Hegel-Studien Band 27 9783787329519, 9783787314911

TEXTE UND DOKUMENTE Ein bisher unbekannter Brief Altensteins an Hegel. Mitgeteilt und erläutert von Friedrich Hogemann A

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German Pages 300 Year 1992

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Hegel-Studien Band 27
 9783787329519, 9783787314911

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HE G E L- STU DIEN In Verbindung mit der Hegel-Kommission der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben von FRIEDHELM NICOLIN und OTTO PÖGGELER

B and 2 7

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

Inhaltlich unveränderter Print-On-Demand-Nachdruck der Originalausgabe von 1992, erschienen im Verlag H. Bouvier und Co., Bonn.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-1491-1 ISBN eBook: 978-3-7873-2951-9 ISSN 0073-1578

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2016. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de/hegel-studien

INHALT

TEXTE UND DOKUMENTE Ein bisher unbekannter Brief Altensteins an Hegel Mitgeteilt und erläutert von FRIEDRICH HOGEMANN, Bochum

9

ABHANDLUNGEN Hamburg Kritik der Übergänge zu den ersten Kategorien in Hegels Wissenschaft der Logik

11

Mississippi Hegel's criticism of law

27

Wien Hegels Konzept der bürgerlichen Familie im Kontext der Suche nach einer feministischen Weiblichkeitstheorie

53

ACHIM ILCHMANN,

MICHAEL H. HOFFHEIMER,

CHARLOTTE ANNERL,

SiBYL SCHWARZENBACH, New York

Züge der Hegelschen Rechtsphilosophie in der Theorie von Rawls Köln Zum Hegelverständnis Hermann Hellers

77

ERNST VOLLRATH,

Bochum Fichte versus Hegel oder Hegel und das Erdmandel-Argument

111

HANS-CHRISTIAN LUCAS,

.

131

KLEINE BEITRÄGE Paris La question nationale - Hegel et l'histoire de la philosophie

MYRIAM BIENENSTOCK,

. . .

Roma E. de Negri (1909-1990); Die Kritisierbarkeit Hegels

153

VALERIO VERRA,

157

HISTORY - PHILOSOPHY - POLITICS Eine gemeinsame Tagung des Hegel-Archivs und der Hegel-Society of Great Britain in Oxford Zum Gedächtnis von William Henry Walsh HANS-CHRISTIAN LUCAS,

Bochum

Kurzer Bericht

161

WILLIAM HENRY WALSH (+)

Philosophy of history and social theory in Hegel

163

Bochum Geschichtsphilosophie ohne Dogma

178

Birmingham William Henry Walsh, 1913-1986: in memoriam

184

OTTO PöGGELER,

LEON POMPA,

LITERATURBERICHTE UND KRITIK Hegel: Diferencia entre los sistemas de filosofia de Fichte y ScheUing (ARTURO LEYTE COELLE, Vigo)

189

Hegel: Notes et fragments. lena 1803—1806 (MYRIAM BIENENSTOCK, Grenoble)

190

St. Houlgate: Freedom, truth and history (JOHN RUSSON, Cambridge/Mass.)

192

M. D'Abbiero: Le ombre della communitä (FRANCESCA MENEGONI, Padova) R.

B.

Pippin: Hegel's ideaiism

195

(BERND BURKHARDT,

München)

198

Essays on Hegel's Logic. Ed. by G. di Giovanni (O. F. SUMMERELL, Bochum)

202

Der „liberale Hegel": ein Streit ohne Ende. — D. Losurdo: Hegel, Marx e la tradizione liberale; J.-C. Pinson: Hegel, le droit et le liberalisme (PAOLO BECCHI, Genova)

207

Zur Rekonstruktion der praktischen Philosophie. Hrsg. v. K.-O. Apel (ELISABETH WEISSER-LOHMANN, Bochum)

222

A. T. Peperzak: Hegels praktische Philosophie (ERZSEBET RöZSA, Debrecen)

231

G. Marini: Liberia soggetiva e libertä oggetiva nella filosofia del diritto hegeliana; Hegel: Lineamenti di filosofia del diritto (CARLA DE PASCALE, Bologna)

234

B. P. Priddat: Hegel als Ökonom

(BRUNO COPPIETERS,

237

D. M. Schütt: Divine subjectivity

(JOHN

W.

Bruxelles) Trent University)

240

Padova)

241

Erlangen/Paris) . .

244

Bewußtsein und Zeitlichkeit. Hrsg. v. H. Busche, G. Heffermann, D. Lohmar (HANS-JüRGEN GAWOLL, Bochum)

246

F. Kaulbach, Philosophie des Perspektivismus (MATTHIAS KOSSLER, Mainz)

248

W. Simonis: Gott in Welt

253

A. Ferrarin: Hegel interprete di Aristotele L. Calvie: Le renard et les raisins

BURBIDGE,

(GAETANO RAMETTA,

(NORBERT WASZEK,

(OTTO PöGGELER,

Bochum)

U. Bieberich: Wenn die Geschichte göttlich wäre (OTTO PöGGELER, Bochum)

254

R. Mehring: Pathetisches Denken M. Reist: Die Praxis der Freiheit

Köln)

256

Bochum)

259

(ERNST VOLLRATH,

(OTTO POGGELER,

M. Bykowa: War Hegel ein „schrecklicher Mensch"? (FRIEDHELM NICOLIN, Düsseldorf)

261

Kurze Anzeigen

über Hegel (ed. Jonkers), Hegel (übers, v. G. Pinna, A. Nuzzo, M. Keestra (Hrsg.), A. Schaefer, L. Sichirollo, H. Liehu, P. Cruysberghs (Hrsg.), Hölderlin-Bibliographie

263

BIBLIOGRAPHIE Abhandlungen zur Hegel-Forschung 1990. (Mit Nachträgen aus den Jahren 1988-1989.) Zusammenstellung und Redaktion: ANDREAS GROSSMANN, Bochum

271

EIN BISHER UNBEKANNTER BRIEF ALTENSTEINS AN HEGEL Mitgeteilt und erläutert von Friedrich Hogemann (Bochum)

Bei dem im folgenden wiedergegebenen Brief, der im Staatsarchiv Bamberg, Nachlaß ALTENSTEIN (G 36, Nr. 3040)^ aufbewahrt wird, handelt es sich um einen ReinschriftentwurP, der von unbekannter Hand geschrieben ist. Er schließt ab mit der Paraphe A[LTENSTEIN]. Bei dem von ALTENSTEIN erwähnten Schreiben handelt es sich zweifellos um den Brief VON BERGERS an Hegel vom 5. Juli 1821.3 Aus welchem Grunde dieses Schreiben zunächst an ALTENSTEIN statt an seinen Adressaten, Hegel, gelangte, ist unbekannt. Möglicherweise wurde er durch Diplomatenkurier von Kiel, das damals für Preußen Ausland war, nach Berlin befördert.

Berlin, den 16. July 1821. An den Herrn Professor Hegel Wohlgeb[oren] hier Ew. Wohlgeboren beeile ich mich anliegend ein an Sie gerichtetes Schreiben des Herrn Professor VON BERGER in Kiel eben so zu übersenden, wie ich es von dem Herrn Geheimen OberRegierungsRath SCHULZE erhalten habe. Letzterer empfiehlt sich Ihrer Liebe und Freundschaft und bedauert, daß ihm die Zeit vor seiner Abreise von Kiel so kurz zugemessen sey, daß er Ihnen nicht selbst habe schreiben können, behält aber alles der mündlichen Unterhaltung vor. Ich hoffe, daß er am 19. d. M. wieder hier eintreffen wird. Ich erneuere Ew. [Wohlgeboren] bei dieser Gelegenheit die Versicherung meiner Ihnen gewidmeten ausgezeichneten Hochachtung. Berlin, etc. A[ltenstein] 1 Dem Staatsarchiv Bamberg danke ich für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung des Briefes. 2 Dies geht aus einer Randnotiz hervor: cito. BriefPapier. 3 Briefe von und an Hegel. Hrsg. v. J. Hoffmeister, Bd 2. Hamburg 1953. 273 f.

10

FRIEDRICH HOGEMANN

Der Brief ALTENSTEINS an Hegel ermöglicht es, eine Anmerkung J. HOFFMEISTERS ZU dem Schreiben v. BERGERS richtigzustellen, v. BERGER schreibt: „Ich sage Ihnen, verehrter Hegel, meinen herzlichen Dank für die Zeilen, womit Sie mich erfreut habend und für die mir so teuer gewordene Bekanntschaft Ihres Freundes, der, wie ich hoffen darf, auch mir Freund geworden ist, so wie ich es von Herzen ihm bin. Hierzu bemerkt HOFFMEISTER, mit „Freund" sei LEOPOLD VON HENNING gemeint; dies gehe aus dem Brief Hegels an GOETHE vom 2. 8. 1821 hervor.^ In diesem Brief schreibt Hegel, „ein junger Mann" habe ihm soeben v. BERGERS Allgemeine Grundzüge der Wissenschaß, 2. TeU, überbracht. Aus dem Folgenden erhellt, daß der „junge Mann" LEOPOLD V. HENNING gewesen ist.^ Aber ist darum v. HENNEsiG der Freund, von dem v. BERGER spricht? Abgesehen davon, daß Hegel L.v. HENNING unter seine Schüler und nicht unter seine Freunde gerechnet haben wird, geht aus dem Brief Hegels an GOETHE nicht hervor, daß v. HENNING ZU V. BERGER nach Kiel gereist ist und von ihm die Grundzüge mit der Bitte, sie Hegel auszuhändigen, erhalten hat. Wie v. HENNING in den Besitz des Werkes gekommen ist, kann hier offen bleiben. Der Reinschriftentwurf legt die plausiblere Annahme nahe, daß der Freund, der in dem Schreiben v. BERGERS zweimal erwähnt wird, JOHANNES SCHULZE gewesen ist. Diese Vermutung findet zusätzlich eine Stütze darin, daß v. BERGER Hegel ankündigt, der „Freund" werde ihm über seine Kieler Tätigkeit „mehr sagen"®, und in Entsprechung dazu ALTENSTEIN ankündigt, J. SCHULZE behalte eine weitere Unterrichtung Hegels „der mündlichen Unterhaltung" vor.

* 5 6 7 8

Über die Zeilen Hegels an v. Berger ist weiter nichts bekannt. Briefe. Bd 2. 273. Ebd. 483. Ebd. 277. Ebd. 274.

ACHIM ILCHMANN (HAMBURG)

KRITIK DER ÜBERGÄNGE ZU DEN ERSTEN KATEGORIEN IN HEGELS WISSENSCHAFT DER LOGIK

In dieser Arbeit wird gezeigt, daß der Hegelsche Anspruch, allein aus dem Anfang als dem Abstrakten und Unmittelbaren das Konkretere und Reichere zu entwickeln, nicht aufrechtzuhalten ist. Damit wird nicht die Dialektik, und insbesondere nicht die Dialektik des Anfangs, preisgegeben. Es wird auf gezeigt, wie Hegel bei Entwicklung der Kategorien in der Wissenschaft der Logik stets Bezug nehmen muß auf ein heterogenes Etwas. Er versucht dies zu kaschieren. Der Unterschied der ersten Kategorien Sein und Nichts ist aus der unbestimmten Unmittelbarkeit von Sein und Nichts nicht zu begründen. Für den Unterschied von Sein und Nichts muß ein Etwas zitiert werden. Erst dieses Zitat eines Heterogenen ermöglicht den Fortgang der systematischen Darstellung. Damit ist die idealistische Dialektik in der Darstellung aufgehoben; sie ist negiert und vernichtet, weil sie als falsche aufgezeigt ist, und sie ist aufbewahrt und bestimmend für die Darstellung, weil die Kritik des Falschen konstitutiv für das Weitere ist. Im Folgenden werden die Übergänge zu den Kategorien Sein, Nichts, Werden, Entstehen, Vergehen, Nicht-Werden und Dasein analysiert, und es wird aufgezeigt, an welchen Stellen ein heterogenes Etwas zitiert werden muß, um eine korrekte systematische Entwicklung der Kategorien zu erhalten.

I. Hegel beginnt in der Wissenschaft der Logik mit einem Anakoluth: „Seyn, reines Seyn, — ohne alle weitere Bestimmung." (68,19)1 Diese grammatikalische Unkorrektheit ist sprachlich konsequent, denn die Verwendung 1 Zitiert wird in dieser Form stets die Ausgabe: G. W. f. Hegel: Gesammelte Werke. Bd 21: Wissenschaft der Logik. Teil 1, Bd 1 (1832). Hrsg. v. F. Hogemann u. W. Jaeschke. Hamburg 1985. Die erste Zatd in der Klammer bezeichnet die Seitenzahl, die kleinere zweite Zahl die Zeilenangabe.

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ACHIM ILCHMANN

eines Artikels und eines Prädikats für „Seyn" würde ein Bestimmtes bezeichnen, stände dann aber in Widerspruch zu „ohne alle weitere Bestimmung". Damit ist es „unbestimmte Unmittelbarkeit" (68,19-20). Als Negation der Vermittlung ist Unmittelbarkeit ein Reflexionsbegriff. „Seyn, reines Seyn" ist ohne Bestimmung, und deshalb muß Hegel die Bestimmung der Unmittelbarkeit negieren, und er sagt „unbestimmte Unmittelbarkeit". Sein ist also weder unmittelbar, denn dann wäre es unterschieden zu vermittelt und damit nicht unbestimmt, noch ist es vermittelt. Sein ist also widersprechend bestimmt, es ist selbst der absolute Widerspruch, weil nichts Bestimmtes, dem widersprochen wird, zugrunde liegt. Auch die weitere Angabe, daß Sein „nur sich selbst gleich" (68,20) ist, ist analog konstruiert. Gleichheit ist eine Reflexionsbestimmung, zwei Dinge können nur gleich sein, wenn sie auch unterschieden sind. Selbstgleichheit ist Negation von Gleichheit zu Anderen. Da Sein insbesondere unbestimmte Unmittelbarkeit ist, kann es nicht sich selbst gleich sein, denn als Selbstgleichheit enthält es die Beziehung zu Anderen. Letzteres wird negiert, indem Hegel sagt „nur sich selbst gleich" [Hervorhebung A. I.]. Für jede Bestimmung, die diese „unbestimmte Unmittelbarkeit" nicht erfüllt, gilt, daß sie für Sein nicht zutrifft, und Hegel zählt die folgenden Beispiele auf: „nicht ungleich gegen anderes, hat keine Verschiedenheit innerhalb seiner, noch nach Aussen" (68,20—69,1). Sein ist ohne Beziehung auf sich selbst, andernfalls wäre es wie das Wesen bestimmt. „Es ist die reine Unbestimmtheit und Leere." (69,4) Auch hier reicht es wieder nicht aus, von „Unbestimmtheit und Leere" zu sprechen, da diese Begriffe negativ bezogen sind auf Bestimmtheit und Inhalt. Indem dieser Bezug durch „reine" negiert wird, bleibt stets der absolute Widerspruch übrig. In dem Abschnitt „Womit muß der Anfang der Wissenschaft gemacht werden?" (54,30) hat Hegel dargestellt, daß der Begriff des reinen Wissens das Resultat der Phänomenologie des Geistes, der Wissenschaft des Bewußtseins, ist. Das reine Wissen ist das reine Sein. Es ist dasjenige, womit Hegel in der Wissenschaft der Logik beginnt. Wird von allem Bestimmten abstrahiert, so bleibt ein unbestimmtes Etwas übrig. Dieses erhält allerdings noch die Bestimmung, daß Unbestimmtheit an Etwas ist, das eben selbst völlig unbestimmt ist. Wird auch von diesem Etwas abstrahiert, so erhält man „Seyn, reines Seyn, — ohne alle weitere Bestimmung". Analog kann man die folgende Konstruktion betrachten: Wissenschaft handelt von konkreten Urteilen, ansonsten hätte sie einen leeren Gegenstandsbereich. Wird von diesen konkreten Urteilen abstrahiert, so bleibt

Kritik der Übergänge

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das abstrakte Urteil ,S ist P' übrig. Darin setzt die Kopula ,isb das abstrakte Subjekt ,S' in Beziehung zu dem abstrakten Prädikat ,P'. Wird von den Relata des Urteils abstrahiert, so bleibt nur noch ,ist' oder ,Sein' übrig, eine Kopula, die keine mehr ist, sondern lediglich ein notwendig Zugrundeliegendes für ein mögliches Urteil. Die vorigen zwei Darstellungen sollen lediglich eine erläuternde Hilfestellung leisten, um reines Sein zu verstehen. Da die Abstraktion von etwas Gegebenem dieses selbst voraussetzt, taugt eine solche Argumentation nicht zur systematischen Darstellung. Hegel argumentiert so nicht, sondern führt negativ vor, daß jede angenommene Bestimmung des Seins stets zum absoluten Widerspruch führt. Die Annahme zum Beispiel, daß Sein ungleich gegen anderes ist, widerspricht der unbestimmten Unmittelbarkeit. Damit ist Sein nicht ungleich gegen anderes. Sein kann auch nicht gleich zu Anderem sein, denn dann wäre es nicht unmittelbar. Also ist Sein „nur sich selbst gleich". Es ist nicht zu unterscheiden, ob Sein in logischer oder ontischer Hinsicht gilt. Käme Sein nur eine der beiden Bedeutungen zu, so wäre es bestimmt, was der Bestimmung des Seins widersprechen würde. Die logische und die ontische Bestimmung sind aufeinander verwiesen, denn eine ontische Bestimmung läßt sich nur durch ein logisches Urteil aussagen, während eine logische Bestimmung nur möglich ist, wenn etwas ist (existiert). Hegel beginnt also die Wissenschaß der Logik mit Sein, welches die Indifferenz von Logischem und Ontischem enthält, aber nicht als positive Bestimmung, sondern selbst diese muß wieder negiert werden. Er setzt ein Untrennbares an den Anfang, andernfalls hätte er das Problem der Vermittlung von ontischen und logischen Aussagen. Weil Sein nicht ontisch bestimmt ist im Gegensatz zum Logischen, sagt Hegel: „Es ist nichts in ihm anzuschauen, wenn von Anschauen hier gesprochen werden kann" (69,4-5), und weil Sein nicht als Begriff bestimmt ist im Unterschied zum Gegenstand des Begriffs, so heißt es: „Es ist eben so wenig etwas in ihm zu denken" (69,6). Da reines Sein Unmittelbarkeit ist, die selbst noch unbestimmt ist, kann gar nichts davon bestimmt werden, und es gilt: „Das Seyn . . . ist. . . Nichts" (69,7). Es ist nicht von Nichts zu unterscheiden, die Analyse des Anakoluths „Seyn, reines Seyn" führt zu dem Anakoluth „Nichts". Dieser Übergang findet zwar an dem Begriff selbst statt, sehr wohl muß aber die äußere Reflexion diesen Übergang auf spüren. Im Unterschied zu späteren Übergängen zitiert die äußere Reflexion hier allerdings nicht ein Heterogenes.

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ACHIM ILCHMANN

II. Hegel untersucht als nächstes das Anakoluth „Nichts, das reine Nichts" (69,11). Nichts ist notwendig ein Anakoluth, denn Nichts kann nicht Subjekt der Prädikation sein. Somit ist auch das reine Nichts der absolute Widerspruch. Die näheren Erläuterungen „einfache Gleichheit mit sich selbst, vollkommene Leerheit, Bestimmungs- und Inhaltslosigkeit; Ununterschiedenheit in ihm selbst" (69,11-12) sind lediglich andere Formulierungen derer, die Hegel im vorangegangenen Abschnitt bezüglich des Seins angegeben hat. In logischer Hinsicht sind Sein und Nichts nicht zu trennen, dies bestätigt nochmals die Aussage des vorigen Abschnittes: Sein ist Nichts. Wäre diese Aussage die einzige über Sein und Nichts, so müßte die Darstellung hier konsequenterweise enden. Sein und Nichts wären univok, und es wäre unmöglich, aus Nichts Weiteres zu entwickeln. Allerdings führt Hegel an dieser Stelle einen Unterschied von entscheidender Bedeutung ein: „Insofern Anschauen oder Denken hier erwähnt werden kann, so gilt es als ein Unterschied, ob etwas oder nichts angeschaut oder gedacht wird." (69,13-14) Der Unterschied von etwas und nichts ist behauptet, weil etwas nicht systematisch hergeleitet, sondern zitiert ist. Eine systematische Entwicklung wäre auf dieser Darstellungsstufe gar nicht möglich, denn das Etwas wird erst im zweiten Kapitel (102—104) eingeführt. Hegel unterscheidet hier nicht Sein und Nichts, sondern etwas und nichts. Eine Einführung des Unterschiedes von Sein und Nichts wäre nicht möglich, denn „hätte Seyn und Nichts irgend eine Bestimmtheit, wodurch sie sich unterscheiden, so wären sie . . . bestimmtes Seyn und bestimmtes Nichts . . ., wie sie es hier noch nicht sind." (79,20-22) Mit der gleichen Begründung weist Hegel in der Anmerkung 1 (70—71) ausdrücklich darauf hin, daß das reine Nichts nicht das Entgegengesetzte zu Etwas sein kann. Oder in Anmerkung 2: Der Unterschied von Sein und Nichts „ist daher völlig leer, jedes der beyden ist auf gleiche Weise das Unbestimmte" (79,22-23). Im Gegensatz zu vielen Interpretationen folgt daraus, daß Sein und Nichts nicht gegenseitig aufeinander bezogen sind, sie sind keine Reflexionsbestimmungen. Weil Nichts „vollkommene .. . Bestimmungslosigkeit" ist, kann ein Unterschied zu Etwas nicht begründet werden. Die äußere Reflexion unterscheidet Nichts und Etwas, indem sie sich auf ein Heterogenes der Darstellung bezieht, nämlich auf Etwas. In den folgenden Formulierungen kommt zum Ausdruck, wie Hegel das Zitat zu kaschieren versucht: „Insofern Anschauen oder Denken hier

Kritik der Übergänge

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erwähnt werden kann, so gilt es als ein Unterschied, ob etwas oder nichts angeschaut oder gedacht wird." (69,13-14) „Anschauen oder Denken" darf nicht erwähnt werden, weil dies für das Sein oder Nichts nicht möglich ist. Hegel sagt nicht, daß der Unterschied ist, sondern „es gilt" als ein Unterschied. Und weiterhin: der Unterschied „besteht daher nicht an ihnen selbst, sondern nur in einem Dritten, im Meynen. Aber das Meynen ist eine Form des Subjectiven, das nicht in diese Reihe der Darstellung gehört." (79,23-25) Hegel unterscheidet ,etwas und nichts' und nicht,Etwas und Nichts'. Die Großschreibung von Etwas würde auf das Etwas hinweisen, wie es im zweiten Kapitel (102—104) entwickelt wird. Damit wäre das Zitat deutlicher. Inhaltlich besteht allerdings kein Unterschied, ob Groß- oder Kleinschreibung verwendet wird, und Hegel geht im anschließenden Satz unvermittelt zur Großschreibung von Nichts über. Ist Etwas unterschieden zu Nichts, so folgt: „Nichts Anschauen oder Denken hat also eine Bedeutung; beyde [etwas und nichts, A. 1.] werden unterschieden, so ist (existiert) Nichts in unserem Anschauen oder Denken" (69,14-16). Es heißt „oder", weil Logisches und Ontisches nicht zu trennen sind. Da Nichts und Etwas unterschieden werden, haben sie eine Bedeutung im Denken, und es folgt: Nichts existiert im Denken. Das Zitat des Etwas führt dazu, daß Etwas zu Nichts unterschieden wird. Damit sind Sein und Nichts nicht dasselbe, denn Sein ist „ohne alle weitere Bestimmung". Zugleich ist die Aussage ,Nichts existiert im Denken' der absolute Widerspruch, denn Nichts läßt sich nicht bestimmen und ist „das leere Anschauen und Denken selbst" (69,16-17). Es folgt also: „Nichts ist. . . dasselbe, was das reine Seyn ist." (69,18-19) Der Anspruch der Hegelschen idealistischen Dialektik ist, eine Entwicklung des Begriffs der Wissenschaft, i. e. des reinen Wissens, zu sein. Hegel behauptet: „Es ist die dialektische immanente Natur des Seyns und Nichts selbst, daß sie ihre Einheit, das Werden, als ihre Wahrheit zeigen." [Hervorhebungen A. 1.] (92,16-17) Das ist falsch, denn der Bezug auf ein Heterogenes gegenüber dem reinen Wissen des Anfangs ist notwendig für den Fortgang der Darstellung. Käme Sein und Nichts lediglich zu, nicht unterschieden zu sein, dann könnte aus dem Nichts sich nichts entwickeln. Die äußere Reflexion kann allerdings nicht ein beliebig Heterogenes zitieren. Es muß dasjenige sein, welches heterogen und — analog zu reinem Sein — „unbestimmte Unmittelbarkeit" ist. Dies ist das Etwas, denn es ist unterschieden zu Nichts, der Unterschied läßt sich aber nicht bestimmen.

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ACHIM ILCHMANN

Hegel hat in seiner Darstellung mit Sein begonnen und gezeigt, daß Sein Nichts ist. Sodann wurde mit Hilfe des zitierten Etwas entwickelt, daß Nichts Sein ist. Die Reihenfolge dieser Darstellung ist nicht vertauschbar. Ausgehend von Nichts kann nur zu Nichts übergegangen werden, dies ist aber gar kein Übergang, denn Nichts bleibt bei sich selbst. (Vgl. die Kritik des Satzes ex nihilo nihil fit in Anmerkung 1 (70—71).) Es könnte also gar keine Bewegung des Begriffs stattfinden. Erst die Übergänge ,Sein ist Nichts' und ,Nichts ist Sein' widersprechen der Aussage ,Sein und Nichts sind nicht dasselbe', und dieser Widerspruch ist konstitutiv für den Fortgang der Darstellung. Der Vorrang des Seins gegenüber dem Nichts verweist ebenfalls auf ein materialistisches Moment in der Darstellung. Wären Sein und Nichts lediglich nicht unterschieden, so könnte ein solcher Vorrang bezüglich der Reihenfolge der Darstellung nicht erscheinen. Daß er aber existiert, ist ein Hinweis darauf, daß der Darstellung ein Heterogenes zugrundeliegen muß.

III. In den obigen zwei Abschnitten haben sich die widersprechenden Aussagen ergeben: „Das reine Seyn und das reine Nichts ist also dasselbe" (69,24) und „sie [sind, A. I.] nicht dasselbe, sie [sind, A. I.] absolut unterschieden" (69,27-28). Dieser Widerspruch ist nicht zu lösen, sondern seine Voraussetzungen sind näher zu untersuchen. Der Grund des Widerspruchs liegt darin, daß Sein und Nichts isoliert und selbständig, i. e. abstrakt, genommen werden. „Was die Wahrheit ist, ist weder das Seyn, noch das Nichts" (69,24-25). Denn es ist gezeigt worden, daß Sein und Nichts als getrennte und eigenständige Begriffe (deshalb verwendet Hegel im obigen Zitat den bestimmten Artikel ,das') nicht zu bestimmen sind, sondern Sein sich als Nichts herausstellt, in Nichts übergeht, und umgekehrt. „. . . die Wahrheit ist, . . . daß das Seyn in Nichts, und das Nichts in Seyn, — nicht übergeht, — sondern übergegangen ist." (69,24-26) Allerdings ist „jenes üebergehen . . . noch kein Verhältnis" (90,13), denn Sein und Nichts können als reine Unbestimmte kein Verhältnis eingehen. Damit aber dieser Übergang möglich ist, muß ihre Unterschiedenheit notwendig vorausgesetzt werden. „Aber eben so sehr ist die Wahrheit, . . . daß sie nicht dasselbe, daß sie absolut unterschieden . . . sind". (69,26-28) Diese Bewegung des Übergangs in das jeweilige Gegenteil nennt Hegel „das Werden; eine Bewegung, worin beyde unterschieden sind, aber durch einen Unterschied, der sich eben so unmittelbar aufge-

Kritik der Übergänge

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löst hat." (69,30—70,2) Das Werden ist im Gegensatz zu Sein oder Nichts vermittelt, denn es ist nur zu verstehen durch die Kritik von Sein und Nichts als falsche Abstraktionen, i. e. als Isolierte und Selbständige gegeneinander. Hätte man das Werden unmittelbar eingeführt, so wäre nicht zu begründen, warum das Werden „einen Unterschied [enthält, A. L], der sich eben so unmittelbar aufgelöst hat." (70,1-2) Hegel benutzt deshalb den bestimmten Artikel ,das' (69,30) zurecht. Gleichzeitig gilt, daß das Werden nicht durch Sein und Nichts vermittelt ist. Denn wäre es vermittelt, so würde man Sein und Nichts als Selbständige und Isolierte nehmen. Dann aber erweist sich die Vermittlung als Vermittlung von Nichts und damit als keine Vermittlung. Deshalb ist die Weglassung des Artikels in der Überschrift „C. Werden" auch korrekt. Die Bestimmung des Werdens ist, die Einheit von Sein und Nichts zu sein. Einheit bedeutet hier weder die Zusammenfassung noch die vollständige Vernichtung von Unterschiedenen oder Sich-Widersprechenden, sondern die Einheit soll zwei Begriffe, die zu widersprechenden Aussagen führen, in der Form enthalten, daß sie in der Einheit aufgehoben sind. Aufheben besitzt stets die zwei Bedeutungen: „aufbewahren, erhalten . . . und zugleich so viel als aufhören lassen, ein Ende machen." (94,19-20) Es gut also: „Was sich aufhebt, wird dadurch nicht zu Nichts." (94,15) Die zwei zum Widerspruch führenden Begriffe als auch die sich widersprechenden Aussagen sind in der Einheit sowohl aufbewahrt, weil die Einheit ohne die Kritik an dem Widerspruch bzw. der Selbständigkeit der Aussagen gar nicht verständlich ist, als auch vernichtet, weU die anfänglich vorgestellte Selbständigkeit der Begriffe negiert worden ist, und diese damit aufgehört haben, als selbständige zu gelten. Die Einheit enthält somit die anfänglich isolierten Begriffe nur noch in der Form von Momenten. Der Begriff Moment hat ebenfalls eine doppelte Bedeutung, nämlich erstens sowohl notwendiger bestimmender Teil des Ganzen, Antriebskraft zu sein, als auch zweitens verschwindende und unselbständige Größe, Augenblick zu sein. Der Begriff des Moments ist aus der ARisTOTEÜschen Metaphysik bekannt.2 Das Werden ist im Gegensatz zu der Hegelschen Darstellung bei ARISTOTELES der konkrete Prozeß, das Werden eines Einzeldings. Der Prozeß ist bestimmt durch die (vier) Ursachen. ARISTOTELES kritisiert PLATON, indem er die Unselbständigkeit der Ideen nachweist, die Form ist nicht für sich. Somit sind die Ideen im Prozeß als Momente aufbewahrt;

2 Aristoteles: Metaphysik. Übers, v. H, Bonitz. Halbband 2. Hamburg 1980. 1032a ff.

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ACHIM ILCHMANN

sie bestimmen das Werden des Einzelnen, werden als Selbständige aber negiert.

Hegel führt als Beispiel die mechanischen Momente Gewicht und Entfernung des Hebels an. (95,5-9) In der korrekten Terminologie müßte es heißen Kraftbetrag (F;) und Kraftarm (Zj). Das Hebelgesetz lautet mit dieser Notation bekanntlich fj-Zi = F2'l2- Im Unterschied zu Sein und Nichts sind Kraftbetrag und Kraftarm zwar keine „unbestimmten Unmittelbarkeiten", aber das Beispiel ist in der folgenden Hinsicht analog. Der Hebel ist bestimmt durch die gleichzeitige Wirkung von Kraftarm und -gewicht, beide sind notwendig zur Bestimmung der Ruhelage zweier Körper. Einzeln und isoliert taugen diese nicht, um die Ruhelage zu bestimmen. Im Drehmoment ist ihre Selbständigkeit negiert. Das Werden ist aus folgendem Grunde die Einheit von Sein und Nichts. Mit der anfänglichen „Bestimmung" der Begriffe Sein und Nichts, nämlich unbestimmte Unmittelbarkeit, wird gezeigt, daß Sein in Nichts übergegangen ist und umgekehrt. Es ergeben sich dann die widersprechenden Aussagen ,Sein und Nichts sind dasselbe' und ,Sein und Nichts sind nicht dasselbe'. Diese beiden Aussagen können nicht zusammengefaßt werden, da sie sich widersprechen; sie können auch nicht für ungültig erklärt werden, da jede isoliert betrachtet wahr ist. Zu kritisieren sind die zugrundeliegenden Voraussetzungen des Widerspruchs. Kritisiert wird die angenommene Selbständigkeit von Sein und Nichts, aber sie kann nicht für nichhg erklärt werden, denn sie ist notwendig zur Beshmmung der Übergänge von Sein zu Nichts und von Nichts zu Sein, und damit des Werdens. Insofern sind Sein und Nichts aufbewahrt. Vernichtet sind Sein und Nichts in der Hinsicht, daß ihre Bedeutung als selbständige und isolierte Begriffe sich als falsch herausgestellt hat. „Sie sinken von ihrer zunächst vorgestellten Selbständigkeit zu Momenten herab, noch unterschiedenen, aber zugleich aufgehobenen."

