemeinen Wäschenot verbunden mit Kartenzwang und den hohen Preisen [...], anderteils mit dem Umstande, dass die Bevölkerung das Entbehrliche bereits bei den früheren derartigen Sammlungen gespendet hat“.122 Somit scheint auch logisch, dass die weiter vorne beschriebenen Arbeitsstuben der Frauen überwiegend eine Erscheinung der ersten Kriegshälfte waren. Ein großer Teil der hier beschäftigten (Heim-)Arbeiterinnen wanderte bald in die Munitionsfabriken oder die Wiener Verkehrsbetriebe ab123 – und damit nicht nur in Arbeitsverhältnisse, in denen sie ‚ihren Mann‘ standen, sondern auch in solche, die wohl kaum mehr von Frauen initiiert, geleitet oder zumindest mitorganisiert wurden. Selbst wenn in Wien manche Strick- oder Nähstuben bestehen geblieben sein mögen, scheint die Beschaffung von Arbeitsmaterial dafür schon Ende 1916 Maßnahmen wie die folgende, gegen „Gefühle“ der das Handarbeiten erlernenden Mädchen gerichtete, notwendig gemacht zu haben. Am 12. Oktober 1916 veröffentlichte der k. k. niederösterreichische Landesschulrat, gezeichnet mit Braitenberg, diese Verlautbarung an „alle k. k. Bezirksschulräte außer Wien“: Die Hilfsaktion des Kriegsfürsorgeamtes vormals „Kälteschutz“, der seit Kriegsbeginn arbeitslosen Frauen durch Anfertigung von Socken für Zwecke der Kriegsfürsorge Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten verschafft, hat, da im Verlaufe des Krieges das erforderliche Arbeitsmaterial auf dem Markte nicht mehr in genügender Weise vorhanden war, [...] an den Wiener Mädchen-Volks- und Bürgerschulen die in den unteren Volksschulklassen lehrplanmäßig verfertigten Strick- und Häkelflecke behufs Verarbeitung für Kriegsfürsorge‑ zwecke gesammelt. Das Ergebnis dieser Sammlung war [...] so günstig, daß aus der eingesammelten Baumwolle etwa 3.000 Paar Socken für unsere braven Soldaten verfertigt und durch diese Arbeit während eines halben Jahres eine große Zahl bedürftiger, arbeitslo133

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ser Frauen Verdienst finden konnte [...] Mit Rücksicht auf den günstigen Erfolg der besagten Sammlung hat nunmehr das Präsidium der Aktion „Kälteschutz“ h.a. um die Ermächtigung gebeten, sich auf kurzem Wege auch an die k.k. Bezirksschulräte in Niederösterreich mit dem Ersuchen wenden zu dürfen, die Strick- und Häkelflecke, die für die Familien wie für die Kinder vielfach nur Gefühlswert besitzen und deshalb unbeachtet liegen bleiben, einzusammeln und dem Kälteschutz zu widmen. Die Bezirksschulräte werden daher im Interesse der Förderung dieses wohltätigen Unternehmens [...] eingeladen, die Leitungen der allgemeinen Volks- und Bürgerschulen für Mädchen umgehend anzuweisen, den genannten Bestrebungen die tunlichste Unterstützung angedeihen zu lassen [...]124

In Bezug auf die lokalen weiblichen Kriegshilfe-Aktionen und -Initiativen vermitteln die eingesehenen Verwaltungsakten das Bild, dass sie bei der ersten Wollsammlung 1915 noch durchaus berücksichtigt wurden. So meldete die k. k. Statthalterei für Tirol und Vorarlberg auf Anfrage hin, der katholischen Frauenbewegung die „reperaturfähigen Kleidungsstücke aus der Woll- und Kautschuksammlung zur Verfügung“ gestellt zu haben, die diese „zu Gunsten von Angehörigen der gefallenen Krieger und von durch die Kriegsereignisse schwer Betroffenen“ verwenden wolle. Das k. u. k. Kriegsministerium hatte dagegen nichts einzuwenden.125 Ebenso wenig fand ich, trotz erfolgter Weiterleitung an das Kriegsfürsorgeamt, einen Einspruch gegen die mit Schreiben vom 14. September 1915 aus der Stadt Salzburg dem k. k. Ministerium des Innern berichtete Initiative der Gattin des dortigen Bürgermeisters, Eleonore Ott, die seit Kriegsbeginn „in ganz ausserordentlich verdienstlicher Weise die Sektion III“ des FrauenHilfskomitées leitete und „mit diesem u. a. auch die Beteiligung der Salzburger Soldaten im Felde mit warmen Kleidungsstücken im letzten Winter besorgte“. Frau Ott habe, so heißt es weiter, für den kommenden Winter „die Sammlung von Wolle eingeleitet“. Obwohl dadurch der „patriotischen Woll- und Kautschuksammlung“ sicherlich „einigermassen Abbruch“ getan werde, „glaubt der Landespräsident der Aktion der Frau Ott kein Hindernis bereiten zu sollen, weil sich deren Tätigkeit lediglich auf die Stadt Salzburg beschränkt und weil es sich ausschließlich um Beschaffung von Strickgarn handelt, welcher von den Salzburger Frauen und Mädchen verarbeitet werden soll.“126 Ganz anders wurde 1917 im Zuge der „Allgemeinen Wäschesammlung“ reagiert. Als die Schulleitung in Peuerbach, deren Lehrer/innen und Schüler/innen dafür noch ein beachtliches Ergebnis zusammengebracht hatten, über den zuständigen Bezirks134

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schulrat das Ersuchen stellte, „einen Teil der in dieser Gemeinde gesammelten Wäschestücke ausnahmsweise einzelnen besonders nahmhaft gemachten Anstalten, welche mit der Kriegsfürsorge in Zusammenhange stehen [...], zuwenden zu dürfen“,127 wurde dies von höchster Instanz abgelehnt: Zufolge getroffener Vereinbarungen zwischen dem k. u. k. Kriegsministerium und dem k.k. Handelsministerium müssen Kleidungsstücke jeder Art, sowie Wäschestücke, welche für die Verwendung durch die Truppen nicht geeignet sind, wie Kinderwäsche etc. dem k.k. Handelsministerium für die Zwecke der Volksbekleidung abgegeben werden. Das k. u. k. Kriegsministerium-Kriegsfürsorgeamt bedauert daher den Wünschen der Schulleitung in Peuerbach nicht Folge geben zu können.128

Ähnlich erging es der Steiermark, die damals immerhin noch 27.477,15 Kilogramm „Ware aller Art [als Webe-Wirk-Strick-Leinen- und Baumwolle]“ beschaffen konnte.129 Als die Statthalterei in Graz beim k. k. Ministerium des Innern „unter wärmster Befürwortung“ anfragte, „welche Quote des im Lande erzielten Ergebnisses der Landesbekleidungsstelle für Steiermark zugewendet werden darf“,130 wurde sie umgehend informiert, „dass ein Zurückhalten von Kleidungs- und Wäschestücken untunlich erscheint“ und die Sortierung „zentral durchgeführt werden müsse“.131 Es erfolgte die Weisung, „das gesamte Gefälle der allgemeinen Wäschesammlung [...] ehetunlichst [...] an die Adresse des k. u. k. Kriegs-Min. (K.F.A.) [...] in Versand gelangen zu lassen.“132 Nach Kriegsende, als die Versorgung der Bevölkerung noch länger sehr schlecht blieb, kamen auch einst für die Truppen verfertigte Stricksachen, abgelieferte Bekleidungsstücke und andere Ausrüstungsgegenstände, wohl auch so manche ‚Liebesgabe‘, wieder retour – allerdings nur zu jenen, die zumindest noch etwas Geld hatten, um sie zu erwerben. Mit dem Hinweis darauf schließt Brigitte Wagner, auf deren Aufzeichnungen meine Untersuchung unter anderem zurückgreifen konnte, ihre Erinnerungen an die Kriegszeit ab: Der Winter 1919 ist mir in besonderer Erinnerung. [...] Die Eltern kauften von den Demobilisierungsgütern Militärmäntel, Schuhe, Hemden, Socken usw. und die Sachen wurden für uns Kinder zurechtgeschneidert. Wickelgamaschen wurden über dünne, geflickte Strümpfe gewickelt und verrutschten dauernd. Viel zu große Schuhe drückten und es schmerzten gefrorene Zehen. Die Wickel‑ 135

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gamaschen wurden Wackelgamaschen genannt, aber das machte sie nicht beliebter [...]133

Ein sinnfälligeres Beispiel dafür, dass sich die Absurdität jeglichen Krieges, seine Grausamkeit und Unmenschlichkeit in scheinbar noch so belanglosen Dingen wie dem Stricken oder den Socken, den Schuhen und Wickelgamaschen aufzeigen lässt, ist in diesem Zusammenhang meines Erachtens kaum anzuführen.

Resümee Im Ersten Weltkrieg ließ sich also die existenzielle Notwendigkeit der weiblichen Reproduktionsarbeit vorerst nicht mehr verschleiern. Sie trat gewissermaßen aus dem Schatten der Hausarbeit ins Licht der Öffentlichkeit und damit zu – vorübergehender – öffentlicher Wertschätzung, in einem bis dahin in der bürgerlichen Gesellschaft unerreichten Ausmaß. Gerade weil die Kriegsgesellschaft die der ‚weiblichen Geschlechtscharaktere‘ zugeschriebenen Kompetenzen und Eigenschaften für sich zu nutzen wusste und vorerst aufwertete, war sie, so lässt sich folgern, auch dermaßen erfolgreich in der Mobilisierung der Frauen und Mädchen. Zusätzlich begründet scheint dieses Gelingen vor allem dadurch gewesen zu sein, dass dafür als Basis die Ebene der Beziehungen, gar der Liebesbeziehungen zum anderen Geschlecht, angesprochen werden konnte. Dies versuchte ich am Beispiel des Handarbeitens aufzuzeigen, einer trotz der industriellen Produktion von Textilien weiterhin auch privat bedeutsamen weiblichen Kompetenz, die für die Konstituierung der weiblichen Identität besonders wichtig und, wie wir gesehen haben, verinnerlicht war (und ist). Das Handarbeiten spielte eine wichtige Rolle bei der Militarisierung der Frauen und Mädchen und wurde selbst militarisiert. Als diese Fertigkeit nicht mehr benötigt oder aufgrund des Kriegsdesasters zunehmend kontrolliert und reglementiert wurde, war es mit besagter Wertschätzung wieder vorbei. Frauen wurden nun anderswo dringender gebraucht – nämlich in der immer schwieriger werdenden Organisation des Überlebens, der Aufbringung von Lebensmitteln, Kleidern und Schuhen im ‚Hinterland‘ einerseits und in der Rüstungsindustrie beziehungsweise in der Kriegswirtschaft sowie den öffentlichen Dienstleistungsbetrieben andererseits. Und auch von dort wurden sie mit Kriegsende entlassen, um großteils wiederum gänzlich in die Schattenarbeit der privaten Reproduktion zurückzukehren. 136

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Der zu Kriegsbeginn geradezu euphorisch verkündete „Sieg der Frauenarbeit im Dienste der Gesamtheit“, die Hoffnung, dass dieser „hinüberleuchten wird in die Zukunft ferner Tage und sie mit neuem Lichte füllen“,134 erwies sich, so gesehen, als Illusion – auch als Illusion von bedeutenden Strömungen der Ersten Frauenbewegung, die geglaubt hatten, mit ihrem Konzept der ‚sozialen Mutterschaft‘ – der Professionalisierung von Fürsorge und Hausarbeit – die gesellschaftliche und öffentliche Anerkennung und ‚Befreiung‘ der Frauen erwirken zu können. Sie ließen dieses Konzept auch und sogar im Krieg zum Tragen kommen. Die erhoffte Wertschätzung oder Gleichberechtigung der Geschlechter jedoch blieb, trotz dem Erhalt des allgemeinen Frauenwahlrechts in Österreich 1918, weiterhin Utopie.

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April den 12ten 1915 Ihre werten Liebesgaben haben uns sehr erfreut, hier im Feindeslande. Und auch fernerhin die braven Krieger nicht zu vergessen. Nochmals im Namen meiner Kameraden danke ich herzlichst für die kleine Gabe. Einen treudeutschen Kriegers Gruß sendet an alle Volksschülerinnen ein unbekannter Krieger. Johann Weihs, Zugsführer.

Pol. 25/5 1915 Sehr geehrtes Fräulein Ella!! Es erlaubt sich ein tapferer 31. die Freiheit, Ihnen den innigsten Dank auszusprechen für die herzlichsten Grüße aus der lieben Heimat. Ich teile Ihnen noch mit, daß wir 31. am Pfingstfeste sehr große Gefechte hatten mit den Russen, aber blutend weichen mußten. Viele Kriegsgrüße sendet Ihnen ein unbekannter Krieger Peter Kieltsch, Zugf.

5/VI. 1915 Mein liebes Frl. Ella, habe mit heutigem Tage Ihre liebe Karte erhalten, herzlichen Dank dafür. Sie haben mich um ein Bild gebeten, ich habe zwar hier bei mir nur eine u. die ist auch noch, wie ich Kadett Asp. war. Doch fahre ich im nächsten Monat auf Urlaub, so werde ich Ihnen auch eine senden. Ich hätte auch den selben Wunsch und würde mich sehr freuen, wenn ich von Ihnen eins erhalte. Herzlichen Gruß sendet ihnen E. Binder.1

Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein ... ‚Liebesgaben‘ für die Soldaten

Frauen und Mädchen ebenso wie Konzeptionen von Weiblichkeit gerade dort zu suchen, wo sie scheinbar abwesend oder irrelevant waren, ist eine Herausforderung, die sich für die Analyse ‚moderner‘ Militärs in besonderer Weise stellt. Auch die Militärund Kriegsgeschichte blieb, länger als andere Teildisziplinen der traditionellen Geschichtswissenschaft, eine wahrlich männliche Bastion. Eine feministische Kriegsgeschichte konstituiert sich im deutschsprachigen Raum, von der Zeitgeschichte abgesehen, erst seit wenigen Jahren.2 Das neue Interesse am Militär als Feld geschlechtergeschichtlicher Dekonstruktion erkannte rasch die so nachhaltigen Konsequenzen der Durchsetzung einer Allgemeinen Wehrpflicht in den meisten europäischen Staaten seit der Französischen Revolution.3 Militär und Kriegswesen generierten zu Synonymen einer spezifischen Männlichkeit,4 die ihrerseits mit dem Konzept des Nationalstaates verknüpft wurde. Dieses gründete auf der Gleichsetzung von Bürgerrecht und Wehrpflicht im Leitbild des ‚Bürger-Soldaten‘, was den politischen Ausschluss der Frauen durch eine conditio sine qua non untermauerte. Nur als Gegenpol im Sinne der bürgerlichen Geschlechterkomplementarität erhielten Frauen und Mädchen im Kriegswesen der späten Neuzeit karitative und reproduktive Funktionen zugeschrieben. Im Rahmen der weiblichen „Kriegsfürsorge“ oder „Kriegswohlfahrt“5 begannen sie damit, sich patriotisch zu engagieren und zu organisieren – sei es in Form von „vaterländischen“ Vereinen und Hilfsvereinen des Roten Kreuzes oder im Zuge der Professionalisierung der weiblichen Kriegskrankenpflege mittels Pflegerinnenschulen und -kursen. Eine solche hier nur angedeutete Entwicklung führte zu Beginn des Ersten Weltkriegs zum Szenarium einer Kriegsgesellschaft, die sich entlang der Geschlechterdichotomie formierte: Frauen und Mädchen wurden einerseits als ‚Heimatfront‘ mobilisiert, und Zusammenschlüsse wie die „Frauen-Hilfsaktion im Kriege“6 oder der „Nationale Frauendienst“7 erfreuten sich vielerorts großen Zulaufs. Andererseits hielten sich in der „autarken Welt der Schützengräben“8, von wenigen Ausnahmen kombattanter Frauen abgesehen,9 empirisch gesehen nur Männer auf. Ihnen am nächsten waren neben der verbliebenen weiblichen Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete die Kriegskrankenschwestern, deren Bedeutung zuerst Klaus Theweleit unterstrich, indem er das Phantasma der „Engel 139

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in Weiß“ im retrospektiven Kriegserlebnis deutscher Freikorpsoffiziere psychoanalytisch deutete.10 Regina Schulte hat, ebenfalls gestützt auf Ego-Dokumente, hingegen die deutschen Frontschwestern ins Zentrum gerückt und deren Einsatz in den Lazaretten nahe der Front im Spannungsverhältnis zwischen einem „Dienst als Aschenputtel“ und „Befreiung zur Kameradschaft“, wie die Schwestern selbst es sehen wollten, verortet.11 Doch auch darüber hinausgehend war ‚das Weibliche‘, waren Spuren und Vorstellungen von Frauen und Mädchen im Stellungsoder Grabenkrieg von 1914 bis 1918 präsent und wirkmächtig. Wie in allen anderen Bereichen, erfüllte die Konstruktion und die Inszenierung von Weiblichkeit auch an den Fronten des Ersten Weltkriegs Funktionen, die mit der inneren Logik der damaligen Kriegsgesellschaft in engem Zusammenhang stehen und deren vorerst breit akzeptierte Etablierung mittrugen. Mehr noch: Die Geschlechterkonzeptionen, die den Soldaten vermittelt, von ihnen angeeignet und transponiert wurden, waren eine Art Waffe, die dazu verhelfen sollte, den Krieg zu gewinnen; der Kategorie Geschlecht kam also auch hier „Strukturierungs-, Orientierungs- und Diskriminierungskraft“12 zu. Dabei gilt angesichts des heutigen Forschungsstandes jene Einschätzung der objektiv und subjektiv begrenzten kriegsbedingten Veränderungen des Geschlechterverhältnisses, die auch Françoise Thébaud mit Blick auf die europäische Frauengeschichte betont hat. Sie unterstreicht den diesbezüglich „zutiefst konservativen Charakter“13 des Krieges, der sich bereits zu Kriegsbeginn äußerte, als beide Geschlechter „auf ihren je eigenen Platz“ zurückverwiesen wurden und es zu einer „Inkarnation des bürgerlichen Frauenideals des 19. Jahrhunderts“ kam.14 Dass die traditionellen Geschlechterrollen trotz der Irritationen des Geschlechterverhältnisses sowie neuer Möglichkeiten und Freiheiten, die der Krieg vielen Frauen zweifellos brachte, „beibehalten, ja verfestigt wurden“, sieht Thébaud auf der symbolischen Ebene begründet: Der offizielle politische Diskurs „räumte der Front und den Frontkämpfern uneingeschränkt die ökonomische, soziale und kulturelle Priorität ein“.15 Alles, was mit Frauen und Mädchen der ‚Heimatfront‘ konnotiert war, blieb demgegenüber untergeordnet, minder gewertet.16 Im Folgenden untersuche ich auf Seiten der männlichen Kriegsteilnehmer die Reichweite eines Diskurses, der eine solche polare und hierarchische Kodierung der Geschlechter in der Kriegsgesellschaft formulierte. Als Referenzsystem für die Konzeption der sexuellen Differenz an den Fronten des Ersten Weltkriegs setze ich das in weiten Teilen Österreich-Ungarns und des Deutschen Reiches in der ersten Kriegshälfte populäre ‚Liebesgaben‘-System. 140

‚Liebesgaben‘

für die

Soldaten

Diese Kriegsfürsorge-Aktion gehörte zu den besonders massiv propagierten weiblichen Betätigungsfeldern und richtete sich direkt an die kämpfenden Soldaten. Dessen große – und durchaus ambivalente – Bedeutung für viele Schulmädchen und Frauen der betroffenen Generationen habe ich bereits an anderer Stelle beschrieben.17 Das ‚Liebesgaben‘-System erschien im offiziellen Geschlechterdiskurs als spezifischer Liebesdiskurs und appellierte an die weibliche Liebe und Fürsorge. Ganz im Sinne des ideologischen Konzepts weiblicher ‚Liebesarbeit‘ und symbolisch erhöht, galten ‚Liebesgaben‘ in Form von selbst gestrickten Wollsachen und genähter Wäsche, Süßigkeiten und Lebensmitteln, Tabak oder Basteleien und Ähnlichem als „Zeichen der Dankes und der Liebe“, denen die Macht zugeschrieben wurde, die Kampfesbereitschaft der Soldaten zu stärken: „Schicken wir reiche Gaben ins Feld, so kann der Frost unseren Kriegern nichts anhaben und wendet seinen ganzen Grimm dem Feinde zu.“18 Das ‚Liebesgaben‘-System des Ersten Weltkriegs war somit ein Versuch, die familiären Bande zwischen Mutter und Sohn, Vater und Tochter, Ehemann und Ehefrau, Bruder und Schwester auf ein abstraktes Geschlechterverhältnis zwischen der männlich assoziierten ‚Front‘ und der weiblich assoziierten ‚Heimat‘ auszuweiten oder zu übertragen. Zu dieser Beziehung waren im Prinzip jedes Mädchen und jede Frau auf der einen und jeder Soldat auf der anderen Seite aufgerufen. Gleichzeitig wurde dabei auch betont, dass der Beitrag der Ersteren im Vergleich zum Einsatz des männlichen Lebens im Kampf um das ‚bedrohte Vaterland‘ nur gering, ein winziges Opfer sei. Wie aber wurden die erwiesenermaßen millionen- und abermillionenfach gespendeten weiblichen ‚Liebesgaben‘ von den Soldaten tatsächlich wahrgenommen und gewertet? Das Verteilungssystem selbst war auf eine praktische und eine symbolische Bedeutung hin organisiert. Man verteilte die ‚Liebesgaben‘ direkt durch Frauen und Mädchen an Bahnhöfen oder in diversen Ausgabestellen oder beförderte sie per Lastwagen und Eisenbahn an die Fronten oder in die Lazarette; dafür wurde eigens ein aufwendiger Apparat geschaffen, an dem verschiedene staatliche und private Instanzen, (Frauen-)Organisationen und (Frauen-)Initiativen beteiligt waren. Damit die Soldaten auch wussten, dass sie damit nicht einfach nur eine von der Militärorganisation zugeteilte Ration erhielten, sondern eine ‚Liebesgabe‘ aus der Heimat, war es üblich, den Paketen ein kurzes Schreiben der Spenderinnen beizulegen, in dem diese einige Worte an den unbekannten Soldaten richteten. Die Antworten der Soldaten, soweit insbesondere durch die Publizistik der Kriegszeit überliefert, untersuche ich im Folgenden 141

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in Hinblick auf ihre Geschlechterrhetorik. Im zweiten Teil diskutiere ich die Aufnahme des ‚Liebesgaben‘-Systems in männliche Kriegstagebücher und retrospektiv verfasste Kriegsmemoiren – in jene Genres also, die nach 1918 gleichsam zum Inbegriff einer soldatischen Erinnerungskultur des Ersten Weltkriegs avancierten.19

Geschlechterkodierungen in der zeitgenössischen ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz Die durch das ‚Liebesgaben‘-System initiierte Korrespondenz war ein nicht unbeträchtlicher Teil jener Milliarden von Feldpostbriefen, Karten und Paketen, die während des Ersten Weltkriegs zwischen Heimat und Front ausgetauscht wurden.20 Die mehr oder weniger effektiv organisierte institutionalisierte Kriegszensur21 gestaltete das Genre daher ebenso mit wie die mentalen Faktoren einer „internalisierten“ oder „privaten“ Zensur.22 Hinzu kam, dass die ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz vor allem in der ersten Zeit des Krieges im Zuge der nun schnell zum Einsatz gebrachten Möglichkeiten moderner Massenkommunikation insbesondere durch den Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften, in Schulchroniken und Tätigkeitsberichten der „Frauen-Kriegshilfe“ oder in anderen stark propagandistisch gefärbten Schriften öffentlich konstituiert und inszeniert wurde. Auch die Herstellung und das Verpacken von ‚Liebesgaben‘ erfolgte oftmals im Kollektiv: beim abendlichen Zusammentreffen in einem Frauenverein oder in einem Büro der offiziellen „Frauen-Hilfsaktion im Kriege“ und vor allem in den Schulen, wo die Schülerinnen angeleitet von ihren Lehrerinnen und Lehrern ihre ersten Briefe und Karten an die unbekannten Soldaten verfassten und ihren ‚Liebesgaben‘-Paketen beilegten. Umgekehrt richteten die Soldaten oder deren Vorgesetzte ihre ersten Antwortschreiben häufig an die Vereins- oder Schuladressen der Spenderinnen, unter anderem weil diese ihnen die dafür adressierten Feldpostkarten gleich mitgeschickt hatten. Die solchermaßen öffentlich kontrollierte und kontrollierbare ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz war Teil des offiziellen Diskurses, der von Mädchen, Frauen und Soldaten rezipiert, mitgestaltet und popularisiert wurde. Denn neben wenigen Dankesworten transportierten und vervielfachten diese Schreiben patriotische Formeln sowie gängige Kriegs- und Feindbilder, die den offiziellen Definitionen des Verhältnisses von ‚Front‘ und ‚Heimat‘ entsprachen. Dabei wurde häufig explizit auf Geschlechterdifferenz rekurriert, indem die Freund/Feind- und Heimat/Front-Dichotomien zu Trägern einer stark sexualisierten Geschlechtermetaphorik wurden. 142

‚Liebesgaben‘

für die

Soldaten

Wenn also die Spenderinnen diverser ‚Liebesgaben‘ den „Liebe(n) Soldaten“ dazu auffordern mochten, „die Russen [...] anständig zu verhauen“ oder „recht viele Franzosen tot“ zu machen,23 wenn sie sich für sein „tapferes Kämpfen“ bedankten und in diesem Zusammenhang auch Bedauern darüber äußerten, dass sie dabei als „Mädchen nicht helfen können“, dafür aber umso fleißiger „Sachen gestrickt“ und „Kistchen zurechtgemacht“ hätten, die das Weihnachtsfest der Soldaten „versüßen“ sollten,24 dann antworteten diese in ähnlicher Weise: „Wir fühlen uns stark, wenn wir erfahren, mit welcher Hingabe die deutschen Mädchen und Frauen für unser Wohl arbeiten.“ Sie richteten als „Krieger“ an ein „Geehrtes Fräulein!“ ihren „besten und herzlichsten Dank“ für „das wunderschöne Paketchen“ und beteuerten, dass solche „mit Liebe gepackten“ Sendungen den Kampfesmut stärkende „Heimatsluft“ übermitteln würden,25 beziehungsweise dass es „insbesondere auch die liebevolle Art und Weise der äußeren Ausstattung der Geschenke [war], welche uns die patriotische Begeisterung der Schuljugend für die Armee deutlich bewies [...]“ – wie es ein „Oberst Tuma“ aus Österreich in seinem an die Direktion einer Mädchenschule gerichteten Dank für die „zugewiesenen Liebesgaben“ formuliert hat.26 Dass die Kommunikation hier wie in vielen anderen Fällen auf einer hierarchischen Ebene oberhalb der Schülerinnen und ihrer Lehrerinnen verblieb und deshalb eine Ausgestaltung des Dankes mit patriotischen Beteuerungen geradezu verlangte, unterstreicht den öffentlichen Charakter der Aktion – um den die Soldaten sehr wohl wussten. Entsprechend produzierten und reproduzierten sie auch in ihren eigenen Antwortschreiben ein der offiziellen Kriegsdarstellung entlehntes Sprechen über den Krieg selbst, das die tatsächlichen Kriegserlebnisse weitgehend verharmloste oder ausklammerte und sich stattdessen in trivialen Bildern, Anekdoten, „sinnigen Sprüchen“ oder „hübschen, launigen Versen“,27 einem humoristisch-jovialen bis dünkelhaften Tenor verflüchtigte. Ein Beispiel dafür, wie massive Feindbildpropaganda mit stereotyper Geschlechterideologie transponiert wurde und das Tun der ‚Liebesgaben‘-Spenderinnen vorgeblich selbst den drohenden Kriegstod ‚heiligt‘ oder ‚befriedet‘, liest sich so: Liebe, schöne, guten Damen! Ich bedanke mich in meinem Namen für die vielen Liebesgaben, welche Sie gesandt uns haben. Lebzeltkuchen und Zigaretten o wie tut das gut uns schmecken. Sitzen fröhlich in der Runde und gedenken jeder Stunde an die Gönner Frau daheim. Bald werden wir doch Sieger sein. Kleine Russen, große Russen, aus den Gräben raus zu putzen mit Granaten und 143

Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein …

Schrappnell. O wie laufen die gar schnell. Sollte ich mein Leben lassen für mein teures Vaterland, denk ich nochmals an die Lieben, die uns Liebesgaben gesandt. Herzliche Grüße [...]28

Eine von Laienhand verfasste Versform war in diesem Krieg allseits beliebt und gängig, in Tageszeitungen ebenso medial aufbereitet wie in der Alltagskommunikation paraphrasiert oder in abgewandelten Liedtexten ins Ironische gekehrt. Sie ist auch typisch für das Propagieren des ‚Liebesgaben‘-Systems und die ‚Liebesgaben‘Korrespondenz, wo sich Schulmädchen, Frauen und Soldaten gleichermaßen im Reimen versuchten. Die Versform scheint hier die stereotype Vereinnahmung der Geschlechterdifferenz als Metapher für die Beziehung zwischen ‚Front‘ und ‚Heimat‘ erleichtert zu haben. Jedenfalls gestaltete diese millionenfach produzierte Form der Kriegskorrespondenz mit ihren leeren Floskeln und Topoi jene Erstarrung der Sprache im offiziellen politischen Gebrauch, die von Karl Kraus so meisterhaft parodiert worden ist.29 Der Brief wie die Korrespondenzkarte wandelten sich so unter den Bedingungen des Krieges zu einer Art Trivialliteratur und zum Träger konformer Massenideologie. Deren Implikationen in Hinblick auf das Bild des Geschlechterverhältnisses sollen durch einige Gedicht‑ strophen, die neben vielen anderen 1914 an das Mädchenlyzeum des Wiener Frauen-Erwerb-Vereines gingen, veranschaulicht werden.30 Im ersten Beispiel, angeblich verfasst von einem „Dichterling. K. u. k. Festungsartillerie Bataillon Nr. 5, 4. Marschkompagnie“ aus Rajsko, erfolgt die Sexualisierung des Geschlechts der „hochherzigen Spenderinnen“ – verheißend – durch den Verweis auf eine Zukunft, in der Männlichkeit wiederum auch an anderen Rollen gemessen würde: Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein, Für Eure Weihnachtsspende! Ihr fragt, wer mag der Krieger sein, Dem gefallen sie in die Hände? Ich bin des Kaisers Kanonier, Trug stolz noch die Streifen, die roten. Wir haben vor Wochen der Russen Gier Ein donnernd „Halt!“ hier geboten. Ich steh’ mit den Kameraden die Wacht, Daß nicht neue Kosakenhorden Nach Österreich fluten über die Nacht, Zu sengen und zu morden. 144

‚Liebesgaben‘

für die

Soldaten

Ich bin ein schlichter Bauernsproß Aus Schlesiens grünen Gauen Und kenne Wien von Bildern bloß, Doch hoff’ ich’s noch einmal zu schauen. Man sagte mir, daß die Mädchen drinn Die lustigsten, feschesten seien. Ist der Krieg erst aus, dann fahre ich hin, Um eine von Euch zu freien.

Ein weiteres Gedicht, geschrieben im November 1914, unterstreicht die „fesche“ Männlichkeit der als „Edelknaben“ bezeichneten Soldaten. Der konnotierte Verweis auf Minne und kriegerisches Rittertum offenbart den für 1914 charakteristischen Anachronismus der Vorstellungen vom Krieg und klingt ähnlich sakral wie weibliche „Engelsgüte“, der Verweis auf Gottes Dank. Vom vierten Regiment, Das jedes Kind hier kennt, Steh’n wir heut’ fesch und stramm, Die Absätz’ fest beisamm’ Vor jener Mädchenblüte, Die uns mit Engelsgüte So herzig, reich beschenkt: Mit Stützerln, Schals, vierfachen Schneehauben, warme Sachen, Kniewärmer, dicken Socken, Die Russen könnt’ verlocken Zu uns zu desertieren Um nicht so arg zu frieren; Gott lohn die edle Spende, Und segne all’ die Hände, Die daran gestrickt, gehäckelt, So daß sich wohlig räckelt In dieser warmen Gabe So mancher Edelknabe, Nur Dank ist unsere Habe Nehmt ihn für Eu’re Gabe.31

Die ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz als Massenphänomen könnte folglich durchaus zu der in der politischen Kultur der 1920er- und 1930er-Jahre folgenschweren Trivialisierung dieses Krieges beigetragen haben, zumal sie oft auf Ansichtskarten übermittelt wurde, deren Motive allein ein „besonders wirkungsvolles Instrument“ 145

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dieser Trivialisierung darstellten.32 Dazu kam die Sprache, die Metaphorik und vor allem die Platzierung von Geschlechterklischees in eine Schützengraben- und Heimatromantik – so, als wäre das Geschlechterverhältnis im Krieg nicht auch aus den Fugen geraten. Und doch partizipierten die Autoren und Autorinnen dieser spezifischen Feldpost an jenem Diskurs, der auf der symbolischen oder ideologischen Ebene die Renaissance der traditionellen Geschlechterpolarität zu Kriegsbeginn konstituierte, ganz im Sinne einer Ausrichtung, die Waltraud Amberger plastisch beschrieben hat: „Krieg, das ist das Festhalten an einem Denken in Gegensätzen, weil es keine Unsicherheit ertragen gelernt hat.“33 Auch damit wurde der Krieg auf „etwas scheinbar Normales“ reduziert und zu einer Erfahrung gestaltet, „der man ihren Schrecken und ihr Chaos genommen hatte“ – wodurch er dann umso leichter zu einem Mythos stilisiert werden konnte.34 Dies ist nur eine Seite der ‚Kriegsgeschichte‘ eines Genres, das durch Propaganda und öffentliche Autoritäten auf den Krieg und dessen Geschlechtermodell eingestimmt und von den Menschen dazu benutzt wurde, sich am offiziellen Geschlechterdiskurs zu beteiligen. Unbestritten gab es auch eine andere, eher verborgene, quellenmäßig schwer fassbare und schwieriger zu deutende Tendenz der ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz, die mitunter latente und antagonistische Zwischentöne enthielt und damit von den Grenzen, dem Brüchigwerden der intendierten Konstruktion des Geschlechterverhältnisses im Verlauf des Krieges erzählen könnte. Die dem ‚Liebesgaben‘-System eingeschriebene Ambivalenz und die dadurch mögliche Verkehrung in eine konkrete, persönliche und damit den nationalen Kriegszielen auch antagonistische Geschlechterbeziehung35 konnte in Fällen, in denen sich die Verbindung zwischen einem Soldaten und einer ‚Liebesgaben‘-Spenderin intensivierte, auch eine Überschreitung oder Veränderung des skizzierten Genres bewirken.36 So wurde es den Autorinnen und Autoren solcher Feldpost im Prinzip möglich, die Vorgaben zu durchbrechen und ihre ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz zu ‚privatisieren‘, das heißt für eigene Interessen, Gefühle, Wünsche und Sehnsüchte zu vereinnahmen. Latente Botschaften, die in den ersten Karten verdeckt als „Mein liebes Unbekanntes Frl. Habe eben Nachtdienst und denke an die unbekannte Spänderin“37 formuliert waren, konnten dann ihr vielschichtiges Potenzial möglicherweise entfalten, indem der Raum hin zum persönlichen (Liebes-)Bedürfnis beziehungsweise den damit verbundenen Vorstellungen und Erwartungen geöffnet wurde. Ein Beleg dafür, dass ehemals öffentlich inszenierte ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz zur privaten Feldpost werden konnte, wo 146

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oft geschickt zwischen den Vorgaben der Zensur und der Kriegspropaganda einerseits und den individuellen Wahrnehmungen im Krieg andererseits lanciert wurde, soll hier erwähnt werden. Im ehemaligen Tagebuch von Elfriede Kuhr sind Briefteile einer umfangreicheren Korrespondenz mit einem ihrer vier ‚Liebesgaben‘Soldaten namens Emil Szagun veröffentlicht, die den Wandel des Verhältnisses zwischen dem Soldaten und dem jungen Mädchen ebenso illustrieren wie die parallele Wendung der Kriegserzählung. Schließlich adressierte sich der Soldat hier an seine „Liebe Freundin“ nicht mehr als „Held“, sondern als „armer“, von Hunger und Kälte geplagter „Krieger“, der der emotionalen und materiellen Hilfe bedurfte und auch von Kälte und Tod sprach, anstatt patriotische Formeln und Feindbilder zu übermitteln.38 Wünsche Ihnen fröhliche Weihnachten, so gut das im Kriege geht. Ich könnte warme Unterhosen brauchen, wenn Sie gerade übrig haben. Bin schon vom Lazarett fort und habe oft kalt. Liebe Freundin, seien Sie nur nicht böse, daß ich solange nicht geschrieben habe, denn war auf Genesungsurlaub. Die hertzlichsten Grüße sendet Emil.39

Eine Ideologisierung weiblicher ‚Liebesarbeit‘ findet sich in einem solchen privatisierten Verhältnis sehr viel seltener, wiewohl gerade die physische, das heißt materielle Reproduktion oft das vordergründige, mitunter sogar primäre Thema der privaten Feldpost des Ersten Weltkriegs darstellte, dessen Versorgungslage sich ja unvergleichlich viel dramatischer entwickelte als dann im Zweiten Weltkrieg.40 Es ist jedoch auffallend, dass die Soldaten, die in ihrer ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz so häufig die propagandistische Geschlechterideologie der Kriegsgesellschaft rezipierten, im privaten oder privatisierten Kontext eine Ausdrucksform wählten, die dem skizzierten Pathos geradezu entgegengesetzt war. Die Kommunikation über weibliche Sendungen ins Feld reduzierte sich hier gleichsam auf deren eigentlichen, materiellen Zweck, auf Aspekte der ganz konkreten, körperbezogenen Reproduktion im Kriege – einer Reproduktion, die in den Briefen bar jeglicher pathetischen Verbrämung knapp, deutlich und selbstverständlich dem weiblichen Part einer (familialen) (Liebes-)Beziehung zugeschrieben blieb. „Wir haben 10 Tage im Graben im Schlamm gestanden, da waren die Stiefel nicht lang genug. Schickt mir mal Strümpfe und Fußlappen.“41

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‚Liebesgaben‘ in soldatischen Kriegstagebüchern und Kriegsmemoiren Ungeachtet ihres hohen Stellenwerts im Krieg gerieten die ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz sowie die private Feldpost nach 1918 eher in Vergessenheit und wurden der Tradierung im familialen Kontext überlassen. Hingegen erlangten zwei weitaus umfangreichere und elaboriertere Ego-Dokumente, nämlich Kriegstagebücher und Kriegsmemoiren beziehungsweise deren Mischformen, große Bedeutung in der öffentlichen Erinnerungskultur. Sie nährten und stützten den nach Kriegsende 1918 rasch etablierten „Mythos des Kriegserlebnisses, in dessen Mittelpunkt die Männlichkeit stand“, in besonders wirksamer Art und Weise – einen Mythos, der „dem Tod auf dem Schlachtfeld seinen Stachel nehmen und das Sinnhafte des Kampfes und des Opfers hervorheben“ sollte,42 damit den Soldaten heroisierte und dem Faschismus Vorschub leistete. Schon Klaus Theweleit hat, wenn auch ausschließlich in Bezug auf die spezifischen Kriegsmemoiren ehemaliger Freikorpsoffiziere, die mit der Konstruktion des ‚soldatischen Mannes‘ eng verwobene, durch viele Mechanismen der Ausblendung des ‚Weiblichen‘ bestimmte Geschlechtermetaphorik überzeugend dargestellt.43 Betrachten wir, stellvertretend für viele andere, zwei Beispiele, die gewissermaßen den Ausgangs- und einen Höhepunkt in dieser Entwicklung hin zur Apotheose eines männlichen ‚Kriegserlebnisses‘ markieren, so bestätigt sich eine solche Tendenz auch für die soldatische Wahrnehmung weiblicher ‚Liebesgaben‘: Ihrer stereotypen Inszenierung zu Kriegsbeginn, die Frauen und Mädchen gleichwohl unbestimmt, im Abseits belässt, steht deren gänzliche Ausblendung in der hegemonialen Erinnerungskultur nach 1918 gegenüber. Ersteres ist in der bereits Ende 1914 veröffentlichten Kriegserzählung des Hauptmanns Oskar Höcker zu beobachten, der an der Westfront eingesetzt war.44 In diesem deutsches Soldaten- und Heldentum preisenden, von ‚oben‘ nach ‚unten‘ gerichteten kriegspropagandistischen Werk liest sich die relativ häufige, wenn auch in kurzen Hinweisen formulierte Erwähnung von ‚Liebesgaben‘ so, als würde der Autor geradezu nach guten Gelegenheiten suchen, um vermitteln zu können, dass sie in seinem Umfeld offenbar reichlich vorhanden waren: sei es in Form von „Backpflaumen“, „Wurst und Pfefferminzkuchen“, „Liebesgabenschachteln Zigaretten“ oder elektrischen Taschenlampen (als angeblich des Nachts im Kampfgeschehen „ aller-gesuchtesten Liebesgaben“), sei es als „warme Unterwäsche, wollene Strümpfe, Halstücher usw.“, wofür „die gütigen Liebesgabensendungen [schon] ausreichend gesorgt“ hätten, oder gar als „Wollweste, die 148

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der Liebesgabenzug nach Lille gebracht hat“.45 Mitunter entsteht der Eindruck, als wolle Höcker die Bedeutung des ‚Liebesgaben‘Systems den Soldaten mit Nachdruck einprägen, was sogar soweit geht, dass er den Grenadiermantel „eines toten Kameraden“, der diesem von einem Soldaten abgenommen wurde, zur ‚Liebesgabe‘ erklärt.46 Seine Inszenierung schafft, wie die vorne beschriebene ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz, das trotz zahlreicher Kampf- und Todesszenarien in den Schützengräben geradezu harmonisch anmutende Bild eines entlang der Geschlechterdifferenz wohlorganisierten Krieges – wobei diese Struktur jedoch nicht explizit gemacht wird: „Alle paar Stunden gibt’s einen Halt, die Mannschaften dürfen aussteigen, werden gespeist durch Feldverpflegung oder doch erquickt durch Liebesgaben der Bevölkerung.“47 In der Erzählperspektive des Schriftstellers Ernst Jünger hingegen, dessen „Tagebuch eines Stoßtruppführers“ mit dem Titel „In Stahlgewittern“ seit dem ersten Erscheinen 1920 gewiss zu den meistzitierten autobiografischen Kriegsdarstellungen des Ersten Weltkriegs zählt, bleiben jegliche ‚Liebesgaben‘ unerwähnt, obwohl Jünger wie Höcker an der Westfront gekämpft hatte. Von wenigen kurzen Unterbrechungen abgesehen, war er dort die gesamte Kriegszeit über stationiert und damit ebenfalls an jener Frontlinie, wo die deutschen Truppeneinheiten wenigstens zu Kriegsbeginn relativ gut, mitunter sogar reichlich mit diversen ‚Liebesgaben‘ versorgt worden sind;48 insofern hat die Darstellung Höckers durchaus ihre Überzeugungskraft. Die gänzliche NichtPräsenz von ‚Liebesgaben‘ bei Jünger ordnet sich ein in das Gesamtgefüge des weitestgehenden Schweigens über all das, was Frauen betrifft oder weiblich konnotiert ist. Indem die Kompanie beziehungsweise das Regiment den „Kreis der Familie“ nicht nur ersetzt, sondern gewissermaßen überhaupt konstituiert49 und doch in den Schützengräben „wie ein Mann“ „standhält“, auf andere von „kühner Männlichkeit“ motivierte „Männer“ stößt,50 bedarf diese Kriegserzählung für die Darlegung eigener Gefühle oder Sehnsüchte im Prinzip keiner Referenz auf Frauen und Mädchen. Von einem Mädchen in Rom erzählt höchstens einmal ein anderer Soldat „während des Zusammenseins in einem Trichter auf dem Schlachtfeld“, und „Anschriften von Londoner Mädchen“ oder „vermutlich zärtliche Erinnerungen an einen (Pariser) Fronturlaub“ finden sich nur bei toten Feinden.51 Auch „weißgekleidete Schwestern“52 in den Lazaretten bleiben auf wenige Worte reduziert, obwohl der Autor öfters relativ schwer verwundet wurde. Selbst seine Mutter erscheint in der Welt der Schützengräben lediglich in der Gestalt des Bruders, für dessen Schicksal sich Jünger „als Vertreter der Mutter“ verantwortlich fühlt.53 Die Heimatur149

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laube, mit einigen Sätzen gerade noch erwähnt, dienen vor allem als Gliederungsprinzip für die elaborierte Darlegung der Materialschlachten, darauf bezogene Sinnstiftungen bleiben latent oder auf der Ebene von Metaphern, als Bruchstücke „einer versunkenen, unglaublich fernen Welt“ in die Kriegserzählung eingestreut. „In meinem Tagebuch finde ich die kurze, aber vielsagende Notiz: ,Urlaub sehr gut verbracht, brauche mir nach meinem Tode keine Vorwürfe zu machen.‘“54 Eine Apostrophierung des männlichen ,Kriegserlebnisses‘ wie bei Jünger, dessen Kriegsdarstellungen für die um den VerdunMythos zentrierte „Stahlhelm“-Generation der deutschen Nachkriegszeit zu einem Leitbild wurden,55 findet sich auch in anderen nach 1918 publizierten Kriegsmemoiren und Kriegstagebüchern. Sie war jedoch nicht unbedingt eine, die ebenso durch Mannschaftssoldaten aus gesellschaftlichen Unterschichten kolportiert wurde. In Hinblick auf diese absolute Mehrheit der Soldaten war die „Trennung von privater und öffentlicher Kriegserinnerung“56 besonders markant. Es wäre daher, wie Bessel für das deutsche Heer festgestellt hat, „ein gefährlicher Irrtum“ anzunehmen, „daß die Erfahrungen der Mehrzahl der nach 1918 aus dem Heer entlassenen Männer die gleichen“ waren wie diejenigen, welche die maßgeblich von Offizieren getragenen Veteranenorganisationen veröffentlichten – obwohl diese „vorgaben, im Namen der ehemaligen Frontsoldaten zu sprechen“.57 Aufzeichnungen von einfachen Mannschaftsoldaten oder Offizieren der niederen Ränge, die häufiger konterkarierende und kontrastierende ,Kriegserlebnisse‘ tradieren, sind jedoch bis heute nur in relativ geringer Zahl überliefert, obgleich im Ersten Weltkrieg viele nicht nur höher- oder hochstehende militärische Befehlshaber beziehungsweise Vertreter des – in sich stark differenzierten – Offizierkorps und bildungsbürgerliche Autoren sogenannte „Erlebnis- und Memoirenliteratur“58 produzierten, sondern auch Männer aus der Masse der Soldaten. Ähnlich wie unzählige Briefe und Korrespondenzkarten, motivierte das Erlebnis dieses Krieges in einem historisch neuen Ausmaß auch unzählige, jedenfalls bis heute ungezählte und vielfach unbekannte Tagebücher und Kriegsmemoiren der „einfachen Frontsoldaten“,59 sodass von einer Popularisierung dieser Genres gesprochen werden kann. Solche popularen Texte wurden freilich selbst in den ersten Jahren der Zwischenkriegszeit nur in Ausnahmefällen veröffentlicht60 – vornehmlich dann, wenn sie trotz ihrer unverblümten Schilderungen der Schrecken des Krieges und der Klassengegensätze im Heer doch keine „pazifistische Konsequenz“61 aus dem erlebten Krieg zogen, sondern sich in die Legende vom ‚Dolchstoß‘ der Heimat 150

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gegen die bis zuletzt „standhaft“ kämpfenden Kameraden, deren Heimkehr ohne Lohn und Dank blieb, einpassen ließen.62 Erst im Zuge der Hinwendung zu einer „Militärgeschichte von unten“63 wurden in den letzten Jahren auch populare Selbstzeugnisse ehemaliger Soldaten des Ersten Weltkriegs – mehr oder weniger zufällig – „wiederentdeckt“ und in Einzelfällen auch veröffentlicht.64 Ihre systematische Erforschung steht, vor allem für die österreichische Geschichtsschreibung, noch an.65 Die Quellensituation, die uns auf der Suche nach der Thematisierung von ‚Liebesgaben‘ in soldatischen Kriegstagebüchern und Kriegsmemoiren unweigerlich begegnet, sobald wir die Pfade zu verlassen suchen, die den dominanten Mythos des ‚Kriegserlebnisses‘ prägten, ist somit komplex und heterogen. Dessen ungeachtet ergab die Lektüre einer größeren, weit gestreuten Auswahl solcher Texte einen Befund, der von den Verzweigungen jener Pfade in ein weitaus breiteres kollektives Gedächtnis der männlichen Kriegsteilnehmer erzählt. Denn das wichtigste und wohl wenig überraschende Faktum, nämlich die Beiläufigkeit, mit der ‚Liebesgaben‘ im größten Teil dieser Texte – wenn überhaupt – erwähnt werden, gilt für Offiziere ebenso wie für Mannschaftssoldaten, für veröffentlichte Aufzeichnungen wie für unveröffentlichte. Der Umstand, dass es weibliche ‚Liebesgaben‘ gab, sowie ihr Erhalt zu bestimmten Anlässen scheint in der Tat für einen Großteil der Soldaten des Ersten Weltkriegs selbstverständlich gewesen zu sein – so selbstverständlich, dass sie in ihrer reichhaltigen Tagebuch- und Memoirenliteratur keiner ausführlicheren und reflexiven Erwähnung bedurften. Alles in allem bleiben ‚Liebesgaben‘ hier jedenfalls Marginalien, der expliziten Nennung und damit der konkreten Erinnerung kaum wert – was sich nicht nur in einer Knappheit des Stils ausdrückt, sondern auch darin, dass der Begriff keineswegs immer verwendet wird, wenn allem Augenschein nach von ‚Liebesgaben‘ die Rede ist. In manchen Aufzeichnungen finden sich, wie bei Ernst Jünger, überhaupt keine Hinweise auf entsprechende Situationen oder Erinnerungen. Repräsentativer als der bereits erwähnte Paul Oskar Höcker ist etwa das Tagebuch seines Landsmannes Hermann Löns, der auch an der Westfront war, allerdings als „einfacher Füsilier“.66 Den Erhalt von ‚Liebesgaben‘ notierte Löns ein einziges Mal, und zwar am Tag vor seinem Tod, wobei er wohl – im Vergleich mit früher erhaltenen Rationen – eine Verringerung der Menge registrierte: Heute Freitag. /25.9.1914/ Schlachtenkette um Reims heute vierzehn Tage Dauer. Es bullert im Norden weiter. Post kommt /Eff Ell/. Mittag. Es ist direkt heiß unter dem Winde. Küche Essenausgabe. 151

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Ich kenne den Rummel und esse bei 3. Komp/agnie/. Ein Füs/ilier/ bringt dem Feldwebel Tomatenmarken. Der nimmt sie, ohne Gesicht zu verziehen. Liebesgaben, sehr wenig und nichts besonderes (Zwei Zig/arren/, drei Zigarett/en/, Käse, zwei Würste).67

Wenn in soldatischen Kriegsaufzeichnungen ‚Liebesgaben‘ somit überwiegend nur am Rande thematisiert werden, dann bedeutet dies wohl auch, dass der Begriff bei den Soldaten nicht dieselbe Konjunktur hatte wie im Diskurs zur Mobilisierung der weiblichen ‚Heimatfront‘, wo er geradezu inflationär verwendet wurde. Gleichzeitig aber belegt die Konnotation der Selbstverständlichkeit, mit der in verschiedensten Erinnerungstexten männlicher Kriegsteilnehmer von ‚Liebesgaben‘ zumindest die Rede ist, eine weitreichende Vertrautheit damit. Vielleicht war die Bezeichnung den Soldaten bereits vor dem Krieg bekannt; die Begriffsgeschichte führt in den Kontext der traditionellen Brautwerbung68 und der wohltätigen Armenpflege des 19. Jahrhunderts, wo eine ‚Liebesgabe‘ „eine gabe der liebe, gabe mitleidiger menschen“69 war. Vieles deutet darauf hin, dass der erst in der Kriegsgesellschaft in seiner Bedeutung erweiterte und allseits gebräuchlich gewordene Begriff von den Soldaten einfach schnell aufgenommen und ihrer Sprache ‚einverleibt‘ wurde – war es doch aufgrund der Geschlechterstruktur des ‚Liebesgaben‘-Systems möglich, das Ideologem der ‚Liebesgabe‘ in ein bekanntes mentales Raster einzubauen. So gesehen ist es auch nicht verwunderlich, wenn es bei den Verfassern von Kriegstagebüchern und Kriegsmemoiren keinerlei Befremden, kein Nachdenken und Hinterfragen provozierte: Sie betrachteten den Erhalt von weiblichen ‚Liebesgaben‘, die Tatsache, dass ihnen Frauen und Mädchen etwas schenkten, als ihr männliches Recht oder Privileg. Auch die folgenden Zitate aus soldatischen Kriegstagebüchern und -memoiren sind typisch für die beiläufige Art und Weise der Erwähnung von ‚Liebesgaben‘. Es sind jeweils die einzigen Aussagen dieses Inhalts in recht umfangreichen Texten. Die erste Stelle stammt aus den Kriegsaufzeichnungen des akademischen Malers und Kunstprofessors Reinhold Klaus, der als Reserveoffizier gleich zu Kriegsbeginn an die Ostfront einrückte, wo er 1915 in der Schlacht bei Gorlice-Tarnow und gegen die Brussilov-Offensive kämpfte. Er wurde dabei verwundet und mit einem Lazarettzug nach Wien gebracht. Nach der Schilderung der Nacht im Zug, wo die Verwundeten „nebeneinander und übereinander“ lagen und ihm „manchmal Blut ins Gesicht (tropfte)“, wechselt der Autor für einige Sätze die Erzählperspektive: „Auf der Fahrt durch Schlesien und Mähren waren die Bahnhöfe voller Menschen und die deut152

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schen Bäuerinnen wußten sich nicht genug zu tun, brachten Unmengen von Liebesgaben, die ja auch alle durch Fenster gereicht wurden.“70 Die zweite Stelle findet sich in einer von Erika Kautzky angefertigten Abschrift des Kriegstagebuches ihres Vaters Hans Haugeneder, geboren 1897, eines Bauernsohnes aus dem oberösterreichischen Hausruck. Als Gymnasiast mit „Kriegsmatura“ rückte Haugeneder im Juni 1916 nach Russland ein, mit dem Vorhaben, „in Briefen und Tagebüchern all das Erlebte festzuhalten“, um sich später „von Zeit zu Zeit die leid- und freudvollen Bilder dieser sturmbewegten Zeit vor Augen halten“ zu können.71 Das überlieferte Kriegstagebuch wird besonders im ersten Teil, der sich auf die Kriegsaufenthalte in Russland und Rumänien bezieht, von Reise- und Naturschilderungen dominiert; in einem solchen Kontext muten selbst Schilderungen von Kampfhandlungen und Aufenthalten in Schützengräben recht idyllisch an. Das gilt auch für den Bericht über die erste Zeit des Kriegseinsatzes Haugeneders in einer Stellung am Fluss Sereth, wo er, das einzige Mal überhaupt, den Erhalt von ‚Liebesgaben‘ erwähnt: „6. 8. 16: Einige Schrappnells in die Nähe bekommen. Ecker beehrt uns mit seinem Besuche. Trauliches Beisammensein in unserer Kajüte bei Liebesgaben und Tabakqual (? – E. K.). Von Jezierna aus beschießt ein 30,5 cm Mörser den russischen Stützpunkt von Hladky.“72 Aus solchen Zitaten werden zumindest Anlässe für den Erhalt von ‚Liebesgaben‘ deutlich. Sie wurden bevorzugt vor oder nach Angriffen und Schlachten beziehungsweise nach längeren Aufenthalten in den Stellungen oder durch die lokale Bevölkerung im Rahmen des Bahnhof-Labedienstes der lokalen Frauen- und RotKreuz-Initiativen verteilt. Die soldatischen Erinnerungen daran entwerfen ein geradezu festliches Szenarium, in dem durchziehende Truppen und Soldatentransporte in einer patriotischen Aura reichlich mit ‚Liebesgaben‘ bedacht wurden. Dies kommt selbst in den kritischen und von einer pazifistischen Haltung motivierten Aufzeichnungen des elsässischen Bauernsohnes Dominik Richert zum Ausdruck, wenn er von einer „Unmenge Liebesgaben, hauptsächlich Schokolade, Zigarren, Zigaretten und Obst“ berichtet, welche die Soldaten am Beginn des Krieges von der Bevölkerung in Freiburg erhielten.73 Oder er hält fest, dass die Mannschaft, der er angehörte, auf ihrem Transport von der West- an die Karpatenfront in Wien und Budapest und „überall“ dort, wo Halt gemacht wurde, von einer jubelnden Bevölkerung empfangen wurde, die „oft Liebesgaben, besonders Rauchmaterial“ reichte.74 Auch Erzählungen über das Weihnachtsfest und – seltener – über Aufenthalte in Feldlazaretten oder Spitälern provozierten bei 153