(92,25-26) Die Einheit, hier als Beispiel das Werden, ist im Gegensatz zum Urteil in der Lage, eine spekulative Wahrheit auszudrücken. Hegel macht auf das Problem aufmerksam, „daß der Satz, in Form eines Urtheils, nicht geschickt ist, speculative Wahrheiten auszudrücken" (78,4-5). Dem Subjekt kommen stets verschiedene Prädikate zu, und das Prädikat ist für verschiedene Subjekte gültig. Wäre diese ,gegenseitige Überlappung' nicht gegeben, so wäre das Urteil trivial, tautologisch. „Ist nun aber der Inhalt speculativ, so ist auch das Nichtidentische des Subjects und Prädicats wesentliches Moment, aber diß ist im Urtheile nicht ausgedrückt." (78,9-11) Die Reflexion deckt die Bewegung, die sich gegenüber den iso-

Kritik der Übergänge

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lierten Urteilen als Wahrheit herausstellt, auf. ln der Reflexion, in der Einheit, ist das Aufgehobene nur zu verstehen durch die Kritik des Falschen; in der Reflexion enthält das Aufgehobene die negative Beziehung auf das, was es nicht ist. Das Wahre pur ist nicht zu bekommen, sondern die Kritik des Falschen ist wesentlich, um das Wahre zu erhalten, und diese Kritik ist dann wesentlich im Wahren enthalten. ln dem Abschnitt „1. Einheit des Seyns und Nichts" benutzt Hegel, im Gegensatz zu vorher, für Sein und Nichts den bestimmten Artikel „das": „Das reine Seyn und das reine Nichts" (69,24). Sein und Nichts sind nicht mehr in der anfänglichen „unbestimmten Unmittelbarkeit", sondern sie sind jetzt bestimmt, nämlich als Momente der Einheit des Werdens. Übernähme man die Hegelsche Darstellung affirmativ, so läge in der Tat der ,Hegelsche Urknall' vor. Hegels objektiver Idealismus ist zu kritisieren, wenn er sagt, daß „unmittelbar jedes [Sein und Nichts, A. I.] in seinem Gegentheil verschwindet". (69,28-29) Zu dem Abschnitt „B. Nichts" hatte ich gezeigt, daß der Übergang von Nichts zu Sein kein unmittelbares Verschwinden ist. Der Vorrang des Seins gegenüber dem Nichts in der Darstellung verweist auf das materialistische Moment, für den ünterschied von Etwas und Nichts ist das Zitat des heterogenen Etwas notwendig. Ansonsten wäre die Darstellung die eines ,ürknalls', denn ausgehend von Sein, was Nichts ist, ergibt sich im Nichts eine Bewegung zwischen diesem Nichts und dem vormals Sein gewesenen Nichts, also eine Bewegung zwischen Nichts, und diese Bewegung ist plötzlich ein Bestimmtes, nämlich das Werden. Aus dem „unbestimmten ünmittelbaren" hätte sich dann an diesem selbst ein konkreter bestimmtes ergeben. Auf die Unmöglichkeit dieser Argumentation verweisen implizit auch die folgenden Textstellen: „Etwas ist nur insofern aufgehoben, als es in die Einheit mit seinem Entgegengesetzten getreten ist" (95,3-5), und: „ein Aufgehobenes . . . hat daher die Bestimmtheit aus der es herkommt, noch an sich." (94,16-18) ln beiden Zitaten wird ausgesagt, daß ein Aufheben notwendig ein Bestimmtes schon voraussetzt. Gerade das sind Sein und Nichts abstrakt genommen aber nicht. Also ist ohne Zitat des Etwas ein Aufheben gar nicht möglich. Insgesamt zeigt sich im Gegensatz zu vielen Interpretationen, daß das reine Sein nicht der Anfang der Wissenschaß der Logik ist. Reines Sein kann gar nicht Anfang sein, da es Nichts ist. Ebenso ist mit Nichts nicht anzufangen, da, wie Hegel bei der Kritik des Satzes ,ex nihilo nihil fit' in Anmerkung 1 (70 ff) gezeigt hat, dann aus dem Nichts nicht herauszukommen ist. Auch das Ergebnis des Abschnitts „A. Seyn", nämlich „Das Seyn ... ist. . . Nichts", welches der absolute Widerspruch ist, kann

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nicht weiterentwickelt werden. Erst das Zitat des Etwas führt zu der Bestimmung des Unterschiedes von Etwas und Nichts und dann zum Unterschied von Sein und Nichts. Dem absoluten Widerspruch, dem Sein, ist nicht auf den Grund zu gehen; erst dem Widerspruch ,Sein und Nichts sind rücht und sind unterschieden' ist auf den Grund zu gehen. Die Grundlage der Hegelschen Logik ist das Werden, welches notwendig auf ein materialistisches Moment verweist. Die dialektische Darstellung Hegels ist keine idealistische, sondern enthält ein materialistisches Moment, welches Hegel zurückdrängt und zu kaschieren versucht. Als Beispiel für Dialektik führt Hegel die „unendlich-kleinen Größen“ (91,25) an. Er zeigt, daß dem Streit der Mathematiker im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts „die Unvermögenheit, den Gegenstand als [dialektischen, A. I.] Begriff zu rechtfertigen" (251,25-26) zugrunde lag. Ich illustriere den Streit am Beispiel der Funktion f: IR ^ IR, x \—^ f{x) = Für dx £ IR, dx + 0, lautet der Differentialquotient: f(x -h dx) — f(x) dx

= 2x -\- dx .

Dies ist die Steigung der Sekante an der Stelle x. Will man die Steigung der Tangente an der Stelle x berechnen, so wird auf der rechten Seite der Gleichung dx = 0 gesetzt. Auf der linken Seite ist dies aber nicht erlaubt, denn dies würde den unsinnigen Ausdruck § ergeben. So stellten die Mathematiker die Frage, ob dx A 0 oder dx = 0 ist. Die Analogie zu ,Sein und Nichts' bei Hegel besteht nicht bezüglich der unbestimmten Unmittelbarkeit, denn ein endliches Quantum (dx A 0) und Null sind bestimmt. Die Analogie besteht darin, daß dx analog zum Werden weder ein endliches Quantum (Sein als isoliertes) noch Null (Nichts als isoliertes) ist. Wird dx A 0 angenommen, so erhält man nicht die Tangente. Wird dx = 0 gesetzt, so ist der Differentialquotient unsinnig. Dem Widerspruch dx A 0 und dx = 0, beides notwendig zur Bestimmung der Tangente, muß auf den Grund gegangen werden. Analog zu Sein und Nichts wird die Selbständigkeit von dx A 0 und dx = 0 kritisiert. Die Einheit ist die „verschwindende Größe[n] d. h. solche, die nicht mehr irgend ein Quantum, aber auch nicht Nichts, sondern eine Bestimmtheit gegen anderes“ ist. (252,8-9) Für diese Einheit ist notwendig, daß sie kleiner als jede endliche Größe ist und nicht Null ist. Analog zum Werden sind jetzt dx A 0 und dx = 0 Momente; beide werden zur Bestimmung der Tangente benötigt, als Selbständige führen sie aber zu widersprechenden Aussagen. Hegel

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sagt, daß es ein falscher Einwand ist zu fordern, „daß solche Größen entweder Etwas seyen, oder nichts; daß es keinen Mittelzustand (Zustand ist hier ein unpassender, barbarischer Ausdruck) zwischen Seyn und Nichts gebe." (92,2-4) „Diese Größen sind als solche, bestimmt worden, die in ihrem Verschwinden sind, nicht vor ihrem Verschwinden, denn alsdann sind sie endliche Größen; nicht nach ihrem Verschwinden, denn alsdann sind sie nichts." (91,26 —92,1). Diese Bestimmung ist dann auch tatsächlich in der korrekten Fassung des Differentials f(x) als lineare Bestapproximation enthalten.^ f{x -b dx) = f(x) -b f'{x)dx -b cp{dx) wobei lim^ ^ 0. dx dx steht stellvertretend für alle Nullfolgen (x„)„ GN mit x„ ¥= 0. Die Nullfolge ist die Einheit der Momente dx ¥= 0 und dx = 0, sie ist analog zum Werden Bewegung, denn sie ist der Übergang von dx ^ Q zu dx = 0. Allerdings hat die Mathematik des 19. Jahrhunderts ebenso wie Hegel dx nicht als eigenständige Größe genommen. Es war nicht das Programm, die „verschwindenden Größen" als Zahlen einzuführen, mit denen zu rechnen ist. Hegel sagt: „Jene unendlichen Größen sind . . . nicht. . . vergleichbar". (252,28-29) Erst mit der Einführung der Nichtstandard-Analysis^ in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ist der Begriff der „verschwindenden Größe" auch als Nichtstandard-Zahl etabliert worden. LAUGWITZ beschreibt infinitesimale Zahlen als solche, die „größer als Null, aber kleiner als jede reziproke natürliche Zahl sind".^ Diese Bestimmung entspricht der Hegelschen, die besagt: „Sie [dx und dy, A. I.] sind nicht mehr Etwas . . .; aber auch nicht Nichts, nicht die bestimmungslose Null." (251,12-14)

IV. Das Werden „als Einheit des Seyns und Nichts ist. . . diese bestimmte Einheit" (92,21-22). Sie ist doppelt negativ bestimmt, da Sein und Nichts in dieser Einheit nicht getrennt und nicht ungetrennt sind. Wären sie ge3 Vgl. z. B. O. Förster: Analysis I. Hamburg 1976. 99 u. 102. Vgl. C. Schmieden und D. Laugwitz: Eine Erweiterung der Infinitesimalrechnung. In: Mathematische Zeitschrift. 69 (1958), 1—39. 5 D. Laugwitz: Zahlen und Kontinuum. Zürich 1986. 13.

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trennt, dann wäre auch die Einheit von Sein und Nichts von diesen getrennt, und damit wäre kein Werden. Wären sie ungetrennt, dann wären beide unbestimmte Unmittelbarkeit, und es wäre ebenfalls kein Werden. Das Werden wird jetzt näher untersucht. Wegen der Unterschiedenheit von Sein und Nichts (ich erinnere daran, daß das Etwas zitiert werden mußte, und damit der Vorrang des Seins gefolgert wurde) kann jetzt die Bewegung der Übergänge selbst wie folgt unterschieden werden. Betrachtet man das Sein (oder analog das Nichts), so existiert dies im Werden nur dann, wenn Sein und Nichts im Werden aufgehoben sind. Das heißt. Sein und Nichts sind notwendig zur Bestimmung des Werdens, ihre vorgestellte Selbständigkeit ist negiert. Also ist sowohl das Sein als auch das Nichts die Einheit der Momente Sein und Nichts. „Nach dieser ihrer Unterschiedenheit sie [Sein und Nichts, A. I.] aufgefaßt, ist jedes [Sein oder Nichts, A. I.] in derselben [Unterschiedenheit, A. I.] als Einheit mit dem Andern." (93,1-2) Die Bestimmung des Werdens als Einheit von Sein und Nichts reproduziert sich in den Momenten. Sein und Nichts sind damit konkreter bestimmt, nämlich als Vergehen und Entstehen. Vergehen ist, wenn das Sein als unmittelbar genommen wird, und es als Einheit von Sein und Nichts notwendig auf das Nichts bezogen ist. Das Sein ist Übergang ins Nichts oder anders ausgedrückt Vergehen. Die analoge Aussage gilt für das Entstehen, und es ergibt sich: „Das Werden ist auf diese Weise in gedoppelter Bestimmung; ... — Entstehen und Vergehen." (93,7-10) Hegel sagt: „die Bestimmungen [von Sein und Nichts, A. I.] sind in ungleichem Werthe in diesen Einheiten [Entstehen und Vergehen, A. I.]." (93,5-6) Eine notwendige Voraussetzung für das Werden ist, daß Sein und Nichts unterschieden sind. Dieser Unterschied ergibt sich nicht aus der „unbestimmten Unmittelbarkeit" des Seins und Nichts, er ist nur, wenn das Etwas zitiert wird. Deshalb verweist der Ausdruck „in ungleichem Werthe" auf das materialistische Moment in der Darstellung, welches Hegel nicht zugestehen will. Der Wert des einen (des Seins) ist größer als der des anderen (des Nichts) nur dann, wenn das Sein gegenüber dem Nichts einen Vorrang hat. Dieser Vorrang gründet auf dem Zitat des Etwas. Die nähere Untersuchung der Einheiten Entstehen und Vergehen ergibt, daß „diese so unterschiedenen Richtungen [sich gegenseitig] durchdringen und paralysiren". (93,11-12) Sie durchdringen sich, da — analog zu den Übergängen von Sein in Nichts und von Nichts in Sein — Entstehen als in Vergehen übergegangen aufgezeigt wird: Entste-

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hen ist der Übergang von Nichts in Sein, das Sein ist aber wegen seiner Unselbständigkeit nicht zu trennen und damit in Nichts übergegangen, der vorige Übergang von Sein zu Nichts ist aber gerade Vergehen. Entsprechend stellt man fest, daß das Vergehen als Selbständiges sich als falsche Abstraktion herausstellt und stets schon in Entstehen übergegangen ist. Damit paralysieren sich Entstehen und Vergehen, weil ihre anfänglich angenommene Unterschiedenheit dem widerspricht, daß das eine jeweils in sein Gegenteil übergegangen ist. Allerdings wird nicht das Entstehen durch das Vergehen aufgehoben. Allein am Begriff des Entstehens, das heißt isoliert und abstrakt genommen und damit ohne Bezug auf das Vergehen, zeigt die äußere Reflexion auf, daß dieser als Begriff widersprechend ist, er sich sofort als Vergehen herausstellt. „Sie [Entstehen und Vergehen, A. I.] heben sich nicht gegenseitig, nicht das eine äusserlich das andere auf; sondern jedes hebt sich an sich selbst auf und ist an ihm selbst das Gegentheil seiner." (93,16-17) Der zweite Teil des Satzes ist nicht korrekt, das Moment hebt sich nicht an sich selbst auf, sondern die äußere Reflexion in Beziehung auf das heterogene Etwas zeigt den Widerspruch auf. Sodann bleibt noch zu zeigen, worin die widersprüchlichen Aussagen ,Entstehen und Vergehen sind nicht und sind unterschieden' aufgehoben sind. Mit der Bestimmung des Werdens als Einheit des Seins und Nichts allein ist nicht zu zeigen, daß das Werden eine falsche Abstraktion ist. Erst mit der konkreteren Bestimmung seiner Momente, nämlich Entstehen und Vergehen, kann gezeigt werden, daß das Werden zu widersprüchlichen Bestimmungen führt, daß es Nicht-Werden ist. Die Momente sind nur wegen des Zitats eines Heterogenen, andernfalls wären Entstehen und Vergehen nicht zu unterscheiden. Der Durchgang durch die Momente Entstehen und Vergehen ist für den Fortgang der Darstellung notwendig.

V. Das Werden ist anfänglich bestimmt als die Einheit von Sein und Nichts und ist damit die Bewegung der Übergänge von Sein in Nichts und von Nichts in Sein. Diese Bewegung selbst wird unterschieden als Entstehen und Vergehen, und die Bedingung der Möglichkeit dieses Unterschiedes ist die Unterscheidung von Sein und Nichts, die wiederum auf dem Zitat des Etwas beruht. Gleichzeitig ergibt aber die Analyse aus dem vorigen Abschnitt, daß Entstehen und Vergehen nicht getrennt werden können.

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denn an sich selbst ist jedes in sein Gegenteil übergegangen. Damit erweist sich die anfängliche Bestimmung des Werdens, nämlich die Bewegung in das jeweilige Gegenteil, als falsch, denn es ist keine Bewegung auszumachen. Hegel sagt: „Das Werden ist das Verschwinden von Seyn in Nichts, und von Nichts in Seyn, und das Verschwinden von Seyn und Nichts überhaupt; aber es beruht zugleich auf dem Unterschiede derselben." (93,26-28) Er spricht jetzt nicht mehr von Bewegung, sondern von Verschwinden. Damit drückt er deutlicher den Gehalt der einzelnen Bewegungen aus, nämlich daß die vorgestellte Selbständigkeit von Sein oder Nichts bzw. von Entstehen oder Vergehen verschwindet. Aber ebensosehr ist eine notwendige Bedingung für die Möglichkeit des Verschwindens der Unterschied von Sein und Nichts bzw. von Entstehen und Vergehen. Analog zu dem absoluten Widerspruch ,Sein ist Nichts' gilt für das Werden: „Es widerspricht sich also in sich selbst, weil es solches in sich vereint, das sich entgegengesetzt ist". (93,28—94,1) Das Werden ist Entstehen und Vergehen, die vorige Entwicklung hat aber gezeigt, daß Entstehen und Vergehen jeweils in ihr Gegenteil übergegangen sind. Insgesamt folgt also: Werden (reine Prozessualität) ist Nicht-Werden (Ruhe). Somit folgert Hegel: „eine solche Vereinigung aber zerstört sich" (94,1-2). Die immanente Entwicklung führt zu dem Widerspruch ,Das Werden ist Nicht-Werden', und deshalb ist das Werden als isoliertes und selbständiges zu negieren. Hegel sagt: „Das Werden ist eine haltungslose Unruhe, die in ein ruhiges Resultat zusammensinkt." (93,24-25) Das Werden kann als Entstehen und Vergehen mit „Unruhe" bezeichnet werden. Weil diese Bestimmungen stets in ihr Gegenteil übergegangen sind, ist die Unruhe „haltungslos". Zu zeigen ist allerdings, wie daraus ein „ruhiges Resultat" entsteht, welches wie folgt bestimmt ist: „Diß Resultat ist das Verschwundenseyn, . . . die zur ruhigen Einfachheit gewordene Einheit des Seyns und Nichts." (94,3-6) Würde die Einheit, die die widersprüchlichen Bestimmungen des Werdens, reine Prozessualität und Ruhe, zu ihren Momenten aufhebt, das Nichts sein, so stände dies im Widerspruch zu den zwar sich widersprechenden, aber auch richtigen Bestimmungen des Werdens. Mit dem Zitat des heterogenen Etwas läßt sich der Unterschied als auch der Nicht-Unterschied von Entstehen und Vergehen zeigen. Diese wahren Aussagen können nicht für ungültig erklärt werden, nur die Selbständigkeit ihrer Voraussetzungen wird kritisiert. Entstehen und Vergehen bestehen in der neuen Einheit lediglich als Momente. Deshalb heißt es: „Diß Resultat ist das Verschwundenseyn, aber nicht als Nichts". (94,3)

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Diese Einheit, dies Resultat, nennt Hegel das Dasein, welches „die Gestalt der einseitigen unmittelbaren Einheit dieser Momente [des Seins und des Nichts, A. I.] hat". (94,9-10) Sowohl Werden als auch Nicht-Werden sind notwendig zur Bestimmung des Daseins, werden sie allerdings isoliert gegenübergestellt, so erweisen sie sich als falsche Abstraktionen. In der neuen Einheit sind sie als gegeneinander Selbständige negiert und stattdessen zu Momenten dieser Einheit herabgesunken. Die anfänglichen Bestimmungen von Sein und Nichts, nämlich „unbestimmte Unmittelbarkeit" zu sein, haben sich als falsch herausgesteUt. Sie sind im Dasein aufgehoben. Als falsche Bestimmungen sind sie vernichtet: „in ihrer Wahrheit aber, in ihrer Einheit, sind sie als diese Bestimmungen verschwunden, und sind nun etwas anderes." (95,17-18) Und zugleich sind sie aufbewahrt, weil sie als Kritik des Ealschen konstitutiv für die Einheit des Daseins sind. „Diese Einheit bleibt nun ihre Grundlage, aus der sie nicht mehr zur abstracten Bedeutung von Seyn und Nichts heraustreten." (95,22-23) Hegel spricht von der „Gestalt der einseitigen unmittelbaren Einheit" (94,9). Es ist nicht die „unbestimmte Unmittelbarkeit" des reinen Seins, die Vermittlung ist im Dasein nur als Moment. Hegel nennt die Einheit „unmittelbar", denn würde die Darstellung mit dem Dasein beginnen, dann wäre nicht zu verstehen, warum das Dasein die Einheit des Seins und des Nichts wäre. Zugleich kann das Dasein nicht durch Sein und Nichts und damit durch Werden vermittelt sein, denn dann wäre das Werden ein Selbständiges. Als Isoliertes und Selbständiges genommen führt das Werden aber zu der widersprechenden Aussage, daß es Nicht-Werden ist.*

Ich danke Ullrich Ruschig (Oldenburg) für kritische und konstrukhve Diskussionen zu dieser Arbeit.

MICHAEL H.HOFFHEIMER (MISSISSIPPI)

HEGEL'S CRITICISM OF LAWi „The Science of knowledge must at the same time be the law (Gesetz) and the most complete expression of scientific form ..." F. W. J. SchelUng2

This paper will argue that Hegel's philosophy contains a comprehensive, unified theory of law (Gesetz).^ 1 believe that the theory is developed most completely not in his writings on the philosophy of law (Recht) but rather in his earlier Phenomenology of Spirit^ (1807). Hegel's theory embraces all kinds of natural and social laws and, consequently, offers a radical alternative to the positivist dichotomy between descriptive and prescriptive laws. ln earlier writings in Jena, Hegel had followed SCHELLEMG in treating philosophy as a systematic Science (Wissenschaft) that was law-based.®

1 Research was funded in part by a grant from the Lamar Order, University of Mississippi Law School. I am very grateful to H. S. Harris and Clark Butler who provided detaUed criticisms of drafts of this study. 2 F. W. ]. Schelling: System des transcendentalen Idealismus. Tübingen 1800. 37. 3 My research on Hegel's theory of law (Gesetz) complements the study of Armin von Bogdandy: Hegels Theorie des Gesetzes. Freiburg, München 1989. Bogdandy focuses on the Logic and Hegel's later systematic writings. Bogdandy tends to restrict the systematic treatment of law to the philosophy of objective spirit (ibid. 13, 60 ff), but even in the late writings, the theory of law plays an important role in the phenomenology. — Bogdandy argues that „Hegel's theory of the Ethical Order and his entire Philosophy of Law (Recht) are essentially a theory of law (Gesetz)" (ibid. 13). While I agree that Hegel tried to develop a coherent theory of law, I will try to show in this article that Hegel's theory is critical and that Hegel sought to develop a philosophical Science that, unlike Schelling's, was neither law nor law-based. * I give parallel citations in parentheses to G. W. F. Hegel: Phänomenologie des Geistes (= GW 9) and to G. W. F. Hegel: The Phenomenology ofMind. Trans. J. B. BailUe. New York 1967 (= B). This translation was originally published in 1910. 5 In 1801 Hegel had written: „Through reflection producing a totahty of scientific knowledge (Wissen), philosophy becomes a System, an organic whole of concepts whose highest law (Gesetz) is not the understanding but reason." (Differenz des Fichte'sehen und

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But the Phenomenology elaborates a new historical vision of the relationship between law and philosophy. Hegel continues to characterize philosophy as Science, but, in striking contrast to his earlier treatments of this Science as law or law-based, the Phenomenology works to establish a kind of Science that is neither law nor law-based. Indeed, Hegel's philosophy comes to comprehend law and law-based explanation as a moment in the history of spirit^, and his Science rejects law as an adequate formal expression of rational explanation or free social life. Hegel's theory of law is thus fundamentally critical. The theory reflects the goal of the Phenomenology as an introduction to philosophy.^ The general purposes of the Phenomenology are expressed in a double function ascribed to law. Law plays a generative role in the formation of new kinds of experience. At the same time, law establishes a criterion for the philosophical criticism of the adequacy of the new experiences that are formed. The Phenomenology simultaneously records the history of the experience of law and reveals how consciousness comes to reject law-based experience. Because experience defines and creates new objects, Hegel's formal criticism of the adequacy of law-based explanation also entails a criticism of the existence which such explaining defines. Accordingly, the heuristic criticism of law-based thinking is tied to a critical evaluation of the objects that are related by laws, culminating in a searching critique of law-based society.®

Schelling'sehen Systems der Philosophie. In: GW 4. 23. See Hegel: The Difference between Fichte's and Schelling’s System of Philosophy. Trans. H. S. Harris and Walter Cerf. Albany, N. Y. 1977. 103.) t’ This article suggests a negative answer to the question posed recently by Robert Bernasconi as to whether there is a law to laws in the Phenomenology. See Robert Bernasconi: Persons and Masks: the Phenomenology of Spirit and its Laws. In: Cardozo Law Review. 10 (1989), 1695. ^ Its original title page was: System of Science: First part, the Phenomenology of Spirit. Hegel had previously entitled the corresponding material in his lectures: „Science of the Experience of Consciousness" (GW 9. 444—445). He at all times conceived of the text in relation to the main parts of his Science of philosophy, which were firmly established by 1806 as Logic, Philosophy of Nature, and Phüosophy of Spirit. In his notice for the Phenomenology, prepared after its completion, he announced the fortheoming pubUcation of the rest of his System. Notice {ibid. 447). * Law likewise plays a twofold role in the Logic where it provides a foundation for experience in the „Logic of Essence" and establishes the ground for both natural and social mechanistic interactions in the „Logic of Concept". Bogdandy discusses the treatment of Gesetz in the Logic, in: Hegels Theorie des Gesetzes. 26 —30, 39 —40.

Hegel's criticism of law

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The overarching function of law in the Phenomenology has been neglected^, and its central importance is obscured by the fact that law is absent altogether from the most familiär and widely studied parts of the text — the Preface, Introduction, and culminating chapter on Absolute Knowledge. (I shall try to show that the omission of law from these parts of the text reflects the fact that they are composed from the vantage of scientific philosophy that has rejected the goal of expressing its ideas in the form of laws.) Nevertheless, the thematic importance of law (Gesetz) is signaled by the appearance of the term in numerous section titles: „The Observation of Self-Consciousness . . . logical and psychological laws", „The Law of the Heart", „Law-giving Reason", „Law-testing Reason", „The Ethical World, Human and Divine Law". His treatment of law culminates in the section, „State of Law" (Rechtszustand), which deals specifically with law-based social life. Hegel employed two distinct terms for law (Gesetz and Recht), which denote different aspects of law. Only when law as a whole is considered and the related roles of Gesetz and Recht are included does it become clear that Hegel's critical theory of law provides structure and continuity to the progressive development of consciousness and spirit, which are the tasks of the narrator and reader in the work. HegeTs theory integrally relates the two, but because each describes different kinds of law-based explaining and experiencing, they are relegated to separate parts of the text. The role of law in general is clear in the context of the work's most straight-forward structure — the sonata-like progression from consciousness (Sensation, perception of things, and understanding of forces), to self-consciousness (first as dominated, then as free), to reason (observing reason, acting reason), and to spirit (ethical, cultured, and moral spirit).Gesetz plays a prominent part in the critical

^ Studies of Rechtszustand include Bernasconi: Persans and Maste, and Jean Hyppolite: u£tat du droit (La Condition juridique). In: Hegel-Tage Royaumont 1964. Ed. Hans-Georg Gadamer. Bonn 1966. (Hegel-Studien. Beiheft 3.) 181—185. Hegel emphasized these stages in summarizing his argument in his notice of the work. These chief stages were retained and simplified in later representations of phenomenology in HegeTs Encyclopedia of PhUosophical Sciences. Most commentators have discussed the goal and structure of the text at length but have underestimated the extent to which the conception and Organization of the work evolved as Hegel grappled with it. See Otto Pöggeler: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes. Freiburg, München 1973. 170—230; Otto

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transitions from consciousness to self-consciousness and to reason. And Recht plays a pivotal role in the development of acting spirit that is entirely disproportionate to the quantity of textual space allocated to law-based sodety itself. Finally, after the achievement of the state of law and the movement of spirit to culture and moraHty, the critical analysis of laws no longer plays any important role in the text. The difficulty of HegeTs prose sometimes fosters impressionistic readings of his text, so it may be appropriate to emphasize that he employs Gesetz and Recht with predsion throughout the Phenomenology.^^ Gesetz consistently denotes law in its most generic sense, while Recht signifies that law which pervades and Orders higher forms of sodal Organization. While Recht might be considered a special case of Gesetz, the term Recht also denotes „right" and has distinct political connotations.12 For example, Hegel's Philosoph}/ of Law (Rechtsphilosophie) (1821) treats the foundations of political Science, economics, statecraft, and anthropology. The two terms for law relate to two radicaUy different ways of thinking; Gesetz corresponds to understanding (Verstand), and Recht to reason (Vernunft). The progressive movement of consciousness from understanding to reason corresponds to the development and criticism of law in its most general meaning — the sense in which laws can describe the regularity of all sorts of phenomena. The physical Sciences

Pöggeler: Die Komposition der Phänomenologie des Geistes. In: Hegel-Tage Royaumont 1964. Ed. Hans-Georg Gadamer. Bonn 1966. (Hegel-Studien. Beiheft 3.) 26—74. Hegel employs the terms consistently in the Phenomenology. The only possible deviation that I am aware of occurs late in the text, long after law as Recht has been developed, where he remarks; „Ethical law (Recht des sittlichen), which takes actuality to be nothing in opposihon to the absolute law (Gesetz), experiences its knowledge to be one sided and learns that its law is only the law of its character ..." (395, B 741) (Even this use might be harmonized with the consistent distinction earlier in the text.) The consistent differentiation of Gesetz and Recht contrasts with the usage of the terms in his 1805—06 manuscripts and with the usage in an unpublished fragment that survives from the period in which the Phenomenology was composed. In the fragment Hegel refers to the „divine law (Recht) of consciousness" in the context of the ethical substance. (Fragment a) göttliches Recht. . ., in: GW 9. 437.) In Order to emphasize such features of the term, and in Order to distinguish it from Gesetz, many Engüsh-speaking translators render Recht as „Right". But this requires the English term to carry more meaning than it can bear and also falls to communicate a primary denotation of the term for Hegel, where it often means simply law in the legal sense. I follow Clark Butler in avoiding the traditional translation of Recht as „Right". See Hegel: The Leiters. Trans. Clark Butler and Christiane Seiler, com. Clark Butler. Bloomington 1984. 440.

I legel's criticism of law

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furnish the best examples for the success of this kind of law^^, and Hegel's formal analysis of descriptive Gesetz focuses on methodological Problems confronted in the natural Sciences. But this kind of law is not limited to the natural Sciences, and such laws apply equally to certain natural aspects of social behavior. Hegel's critical evaluation of such laws, therefore, also includes political theories that ascribe such laws to social phenomena. The inability of descriptive laws to constitute self-directed activity exposes limitations in natural scientific explanations; but exposing the formal inadequacy of these descriptive laws also reveals the failure of mechanistic political philosophers like HOBBES.14

Constructive social law and law in the legal sense are achieved in the Phenomenology only as a result of the recognition of the inadequacy of descriptive Gesetz and the movement of reason to spirit. ln the context of this transition, Hegel employs Recht to denote that law which emerges at the level of spirit to provide foundation for law-based society.^^ The experiences of ascribing laws to nature play an important role in the development of more complex self-regulating acts that propel consciousness on toward social life. The laws of nature provide the framework for Hegel's subsequent elaboration and criticism of law-based society in the section on the state of law (Rechtszustand).

The importance of law in this context has been widely recognized. But the relevance of Hegel's epistemological critique of laws for his political critique of law-based society has been overlooked even by writers most interested in his political ideology. See Herbert Marcuse: Reason and Revolution: Hegel and the Rise of Social Theory. Boston 1960. 111; Stanley Rosen: G. W. F. Hegel: An Introduction to the Science of Wisdom. New Haven 1974. 140—150; George Dennis O'Brien: Hegel on Reason and History: A Contemporary Interpretation Chicago 1975. 78 - 82. The parallelism between mechanical explanation in the physical Sciences and the social contract theories of Hobbes and Locke is still more explicit in the Logic, and is discussed by Bogdandy: Hegels Theorie des Gesetzes. 39—40 n. 13. '5 The transition that corresponds to Hegel's distinction between Gesetz and Recht is discussed by Bernasconi: Persons and Masks. 1697—1699.

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A. Natural Laws 1. The Role of Law in the Transition from Understanding to Reason a. Reduction-to-Laws as the Characteristic Feature of the Faculty of Understanding The last chapter of Hegel's treatment of consciousness treats the physical World as it is understood as the causal interplay of forces and objects. The objects of this natural world are generated by the understanding, and the mental effort to comprehend the world of the understanding precedes and stimulates the emergence of self-consciousness. The understanding (Verstand) operates by seeking causal laws for natural phenomena, and natural phenomena can be reduced to laws because they are generated by the understanding in a way that corresponds to causal laws. Such laws provide the subject matter for the faculty of understanding.!^ Hegel analyzes this law-ascribing process by expanding and criticizing KANT'S exposition of the Operation of the understanding. Hegel links the understanding to the mental act of positing (setzen). The etymological connection is obvious with his first treatment of law as the law of force generally, for he presents this law (Gesetz) as the result of stability being posited (gesetzt) internally. (GVV9.91; ß 195) He re-emphasizes the etymological connection in presenting the „concept" of law as posited. (GW 9.92; ß 196) The mental attitudes that Hegel associates with the understanding emerge historically in Western Civilization from the presocratics through the scientific revolution. This history manifests a continuous effort to explain natural events — and society understood as natural process — through scientific causes. But the mental awareness of subjective origins of causal regularity emerge in a philosophical progression that culminates with KANT'S critical analysis of the process of understanding. Hegel's exploration of the content of laws generated by the understanding, which corresponds philosophically to KANT'S „COPERNICAN

„This realm of laws is to be sure the truth of understanding which has as its content that difference [between flux and stability] which is expressed in the law." (GW 9.91; B 195)

Hegei's criticism of law

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Revolution", establishes the point of transition in the Phenomenology to self-consciousness.i7 Hegei's reduction of understanding to laws, and his further critical evaluation of such laws, differs from KANT'S analysis of the understanding. The difference does not just concern details but reflects a different root image behind the language of understanding. The image behind KANT'S treatment of the understanding was the process of combination and Separation of Chemical elements.i^ The root image behind Hegei's treatment, however, is social order. Hegel describes how the universal difference^^ among objects in interaction is conceptualized as the „law of force". (GW9.91; B 195) He writes that the constant change of perception is counterposed to a „peaceful realm of laws . . .

Gadamer identifies the scientific treatment of law (especially Galilei) as one of the topics. See Hans-Georg Gadamer: Die verkehrte Welt. In: Hegel-Tage Royaumont 1964. Ed. Hans-Georg Gadamer. Bonn 1966. (Hegel-Studien. Beiheft 3.) 142. But the passage has multiple referents: the success of the scientific revolution in the exact Sciences led to concentration on the subjective epistemological bases of scientific explanation, and referents in the transition to self-consciousness include Kant's historical role in restoring the subject (Kant's „Copernican revolution") and Kant's own progression from the critique of theoretical to practical reason. — Hegel retained the central role of laws in later systematic writings in the transition from consciousness to self-consciousness. The inference that he reduced the treatment of this material in the second and third editions of the Encyclopedia because of uncertainty about the transition seems tenuous. Cf. M. J. Petry's comment in Hegei's Philosophy of Subjective Spirit. Ed. and trans. M. J. Petry. Vol. 3; Phenomenology and Psychology. Dordrecht 1979. 370. The root analogy of Chemistry is not just implicit in the terminology of analysis and Synthesis; Kant revealed it expHcitly on several occasions. Immanuel Kant: Critique of Pure Reason. Trans. Norman Kemp Smith. New York 1965. 24, n. a., 660; Critique of Practical Reason. Trans. Lewis White Beck. Indianapolis 1956. 167. The establishment of a „difference" between the static world of law and the continual change of the phenomenal world draws on terminology from the Identity Philosophy of ScheUing, which would have been familiär to Hegei's readers. With the concept of law fhere arises a new dichotomy between the concept of law (which requrres unity, stability, lack of change) and the plurality of laws which describe natural phenomena. Hegel kllustrates the unity-seeking Operation of the understanding with the historical search for the common force between terrestrial and celestial phenomena which resulted in the universal law of gravity. He describes this law in language heavily influenced by the polarities typical of the natural philosophy of ScheUing and Hegel in Jena: „The pure concept of law — universal attraction — must be so grasped in its true significance that the differences present in the law return to absolute simpUcity in the internal absolute unity. This inner unity is the internal necessity of the law." (GW 9.93; B 197) Hegel then ülustrates the two-sided character of natural laws with examples drawn from Contemporary physics. (ibid.) And he critically analyzes the constituent elements of the laws of gravity and inertia in terms that he had elaborated in his dissertation On the Planetary Orbits (1801). Compare, for example, GW 4. 94—95 (B 195—203) and Hegel: Dissertatio philosophica de orbitis planetarum. In: Sämtliche Werke. Ed. Lasson. Vol. 1: Erste Druckschriften. Leipzig 1928. 362 — 363, 382 —383, 392—395.

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[that is] the immediate still portrait of the world of perception." (ibid.)^^ The language he applies to this most basic explication of understanding expresses social as well as physical imagery: force (Kraß) can mean physical or social compulsion; change (Wechsel) suggests both physical and social change; and motionlessness (ruhiges) implies both inertial frames of reference and States of political peace. b. Limitation of Laws of the Understanding Hegel relates limits or defects in the kind of truth attained by the understanding to the form in which understanding ascribes laws. He finds a conflict between the plurality of laws, on the one hand, which the understanding generates in order to explain the phenomenal world, and the underlying principle of unity that is reflected in the drive to explain phenomena by „the law". The assumption of unity provides stability to the world notwithstanding its apparent flux, and the principle of unity continues to operate in the understanding's efforts to subsume different laws under ever more general, inclusive laws. Despite allusions to presocratic cosmology, Hegel draws examples from the scientific revolution and the intellectual process by which terrestrial and celestial motion were unified by the idea of universal gravity. He shows how the more uniform and general an explanatory law becomes, the more empty it is, and the more removed it becomes from specific case applications. The process of explaining by laws thus engenders a sort of counterposed movement; particular explanations of particular events tend to generate a plurality of laws, while the concept of law requires unity and aspires to ever more general formulations. As Hegel puts it, the concept of law becomes counterposed to law. (GW9.92; B 196—197) After a discussion of law, illustrated with properties of gravity and electricity, Hegel turns to an analysis of spacetime. Unlike KANT'S treatment in the transcendental analytic, Hegel does not present space and time as grounds or conditions of perception and understanding. 20 The importance of this conclusion for law appears stiU more sharply in later elaborations of the Phenomenology. For example, in the 1817 System, Hegel writes: „§ 340. 3) For the understanding the things of perception are valid as appearances. Their inner core provides the object of the understanding and is, on the one side, the sublated variety of appearances — and in this way the abstract identity; but, on the other side, this inner core also contains this variety as inner simple difference which remains seif identical in the flux of appearance. This simple difference is initially the realm of laws of appearance, their motionless universal portrait." (Hegel: Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, ln: Sämtliche Werke. Ed. H. Glöckner. Vol. 6. Stuttgart 1949. 250—251.)

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Rather he presents them as basic ways in which the understanding thinks of and divides motion. According to Hegel this analytic division is purely conceptual: a „difference of the concept. But this inner difference falls only in the understanding; it is not posited in the fact itself." (GW9.94; B 200)^1 He thus combines the perceiving and explaining functions of the understanding (which KANT had treated separately as intuition and categories) in the primitive assumption of law and ascription of laws to specific events. Hegel criticizes the descriptive explanation (Erklären) that results at the level of the understanding. He objects that the validity or „necessity" of laws that are established by the understanding at this level consists only in „words". (GW9.95; B 200) This is Ulustrated by the explanation's reduction of gravity to force^, which he regards as tautological: „In this tautological movement, understanding retains the peaceful unity of its object, and movement occurs within understanding not the object. It is explanation which explains nothing . . . Nothing new arises in the matter itself as a result of this [intellecutal] movement [of explanation]. It is rather only a movement of the understanding. But in it we recognize something that was lost in law, namely absolute flux proper. For this movement [of the intellect] is upon closer inspection immediately the opposite of itself. Movement posits a difference which is not only no difference for us [i. e., the narrator and readerj. It posits a difference which sublates itself as difference." (GW9.95; B 201) The introduction of change into law provides the starting point for an extraordinary discussion of the „inverted world", where laws are transformed into their contraries. The term „inverted world" derives from the title of a Contemporary drama by LUDWIG TIECK.23 The drama, a Romantic polemic against neoclassical dramatic conventions, drew on traditional farce and anticipated absurdist technique, employing devices such as the play-within-play, role reversals of fictive characters, and the rebellion of 21 Compare Hegel: Dissertatio philosophica de orbitis planetarum. 388—391. Hegel's point is Ulustrated less fancifully in his critique of Zeno's paradox in lectures on the history of phUosophy. 22 He criticized Newton for reducing laws of celestial and terrestrial motion to manifestations of gravity as a property of matter — a property which was then not explained but attributed immediately to God. [Dissertatio philosophica de orbitis planetarum. 380—382.) He also criticized the differentiation between centripetal and centrifugal force; the process of analyzing such separate forces from a single motion is circular because the difference in velocities is related to different degrees of force whüe different degrees of force are related to different observed velocities. [ibid. 370 —373.) 23 See Dotmld Phillip Verene: Hegel's Recollection: A Study of Images in the Phenomenology of Spirit. Albany, N. Y. 1985. 50-58.

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characters against their assigned roles. For example, a courtroom scene depicted the trial of two cases. In the first, a reader brought suit against a writer demanding that the writer produce more inferior works to accommodate the reader's poor taste. In the second case, a flock of sheep brought suit seeking to shear shepherds for a change. The judge agreed with the outlandish demands of the plaintiffs in both cases.^4 The discussion of the inverted worid — and the examples of laws that Hegel gives to illustrate the process of inversion — make it abundantly clear that his criticism of Gesetz at the level of understanding is not limited to the exact or natural Sciences.^5 Instead, his abstract treatment 24 Ludwig Tieck: Die verkehrte Welt: ein historisches Schauspiel in fünf Aufzügen (1798). In: Ludwig Tieck's Schriften. Vol. 5: Phantasmus zweiter Theil. Berlin 1828. 375 — 380. (The text of this edition is that of the third Version.) See also idem: The Land of Upside Down. Trans. Oscar Mandel in collaboration with Maria Kelsen Feder. Rutherford 1978. 88—90. (The text of the translation is based on the third edition, but it omits much material added to the second edition.) 25 The inverted worid poses interpretive problems. Findlay's usually helpful commentary notes that the passage entails a „difficult conception" and that it is „rather fancifully worked out". /. N. Findlay: Commentary. In: Hegel: Phenomenology of Spirit. Trans. A. V. Miller. Oxford 1977. 517. Gadamer discusses the text and the role of law in the inverted worid in: Die verkehrte Welt, 135—154. — The inverted worid caps HegeTs critique of Kant and Fichte in the chapter. Hegel has expanded and deepened the Kantian exposition by finding the ground of the dialectic of pure reason in the ubiquitous impulsion of understand to ascribe laws to phenomena. ln a previous criticism of Kant, Hegel had distinguished between the spirit of Kant (the deduction of categories) and the form (the arbitrary and absolute character of the categories). See, e. g., Hegel: The Difference between Fichte's and Schelling's System of Philosophy. 80. But the central treatment of law marks an important new feature that is absent in HegeTs (and Schelling's) earlier writings. — HegeTs efforts to go beyond Kant account for the difficulty of the passage, for in seeking the ultimate intellectual foundations of understanding, he attempts to explain ideas like force, cause, and even law, which lie behind the primitive subject-object interplay, with more basic ideas üke unity, plurality, difference — which derived from the Identity Philosophy. He also expands the scope of Kant's understanding by acknowledging that it is applied to social and moral laws. He ülustrates the inverted (verkehrt) worid with examples drawn from physical phenomena (sweet becomes sour, and black becomes white), moral phenomena (the principle of revenge become the doctrine of turning the other cheek), and social phenomena (the law of crime is actualized in punishment). (GW 9.98; B 204) He had previously objected to Kant's restriction of the understanding to finite objects. {Hegel: Faith and Knowledge. Trans. Walter Cerf and H. S. Harris. Albany, N. Y. 1977. 68, 77, 85.) The inverted worid — following HegeTs critique of the tautological character of law-regulated explanation — represents the universalization of the process that led to the antinomies and paralogisims in Kant. Where Kant has identified a limited number of irresolvable conflicts (between the judgments that the worid is infinite and finite, causaUy determined or free, and so on), Hegel treats the emergence of such contraries as the result of the process of ascribing laws to the phenomenal worid. Hegel omitted the inverted worid from the transition to self-consciousness in the later formulations of his System (which limit phenomenology to finite reason) and in the exposition of phenomenology in lectures. See Hegel's Philosophy of Subjective Spirit. Ed. and Trans. M. J. Petry. Vol. 3. Dordrecht 1979. 30-37, 308-313.

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of the inverted world embraces the extreme internal paradoxes that he found both in KANxian philosophy and in the Romantic mindset more generally. In both KANT and the Romantics, order once regarded as external and permanent was placed on problematic, subjective foundations and threatened to deteriorate into endless contraries. Hegel restores unity at last only through the idea of infinity, and law again plays a key role in the escape from the chaos of the inverted world by becoming complete or perfect. „Through infinity we [narrator and reader] see law completed into necessity, and all moments of appearance are embraced by the inner." (GW9.99; B 202) Hegel gropes for language to express this important thought and refers to it as „simple infinity", „absolute concept", „essence of life", „soul of the world", or „universal blood". (ibid.)^^ The inverted world establishes the turning-point of consciousness to self-consciousness. But the appearance of self-consciousness also reaches back to the earlier critique of descriptive explanation. „In this process of explanation consciousness becomes aware of itself, becomes selfconsciousness. And understanding's explanation is only the description 26 Life was a central philosophical category in Hegel's early writings. See Wilhelm Dilthey: Gesammelte Schrißen. Vol. 4: Die Jugendgeschichte Hegels. Stuttgart 1974. 144; Herbert Marcuse: Hegel's Ontology and the Theory of Historicity. Trans. Seyla Benhabib. Cambridge 1987. 201 — 18, 228 ff. The „soul of the world" derives from Schelling's worldsoul. The „universal blood", apart from its evident religious overtones, evokes the image of the heart beat that Hegel had employed to denote movement and change in Dissertatio philosophica de orbitis planetarum. 390—91. The „essence of life" plays on both religious and organic connotations. The mediated movement from understanding to self-consciousness paraUels the movement of reason from Observation of inorganic to organic nature, whose „object contains the simplicity of the concept" and which is characterized as absolute fluidity. (GW 9.145; B 293) Reason was associated with life in Hegel's Contemporary philosophy of nature, and he retained the organic imagery in the transition to self-consciousness in the 1817 System: „§ 343. But self-consciousness is kindled in this consciousness of life. For as consciousness it has an object which is different from itself. But in life this is a difference which is no difference. The immediacy in which the living object of consciousness exists is the moment that has been reduced to appearance or negation. It now exists as the inner difference or concept, the negation of itself vis-a-vis consciousness." {Sämtliche Werke. Ed. H. Glöckner. Vol. 6. 251.) — Animation and organic nature are stiU important in Hegel's 1825 lectures (Hegel's Philosophy of Subjective Spirit. Vol. 3. 313), but they are omitted from later versions of his System. The retention of extensive discussion of life in this context in the posthumously published „Addition" to section 423 (of the third edition) does not estabhsh that Hegel retained Hfe as an important idea in his later System, for the additions were compiled from notes that were mostly transcribed from Hegel's lectures over the first edition. See Petry's introduction in Hegel's Philosophy of Subjective Spirit. Vol. 1. cxii. In the third edition hfe was replaced by the mediating function of the ego in making judgments (als urtheilend) — a term that, suggesting Kant's third critique, obliquely retained the teleological function that had been played in earlier versions by images of organic life.

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of what self-consciousness is. It sublates the differences which were already present in law as becoming pure yet were still indifferent. And it posits them in one unity in force." (GW9.92; 5196 197)27 The law sought by such explaining, and the juxtaposition of law to its concept that occurs in such explaining, provides an independent transition to self-consciousness. The prominent part played by law in this transition is retained in all later versions of Hegel's System.28 —

c. A Digression: Hegel's Omission of Law from the Experience of Domination Despite its importance for the emergence of self-consciousness, law is conspicuously absent from the chapter on self-consciousness.29 This omission may require a word of explanation, for commentators interested in Hegel's political and social philosophy have offen looked to his treatment of master and slave as an important source for his views on law. Hegel deliberately omits law from his treatment of domination. The omission results from the role of the chapter in Hegel's systematic development of consciousness. With the preceding treatment of law and the understanding, self-consciousness has emerged „for itself" (GW9.101; B 212), but it has not yet recognized its unity with all consciousness, especially with other consciousnesses. Such unity is attained only after self-consciousness, at the level of reason (GW 9.137; Rosen emphasizes the treatment of law in the inverted world as the turning-point in the move to self-consciousness. (Rosen: G. W. F. Hegel. 149—50.) But Hegel also relied exphcitly on „explanation" for the transition to self-consciousness. 28 Later versions of the phenomenology omit the inverted world but retain the importance of law and explanation. In 1817, he wrote: „§ 341. Law is initially the relation of universal, static determinations, and law has ifs necessity within itself in so far as its difference is the inner core. One of the determinations, which cannot be extemally distinguished from the other, lies immediately within the other. The internal difference is in this manner — as it is in truth — the difference in itself, or the difference which is no difference. — § 342. Consciousness as understanding, which initially has the abstract inner core for its object and then has the universal difference in the form of law as its object, now attains the concept as its object. But so far as if is still consciousness of an object that is given [from without], it regards it as a living thing — an intemality which is true as in and for itself determined universality." (Sämtliche Werke. Ed. H. Glöckner. Vol. 6. 250—251.) 2^ The chapter contains the text on Domination and Servitude, treating the mental attitudes associated with the Greek and Roman slave relationships, which has been the subject of considerable sfudy by legal scholars. The omission of law from the chapter helps to explain the neglect of Hegel's theory of law by students of the Phenomenology. The neglect also may stem from scholars' tendency not to pursue Hegel's theology seriously. H. S. Harris has convinced me that the concerns of law are anticipated in fhe treatment of God as Judge in the unhappy consciousness and as the Unchangeable in the Order of nature.

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B 273 —274), and Hegel will return to the problem of law in the context of

his treatment of reason. The omission of law from the chapter on self-consciousness, which treats the experience of self-conscious beings in interaction, comports with the fact that while law is associated with unity and peace, such beings experience themselves in isolation and conflict. KojfeVE characterized the treatment of the experience of self-consciousness as the experience of slaves and slave ideologies; freedom is attained only with the sublation of Christian theology with the French Revolution and German philosophy.^o Because the chapter treats self-consciousness from the vantage of its own experience, the omission of law indicates that, according to Hegel, law plays no direct role in individual experience at the level where individual consciousness does not yet recognize its unity with other consciousnesses.^i On the contrary, actors are subject to force rather than law, and the Subordination of individual to external and internal powers entails a movement to freedom only wifh the attainment of reason. The passage from self-consciousness to reason is closely bound up with the internal subjugation of will and the recognition of social law.32 After such recognition is attained in reason, law becomes relevant for analyzing subjective experience of consciousness — not just the experience of other consciousness, but the experience of the entire phenomenal world. The relevance of the chapter on self-consciousness for law appears clearly in the sequel. Social conflict and law are later expressly developed parallel to the movement from domination and servitude to freedom. And law-based society in the section on the state of law replicates the Alexandre Kojeve: Introduction to the Reading of Hegel: Lectures on the Phenomenology of Spirit. Trans. James H. Nichols, Jr., ed. Allan Bloom, comp. Raymond Queneau. New York 1969. 56 —57. George Armstrong Kelly argues that Kojeve overemphasized the social elements of HegeTs treatment of Domination and Servitude. {Notes on Hegel's ,Lordship and Bondage'. In: Hegel: A Collection of Critical Essays. Ed. Alasdair Maclntyre. New York 1972. 189-217.) 31 This interpretation may be supported by a fragment, dating from the time of HegeTs Work on the Phenomenology where he associated the emergence of absolute knowledge with law-giving reason; he characterized the concept of the ethical substance as unitary, having „no Separation of conscious- and ünplicit-existence". And he contrasted this „self-same" substance of consciousness with the world of concrete determinations, which engender difference and laws. (Fragment Das absolute Wissen ... in GW 9. 437.) 32 Movement from self-consciousness to reason represents a response to and detaüed elaboration of the resolution of freedom and necessity, which Schelling had outlined in his System des transcendentalen Idealismus. 405—408.

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movement of freedom through stoicism and skepticism that characterized the stages of self-consciousness.^s Experience of domination and servitude is, however, strictly pre-legal for Hegel.

2. Criticism of Laws of Observing Reason a. Teleological Natural Laws Reason (Vernunft) first manifests itself in the Phenomenology in the Observation of teleological processes in nature.34 The best examples of such rational observation include parts of Natural History, and the discussion is illustrated by examples drawn from anatomy and physiology. But such rational observation also defines a way of viewing social events in aesthetic and teleological terms that had become widespread in the generation before Hegeps, and Hegel's criticism of rational observation has both natural and social implications. The problem of rational observation derives from the limitations of Verstand. Such observation ultimately fails to account satisfactorily for the appearance of reason in nature (and society) because it adopts laws and categories drawn from the understanding. Reason is thus only manifest implicitly and as a tendency at this level. It is implicit in the organic and teleological process of nature, which are the objects of rational observation, but it is not explicit in the method of observation. Reason is expressed in the methodic tendency of consciousness to purify law into a concept.36 In this tendency law appears both as the goal of 33 In later treatments of the phenomenology, Hegel integrated law's replication of this movement into the treatment of self-consdousness. He also later moved the emergence of legal Systems and the state to the discussion of self-consciousness. See especially the Student transcriptions of his later lectures in: Hegel's Philosophy of Spirit. Vol. 3. 61, 65, 67—69,

345 - 347. 3* The association of understanding with universal laws of nature, and of reason with the organic, was made in Hegel's contemporaneous lectures on Logic and Philosophy of Nature. See Karl Rosenkranz: Georg Wilhelm Friedrich Hegels Leben. Darmstadt 1969. 214. 35 For example, Johann Gottfried Herder described nature as a self-productive artistic process in Kaligone. Ed. Heinz Begenau. Weimar 1955. 95— 96. Friedrich Schiller expanded aesthetics to include „that most perfect of all the works to be achieved by the art of man: the construction of true political freedom". (On the Aesthetic Education of Man: in a Series of Leiters. Ed. and trans. Elizabeth M. Wilkinson and L. A. Willoughby. Oxford 1967.) Kant linked aesthetics and the teleological observation of nature in his Kritik der Urtheilskraß (1790). 35 Hegel is expanding on Kant's distinction that while nature is governed by laws, only rational creatures can act according to the concept of laws. Immanuel Kant: Foundations of the Metaphysics of Morals. Trans. Lewis White Beck. Indianapolis 1959. 29. Kant associated this concept of the form of law, in contrast to natural laws, with freedom. (Critique of Practica!

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reason (GW 9.143; ß 291) and as the driving force of reason. Hegel illustrates the Operation of reason with the effort to classify by types (GW9.141; B 288) and by the rational drive to purify laws derived from sense-experience into a concept. (GW9.143; ß 291) The pure law or „concept" of law is presented as object to consciousness as the „organic". (GW9.145; ß 293) At the same time Hegel links law to the failure of reason to emerge explicitly at this level. Empirical Observation fmstrates the elaboration of pure law of nature, because the types are contingent and deviate from the Order that reason seeks to impose. (GW9.141; ß 288) Rational deduction by means of experiment and analogy can only generate truth that is known as „probability", not truth that contains its inherent validity or „necessity". (GW9.143; ß 290—291)

There is a strong resonance between HegeTs elaboration of the experience of observation and his earlier treatment of understanding. But his critical discussion of the role of law at this level does not simply repeat his previous critique. At the level of reason, reason seeks to find itself objectified in nature. The topical referent is thus — notwithstanding his continuing use of the example of gravity — the teleological understanding of nature that had concerned KANT in the third critique^^ and that provides the subject matter for organic Sciences. The objects that correlate to this teleological observation will include not only organic nature proper, but also society conceived as organic rather than mechanical process. Furthermore, the objects posited by law at the level of understanding continue to exist. The search for the pure law and concept in organic nature at the level of reason is stymied by the stubbornness and contingency of nature itself, for nature does not present law to observation internally or as self-directing activity. For Hegel rational observation of nature does not attain a knowledge of inherent necessity of nature. (GW9.166; ß 327) Hegel criticizes the formal manner in which rational observation attempts to dissect and relate parts of the organic world. The teleological laws that rational observahon attempts to frame for organic nature fail for formal reasons. Fike all laws, teleological laws must relate two „sides Reason. Trans. Lewis White Beck. Indianapolis 1956. 28.) — Hegel is pushing the implications of Kant's practical philosophy back into nature by associating the organic with the concept of law. He identifies the organic with absolute fluidity. (GW 9.145; B 293) 37 For Hegel the teleological judgments treated in Kant's third critique were objective. See, e. g., Faüh and Knowledge. 83—93.

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of law". (GW 9.145; B 294) When rational observation relates as two sides organic and inorganic nature, its laws fail to express the richness of nature; they fail as laws and remain mere influences precisely because they do not incorporate necessity in the object. ln such a teleological explanation the „reason" remains a goal that exists outside of the nature that is observed.38 And when rational observation posits two sides within the organism and attempts to relate the two sides in laws, it also falls to establish valid laws. Hegel uses examples from physiology and anatomy to show how neither internal nor external processes can be reduced to valid laws. (GW9.151; B 203)3^ The failure to achieve law in all these examples is linked to a lack of descriptive precision which Hegel identifies as revealing a failure of necessity in the objective processes. But the failure also rests on a kind of inherent conceptual fallacy that results from the inappropriate application of the understanding to rational phenomena. Hegel does not attempt to elaborate his own philosophy of the organic in the Phenomenology. Rather he focuses on the experience of ascribing laws to the organic in Order to explode the method behind the ascription of such laws. Thus he relates the failure of such laws not only to attributes of nature but to an inherent limitation of the understanding, which continues to influence thinking at the level of rational observation. He argues that effective explanation by laws requires two fixed sides. Such sides existed when the understanding itself furnished the objects, but at the level of reason, where the object, nature, is organic and inherently fluid, the object resists efforts to fix its relations by laws.^o Even nature must be grasped intellectually other than by laws. And Hegel's critique of law provides the transition from understanding to reason. The failure of the understanding to reduce the organic to law demonstrates the need to move beyond comprehension of nature through the faculty of the understanding — i. e., the need to grasp the organic in categories other than laws. The failure results from the fact that „the understanding has still not yet sublated its law-giving He writes of the teleological relation that „it is a thought liberated from nature and moving for itself above nature". (GW 9.146; B 295) He digresses to criticize attempts to understand organic nature through the understanding and ridicules the effort to relate organic Systems quantitatively. (GW 9.151; B 304-07) ^ „Because the object, organic unity, unites infinite sublation or absolute negation with peaceful being, and because the moments are essential pure transition, there can be no such existing sides offered for the law [to relate]." (GW 9.156; B 312) The organic is only later characterized as free in contrast to the inorganic. (GW 9.167; B 329)

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[function]". (GW 9.157; ß 313) After reviewing other futile efforts to Order organic nature according to various laws, he concludes, „It follows that Observation in organically structured existence can only be reason as

life in general". (GW 9.165; ß 326)« A general theory of law establishes a pervasive parallelism between the two parts of the Phenomenology that treat understanding and rational Observation. The transitions of consciousness and spirit in which law plays a critical role correspond to a systematic progression of the objects of consciousness and spirit. Just as „essence of life" provided a transition to self-consciousness, the „organic" provided a transition to reason. So, too, the exploration of this organic has led to „reason as life in general". Each of the subjects — essence of life, the organic, and life in general — mark increasingly more complex and concrete determinations. With life in general, passive „observation" of reason becomes active participation of the rational actor in his or her rational world. b. Criticism of Laws of Behavior Before turning to the concrete social worlds that are indicated by the achievement of „life in general", Hegel discusses the effort to explain mental phenomena by laws. The discussions are, in a sense, digressions, for they are not necessary for the systematic exposition of the different objects with which the Phenomenology is concerned. The discussions do, however, reveal important practical consequences of his theory of law. He distinguishes sharply between the positive role played by the search for laws in the observation of nature, on the one hand, and the entirely negative role played by the search for logical and psychological laws, on the other hand. He views efforts to prescribe laws to mental life as incorporating a sort of primitive category error, and he considers such efforts to rest upon a serious misunderstanding of the real nature of mental phenomena.

With this result, Hegel paves the way immediately for the transition to acting reason. At the same time he has provided epistemological Support for the distinction in his Contemporary philosophy of nature between laws of the understanding and the life of reason.

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aa. Invalidity of Logical and Psychological Laivs Hegel ridicules the reduction of mental phenomena to logical and psychological laws, and he refers bluntly to the invalidity of „so-called laws of thought". (GW9.168; B 330—331)‘*2 Such laws faU for formal reasons, and they do not constitute the objects that they try to relate. Rather these laws are empty abstractions devoid of content; they fall to comprehend mind as a whole and contradict the essential unity of self-consciousness; they improperly abstract thought from thinking; they separate thought as product from thought as process. He mocks the method of psychological observation, which regards diverse mental faculties tossed together „in the mind, as though the mind were a kind of sack". (GW9.167-169; B 330-332) He also attacks attempts to explain individual character or behavior by laws that reduce mental phenomena to external environmental causes. Laws of this kind are empty and tautological, for an individual's susceptibility to external influences is precisely what the individual is. Hegel locates the distinctive feature of individuality in a „universal" element of spirit, which includes all such interrelations; accordingly, he characterizes „psychological necessity" as an empty phrase. „There is thus no necessity and no law of the relationship of universal and individuality for each other." (GW9.171; B 336) Though Hegel's rejection of logical and psychological laws is motivated by his view that they are incompatible with the integrity and freedom of the mind, he also criticizes such laws internally and on formal grounds. The unity of self-consciousness, much like the fluidity of organic nature, offers no fixed sides that can be related or reduced to legal explanation. Consciousness is not an object, except to itself, and, being unitary, it lacks an internal dichotomy that might provide sides or content for laws. (GW9.167-168; B 330)

'*2 He observed that the demonstration of their invalidity was to be developed further by speculative philosophy (GW 9.176—177; B 331), obviously meaning to incorporate a more extensive critique in the Logic. He had already published part of his argument in his criticism of Reinhold. {The Difference between Fichte's and Schelling's System of Philosophy. 97) His hostility towards psychological explanation was expressed in his notice for the Phenomenology, which announced the work's goal of replacing such explanations (GW 9.446).

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bb. Perversion of Law in the Pseudosciences It is hard to reconcile Hegel's contempt for physiognomy and phrenology with bis extensive discussion of them in the Phenomenology To be sure, these pseudosciences demonstrate in the most extreme way the failure of observing reason to comprehend the world, and his transition to acting reason relies on the fact that only the deterioration of understanding into something entirely bad poses the need for complete, transcending conversion. (GW9.188—189; ß 366) But Hegel never says that observing reason needs to degenerate into pseudoscience, and it is tempting to read his sudden transition as a post hoc justification for his expansive polemic against the pseudosciences and to speculate that he had gotten carried away by the fervor of his polemic. His polemic against the pseudosciences represents a detour from the constructive goals of the Phenomenology. But the polemic asserts in negative and critical terms a theme that is central to the positive work of the Phenomenology — namely, the recognition that law cannot explain mind. The perversion of law by the pseudosciences reveals practical consequences of the limits of law-based explanation. Physiognomy and phrenology both take as their subjects things that lack reason and existence: physiognomy takes as its objects the intended existence (gemeintes Dasein) that lies beneath facial features, and it seeks to discover the laws of this intended existence (GW 9.177; ß 347); phrenology takes as its object what the individual „should be" (his or her inherent disposition) as indicated by the shape of the skull (GW9.187—188; B 363—365). Both disciplines seek to reduce their objects to laws, and both result in nonsense. His treatments of physiognomy and phrenology repeat many arguments, and his critique of each incorporates a formal analysis of the laws that the pseudosciences aspire to establish. The laws attempted by both fall to connect with „sides" they seek to relate. The failure of their laws is formal and derives from the fact that there are no two existing sides to be related. Physiognomy's ^ Verene voices the reaction of many in observing that the treatment of phrenology is „surely the most curious [section] in the Phenomenology ..." (Donald Phillip Verene: Hegel's Recollection: A Study of Images in the Phenomenology of Spirit. Albany, N. Y. 1985. 88.) ^ Many scholars have noted the peculiarity of the passage. Hegel's extensive discussion of physiognomy and phrenology can be explained in part on external grounds: even Kant had expressed interest in physiognomy, and Goethe had collaborated with Lavater in stimulating its revival in the late eighteenth Century. By 1817 Hegel reduced the critique of physiognomy and phrenology to one sentence and shifted the treatment to his exposition to Anthropology. (Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. In: Sämtliche Werke. Ed. H. Glöckner. Vol. 6. 244.)

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laws try to relate two sides that are „nothing but empty inclinations", and „in discovering laws [this pseudoscience] has said nothing but rather has engaged in pure chatter and expressed its own inclination". (GW 9.178; B 348—349) The formal criticism is grounded on HegeTs belief that humans express their true character in their acts, not in some inclination: „The true being of man is rather his act." (GW9.178; B 349) Such an act is not a mere sign of the inner seif, it is the substance of the man or woman. HegeTs attack on phrenology should be understood, at least in part, as an indirect criticism of SCHELLING.'^® Phrenology is even worse than physiognomy, and its excesses prove that stupidity can coexist with tough talk of laws and Science. Hegel shows how the abuse of law can result in intellectually complex theories that would be rejected even by uneducated (rohe) reason or common sense. (GW9.188; B 365) Phrenology's laws purport to relate as two sides (skull bone and consciousness) things that are entirely indifferent to each other. (GW9.186—187; ß 363) Moreover, the two sides differ qualitatively, for whUe the bone of the skull is fixed, „The being of spirit cannot be taken as something fixed and immovable. Man is free." (ibid.) The individual can be something other than what he or she „should be", and the search for disposition in Opposition to the character revealed in acts presupposes a contradiction between laws and observation which is entirely irrational. The polemic against pseudoscience rhetorically supports the development of Recht, for it reinforces HegeTs argument that socially important human acts are not externally determined. Rejecting deterministic theories of behaviour clears the way for the introduction of freedom as the basis and goal of social life. '

B. Social Laws 1. Front the Ethical Order to Law-Based Society The transition from observing to acting reason proceeds immediately from the degeneration of law in the pseudosciences. But a positive transition existed in the preceding treatment of the rational, teleological Schelling had stated that reason is instinctively drawn to phrenological inferences. Compare F. W. /. Schelling: System des transcendentalen Idealismus. 355.

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Observation. Recognition of the limits of such observation had propelled reason on toward „life in general". Those limitations were associated with a conflict between the subjective process of reason as observation (which sought laws) and the objects of reason. The conflict is removed only with life, where the rational observer becomes an active participant in the rational process that is observed. Hegel's use of living nature as a foundation for „acting reason" draws on SCHELLING'S philosophy of law^^ and evokes the KANxian distinction between pure and practical reason.

Law reappears as a major theme at the level of acting reason, and Hegel treats social laws as a manifestation of reason in three extensive discussions that parallel each other and that reproduce the experience of law-ascription for increasingly concrete forms of conscious actors: 1) rational self-consciousness as actualized for particulars; 2) reason as realized for individuals; and 3) reason as spirit, existing as totality in particular forms of existing social worlds.“^^ The subject matter discussed in each large part — particulars (chapter V (B)), individuals (chapter V (C)), spirit (chapter VI (A)) — denotes increasingly more concrete topics. Law plays a central role in determining the kind of existence by fixing the relationships among the actors that determine their level of self-manifestation. The movement within each one of these parts involves a proliferation of legal conflicts, and the resolution of the conflicts provides the starting point for the following parallel part. The combined movement of all three parts culminates in „State of Law", which is located in the text as the third section of the third part. The treatment of reason and spirit in the middle parts of the Phenomenology is structured thus:

Actual—Particulars a. desire and necessity b. law of the heart c. virtue and the way of the world

Real—Individual a. spiritual animal kingdom b. law-giving reason c. law-testing reason

Spirit Concrete—T otality a. ethical world b. ethical action c. state of law (Recht)

Neue Deduction des Naturrechts (1796). In: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Werke. Vol. 3. Ed. Hartmut Büchner, Wilhelm G. Jacobs, and Annemarie Pieper. Stuttgart 1982. 141. 47 At the concrete level of true spirit, all prior forms of consciousness are stated to have been mere abstractions. (GW 9.239; B 459)

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The proliferation and conflict of laws provides the topical or systematic theme that establishes continuity within the entire middle part of the text. Law holds together the text (which threatens to engage in isolated dialogue with Greek drama) and gives a theme to Hegel's treatment of the classical mind as much as law holds together the chaotic world that Hegel has presented for consciousness.^s Hegel characterizes the overall movement in these passages as a Progression from independence to freedom (GW 9.193; B 375). But the freedom that is attained is only implicit: the individual achieves only a consciousness of limifafion. (GW 9.195—196; B 378 —379) Hegel portrays in tragic ferms the loss of spontaneity that the individual suffers with the attainment of social law.^^ The fragic loss is worked ouf fhrough exfensive aUusion to Greek tragedy, especially Antigone. And the systematic progression of the three parts also expresses this tragic, dramatic theme: with state of law, spirit sublafes the beautiful simplicity of ethical life. (GW 9.240; B 460 and GW 9.260; B 498—499) In law-based society or „fhe formal universality of law (Recht)", fhe ethical world perishes. (GW 9.240; B 460)5« Each level of experience for acting reason is marked by fhe emergence and proliferation of laws. The conflicts among the laws and their resolutions mediate the great problem of the transition from nature fo society, from theorefical fo pracfical reason, which had been treated abruptly by SCHELLING51 and Hegel in fheir earlier writings. The mediafed movement bridges the state of nature (Naturzustand) and the state of law (Rechtszustand) through fhe extraordinary treatment of the ethical Order, and there is reason to believe that the treatment of fhe efhical order expanded even as Hegel wrote and elaborated fhe crifical transition.52 The Overall movement towards the concrete manifestation of spirif in sociefy is ifself characterized by the progressive elaboration of concrete Contents for law — from abstract law (gedachtes Gesetz) or custom (Sitte) ^ This point has made previously by Robert Bernasconi: Persons and Masks: The Phenomenology of Spirit and its Laws. 1695. The tragic loss of the freedom associated with nature and classical Greek society was a theme that pervaded German Classical thought. Hegel was preoccupied with the sources of the loss and the grounds for restoring free individuality in his earlier writings. * The tragic loss assumes a double meaning when we recall that Hegel has been dealing with fiction: the disappearance of mental attitudes associated with classical tragedy accompanies the decline of tragedy as art. 5t See generaUy Schelling: System des transcendentalen Idealismus. 406. 52 I believe H. S. Harris will provide the argument for this appealing hypothesis in his forthcoming commentary on the Phenomenology.

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(GW 9.194; B 376) through commandments (Gebote) (GW 9.231; B 444) to the recognition of laws posited by the general will, culminating in Recht (GW 9.236; B 453). The reader and narrator move along by recognizing conflicts among the laws that are generated and by criticizing the incomplete efforts of spirit to generate law. Hegel's treatment of conflicting laws in the Ethical Order culminates with the instantiation of Recht as a form of the world in the state of law.^^ In such a world law gives itself its own content, and it is both descriptive and prescriptive. Law as Recht overcomes the formal limitations that Hegel has revealed at every occurence of Gesetz.

2. The State of Law The state of law (Rechtszustand) corresponds exactly to the emergence of a legal System that recognizes vested rights and that treats individuals as equal legal „persons". Hegel's treatment of the state of law establishes a critical turning point in the Phenomenology, but the section itself is short, and anticlimactic. By the time Hegel finally treats law-based society proper, he has already explored in detail the conflicts among multiple laws that lead to the instantiation of law as Recht. Moreover, his prior formal and substantive criticism of law as Gesetz establishes the groundwork for his criticism of law-based society. The objects that are related by law at the level of law-based society are actors in the form of persons. Such persons exist as subjects or citizens counterposed to another person, a Lord of the World; they thus provide two fixed sides upon which valid laws can be framed. (Hegel did not intend to coin a new philosophical term. Persons and personal rights were legal doctrines that he drew from Contemporary jurisprudence.^ But he is obviously fitting the material into his formal theory of law-forming.) His criticism of the person in law-based society concludes his progressive exposition of the inadequacy of objects that are related by all kinds of law-based explanation. Although Recht is the highest kind of law, it is not the highest kind of individual or social existence. On the 53 I consider the problem of the referents of Hegel's discussion in the section in another article: The Idea of Law (Recht) in Hegel's Philosophy of Spirit. In: Clio. 21 (1992), 345. 54 The 1791 draft for the Prussian Code is a good example. „Man is termed a person in so far as he enjoys certain rights in civil society. (Der Mensch wird, in so fern er gewisse Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft geniesst, eine Person genannt.)" In: Allgemeines Gesetzbuch für die Preussischen Staaten. Theil 1. Berlin 1791. 17.