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den Kriegsteilnehmern manchmal die Erwähnung von ‚Liebesgaben‘. Besonders für Weihnachten gilt dabei wiederum, dass für die erste Kriegszeit noch recht reichhaltige Bescherungen beschrieben werden können, während dies für die späteren Kriegsjahre nicht mehr der Fall ist. Oskar Schmilauer, ein 1915 freiwillig eingerückter Gymnasiast aus Wien, der als Kadett im November nach Montenegro kam, konstatierte schon für das bald darauf in der kurz zuvor eroberten Bischofsstadt Ipek verbrachte Weihnachtsfest das Ausbleiben von ‚Liebesgaben‘: „Leider bleiben Weihnachtsliebesgaben aus, da die Paketpost nicht befördert wird.“75 Gerade im Zusammenhang mit Schilderungen von Weihnachtsfesten der späteren Kriegsjahre häufen sich die – nunmehr besonders kurz gehaltenen – Hinweise auf Weihnachtsgaben, die nicht explizit als ‚Liebesgaben‘ bezeichnet werden. So schrieb Alois Öller von einem „Christ-Geschenk – bestehend aus einem Notizbuch“, welches die Mannschaft des 26. Marschbataillons seines Regiments, der er zu Weihnachten 1916 angehörte, damals erhielt. Das Weihnachtsfest 1917 erlebte er in einem Reservespital in Prag, wo die Insassen „eine liebe, gemütliche Christbaumfeier hatten, bei welcher wir zu unserer Freude mit Zigaretten beschenkt wurden“.76 Dominik Richerts Erinnerungen an die erste Kriegsweihnacht hingegen sind noch ausführlich und detailliert. Sie zeichnen für Soldaten des Deutschen Reiches das Bild eines reichlich gedeckten Gabentisches – zumindest für jene Soldaten, die keine Pakete von daheim zu erwarten hatten. Die betreffende Stelle ist außerdem ein in den hier behandelten Quellen besonders seltener Beleg für eine soziale Verteilung von ‚Liebesgaben‘ gemäß den karitativen Argumenten der offiziellen Propaganda. Nun kam das Weihnachtsfest, die erste Kriegsweihnacht. Unsere Kompagnie feierte das Fest in Vendin-Le-Vieil. Es waren eine Menge Liebesgaben angekommen. Da ich, Zanger und Gautherat aus Menglatt mit der Heimat keine Verbindung mehr hatten und daher auch keine Pakete bekommen konnten, gab uns der Kompanieführer extra Liebesgaben. Dann bekamen wir noch einen Teil wie die anderen. Auch bekamen Zanger und ich eine große Kiste mit guten und nützlichen Dingen von einer reichen Fabrikantin aus Mannheim, welche uns heimatlosen Soldaten eine Freude machen wollte. Wir konnten unsere Sachen kaum auf einmal in unser Quartier tragen. Wir hatten einen ganzen Tisch voll Schokolade, Zuckerbrötchen, Bonbons, Zigarren, Zigaretten, Dauerwurst, Ölsardinen, Pfeifen, Hosenträgern, Halstüchern, Handschuhen und so weiter. Ich verteilte Schokolade und Bonbons an die Kinder, die ich auf der Straße traf.77 154

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für die

Soldaten

Die Beschreibungen der Weihnachtsfeste 1915, 1916 und 1917 fielen jedoch auch bei Richert kurz aus und entbehren einer expliziten Erwähnung von ‚Liebesgaben‘, indem nur auf „eine kleine Bescherung“, „eine ¾-Liter-Flasche sauren Rheinwein als Christabendbescherung“ für zwei Mann und „eine kleine Christbescherung für jeden Mann“ verwiesen wird.78 Das zunehmende Verstummen des soldatischen Diskurses über weihnachtliche ‚Liebesgaben‘ im Verlauf des Krieges ist signifikant. Ich deute dies nicht nur als Ausdruck von Mangel, bedingt durch die schlechte Versorgungslage und Transportprobleme, sondern auch als ein Abdriften der Frontsoldaten in eine besondere Sprachlosigkeit. Angesichts der offensichtlich gewordenen Vernichtungsgewalt des Weltkriegs, des Massensterbens, Hungerns und Frierens verlor wohl auch Weihnachten seinen festlichen Charakter. Aber gerade das Fest oder zumindest festlich konnotierte Anlässe, Situationen des Feierns und der Feierlichkeit, des geselligen Zusammenseins, der Entspannung und Ruhe bilden den primären Kontext für die soldatische Wahrnehmung von ‚Liebesgaben‘ – die meisten der oben zitierten Beispiele haben dies eindeutig belegt. Ihnen zufolge waren es vor allem Beschreibungen feierlicher oder festlicher Empfänge und Verabschiedungen durch die (zujubelnde) Bevölkerung, des gemütlich anmutenden Beisammenseins im Schützengraben, im Lazarett, zu Weihnachten, die Erinnerungen an ‚Liebesgaben‘ überhaupt motivierten. Und Hunger? Nässe und Kälte? Also jene Kriegserfahrungen, vor denen selbst Ernst Jünger gewissermaßen warnte, indem er feststellte, „daß kein Artilleriefeuer die Widerstandskraft so gründlich zu brechen vermag“ wie sie.79 Nicht von ungefähr verhieß die Propaganda, dass weibliche Fürsorge solche Erfahrungen mildern, wenn nicht gar verhindern könnte. Das Schreckensbild des frierenden Soldaten hatte sich auch in den Köpfen der damaligen Schulmädchen nachhaltig eingeprägt und ihren ‚Liebesgaben‘Fleiß vermutlich nicht unwesentlich angespornt.80 Nach Entsprechungen dafür suchte ich in soldatischen Kriegstagebüchern und Kriegsmemoiren jedoch vergeblich – bis auf eine einzige Ausnahme. Johann Obermüller, ein 1894 geborener oberösterreichischer Bauernsohn, der im Herbst 1914 an die Front in die Karpaten kam, schrieb einmal über gespendete Lebensmittel, die die karge Wintermenage aufgebessert hätten. Es ist wiederum die einzige auf ‚Liebesgaben‘ bezugnehmende Stelle in seinem 96 Seiten umfassenden, engzeilig typografierten Manuskript: Durch die fortwährenden Strapazen, Kälte und Hunger wurden viele krank. Menage erhielten wir täglich nachmittags, meist gefroren – 155

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sie mußte mittels Tragtieren heraufbefördert werden, was sieben Stunden dauerte, und dann mußten wir noch eine Stunde entgegengehen, denn es war unmöglich, mit den Tieren bis herauf zu kommen. Zum Aufwärmen hatten wir wenig Geduld. Bis eine Schale einmal warm wurde bei dem schlechten Brennmaterial, dauerte eine Ewigkeit. Wir verschlangen das Essen einfach kalt. Die Liebesgaben wie Schokolade, Zwieback, Sardinen waren das einzig schmackhafte. Schneestürme brausten über unsere Behausungen. Hie und da machte uns der Russe ein Ständchen mit einem Artilleriefeuer [...]81

Ansonsten wurde das Thema weiblicher ‚Liebestätigkeit‘ für die Soldaten in den hier analysierten Texten an keiner Stelle mit den Themenbereichen Hunger und Kälte verknüpft, auch dort nicht, wo diese Erfahrungen immer wiederkehrend beschrieben und zu Leitlinien der Kriegserzählung wurden, was gerade in popularen Aufzeichnungen häufig der Fall ist. Besonders drastische Beispiele dafür sind die kurz nach dem Krieg erschienenen „Kriegserlebnisse“ des österreichischen Infanteristen Alois Öller, der zahlreiche Situationen des Ausgeliefertseins thematisierte und das trostlose Überleben der „armen, ausgehungerten Frontsoldaten“ an der Dolomitenfront dem parallelen Wohlergehen und den Schikanen der Offiziere gegenüberstellte,82 oder die Berichte des Elsässers Richert. Er hat, wie oben belegt, für den beginnenden ersten Kriegswinter zunächst noch „Überfluß an allem“83 beschrieben, dann aber zusehends den Mangel an allem. Auch ihm verunmöglichte die Vergegenwärtigung der vielen Hungertage, des Krankseins und der extremen Kälte an der russischen Front und der dadurch bedingten „unglaubliche[n] Mutlosigkeit unter den Soldaten84 jegliche Erwähnung von ‚Liebesgaben‘ – so, als hätte es sie nicht (mehr) gegeben, oder so, als wäre ihre unbestritten seltener gewordene Verteilung angesichts der trostlosen Umstände nicht besonders bewusst und dankbar registriert worden. Die Gewalt des Hungerns und die Gefahr des (Er-)Frierens verschlangen in diesem Krieg also in der Tat sehr schnell jegliche weibliche ‚Liebesmüh‘. „Das Konzept der liebenden weiblichen Selbstaufopferung konnte nicht dazu beitragen, die Unmenschlichkeit des Krieges zu mildern.“85 Ein tieferer Grund für die weitestgehende Inkompatibilität des Sprechens über Hunger und Kälte mit Erinnerungen an weibliche ‚Liebesgaben‘ könnte sein, dass beides – in entgegengesetzter Art und Weise – letztlich auch auf Körperlichkeit bezogen ist: Denn im Verein mit den intendierten emotionalen und psychischen Wirkungen zielten die ‚Liebesgaben‘ der Mädchen und der Frauen ganz konkret auf den Körper der Soldaten; diesen sollten sie, gemäß ihrer weiblichen Bestimmung, mit „liebevoll“ zusammen156

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oder eigens hergestellten „guten“ und „warmen“ Sachen laben oder wärmen und ihn damit ‚männlich‘, das heißt auch kämpferisch erhalten. So formuliert, wird die sexuelle Konnotation, die jeder Diskurs, jedes Bemühen um den Körper unweigerlich beinhaltet, deutlich. Ein Verbleib in gängigen Ideologisierungen und Topoi zur Umschreibung oder Verschleierung solcher Körperlichkeit, und damit auch ein Festhalten am offiziellen Geschlechterdiskurs, blieb vielleicht den Mädchen und Frauen und vor allem den nicht eingezogenen Ideologen der ‚Heimatfront‘ länger möglich als den kämpfenden Soldaten an den Fronten. Denn der Zustand ihrer Körper erfuhr im Laufe des Krieges ein extremes Ausmaß an Verwahrlosung und Verfall: Neben Hunger und Kälte bewirkten häufige Krankheiten wie vor allem Ruhr, Typhus und ähnliche von Durchfall und Magenschmerzen begleitete Epidemien das ihrige. Ganz abgesehen davon war es während der Aufenthalte in Schützengräben oder in Gebirgsstellungen oft über Tage, mitunter gar über Wochen unmöglich, sich zu waschen oder Wäsche zu wechseln; hinzu kamen Läuse. All das konnte, so belegen meine Quellen, im Bericht der Soldaten bestenfalls als Zustand konstatiert werden – was in manchen Selbstzeugnissen durchaus ausführlich geschieht. Mehr und anders davon zu erzählen, war aber offenbar nicht möglich. Hinweise auf damit verbundene Ängste, auf Sexualität86 und sexuelle Sehnsüchte angesichts solcher Körperlichkeit finden sich in den Kriegsaufzeichnungen der Soldaten jedenfalls keine. Dem verheißungsvollen Bild des nach dem Krieg einfach in die Rolle des galanten Tänzers zurückkehrenden, unversehrten Mannes, das in der ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz noch apostrophiert wurde, wird nichts hinzugefügt. Könnte daher nicht auch vermutet werden, dass die Soldaten ihre durch den Krieg heruntergekommenen Körper vor den Frauen und Mädchen in der Heimat möglichst zu verbergen suchten? So gesehen könnte das parallel zur Verkehrung des ‚Kriegserlebnisses‘ in Destruktionserfahrung rasch entstandene (weitgehende) Verschweigen jeglicher auf das körperliche Befinden gerichteten ‚Liebestätigkeit‘ von – den Soldaten oft sogar unbekannten – Frauen und Mädchen letztlich auch ein aus Scham, aus Entsetzen ob der Wirkungen des Krieges gespeistes unbewusstes Bedürfnis reproduzieren, diesen ihre Körper und damit ihre Sexualität zu entziehen, selbst in den eigentlich ‚männlichen‘, an ein männliches Publikum adressierten Genres ihrer Kriegserinnerungen. Einer anderen auffälligen Tendenz, die auch Theweleit in den Memoiren der Freikorpsoffiziere vorgefunden hat,87 bin ich auf meiner Suche nach der soldatischen Wahrnehmung weiblicher 157

Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein …

‚Liebesgaben‘ ebenfalls begegnet, und auch hier ist das Ergebnis eindeutig: Die Spenderinnen von ‚Liebesgaben‘ werden in den untersuchten Erinnerungstexten durchgehend einer Objektsetzung ‚Frau‘ unterworfen. Sie bleiben zumeist überhaupt ungenannt oder scheinen nur als entindividualisierte Kulisse auf, wenn allgemein von der „Bevölkerung“ oder „deutschen Bäuerinnen“ die Rede ist. Nur Richert nannte an einer Stelle konkret eine „reiche Fabrikantin aus Mannheim, welche uns heimatlosen Soldaten eine Freude machen wollte“.88 Und selbst der das ‚Liebesgaben‘-System verherrlichende deutsche Hauptmann Höcker schrieb nur ein einziges Mal kurz auch von den weiblichen Absenderinnen erhaltener Geschenke: Und eine gütige Exzellenz in Wilmersdorf hat mit ihrer Tochter Pulswärmer gestrickt für den „Gentleman-Koch“ unseres Bataillons, für das „Schlafende Heer“, für Lehmann, für den Schlachterkarl [...] Ich hab’ sie gleich verteilt, und wir haben mit den Trinkbechern auf die verehrte Spenderin angestoßen.89

Solche spärlichen Hinweise sprengen die Aura der Beiläufigkeit und Unhinterfragtheit, mit der in den hier analysierten Quellen vom ‚Liebesgaben‘-System erzählt wird, nicht. Der Umstand bleibt bestehen, dass all die Bemühungen der zivilen und militärischen Behörden, damit auch konkrete und persönliche Beziehungen zwischen Front und Heimatfront zu schaffen, in den Kriegsaufzeichnungen der Soldaten so gut wie keinen Niederschlag fanden, während sie umgekehrt sehr wohl Teil eines weiblichen kollektiven Gedächtnisses darstellen; sogar der genaue Name ehemaliger ‚Liebesgaben‘-Soldaten ist hier mitunter verankert.90 Bestand damals und besteht heute noch in den entsprechenden Erinnerungskulturen somit ein Verhältnis diametral entgegengesetzter Bedeutungen und Wertungen, das mit der gesellschaftlichen Geschlechterasymmetrie korreliert? War es den Soldaten nicht der Rede wert, was den Mädchen und Frauen der ‚Heimatfront‘ als eine unter den Bedingungen des Krieges besonders wichtige ‚Liebesarbeit‘ erschien oder ihnen zumindest durch die offizielle Meinung und Kriegspropaganda als solche nahegelegt wurde? Es ist sicher nicht verwunderlich, dass beide Seiten in ihren Selbstzeugnissen vielfach das reproduzierten, was ihnen die damalige Kriegsgesellschaft als primäre Aufgaben zuschrieb. Die angebliche Polarität der geschlechtsspezifischen Rollen sowie Arbeiten und damit die Ideologie ihres Ineinandergreifens im Sinne einer harmonisch gedachten Ergänzung und einer sinnvollen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, wie sie in der zeitgenössischen 158

‚Liebesgaben‘

für die

Soldaten

‚Liebesgaben‘-Korrespondenz noch durchwegs inszeniert werden konnte, wurde im Laufe des Krieges desavouiert. Die kriegsbedingte Trennung der Geschlechter bewirkte nicht nur zunehmende Entfremdung innerhalb familialer Beziehungen,91 sondern auch im Verhältnis von ‚Front‘ und ‚Heimatfront‘, das als Modell gerade durch die Übernahme familialer Strukturen und Geschlechterverhältnisse charakterisiert war. „Alltags- und Relevanzstrukturen“ beider Seiten zeigten sich schnell als unvereinbar.92 Die daraus resultierende Divergenz zwischen weiblichen und männlichen Kriegserfahrungen, Haltungen und Erwartungen scheint mir ein wichtiger Grund für die weitgehende Ausblendung der weiblichen ‚Liebesgaben‘ in männlichen Kriegsaufzeichnungen zu sein. Dass es in der Kultur der Nachkriegszeit dennoch gelang, die polare Kodierung des Weiblichen und Männlichen – eine der „langlebigsten Errungenschaften der bürgerlichen Kultur“93 – zu restaurieren, sehe ich unter anderem darin begründet, dass entsprechende Weiblichkeitskonzeptionen nicht nur in der Perspektive eines ‚von oben‘ kristallisierten männlichen ‚Kriegserlebnisses‘ dominierten, sondern in den Sichtweisen der Millionen von Soldaten überhaupt.

159

In diesen Männern war ein Element lebendig, das die Wüstheit des Krieges unterstrich und doch vergeistigte, die sachliche Freude an der Gefahr, der ritterliche Drang zum Bestehen eines Kampfes. Im Laufe von vier Jahren schmolz das Feuer ein immer reineres, ein immer kühneres Kriegertum heraus.1

Fritz Weber – ein österreichischer Remarque? Soldatische Erinnerungskulturen

Am Beginn dieses Kapitels sei mir eine kleine polemische Bemerkung zur österreichischen Militärgeschichte erlaubt. Denn es mutet in der Tat merkwürdig an, dass gerade sie ‚ihren‘ Remarque des Ersten Weltkriegs offenbar doch noch gefunden hat – zumindest wenn wir an die über Jahrzehnte hinweg dominant gebliebene, apologetische und heroisierende Ausrichtung dieser Disziplin denken, die auch in ihren Weltkriegsdarstellungen vielfach bis heute an einer „Verabsolutierung militär- und politoffiziöser Interpretationsmuster“ festhielt.2 Als Remarque dient der österreichischen Militärgeschichte freilich nicht ein ‚einfacher‘ oder gar ein später dezidiert pazifistisch eingestellter Mannschaftssoldat des Ersten Weltkriegs, sondern – wie könnte es anders sein – ein Offizier. Sein Name ist einschlägig forschenden Historikerinnen und Historikern vermutlich bekannt, handelt es sich dabei doch um Fritz oder Friedrich Weber, der im Mai 1915 als Fähnrich der Artillerie einrückte und im Laufe des Krieges vermutlich bis zum Hauptmann avancierte.3 Ab den frühen 1930er-Jahren sind von ihm in Österreich und Deutschland mehrere Erinnerungsbücher über seinen Kriegseinsatz erschienen, zunächst 1931 „Das Ende der Armee“ und 1932 „Menschenmauer am Isonzo“, „Sturm an der Piave“ und „Granaten und Lawinen“.4 Im Jahr 1933 folgten die drei stärker kriegsgeschichtlich ausgerichteten Bände „Isonzo 1915“, „Isonzo 1916“ sowie „Isonzo 1917“ und schließlich in den Jahren 1934 und 1935 die Werke „Alpenkrieg“ und „Frontkameraden“.5 Einige dieser Bücher von Fritz Weber, der sich zudem bereits in der Zwischenkriegszeit als fleißiger Romancier6 und Journalist7 betätigt hat, wurden – auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg, als weitere Werke hinzukamen – mehrfach oder zusätzlich in Form von Sammelbänden aufgelegt.8 Weber ist, wie ich mich selbst im Jahr 2004 im Zuge der Vorbereitung und Durchführung einer Exkursion zu Kriegsmuseen entlang der ehemaligen „Gebirgsfront“ vergewissern konnte, nicht nur der Militärgeschichte ein bis heute viel zitierter und bekannter Augenzeuge des Ersten Weltkriegs geblieben. Seine Kriegsbücher haben darüber hinausgehend auch die hegemoniale österreichische Erinnerungskultur an den Krieg gegen Italien nachhaltig geprägt, wie ein Blick auf einschlägige Webseiten und Literaturlisten rasch zeigt. „Das Ende der Armee“, als jene Arbeit, die Weber selbst im Jahr 1938 als sein „wesentlichstes“ Buch bezeichnet hat,9 161

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sowie seine drei Werke über den Krieg am Isonzo und „Alpenkrieg“ wurden sogar ins Italienische übersetzt.10 Daher ist es naheliegend, gerade ihn zum Angelpunkt der im Folgenden entwickelten Überlegungen zur diskursiven Männlichkeit des in der Literatur häufig angesprochenen ‚Gebirgskriegers‘11 zu machen. Nur sehr punktuell sollen dabei auch andere Konstrukteure einer vor allem mithilfe von Geschlechtszuschreibungen vorangetriebenen Mythologisierung dieses – in der Literatur auch variierten – österreichischen Frontkämpfer-Typus einbezogen werden.12 Zunächst seien jedoch noch einige einleitende Bemerkungen zur angeblichen Remarque’schen Seite Fritz Webers angestellt. Die Zuschreibung ist nicht neu und sollte nicht nur überraschen. Schon in zeitgenössischen Rezensionen wird eine solche Tendenz seiner Werke konstruiert und damit natürlich auf die im Jahr 1929 erstmals erschienene, äußerst erfolgreiche Buchausgabe von Remarques linkem Frontroman „Im Westen nichts Neues“ rekurriert, der noch im selben Jahr verfilmt wurde.13 So charakterisierte sogar die sozialdemokratische „Arbeiterzeitung“ am 28. Juli 1933 das gerade auf den Markt gekommene Buch „Isonzo 1915“ nicht nur als ein „Heldenlied für alle jene“, „die damals dabei sein mußten und die draußen blieben in dem unbarmherzigen Karstgestein“, sondern auch als „eine Anklage gegen die Sorte von Patriotismus, die hüben und drüben zehntausende, hunderttausende Proletarier dazu antrieb, sich gegenseitig unmenschlich abzuschlachten“.14 Und im Oktober 1934 betonte die „Neue Freie Presse“ in ihrer Besprechung der „Frontkameraden“, man könne Fritz Weber „keineswegs vorwerfen, daß er den Krieg verzierliche und verniedliche“. Im Gegenteil würden die in diesem Buch „mit knappen, kargen Linien gezeichneten Silhouetten, die er zu einer düsteren Bildfolge aneinanderreiht, [...] sich durch ihren Naturalismus von der schönfärberischen Kriegsliteratur“ abheben und alles in allem ein „Kriegsdokument“ ergeben, das sich durch „schonungslosen Verismus“ auszeichne.15 In einer Einzelausgabe seines Buches „Sturm an der Piave“ wird Weber sogar dezidiert als Remarque bezeichnet, indem es in der Verlagsanzeige seiner Kriegserinnerungsbücher am Ende des Bandes heißt, dass er „immer wieder, in Briefen und Besprechungen, der österreichische Remarque genannt [wird]“.16 Von dieser zeitgenössischen Werbestrategie spannt sich der Bogen direkt zum Milizverlag der Österreichischen Offiziergesellschaft, der 1996 Webers Buch „Der Alpenkrieg“ als Band 8 seiner einschlägigen Reihe zur Militärgeschichte neu herausgebracht hat. Dabei handle es sich, wie es in der auch im Internet veröffentlichten Ankündigung hieß, nicht einfach um eine „eindringliche Erlebnisschilderung der 162

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Kämpfe gegen Italien im Ersten Weltkrieg“, sondern eben auch um den „Remarque der Dolomitenfront“ in Neuauflage.17 Was also, muss angesichts solcher Aussagen gefragt werden, verleitet dazu, Fritz Weber zu einem österreichischen Remarque zu stilisieren – von der offensichtlich verkaufsfördernden Wirkung für die Publikationen und der Tatsache, dass beide im Ersten Weltkrieg an der Front waren und später Schriftsteller wurden, einmal abgesehen? Zur Beantwortung dieser Frage sei erstens – wenn auch nur kurz – auf Webers militärische Laufbahn von 1914 bis 1918 eingegangen, um dann zweitens jene Tendenzen in seinen Kriegserinnerungsbüchern darzulegen, die einer solchen Gleichsetzung förderlich sind; dabei muss freilich schon im Voraus auf das weitestgehende Fehlen wissenschaftlicher Untersuchungen zur österreichischen Remarque-Rezeption in der Zwischenkriegszeit hingewiesen werden. Im dritten und wichtigsten Teil des Beitrages soll schließlich aufgezeigt werden, dass die an einem Vergleich mit Erich Maria Remarques Frontromanen orientierte Lesart der Weber’schen Kriegsbücher nur auf der Basis einer äußerst selektiven Rezeption ihres Gesamtinhalts möglich wird. Sie lässt vor allem jene Aspekte seines Soldaten- und Kriegsbildes außer Acht, die sich spätestens ab 1933 fast nahtlos in das Bild des martialischen und heroischen deutschen Soldaten einpassen ließen, der vor allem aufgrund seiner überlegenen Volkszugehörigkeit bis zuletzt kampfbereit geblieben war. Diese Thematik wird in einem Ausblick am Ende des Beitrages angesprochen.

Fragmente einer Kriegsbiografie Ungeachtet seiner vielen Bücher dazu ist über den Kriegseinsatz Fritz Webers im Ersten Weltkrieg wenig konkret belegbar.18 Gesichert ist, dass Weber, der am 4. Juni 1895 in Wien als Sohn eines Beamten geboren wurde und mütterlicherseits auch Offiziere als Vorfahren hatte, nach dem Besuch der Artillerie-Kadettenschule in Traiskirchen (Niederösterreich) im Mai 1915 als Fähnrich in den gerade beginnenden Krieg gegen Italien einrückte.19 Wie der Einjährig-Freiwillige Luis Trenker gehörte er dem k. u. k. Festungsartilleriebataillon Nr. 6 an und war bis zum Sommer 1916 im Panzerwerk Verle (Rocca Alta) auf der Hochebene von FolgariaLavarone eingesetzt.20 Dort fungierte er unter anderem als Kommandant einer Maschinengewehr-Abteilung und der TraditorenBatterie.21 Außerdem war Weber einer jener zwei Fähnriche, die, nachdem dessen Befehlshaber die Räumung angeordnet hatte, mit nur 40 Mann Besatzung im Werk Verle verblieben waren.22 Die 163

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Tatsache, dass die Räumung schon als Reaktion auf die erste starke Beschussphase durch die italienische Artillerie erfolgt war, brachte besagtem Werkskommandanten Giebermann, der damals offenbar die Nerven verloren hatte, harsche Kritik ein:23 In Luis Trenkers erstmals 1937 erschienenem Kriegsbuch „Sperrfort Rocca Alta“ mutierte er deswegen vom streng gescheitelten „Gimpelmann“ zum „Jammerbild“24 eines völlig unheroischen Führers, der sich während der Beschießung in den Keller des Panzerwerks zurückzog und dort „flennte“;25 in dieser Anfangsphase des Krieges wurde die Festung an der Südwestfront somit – wie Trenker schreibt – „nicht von einem Mann, sondern von einem verrückt gewordenen Jammerlappen befehligt“.26 Darüber war er sich mit seinem ehemaligen Kriegskameraden Fritz Weber einig, der an mehreren Stellen seiner Bücher ein ähnliches Bild des ersten Werkskommandanten von Verle zeichnete.27 Er selbst und seine Getreuen feuerten hingegen unaufhörlich weiter, bis nach vier langen Tagen und Nächten die ganze Besatzung wieder in das verloren geglaubte Sperrfort einziehen konnte – selbstverständlich ohne ihren unfähigen früheren Kommandanten. Für sein Verhalten in Verle bekam Weber, der am 1. September 1915 zum Leutnant ernannt wurde, mehrere Tapferkeitsmedaillen und Auszeichnungen verliehen.28 Wann genau er allerdings zum Oberleutnant befördert wurde, ist aufgrund der unauffindbaren Personenstandslisten im Wiener Kriegsarchiv nicht bekannt und aus seinen Erinnerungsbüchern nicht zu eruieren. Auch Webers späterer Kriegseinsatz seit der Abkommandierung der Festungsartillerie von Verle zum Festungsbatteriebataillon Nr. 1 in Trient, die Ende Mai 1916 erfolgt ist,29 konnte bislang nicht genau rekonstruiert werden. In Rezensionen wird betont, dass er „den italienischen Krieg […] vom ersten bis zum letzten Tag an der Front mitgemacht hat“.30 Er dürfte tatsächlich mehr oder weniger ununterbrochen im Kriegseinsatz gewesen und dennoch unverwundet geblieben sein.31 Seinen Büchern zufolge war er nach dem Sommer 1916 weiterhin an wichtigen Kampflinien der Südwestfront stationiert – am Monte Cimone und am Pasubio ebenso wie am Isonzo, wo er an mehreren Schlachten beteiligt war. Im Juni 1918 nahm er auch an der letzten großen Offensive der k. u. k. Armee am Piave teil. Zu Kriegsende gehörte Weber zu jenen Offizieren, die mit ihrer Mannschaft noch bis nach Wien in das Arsenal marschierten,32 um dort ordnungsgemäß abzurüsten und „Geschütze und Pferde“ zu übergeben, wofür es zwar angeblich eine „Bergeprämie“ von „achtzig Kronen pro Kopf“ gab, aber „keinen Dank des Vaterlandes, keinen feierlichen Empfang und wie das alles so schön aus Liedern säuselt“.33 Wie viele andere nahm er seinen Abschied 164

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als Berufsoffizier und wurde vermutlich, wie schon erwähnt, als Hauptmann a. D. entlassen.34 Nach Kriegsende soll Fritz Weber zunächst bis 1921 am Brennerpass für die italienisch-österreichische Grenzvermessungskommission tätig gewesen sein und danach in Wien zwei Jahre lang Rechts- und Staatswissenschaften studiert haben, was er nach eigenen Angaben „aus Geldmangel“ wieder aufgeben musste.35 Außerdem bezeichnet ihn das Wiener Melderegister in jener Zeit der Aufnahme seiner schriftstellerischen Tätigkeit unter anderem als „Privatbeamter“.36 Ab 1925 dürfte er sich als Journalist und Schriftsteller nur noch dem Schreiben gewidmet haben (was schon dargelegt wurde und worauf am Ende des Beitrages noch einmal zurückzukommen sein wird). Erst 1940 wurde Weber erneut in den Kriegsdienst zur Deutschen Wehrmacht eingezogen, kam nach Griechenland und Jugoslawien, wo er angeblich sogar „im Stab arbeitet[e]“, wie in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia lakonisch vermerkt wird; danach sei er noch kurz an der italienischen Front eingesetzt gewesen und dann 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten.37 Nach seiner Rückkehr lebte er in zweiter Ehe an verschiedenen Orten in Salzburg, Oberösterreich und Wien, wo er am 1. Juni 1972 starb.38

Fritz Weber und Erich Maria Remarque – ein (un)möglicher Vergleich? Im Folgenden soll nun genauer betrachtet werden, welche Lesart das bereits skizzierte Weber’sche Œuvre – wenigstens vordergründig – in die Nähe von Erich Maria Remarques Kriegsliteratur zu rücken vermag. Welche Inhalte oder inhaltliche Tendenzen ihrer Kriegsbücher, die beginnend mit der ersten Buchausgabe von Remarques „Im Westen nichts Neues“ ab 1929 alle innerhalb weniger Jahre erschienen sind, stützen die Plausibilität eines direkten Vergleichs dieser beiden Schriftsteller, die ja tatsächlich auch beide Kriegsteilnehmer waren? Diesbezüglich ist jedoch zunächst festzuhalten, dass Weber den Krieg weit länger als Remarque am eigenen Leib erfahren hat: Remarque war einige Wochen, konkret von Juni bis Ende Juli 1917, als Soldat an der deutschen Westfront eingesetzt, wurde dann zu Beginn der 2. Somme-Schlacht schwer verwundet und verbrachte die Zeit bis Kriegsende im Lazarett,39,während Weber dreieinhalb lange Jahre hindurch an der österreichischen Südwestfront im unmittelbaren Kriegseinsatz stand. Dort entwickelte sich der industrialisierte Krieg zwar aufgrund der topografischen Lage der Region in mancherlei Hin165

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sicht anders als an den übrigen Frontabschnitten der Mittelmächte, wodurch sich traditionelle Elemente der Kriegsführung und des Kämpfens, Überlebens und Tötens mitunter länger hielten.40 Aus der Perspektive der teilnehmenden Soldaten gestaltete sich der Einsatz im Karst oder in den Karnischen Alpen und den Dolomiten jedoch kaum weniger brutal, belastend oder nervenaufreibend und – wie vor allem die zwölf Schlachten am Isonzo belegen41 – auch kaum weniger verlustreich als anderswo. Ein Inferno war das ‚moderne‘, sich ebenfalls rasch zum aufreibenden Stellungskrieg entwickelnde Kampfgeschehen jedenfalls auch hier. Das hat die neuere internationale Weltkriegsforschung, die bislang primär das „Trauma des modernen, technisierten Krieges an der Westfront“ in den Blick nahm, lange übersehen.42 Das Beispiel des Artillerieoffiziers Fritz Weber erhärtet diese Feststellung. Er hat das unmittelbar erlebte Grauen des industrialisierten Krieges an der Südwestfront in seinen Werken in der Tat auch beschrieben – durchaus nicht in beschönigender Manier. Das bedeutet, dass Weber die konkrete Vernichtungsgewalt, das massenhafte Töten und Sterben, das Stöhnen der Verletzten, auch die toten, verstümmelten oder zerfetzten Körper der Kameraden wie der gegnerischen Soldaten immer wieder thematisiert,43 ebenso wie er das Zerstörungspotenzial der eingesetzten modernen Waffentechnologie bis hin zum Giftgas genau darstellt, etwa in folgender Manier: „Denn die Gefahr, der wahre Feind des Lebens, das war das anheulende Eisen, das singende Blei, die Fliegerbombe, der Flammenwerfer; das waren die Gasschwaden und Scharfschützen, die Fußangeln und Starkstromhindernisse, die Wurfminen und Handgranaten.“44 In solchen narrativen Kontexten reflektiert Weber mitunter sogar seine aktive Rolle als Tötender – wenn auch unter Einhaltung der im soldatischen Diskurs des 20. Jahrhunderts generell wirksamen Erzählstrategien der Umschreibung und Abstrahierung des massenhaften Tötens,45 wie das folgende Beispiel zeigt: Die Richträder spielen. Klingelzeichen. „Feuer!“ Das Rohr wird heiß. Die Ladenummer streift den Kettenhandschuh über, schiebt Geschoß und Patrone in das Geschütz, steht, den Lederwickel der Abziehschnur in der Faust, starr, stumm, der verkörperte Tod. „Feuer!“ Irgend wohin heult das Schrapnell. [...] Ich drücke das Auge ans Okular. Ein dunkler Kreis schwankt hin und her, dann sehe ich durch heißflimmernde Luft Steine, Gras und zwei graue Klumpen – Menschen! Schritt für Schritt gehe ich die Eisentreppe hinunter, durch den Gang, in die Kasematte. Es ist mir, als hätte ich persönlich etwas Grauenhaftes verbrochen.46 166

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An manchen Stellen bekennt sich Fritz Weber auch zum Anliegen, mit seinen Büchern „den unbekannten Soldaten“ zu würdigen.47 Abgesehen von häufigen Lobeshymnen auf den österreichischen oder den deutschen Soldaten des Alpenkorps und den Prototyp eines Kaiserschützen, den ‚Gebirgskrieger‘ et cetera, äußert sich das vor allem in seinen eingestreuten Erzählungen über Einzelschicksale. Mit „Frontkameraden“ hat er dazu sogar ein eigenes Buch geschrieben, das mit seinen Erinnerungen an den Kriegskameraden Luis Trenker beginnt,48 darüber hinaus aber auch Figurenbeschreibungen wie die des einfachen Kaiserschützen Traugott Lechlehner enthält, der ständig verliebt war und daher unter einer ihm aus disziplinären Gründen verhängten Urlaubssperre besonders litt;49 oder die Erinnerung an den Ersatzreservejäger Feiersinger, „der Tapfersten einer und einer der Aermsten. Bauernknecht in Zivil [...]“, welcher angeblich eine „Kinderseele“ hatte und am Ende doch im Nahkampf mit den Italienern fiel.50 Auch in anderen Werken Webers finden sich solche Geschichten, die selbst Soldaten der unteren Ränge darstellen und ein gewisses Mitleid des Autors für all jene zum Ausdruck bringen, die in den „Stahlgewittern“ des ‚modernen‘ Krieges nicht standhielten und deshalb zu von Angst getriebenen Feiglingen, Deserteuren oder Neurotikern wurden. Das zeichnet Weber gerne in Form von dramatisch anmutenden Wechselreden zwischen ihm und diesen Soldaten nach, und er legt geradezu verständnisvoll kriegsbedingte Hintergründe solcher Verweigerungsformen dar – allerdings nicht ohne zuletzt immer darauf zu verweisen, dass er als Offizier an seiner militärischen Verpflichtung, den Vorfall zu melden oder Anzeige zu erstatten, festhielt. Aus der folgenden Geschichte über den „Zugsführer Aschenbrenner, im Zivil Landstreicher, Besitzer aller Tapferkeitsmedaillen“, mit dem Weber seit der Zeit im Sperrfort Verle im Kriegseinsatz war und der ihm kurz vor dem schon absehbaren „Zusammenbruch“ ganz offen mitgeteilt hatte, dass er von seinem Fronturlaub nicht mehr zurückkehren werde, geht dies besonders anschaulich hervor: Ich reiche ihm noch einmal die Hand. Er preßt sie, hält sie fest, ich fühle das Flammen seiner aufrechten Seele in diesem Griff. In drei Wochen werde ich die Desertionseingabe über den Zugsführer Josef Aschenbrenner machen; aber jetzt steht nur die Vergangenheit vor meinen Augen: die dreieinhalb schweren Jahre, in denen dieser Mann nicht von meiner Seite gewichen ist, die prasselnden Felder, über die wir keuchten, die Trichter, in denen wir bangten, die Unterstände, in denen wir kauerten. Das Krachen der Grana167

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ten, das Knattern der Maschinengewehre, die Schmerzensschreie Getroffener, das Röcheln der Sterbenden [...] Und Aschenbrenner an der glühenden Turmhaubitze, schweißüberströmt, mit rauchgeschwärztem Gesicht [...] Aschenbrenner, totenblaß, die Zähne aufeinandergepreßt, ein Auge zugekniffen, die Finger am belfernden Maschinengewehr, atemlos vor Aufregung und Vernichtungswut [...]51

Die von Weber in solchen Darstellungen apostrophierte Kriegskameradschaft hatte daher immer auch ihre Grenzen entlang der militärischen Rangordnung und anderer im Laufe des Krieges geschaffenen Hierarchien unter Männern. Daher kann sie nicht einfach als tendenziell egalitäre oder „weiche“ Form der Kameradschaft gelesen werden, die nach Thomas Kühne in den Erinnerungen an die Schützengräben des Ersten Weltkriegs noch vorgeherrscht haben soll – und zwar als Form der Vergemeinschaftung unter gleichrangigen Männern, der auch die Funktion eines Schulterschlusses nach oben zukam. Wie am Beispiel des Kommandanten von Verle bereits angedeutet wurde, findet sich Letzteres zwar durchaus auch bei Fritz Weber, die von ihm gezeichnete Kameradschaft ist aber gleichzeitig strikt nach unten abgegrenzt und damit anders ausgerichtet als der linksliberale Kameradschaftsmythos der Zwischenkriegszeit, den auch Remarque stilisiert hat.52 Weber gehört somit primär zu jenen, die für die vielen Niederlagen und die strategischen Fehlentscheidungen an den Fronten ausschließlich die militärische Führung verantwortlich machten, was vermutlich mit ein Grund für den Tenor der zitierten Rezensionen seiner Bücher in der „Arbeiterzeitung“ und der „Neuen Freien Presse“ war. Im Zusammenhang mit der letzten Offensive der k. u. k. Armee im Juni 1918 am Piave liest sich das etwa folgendermaßen: „Diese Schlacht war die Schlacht der anonymen Militärbürokraten.“ Oder: „Die Führung vermaß sich, den Feind in der ganzen Breite anzugreifen. Und diese Vermessenheit wurde uns zum Verhängnis.“53 Vor dem Hintergrund solcher und ähnlicher Schuldzuschreibungen steigert sich Webers Parteinahme für die Mannschaft in seinen Darlegungen des letzten Kriegsjahres merklich, wie dies bereits anhand der Geschichte über den Zugsführer Aschenbrenner dargelegt wurde. Grau in Grau, sehr drastisch und anklagend, schildert er vor allem in „Das Ende der Armee“ und in ähnlicher Weise im „Sturm an der Piave“ seitenlang den katastrophalen Zustand der damals noch kämpfenden Einheiten. Da ist immer wieder die Rede von „unsere[r] wachsenden Schwäche, [...] unserem Mangel, [...] unsere[r] Not“ und von „zerrissenen Stiefel[n]“, „Löcher[n] in den Monturen, [...] eingefallenen Gesichter[n] und 168

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fieberglänzenden Augen“.54 Weber berichtet auch vom Ausbruch der Malaria unter der „langsam dahinsterbenden Armee“, die damals – wie er schreibt – nur noch aus „armselige[n] Menschenhaufen“ bestand und „von halben Kindern befehligt“ wurde. Aus ehemaligen „Männer[n]“ und „Soldaten“ waren so schon mehrfach verwundete, völlig entkräftete „Skelette“ und „verschüchterte Nervenkrüppel“ geworden, die – „hungrig, krank, feige, muthlos“ – dem Ende des Krieges entgegen sahen.55

Soldatenideale All diese genannten Aspekte stellen jedoch nur Einzelfacetten der Kriegserzählungen von Fritz Weber dar. Im Gesamtkontext seines Werkes werden sie durch zahlreiche andere, quer- und gegenläufige Inhalte und Deutungsmuster konterkariert oder gar aufgehoben, was nun am Beispiel der Weber’schen Konstruktionen soldatischer Männlichkeit gezeigt werden soll. Dabei ist, gemäß geschlechtergeschichtlichen Theoremen, von einer mehrdimensionalen Relationalität der Kategorie Männlichkeit auszugehen. Sie konstituiert sich nicht nur polar zu den gleichzeitig vorherrschenden Definitionen von Weiblichkeit (was im Folgenden aus forschungspragmatischen Gründen größtenteils unberücksichtigt bleiben muss), sondern auch in der gegenseitigen Abgrenzung verschiedener Männlichkeitskonstruktionen, die ebenfalls in einer Hierarchie zueinander stehen. Darauf hat – breitest rezipiert – innerhalb der Männlichkeitsforschung insbesondere R. W. Connell hingewiesen, der/die im Rekurs auf die feministische Theorie schon in den späten 1980er-Jahren das theoretische Konzept der hegemonialen Männlichkeit entwickelte. Zu einer solchen, sich selbstverständlich wandelnden, in der gesellschaftlichen Akzeptanz jeweils ganz oben rangierenden Männlichkeit stehen – so Connell – andere Formen immer in einer bestimmten Relation der Komplizenschaft, Unterordnung oder Marginalisierung.56 Damit ist ein vielschichtiges Differenzierungskonzept angesprochen, das auch für die hier intendierte Analyse von Männlichkeitskonstruktionen im Kontext des ‚Gebirgskrieges‘ von 1915 bis 1918 hilfreich ist. Auf der Basis schon gegebener Zitate kann sie zunächst von einer Negativfolie ausgehen: Erstens von jenem „Mann“, der für Fritz Weber – und auch für Luis Trenker – ganz offensichtlich eben kein Mann war. Genau das betonten ja beide in ihren Kriegsbüchern ganz explizit im Zusammenhang mit dem Festungskommandanten von Verle, Giebermann alias Gimpelmann, der während der ersten Beschießung des Sperrforts einen 169

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„Nervenschock“ erlitt und daher ein wahrer „Jammerlappen“ ist; er steht somit für einen effeminierten Nicht-Mann mit schwachen Nerven, dem jegliche positiv besetzte Männlichkeit abgesprochen wird.57 Zweitens erfolgte eine solche Zuschreibung in der eindringlichen Darlegung Webers der zu Kriegsende schließlich noch verbliebenen „Wracks“ von Soldaten, die infolge der gescheiterten letzten Offensive am Piave im Sommer 1918 von „Männern“ zu „verschüchterte[n] Nervenkrüppeln“ mutiert waren, was sich in sein Untergangsszenario einfügt. Wer aber sind in der hier untersuchten Kriegserinnerungsliteratur die Kontrastfiguren solcher Nicht- oder Nichtmehr-Männer? Mit welchen positiv besetzten Männlichkeitsattributen wurden diese von Fritz Weber ausgezeichnet? Welche kulturellen oder erinnerungs- und gesellschaftspolitischen Funktionen erfüllten die von ihm konstruierten soldatischen Leitfiguren? Generell gilt, dass retrospektive Erzählungen vom Krieg – bildlich gesprochen – stets auch die Funktion hatten, eine durch die realen Kriegserlebnisse zerstörte oder stark in Krise geratene idealisierte Männlichkeit wiederherzustellen, aufzurichten und der neuerlichen Identifikationsmöglichkeit zu öffnen, was in den Verliererstaaten besonders dringlich schien. Für Deutschland im und nach dem Ersten Weltkrieg haben dies aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven etwa Sandra Maß, Sabine Kienitz und – durchaus kritisch gegenüber einigen Theoremen zur Geschlechtergeschichte der Nachkriegszeit – auch Birthe Kundrus aufgezeigt.58 Für England sei diesbezüglich insbesondere auf die früheren körpergeschichtlichen Arbeiten von Joanna Bourke verwiesen, die vor allem die Re-Konstruktionen des zerfetzten, verstümmelten oder toten Soldatenkörpers im Diskurs der Kriegs- und Nachkriegszeit ins Zentrum rückt.59 Was die österreichische Situation anbelangt, liegen ähnlich ausgerichtete Analysen noch nicht vor, obwohl Historiker wie Klaus Eisterer, Peter Melichar, Ernst Hanisch und jüngst vor allem Oswald Überegger in ihren einschlägigen Arbeiten eindringlich auf die auch hier mittels einer hegemonialen Kriegserinnerungskultur vielschichtig voran getriebene Re-Militarisierung der Gesellschaft ab Mitte der 1920er-Jahre aufmerksam gemacht haben.60 Sie verweisen unter anderem auf den vehement geführten Erinnerungskampf der um die Wiederherstellung ihrer verlorenen Ehre bemühten ehemaligen Berufsoffiziere und deren rasch errungene Monopolstellung als Kriegshistoriker, wodurch auch der stets ambivalent gebliebene „öffentliche Pazifismus der unmittelbaren Nachkriegszeit“ zunehmend unterminiert wurde. Dadurch ‚überlebte‘ nicht zuletzt die militärische Männlichkeit beziehungsweise die „Männlichkeit des Kriegers“, wie Ernst Hanisch dies nennt.61 170

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Im Zuge der starken Polarisierung der politischen Lager (Sozialdemokraten und Christlichsoziale), die beide ihre Wehrverbände auf- und ausbauten, kam es dann zu deren neuerlichen Heroisierung und Hegemonialisierung, an der eben auch Fritz Weber beteiligt war. Wie bereits erwähnt, erschienen seine maßgeblichen Werke in den frühen 1930er-Jahren, als die ‚konservative Wende‘ der Zwischenkriegszeit bereits auf ihren ersten Höhepunkt im austro-faschistischen Ständestaat zusteuerte62 und die Re-Etablierung soldatischer Männlichkeitsideale verstärkt auch martialischen Charakter annahm.63 Solche Tendenzen finden sich auch zahlreich im Œuvre von Fritz Weber. Ganz in Übereinstimmung mit den offiziösen Weltkriegsgeschichten64 sind die Soldaten seiner Bücher nicht einfach die in verschiedene Formationen des Heeres, der Landwehr oder des Landsturmes eingebundenen wehrpflichtigen Soldaten, sondern ganz generell Vaterlandsverteidiger, die tapfer und mutig, zum Letzten bereit, gegen die Bedrohung ihrer Heimat kämpften. Selbst die vielen lobenden Erwähnungen des schon im Mai 1915 zur Unterstützung der k. u. k. Armee eingesetzten Deutschen Alpenkorps fügen sich in diesen Erzählkontext ein, der damit weitgehend ausklammert, dass an der langen Gebirgsfront gegen Italien von Anfang an auch aus anderen Gebieten der Monarchie stammende, nicht deutsche Soldaten stationiert waren – und zwar umso mehr, je länger der Krieg dauerte.65 Auf solche nichtdeutsche Mannschaftspersonen wird nur an wenigen Stellen kurz hingewiesen; es sind dann bloß „Madjaren“ [sic], „Honvéds“, „Slovenen“ oder „Südslawen“ ohne Konturen, die für das eigentliche Kampfgeschehen mehr oder weniger bedeutungslos bleiben und im besten Fall als „arm“, „brav“ oder „tapfer“ charakterisiert werden.66 Bei allen anderen hingegen lösen sich die Differenzen aber innerhalb der Masse ‚gemeiner‘ Soldaten auf in allgemeine Bezeichnungen wie „Verteidiger“, „Eroberer“ et cetera67, oder es finden sich Beschreibungen wie jene über das Sperrfort Verle: „Die Mannschaft besteht durchwegs aus jungen, verläßlichen Leuten, fast nur Oberösterreichern, Salzburgern und Tirolern. So ist es auch in den anderen Werken. Man hat diese Schlüsselstellung des Krieges gegen Italien in die treuesten Hände gelegt, die je eine Waffe trugen.“68 Besonders deutlich wird die deutschnationale Ausrichtung Fritz Webers folglich in den Schilderungen der Anfangsphase des ‚Gebirgskrieges‘, als nicht nur der Artillerie in den k. u. k. Panzerwerken, sondern insbesondere auch den Tiroler und Vorarlberger Standschützen, einigen Landsturm-Bataillonen und freiwilligen Schützenverbänden aus Kärnten, Salzburg, Oberösterreich und Triest große Bedeutung zukam.69 Ungeachtet ihrer quantitativen 171

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Schwäche und der schlechten Ausrüstung wird ihr Einsatz verabsolutiert und zum Idealbild erhoben: Aber eines ist diesem Kern der Alpenfront-Truppen zu eigen: Es sind durchwegs Deutsche, die hier zum erstenmal im großen Völkerringen ihren Boden verteidigen! Mag ihre Bewaffnung kläglich sein, mögen sie niemals bei Paraden geglänzt haben – das Auge zielt anders, die Hand zittert nicht, wenn es um die Heimat geht. Es bedarf nicht der Hinweise auf die große Überlieferung aus früheren Kämpfen. Keine Ruhmredigkeit, keine phantasievollen Aufrufe bringen hier die Geister in jene Rotglut, in der man Völker leicht zu schmieden vermag. Das Blut spricht. Und es spricht eine gewaltige Sprache.70

Webers gleichzeitiger Verweis darauf, dass zu diesem gleichwohl heroisierten Verteidigungsaufgebot damals auch „halbe Kinder und Greise“71 gehörten, verbindet sich wirkungsvoll mit einem anderen, eben angedeuteten Diskursstrang: In plastischen und harschen Worten werden die geringe Truppenstärke und die mangelhafte Bewaffnung auf österreichischer Seite immer wieder mit der italienischen Übermacht kontrastiert. Daraus folgt ein eindeutiges Resümee: „Der Krieg scheint hier entschieden, eh’ der erste Schuß fällt.“72 Das begründet der Autor – wiederum ähnlich wie Luis Trenker73 – zum einen mit dem ab Mai 1915 geführten Dreifrontenkrieg und den vorangegangenen Schlachten in Galizien, wo die „besten Söhne“ der Heimat beziehungsweise die „herrlichen Alpenregimenter, mit denen man den tödlichen Stoß führen wollte, [...] längst [...] verblutet [sind]“.74 Zweitens knüpft Weber in seiner argumentativen Hervorhebung der äußerst mangelhaften Rüstung auf österreichischer Seite direkt an einen schon älteren, antidemokratischen und aggressivbellizistischen Diskurs an, der vor dem Ersten Weltkrieg besonders von höheren Militärs vorangetrieben wurde. Sie reagierten auf die zahlreichen politischen Debatten und Konflikte rund um die jährliche Bewilligung der Rekrutenkontingente und der Heeresbudgets durch das Parlament insofern, als sie vor allem dem 1867 etablierten Verfassungsstaat respektive den verhassten modernen „Volksvertretern“ der entstandenen Massenparteien die Schuld dafür zuschrieben, dass Österreich-Ungarn im damaligen europäischen Wettrüsten nachhinkte und somit – wie sie meinten – die Ausstattung seiner Armee sträflich vernachlässige, was sich im Falle eines Krieges bitter rächen würde.75 In Fortsetzung dieser Perspektive wird bei Weber daher nicht von ungefähr gerade Conrad von Hötzendorf, der ungeachtet solcher Hemmnisse seit seiner ersten 172

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Ernennung zum Generalstabschef ab 1906 die massive Aufrüstung und Kriegsvorbereitung der Doppelmonarchie vorantreiben konnte,76 zum „genialste[n] Soldat der Mittelmächte“; dieser Heerführer habe die Errichtung der sieben Panzerwerke im damaligen Südtirol „in zähen Kämpfen gegen die Stumpfheit und Kurzsichtigkeit der Parlamente beider Reichshälften durchgesetzt“.77 Deshalb wurde der dann tatsächlich eingetretene Krieg in der Weber’schen Interpretation zu einer „schwere[n] Anklage gegen das hirnlose System jenes Parlamentarismus, mit dem Kriegsminister und Generalstabschef jahrzehntelang Gefechte um jede Krone austragen hatten müssen“; das habe im Weltkrieg dazu geführt, dass „der Soldat [immer wieder] auf die Spuren jener Volksverräter [stieß], die aus Dummheit und bösem Willen alles hintertrieben hatten, was Wehrkraft hieß“.78 Dem gegenüber stand jedoch vor allem der in seiner Männlichkeit heroisierte Soldat. Denn letztlich, so meinte derselbe Fritz Weber in der folgenden wie in ähnlich klingenden Formulierungen, komme es „immer auf den Mann [an], der einer Situation gegenübersteht, und nicht auf die Mittel, deren er sich bedienen kann“.79 Daher wurde der lange Feldzug von 1915 bis 1918, der „aus rein militärischen Erwägungen heraus vom ersten Tag an verloren zu sein [schien], [...] schließlich zur Krönung der Ruhmesgeschichte einer Armee [...], die mehr als siebentausend Schlachten bestanden hat“ – eben gerade weil „es immer der Mann ist, der den Kampf entscheidet und nicht die Waffe, nicht die Ueberzahl, nicht die Ungunst der allgemeinen Lage“.80 Zu den Qualitäten dieses Mannes gehört die Zugehörigkeit zum schon erwähnten Deutschtum ebenso wie seine Heimatverbundenheit. Er verkörpert jene Charaktereigenschaften, welche die engere Heimat, das Hochgebirge mit seinen Gletschern und Tälern, seinem rauen Klima und den langen Wintern, den dort geborenen Männern seit Jahrhunderten oktroyiert. Wie bei Luis Trenker oder auch bei Heinz von Lichem, dessen Werke sich heute ähnlicher Popularität erfreuen,81 geriert der Krieg somit auch in den einschlägigen Kapiteln Webers zu einer Art von Abenteuer, in dem man sich unter Einsatz aller physischen und psychischen Kräfte zu bewähren hat. Die Härten und Gefahren des Krieges werden mit den Herausforderungen in eins gesetzt, die in der Naturgewalt dieser Region liegen und gegen die der Mensch seit jeher zu kämpfen hatte; so geht der Frieden eben in den Krieg über: „Wie merkwürdig, daß nun wirklich Krieg sein sollte hier in diesen Ländern, die unantastbar schienen in der majestätischen Erhabenheit ihrer Berge! War nicht das Leben an sich schwer genug, der Kampf gegen Kälte, Schnee und Fels nicht so hart, daß es 173