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contrary, Hegel exposes it as a low and empty sort of existence in which individuals are reduced to social atoms. Their existence as persons tragically sublates individuality (GW 9.260; ß 498) and they are not only spiritless themselves, but they also subsist in a world of law which is spiritless and formal (GW 9.267; B 514). The Phenomenology does not identify a state (Staat) or state institutions as sources for Recht. Its state of law (Rechtszustand) emphasizes the Status or condition (Zustand) that persons acquire as „sides" of a relationship governed by law. Indeed the establishment of legal Status and personal rights by means of this relationship would seem to be a prerequisite for, rather than a consequence of, sovereign state institutions. The relating of persons as counterposed „sides" by law at the level of Recht repeats the intrinsic, formal tension that emerged in lawgiving at the level of Gesetz. Just as an essential characteristic of law (as Gesetz) engendered both a chaos of perception and a motionless stabüity, so, too, law (as Recht) is associated both with war and with stagnahng social peace. The tension between war and peace characterizes the world that is established at the level of Recht. Hegel repeatedly links the appearance of war with the appearance of private legal rights. War arises by necessity in order to counteract the Stagnation that legal recognition of private rights threatens. (GW 9.246; ß 474) The parallel between the association of peace and warfare with Recht and the association of peace with Gesetz is established unmistakably. War immediately precedes the appearance of Recht in law-based society: „The ethical shape of spirit has disappeared and another takes its place. This decline of ethical substance and its transformation into another shape is determined by the fact that the ethical consciousness is essentially immediately directed to the law (Gesetz) . . . The immediacy has the contradictory significance of being the unconscious peace of nature and the self-conscious unpeaceful peace of spirit." (GW 9.260; ß 498) The transcendental treatment of law as Recht recapitulates his earlier treatment of Gesetz. The development of consciousness found a place for valid natural laws, while recognizing the limits of the kind of knowledge that such laws could support. The objects associated with such laws had also been retained. For example, inorganic nature (the physical world constructed by the understanding) reappeared at the level of teleological Observation; so, too, organic nature provided the material ground, as „life in general", for the establishment of acting reason. With Recht, too, spirit finds a place for social laws, while recognizing the limits of the kind of life that is governed by such laws. With the recognition of the

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inherent limitations of such laws, the abstract legal person that they engender is sublated^s — cancelled but also retained by a higher form of existence. Recognition of this limitation provides the transition to more complete or perfect forms of existence. The emptiness of legal persons that Sterns from their limitation as purely finite beings provides in its more abstract form the foundation for morality. Law-based society both completes the preceding development of mind and spirit and provides the material foundation for the succeeding development of spirit in culture and morality. The establishment and criticism of the state of law also completes the formal elaboration of Hegel's theory of law. In this way the critique of law, in its highest form, law-based society, operates as a pivot for the entire text. Law as Recht provides the starting-point for the subsequent evolution of spirit in the form of culture and morality.

Epilogue Hegel rejects law and law-based society as adequate foundations for freedom. With the attainment of law-based society, he abandons law as an important conceptual framework for the elaboration of speculative philosophy. Because HegeTs absolute cannot be expressed in laws, law is absent from the Preface and concluding chapter, which are written from the vantage of scientific phüosophy.^^ Despite the importance of law in the history of the experience of consciousness and spirit, the genesis of the absolute cannot be expressed or understood as

55 „This person of law (Person des Rechts), however, has its substance and content Outside it[selfj. The movement of fhe world of culture and faith sublates this abstraction of the person and by means of the completion of alienation and of the highest abstraction, substance becomes for fhe seif of spirit first universal will and then its property." (GW 9.323; B 613) 5* Because Hegel rejects law-based explanation as an adequate expression of philosophy, law is omitfed from the Preface and the concluding treatment of Absolute Knowledge, for those passages are composed from the perspective of scientific philosophy that has been attained by the end of the work. For Hegel there is no „law" that explains the development of laws in the Phenomenology itself, because that development itself reveals the Umits and invalidity of law-based explanations for absolufe knowledge. In contrast, Desmond attempted to find a „law" of laws in fhe text, which he identified with the „basic structure of all thought for Hegel". (William Desmond: Hegel, Legal Status, and Otherness. In: Cardozo Law Review. 10 (1989), 1721.)

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law-abiding, nor should philosophy aspire to law. Law itself must be comprehended philosophically only in a context, fixed ultimately in the form of Science, that rejects the adequacy of law for understanding law.

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HEGELS KONZEPT DER BÜRGERLICHEN FAMILIE IM KONTEXT DER SUCHE NACH EINER FEMINISTISCHEN WEIBLICHKEITSTHEORIE

1. Zur Problemlage einer Philosophie des Geschlechterverhältnisses Als FREUD 1926 Weiblichkeit als „dark continent" bezeichnete, wies er auf das Unvermögen der traditionellen bürgerlichen Kultur hin, die Frau in ihrer Eigenheit zu verstehen und sie nicht nur als , Mangelwesen' im Vergleich zu dem allein die höchsten Formen des Menschseins erreichenden Mann aufzufassen. Doch auch mehr als ein halbes Jahrhundert später muß eingestanden werden, daß das Problem der , Geschlechterdifferenz', also die Frage nach dem Ursprung der vielfältigen Unterschiede der beiden Geschlechter, weiterhin eine theoretische Leerstelle darstellt und jener ,Kontinent' noch immer im Dunklen liegt. Auch die feministischen Ansätze in der Philosophie sehen sich bis heute nicht in der Lage, eine Antwort auf die Fragen zu geben, was ,Weiblichkeit' eigentlich ist und mit welchen Kategorien und Begriffen sie beschrieben werden könnte. Diese Sprachlosigkeit scheint sehr eng mit einem theoretischen Versäumnis der Frauenforschung zusammenzuhängen: Deren Repräsentantinnen kritisierten zwar beharrlich einzelne verstreute, die Frauen ausschließende oder abwertende Äußerungen der Philosophen, die zumeist an der Peripherie der großen Systementwürfe angesiedelt waren. Sie setzten sich aber nicht dezidiert mit der Frage auseinander, welche Vernunftkonzeption einer alternativen Theorie des Geschlechterverhältnisses zugrundegelegt werden könnte. Es unterblieb so eine konsequente Auseinandersetzung mit den Zentren der philosophischen Systeme, wodurch keine Anschlußstelle für eine neue Art der Thematisierung männlicher und weiblicher Denk- und Handlungsformen ausfindig gemacht wurde. Aufgrund dieser theoretischen Schwäche laviert die feministische Philosophie bei ihren positiven Gegenentwürfen zu den herkömmlichen Definitionen von , männlich' und , weiblich' zwischen den folgenden zwei flachen, ungeeigneten Vemunftkonzeptionen, die offensichtlich

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den konservativen männlichen Weiblichkeitsentwürfen entnommen wurden. Der erste Vernunfttypus entstammt einer Tradition, die ich als „ungeschichtliche Aufklärung" bezeichnen möchte. Diese geht von der These „Einer Vernunft" (KANT) aus, die dem Menschen schlechthin als angeborenes Denkvermögen oder Wesensmerkmal zugeschrieben wird. Alles außerhalb dieser Einen Vernunft wird dem Bereich der Natur zugerechnet. Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Vernunft jedoch als ungeschichtliche Verabsolutierung der modernen Rationalität. Ein Gutteil der männlichen Ausschlußversuche der Frau stützt sich auf diesen Vernunftbegriff. Ausgehend von einzelnen Merkmalen des Weiblichen, die sich dieser Rationalität nicht zuordnen lassen, wird schließlich sogar die Frau als solche als nichtvernünftiges Wesen bestimmt und als das schlechthin Andere der Vernunft der Sphäre des bloß Natürlichen zugewiesen. Aus der ungeschichtlichen Aufklärung ist jene Hauptströmung innerhalb der Frauenbewegung hervorgegangen, die als liberal-egalitäre Richtung bezeichnet werden kann. Sie dehnte die Geltung dieser traditionell männlichen Vernunftform auch auf das bisher davon ausgeschlossene weibliche Geschlecht aus, übernahm jedoch dabei die ahistorische Verabsolutierung der modernen Vernunft. Diesem Feminismus „gilt Weiblichkeit als das primäre Mittel zur Unterdrückung der Frau, und er appelliert an die von Männern beherrschten Institutionen, auch Frauen die volle Partizipation an den öffentlichen, weltbestimmenden Tätigkeiten wie Industrie, Politik, Kunst und Wissenschaft zu ermöglichen".i Der Preis einer solchen am Begriff der Gleichheit ausgerichteten weiblichen Emanzipation besteht freilich in einer damit einhergehenden verständnislosen Ablösung der Frau von ihrer eigenen Vergangenheit, in einem radikalen Bruch mit ihrer Geschichte, ihrer traditionellen weiblichen Identität, die damit aus allen Diskursen herausfällt. Das zweite Vemunftmodell, das den herkömmlichen Diskurs über die Geschlechterdifferenz prägt, kann unter dem Terminus „Ergänzungstheorien" zusammengefaßt werden. Dabei wird von einem spezifisch männlichen und einem spezifisch weiblichen Denken ausgegangen, zwei unterschiedlichen Wesenheiten oder Prinzipien also, die einander

1 Iris Marion Young: Humanismus: Gynozentrismus und feministische Politik. In: Denkverhältnisse. Feminismus und Kritik. Hrsg. v. Elisabeth List und Herlinde Studer. Frankfurt/M. 1989. 39.

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zu einem neuen, nicht länger geschlechtsneutralen Begriff des Menschen ergänzen. Besonders konsequent wurde diese Theorie etwa von GEORG SIMMEL vertreten. Diese These einer genuin männlichen und einer genuin weiblichen Vernunft bildet auch das Fundament der als „radikalfeministisch" bezeichneten zweiten Hauptrichtung der Frauenbewegung. Ihre kritische Wendung gegenüber den männlichen ergänzungstheoretischen Konzeptionen beschränkte sich darauf, eine bloße Umwertung vorzunehmen, also die der Frau zugeordnete Vernunft stark aufzuwerten und zugleich die dem Mann zugeschriebene Vernunft mehr oder weniger radikal abzuwerten. Als Repräsentantin dieses Ansatzes wäre z. B. MARY DALY ZU nennen. Die Hauptschwäche dieses um den Begriff der Differenz zentrierten Emanzipationsmodells ist freilich die Festlegung der Frau auf eine bestimmte Lebensform und ihr Ausschluß von jenen traditionell männlichen Formen der Weltaneignung, die viele Frauen bereits als Teil ihrer Identität empfinden. Angesichts dieser Problemlage herrscht Übereinstimmung, daß es nun darum gehen muß, eine tragfähige Konzeption zu entwickeln, die die beiden Pole von Differenz- und Gleichheitsansprüchen zu verbinden und die angeführten Beschränkungen und Einseitigkeiten der herkömmlichen Ansätze zu überwinden vermag: „Gegenwärtig rückt also die Einschätzung in den Vordergrund, daß die Konzepte der Andersheit und der Gleichheit keine Disjunktion bilden, sondern jeweils legitime Überlegungen enthalten, die erst zusammengedacht werden müssen. Wie dies geschehen soll, darüber gehen freilich die Meinungen noch weit auseinander. Aus der vorherigen Argumentation geht allerdings hervor, daß dieser theoretische Anspruch nur eingelöst werden kann, wenn es gelingt, einen Vemunftbegriff zu finden, der weder einer ungeschichtlichen, weibliche Lebensweisen übersehenden Einengung der menschlichen Vernunft auf die moderne Rationalität Vorschub leistet noch zu biologistischen Etikettierungen eines männlichen und weiblichen Denkens Zuflucht nimmt. Um eine Lösung für diese Schwierigkeiten zu finden, möchte ich eine philosophische Tradition aufgreifen, die sich meines Erachtens für die

2 Herta Nagl-Docekal: Was ist Feministische Philosophie? In: Feministische Philosophie. Hrsg. v. H. Nagl-Docekal. Wien, München 1990. 39.

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gegenwärtige Diskussion (ob diese nun von männlichen oder weiblichen Diskursteünehmern geführt wird) als fruchtbar erweisen könnte: Ich denke an jene philosophischen Ansätze, die von einem geschichtlichen Vernunftbegriff ausgehen und dadurch die moderne, traditionell männliche Ratio zu relativieren imstande sind. Diese wird durch eine solche geschichtliche Perspektive nicht als angeborenes Vermögen, sondern als Denk- und Handlungsweise aufgefaßt, die sich in einem geschichtlichen Entwicklungsprozeß herausgebildet hat, der als Modernisierungs- (Hegel), Rationalisierungs- (MAX WEBER) oder Subjektivierungsprozeß (HEIDEGGER) interpretiert werden kann. Um die Möglichkeiten zu analysieren, die sich aus der kritischen Auseinandersetzung mit einer Theorie der Geschlechterdifferenz ergeben, die von einem solchen geschichtlichen Vernunftkonzept ausgeht, soll im folgenden Hegels Theorie der bürgerlichen Familie, wie sie in dessen Rechtsphilosophie vorgestellt wird, zum Gegenstand einer kurzen Untersuchung gemacht werden. Dabei wird besonders das Verhältnis von Hegels expliziten Äußerungen über die Beziehungen der Geschlechter und seiner systematischen Philosophie zu beachten sein.

2. Hegel als Repräsentant der geschichtlichen Aufklärung Unsere Analyse von Hegels Theorie der bürgerlichen Familie beginnt damit, deren systematischen Stellenwert innerhalb von Hegels Denken kurz zu eruieren. Dieses Denken läßt sich einer besonderen Richtung der Aufklärung zuordnen, die als „geschichtliche Aufklärung" charakterisiert werden kann. Diese geschichtliche Linie der Aufklärung wurde durch Hegels eindrucksvollen Systementwurf eröffnet und wurde sodann etwa von MARX, MAX WEBER und HEIDEGGER fortgesetzt. Jene Tradition läßt sich kurz dadurch kennzeichnen, daß die Vernunft nicht mehr wie bei der ungeschichtlichen Aufklärung als unwandelbare Anlage des , Menschen an sich' gedacht wird, sondern so aufgefaßt wird, daß sie eine geschichtliche Bewegung ausführt, bei der sie verschiedene Gestalten annimmt. Damit läuft Geschichte nicht mehr außerhalb einer jeder Entwicklung entzogenen, ewig gleichen Vernunft ab, sondern der Begriff der Vernunft und damit die Philosophie werden ihrem innersten Wesen nach selbst geschichtlich: „Hegels Werk enthält nicht nur eine Philosophie der Geschichte und eine Geschichte der Philosophie, sondern sein ganzes

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System ist in so grundlegender Weise geschichtlich gedacht wie keine Philosophie zuvor. Von einem solchen geschichtlichen Blickpunkt aus kommt dann jene Rationalität, die die ungeschichtliche Aufldärung allein analysiert, nicht dem Menschen schlechthin zu, sondern nur jenem Typus des modernen Menschen, der sich im Zuge eines geschichtlichen Rationalisierungsprozesses herausgebildet hat und der hier im weiteren als Subjekt bezeichnet werden soll. Bevor jedoch der Frage nachgegangen wird, welche Bedeutung der Rechtsphilosophie und damit auch der darin enthaltenen Theorie der Familie innerhalb der Hegelschen Konzeption einer geschichtlichen Aufeinanderfolge verschiedener Gestalten der Vernunft zukommt, soll zunächst ein kurzer schematischer Abriß zeigen, was unter jener zentralen Hegelschen These der Geschichtlichkeit der Vernunft zu verstehen ist. Hegel unterscheidet grob vereinfacht drei grundlegende Formen vernünftigen Denkens und Handelns, die er in einer geschichtlichen Bewegung auseinander hervorgehen läßt: 1. Eine frühe Form der Vernunft, die Hegel als unmittelbare Sittlichkeit bezeichnet und für die im folgenden auch der von WITTGENSTEIN entlehnte Terminus ,Lebensform' verwendet werden soll. 2. Sodann bezieht sich Hegel auf jenen Vernunfttypus, den die ungeschichtliche Aufklärung als Vernunft schlechthin behauptet hat. Hegel spricht in diesem Zusammenhang auch von der Moderne. 3. Als dritte Stufe der geschichtlichen Bewegung der Vernunft entwirft Hegel eine Synthese aus unmittelbarer Sittlichkeit und Moderne, aus Lebensform und Subjekt, die er als eigentliche, selbstbewußte Sittlichkeit bezeichnet und als Vollendung des Geistes hypostasiert. Diese drei Vernunftformen sollen im folgenden kurz charakterisiert werden. Allerdings werden sie nicht in der Reihenfolge ihres geschichtlichen Hervortretens besprochen. Vielmehr wählen wir als Ausgangspunkt unserer Darlegung die moderne Vernunft des Subjekts, von der aus dann die beiden Arten der Sittlichkeit, die frühe, unmittelbare sowie die späte, wie sie Hegel als Grundlage des modernen Staates darstellt, abgegrenzt werden sollen. Zudem soll nicht nur die Ebene des Denkens, sondern auch jene des Handelns berücksichtigt werden. Als Fundament der Moderne fixiert Hegel die Zweckrationalität. Diese Zweckrationalität äußert sich für Hegel zunächst als eine bestimmte, al3 Karl Löwith: Von Hegel zu Nietzsche. Der revolutionäre Bruch im Denken des 19. Jahrhunderts. Hamburg 1981. 44.

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lerdings eingeschränkte und uneigentliche Form der Freiheit, nämlich als „Willkür, sich Zwecke zu setzen": „Das Recht der Besonderheit des Subjekts, sich befriedigt zu finden, oder, was dasselbe ist, das Recht der subjektiven Freiheit macht den Wende- und Mittelpunkt in dem Unterschiede des Altertums und der modernen Zeit." (7.233)^ Hegel merkt nun an, daß sich das reine Prinzip des „Ich will", die „formale Selbsttätigkeit" eines über die Freiheit als Willkür bestimmten Subjekts mit keinem Inhalt in einem tieferen, wesentlichen Sinn verbinden kann. Diese Art der Freiheit bleibt somit leer, denn sie repräsentiert niu- die abstrakte Möglichkeit, „daß ich dies oder jenes zu dem Meinigen machen kann". (7.67) Das im Bereich des Zweckrationalen denkende und handelnde Subjekt tendiert deshalb dazu, jeden gegebenen Inhalt, also auch alle vorhandenen kulturellen Konventionen, alle bestehenden gesellschaftlichen Formen von sich abzutrennen und dagegen seine Freiheit, sich seine Zwecke selbst zu setzen, geltend zu machen, die in dieser individuellen Selbstbezogenheit einen subjektiven und zufälligen Charakter annehmen. Dieses sich aus den umgebenden und beschränkenden kulturellen Traditionen allmählich lösende, seine zunehmend willkürlichen, individuellen Zwecke verfolgende Subjekt handelt damit als „partikulares Individuum". Die Struktur dieser Partikularität bedingt nun, wie Hegel zu zeigen versucht, eine ganz bestimmte Struktur jener Moral und jenes Rechts, die der partikularen Besonderheit des Subjekts als regulierende Instanz gegenübertreten. Die moderne Moral und das formelle Recht werden nämlich in ihrem Versuch, die partikularen Zwecke des Subjekts zu einer neuen Allgemeinheit zu verbinden, ohne dabei aber das Recht des Subjekts auf Besonderheit aufzuheben, „zum formell-allgemeinen . . ., in das jeder Inhalt gleich gut paßt".^ Die auf der subjekthaften Freiheit als Willkür, sich Zwecke zu setzen, aufbauenden Ethiken und Staatstheorien gehen deshalb von einem ursprünglich vereinzelten atomistischen Subjekt aus, dem erst im nachhinein ein abstraktes Allgemeines in Form eines formalen Imperativs gegenübergestellt wird. Das „ungesellige" vereinzelte Subjekt und nicht der Angehörige einer bestimmten Lebensform wird von der ungeschichtlichen Aufklärung * Hegel wird, wo noch keine Bände der Gesammelten "Werke vorMegen, nach der Theorie-Werkausgabe von E. Moldenhauer und K. M. Michel (Frankfurt 1969—1971) zitiert, mit Band- und Seitenangabe, in unmittelbarer Aufeinanderfolge ggf. ohne Wiederholung der Bandzahl. 5 G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke. Bd 9: Phänomenologie des Geistes. Hrsg, von W. Bonsiepen und R. Heede. Hamburg 1980. 252.

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— also etwa von KANT — auch an den Beginn der Geschichte projiziert und als ursprüngliche Form des Menschseins, als menschlicher „Naturzustand" behauptet und der moderne Typus der Allgemeinheit, wie er im formalen Recht und in der modernen Moral vorliegt, zur einzig möglichen Form gesellschaftlicher Allgemeinheit erklärt. Diese vor allem von den ,Vertragstheorien' vertretene Vorstellung, ursprünglich unabhängige, vereinzelte Subjekte hätten sich erst nachträglich zu Gemeinschaften formiert, wird von MARX ironisch als „Robinsonade" bezeichnet. Mit Hegel läßt sich hingegen rekonstruieren, wie das vereinzelte Subjekt aus der Auflösung ursprünglicher archaischer Gesellschaftsformen entstanden ist und erst dann dazu gezwungen ist, die verlorene Allgemeinheit der Lebensform unter diesen geänderten Bedingungen in neuer Form — nämlich in Gestalt moralischer Prinzipien — zu konstituieren. Im Gegensatz zu dieser Getrenntheit von Besonderem und Allgemeinem in der „modernen Welt" repräsentiert für Hegel die „sittliche Welt" eine konkrete Allgemeinheit, bei der sich am Einzelnen ein Allgemeines zeigt und das Allgemeine immer auch ein Einzelnes ist. Sittlichkeit und Moral als zwei Arten von Allgemeinheit, einer konkreten und einer abstrakten, charakterisieren für Hegel so die verschiedenen geschichtlichen Gestalten der Entwicklung der Vernunft: „Das Sittliche ist nicht abstrakt wie das Gute, sondern in intensivem Sinne wirklich. Der Geist hat Wirklichkeit, und die Akzidenzien derselben sind die Individuen. Beim Sittlichen sind daher immer nur die zwei Gesichtspunkte möglich, daß man entweder von der Substantialität ausgeht oder atomistisch verfährt und von der Einzelheit als Grundlage hinaufsteigt: dieser letztere Gesichtspunkt ist geistlos, weil er nur zu einer Zusammensetzung führt, der Geist aber nichts Einzelnes ist, sondern Einheit des Einzelnen und Allgemeinen." (7.305) Dem Hervortreten des „Ich will" in der modernen Welt hält Hegel entgegen, daß sich der einzelne im Bereich der frühen Sittlichkeit nicht über die abstrakte Freiheit, sich beliebige Zwecke zu setzen und diese mit beliebigen Mitteln zu verwirklichen, bestimmt, sondern über einen festen Kreis von allgemein üblichen „Zwecken" und „Mitteln", deren Gesamtheit eine Lebensform ergibt.^ So war für die Griechen „der Zweck das lebendige Vaterland; dieses Athen, dieses Sparta, diese Tempel, diese Altäre, diese Weise des Zusammenlebens, dieser Kreis von Mitbürgern, diese Sitten und Gewohnheiten. Dem Griechen war das Vaterland eine Notwendigkeit, 6 Eine Auseinandersetzung mit Hegels Begriff der unmittelbaren Sittlichkeit bietet Charles Taylor: Hegel. Frankfurt/M. 1978. 477-508.

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ohne die er nicht leben konnte." (12.309) Indem die moderne Moralität^ das Brüchigwerden der Selbstverständlichkeit der traditionsgebundenen „Weise des Zusammenlebens" innerhalb eines „sittlichen Gemeinwesens" und das Hervortreten der Partikularität, der subjektiven Besonderheit des einzelnen Handelnden zur logischen Voraussetzung hat, ist der moralische Mensch „nicht der, welcher bloß das Rechte will und tut, nicht der unschuldige Mensch, sondern der, welcher das Bewußtsein seines Tuns hat". (12.329) Der Umstand, daß die Dimension des Moralischen in Form moralischer Imperative und Prinzipien erst in einem zweiten Schritt zu den , normalen' zweckrationalen Handlungen hinzukommt, bedeutet, daß in der modernen Welt jede Handlung grundsätzlich im Horizont einer moralischen Reflexion und einer Entscheidung zwischen ,gut' und ,böse' steht. Davon hebt Hegel die unmittelbare Sittlichkeit ab; „Die Alten hatten, kannten die Frage vom Ursprünge des Bösen nicht; nicht diese Abstraktion des Guten und Bösen (wie Erkenntnis des Guten und Bösen) — zwar Böse, Verbrechen — aber in seinen konkreten Gestalten von Menschen und Handlungen — nicht so ein Gegensatz, wie wir gewohnt sind." (7.262) Dem guten Willen bei der moralischen Handlung läßt Hegel bei der sittlichen Handlung den objektiven Willen gegenüberstehen: „Indem Sitte und Gewohnheit die Form ist, in welcher das Rechte getan wird, so ist sie das Feste und hat den Feind der Unmittelbarkeit, die Reflexion und Subjektivität des Willens, noch nicht in sich ... Es ist noch kein Prinzip vorhanden, welches der wollenden Sittlichkeit entgegenstreben und sie in ihrer Verwirklichung hindern könnte . . . Die Bürger sind sich des Partikulären, hiermit auch des Bösen, noch nicht bewußt; der objektive Wille ist ungebrochen in ihnen." (12.308) In dieser Identität „so sind sie — so leben sie" (7.269) erscheint der Mensch im Bereich der Lebensform „unschuldig" und „sich unbewußt" (294). Während Moralität und Legalität, indem sie die subjektive Freiheit nicht aufheben, sondern ihr nur eine allgemeine Form geben wollen, formale Prinzipien und Regeln vorschreiben, die den Handelnden nicht auf bestimmte Zwecke einschränken, setzt sich die Sittlichkeit einer Lebensform aus bestimmten konkreten Handlungen zusammen: „Was der Mensch tun müsse, welches die Pflichten sind, die er zu erfüllen hat, um tugendhaft zu sein, ist in einem sittlichen Gemeinwesen leicht zu sa^ Eine Diskussion des in Anschluß an Hegel geläufigen Begriffspaares von Moralität und Sittlichkeit findet sich in: Wolfgang Kuhlmann (Hrsg.): Moralität und Sittlichkeit. Frankfurt/M. 1986.

Hegels Konzept der bürgerlichen Familie

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gen — es ist nichts anderes von ihm zu tun, als was ihm in seinen Verhältnissen vorgezeichnet, ausgesprochen und bekannt ist.“ (298) Die einzelne sittliche Handlung ist dann insofern allgemein, als sie die innerhalb einer Lebensform gewohnte und selbstverständliche Handlung ist: „In einer sittlichen Handlung mache ich nicht mich selbst, sondern die Sache geltend . . . Das Vernünftige ist die Landstraße, wo jeder geht, wo niemand sich auszeichnet." (67) Von der unmittelbaren Sittlichkeit der Lebensform unterscheidet Hegel die selbstbewußte Sittlichkeit als dritte und letzte Stufe der geschichtlichen Entfaltung der Vernunft, die er zumindest in Ansätzen im modernen europäischen Nationalstaat verwirklicht sieht. Darauf kann hier jedoch nicht näher eingegangen werden, unter anderem auch deshalb, weil Hegel jene die Vernunftentwicklung vollendende harmonische Verbindung von Lebensform und subjekthafter Freiheit, jene Überwindung des Gegensatzes von Moralität und Sittlichkeit mehr postuliert als wirklich logisch-begrifflich herausarbeitet.

3. Der systematische Ort von Hegels Rechtsphilosophie Wie läßt sich nun Hegels Rechtsphilosophie und damit seine Philosophie der Familie in dieses Konzept eines geschichtlichen Wandlungsprozesses der Vernunft einordnen? Hegels Philosophie der Familie ist eingebettet in die Darstellung der selbstbewußten Sittlichkeit des Staates, die drei Bereiche umfaßt: die Familie, die bürgerliche Gesellschaft und den Staat im eigentlichen Sinn. Diese drei Momente lassen zwar eine tiefere Beziehung zu den drei Stufen der geschichtlichen Entwicklung der Vernunft bereits erahnen, ohne aber direkt damit zur Deckung gebracht werden zu können. Die vorhin angeführten geschichtlich-logischen Stufen der Vernunftentwicklung wiederholen sich also in der Rechtsphilosophie, doch hat sich ihre Gestalt dabei geändert: Geschichtsphilosophie unmittelbare Sittlichkeit Moderne selbstbewußte Sittlichkeit

Rechtsphilosophie Familie bürgerliche Gesellschaft Staat

Der Grund dieser Differenz zwischen Rechts- und Geschichtsphilosophie liegt darin, daß Hegels Rechtsphilosophie die geschichtliche Dimension unberücksichtigt läßt und statt dessen nur eine Theorie der gegenwärtigen

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Gesellschaft entwirft, die ihrem Wesen nach, also ungeachtet einzelner Defizite, der vollendeten Entwicklungsstufe der Vernunft zugeordnet wird. Die drei Elemente des sittlichen Staates, die Familie, die bürgerliche Gesellschaft und der Staat im eigentlichen Sinn, sind also nicht als geschichtlich aufeinanderfolgende Stufen zu denken: „Der Übergang von der Familie zur bürgerlichen Gesellschaft und schließlich zum Staat ist vom Entstehen der in Frage stehenden Institutionen überhaupt nicht historisch situiert. Hegels Theorie des Staates könnte man vielmehr als eine Herausvergrößerung der letzten Stufe der geschichtlichen Entfaltung der Vernunft bezeichnen. Dennoch gibt es eine Verbindung zur Geschichtsphilosophie. Die früheren Stufen der Vernunft werden nämlich nicht einfach im Laufe der geschichtlichen Bewegung als „nichtig" hinter sich gelassen, sondern sie finden sich auch in der vollendeten, letzten Gestalt der Vernunft bewahrt und „aufgehoben" wieder, freilich m gewandelter Form. Der Eindruck einer geschichtlichen Darstellung entsteht dann dadurch, daß die in der Geschichtsphilosophie nacheinander angeordneten Entwicklungsstufen in der Rechtsphilosophie als nebeneinander bestehende Momente des von Hegel idealtypisch beschriebenen modernen Staates angeführt sind, der die „zu ihrer freien Selbständigkeit gekommenen Momente wie eine ,Seele' zusammenhält". (7.86) ln diesem Sinn repräsentiert die bürgerliche Familie eine Fortsetzung der unmittelbaren Sittlichkeit als frühere Gestalt der Vernunft, die damit als Ursprung des „sittlichen Geistes" der Familie angesprochen werden kann. Hegel blendet bei seiner Theorie der Familie den geschichtlichen Zusammenhang jedoch aus. Der Ursprung der traditionellen Familie in der unmittelbaren Sittlichkeit der Lebensform ist also bei Hegel verdeckt, obwohl sich eine solche Verbindung aus Hegels System selbst ergeben würde. Diese Ausklammerung der geschichtlichen Dimension zeigt sich auch im begrifflich-systematischen Gesamtaufbau der Rechtsphilosophie. Hegel wählt nämlich als Ausgangspunkt der Entwicklung seiner Begrifflichkeit nicht die unmittelbare Sittlichkeit vormoderner Lebensformen, wie dies der geschichtlichen Abfolge entspräche, sondern die moderne Rationalität, also die subjekthafte Freiheit, sich Zwecke zu setzen sowie das for® Siegfried Blasche: Natürliche Sittlichkeit und bürgerliche Gesellschaft. Hegels Konstruktion der Familie als sittliche Intimität im entsittlichten Leben. In: Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie. Bd 2 Hrsg. v. Manfred Riedel. Frankfurt/M. 1975. 312.

Hegels Konzept der bürgerlichen Familie

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male Recht und die Moral. Diese Stufe der modernen Vernunft, die die ungeschichtliche Aufklärung als Vernunft schlechthin behauptet hatte, möchte Hegel in seiner Darstellung der geschichtlich späten, vollendeten Sittlichkeit des Staates gegenüber deren konkreter Allgemeinheit als defizient und uneigentlich darstellen: „Das, was wirklich ist, die Gestalt des Begriffes, ist uns somit erst das Folgende und Weitere, wenn es auch in der Wirklichkeit selbst das erste wäre. Unser Fortgang ist der, daß die abstrakten Formen sich nicht als für sich bestehend, sondern als unwahre aufweisen." (7.87) Die konkrete Allgemeinheit des Sittlichen wird in der Rechtsphilosophie deshalb nur als späte Überwindung der modernen Getrenntheit von Besonderem und Allgemeinem reflektiert und nicht wie in der Geschichtsphilosophie auch als ursprüngliche, unmittelbare Verbundenheit eines noch nicht Getrennten. Dementsprechend behandelt Hegel in seiner Rechtsphilosophie, nachdem er einleitend den Begriff der Freiheit als Willkür entwickelt, im ersten und im zweiten Teil Formen der modernen Welt, nämlich im ersten Teil das „abstrakte Recht" und im zweiten Teil die „Moralität", und unternimmt erst im dritten und letzten Teil eine Analyse der „Sittlichkeit", in deren Rahmen auch die bürgerliche Familie beschrieben wird.

4. Hegels Suche nach einem logischen Fundament der bürgerlichen Familie Wir wenden uns nun den Problemen zu, die sich aus Hegels Bestimmung der Sittlichkeit der Familie ergeben, bei der er, wie bereits angemerkt wurde, den geschichtlichen Ursprung derselben in der unmittelbaren Sittlichkeit der Lebensform unberücksichtigt läßt. ln der Rechtsphilosophie geht Hegel davon aus, daß der Eintritt in die Ehe von der bürgerlichen Gesellschaft aus erfolgt: „Bevor die Familie gegründet wird, sind — und hierin besteht der Unterschied zur alten Welt — unter ausgebildeten gesellschaftlichen Verhältnissen die Individuen moralische Subjekte. Rechtlich werden sie darüberhinaus in ihrer ,abstrakten Person' anerkannt."^ Der Übergang in die Ehe findet deshalb noch in der rechtlichen Form statt, in der die selbständigen Subjekte der bürgerlichen Gesellschaft miteinander verkehren: in Form eines Vertrages. Mit dieser „freien Einwilligung der Personen" (7.310) zur Eheschließung wird aber eine Schwelle überschritten, die eine neue, eigene Sphäre eröffnet, in der eine andere Form des Rechts herrscht — die Sphäre ® Blasche: Natürliche Sittlichkeit und bürgerliche Gesellschafl. 318.