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eines ganzen Mannes Mut und Entschlossenheit brauchte, um ihn zu bestehen?“82 Oder: „Immer waren sie in ihren Bergen gewesen, ob daheim oder bei den Kaiserjägern und Landesschützen. Jeden Sonntag hatte es auf den Schießständen geknallt und der Stutzen war jedem Manne vertraut, ob er nun Soldat war oder nicht.“83 In Verbindung mit einer solchen Naturalisierung des Krieges apostrophiert auch Weber die – für ihn ganz oben rangierende – Leitfigur des schon in der Presse und Propaganda des Ersten Weltkriegs mythologisierten Alpinisten-Soldaten.84 Das geschieht einerseits, indem er in seine Erzählungen in extenso den Kriegseinsatz bekannter, freiwillig kämpfender Bergführer – allen voran selbstverständlich Sepp Innerkofler – einflicht, deren „Ruhm bis in die fernsten Tage unseres Volkes“ reicht.85 Andererseits werden die „Dolomitenkämpfer“ ganz generell zu vorbildlichen „Held[en] unter stummen riesenhaften Brüdern“ stilisiert, die – den umgebenden Gipfeln „gleichgeartet, ihrer wert und würdig“ – „aus glühender Vaterlandsliebe, aus vollendeter Männlichkeit“ agieren.86 Daher steht für ihn „[d]ieser Krieg zwischen Himmel und Erde, der Kampf in den Dolomiten, [...] in der Geschichte einzig da“; er war ungeachtet aller ebenfalls eingesetzten „Mittel moderner Technik [...] doch immer ein urzeitliches Ringen Mann gegen Mann, ein Ringen, in das die Natur sich mit übermächtigen Gewalten mischte und das Wüten der Menschen untereinander zu einem großartigen Heldenlied steigerte“.87 In abgeschwächter Weise gilt die Bewunderung Webers daher auch den italienischen Alpini. Auch sie werden in seinen Schilderungen zu mutigen und verwegenen Männern, deren harten körperlichen Einsatz im zähen „Ringen“ um einzelne Gipfel oder Gebirgsstellungen er ebenso hervorhebt wie zum Beispiel im Falle des langen Kampfes um den Monte Cimone vor seiner unterirdischen Sprengung durch die k. u. k. Truppen, wodurch dann ein „Heldendrama, gleich ehrenvoll für Sieger und Besiegte“ zu Ende ging.88 All das, vom Ausharren der in den Bergen eingesetzten Soldaten in „Eis und Schnee“ bis hin zu ihren alpinistisch-sportlichen Leistungen im Hochgebirge,89 fügt sich bei diesem Autor also zu einer dramatischen Abfolge einzelner Abenteuer, die sich die Soldaten gegenseitig bescheren. Dadurch transponiert er, wie Christian Rapp es formuliert hat, einflussreich die „populäre Vorstellung vom Gebirgskrieg als einem Mann-gegen-Mann-Kampf“ oder, nach Manfried Rauchensteiner, als einem „Krieg der Bergführer“.90 Das ist freilich nur die eine, schon in Ansätzen erforschte Seite des von Weber und anderen konstruierten ‚Gebirgskriegers‘. Die damit einhergehende Tendenz, den „industriellen Krieg auf überschaubare Einzelleistungen zu reduzieren“, bewirkt tatsäch174

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lich eine massive Verharmlosung des Kampfgeschehens, indem dadurch das für den Ersten Weltkrieg so charakteristische „Zerfallen der räumlichen Einheit des Schlachtfeldes ebenso wie die Auflösung der Erfahrungseinheit des Kampfes“ aufgehoben oder negiert wird.91 Dennoch übersieht eine nur darauf fokussierte Rezeption der Kriegsdarstellungen von Fritz Weber, dass sich gerade in seinen Werken ebenso zahlreiche Verweise auf den industrialisierten Krieg und den damit einhergehenden neuen diskursiven Typus eines gestählten Kriegers finden, der folglich nicht nur im Zuge der großen Materialschlachten an der Westfront entstand. Der nach deutschem Vorbild im Jahr 1916 auch in der an der Südwestfront eingesetzten k. u. k. Armee eingeführte Stahlhelm mag das symbolisieren.92 Er wird, anders als die von Hans-Georg Hofer wohl allzu strikt getroffene Unterscheidung zwischen den beiden Konstrukten „Dolomitenkämpfer“ und „Isonzokrieger“ suggeriert,93 tendenziell durchaus auch dem ‚Alpenkrieg‘ zugeordnet, wie das obige Zitat über den heroisierten „Krieg der Bergführer“ belegt, in dem auch davon die Rede war, dass hier zusätzlich immer „alle Mittel moderner Technik eingesetzt wurden“.94 An anderer Stelle desselben Buches („Alpenkrieg“) heißt es in Entsprechung, dass der „Kampf Mann gegen Mann geradezu Erlösung“ war, weil ihm ja die „Höllenqualen des Trommelfeuers“95 vorausgingen. Ein an älteren soldatischen Tugenden ausgerichtetes, von „traditionellaktive[n]“ Elementen militärischer Männlichkeit gespeistes Soldatenbild steht somit bei Weber neben dem neuen, von passivdurchhaltender Männlichkeit geprägten.96 Am stärksten kommt Letzteres freilich in seinen vielen Gefechtsschilderungen zum Ausdruck, in denen ständig „Stahl [niedersaust]“ und „das Feuer [rollt]“ und „mäht“97; das gilt für die umkämpften Sperrforts in den Dolomiten wie für den Stellungskrieg am Isonzo. Dabei bedient sich Weber durchaus eines durchaus ähnlichen Vokabulars wie Ernst Jünger in seinen „Stahlgewittern“98 und verkündet vor allem im Zusammenhang mit dem als „Orgie der Vernichtung“ bezeichneten Schlachtengeschehen am Isonzo, wo die Kämpfenden schließlich auch von „Blutdurst“ oder „Freude an der Vernichtung“ getrieben wurden,99 wie dieser sogar explizit eine zukunftsweisende Rolle der darin geformten Soldaten: Ein jedes der Ungewitter, die hier Soldaten durchstritten, durchlitten, trägt auch ein Wunder in seinem Schoß: Denn aus dem ungeheuren Geschehen wird neues Leben einst auferstehen, das die Erde aufs neue beseelt. Grauengezeugte und elendgeborene Kinder des Krieges, auserkorene Schöpfer einer künftigen Welt!100 175

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Wie schon deutlich gemacht wurde, ist bei Weber auch auffallend häufig von den „Nerven“ die Rede – und zwar wiederum nicht nur in Hinblick auf den „Isonzokrieger“, den Hofer treffend als den „Nervenkrieger par excellence“ bezeichnet hat.101 Auch darüber hinausgehend ist der zeitgenössisch so dicht geführte Nervendiskurs hier ständig präsent; sei es, indem von den „schwachen“ oder „kranken“ Nerven all derjenigen die Rede ist, die dem ‚modernen‘ Maschinenkrieg nicht gewachsen waren, oder eben von den „gesunden“, „eisernen“ und „stählernen“ Nerven beziehungsweise von „Nervenruhe“, welche die kämpfenden Männer benötigten, um im „Höllentanz“ der Granaten oder inmitten des Hämmerns der „Mordmaschinen“102 – kurz: im „Stahlbad“ des industriellen Krieges – nicht den Verstand zu verlieren und kampffähig zu bleiben, wie Fritz Weber und all jene, die über Jahre im Kriegseinsatz durchhielten, auch wenn selbst ihre „Nerven“ im Jahr 1918 schon „krank“ waren.103 Gleichwohl waren diese Männer durch den Krieg „gegerbt“ und mit „Seelen“ aus „harte[m] Leder“ wie ihre Haut in den Gesichtern ausgestattet;104 ihr Kämpfen sollte zwar letztlich erfolglos, aber eben nicht sinnlos bleiben und in eine offene, wieder heroische Zukunft verweisen. Ebenfalls schon erwähnt wurde, dass Weber die Niederlage der k. u. k. Armee ausschließlich den katastrophalen Fehlentscheidungen der militärischen Führung überantwortet. Von den „Kommandostellen“ aus, wo der Krieg „längst zu einem Aktenhaufen geworden“ und „Schreibmaschinen [...] wichtiger als Maschinengewehre“ waren, wo die „Teiggesichter, Katzenbuckler“ und „die Unentbehrlichen aller Grade und Spielarten“ saßen,105 jagte sie schließlich die bis zuletzt loyal gebliebenen und dank ihrer vorbildlich agierenden Offiziere weiterkämpfenden, jedoch völlig erschöpften Frontsoldaten durch ihre Fehlentscheidungen ins Verderben. Deshalb handelte nur die militärische Führung unehren- und stümperhaft und provozierte so nach der letzten gescheiterten Offensive im Juni 1918 den Untergang der k. u. k. Armee: „ÖsterreichUngarns Pioniere, die Helden der Donau- und Save-Übergänge, haben am 15. Juni 1918 traurigen Angedenkens ihren ehrenvollsten Tag erlebt. Er war zugleich der Tag ihrer Vernichtung. [...] Daß wir unterlagen, war nicht ihre Schuld.“106 Außerdem strapaziert Weber besonders in „Das Ende der Armee“ den Topos der vermeintlich undankbaren Heimat, wenn nicht auch die „Dolchstoßlegende“: Nein, es gab keinen Dank des Vaterlandes, keinen feierlichen Empfang und wie das alles so schön aus Liedern säuselt. Der Friede! [...] Und dann schüttelte ich zum letzten Male meinen Kameraden die Hände. Diese harten Hände, mit denen sie dreieinhalb Jahre lang 176

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rastlos für ihr Vaterland gekämpft und gewerkt hatten. Erschöpft und blaß, mit flatternden Lippen standen sie vor mir. Jedes dieser Augenpaare hatte das Golgotha der Menschheit gesehen. Und jeder dieser Männer war mir ein Freund auf Lebenszeiten und ein Sinnbild für den tragischen Zusammenbruch eines Volkes, das sein hartes Geschick nicht verdient hatte.107

Der kurze Weg vom k. u. k. Soldaten zum nationalsozialistischen Krieger – und ein Plädoyer All diese Beispiele genügen wohl, um erraten zu können, wo und wie sich dieser bekannte Kriegsschriftsteller in den 1930er-Jahren politisch positionierte. In der Tat ließen sich seine soldatischen Männlichkeitsideale und Kriegsbilder sowie seine Darlegung des „Untergangs“ der k. u. k. Armee mehr oder weniger nahtlos in die sich bald nach der Niederlage von 1918 formierende NS-Ideologie und in das ihr eingeschriebene männlich-martialische Soldatenideal einpassen. Sie wurden so wiederum Teil einer aggressiv vorangetriebenen und bellizistisch ausgerichteten Aufstiegsperspektive, deren fatale Folgen wir heute kennen. Für die Verbreitung der deutschnationalen ‚Blut- und Bodenideologie‘ kämpfte Fritz Weber schon vor dem Anschluss Österreichs an das Großdeutsche Reich im März 1938: Laut einem kurz danach veröffentlichten Zeitungsinterview war er ab 1933, das heißt in der Zeit, als die wichtigsten seiner Kriegsbücher erschienen sind, nach München übersiedelt, um für seine „Ueberzeugung offen und mannhaft einstehen zu können“. Zuvor war er nämlich wegen „nationalsozialistische[r] Gesinnung“ als Schriftleiter einer Wiener Tageszeitung „ausgebootet“ worden, wie er selbst es damals formulierte.108 Nach dem Anschluss, den er als nunmehr auch in seiner Heimat wieder anerkannter Journalist und Schriftsteller euphorisch begrüßt hat, gerierte Weber der Wiener Presse rasch zum „nationalsozialistischen Kämpfer“ des Ersten Weltkriegs.109 In Übereinstimmung damit betonte er jetzt umso mehr, dass „das österreichisch-ungarische Heer eine deutsche Schöpfung war und nur mit dem Rückgrat der Deutschen jene soldatischen Leistungen erbringen konnte, deren wir uns als Deutschösterreicher fürwahr nicht zu schämen brauchen.“110 In diesem Sinne veröffentlichte er jetzt auch in Tageszeitungen mehrere Kriegserzählungen.111 Die vorhandene archivalische Dokumentation belegt schließlich, was aufgrund solcher Aussagen bereits zu vermuten war, nämlich dass Fritz Weber schon zu einem frühen Zeitpunkt auch eingetragenes und aktives NSDAP-Mitglied war. Als Eintritts177

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datum in die nationalsozialistische Partei wird in den Quellen der 27. März 1933 angegeben, als Ortsgruppe jene von Unter St. Veit in Wien; außerdem war Weber Mitglied der SA. Auf einer im Wiener Stadt- und Landesarchiv verwahrten Karteikarte ist überdies als Funktion „Zellenleiter“ vermerkt.112 Er übersiedelte somit um die Jahreswende 1933/34 nicht nur aufgrund seiner einschlägigen politischen „Gesinnung“ nach Deutschland, das heißt ins damalige „Altreich“, sondern auch wegen seiner Mitgliedschaft in einer in Österreich noch illegalen Partei,113 was ihm in München eben besonders dienlich war: Dort konnte er offenbar schon am 1. Januar 1934 als Hauptschriftleiter der „Welt am Sonntag“ beginnen und veröffentlichte nun auch in nationalsozialistischen Verlagen.114 Nach dem Anschluss kehrte er in die neue „Ostmark“ zurück und setzte seine Karriere unter anderem auch bei der „Neuen Freien Presse“ fort. Die Geschichte seines Kriegseinsatzes ab 1940115 liegt meinen Kenntnissen zufolge noch vollkommen im Dunkeln und wäre, ebenso wie all seine vorhergegangenen nationalsozialistischen Aktivitäten und Funktionen, die hier erstmals nur angesprochen werden konnten, noch zu erforschen. Dabei scheint man jedenfalls davon ausgehen zu können, dass Fritz Weber dieser Linie offenbar auch nach dem Sturz des NS-Regimes und dem Ende des Zweiten Weltkriegs treu blieb, als er für Julius Ringel, General der Gebirgstruppen a. D., das ab 1956 mehrfach aufgelegte Gedenkbuch für die Soldaten der 5. Gebirgsdivision „Hurra die Gams“ mit dem Ziel verfasste, die nunmehr „verhöhnten und in die Gosse gezehrt[en] Soldatentugenden“ zu rehabilitieren.116 Offenbar befand sich Fritz Weber damals wieder in finanziellen Schwierigkeiten, die ihn dazu drängten, eine solche für ihn allerdings nicht untypische Ghostwriter-Tätigkeit anzunehmen. Geldsorgen könnten schließlich auch ein Hauptgrund dafür gewesen sein, dass er noch im Jahr 1954 gerichtlich gegen seinen ehemaligen Kriegskameraden Luis Trenker vorging, um die Urheberschaft von vier Kriegsromanen Trenkers klären zu lassen, die angeblich aus Webers Feder stammten.117 Dieses Verfahren endete zwar mit einem Vergleich und war wohl weniger ein Kampf zweier Protagonisten der österreichischen Erinnerungskultur an den Ersten Weltkrieg, sondern primär ein Indiz dafür, dass es um den ehemaligen Offizier und Nationalsozialisten in diesen Jahren finanziell nicht sonderlich gut bestellt war – so stellte es zumindest Luis Trenker im Alter, auch für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, dar.118 Wie weiter oben bereits dargelegt wurde, ist Fritz Weber heute jedoch als Kriegszeuge wie als Schriftsteller längst rehabilitiert. Er und Trenker sind im kollektiven Gedächtnis gewisser178

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maßen wieder friedlich vereint, was wohl die Wirkmacht der von ihnen transponierten Soldatenbilder noch erhöhen dürfte. Gerade deshalb sollten wir in Zukunft sehr viel kritischer gegenüber den hier dargelegten hegemonialen Darstellungen der im Ersten Weltkrieg an der ehemaligen Südwestfront kämpfenden k. u. k. Soldaten sein und unser Augenmerk auch auf die jeweiligen Kontexte und Rezeptionszusammenhänge richten. Dabei wird man freilich, wie im Falle von Fritz Weber, noch immer mit großen Wissenslücken und mangelhaften oder auch widersprüchlichen biografischen Angaben konfrontiert sein – was ein großes Manko darstellt, das erst durch zukünftige Forschungen behoben werden kann. Vor diesem schwierigen Hintergrund sollte hier dennoch erstmals deutlich gemacht werden, dass der angebliche „Remarque der Dolomitenfront“ in einer historisch-kritischen und textanalytischen Perspektive wohl eher ein österreichischer Ernst Jünger war, was aus der Lektüre und Interpretation seiner Kriegsbücher und der in diesen vorgenommenen soldatischen Männlichkeitskonstruktionen nicht einfach ausgeklammert werden kann. Ebenso wenig sollte in Zukunft verschwiegen werden, wie sich dieser bis heute viel zitierte Kriegsteilnehmer und Schriftsteller politisch positioniert und betätigt hat und welche Parallelen oder Kontinuitäten zwischen seinen Soldatenleitbildern des Ersten Weltkriegs und jenen des Nationalsozialismus bestanden. Gleichzeitig stand die Person Fritz Webers in diesem Kapitel stellvertretend für die bis heute nicht geklärten ideologischen Brüche oder Widersprüche und vor allem für die starke Selektivität in der Rezeption von Soldatenerinnerungen an den Ersten Weltkrieg. Sollten wir die damit einhergehenden Deutungsmuster nicht endlich aufbrechen und uns stattdessen darauf besinnen, dass Erinnerungskulturen, insbesondere jene an einen Krieg, stets umstritten waren und sind, wie auch das Beispiel des Gerichtskonfliktes zwischen Weber und Trenker zeigt? Das heißt, dass Kriegserinnerungskulturen immer auch ausgehandelt werden und damit veränderbar sind, was dazu motivieren sollte, den diskursiven ‚Kampf‘ um den Ersten Weltkrieg an der ehemaligen Gebirgsfront nicht mehr nur den wenigen populären, immer wieder zitierten Kriegsschriftstellern zu überlassen. Als Historikerinnen und Historiker sind wir dazu aufgerufen, auch nach gegenläufigen Erzählungen zu suchen und auf ihrer Basis zu analysieren, wie weitgehend die Erlebnisse im Krieg männliche Identität zerstört haben. Nur dann kann die darauf reagierende diskursive Herrschaft der skizzierten Männlichkeit des ‚Gebirgskriegers‘ letztlich gestürzt werden. Um das zu erreichen, ist zunächst eine Art von Verweigerungshaltung gegenüber den immer gleichen auto/biografischen Refe179

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renzen notwendig, beziehungsweise einfach das Zitieren aus bislang unveröffentlichten oder unbekannten Selbstzeugnissen, die gängige Mythen und Legenden über den Gebirgskrieg konterkarieren,119 wie ein abschließendes Beispiel zeigen soll. Es stammt aus einem heute in Vergessenheit geratenen, höchst außergewöhnlichen Buch mit dem Titel „Ein Volk klagt an!“, das 1931 in Wien erschienen ist und ausgewählte „Fünfzig Briefe über den Krieg“ enthält. Sie waren bei der Wiener Tageszeitung „Das kleine Blatt“ eingegangen, die als Reaktion auf die völkische Hetze gegen die Aufführung des Remarque-Films „Im Westen nichts Neues“ ihre Leser dazu aufgerufen hatte, „den Krieg so zu schildern, wie sie ihn erlebt haben“. Daraufhin kamen mehr als 1.300 Zuschriften, die vor allem von den vielen Kriegsgräueln und – wie im Vorwort konstatiert wird – von „Soldatenmisshandlungen und Offiziersbrutalitäten“ berichteten. Viele Schreiber hätten ihre Briefe zudem „mit einem flammenden Protest gegen die Buben, die mit dem Verbot des Remarque-Films das größte und furchtbarste Erlebnis dieser Generation wegzufälschen versuchten“, begonnen und mit einem ebenso „flammenden Appell, die Wiederkehr des Grauens zu verhindern“, beendet.120 Einer davon war der frühere Maschinenschlosser Karl Weißenberger vom 2. Tiroler Kaiserjägerregiment, der in seinem Brief über die Sprengung des Monte Cimone am frühen Morgen des 23. September 1916 schrieb und sich vor allem an das qualvolle Sterben der italienischen Soldaten erinnerte: Auf dem Berge befanden sich große Truppenmassen, die durch die furchtbare Explosion vernichtet wurden. Aber viele dieser Unglücklichen wurden durch wuchtige Felsmassen in Kavernen und Hohlräumen lebendig begraben. Hatte Maschinengewehrposten und hörte acht Tage lang, besonders bei Nacht, das herzzerreißende Rufen der Eingeschlossenen: „Fratello, Fratello!“ (Bruder!). Wenn das mörderische Geschützfeuer etwas nachließ, hörten wir es besonders stark. Immer weniger wurden die rufenden, um Hilfe flehenden Stimmen, immer schwächer wurden die Klagelaute, bis sie in leises Wimmern übergingen und nach zehn Tagen verstummten. Jeder Versuch, den Ärmsten Hilfe zu bringen, scheiterte infolge der fortwährenden Beschießung. Ich sagte damals zu meinen Kameraden, deren viele das Gletschereis deckt: ‚Wenn das so weiter geht, muß jeder Mensch, der Träger einer höheren Seele, eines tieferen Denkens ist, dem Wahnsinn verfallen, denn nicht einmal Tiere können hier gleichgültig bleiben.‘ Schon damals fürchtete ich, im Falle einer Heimkehr mich im Leben nicht mehr zurechtfinden zu können. Heute, nach 14 Jahren, gellen mir noch die qualvollen Verzweiflungsschreie in meinen Ohren.121 180

Regimenter, Bataillone, Kompagnien, was ist denn das noch? Worte, leere Worte. Armselige Menschenhaufen, von halben Kindern befehligt. Skelette, deren Ausrüstung man auf Kraftwagen hinter ihnen her in die Stellung schleppt, weil sie die Last nicht mehr tragen können. Lungenkranke sind darunter, Herzleidende; Männer mit schweren Narben, abgerissenen Fingern, amputierten Zehen; Männer, aus Spitalsbetten aufgejagt, mit Waffen behängt, ins Feld verfrachtet; Männer, die in Rußland dem Typhus und der Rotzkrankheit entgangen sind und die nun, heimgekehrt, wieder an die Feuerwand gestellt wurden. Alles in allem keine Soldaten mehr, nur Verzweifelte. […] Vor vierzig Monaten waren wir Soldaten, vor einem halben Jahr noch Männer. Heute sind wir verschüchterte Nervenkrüppel, hungrig, krank, feige, muthlos; heute ängstigt uns der Tod schon, wenn er mit fernem Beben an seine Allgegenwart mahnt […]1

Krank, feige, muthlos … Eine ‚Krise der Männlichkeit‘ nach dem Ersten Weltkrieg?

Das Eingangszitat steht hier als vielsagendes Beispiel dafür, wie der ehemalige k. u. k. Artillerieoffizier Fritz Weber im Jahr 1931 in einem seiner Kriegserinnerungsbücher mit dem vielsagenden Titel „Das Ende der Armee“ den Zustand des österreichisch-ungarischen Heeres ab dem Sommer 1918 beschrieben hat. Er selbst war als Kriegsteilnehmer ab Mai 1915 fast ununterbrochen im Einsatz gegen Italien gestanden, hatte im Sperrfort Verle an der Gebirgsfront und später am Isonzo gekämpft, danach als Oberleutnant im Juni 1918 auch die letzte, rasch gescheiterte Offensive der k. u. k. Armee am Piave mitgemacht – und musste es von daher wohl besonders gut wissen.2 In Webers Darstellung gab es in der Schlussphase des Ersten Weltkriegs zwar durchaus noch Männer, aber nur im Sinne ihres biologischen Geschlechts, wie das Zitat zeigt. Denn der vier lange Jahre währende industrielle Krieg und zahlreiche von ihm scharf kritisierte Fehlentscheidungen der militärischen Führung hatten ihm zufolge diese Männer ihrer Männlichkeit beraubt, zu effeminierten „Nervenkrüppeln“ gemacht.3 Krank und verzweifelt, verkörperten sie nun alles andere als jene im Laufe des 19. Jahrhunderts in weiten Teilen Europas zum Leitbild geronnene militarisierte Männlichkeit, die den wehrpflichtigen Bürgersoldaten – und damit den erwachsenen Mann generell – auszeichnete.4 Dieses Leitbild war auch im zunächst wohl von besonders vielen und konkurrierenden Männlichkeitsidealen geprägten Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn spätestens mit Beginn des Ersten Weltkriegs zum einzig hegemonialen geworden und hatte hier, wie in anderen kriegführenden Ländern, den Aufbruch in den Krieg symbolisch begleitet.5 „Es ist immer der Mann, der den Kampf entscheidet, und nicht die Waffe“, meinte Weber daher an anderer Stelle und heroisierte insbesondere das Kämpfen der deutschstämmigen Soldaten im „Alpenkrieg“.6 Gerade sie hielten in seiner Darstellung bis zuletzt durch und marschierten, ungeachtet ihres desolaten Zustandes und geführt von mustergültigen Offizieren, nach dem offiziellen Waffenstillstand sogar noch ordnungsgemäß nach Wien, um dort abzurüsten. Der „Dank des Vaterlandes“ blieb dennoch aus; auch davon wusste Weber in seiner Darlegung des Kriegsendes zu berichten: Nein, es gab keinen Dank des Vaterlandes, keinen feierlichen Empfang und wie das alles so schön aus Liedern säuselt. 183

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Der Friede! [...] Und dann schüttelte ich zum letzten Male meinen Kameraden die Hände. Diese harten Hände, mit denen sie dreieinhalb Jahre lang rastlos für ihr Vaterland gekämpft und gewerkt hatten. Erschöpft und blaß, mit flatternden Lippen standen sie vor mir. Jedes dieser Augenpaare hatte das Golgatha der Menschheit gesehen. Und jeder dieser Männer war mir ein Freund auf Lebenszeit und ein Sinnbild für den tragischen Zusammenbruch eines Volkes, das sein hartes Geschick nicht verdient hatte.7

Soweit die Sicht des Kriegsschriftstellers Fritz Weber. Sein Beispiel als Ausgangspunkt für die Frage nach dem Zusammenhang zwischen soldatischen Kriegserfahrungen und zeitgenössischen Männlichkeits- oder Geschlechterkonstruktionen zu wählen ist insofern plausibel, als Weber in Österreich bis heute ein besonders viel zitierter Protagonist der lange von Offizieren determinierten Erinnerungskultur an den Ersten Weltkrieg ist.8 Eine Ausnahme mag er nur insofern darstellen, als er in sein Untergangsszenario der k. u. k. Armee Schilderungen der Mannschaft, gar Parteinahmen für die ‚gemeinen‘ Soldaten einfügt.9 Weber schreibt auch ihnen eine durch den industriellen Krieg und die Niederlage bedingte Erfahrung zu, aus der eine Zerstörung ihrer Männlichkeit resultiert: „Vor vierzig Monaten waren wir Soldaten, vor einem halben Jahr noch Männer.“ Das inkludiert den Soldaten beziehungsweise den soldatischen Mann per se, das ganze männliche Kollektiv der Kriegsteilnehmer – und steht damit für jene stark verallgemeinernde Perspektive, die im Folgenden einer Kritik unterzogen werden soll. Denn kann eine solche Aussage, ein solches Untergangsszenario als echtes Indiz dafür genommen werden, dass der Erste Weltkrieg in eine übergreifende ‚Krise der Männlichkeit‘ mündete? Standen einander in Österreich, nach dem für die Mittelmächte katastrophalen Kriegsende, tatsächlich „verstörte Männer und emanzipierte Frauen“10 gegenüber, wie der Historiker und Germanist Alfred Pfoser schon 1981 meinte, indem er von literarischen Texten wie Joseph Roths Roman „Die Kapuzinergruft“ ausging?11 Seither wurde, meist in Anlehnung an den zeitgenössischen Geschlechterdisput, immer wieder zu belegen versucht, dass der erste industrielle Krieg, der an den Frontabschnitten, an denen die k. u. k. Armee kämpfte, häufig nicht weniger brutal, belastend und nervenaufreibend war als an der Westfront, zu einer nachhaltigen ‚Krise der Männlichkeit‘ führte – umso mehr, da die heimkehrenden Soldaten vielfach mit Frauen konfrontiert wurden, die aufgrund ihrer spezifischen Kriegserfahrungen an der ‚Heimatfront‘ selbststän184

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diger, wenn nicht selbstbewusster geworden waren.12 Auch die Soldaten aus der Arbeiterschicht wurden daher als zurückgekommene „disabled patriarchs“ qualifiziert und als Indiz dafür genommen, dass der Kollaps der österreichisch-ungarischen Monarchie de facto ganz allgemein ein Kollaps der männlichen Gesellschaft war.13 Oder man hob die „Orientierungslosigkeit“ der Kriegsheimkehrer hervor, die für die Frauen keinesfalls die „erhoffte Hilfe und Entlastung zur Bewältigung des Nachkriegsalltags“ brachte.14 Erst jüngst hat, in Anlehnung an solche Forschungen und den durch Paul Federn 1919 geprägten Topos der „vaterlosen Gesellschaft“,15 die US-amerikanische Historikerin Maureen Healy die These von der kriegsbedingten ‚Entmännlichung‘ der heimkehrenden Soldaten noch zugespitzt und gemeint, dass diese Männer, im Verliererstaat Österreich mehr als anderswo, selbst durch die Familien nur unvollständig und wenig erfolgreich zivilisiert werden konnten – obwohl gerade eine solche Funktion der Familie damals partei- beziehungsweise lagerübergreifend propagiert wurde.16 Dennoch folgte dem Verlust einer positiv besetzten soldatischen Männlichkeit am Ende des Krieges angeblich nicht einfach die erneute ‚Umarbeitung‘ im Sinne einer raschen Rückkehr zu einer primär durch männliche Erwerbsarbeit und Familienpatriarchat gestützten zivilen Männlichkeit – was ja bedeutet hätte, dass damit wenigstens diese Aspekte hegemonialer Männlichkeit den Krieg gewissermaßen überdauerten, um dann erneut männliche Dominanz abzustützen. Dem wirkten in der Interpretation Healys der viel apostrophierte „Undank der Heimat“ gegenüber den Kriegsheimkehrern und ein zu spät einsetzender Denkmalkult für die Gefallenen des Krieges17 ebenso entgegen wie eine anhaltende hohe Arbeitslosigkeit vieler Männer und das Überdauern soldatischer Gewaltbereitschaft („perpetual soldiering“),18 die sich in öffentlichen Ausschreitungen und häuslicher Gewalt ausdrückte. Letzteres wird auf der Grundlage zeitgenössischer Kriminalitätsdaten argumentiert; gerade der Anstieg der von Männern verübten Gewaltverbrechen belege, so Healy, „the homecomers inability to make the psychological transition to peacetime“.19 Auch sie ist deshalb der Meinung, dass der kriegsbedingte Kollaps der „männlichen Ordnung“ in eine tief greifende ‚Krise der Männlichkeit‘ führte – in eine Krise der Geschlechterbeziehungen, der sich viele Männer durch im Krieg erlernte Brutalität zu entziehen suchten. Doch lassen sich all diese Phänomene der Nachkriegszeit beziehungsweise die von Healy und anderen herangezogenen zeitgenössischen Aussagen dazu tatsächlich primär auf den Ersten Weltkrieg und eine dadurch evozierte Bedrohung oder gar Auflösung der traditionellen Geschlechterordnung zurückführen? Sind 185

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sie nicht eher, wie Birthe Kundrus für Deutschland vermutet, „Verarbeitungsprozesse von Krisen der 1920er-Jahre“, und damit sehr viel stärker kontextgebundenen „Gegenwartserfahrungen“ geschuldet, als es auf den ersten Blick scheinen mag?20 Dann wäre, so Kundrus, „die These einer vom Krieg stark verunsicherten Männergeneration oder gar eines ‚Geschlechterkrieges‘“ umso mehr einer Revision zu unterziehen,21 sogar in Bezug auf die „scheinbar dokumentarischen Abbildungen binnenfamilärer Problemlagen“.22 Auch sie könnten, ähnlich wie der damalige Krisendiskurs, letztlich vor allem Ausdruck eines gerade in der Moderne mehr oder weniger permanent geführten Geschlechterdisputes und -kampfes sein, der nach R. W. Connell und anderen die stets instabile hegemoniale Männlichkeit begleitet, in Frage stellt und zu konterkarieren sucht23 – was in der spezifischen Situation einer Nachkriegszeit vielleicht besonders dringlich schien. Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Einschätzungen und der Beliebtheit des Krisenkonzepts in Untersuchungen zur Geschlechtergeschichte nach den beiden Weltkriegen24 soll im Folgenden versucht werden, die zeitgenössische Rede von einer ‚Krise der Männlichkeit‘ nach 1918 zu kontextualisieren und in eine längerfristig angelegte struktur- und erfahrungsgeschichtliche Perspektive einzubinden.25 Wie fügt sich diese Rede in die damalige, auf eine rasche Normalisierung der Verhältnisse zielende Geschlechterpolitik der österreichischen Nachkriegszeit und von wem, von welchen gesellschaftlichen Gruppen wurde sie öffentlich generiert? Welche Interessen könnten dafür maßgeblich gewesen sein? Und inwieweit traf sich der Krisendiskurs mit dem Selbstgefühl einer aus dem Krieg heimkehrenden Generation von Männern? Bilanzierten diese ihre Kriegserfahrungen auch im Rekurs darauf, lässt sich in autobiografischen Texten für die Zeit nach 1918 eine erfahrene Bedrohung von Männlichkeit, das heißt auch die Infragestellung gewohnter männlicher Privilegien ausmachen?

(Geschlechter-)Politik im Zeichen von Umbruch und Instabilität26 Unbestreitbar ist, dass die von Fritz Weber apostrophierten Kriegsheimkehrer in eine Situation des gesellschaftlichen Umbruchs, der Krise zurückkehrten – nicht nur in Hinblick auf jene Hunderttausende durch den Krieg gänzlich zerstörten27 oder langfristig geschädigten28 Menschenleben, die zu beklagen und zu erinnern, zu ersetzen und wieder zu integrieren waren. Darüber hinaus hatte der im Vergleich zur ehemaligen Monarchie sehr klein gewordene 186

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Verliererstaat Österreich mit schwierigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zu kämpfen. Er durchlief, nach der Entmachtung des Adels und der Gründung der Republik im Zuge der revolutionären Ereignisse zu Kriegsende, viele innenpolitische Spannungen sowie häufige Regierungswechsel und eine starke gesellschaftliche Polarisierung, was schließlich in die Etablierung eines rechten, autoritären Staates unter Engelbert Dollfuß 1933/34 mündete.29 Begleitet wurde diese Entwicklung auf wirtschaftlichem Gebiet durch die Nachkriegsinflation, Probleme bei der Sanierung der Finanzen unter Kontrolle des Völkerbundes und, nach einem nur kurzen Konjunkturaufschwung ab 1922, durch steigende Arbeitslosigkeit und die Weltwirtschaftskrise von 1929. Im Fall Österreichs zog sich somit die Beseitigung der Kriegsfolgen – der Aufbau der staatlichen Ordnung und der Wirtschaft – durch die gesamte Zwischenkriegszeit; von Stabilität kann kaum gesprochen werden. Das ist auch als Hintergrund für die Frage nach der Entwicklung der Geschlechterverhältnisse und -politik in jenen Jahren zu veranschlagen – einer Entwicklung, die zwar sehr komplex und von durchaus antagonistischen Politiken, Leitbildern und Diskursen geprägt war, letztlich aber wieder stark ‚eingeebnet‘, in das Fahrwasser konservativer beziehungsweise faschistischer Geschlechterideologie und -politik gebracht werden konnte. Das trifft zu, obwohl 1918/19 die Frauen diskriminierenden Bestimmungen des alten Vereinsrechts aufgehoben wurden und es zur Einführung des Frauenwahlrechts gekommen war.30 Letzteres geschah primär aufgrund der politischen Machtverhältnisse nach Kriegsende, das heißt als Folge der starken Position der Sozialdemokratie, der angesichts der revolutionären Verhältnisse Ende 1918 ein Rückzug von dieser Forderung in ihrem Parteiprogramm nicht sinnvoll schien. Auch die Christlichsozialen fanden sich nun prinzipiell mit dem allgemeinen Frauenwahlrecht ab; scharfer Protest kam jedoch von Männern des deutschnationalen Lagers, das gemeinsam mit den Christlichsozialen außerdem versuchte, die Zahl der Wählerinnen zu begrenzen und eine Wahlpflicht einzuführen – was letztlich der Landesgesetzgebung überlassen und nur in den Bundesländern Tirol und Vorarlberg realisiert wurde. Auch gab es, um das Wahlverhalten der Frauen genau beobachten zu können, ab dem Sommer 1920 eine nach Geschlecht getrennte Stimmenzählung.31 Doch obwohl die wählenden Frauen in den nächsten Jahren in der Wahrnehmung aller politischen Lager zu einem äußerst wichtigen Stimmpotenzial wurden, suchten insbesondere die bürgerlichen Männerparteien weder die Mitarbeit der politisch aktiven Frauen, noch gingen sie auf deren Forderungen ein – was immer 187

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wieder Unmutsäußerungen in den bürgerlich-liberalen Frauenzeitschriften provozierte.32 Die Sozialdemokratie hatte zwar eine bestimmte Vorreiterrolle in Sachen Gleichberechtigung inne, aber nur bis zu einer gewissen Grenze; auch hier traf sich der Widerstand seitens führender männlicher Politiker gegen einen weitreichenden politischen Einfluss der Frauen in der Politik mit deren Bereitschaft, sich auf bestimmte, eher ‚weiblich‘ konnotierte Aktivitätsfelder zu beschränken. Von den höheren Positionen der Macht und der Entscheidungsmöglichkeit blieben Frauen in der Zwischenkriegszeit demnach in allen Lagern ausgeschlossen. Es gab zwar seit 1920 einige wenige Parlamentarierinnen und Landtagsabgeordnete, vor allem bei der Sozialdemokratie. Ihre Aktivitäten und Zuständigkeiten konzentrierten sich aber im Sinne sozialer Mütterlichkeit auf sozial-, familien- oder frauen- und bildungspolitische Agenden, wie Eherecht, Frauenerwerbstätigkeit und Abtreibungsfrage, und lagen somit in einer Kontinuität zu Geschlechterkonzeptionen der Vorkriegszeit. Auch lässt sich schon für den Zeitraum zwischen 1923 und 1930 ein Rückgang an weiblichen Nationalratsabgeordneten beobachten.33 Interessant für unseren Zusammenhang ist außerdem der Umstand, dass der Bezug zur ‚natürlichen‘ Rolle der Frau als Mutter, und damit auch das Festhalten am Konzept der biologistisch begründeten Geschlechterdifferenz, schon die Einführung des allgemeinen Frauenwahlrechts begleitet hatte. Sogar die Frauenbewegung selbst sah die nunmehr verwirklichte politische Partizipation nicht in einem engen Zusammenhang mit ihrem vielfältigen patriotischen Engagement und der sensationell anmutenden Verschiebung von Frauenarbeit im Krieg,34 obwohl gerade dieses Argument, ihre so demonstrierte ‚staatsbürgerliche Reife‘, während des Ersten Weltkriegs immer wieder betont worden war – auch im Sinne einer Forderung für die kommende Zeit des Friedens. Wenn jedoch die „Neue Freie Presse“ im November 1918 schrieb, dass „die Frauen das Stimmrecht nicht wegen ihrer außerordentlichen Leistungen im Krieg bekommen“ hätten und „Recht […] nicht Belohnung sein“ könne, so drückte sie damit bereits ein öffentliches Vergessen aus, das sich rasch verallgemeinern sollte. Gefeiert und als Argument für das ‚gewährte‘ Frauenwahlrecht herangezogen wurde schon in den ersten Jahren der Republik von der männlich dominierten Öffentlichkeit vielmehr, dass die „Mütter, deren Söhne auf ungastlicher Erde begraben liegen und […] solche Heimsuchungen des Krieges ertragen mußten, […] wahlreif“ sind – wie es im gerade zitierten Artikel ebenfalls hieß.35 Auch die Werbung der großen Parteien für die ersten Wahlen 1919 und 1920 war, sofern sie Frauen überhaupt ansprach, ganz auf die Entbehrungen 188

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der vom Krieg heimgesuchten Mütter und Ehefrauen, und damit auf ihre familialen Rollen, ausgerichtet. Ähnliches gilt für die Parteiprogramme.36 Umso kontroverser verlief nach Kriegsende jedoch die öffentliche Diskussion um die Entwicklung der Frauen- und Männerarbeit. Sie bewegte sich im Spannungsfeld zwischen der zweifelsfrei gegebenen Erleichterung vieler Frauen, die alleinige Familienverantwortung wieder abgeben zu können, und dem Umstand, dass sie „nicht immer bereit [waren], ihre Arbeitsplätze den Männern zu überlassen“37 – was sie aus deren Perspektive ganz offenkundig hätten tun sollen. Denn mit der Heimkehr der überlebenden Soldaten hatte auch in Österreich ein sowohl von ‚oben‘, mittels staatlicher Verordnungen, als auch von ‚unten‘, seitens arbeitsloser Männer, vorangetriebener Kampf um Arbeitsplätze zwischen den Geschlechtern eingesetzt,38 der sich über einen längeren Zeitraum hinzog und vermutlich von einer ähnlichen Dimension war wie in Deutschland. Dort wurde dieser „erbitterte Kampf“, wie Susanne Rouette gezeigt hat, mit „großer Härte und Vehemenz“ geführt, um „die Terraingewinne, die Frauen während des Ersten Weltkriegs auf dem Arbeitsmarkt scheinbar errungen hatten, wieder rückgängig zu machen“.39 Genau darauf zielte auch in Österreich die Arbeitsmarktregulierung; ihr eignete ebenfalls sehr klar ein „geschlechterpolitischer Kern“,40 dessen Inhalte im Einzelnen auszuführen hier nicht möglich ist.41 Sie reichten von der ausdrücklichen Entlassung verschiedener Frauengruppen42 bis hin zum neuen In‑ strument der Arbeitslosenunterstützung, deren Verordnungen vom 14. Februar und 24. Juni 1919 auch gegen jene arbeitslosen Frauen gerichtet waren, die keine ihnen „entsprechende Beschäftigung“ in den traditionell ‚weiblichen‘ Branchen (der Heimarbeit, der Landwirtschaft und den hauswirtschaftlichen Berufen) anzunehmen gewillt waren. In diesem Falle wurde ihnen die Arbeitslosenunterstützung sofort entzogen; manche Berufsgruppen schied man überhaupt aus der Unterstützung aus. Begünstigt von diesen Maßnahmen wurden vor allem die Kriegsheimkehrer.43 Nur für eine Minderheit von berufstätigen Frauen kam es in einer ersten Phase der Etablierung der Republik Österreich zunächst sogar zu einer gesetzlichen Verbesserung, indem die Sozialdemokratie die Aufhebung des Zwangszölibats für alle weiblichen Staatsangestellten durchsetzte.44 Doch bald darauf folgten das „Pensionsbegünstigungsgesetz“ vom 30. Juli 1920, das im Falle eines freiwilligen Ausscheidens aus dem Staatsdienst „günstige Abfertigungen“ gewährte, und das „Angestelltenabbaugesetz“ von 1922, welches mittels einer Sonderklausel angestellte Witwen zur Aufgabe ihres Versorgungsgenusses zwang; beides führte zum Ab189

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bau von Frauen im öffentlichen Dienst. Außerdem wurde bereits 1921 die Aufnahme von weiblichen Kräften bei der Bahn und in den Postdienst gesperrt, und 1922 führte als erstes das Land Salzburg wieder ein Lehrerinnenzölibat ein; dem folgten bald andere Länder wie Tirol, Vorarlberg und – eingeschränkt – Kärnten, Steiermark und Niederösterreich.45 Lauthals sekundiert wurde all das durch entsprechende Forderungen in Heimkehrer-Schriften, der Tagespresse und von männlichen Interessensvertretungen, während viele Frauen der betroffenen Berufsgruppen auch in Form von eigens einberufenen Protestversammlungen gegen diese Entwicklung opponierten. Sie vermochten sie dennoch nicht aufzuhalten: Der eingeschlagene Weg der Politik führte schließlich bis in den Ständestaat, von dem zu Beginn des Jahres 1933 das „Doppelverdienergesetz“ beschlossen wurde, das die sofortige Entlassung verheirateter Frauen aus dem Staatsdienst vorsah.46 Möglich geworden war wohl auch diese Maßnahme, weil das Schlagwort vom notwendigen Abbau der „Doppelversorgung“ und der insbesondere gegen berufstätige Ehefrauen gerichtete „Kampf gegen die ‚Doppelverdiener‘“47 in der Ersten Republik kontinuierlich an Wirkmacht gewonnen hatten. Das ist zu betonen, ebenso wie darauf zu verweisen ist, dass die skizzierten arbeitspolitischen Maßnahmen nach Kriegsende von einer parallel geführten öffentlichen Debatte um die angebliche „Arbeitsunwilligkeit“ von Frauen und die durch die männlich dominierte Tagespresse lancierten Angriffe gegen die Frauenerwerbstätigkeit begleitet wurden – vielleicht gerade auch darum, weil ihr tatsächlicher Erfolg, wenigstens in Bezug auf den industriellen Sektor, weit hinter den staatlichen Erwartungen zurück blieb. Denn die Neustrukturierung des Arbeitsmarktes führte in der Zwischenkriegszeit zwar zu einer erneuten Abdrängung der industriellen Frauenarbeit in besonders schlecht bezahlte und unqualifizierte Tätigkeitsfelder, auch in manche ihrer alten Domänen;48 im längerfristigen Vergleich vom 19. Jahrhundert bis zur Weltwirtschaftskrise von 1929 zeigt sich aber ebenso, dass die Frauenarbeit in den meisten Berufsgruppen mehr oder weniger kontinuierlich oder sogar – wie in der Chemieund Elektroindustrie – stark anstieg.49 Jedoch basierte diese nicht umkehrbare wirtschaftliche Entwicklung weiterhin auf niedrigen Frauenlöhnen beziehungsweise auf der Differenz in der Wertung und Bezahlung weiblicher und männlicher Arbeit, wogegen oder wofür angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage oft heftig Stellung bezogen wurde. Im Jahr 1926 kam es in diesem Kontext sogar zur Gründung eines misogynen „Bundes für Männerrechte“, der die „Bekämpfung aller Auswüchse der Frauenemanzipation“ bezweckte und unter ande190

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rem forderte, dass „kein verheirateter Mann […] zugunsten einer unverheirateten Person männlichen oder weiblichen Geschlechts entlassen werden [darf]“. Ihm gehörten Männer aus verschiedenen Berufsgruppen und politischen Lagern an.50 Die öffentliche Agitation dieser radikalen ‚Männerrechtler‘ ging über Jahre und bediente sich ab 1929 sogar eigener Zeitschriften, in denen auch gegen „[d]ie Frau im Berufsleben“ zu Felde gezogen wurde.51 Resümierend kann einerseits gesagt werden, dass die Frauen aus dem auf mehreren Ebenen vorangetriebenen Prozess der Arbeitsmarktregulierung zugunsten der Kriegsheimkehrer jedenfalls als „Verliererinnen“ hervorgingen.52 Sie waren am Arbeitsmarkt zwar weiterhin unentbehrlich und auch stark präsent, zum Teil sogar in neuen Berufsfeldern, wie den weiblichen Angestelltenberufen.53 Doch galten Letztere in der öffentlichen Meinung und Wahrnehmung nur als vorübergehende Tätigkeit für ledige Frauen und hatten zudem in der Realität wenig zu tun mit der Figur der emanzipierten „neuen Frau“, die einen „Bubikopf“ trug, modisch gekleidet und selbstständig war; dass die weiblichen Angestellten schlecht verdienten, wurde dabei geflissentlich übersehen.54 Auch das markiert jenes „Paradox von Fortschritt und Stillstand beziehungsweise Rückschritt in einem“, welches Ingrid Bauer mit dem Blick auf die Frauenarbeit im und nach dem Krieg konstatiert hat55 – eines Paradoxons auch, das längerfristig nicht wirkmächtig genug war, den geschlechtsspezifisch segmentierten, Frauen stark benachteiligenden Arbeitsmarkt gravierend zu verändern. Dennoch befürchteten viele Männer und von deren Interessen dominierte Institutionen gerade das. Ihre unmittelbar mit Kriegsende einsetzenden Dispute zur Frauenarbeit lesen sich so gesehen vor allem als Ausdruck von „Ängste[n] und Abwehrreaktionen bei denjenigen Menschen, die bei der Rückkehr zu einer Friedensgesellschaft ihre Machtpositionen gefährdet sahen“ – mithin als situationsbedingte Äußerungen in einer „höchst ambivalente[n] Zeit des Umbruchs“, in der die auch im Krieg nie wirklich in Frage gestellte hierarchische Konzeption der Geschlechterverhältnisse erneut gefestigt werden sollte,56 was ganz offensichtlich gelang. Sogar egalitärere Lebensmodelle, die in jenen Jahren auch formuliert wurden, wie die im Umfeld der Sozialdemokratie propagierte Kameradschaftsehe, beinhalteten das Primat der arbeitenden Frau als fürsorgliche Mutter, Ehe- und Hausfrau.57

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Krisensymptome in männlichen Kriegserinnerungen Eine solche nicht nur für die junge Republik Österreich geltende Bilanz58 könnte noch zur Aussage zugespitzt werden, dass es nach 1918 zur Re-Etablierung des Staates als ‚männlicher Institution‘ kam, und dass dieser Prozess in mancherlei Hinsicht durch einen regelrechten öffentlichen „Geschlechterkrieg“59 unterstützt wurde. Das macht die Frage umso interessanter, wie die Kriegsheimkehrer selbst sich an jene Zeit des Umbruchs und der Krise erinnerten. Wie versuchten sie ihre durch die Kriegserfahrung desavouierte Männlichkeit wieder aufzurichten, positiv zu setzen, und inwieweit ist die eingangs ausgebreitete Deutung von Fritz Weber dafür charakteristisch? Steht sie nicht in einem gewissen Widerspruch zum oben erarbeiteten strukturgeschichtlichen Befund? Wichtig für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst der Hinweis darauf, dass Fritz Weber ungeachtet seines Allgemeinanspruchs ausschließlich die Perspektive der Offiziere verkörpert; noch eingeschränkter steht er sogar nur für die Sicht jener deutschösterreichischen Offiziere, denen es nach 1918 allmählich gelang, ihre Kriegs- und Heimkehrerlebnisse zu veröffentlichen und zum hegemonialen Deutungsmuster des Krieges zu machen. Das geschah, neben der Publikation von Kriegsmemoiren, auch im Rahmen einer regen Publizistik und Vortragstätigkeit sowie durch die Kriegshistoriografie, die im Wesentlichen „Offiziersgeschichtsschreibung“ war; durch all das konnten ehemalige k. u. k. Offiziere in der Zwischenkriegszeit „die monopolartige Besetzung des kollektiven (Kriegs-)Gedächtnisses“ bewirken.60 Das hat die Forschung bereits aufgezeigt und dabei auch den von Healy als zu spät und unzureichend bewerteten öffentlichen Denkmalkult anders eingeschätzt und kontextualisiert.61 So wurde untersucht, dass Offiziere das Ende des Krieges und die anschließende Etablierung der Ersten Republik zunächst in der Tat als großen Bruch erlebten. Für sie mag daher der von ihnen kreierte und ständig aufs Neue perpetuierte Topos der „undankbaren Heimat“ seine Berechtigung haben – auch wenn vermutet wurde, dass die in diesem Kontext immer wieder abgerufene „Szene der Uniformentwürdigung und Entwaffnung weit häufiger erzählt als tatsächlich beobachtet wurde“.62 Jedoch führte die Heimkehr der Offiziere diese tatsächlich in einen von Pazifismus geprägten öffentlichen Aufruhr und gestaltete sich daher auch ihren Selbstzeugnissen zufolge häufig als ein entehrendes, „kollektive Verstörungen und Verletzungen“ provozierendes Erlebnis.63 Dabei wurden vielen von ihnen von aufgebrachten Mannschaften, den neuen Soldatenräten oder der Zivilbevölkerung die Distinktionszeichen 192

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und Orden von den Uniformen gerissen; die pazifistische Stimmung unmittelbar nach Kriegsende nährte sich aus einem ausgeprägten, öffentlich inszenierten Offiziershass. „Du schwarzgelber Hund, du Monarchistenschädel, wir haun dir den Schädel ein“, konnte es dann etwa heißen64 oder: „Offiziere wurden wie Tiere gehetzt“65 – was Ernst Hanisch zur Aussage veranlasst hat, solche häufig belegten Situationen stellten „die öffentliche Kastration der Männlichkeit der Offiziere“66 dar. Was danach kam, war wohl kaum einfacher: Bedingt durch den Friedensvertrag von St. Germain konnten von insgesamt 16.473 Berufsoffizieren (das waren 47 Prozent aller k. u. k. Offiziere), die nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie für Österreich optiert hatten, nur maximal 1.500 meist jüngere Offiziere in das neue Bundesheer übernommen werden, neben 30.000 Mann und 2.000 Unteroffizieren.67 All die anderen Berufsoffiziere wurden entlassen (was auch für Fritz Weber nachgewiesen ist),68 definitiv abgefertigt oder pensioniert. Ein Teil war zunächst arbeitslos und versuchte sich, mehr oder weniger erfolgreich, in den verschiedensten Berufsfeldern vom Unternehmertum bis hin zum Journalismus (was offenbar besonders oft der Fall war und wiederum auch auf Fritz Weber zutrifft),69 ein anderer Teil kam im Staatsdienst unter. So auch der Major Alois von Rezac, der in Wien öffentlich beschimpft wurde, wie vorhin zitiert. Er hatte zunächst, nachdem er von der italienischen Front ordnungsgemäß zu seinem nicht mehr bestehenden Bataillonssitz zurückgekehrt war, noch in der deutschösterreichischen Volkswehr gedient. Dann fiel er aufgrund seiner mehrfachen Weigerung, Anweisungen der als korrupt dargestellten Soldatenräte zu befolgen, bei diesen in „Ungnade“ und wurde daraufhin aus dem Heeresverband „fristlos ausgestoßen“, wie er schrieb – nicht ohne auch an dieser Stelle Kritik daran zu üben, dass der frühere Ehrenkodex der Offiziere im gänzlich negativ konnotierten „Wandel von der Monarchie zur Demokratie“ nicht mehr funktionierte. Hilfe erhielt er dennoch: In dieser Situation traf ich einen Kameraden, dem ich diese Angelegenheit erzählte. Dieser gab mir den Rat, mich bei der Invalidenkommission zu melden, was ich auch tat. Dem Regimentsarzt der Dienst hatte erzählte ich diese Angelegenheit. Da ich ein nervöses Herz hatte, schrieb er mich 15 bis 25 % invalid wegen Herzneurose. Auf Grund dieses Befundes wurde ich in den Staatsdienst übernommen und dem Finanzamt für den 9. Bezirk, in dem ich wohnte, zugeteilt.70

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Ab nun folgte, bis Alois von Rezac in den Zweiten Weltkrieg einrückte, der erneute berufliche Aufstieg des ehemaligen Majors, zunächst als Personalreferent, dann in der Rechnungsabteilung des Finanzamtes; daneben baute er eine kunstgewerbliche Werkstätte mit mehreren Mitarbeitern auf. Sein Beispiel steht hier paradigmatisch dafür, dass dem vielstimmigen und wirkmächtigen, in verschiedenen Szenarien stets aufs Neue wiederholten „Offizierslamento“ zur Situation nach 1918 somit durchaus etwas gegenüberstand – nämlich eine weiter funktionierende, über solidarisches Verhalten hinausgehende „Kameradschaftshilfe“.71 Sie wird auch in den Memoiren ehemaliger k. u. k. Offiziere angesprochen und wurde, wie Peter Melichar erforscht hat, in der Zwischenkriegszeit zunehmend politisiert. Ihm zufolge kam es nach Kriegsende „kaum zu einer prinzipiellen Ablehnung des Militärischen, sondern eher zu einer Verfestigung jener Formen der Vergemeinschaftung, die in der Armee praktiziert worden war“, und zwar durch Veteranenvereine, Offiziersgesellschaften, Kameradschaftsbünde sowie – in Österreich besonders wichtig – „andere militärische und paramilitärische Vereinigungen und Verbände, in denen Militärs eine wichtige Rolle spielten“.72 Mit Letzterem ist vor allem die „Heimwehr“ gemeint, als jene militärische Formation, in der sich Ende der 1920er-Jahre bereits 40.000 bis 50.000 Männer organisierten, die vielfach von ehemaligen Offizieren geführt wurden. Im Kampf gegen den etwa gleichzeitig entstandenen sozialdemokratischen „Republikanischen Schutzbund“, der seinerseits ‚Soldatenspielerei‘ auf Seiten der Arbeiter einübte und somit ebenfalls für die rasche Remilitarisierung der tief gespaltenen Ersten Republik steht, provozierte dieser rechte Wehrverband immer wieder bürgerkriegsähnliche Zustände – bis hin zum blutigen Februar des Jahres 1934, dem Beginn des Austrofaschismus.73 In einer längerfristig angelegten, über die „konservative Wende“74 der Zwischenkriegszeit hinausführenden Perspektive gesehen, hat die Erfahrung des Ersten Weltkriegs somit „das militärische Wertesystem“ weder beseitigt noch abgewertet.75 Gerade in der politischen Krise der frühen 1930er-Jahre, als sich das soldatische Männlichkeitsideal längst wieder durchgesetzt hatte,76 sahen auch Männer wie Fritz Weber, der sich zunächst dem Deutschnationalismus verschrieben hatte und seit 1933 der in Österreich noch illegalen nationalsozialistischen Partei angehörte, erneut ihre Zeit gekommen. Das von ihm als „Untergang“ und ‚Krise der Männlichkeit‘ apostrophierte Kriegsende hatte somit eine Fortsetzung, ist nur die eine Seite eines Narrativs und nicht zuletzt erzählstrategisch angelegt. Die andere, seit dem ersten Erscheinen von Webers Kriegserinnerungsbücher ab 1931 rasch stärker ge194

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wordene Dimension fügte sich ein in die zum Mythos geronnene Offizierslegende davon, dass die k. u. k. Armee eigentlich „im Felde unbesiegt“ geblieben war, einerseits,77 und die Heroisierung des deutschstämmigen Kriegers andererseits. Dieser wiederum floss bei Weber fast nahtlos in das Konstrukt des nationalsozialistischen Kriegers.78 Der zunächst ‚entmännlichte‘ und desavouierte Soldat war somit wieder ‚auferstanden‘ – mit neuem Gesicht zwar und martialischer als zuvor, aber eben auch in Fortführung verloren geglaubter soldatischer Werte. Eindringlich illustriert wird eine solche Kontinuität in einem 1940 veröffentlichten und mehrfach aufgelegten Roman, „Hauptmann Ladurner“, den Fritz Weber für seinen als Filmemacher und Autor berühmt gewordenen Kriegskameraden Luis Trenker gegen Bezahlung (mit-)verfasst hat. Auch er nutzte damit jene vorhin erwähnten Netzwerke, um schriftstellerisch überleben zu können; Trenker und Weber arbeiteten mehrfach eng zusammen.79 In „Hauptmann Ladurner“ geschah dies explizit, um die „Not und Verzweiflung“, durch welche die „unbekannten Soldaten des großen Krieges von 1914 bis 1918“ gehen mussten, mit ihrem „Glaube[n] an den Wiederaufstieg deutschen Mutes und deutscher Kraft“ zu kontrastieren.80 Dieser Prozess wird hier verkörpert durch den in Galizien wie an der „Alpenfront“ vorbildlich kämpfenden, bis zuletzt durchhaltenden Hauptmann Valentin Ladurner, der nach Kriegsende jedoch, wie so viele bis hin zum ehemaligen Generalstabsführer Conrad von Hötzendorf, in seiner Ehre nur mehr mit Füßen getreten wurde und völlig verarmte. Zu ihm hielt in dieser schwierigen Zeit allein Martha Kraft mit all ihrer aufopfernden Liebe und Hingabe, während sich die frühere Verlobte, die emanzipierte Diplomatentochter Anka von Reichenfels, schon im Krieg der amoralischen und genusssüchtigen ‚Hinterland‘- und ‚Kriegsgewinnler‘-Gesellschaft ergeben hatte. Der erneute Aufstieg Ladurners und seiner Ehefrau, die sich nach 1918 im langen „Kampf ums Dasein“ wenigstens eine „kleine[n], festgefügte[n] Welt“ „voll des Glücks“ aufbauen hatten können,81 erfolgte umso glanzvoller erst im Zuge eines angedeuteten „Anschlusses“ Österreichs an Deutschland, hier auch inszeniert als Sich-wiederfinden ehemaliger Frontkameraden im Zeichen einer neuen Apotheose soldatischer Männlichkeit. Selbstverständlich darf die Aussage dieser fiktiven Geschichte in ihrer Bedeutung nicht überbewertet werden und ist auch nicht das Sinnstiftungsmuster des k. (u.) k. Offiziers generell. Ein Gutteil dieser Gruppe hätte die in „Hauptmann Ladurner“ angelegte Adelskritik auch noch in den 1930er-Jahren kaum begrüßt, und nicht jeder davon wurde Nationalsozialist82 – selbst wenn kon195

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statiert werden muss, dass eine „deutschnationale und gleichzeitig anschlussbefürwortende“ Ausrichtung vieler Offiziere in jener Zeit „eindeutig bestimmend“ wurde.83 Ich habe den Roman hier vor allem angeführt, weil sich ein ähnliches Narrativ des Rückzugs ins Private nach Kriegsende auch in Offiziersmemoiren findet – so darin von (Ehe-)Frauen überhaupt die Rede war und damit die Selbstverständlichkeit ihrer Existenz in Worte gefasst wurde. In unserem Zusammenhang ist wichtig, dass diese Frauen dann geradezu als Kameradin in schweren Zeiten beschworen wurden,84 und dass, wie wiederum Melichar konstatiert hat, in den „meisten Memoiren und Biographien“ von Offizieren auf die Darlegung der entehrenden Rückkehr in die Heimat der „formelhaft anmutende Bericht vom zumindest einige Wochen dauernden Rückzug ins Private“ folgte.85 Genau das war etwa auch der Fall bei Alois von Rezac, der in der prekären Situation Ende 1918 einerseits von der Mutter aufgefangen wurde, und andererseits von seiner am 23. Dezember 1918 geehelichten Verlobten.86 Mehr zu diesem Thema, auch in Hinblick auf notwendige Differenzierungen innerhalb der Gruppe der Offiziere, müssen zukünftige Forschungen klären. In den bisher ausgewerteten autobiografischen Texten finden sich jedenfalls so gut wie keine Hinweise darauf, dass die Solidargemeinschaft der Familie nach 1918 längerfristig nicht funktioniert hätte. Im Gegenteil, scheinen es gerade Liebes- und Verwandtschaftsbeziehungen den heimkehrenden Männern vielfach ermöglicht zu haben, ihre kriegsbedingten Leiden und Verstörungen zu verdrängen, zu kompensieren. Der „familiale Zusammenhalt“ hat somit, wie auch Kundrus vermutet, durchaus funktioniert87 – und damit wohl auch die trotz mancher Angleichungen noch immer gegebene Geschlechterhierarchie. Die für Österreich verfügbaren Daten weisen zwar auf eine Zunahme der Scheidungsrate nach dem Krieg hin,88 doch ist dabei zu bedenken, dass ein solcher Anstieg auch eine Reaktion auf die angesichts des Krieges vorschnell geschlossenen Ehen und später eine Implikation der Wirtschaftskrise gewesen sein könnte. Oder sie sind schlicht ein Ausdruck davon, dass es in der Zwischenkriegszeit, im Kontext der viel geäußerten Kritik am katholischen Ehe- und Trennungsrecht und der Debatten zu einer Eherechtsreform leichter geworden war, sich auch gerichtlich „von Tisch und Bett“ zu trennen und mittels „Dispens-“ oder „Sever-Ehen“ ein zweites Mal zu verheiraten.89 Damit komme ich, wenigstens noch in Form eines Ausblickes auf mögliche zukünftige Forschungen, zuletzt zur offenen Frage, inwieweit das bislang Gesagte auch für die heimkehrenden Mannschaftssoldaten gilt. Deren große Gruppe wäre selbstver196

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ständlich wiederum mehrfach zu differenzieren, nach sozialen und politischen Lagern, denen sie sich zugehörig fühlten ebenso wie nach ihrem Zivilstand, ihrem Alter, ihrem körperlichen und psychischen Zustand. Das kann hier nicht weiter ausgeführt werden, auch nicht in Hinblick auf die sehr unterschiedliche öffentliche Positionierung und Organisierung solcher Männer – sei es als Kriegsinvalider, der vielleicht, wenn er viel Glück hatte, im Zuge der für diese Gruppe getroffenen Reintegrationsmaßnahmen die Konzession für eine staatliche Tabaktrafik zugesprochen erhielt,90 oder sei es als sozialdemokratisch organisierter Arbeiter, der nicht zuletzt darum bald nach seiner Heimkehr wieder eine Arbeitsstelle erhalten konnte, weil es, wie dargelegt, eine staatlicherseits betriebene Demobilisierung und Umschichtung der kriegsbedingten Frauenbeschäftigung gab. In der großen Wirtschaftskrise mochte er dann wieder entlassen und ausgesteuert worden sein und sich angesichts der angespannten politischen Lage im ebenfalls schon erwähnten paramilitärischen „Republikanischen Schutzbund“ organisiert haben. Auch in diesem Kontext kam es in der Ersten Republik zu einem Wiedererstarken eines militarisierten Männlichkeitsideals, ungeachtet des so virulent gewordenen Offiziershasses unmittelbar nach dem Krieg,91 der nicht allein aus der Katastrophe des Krieges resultierte, sondern sich vermutlich auch aus einer Tradition des starken Klassenantagonismus in der Habsburgerarmee speiste. Es verwundert daher nicht, dass ein solcher Hass und die Abrechnung mit erfahrenen „Soldatenmißhandlungen und Offiziersbrutalitäten“ in autobiografischen Aufzeichnungen ehemaliger Mannschaftssoldaten immer wieder zum Thema wurden, auch in drastischer Manier: „Alle jene Soldaten, welche im Krieg waren, müssen es bestätigen, dass ihre Ehre in den Kot getreten wurde und dass wir schlechter behandelt wurden als das Vieh. Und das alles für Gott, Kaiser und Vaterland.“92 In Verbindung mit solchen Aussagen oder überhaupt als Leitlinie ihres Rückblicks auf den Krieg artikulierten Mannschaftssoldaten häufig auch Entsetzen ob der Kriegserlebnisse und -opfer. „Ich habe dieses Inferno überlebt, für mich sind alle Kriege aus“, soll etwa einer von ihnen, seinen Kriegsaufzeichnungen zufolge, bei seiner Heimkehr zu einem Schulkameraden gesagt haben,93 und ein anderer schrieb: „Das Grauen überkommt einen, wenn man an die Kriegsereignisse erinnert wird. Krieg ist das grösste Verbrechen an der Menschheit, wo so viele gemartert und hingemetzelt werden und der Mensch zur Bestie wird und werden muss.“94 Solche oft in genaue Schilderungen der eigenen Kriegserlebnisse und des Kriegsalltags eingebettete Aussagen fanden jedoch in die hegemoniale Kriegser197

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innerungskultur nach dem Weltkrieg kaum Eingang, da autobiografische Aufzeichnungen von Mannschaftssoldaten damals fast ohne Ausnahme unpubliziert blieben. Eine erst 1931 im Kontext der öffentlichen Aufmärsche gegen die Filmaufführung von Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ edierte Zusammenstellung kurzer Erinnerungstexte aus dem sozialdemokratischen Umfeld bestätigt jedoch die Tendenz zur drastischen Schilderung der Kriegserlebnisse und damit verbunden der scharfen Anklage von Mannschaftssoldaten. Für viele von ihnen war der Erste Weltkrieg in der Tat ein Inferno, das sie erschütterte und traumatisierte. In der knappen Bilanz eines Tiroler Kaiserjägers, der sich noch mehr als ein Jahrzehnt später sehr genau an das grauenvolle Sterben feindlicher Soldaten in einer gesprengten Kaverne in den Dolomiten erinnerte, wird das besonders deutlich. Er und seine Kameraden hatten tagelang „das herzzerreißende Rufen der Eingeschlossenen“ gehört, bis deren „flehenden Stimmen“ immer schwächer wurden, „in leises Wimmern übergingen“. Helfen konnten sie nicht, was diese Erfahrung umso schlimmer werden ließ: „Schon damals fürchtete ich, im Falle einer Heimkehr mich im Leben nicht mehr zurechtfinden zu können. Heute, nach 14 Jahren, gellen mir noch die qualvollen Verzweiflungsschreie in meinen Ohren.“95 Auffallend ist, dass eine solche Kriegserfahrung, eine solche Aussage über das Leben nach dem Krieg in den von mir exemplarisch gesichteten Erinnerungstexten nicht auch als dadurch evozierte Männlichkeitskrise thematisiert wurde – wenigstens nicht explizit wie beim Offizier Fritz Weber. Während dieser die Erschütterung und Brandmarkung der soldatischen Identität mit einer Erschütterung als Mann gleichgesetzt und so die zeitgenössische Rede von einer ‚Krise der Männlichkeit‘ perpetuiert hat, scheinen ehemalige Mannschaftssoldaten gerade dazu zu schweigen beziehungsweise eine solche Verknüpfung nicht vorgenommen zu haben. Das gilt auch in Hinblick auf ihre Nachkriegsbeziehungen zu Frauen, die nicht in Frage gestellt werden. Im Gegenteil lassen sich sogar autobiografische Texte finden, in denen die Kriegsheimkehr verklärt wird, indem davon die Rede ist, dass man in der Familie mit kaum zu schildernder „Liebe und Geborgenheit“ empfangen wurde und daraufhin „glückliche Tage des Beisammenseins“ folgten.96 Andere Aufzeichnungen suggerieren Selbstverständlichkeit in der Wiederaufnahme der Beziehungen zum anderen Geschlecht, teilweise geradezu lakonisch formuliert: „Der Krieg ging zu Ende und die Heimkehrer konnten nicht genug bekommen an Unterhaltungen und Tanz“, schrieb der vorne schon zitierte Franz Penz, um gleich danach davon zu erzählen, dass er 1922 die Tochter eines benach198

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barten Bauern heiratete, mit der er dann mehrere Kinder hatte und bis ins Alter zusammenblieb.97 Und Michael Bauer, der sich schon vor dem Krieg verheiratet hatte und nach seiner Rückkehr, „nervlich ziemlich ramponiert“, mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Arbeitswechseln zu kämpfen hatte, bis er 1920 bei der Post unterkam, hielt über diese Zeit dennoch fest: Aber man war jung, hatte das Inferno des Krieges überlebt, das ließ einen alle Schwierigkeiten leichter ertragen und überstehen. Und so ging es langsam aufwärts. Urlaub gab es zu dieser Zeit nur 8 Tage im Jahr und diese verbrachte ich im Elternhaus bei der Ernte. Erst Mitte der 20er Jahre wurden 14 Tage Urlaub erkämpft. So waren die Verhältnisse in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg. Am 4. September 1923 wurde unser Sohn Otto geboren.98

Resümee Mit solchen Zitaten von Männern, deren Einstellungen, mit denen sie in den Krieg gezogen sein mochten, offensichtlich gründlich durcheinander gerüttelt und verändert wurden, sollte nicht belegt werden, dass sie nach ihrer Heimkehr keinerlei auch auf ihre Männlichkeit bezogene Krisen durchliefen. Dieser Befund könnte aus Autobiografien, die immer Lebenskonstruktionen darstellen und stark selektiv verfahren, niemals gezogen werden; sie widerlegen daher auch nicht einfach jene Aussagen, die Healy und andere aus zeitgenössischen Quellen zum Geschlechterdisput der Nachkriegszeit filtriert haben. Aber sie relativieren und kontextualisieren den Quellenbegriff ‚Krise der Männlichkeit‘99 auf nachhaltige Weise, vor allem in Verbindung mit einer auf längerfristige Entwicklungen angelegten Perspektive, wie sie in diesem Beitrag ebenfalls versucht wurde. Alles in allem ergibt sich so ein ambivalentes Bild: Seitens der Offiziere wurde auch explizit die Rede von einer ‚Krise der Männlichkeit‘ generiert, mehr noch: Gerade diese Gruppe trieb in der öffentlichen Erinnerungskultur der Nachkriegszeit einen solchen Krisendiskurs massiv voran. Er diente dazu, das spezifische Heimkehrerlebnis der Offiziere zu politisieren und zu verallgemeinern, was aufgrund ihrer Deutungshegemonie große Wirkmacht entfalten konnte – bis hin zu einer erneuten ‚Ermächtigung‘ im Zuge der von gesellschaftlicher Remilitarisierung begleiteten konservativen Wende. Für die Zeit davor lassen sich in autobiografischen Aufzeichnungen von Offizieren Bruch- und Krisenerfahrungen insbesondere in Hinblick auf ihre soldatische Identität und die damit 199

Krank,

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zusammenhängenden fehlenden beruflichen Perspektiven nach Kriegsende ausmachen sowie in Bezug auf das abrupt beendete hohe Ansehen des Offizierstandes. Hingegen finden sich in der Thematisierung homosozialer Netzwerke und der Nachkriegsbeziehungen zu Frauen sowie in den Hinweisen auf die wieder eingenommene Position in familiären und verwandtschaftlichen Solidargemeinschaften eher Kontinuitäten betont, von einer ‚Krise der Männlichkeit‘ ist in diesem Erzählkontext bei Offizieren nicht die Rede. Ähnliches scheint auch für Mannschaftssoldaten zu gelten, deren häufig von nachhaltigem Entsetzen ob der Dimensionen des industriellen Krieges geprägten Fronterlebnisse dazu in krassem Gegensatz stehen. Als vorläufiges Postulat könnte somit formuliert werden, dass jedenfalls differenziert zu betrachten ist, was mit ‚Krise der Männlichkeit‘ in einem bestimmten historischen Kontext jeweils gemeint sein kann. Krisensymptome werden in den Quellen nicht einfach bezogen auf Männlichkeit generell artikuliert, sondern vielfach konkret, für bestimmte Aspekte von Männlichkeit – und auch das fluktuiert, wie wir am Beispiel der sich erneut verändernden Bewertung des männlichen Soldatseins im Laufe der Zwischenkriegszeit gesehen haben. Umgekehrt erwies sich die für hegemoniale Männlichkeit in der Moderne ebenfalls konstitutive Orientierung des Mannes auf stützende familiäre Netzwerke und entsprechende Liebesbeziehungen, in denen er seine Vormachtstellung behielt, längerfristig offenbar als weit stabiler, als es manche zeitgenössischen Quellen suggerieren.100 Wäre es nicht so gewesen, wäre wohl auch dieses Thema, ein solcher Aspekt einer ‚Krise der Männlichkeit‘, in die spätere autobiografische Sinn- und Relevanzproduktion der ehemaligen Kriegsheimkehrer eingeflossen. Dass dies nicht so war und dass auch der zeitgenössisch so heftig debattierte Aspekt der männlichen Berufsarbeit offenbar nur im Krisendiskurs der heimgekehrten Offiziere zu einem Leitthema wurde, führt mich zuletzt zu einer abschließenden Bemerkung in Bezug auf das Forschungskonzept ‚Krise der Männlichkeit‘. Meines Erachtens sollte es vor allem genutzt werden, um das so aufschlussreiche Spannungsverhältnis zwischen Quellenaussagen und längerfristigen Entwicklungen des Geschlechterverhältnisses auszuloten – wodurch nicht zuletzt aufgezeigt werden kann, dass die Rede von einer ‚Krise der Männlichkeit‘ stets auch gesellschaftliche Funktionen hatte. In der spezifischen, von Umbruch und Krise geprägten österreichischen Zwischenkriegszeit gehörte diese Rede jedenfalls zu jenen Praktiken und Verfahren, die dazu verhalfen, die durch den Ersten Weltkrieg und die neuen weiblichen 200

Eine ‚krise

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Partizipationsansprüche umso krisenanfälliger gewordene hegemoniale Geschlechterordnung der Moderne101 erneut durchzusetzen und zu festigen. Nachdem dies mehr oder weniger gelungen war, mussten die Debatten dazu offenbar nur mehr partiell geführt werden – bis zur nächsten, eine neuerliche ‚Krise der Männlichkeit‘ generierenden gesellschaftlichen Umbruchsituation?102

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Anmerkungen

Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs 1 Henriette Herzfelder (Wien), Krieg und Frauenbewegung, in: Almanach des Kriegsjahres 1914–15 der patriotischen Frauen Österreichs, hg. zu Gunsten des Witwen- und Waisenhilfsfonds für die gesamte bewaffnete Macht, Wien o. J. [1915], 56–59, hier 56. H. Herzfelder, aus einer jüdischen Familie in Brünn stammend, war damals u. a. Vorstandsmitglied des Bundes österreichischer Frauenvereine und verantwortliche Redakteurin der Zeitschrift für Frauenstimmrecht. 2 Vgl. insbes. Oswald Überegger, Vom militärischen Paradigma zur ‚Kulturgeschichte des Krieges‘? Entwicklungslinien der österreichischen Weltkriegsgeschichtsschreibung im Spannungsfeld militärisch-politischer Instrumentalisierung und universitärer Verwissenschaftlichung, in: ders. (Hg.), Zwischen Nation und Region. Weltkriegsforschung im interregionalen Vergleich. Ergebnisse und Perspektiven, Innsbruck 2004, 63–122; am Beispiel Tirols ders., Erinnerungskriege. Der Erste Weltkrieg, Österreich und die Tiroler Kriegserinnerung in der Zwischenkriegszeit, Innsbruck 2011. 3 Diese Bezeichnung für die Zeit von 1914 bis 1945 wurde von Eric Hobsbawm eingeführt; vgl. ders., Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. Aus dem Englischen von Yvonne Badal, München 20036, insbes. 37–281. 4 Vgl. etwa Anton Holzer, Das Lächeln der Henker. Der unbekannte Krieg gegen die Zivilbevölkerung 1914 bis 1918, Darmstadt 2008; Oswald Überegger, „Man mache diese Leute, wenn sie halbwegs verdächtig erscheinen, nieder.“ Militärische Normübertretungen und ziviler Widerstand an der Balkanfront 1914/15, in: Bernhard Chiari/Gerhard Groß (Hg.), Am Rande Europas? Der Balkan – Raum und Bevölkerung als Wirkungsfelder militärischer Gewalt, München 2009, 121–136; Laurence Cole/Christa Hämmerle/ Martin Scheutz (Hg.), Glanz – Gewalt – Gehorsam. Militär und Gesellschaft in der Habsburgermonarchie, Essen 2011; Michael Geyer, War and Terror. Some timely Observations on the German Way of Waging War, in: ders. (Hg.), War and Terror in Historical and Contemporary Perspective. American Institute for Contemporary German Studies. The John Hopkins University 2003, 47–69. 5 Die Liste einschlägiger Literatur ist umfassend und kann hier auch nicht annähernd angegeben werden, daher nur wenige, teilweise beide Weltkriege in den Blick nehmende und viel zitierte Beispiele: Ingrid Sharp/ Matthew Stibbe (Hg.), Aftermath of War. Women’s Movements and Female Activists, 1918–1923, Leiden 2011; Alison Fell/Ingrid Sharp (Hg.), The Women’s Movement in Wartime: International Perspectives, 1914–19, Basingstoke/New York 2007; Nancy M. Wingfield/Maria Bucur (Hg.), Gender & War in Twentieth-Century Eastern Europe, Bloomington 2006;

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Susan R. Grayzel, Women and the First World War, London/New York/ Toronto u. a. 2002; dies., Women’s Identities at War. Gender, Motherhood, and Politics during the First World War, Chapel Hill, NC, 1999; Karen Hagemann/Stefanie Schüler-Springorum (Hg.), Heimat – Front. Militär und Geschlechterverhältnisse im Zeitalter der Weltkriege, Frankfurt a. M./New York 2002; Margaret H. Darrow, French Women and the First World War. War Stories of the Home Front, Oxford 2000; Françoise Thébaud, Der Erste Weltkrieg. Triumph der Geschlechtertrennung, in: dies. (Hg.), Das 20. Jahrhundert (= Geschichte der Frauen, hg. von Georges Duby/Michelle Perrot, Bd. 5), Frankfurt a. M./New York 1995, 33–91; Margaret Randolph Higonnet/Jane Jenson/Sonya Michel u. a. (Hg.): Behind the Lines. Gender and the Two World Wars, New Haven/London 1987. Dem Vergleich und der Bilanz frauen- und geschlechtergeschichtlicher Forschungen zum Ersten Weltkrieg aus verschiedenen Ländern widmete sich vom 29. September bis 1. Oktober 2011 eine im Rahmen der Forschungsplattform „Neuverortung der Frauen- und Geschlechtergeschichte im veränderten europäischen Kontext“ an der Universität Wien organisierte Konferenz zu „The First World War in a Gender Context: Topics and Perspectives“. Ein Großteil der überarbeiteten Beiträge dieser Tagung findet sich veröffentlicht in: Christa Hämmerle/Oswald Überegger/Birgitta Bader-Zaar (Hg.), Gender and the First World War, Basingstoke/New York 2014; vgl. darin insbes. auch die Einleitung: dies., Women’s and Gender History of the First World War – Topics, Concepts, Perspectives, 1–16, sowie eine Auswahlbibliografie, 251f. 6 Die Machtdimension der Kategorie Geschlecht wurde in der Frauen- und Geschlechterforschung schon früh diskutiert, insbes. in Anlehnung an Joan Scotts richtungweisenden Ausführungen dazu; vgl. dies., Gender – eine nützliche Kategorie der historischen Analyse, in: Nancy Kaiser (Hg.), Selbst Bewusst. Frauen in den USA, Leipzig 1994, 27–75 (engl. Orig. 1986). Für die Männlichkeitsforschung vgl. insbes. Robert/Raewyn Connell, Der gemachte Mann. Konstruktionen und Krise von Männlichkeiten, Opladen 1999 (engl. Orig. 1995). 7 Diese Idealfigur wurde u. a. auch in der fiktionalen Literatur zum Ersten Weltkrieg entworfen; vgl. Monika Szcepaniak, Militärische Männlichkeiten in Österreich und Deutschland im Umfeld des Großen Krieges. Konstruktionen und Dekonstruktionen, Würzburg 2011. 8 Vgl., im Sinne einer kritischen Einbindung und ersten Bilanz dieses Forschungsfeldes: Karen Hagemann, Militär, Krieg und Geschlechterverhältnisse. Untersuchungen, Überlegungen und Fragen zur Militärgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Ralf Pröve (Hg.), Klio in Uniform? Probleme und Perspektiven der modernen Militärgeschichte, Köln/Wien/Weimar 1997, 33–88; dies., Von Männern und Frauen in der Militärgeschichte, in: L’Homme. Z. F. G., 12, 1 (2001, Themenheft „Soldaten“), 144–153; Ruth Seifert, „Militär und Geschlecht“ in den deutschen Sozialwissenschaf-

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Anmerkungen

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ten, in: L’Homme. Z. F. G. 12, 1 (2001, Themenheft „Soldaten“), 134–143; Christa Hämmerle, Von den Geschlechtern der Kriege und des Militärs. Forschungseinblicke und Bemerkungen zu einer neuen Debatte, in: Thomas Kühne/Benjamin Ziemann (Hg.), Was ist Militärgeschichte, Paderborn/München/Wien u. a. 2000, 229–262. Dazu entsteht aktuell eine englischsprachige Online-Enzyklopädie, in der die analytische Kategorie Geschlecht nicht nur in manchen Beiträgen, sondern auch integral Berücksichtigung finden soll. An diesem Projekt sind Wissenschaftler/innen aller Kontinente beteiligt, im Editorial Board sind derzeit konkret 90 Historiker/innen aus 21 Ländern vertreten. Die Beiträge erscheinen ab dem Sommer 2014 im Open Access-Verfahren; vgl. http:// www.1914-1918-online.net. Vgl. zu den folgenden zwei Abschnitten auch: Christa Hämmerle, 1918 – Vom Ersten Weltkrieg zur Ersten Republik, in: Martin Scheutz/Arno Strohmeyer (Hg.), Von Lier nach Brüssel. Schlüsseljahre österreichischer Geschichte (1496–1995), Wien 2010, 251–271. Bernd Weisbrod, Die Politik der Repräsentation. Das Erbe des Ersten Weltkriegs und der Formwandel der Politik in Europa, in: Hans Mommsen (Hg.), Der Erste Weltkrieg und die europäische Nachkriegsordnung. Sozialer Wandel und Formveränderung der Politik, Köln/Wien/Weimar 2000, 13–41, hier 13. Diese Bezeichnung war in vielen Ländern Europas gängig und bildet noch heute in der Forschung ein häufig verwendetes Label. Immer wieder findet sich in der Literatur sogar eine Gesamtzahl von rund 17 Millionen getöteter Menschen angegeben. Vgl. als einzig umfassende Studie nach 1918: Wilhelm Winkler, Berufsstatistik der Kriegstoten der öst.-ung. Monarchie, Wien 1919; ders., Die Totalverluste der österreichisch-ungarischen Monarchie nach Nationalitäten, Wien 1919; sowie u. a. Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich/Irina Renz (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Studienausgabe Paderborn/ München/Wien u. a. 2009, 663–666. Alon Rachamimov, POWs and the Great War. Captivity on the Eastern Front, Oxford/New York 2002, 34–42; Hannes Leidinger/Verena Moritz, Gefangenschaft, Revolution, Heimkehr. Die Bedeutung der Kriegsgefangenenproblematik für die Geschichte des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa 1917–1920, Wien/Köln/Weimar 2003. Edith Leisch-Prost/Verena Pawlowsky, Kriegsinvalide und ihre Versorgung in Österreich nach dem Ersten Weltkrieg, in: Hermann J. W. Kuprian/Oswald Überegger (Hg./ed.), Der Erste Weltkrieg im Alpenraum. Erfahrung, Deutung, Erinnerung/La Grande Guerra nell’arco alpino. Esperienze e memoria, Innsbruck 2006, 367–380, hier 368. Hagemann/Schüler-Springorum (Hg.), Heimat – Front (wie Anm. 5), 20; Grayzel, Women’s Identities (wie Anm. 5), 11.

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18 Margarete Grandner, Kooperative Gewerkschaftspolitik in der Kriegswirtschaft. Die freien Gewerkschaften Österreichs im Ersten Weltkrieg, Wien/ Köln/Weimar 1992, 37–55. 19 Vgl. auch die Bilanz in: Daniela Lackner, Die Frauenfriedensbewegung in Österreich zwischen 1899 und 1915, Dipl. (Univ. Wien) 2008, 175–196. 20 Vgl. „Die Frauenhilfsaktion im Kriege“ in diesem Band. 21 Vgl. die Kapitel „Wäsche für Soldaten“ und „Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein …“ in diesem Band. 22 Vgl. das Kapitel „Die Frauenhilfsaktion im Kriege“ in diesem Band. 23 Vgl. für Salzburg insbes. Ingrid Bauer, Frauen im Krieg. Patriotismus, Hunger, Protest – Weibliche Lebenszusammenhänge zwischen 1914 und 1918, in: Brigitte Mazohl-Wallnig (Hg.), Die andere Geschichte. Eine Salzburger Frauengeschichte von der ersten Mädchenschule (1695) bis zum Frauenwahlrecht (1918), Salzburg/München 1995, 283–334, hier 283–310; für Wien Maureen Healy, Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and Everyday Life in World War I, Cambridge 2004, 163–210; allg. auch Christa Hämmerle, „Zur Liebesarbeit sind wir hier, Soldatenstrümpfe stricken wir ...“ Zu Formen weiblicher Kriegsfürsorge im Ersten Weltkrieg, Diss. (Univ. Wien) 1996, 109–208, 259–316. 24 So etwa R. M. Konrad, Schwestern als Menschen. Aus den Aufzeichnungen einer Armeeschwester. Im Selbstverlage erschienen, Innsbruck o. J. [1922], 4f.; Eveline Hrouda, Barmherzigkeit. Als Freiwillige Malteserschwester im Weltkrieg, Graz 1935, 7f. 25 Vgl. das Kapitel „Seelisch gebrochen, körperlich eine Wrack …“ in diesem Band. 26 Vgl. als eine Studie, die solche Texte wenigstens in einer kleinen Auswahl deskriptiv vorstellt: Daniela Angetter, Dem Tod geweiht und doch gerettet. Die Sanitätsversorgung am Isonzo und in den Dolomiten 1915–1918, Frankfurt a. M. 1995, 231­–238. 27 Lediglich ab den frühen 1930er-Jahren, und damit schon im kriegstreiberischen Fahrwasser von Faschismus oder Nationalsozialismus, sind im deutschsprachigen Raum in Auswahl einige Erinnerungstexte ehemaliger Kriegskrankenschwestern publiziert worden. Sie wurden nun als „Frontkämpferinnen“, „Frontschwestern“ oder „Kameraden“ u. Ä. heroisiert. Vgl. quellenkritisch Regina Schulte, Die Schwester des kranken Kriegers. Krankenpflege im Ersten Weltkrieg als Forschungsproblem, in: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History, 7 (1994), 83–100. 28 Marie Kurowski (Vorsitzende der Vereinigung arbeitender Frauen, Troppau), Kriegsarbeit der Frauen in Schlesien, in: Almanach (wie Anm. 1), 82f., hier 83. 29 Herzfelder, Krieg und Frauenbewegung, in: Almanach (wie Anm. 1), 56–59, hier 56. 30 Angela von Glaser-Lindner, Die Frau im Kriege, in: Patriotisches Bilderbuch. Hg. vom Kriegshilfsbüro des k. k. Ministeriums des Innern mit einem

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Anmerkungen

Vorwort von Dr. Eduard Prinz v. u. zu Lichtenstein und 12 Illustrationen von Maximilian Liebenwein, o. O., o. J., 89–94, hier 94. Zum spezifischen „Liebesdiskurs“ der Kriegszeit vgl. Hämmerle, „Zur Liebesarbeit sind wir hier“ (wie Anm. 23), 159–182, sowie das Kapitel „Wäsche für Soldaten“ in diesem Band. 31 Vgl. etwa, als Paradebeispiel eines solchen auch von Frauen gestalteten und vorangetriebenen Diskurses: Katharina Migerka (Präsidentin des Hilfsvereins für Lehrmädchen und jugendliche Arbeiterinnen, Wien), Was der große Krieg uns lehrt, in: Almanach (wie Anm. 1), 98f., wo es u. a. heißt: „Der große Krieg hat noch etwas gelehrt, das hinüberleuchten wird in die Zukunft ferner Tage und sie mit neuem Lichte erfüllen –­ es ist der Sieg der Frauenarbeit im Dienste der Gesamtheit. [...] Der große Krieg mit seinen großen Leiden aber war es, der die Frauen mit mächtiger Stimme aufrief als tatkräftige Helferinnen des Mannes, zur freudigen Opferbereitschaft, zu dienender, demütiger Liebe [...]“ Hervorhebung im Original durch Sperrdruck. 32 So z. B., in einer Synthese, Ute Daniel, Frauen, in: Hirschfeld/Krumeich/ Renz (Hg.), Enzyklopädie (wie Anm. 14), 116–134; Margaret Randolph Higonnet/Patrice L.-R. Higonnet, The Double Helix, in: Higonnet/Jenson/ Michel (Hg.), Behind the Lines (wie Anm. 5), 31–47. Zur vielfach überschätzten Bedeutung des Ersten Weltkriegs als Katalysator für das Frauenstimmrecht vgl. insbes. die Arbeiten von Birgitta Bader-Zaar, z. B.: dies., Women’s Suffrage and War: World War I and Political Reform in a Comparative Perspective, in: Irma Sulkunen/Seja-Leena Nevela-Nurmi/ Pirjo Markkola (Hg.), Suffrage, Gender and Citizenship. International Perspectives on Parliamentary Reforms, Newcastle upon Tyne 2009, 193–218; dies., Zur Einführung des Frauenwahlrechts. Großbritannien, Deutschland, Österreich, Belgien und die USA im Vergleich, Wien/Köln/Weimar (in Vorbereitung). 33 Angesichts einer solchen breiten Instrumentalisierung der Schulkinder für den Krieg habe ich vorgeschlagen davon zu sprechen, dass man im Ersten Weltkrieg auch eine eigene ‚Schulfront‘ der ebenfalls auf patriotisches Engagement eingeschworenen Kinder errichtete; vgl. Christa Hämmerle, „Diese Schatten über unsere Kindheit gelegen ...“ Historische Anmerkungen zu einem unerforschten Thema, in: dies. (Hg.), Kindheit im Ersten Weltkrieg, Wien/Köln/Weimar 1993, 265–335; dies., Von „patriotischen“ Sammelaktionen, „Kälteschutz“ und „Liebesgaben“ – Die „Schulfront“ der Kinder im Ersten Weltkrieg, in: Beiträge zur historischen Sozialkunde, 24, 1 (1994), 21–29; vgl. für andere kriegsführende Staaten etwa auch: Stéphane Audoin-Rouzeau, La guerre des enfants 1914–1918. Essai d’histoire culturelle, Paris 1993; Andrew Donson, Youth in the Fatherless Land. War Pedagogy, Nationalism, and Authority in Germany 1914–1918, Cambridge, MA 2010; Manon Pignot, Allons enfants de la patrie. Géneration Grande Guerre, Paris 2012.

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34 Vgl. die Pionierstudie von Sigrid Augeneder, Arbeiterinnen im Ersten Weltkrieg. Leben- und Arbeitsbedingungen proletarischer Frauen in Österreich, Wien 1987; sowie Ingrid Bauer, „Im Dienste des Vaterlandes“. Frauenarbeit im und für den Krieg, in: Geschlecht und Arbeitswelten. Beiträge zur 4. Frauen-Ringvorlesung an der Universität Salzburg, hg. vom Bundesministerium für Arbeit, Abteilung für Grundsätzliche Angelegenheiten der Frauen, Salzburg 1998, 49–62; und nicht nur für Deutschland richtungweisend: Ute Daniel, Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft. Beruf, Familie und Politik im Ersten Weltkrieg, Göttingen 1989. 35 Vgl. Augeneder, Arbeiterinnen (wie Anm. 34), 102–106; Grandner, Kooperative Gewerkschaftspolitik (wie Anm. 18), insbes. 271–300, 400–421. 36 Vgl. diesbezüglich v. a. die Analyse von Healy, Vienna (wie Anm. 23), sowie Oswald Überegger, Der Intervento als regionales Bedrohungsszenario. Der italienische Kriegseintritt von 1915 und seine Folgen in der Erfahrung, Wahrnehmung und Deutung der Tiroler Kriegsgesellschaft, in: Johannes Hürter/Gian Enrico Rusconi (Hg.), Der Kriegseintritt Italiens im Mai 1915, München 2007, 117–137; ders./Matthias Rettenwander, Leben im Krieg. Die Tiroler „Heimatfront“ im Ersten Weltkrieg, Bozen 2004, insbes. 190– 241. 37 Manfried Rauchensteiner, Der Tod des Doppeladlers. Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg, Sonderausgabe Graz/Wien/Köln 1997, 493–512. 38 Grandner, Kooperative Gewerkschaftspolitik (wie Anm. 18), 243–252. 39 Karin Maria Schmidlechner, Die neue Frau? Zur sozioökonomischen Position und kulturellen Lage, in: Helmut Konrad/Wolfgang Maderthaner (Hg.): ... der Rest ist Österreich. Das Werden der Ersten Republik. Bd. II, Wien 2008, 87–102, hier 90f.; Bauer, „Im Dienste des Vaterlandes“ (wie Anm. 34). 40 Vgl. zu all dem Augeneder, Arbeiterinnen (wie Anm. 34), 208–214; Grandner, Kooperative Gewerkschaftspolitik (wie Anm. 18), 343–379; Berthold Unfried, Arbeiterprotest und Arbeiterbewegung in Österreich während des Ersten Weltkriegs, Diss. (Univ. Wien) 1990; für Tirol Überegger, Intervento (wie Anm. 36), 124f.; zu Frauen in der Rätebewegung Gabriella Hauch, Sisters and Comrades. Women’s movements and the „Austrian Revolution“: Gender in insurrection, the Rate movement, parties and parliament, in: Sharp/Stibbe (Hg.), Aftermath (wie Anm. 5), 221–244. 41 Healy, Vienna (wie Anm. 23), 258–299. 42 Ernst Hanisch, Männlichkeiten. Eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2005, 40f. In Bezug auf die Südwestfront vgl. in Kürze auch: Christa Hämmerle, Soldaten – Österreich-Ungarn, in: Nicola Labanca/Oswald Überegger (Hg.), Krieg in den Alpen. Österreich-Ungarn und Italien im Ersten Weltkrieg 1914–1918, Wien/Köln/Weimar 2014 (in Vorbereitung). 43 Vgl. dazu, das Leitkonzept der historischen Männlichkeitsforschung kritisch aufgreifend: Christa Hämmerle, Zur Relevanz des Connell’schen Kon-

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zepts hegemonialer Männlichkeit für „Militär und Männlichkeit/en in der Habsburgermonarchie (1868–1914/18)“, in: Martin Dinges (Hg.), Männer – Macht – Körper. Hegemoniale Männlichkeiten vom Mittelaler bis heute, Frankfurt a. M./New York 2005, 103–121. Die Unterscheidung dieser zwei propagierten Kriegertypen trifft – m. E. zu strikt – Hans-Georg Hofer, Nervenschwäche und Krieg. Modernitätskritik und Krisenbewältigung in der österreichischen Psychiatrie (1880–1920), Wien/Köln/Weimar 2004, 271–282; vgl. dazu auch den Beitrag „Fritz Weber – ein österreichischer Remarque?“ in diesem Band, sowie Überegger, Erinnerungskriege (wie Anm. 2), 235–252. Vgl. zum darauf bezogenen Diskurs bzw. zum Umgang mit solchen Männern im Krieg wie in der österreichischen Nachkriegszeit etwa: Melanie Ruff, Kriegsgesichter. Gesichtsrekonstruktionen während des Ersten Weltkriegs – eine Fallstudie, in: Österreich in Geschichte und Literatur (ÖGL), 56, 3 (2012), Themenheft „Erster Weltkrieg – Gender Perspektiven“, 272– 282; Thomas Rohringer, Opferhelden. Analyse österreichischer Kriegsopfer-Zeitschriften 1918–1929 aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive, Dipl. (Univ. Wien) 2012. Für die Tiroler Kriegsgesellschaft v. a. Oswald Überegger, Der andere Krieg. Die Tiroler Militärgerichtsbarkeit im Ersten Weltkrieg, Innsbruck 2002, insbes. 387–413. Vgl. auch das Beispiel dreier befreundeter Akademiker, die in der Kriegsgesellschaft verschiedene nicht/kombattante Positionen einnahmen: Martin Scheutz, „Frontangst“, „Frontrisiko“ und Frontdrang“. Die Korrespondenz der Historiker Heinrich Ritter von Srbik, Wilhelm Bauer und Hans Hirsch im Ersten Weltkrieg, in: Cole/Hämmerle/Scheutz (Hg.), Glanz (wie Anm. 4), 77–99. Vgl. Marsha L. Rozenblit, Sustaining Austrian „National“ Identity in Crisis. The Dilemma of the Jews in Habsburg Austria, 1914–1919, in: dies./Pieter M. Judson (Hg.), Constructing Nationalities in East Central Europe, New York/Oxford 2005, 178–191; dies., Reconstructing a National Identity: The Jews of Habsburg Austria during World War I, Oxford/New York 2001. Vgl. für Deutschland die Forschungen von Jason Crouthamel, z.  B. ders., ‚Comeradeship‘ and ‚Friendship‘: Masculinity and Militarisation in Germany’s Homosexual Movement after the First World War, in: Gender & History, 23, 1 (April 2011), 111–129; ders., Love in the Trenches. German Soldier’s Conceptions of Sexual De-viance and Hegemonic Masculinity in the First World War, in: Hämmerle/Überegger/Bader-Zaar (Hg.), Gender (wie Anm. 5), 52–71. Hofer, Nervenschwäche (wie Anm. 44), 185–282. Überegger, Der andere Krieg (wie Anm. 46), 232–311. Wie stark gesellschaftliche Männlichkeitskonzepte im Kontext des ‚totalen‘ Krieges das Bild des Deserteurs zu figurieren vermögen, hat kürzlich Maria Fritsche für den Zweiten Weltkrieg dargelegt: dies., Proving One’s Manliness: Mas-

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culine Self-perceptions of Austrian Deserters in the Second World War, in: Gender & History, 24, 1 (April 2012), 35–55. Vgl. etwa Elke Krasny/Marcus Patka/Christian Rapp u. a. (Hg.), Von Samoa zum Isonzo. Die Fotografin und Reisejournalistin Alice Schalek, Wien 1999. Vgl. zum letzteren Thema insbes. Hermann J. W. Kuprian, „Entheimatungen“. Flucht und Vertreibung in der Habsburgermonarchie während des Ersten Weltkriegs und ihre Konsequenzen, in: ders./Überegger (Hg.), Der Erste Weltkrieg im Alpenraum (wie Anm. 16), 289–306. Angelique Leszczawski-Schwerk, Amazonen, emanzipierte Frauen, „Töchter des Volkes“. Polnische und ukrainische Legionärinnen in der österreichisch-ungarischen Armee im Ersten Weltkrieg, in: Cole/Hämmerle/ Scheutz (Hg.), Glanz (wie Anm. 4), 55–99. Neuerdings Alexandra Hois, Weibliche Hilfskräfte in der österreichischungarischen Armee im Ersten Weltkrieg, Dipl. (Univ. Wien) 2012. Zur Gewalt gegen Frauen im Krieg gehören immer auch verschiedene Formen sexueller Gewalt, was für Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg völlig unzulänglich erforscht ist. Vgl. für das 20. Jahrhundert generell die Beiträge in: Dagmar Herzog (Hg.), Brutality and Desire. War and Sexuality in Europe’s Twentieth Century, New Hampshire/New York 2011. Vgl. etwa Hanna Hacker, Ein Soldat ist meistens keine Frau. Geschlechterkonstruktionen im militärischen Feld, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 20, 2 (1995), 45–63, sowie Hämmerle/Überegger/Bader-Zaar, Women’s and Gender History (wie Anm. 5), insbes. 4–7. Connell, Der gemachte Mann (wie Anm. 6); sowie, in Hinblick auf die breite Rezeption und Kritik mit einer Relativierung und Erweiterung dieses Konzepts versehen: R. W. Connell/James W. Messerschmidt, Hegemonic Masculinity: Rethinking the Concept, in: Gender & Society, 19, 6 (2005), 829–859. Vgl. das Kapitel „Krank, feige, muthlos …“ in diesem Band. Vgl. das Kapitel „Schau, daß du fort kommst!“ in diesem Band sowie, auffallende Ähnlichkeiten zu diesem Fallbeispiel aufzeigend: Margit Sturm, Lebenszeichen und Liebesbeweise aus dem Ersten Weltkrieg. Eine sozialdemokratische Kriegsehe im Spiegel der Feldpost, in: Christa Hämmerle/Edith Saurer (Hg.), Briefkulturen und ihr Geschlecht. Zur Geschichte der privaten Korrespondenz vom 16. Jahrhundert bis heute, Wien/Köln/ Weimar 2003, 237–259. Die internationale Geschlechterforschung zu Feldpost im Ersten Weltkrieg ist mittlerweile ebenfalls dichter geworden; vgl. z. B. Martha Hanna, Your Death Would Be Mine: Paul and Marie Pireaud in the Great War, Cambridge, MA 2006; Michael Roper, The Secret Battle. Emotional Survial in the Great War, Manchester/New York 2009; Benjamin Ziemann, Geschlechterbeziehungen in deutschen Feldpostbriefen des Ersten Weltkriegs, in: Hämmerle/Saurer (Hg,), Briefkulturen (w. o.), 261–282.

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60 Martha Hanna, A Republic of Letters: The Epistolary Tradition in France during World War I, in: American Historical Review, 108, 5 (Dezember 2003), 1338–1361, hier 1339. 61 Auch dieses Thema ist, im Unterschied zu vorliegenden Analysen für andere kriegsführende Staaten, für das damalige Österreich nach wie vor kaum erforscht. Dabei gehörte das in der Praxis oft Protest und Willkür evozierende System der Unterhaltsbeiträge für Soldatenfamilien im Ersten Weltkrieg zu den Voraussetzungen ‚moderner‘ Kriegsführung auf der Basis der Allgemeinen Wehrpflicht. Vgl. aber neuerdings, aus ihrer entstehenden Dissertation dazu schöpfend: Michaela Hauptmann, Frauenprotest und Beamtenwillkür. Die Unterhaltsbeitragszahlungen im Ersten Weltkrieg in Norm und Praxis, in: ÖGL 56, 3 (wie Anm. 45), 247–258. Für das Deutsche Reich vgl. v. a. Birthe Kundrus, Kriegerfrauen. Familienpolitik im Ersten und Zweiten Weltkrieg, Hamburg 1995. 62 Vgl. auch Christa Hämmerle, Between Instrumentalisation and Self-Governing: (Female) Ego-Documents in the European Age of Total War, in: François-Joseph Ruggiu (Hg.), The Uses of First Person Writings. Africa, America, Asia, Europa/Les usages des écrits du for privé. Afrique, Amérique, Asie, Europe, Bruxelles/Bern/Berlin u. a. 2013, 263–284; dies., Entzweite Beziehungen? Zur Feldpost der beiden Weltkriege aus frauen- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive, in: Veit Didczuneit/Jens Ebert/Thomas Jander (Hg.), Schreiben im Krieg – Schreiben vom Krieg. Feldpost im Zeitalter der Weltkriege, Essen 2011, 243–254; Ines RebhanGlück, Liebe in Zeiten des Krieges. Die Feldpostkorrespondenz eines Wiener Ehepaares (1917/18), in: ÖGL 56, 3 (wie Anm. 45), 231–246. 63 Abrufbar unter: http://www.bmeia.gv.at/fileadmin/user_upload/bmeia/ media/3-Kulturpolitische_Sektion_-_pdf/Themen_Dateien/Grundlagenpapier_1914_-_2014.pdf.