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der Familie. In dieser stehen einander Mann und Frau nicht mehr als unabhängige, frei disponierende Vertragspartner gegenüber, und das Vertragsverhältnis erlischt. „Daß die Ehe nicht das Verhältnis eines Vertrags über ihre wesentliche Grundlage ist, ist oben bemerkt worden . . . denn sie ist gerade dies, vom Vertragsstandpunkte der in ihrer Einzelheit selbständigen Persönlichkeit auszugehen, um ihn aufzuheben." (313) Der Ehevertrag ist also ein Verzichtsvertrag. Verzichtet wird dabei auf die Unabhängigkeit des Subjekts, das sich außerhalb der Ehe, in der bürgerlichen Gesellschaft, nur soweit mit anderen Subjekten zusammenschließt, wie dies für seine privaten Zwecke förderlich ist. Das Zusammenleben innerhalb der Ehe ist für Hegel also nicht als ein an zufällige Interessensgleichheit gebundenes, zeitlich und inhaltlich beschränktes Kooperieren von zwei weiterhin souveränen Rechtssubjekten zu beiderseitigem Nutzen aufzufassen. Der „objektive Ausgangspunkt" der Ehe ist in diesem Sinn „die freie Einwilligung der Personen, und zwar dazu, eine Person auszumachen, ihre natürliche und einzelne Persönlichkeit in jener Einheit aufzugeben, welche nach dieser Rücksicht eine Selbstbeschränkung, aber eben, indem sie in ihr ihr substantielles Selbstbewußtsein gewinnen, ihre Befreiung ist". (310) Damit ist jedoch die Ehe nur negativ von der Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft, in der „Besonderheit und Allgemeinheit auseinandergefallen sind" (340) und die so ein „System der Atomistik" darstellt, das erst im nachhinein zu einem Allgemeinen verbunden werden kann, abgegrenzt. Wird hingegen versucht, die Ehe positiv zu bestimmen, dann muß gezeigt werden, welches Verhältnis die verehelichten Subjekte jenseits dieser Sphäre erwartet, welchen Boden sie mit ihrem Verziehtsvertrag betreten. Nach Hegels Konzeption ist dies ein Boden der Sittlichkeit, denn „die Ehe ist wesentlich ein sittliches Verhältnis" (310). Aber woher kommt die sittliche Substanz der Ehe, wie verbinden sich die ehemaligen Subjekte zu einem konkreten Allgemeinen, um in dieser Einheit „nicht als eine Person für sich, sondern als Mitglied zu sein" (307)? Welche Form der Vernunft ersetzt in der Ehe die abstrakte Allgemeinheit von Recht und Moral, die in der Welt der Subjekte, der bürgerlichen Gesellschaft ihre Gültigkeit hat? Diese Fragen beantwortet Hegel unter Rückgriff auf ein Schema, das bereits KANT in seiner Rechtslehre^^ angewandt hat, nämlich auf das Schema der Wechselseitigkeit: „Das erste Moment in der Liebe ist, daß ich kei*0 Vgl.Immanuel Kant: Metaphysik der Sitten. Teil 1: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre. § 24-26.

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ne selbständige Person für mich sein will und daß, wenn ich dies wäre, ich mich mangelhaft und unvollständig fühle. Das zweite Moment ist, daß ich mich in einer anderen Person gewinne, daß ich in ihr gelte, was sie wiederum in mir erreicht. "(7.308) Die sittliche und daher konkrete Allgemeinheit der Ehe sieht Hegel also darin, daß durch diese Wechselseitigkeit aus ursprünglich zwei Personen „eine Person" entsteht, wodurch in der Familie die Getrenntheit von individuellem Einzelnen und abstraktem Allgemeinen, wie sie sich in der bürgerlichen Gesellschaft ergibt, aufgehoben sei. Dieses Modell der Wechselseitigkeit scheint freilich in verschiedener Hinsicht keine wirklich plausible Lösung darzustellen. So kann der Einwand erhoben werden, daß sich aus der Wechselseitigkeit von zwei Besonderheiten ohne vermittelndes Allgemeines kein konsistentes, in sich stimmiges BUd ergibt. Denn verzichtet jede der beiden Parteien auf ihre besonderen Zwecke, auf ihre Bedürfnisse und Neigungen, so wäre damit jeder Inhalt vernichtet. Es könnte sich dann auch keiner im anderen finden, da dieser andere ja sich selbst ebenfalls bereits aufgegeben hat, sodaß die beiden bedürfnislosen, inhaltsleeren, nur auf den je anderen bedachten Liebenden, metaphorisch gesprochen, aneinander vorbei ins Leere eilen würden. Aus den ursprünglich zwei Personen ist dann aber nicht eine, sondern bloß keine Person geworden. Identifizieren sich hingegen die Verehelichten wechselseitig mit den Zwecken des jeweils anderen, so stehen einander weiterhin zwei Personen gegenüber, bloß mit vertauschten Rollen, indem jeder die partikularen Zwecke des anderen durchzusetzen versuchte, und es wäre wieder keine sittliche Substanz geschaffen. Diese Schwierigkeiten waren zwar, wie dem folgenden Zitat zu entnehmen ist, auch Hegel bewußt, doch konnten sie ihn nicht zu einer Änderung seines Konzeptes bewegen: „Die Liebe ist daher der ungeheuerste Widerspruch, den der Verstand nicht lösen kann, indem es nichts Härteres gibt als diese Punktualität des Selbstbewußtseins, die negiert wird und die ich doch als affirmativ haben soll." (308) Angesichts dieser logischen Inkonsistenz des Modells der Wechselseitigkeit erhebt sich die Frage, ob nicht statt des Schemas der Wechselseitigkeit das von Hegel häufig im Zusammenhang mit der Ehe angesprochene Geßihl der Liebe als Ursprung der „sittlichen Einigkeit" der Familie angesehen werden könnte. Dabei müßte jedoch zuerst geklärt werden, welche Art von Gefühl die Liebe darstellt. Hegel gibt in diesem Zusammenhang verschiedentlich zu bedenken, daß die Ehe, wird die sie kennzeichnende Liebe als natürliches Gefühl betrachtet, ganz auf der „Willkür der sinnlichen Neigung", dem subjekti-

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ven Belieben ruhen würde, „denn die Liebe, welche Empfindung ist, läßt die Zufälligkeit in jeder Rücksicht zu, eine Gestalt, welche das Sittliche nicht haben darf". (310) Hegels Begriff der Liebe darf demnach nicht als natürliches Bedürfnis, als bloße Neigung mißverstanden werden. Vielmehr kennzeichnet Hegel die Liebe als „sittliches Gefühl": „Die Ehe ist daher so zu bestimmen, daß sie die rechtlich sittliche Liebe ist, wodurch das Vergängliche, Launenhafte und bloß Subjektive aus ihr verschwindet." (310) Das Gefühl der Liebe ist demnach im Sinne Hegels als jene Form des Bewußtseins aufzufassen, die dem nicht auf einem abstrakten Allgemeinen, sondern auf dem Prinzip der Wechselseitigkeit beruhenden „sittlichen Geist" der Ehe entspricht: „Liebe heißt überhaupt das Bewußtsein meiner Einheit mit einem anderen, so daß ich für mich nicht isoliert bin, sondern mein Selbstbewußtsein nur als Aufgebung meines Fürsichseins gewinne und durch das Mich-Wissen, als der Einheit meiner mit dem anderen und des anderen mit mir." (307) Hegels Begriff des „sittlichen Gefühls" der Liebe erinnert von seinem Typus, von seiner logischen Struktur her an jenes „moralische Gefühl" der Achtung, das KANT in seiner Ethik ausführlich analysiert, um es von nur natürlichen Empfindungen abzugrenzen. Bei diesem Gefühl der Achtung hebt KANT hervor, daß dieses Gefühl die moralische Tat gewissermaßen nur „begleitet“, ohne sie jedoch als „pathologisches" Bedürfnis kausal zu bewirken. In ähnlicher Weise behauptet Hegel, daß das Gefühl der Liebe auf dem „sittlichen Geist" der Familie beruht und so nicht unabhängig davon philosophisch beschreibbar ist. Das von Hegel der Familie zugeordnete Gefühl der Liebe, wie es nun charakterisiert wurde, kann jedoch keine näheren Auskünfte über die Art der sittlichen Substanz der Ehe geben. Denn die Sittlichkeit der Ehe und das „sittliche" Gefühl der Liebe sind bei Hegel in ähnlicher Weise logisch verknüpft wie das KANrische Moralgesetz und das Gefühl der Achtung. Deshalb würde vielmehr umgekehrt nur eine befriedigende philosophische Beschreibung des „sittlichen Geistes der Familie" eine Analyse des Gefühls der familiären Liebe, wie es Hegel zu denken versucht, ermöglichen, womit wir wieder an unsere ursprüngliche Frage, in welcher Weise bei Hegel die bürgerliche Familie nicht nur ein natürliches Verhältnis, sondern eine Form der „Sittlichkeit" repräsentiert, zurückverwiesen sind. Wir sehen also, daß es Hegel nicht gelingt, die besondere Art der Geistigkeit, die die traditionelle Familie und die darin lebende Frau kennzeichnet, zu beschreiben. Statt dessen geraten seine Bestimmungen tradi-

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tioneller Weiblichkeit immer wieder in die Nähe zu Kategorien aus dem Bereich des bloß Natürlichen, etwa wenn er „das instinctartige Pflanzensein"ii zur metaphorischen Umschreibung der Frau wählt. Dieses Schwanken bei der Bestimmung des Weiblichen zwischen ihrer Stilisierung zu einem Naturwesen und ihrer Anerkennung als Repräsentantin einer anderen, frühen Vernunftform ist darauf zurückzuführen, daß Hegel den von seinem eigenen Ansatz her so leicht erkennbaren Ursprung der bürgerlichen Familie in frühen Gestalten vernünftigen Denkens und Handelns nicht konsequent verfolgt. Hier wird hingegen die These vertreten, daß die bürgerliche Ehe, und zwar sowohl als Typus wie in ihren realgeschichtlichen Erscheinungsformen, nur dann philosophisch angemessen beschrieben werden kann, wenn ihre Entwicklung aus vormodernen Gesellschaftsformen berücksichtigt wird. Nur dadurch kann der Charakter des traditionell weiblichen Denkens und Handelns, seine Unmittelbarkeit und die Art der darin vorkommenden Gefühle, philosophisch rekonstruiert werden. Bei dieser Rekonstruktion ist freilich zu beachten, daß das traditionelle Geschlechterverhältnis zwar seinen Ursprung in der unmittelbaren Sittlichkeit als früher Form der Vernunft besitzt, jene lebensformhaften Residuen sich jedoch im Zuge der Rationalisierungsbewegung mit Momenten der Moderne verbunden haben, wodurch die heute existierenden Übergangs- und Mischformen entstanden sind. Dazu gehören etwa die modernen Formen und Ideale der Liebe, ihre Loslösung von bestimmten gemeinsamen Lebensvollzügen, ihre Stilisierung zu einem von allen gesellschaftlichen Bezügen „gereinigten", puren Gefühl, die die Liebe zunehmend als eigentlichen Inhalt der Ehe erscheinen läßt. Dazu zählt auch der von Hegel angeführte Umstand, daß sich die Liebe immer weniger auf den Anderen als Mitglied und Mitlebenden eines „sittlichen Gemeinwesens" und immer mehr auf den Einzelnen in seiner individuellen Besonderheit bezieht, an den dann die schwierige Forderung ergeht, die eigene Partikularität optimal zu ergänzen: „Ist in einem Volke die Reflexion ausgebildet, so wird das Mögen und Nichtmögen, das Gefallen und Nichtgefallen partikulair, die Menschen werden eigenwilliger und die Einigkeit der Ehe hängt mehr vom besonderen Charakter ab. Diese Besolxderheit des Charakters kann dann, wie sie einerseits zur Einigkeit gehört, andererseits dieselbe stören. Da kommen dann diese und jene Anforderungen, gute Gründe, Rücksichten, aus denen man nicht Vorlesungen über Rechtsphilosophie (1818—1831). Hrsg. v. K.-H. Ilting. Bd 3: Philosophie des Rechts nach der Vorlesungsnachschrift von H. G. Hotho, 1822/23. Stuttgart 1974. 531.

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lieben kann, die Einbildung von sich, von seiner Partikularität tritt hier stärker hervor. Aus den nichtigsten Gründen können daher Ehen nicht zu Stande kommen, oder unglücklich werden, und die kleinlichsten Gründe können Ehe stiften. Jeder macht sich ein Ideal und kriegt am Ende doch eine ganz andere Person als sein Ideal, vergißt das Ideal über der Wirklichkeit. Eine von einem geschichtlichen Vernunftmodell ausgehende Beschreibung der strukturellen Veränderungen in den Beziehungen von Mann und Frau, wie sie hier gefordert wird, würde einen neuen Blick auf die modernen Formen des Zusammenlebens der Geschlechter ermöglichen, der kein bloß „historischer", sondern ein „spekulativ historisch konstruierter"!^ ist; also keiner, der bloße historische Fakten auflistet, sondern der begrifflich-logische Entwicklungen zu seinem Paradigma wählt.

5. Ausgrenzungs- und Naturalisierungstendenzen in Hegels Weiblichkeitstheorie Hegels oben kritisierter Rekurs auf das Schema der Wechselseitigkeit, mit dessen Hilfe die bürgerliche Ehe als Verhältnis von Gleichen beschrieben wird, verdeckt zudem jene Ungleichheit, die außerhalb der Familie, in der Welt der Subjekte, also in der bürgerlichen Gesellschaft und im Staat, zwischen den Geschlechtern besteht und die sich auch innerhalb der Familie auswirkt. Diese Eingeschränktheit von Hegels Gleichheitskonzept der Wechselseitigkeit wird jedoch dann deutlich, wenn das Verhältnis der Ehe zur umgebenden Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates zur Sprache kommt. Denn es wäre auch ein Konzept der Ehe denkbar, demzufolge zwei verschiedengeschlechtliche Angehörige der bürgerlichen Gesellschaft privat eine Beziehung ganz eigener Art eingehen, aber dennoch öffentlich als freie Subjekte agieren. Beide gehörten dann zwei „Welten" an, einer öffentlichen und einer familiären, privaten. Hegel teilt aber die zwei Geschlechter auf die Bereiche Familie und bürgerliche Gesellschaft bzw. Staat auf, sodaß Mann und Frau jeweils verschiedene Stufen des Geistes verkörpern. Nur der Mann bewegt sich in beiden Sphären, die Frau bleibt von der öffentlichen Welt der SubjekEbd. Bd 4: Philosophie des Rechts nach der Vorlesungsnachschrift von K. G. v. Griesheim, 1824/25. 432. 13 Annemarie Gethmann-Siefert: Die Funktion der Kunst in der Geschichte. Bonn 1984. 305.

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te ausgeschlossen: „Das eine [Geschlecht] ist daher das Geistige, als das sich Entzweiende in die für sich seiende persönliche Selbständigkeit und in das Wissen und Wollen der freien Allgemeinheit, in das Selbstbewußtsein des begreifenden Gedankens und in das Wollen des objektiven Endzwecks — das andere [Geschlecht] das in der Einigkeit sich erhaltende Geistige als Wissen und Wollen des Substantiellen in Form der konkreten Einzelheit und Empfindung; jenes im Verhältnis nach außen das Mächtige und Betätigende, dieses das Passive und Subjektive. Der Mann hat daher sein wirkliches substantielles Leben im Staate, der Wissenschaft und dergleichen, und sonst im Kampfe und der Arbeit mit der Außenwelt und mit sich selbst, so daß er nur aus seiner Entzweiung die selbständige Einigkeit mit sich erkämpft, deren ruhige Anschauung und die empfindende subjektive Sittlichkeit er in der Familie hat, in welcher die Frau ihre substantielle Bestimmung und in dieser Pietät ihre sittliche Gesinnung hat." (7.318 f) Um die Beschränkung der Frau auf die familiäre sittliche Welt zu rechtfertigen, postuliert Hegel zudem eine natürliche Schranke im weiblichen Geschlecht, die deren weitere Entwicklung verhindere: „Frauen können wohl gebildet sein, aber für die höheren Wissenschaften, die Philosophie und für gewisse Produktionen der Kunst, die ein Allgemeines fordern, sind sie nicht gemacht. Frauen können Einfälle, Geschmack, Zierlichkeit haben, aber das Ideale haben sie nicht. . . Stehen Frauen an der Spitze der Regierung, so ist der Staat in Gefahr, denn sie handeln nicht nach den Anforderungen der Allgemeinheit, sondern nach zufälliger Neigung und Meinung." (319) Dieser Ausschluß der Frau aus der Öffentlichkeit, dem Tätigkeitsfeld des Subjekts, stellt auch den Hauptangriffspunkt der feministischen Hegelkritik dar. So faßt etwa HODGE ihre Auseinandersetzung mit Hegel in folgendem Resümee zusammen: „By confining women in the family, Hegel reserves change and development, selfimprovement and the imortality of fame, for men. He excludes women from social life, from politics, from history and from freedom . . . He thus excludes women from playing any part in the realization of reason in history.Ähnlich heißt es auch bei LANDES: „Only woman's nature is stamped by an association with the natural order; only woman can never transcend the level that spirit achieves in the first moment of objective ethical life. Trapped within the family, woman is denied the benefits of civil society, economic independence, and social awareness through labor and human interaction. Similaiily, she can nen Joanna Hodge: Women and the Hegelian State. In; Women in Western Political Philosophy. Ed. by Ellen Kennedy and Susan Mendus. Brighton 1987. 151 f.

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ver experience the highest order of freedom, for she is denied a space within the public realm."i5 Gegen einen solchen Vorwurf der Ausgrenzung der Frau könnte auch nicht eingewandt werden, daß Hegel in seiner Rechtsphilosophie nur eine bestimmte, defiziente gesellschaftliche Realität gewissermaßen wertneutral beschreibe, denn Hegels Rechtsphilosophie beansprucht, den Staat und damit auch die Familie in idealtypischer Weise als jene Form der Gesellschaft zu konzipieren, in der die Vernunft ihre volle Entfaltung gefunden hat: „Darauf kommt es dann an, in dem Scheine des Zeitlichen und Vorübergehenden die Substanz, die immanent, und das Ewige, das gegenwärtig ist, zu erkennen. Denn das Vernünftige, was synonym ist mit der Idee, indem es in seiner Wirklichkeit zugleich in die äußere Existenz tritt, tritt in einem unendlichen Reichtum von Formen, Erscheinungen und Gestaltungen hervor und umzieht seinen Kern mit der bunten Rinde, in welcher das Bewußtsein zunächst haust, welche der Begriff erst durchdringt, um den inneren Puls zu finden und ihn ebenso in den äußeren Gestaltungen noch schlagend zu fühlen." (7.25) Der Stafus der Hegelschen Rechtsphilosophie, in deren Rahmen auch die Frage der Geschlechterdifferenz behandelt wird, darf eben deshalb auch nicht als reines Sollen, als private moralisch-gesellschaftspolitische Wertung interpretiert werden. Hegel weist beide Auffassungen von philosophischer Theorie als oberflächlich zurück: Als bloße Utopie entstammte eine philosophische Konzeption nur dem zufälligen Meinen — „einem weichen Element, dem sich alles Beliebige einbilden läßt" (26). Eine reine Tatsachenbeschreibung liefe hingegen Gefahr, „vorübergehendes Dasein, äußerliche Zufälligkeit, Meinung, wesenlose Erscheinung, Unwahrheit, Täuschung" (29) zum Gegenstände der Philosophie zu machen. Hegels Anspruch, das Wesen des Staates und der Familie darzustellen, möchte genau jene unbefriedigende Alternative eines subjektiven Einfalls, eines leeren SoUens auf der einen und einer geistlosen Faktizität auf der anderen Seite überwinden. Statt dessen versucht Hegel, Denken und Wirklichkeit zu einer lebendigen Einheit zu verbinden, die er „Idee" nennt. Gegenstand philosophischer Untersuchung ist deshalb für Hegel der Geist nur, insofern er Wirklichkeit besitzt, und das Wirkliche nur, insofern es geistige Substanz enthält: „Die Einheit des Daseins und des Begriffs, des Körpers und der Seele ist die Idee. Sie ist nicht nur Harmonie, sondern vollkommene Durchdringung. Nichts lebt, was nicht auf ir15 Joan B. Landes: Hegels Conception of the Family. In; The Family in Political Thought. Ed. by J. B. Elshtain. Brighton 1982. 139.

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gendeine Weise Idee ist. Die Idee des Rechts ist die Freiheit, und um wahrhaft aufgefaßt zu werden, muß sie in ihrem Begriff und dessen Dasein zu erkennen sein." (30) Dieser philosophische Status von Hegels Theorie des Staates und der Familie, die sich weder als bloße Beschreibung einer nur empirisch-faktischen gesellschaftlichen Realität noch als persönliche moralische Ansicht versteht, soll auch als Leitlinie unserer folgenden Kritik gelten: Das heißt, es geht dabei weder darum, Hegels Position moralisch zu beurteilen, noch darum, sie als Beschreibung eines zufälligen gesellschaftlichen Zustandes zu überprüfen. Vielmehr soU dargelegt werden, inwiefern es Hegel seinem eigenen Anspruch nach gelingt bzw. nicht gelingt, das Verhältnis der beiden Geschlechter in die geschichtliche Bewegung der Vernunft, die in der Wirklichkeit abläuft und deren logische Dynamik die Philosophie begrifflich darzustellen hat, einzuschreiben.

6. Hegels Konzeption des Geschlechterverhältnisses im Lichte seines Systementwurfs Im folgenden soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob sich Hegels Bestimmungen des Weiblichen auf der Basis seiner Vernunfttheorie in der Weise modifizieren und weiterentwickeln lassen, daß die Ausgrenzung der Frau aufgehoben und sie in den geschichtlichen Entfaltungsprozeß des Geistes nachträglich einbezogen werden kann. Hegel analysiert tatsächlich an zahlreichen Stellen die Notwendigkeit des Weichens der frühen Sittlichkeit gegenüber der auflösenden Kraft der Ansprüche der Freiheit als Willkür, der Besonderheit „als sich nach allen Seiten auslassende Befriedigung ihrer Bedürfnisse, zufälliger Willkür und subjektiven Beliebens" (7.341) sowie der rationalen Reflexion. In bezug etwa auf die Lebensform der frühgriechischen polis hegt Hegel keinen Zweifel, daß der Geist „zum Bewußtseyn über das, was er unmittelbar ist, fortgehen, das schöne sittliche Leben aufheben und durch eine Reihe von Gestalten zum Wissen seiner selbst gelangen [muß]".i^ Als „Feind der Unmittelbarkeit" nennt Hegel „Reflexion und Subjektivitäf des Willens" (12.308): „Das Denken erscheint also hier als das Prinzip des Verderbens, und zwar des Verderbens der substantiellen Sittlichkeit;

G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke. Bd 9: Phänomenologie des pen und R. Heede. Hamburg 1980. 240.

Geistes.

Hrsg, von W. Bonsie-

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denn es stellt einen Gegensatz auf und macht wesentlich Vernunftprinzipien geltend." (12.326) Es ist nun nicht einleuchtend, warum das, was Hegel über die geschichtliche Form der unmittelbaren Sittlichkeit sagt, nicht auch für die Sittlichkeit der tradihonellen Familie gelten sollte: „Auf dem Standpunkt der schönen geistigen Einheit. . . konnte der Geist nur kurze Zeit stehenbleiben, und die Quelle des weiteren Fortschrittes und des Verderbens war das Element der Subjektivität, der Moralität, der eigenen Reflexion und der Innerlichkeit." (323) Auch JERMANN entwickelt gerade aus der Zuordnung des Weiblichen zu einer Gestalt des Geistes und nicht zu einem angeborenen Denkapparat die Perspektive einer aufklärerischen Kritik an Hegels konservahver Haltung von dessen eigenem Gesamtsystem aus: „Im weiteren fragt es sich aber, ob Hegel nicht gerade mit seiner systematischen Begründung der geschlechtsspezifischen Differenzen deren normativer Auffassung letztlich den Boden entzieht. Denn indem er diese Differenzen nicht bloß auf das Natürliche, sondern auf den Geist in seinen beiden konstitutiven Momenten zurückführt, gibt er selber das Argument an die Hand, daß die rechtsphilosophische Fixierung der Unterschiede zwischen Mann und Frau eine Abstrakhon, eine unzulässige Trennung von Zusammengehörigem darstellt. Der Geist ist nicht Geist, wenn er nicht beides, die substantielle Einheit und die Entzweiung und Negahon enthält; und er ist erst dann lebender, konkreter Geist, wenn er diesen abstrakten Gegensatz überwindet. Deshalb kann für Mann und Frau als Geistwesen nicht ihre jeweilige (vor allem historisch bedingte) Einseitigkeit normativ sein, sondern nur deren Aufhebung, Daraus folgt, daß sich Hegels Weiblichkeitsentwurf von seinem System her durchaus in dem Sinn korrigieren läßt, daß der Ausschluß der Frau aufgehoben und das weibliche Geschlecht in die Dynamik der Entwicklung des Geistes einbezogen wird, wie dies auch von JERMANN vorgeschlagen wurde. Damit ist allerdings eine Kritik an Hegels wiederholten Versuchen verbunden, die traditionelle Stellung der Frau in der Geschichte auf eine ,weibliche Natur' zurückzuführen und die Frau so auf ihren überkommenen Status festzulegen: „Die Frau hat das Haus zu regieren, der Mann den Staat. An die Frau kommt gelegentlich durch den Mann das Allgemeine.

Christoph Jermann: Die Familie. Die bürgerliche Gesellschaft. In: Anspruch und Leistung von Hegels Rechtsphilosophie. Hrsg. v. Ch. Jermann. Stuttgart-Bad Cannstatt 1987. 153. 18 Vorlesungen über Rechtsphilosophie (1818—1831). Hrsg. v. K.-H. Ilting. Bd 3 (wie

Anm. 11). 529.

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Doch Hegels Naturalisierungstendenzen des Weiblichen liegen zum Teil auch in seiner Konzeption des geschichtlichen Wandlungsprozesses der Vernunft begründet: Bei Hegels Analyse vormoderner Denk- und Handlungsmuster läßt sich nämlich eine gewisse Ambivalenz feststellen: Einerseits betont Hegel den eigenständigen, genuin geistigen Charakter der unmittelbaren Sittlichkeit. Andererseits aber sieht er die Geschichte als Verdrängungsprozeß des bloß „Natürlichen" durch das Geistige an, als Durchbrechen „der Rinde der Natürlichkeit" (12.78), sodaß die geschichtlich frühe Sittlichkeit sowie die noch nicht subjekthafte Frau einem dem wahren Begriff des Geistes nicht adäquaten hohen Anteil an „natürlichen" Momenten, einem „Versenktsein des Geistes in Natürlichkeit" (77) zu entspringen scheinen. Damit nähert sich Hegel aber wieder der ungeschichtlichen Aufklärung an, die durch eine Geschichtsauffassimg gekennzeichnet ist, in der sich die moderne, subjekthafte Vernunft nur gegen Unvernunft und rohe Natur durchsetzt und nicht gegen eine andere, frühe Form des Denkens und Handelns. Das bedeutet, daß eine geschichtlich ansetzende Philosophie des neuzeitlichen Geschlechterverhältnisses nur bedingt Hegels Geschichtsmodell im Detail übernehmen kann, da dieses zu einer Naturalisierung der vormodernen Vernunft und damit auch der Frau tendiert. Ich habe zu zeigen versucht, daß es Hegels Denken, trotz seiner konservativen Interpretationen der Frau, durchaus erlaubt, diese als subjektfähiges Wesen anzuerkennen. Davon ausgehend muß nun geklärt werden, inwiefern mit dieser egalitären Perspektive einer weiblichen Subjektswerdung eine Thematisierung von spezifisch weiblichen Merkmalen und Verhaltensweisen verbunden werden kann. Die Differenz des Männlichen und Weiblichen kann im Rahmen einer geschichtlich argumentierenden Philosophie durch den unterschiedlichen Ort angegeben werden, den die beiden Geschlechter im Laufe der geschichtlichen Übergangsbewegung von jener frühen Form der Vernunft zu den modernen Denk- und Handlungsformen des Subjekts jeweils einnehmen. Die Eigenständigkeit des Weiblichen kann demnach auf seine größere Nähe zu einer frühen Stufe des Geistes zurückgeführt werden. Dadurch kann auch eine Form von Weiblichkeit, die nicht über das moderne, subjekthafte Denken und Handeln bestimmt ist, philoso-

w Den Versuch, das neuzeitliche Geschlechterverhältnis im Rahmen einer Geschichtsdynamik anzusiedeln, stellt meine Arbeit; Das neuzeitliche Geschlechterverhältnis. Eine philosophische Analyse. Frankfurt/M. 1991 dar.

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phisch anerkannt und analysiert werden, ohne deshalb auf biologische Kategorien zurückgreifen zu müssen. Wird der geschichtliche Ansatz Hegels ernst genommen, dann muß allerdings von der Erwartung, das Wesen der Frau als solcher, als Trägerin unveränderbarer, natürlicher Eigenschaften oder als Sitz angeborener innerer Vermögen, fixieren zu können, Abschied genommen werden. Eine wirklich geschichtliche philosophische Weiblichkeitstheorie ist deshalb keine Theorie über die Frau schlechthin, sondern nur eine Theorie über bestimmte geschichtliche Metamorphosen des Frauseins. Hegels Analyse der familiären Sittlichkeit liefert aus dieser Sicht nur eine Theorie traditioneller Weiblichkeit, also eines Typs von weiblicher Identität, die sich noch nicht primär über Subjektsansprüche bestimmt. Dies mag gegenüber der Erwartung, etwas über ewige Konstanten des Weiblichen, über die Frau als solche zu erfahren, eine Enttäuschung bedeuten. Doch nur eine nichtnaturalistische Theorie der Geschlechterdifferenz kann Gleichheits- und Differenzansprüche in einer Theorie vereinigen und die einleitend angeführten Widersprüche weitgehend bereinigen.

7. Ausblick auf eine Theorie des neuzeitlichen Geschlechterverhältnisses im Spannungsfeld der Vernunftentwicklung Der hier unter Bezug auf Hegels Bestimmung des „sittlichen Geistes" der Familie dargestellte Ansatz, eine Verbindung der herkömmlichen weiblichen Identität mit den Merkmalen vorrationaler Lebensformen herzustellen, eröffnet einen Ausblick auf eine Weiblichkeitstheorie, die die Frau auf eine andere Weise als den Mann in die geschichtliche Bewegung der Vernunft einschreibt: Die Frau hat sich demnach nicht im selben Maß wie der Mann im Laufe des Rationalisierungsprozesses vom Bereich des sittlichen Denkens und Handelns entfernt. Sie ist somit nicht gemeinsam mit diesem in die Logik der zweckrationalen Handlung und der dieser entsprechenden modernen, prinzipienorientierten Moral übergewechselt. Von der von männlichen Subjekten dominierten öffentlichen Welt ausgeschlossen, kann die bürgerliche Frau statt dessen durch den Versuch charakterisiert werden, die Lebensform in einem sich ständig verengenden, immer privater werdenden Rahmen für den zunehmend subjekthafte Züge annehmenden Mann weiterzuführen. Für den modernen Mann stellt diese noch nicht ganz in die Subjektswelt integrierte Frau seine eigene Vergangenheit dar, von der er sich selbst zwar

Hegels Konzept der bürgerlichen Familie

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entfernt hat, die er jedoch nun in dieser nahen und doch zugleich von ihm distanzierten Gestalt als ästhetisierte Idylle genießt, bei der er sich regenerieren kann. Diese Konstellation des Zusammenlebens von subjekthaftem Mann und noch der Lebensform nahestehender Frau stellt, so meine These, das Schema des konservativen Geschlechterverhältnisses der Neuzeit dar. Die geschichtlichen Idealtypen von Lebensform und autonomen Subjekt eröffnen damit einen logischen Raum, in dem die Beziehungen von Mann und Frau angeordnet werden können. Damit ist die Frage der Differenz der Geschlechter als genuin philosophisches Problem etabliert, wie dies z.B. GOULD^O und STOPCZYK fordern, um einen Zustand zu beenden, in dem „wir Frauen ... zu den begrifflich ausgegrenzten (gehören), wenn wir uns philosophisch definieren wollen". Die Phänomene und Gestalten des Männlichen und Weiblichen, wie diese sich in der Geschichte und in verschiedenen Gesellschaften und Kulturen manifestieren, können nach dem hier vorgestellten Konzept aus ihrem Bezug zu zwei verschiedenen, zueinander in einem geschichtlichen Verhältnis stehenden Denk- und Handlungsformen beschrieben und verständlich gemacht werden. Des weiteren läßt sich rekonstruieren, wie sich das herkömmliche Geschlechterverhältnis durch das Aufeinandertreffen dieser beiden ,Logiken' verändert hat. Diese geschichtliche Betrachtungsweise ermöglicht so eine Analyse der Situation der modernen Frau in ihrer Ambivalenz zwischen subjekthaft-rationalen und traditionell-lebensformhaften Ansprüchen und Verhaltensweisen.

20 Carol C. Gould: The Woman Question: Philosophy of Liberation and the Liberation of Philosophy. In: Philosophy of Woman. An Anthology of Classic and Current Concepts. Ed. by Mary Briody Mahowald. 2nd ed. Indiana 1983. 415—452. 21 Annegret Stopczyk: Zum Begriff „Mensch“. In: Was Philosophinnen denken. Hrsg. v. Manon Maren-Griesebach und Brigitte Weisshaupt. Zürich 1986. 61.

SIBYL SCHWARZENBACH (NEW YORK)

ZÜGE DER HEGELSCHEN RECHTSPHILOSOPHIE IN DER THEORIE VON RAWLS

1. Einleitung Die Theorie von JOHN RAWLS wird meist so interpretiert, als stünde sie hauptsächlich in der Tradition der analytischen Philosophie. Diese hat sich seit ihrem Ursprung in der von MOORE imd RUSSELL vorgetragenen Widerlegung des Britischen Hegelianismus im wesentlich als Gegnerin der spekulativen und metaphysischen Tradition Hegels verstanden. Ihren Vertretern geht es um Analyse von Sprache und Bedeutung, wobei mathematische Logik als Werkzeug und Methode, wenn nicht gar als philosophische Methode schlechthin betrachtet wird; interne Relationen, organisch Ganzes und Monismus sind für sie Anathema. Demgegenüber steht Hegels System immer noch für die großtuerische Systemphilosophie der Kontinentaleuropäer mit ihrer abstrusen Sprache und ihrem spekulativen Gerede von dem sich durch die Geschichte in der Welt verwirklichenden , Weltgeist' sowie dem Anspruch auf absolutes Wissen als Synthesis oder Dialektik. Was den politischen Bereich anbelangt, um den es hier vornehmlich gehen soll, so wird die Theorie RAWLS' oft als typisch zeitgenössische, spieltheoretische Variante der Gesellschaftsvertragstheorie gesehen, die mit beiden Beinen auf dem Boden der anglo-amerikanischen Tradition steht, mit Metaphysik nichts im Sinn hat und zudem mancher Auffassung nach grundlegend individualistisch ist. Hegel scheint hier wiederum der genaue Gegenspieler zu sein, denn die Idee eines Gesellschaftsvertrags ä la HOBBES oder LOCKE wurde von ihm scharf kritisiert, und zudem hat er die jetzigen Kommunitaristeni

1 Der Terminus „Kommunitaristen" ist hier eine Transliteration des Terminus' „Communitarianism". Dieser bezeichnet, um es grob zu umreißen, eine Gruppe von anglo-amerikanischen Gegenwartsphüosophen (A. Maclnt)ne, Sandei, C. Taylor, Walzer, R. Unger, Michelman unter anderen), die folgendes gemeinsam haben: Erstens kritisieren sie alle den politischen Liberalismus (und dessen Betonung individueller Rechte) für dessen inadäquate Konzeption der Gemeinschaft, ivobei sie sich mehr oder weniger auf Hegel oder auch auf

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auf den Weg gebracht. Man könnte deswegen vielleicht zu Recht fragen, was RAWLS und Hegel überhaupt gemeinsam haben. Im folgenden soll aber versucht werden zu zeigen, daß die Theorie RAWLS' durchaus starke Züge der Hegelschen Rechtsphilosophie aufweist.^ Eine solche Darstellung der engen Verbindung der beiden politischen Theorien verfolgt mehrere Zwecke. Zum einen verfolgt sie rein historisch den Zweck, Hegel gegen die oft von Seiten der anglo-amerikanischen Philosophie zu Unrecht erfahrenen Verunglimpfungen zu verteidigen, wobei der Erfolg dieser Verteidigung natürlich davon abhängt, ob man glaubt. Eine Theorie der Gerechtigkeit verdiene ihre gegenwärtige Anerkennung. ^ Die Darstellung soll aber auch hervorheben, und das ist die wichtigere Zielsetzung, daß die Theorie von RAWLS nicht den Vorwurf verdient — oder jedenfalls nicht aus den zumeist dafür angeführten Gründen —, einem unakzeptablen Individualismus das Wort zu reden. Dabei können dann auch die Schwächen, die meines Erachtens dem Kommunitarismus anhaften, bloßgelegt werden, wobei es mir besonders um die von C. TAYLOR, M. SANDEL und A. MACINTYRE vorgetragene Form des Kommunitarismus geht, der vielen zuzusagen scheint, aber eine ganz unscharfe und verfehlte Kritik vorbringt, die praktisch weder klare noch durchführbare Alternativen anbietet. Wenn sich herausstellen würde, daß RAWLS in vielen Streitpunkten auf derselben Seite steht wie der kommunitaristisch orientierte Hegel, dann würde das die Grundlage der Gegenwartsdiskussionen wesentlich ändern. Es kann, so hoffe ich, gezeigt werden, daß der wahre Streitpunkt zwischen RAWLS und den Kommunitaristen nicht an einer einfältigen Dichotomie wie der von Liberalismus und Kommunitarismus festgemacht werden kann, sondern es im wesentlichen um die Frage geht, welche Art der Gemeinschaft wir einzugehen wünschen. Die Darstellung soll dann noch darauf hinarbeiten, daß eine angemessene Konzeption für Gemeinschaft, d. h. für das, was die Gesellschaft letztendlich zusammenhält, vielleicht doch mit einem

Aristoteles berufen. Zweitens unterscheiden sich, wie wir sehen werden, die Kommunitaristen von traditionellen Marxisten oder Soziahsten dadurch, daß sie kulturell und nicht so sehr ökonomisch ausgerichtet sind. 2 Es soll hier nicht dem historischen Einfluß, den Hegel auf Rawls hafte, nachgeforscht werden, auch wenn Rawls direkt durch Hegel und sicher indirekt durch das ethische Werk der britischen Idealisten Bradley und Green sowie gleichfalls durch John Dewey stark beeinflußt worden ist. ^ John Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit. Übersetzt von Hermann Vetter. Frankfurt a. M. 1988; im folgenden als TG zitiert.

Züge der Hegelschen Rechtsphilosophie bei Rawls

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RAWLSschen Begriffsschema zu erreichen ist, und zwar durch eine politische Theorie ohne vollentwickelte Metaphysik.

Es wird im folgenden vorausgesetzt, daß RAWLS ZU Recht zwischen Moraltheorie und Moralphilosophie unterscheidet. ,Moraltheorie' ist das systematische Vergleichen von historisch herausragenden Moralkonzeptionen, während die Moralphilosophie, die die Theorie der Moral miteinschließt, vornehmlich das Problem der Legitimation diskutiert.^ Im folgenden geht es also hauptsächlich um Moraltheorie. RAWLS hat plausibel dargelegt, daß die an sich wichtigen Fragen, die Wahrheit, Vernünftigkeit etc. verschiedener moralischer oder politischer Konzeptionen betreffen, erst einmal hintangestellt werden können, um die verschiedenen Konzeptionen zunächst systematisch und im Verhältnis zueinander zu untersuchen. Erst nachdem wir uns über die Natur der Hegelschen Position und ihr Verhältnis zu der von RAWLS sowie der sich aus ihr ergebenden Folgen für die Gegenwartsdiskussion im klaren sind, können wir uns der Frage zuwenden, welche Konzeption besser gerechtfertigt ist.

2. Politisch statt Metaphysisch Der zweifellos größte verbleibende Unterschied zwischen Hegel und RAWLS besteht in ihrer jeweiligen Einstellung zur Metaphysik als solcher. Es soll hier die These verteidigt werden, daß RAWLS in Eine Theorie der Gerechtigkeit vieles von der grundlegenden Struktur der politischen Theorie Hegels beibehält, diese aber von der dahinterstehenden Metaphysik des absoluten Idealismus ablöst. RAWLS, SO soll gezeigt werden, hat die Tragweite einiger der wichtigsten Teile der Hegelschen Metaphysik nicht angetastet, wobei er sie allerdings moralisch-praktisch und nicht metaphysisch interpretiert. Damit sollen die grundlegenden Verschiedenheiten der beiden Theorien nicht abgetan werden. Bekanntlich war Hegel der Auffassung, daß seine politische Philosophie nur einer der Teile seines umfassenderen metaphysischen Systems sei, das er in der Enzyklopädie skizzierte.^ Obgleich Hegelforscher sich nicht darüber einig sind, wie das Deduktions-

* Vgl. John Rawls: Kantian Construtivism in Moral Theory: The Dewey Lectures 1980. In: Journal of Philosophy. (1980), 554; im folgenden als DL zitiert. 5 Vgl. dazu G. W. F. Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). Neu herausgegeben von Friedhelm NicoUn und Otto Pöggeler. 8. Aufl. Hamburg 1991. 49.

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Verhältnis zwischen der Rechtsphilosophie und dem umfassenderen System von Hegel selbst gesehen wurde, so ist man sich doch einig, daß Hegel eine notwendige Beziehung, in welcher Form auch immer, zwischen Metaphysik und Rechtsphilosophie ins Auge faßte.^ Ob es eine solche Verbindung tatsächlich gibt, wird bekanntlich von Hegelforschern der jüngeren Zeit in Frage gestellt, doch für Hegel bestand da kein Problem 7 Man kann sicher zu Recht behaupten, daß die ganz strengen Hegelianer den kompromißlosen Holismus Hegels weiterhin betonen, so daß es etwa zumindest in Kontinentaleuropa unstatthaft ist, die politische Philosophie Hegels zu studieren, ohne sich zuvor semesteroder gar jahrelang mit der Wissenschaß der Logik (1812) beschäftigt zu haben. Hegel übernimmt man scheinbar entweder ganz oder gar nicht. Dagegen trennt JOHN RAWLS seine politische Philosophie ganz ausdrücklich von jedweder übergreifenden Metaphysik und steht hier der Tradition der amerikanischen Pragmatisten näher.^ Denn nach RAWLS können solche Systeme den Inhalt der moralischen und politischen Position nicht zureichend bestimmen, ihn nicht logisch determinieren, sondern vielleicht nur eine Art der Beipflichtung geben. Was seine eigene Theorie anbelangt, schreibt er: „. . . wenn metaphysische Voraussetzungen im Spiel sind, . . . dann sind sie so allgemeiner Natur, daß man sich damit noch gegen keinen der charakteristischen Züge der traditionellerweise in der (modernen) Philosophie zur Diskussion stehenden metaphysischen Auffassungen ausgesprochen hat, weder etwa gegen die DESCARTES' oder LEIBNIZ' oder KANTS, oder überhaupt gegen Idealismus, Realismus oder Materialismus. Und damit wären solche Voraussetzungen weder für Struktur noch für den Inhalt einer politischen Konzeption der Gerechtigkeit relevant." {PNM. 240 A.22) RAWLS ist nicht der erste, der das Verhältnis zwischen Metaphysik und Praxis in dieser Weise sieht, auch wenn es eine wichtige Einsicht ist.^ ® Vgl. G. W. F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. Hrsg, von Johannes Hoffmeister. 4. Aufl. Hamburg 1955. § 2; im folgenden als PR zitiert. U. Steinfort verteidigte die These der Trennung von der Hegelschen Metaphysik und der politischen Philosophie in einem Vortrag, den er 1987 an der Columbia Universität von New York gehalten hat. ® Vgl. hierzu John Rawls: Justice as Fairness, Political, not Metaphysical. ln: Philosophy and Public Affairs. 14 (1985), 223—251; im folgenden als PNM zitiert. ® Vgl. dazu den § 414 aus den Philosophischen Untersuchungen, wo Wittgenstein eine pragmatische, nicht aber eine praktische Pointe im Auge hat: „Aber der Idealist wird den Kindern doch das Wort ,Sessel' beibringen, denn er wUl sie ja lehren, dies und jenes zu tun, z. B. einen Sessel zu holen. Wo wird sich also, was die idealistisch erzogenen Kinder sagen, von dem, was die realistischen sagen, unterscheiden?"

Züge der Hegeischen Kechtsphilosophie bei Kawls

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Denn dadurch wird zugestanden, daß man, ohne mit den metaphysischen Voraussetzungen im Widerspruch zu stehen, sehr wohl wie HOBBES ein ontologischer Materialist sein kann oder etwa wie Hegel ein absoluter Idealist und in beiden Fällen gleichermaßen die Monarchie der Demokratie vorzieht. Indem aber RAWLS den extremen HoHsmus von Hegel zurückweist und seine Moraltheorie in gewisser Hinsicht unabhängig ist von Fragen der Metaphysik, der Ontologie und einer semantisch orientierten Sprachphilosophie, lehnt er eine der grundlegenden Ansichten Hegels ab, womit nun zu Recht gefragt werden kann, inwiefern sich denn die beiden Theorien ähneln. Anhand dreier Gebiete soll nun aufgezeigt werden, inwieweit die Position RAWLS' charakteristischerweise hegelianisch ist, das heißt, daß der jeweilige philosophische ,Schachzug', den RAWLS akzeptiert, von Hegel stammt und nicht nur von Auffassungen der in Amerika vorherrschenden utilitaristischen Tradition, sondern auch von der KANxischen grundlegend verschieden ist. Die Gebiete werden unter den drei folgenden Rubriken behandelt: Erstens „Aufgabe und Methodik der Philosophie", zweitens „Die Konzeption der Person" und zuletzt „Konzeption von menschlicher Gemeinschaft und Staat". Wenn die hier vorgelegte Darstellung korrekt ist, dann kann man RAWLS, was diese Gebiete anbelangt, ganz zutreffend als Hegelianer bezeichnen, vorausgesetzt, man gesteht zu, daß politische Theorie von einer vollentwickelten Metaphysik getrennt werden kann.

3. Aufgabe und Methodik der Philosophie; Dialektik und reflektiertes Gleichgewicht Die Aufgabe der Philosophie besteht für Hegel generell gesehen in der ,Versöhnung' des Einzelnen vermittels der Vernunft nicht mit dem, was ,lediglich existiert', sondern mit dem, was ,wirklich' ist (PR. 14). Seit der Differenzschrift (1801) betont Hegel, daß die Unabdingbarkeit der Philosophie in der Entzweiung begründet liegt, daß es ihr Ziel sei, die fundamentalen Dichotomien wie Eins und Vieles, Endliches und Unendliches, Subjekt und Objekt, um nur ein paar zu nennen, zu überwinden. Politische Philosophie ist hier keine Ausnahme, denn auch sie zielt darauf ab, die tief verankerten Konflikte ihrer jeweiligen Gegenwartskultur zu lösen und zu begreifen; in unserer Zeit der Konflikt des von der Antike her stammenden Prinzips der Sittlichkeit einerseits und des Prinzips der

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Moderne, das die Freiheit des Einzelnen betont, der im modernen Staat versöhnt wirdd° Auch RAWLS ist der Meinung, politische Philosophie strebe nach einer „Versöhnung mittels Vernunft" — eine von ihm an mehreren Stellen selbst gebrauchte Formulierung, n Ursprung der politischen Philosophie ist nicht nur der Konflikt, sondern der geschichtlich konkrete Konflikt, d. h. Forderung nach Freiheit (in der Tradition LOCKES und MILLS) einerseits und nach mehr Gleichheit andererseits (ROUSSEAU und MARX), ein Konflikt, der seiner Meinung nach an einem toten Punkt angelangt ist. 12 RAWLS sieht es als Aufgabe der Philosophie an, eine „grundlegendere, beiden gemeinsame Basis der Übereinstimmung" nicht nur für die Werte Freiheit und Gleichheit, sondern auch für „Brüderlichkeit" zu finden, wozu er die beiden Gerechtigkeitsprinzipien entwickelt (TG. 126 ff). Es stellt sich also heraus, daß Eine Theorie der Gerechtigkeit — im wesentlichen eine Staatstheorie — nichts geringeres versucht, als die konfligierenden Tendenzen der nach Hegel die Moderne beseelenden Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller zu versöhnen. Es ist aufschlußreich, daß Hegel seine Aufgabe explizit genauso bestimmt; für beide Denker wird Philosophie dazu, die , Gegenwart in Gedanken zu erfassen' (PR. Vorrede). Doch gehen die Ähnlichkeiten noch weiter; denn wenn Hegel auch im striktesten Sinne ein moralischer Realist war, RAWLS dagegen ein ethischer Konstruktivist ist (worauf noch eingegangen werden wird), sind beide der Überzeugung, daß die Prinzipien der Moderne zu einem Großteil in der Gegenwart — den polihschen Institutionen, den gesellschaftlichen Praktiken samt ihrer ,Interpretationstradition' — impliziter- und expliziterweise verkörpert sind im „Objektiven Geist" (Hegel) bzw. der „öffentlichen politischen Kultur" (RAWLS).!^ Während Philosophie für RAWLS auf die Schaffung eines reflektierten Gleichgewichts abzielt zwischen den moralischen ürteilen, denen wir uns am meisten verpflichtet Die Rechtsphilosophie entwickelt so eine These des frühen Aufsatzes Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts (1802/03). Der Terminus „reconcUe by reason" findet sich nicht in der deutschen Übersetzung von A Theory of Justice; zum Gebrauch dieses Terminus bei Rawls vgl. auch PNM, 226. Vgl. fohn Rawls: Kantian Constructivism in Moral Theory (Anm. 4), 517 sowie PNM, 225. Es mag verwundern, daß es den Kritikern von Rawls immer wieder entgeht, wie sehr er auf spezifisch geschichtliche Verhältnisse eingeht. Vgl. dazu die §§469 -487 von Hegels Enzyklopädie sowie Rawls' Aufsatz PNM, 255 ff. Beide Konzeptionen sind sich auffallend ähnlich, ihr Unterschied ist auf die ontologischen Implikationen von Hegels Bestimmung des objektiven Geistes zurückzuführen, die sich bei Rawls nicht findet.

Züge der Hegelschen Rechtsphilosophie bei Rawls

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fühlen, und einer Theorie, die das Zustandekommen dieser Prinzipien erklären soll, kann die berüchtigte Hegelsche Dialektik in ähnlicher Weise beschrieben werden. So schreibt Hegel im Vorwort zur ,Rechtsphilosophie': „Ohnehin über Recht, Sittlichkeit, Staat ist die Wahrheit ebenso alt, als in den öffentlichen Gesetzen, der öffentlichen Moral und Religion offen dargelegt und bekannt. Was bedarf diese Wahrheit weiter, insofern der denkende Geist sie in dieser nächsten Weise zu besitzen nicht zufrieden ist, als sie auch zu begreifen ..." (12 f) RAWLS und Hegel stimmen darin überein, daß in der Ethik kein radikaler Neuanfang gemacht werden muß; vielmehr kommt es darauf an, die moralischen Prinzipien und Werte, die latent in unserer tagtäglichen Praxis vorhanden sind, , gedanklich zu begreifen', sie explizit zu Bewußtsein zu bringen und auf ihre logische Verträglichkeit hin zu analysieren, damit sich ihre latente Vernünftigkeit (oder Unvernunft) erkennen lasse. Beiden gemeinsam ist die Überzeugung, daß diese Versöhnung mittels der Vernunft geschieht — nicht durch den unerbittlichen Exerzierschritt des Glaubens, durch Klassenkampf oder Revolutionsgewalt. RAWLS und Hegel gehören also eindeutig in eines jener beiden Lager, in die ethische Abhandlungen eingeteilt werden können. Das eine Lager versucht, uns Vorschriften zu machen, und es fordert, daß wir unsere gewöhnlichen Pflichten radikal zu rekonstruieren hätten. Sowohl der Utilitarismus mit seinem Nützlichkeitsprinzip als auch (zumindest in der Interpretation mancher) der Kantianismus mit seinem kategorischen Imperativ fordern, daß wir unsere Moralität radikal revidieren. Hegel und RAWLS muß man da (vielleicht zusammen mit ARISTOTELES) dem anderen Lager zuschlagen, denn sie sehen die Moralphilosophie als Versuch, zu erläutern und zu systematisieren, wie wir das immer schon gehandhabt haben. In idealistischer Terminologie strebt man nach ethischem Selbstbewußtsein, und in der Sprache RAWLS' heißt dies, daß Moralphilosophie sokratisch ist.^^ Für beide besteht zwischen Moralphilosophie und Physik ein wichtiger Unterschied (vgl. TG. § 9). Die aufgewiesenen Ähnlichkeiten zwischen Hegel und RAWLS hinsichtlich deren Auffassung über das Selbstverständnis der Philosophie werden nun ein Licht auf die erste kommunitaristische Kritik an RAWLS werfen. Diese Kritik kann kurz so skizziert werden: Die Theorie von RAWLS gibt vor, eine universale, a-historische Darlegung der Gerechtigkeit zu präsentieren, wozu lediglich der Begriff der reinen praktischen Vgl. A Theory of Justice. § 9. Die deutsche Übersetzung hat diesen Paragraphen ausgelassen, vgl. aber TG. 628.

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Vernunft in Anspruch genommen werden mußd^ Dieser Begriff ist aber leider illusorisch, denn Tatsache ist, daß jeder Gebrauch der Vernunft in einer konkreten Situation stattfindet, abhängig von einer Reihe empirischer Annahmen, Auffassungen und kulturell verschiedener Praktiken bestimmter historischer Epochen oder (wie es MACINTYRE betont) abhängig von bestimmten historischen Überlieferungen. Der Anspruch auf Objektivität, wie er in RAWLS' Theorie vorgetragen wird, ist nicht nur ,Nepperei', sondern er bekräftigt die Illusion, die Menschheit habe sich dem Modell des zweckrationalen, marktorientierten bourgeoisen Individuums der westlichen Moderne gemäß zu verstehen. Zentral für das Anliegen der Kommunitaristen ist, daß dadurch, daß kulturelle Verschiedenheiten der menschlichen Gemeinschaften zu spezifischen Punkten in der Geschichte ignoriert werden (d. h. deren alternative Konzeptionen von Persönlichkeit oder Vernunft oder deren subtüer Gebrauch gehaltvoller ethischer Begriffe, die darauf abgestimmt sind, Menschen miteinander zu verbinden), Ressourcen oder Potentiale zur Gemeinschaftsbildung verloren gehen. Wie sich aber gerade gezeigt hat und wie sich auch zur Genüge aus späteren Artikeln von RAWLS ergibt, war „Gerechtigkeit als Fairneß" dazu bestimmt, über den toten Punkt in der Moderne hinauszukommen (s. o.). Bereits in seiner Theorie (1971) macht RAWLS klar, daß die Methode des reflektierten Gleichgewichts unsere moralische Tradition und UrteUe des gesunden Menschenverstandes zum Ausgangspunkt nimmt und daß die zwei Prinzipien der Gerechtigkeit sich mit den Prinzipien, die aus dieser Tradition stammen, messen lassen müssen, also in dem Sinne kontingent sind, daß sie im Lichte neuer empirischer Daten revidiert werden, usw. (TG. 627). So wird also schon an dieser Stelle ganz unkantisch die praktische Vernunft und deren Schlußfolgerungen als empirischen Gegebenheiten unterworfen angesehen. Wenn dies richtig ist, dann scheint es zwischen RAWLS und MACINTYRE oder WALZER nicht darum zu gehen, ob praktische Vernunft Bedingungen von Raum und Zeit Vgl. hierzu A. MacIntyre: After Virtue. Notre Dame 1981. 20. Hier wird Rawls unter diejenigen gerechnet, die zu zeigen versuchen, „daß der Begriff der Rationalität Moralität mit einer Basis versehen kann." In dem Aufsatz The Nature and Scope of Distributive Justice (in: Philosophy and the Human Sciences. Vol. 2. Cambridge 1985. 303) kennzeichnet Ch. Taylor die Philosophie von Rawls dergestalt, daß er seine Theorie „frei von Kontext und Zeitbezug" halte. Auch M. Walzer: Spheres of fustice. New York 1983. 33 ff beschuldigt Rawls, sich dem zu verweigern, „was sich in der Geschichte abspielt", vor allem ignoriere er „die Besonderheiten der Geschichte, Kultur und Zugehörigkeit" — ein Vorwurf, der sich auch in dem jüngst veröffentlichten Aufsatz findet: A Critique of Philosophical Conversation. In: The Philosophical Forum. 31 (1989-1990), Nr 1-2, 182-196.

Züge der Hegeischen Rechtsphilosophie bei Rawls

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unterworfen ist, was RAWLS nicht bestreitet, sondern es geht darum, ob die praktische Vernunft dadurch relativiert werde, bzw. ihre ganze transzendentale kritische Funktion dadurch verloren habe — eine Auffassung, die WALZER ganz klar zumindest bis vor kurzem vertratd^ Wiederum ist ein Vergleich mit Hegel der Sache dienlich, denn Hegel war nicht nur einer der ersten, dem es damit Ernst war, daß Denken geschichtlich bedingt ist, sondern er behauptete zudem, diese Tatsache raube der Vernunft nicht unbedingt ihre Objektivität. Die Dialektik erlaubt der Vernunft sowohl eine immanente als auch eine kritisch transzendentale Funktion. RAWLS sieht eine ähnliche, wenn auch etwas abgeschwächte Rolle für die Vernunft in der Funktion des reflektierten Gleichgewichts. Um es kurz zu rekapitulieren, handelt es sich dabei um einen Prozeß, bei dem die Reflexion eine „gegenseitige Abstimmung" sucht zwischen den mit Bedacht getroffenen Einzelurteilen (die durch konkrete Beobachtungen und Praxis zustande kommen) auf der einen Seite und generellen moralischen Prinzipien andererseits, bis eine befriedigende Anpassung erreicht ist — zunächst bezogen auf die eigene moralische Position (enges reflektiertes Gleichgewicht) und dann zwischen der eigenen Position und der eines immer größeren, andere miteinbeziehenden Kreises (weites reflektiertes Gleichgewicht) (TG. 68 ff). So gesehen handelt es sich hier also, wie bei der Hegeischen Dialektik, nicht nur um eine Methode, die grundsätzlich gedankliches „Pendeln" zwischen konkreten Einzelurteilen und generellen Prinzipien (Hegel würde sagen, es strebe das konkrete Allgemeine an) beinhaltet, sondern in wichtiger Hinsicht auch um eine Konzeption von Denken, wobei durch die Entstehung von Vgt dazu M. 'Walzer: Spheres of Justice; hier vertritt Walzer eindeuhg den Standpunkt eines Relativisten, auch wenn er sich in seinen letzten Veröffentlichungen von dieser Auffassung distanziert und sich jetzt einem „kulturübergreifenden Minimaluniversalismus" verschrieben hat (Walzer: A Critique . . . vgl. Anm. 15), wie etwa in dem Vortrag, den er im Wintersemester 1988 im ,Law and PhUosophy Colloquium' der Universität von New York gehalten hat. ri Ich glaube, daß es mannigfaltige Berührungspunkte, aber auch Verschiedenheiten zwischen der Dialektik Hegels und dem reflektierten Gleichgewicht von Rawls gibt, was näher auszuführen sicher ein Thema für sich wäre. Erwähnen will ich nur, daß beide Methoden als alternative philosophische Zugänge zu den methodologischen Dichotomien der Moderne, „Rationalismus" und „Empirismus", angeboten werden. Wie Hegel (PR. § 2) weist Rawls jedwede Cariesische Intuition oder Selbstevidenz erster Prinzipien als Rechtfertigungsinstanzen genauso zurück wie bloße empirische Verallgemeinerung andererseits (TG. 626 ff). Sowohl Hegel als auch Rawls bezwecken eine Form ethischer Selbsterkenntnis, die notwendigerweise vermittelt, indirekt etc. ist. Die Unterschiede zwischen beiden Theorien lassen sich, um es zu wiederholen, zurückführen auf den fundamentalen Unterschied in ihrer zugrundeliegenden Haltung gegenüber der Metaphysik.

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Konflikten und Widersprüchlichkeiten, die dann überwunden werden, ein neues Bewußtsein entwickelt wird. In dieser Hinsicht kann das reflektierte Gleichgewicht wiederum, wie auch die Hegelsche Dialektik, mit einer Meta-sprache verglichen werden. Um es kurz zu umreißen, kann man sagen, daß es sich bei einer MetaSprache um eine Sprache handelt, in der wir etwas über eine andere Sprache, die sogenannte Objekt-Sprache, aussagen können, was in dieser selbst nicht ausgedrückt werden kann.i^ Die Hierarchie immer reicherer Sprachen (Objekt-, Meta-, Meta-Meta-Sprachen etc.) und die verschiedenen Stationen der Hegelschen Dialektik sind also analog. Die höhere Stufe der Dialektik kann als reichere Meta-Sprache verstanden werden, in der Probleme, die in der Objekt-Sprache nicht gelöst werden konnten, versöhnt werden, während die Einsichten der vorigen Ebenen aufgehoben, d. h. beibehalten werden.20 Betrachtet man einige der von Hegel selbst verwendeten Beispiele, so stellt sich heraus, daß die Analogie, wenn sie auch ihre Grenzen hat, durchaus aussagekräftig ist. Hegel argumentiert zum Beispiel, daß Sprache und politische Institutionen der Griechen Rechte des Individuums nicht kannten, daß die Lebenswelt der Athener in gemeinsamer Religion und jahrhundertealten Eamilienpflichten verankert war. Als Athen mit der sokratischen Kritik konfrontiert wurde, stand Athen vor der Alternative, entweder SOKRATES zum Schweigen zu bringen oder selbst zugrunde zu gehen.21 Im Gegensatz dazu steht dem modernen Staat ein begriffliches Potential zur Verfügung, das Rechte des Einzelnen miteinschließt, und durch die Anerkennung der Gewissensfreiheit hat der Staat ein Gebiet aufgenommen oder mit sich versöhnt, das konfligierende Perspektiven über das „gute Leben" hatte, ohne daß dadurch seine Einheit bedroht werden würde. Nach Hegel ist das ein Zeichen der moralischen Überlegenheit des Staates der Moderne, was sich in der größeren Toleranz, größeren Universalität und ver1® Vgl. hierzu etwa /, N, Findlay: Hegel: a Re-Examination. New York 1959. Kap. 3, sowie M. /. Inwood: Hegel. London 1983. 2. Teil, Kap. 5. Der Terminus „Meta-Sprache" wurde nach Copi (The Theory of Logical Types. London 1971. 107 f) von Russell geprägt, der 1922 schreibt, „daß jede Sprache, wie Wittgenstein es ausdrückt, eine Struktur hat, über die sich, in ihr selber, nichts aussagen läßt, aber daß es eine andere Sprache gibt, in der sich Aussagen über die Struktur jener machen lassen, und die wiederum selbst eine Struktur hat. Vielleicht gibt es keine Grenzen für eine solche Hierarchie der Sprachen." Die Idee einer Metasprache hat jedoch eine sowohl technische Bedeutung (bei Tarski) als auch eine mehr ,intuitive'; die letztere (die hier beim Vergleich verteidigt werden soU) ist eine, die dem näher steht, was der späte Wittgenstein unter ,Übersicht' verstand. Vgl. die §§ 79 —83 von Hegels Enzyklopädie sowie Inwood: Hegel. 19 ff. Vgl. G. W. F. Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie.

Züge der Hegelschen Rechtsphilosophie bei Rawls

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ringertem Strafmaß gegenüber seinen Kritikern ausdrückt (PR. § 100 A). Ich will nicht implizieren, es gebe beim Vergleich der Hegelschen Dialektik mit einer Reihe von Meta-Sprachen keine wichtigen Dis-Analogien; so schließt der Begriff einer Meta-Sprache, im Gegensatz zur Dialektik, nicht mit ein, daß die Konfliktlösung nur immer auf eine Art erreicht werden kann oder daß der Prozeß im absoluten Wissen (das sich der ganzen Entwicklung bewußt ist) gipfelt, sondern ganz im Gegenteil sind die Meta-Ebenen bis ins Unendliche fortsetzbar.22 Aber im Moment geht es darum, ob das reflektierte Gleichgewicht ebenfalls mit Gewinn als ein Prozeß gesehen werden kann, durch den wir einen immer reicheren und umfassenderen ethischen Überblick erhalten. Dies kann meiner Meinung nach gezeigt werden. RAWLS behauptet zum Beispiel, daß jedwede Theorie der Gerechtigkeit unsere von ihm sogenannten „Gerechtigkeitsvorschriften des gesunden Menschenverstandes" mit einem höheren Prinzip versöhnen muß (TG. § 47). Diese in der Alltagssprache aufweisbaren Vorschriften — er erwähnt fünf — werden, wenn sie gegeneinander gestellt werden, unausweichlich miteinander in Konflikt geraten. Das Prinzip: „Jedem gemäß seiner Fähigkeiten", von Libertariern zum obersten Prinzip erhoben, steht in Konflikt mit der marxistischen Devise: „Jedem das, wessen er bedarf", denn den Bedarf einer Person zu decken ist wohl doch etwas anderes als die Belohnung seiner Fähigkeiten. Beide Vorschriften stehen wiederum in Konflikt mit: „Jedem gemäß seiner Anstrengung", etc. Nach RAWLS sollen keine der Vorschriften des gesunden Menschenverstandes allen anderen gegenüber den Vorzug erhalten und diese in den Hintergrund schieben und somit den Konflikt ignorieren und unterdrükken, sondern man kann sie aufheben, und ihre grundlegenden Einsichten können bewahrt werden. So findet sich in der wohlgeordneten Gesellschaft, daß die zwei Prinzipien der Gerechtigkeit von den vier Gliedern der Regierung dargestellt werden, wobei jedes Glied der Regierung als seine spezielle Verantwortung eine dieser Vorschriften anerkennt (TG. § 43). Auf diesem Gebiet geschieht die Balancierung und die Versöhnung der Vorschriften innerhalb der Sprache des Staates in der Moderne. Nur wenn man, so schreibt RAWLS, das politische Gerüst als Ganzes betrachtet, kann man sagen, daß unsere Einsichten, die unseren moralischen Überzeugungen zugrunde liegen, bewahrt werden, daß nämlich jeder Person das ihr Gebührende zukomme (TG. 348). ^ Vgl. Inwood: Hegel. 128 ff.

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Hier mag man nun versucht sein, die Frage vorzubringen, wie bestimmt wird, welche der Vorschriften innerhalb des Staates wie gewichtet werden sollen, besonders wenn man berücksichtigt, daß der sogenannte gesunde Menschenverstand nicht nur recht unschlüssig ist oder vielleicht sogar systematisch verzerrte Anschauungen hat etc., sondern zudem auch sich gegenseitig ausschließende übergreifende Erklärungen zuläßt. Meiner Ansicht nach gibt RAWLS eine ganz eindeutige Antwort: Wie die praktische Weisheit vergangener Zeitalter auch immer von uns gewichtet wird, wie Vorschriften des gesunden Menschenverstandes zueinander ins Verhältnis gesetzt werden (und welche zurückgewiesen werden), hängt nicht nur wesentlich davon ab, was für Wesen wir sind, sondern auch davon, wie wir uns menschliche Wesen selbst gestalten wollen. Für RAWLS wie auch generell für die Tradition des Deutschen Idealismus spielt bei der Bestimmung der Inhalte unserer Gerechtigkeitsprinzipien die Konzeption der Person eine entscheidende Rolle (DL. 559). Bevor wir uns aber nun der RAWLSSchen Konzeption der Person zuwenden (eine weitere Zielscheibe der kommunitaristischen Kritik), möchte ich den jetzt erreichten Standpunkt noch konsolidieren. Der Exkurs in das Gebiet der Dialektik und des reflektierten Gleichgewichts beabsichtigte darzulegen, wie praktische Vernunft, wenn auch von einer bestimmten historischen Tradition ausgehend, dennoch eine gewisse Objektivität erreichen kann; und dies nicht nur für Hegel, sondern auch für RAWLS, obwohl ihm seine Kritiker immer das Gegenteil unterschieben wollen. Eür beide ist die Natur der Vernunft anerkanntermaßen geschichtlichen Bedingungen unterworfen, wobei aber gleichzeitig bejaht wird, daß wir eine Fähigkeit zur Selbstbesinnung und Selbstkritik haben. Wenn eine Theorie, so RAWLS, intern einen hohen Konsistenzgrad hat, unseren moralischen Einzelurteilen im Zustand des reflektierten Gleichgewichts besser entspricht als eine konkurrierende Theorie, wenn sie zudem, und das ist ein wesentlicher Punkt, adäquater und umfassender ist als jene (d. h. wenn sie die konkurrierende Theorie erklärt, aber diese das umgekehrt nicht kann^3), dann ist gemäß dieser Kriterien diese Theorie „vernünftiger" (TG. 626 ff). Wenn man zugesteht, daß es sich Daß gerade das Kriterium der größeren Vollständigkeit zentral ist für den Anspruch Rawls', seine Theorie sei anderen überlegen, kann auch von der Tatsache abgeleitet werden, daß in Eine Theorie der Gerechtigkeit diese den Parteien des Urzustands unterbreitet werden und sich letzthch als inadäquat heraussteilen. Das schließt den Hauptrivalen Utilitarismus ein. Eine Betrachtungsweise der Rawlsschen Position ist also die, daß der Vertragstheoretiker den Utilitarismus erklären kann, dieser aber nicht die Vertragstheorie.

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bei diesem im wesentlichen ,holistischen' oder , idealistischen' Konzept der Rechtfertigung um das von RAWLS handelt, dann verliert die erste der kommunitaristischen Kritik ganz ihre Bedeutung denn „Gerechtigkeit als Fairneß" hat größeren „Objektivitätsanspruch" — im Sinne der obigen Erklärung —, ohne dabei geschichtlich unspezifisch zu werden. Mehr braucht RAWLS nicht zu behaupten.^4

4. Die Konzeption der Person Man kann sagen, daß die Utilitarismus-Kritik des Deutschen Idealismus hauptsächlich darin bestand, daß der Utilitarismus weder eine adäquate Konzeption der Person noch der Menschenwürde habe und daß der Mensch so gesehen werde, als habe er lediglich homogene Verlangen, auf deren Maximierung er sich verschlagen habe.^^ Eine Version dieser 24 Auf der anderen Seite soll durch die Betonung dessen, daß Rawls und Hegel gleichermaßen die philosophische Vernunft als versöhnende Kraft ansehen, nicht übersehen werden, daß sie, was ihre jeweilige Einstellung gegenüber der Metaphysik anbelangt, fundamental verschieden sind. Wie sicher bekannt ist, ist für Hegel Dialektik nicht nur eine Lehre der „Notwendigkeit der Vernunft", die im „absoluten Wissen" gipfelt, sondern auch eine ontologische Kategorie, denn die Natur ist dialektisch (Phän., Vorr.), während es sich im Gegensatz dazu beim reflektierten Gleichgewicht um einen fehlbaren und nur allzu menschlichen, offenen Denkprozeß handelt. Bei Hegel sind die Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die miteinander verträglich gemacht werden sollen, letztlich die Ideen des einen Weltgeistes, der sich im je individuellen endlichen Geist instantiiert und sich in der Geschichte selbst bewußt wird (PR §§ 341 ff). Die Prinzipien werden als universal und absolut betrachtet und als solche, in zumindest einer wichtigen Hinsicht, ,entdeckt'. — Ganz anders Rawls, der sich mit solchen globalen Behauptungen zurückhält. Ob seine beiden Prinzipien der Gerechtigkeit in der Tat Universalien sind, ist zum Beispiel etwas, das weitere empirische Untersuchungen und Reflektion erst erweisen müssen (TG § 87). Es ist nicht einmal klar, ob die beiden Prinzipien de facto unserer Tradition zugrundeliegen. Es könnte sein, daß es sich hierbei nur um die beste Interpretation handelt, um ein Konstrukt aus einem Sammelbecken festverankerter und weitverbreiteter moralisch und politisch überdachter Überzeugungen. Man muß nun gleich betonen, daß Rawls dadurch, daß er diese konstruktivistische Position bezieht, weder bestreiten will, daß es in der Geschichte so etwas wie moralischen Fortschritt gibt, wachsendes weltweites Bewußtsein und Anerkennen der individuellen Freiheit, noch daß absolute moralische Wahrheiten möglich sind. Er betont nur, daß die Konzeption einer politischen Gerechtigkeit, von seiner Warte aus (die das praktische Ziel vor Augen hat, ein moralisches Übereinkommen über Prinzipien zu treffen, die die Grundstruktur der pluralistischen Demokratie der Moderne regulieren), nicht von Wahrheit oder Falschheit riskanter Thesen abhängig sein darf, daß hingegen seine Konzeption sogar mit solchen Thesen verträglich ist, die untereinander nicht kompatibel sind. So hat sich für Rawls im Unterschied zu Hegel die politische Philosophie vom Ankern einer fundamentalistischen Metaphysik befreit; bestimmt sie ihre Aufgabe selbst, dann gleicht sie eher der, Neuraths Schiff auf offener See zu überholen. Was viele der klassischen Debatten in der Philosophie anbelangt, bleibt „Justice as Fairness" insofern agnostisch. 25 Hegels Kritik am Utilitarismus findet man in den §§ 473—482 der Enzyklopädie.