Seelisch gebrochen, körperlich ein Wrack … 1 Maria Pöll-Naepflin, Fortgerungen, Durchgedrungen. Ein erschütterndes Lebensbild einer Krankenschwester aus der Zeit des großen Krieges, der Revolution und der Arbeitslosigkeit, Konstanz (im Selbstverlag der Verfasserin) o. J. (1. Auflage vermutlich 1933, 3. Auflage 1935), 3. 2 Vgl. Marianne Jarka (undatiert), Erinnerungen 1889–1934, Typoskript der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien (Doku), 111 Seiten. Das Typoskript wurde von Horst Jarka, dem Sohn der Autorin, originalgetreu nach handschriftlichen Aufzeichnungen erstellt. 3 Die Abschrift entsprechender Bestätigungen und Zeugnisse in der Autobiografie belegt, dass Marianne Jarka vom 1. 8. 1914 bis 22. 12. 1915 im k. u. k. Reserve-Spital Nr. 1 in der Wiener Stiftskaserne arbeitete, wo sie

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auch ausgebildet wurde, dann vom 1. 1. 1916 bis 8. 1. 1918 im k. u. k. Feldspital Nr. 211 und – nach einer Unterbrechung – vom 21. 5. 1918 bis zum 18. 12. 1918 im k. u. k. Feldspital Nr. 405 an der Südwestfront stationiert war; dort geriet sie zuletzt sogar in Kriegsgefangenschaft. Vgl. Jarka, Erinnerungen (wie Anm. 2), 89f. Vgl. zum industrialisierten Krieg an der Südwestfront auch den aus der Zusammenarbeit zwischen österreichischen und italienischen Historiker/ innen erarbeiteten Band: Nicola Labanca/Oswald Überegger (Hg.), Krieg in den Alpen. Österreich-Ungarn und Italien im Ersten Weltkrieg 1914–­1918, Wien/Köln/Weimar 2014 (in Vorbereitung, erscheint auch auf Italienisch). Jarka, Erinnerungen (wie Anm. 2), 82. Jarka, Erinnerungen (wie Anm. 2), 106. Ebd., 89f. sind durch Abschrift zwei Auszeichnungen belegt, nämlich die „Bronzene Ehrenmedaille vom roten Kreuz m. d. K.D.“, verliehen schon im Januar 1916, sowie das „Silb. Verdienstkreuz mit der Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille“, bewilligt am 31. Mai 1917. Vgl. z. B. Regina Schulte, Die Schwester des kranken Kriegers. Krankenpflege im Ersten Weltkrieg als Forschungsproblem, in: dies., Die verkehrte Welt des Krieges. Studien zu Geschlecht, Religion und Krieg, Frankfurt a. M./NewYork 1998, 95–114; Margaret H. Darrow, French Women and the First World War. War Stories of the Home Front, Oxford 2000, 133–68; dies., French Volunteer Nursing and the Myth of War Experience in World War I, in: American Historical Review, 101, 1 (1996), 80–106. Vgl. das bemerkenswerte Beispiel eines hohen österreichischen Offiziers, der 1936 einen kurzen Text zu Kriegskrankenschwestern publizierte, den er laut eigener Aussage schon während dem Krieg geschrieben hatte. Darin titulierte Hugo Kerchnawe diese Frauen als „die braven, tapferen Schwestern, unsere Schwestern, unsere Kameradinnen, diese weiblichen Soldaten” – und kommentierte Letztgenanntes so: „Denn natürlich haben wir Soldaten im Kriege noch viel weniger als im Frieden einen höheren Ehrentitel zu vergeben als das stolze Wort: ‚Soldat‘.“ Hugo Kerchnawe, Die Schwester, in: Burghard Breitner (Hg.), Ärzte und ihre Helfer im Weltkriege 1914–1918, Wien 1936, 244–246, hier 246. Hervorhebung im Original durch Sperrdruck. Eine solche Idealisierung schließt nicht aus, dass Kriegskrankenschwestern umgekehrt einen schlechten Ruf hatten bzw. auch stigmatisiert und sexualisiert wurden; vgl. weiter hinten. Für Frankreich vgl. Darrow, French Women (wie Anm. 7), 1–20. Vgl. etwa Alison Fell, French and British First World War Heroines, in: Christa Hämmerle/Oswald Überegger/Birgitta Bader-Zaar (Hg.), Gender and the First World War, Basingstoke/New York 2014, 108–126. Zur ‚Offiziersgeschichtsschreibung‘ der Zwischenkriegszeit vgl. insbes. Oswald Überegger, Vom militärischen Paradigma zur ‚Kulturgeschichte des Krieges‘? Entwicklungslinien der österreichischen Weltkriegsgeschichtsschreibung im Spannungsfeld militärisch-politischer Instrumentalisierung

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und universitärer Verwissenschaftlichung, in: ders. (Hg.), Zwischen Nation und Region. Weltkriegsforschung im interregionalen Vergleich. Ergebnisse und Perspektiven, Innsbruck 2004, 64–122, hier 70–97; ders., Erinnerungskriege. Der Erste Weltkrieg, Österreich und die Tiroler Kriegserinnerung in der Zwischenkriegszeit, Innsbruck 2011. Nicht von ungefähr hat eine primär medizingeschichtlich ausgerichtete Forschungsarbeit dazu vor allem in Archiven recherchiert und hier eine Reihe von unveröffentlicht gebliebenen Selbstzeugnissen zu Tage gefördert; vgl. Astrid Stölzle, Erlebnisse und Wahrnehmungen von Schwestern und Pflegern der freiwilligen Krankenpflege in den Etappen des Ersten Weltkriegs, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte, 31 (2013), 119–144; dies., Die freiwillige Krankenpflege im Ersten Weltkrieg. Die Arbeit der Schwestern und Pfleger in den Kriegslazaretten der Etappen, in: Medizinhistorisches Journal, 47 (2012), 176–220. Das sind Teilergebnisse einer jüngst abgeschlossenen Dissertation, die alles in allem 2.000 Briefe, 10 Tagebücher und 90 Erlebnisberichte von Schwestern und Pflegern des Deutschen Reiches auswertet. Die Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen am Institut für Wirtschaft- und Sozialgeschichte, in der Jarkas Erinnerungen (wie Anm. 2) heute archiviert sind, wurde in den frühen 1970er-Jahren von Michael Mitterauer im Kontext seiner Forschungen zur Alltags- und Familiengeschichte gegründet. Vgl. z. B. ders., Lebensgeschichten sammeln. Probleme um Aufbau und Auswertung einer Dokumentation zur popularen Autobiographik, in: Hermann Heidrich (Hg.), Biographieforschung. Gesammelte Aufsätze der Tagung des Fränkischen Freilandmuseums am 12. und 13. Oktober 1990, Bad Windsheim 1991, 17–35. Agathe Fessler, Aus der Mappe einer ehemaligen Armeeschwester, Bregenz 1919 [als im Eigenverlag erschienene Broschüre heute im Nachlass Agathe Fessler im Bregenzer Stadtarchiv zugänglich]; R. M. Konrad, Schwestern als Menschen. Aus den Aufzeichnungen einer Armeeschwester, I. Bd., Innsbruck o. J. [vermutlich 1922, „im Selbstverlage“, Druck Deutsche Buchdruckerei); II. Bde. Wien o. J. [vermutlich 1929, „im Selbstverlage“, Druck Friedr. Sperl]; Mary Gasch, Im Dienste des Nächsten. Oberschwester Mary Gasch berichtet über ihre Tätigkeit an allen Fronten des 1. Weltkriegs, Wien 1978 [„im Eigenverlag“, Druck: Verlag A. Kirsch]. Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1). Auf der Titelinnenseite wird dieses in den 1930er-Jahren erschienene Erinnerungsbuch als „[e]inziges Werk einer Schweizer Krankenschwester aus dem Weltkrieg!“ angekündigt. Zur erstgenannten Gruppe gehört v. a. ein in die folgende Analyse daher nicht integriertes Beispiel, das von der Cousine des Ehemannes der 1916 in Palästina verstorbenen Verfasserin ediert wurde: Ein Frauenschicksal im Kriege. Briefe und Tagebuch-Aufzeichnungen von Schwester Maria Sonnenthal-Scherer. Eingeleitet und nach den Handschriften herausgegeben von Hermine von Sonnenthal, Berlin/Wien 1919; zur zweitgenann-

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ten Eveline Hrouda, Barmherzigkeit. Als freiwillige Malteserschwester im Weltkrieg, Graz 1935. Besonders ausgeprägt ist das in Aufzeichnungen, die kurz vor oder ab 1933 im nationalsozialistischen Deutschen Reich erschienen, wie z. B.: Frontkämpferinnen erzählen. Bearbeitet von Karl Heinz Becker, Düsseldorf 1937; Elfriede von Pflugk-Harttung (Hg.), Frontschwestern. Ein deutsches Ehrenbuch, Berlin 1932 [2. unveränderte Auflage 1936]; Helene Mierisch, Kamerad Schwester 1914–1919, Leipzig 1934. Sie wurden in meine Analyse ebenfalls nicht aufgenommen. Vgl. dazu Schulte, Die Schwester (wie Anm. 7), 97f. Schulte, Die Schwester (wie Anm. 7), 98. Vgl. dazu die Einleitung zu diesem Band sowie: Christa Hämmerle/Oswald Überegger/Birgitta Bader-Zaar, Introduction: Women’s and Gender History of the First World War – Topics, Concepts, Perspectives, in: dies. (Hg.), Gender (wie Anm. 10), 1–15, insbes. 2–7. Margaret R. Higonnet (Hg.), Nurses at the Front. Writing the Wounds of the Great War, Boston 2001, x; Darrow, French Women (wie Anm. 7), 139. Der von Stölzle, Erlebnisse (wie Anm. 12) verwendete Begriff der „Etappe“, in der viele Schwestern und Pfleger im Einsatz waren, ist in diesem Zusammenhang wenig hilfreich, da er die fließenden Grenzen zwischen ‚Front‘ und ‚Etappe‘ verschleiert. Vgl. z. B. Christine E. Hallett, Containing trauma. Nursing work in the First World War, Manchester/New York 2009; Katie Holmes, „Day Mothers and Night Sisters“: World War I Nurses and Sexuality, in: Joy Damousi/Marilyn Lake (Hg.), Australians at War in the Twentieth Century, Cambridge/ New York/Melbourne u. a. 1995, 60–80; Jennifer Casavant Telford, The American Nursing Shortage during World War I: The Debate over the Use of Nurses’ Aids, in: Canadian Bulletin of Medical History/Bulletin canadien d’histoire de la medicine, 27, 1 (2010), 85–99. Parallel dazu erfolgte die ‚Säkularisierung‘ der Krankenpflege, die vorher über Jahrhunderte primär eine Domäne geistlicher Ordensgemeinschaften gewesen war. Diese Entwicklung hin zur ‚weltlichen‘ Krankenpflege und ihrer Professionalisierung ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Entwicklung hin zum ‚modernen‘ Kriegswesen beziehungsweise vorbereitenden Maßnahmen für einen zukünftigen Krieg, in dem auch ausgebildete Kriegskrankenschwestern zur Verfügung stehen sollten; ein wichtiger Katalysator dafür waren die Krimkriege und Florence Nightingale. Die Verbindung von Krieg und professionalisierter Krankenpflege für Frauen wird in der Literatur immer wieder angesprochen, so im Zusammenhang mit der ersten ‚école d’infirmières‘ in Paris, die 1907 eröffnet wurde; vgl. Darrow, French Women (wie Anm. 7), 48; Yvonne Knibiehler, Les anges blancs: naissance difficile d’une profession féminine, in: Évelyne Morin-Rotureau (Hg.), 1914–1918: combats de femmes. Les femmes, pilier de l’effort de guerre, Paris 2004, 47–63, hier 48;

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für das in dieser Hinsicht besonders wichtige Beispiel Großbritanniens vgl. die Pionierstudie von Anne Summers, Angels and Citizens. British Women as Military Nurses 1854–1914, London 1988; für andere Staaten wie Australien, Neuseeland und Canada vgl. Hallett, Containing trauma (wie Anm. 21), 7; für Deutschland Schulte, Die Schwester (wie Anm. 7), 99–102. Schulte, Die Schwester (wie Anm. 7), 99; Birgit Panke-Kochinke/Monika Schaidhammer-Placke, Frontschwestern und Friedensengel. Kriegskrankenpflege im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Ein Quellen- und Fotoband, Frankfurt a. M. 2002, 14, erwähnen 25.000 Berufsschwestern als offizielle Zahl des Roten Kreuzes allein. Stölzle, Erlebnisse (wie Anm. 12), 119, nennt eine Zahl von rund 76.000 Schwestern und Pflegern, die „in die Etappen nach Frankreich, Belgien und Russland bis in den Nahen Osten geschickt“ wurden; das war ein Drittel des gesamten Personals der „freiwilligen Krankenpflege“. Darrow, French Women (wie Anm. 7), 140f., 163 (Anm. 29, wo sogar auf eine geschätzte Zahl von 500.000 Frauen verwiesen wird, die während des Krieges freiwillig in verschiedenen Krankenhäusern und Lazaretten arbeiteten). Susan R. Grayzel, Women and the First World War, London/New York/ Toronto u. a. 2002, 39. Santanu Das, Touch and Intimacy in First World War Literature, Cambridge/New York/Melbourne u. a. 2005, 185. Grayzel, Women (wie Anm. 25), 39. Higonnet, Nurses at the Front (wie Anm. 20), viii. Grayzel, Women (wie Anm. 25), 40. Hallett, Containing trauma (wie Anm. 21), 1. Der klassische Text zu den ­‚Geschlechtscharakteren‘ der bürgerlichen Gesellschaft wurde gerade neu veröffentlicht: Karin Hausen, Die Polarisierung der «Geschlechtscharaktere». Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben, in: dies., Geschlechtergeschichte als Gesellschaftsgeschichte, Göttingen 2012, 19–49. Die von der ersten bürgerlichen Frauenbewegung propagierte ‚soziale‘ oder ‚geistige Mütterlichkeit‘ ging als Konzept von der Übertragung der als natürlich gewerteten ‚weiblichen‘ Eigenschaften auf ihr politisches Handeln und die Berufswelt aus; Frauen sollten demnach v. a. Fürsorge- bzw. Sozialpolitik und -arbeit leisten oder in ihrem ‚Wesen‘ entsprechenden Erziehungsberufen tätig sein. Dies schließt andere Fälle nicht aus. Es gab auch Klassengegensätze oder -antagonismen zwischen verschiedenen Gruppen von Kriegskrankenschwestern, z. B. den bezahlten und nicht bezahlten oder den diplomierten und den Hilfsschwestern. Eine Entlohnung machte diese Arbeit auch für Frauen aus unteren (Mittel-)Schichten attraktiv, was etwa in Frankreich seit 1916 geschah; vgl. Darrow, French Women (wie Anm. 7), 140 f.; Das, Touch (wie Anm. 26), 186.

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34 Vgl. für Frankreich wiederum die überzeugende Darstellung dazu in: Darrow, French Women (wie Anm. 7), insbes. 151–158. In Bezug auf die (wenn auch nicht friktionslose) Reproduktion hegemonialer Geschlechterund Imperialismusdiskurse in autobiografischen Texten von Kriegskrankenschwestern, die in koloniale Unternehmungen involviert waren, vgl. auch Alison Fell, Nursing the Other: the representation of colonial troops in French and British First World War nursing memoirs, in: Santanu Das (Hg.), Race, Empire and First World War Writing, Cambridge/New York/ Melbourne u. a. 2011, 158–174. 35 Vgl. für Deutschland etwa die Beispiele in: Magnus Hirschfeld, Sittengeschichte des Ersten Weltkriegs, 2 Bde., Berlin 1930. 36 Darrow, French Women (wie Anm. 7), 146 u. 151, spricht explizit von der „false nurse“. 37 Vgl. z. B. richtungsweisend die psychoanalytisch ausgerichtete Studie von Klaus Theweleit, Männerphantasien. 2 Bde., Frankfurt a. M. 1978. 38 Mary Borden, aus Chicago stammend, war eine wohlhabende verheiratete Frau, die zu Kriegsausbruch in England lebte. Sie finanzierte mit eigenem Geld eine mobiles chirurgisches Feldlazarett an der Westfront, das unter französischer Verwaltung stand, und arbeitete dort ab 1915 als Rotkreuzschwester. Zu ihrer Publikation „The Forbidden Zone“ von 1929, in der sie im Text „Blind“ vom „second battlefield“ schrieb, vgl. Das, Touch (wie Anm. 26), 187, 204; Higonnet, Nurses at the Front (wie Anm. 20), vii–xxxviii, 79–161 (Reprint), Zitat 152: „I thought: ‚This is the second battlefield. The battle now is going on over the helpless bodies of these men. It is we who are doing the fighting now, with their real enemies. ‘“ 39 Margaret R. Higonnet, Authenticity and Art in Trauma Narratives of World War I, in: in Modernism/modernity, 9, 1 (2002), 91–107, hier 92f. 40 Das, Touch (wie Anm. 26), 177, 177–228; ders., The Impotence of Sympathy: Touch and Trauma in the Memoirs of First World War Nurses, in: Textual Practice, 19, 2 (2005), 239–262. 41 Hallett, Containing trauma (wie Anm. 21), 13. 42 Vgl. auch ihr Resümee: Hallett, Containing trauma (wie 21), 228. 43 Überegger, Vom militärischen Paradigma (wie Anm. 11), 179–196; in Bezug auf die Frauen- und Geschlechtergeschichte des Ersten Weltkriegs in Österreich auch die Einleitung zu diesem Band. 44 Daniela C. Angetter, Dem Tod geweiht und doch gerettet. Die Sanitätsversorgung am Isonzo und in den Dolomiten 1915–18, Frankfurt a. M./Berlin/ Bern u. a. 1995, 231–238; Brigitte Biwald, Von Helden und Krüppeln. Das österreichisch-ungarische Militärsanitätswesen im Ersten Weltkrieg, Wien 2000, 89–94. 45 Vgl. z. B. Elisabeth Malleier, Jüdische Krankenpflegerinnen im Rudolfinerhaus 1882–1906. Eine In(tro)spektion, in: Elisabeth Seidl/Ilsemarie Walter (Hg.), Rückblicke für die Zukunft. Beiträge zur historischen Pflegeforschung, Wien 1998, 180–207; Ilsemarie Walter, Pflege als Beruf oder aus

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Nächstenliebe? Die Wärterinnen und Wärter in den Krankenhäusern im ‚langen‘ 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2004. In der Literatur finden sich nur Zahlen für einzelne Gruppen von Frauen, die im Dienste der k. u. k. Armee standen. So sollen Schätzungen zufolge vom Frühjahr 1917 bis Kriegsende monarchieweit zwischen 33.000 bis 50.000 „weibliche Hilfskräfte für die Armee im Felde“ rekrutiert worden sein, zu denen neben Kanzleiarbeiterinnen, Telefonistinnen, Köchinnen, Wäscherinnen, Wärterinnen, Schneiderinnen, landwirtschaftlichen Arbeiterinnen usw. auch Armeeschwestern und Krankenpflegerinnen gezählt wurden. Zusätzlich gab es im ‚Hinterland‘ mit Stand Oktober 1918 angeblich rund 107.000 für die Armee arbeitender Frauen. Vgl. Maureen Healy, Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and Everyday Life in World War I, Cambridge/New York/Melbourne u. a. 2004, 204; jetzt auch Alexandra Hois, Weibliche Hilfskräfte in der österreichisch-ungarischen Armee im Ersten Weltkrieg, Dipl. (Univ. Wien) 2012, hier 12, Anm. 14, Bezug nehmend auf: Edmund Glaise-Horstenau (Red.), ÖsterreichUngarns letzter Krieg, Bd. 7: Das Kriegsjahr 1918, Wien 1938, 39, Anm. 1. Die „Patriotischen Frauen-Hilfsvereine“ des Roten Kreuzes wurden seit dem Krieg gegen Preußen im Jahr 1866 gegründet und sollten im Falle eines neuerlichen Krieges v. a. für Sammlungen von Geld, „Labemitteln“ etc. sowie die Anfertigung und Verteilung von Wäsche und Verbandsmaterial zuständig sein; außerdem waren sie dezidiert der Anregung und Ausbildung der freiwilligen Kriegskrankenpflege gewidmet. Angetter, Dem Tod geweiht (wie Anm. 44), 190–213. Eine erste Krankenpflegeschule wurde 1882 in Wien im privaten „Rudolfinerhaus” gegründet. Erst 1913 erfolgte – nicht zuletzt angesichts des gravierenden Mangels an Krankenschwestern in den Balkankriegen – die Errichtung weiterer solcher Einrichtungen im Allgemeinen Krankenhaus und seitens des Roten Kreuzes. Vgl. Birgit Bolognese-Leuchtenmüller, Imagination „Schwester“. Zur Entwicklung des Berufsbildes der Krankenschwester in Österreich seit dem 19. Jahrhundert, in: L’Homme. Z. F. G., 8, 1 (1997), 155–177; Malleier, Jüdische Krankenpflegerinnen (wie Anm. 45). Vgl. Gabriele Dorffner/Vlastimil Kozon, Die „Verordnung des Ministeriums des Innern vom 25. Juni 1914, betreffend die berufsmäßige Krankenpflege“, in: Ilsemarie Walter/Elisabeth Seidl/Vlastimil Kozon (Hg.), Wider die Geschichtslosigkeit der Pflege, Wien 2004, 45–65. Angetter, Dem Tod geweiht (wie Anm. 44), 190–213; Biwald, Von Helden (wie Anm. 44), 153–56; zu den Maltesern auch: Gerhard Feucht, Die freiwillige Sanitätspflege des Souveränen Malteser-Ritter Ordens, Großpriorat von Böhmen-Österreich, im Kriege 1914–1918 und das Militärhospital in Kirling bei Wien 1866, Wien 2010. Biwald, Von Helden (wie Anm. 44), 91. Biwald, Von Helden (wie Anm. 44), 91; Angetter, Dem Tod geweiht (wie Anm. 44), 136.

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54 Dorffner/Kozon, „Verordnung“ (wie Anm. 50), 53. 55 Das gilt etwa für Maria Sonnenthal-Scherer, die 1916 in Palästina an Cholera verstarb; vgl. von Sonnenthal (Hg.), Ein Frauenschicksal (wie Anm. 16). In den hier untersuchten Quellen wird immer wieder erwähnt, dass andere Schwestern sich ansteckten und an einer Kriegsseuche starben. 56 In Österreich-Ungarn gab es im Ersten Weltkrieg verschiedenen Schätzungen zufolge 1,2 bis 1,46 Millionen militärische und wenigstens 400.000 zivile Todesopfer. 57 Zusätzlich gab es ungefähr 350.000 verwundete Kriegsgefangene. Angetter, Dem Tod geweiht (wie Anm. 44), 186; Biwald, Von Helden (wie Anm. 44), 626; Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich, Irina Renz (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn/München/Wien u. a. 2003, 664. 58 Angetter, Dem Tod geweiht (wie Anm. 44), 186; vgl. auch Stéphane Audoin-Rouzeau/Annette Becker, 14–18. Understanding the Great War, New York 2002 (frz. Orig. Paris 2000), 24. 59 Higonnet, Authenticity (wie Anm. 39), 98. 60 So z. B. bei Jarka, Erinnerungen (wie Anm. 2), 86; Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 11; Gasch, Im Dienste (wie Anm. 14), 6. 61 Audoin-Rouzeau/Becker, Understanding the Great War (wie Anm. 58), 16. 62 Konrad, Schwestern (wie Anm. 14), 4. 63 Konrad, Schwestern (wie Anm. 14), 8. 64 Konrad, Schwestern (wie Anm. 14), 5. 65 Vgl. zur regelrechten ‚Explosion‘ des autobiografischen Schreibens in beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts: Christa Hämmerle, Between Instrumentalization and Self-Governing: (Female) Ego-Documents in The European Age of Total War, in: François-Joseph Ruggiu (Hg.), The Uses of First Person Writings: Africa, America, Asia, Europe, Bruxelles/Bern/Berlin u. a. 163–284. 66 Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 139. 67 Vgl. zu einem wissenssoziologischen Ansatz v. a. Klaus Latzel, Kriegsbriefe und Kriegserfahrung: Wie können Feldpostbriefe zu einer erfahrungsgeschichtlichen Quelle werden, in: Werkstatt Geschichte, 22 (1999), 7–23. 68 Fessler, Armeemappe (wie Anm. 14), 4. 69 Vgl. etwa Oswald Überegger, Der andere Krieg. Die Tiroler Militärgerichtsbarkeit im Ersten Weltkrieg, Innsbruck 2002, insbes. 256–311; Benjamin Ziemann, Front und Heimat. Ländliche Kriegserfahrungen im südlichen Bayern 1914–1923, Essen 1997, insbes. 163–228. 70 Hrouda, Barmherzigkeit (wie Anm. 16), 6. Solche Klagen junger Frauen wurden damals öffentlich häufig artikuliert. 71 Hrouda, 1892 bei Lobositz/Lososice geboren, war die Tochter des Leiters der Domänendirektion von Herberstein nahe der mährischen Stadt Pohrlitz/Pohorelice. 72 Hrouda, Barmherzigkeit (wie Anm. 16), 7.

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Anmerkungen

73 Hrouda, Barmherzigkeit (wie Anm. 16), 11­–12, wo die Autorin aus einem Brief ihres Vaters zitiert. 74 Hrouda, Barmherzigkeit (wie Anm. 16), 12. 75 Hrouda, Barmherzigkeit (wie Anm. 16), 20. 76 Hrouda, Barmherzigkeit (wie Anm. 16), 23. 77 Vgl. z. B. Lutz Musner, The Myriad Faces of Battlefield Dynamics, in: Recherche – Zeitschrift für Wissenschaft, http://www.recherche-online.net/ lutz-musner-english.html (erschienen 2010). 78 Konrad, Schwestern (wie Anm. 14), 10. 79 Konrad, Schwestern (wie Anm. 14), 10f. 80 Konrad, Schwestern (wie Anm. 14), 20. 81 Vgl. auch Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 34–46 (Kapitel „Die Feuerprobe“). 82 Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 12f. 83 Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 21. 84 Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 39. 85 Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 41. 86 Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 64. 87 Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 79. Dazu gehörte u. a. der Fall einer illegalen Abtreibung an einer jungen Kontoristin in einer Militärkanzlei, die daran starb – worauf der anwesenden Schwester ein striktes Schweigebot auferlegt wurde; vgl. ebd., 57–62. 88 Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), erwähnt den Missbrauch von Morphium durch andere Ärzte und Krankenschwestern mehrfach, vgl. z. B. 85, 129. Vgl. auch Konrad, Schwestern (wie Anm. 14), 61. 89 Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 80. 90 In dieser für beide Seiten erneut sehr verlustreichen Schlacht, die am 24. 10. 1917 begann, kam es zum „Durchbruch“ der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen bei Karfreit/Kobarid/Caporetto und in der Folge zu zahlreichen Plünderungen in den zuvor italienischen Gebieten. 91 Jarka, Erinnerungen (wie Anm. 2), 71–72. 92 Elaine Scarry, Der Körper im Schmerz. Die Chiffren der Verletzlichkeit und die Erfindung der Kultur, Frankfurt a. M. 1992 (orig. New York/Oxford 1985), 11f. 93 Scarry, Körper (wie Anm. 92), 13. Vgl. auch Das, Touch (wie Anm. 26), 189. 94 Fessler, Armeemappe (wie Anm. 14), 20. 95 Laut einer dem Exemplar ihres Buches in der Österreichischen Nationalbibliothek in Form eines Briefes beigelegten Auflistung erhielt Eveline Hrouda das österr. Verdienstkreuz am Bande der Tapferkeitsmedaille, das goldene Maltheserkreuz, die türkische Verdienstmedaille mit der Krone, das Ehrenzeichen II. Kl. vom bulgarischen Roten Kreuze, die türkische und die deutsche Rote Kreuzmedaille. 96 Hrouda, Barmherzigkeit (wie Anm. 16), 143.

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97 Vgl. als Beispiel: Kriegshilfsbüro des k. k. Ministeriums des Innern (Hg.), Wahre Soldatengeschichten. Erzählt von Roten-Kreuz-Schwetern u. freiwilligen Pflegerinnen 1914–1916, Wien o. J. 98 Gasch, Im Dienste (wie Anm. 14), 3. 99 Hrouda, Barmherzigkeit (wie Anm. 16), 147f. 100 Vgl. Anm. 20, 26, 29. 101 Fessler, Armeemappe (wie Anm. 14), 13. 102 Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 5. 103 Vgl. Anm. 98. 104 Jarka, Erinnerungen (wie Anm. 2), 77. 105 Fessler, Armeemappe (wie Anm. 14), 61 106 Fessler, Armeemappe (wie Anm. 14), 11. 107 Fessler, Armeemappe (wie Anm. 14), 64. 108 Benjamin Ziemann, „Vergesellschaftung von Gewalt“ als Thema der Kriegsgesellschaft seit 1914. Perspektiven und Desiderate eines Konzepts, in: Bruno Thoß/Hans-Erich Volkmann (Hg.), Erster Weltkrieg – Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich. Krieg, Kriegserlebnis, Kriegserfahrung in Deutschland, Paderborn 2002, 735–758. Das Konzept der „Vergesellschaftung von Gewalt“ wurde erstmals entwickelt von: Michael Geyer, Krieg als Gesellschaftspolitik. Anmerkungen zu neueren Arbeiten über das Dritte Reich im Zweiten Weltkrieg, in: Archiv für Sozialgeschichte, 26 (1986), 557–601. 109 So etwa Jarka, Erinnerungen (wie Anm. 2), 72: „Wieviele blutverkrusteten Verbände habe ich aufgeschnitten! Waren auch solche dabei, die nachgeholfen hatten, ins Hinterland zu kommen. Sie mußten angezeigt werden, und das Kriegsgericht blühte ihnen. Der Art zwar verpflichtet. Mir hatte niemand etwas gesagt. Fand ich einen, bearbeitete ich brutal die Wunde mit Jod und die Pulverschwärze mit dem scharfen Löffel. Sie bissen die Zähne zusammen, und ich machte mir keine Gewisssensbisse. Kam er glücklich ins Hinterland, hatte ich vorläufig einer Mutter ihren Sohn, Kindern den Vater erhalten. Wer weiß, wie lange.“ Solche Praxen unter Schwestern oder dem Sanititäspersonal allgemein zu erforschen, wäre wichtig. Sie nahmen vermutlich mit der Dauer des Krieges zu. 110 Meinrad Pichler, Selbstverwirklichung im Dienst an Anderen. Leben und Werk der Bregenzer Sozialarbeiterin Agathe Fessler (1870–1941), in: ders., Quergänge, Vorarlberger Geschichte in Lebensläufen, Hohenems 2007, 160–87. 111 Pöll-Naepflin, Fortgerungen (wie Anm. 1), 161–89. 112 Hallett, Containing trauma (wie Anm. 21), 228. 113 Vgl. etwa die Liste der Auszeichnungen für Kriegskrankenschwester bei Ernst Rutkowski, Ein leuchtendes Beispiel von Pflichttreue. Frauen im Kriegseinsatz 1914–1918, in: Scrinium, 28 (1983), 343–53, hier 349–352. 114 Vgl. Überegger, Erinnerungskriege (wie Anm. 11).

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Anmerkungen

Schau, daß Du fort kommst! 1 Wortlaut auf einer der ersten Ansichtskarten aus dem Krieg, die Leopold Wolf – damals mit einem k. u. k. Festungsartillerie-Bataillon auf dem Weg zum belgisch-französischen Kriegsschauplatz – an Christl Lang schrieb. Die Karte zeigt als Motiv eine Ansicht der Hohen Eifel, der Poststempel ist vom 19. 8. 1914. Sie ist Teil jener sich vom Sommer 1914 bis Kriegsende streckenden Feldpostkorrespondenz dieses Wiener Liebes- und Ehepaares, die Quellengrundlage dieses Beitrags ist; vgl. dazu Anm. 38. 2 Noch im Jahre 1986 definierte Peter Knoch, ein Wegbereiter für die Sammlung und die Auswertung von Feldpostbriefen, das Genre als „unentdeckt“. Vgl. ders., Feldpost – eine unentdeckte historische Quellengattung, in: Geschichtsdidaktik, 11 (1986), 154–171. Für Österreich vgl. Fritz Fellner, Der Krieg in Tagebüchern und Briefen. Überlegungen zu einer wenig genützten Quellenart, in: Klaus Amann/Hubert Lengauer (Hg.), Österreich und der Große Krieg 1914–1918. Die andere Seite der Geschichte, Wien 1989, 205–213. Zur kritischen Relativierung einer Sichtweise, die impliziert, die Nutzung soldatischer Feldpost für eine Perspektive „von unten“ sei eine Erfindung der neueren Alltagsgeschichte oder einer „Militärgeschichte von unten“, vgl. Bernd Ulrich, Feldpostbriefe des Ersten Weltkriegs – Möglichkeiten und Grenzen einer alltagsgeschichtlichen Quelle, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 53 (1994), 73–83; ders., „Militärgeschichte von unten“. Anmerkungen zu ihren Ursprüngen, Quellen und Perspektiven im 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft, 22 (1996), 473–503. 3 Vgl. den Titel einer frühen Edition: Ortwin Buchbender/Reinhold Sterz (Hg.), Das andere Gesicht des Krieges. Deutsche Feldpostbriefe 1939–1945, München 1982. 4 Diese Einseitigkeit der Forschung hat auch Klaus Latzel konstatiert. Vgl. ders., Vom Kriegserlebnis zur Kriegserfahrung. Theoretische und methodische Überlegungen zur erfahrungsgeschichtlichen Untersuchung von Feldpostbriefen, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 56 (1997), 1–30, hier 2. 5 Wolfram Wette, In Worte gefaßt. Kriegskorrespondenz im internationalen Vergleich, in: Detlef Vogel/Wolfram Wette (Hg.), Andere Helme – Andere Menschen? Heimaterfahrung und Frontalltag im Zweiten Weltkrieg. Ein internationaler Vergleich, Essen 1995, 329–348, hier 331. 6 Manche Aufsätze integrieren – mehr oder weniger vereinzelt – auch Zitate aus weiblichen „Heimatbriefen“: Vgl. z. B. Peter Knoch, Kriegsalltag, in: ders. (Hg.), Kriegsalltag. Die Rekonstruktion des Kriegsalltags als Aufgabe der historischen Forschung und der Friedenserziehung, Stuttgart 1989, 222–251; Volker Kretschmer/Detlef Vogel, Feldpostbriefe im Zweiten Weltkrieg: Propagandainstrument und Spiegelbild von Kriegsauswirkungen, in: Sowi, 19 (1990), 103–110, insbes. 106–108; Isa Schikorsky, Kommunikation über das Unbeschreibbare. Beobachtungen zum Sprachstil von Kriegsbriefen, in: Wirkendes Wort, 2 (1992), 295–315. Für den Zweiten

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Schau,

dass du fort kommst !

Weltkrieg liegen auch einige dezidiert frauen- und geschlechtergeschichtliche Untersuchungen von Feldpost vor. Vgl. mehrere Beiträge in: Vogel/ Wette (Hg.), Andere Helme (wie Anm. 5), insbes. Margaretta Jolly, Briefe, Moral und Geschlecht. Britische und amerikanische Diskurse über das Briefeschreiben im Zweiten Weltkrieg, ebd., 173–203; Ulrike Jordan, „This silly old war ...“ Briefe englischer Frauen an die Front (1940–1945), ebd., 237–256; Judy B. Litoff/David C. Smith, „Macht Euren Job und kommt bald heim!“ Briefe amerikanischer Frauen an die Fronten, ebd., 307–327. Für den Ersten Weltkrieg vgl. Benjamin Ziemann, Front und Heimat. Ländliche Kriegserfahrungen im südlichen Bayern 1914–1923, insbes. 290–308 (Allein im Krieg: Bäuerinnen 1914–1918), sowie Gustav Spann, Vom Leben im Kriege: die Erkundung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg durch die Briefzensur, in: Rudolf G. Ardelt/Wolfgang J. A. Huber/Anton Staudinger (Hg.), Unterdrückung und Emanzipation. Festschrift für Erika Weinzierl zum 60. Geburtstag, Wien 1985, 149–165. Eine geschlechtervergleichende Analyse der Kriegskorrespondenz zwischen dem späteren österreichischen Bundespräsidenten Adolf Schärf und seiner Frau Hilda (geb. Hammer) leistet überdies Margit Sturm, Lebenszeichen und Liebesbeweise. Zur Bedeutung von Feldpost und Briefschreiben am Beispiel der Korrespondenz eines jungen Paares, Dipl. (Univ. Wien) 1992. 7 Vgl. z. B. Christine Brocks/Benjamin Ziemann, „Vom Soldatenleben hätten wir gerade genug.“ Der Erste Weltkrieg in der Feldpost von Soldaten, in: Rainer Rother/Deutsches Historisches Museum (Hg.), Die letzten Tage der Menschheit. Bilder des Ersten Weltkriegs, Berlin 1994, 109–120; Bärbel Kuhn, „Die Freude am Krieg fehlte mir jemals“ Das Kriegserlebnis des Walter Brosin in seinen Feldpostbriefen 1914–1918, in: Stadtverband Saarbrücken/Regionalgeschichtliches Museum (Hg.), „Als der Krieg über uns gekommen war ...“ Die Saarregion und der Erste Weltkrieg, Saarbrücken 1993, 94–107; Aribert Reimann, Die heile Welt im Stahlgewitter: Deutsche und englische Feldpost aus dem Ersten Weltkrieg, in: Gerhard Hirschfeld/ Gerd Krumeich/Dieter Langewiesche (Hg.), Kriegserfahrungen. Sozialund Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs, Essen 1997, 129–145; Bernd Ulrich, Die Augenzeugen. Deutsche Feldpostbriefe in Kriegs- und Nachkriegszeit 1914–1933, Essen 1997; sowie als Vergleich von Wahrnehmungen und Deutungen der Soldaten im Ersten und im Zweiten Weltkrieg: Klaus Latzel, Die Zumutungen des Krieges und der Liebe – zwei Annäherungen an Feldpostbriefe, in: Knoch (Hg.), Kriegsalltag (wie Anm. 6), 204–221; Peter Knoch, Kriegserlebnis als biographische Krise, in: Andreas Gestrich/Peter Knoch/Helga Merkel (Hg.), Biographie – sozialgeschichtlich. Sieben Beiträge, Göttingen 1989, 86–108; Benjamin Ziemann, Feldpostbriefe und ihre Zensur in den zwei Weltkriegen, in: Klaus Beyrer/Hans-Christian Täubrich (Hg.), Der Brief. Eine Kulturgeschichte der schriftlichen Kommunikation, Heidelberg 1996, 163–170.

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Anmerkungen

8 Das belegen die verfügbaren Angaben zur immensen Quantität der versandten Feldpost. Vgl. z. B. Ulrich, Augenzeugen (wie Anm. 7), 40. 9 Jolly, Briefe, Moral und Geschlecht (wie Anm. 6), 195. 10 Ulrich, Augenzeugen (wie Anm. 7), 160, in Hinblick auf heimatliche „Klagebriefe“, denen er – in dieser Perspektive – ein kurzes Kapitel seiner in Bezug auf soldatische Feldpost meines Erachtens richtungsweisenden Monografie widmet. 11 Vgl. Nikolaus Buschmann, Der verschwiegene Krieg: Kommunikation zwischen Front und Heimatfront, in: Hirschfeld/Krumeich/Langewiesche (Hg.), Kriegserfahrungen (wie Anm. 7), 208–224, der ungeachtet des Untertitels ausschließlich Soldatenbriefe behandelt und sein Konzept der ‚Heimatfront‘ ohne jede Bezugnahme auf die Kategorie Geschlecht entwickelt – obwohl er auf den Versand von ‚Liebesgaben‘ fokussiert, in deren Aufbringung Frauen und Mädchen maßgeblich eingebunden waren. 12 Vor diesem Problem standen Fallstudien zu Veränderungen im subjektiven Erleben einzelner Soldaten immer wieder. Die Briefe weiblicher Angehöriger waren nicht oder kaum mehr erhalten: Knoch, Kriegserlebnis (wie Anm. 7), 95 u. 107; Kuhn, „Die Freude am Krieg“ (wie Anm. 7), 95; Klara Löffler, Aufgehoben: Soldatenbriefe aus dem zweiten Weltkrieg, Bamberg 1992, 21, 75–162. Ziemann, Front und Heimat (wie Anm. 6), verdankt die Möglichkeit, verschiedenste Briefe bayerischer Bäuerinnen einbeziehen zu können, vor allem einem singulären Bestand, der sogenannten „Schinnereriana“, zusammengestellt von Adolf Schinnerer ab März 1917. Der Gesamtbestand umfasst rund tausend Briefauszüge; vgl. ebd., 28. 13 Zit. nach Paul Höger, Das Post- und Telegraphenwesen im Weltkrieg, in: Studien und Dokumente zur österreichisch-ungarischen Feldpost im Ersten Weltkrieg. Redaktion Joachim Gatterer und Walter Lukan, Wien 1989, 23–55, hier 40. Der preußische Generalstabschef Graf von Moltke starb 1891. 14 Vgl. die Dienstvorschrift E-47 mit dem Titel „k. u. k. Feldpost“, Normalverordnungsblatt für das k. u. k. Heer, 18. Stück, Wien 1913. 15 Die Effektivität dessen wird unterschiedlich eingeschätzt, auch in Hinblick auf verschiedene Länder. So wertet Spann, Leben im Kriege (wie Anm. 6), 149, das Zensurnetz der k. u. k. Monarchie in der Ära Stürgkh (d. h. bis zur Ermordung des Ministerpräsidenten durch Friedrich Adler im Oktober 1916) als fast lückenlos und nahezu perfekt, während Ulrich, Augenzeugen (wie Anm. 7), 79f., die mangelnde Effektivität der reichsdeutschen Zensur betont. 16 Im Deutschen Reich wurden solche Überwachungsberichte im Zuge der Einrichtung eigener Postüberwachungsstellen ab April 1916 zusammengestellt. Vgl. Ziemann, Feldpostbriefe (wie Anm. 7), 164; Ulrich, Augenzeugen (wie Anm. 7), 89ff. In Österreich-Ungarn erfolgte die Zentralisierung der Zensur wie die Erstellung von Monatsberichten auf Basis der zensurierten Briefe ab Ende 1916. Vgl. Spann, Leben im Kriege (wie Anm. 6), 150.

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17 Ulrich, Augenzeugen (wie Anm. 7), 106. 18 Vgl. z. B. Max Winter (Hg.), Der österreichisch-ungarische Krieg in Feldpostbriefen, 2 Bde., München/Wien 1915; Soldatenbriefe aus dem Weltkrieg 1914. Gesammelt von Georg Erlenburg, Hauptmann, Prag 1914. Zur Konjunktur solcher Anthologien und zu weiteren Titeln vgl. Ulrich, Feldpostbriefe (wie Anm. 2), 40; ders., Augenzeugen (wie Anm. 7), 108ff. 19 Vgl. z. B. „Aus unserer Feldpostmappe“ in der österreichischen Illustrierten Kronen-Zeitung, die „Soldatengrüße aus dem Felde“ ab Januar 1915 auch in mehreren Heften veröffentlichte. Winter (Hg.), Der österreichischungarische Krieg (wie Anm. 18), ist vor allem eine Zusammenstellung von schon zuvor in diversen Tageszeitungen veröffentlichten Feldpostbriefen. 20 Ulrich, Augenzeugen (wie Anm. 7), 304. 21 Vgl. für Bayern: Brocks/Ziemann, „Vom Soldatenleben“ (wie Anm. 7), 120. 22 Ulrich, „Militärgeschichte von unten“ (wie Anm. 2), 483ff., mit dem Hinweis darauf, dass die Idee auf einem Vorschlag des österreichischungarischen Armee-Oberkommandos beruhte; ders., Augenzeugen (wie Anm. 7), 150ff. 23 Vgl. z. B. Josefine Edle v. Krepl, Soldatendank, in: Almanach des Kriegsjahres 1914–15 der patriotischen Frauen Österreichs, Wien o. J., 79ff.; Hilfsaktion des Kriegsfürsorgeamtes „Kälteschutz“ (Hg.), Kälteschutz 1914–1915, Wien o. J., 22–16; Jakob Loewenberg, Kriegstagebuch einer Mädchenschule, Berlin 1916, 47–81, sowie zahlreiche Jahresberichte von Mädchenschulen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. 24 Vgl. Ulrich, Augenzeugen (wie Anm. 7), 112ff., und als Beispiel aus Österreich: Zum Andenken an Robert R. v. Winterhalder. Seine Kriegskorrespondenz und seine Dichtungen, hg. von seinem Vater, Wien 1916. 25 Vgl. dazu, in Hinblick auf Ergebnisse der Frauen- und Geschlechtergeschichte in mehreren europäischen Ländern: Françoise Thébaud, Der Erste Weltkrieg. Triumph der Geschlechtertrennung, in: dies. (Hg.), Das 20. Jahrhundert (= Geschichte der Frauen, hg. von Georges Duby/Michelle Perrot, Bd. 5), Frankfurt a. M./New York 1995, 33–91, hier 38; vgl. die ähnliche These bei George L. Mosse, Gefallen für das Vaterland. Nationales Heldentum und namenloses Sterben, Stuttgart 1993, 79; Jo Vellacott, Feminist Consciousness and the First World War, in: History Workshop, 23 (1987), 81–101, hier 88. 26 Vgl. Regina Schulte, Die Schwester des kranken Kriegers. Krankenpflege im Ersten Weltkrieg als Forschungsproblem, in: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History, 7 (1994), 83–100. 27 Zur Popularität und zur Organisation dieser Kriegsfürsorge-Aktivitäten vgl. die Kapitel „Wäsche für Soldaten“ und „Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein …“ in diesem Band. 28 Vgl. Ute Daniel, Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft. Beruf, Familie und Politik im Ersten Weltkrieg, Göttingen 1989, 25f.

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Anmerkungen

29 Thébaud, Der Erste Weltkrieg (wie Anm. 25), 57. Vgl. dazu auch Margret R. Higonnet/Patrice L.-R. Higonnet, The Double Helix, in: Margret R. Higonnet/Jane Jenson/Sonya Michel u. a. (Hg.), Behind the Lines. Gender and the Two World Wars, New Haven/London 1987, 31–47, hier 34ff. 30 Malita von Rundstedt, Der Schützengraben der deutschen Frau, Stendal 1916, 6; Hermann Priebe, Kriegerfrauen! Helft euren Männern gewinnen! Sieben ernste Bitten an die Frauen und Mütter unserer tapferen Feldgrauen, Berlin 1916, 6; beide zit. in: Ulrich, Augenzeugen (wie Anm. 7), 163, 166. Im Zweiten Weltkrieg waren solche an Frauen gerichtete Appelle dann besonders zahlreich. Vgl. für England und die USA: Jolly, Briefe, Moral und Geschlecht (wie Anm. 6), 175f., 182–187; Litoff/Smith, „Macht Euren Job“ (wie Anm. 6), 307–310. 31 Der Drahtverhau 2, Nr. 28, Mai 1917, Artikel „Deutsche Frau, merk auf!“, zit. in: Anne Lipp, Heimatwahrnehmung und soldatisches „Kriegserlebnis“, in: Hirschfeld/Krumeich/Langewiesche (Hg.), Kriegserfahrungen (wie Anm. 7), 225–242, hier 234. Lipp weist auch darauf hin, dass Soldaten in solchen Zeitungen wiederholt dazu aufgerufen wurden, ihren Frauen nahezulegen, keine „Jammerbriefe“ mehr zu schreiben; ebd., 233. 32 Ulrich, Die Augenzeugen (wie Anm. 7), 167f. Zur Bedeutung der „Jammerbriefe“ deutscher Frauen vgl. auch Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 28), 149f. 33 Ulrich, Feldpostbriefe (wie Anm. 2), 61; ders./Benjamin Ziemann (Hg.), Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit, Frankfurt a. M. 1994, 114. 34 Vgl. Spann, Leben im Kriege (wie Anm. 6), 153 35 Vgl. dazu auch Gerd Krumeich, Kriegsfront – Heimatfront, in: Hirschfeld/ Krumeich/Langewiesche (Hg.), Kriegserfahrungen (wie Anm. 7), 12–19, hier 18f., der eine starre Konzeption von ,Front‘ und ‚Heimat‘ als dichotome Realitäten problematisiert, indem er darauf verweist, dass „die auseinanderdriftenden Erlebniswelten von ‚Feld‘ und ‚Heimat‘ gleichwohl strikt aufeinander bezogen blieben.“ 36 Vgl. Martin Humburg, Deutsche Feldpostbriefe im Zweiten Weltkrieg. Eine Bestandsaufnahme, in: Vogel/Wette (Hg.), Andere Helme (wie Anm. 5), 13–35, hier 19, 25. 37 Vgl. Ziemann, Front und Heimat (wie Anm. 6), 18ff., insbes. 21, der auch die methodischen Prämissen einer „Front und Heimat übergreifenden Erfahrungsgeschichte“ reflektiert. 38 Die Korrespondenz, aus der ich im Folgenden unter Angabe des jeweiligen Briefdatums im Text zitiere, ist heute als Nachlass 14 I in der Sammlung Frauennachlässe am Institut für Geschichte der Universität Wien archiviert. Für die Überlassung danke ich Christine Katai, der Tochter des Paares. 39 Anita Runge/Lieselotte Steinbrügge, Einleitung, in: dies. (Hg.), Die Frau im Dialog. Studien zu Theorie und Geschichte des Briefes, Stuttgart 1991, 7–11, hier 9f.

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40 Vgl. Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Kriegsministerium (KM), Personalakten Wien, Kar. 1349, Hauptgrundbuchblatt, Kar. 3831, Makularpare. 41 In der Korrespondenz gibt einen Hinweis darauf allein ein nachträglicher Vermerk Christls auf einem Briefkuvert vom 26. 2. 1916. Die Verwundung Leopold Wolfs erfolgte im Zuge der k. u. k. Südtirol-Offensive, die am 15. 5. 1916 begann. In einem Brief vom 7. 11. 1916 erwähnt Christl Lang zudem, dass Leopold Wolf im Sommer desselben Jahres an einer schweren Rippenfellentzündung erkrankt war. Erst eine Karte vom 12. 10. 1916 belegt dann die Fortsetzung seines Kriegseinsatzes. Der Entlassungsschein weist eine Granatsplitterverwundung Leopold Wolfs am linken Fuß als „schwere Verletzung“ aus und datiert sie mit dem 20. 5. 1916. 42 Vgl. den Titel der in Anm. 6 zitierten Arbeit von Sturm. 43 Im Deutschen Reich soll es im Laufe des Krieges 600 solcher Postsperren gegeben haben. Vgl. Ulrich, Augenzeugen (wie Anm. 7), 40. Für Osterreich-Ungarn liegen mir diesbezüglich, abgesehen von Angaben zur Paketpost, keine Zahlen vor. Postsperren für die gesamte Feldpost dürften hier aber ebenfalls häufig verhängt worden sein. Aufgrund der einhergehenden Klagen und Unruhen sah sich das Armeeoberkommando schließlich zur Einführung einer besonderen Feldpostkarte veranlasst. Sie war aus grünem Papier und hatte auf der Rückseite in allen Sprachen der Monarchie folgenden Text aufgedruckt: „Ich bin gesund und es geht mir gut.“ Andere Worte durften dem nicht zugefügt werden, doch konnte diese Karte auch während einer Postsperre verschickt werden – was letztlich wiederum gesteigerte Sorge bedeutete, da die grüne Karte Involviertheit in ein Schlachtgeschehen konnotierte. Vgl. Höger, Post- und Telegraphenwesen (wie Anm. 13), 47f.; Alfred Clement, Handbuch der Feld- und Militärpost II. 1914–1918. Die k. u. k. Feldpost während des Ersten Weltkriegs, Graz 1964, 504f. 44 Im Deutschen Reich gab es zuerst keine Einteilung in Feldpostnummern, sondern die Feldpostadresse folgte der Truppengliederung. Das führte zu umständlichen und langen, für die Angehörigen wohl ebenso verwirrenden Angaben wie derjenigen, die Minna Falkenhain ihrem in Russland stationierten Ehemann als neue Feldpostadresse des Sohnes übermittelte: „Jäger Erich Donath, 25. Reserve Armeekorps, 29. Reserve Division, 21. Reserve Jäger Bataillon, 2. Kompanie, 4. Inspektion im Osten.“ Zit. in: Frank Schuhmann (Hg.), „Zieh dich warm an!“ Soldatenpost und Heimatbriefe aus zwei Weltkriegen. Chronik einer Familie, Berlin 1989, 32. 45 Vgl. Ute Daniel, Informelle Kommunikation und Propaganda in der deutschen Kriegsgesellschaft, in: Siegfried Quandt/Horst Schichtel (Hg.), Der Erste Weltkrieg als Kommunikationsereignis, Gießen 1993, 76–94. 46 Diese Leitthemen der Feldpost von Leopold und Christl Wolf sowie die wechselnden Rollen in der sich mitunter zuspitzenden Auseinandersetzung um die Schreib- und Postfrequenz habe ich an anderer Stelle analysiert und mit anderen überlieferten Feldpostbeständen verglichen: Christa

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Anmerkungen

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Hämmerle, „You Let a Weeping Woman Call You Home“? Private Correspondences during the First World War in Austria and Germany, in: Rebecca Earle (Hg.), Epistolary Selves. Letters and Letter-writers, 1600–1945, London 1998, 152–182. Vgl. auch Sturm, Lebenszeichen (wie Anm. 6), 39–44, 141–152, für Hilda und Adolf Schärf, und die Feldpostbriefe von Anna und Robert Pöhland, in: Doris Kachulle (Hg.), Die Pöhlands im Krieg. Briefe einer Arbeiterfamilie aus dem 1. Weltkrieg, Köln 1982. Beide Beispiele dokumentieren eine Verkehrung der Pole in dieser Auseinandersetzung: Über mangelnden Schreibfleiß und mangelnden Ausdruck von Gefühl in der Korrespondenz ihrer Frauen klagten hier vor allem die Männer. Die verlustreichen, wechselnden Kämpfe um die Festung Przemýsl an der San erregten die Kriegsöffentlichkeit der österreichisch-ungarischen Monarchie in hohem Maße. Zum Ablauf im Zuge der letztlich gescheiterten Karpatenoffensive des Kriegswinters 1914/15 vgl. Manfried Rauchensteiner, Der Tod des Doppeladlers. Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg, Graz/Wien/Köln 19942, 205ff. Vgl. Schuhmann (Hg.), „Zieh dich warm an!“ (wie Anm. 44), 21, 28, 41f., mit Beispielen dafür, wie weitgehend die Feldpost eines Soldaten an junge Frauen der Öffentlichkeit des Dorfes, der Verwandtschaft und insbesondere seiner Mutter bekannt war; Kachulle (Hg.), Die Pöhlands (wie Anm. 46), 103; Sturm, Lebenszeichen (wie Anm. 6), 78, in Bezug auf einen Kreis innerhalb der sozialdemokratischen Partei, an den Hilda Schärf Briefe ihres Mannes weitergab. Vgl. Sturm, Lebenszeichen (wie Anm. 6), 115. Vgl. Schikorsky, Kommunikation (wie Anm. 6), 297. Das könnte eine durchaus häufigere Funktion der Feldpost gewesen sein, wie auch Sturm, Lebenszeichen (wie Anm. 6), 114f., belegt: Hilda Schärf las auf Wunsch des Ehemannes seine Briefe regelmäßig ihrer Schwiegermutter vor und hielt dazu fest: „Du hast’s gut eingerichtet, ohne Mühe, nur mit Deinen Briefen gewinne ich ihr Herz ganz.“ Außerdem gab sie Briefe Adolf Schärfs – sogar ohne sein Wissen – an seinen Bruder weiter. In Hinblick auf deutsche Soldatenbriefe des Ersten Weltkriegs vgl. dazu auch Knoch, Kriegsalltag (wie Anm. 6), 226. Inwieweit hier zudem das Wissen um mögliche Zensur bestimmend war, kann aus den überlieferten Briefen nicht entschlüsselt werden. Vgl. aber Sturm, Lebenszeichen (wie Anm. 6), 129, die folgendes Zitat von Adolf Schärf wiedergibt: „[...] aber ich will meine Liebkosungen doch nicht gerne vorn Kompanieschreiber belauscht wissen.“ Vgl. z. B. Ulrich, Augenzeugen (wie Anm. 7), 103. Vgl. Krumeich, Kriegsfront – Heimatfront (wie Anm. 35), 13. Vgl. Knoch, Kriegsalltag (wie Anm. 6), 224. Kuhn, „Die Freude am Krieg“ (wie Anm. 7), 99. Schikorsky, Kommunikation (wie Anm. 6), 296.

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58 Vgl. dazu Wolfram Wette, Militärgeschichte von unten. Die Perspektive des „kleinen Mannes“, in: ders. (Hg.), Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, München/Zürich 1992, 9–47. 59 Im Gegensatz zu dieser Tendenz differenziert Ziemann, Front und Heimat (wie Anm. 6), 57ff., die soziale Zusammensetzung der Mannschaftssoldaten und die strukturellen Bedingungen im bayerischen Heer sehr genau nach verschiedenen relevanten Kriterien, wie z. B. Alter, Berufszugehörigkeit. 60 Vgl. Hämmerle, „You Let A Weeping Woman“ (wie Anm. 46). Zum ‚Kriegserlebnis‘ zweier Offiziere auf der Basis von Feldpost vgl. für den Zweiten Weltkrieg Löffler, Aufgehoben (wie Anm. 12), und für den Ersten Weltkrieg Cornelia Rauh-Kühne, Gelegentlich wurde auch geschossen: Zum Kriegserlebnis eines deutschen Offiziers auf dem Balkan und in Finnland, in: Hirschfeld/Krumreich/Langewiesche (Hg.), Kriegserfahrungen (wie Anm. 7), 146–169. 61 Das Todesrisiko war bei der Artillerie geringer. Vgl. Ziemann, Front und Heimat (wie Anm. 6), 60f., 82. 62 Vgl. Humburg, Deutsche Feldpostbriefe (wie Anm. 36), 24, in Hinblick auf Mannschaftssoldaten des Zweiten Weltkriegs bzw. auf die Briefedition „Ich will raus aus diesem Wahnsinn“. Deutsche Briefe von der Ostfront 1941–1945; aus sowjetischen Archiven, hg. von Anatoly Golovchansky/ Ute Daniel/Valentin Osipov u. a., Wuppertal 1991. 63 Ein Album über seinen Kriegseinsatz enthält mehrere Aufnahmen gefallener russischer Soldaten, zerstörter Anlagen und Häuser, die vermutlich zum Teil von Leopold Wolf selbst fotografiert wurden. 64 Schikorsky, Kommunikation (wie Anm. 6), 300ff. Als fünfte Sprachhandlungsstrategie nennt Schikorsky noch „Imagepflege“, die in Briefen an Männer überwog. Ihre Typologie nimmt m. E. zu wenig Bedacht auf die reale Vielfältigkeit und Ambivalenz soldatischer Deutungsmuster. Das zeigt etwa der Umstand, daß Schikorsky die Briefe von Anna und Robert Pöhland, veröffentlicht in Kachulle (Hg.), Die Pöhlands (wie Anm. 46), nahtlos in ihre Darstellung integriert, obwohl viele davon sehr konkrete Bezugnahmen zum Kriegsgreuel an der Westfront aufweisen. Weitere Belege dafür, dass Mannschaftssoldaten des Ersten Weltkriegs das Morden an den Fronten sehr wohl auch drastisch beschrieben, z. B. bei Ziemann, Front und Heimat (wie Anm. 6), 166; Knoch, Kriegsalltag (wie Anm. 6), 235f. 65 Zum häufigen Gebrauch von Phrasen, einer „Floskelflut“ in Soldatenbriefen vgl. auch Reimann, Die heile Welt (wie Anm. 7), 133, 143. 66 Schikorsky, Kommunikation (wie Anm. 6), 307. 67 Schikorsky, Kommunikation (wie Anm. 6), als Titel gesetzt, u. 301; Krumeich, Kriegsfront – Heimatfront (wie Anm. 35), 18. 68 Reimann, Die heile Welt (wie Anm. 7), 131.

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Anmerkungen

69 Knoch, Kriegsalltag (wie Anm. 6), 233, definiert deren „Kriegsalltag“ daher ebenso durch die „Wiederkehr von Entbehrung und Leid“ und „immer neuer Verlust- und Destruktionserfahrungen“. 70 Vgl. Knoch, Kriegsalltag (wie Anm. 6), 224ff.; Humburg, Deutsche Feldpostbriefe (wie Anm. 36), 17. 71 Krumeich, Kriegsfront – Heimatfront (wie Anm. 35), 16. Ähnliche Erzählmuster des deutschen Offiziers Paulssen referiert Rauh-Kühne, Gelegentlich wurde auch geschossen (wie Anm. 60), 146. 72 Reimann, Die heile Welt (wie Anm. 7), 143. 73 Schikorsky, Kommunikation (wie Anm. 6), 300. 74 Vgl. Knoch, Kriegsalltag (wie Anm. 6), 224. 75 Vgl. Konrad Köstlin, Erzählen vom Krieg – Krieg als Reise, in: BIOS, 2 (1989), 173–182. Häufiger folgten diesem Topos die Briefe des k. u. k. Offiziers Schärf, behandelt von Sturm, Lebenszeichen (wie Anm. 6), 62ff., und des deutschen Offiziers Paulssen, behandelt von Rauh-Kühne, Gelegentlich wurde auch geschossen (wie Anm. 60), 155. 76 Vgl. Ziemann, Front und Heimat (wie Anm. 6), 21. 77 Vgl. u. a. Sigrid Augeneder, Arbeiterinnen im Ersten Weltkrieg. Lebensund Arbeitsbedingungen proletarischer Frauen in Österreich, Wien 1987, 128ff.; Reinhard Sieder, Behind the lines: working-class family life in wartime Vienna, in: Richard Wall/Jay Winter (Hg.), The Upheaval of War. Family, Work and Welfare in Europe, 1914–1918, Cambridge 1988, 109–139, hier 110ff.; Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 28), 215ff. Für Deutschland hat zudem Alf Lüdtke aufgezeigt, wie nachhaltig sich die Erinnerung an den „Kohl-“ oder „Steckrübenwinter“ 1916/17 in das kollektive Gedächtnis vieler Menschen eingeschrieben hat: Alf Lüdtke, Hunger, Essens-„Genuß“ und Politik bei Fabrikarbeitern und Arbeiterfrauen. Beispiele aus dem rheinisch-westfälischen Industriegebiet, 1910–1940, in: ders.: Eigen-Sinn. Fabrikalltag, Arbeitserfahrungen und Politik vorn Kaiserreich bis in den Faschismus, Hamburg 1993, 194–209, insbes. 196–200. 78 Vgl. z. B. Augeneder, Arbeiterinnen (wie Anm. 77), 18ff.; Ingrid Bauer, Frauen im Krieg. Patriotismus, Hunger, Protest – Weibliche Lebenszusammenhänge zwischen 1914 und 1918, in: Brigitte Mazohl-Wallnig (Hg.), Die Andere Geschichte 1. Eine Salzburger Frauengeschichte von der ersten Mädchenschule (1695) bis zum Frauenwahlrecht (1918), Salzburg/München 1995, 283–334, hier 289ff.; Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 28), 81f.; Barbara Guttmann, Weibliche Heimarmee. Frauen in Deutschland 1914–1918, Weinheim 1989, 117ff. u. 132ff. 79 Spontane Protestaktionen auf Märkten und gegen Einrichtungen der Kriegswirtschaft wurden vor allem von Frauen und Jugendlichen getragen; sie häuften sich ab 1916. Vgl. Berthold Unfried, Arbeiterprotest und Arbeiterbewegung in Österreich während des Ersten Weltkriegs, Diss. (Univ. Wien) 1990, 72ff. Für Bremen vgl. die vielen diesbezüglichen Briefe von Anna Pöhland, in: Kachulle (Hg.), Die Pöhlands (wie Anm. 46).

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80 Zum Konzept des Nebeneinanders verschiedener, für die Prägung von Wahrnehmung mehr oder weniger dominanter Erfahrungsfelder vgl. Ziemann, Front und Heimat (wie Anm. 6), 24. 81 Alf Lüdtke, Arbeit, Arbeitserfahrungen und Arbeiterpolitik. Zum Perspektivenwechsel in der historischen Forschung, in: ders., Eigen-Sinn (wie Anm. 77), 351–440, hier 377. 82 Vgl. Spann, Leben im Kriege (wie Anm. 6), 159; Christa Hämmerle, The Self which should be unselfish: Aspects of Self-Testimonies from the First World War, in: dies. (Hg.), Plurality and Individuality. Autobiographical Cultures in Europe, Wien 1995, 100–112. 83 Vgl. auch die vielen Beispiele im den Briefen Anna Pöhlands, ediert in Kachulle (Hg.), Die Pöhlands (wie Anm. 46), und das Beispiel des Ehepaars Schärf, behandelt in Sturm, Lebenszeichen (wie Anm. 6), insbes. 117–123. 84 Vgl. Runge/Steinbrügge, Einleitung (wie Anm. 39), 9. 85 Vgl. etwa die ständig wiederkehrenden Passagen im Briefwechsel zwischen Minna Falkenhain und ihrem Ehemann Karl, ediert in Schuhmann (Hg.), „Zieh dich warm an!“ (wie Anm. 44), z. B. 26, 71, 75, 79, 107; Kachulle (Hg.), Die Pöhlands (wie Anm. 46), 46, 59f., 62, 199, 201. Das Thema wurde auch literarisch verarbeitet: Arnold Zweig, Junge Frau von 1914. Roman, Berlin 1995 (1. Aufl. 1931). 86 Vgl. auch Sturm, Lebenszeichen (wie Anm. 6), 147. 87 Vgl. Spann, Leben im Kriege (wie Anm. 6), 161. 88 Vgl. auch ÖStA, KM, 1918 1. A. 67–174: Brief des Gerichtsleiters an das k. u. k. Armeeoberkommando, dat. 17. 1. 1918. Der zuständige Kommandant berief sich dafür auf den Verdacht der „Hintansetzung der Dienstvorschriften im allgemeinen“ laut § 284a (mangelnde Aufmerksamkeit gegenüber den Untergebenen in Bezug auf die Vollziehung höherer Dienstbefehle) und § 286d (Verabsäumung der Erhaltung und Verwahrung von Montur, Munition, Waffen, Wägen und dergleichen) des geltenden Militärstrafgesetzes. 89 Zur nun weitverbreiteten, massiven Kritik an den Offizieren und mentalen Verarbeitungsmustern der Berufsoffiziere in der Ersten Republik vgl. Peter Melichar, Die Kämpfe merkwürdig Untoter. K. u. k. Offiziere in der Ersten Republik, in: ÖZG, 9 (1998), 51–84. 90 Vgl. Wilhelm Deist, Verdeckter Militärstreik im Kriegsjahr 1918? In: Wette (Hg.), Der Krieg des kleinen Mannes (wie Anm. 58), 146–167, für die deutsche Westfront und eine geschätzte Zahl von 3/4 bis 1 Million Soldaten; Ziemann, Front und Heimat (wie Anm. 6), 198–228. 91 Das Verfahren dürfte schließlich eingestellt worden sein. Im Wiener Kriegsarchiv waren keinerlei Akten dazu auffindbar, abgesehen vom in Anm. 88 erwähnten Brief, in dem der Kommandant sogar die gleichzeitige Enthebung Wolfs vom Dienste angeordnet hatte. Das wurde von höherer Stelle offenbar rasch wieder aufgehoben. 92 Reimann, Die heile Welt (wie Anm. 7), 141.

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Anmerkungen

93 Wie verbreitet diese Praxis war, verdeutlicht eine von Adolf Schärf, zit. in: Sturm, Lebenszeichen (wie Anm. 6), 147, explizit gemachte Ausnahmesituation. Er beklagte sich am Höhepunkt der Entfremdung zwischen ihm und seiner Frau Hilda im Sommer 1918 gerade darüber, dass sie solche Mittel nicht praktiziert hatte: „Ich habe nie von Dir verlangt, Du sollst ins Ministerium gehen und dort um mich weinen, andere habens getan und andere Frauen habens durchgeführt.“ 94 Vgl. Deist, Verdeckter Militärstreik (wie Anm. 90), 156, 160. 95 Zum Dolchstoß vgl. z. B. Bernhard Denscher, Gold gab ich für Eisen. Österreichische Kriegsplakate 1914–1918, Wien/München 1987, 7; Richard Bessel, Die Heimkehr des Soldaten: Das Bild der Frontsoldaten in der Öffentlichkeit der Weimarer Republik, in: Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich/Irina Renz (Hg.), Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch ... Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Essen 1993, 221–239, hier 221ff.; zum Mythos des ‚Kriegserlebnisses‘ nach 1918 Mosse, Gefallen für das Vaterland (wie Anm. 25), 195–244. 96 Der große Krieg in Feld und Heimat. Erinnerungen und Betrachtungen von Oberst Bauer, Tübingen 19212, 153ff.; für Österreich vgl. auch Höger, Postund Telegraphenwesen (wie Anm. 13), 44. 97 Vgl. Thébaud, Der Erste Weltkrieg (wie Anm. 25), 83 u. 90ff., in Hinblick auf die Einschätzung der objektiv und subjektiv begrenzten kriegsbedingten Veränderungen des Geschlechterverhältnisses.

Die „Frauenhilfsaktion im Kriege“ 1 Zit. nach einem Wiederabdruck dieses Aufrufes in: Marianne Hainisch, Der Krieg, in: Der Bund. Zentralblatt des Bundes österr. Frauenvereine, IX. Jg., 8 (Oktober 1914), 1–6, hier 3. 2 Irene Stoehr/Detel Aurand, Opfer oder Täter? Frauen im 1. Weltkrieg II, in: Courage 7, 12 (1982), 44–50, hier 44. Zum „Nationalen Frauendienst“ vgl. auch Herrad-Ulrike Bussemer, „Weit hinter den Schützen­gräben“. Das Kriegserlebnis der bürgerlichen Frauenbewegung, in: Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.), August 1914. Ein Volk zieht in den Krieg, Berlin 1989, 136–146; so­wie Ute Daniel, Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft. Beruf, Familie und Politik im Ersten Weltkrieg, Göttingen 1989, 81ff.; Barbara Guttmann, Weibliche Heimarmee. Frauen in Deutschland 1914–1918, Weinheim 1989, insbes. 117ff. u. 132ff. 3 Stoehr/Aurand, Opfer oder Täter? Frauen im 1. Weltkrieg II (wie Anm. 2); dies., Opfer oder Täter? Frauen im 1. Weltkrieg I, in: Courage 7, 11 (1982), 43–50; sowie Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 2), insbes. 83ff.; Guttmann, Weibliche Heimarmee (wie Anm. 2), insbes. 55ff. In Hinblick auf pazifistische Bestrebungen durch enga­gierte Frauen vgl. etwa ebd., 167ff.; sowie Brunhilde Sauer-Burghard, „Nur wenige Frauen haben nicht

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D ie „Frauenhilfsaktion

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im

Kriege“

mitgemacht“. Feminismus gegen Militarismus, in: beiträge zur feministischen theorie und praxis, 8 (1983): Gegen welchen Krieg – für welchen Frieden? 33–46. Stoehr/Aurand, Opfer oder Täter? (wie Anm. 2 u. 3). Aufruf „An Österreichs Frauen!“ zur „Frauenhilfsaktion im Kriege“ vom 27. 7. 1914, später auch veröffentlicht in: Helene Granitsch, Kriegsdienstleistung der Frauen, Wien 1915, 8–12, hier 8; vgl. auch dies., Die Kriegsarbeit der Wiener Frauen, in: Almanach des Kriegsjahres 1914–15 der patriotischen Frauen Österreichs, hg. zu Gunsten des Witwen- und Waisenhilfsfonds für die gesamte bewaffnete Macht, Wien o. J., 40–45, hier 40. Helene Gra­nitsch war, neben Fanny Freund-Marcus, Präsidentin der Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs (ROHÖ). Für Salzburg datiert Ingrid Bauer, Frauen im Krieg. Patriotis­mus, Hunger, Protest – Weibliche Lebenszusammenhänge zwischen 1914 und 1918, in: Bri­gitte Mazohl-Wallnig (Hg.), Die Andere Ge­schichte 1. Eine Salzburger Frauengeschichte von der ersten Mäd­chenschule (1695) bis zum Frauenwahlrecht (1918), Salzburg/ München 1995, 283–334, hier 289, den ersten in den Tageszeitungen er­ schienen Aufruf eines Komitees der „Frauenhilfsaktion im Kriege“, hinter dem vor allem die Ortsgruppe der ROHÖ stand, auf den 31. 7. 1914. Harriet Anderson, Utopian Feminism. Women’s Movements in fin-desiècle Vienna, New Ha­ven/London 1992, 91f. Diese Vereine sind wohl im vom Bund Österreichischer Frauen­ vereine (BÖV) herausgegebenen Frauen-Kriegskalender 1915, Wien o. J. [1914/15] aufgelistet, wo insgesamt 82 Vereine genannt werden. Vgl. auch Granitsch, Kriegsdienstleistung der Frauen (wie Anm. 5), 8. Hainisch, Frauen Oesterreichs! (wie Anm. 1). Aufruf „An Österreichs Frauen!“ (wie Anm. 5). Hervorhebungen im Original durch Sperrdruck. Silvia Svoboda, Die Soldaten des Hinterlandes, in: Die Frau im Korsett. Wiener Frauenalltag zwischen Klischee und Wirklichkeit 1848–1920, Ausstellungskatalog, Wien 1984, 50–53, 200–211, hier 50. Sie schätzt le­diglich die Haltung des „links-liberalen“ Allgemeinen Österreichischen Frauenver­ eins (AÖF), zu dem Rosa Mayreder gehörte, als „rein pazifistisch“ ein, diejenige der Sozialdemo­kratinnen als „zwiespältig“. Eine differenzierte Analyse der – durchaus unterschiedlichen und ambivalenten – Haltung der sozialdemokratischen Frauen und der wenigen österreichischen Pazifistinnen, die am Haager Frauen-Friedenskongress 1915 teilnahmen, leistet Susan Zim­mermann, Die österreichi­sche Frauen-Friedensbewegung vor und im ersten Weltkrieg, in: Forum Alternativ (Hg.), Widerstand gegen Krieg und Militarismus in Österreich und anderswo, Wien 1982, 88–96. Vgl. auch Anderson, Utopian Femi­nism (wie Anm. 6), 124ff. Vgl. die jeweiligen Titel im Almanach des Kriegsjahres 1914–15 (wie Anm. 5). Diese Sichtweise wird von militärgeschichtlicher Seite immer wieder kolportiert. Vgl. z. B. Hofrat Dr. Franz Kaindl, Direktor des Heeresgeschichtli-

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chen Museums in Wien, Vorwort, in: Die Frau im Krieg, Katalog zur Ausstellung vom 6. Mai bis 26. Oktober 1986, Wien 1986, 5; sowie für Kriege überhaupt Brigitte Holl, Einführung, in: ebd., 7–22, hier 12ff. Louise Gailly (Präsidentin des deutschen Frauenbundes, Brünn), Frauenkriegshilfe in Brünn, in: Almanach des Kriegsjahres 1914–15 (wie Anm. 5), 30f., hier 31. Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 4. Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 29–34. Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 35–57. Im Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 43, heißt es für die Österreichische Friedensgesellschaft in Wien, dass sich diese, „durch den Tod der Vorsitzenden Baronin Berta Suttner und den Krieg tief betroffen, an der Kriegsfür­sorge nicht beteiligen [konnte]“. In solchen Fällen finden sich im Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6) die Vermerke „Fehlt leider der Bericht“ (für den Verein Wiener Handelsakademie für Mädchen und Förderung der höheren kommerziellen Frauenbildung, ebd. 51, sowie für den Zentralverein der Deutschen Lehrerinnen in Böhmen, ebd. 55) oder „hat seinen Bericht nicht gesendet“ (für den Zentralverein der staatlichen Vertrags-Beamtin­nen Wien-Lang-Enzersdorf, ebd. 56). Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 36. Guttmann, Weibliche Heimarmee (wie Anm. 2), 117. Sylvia Glowacki (Präsidentin des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins, Graz), Kriegshilfsaktion der Grazer Frauen, in: Almanach des Kriegsjahres 1914–15 (wie Anm. 5), 33–38, hier 33. Für Frauenvereine des 19. Jahrhunderts, die dem Konzept der ‚geistigen Mütterlichkeit‘ ver­pflichtet waren, vgl. Margret Friedrich, Zur Tätigkeit und Bedeutung bürgerlicher Frauenvereine im 19. Jahrhundert in Peripherie und Zentrum, in: Mazohl-Wallnig (Hg.), Die andere Geschichte 1 (wie Anm. 5), 125–173, hier 145ff., in Hinblick auf Salzburg und Wien. Eine solche wichtige Funktion der Ehefrauen von Statthaltern oder Landesund Kreishauptmännern und Bürgermeistern gilt bereits für das FrauenVer­einswesen des 19. Jahrhunderts. Vgl. Friedrich, Zur Tätigkeit und Bedeutung bürgerlicher Frauenvereine (wie Anm. 21), 133, 147. Nach dem Bericht einer Präsidentin des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins, Graz, in: Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 35. Sylvia Glowacki, die ebenfalls Präsidentin dieses Vereins war, schreibt von „nicht weniger als 32 Frauenvereine[n] und Frauenortsgruppen aller Parteischattierungen“, die sich in den ersten Wochen dieser Frauenhilfsaktion anschlossen: Glowacki, Kriegshilfsak­tion der Grazer Frauen (wie Anm. 20), 33. Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 35. Glowacki, Kriegshilfsaktion der Grazer Frauen (wie Anm. 20), 33, schreibt von der Errichtung „mehrerer Näh­stuben“.

Die „Frauenhilfsaktion

im

Kriege“

26 Glowacki, Kriegshilfsaktion der Grazer Frauen (wie Anm. 20), 34f. 27 Glowacki, Kriegshilfsaktion der Grazer Frauen (wie Anm. 20), 37. 28 Die Frauenhilfsaktion Wien, Wien o. J. [1916], 15; Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 29; Gra­nitsch, Kriegsarbeit der Wiener Frauen (wie Anm. 5), 40f.; Svoboda, Soldaten des Hinterlandes (wie Anm. 9), 50. 29 Granitsch, Kriegsarbeit der Wiener Frauen (wie Anm. 5), 40f. 30 Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), 15f. 31 Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), 15f.; Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 29f. Vgl. auch Kriegsfürsorge, hg. von der Gemeinde Wien, Wien 1914, Abschnitt II: Freiwillige Kriegsfürsorge, 72ff. 32 Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), 16. Vgl. auch das hier im Anhang veröffentlichte „Verzeichnis der vom Bürgermeister der Stadt Wien als Leiterinnen und Leiterin-Stellvertreterinnen in die Frauen­arbeitskomitees berufenen Damen sowie sämtlicher Mitarbeiterinnen“, aus dem her­vorgeht, dass der personelle Umfang der einzelnen Bezirks-Arbeitskomitees sehr unterschied­lich war. Die Liste weist die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im Jahre 1916 „noch aktiv tätigen“ Frauen durch Sternchen aus und unterscheidet zwischen ledigen und verheirateten Mitarbeiterinnen. Zur Struktur der „Frauenhilfsaktion“ in Wien vgl. auch Granitsch, Kriegs­ dienstleistung der Frauen (wie Anm. 5), 25ff. 33 Vgl. etwa Christa Hämmerle, Von „patriotischen Sammelaktionen“, „Kälteschutz“ und „Liebesgaben“ – die „Schulfront“ der Kinder im Ersten Weltkrieg, in: Beiträge zur historischen Sozialkunde, 24, 1 (1994), 21–29, sowie das Kapitel „Wäsche für Soldaten“ in diesem Band. 34 Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), 19. Vgl. auch die Auflistung der „freiwilligen Kriegsfürsorge“ Wiens im Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 29ff., sowie Granitsch, Kriegsdienstleistung der Frauen (wie Anm. 5), 26ff.; Kriegsfürsorge Gemeinde Wien (wie Anm. 31), 77ff. 35 Granitsch, Kriegsarbeit der Wiener Frauen (wie Anm. 5), 41. Hervorhebung im Original durch Sperrdruck. Zur kriegsbedingten Arbeitslosigkeit in Deutschland vgl. die Zahlen bei Daniel, Arbeiter­frauen in der Kriegsgesellschaft (wie Anm. 2), 28, die einen überproportionalen Anteil der Frauenerwerbslo­sigkeit bis zum Einsetzen der Heeresaufträge belegen. Für Wien im August 1914 zitiert Petra Iglseder-Hesz, Aspekte der Frauenarbeit während des Ersten Weltkriegs, Dipl. (Univ. Wien) 1990, 31, eine Zahl von insgesamt 33.702 erwerbslosen Frauen und Männern. Sigrid Augene­der, Arbeiterinnen im Er­sten Weltkrieg. Lebens- und Arbeitsbedingungen proletarischer Frauen in Österreich, Wien 1987, 7, nennt für Wien im August 1914 eine Arbeitslosig­keit von 21,5 %. Erst in einer zweiten Phase, nach der Umstellung der Produktion auf die Kriegswirtschaft, kam es zu einem massiven Ansteigen der Frauenerwerbsarbeit; ebd. 26ff. 36 Karin Hausen, Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“ – Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben, in: Werner

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Conze (Hg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart 1976, 363–393. Augeneder, Arbeiterinnen im Ersten Weltkrieg (wie Anm. 35), 7. Vgl. Margarete Grandner, Kooperative Gewerkschaftspolitik in der Kriegswirtschaft. Die freien Gewerkschaften Österreichs im Ersten Weltkrieg, Wien/Köln/Weimar 1992, 81; sowie Österreich-Lexikon in zwei Bän­ den, hg. von Richard u. Maria Bamberger/Ernst Bruckmüller/Karl Gutkas, 2. Bd., Wien 1995, 610. Die „Friedensstärke“ der k. u. k. Armee hatte 450.000 Mann betragen. Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Allgemeines Verwaltungsarchiv (AVA), k. k. Ministe­rium für Kultus und Unterricht (MfKuU), 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/14, 4. Bogen. Vgl. Marie Schwarz, Kriegsbild aus der Mädchenschule, in: Almanach des Kriegsjahres 1914–15 (wie Anm. 5), 143 f., sowie das Kapitel „Wäsche für Soldaten“ in diesem Band. Reinhard Sieder, Behind the lines: working-class family life in wartime Vienna, in: Richard Wall/Jay Winter (Hg.), The Upheaval of War. Family, Work and Welfare in Europe, 1914–1918, Cam­bridge/New York/New Rochelle u. a. 1988, 109–137, hier 117, erwähnt lediglich die im Januar 1916 bestehenden Näh- und Strickstuben der kommunalen „Frauenhilfsaktion“; Svoboda, Soldaten des Hinterlandes (wie Anm. 9), 50, nennt überhaupt keine Zahl, bezieht sich aber ebenfalls nur auf die kommunalen Arbeitsstu­ben. Vgl. Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), der vermutlich zur Jahreswende 1914/15 erschien, wo eine Zahl von 19 Näh- und Strickstuben der kommunalen Frauenkomitees angegeben wird, und Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), 32, sowie die zwei Zusammenstellungen im Anhang ebd. „über die Tätigkeit der Näh- und Strickstuben der Frauen-Hilfsaktion im Kriege in der Zeit vom Oktober 1914 bis 31. Dezember 1915“ und über ihre Tätigkeit vom Januar bis zum März 1916, wo von 29 Arbeits­stuben die Rede ist. Eine Näh- und Strickstube für den 15. Wiener Gemeindebezirk war bereits Ende Juni 1915 aufgelassen worden. In der Zusammenstellung von Granitsch, Kriegsarbeit der Wiener Frauen (wie Anm. 5), erschienen im Almanach des Kriegsjahres 1914–15 (wie Anm. 5), der vermutlich kurz vor dem Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6) erschien, findet sich die Zahl 27, ebd. 41. Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), 35, und Zusammenstellungen im Anhang, ebd. Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), 32, 35. In Ausnahmefällen konnten auch Stickerinnen und sogar Blumenbinderinnen enga­giert werden. Granitsch, Kriegsdienstleistung der Frauen (wie Anm. 5), 30. Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), Zusammenstellung im Anhang. Vgl. Fanny Freund-Marcus, Die Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ, in: Granitsch, Kriegsdienstleistung der Frauen (wie Anm. 5), 38–47, hier 42 u. 47.

Die „Frauenhilfsaktion

im

Kriege“

48 Granitsch, Kriegsdienstleistung der Frauen (wie Anm. 5), 30. 49 Granitsch, Kriegsdienstleistung der Frauen (wie Anm. 5), 34. 50 Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 40, 42. Vgl. auch Granitsch, Kriegsar­beit der Wiener Frauen (wie Anm. 5), 41, wo allerdings von „mehrere[n] Pelzstuben der ROHÖ“ die Rede ist, sowie Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 31, wo 4 Arbeitsstuben der ROHÖ erwähnt werden. 51 Granitsch, Kriegsarbeit der Wiener Frauen (wie Anm. 5), 41. 52 Granitsch, Kriegsarbeit der Wiener Frauen (wie Anm. 5), 41, sowie FreundMarcus, Die Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 40, die diese 860 Stricke­rinnen mit dem Vermerk „meist Mittelstandsfälle“ beschreibt. 53 Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 41. 54 Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 40. 55 Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 38, 40. 56 Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 50f. Ob ein Beweggrund dafür auch interne Konflikte waren, muss hier dahingestellt blei­ben. 57 Den Hinweis enthält der Bericht von Freund-Marcus über die Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 42. Vermutlich betreute sie vor allem arbeitslose Flüchtlingsfrauen. 58 Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 31. 59 Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 47. 60 Frauen-Kriegskalender 1915 (wie Anm. 6), 31. 61 Hildegard Burjan (1883–1933) gründete unter anderem die Caritas Socialis, eine geistlich-charismatische Schwesternschaft, die noch heute existiert. Sie war 1919/20 erste christlich-soziale Abgeordnete in der konstituierenden Nationalversammlung. Zu ihrer Biografie und Tätigkeit vgl. Gabriella Hauch, Vom Frauenstandpunkt aus: Frauen im Parlament 1919–1933, Wien 1995; Michaela Kronthaler, Die Frauenfrage als treibende Kraft: Hildegard Burjans innovative Rolle im Sozialkatholizismus und politischen Katholizismus vom Ende der Monarchie bis zur „Selbstausschaltung“ des Parlaments, Graz/Wien 1995. 62 Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen unter dem hohen Protektorat der Frau Erzherzogin Marie Valerie“ 1914–1916, Wien 1916, 3. 63 Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen“ (wie Anm. 62), 4. 64 Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen“ (wie Anm. 62), 9. 65 Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen“ (wie Anm. 62), 5f. Darüber hinaus war dieser Verein auch in den Kronländern tätig: In Nieder- und Ober­österreich, Böhmen, Mähren, Schlesien und Tirol wurden im Winter 1914/15 weitere 600 Ar­beiterinnen beschäftigt.

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Anmerkungen

66 Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen“ (wie Anm. 62), 6. 67 Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen“ (wie Anm. 62), 5. 68 Helene Tuschak, Neues Wiener Tagblatt v. 17. 11. 1914, veröffentlicht als „Soldatenwinter“ in: Kälteschutz 1914–1915, hg. von der Hilfsaktion des Kriegsfür­sorgeamtes „Kälteschutz“, Wien o. J., 19–22, hier 19. 69 Tuschak, Soldatenwinter (wie Anm. 68), 20, sowie Paul Zifferer, Neue Freie Presse v. 29. 10. 1914, veröffentlicht unter dem Titel „Kälteschutz“ in: Kälteschutz 1914–1915 (wie Anm. 68), 9–15, hier 13. 70 Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 40, als Charakterisierung der mei­sten 860 Strickerinnen der ROHÖ-Strickstuben. 71 Die gesichtete Literatur enthält hierzu keine durchgehend genauen Ortsangaben. 72 Die Frauenhilfsaktion Wien stellte es den Frauen, die eine Nähmaschine besaßen, frei, diese in die Nähstube mitzubringen oder Heimarbeit zu verrichten. Vgl. Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), 32. 73 Neue Freie Presse. Morgenblatt, v. 8. 9. 1914, 8. Hervorhebung im Original durch Sperr­druck. 74 Ob im Anschluss an Appelle wie den gerade zitierten tatsächlich auch Strickmaschinen ein­langten, ist fraglich. Über maschinelles Stricken in den Arbeitsstuben ist mir nichts bekannt, und ich nehme an, dass Strickarbeiten größtenteils manuell ausgeführt wurden – worauf auch vorhandene Fotografien deuten. 75 Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), Anhang: Zusammenstellung über die Tätigkeit der Näh- und Strickstu­ben der Frauen-Hilfsaktion im Kriege in der Zeit vom Oktober 1914 bis zum 31. 12. 1915. In diese Zahl dürften auch Bestellungen der offiziellen „Hilfsaktion Käl­teschutz“ inkludiert sein, die ihrerseits auf die Vergabe von Aufträgen an die kommunalen Arbeitsstuben verweist. Vgl. Kälteschutz 1914–1915 (wie Anm. 68), 130. 76 Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), Anhang: Zusammenstellung Oktober 1914 bis 31. 12. 1915. Im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Auflistungen, die als ‚Liebesgaben‘ hergestellte Handarbeiten miteinbeziehen, nimmt hier die Anzahl von „Wintersocken, Wadenstutzen, Schneehauben, Pulswärmern etc.“ mit 84.349 Stück einen margi­nalen Stellenwert ein – was umso mehr darauf hindeutet, dass solche Ausrüstungsstücke vor allem von unentgeltlich arbeitenden Mädchen und Frauen angefertigt wurden. 77 Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), 32. Dr. Dont wies die einlangenden Aufträge auch den einzelnen Be­zirken zu. 78 Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 40. 79 Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 40. 80 Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 42. Die genaue Zahl stammt aus Granitsch, Kriegsarbeit der Wiener Frauen (wie Anm. 5), 41.

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Die „Frauenhilfsaktion

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im

Kriege“

Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 42. Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 42. Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 43f. Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen“ (wie Anm. 62), 4f. Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen“ (wie Anm. 62), 4f. Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen“ (wie Anm. 62), 7. Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen“ (wie Anm. 62), 11. Genau so wird in den zeitgenössischen Schriften oft auch sprachlich differenziert. Vgl. z. B. Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für erwerblose Frauen und Mädchen“ (wie Anm. 62), 5. Neue Freie Presse. Morgenblatt, v. 15. 9. 1914, 7. Als Sitz des Vereins Settlement wird hier die Friedrich-Kaiser-Gasse 51 im 16. Bezirk angegeben. Hervorhebungen im Origi­nal. Lucie Laube, Im Hinterland, in: Almanach des Kriegsjahres 1914–15 (wie Anm. 5), 84f., hier 85. Vgl. Frauenhilfsaktion Wien (wie Anm. 28), 35; Granitsch, Kriegsdienstleistung der Frauen (wie Anm. 5), 30; sowie ebd., Freund-Marcus, Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ (wie Anm. 47), 40, 42; Kriegsarbeit des Vereines „Soziale Fürsorge für er­werblose Frauen und Mädchen“ (wie Anm. 62), 7, indem Vergleichszahlen zur Vorkriegszeit angeführt werden. Auch der „Nationale Frauendienst“ des Deutschen Reiches bezahlte den in den Strick- und Nähstuben beschäftigten Arbeiterinnen oft höhere Löhne als die Industrie. Vgl. dazu Stoehr/Aurand, Op­fer und Täter I (wie Anm. 3), 46. Granitsch, Kriegsdienstleistung der Frauen (wie Anm. 5), 12. Vgl. auch Abb. 50 in: Bernhard Denscher, Gold gab ich für Eisen. Österreichische Kriegs­plakate 1914–1918, Wien/München 1987, 53, Plakat „Der Sammelwagen kommt wieder!“, das auch zur Spende textiler „Liebesgaben für die Soldaten und ihre Angehörigen“ aufrief. Granitsch, Kriegsarbeit der Wiener Frauen (wie Anm. 5), 41, verwies auf einen solchen Zusam­ menhang in Hinblick auf die Pelzstube(n) der ROHÖ, wenn sie schrieb, dass dort von „erwerbslos gewordene[n] Frauen [...] aus freiwillig gespendetem Pelzmaterial, das die Sam­melwagen aus allen Bezirken ablieferten, Kälteschutzmittel für unsere Soldaten angefertigt werden.“ Vgl. das Kapitel „Wäsche für Soldaten“ in diesem Band. Österreichische Volkszeitung v. 29. 8. 1914, 10, zit. in: Svoboda, Soldaten des Hinterlan­des (wie Anm. 9), 50. Neue Freie Presse. Morgenblatt v. 6. 9. 1914, 8. Vgl. dazu das Kapitel „Wäsche für Soldaten“ in diesem Band.

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Anmerkungen

Wäsche für Soldaten 1 Sophie v. Khuenberg (Linz), in: Almanach des Kriegsjahres 1914–15 der patriotischen Frauen Österreichs, hg. zu Gunsten des Witwen- und Waisenhilfsfonds für die gesamte bewaffnete Macht, Wien/Brünn o. J., 74. 2 Vgl. Margret R. Higonnet/Jane Jenson/Sonya Michel u. a. (Hg.), Behind the Lines. Gender and the Two World Wars, New Haven/London; Diana Condell/Jean Liddiard, Working for Victory? Images of women in the First World War, 1914–1918, London 1987; Françoise Thébaud, La Femme au temps de la guerre de 14, Paris 1986; Irene Stoehr/Detel Aurand, Opfer oder Täter? Frauen im 1. Weltkrieg I u. II, in: Courage, 7, 11 u. 12 (1982), 43–50, 44–50; Barbara Guttmann, Weibliche Heimarmee. Frauen in Deutschland 1914–1918, Weinheim 1989. 3 So zumindest war die öffentlich präsentierte Stimmung in den Tagen der Generalmobilmachung und des Abtransports der Truppen an den Bahnhöfen. Für den Ersten Weltkrieg ist eine breite ‚Kriegsbegeisterung‘ oft hervorgehoben worden, vgl. etwa, geschlechtsspezifisch differierend, Kap. 1 bei Ute Daniel, Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft, Göttingen 1989, 23ff., und für die k. u. k. Monarchie: Klaus Amann/Hubert Lengauer (Hg.), Österreich und der Große Krieg 1914–1918. Die andere Seite der Geschichte, Wien 1989. Belegt wird der öffentlich so massiv präsente ‚Hurra-Patriotismus‘ auch durch viele autobiografische Erinnerungen, er ist fast immer Thema im Zusammenhang mit der Darstellung des Kriegsbeginns 1914. 4 Der grosse Ploetz. Auszug aus der Geschichte, Freiburg/Würzburg 198630, 836 u. 848. Neuere Schätzungen gehen von 1,46 Millionen militärischen Toten aus. 5 Dies ist eine unvollständige Auflistung. Vgl. z. B. die vielen Berichte darüber im Almanach des Kriegsjahres 1914–15 (wie Anm. 1), der Einblick in die große Bandbreite und regionale Streuung verschiedenster, sofort mit Kriegsbeginn einsetzender Aktivitäten gibt. Neben dem Umstand, dass auch in Österreich die Frauenbewegung überwiegend in die Kriegsbejahung und -unterstützung einschwenkte, wird in manchen Texten die große Bedeutung der Schulen für die Mobilisierung der Frauen und Kinder evident. Weitere Ausgaben des Almanachs sind meinen Recherchen zufolge nicht erschienen. 6 Susanne Nimmesgern, „Konnt’ ich auch nicht Waffen tragen, half ich doch die Feinde schlagen“. Kriegsalltag an der Heimatfront, in: Stadtverband Saarbrücken/Regionalgeschichtliches Museum (Hg.), „Als der Krieg über uns gekommen war ...“ Die Saarregion und der Erste Weltkrieg, Saarbrücken 1993, 81–92, hier 81. 7 Higonnet/Jensen/Michel (Hg.), Behind the Lines (wie Anm. 2), 1. Zum Plakat als Träger der neuen psychologischen Kriegsführung vgl. Bernhard Denscher, Gold gab ich für Eisen. Österreichische Kriegsplakate 1914– 1918, Wien 1987.

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Wäsche

für

Soldaten

8 Helene Granitsch (Präsidentin der Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs, Vizepräsidentin des Kuratoriums für Kriegspatenschaft, Wien), Die Kriegsarbeit der Wiener Frauen, in: Almanach (wie Anm. 1), 40–45, hier 40 u. 43. Hervorhebung durch C. H. Dass ähnliche Termini auch in Hinblick auf Kinder verwendet wurden, zeigt Anton Staudinger, Die christliche Familie im Krieg, in: Amann/Lengauer (Hg.), Österreich (wie Anm. 3), 113–121. 9 Maria Beischlager, o. T., unveröff. Manuskript der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien (im Folgenden zit. als Doku), Teil IV, dat. 1988/89, 37. 10 Für besonders wichtig halte ich diesbezüglich die auf der Basis von statistischem Material erstellte Untersuchung von Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 3), da hier u. a. gängige Einschätzungen bezüglich der Frauenerwerbsarbeit im Ersten Weltkrieg genauestens empirisch überprüft, relativiert oder widerlegt werden. Auf Österreich bezogen vgl. auch Petra Iglseder-Hesz, Aspekte der Frauenarbeit während des Ersten Weltkriegs, Dipl. (Univ. Wien) 1990. 11 Sigrid Augeneder, Arbeiterinnen im Ersten Weltkrieg: Lebens- und Arbeitsbedingungen proletarischer Frauen in Österreich, Wien 1987; Margarete Grandner, Kooperative Gewerkschaftspolitik in der Kriegswirtschaft. Die freien Gewerkschaften Österreichs im Ersten Weltkrieg, Wien/Köln/Weimar 1992; Berthold Unfried, Arbeiterprotest und Arbeiterbewegung in Österreich während des Ersten Weltkriegs, Diss. (Univ. Wien) 1990. 12 Silvia Svoboda, Die Soldaten des Hinterlandes, in: Die Frau im Korsett. Wiener Frauenalltag zwischen Klischee und Wirklichkeit 1848–1920, Ausstellungskatalog, Wien 1984, 50–53, 200–211, hier 53 u. 201 (Abb.). Die Wiener Schaffnerin war auch beliebtes Motiv auf damaligen Postkarten. 13 Vgl. z. B. Bärbel Kuhn, „... und herrschet weise im häuslichen Kreise.“ Hausfrauenarbeit zwischen Disziplin und Eigensinn, in: Richard van Dülmen (Hg.), Verbrechen, Strafen und soziale Kontrolle. Studien zur historischen Kulturforschung, Bd. III, Frankfurt a. M. 1990, 238–277; dies., Das Unterste zuoberst gekehrt. Beiträge zu Theorie und Praxis von Hausarbeit im 19. und 20. Jahrhundert, in: Beate Fieseler/Birgit Schulze (Hg.), Frauengeschichte gesucht – gefunden? Auskünfte zum Stand der Historischen Frauenforschung, Köln/Weimar/Wien 1991, 22–46. 14 Dagmar Ladj-Teichmann, Erziehung zur Weiblichkeit durch Textilarbeiten. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Frauenarbeit im 19. Jahrhundert. Weinheim/Basel 1983, v. a. Kap. 1–3, 19–116. „Sozialcharakter“ soll ihrer Definition (ebd., 10) zufolge dafür stehen, „daß das ,Mensch-werden‘ in Wechselwirkung mit der jeweiligen Umwelt stattfindet, daß erst die Sozialisation ,Weiblichkeit‘ vermittelt“. 15 Zum Bestand und den ersten Forschungen auf der Basis der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen vgl. Michael Mitterauer, Lebens-

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geschichten sammeln. Probleme um Aufbau und Auswertung einer Dokumentation zur popularen Autobiographik, in: Hermann Heidrich (Hg.), Biographieforschung. Gesammelte Aufsätze der Tagung des Fränkischen Freilandmuseums am 12. und 13. 10. 1990, Bad Windsheim 1991, 17–35; Therese Weber, Schreibmotivationen von Autoren lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen, in: Beiträge zur historischen Sozialkunde, 1 (1987), 5–9; Christa Hämmerle, „Ich möchte das, was ich schon oft erzählt habe, schriftlich niederlegen ...“ Entstehung und Forschungsaktivitäten der „Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“ in Wien, in: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History, 4, 2 (1991), 261–­278. Damit und mit den spezifischen Erwachsenenbildungsinitiativen und Aktivitäten des Archivs erklärt sich, im Zusammenhang mit gesamtgesellschaftlichen Faktoren, die über die Relation der Geschlechter in der sog. Alterspyramide ab dem 60. Lebensjahr hinausgehende Überproportionalität von Frauen als Autorinnen der popularen Autobiografik. Vgl., erstmals und begriffskonstituierend: Bernd Jürgen Warneken, Populare Autobiographik. Empirische Studien zu einer Quellengattung der Alltagsgeschichtsforschung, Tübingen 1985. Aus der Forschungsarbeit mit den Beständen der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen entstand u. a. der 24. Band der Reihe „Damit es nicht verlorengeht ...“: Kindheit im Ersten Weltkrieg. Hg., bearbeitet, mit einem Vor- und Nachwort versehen von Christa Hämmerle, Wien/ Köln/Weimar 1993. Mangel und Hunger wurden für den Ersten Weltkrieg, der zu einer katastrophal schlechten Ernährungslage führte, schon sehr früh untersucht, so von Hans Löwenfels-Russ, Die Regelung der Volksernährung im Krieg, Wien 1926. Vgl. dazu sowie zum Hamstern und Sammeln von Holz etc. in Wien auch: Reinhard Sieder, Behind the lines: working-class family life in wartime Vienna, in: Richard Wall/Jay Winter (Hg.), The Upheaval of War. Family, Work and Welfare in Europe, 1914–1918, Cambridge 1988, 109–139. Stoehr/Aurand, Opfer oder Täter? I (wie Anm. 2), 46. Stoehr/Aurand, Opfer oder Täter II (wie Anm. 2), 46; Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 3), 283 (Anm. 37); Sieder, Behind the lines (wie Anm. 19), 117; Svoboda, Soldaten (wie Anm. 12), 50. Maria Achernig, Mein Lebensweg! Unveröff. Manuskript der Doku, dat. 1986, 1. Christine Schleifer, Kindheits- und Jugenderinnerungen, Manuskript der Doku, 85. Ein Teil dieser zwischen 1966 und 1972 aufgezeichneten Erinnerungen – sie handeln von der Kindheit bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs – sind veröffentlicht in: Hannes Stekl/Andrea Schnöller (Hg.), „Es war eine Welt der Geborgenheit ...“ Bürgerliche Kindheit in Monarchie und Republik, Wien/Köln/Weimar 1987, 141–169. Die kriegsbezogenen

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Kindheitserinnerungen von Christine Schleifer sind erschienen in: Hämmerle (Hg.), Kindheit (wie Anm. 18), 143–149. Beischlager, o. T. (wie Anm. 9), Teil II, 14f. Margarete Feuerbach, Kindheitserinnerungen. 1. Weltkrieg. 2. Weltkrieg, Manuskript der Doku, dat. 1985, 11. Auch die auf den Krieg 1914–1918 bezogenen Aufzeichnungen dieser Frau sind veröffentlicht in: Hämmerle (Hg.), Kindheit (wie Anm. 18), 96–104. Eva Tesar (Hg.), Hände auf die Bank. Erinnerungen an den Schulalltag, Wien/Köln/Weimar 19922, enthält schriftliche Schulerinnerungen an die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, die dies anschaulich belegen. Österreichisches Staatsarchiv (im Folgenden zit. als ÖStA), Allgemeines Verwaltungsarchiv (AVA), k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht (MfKuU), 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914. Hervorhebung im Original. Ein Mittel dafür war, einsetzend mit den Bettelordnungen Ende des 15. und der Armenfürsorge ab dem 16. Jahrhundert, die Verpflichtung zum textilen Arbeiten, vorerst besonders zum Spinnen. Vgl. Ladj-Teichmann, Erziehung (wie Anm. 14), 46ff. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914. Während sich dieser Erlass ausschließlich auf den Handarbeitsunterricht bezog, beinhalteten bereits im August verlautbarte, für die gesamte Monarchie gültige Erlässe auch zahlreiche andere Vorschläge für die „Heranziehung der Schuljugend zu gemeinnütziger Tätigkeit während des Krieges“. Für das Saarland erfolgte eine ministerielle Weisung, „die Mädchen aller Schulen im Handarbeitsunterricht nur noch Liebesgaben für die Truppen anfertigen zu lassen“, aufgrund eines Vorschlages des Vaterländischen Frauenvereins bereits am 14. 8. 1914; vgl. Nimmesgern, „Konnt’ ich auch nicht Waffen tragen“ (wie Anm. 6), 82. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914. Hervorhebung im Original. Diese Feststellung könnte sich vorwiegend auf Wien, wo die amtliche Bewilligung des Handarbeitens in den Schulen besonders konfliktträchtig gewesen zu sein scheint, beziehen. Ich werde darauf noch zurückkommen. Ähnlich, im Spannungsfeld zwischen regionalen Initiativen und Behörden einerseits und den zentralen Wiener Regierungsstellen, den im niederösterr. Erlass genannten Bestrebungen des Kriegsfürsorgeamtes andererseits, dürften auch andere Länder vorgegangen sein. So beispielsweise Dalmatien, das, wie betont wurde, aus „eigener Initiative“ bereits am 26. 9. 1914 Weisungen für das Handarbeiten in den Schulen erlassen hatte; vgl. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43217/1913/1914. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914, enthält die zitierte gedruckte Originalfassung dieser Verlautbarung, betitelt mit k. k. n.-ö. Landesschulrat (Z. 4499/1-II), gezeichnet mit Khoß m.p. für den k. k. Statthalter.

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Anmerkungen

33 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914. Im Gegensatz zum niederösterr. Erlass liegt mir hier die endgültig verlautbarte, gedruckte Fassung nicht vor, die folgenden Bemerkungen beziehen sich auf den zweiten, im Zuge der genannten „Referenten-Erinnerung“ beratenen und durch Unterschrift schließlich wohl bewilligten Entwurf des ministeriellen Erlasses. Für Salzburg siehe ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43217/1914. 34 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914, enthält den Entwurf des MfKuU sowie eine dem niederösterr. Erlass beigegebene, gedruckte und damit offensichtlich an die Schulen ausgegebene „Anweisung zur Anfertigung von Winter-Bekleidungssachen für die im Felde stehenden Soldaten“. Für Salzburg siehe wiederum ebd., Z. 43217/1914. 35 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914. Vermutlich meinte Christine Schleifer mit ihrem Hinweis auf genähte Wäsche für die Soldaten diese sog. Leibbinden. 36 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914. 37 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914. 38 In: Almanach (wie Anm. 1), 143f. 39 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 38151/1914, hier bezeichnet mit dem zitierten Betreff. 40 Diese Mobilisierung bezog sich nicht nur auf die Schulkinder selbst, sondern auch auf deren Eltern und Familien, die sie zu patriotischen Aktivitäten motivieren sollten. Hermine Kominek, geboren 1907 in Trasdorf in Niederösterreich als Tochter von Taglöhnern und Inwohnern, schrieb im Zusammenhang mit Erinnerungen an die Schulzeit im Krieg, die sie auf Anregung hin verfasst hat: „Wir wurden auch aufgefordert, unsere Eltern dahin zu bringen, Kriegsanleihe zu zeichnen. Ich wollte nicht zurückstehen und drängte meine Eltern, doch auch etwas zu zeichnen, dann gaben sie 100 Kronen. Da man wenig zu kaufen bekam, war das Geld da. Natürlich bekam keiner mehr etwas davon zurück.“ Manuskript der Doku, o. T., dat. 1989, 2, veröffentlicht in Hämmerle (Hg.), Kindheit (wie Anm. 18), 62–67. Zur Bedeutung der Schulen vgl. Christa Hämmerle, „Diese Schatten über unserer Kindheit gelegen ...“ – Historische Anmerkungen zu einem unerforschten Thema, in: ebd., 265–335, hier 267–294, sowie Barbara Holzer, Die Politische Erziehung und der vaterländische Unterricht in Österreich zur Zeit des Ersten Weltkriegs, Dipl. (Univ. Wien) 1987, insbes. 131ff. Nimmesgern, „Konnt’ ich auch nicht Waffen tragen“ (wie Anm. 6) kam aufgrund ihrer Recherchen im Saarbrückner Stadtarchiv sogar zum Ergebnis, „daß die Heimatfront nicht – wie bisher von mir angenommen – in erster Linie ein Frauenthema ist. Mir schien der enorme Einsatz von Schülerinnen und Schülern bei der Bewältigung kriegswirtschaftlicher Aufgaben noch gravierender zu sein.“ [Brief an C. H., dat. 4/1992] 41 Ähnlich wie die Schulbehörden wurden auch die Instanzen der Kirchen

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und Pfarrgemeinden in Form von Rundschreiben und speziellen Weisungen zur Mitarbeit und Unterstützung aufgefordert. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 7632/1917. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43217/1914, 22. 9. 1915. Zur direkten Militarisierung von Verbindungen älterer Buben, die er als letztendlich mißglückt beurteilt, vgl. H. Jürgen Ostler, „Soldatenspielerei“? Vormilitärische Ausbildung bei Jugendlichen in der österreichischen Reichshälfte der Donaumonarchie 1914–1918, Wien 1991. Für Salzburg vom k. k. Landesschulrat beispielsweise erlassen am 16. 9. 1914: „Auf Grund der Empfehlung eines Fachmannes“ erging „an alle Volksschulen die Aufforderung, für die Teebereitung zu Heereszwecken unter Führung der Lehrer nicht nur Brombeerblätter [wie das MfKuU angeordnet hatte – C. H.], sondern auch Himbeer-, Schwarzbeer- und Erdbeerblätter stengelfrei aus zarten Trieben durch Schüler in gesonderten Büchsen und Säcken sammeln zu lassen.“ ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43214/1914, Brief des k. k. Landesschulrates Salzburg an das MfKuU, dat. 28. 9. 1914. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43214/1914, Brief des k. k. Bezirksschulrates Hermagor an den k. k. Landesschulrat in Klagenfurt, dat. 11.11. 1914. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere 1917/1918, hier z. B. Z. 17173, Mitwirkung der Schulen an der „Nesselsammlung durch die Zivilbevölkerung in Österreich“ (Erlass 6. 7. 1916); „Aktion zur systematischen Anpflanzung der Sonnenblume durch die Schulkinder“ (verhandelt Jan. 1917); „Einsammlung der Wurzel des Adlerfarnes zur Gewinnung von Schweinefutter. Mitwirkung der Schuljugend“ aufgrund einer „Note“ des k. u.k. Kriegsministeriums (im Folgenden zit. als KM) vom 5. 2. 1917, Z. 14460. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43217/1914, Brief der Schulleitung an den k. k. Landesschulrat in Triest, dat. 29. 9. 1914. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43217/1914. Vgl. Zitat unter Anm. 32. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43217/1914, Brief der Direktion an den k. k. Landesschulrat für Görz und Gradiska in Triest, dat. 27. 9. 1914. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43217/1914, Brief der Direktion an den k. k. Landesschulrat für Istrien in Triest, dat. 28. 9. 1914. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43217/1914, Brief an den k. k. Landesschulrat für Kärnten in Klagenfurt, dat. 4. 12. 1914. Schwarz, Kriegsbild, in: Almanach (wie Anm. 1), 143f., ließ zur Betonung dieser Aussage das Wort „freiwillig“ gesperrt und unter Anführungszeichen drucken. ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43217/1914, Brief des k. k. Stadtschulrates Klagenfurt an den k. k. Landesschulrat für Kärnten, dat. 31. 10. 1914. Schwarz, Kriegsbild (wie Anm. 53), 143.

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Anmerkungen

56 Granitsch, Kriegsarbeit (wie Anm. 8). 57 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 02 in genere, Z. 43217/1914, Brief der Direktion an den k. k. Landesschulrat für Görz und Gradiska in Triest, dat. 27. 9. 1914. 58 Angelika Tramitz, Vom Umgang mit Helden. Kriegs(vor)schriften und Benimmregeln für deutsche Frauen im Ersten Weltkrieg, in: Peter Knoch (Hg.), Kriegsalltag. Die Rekonstruktion des Kriegsalltags als Aufgabe der historischen Forschung und der Friedenserziehung, Stuttgart 1989, 85–113, hier 84ff. 59 Staudinger, Die christliche Familie (wie Anm. 8), 113ff. Zur Kriegsverherrlichung in zeitgenössischen Schulbüchern vgl. Thomas Winkelbauer, Krieg in Deutsch-Lesebüchern der Habsburgermonarchie (1880–1918), in: Amann/Lengauer (Hg.), Österreich (wie Anm. 3), 37–47. 60 Denscher, Gold (wie Anm. 7) hat solche Plakate zusammengestellt und kommentiert. 61 Vgl., noch immer grundlegend: Gisela Bock/Barbara Duden, Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus, in: Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen, Berlin 1977, 118–199. Kuhn, Das Unterste (wie Anm. 13), fasst die Diskussion seither zusammen. 62 Margarete Domonkos, Meine Kindheit, unveröff. Manuskript der Doku, dat. 1986, 20. Hervorhebung durch C. H. Auszugsweise veröffentlicht in: Hämmerle, Kindheit (wie Anm. 18). M. Domonkos wurde 1906 in Wien geboren und wuchs hier auf. Ihre Mutter stammte aus einer angesehenen bürgerlichen Familie in Troppau, der Vater war Lehrer einer sog. Bürgerschule in Wien. 63 Die Aktion „Weihnachten im Felde“ wurde meinen Informationen zufolge nur in den beiden ersten Kriegswintern groß angelegt durchgeführt. 64 Vgl. Holzer, Erziehung (wie Anm. 40), 40. Die gesichteten Archivalien und zeitgenössischen Publikationen weisen zwar zum Teil auch dafür das Kriegsfürsorgeamt als zentrale Instanz aus, in der ersten Zeit agierten andere Organisationen und Vereine aber offenbar zwar auf Anregung, aber ohne Koordination mit dieser Stelle. Ob in der österr.-ung. Monarchie ein Zentraldepot für ‚Liebesgaben‘ und deren Versand an die Fronten bestand wie für das Deutsche Reich in Berlin, konnte ich nicht eruieren. 65 Denscher, Gold (wie Anm. 7), 52, Abb. 49. Hervorhebung im Original. 66 Denscher, Gold (wie Anm. 7), 52, Abb. 49. 67 Feuerbach, Kindheitserinnerungen (wie Anm. 25), 11. Hervorhebung durch C. H. 68 Dass ‚Liebesgaben‘ in autobiografischen Texten von Männern nicht aufscheinen, könnte ebenso Ausdruck geschlechtsspezifischer Identifizierung mit einzelnen Kriegsfürsorgeaktionen sein, sowie Indiz für die unterschiedliche Bedeutungszumessung an Erzählenswertes. 69 Unter Soldaten des Deutschen Reiches soll dem Bericht eines britischen Kriegskorrespondenten zufolge sogar nachstehender Witz kursiert sein:

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„ [...] that nobody could get a bar of chocolate without agreeing to take a pair of socks as well.“ Vgl. Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 3), 283, zit. nach J. M. de Beaufort, Behind the German Veil: A Record of a Journalistic War Pilgrimage, New York 1918, 109. Für das Saarland vgl. Nimmesgern, „Konnt’ ich auch nicht Waffen tragen“ (wie Anm. 6), 84: Dort kam es am 8. 1. 1915 zu einer „Bekanntmachung betreffend freiwilliger Gaben für die Truppen im Felde“, dass „Wollsachen für die Truppen im Armeekorpsbezirk genügend gespendet worden seien“. Noch heute gelten, so scheint mir, selbst gestrickte Socken oder Pullover und dgl. als besonderer Beweis weiblicher Zuwendung und Liebe. Sylvia Glowacki, Kriegshilfsaktion der Grazer Frauen, in: Almanach (wie Anm. 1), 33–38, hier 34. Für die Steiermark siehe auch Abb. 2. Schwarz, Kriegsbild (wie Anm. 53), 144. Hervorhebung im Original. Eugenie Hrabal (Verein der deutschen Lehrerinnen in Mähren, Brünn), Vom Christkindlmarkt der deutschen Schuljugend Brünns, in: Almanach (wie Anm. 1), 68–72, hier 68. Schleifer, Kriegsbezogene Kindheitserinnerungen, (wie Anm. 23), 3. Zur kriegsstützenden Funktion der Feldpost zwischen den Geschlechtern vgl. u. a. Tramitz, Umgang (wie Anm. 58). Mehrere Beiträge in: Knoch, Kriegsalltag (wie Anm. 58), beschäftigen sich allgemein mit Feldpostbriefen. Bärbel Kuhn, „Die Freude am Krieg fehlte mir jemals“. Das Kriegserlebnis des Walter Brosin in seinen Feldpostbriefen 1914–1918, in: Stadtverband Saarbrücken/Regionalgeschichtliches Museum (Hg.), „Als der Krieg über uns gekommen war ...“ (wie Anm. 6), 95­­­­­–107, hat einen umfangreichen Bestand von (Liebes-)Briefen zwischen einem Soldaten der deutschen Wehrmacht und seiner Verlobten analysiert. Grete Witeschnik-Edlbacher, o. T., Manuskript der Doku, dat. 1991, 8. Auszugsweise veröffentlicht in: Hämmerle (Hg.), Kindheit (wie Anm. 18), 43–61. G. Witeschnik-Edlbacher, geb. 1908, entstammt dem städtischen Bürgertum in Wien und besuchte die Volksschule im Sacre-Coeur des dritten Gemeindebezirks. Marie Therese Schwarz-Karsten, Eindrücke eines Mädels vom 1. Weltkrieg, Manuskript der Doku, dat. 1988, veröffentlicht als „Meine Lehrerin war zugleich Gouvernante bei uns“, in: Tesar (Hg.), Hände (wie Anm. 26), 96–104, hier 101. M. Schwarz-Karsten ist adeliger Herkunft, ihr Vater war Rittmeister und Fabriksbesitzer. Sie wurde 1902 auf Schloss Weißenegg bei Wildon in der Steiermark geboren. Nimmesgern, „Konnt’ ich auch nicht Waffen tragen“ (wie Anm. 6), 82. Vgl. Denscher, Gold (wie Anm. 7), 50 u. 53, Abb. 50: „Spendet Liebesgaben für die Soldaten und ihre Angehörigen!“, wurde am 13. 5. 1915 verlautbart. Dann folgt die Auflistung: „Besonders erwünscht wären: Lebensmittel, Getränke, Rauchmaterialien, Kleider, Wäsche für Männer, Frauen und Kinder, Stoffe, Bettzeug, Spitalsartikel, Musikinstrumente usw.“ Siehe Abb. 6.