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Kritik findet sich bei RAWLS natürlich auch; so schreibt er zum Beispiel, daß Utilitaristen Personen als Konsumenten sehen oder daß die Utilitaristen die Möglichkeit unterschätzen, daß Verlangen und Motivationen überdacht werden können, wobei sie ebenfalls die „Unterschiedlichkeit der Personen" nicht richtig anerkennen (TG. 40 ff, 21 ff). Es muß als Ironie anmuten, daß RAWLS' eigene Konzeption der Person neuerdings von den Kommunitaristen attackiert worden ist, und zwar besonders von M. SANDEL.26 ES scheint, als sei die Kritik ein Echo der berühmten Kritik Hegels am KANxischen Individualismus.27 SANDEL argumentiert, RAWLS präsentiere eine Konzeption der Person, die „über-kantisch" und „abstrakt" sei, sie „ihren besonderen Eigenschaften entkleidet" und sie als Wahlhandelnde den je einzelnen Zielen, Verpflichtungen und gar dem jeweiligen Charakter logisch voraussetze (LL/.15 ff). Da RAWLS den Einzelnen in ihrer Isolierung ontologisch ein Primat zuschreibe, habe seine Theorie keine Möglichkeit, Gemeinschaftswerte oder gesellschaftliche Verpflichtungen bei der Erstellung der Identität des Individuums und dessen Selbstverständnisses ins Spiel zu bringen (LL/.147). Dieser Kritik nach operiert RAWLS mit einem grundsätzlich atomistisch, unzureichend entwickelten und fehlerhaften Begriff der Person, also mit einem inadäquaten Verständnis für den Menschen als ,zoon politikon'. RAWLS' Veröffentlichungen der letzten Jahre haben allerdings, so glaube ich, gezeigt, daß damit, wie er den Begriff der Person gebraucht, keine umfassende Darlegung der Persönlichkeit angestrebt wird, sondern es sich dabei um eine „politische Konzeption" handelt, die nur für den begrenzten Zweck einer Bestimmung von Gerechtigkeitsprinzipien, die als Gesellschaftsgrundstruktur dienen, angemessen ist {PNM. 23 ff). Nun soll aber gezeigt werden, daß diese politische Konzeption der Person sehr stark der von Hegel ähnelt, wie er sie im , Abstrakten Recht', d. h. im ersten Teil der Rechtsphilosophie, darlegt. Im ersten Teil der Rechtsphilosophie, dem Abstrakten Recht, geht es Hegel um die Frage des Inhalts und der Grenzen von Beziehungen zwischen Personen, die immer gemäß dem Rechtsgebot handeln, sich gegenseitig als Personen zu respektieren (PR. § 36); der Abschnitt ähnelt

Vgl. M. Sandel: Liberalism and the Limits of Justice. Cambridge 1982; im folgenden als LL] zitiert. Eine ähnliche Kritik hat Ch. Taylor in seinem Vortrag Justice after Virtue vorgebracht, den er 1988 an der Princeton University gehalten hat (vgl. Ms. 21, 25). 27 Vgl. die §§ 133—140 von Hegels Rechtsphilosophie.

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methodisch der Theorie vom Naturzustand durch die Abstraktion von unmittelbaren und konkreten gesellschaftlichen Bindungen. Hegels Standpunkt unterscheidet sich von jenem dadurch, daß er explizit das Wesen des Menschen in der Moderne sucht {PR. § 40 a, § 57 R). Er gebraucht so den Begriff der Person enger als es die Vorgänger in der Naturrechtstradition taten, die mit Person entweder das rationale Individuum im Naturzustand, wie etwa HOBBES und LOCKE, oder das moralische Subjekt meinten, wie etwa KANT. Bei Hegel verweist der Begriff der Person jedoch auf den Einzelnen qua seines Vermögens, das Subjekt politischer Rechte zu sein, und dieses Vermögen ist im Staat der Moderne, zumindest im Prinzip, auf alle ausgeweitet (PR.§ 40 R). Man sollte auch im Auge behalten, daß eine solche Persönlichkeit für Hegel nur die erste Bedingung für Freiheit und Allgemeines Wohl ist {PR. §§ 1, 33). Um ein umfassenderes Gut zu erlangen, muß das Individuum sich nicht nur als Person verstehen, die Rechte hat, sondern muß sich sowohl moralisch als autonomes Subjekt verstehen, wie auch als jemand, der einen Beitrag als Teilnehmer an einer Gemeinschaft vernünftiger Wesen leistet. Interessanterweise kann festgestellt werden, daß RAWLS, was diese Punkte anbelangt, weder KANT noch den anderen Vertretern der Gesellschaftsvertragstheorie, sondern Hegel folgt. Der erste Teil von RAWLS' Theorie, in der der sogenannte Urzustand entwickelt wird, tut das zum Beispiel ganz klar in methodologischer Abstraktion von den spezifischeren und konkreteren gesellschaftlichen Bindungen zwischen Personen. Es wird aber dabei von der Kultur abstrahiert, wie sie sich nach der Reformationszeit entwickelt hat, und diese Abstraktion zielt darauf ab, substantielle politische Prinzipien zu produzieren, die zum Ausdruck bringen, daß Menschen sich gegenseitig respektieren {TG. § 40). In ähnlicher Weise entwickelt der erste Teil nur eine ,minimale Theorie des Guten' {TG. § 60), und erst im dritten Teil erhalten wir eine umfassendere Theorie, die dann noch um eine Darstellung des Menschen als ,zopn politikon' ergänzt wird {TG. § 79). Es muß deswegen betont werden, daß weder Hegel noch RAWLS ein ontologisches Primat des Individuums gegenüber der Gemeinschaft veranschlagen. Ganz im Gegenteil ist für beide der Begriff der Person als politischen Wesens, was die in der Moderne erzielten Grundrechte wie etwa Gewissensfreiheit, freie Meinungsäußerung, die Reihe politischer Freiheiten, das Recht Verträge einzugehen und das Recht auf Eigentum miteinschließt, eine notwendige Voraussetzung für das Wohl der Menschen und nicht, wie SANDEL es bei seiner Kritik impliziert, eine zureichende Bedingung. Bei weiterer Untersuchung stellt sich heraus, daß sowohl Hegel als

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auch RAWLS es als Voraussetzung der Person in der Moderne sehen, daß sie minimal zwei moralische Vermögen, Kompetenzen oder Fähigkeiten hat (TG. 548. DL. 525). Bei Hegel setzt die Persönlichkeit das voraus, was er das Vermögen zur ,selbstbewußten Allgemeinheit' nennt {PR. § 35). Das menschliche Subjekt ist darin einzigartig, daß es sich selbst als Allgemeines erkennen kann, zuerst als der Besonderheit gegenüber gleichgültig {PR. § 37). Hegel meint damit die ,absolute Negativität des Ichs', die Fähigkeit, alles Besondere zu negieren, sich davon abzusondern, was die eigenen bestimmten Gedanken und Verlangen miteinschließt (dadurch daß es sie etwa revidiert, ablehnt etc). Dieses unbeschränkte Vermögen zu abstrahieren ist nach Hegel sowohl Voraussetzung für die Fähigkeit des Subjekts, seine Ähnlichkeit in dem Ich des Anderen zu erkennen und dabei von seiner eigenen Besonderheit zu abstrahieren, als auch für die Fähigkeit, sich zu begreifen und seine Handlungen in der Welt durch Regeln und Prinzipien zu bestimmen. Nur dem Menschen ist es zueigen, wie Hegel betont, alles Besondere aufzugeben, einschließlich seiner eigenen Ziele und seines Lebens, was besonders in Kriegszeiten in Anspruch genommen wird. Dieser Fähigkeit zur „selbstbewußten Allgemeinheit" entspricht bei RAWLS das erste „moralische Vermögen" der Persönlichkeit, also das, was RAWLS „wirksamer Gerechtigkeitssinn" nennt, was wiederum voraussetzt, daß „die Prinzipien der Gerechtigkeit verstanden, angewendet und befolgt werden, und nicht nur ihnen gemäß gehandelt wird" (DL. 525). In der Terminologie von RAWLS bezieht sich dieses Vermögen auf unsere Vernunft, die nicht lediglich zweckrational und eigennützig ist. In gleicher Weise scheint es so, als entspräche RAWLS' zweites moralisches Vermögen, nämlich das Vermögen, eine bestimmte Konzeption des Guten ins Auge zu fassen, sie zu revidieren und zu verfolgen (DL. 525), dem Hegelschen Selbstbestimmungsvermögen des Ichs {PR. § 6). Beide behaupten somit, daß es für die freie Persönlichkeit grundlegend ist, daß sie nicht nur Regeln folgt, nicht nur zwischen faktisch vorhandenen Alternativen wählt oder solche ablehnt — Hegel nennt das Willkür —, sondern statt dessen Pläne entwirft, bestimmte Ziele setzt und im Ganzen ein Selbstverständnis oder einen Lebensplan nach außen hin und öffentlich sichtbar zum Ausdruck bringt {PR. § 6). Wir kommen hier zu dem für Hegel wichtigen Begriff der Entäußerung, der nun auch bei RAWLS als zentral ausgewiesen werden soll. Hegel wurde, worauf CHARLES TAYLOR ZU Recht hingewiesen hat, von den deutschen Expressivisten der siebziger Jahre beeinflußt, deren Vertreter den alten ARiSTOTELischen Gedanken vom guten Leben als Aus-

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druck eines Zwecks oder Verwirklichung einer ,Form' wiederbelebten.28 Hegel lobt ausdrücklich ARISTOTELES' Ansicht, daß die Seele eine selbstorganisierende Form sei, untrennbar vom jeweiligen organischen Körper {Enz. § 378), und wie ARISTOTELES gibt er der Persönlichkeit die Fähigkeit, Motivationen umzusetzen, ihre eigentümlich menschlichen Fähigkeiten hervorzubringen. Trotzdem distanziert Hegel sich ganz ausdrücklich von ARISTOTELES in bezug auf die politische Persönlichkeit. Ganz anders als in der Antike, in der die Lebensweise des Individuums Naturbestimmung und somit für das Individuum unabänderlich war, sieht Hegel das Individuum als sich seine Lebenszwecke selbstsetzend, das heißt, das Individuum muß seine jeweils eigene Konzeption haben. Hegel nennt dies das ,Prinzip der subjektiven Freiheit' und hält es für das entscheidende Merkmal der Moderne, die dieses Prinzip durchgängig im Prinzip des Rechtes auf eine freie Persönlichkeit anerkennt {PR. § 182 A, 185 R). Der Begriff der ,Entäußerung' ist auch deswegen von Interesse, weil sich hierbei ganz deutlich Hegels Abwendung von KANT zeigt, denn mit diesem Begriff versucht Hegel die starren KANTischen Dualismen, wie etwa Geist und Materie, Vernunft und Begehren, aufzuheben. Hegel ist letztendlich Monist; dem Geist ist es wesentlich, sich in Raum und Zeit auszudrücken, woraus folgt, daß er Motivation umsetzen kann und daß ihm sinnliches Begehren und Impulse der Freiheit immanent sind {PR. § 6). Damit setzt sich Hegel ganz ausdrücklich von KANT ab, der die mechanische Naturwelt als eine uns für immer die transzendentale Freiheit verschließende Sperre sieht, während Hegel die sinnlich-materiale Welt, einschließlich unserer sinnlicher Begehren, als notwendiges Medium der Verwirklichung unserer Freiheit ansieht. Diese gegenüber KANT veränderte Position erlaubt den Schluß auf ein paar wesentliche Sub-Thesen. Erstens kann festgehalten werden, daß Hegel in politischer Hinsicht damit dem Recht der Persönlichkeit einen, wie man das nennen kann, materiellen Gehalt zuschreibt; freie Persönlichkeit und die Entfaltung menschlicher Vermögen kann unmöglich von adäquatem materiellem Substrat abgetrennt werden (PR. § 41), und so findet sich in der Hegelschen Theorie zum Beispiel die Vorstellung, daß der Staat eine weitaus umfassendere Wohlfahrtsrolle ausübt, als das vom traditionellen Liberalismus angesetzt wird; die öffentliche Macht soll etwa für Schulung und andere generelle Leistungen Sorge tragen, wie Brückenbau und Straßenbeleuchtung, aber auch Gesundheitsbetreuung, Taxation der Artikel der 28 Vgl. Ch. Taylor: Hegel. Cambridge 1975. 13 ff.

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gemeinsten Lebensbedürfnisse und die Verminderung der Armut {PR. § 236 ff). Zweitens muß festgehalten werden, daß das Individuum, um als Person zu existieren, das heißt Absichten und Selbstverständnis in einer objektiven und öffentlichen Sphäre zum Ausdruck zu bringen, notwendigerweise als solche von anderen erkannt werden können muß, das heißt, daß die Absichten und Ziele als solche anerkannt werden {PR. § 71). Damit wird aber nach Hegel vorausgesetzt, daß es sich hier nicht um ein materielles Substratum handelt, sondern um einen gesellschaftlichen Hintergrund von Gemeinsamkeiten, was Verstehen, Erwartungen und gegenseitiges Anerkennen anbelangt, was sich von Hegels Begriff des Geistes ableitet.^9 Ohne eine solche vorhergehende kulturelle Bildung, ohne das, was heutzutage Lebensform genannt wird, könnte die Person ihre Absichten nicht zum Ausdruck bringen, sie sogar noch nicht einmal als solche erkennen. Bildung soll nun genau die Art des Wissens sein, die zumindest über dieses Verständnis verfügt, was Hegel als unsere zweite Natur beschreibt {PHR. § 3). Der entscheidende Punkt scheint demnach zu sein, daß eine Person, um substantielle Freiheit zu erlangen, das heißt nicht bloß willkürlich zu handeln, nicht nur den fremden und nötigenden Charakter der Natur bezwingen muß, denn das ist durch Arbeit und Eigentumserwerb erreichbar; auch wird die substantielle Freiheit nicht dadurch erlangt, daß man dem Chaos der Verlangen eine Ordnung aufzwingt, was vornehmlich durch moralische Reflexion erzielt wird, sondern nur dann, wenn man der durch Zwänge charakterisierten Natur des Lebens in der Gemeinschaft entkommt, hat man substantielle Freiheit erzielt. Nach Hegel wird das durch Selbstbildung zum Gewahrwerden der ,universalen', beziehungsweise gemeinsamen Zwecke erzielt, aber auch dadurch, daß man an der Konstruktion des rationalen Charakters des öffentlich-gesellschaftlichen Lebens teilnimmt {PR. §§ 149, 260). Substantielle Freiheit kann nur dann völlig verwirklicht werden, wenn die gesamte Gemeinschaft zu einer gegenseitigen Anerkennung von Freiheit als tatsächlich existierender Gepflogenheit kommt, was Hegel dann Sittlichkeit nennt.

Das Hegelsche Paradigma „Geist" beinhaltet scheinbar zumindest zweierlei Bewußtseine, die gegenseitig bestimmte Charakteristika und gemeinsame Ziele anerkennen, und das schließt die gegenseitige Anerkennung mit ein, — vgl. Phänomenologie des Geistes. Die jeweilig gemeinsamen Ziele und Charakteristika sind natürlich davon abhängig, um welche Art von Beziehung es sich handelt, also etwa um Vertragsparteien, Befreundete, Ehepartner, Bürger etc.

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Bis hierhin wurde Hegels Begriff der Persönlichkeit qua Entäußerung besonders deswegen betont, weil die generelle Stoßrichtung der Abkehr von KANT bei RAWLS gänzlich akzeptiert wird, denn dieser versteht seine Theorie ebenfalls als eine Abkehr von den mannigfaltigen Dualismen der KANTischen Philosophie (DL. 516). ln RAWLS' Theorie wird KANT ganz ausdrücklich dafür kritisiert, daß es seinem Verständnis der Person am „Begriff der Entäußerung29a"mangele (TG. 287), so daß sich sicher von RAWLS' Theorie sagen läßt, daß, wie schon von Hegel, die Mindestbedingungen materieller und gesellschaftlicher Natur hervorgehoben werden, die für die Verwirklichung der Vermögen der Persönlichkeit notwendig sind. Bei RAWLS werden solche in der Reihe der primären Güter aufgeführt (DL. 525 ff). Besonders wichtig ist dabei, daß RAWLS die „gesellschaftliche Grundlage des Selbstwertgefühls" in diesen Güterkatalog miteinschließt und es als Voraussetzung ansieht, daß jeder Einzelne sich an der sozialen Union aktiv beteiligt {TG. § 67). Im folgenden Abschnitt soll dargelegt werden, daß die Idee einer „Union sozialer Unionen" bei RAWLS im großen und ganzen dem Hegelschen , Geist' entspricht, doch soll im Moment der Hinweis genügen, daß RAWLS ebenfalls zwischen , rationaler' und , vollständiger' Autonomie unterscheidet und daß letztere nach RAWLS vom Bürger nur im Alltagsleben einer wohlgeordneten Gesellschaft verwirklicht werden kann (TG. § 78). Wenn diese Analyse richtig ist, so kann man nun ganz deutlich sehen, daß SANDELS Kritik an RAWLS' angeblich , unterentwickelter' und , gestrippter' Konzeption des Subjekts an RAWLS völlig vorbeizielt. Beim Konzept des Urzustands geht es RAWLS nicht um eine Darlegung der Persönlichkeit, sondern es geht ihm, wie auch Hegel im Abschnitt des abstrakten Rechts, darum, die Mindestvoraussetzungen für den Begriff der politischen Person in der Moderne zu exponieren. Wie bei Hegel bezieht sich der Begriff der Person bei RAWLS auf ein sozio-politisches Konstrukt. Wenn RAWLS dabei den Aspekt der individuellen Wahl unterstreicht, dann macht er nur mittels einer politischen Formulierung auf eine während der Reformationszeit gewonnene Einsicht aufmerksam: das jeweilige Wohl der einzelnen wird im Idealfall durch deren Wahl, Bewußtsein und Willen erreicht und nicht etwa dadurch, daß Drittpersonen, die vorherrschende Religion, der Staat oder die sogenannte Mehrheit das Wohl aufoktroyiert.30 Diesbezüglich stellt RAWLS sich auf die SeiEnglisch: „expression"; die deutsche Übersetzung „des Ausdrückens" in TG ist unbefriedigend. 30 Sandei scheint zeitweUig, was die MoraHtät anbelangt, ganz einfach auf Mehrheiten zu setzen (vgl. seinen Aufsatz Morality and the Liberal Idea. ln: The New Republic vom 7. Mai,

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te des Kollossal-Kommunitaristen Hegel, der das Prinzip der subjektiven Freiheit als Kennzeichen der Moderne sieht. Sowohl Hegel als auch RAWLS verlangen, daß jeglicher bildende Einfluß der Gemeinschaft bei der Identitätsbildung der Person, und beide erachten das für legitim, vom Individuum als solchem anerkannt wird und der Zustimmung bedarf, also von seinem Verständnis abhängig gemacht und nicht von außen bestimmt wird. Beide fordern, daß das ,Prinzip der subjektiven Freiheit' bei jeglichem Vertiefen einer Gemeinschaft anerkannt werden muß. Sowohl der kommunitaristische Ansatz SANDELS als auch der von MACINTYRE übersehen das völUg.^i Vielleicht könnte man SANDELS Position dadurch retten, daß man ihn so versteht, als habe er eine marxistische Kritik der Rechte des bürgerlichen Individuums im Sinn und berufe sich daher nicht auf die Position Hegels. Ich glaube, das wäre eine Fehlinterpretation der marxistischen Kritik, aber ich kann das hier nicht weiter ausführen.3^ Statt dessen wende ich mich jetzt jeweüs dem dritten Teil von Hegels Rechtsphilosophie und Eine Theorie der Gerechtigkeit von RAWLS zu.

5. Sittlichkeit, Soziale Union und Wohlgeordnete Gesellschaft Sowohl für Hegels Rechtsphilosophie als auch für Rawls Theorie der Gerechtigkeit gilt, daß sie vom Abstrakten zum Konkreten vorwärtsschreiten, das heißt, daß ausgehend von den moralischen Minimalbedingungen politischer Persönlichkeit, die im abstrakten Recht beziehungsweise im Urzustand abgehandelt werden, zu einer theoretischen Erörterung der grundlegenden wirtschaftlichen und politischen Institutionen, die eiNew York 1984, 15—17). Demgegenüber hat vielleicht Dworkin am besten gezeigt, wie unbefriedigend ein solcher Standpunkt ist. Vgl. dazu R. Dworkin: Taking Rights Seriously. Cambridge, Ma. 1979 und Law's Empire. Cambridge, Ma. 1986, 1. Kapitel. 3t Ähnlich kritisch gegenüber der Position von Sandei und Maclntyre äußern sich auch E. Baker: Sandei on Rawls. ln: University of Pennsylvania, Law Review. 134 (1985), 895; sowie A. Gutman: Communitarian Critics of Liberalism. In: Philosophy and Public Affairs. Fall. 17, (1988), 4, 308-322. 32 Karl Marx bemerkte in Zur Judenfrage explizit, daß die Privatrechte der Moderne einen großen Fortschritt darstellen. Er argumentiert nicht, daß sie (mit Ausnahme des Rechts auf Privateigentum von Produktionsmitteln) unwichtig oder gar für den damaligen geschichtlichen Standort unnötig waren, sondern daß sie für die wahre Emanzipation des Menschen unzureichend waren. Selbst in der recht späten Kritik am „Gothaer Programm“ (1875) argumentiert er, daß in den letzten Stadien des Sozialismus die politischen Rechte überflüssig würden, und nicht, daß man sie jetzt abschaffen könnte. Ich glaube, daß Sandels Position, weder hegelianisch noch marxistisch noch überhaupt in der Moderne verortet ist; sie geht vielmehr zurück auf Aristoteles.

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ne solche Konzeption aufrecht erhalten, übergegangen wird, bis beide Theorien in ihrem dritten Teil mit der Behandlung der gesellschaftlichen Natur des Menschen abschließen. Dies wird aber von den Kommunitaristen meistens übersehen, wenn sie RAWLS kritisieren. So argumentiert SANDEL zum Beispiel, daß man mit RAWLS' , gestrippter' Auffassung der Person die der Theorie durch das Differenzprinzip stark eignenden Tendenzen, Andere zu berücksichtigen, nicht rechtfertigen könne.32 Eine solche Rechtfertigung bedürfe eines Begriffs, der die Gruppe oder Gemeinschaft als Subjekt veranschlagt, wo man z. B. Talente als gemeinschaftliches Guthaben betrachte. Das ist auch das, worauf CH.TAYLOR mit seinem ,Gemeinschaftsrecht' abzielt, wobei er RAWLS vorhält, daß dieser die Grundlagebedingungen vernachlässige, insbesondere die, die auf das Gute oder das Wohl des Menschen abzielen, auf das alle Fragen der gerechten Verteilung der Güter und der Frage nach dem Verdienst bezogen werden müßten.34 Dieser letzte Einwand muß dann besonders überraschen, wenn man bedenkt, daß RAWLS seine beiden Gerechtigkeitsprinzipien auf die , Grundstruktur' der Gesellschaft bezieht und nicht auf individuelle Handlungen. RAWLS ist sich durchaus darüber im klaren, daß es keinen kontextunabhängigen Begriff des Verdienstes gibt.35 Es ist also wiederum ganz abwegig, RAWLS SO ZU kritisieren; eine solche Kritik scheint jedoch ganz im Sinne Hegels, das heißt, sie folgt Hegels grundlegender Überzeugung, daß die Theorie des Gesellschaftsvertrages für das Verstehen nicht nur der menschlichen Gemeinschaft, sondern auch des Staates, wie er in der Moderne existiert, nicht geeignet ist. Dieser letzte Punkt soll nun als erster aufgenommen werden. Warum glaubt Hegel, daß das Ideal eines Gesellschaftsvertrags für das Verständnis des modernen Staates unzulänglich ist? Um das zu verstehen, muß man beachten, daß Hegel drei verschiedene Bedeutungen des Begriffs ,Staat' hat.35 Erstens gibt es den politischen Staat im engeren oder strikten Sinn, womit der Staat in seiner internen Organisation ge33 Vgl. hierzu Sandel (Anm. 26), 66, 70- 78, 101-103. 34 Vgl. Ch. Taylor: The Nature and Scope of Distributive Justice, 291 ff (vgl. Anm. 15) und dessen Vortrag Justice after Virtue (Ms. 21, 25). 33 E. Baker diskutiert die Konfusion, die bei Sandel und Taylor in bezug auf den Rawlsschen Begriff des Verdienstes vorherrscht, und zeigt, daß Rawls keine „prä-institutioneUe" Basis voraussetzt, um das Verdienst zu bestimmen (vgl. Sandel on Rawls, 907 ff). Welches Verdienst wem zukomme, ist gerade dasjenige Problem, das eine Theorie der Gerechtigkeit lösen soll. 33 Vgl. Z. A. Pelczynski: The Hegelian Concept of the State. In: Hegel's Political Philosophy. Ed. by Z. A. Pelczynski. Cambridge 1971. 1—29.

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meint ist, soweit er durch seine Verfassung und durch Gesetze bestimmt ist, das heißt, daß es sich um eine Demokratie, Monarchie oder sonst etwas handelt (PR. § 274). Eine zweite Bedeutung sieht ,Staat' als äußerlichen Staat, das heißt, die Organisation der Jurisdiktion und die Exekuhve, wobei die baulichen Manifestationen wie etwa Gerichtsgebäude und Gefängnisse miteingeschlossen sind {PR. § 183 ff). Schließlich gebraucht Hegel noch eine dritte Bedeutung des Begriffs, wenn vom Staat im eigentlichen Sinne gesprochen werden kann, worin die beiden ersten Komponenten miteingeschlossen sind, über sie aber noch hinausgegangen wird; hier handelt es sich um Bräuche, Verhaltensweisen und moralisches Bewußtsein der Menschen, die historisch in einer Tradition verwurzelt sind (PR. § 267). Der Staat im strikt politischen Sinn ist nach Hegel als Ausdruck, das heißt als Rechtsausdruck oder Explizierung und Vereinheitlichung der schon vorher bestehenden moralischen Verhaltensweisen eines Volkes anzusehen. Das ist zugegebenermaßen ein ziemlich umfassender Begriff des Staates, aber er geht nicht sehr über den hinaus, den RAWLS hat, oder was DWORKIN unter ,Gesetz' versteht. In beiden Eällen handelt es sich darum, daß der Begriff des Staates oder der des Gesetzes die moralischen Grundsätze einer jeweiligen Tradition miteinschließt.37 Wenn diese verschiedenen Bedeutungen des Staatsbegriffs im Auge behalten werden, dann wird es klar, warum Hegel es für unmöglich hält, den Staat der Moderne auf einen tatsächlich stattgefundenen Vertrag zurückzuführen, den einzelne im Naturzustand abgeschlossen hatten. Statt dessen handelt es sich beim Staat im politischen Sinne um die gesetzliche Artikulierung der historisch vorhergehenden moralischen Gepflogenheiten. Nun muß aber gesehen werden, daß es nach Hegel auch unzulänglich ist, das Ideal des Staates lediglich als bloßen Vertrag zwischen einzelnen zu sehen, sozusagen als modus vivendi. Er begründet das damit, daß jede Art von Vertrag sich vor dem Hintergrund gemeinsam gemachter Annahmen, gegenseitigen Vertrauens und gesellschaftlicher Praktiken vollzieht, die selbst nicht Gegenstand eines Vertrags sein können, denn es ist nicht möglich, daß alles gleichzeitig zur Verhandlung steht.^8 Ebensowenig kann ein Vertrag, sei es ein GesellVgl. hierzu R. Dworkin: Taking Rights seriously, 47 (vgl. Anm. 30) sowie dessen Buch Law's Empire, 1. Kapitel. Allerdings muß man berücksichtigen, daß ,Gerechtigkeit' für Hegel ein Terminus technicus ist (PR. § 99), während Rawls den Begriff ,justice' in einem erweiterten Sinn von Recht überhaupt gebraucht. 38 Vgl. S. Benhabib: Obligation, Contract and Exchange: On the Significance of Hegel's Abstract Right. In; The State and Civil Society. Ed. by Z. A. Pelczynski. Cambridge 1984. 159 ff.

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schaftsvertrag oder irgendein anderer, seine eigenen Geltungsbedingungen erwirken, sondern er setzt voraus, daß im Hintergrund Normen, Regeln oder Grundsätze wirksam sind, die dem Vertrag dann Gültigkeit geben, wenn er im Einklang mit ihnen steht. Das ist es, was Hegel Sittlichkeit nennt, und genau das ist es, was nicht anerkannt wird, wenn man den Staat anhand des Modells eines eigennützigen Vertrags sieht. Diese Kritik des Vertragsmodells ist zum Allgemeinplatz geworden, auch wenn das zu Hegels Zeiten noch nicht der Fall war. Hier aber geht es darum, ob und wieweit die Theorie von RAWLS davon betroffen ist. Hegel (PR. § 75) bestimmt drei wesentliche Elemente eines Vertrags in der Moderne: 1. Der Vertrag muß der Willkür entstammen, das heißt der freien Initiative der privaten Vertragspartner; 2. ein gemeinschaftlicher Wille oder ein gemeinsamer Zweck, der von den einzelnen gewollt wird, muß durch eine gemeinsame Absprache und Einigung zustande gebracht werden; 3. die Vertragsgegenstände müssen solche sein, die äußerlich sind, denn die Art des Vertrags in der Moderne setzt voraus, daß man seine Person und ihr Wesentliches nicht veräußern kann. Generell gesprochen wirft Hegel den Vertretern des Gesellschaftsvertrages vor, daß sie Normen, die innerhalb der Sphäre privater Transaktionen geschaffen werden und Geltung haben, mit solchen verwechseln, die für das öffentliche Recht politischer Körperschaften wie zum Beispiel des Staates zuständig sind. Es ist zum Beispiel für die individuellen Rechte in der Moderne wesentlich, daß sie nicht im eigentlichen Sinne Privateigentum sind und sich gerade darin von den Rechten im Mittelalter unterscheiden, daß sie unveräußerlich sind; denn sie sind von den personenübergreifenden und generellen Normen der Gesetzgebung gesichert. Deswegen kann ein Privatvertrag den öffentlichen und allgemeinen Charakter des Staates der Moderne weder hervorbringen noch ableiten, sondern setzt den Staat voraus. Interessanterweise verstößt die Übereinkunft, die in RAWLS' Urzustand getroffen wird, anders als der Gesellschaftsvertrag, wie man ihn etwa bei LOCKE und HOBBES findet, ganz eindeutig gegen die erste Voraussetzung Hegels für die Vertragsgültigkeit in der Moderne, weil der Vertrag nicht der privaten Willkür entspringt. Es soll noch einmal daran erinnert werden, daß der Schleier des Unwissens im Urzustand es ausdrücklich verhindern soll, daß die Teilnehmer willkürlich handeln, denn sie haben keinen Zugang zu Informationen über solche Einzelheiten, so daß dieser Schleier des Unwissens die Teilnehmer dazu zwingt, ihre Aufmerksam-

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keit auf gemeinsame und universale Charakteristika zu richten (TG. § 24). So treffen sie in dem Urzustand die Übereinkunft, und das ist eine direkte Konsequenz dieser Verschleierung, daß gewisse Arten grundlegender Güter, das heißt die grundlegenden Freiheiten und Chancengleichheit, von künftigen Verhandlungen ausgeschlossen sind und allen gleichermaßen zugesprochen werden.^9 Was solchermaßen im Urzustand entspringt, ist kein regulärer Vertrag, sondern ein Übereinkommen, das im Hegelschen Sinne über den Stand des Vertrages hinausgeht, somit eine substantiellere Gemeinschaft zwischen Person und deren politischen Institutionen anerkennt, Diese Ausgangsposition bei RAWLS dient somit als Mittel öffentlicher Reflexion und Selbsterkenntnis {PNM. 236) und konzentriert sich zugleich auf viele der Aspekte, die über die Vertragsebene hinausgehen, als auch auf die Vertragsschließung selbst. Zudem kann man die Funktion des ersten Teils der Theorie der Gerechtigkeit RAWLS' mit der des Hegelschen abstrakten Rechts gleichsetzen. So ist in der Ausgangsposition der Rationalität eine gebührende Stelle eingeräumt worden, indem die legitimen rationalen Eigeninteressen von den Vertragsparteien vertreten werden. Jedoch ist dieser Rationalität, innerhalb des Rahmens der Vernunft, das heißt fairer Hintergrundsbedingungen einer freien und gleichberechtigenden Zusammenarbeit und der Fähigkeit der einzelnen, diese Bedingungen auch zu erfüllen, eine untergeordnete Rolle gegeben (DL. 529). Hegel und RAWLS unterscheiden sich hauptsächlich dadurch, daß Hegel die Fairneßbedingungen der Zusammenarbeit so veranschlagt, daß sie den universalen Prinzipien der substantiellen Freiheit entsprechen, während RAWLS den Begriff der Freiheit konkreter darzustellen versucht: die wohlgeordnete Gesellschaft beinhaltet auch die Verwirklichung des Differenzprinzips. Daß , Gerechtigkeit qua Fairneß' weder das politische Leben noch den Staat anhand des Modells des Gesellschaftsvertrags sieht und statt desDas gilt zumindest für Fälle, in denen, wie es Rawls nennt, die „spezielle Konzeption" der Gerechtigkeit angewendet wird, d. h. nachdem die „gesellschaftlichen Bedingungen eine Verbesserung erfahren haben" (Theory of Justice. § 11; wiederum nicht in der deutschen Übersetzung). Diese Konzeption bezieht sich somit nur auf unser Zeitalter der Moderne. Dies steht im Gegensatz zur „allgemeinen Konzeption", bei der das Differenzprinzip auf alle Grundgüter angewendet wird. ^ Bei der Diskussion des Ehevertrags spricht Hegel davon, den Vertragsstandpunkt aufzuheben (PR. § 163 R), den er im Gegensatz zu Kant nicht als einen Vertrag unter anderen sieht. Ähnliches bringt er auch vor, was das Verhältnis zum Staat anbelangt, der eine noch fundamentalere Form des ,vemünftigen gesellschaftlichen Lebens' darstellt. Wie später gezeigt werden wird, werden auch bei Rawls die politischen Institutionen letztendlich nach dem Vorbild der „Sozialen Union" und nicht nach dem des Vertrags modelliert.