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Anmerkungen

79 Holzer, Erziehung (wie Anm. 40), 141. Im Deutschen Reich bestimmte eine Verfügung des Kriegsministeriums vom 2. 6. 1916 ‚Liebesgaben‘ als „Stiftungen ohne bestimmte Adresse“, für Lazarette und „einzelne Soldaten, die Sendungen aus der Heimat nur selten oder gar nicht erhalten“. Ihr Bedarf musste nunmehr auf dem Dienstweg „gemeldet“ und auf ausgegebene „Vordrucke (Wunschzettel)“ der „Etappeninspektion“, die an das „Zentraldepot für Liebesgaben in Berlin“ weitergeleitet wurden, „eingetragen werden“. Diese listeten, abgesehen von Obigem, u. a. Hosenträger, Zahnpulver, Haarbürsten, Taschenspiegel, Notizbücher, Briefpapier, Büchsenöffner, Kartenspiele, Zeitschriften etc. auf; über das „Liebesgabendepot“ konnte hier sogar das „Ausbessern der Feldwäsche“ besorgt werden. Alle Zitate aus: ÖStA, Kriegsarchiv (im Folgenden zit. als KA), Bibliothek, I 47901, Broschüre mit dem Titel „Liebesgaben“, gez. Frhr. von Freytag. 80 Vgl. für das Deutsche Reich z. B. Stoehr/Aurand, Opfer oder Täter? I u. II (wie Anm. 2), sowie Guttmann, Heimarmee (wie Anm. 2). 81 Nach Granitsch, Kriegsarbeit (wie Anm. 8), 40. Vgl. im Detail das Kapitel „Die Frauenhilfsaktion im Kriege“ in diesem Band. 82 Svoboda, Soldaten (wie Anm. 12), 50. Sie schätzt in diesem Zusammenhang lediglich die Haltung des links-liberalen Allgemeinen österreichischen Frauenvereins, zu dem u. a. Rosa Mayreder gehörte, als „rein pazifistisch“ ein, diejenige der Sozialdemokratinnen als „zwiespältig“. Eine differenzierte Analyse der – durchaus unterschiedlichen und ambivalenten – Haltung der sozialdemokratischen Frauen und der wenigen österr. Pazifistinnen, die am Haager Frauen-Friedenskongress 1915 teilnahmen, leistet Susan Zimmermann, Die österreichische Frauen-Friedensbewegung vor und im 1. Weltkrieg, in: Forum Alternativ (Hg.), Widerstand gegen Krieg und Militarismus in Österreich und anderswo, Wien 1982, 88–96. 83 Vgl. die jeweiligen Titel im Almanach (wie Anm. 1) bzw. die hier zusammengestellten Beiträge. 84 Petra Müller, Sind Frauen friedfertig?, in: beiträge zur feministischen theorie und praxis, 8 (1983): Gegen welchen Krieg – für welchen Frieden?, 27–32, hier 30. 85 Denscher, Gold (wie Anm. 7), 30 und Abb. 20. 86 Granitsch, Kriegsarbeit (wie Anm. 8), 41. 87 Für Deutschland vgl. die Zahlen bei Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 3), 28, die einen überproportional hohen Anteil der Frauenerwerbslosigkeit bis zum Einsetzen der Heeresaufträge belegen. Für Wien im August 1914 zitiert Iglseder-Hesz, Aspekte (wie Anm. 10), 31, eine Zahl von insgesamt 33.702 erwerbslosen Frauen und Männern. Erst in einer zweiten Phase, nach der Umstellung der Produktion auf die Kriegswirtschaft, kam es hier zu einem massiven Ansteigen der Frauenerwerbsarbeit. 88 Der „Nationale Frauendienst“ bezahlte den hier beschäftigten Arbeiterinnen angeblich sogar oft höhere Löhne als die Industrie. Vgl. Stoehr/ Aurand, Opfer oder Täter? I (wie Anm. 2), 46.

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Wäsche

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Soldaten

89 Einen nicht unbeträchtlichen Anteil an Geld, Wolle und Stoff brachten jedoch die Fraueninitiativen selbst auf, wofür sie Spendenaktionen und Sammlungen organisierten. Ich werde darauf im letzten Teil zurückkommen. 90 Lucie Laube, Im Hinterland, in: Almanach (wie Anm. 1), 84f., hier 85. 91 Granitsch, Kriegsarbeit (wie Anm. 8), 41. Sieder, Behind the lines (wie Anm. 19), 117, nennt für den Januar 1916 in Wien insgesamt 29 Nähstuben, die 2.000 bis 8.000 Frauen, zumeist als Heimarbeiterinnen, beschäftigt haben sollen. Vgl. das Kapitel „Die Frauenhilfsaktion im Kriege“ in diesem Band, der eine Bandbreite von mindestens 55 Näh-, Strick- und Pelzstuben, die für Wien recherchiert werden konnten, behandelt. 92 Granitsch, Kriegsarbeit (wie Anm. 8), 41. 93 Denscher, Gold (wie Anm. 7), 50. 94 ÖStA, KA, Fotosammlung, Nachlass Banhans, 5. Karl Frh. v. Banhans (1881– 1942) wurde später Eisenbahnminister. Das ihm von Alexander Schrom zugedachte „Gedenkbuch“ dokumentiert dessen patriotische Beflissenheit durch minutiöseste Auflistung der Ergebnisse und genaue Berechnung der Geldwerte aller nur denkbaren durchgeführten Aktionen für die Kriegsfürsorge, die er organisierte oder an denen er zumindest, seinen Ausführungen zufolge, maßgeblich beteiligt war. U. a. waren dies der ‚Labedienst‘ am Bahnhof, wiederholte Geldspenden an das Rote Kreuz und den k. k. österreichischen Militär-, Witwen- und Waisenfonds, sowie die Sammlung leerer Mineralwasserflaschen für das Rote Kreuz, die patriotischen Metall-, Woll- und Kautschuksammlungen, eine Spende für die U-Bootaktion, die Ausgabe von Kriegsbriefmarken und -postkarten, die Zeichnung von Kriegsanleihen, die Aktion „Gold gab ich für Eisen“, die Anbringung eines sog. Wehrmannsschwertes zur Benagelung gegen Geldspenden für das Rote Kreuz etc. Hier tat also ein – nicht eingerückter – Mann alles, um als eifrigster „Soldat des Hinterlandes“ zu erscheinen, sein Beispiel zeigt, dass solche Männer nicht unwesentlich an der Mobilisierung der ‚Heimatfront‘ beteiligt sein konnten. Es entsteht der Eindruck, dass Schrom gerade dadurch versucht haben könnte, seine eigene Einberufung zu verhindern. 95 Vgl. das Gedicht „Der Schal“ (wie Anm. 1). 96 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914, 4. Bogen. 97 Schwarz, Kriegsbild, in: Almanach (wie Anm. 1), 143f. Hervorhebung im Original. 98 Österreichische Volkszeitung, 29. 8. 1914, 10, zit. in: Svoboda, Soldaten (wie Anm. 12), 50. 99 Vgl. Brigitte Holl, Einführung, in: Heeresgeschichtliches Museum (Hg.), Die Frau im Krieg. Ausstellungskatalog, Wien 1986, 7–22, hier 14, wenn auch im Kontext einer apologetischen Perspektive. 100 Vgl. die breit angelegten und detaillierten, auch statistischen Untersuchungen von Grandner, Gewerkschaftspolitik (wie Anm. 11), und Unfried, Arbeiterprotest (wie Anm. 11).

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Anmerkungen

101 Vgl. Iglseder-Hesz, Aspekte (wie Anm. 10), 28f. 102 Vgl. Sieder, Behind the lines (wie Anm. 19), 111, auf der Basis von Zahlen. 103 Beatrix Bechtel, Emmy Freundlich, in: Edith Prost (Hg.), „Die Partei hat mich nicht enttäuscht ...“ Österreichische Sozialdemokratinnen, Wien 1989, 89–132, hier 102. 104 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914, „ReferentenErinnerung“, protokolliert am 27. 9. 1914. 105 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914, beigefügter „Einsichts-Bogen“. 106 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43490/1913/1914. 107 Alle diese Briefe und Berichte befinden sich wiederum in: ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 43217/1913/1914. 108 Glowacki, Kriegshilfsaktion (wie Anm. 70), 35. 109 ÖStA, AVA, MfKuU, 17 D2 in genere, Z. 3518/1916, Brief des KM – Kriegsfürsorgeamt an das MfKuU, dat. 25. 2. 1916. 110 Vgl. Denscher, Gold (wie Anm. 7), 50 u. 52, Abb. 48. 111 ÖStA, AVA, k. k. Ministerium des Innern (im Folgenden zit. als MdI), Z. 20916/1916, Brief der k. k. Statthalterei für Tirol und Vorarlberg, dat. 26. 4. 1916. 112 ÖStA, AVA, MdI, Z. 3837/1916, Beilage zum Brief der k. k. Landesregierung an das MdI, dat. 22. 1. 1916. 113 ÖStA, AVA, MdI, Z. 6944/1916, Beilage zum Brief der k. k. steiermärkischen Statthalterei an das MdI, dat. 8. 2. 1916. 114 Es ist auffallend, dass das Attribut „patriotisch“ in den dafür wiederum in die gesamte Monarchie vertriebenen Plakaten, Aufrufen und Zetteln sowie in den diesbezüglichen ministeriellen Akten kaum mehr aufscheint – als wäre der bis dato so überstrapazierte Begriff in dieser Zeit der andauernden militärischen Niederlagen und der beginnenden ‚Kriegsmüdigkeit‘, als auch die Versorgungsprobleme erstmals sehr gravierend wurden, bereits obsolet geworden. 115 ÖStA, AVA, MdI, Z. 22064/1916, Drucksache des KM – Kriegsfürsorgeamt: Zweite Woll- und Kautschuksammlung. 116 ÖStA, AVA, MdI, Z. 496/1916, Brief der k. k. Statthalterei in Böhmen an das MdI, dat. 12. 12. 1916. 117 ÖStA, AVA, MdI, Z. 19680/1917, Schreiben desselben über die „Neuorganisation für die Schafwollaufbringung für das österreichische Hinterland“ an das MdI, dat. 15. 5. 1917. 118 ÖStA, AVA, MdI, Z. 40892/1917, Schreiben des KM an das MdI, dat. 19. 6. 1917. 119 ÖStA, AVA, MdI, Z. 40892/1917, Schreiben des KM an das MdI, dat. 19. 6. 1917. 120 ÖStA, AVA, MdI Z. 58678/1917, Drucksache des KM – Kriegsfürsorgeamt: Wäsche für die Soldaten im Felde! 121 ÖStA, AVA, MdI, Z. 66201/1917, an das Präsidium des MdI.

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Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein …

122 ÖStA, AVA, MdI, Z. 9140/1918, Brief an das MdI, dat. 31. 1. 1918. 123 Iglseder-Hesz, Aspekte (wie Anm. 10), 55f.; Sieder, Behind the lines (wie Anm. 19), 117. 124 ÖStA, AVA, MdI, Z. 32541/1916. 125 ÖStA, AVA, MdI Z. 62139/1915, Brief der k. k. Statthalterei für Tirol und Vorarlberg an das MdI, dat. 27. Okt. 1915, und Brief des KM an das MdI, dat. 13. 11. 1915. 126 ÖStA, AVA, MdI, Z. 50193/1915, dat. 14. 9. 1915. 127 ÖStA, AVA, MdI, Z. 78541/1917, Brief der k. k. Statthalter im Erzherzogtum Österreich ob der Enns an das MdI, dat. 14. 12. 1917, und diesem beigelegte Abschrift der Schulleitung Peuerbach an den k. k. Bezirksschulrat in Grieskirchen, dat. 21. 11. 1917. 128 ÖStA, AVA, MdI, Z. 1325/1918, Brief des KM – Kriegsfürsorgeamt an das MdI, dat. 5. 1. 1918. 129 ÖStA, AVA, MdI, Z. 10267/1918, k. k. steiermärkische Statthalterei an das MdI, dat. 16. 2. 1918; ergänzt durch Z. 12349/1918, dat. 25. 2. 1918. 130 ÖStA, AVA, MdI, Z. 68385/1917, dat. 25. 10. 1917. 131 ÖStA, AVA, MdI, Z. 75759/1917, Note des MdI an das KM, dat. 3. 11. 1917, sowie Antwort darauf, dat. 30. 11. 1917. 132 ÖStA, AVA, MdI, Z. 75759/1917, dat. 30. 11. 1917. 133 Brigitte Wagner (Pseud.), Rückblick – Erinnerungen aus meinem Leben, unveröff. Manuskript der Doku, dat. 1986, 32. 134 Katharina Migerka (Präsidentin des Hilfsvereines für Lehrmädchen und jugendliche Arbeiterinnen, Wien), Was der große Krieg uns lehrt, in: Almanach (wie Anm. 1), 98f., hier 99.

Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein … 1 Ausschnitte aus der ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz an die damalige Volksschülerin Ella (Gabriele) Reichel (geb. 1905, Neulengbach), die sie in einem mit dem Reichsadler versehenen Album mit der Aufschrift „Kriegserinnerungen 1914–15“ gesammelt hat. Das heute in der Sammlung Frauennachlässe am Institut für Geschichte der Universität Wien archivierte Album enthält sowohl Korrespondenzkarten von mit ihr verwandten eingezogenen Soldaten, als auch solche von ihr zunächst unbekannten Soldaten, denen das Schulmädchen ‚Liebesgaben‘ geschickt hat. Vgl. auch Anm. 37. 2 Vgl. Sabina Loriga, Soldats. Un laboratoire disciplnaire: L’armée piémentaise au XVIIIe siècle, Paris 1991; dies., Soldaten in Piemont im 18. Jahrhundert, in: L’Homme. Z. F. G., 3, 1 (1992), 64–86; Ute Frevert, Soldaten, Staatsbürger. Überlegungen zur historischen Konstruktion von Männlichkeit, in: Thomas Kühne (Hg.), Männergeschichte – Geschlechtergeschichte. Männlichkeit im Wandel der Moderne, Frankfurt a. M. 1995, 69–87; Katrin Däniker/Marianne Rychner, Unter „Männern“. Geschlecht-

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liche Zuschreibungen in der Schweizer Armee zwischen 1870 und 1914, in: Rudolf Jaun/Brigitte Studer (Hg.), weiblich-männlich. Geschlechterverhältnisse in der Schweiz: Rechtssprechung, Diskurs, Praktiken, Zürich 1995, 159–170; Ruth Seifert, Gender, Nation und Militär – Aspekte von Männlichkeitskonstruktion und Gewaltsozialisation durch Militär und Wehrpflicht, in: Eckardt Opitz/Frank S. Rödiger (Hg.), Allgemeine Wehrpflicht. Geschichte, Probleme, Perspektiven, Bremen 1995, 199–214; Karen Hagemann, Nation, Krieg und Geschlechterordnung. Zum kulturellen und politischen Diskurs in der Zeit der antinapoleonischen Erhebung Preußens 1806–1815, in: Geschichte und Gesellschaft, 22 (1996), 562–591. Als Gesetz verankert wurde das Prinzip der Allgemeinen Wehrpflicht in Frankreich 1793, in Preußen 1814 und in Österreich-Ungarn 1868. Vgl. Roland G. Foerster (Hg.), Die Wehrpflicht. Entstehung, Erscheinungsformen und politisch-militärische Wirkung, München 1994; István Deák, Der k. (u.) k. Offizier. 1948–1918. Ins Deutsche übertragen von Marie-Therese Pitner, Wien/Köln/Weimar 1991, insbes. 60ff. Ute Frevert, Männergeschichte oder die Suche nach dem ,ersten‘ Ge schlecht, in: Manfred Hettling/Claudia Huerkamp/Paul Nolte u. a. (Hg.), Was ist Gesellschaftsgeschichte? Positionen, Themen, Analysen, München 1991, 31–43, hier 37, nennt das Militär an erster Stelle der „typischen männlichen Verkehrskreise[n], [...] in denen gewissermaßen Männlichkeit ‚pur‘ entfaltet wurde“. Die erste Bezeichnung findet sich vor allem in der Literatur zur österr.-ung. Monarchie, die zweite war im Deutschen Reich gebräuchlich. So hieß der gleich zu Kriegsbeginn erfolgte Zusammenschluss fast aller maßgeblichen Frauenvereine und Flügel der Frauenbewegung in Österreich-Ungarn. Vgl. z. B. Susan Zimmermann, Die österreichische FrauenFriedensbewegung vor und im 1. Weltkrieg, in: Forum Alternativ (Hg.), Widerstand gegen Krieg und Militarismus in Österreich und anderswo, Wien 1982, 88–96; Silvia Svoboda, Die Soldaten des Hinterlandes, in: Die Frau im Korsett. Wiener Frauenalltag zwischen Klischee und Wirklichkeit 1848–1920, Wien 1984, 50–53 u. 200–211; Ingrid Bauer, Frauen im Krieg. Patriotismus, Hunger, Protest – Weibliche Lebenszusammenhänge zwischen 1914–1918, in: Brigitte Mazohl-Wallnig (Hg.), Die andere Geschichte 1. Eine Salzburger Frauengeschichte von der ersten Mädchenschule (1695) bis zum Frauenwahlrecht (1918), Salzburg/München 1995, 283– 310; Christa Hämmerle, „Zur Liebesarbeit sind wir hier, Soldatenstrümpfe stricken wir“. Zu Formen weiblicher Kriegsfürsorge im Ersten Weltkrieg, Diss. (Univ. Wien) 1996, 259–284. Zum „Nationalen Frauendienst“ in Deutschland vgl. z. B. Barbara Guttmann, Weibliche Heimarmee. Frauen in Deutschland 1914–1918, Weinheim 1989, insbes. 117ff., 132ff.; Herrad-Ulrike Bussemer, „Weit hinter den Schützengräben“. Das Kriegserlebnis der bürgerlichen Frauenbewegung, in: Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.), August 1914. Ein Volk zieht in den

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Krieg, Berlin 1989, 136–146; Ute Daniel, Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft. Beruf, Familie und Politik im Ersten Weltkrieg, Göttingen 1989, 81ff. Nach George L. Mosse, Gefallen für das Vaterland. Nationales Heldentum und namenloses Sterben. Aus dem Amerikanischen von Udo Rennert, Stuttgart 1993, 11. Vgl. Hanna Hacker, Ein Soldat ist meistens keine Frau. Geschlechterkonstruktionen im militärischen Feld, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 20, 2 (1995), 45–63. Klaus Theweleit, Männerphantasien. Bd. 1: Frauen, Fluten, Körper, Geschichte, Basel/Frankfurt a. M. 1986 (19771), insbes. Kap. 1, 121–177. Regina Schulte, Die Schwester des kranken Kriegers. Krankenpflege im Ersten Weltkrieg als Forschungsproblem, in: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History, 7, 1 (1994), 83–100. Edith Saurer, Frauengeschichte in Osterreich. Eine fast kritische Bestandsaufnahme, in: L’Homme. Z. F. G., 4, 2 (1993), 37–63, hier 37. Françoise Thébaud, Der Erste Weltkrieg. Triumph der Geschlechtertrennung, in: Georges Duby/Michelle Perrot (Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 5: 20. Jahrhundert, hg. v. Françoise Thébaud, Frankfurt a. M./New York 1995, 33–91, hier 91. Thébaud, Der Erste Weltkrieg (wie Anm. 13), 38. Vgl. auch die ähnliche These bei Mosse, Gefallen für das Vaterland (wie Anm. 8), 79; Jo Vellacott, Feminist Consciousness and the First World War, in: History Workshop, 23 (1987), 81–101, hier 88. Zur Frage der ‚Emanzipation‘ von Frauen im und durch den Krieg vgl. u. a. auch Schulte, Die Schwester des kranken Kriegers (wie Anm. 11), 96; Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 7), 106ff.; Angelika Tramitz, Vom Umgang mit Helden. Kriegs(vor)schriften und Benimmregeln für deutsche Frauen im Ersten Weltkrieg, in: Peter Knoch (Hg.), Kriegsalltag. Die Rekonstruktion des Kriegsalltags als Aufgabe der historischen Forschung und der Friedenserziehung, Stuttgart 1989, 85–113, hier 101ff. Thébaud, Der Erste Weltkrieg (wie Anm. 13), 57. Vgl. auch das Konzept der Doppelhelix zur Versinnbildlichung des vorübergehenden und oberflächlichen Charakters der Veränderung der Geschlechterbeziehungen im Krieg, formuliert von Margret R. Higonnet u. Patrice L.-R. Higonnet, in: Margret R. Higonnet/Jane Jenson/Sonya Michel u. a. (Hg.), Behind the Lines. Gender and the Two World Wars, New Haven/London 1987, 31–47. Vgl. das Kapitel „Wäsche für Soldaten“ in diesem Band. Zu den daran anknüpfenden, weiterführenden Forschungsarbeiten vgl. Hämmerle, „Zur Liebesarbeit ...“ (wie Anm. 6). Zu ‚Liebesgaben‘ im Ersten Weltkrieg vgl. auch Susanne Nimmesgern, „Konnt’ ich auch nicht Waffen tragen, half ich doch die Feinde schlagen“. Kriegsalltag an der Heimatfront, in: Stadtverband Saarbrücken/Regionalgeschichtliches Museum (Hg.), „Als der Krieg über uns gekommen war ...“ Die Saarregion und der Erste Weltkrieg, Saar-

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brücken 1993, 81–92, insbes. 81ff.; Eckhard Emminger, „Und der ganze Unterricht muß auf die große Uhr des Weltkriegs eingestellt werden!“ Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf die Volksschule im Königreich Bayern 1914 bis 1918, 2 Bde., Diss. (Univ. Regensburg) 1987, insbes. 300– 311; Thébaud, Der Erste Weltkrieg (wie Anm. 13), 60, unter Verwendung des Begriffs „Feldpaket“. Paul Zifferer, Neue Freie Presse v. 29. 10. 1914, unter dem Titel „Kälteschutz“ veröffentlicht in: Kälteschutz 1914–1915, hg. von der Hilfsaktion des Kriegsfürsorgeamtes „Kälteschutz“, Wien o. J., 9–15, hier 15. Beide Abschnitte basieren großteils auf Hämmerle, „Zur Liebesarbeit ...“ (wie Anm. 6). Allein für das Deutsche Reich nennt Bernd Ulrich, Feldpostbriefe im Ersten Weltkrieg. Bedeutung und Zensur, in: Knoch (Hg.), Kriegsalltag (wie Anm. 14), 40–75, hier 43, auf einschlägige Literatur gestützt folgende Zahlen: Über die ganze Zeit des Kriegs hinweg sollen insgesamt etwa 28,7 Milliarden „Sendungen aller Art“ zwischen Front, Etappe und Heimat hin- und hergeschickt worden sein, wobei „Briefe, Karten, Telegramme und Pakete“ aus der Heimat überwogen; es waren ungefähr 9,9 Millionen Sendungen täglich! In umgekehrter Richtung waren es pro Tag etwa 6,8 Millionen Sendungen. Ulrich, Feldpostbriefe (wie Anm. 20); Gustav Spann, Zensur in Österreich während des I. Weltkriegs 1914–1918, Diss. (Univ. Wien) 1972, 113ff. Ulrich, Feldpostbriefe (wie Anm. 20), 49. Zit. nach: Lucy Reitinger, „Immer ran, immer ran an den Feind“, in: Ein Volk klagt an! Fünfzig Briefe über den Krieg, Wien/Leipzig 1931, 23. Vgl. die zahlreichen Beispiele bei Jakob Loewenberg, Kriegstagebuch einer Mädchenschule, Berlin 1916, 24ff. Vgl. Loewenberg, Kriegstagebuch (wie Anm. 23), 32ff. Vgl. Loewenberg, Kriegstagebuch (wie Anm. 23), 73 u. 49f. 35. Jahresbericht des Mädchenlyzeums des Wiener Frauen-Erwerb Vereins. Schulnachrichten von Joh. Bapt. Degn, Direktor, am Schluß des Schuljahres 1914/15, Wien 1915, 12: Karte vom 26. Dezember 1914 aus Krakau-Podgórze im Namen des „k. k. Landsturmmarschbataillon Nr. 18“. Rechenschafts-Bericht des Wiener Frauen-Erwerb-Vereins für das Jahr vom 1. September 1914 bis 31. August 1915, Wien 1915, 6: Verweis auf die als Reaktion auf 17 abgegebene „Kisten mit Liebesgaben für je 250 Mann“ erhaltenen Dankesschreiben „von zahlreichen Offizieren und Soldaten“. „... Und Friede den Menschen ...“ Weihnachten und Jahreswechsel im 1. Weltkrieg. Postkarten, Photos, Erinnerungen, Heeresgeschichtliches Museum Wien, Sonderausstellung vom 10. 12. 1992 bis 2. 2. 1993, Exponat der Ausstellung, bezeichnet mit ST: ÖFP 52. Die Karte datiert vom 17. 1. 1915, stammt von einem in Russland stationierten „Feldkanonenregiment Nr. 2“ und wurde an die 5. Volksschulklasse des Instituts St. Maria in St. Pölten adressiert.

Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein …

29 V gl. als eine neue Ausgabe: Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit: Bühnenfassung des Autors, hg. v. Eckart Früh, Frankfurt a. M. 1992. 30 Von den im 35. Jahresbericht des Mädchenlyzeums (wie Anm. 26), 11ff. veröffentlichten neun Antwortschreiben aus dem Felde sind sieben in Gedichtform gehalten. 31 35. Jahresbericht des Mädchenlyzeums (wie Anm. 26), 13f. 32 Vgl. Mosse, Gefallen für das Vaterland (wie Anm. 8), 155ff., hier 157. 33 Waltraud Amberger, Männer, Krieger, Abenteurer. Der Entwurf des „soldatischen Mannes“ in Kriegsromanen über den Ersten und Zweiten Weltkrieg, Frankfurt a. M. 19913, 5. 34 Mosse, Gefallen für das Vaterland (wie Anm. 8), 155 u. 164. 35 Vgl. auch Hämmerle, „Zur Liebesarbeit ...“ (wie Anm. 6), 198ff. 36 Einen Prozess der Überschreitung vorgegebener Erziehungsabsichten zugunsten individueller Interessen hat Phillipe Lejeune für Mädchentagebücher des 19. Jahrhunderts in Frankreich konstatiert. Vgl. ders., Le Moi des Demoiselles. Enquête sur le journal de jeune fille, Paris 1993; ders., French Girl’s Diaries in the 19th Century: Constitution and Transgression of a Genre, in: Christa Hämmerle (Hg.), Plurality and Individuality. Autobiographical Cultures in Europe, Wien 1995, 42–50. 37 So schrieb am 7. 5. 1915 ein österreichischer Soldat an eine Schülerin namens Gabriele (Ella) Reichel. Ihr „Kriegsalbum“, in dem sie eifrig verschiedene Feldpostkarten von verwandten und bekannten ebenso wie von mehreren unbekannten Soldaten gesammelt hat, befindet sich heute in der Sammlung Frauennachlässe am Institut für Geschichte im Nachlass 38 V. Vgl. auch die in Anm. 1 zitierten weiteren Ausschnitte aus der in diesem Album dokumentierten ‚Liebesgaben‘-Korrespondenz. 38 Vgl. Jo Mihaly, „... da gibt’s ein Wiedersehn!“ Kriegstagebuch eines Mädchens 1914–1918, Freiburg/Heidelberg 1982, 126f., 139f., 151f. (Schreiben der Schwester des Soldaten an die Autorin) u. 191. Von der Authenzitität dieses Tagebuches ging auch der Kriegshistoriker Peter Knoch aus. Vgl. ders., Kinder im Krieg 1914–18. Zwei Mädchen schreiben Kriegstagebuch, in: Gerhard Hergenröder/Eberhard Sieber (Hg.), Varia historica. Beiträge zur Landeskunde und Geschichtsdidaktik. Rainer Jooß zum 50. Geburtstag, Plochingen 1988, 443–488. 39 Mihaly, „... da gibt’s ein Wiedersehn!“ (wie Anm. 38), 205, dat. 5. 1. 1916. 40 Das zeigt der von Franz Schuhmann edierte Feldpostbestand einer Familie aus den Jahren des Ersten und Zweiten Weltkriegs, mit dem treffenden Titel: „Zieh dich warm an“. Soldatenpost und Heimatbriefe aus zwei Weltkriegen. Chronik einer Familie, Berlin 1989. Zur Bedeutung der Feldpost für die physische Reproduktion im Felde vgl. auch Edith Hagener, „Es lief sich so sicher an Deinem Arm“. Briefe einer Soldatenfrau 1914, Weinheim/ Basel 1986; Zum Andenken an Robert R. v. Winterhalder. Seine Kriegskorrespondenz und seine Dichtungen, hg. v. seinem Vater, Wien 1916. 41 Schuhmann, „Zieh dich warm an“ (wie Anm. 40), 36.

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Anmerkungen

42 M osse, Gefallen für das Vaterland (wie Anm. 8), 97 u. 13. 43 Theweleit, Männerphantasien (wie Anm. 10). 44 Oskar Höcker, An der Spitze meiner Kompanie. Drei Monate Kriegerlebnisse, Berlin/Wien 1914. Höcker war an der Besetzung Belgiens, dann am Vordringen der Deutschen nach Frankreich beteiligt. 45 Höcker, An der Spitze (wie Anm. 44), 112f. (das Geschehen in der Etappe knapp hinter der „Gefechtslinie“ von Chauny beschreibend), 244 u. 237 (im Schützengraben von Messines), 173 u. 225; vgl. auch 159, 237, 246. 46 Höcker, An der Spitze (wie Anm. 44), 258 (vor den Schützengräben um Messines). 47 Höcker, An der Spitze (wie Anm. 44), 13 (die Fahrt der Truppen nach Belgien beschreibend). 48 Vgl. die im Folgenden zitierten Kriegsmemoiren und Kriegstagebücher sowie Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 7), 3 u. 283 (Anm. 37); Nimmesgern, „Konnt’ ich auch nicht Waffen tragen ...“ (wie Anm. 17), 84. Zu den mit ‚Liebesgaben‘ relativ gut versorgten Frontgebieten, wo vor allem österrung. Einheiten stationiert waren, gehörten im Kriegsjahr 1914/15 Gebiete in den Karpaten und entlang der serbischen Front. 49 Ernst Jünger, In Stahlgewittern, Stuttgart 199637, 128: „... denn ich fühlte mich in meiner Kompanie wie in einer Familie“; vgl. auch 289. 50 Jünger, In Stahlgewittern (wie Anm. 49), 58, 311 u. 142 (zur Charakteristik der Engländer); vgl. auch 236, 278. 51 Jünger, In Stahlgewittern (wie Anm. 49), 232, 141 u. 274. 52 Jünger, In Stahlgewittern (wie Anm. 49), 131. 53 Jünger, In Stahlgewittern (wie Anm. 49), 186. 54 Jünger, In Stahlgewittern (wie Anm. 49), 262 (angesichts einer Familienfotografie, die ihm ein schwer verletzter Engländer im Kampf entgegenhielt) u. 148. 55 Vgl. Bernd Hüppauf, Schlachtenmythen und die Konstruktion des „Neuen Menschen“, in: Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich/Irina Renz (Hg.), Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch ... Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Essen 1993, 74f. 56 Manfred Hettling/Michael Jeismann, Der Weltkrieg als Epos. Philipp Witkops „Kriegsbriefe gefallener Studenten“, in: Hirschfeld/Krumeich/Renz (Hg.), Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch ... (wie Anm. 55), 175–198, hier 181. 57 Richard Bessel, Die Heimkehr des Soldaten: Das Bild der Frontsoldaten in der Öffentlichkeit der Weimarer Republik, in: Hirschfeld/Krumeich/Renz (Hg.), Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch ... (wie Anm. 55), 221–239, hier 233. 58 Gerhard Hirschfeld, Vorwort, in: ders./Krumeich/Renz (Hg.), Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch ... (wie Anm. 55), 7. 59 Gerhard Hirschfeld, Vorwort (wie Anm. 58), 7; vgl. auch Ulrich, Feldpostbriefe (wie Anm. 20), 40. Hinweise darauf finden sich auch in den

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Kriegsaufzeichnungen selbst. Die derzeitige Forschungslage ist allerdings eine relative, da noch ungeklärt ist, inwieweit auch frühere Kriegszeiten zu autobiografischen Schüben führten – selbst in gesellschaftlichen Unterschichten. Vgl. die Edition von Jan Peters (Hg.), Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte, Berlin 1993, der dieses Zeugnis allerdings als Seltenheit wertet. Vgl. auch Benigna von Krusenstjern, Was sind Selbstzeugnisse? Begriffskritische und quellenkundliche Überlegungen anhand von Beispielen aus dem 17. Jahrhundert, in: Historische Anthropologie, 2, 3 (1994), 462–471. In der Wiener Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen, wo vorwiegend unveröffentlichte Manuskripte der popularen Autobiografik gesammelt werden, existiert eine größere Zahl von Kriegsaufzeichnungen zum Ersten Weltkrieg; einige dieser Texte ziehe ich in der Folge für meine Analyse heran. Vgl. die meines Wissens singulär gebliebene Edition aus dem Jahr 1931, mit dem Titel „Ein Volk klagt an!“ (wie Anm. 23). Hier sind Ausschnitte aus 50 Erinnerungstexten in Briefform wiedergegeben, die hauptsächlich von Mannschaftssoldaten des Ersten Weltkriegs stammen und die Schrecken des Krieges 1914/18 in unterschiedlichen Dimensionen darstellen. Hettling/Jeismann, Der Weltkrieg als Epos (wie Anm. 56), 187. Als ein solches Beispiel aus Österreich vgl. etwa Alois Öller, Kriegserlebnisse eines Vierzehners, o. O. 1919. Zum Dolchstoß vgl. z. B. Bernhard Denscher, Gold gab ich für Eisen. Österreichische Kriegsplakate 1914–1918, Wien/München 1987, 7; Bessel, Die Heimkehr (wie Anm. 57), 221ff. Wolfram Wette (Hg.), Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, München 1992. Entgegen einem Ansatz, der postuliert, dass Militärgeschichte bis dato ausschließlich aus der Perspektive ‚von oben‘ betrieben wurde, betonte Bernd Ulrich zu Recht die Instrumentalisierung der Perspektive ‚von unten‘ in der Rezeptionsgeschichte von Feldpostbriefen des Ersten Weltkriegs: vgl. ders., „Militärgeschichte von unten“. Anmerkungen zu ihren Ursprüngen, Quellen und Perspektiven im 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft, 22 (1996), 473–503. Vgl. insbes. Dominik Richert, Beste Gelegenheit zum Sterben. Meine Erlebnisse im Kriege 1914–1918, hg. v. Angelika Tramitz u. Bernd Ulrich, München 1989. Diese Aufzeichnungen wurden bald nach dem Ersten Weltkrieg niedergeschrieben und kolportieren die Mär vom „Dolchstoß in den Rücken des kämpfenden Heeres“ gerade nicht, wie die Herausgeber/ innen 407f. betonen. Vgl. Fritz Fellner, Der Krieg in Tagebüchern und Briefen. Überlegungen zu einer wenig genützten Quellenart, in: Klaus Amann/Hubert Lengauer (Hg.), Österreich und der Große Krieg 1914–1918. Die andere Seite der Geschichte, Wien 1989, 205–213. Hermann Löns, Leben ist Sterben, Werden, Verderben. Das verschollene Kriegstagebuch, hg. v. Karl-Heinz-Janßen u. Georg Stein, Berlin 1988, 95 (Kommentar der Herausgeber). Trotz seines Alters von 48 Jahren war Löns,

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ein bekannter niedersächsischer Autor, im August 1914 als Kriegsfreiwilliger eingerückt. Er fiel nach knapp zwei Monaten bei Loivre vor Reims. Löns, Leben ist Sterben (wie Anm. 66), 63, // beinhaltet Textergänzungen der Herausgeber. Vgl. Deutsche Volkskunst. Neue Folge. Steiermark. Text & Bildersammlung von Viktor Theiß, Weimar o. J. [um 1940]; Klaus Beitl, Liebesgaben. Zeugnisse alter Brautkunst, Salzburg 1974. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm u. Wilhelm Grimm, Bd. 6, Leipzig 1985, Spalte 946. Raimund Klaus, Das Rote Buch des Krieges 1914–1918, unveröff. MS-Manuskript der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen (im Folgenden zit. als Doku), 30. Das Manuskript hat insgesamt 100 Seiten und stellt den dritten Band der Autobiografie des Autors dar. Hans Haugeneder, Tagebuch 1916–1918, 1. Die Abschrift von Erika Kautzky in der Doku umfasst 89 MS-Seiten. Haugeneder, Tagebuch ( wie Anm. 71), 10. Richert, Beste Gelegenheit (wie Anm. 64), 22 (für den 12. August 1914 und die Zeit der Schlachten bei Mühlhausen in Elsass-Lothringen). Richert, Beste Gelegenheit (wie Anm. 64), 91f. (für das Frühjahr 1915). Oskar Schmilauer, Heil ins Feld. Erinnerungen eines Kriegsfreiwilligen, Wien 1934, 20. Öller, Kriegserlebnisse (wie Anm. 62), 36 u. 86. Richert, Beste Gelegenheit (wie Anm. 64), 79f. Das obere Elsass, in dem Richerts Heimatdorf Sankt Ulrich lag, wurde bereits zu Kriegsbeginn von französischen Truppen besetzt. Richert hatte daher immer wieder über längere Zeiträume hinweg keine Verbindung zu seiner Familie und erhielt keine Pakete von daheim. Richert, Beste Gelegenheit (wie Anm. 64), 198 (Weihnachten 1915, Ausbildungszeit für MP in Pillau), 222 (Weihnachten 1916, an der russischen Front), 269 (Weihnachten 1917, im besetzten Riga). Jünger, In Stahlgewittern (wie Anm. 49), 194. Vgl. die autobiografischen Texte von Frauen der entsprechenden Generation in: Christa Hämmerle, Kindheit im Ersten Weltkrieg, Wien/Köln/Weimar 1993, erschienen als Bd. 24 der Reihe „Damit es nicht verlorengeht ...“. Johann Obermüller, Kriegserlebnisse im Weltkriege 1914–1918, unveröff. MS-Manuskript der Doku, 28. Öller, Kriegserlebnisse (wie Anm. 62), 70; vgl. auch 41, 51. Richert, Beste Gelegenheit (wie Anm. 64), 78. Richert, Beste Gelegenheit (wie Anm. 64), 100; vgl. auch 99ff., sowie das Kap. „38 Grad Kälte–Januar 1917“, 233ff. Tramitz, Vom Umgang mit Helden (wie Anm. 14), hier 106. Das Problem der soldatischen Sexualität wird auch behandelt bei Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 7), 139ff. Vgl. Theweleit, Männerphantasien (wie Anm. 10), Kap. 1, 12ff.

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ichert, Beste Gelegenheit (wie Anm. 64), 79 (für Kriegsweihnachten 1914). R Höcker, An der Spitze (wie Anm. 44), 159. Vgl. Hämmerle, Kindheit im Ersten Weltkrieg (wie Anm. 80), 99 u. 125. Deutlich wird dies in umfangreichen privaten Feldpostbeständen. Vgl. Margit Sturm, Lebenszeichen und Liebesbeweise aus dem Ersten Weltkrieg. Zur Bedeutung von Feldpost und Briefschreiben am Beispiel der Korrespondenz eines jungen Paares, Dipl. (Univ. Wien) 1991; Bärbel Kuhn, „Die Freude am Krieg fehlte mir jemals.“ Das Kriegserlebnis des Walter Brosin in seinen Feldpostbriefen 1914–1918, in: Stadtverband Saarbrücken/ Regionalgeschichtliches Museum (Hg.), „Als der Krieg über uns gekommen war ...“ (wie Anm. 17), 94–107. 92 Daniel, Arbeiterfrauen (wie Anm. 7), 151. 93 Frevert, Soldaten (wie Anm. 2), 70.

Fritz Weber – ein österreichischer Remarque? 1 Ernst Jünger, In Stahlgewittern, Stuttgart 199637, 158f. 2 Vgl. die ausgezeichnete historiografiegeschichtliche Studie von Oswald Überegger, Vom militärischen Paradigma zur ‚Kulturgeschichte des Krieges‘? In: ders. (Hg.), Zwischen Nation und Region. Weltkriegsforschung im interregionalen Vergleich. Ergebnisse und Perspektiven, Innsbruck 2004, 63–122, hier 91 bzw. 96; sowie Rudolf Jerábek, Österreichische Weltkriegsforschung, in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München 1994, 953–971. Eine ähnlich kritische Bilanz zur allgemeinen Rückständigkeit der österreichischen Militärgeschichte zog Michael Hochedlinger, Kriegsgeschichte – Heereskunde – Militärgeschichte? Zur Krise militärhistorischer Forschung in Österreich, in: Zeitschrift für Heereskunde, 63 (1999), 41–45. 3 Leider konnte das nicht exakt belegt werden; die mir vorliegenden Hinweise darauf sind widersprüchlich. Vgl. zum einen die – auch fehlerhaften – Angaben zu Fritz Weber in: Peter Broucek/Kurt Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, Köln/Weimar/Wien 2000, 98, wo u. a. davon die Rede ist, dass Weber mit seinem Œuvre den „Subalternoffizier oder auch Reserveoffizier der Infanterie“ repräsentiert. In der dazu gehörigen Fußnote wird er als k. u. k. Oberleutnant und als „Hauptmann der Reserve des Deutschen Heeres“ ausgewiesen. Webers Grundbuchblatt ist seit einer Aushebung im Jahr 1999 leider „in Verstoß geraten“, wie man mir im Wiener Kriegsarchiv mitteilte, und konnte daher nicht eingesehen werden. Der Eintrag in Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/ wiki/Fritz_Weber, stammt vermutlich aus dem verwandtschaftlichen Umfeld des Schriftstellers; darin wird ausgesagt, dass er am Ende des Ersten Weltkriegs im Rang eines Hauptmanns war. Seine eigenen Angaben dazu differieren ebenfalls (vgl. Anm. 34).

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Anmerkungen

4 Alle diese Werke sind in der angegebenen Reihenfolge erstmals erschienen im Steyrermühl-Verlag, Tagblatt-Bibliothek, Leipzig/Wien/Berlin o. J. Die angegebene Literatur (wie Anm. 3) und die Ausgaben des „Who Is Who“ aus den 1950er-Jahren enthalten diesbezüglich mehrfach unterschiedliche oder falsche Jahresangaben, wie die Durchsicht der zeitgenössischen Rezensionen zu Webers ersten Werken im Tagblatt-Archiv der Wiener Stadtund Landesbibliothek belegt, aus denen im Folgenden noch zitiert werden wird. Im selben Verlag Steyrermühl erschienen Webers erstgenannte Kriegsbücher schon 1933 zusätzlich in einem Sammelband: Fritz Weber, Das Ende der Armee. Ein Volksbuch vom österreichisch-italienischen Kriege 1915–1918, Leipzig/Wien/Berlin 1933. 5 Die letzten beiden erschienen, wiederum ohne Jahresangabe, erstmals im Artur-Kollitsch-Verlag, Klagenfurt/Wien. 6 Nach ersten schriftstellerischen Versuchen wie dem Stück „Morgenröte. Ein deutsches Heldenlied“ (angeblich ab 1924 aufgeführt) erschienen laut Wikipedia (wie Anm. 3) als Romane „Die Toten der Svea“ (1930), „Die Trommel Gottes“ (1936), „Im Feuerkreis der Liebe“ (1938), „Der römische Brunnen“ (1943), „Der zerrissene Himmel“ (1948), „Der Mann von Rinn“ (1949), „Der Berg schweigt“ (1951), „Die Irrfahrt des Martin Rupp“ (1952), „Das Paradies ohne Engel“ (1957), „Unsterbliche Geliebte du!“ (1960). Zu den hier ebenfalls aufgelisteten vier Romanen, die Luis Trenker als Autor zugeschrieben werden, vgl. weiter unten (Anm. 117). Diese Liste dürfte nicht vollständig sein, da Fritz Weber selbst in einem im Juli 1936 verfassten „Lebenslauf“ zur Eingabe an die Reichsschrifttumskammer zwei andere Romane, nämlich „Stillander rächt sich“ (erschienen bei Scherl, Berlin) und „Antarktis“ (erschienen in der Deutschen Verlagsgesellschaft, Stuttgart), allerdings ohne Erscheinungsjahr, angibt. Für die Recherche dieser Akte aus dem Berlin-Document-Center, Bundesarchiv Berlin, POL, Ordner Nr. 1702, 5125 A, danke ich Michaela Zumpf (Wien). 7 Er war u. a. Mitarbeiter der Neuen Freien Presse und der Wochenendausgabe des Wiener Tagblatts sowie ab 1933 – nach eigenen Angaben – Schriftleiter der Volkszeitung. In den Jahren von 1934 bis 1939 arbeitete er dann in München als Redakteur der Welt am Sonntag. In einem der Akte zu Fritz Weber im Berlin-Document-Center (wie Anm. 6) als Nr. 6 beiliegenden Fragebogen für Mitglieder der Reichsschrifttumskammer vom September 1936 gab Weber außerdem an, „durch Vermittlung des Horn-Verlag[es], Berlin, in etwa 70 deutschen Zeitungen“ veröffentlicht zu haben. 8 So erschien etwa Fritz Weber, Das Ende der Armee, Leipzig/Wien/Berlin o. J. [1931] auch 1936, 1942 und als Neuauflage: Das Ende der alten Armee, Salzburg 1959. Nach 1945 erschien das laut Zusatz im Untertitel von Weber verfasste und mehrmals neu aufgelegte Buch „Hurra, die Gams! Ein Gedenkbuch für die Soldaten der 5. Gebirgsdivision“ von Julius Ringel, General der Gebirgstruppen a. D., geschrieben von Fritz Weber, Graz/Göt-

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tingen 1956. Dessen 8. Auflage erschien 1984. Auf dieses Buch wird weiter unten noch einmal eingegangen (vgl. Anm. 116). Reichspost v. 20. 3. 1938, 12: „Vier Jahre Waffenbrüderschaft“. Hier kommt Weber in Form eines Interviews zu Wort. Vgl. Wikipedia (wie Anm. 3), unter Angabe der italienischen Titel „Tappe della disfatta“, „Dal Monte Nero a Caporetto“ und „Guerra sulle Alpi“. Die Bezeichnung ‚Gebirgskrieger‘ steht in Teilen der Literatur wie in diesem Beitrag für mehr als die speziell für die Kriegsführung im Hochgebirge ausgebildeten k. u. k. Gebirgstruppen, denen auf italienischer Seite die Alpini entsprachen. In einer breiteren Definition meint dieses zum wirkmächtigen Mythos geronnene Konstrukt im Prinzip all jene Soldaten des Ersten Weltkriegs, die an der langen Front vom oberen Isonzo bis zum Ortler zum Einsatz kamen. Die Zusammensetzung dieser Truppen war sehr unterschiedlich und änderte sich im Laufe des Krieges immer wieder. Nur ein geringer Teil war auch speziell für den Gebirgskrieg ausgebildet worden. Vgl. die einschlägigen Kapitel in: Manfried Rauchensteiner, Der Tod des Doppeladlers. Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg, Sonderausgabe, Graz/Wien/Köln 1997; ders., Österreich-Ungarn, in: Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich/Irina Renz (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2003, 64–86; Wolfgang Etschmann, Die Südfront 1915– 1918, in: Klaus Eisterer/Rolf Steininger (Hg.), Tirol und der Erste Weltkrieg, Innsbruck/Wien/München u. a. 1995, 27–60. Zum hohen Grad an Mythologisierung und Legendenbildung innerhalb der österreichischen Weltkriegshistoriografie generell: Überegger, Vom militärischen Paradigma (wie Anm. 2), insbes. 70–97, sowie ders., Tabuisierung – Instrumentalisierung – verspätete Historisierung. Die Tiroler Historiographie und der Erste Weltkrieg, in: Geschichte und Region/storia e regione, 11 (2002), 127–147, insbes. 128–132. Hans-Georg Hofer, Nervenschwäche und Krieg. Modernitätskritik und Krisenbewältigung in der österreichischen Psychiatrie (1880–1920), Wien/Köln/Weimar 2004, 271– 282, unterscheidet – wohl richtungweisend für die neuere österreichische Weltkriegshistoriografie – zwei zu Mythen geronnene „Kriegertypen“, nämlich den „Dolomitenkämpfer“ und den „Isonzokrieger“, denen er verschiedene Männlichkeitskonzepte zuordnet; vgl. auch die Anmerkungen weiter unten (Anm. 92ff.). In Fortsetzungen erschien „Im Westen nichts Neues“ schon 1928 in der Vossischen Zeitung. Nach der Buchausgabe wurde der Roman noch im Jahr 1929 unter der Regie von Lewis Milestone in Hollywood verfilmt. Mitte der 1930er-Jahre waren bereits über eine Million Buchexemplare verkauft. Die Kategorisierung „linker Frontroman“ übernehme ich von Thomas Kühne, Kameradschaft. Die Soldaten des nationalsozialistischen Krieges und das 20. Jahrhundert, Göttingen 2006, z. B. 41, wo auch darauf hingewiesen wird, dass „die linken Frontromane um 1930 eine ungleich größere Resonanz [hatten] als der organisierte Pazifismus um 1920“

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und dass „Im Westen nichts Neues“ in Deutschland bald nach Erscheinen „praktisch jedem Jugendlichen“ bekannt“ war. Kühne erklärt diese Popularität in seiner im ersten Teil der Studie vorgenommenen Analyse des Romans v. a. mit dessen Ambivalenz bzw. Uneindeutigkeit sowie dem Umstand, dass der von Remarque und anderen linksliberalen Antimilitaristen konstruierte Kameradschaftsmythos für das „rechte Lager“ Deutschlands letztlich doch anschlussfähig blieb, da sich „der linke Gegenmythos in den bellizistischen Fängen des rechten Modells [verhedderte]“ (ebd., 58). Das stellt einen Aspekt des Remarque’schen Romans und seiner Rezeption dar, der nicht das Thema dieses Beitrages sein kann. Arbeiterzeitung v. 28. 7. 1933, 7: „Isonzo 1915“. Neue Freie Presse v. 7. 10. 1934, 30. Die mir vorliegende Ausgabe erschien wiederum in der Tagblatt-Bibliothek des Steyrermühl-Verlags, Leipzig/Wien/Berlin o. J. Vgl. jetzt z. B. http://www.militaerbuch.com/buecher/erster-weltkrieg/deralpenkrieg.php. Indirekt schlagen auch Broucek/Peball, Geschichte (wie Anm. 3), 98, in die Kerbe einer Gleichsetzung von Remarque und Weber. Es ist hier davon die Rede, dass Fritz Weber auch „Berater des Filmemachers und Schriftstellers Luis Trenker [war], was den Kriegsfilm ‚Berge in Flammen‘ (1931) betrifft, wohl dem Pendant zu ‚Im Westen nichts Neues’“. Diese Beratertätigkeit konnte nicht verifiziert werden. In Wikipedia (wie Anm. 3) ist hingegen vermerkt, dass Weber der Autor des Drehbuchs zu Trenkers Film „Der Rebell“ (1932) war. Der Kriegseinsatz Webers konnte leider weder direkt aus einer Qualifikationsliste noch aus dem Grundbuchblatt rekonstruiert werden, da beides im Wiener Kriegsarchiv nicht vorhanden bzw. verloren gegangen ist (vgl. Anm. 3). Vgl. Wikipedia (wie Anm. 3); vgl. auch: Weber, Lebenslauf (wie Anm. 6): „Sämtliche Vorfahren väterlicherseits waren Bauern und Webermeister im niederösterreichischen Waldviertel, mütterlicherseits Offiziere und Beamte in Wien.“ Dem Lebenslauf zufolge hatte Weber die Volksschule und das Unter-Gymnasium besucht. Vgl. Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Kriegsarchiv (KA), S. W. 17 755 (Kt. 25), 11365/16, Belohnungsantrag v. 9. 6. 1916. Der Werkskommandant von Verle vermerkt darin am 9. 6. 1916, dass Weber „seit 23. Mai 1915 bis heute am Plateau von Lafraun“ eingesetzt war. Für eine zur Verfügung gestellte Kopie des Hauptgrundbuchblatts von Luis Trenker aus dem Tiroler Landesarchiv danke ich Oswald Überegger. Vgl. ÖStA, KA, Belohnungsantrag v. 9. 6. 1916 (wie Anm. 20) sowie ein weiterer hier archivierter Belohnungsantrag schon v. 26. 8. 1915 mit der Nr. 231491 (MBA 231.491, Kt. 113). Vgl. Erwin Anton Grestenberger, K. u. k. Befestigungsanlagen in Tirol und Kärnten 1860–1918, Wien 2000, 43. Auch Fritz Weber, Granaten und Lawinen, Leipzig/Wien/Berlin o. J. [1932], 30, spricht davon, dass alles in

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allem „zweiundvierzig Leute [...], darunter fünfzehn Rekruten“ im Werk zurückblieben. Grestenberger, Befestigungsanlagen (wie Anm. 22), 41. Im Unterschied zum tschechischen Werkskommandanten von Lusern, Oberleutnant Emanuel Nebesar, wurde Giebermann wegen seines damaligen Verhaltens allerdings nicht vor ein Kriegsgericht gestellt. Luis Trenker, Sperrfort Rocca Alta. Der Heldenkampf eines Panzerwerkes, Berlin 1937; hier zit. nach einer Ausgabe des Verlags Th. Knaur Nachf., Berlin 1939, 103. Zur umstrittenen Autorschaft dieses Romans vgl. Anm. 117. Vgl. Trenker, Sperrfort Rocca Alta (wie Anm. 24), 100: „Und der Gimpelmann liegt im Keller und flennt.“ Vgl. Trenker, Sperrfort Rocca Alta (wie Anm. 24), 107. Vgl. v. a. Weber, Granaten (wie Anm. 22), 25–28. Vgl. ÖStA, KA, Belohnungsantrag v. 9. 6. 1916 (wie Anm. 20), wo festgehalten ist, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits die silberne Tapferkeitsmedaille I. Klasse und die bronzene Tapferkeitsmedaille besaß; nun wurde zusätzlich die „bronzene Mil[ilitär]. Verd[ienst].Med[aille] am Bande des Mil[itär].V[erdienst].Kr[euzes]“ beantragt. Vgl. Grestenberger, Befestigungsanlagen (wie Anm. 22), 25, 60. Neue Freie Presse v. 20. 3. 1938, 11; Reichspost v. 20. 3. 1938, 12. Vgl. auch Wikipedia (wie Anm. 3). Vgl. zu Letzterem auch den Hinweis in: ÖStA, Archiv der Republik (AdR) 04, Bestandsgruppe BKA Inneres, Gauakt 85.685. Für dessen Aushebung und Sichtung danke ich Peter Melichar. Die Hinweise „Keine Kriegsbeschädigung“ und „42 Monate Frontdienst“ sind hier unter der Rubrik „1. Weltkrieg“ vermerkt. Vgl. auch Wikipedia (wie Anm. 3). Eine stark heroisierende literarische Bearbeitung dieses Themas, die mit der Re-Etablierung der nach Kriegsende zunächst allseits geächteten soldatischen Männlichkeit im Zuge der nationalsozialistischen Herrschaftsergreifung endet, unternimmt Luis Trenker, Hauptmann Ladurner. Ein Soldatenroman, München 1940. Zur umstrittenen Autorschaft dieses Romans vgl. Anm. 117. Weber, Das Ende der Armee (wie Anm. 8), 141. Vgl. Weber, Lebenslauf (wie Anm. 6). Die Ernennung zum Hauptmann kann erst nach dem Februar 1918 erfolgt sein, da ihn das Melderegister des Wiener Stadt- und Landesarchivs (WStLA) laut Auskunft M-1088/05 v. 23. 2. 2005 für den 7. 2. 1918 noch als „Oberleutnant“ führt. Irritierend ist außerdem, dass Weber selbst Zeitungsartikel, die in den späteren 1930erJahren erschienen sind und vom Ersten Weltkrieg handeln, als „Oberleutnant a. D.“ zeichnete; vgl. z. B. Neues Wiener Tagblatt v. 2. 4. 1938, 2: „O Deutschland hoch in Ehren ... Die heilige Fahne“, oder: Neues Wiener Tagblatt v. 29. 3. 1940, 4: „Neue Sturmangriffe. Der Berg der Kaiserjäger II.“ In seinem im Juli 1936 verfassten Lebenslauf (wie Anm. 6) schreibt er hin-

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gegen, dass er 1918 aus dem Heer schied und „als Hauptmann a. D.“ entlassen wurde. Weber, Lebenslauf (wie Anm. 6). Vgl. WStLA, Melderegister (wie Anm. 34), Daten v. 2. 10. 1925–3. 9. 1928. Vgl. Wikipedia (wie Anm. 3). Vgl. WStLA, Melderegister (wie Anm. 34). In der polemischen Auseinandersetzung um den Roman und den Film „Im Westen nichts Neues“ wurde Remarque gerade dies von revisionistischer Seite bzw. von der politischen Rechten in Deutschland wie in Österreich mit dem fadenscheinigen Argument mangelnder Kriegserfahrung des Autors vorgeworfen. Das ist zumindest der Tenor der älteren Forschungsliteratur zum Ersten Weltkrieg. Auch Ernst Hanisch, Die Männlichkeit des Kriegers. Das österreichische Militärstrafrecht im Ersten Weltkrieg, in: Thomas Angerer/ Birgitta Bader-Zaar/Margarete Grandner (Hg.), Geschichte und Recht. Festschrift für Gerald Stourzh zum 70. Geburtstag, Wien/Köln/Weimar 1999, 313–338, hier 331, vertritt die Ansicht, dass in Österreich während des Ersten Weltkriegs das „traditionellere Kriegerbild“ aufrecht blieb. Vgl. hingegen Christian Rapp, The Last Frontiers. Landschaft zwischen Krieg und Erinnerungskultur, in: Anton Holzer/Wieland Elferding (Hg.), Ist es hier schön. Landschaft nach der ökologischen Krise, Wien 2000, 232–247, sowie Hofer, Nervenschwäche (wie Anm. 12), 253–282. Zu Recht wird dort etwa darauf verwiesen, dass allein der Aufprall der verschiedensten Geschosse auf steiniges Gelände – sei es im Karstgebiet oder in den Dolomiten – deren Wirkung noch potenzierte. Gerade in den Isonzoschlachten kam es teilweise zu sehr hohen Verlusten. Allein die 10. Isonzoschlacht vom 12. Mai bis zum 5. Juni 1917 forderte angeblich insgesamt 112.000 Tote, Verwundete und Vermisste auf italienischer Seite und 76.000 auf österreichischer Seite. Vgl. Mario Isnenghi, Isonzo, in: Hirschfeld/Krumeich/Renz (Hg.), Enzyklopädie (wie Anm. 11), 589f.; Rauchensteiner, Tod des Doppeladlers (wie Anm. 11), 500, gibt an, dass dort bis zu dieser 10. Isonzoschlacht „auf beiden Seiten rund 600.000 Menschen gefallen oder verwundet“ wurden. Alles in allem sind die in der Literatur wiedergegebenen Zahlenangaben zu den Verlustraten am Isonzo sehr unterschiedlich. Vgl. Michael Geyer, Gewalt und Gewalterfahrung im 20. Jahrhundert – Der Erste Weltkrieg, in: Rolf Spilker/Bernd Ulrich (Hg.), Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918, Bramsche 1998, 241–257. Das Trauma-Zitat entstammt dem Tagungsbericht von Bernhard Chiari über die vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Verbindung mit dem Deutschen Historischen Museum vom 24. bis 27. 5. 2004 in Berlin durchgeführte Tagung „Die vergessene Front – der Osten 1914/15: Ereignis, Wirkung, Nachwirkung“, veröffentlicht in H-Soz-u-Kult am 25. 8. 2004; http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=544. Der von

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Gerhard P. Gross im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegebene Tagungsband erschien 2006 unter demselben Titel im Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn. Vgl. z. B. besonders drastisch: Weber, Granaten (wie Anm. 22), 20–22 über die ersten Toten im Sperrfort Verle: „Ein Mensch liegt da, nein, der Oberkörper eines Menschen, ein entsetzlicher, bluttriefender Klumpen“, oder: „Sie zerren und heben an dem Leichnam, bekommen ihn endlich frei. Sein Kopf, ganz plattgedrückt, pendelt hin und her. Niemand erkennt ihn.“ Vgl. weiter etwa die vielen Stellen in: ders., Isonzo 1917, Klagenfurt/Wien o. J. [1933], z. B. 97: „Es sind Feinde und Eigene, sie können nicht hinuntergeschafft werden und sind verflucht, in der doppelten Qual ihrer Wunden und des unablässigen Dröhnens zu bleiben. Grauenhaft verstümmelte Leichen, halbverschüttete Fragmente von Menschen decken die Hänge [...]“. Fritz Weber, Frontkameraden, Klagenfurt/Wien o. J. [1934], 81f. Vgl. Peter Gleichmann/Thomas Kühne (Hg.), Massenhaftes Töten. Kriege und Genozide im 20. Jahrhundert, Essen 2004. Darin v. a. die Einleitung von Thomas Kühne, Massen-Töten. Diskurse und Praktiken der kriegerischen und genozidalen Gewalt im 20. Jahrhundert, ebd. 11–52, sowie mit Blick auf den Ersten Weltkrieg: Aribert Reimann, Wenn Soldaten vom Töten schreiben – Zur soldatischen Semantik in Deutschland und England, 1914–1918, ebd. 307–319. Weber, Granaten (wie Anm. 22), 18 (Kap. „Feuertaufe“). Vgl. z. B. sein „Nachwort an den Leser“ in: Weber, Isonzo 1917 (wie Anm. 43), 125, wo es heißt: „Was ich versucht habe, ist lediglich eines: Den Menschen zu zeichnen, der Held und Märtyrer dieser Tragödie eines sterbenden Reiches war; den unbekannten Soldaten des Isonzokrieges, den Blutzeugen einer Armee, welcher die Welt bis jetzt nicht gerecht werden wollte [...].“ Weber, Frontkameraden (wie Anm. 44), 7–13. Weber, Frontkameraden (wie Anm. 44), 14–20. Weber, Frontkameraden (wie Anm. 44), 72–81. Weber, Das Ende der Armee (wie Anm. 8), 13f., Auslassungspunkte im Original. Vgl. außerdem etwa die Erzählung über den Einjährig-Freiwilligen Lugan, der im Laufe der letzten k. u. k.-Offensive am Piave zur Einsicht kommt, dass das, was hier geschieht, „Wahnsinn“ sei; er weigert sich daher „auch nur eine Stunde länger bei diesem Wahnsinn mitzuwirken“. Weber lässt ihn wegen Unzurechnungsfähigkeit in ein Feldspital einweisen; vgl. Fritz Weber, Sturm an der Piave, Leipzig/Wien/Berlin o. J. [1933], 17–22. Thomas Kühne, Kameradschaft – „das Beste im Leben des Mannes“. Die deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs in erfahrungs- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive, in: Geschichte und Gesellschaft, 22 (1996), 504–529; ders., „... aus diesem Krieg werden nicht nur harte Männer heimkehren“. Kriegskameradschaft und Männlichkeit im 20. Jahrhundert, in: ders. (Hg.), Männergeschichte – Geschlechtergeschichte. Männlichkeit im

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Wandel der Moderne, Frankfurt a. M./New York 1996, 174–192; zuletzt v. a. ders., Kameradschaft (wie Anm. 13), etwa 58–62, wo der Autor zwischen einem „linken“, der Ebene der Mannschaftssoldaten und damit auch gegen Offiziere gerichteten, und einem „rechten“, der militärischen Hierarchie verpflichteten Kameradschaftsmythos, unterscheidet. Weber, Sturm (wie Anm. 51), 23f. Weber, Das Ende der Armee (wie Anm. 8), 7. Weber, Das Ende der Armee (wie Anm. 8), 8f. Vgl. ausführlicher dazu den Beitrag „Krank, feige, muthlos …“ in diesem Band, v. a. Anm. 1. Vgl. v. a. Robert/Raewyn W. Connell, Gender and Power. Society, the Person and Sexual Politics, Stanford 1987; in deutscher Sprache erschienen: ders., Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten, hg. und mit einem Geleitwort versehen von Ursula Müller , Opladen 1999. Zur kritischen Überprüfung und Anwendbarkeit des Konzepts vgl. etwa: Wolfgang Schmale, Geschichte der Männlichkeit in Europa (1450–2000), Wien/Köln/Weimar 2003, 149–230; Martin Dinges (Hg.), Männer – Macht – Körper. Hegemoniale Männlichkeiten vom Mittelalter bis heute, Frankfurt a. M./New York 2005. Darin u. a. Christa Hämmerle, Zur Relevanz des Connell’schen Konzepts hegemonialer Männlichkeit für „Militär und Männlichkeit/en in der Habsburgermonarchie (1868–1914/18)“, ebd. 103– 121. „Gesund“ waren hingegen die Nerven jener beiden Fähnriche (einer davon war Fritz Weber), die nach dem Abzug des größten Teils seiner Besatzung unter Giebermann im Sperrfort blieben, um weiterzukämpfen; vgl. Fritz Weber, Alpenkrieg, Klagenfurt u. a. o. J. [1934], 40. In dieser Erzählung ist besonders oft von der Bedeutung der Nerven für die Kampfbereitschaft die Rede. Zu den Neurasthenie-Diskursen im Ersten Weltkrieg in Österreich vgl. Hofer, Nervenschwäche (wie Anm. 12). Vgl. z. B. Birthe Kundrus, Geschlechterkriege. Der Erste Weltkrieg und die Deutung der Geschlechterverhältnisse in der Weimarer Republik, in: Karen Hagemann/Stefanie Schüler-Springorum (Hg.), Heimat – Front. Militär und Geschlechterverhältnisse im Zeitalter der Weltkriege, Frankfurt a. M./New York 2002, 171–187; Sabine Kienitz, Körper-Beschädigungen. Kriegsinvalidität und Männlichkeitskonstruktionen in der Weimarer Republik, in: ebd., 188–207; Sandra Maß, Das Trauma des weißen Mannes. Afrikanische Kolonialsoldaten in propagandistischen Texten, 1914–1923, in: L’Homme. Z. F. G., 12, 1 (2001), 11–33. Vgl. Joanna Bourke, Dismembering the Male. Men’s Bodies, Britain and the Great War, London 1996; dies., Männlichkeit, Krieg und Militarismus in Großbritannien 1914–1939, in: ÖZG. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, 9, 1 (1998), 31–49. Klaus Eisterer, „Der Heldentod muß würdig geschildert werden“. Der Umgang mit der Vergangenheit am Beispiel Kaiserjäger und Kaiserjägertradition, in: ders./Steininger, Tirol (wie Anm. 11), 105–133, hier 115–126;

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Peter Melichar, Die Kämpfe merkwürdig Untoter. K. u. k. Offiziere in der Ersten Republik, in: ÖZG, 9, 1 (1998), 51–84; vgl. auch die Kapitel „Nie wieder Krieg“ und „Remilitarisierung der Gesellschaft“, in: Ernst Hanisch, Männlichkeiten. Eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts, Wien/Köln/ Weimar 2005, 48–70; Überegger, Vom militärischen Paradigma (wie Anm. 2), 70–92; ders., Tabuisierung (wie Anm. 12). 127–132. Hanisch, Nie wieder Krieg (wie Anm. 60), 50f. bzw. 56. Überegger, Vom militärischen Paradigma (wie Anm. 2), 77f. Vgl. für Deutschland Kühne, Kameradschaft (wie Anm. 52), 509–513; ders., „... aus diesem Krieg“ (wie Anm. 52), 176–178. Vgl. v. a. Überegger, Vom militärischen Paradigma (wie Anm. 2), 70–92. Vgl. z. B. Etschmann, Die Südfront (wie Anm. 11), insbes. 40; Rauchensteiner, Tod des Doppeladlers (wie Anm. 11), 240; ders., Streitkräfte Österreich-Ungarn, in: Hirschfeld/Krumeich/Renz (Hg.), Enzyklopädie (wie Anm. 11), 896–900. Vgl. zur Tendenz solcher Erzählungen z. B. Weber, Granaten (wie Anm. 22), 64f., über jene 30 jungen Slowenen, die seinem Bataillon „kurz vor Kriegsausbruch vom Infanterieregiment Nr. 17 überstellt wurden“. Sie gehörten zu den „Ärmsten der Armen“ und verharrten in ihrer Ausgangslage als einfache „Rekruten“, die nur als Träger eingesetzt wurden, da „keine Zeit geblieben ist, sie im Waffendienst entsprechend auszubilden“. Ein Teil dieser Männer fand schon in der Anfangsphase der Beschießung von Verle den Tod. Vgl. auch für die Zeit der letzten k. u. k. Offensive im Juni 1918 besonders lapidar: Weber, Sturm (wie Anm. 51), 34: „Es sind Honvéds, wie die meisten Truppen in unserem Abschnitt.“ Vgl. besonders augenfällig z. B. Weber, Isonzo 1917 (wie Anm. 43). Weber, Granaten (wie Anm. 22), 13f. Vgl. Etschmann, Die Südfront (wie Anm. 11), 27–30; Rauchensteiner, Tod des Doppeladlers (wie Anm. 11), 240f. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 13. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 12. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 27. Vgl. z. B. Trenker, Sperrfort (wie Anm. 24), 51f. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 27 u. 98. Zu den extrem hohen Verlusten der vier Kaiserjäger-Regimenter in Galizien ab Ende August 1914 vgl. Etschmann, Die Südfront (wie Anm. 11), 29f.; Eisterer, Heldentod (wie Anm. 60), 107–111. Vgl. v. a. am Beispiel des höheren Offiziers und Militärschriftstellers Hugo von Kerchnawe: Christa Hämmerle, Die k. (u.) k. Armee als ‚Schule des Volkes‘? Zur Geschichte der Allgemeinen Wehrpflicht in der multinationalen Habsburgermonarchie (1866 bis 1914/18), in: Christian Jansen (Hg.), Der Bürger als Soldat. Die Militarisierung europäischer Gesellschaften im langen 19. Jahrhundert: ein internationaler Vergleich, Essen 2004, 175–213, hier 199–208; dies., Back to the Monarchies Glorified Past. Military Dis-

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courses on Male Citizenship and Universal Conscription in the Austrian Empire, 1868–1914, in: Stefan Dudink/Karen Hagemann/Anna Clark (Hg.), Representing Masculinity. Male Citizenship in Modern Western Political Culture, New York/London 2007, 151–168. Vgl. Günter Kronenbitter, „Krieg im Frieden“. Die Führung der k. u. k. Armee und die Großmachtpolitik Österreich-Ungarns 1906–1914, Wien 2003. Weber, Granaten (wie Anm. 22), 10. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 38. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 45. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 15. Vgl. z. B. Heinz von Lichem, Gebirgskrieg 1915–1918, 3 Bde., Bozen 1981; ders., Der einsame Krieg, Bozen 1981; ders., Spielhahnstoß und Edelweiß, Graz 1977. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 19. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 98. Vgl. für die Kaiserjäger: Eisterer, Heldentod (wie Anm. 60), insbes. 115– 126; für die italienischen „Alpini“: Fabio Todero, Geburt eines Mythos. Der Gebirgskrieg und die Alpini in der Literatur, in: Brigitte Mazohl-Wallnig/ Gunda Barth-Scalmani/Herman J. W. Kuprian (Hg.), Ein Krieg – zwei Schützengräben. Österreich–Italien und der Erste Weltkrieg 1915–1918, Bozen 2005, 109–124. Vgl. z. B. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 104–111 (Zitat). Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 103. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 125. Weber, Granaten (wie Anm. 22), 119. Vgl. auch Michael Wachtler/Günther Obwegs, Dolomiten – Krieg in den Bergen, Bozen 20032, 70–86, hier 70, wo Heinz von Lichem zitiert wird, der den Krieg in den Sextener Dolomiten als „alpinistisch-sportlich“ bezeichnet hat. Rapp, Last Frontiers (wie Anm. 40), 237; Rauchensteiner, Tod des Doppeladlers (wie Anm. 11), 248. Rapp, Last Frontiers (wie Anm. 40), 235. Vgl. auch Hofer, Nervenschwäche (wie Anm. 12), 278. Vgl. Hofer, Nervenschwäche (wie Anm. 12), 271–282. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 125. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 94. Hofer, Nervenschwäche (wie Anm. 12), 274. Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 33, 69, 121. Eine für Weber typische Darstellung des industriellen Krieges, in dem die eingesetzte Technik sich auch grammatikalisch ganz verselbstständigt, liest sich ebd., 32f., außerdem so: „Heulend schwillt es aus dem blassen Himmel, wächst in schwindelnder Eile zu fürchterlichem Fauchen an, wirft eine turmhohe Rauchwolke rötlichen Feuerschein und Gesteinsbrocken gegen das Firmament. Aufbrüllen der Explosion und rollendes Echo folgen.“

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98 Vgl. stellvertretend für andere Ausgaben z. B. Jünger, In Stahlgewittern (wie Anm. 1). Die erste Auflage erschien 1920. Die Neuauflagen wurden vom Autor immer wieder redigiert und überarbeitet. Eine kurze Analyse des Buches – gerade auch in Hinblick auf die Unterschiede zu „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque – leistet etwa Sabine A. Haring, Ernst Jünger, Erich Maria Remarque und der Erste Weltkrieg. Eine literatursoziologische Betrachtung, in: Helmut Konrad (Hg.), Krieg, Medizin und Politik. Der Erste Weltkrieg und die österreichische Moderne, Wien 2000, 351–371. 99 Weber, Isonzo 1917 (wie Anm. 43), 24 u. 28; vgl. ferner beispielsweise die weiter vorne (Anm. 46 u. 51) wiedergegebenen Zitate aus: ders., Granaten (wie Anm. 22), 18, u. ders., Das Ende der Armee (wie Anm. 8), 13f. Ähnlich wie bei Jünger kommt hier ganz deutlich eine Verschmelzung des Soldaten mit der Kriegstechnik, mithin der „Maschinenkrieger“ zum Ausdruck und es ist ebenfalls von der „Vernichtungswut“ des Soldaten die Rede. 100 Weber, Isonzo 1917 (wie Anm. 43), 8. 101 Hofer, Nervenschwäche (wie Anm. 12), 277. 102 Weber, Alpenkrieg (wie Anm. 57), 40f., 45, 85, 88f., 139. 103 Vgl. Weber, Das Ende der Armee (wie Anm. 8), 9 (Zitat Anm. 55) bzw. ders., Sturm (wie Anm. 51), 17: „Zunächst dachte ich, es handle sich um einen jener Zusammenstöße, wie er unter Menschen mit kranken Nerven – und das war jeder von uns – nicht selten ist.“ Schon am Beginn seines Kriegseinsatzes weist der Autor darauf hin, dass der industrielle Kampf auch die „Seelen [...] verwüstet“. Vgl. auch ders., Granaten (wie Anm. 22), 62: „Es ist nicht zu leugnen: wir sind Irre und Wärter in einem Irrenhaus. [...] Unsere Seelen sind ärger verwüstet als das Gebilde aus Beton und Eisen, das wir verteidigen.“ 104 Weber, Sturm (wie Anm. 51), 20. 105 Weber, Das Ende der Armee (wie Anm. 8), 27f. 106 Weber, Das Ende der Armee (wie Anm. 8), 40f. 107 Weber, Das Ende der Armee (wie Anm. 8), 140f. 108 Reichspost v. 20. 3. 1938, 12: „Vier Jahre Waffenbrüderschaft“. 109 Neue Freie Presse v. 20. 3. 1938, 11: „Vier Jahre Waffenbrüderschaft“. 110 Reichspost v. 20. 3. 1938, 12. 111 Solche Texte sind auch im Wiener Tagblatt-Archiv (wie Anm. 4) einsehbar. 112 WStLA, NSDAP-Gauakten, K1: Als Mitgliednummer bei der SA ist hier 111.167 vermerkt; ÖStA, AdR 04, Gauakt 85.685 (wie Anm. 31): Als Mitgliedsnummer bei der NSDAP ist hier 1.529.403 vermerkt und als „Dienststellung“ Webers „Blockleitung“; Berlin-Document-Center (wie Anm. 6), Nr. 6, Fragebogen: Bei der Frage „frühere politische Zugehörigkeit“ gibt Weber hier die Großdeutsche Volkspartei an, der er von 1919 bis 1932 angehört haben soll. Ab 1934 war er auch Mitglied in der Reichspressekammer und der Reichsschrifttumskammer.

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113 Vgl. ÖStA, AdR 04, Gauakt 85.685 (wie Anm. 31): „Wurde im Dezember 1933 wegen Zugehörigkeit zur NSDAP als Redakteur entlassen und ging ins Altreich.“ In seinem Lebenslauf, Berlin-Document-Center (wie Anm. 6), Nr. 5, gab Weber an, dass er im November desselben Jahres wegen seiner Mitgliedschaft beim „Ring nationaler Schriftsteller“ gekündigt wurde und eine „Aufforderung“ erhielt, „nach München zu gehen“. 114 Vgl. ÖStA, AdR 04, Gauakt 85.685 (wie Anm. 31). 115 Vgl. die wenigen Hinweise in Wikipedia (wie Anm. 3) u. Anm. 37. 116 Ringel, Hurra (wie Anm. 8), 10. 117 Es handelt sich dabei um: „Sperrfort Rocca Alta. Der Heldenkampf eines Panzerwerkes“ (1937), „Der Feuerteufel. Ein Speckbacherroman“ (1940), „Hauptmann Ladurner“ (1940), „Sterne über den Gipfeln. Ein Roman“ (1942). 118 Vgl. ein Interview mit Luis Trenker aus dem Jahr 1977: Felix Schmidt, Immer alles gutgegangen. Ein Gespräch mit dem Mann, der die Berge als eine Art Wallfahrtsstätte entdeckte, in: Die Zeit, Nr. 41 v. 30. 9. 1977, 57f. 119 Solche Selbstzeugnisse enthält etwa die von Michael Mitterauer gegründete und von Günter Müller betreute Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. 120 Ein Volk klagt an! Fünfzig Briefe über den Krieg, Wien/Leipzig 1931, 5f. 121 Ein Volk klagt an! (wie Anm. 120), 32. Hervorhebungen im Original durch Sperrdruck.

Krank, feige, muthlos … 1 Fritz Weber, Das Ende der Armee, Leipzig/Wien/Berlin o. J. [1931], Kap. „Die morsche Front“, 8f. 2 Vgl. zur Kriegsbiografie und den Kriegserinnerungsbüchern von Fritz Weber ab 1931 ausführlich den Beitrag „Fritz Weber – ein österreichischer Remarque?“ in diesem Band. 3 Vgl. etwa Hans-Georg Hofer, Was waren „Kriegsneurosen“? Zur Kulturgeschichte psychischer Erkrankungen im Ersten Weltkrieg, in: Herman J. W. Kuprian/Oswald Überegger (Hg./ed.), Der Erste Weltkrieg im Alpenraum. Erfahrung, Deutung, Erinnerung/La Grande Guerra nell’arco alpino. Esperienze e memoria, Innsbruck 2006, 309–321; ders., Nervenschwäche und Krieg. Modernitätskritik und Krisenbewältigung in der österreichischen Psychiatrie, Wien/Köln/Weimar 2004. 4 Vgl. etwa Ute Frevert, Soldaten, Staatsbürger. Überlegungen zur historischen Konstruktion von Männlichkeit, in: Thomas Kühne (Hg.), Männergeschichte – Geschlechtergeschichte. Männlichkeit im Wandel der Moderne, Frankfurt a. M./New York 1996, 69–87; dies., Das Militär als „Schule der Männlichkeit“. Erwartungen, Angebote, Erfahrungen im 19. Jahrhundert, in: dies. (Hg.), Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahr-

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hundert, Stuttgart 1997, 145–173; Wolfgang Schmale, Geschichte der Männlichkeit in Europa (1450–2000), Wien/Köln/Weimar 2003, 195–203; Ruth Seifert, Identität, Militär und Geschlecht. Zur identitätspolitischen Bedeutung einer kulturellen Konstruktion, in: Karen Hagemann/Stefanie Schüler-Springorum (Hg.), Heimat – Front. Militär und Geschlechterverhältnisse im Zeitalter der Weltkriege, Frankfurt a. M./New York 2002, 53–66. Vgl. Christa Hämmerle, Zur Relevanz des Connell’schen Konzepts hegemonialer Männlichkeit für „Militär und Männlichkeit/en in der Habsburgermonarchie (1868–1914/18)“, in: Martin Dinges (Hg.), Männer – Macht – Körper. Hegemoniale Männlichkeiten vom Mittelalter bis heute, Frankfurt a. M./New York 2005, 103–121. Fritz Weber, Alpenkrieg, Klagenfurt/Wien o. J. [1934]. Weber, Das Ende der Armee (wie Anm. 1), 140f. Vgl. v. a. Oswald Überegger, Vom militärischen Paradigma zur ‚Kulturgeschichte des Krieges‘? Entwicklungslinien der österreichischen Weltkriegsgeschichtsschreibung im Spannungsfeld militärisch-politischer Instrumentalisierung und universitärer Verwissenschaftlichung, in: ders. (Hg.), Zwischen Nation und Region. Weltkriegsforschung im interregionalen Vergleich. Ergebnisse und Perspektiven, Innsbruck 2004, 63–122, hier 70–92. Nicht von ungefähr wurde Weber in der Rezeption daher auch als der „österreichische Remarque“ bezeichnet; vgl. kritisch dazu das Kapitel „Fritz Weber – ein österreichischer Remarque?“ in diesem Band. Alfred Pfoser, Verstörte Männer und emanzipierte Frauen. Zur Sitten- und Literaturgeschichte der Ersten Republik, in: Franz Kadrnoska (Hg.), Aufbruch und Untergang. Österreichische Kultur zwischen 1918 und 1938, Wien/München/Zürich 1981, 205–222. Die Erstausgabe dieses Romans, der die Zeit vom April 1913 bis zum 12. März 1938 beschreibt, erschien 1938 im Exil des Autors. Vgl. für Deutschland z. B. Elisabeth Domansky, Militarization and Reproduction in World War I Germany, in: Geoff Eley (Hg.), Society, Culture and the State in Germany, 1870–1930, Ann Arbor 1996; Birthe Kundrus, Kriegerfrauen. Familienpolitik und Geschlechterverhältnisse im Ersten und Zweiten Weltkrieg, Hamburg 1995, 207–211. Vor dem Hintergrund einer komparatistischen Perspektive kritisch gegenüber einer Verallgemeinerung der Kriegserfahrung von Frauen: Ute Daniel, Frauen, in: Gerhard Hirschfeld/Gert Krumeich/Irina Renz (Hg.), Enzyklopädie des Ersten Weltkriegs, Paderborn 2003, 116–134, 132. Reinhard Sieder, Behind the lines: working-class family life in wartime Vienna, in: Richard Wall/Jay Winter (Hg.), The Upheaval of War. Family, Work and Welfare in Europe, 1914–1918, Cambridge 1988, 109–138, hier 109: „The final hypothesis will be that the collapse of the Austro-Hungarian Monarchy was in fact the collapse of a male society.“ Helga Embacher, Der Krieg hat die „göttliche Ordnung“ zerstört! Konzepte und Familienmodelle zur Lösung von Alltagsproblemen. Versuche zur Ret-

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tung der Moral, Familie und patriarchalen Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg, in: Zeitgeschichte, 15, 9/10 (1988), 347–364, hier 350, freilich kritisch gegenüber einer eindimensionalen Emanzipationsthese. Paul Federn, Zur Psychologie der Revolution. Die Vaterlose Gesellschaft, Leipzig/Wien 1919. In der Rezeption dieser Schrift wird Federns Fokus auf den revolutionären Umbruch häufig negiert. Maureen Healy, Civilizing the Soldier in Postwar Austria, in: Nancy M. Wingfield/Maria Bucur (Hg.), Gender and War in Twentieth-Century Eastern Europe, Bloomington, Ind. 2006, 47–69; vgl. auch die Rezension in L’Homme. Z. F. G., 19, 2 (2008), 162–165. Zur Geschlechtergeschichte des Ersten Weltkriegs vgl. die quellenmäßig weit besser abgestützte, auf Wien bezogene und in ihrem Verallgemeinerungsanspruch nicht überzogene Monografie von Maureen Healy, Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and Everyday Life in World War I, Cambridge/New York 2004. Healy, Civilizing (wie Anm. 16), 54, wo auch davon die Rede ist, dass ein spezifischer „myth of the forgotten soldier“ die österreichische Variante des „cult of the fallen soldier“ gewesen sei. Healy, Civilizing (wie Anm. 16), 49, 54ff. Ähnlich argumentiert Ernst Hanisch, Männlichkeiten. Eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2005, 50, hier in Anlehnung an eine Aussage der Feministin und Pazifistin Rosa Mayreder. Healy, Civilizing (wie Anm. 16), 60. Birthe Kundrus, Geschlechterkriege. Der Erste Weltkrieg und die Deutung der Geschlechterverhältnisse in der Weimarer Republik, in: Hagemann/ Schüler-Springorum (Hg.), Heimat (wie Anm. 4), 171–187, 179, 182. Ähnlich argumentiert, was ehemalige Soldaten der Weimarer Republik anbelangt, Benjamin Ziemann, Das „Fronterlebnis“ des Ersten Weltkriegs – eine sozialhistorische Zäsur? Deutungen und Wirkungen in Deutschland und Frankreich, in: Hans Mommsen (Hg.), Der Erste Weltkrieg und die europäische Nachkriegsordnung. Sozialer Wandel und Formveränderung der Politik, Köln/Weimar/Wien 2000, 43–82. Kundrus, Geschlechterkriege (wie Anm. 20), 178, mit weiteren Angaben von Vertretern dieser These. Kundrus, Geschlechterkriege (wie Anm. 20), 176. Vgl. Robert/Raewyn W. Connell, Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. Übersetzt von Christian Stahl, Opladen 1999, insbes. 102–107. Das englische Original (Cambridge 1995) trägt bezeichnenderweise nur den Titel „Masculinities“. Das mag darauf hindeuten, dass Connell eigentlich den Begriff ‚Krise der Männlichkeit‘ ablehnt, da „Krise“ ein kohärentes System voraussetze, „das als Resultat der Krise zerstört oder wiederhergestellt wird“. Männlichkeit aber sei kein System, sondern „eine Konfiguration von Praxis innerhalb eines Systems von Geschlechter-

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verhältnissen“; von „Krise“ lasse sich daher nur in Hinblick auf die gesamte Geschlechterordnung und ihre „Krisentendenz“ sprechen; ebd., 105. Vgl. Jürgen Martschukat/Olaf Stieglitz, „Es ist ein Junge!“ Einführung in die Geschichte der Männlichkeiten in der Neuzeit, Tübingen 2005, 82. Vgl. dazu das Postulat von Claudia Opitz in: dies., „Krise der Männlichkeit“ – ein nützliches Konzept der Geschlechtergeschichte? In: L’Homme. Z. F. G., 19, 2 (2008), 31–49, sowie Martschukat/Stieglitz, Junge (wie Anm. 24), 86. Die in diesem Abschnitt entwickelte Einschätzung folgt weitgehend dem gemeinsam mit Birgitta Bader-Zaar erarbeiteten Vortrag „Times of Trouble: Transformationen von Geschlechterordnungen in Nachkriegszeiten des 20. Jahrhunderts – Erster Weltkrieg: Fallbeispiel Österreichs“ (Univ. Hannover, 2. 11. 2005). Das Manuskript ist im virtuellen Salon 21 unter „Ungedrucktes“ abrufbar: http://www.univie.ac.at/Geschichte/NeuverortungGeschlechtergeschichte/salon21. Statistiken veranschlagen für die Gesamtmonarchie zwischen 1,2 bis 1,46 Millionen militärische Kriegstote und etwa 2,2 Millionen in Kriegsgefangenschaft geratene Soldaten, von denen ein Teil ebenfalls nie zurückkehrte; vgl. Wilhelm Winkler, Die Totenverluste der österreichisch-ungarischen Monarchie nach Nationalitäten. Die Altersgliederung der Toten. Ausblicke in die Zukunft, Wien 1919, der seine auf den „Verlustlisten“ des k. u. k. Kriegsministeriums bzw. den „Verlustausweisen“ des Kriegsstatistischen Bureaus basierenden Berechnungen auch nach „Kronländern und staatsrechtlichen Gebieten“ aufschlüsselte. So lässt sich für die österreichischen Länder Niederösterreich (damals noch inkl. Wien), Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Tirol und Vorarlberg bis 31. 12. 1917 eine Zahl von 174.440 „geschätzten Totenverlusten“ ausmachen. Meines Wissens fehlen umfassendere bzw. konkrete Angaben über Kriegstote aus dem Raum der Ersten Österreichischen Republik. Dazu gehörten jedenfalls, bezogen auf den neuen Staat Österreich, über 100.000 Kriegsinvalide sowie geschätzte 80.000 Kinder von Invaliden, 120.000 Witwen und 225.000 Kriegswaisen, insgesamt also rund 530.000 Menschen und damit etwa 8 % der Bevölkerung; vgl. Edith Leisch-Prost/ Verena Pawlowsky, Kriegsinvalide und ihre Versorgung in Österreich nach dem Ersten Weltkrieg, in: Kuprian/Überegger (Hg.), Erster Weltkrieg (wie Anm. 3), 367–380, hier 368. Die Großstadt Wien blieb von 1918 bis 1934 sozialdemokratisch regiert. Auf Bundesebene bestand bis 1920 eine große Koalition zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten, dann waren Letztere wieder in Opposition. Vgl. Birgitta Bader-Zaar, Frauenbewegungen und Frauenwahlrecht, in: Helmut Rumpler/Peter Urbanitsch (Hg.), Die Habsburgermonarchie 1848– 1918, Bd. 8/1: Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft – Vereine, Parteien und Interessenverbände als Träger der politischen Partizipation,

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Wien 2006, 1005–1027. Prostituierte blieben bis 1923 vom Wahlrecht ausgeschlossen. Vgl. Birgitta Bader-Zaar, Zur Einführung des Frauenwahlrechts. Großbritannien, Deutschland, Österreich, Belgien und die USA im Vergleich, Wien/Köln/Weimar 2014 (in Vorbereitung). Vgl. Jutta Pint, Die Österreichische Frauenpartei 1929–1934. Ein Versuch bürgerlich-liberaler Frauen gesellschaftspolitischen Einfluß zu nehmen, Dipl. (Univ. Wien) 1988, 39f., 50. Vgl. die Angaben bei Gabriella Hauch, Vom Frauenstandpunkt aus. Frauen im Parlament 1919–1933, Wien 1995, 92. Erst 1929 wurde angesichts des vehement kritisierten Umstandes, dass die bürgerlichen Parteien Frauen nicht umfassend zur Mitarbeit herangezogen hatten, eine eigene Frauenpartei gegründet. Ihre Mitglieder kamen aus dem Umfeld der ehemaligen liberalen Frauenbewegung und stimmten im Anliegen überein, parteiübergreifend „Weiblichkeit und Mütterlichkeit“ in die Politik einbringen und sich stark in der Friedensarbeit engagieren zu wollen; vgl. Pint, Frauenpartei (wie Anm. 32), 50. Auch im damaligen Österreich hatten sich, von einigen Vertreterinnen des radikalen Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung bzw. des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins abgesehen, gleich zu Kriegsbeginn die großen Frauenorganisationen zusammengeschlossen, um in der „Frauenhilfsaktion im Kriege“ unzählige kommunale wie privat organisierte Kriegsfürsorgeinitiativen zu lancieren. Vgl. dazu das Kapitel „Die Frauenhilfsaktion im Kriege“ in diesem Band. Der nächste Wahlkampf. Neue Wähler durch das Stimmrecht der Frauen, in: Neue Freie Presse. Morgenblatt v. 23. 11. 1918, 1. Vgl. Hauch, Frauenstandpunkt (wie Anm. 33), 88–93. Embacher, Krieg (wie Anm. 14), 347. Vgl. die Beispiele in: Erna Appelt, Von Ladenmädchen, Schreibfräulein und Gouvernanten 1900–1934, Wien 1985, 105. Susanne Rouette, Nach dem Krieg: Zurück zur ‚normalen‘ Hierarchie der Geschlechter, in: Karin Hausen (Hg.), Geschlechterhierarchie und Arbeitsteilung. Zur Geschichte ungleicher Erwerbschancen von Männern und Frauen, Göttingen 1993, 167–190, hier 167; dies., Sozialpolitik als Geschlechterpolitik. Die Regulierung der Frauenarbeit nach dem Ersten Weltkrieg, Frankfurt a. M./New York 1993. Rouette, Krieg (wie Anm. 39), 179. Die organisierte Frauenbewegung trug zu dieser Stoßrichtung zunächst bei. V. a. die im Januar 1918 im neu gegründeten Ministerium für soziale Fürsorge eingerichtete „Kommission für Frauenarbeit“, der Vertreterinnen der großen Frauenorganisationen angehörten, unterstützte die arbeitsmarktpolitischen Programme zum Abbau bzw. der erneuten Verschiebung der Frauenarbeit in ihre früheren Branchen – etwa für die ehemaligen Arbeiterinnen aus der Kriegsindustrie, die (wenn überhaupt) wieder in haus-

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wirtschaftlichen Berufen oder in der Landwirtschaft untergebracht werden sollten; vgl. Andrea Lösch, Staatliche Arbeitsmarktpolitik nach dem Ersten Weltkrieg als Instrument der Verdrängung von Frauen aus der Erwerbsarbeit, in: Zeitgeschichte, 14, 8 (1986/87), 313–329, hier 315ff. Das galt etwa auch für im Krieg eingestellte Sekundarärztinnen und die vielen ab dem Frühjahr 1917 beschäftigten „weiblichen Hilfskräfte für die Armee im Felde“. Lösch, Arbeitsmarktpolitik (wie Anm. 41), 315ff; dies., „Die Frau hat ihre Schuldigkeit getan …“ Staatliche Verdrängungspolitik gegenüber erwerbstätigen Frauen, in: dies./Erna Appelt/Edith Prost (Hg.), Stille Reserve? Erwerbslose Frauen in Österreich, Wien 1987, 107–128, hier 115–118. Vgl. Appelt, Ladenmädchen (wie Anm. 38), 106. Vgl. Hauch, Frauenstandpunkt (wie Anm. 33), 228. Eingeschränkt bedeutet, dass die Lehrerinnen ohne behördliche Bewilligung ausschließlich Lehrer ehelichen konnten. Vgl. Appelt, Ladenmädchen (wie Anm. 38), 109–120. Appelt, Ladenmädchen (wie Anm. 38), 116. Im Zuge der Wirtschaftskrise sollte sich das noch drastisch verschärfen; vgl. dazu die Studien der sozialdemokratischen Leiterin des Frauenreferats der Arbeiterkammer: Käthe Leichter, Frauenarbeit und Arbeiterinnenschutz in Österreich, Wien 1927; dies., Wie leben die Wiener Heimarbeiter? Wien 1928; dies., So leben wir … 1320 Industriearbeiterinnen berichten über ihr Leben, Wien 1932. Vgl. Appelt, Ladenmädchen (wie Anm. 38), 214f, Tab. 9; Edith Rigler, Frauenleitbild und Frauenarbeit in Österreich vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg, Wien 1976, insbes. 94–154. Ausnahmen von diesem Trend bildeten die Land- und Forstwirtschaft und die häuslichen Dienste. Elisabeth Malleier, Der „Bund für Männerrechte“. Die Bewegung der „Männerrechtler“ im Wien der Zwischenkriegszeit, in: Wiener Geschichtsblätter, 58 (2003), 208–233, hier 209. Vgl. Männer-Zeitung, 1 (März–April 1933), 1, abgebildet in Malleier, Bund (wie Anm. 50), 225. Embacher, Krieg (wie Anm. 14), 359. Vgl. Appelt, Ladenmädchen (wie Anm. 38), 67–108. Appelt, Ladenmädchen (wie Anm. 38), 74–98. Ingrid Bauer, „Im Dienste des Vaterlandes“. Frauenarbeit im und für den Krieg, in: Geschlecht und Arbeitswelten. Beiträge der 4. Frauen-Ringvorlesung an der Universität Salzburg, hg. vom Bundesministerium für Arbeit, Salzburg 1998, 49–62, hier 60. Rouette, Krieg (wie Anm. 39), 176f. In Hinblick auf die Geschlechterordnung im Krieg stützt sich Rouette hier auf die Formel von der „double helix“, die dem Blick auf Veränderungen der weiblichen Rollen im Krieg immer den anderen Strang der Doppelspirale, nämlich die weiterhin höher

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bewerteten, übergeordnet bleibenden männlichen Rollen zur Seite stellt; vgl. Margaret R. Higonnet/Patrice L.-R. Higonnet, The Double Helix, in: Margaret R. Higonnet/Jane Jenson/Sonya Michel u. a. (Hg.), Behind the Lines. Gender and the Two World Wars, New Haven/London 1987, 31–47. Vgl. Hauch, Frauenstandpunkt (wie Anm. 33), 73; Pfoser, Männer (wie Anm. 10), 306. Vgl. die vorigen Anmerkungen sowie, in einer komparatistischen Perspektive: Françoise Thébaud, Der Erste Weltkrieg. Triumph der Geschlechtertrennung, in: dies. (Hg.), Das 20. Jahrhundert (= Geschichte der Frauen, hg. von Georges Duby/Michelle Perrot, Bd. 5), Frankfurt a. M./New York 1995, 33–91, hier 85 u. 91, wo von „zutiefst konservativen“ Implikationen des Krieges auf die langfristige Entwicklung der Geschlechterordnung die Rede ist; für Frankreich u. a. auch dies., La guerre, et après?, in: Évelyne Morin-Rotureau (Hg.), 1914–1918: Combats de femmes. Les femmes, pilier de l‘effort de guerre, Paris 2004, 185–199. Diese Formulierung für die Zeit nach Kriegsende verwendet Thébaud, Weltkrieg (wie Anm. 58), 83. Überegger, Paradigma (wie Anm. 8), 87. Vgl. Hanisch, Männlichkeiten (wie Anm. 18), 48–63, z. B. 52, 56; Peter Melichar, Die Kämpfe merkwürdig Untoter. K. u. k. Offiziere in der Ersten Republik, in: ÖZG. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, 9, 1 (1998), 51–84; ders., Verletzte Männlichkeit bei Offizieren nach 1918? Unfertige Überlegungen zur möglichen Verbindung zwischen einer kritischen Militärgeschichte und der Geschlechtergeschichte, in: Manfred Lechner/Dietmar Seiler (Hg.), zeitgeschichte.at. 4. österreichischer Zeitgeschichtetag ’99, Innsbruck 1999, 307–319; Überegger, Paradigma (wie Anm. 8), 83–92. Melichar, Kämpfe (wie Anm. 61), 54. Melichar, Männlichkeit (wie Anm. 61), 310. Lebenslauf von Major Alois von Rezac, unveröff. Typoskript der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien (im Folgenden zit. als Doku), Vöcklabruck 1982, 23. Ludwig Hesshaimr, Mein Lebensweg vom Soldaten zum Künstler 1872– 1954, Rio de Janeiro 1954, 281, in: Nachlasssammlung des Österreichischen Kriegsarchivs (KA), Nachlaß Hesshaimr B/765, Nr. 1 (zit. lt. Melichar, Kämpfe (wie Anm. 61), 54. Hanisch, Männlichkeiten (wie Anm. 18), 40, 54f. Melichar, Kämpfe (wie Anm. 61), 53 u. 65; Hanisch, Männlichkeiten (wie Anm. 18), 67. De facto bewarb sich mehr als die Hälfte aller Berufsoffiziere, d. h. über 9.000 Mann, bis April 1920 für den Dienst im Bundesheer; 2.100 konnten übernommen werden, davon 600 in die Heeresverwaltung. In der bis dahin gebildeten Volkswehr taten Ende 1919 noch 2.679 Offi-

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ziere und ca. 60.000 Mann Dienst. Die Reserveoffiziere wurden größtenteils mit Kriegsende entlassen. Vgl. das Kapitel „Fritz Weber – ein österreichischer Remarque?“ in diesem Band, insbes. 163–165. Vgl. Melichar, Kämpfe (wie Anm. 61), 64–72. 20 % der Berufsoffiziere sollen letztlich im Staatsdienst untergekommen sein. Von Rezac, Lebenslauf (wie Anm. 64), 24f. Vgl. Melichar, Männlichkeit (wie Anm. 61), 312f.; ders., Kämpfe (wie Anm. 61), 58. Melichar, Männlichkeit (wie Anm. 61), 310. Vgl. auch Hanisch, Männlichkeiten (wie Anm. 18), 52–57. Vgl. Überegger, Paradigma (wie Anm. 8), 77–83. Melichar, Männlichkeit (wie Anm. 61), 310. Vgl. auch Hanisch, Männlichkeiten (wie Anm. 18), 48 u. 57. Vgl. Überegger, Paradigma (wie Anm. 8), 88. Vgl. den Beitrag „Fritz Weber – ein österreichischer Remarque?“ in diesem band, insbes. 169–177. Luis Trenker, Hauptmann Ladurner. Ein Soldatenroman, München 1940. Der Roman wurde lange nur Luis Trenker zugeschrieben. In den 1950erJahren kam es zum Bruch zwischen Weber und Trenker, im Zuge dessen entstand ein Plagiatsstreit um „Hauptmann Ladurner“ und drei weitere Romane. Die (Mit-)Autorschaft Webers an allen vier Werken gilt heute als erwiesen. Trenker, Hauptmann (wie Anm. 79), Vorwort, o. S. Trenker, Hauptmann (wie Anm. 79), 415. Die von Klaus Theweleit, Männerphantasien, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1977/78, auf der Basis der Memoiren deutscher Freikorps-Offizieren erarbeitete Linearität in der Überwindung der Männlichkeitskrise nach 1918 im nationalsozialistischen Männerbund ist dementsprechend auch in ihrem Allgemeinheitsanspruch zu relativieren; vgl. Kundrus, Geschlechterkriege (wie Anm. 20), 178f. Überegger, Paradigma (wie Anm. 8), 86. Vgl. die Beispiele bei Melichar, Männlichkeit (wie Anm. 61), 313ff. Melichar, Kämpfe (wie Anm. 61), 56. Von Rezac, Lebenslauf (wie Anm. 64), 23. Kundrus, Geschlechterkriege (wie Anm. 20), 176. Vgl. Melichar, Männlichkeit (wie Anm. 61), 311, der auf der Basis des Statistischen Handbuchs der Republik Österreich, 3–15. Jg., Wien 1923ff. anführt, dass die Scheidungsrate enorm anstieg, von 1.779 Scheidungen 1918 auf 4.171 Scheidungen 1919 und 6.003 Scheidungen 1929. Vgl. Ulrike Harmat, Ehe auf Widerruf. Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918–1938, Frankfurt a. M. 1999, insbes. 125–194.

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Anmerkungen

90 Das traf vor allem für Kriegsblinde zu. Vgl. Leisch-Prost/Pawlowsky, Kriegsinvalide (wie Anm. 28), 373. Alles in allem gestaltete sich die Situation der Kriegsinvaliden nach 1918 denkbar schlecht. 91 Vgl. auch Hanisch, Männlichkeiten (wie Anm. 18), 40. 92 Ein Volk klagt an! 50 Briefe über den Krieg, Wien/Leipzig 1931, 5, 38. Hervorhebung im Original durch Sperrdruck. Betont wird hier, dass es zu diesem Thema eine Fülle von Einsendungen gab, die nicht in die Edition aufgenommen werden konnten. 93 Michael Bauer, Lebenserinnerungen, unveröff. Typoskript, Doku, o. O., o. J., 59. Der Autor wurde 1896 geboren, stammt aus ärmlichen ländlichen Verhältnissen und war im Krieg v. a. an der Italienfront eingesetzt. 94 Franz Penz, Lebenserinnerungen und Vorfahren, unveröff. Typoskript, Doku, o. O., o. J., 8. Penz, geboren 1897, wurde in der 10. Isonzoschlacht schwer verwundet. 95 Volk (wie Anm. 92), 32. 96 Maximilian Rose, Lebenserinnerungen, unveröff. Typoskript, Doku (bzw. Kopie des von Arthur Hahn an die Historische Kommission der Stadt Wien übermittelten Manuskriptes), 62. 97 Penz, Lebenserinnerungen (wie Anm. 94), 13f. 98 Bauer, Lebenserinnerungen (wie Anm. 93), 67. 99 Martschukat/Stieglitz, Junge (wie Anm. 24), 85. 100 Auch Regina Wecker hat betont, dass es zentral ist danach zu fragen, „welche Merkmale“ einer bestimmten Kategorie sich „über sehr lange Zeiträume als stabil erweisen“, und dass eine solche „Stabilität von Merkmalen […] den Aussagen der zeitgenössischen Quellen widersprechen“ kann: Regina Wecker, Vom Nutzen und Nachteil der Frauen- und Geschlechtergeschichte für die Gender-Theorie. Oder: Warum Geschichte wichtig ist, in: L’Homme. Z. F. G., 18, 2 (2007), 27–52, hier 41. 101 Vgl. Connell, Mann (wie Anm. 23), 106; Martschukat/Stieglitz (wie Anm. 24), 82. 102 Vgl. die m. E. sehr plausible Verbindung des Krisenbegriffs mit gesellschaftlichem Umbruch bzw. der Moderne generell, wie sie Reinhard Koselleck vorschlägt: Krise, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3., Stuttgart 1982, 617–650, hier 627.

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Verzeichnis der Erstveröffentlichungen

Seelisch gebrochen, körperlich ein Wrack … Die Originalfassung dieses hier erweiterten Beitrages erscheint als: ‚Mentally broken, physically a wreck ...‘: Violence in War Accounts of Nurses in Austro Hungarian Service, in: Christa Hämmerle/Oswald Überegger/Birgitta Bader-Zaar (Hg.), Gender and the First World War, Basingstoke/New York 2014, 89–107. Ich danke vor allem den beiden Mitherausgeber/innen dieses Bandes, dass sie mich dazu motiviert haben, den auf einem früheren Vortragsmanuskript basierenden Text auszuarbeiten, sowie für ihre hilfreichen Kommentare zu einer ersten Fassung.

Schau, daß Du fort kommst! Mein Dank für die Unterstützung zu dieser Studie gilt Hans Medick, dessen Einladung an das Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen im November 1997 mir die Möglichkeit zur intensiven Arbeit bot, und Alf Lüdtke, Nicholas Stargardt sowie Edith Saurer und Franz Eder, deren hilfreiche Anregungen mich erneut nachdenken ließen. Erstmals erschienen ist der Beitrag unter dem Titel „... wirf Ihnen alles hin und schau, daß Du fortkommst“. Die Feldpost eines Paares in der Geschlechter(un)ordnung des Ersten Weltkriegs, in: Historische Anthropologie, 6, 3 (1998), 431­–458.

Die „Frauenhilfsaktion im Kriege“ Dieser Text entstand als Kapitel meiner Dissertation „Zur Liebesarbeit sind wir hier, Soldatenstrümpfe stricken wir ...“ Zu Formen weiblicher Kriegsfürsorge im Ersten Weltkrieg, Univ. Wien 1996, und wurde für die nunmehrige Erstveröffentlichung erweitert.

Wäsche für Soldaten Dieser hier gekürzte Beitrag ist unter dem Titel „‚Wir strickten und nähten Wäsche für Soldaten ...‘ Von der Militarisierung des Handarbeitens im Ersten Weltkrieg“ erstmals erschienen in: L’Homme. Z. F. G., 3, 1 (1992), 88–128. Die Recherchen dazu wurden teilweise im Rahmen eines vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung geförderten Projektes zum Thema „Autobiografien und geschlechtsspezifische Identität/en“ und eines Wissenschaftsstipendiums des Kulturamtes der Stadt Wien durchgeführt.

Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein … Unter dem Titel „Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein ...“. Soldaten und weibliche Liebesgaben im Ersten Weltkrieg, erschienen in: L’Homme. Z. F. G., 8, 1 (1997), 132–154.

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Anmerkungen

Fritz Weber – ein österreichischer Remarque? Erstmals erschienen als: „Es ist immer der Mann, der den Kampf entscheidet, und nicht die Waffe ...“ Die Männlichkeit des k. u. k. Gebirgskriegers in der soldatischen Erinnerungskultur, in: Hermann J. W. Kuprian/Oswald Überegger (Hg./ed.), Der Erste Weltkrieg im Alpenraum. Erfahrung, Deutung, Erinnerung/ La Grande Guerra nell’arco alpino. Esperienze e memoria, Innsbruck 2006, 35–60.

Krank, feige, muthlos … Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Vor vierzig Monaten waren wir Soldaten, vor einem halben Jahr noch Männer …“ Zum historischen Kontext einer „Krise der Männlichkeit“ in Österreich nach 1918, erstmals erschienen in: L’Homme. Z. F. G., 19, 2 (2008), 51–73.

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Abbildungsverzeichnis Seite 25, oben: Bildpostkarte mit Frauen als Symbol der ‚Waffenbrüderschaft‘ und ‚Vaterlandstreue‘; Privatbesitz Christa Hämmerle. Seite 25, unten: Bildpostkarte, ausgegeben vom Kriegshilfsbüro – Kriegsfürsorgeamt für das Rote Kreuz; Privatbesitz Christa Hämmerle. Seite 31: Bildpostkarte mit einer Schwester als ‚Engel in Weiß‘, ausgegeben vom Kriegshilfsbüro – Kriegsfürsorgeamt; Privatbesitz Christa Hämmerle. Seite 42, oben: Österreichisch-ungarische Soldaten (u. a. Leopold Brunner aus Niederösterreich) und Krankenschwestern im Kriegsspital (ohne genauere Angaben); Privatbesitz Christa Hämmerle. Seite 42, unten: ein Foto aus dem Lazarett als Kartengruß „nach Hause“, adressiert an Senzi Ilg aus Lustenau am 23. 3. 1917; Privatbesitz Christa Hämmerle. Seite 59: Aus der Kriegskorrespondenz von Leopold Wolf und Christl Lang/ Wolf; Fotografien der Sammlung Frauennachlässe, Institut für Geschichte der Universität Wien. Seite 126: Plakat mit dem Aufruf zur Spende von ‚Liebesgaben‘; aus: Bernhard Denscher, Gold gab ich für Eisen. Österreichische Kriegsplakate 1914–1918, Wien/München 1987, 53. Seite 181: Plakat zum Sascha-Kriegspropagandafilm „Die 10te Isonzoschlacht“ (1917); aus: Bernhard Denscher, Gold gab ich für Eisen. Österreichische Kriegsplakate 1914–1918, Wien/München 1987, 100.

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