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sen wie auch schon bei Hegel vertragliche Transaktionen im Privatbereich als wesentlichen Aspekt des modernen Staates anerkennt, wird besonders im dritten Teil von RAWLS' Gerechtigkeitstheorie klar, in dem von der wohlgeordneten Gesellschaft als einer , sozialen Union sozialer Unionen' gesprochen wird, einer Gesellschaft, in der seine beiden Gerechtigkeitsprinzipien von der Regierung implementiert sind {TG. § 69). ln diesem dritten Teil stellt RAWLS sowohl die ,soziale Natur' des Menschen dar als auch das ,WohI der Gemeinschaft', und es ist dabei nicht ganz unwichtig, sich über RAWLS' Auffassung im klaren zu sein, besonders wenn man bedenkt, wie oft er kritisiert worden ist. Wenn RAWLS die Behauptung aufstellt, daß der Mensch wesentlich ein Sozialwesen sei, so heißt das nicht nur, daß Gesellschaft für den Menschen lebensnotwendig ist oder daß ein Leben in Gesellschaft notwendige Vorbedingung sowohl für die Sprach- und Sprechentwicklung als auch für die Aneignung bestimmter Bedürfnisse und Interessen und dergleichen mehr ist {TG. 567). Das heißt, RAWLS geht über die Beobachtung WITTGENSTEINS hinaus, die von TAYLOR immer wieder hervorgehoben wird, daß nämlich nur in einer Sprachgemeinschaft die Vorbedingungen erfüllt sind, um eine Meinung begründen und überhaupt zum Ausdruck bringen zu können.Daß das der Fall ist, ist keineswegs trivial, doch wenn man unsere Bindungen untereinander lediglich so darstellt, dann ist damit unser Gemeinschaftsvermögen trivialisiert. Und dies deswegen, weil eine solche Charakterisierung ebenso auf solche Personen, die ihre Beziehungen größtenteils als zweckrational verstehen, somit genauso für eine Gruppe von Egoisten zuträfe, die keine Sprache entwickelt hätten und ihre eigennützigen Interessen nicht hätten zum Ausdruck bringen können oder ihre eigennützigen Begehren nicht begründen könnten, ohne schon ein vorhergehendes gesellschaftliches Leben zu haben. RAWLS' These geht über diese Einsicht hinaus: der Mensch kann bestimmte seiner spezifischen Vermögen nur entfalten, wenn er aktiv und positiv mit anderen zusammenarbeitet und an ihren Zwecksetzungen teilhat; noch wichtiger aber ist, daß der einzelne nur unter diesen Bedingungen an den vollentwickelten Vermögen anderer teilhaben kann {TG. 568 A). Die von RAWLS SO verstandene soziale Union ist die Art der Zusammenarbeit, in der einzelne erstens gemeinsame Zwecke haben, zweitens an Aktivitäten teilnehmen, die Selbstzweck sind, und sich drittens auf ein Verhaltensmuster einigen, das auf ein für alle gleichermaßen erVgl. Ch. Taylor: Human Agency and Language. Cambridge 1985. Kap. 3.

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hältliches Wohlergehen abzielt (TG. 568). Eine Privatgesellschaft ist im Gegensatz dadurch charakterisiert, daß einzelne nicht nur unabhängige und gegensätzliche Vorstellungen davon haben, was das Gute ist, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse und Institutionen von einem rein zweckrationalen Gesichtspunkt aus sehen. Solche privaten Gesellschaften, das erwähnt RAWLS ausdrücklich, entsprechen dem, was Hegel ,bürgerliche Gesellschaft' nennt, und diese Idee gehört in das Gebiet der Wirtschaftswissenschaften (TG. 566 A). Ein Musterfall für die soziale Union ist das Orchester, in dem Musiker Zusammenwirken. Es ist für die Entwicklung der Eähigkeiten des Individuums notwendig vorausgesetzt, daß andere ihre Fähigkeiten ebenfalls entwickeln, und ich glaube, man kann sagen, daß im gelungenen Zusammenspiel Eigenwohl und Gemeinwohl zumindestens zeitweilig kongruent sind. Insofern ich mich mit den Zwecken der anderen identifiziere und ihre Ziele meine werden, trage ich nicht nur einen Teil der Verantwortung beim gemeinsamen Tun, sondern ich habe Anteil an Lob und Tadel, die der Gruppe zufallen und somit auch an Lob und Tadel anderer Mitglieder. So ist in sozialer Union, im Unterschied zur privaten, Gewinn und Verlust immer Gewinn und Verlust aller zusammen. DWORKIN hat jüngst hervorgehoben, daß die Identifizierung mit der Gruppe aber nicht heißt, daß man allen kulturellen Interessen gemeinsam nachgehen muß oder alle Monotheisten sein müssen oder einer Kommune angehören, in der jeder mit jedem schläft, um eine gute Vorstellung zu geben.Um sich mit der Gruppe zu identifizieren, muß man nur die Zwecke der jeweiligen Vereinigung teilen. Es soll nun beschrieben werden, inwieweit die wohlgeordnete Gesellschaft, so wie sie von RAWLS als soziale Union sozialer Unionen und nicht als ein modus vivendi beschrieben wird, aus einer Reihe von Gründen wichtig ist.43 Erstens wird dadurch den gemeinschaftlichen Aktivitäten ein Vorrang gegeben, ohne daß man sich auf diese Weise ontologisch der Annahme einer Gruppe oder, wie das etwa bei BRADLEY der Fall ist, eines ,moralischen Organismus' verpflichtet. Ein stehendes Orchester kann und wird als eine Handlungseinheit aufgefaßt, hat spezifische Interessen und eine ihm eigentümliche innere Organisation; in seinem Namen werden Entscheidungen getroffen, Pläne müssen erfüllt werden ^ Vgl. R. Dworkin: Liberal Community. In: California Law Review. 77 (1989), 479—504. ■*3 Vgl. John Rawls: The Idea of an Overlapping Consensus. In: Oxford Journal of Legal Studies. 7 (1987), 5 ff. ln diesem Aufsatz wendet sich Rawls explizit gegen die Vorstellung, daß unser politisches Leben nach dem Modell des modus vivendi verstanden werden soU; im folgenden als IOC zitiert.

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etc. Eine solche Verfaßtheit ist sowohl zeitlich als auch begrifflich Vorbedingung für jeden neuen Teilnehmer, so daß die einzelnen Handlungen gegen diesen Hintergrund ihre Bedeutungen annehmen. Zudem kann eine solche Handlungseinheit nicht als bloße Summe je einzelner Handlungen gesehen werden, sondern sie bezieht sich auf die Art, wie diese gewichtet und organisiert werden. Ein ,aufeinander eingespieltes Orchester' oder eine ,Mitgliedsgemeinschaft' scheint ein echtes Phänomen unseres Lebens zu sein. Trotzdem kann man dafürhalten, und RAWLS würde das wohl tun, daß dieser , Gemeinschaftsgeist' oder eine solche , Lebensform' nichts weiter sind als Erzeugnisse und Eigentümlichkeiten bestimmter menschlicher Einstellungen und Praktiken. Zweitens ergibt sich damit, daß sich durch den Begriff der sozialen Union RAWLS' Konzeption eines Staates, der die beiden Gerechtigkeitsprinzipien einer wohlgeordneten Gesellschaft implementiert, nicht nur deutlich von der KANrischen abhebt, sondern dem von Hegel viel näher steht, als gemeinhin anerkannt wird.^ KANT sah den Staat weiterhin als modus vivendi, als Ergebnis eines moralisch neutralen Konsenses, der durch das Zusammenfinden von Eigeninteressen zustande kommt.'*^ Hegel, so wurde oben dargelegt, sieht den Staat als grundlegenden Ausdruck der moralischen Gepflogenheiten eines Volkes, so daß der Geist oder aber Sittlichkeit die Modelle sind, die zum Verständnis des Staates dienen. Dadurch, daß hier Ähnlichkeiten aufgewiesen werden, soll nicht gesagt werden, daß RAWLS die Ansichten Hegels über Themen wie Demokratie, Natur, Krieg oder zivile Verweigerung teilt.Es soll nur betont werden, daß beide den Staat, im Unterschied zur liberalen Tradition HoBBESscher Provenienz, nicht zwischen gegenseitigen Interessen ver-

^ Sowohl A. Gutman (vgl. Anm. 31) als auch Larmore in einer jüngst publizierten Rezension von Sandei (The Journal of Philosophy. 81 (1984), 338) interpretieren Rawls' Theorie des Staates weiterhin im Sinne eines modus vivendi. Dazu vgl. man jedoch John Rawls, IOC (vgl. Anm. 43), 5 ff. ■*5 Vgl. hierzu Kants Zum Ewigen Frieden (1796). Kant bleibt nach Rawls innerhalb der Hobbesschen Linie des Liberalismus, der die „ordentliche Freiheit am besten hergestellt sieht durch einen geschickten konstitutionellen Entwurf, der die Eigen- (Familien) und Gruppeninteressen in Bahnen lenkt und durch verschiedene Mittel wie z. B. das Gleichgewicht der politischen Mächte für die Ziele der Gesellschaft arbeiten läßt" {IOC. 2). Der Kern der Rawlsschen Kritik an dieser Flobbesschen Staatskonzeption ist, daß ein solch eigennütziger Konsens , unweigerlich labil' und nur kurzlebig ist — daß er also die Stabilität und gesellschaftliche Einheit nicht erreicht, die ein wohlgeordnetes politisches System kennzeichnet (ibid.). 4* Der späte Hegel war zum Beispiel kein Demokrat. Man vergleiche PR. §§ 273 R, 279 R für seine Ansicht über Demokratie.

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mittein sehen, sofern der Staat eine grundsätzliche Aufgabe in der Artikulierung und Heranbildung solcher Interessen hat.^^ Zuletzt soll darauf aufmerksam gemacht werden, daß RAWLS dadurch, daß er das politische Leben einer Volksgemeinschaft dem Modell der sozialen Union nachkonzipiert, auch das wichtige , Gemeinwohl' anerkennt, das heißt, daß das Leben besser ist, wenn man keine scharfe Grenze zieht zwischen Eigenwohl und Gemeinwohl.^s Obwohl RAWLS der Auffassung ist, daß Staatsbürger weder religiöse noch umfassende moralische Vorstellungen darüber teilen, was als das gute Leben zu zählen habe, haben sie trotzdem noch wichtige gemeinsame Zielvorstellungen, so etwa ihr gemeinsames Bedürfnis nach Gerechtigkeit und den hohen Wert, den sie auf politische Inshtutionen und Aktivitäten als Selbstzwecke legen {TG. 572). Zumindest in der wohlgeordneten Gesellschaft denkt man sich den Bürger als einen, der sich mit der politischen Gemeinschaft identifiziert und so seinen eventuellen Anteil an Lob oder Tadel für deren Handeln hat. An diesem Punkt will ich nun zugeben, daß ein solches Konzept der liberalen Gemeinschaft, auch wenn es gegenüber dem traditionellen Liberalismus einen Fortschritt darstellt, dennoch inadäquat ist, aber nicht wegen der von SANDEL, MACINTYRE oder TAYLOR erwähnten Gründe, das heißt, nicht deswegen, weU es keine gemeinsam vertretenen umfassenden Auffassungen vom guten Leben mehr gibt. Es scheint, daß, wenn man die Verschiedenheiten der Abstammungen, Religionen und Volksgruppen betrachtet, aus denen ein Staat in der Moderne besteht, eine solche gemeinsame Auffassung nicht mehr zu erhalten ist. Noch weniger liegt es daran, weil es keine Kulturgemeinschaft mehr gibt oder weil, was als Grund noch schlimmer anmuten würde, die Bürger nicht derselben Rasse angehören. Wenn solche Argumente trotzdem versuchsweise vorgebracht würden, dann wäre das reaktionär und gefährlich, da damit einem einheitlichen Kulturgut, einer bestimmten Herrenrasse oder einer wahren Religion das Wort geredet werden würde. Der grundlegende Irrtum der jetzigen Kommunitaristen besteht darin, daß sie zwar zu Recht die Identifikation mit den Institutionen der jeweiligen Gesellschaft betonen, aber sich dabei nie dazu konkret äußern, welche Institutionen oder In der Sprache Hegels: der Staat muß seine Bürger zu einer Bewußtwerdung der Allgemeinheit bzw. der Gemeinsamkeit der Zwecke heranbilden. Rawls drückt das so aus, daß die Regierung durch die Implementierung der zwei Gerechtigkeitsprinzipien zumindest dazu verhilft, wenn auch nicht allgemeine Interessen, so doch einen diese betreffenden ,überlappenden Konsensus' zu erhalten. Diese Formulierung stammt von R. Dworkin (vgl. Anm. 42).

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Zwecke unsere Gefolgschaft verdienen. Diesen Fehler sucht man bei Hegel und RAWLS vergeblich. Daß die Konzeption der Gemeinschaft bei RAWLS SO unzureichend entwickelt ist, liegt meiner Meinung nach nicht daran, daß er den Versuch zurückweist, die heutige Gemeinschaft auf die Grundlage gemeinsamer Auffassungen vom Guten oder gemeinsamer religiöser, rassischer oder spezifischer Kulturgüter zu stellen, denn das ist genau das, was den Liberalismus stark macht. Daß die Gemeinschaft beim Liberalismus so unterentwickelt ist, liegt daran, daß dieser fortwährend übersieht, daß wir de facto in ökonomischer Hinsicht — und auch, wie ich hinzufügen würde, in Hinsicht auf unsere Reproduktion — gemeinsame Ziele haben. In der Theorie von RAWLS kommt die soziale Union im ökonomischen Bereich, jedenfalls, was den alltäglichen Ablauf der Dinge betrifft, nicht zum Zuge.Die soziale Union wird ausdrücklich von Privatgesellschaft definitorisch abgegrenzt, deren eigentliche Sphäre nach RAWLS der Wirtschaftsbereich ist. So fällt auf, daß Beziehungen am Arbeitsplatz oder jegliches Erwähnen von Beziehungen in der Firma oder bei der Produktion bei RAWLS fehlen, wenn er soziale Unionen wie etwa Familie, Spiele, Wissenschaft, die schönen Künste, Liebesbeziehungen, Freundschaften und die wohlgeordnete Gesellschaft erwähnt (TG. 570 ff). Wenn RAWLS sich dann schließlich dem Erlernen sozialer Tugenden und der wichtigen „Kunst, die Persönlichkeit anderer Menschen wahrzunehmen" (TG. 510), also dem Verstehen von Meinungen, Absichten und Gefühlen zuwendet, scheint solches Erlernen auf Gebiete abgeschoben zu werden, die nicht innerhalb des Wirtschaftsbereichs liegen, das heißt auf Eamilie, Spiele, Schule und Freundschaft (TG. 506 ff). Hier kommt zum Vorschein, woran es liegt, daß die liberale Konzeption der Gemeinschaft zu wenig entwickelt ist. Die Durchschnittsperson verbringt einen Achtstundentag am Arbeitsplatz oder in sogenannten Privatgesellschaften; gesellschaftliche Institutionen und Beziehungen faßt man lediglich zweckratio-

Diese Behauptung muß etwas qualifiziert werden. „Soziale Union" in ökonomischer Hinsicht, so kann man sagen, trifft auf die Rawlssche wohlgeordnete Gesellschaft als Ganze zu, insofern die Gesellschaft das Differenzprinzip verwirklicht,— daß keinem etwas zugute komme, wenn nicht allen, einschließlich der am schlechtesten Gestellten, etwas zugute kommt. Dieses Prinzip wird jedoch sozusagen ,von oben nach unten', d. h. vom jeweifigen Regierungszweig implementiert (TG. 343 ff), hat also innerhalb einer Firma oder auf der untersten Ebene der Arbeitswelt, in der Privatpersonen immer in „privater Gesellschaft leben können", keine Wirkung. Vgl. dazu von der Verfasserin Rawls and Ownership. In; Canadian Journal of PhUosophy. 13 (1988) und die Arbeit von G. Doppelt: Rawls' System of Justice. A Critique from the Left. In: Nous. 15 (1981), Nr 3, 259—307.

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nal auf und Drittpersonen werden so gesehen, als hätten sie zumindest unabhängige ZielvorStellungen. An anderer Stelle habe ich ausgeführt, daß sich RAWLS, auch wenn das mit anderen Intentionen seiner Theorie im Widerspruch steht, nicht von dem Bild befreien konnte, das seit LOCKE und ADAM SMITH den Menschen in der Arbeitswelt als privaten, auf die Maximierung von Aneignung hinarbeitendes Wesen darstellt.^o Mir kommt es darauf an, daß dieses Modell zurückgewiesen werden muß, und zwar mehr oder weniger aus den Gründen, die RAWLS dafür angibt, wenn er es in anderen Bereichen selbst zurückweist, nämlich deswegen, weil es menschenunwürdig ist.^i Zuletzt ist noch anzufügen (was ich ebenfalls andernorts entwickelt habe), daß die Einflußkraft dieses Modells dadurch abgeschwächt werden kann, daß man die alternative Form der Arbeit ernster nimmt, die von Frauen in der Fürsorge für Kinder, Familie und Heim geleistet wird.^^ Bei dieser Form von reproduktiver Arbeit geht es nicht nur wesentlich um Andere, wodurch man den Charakter , sozialer Unionen' erhält, sondern man übt in ihr das aus, was RAWLS die Kunst der Wahrnehmung Anderer genannt hat {TG. 510). Für den Augenblick soll der Hinweis genügen, daß das, was an der Kritik an RAWLS legitim erscheint, nicht eigentlich von den Kommunitaristen der Gegenwart ersonnen wurde, sondern nur eine Version der bekannten sozialistischen Kritik ist. Unsere Gemeinschaft ist dadurch am stärksten bedroht, daß Beziehungen marktwirtschaftlichen Charakter annehmen und nicht durch Unterschiede in Religion, Kultur oder Rasse bedingt sind. Abschließend muß noch bemerkt werden, daß Hegel von einigen Institutionen erwartete, Gemeinschaftswerte zu pflegen, wodurch sie die Vereinzelung der bürgerlichen Gesellschaft der Moderne aufhalten würden: etwa die Familie durch Verwandtschaftsbeziehungen, der Staat mittels Erteilung allgemeiner Rechte und der Auferlegung allgemeiner Pflichten oder durch die Institution des Erstgeburtsrechts, die das Land vor Verfremdung schützen sollte (und über das sich MARX ZU Recht lustig machte) und zuletzt und ganz besonders durch die wirtschaftlichen Körperschaften, die die bis dahin vereinzelten Arbeiter zu mächtigen Vereinigungen zusammenschließen und damit ein Mittelding zwischen Indi^ Vgl. dazu meinen Aufsatz: Rawls and Ownership (s. vorherige Anm.). G. Doppelt kritisiert vom marxistischen Standpunkt aus Rawls ebenfalls dafür, daß er „Gemeinschaft" auf den politischen Bereich beschränkt, und dafür, daß seine Theorie keine Möglichkeit habe, „das Modell der Würde durch selbstbestätigendes Arbeiten in der Gemeinschaft mit Anderen zu korporieren"; vgl. Doppelt (Anm. 49), 277. 52 Näheres findet sich dazu in meinem Aufsatz: Rawls and Ownership (vgl. Anm. 49).

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viduum und Staat schaffen {PR. §§ 231—256). Doch RAWLS kann nicht alles, was Hegel hier anbietet, in Anspruch nehmen. Er kann zum Beispiel nicht (selbst wenn das helfen würde) auf die Institutionen des Feudalstaates zurückgreifen, um den Prinzipien der Marktwirtschaft entgegenzuwirken; in den Vereinigten Staaten zumindest gab es diese feudalen Institutionen nie. RAWLS hat folglich auch keine Entsprechung für die Hegelsche ,wirtschaftliche Zusammenarbeit', — das heißt, er hat kein solches Zwischending zwischen Individuum und Staat, eine Gemeinschaftsform, die sich zum Beispiel im Mitspracherecht am Arbeitsplatz findet — wofür RAWLS kritisiert wurde.Schließlich macht die Familie, der vermeintliche Unterschlupf in dieser herzlosen Welt, Veränderungen in nicht bekanntem Ausmaß durch, wie etwa die Einbeziehung der Frau in die Marktwirtschaft, wodurch die engen und fürsorgenden Beziehungen in der Familie, statt die zweckrationalen Beziehungen der Marktwirtschaft unter Kontrolle zu halten, von diesen verdrängt werden. Es scheint so eine ganz reale Bedrohung für die Gemeinschaft zu geben — das heißt, es besteht wirklich die Gefahr, daß die unabdingbaren Interessen des Individuums mit denen einer Gemeinschaft, die zu einer gewissen Größe gefunden hat und erwägenswert ist (um vom Staat ganz zu schweigen), nie genuin identisch sind. Die Lösung für dieses Problem liegt aber nicht in einer Rückwendung zur Vergangenheit.

6. Die Eule der Minerva Es konnte gezeigt werden, daß die von RAWLS entwickelte Theorie nicht so fernab vom Urheber der kommunitaristischen Bewegung liegt, wie das gemeinhin geglaubt wird. RAWLS' Theorie hat sich dadurch, daß seine politische Philosophie auf Konfliktlösung oder Versöhnung der Gegensätze abzielt, daß seine Methode Ordnung schaffen und einen Überblick erreichen will, die Person , expressiv' und mit zwei moralischen Grundvermögen ausgestattet konzipiert wird, und dadurch, daß Gesellschaft als , soziale Union sozialer Unionen' vorgegeben wird, vom Liberalismus im Sinne HOBBES' weitgehend freigemacht. Meiner Interpretation zufolge haben sowohl Hegel als auch RAWLS sogar die Schwäche gemein, daß sie dem HoBBESschen Zug ihrer Theorie in der privaten oder

53 Jüngst wieder bei A. Gutman (vgl. Anm. 31), 321.

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bürgerlichen Gesellschaft zu viel Freiraum gewähren. Anhand dessen soll nun noch ihre letzte Gemeinsamkeit aufgewiesen werden soll. Hegel ist der Auffassung, daß sich die Eule der Minerva — Philosophie — erst in der Abenddämmerung in die Lüfte schwingt, denn erst nachdem eine Handlung zum Zweck gefunden hat und eine Lebensform reif geworden ist, kann sie gedanklich erfaßt werden. Eine solche Konzeption, daß Philosophie rückwärts gerichtet ist, wenn dies auch in einigen Punkten qualifiziert werden muß, kann auch RAWLS zugeschrieben werden.^4 heißt, daß man, genauso wie MARX Hegel dafür kritisierte, zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf politischem Gebiet die in Richtung Demokratie führende Bewegung nicht erkannt zu haben, RAWLS' Theorie dafür kritisieren kann, daß sie den Ruf nach Demokratie im Bereich der Wirtschaft nicht ernst genommen hat.^^ Ganz sicher ist, daß er die radikalen Konsequenzen der Frauenbewegung noch nicht bemerkt hat. ln beiden Fällen scheint mir das Versäumnis die gleiche Ursache zu haben, denn wie auch die politische Verwendung der Dialektik, so beginnt das reflektierte Gleichgewicht mit den Gegebenheiten unserer philosophischen Überlieferungen und der ,öffentlichen politischen Kultur'. Auch wenn RAWLS dabei nur unsere gemeinsame politische Tradition im Unterschied zum Beispiel zur eigennützigen wirtschaftlichen Sphäre hervorheben wollte, dann wäre das unzureichend, denn radikal neue Entwicklung könnte es in anderen Gebieten zuerst geben, zum Beispiel am Arbeitsplatz. Dem kann noch hinzugefügt werden, daß, auch wenn es notwendig und wichtig ist, unsere philosophische Tradition und öffentliche politische Kultur zu untersuchen, dies nicht hinreichend ist, denn in diesem Bereich gab es bis vor kurzer Zeit nur Männer. Das würde nahelegen, daß, um eine ,angemessenere' Darstellung der wohlgeordneten Gesellschaft zu erhalten, der Begriff des reflektierten Gleichgewichts ,radikalisiert' und auf neue Gebiete, z. B. auf den persönlichen Bereich, ausgeweitet werden muß. Falls wir grundlegend über , Gemeinschaft' nachdenken — etwa darüber, was eine gerechte Gesellschaft zusammenhält —, kann man meiner Ansicht nach die von Frauen traditionellerweise im Privatbereich ge^ Das gilt sicher ganz generell, auch wenn sich bei Rawls utopistische oder vorausschauende Passagen finden, wie etwa diese: ,,[b]is wir eine Vorstellung davon entwickeln, wie [ein öffentliches Verständnis des gegenseitigen Respekts] verwirklicht werden könnte, wird es nicht zu einem solchen kommen" {PNM. 231). 55 Das soll nicht heißen, daß die „Links-Rawlsianer" das nicht gefordert hätten, ln diese Kategorie fallen Arbeiten wie die von Josh Cohen/Joel Rogers: On Democracy. New York 1983; G. Doppelt (vgl. Anm. 49) und mein eigener Artikel über Rawls and Ovmership (vgl. Anm. 49).

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leisteten gemeinschaftsdienlichen Aktivitäten nicht länger ignorieren, etwa die Arbeit, die darin besteht, die konkreten Bedürfnisse anderer zu interpretieren und auf sie einzugehen — was weitgehend die konkreten Beziehungen zwischen Personen als Selbstzweck erstellt. Wenn nun Frauen in die öffentlichen Bereiche gelangen, kann das, wie von Feministinnen vorgebracht wird, die Entstehung der neuen Forderung bewirken, daß die politischen Institutionen dies reflektieren. Es könnte jedoch sein, daß die Konzeption vom Staat der Moderne, traditionellerweise in der Rolle, Law and Order zu erhalten oder für den Krieg gerüstet zu sein und seine Bürger und den Wettbewerb zu überwachen, sich ändern würde und der Staat hauptsächlich für Dienstleistungen zuständig wäre, unsere Bedürfnisse positiv ändern und ihnen gleichzeitig nachkommen würde. Abschließend möchte ich noch bemerken, daß vieles, was die Kommunitaristen an Kritik gegen RAWLS Vorbringen, lediglich Ablenkungsmanöver sind: RAWLS wird entweder falsch verstanden, oder er hat den Punkt schon zugegeben. Vielleicht ist dies zumindest nach dem Vergleich mit Hegel deutlich geworden. Zudem hat der hier vorgelegte Vergleich auch dargetan, daß, was insbesondere die politische Philosophie und Ethik anbelangt, viele der verunglimpften Begriffe Hegels vielleicht gar nicht so unangebracht sind. Die analytische Philosophie hat, als sie sich von Hegel ganz abkehrte, des Guten zu viel getan. So hat zum Beispiel der Begriff der internen Relation, wenn es um den Bereich der Beziehungen zwischen Personen geht und nicht um die Frage, ob alle Beziehungen intern seien, einen ganz gewissen Reiz.^ö Wenn mir bekannt wird, daß man nebenan ein Kind mißhandelt oder daß die Bürgerrechte eines Volkes verletzt werden, dann geht das nicht spurlos an mir vorbei — in mir findet eine Änderung statt. Desgleichen gilt, daß man die Menschen nicht durch CARTEsische Reflexion oder (wie etwa bei HUME) simple empirische Beobachtung und erst recht nicht (wie bei MOORE) durch eine rätselhafte Fakultät der Intuition verstehen lernt; statt dessen ist dieses Wissen ein Prozeß, der, ganz wie das reflektierte Gleichgewicht, vermittelt und indirekt, Ergebnis von hartem und subtilem Nachdenken, von Erfahrung und Aufeinanderbeziehung vieler verschiede^ Dinge haben eine interne Relation, wenn (wie Bradley das typischerweise formuliert) die Begriffe „notwendigerweise geändert" werden, sobald sie eine Beziehung eingehen. Wenn ich notwendigerweise in einer bestimmten Beziehung zu einem Objekt stehe, so daß ich nicht ich wäre, wenn ich nicht in dieser Beziehung stünde, dann ist diese Beziehung eine mir interne. Vgl. hierzu P. Hylton: Russell, Idealism and the Emergence of Analytic Philosophy. Oxford 1990. 44 ff.

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ner, konkret und geschichtlich positionierter Einzelner ist. Dieser komplexe Ansatz führt meiner Ansicht nach von der selbstgefälligen Sicherheit weg, die den Dogmatismus immer begleitet. Daß es am Ende wieder um die Person geht, Person nicht als vereinzeltes biologisches Wesen, sondern Person als Kulturprodukt, deren Bedürfnisse und Handlungen eine wesentliche Verbindung haben mit den im Hintergrund wirkenden Institutionen und gesellschaftlichen Bedingungen, von denen es lehrend beeinflußt wurde — diesen Begriff der Person nicht durch bloße Beschreibung herauszustellen, sondern durch eine Darlegung unserer Vorstellung, wie wir uns gestalten wollen, ist das philosophische Erbe Hegels, das in RAWLS Denken weiter erhalten bleibt.*

Der hier vorgelegte Aufsatz wurde zum Teil von Forschungsstipendien der City University of New York (Baruch College) gefördert. Für die Übersetzung ins Deutsche danke ich herzlich Herrn Constantin Schölkopf.

ERNST VOLLRATH (KÖLN)

ZUM HEGELVERSTÄNDNIS HERMANN HELLERS

I. Der Jurist und Staatsrechtslehrer HERMANN HELLER (1891—1933) hat sich mehrfach kritisch mit dem politischen Denken Hegels auseinandergesetzt. Mit der Erörterung seines Hegelverständnisses verbinde ich mehrere Absichten. Einmal soll der Bezug der beiden Disziplinen, in denen sich — neben der Historiographie — die politische Wahrnehmung im deutschen Kulturkreis am wirkmächtigsten ausgesprochen hat, nämlich der Politischen Philosophie und der juristischen Staatsrechtslehre, näher dargelegt werden. Zum anderen läßt sich in dieser Darlegung die Ambivalenz dieser politischen Wahrnehmung aufdecken, die bei einer isolierten Betrachtung nicht — oder doch nicht so deutlich — zum Vorschein kommt.

II. versteht, wie der Titel seiner Abhandlung belegt^, das politische Denken Hegels als Ausdruck des von ihm heftig bekämpften Machtstaatsgedankens. Aber ist das nicht eine vollkommene FehlinterHERMANN HELLER

1 Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke in Deutschland. Ein Beitrag zur politischen Geistesgeschichte. In: Hermann Heller: Gesammelte Schriften. Hrsg, von M. Draht und Ch. Müller. Leiden 1971. Bd 1: Orientierung und Entscheidung. 21 f. Ferner (ebd. 13 f) die Einleitung Hellers in Hegels Die Verfassung Deutschlands (zuerst 1920 in Reclams Universalbibliothek (Nr 6139/6140) erschienen und (ebd. 241 f) der Aufsatz Hegel und die deutsche Politik. Die Literatur zum Thema ist nicht sehr umfangreich. Zu erwähnen ist: U. Scheunen Hegel und die deutsche Staatslehre des 19. und 20. Jahrhunderts. In: Studium Berolinense. Gedenkschrift zur 150. Wiederkehr des Gründungsjahres der Friedrich-Wühelm-Universität zu Berlin. Berlin 1960. 129 ff. Der Aufsatz von M. Hartwig: Die Krise der deutschen Staatslehre und die Rückbesinnung auf Hegel in der Weimarer Zeit (in: Anspruch und Leistung von Hegels Rechtsphilosophie. Hrsg, von Ch. Jeimann. Stuttgart-Bad Cannstatt 1987. 237 ff) ist unzulänglich.

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pretation? Hat ein solches Hegelverständnis nicht dazu geführt, daß später KARL POPPER sein durch nichts belegbares Interpretament von Hegel als dem Vertreter einer totalitären Staatsauffassung von sich geben konnte?^ Steht denn nicht im Zentrum des Hegelschen Denkens die Idee des Rechts oder gar des RECHTs, wie BRUNO LIEBRUCKS sagen würdet. Hegel war sicherlich imstande, auch den Machtcharakter des Staates in den Blick zu nehmen und das wohl positiver als die anderen Vertreter des Deutschen Idealismus. Wenn Hegel im § 337 der Grundlinien der Philosophie des Rechts Recht und Macht (er spricht von Politik) in ein nicht-antagonistisches Verhältnis setzt, dann ist das nichts anderes als seine Interpretation des KANxischen Grundsatzes, daß „die wahre Politik .. . keinen Schritt tun [kann], ohne vorher der Moral gehuldigt zu haben"4. „Die Ansicht von dem vermeintlichen Unrechte, das die Politik immer in diesem vermeintlichen Gegensätze [zum Recht, E. V.] haben soll, beruht noch viel mehr auf der Seichtigkeit der Vorstellungen von Moralität, von der Natur des Staates und von dessen Verhältnis zum moralischen Gesichtspunkte." Wenn es tatsächlich den Gegensatz zwischen Machtstaatsgedanken und Rechtsstaatsgedanken geben sollte, dann gehört Hegel doch wohl auf die Seite der Position der Rechtsstaatsidee. Wie kann dann die schier unbegreifliche Fehlinterpretation HELLERS sich einsteUen? Oder steckt doch etwas Wahres in ihr? Etwas, das HELLER nicht herausgearbeitet hat, weil er dazu durch seine Position in der Auseinandersetzung mit der Problematik der deutschen Staatsrechtslehre seiner Zeit gehindert war.

III. Die Hegelinterpretation HELLERS ist außerordentlich kritisch, ja ablehnend, während andere Staatsrechtslehrer seiner Zeit Hegel, ihren Hegel, so wie sie ihn verstanden, durchaus positiv und affirmativ lesen. Anders gesprochen: HELLER lehnt ab, was im staatsrechtlichen Neo-Hegelianismus gefeiert wird. In der Staatsrechtslehre wird — affirmativ oder kritisch — Hegel als Vertreter des Machtstaatsgedankens gedeutet. HELLER drückt das schon im Titel seiner Abhandlung aus: Hegel und der nationale

2 Karl Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Bd 2: Falsche Propheten. Hegel, Marx und die Folgen. Bern 1958. 3 ß. Liebrucks: Sprache und Bewußtsein. Bd 3. Frankfurt am Main 1966. Passim. I. Kant: Zum ewigen Frieden. In: Akademie-Ausgabe. Bd 8. 350.

Zum Hegelverständnis Hermann Hellers

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Machtstaatsgedanke. Über die Frontenbildung innerhalb der Staatsrechtslehre seiner Zeit urteilt er so: „Wo immer die heutige deutsche Staatslehre sich nicht ausschließlich auf die formal-juristische Erkenntnis der Fassade des Staates festgelegt hat [damit ist der positivistische Normenformalismus ä la KELSEN gemeint, E. V.], knüpft sie mittelbar oder unmittelbar, bewußt oder unbewußt, an die Machtlehre Hegels an und nicht an KANT, FICHTE, SCHELLING oder irgendeinen anderen deutschen Philosophen. Auch HELLER vertritt einen nicht-(formal-)normativistischen Standpunkt; aber er möchte auch nicht als Vertreter einer Position gelten, die den Staat als reinen Machtapparat und als abstraktes Herrschaftsgebilde interpretiert — und eine solche Position sieht er von Hegel vertreten, sogar begründet. In ermüdender Aufzählung reiht er Hegel-Zitat an Hegel-Zitat, um seine These vom Machtstaatsdenken Hegels zu belegen. Den Kern dieser These spricht er so aus: „Hegel [hatte] . . . eine Theorie des Staates formuliert, die heute [d. i. 1921, E. V.] noch nicht nur die deutsche, sondern auch fremde Wissenschaft allgemein anerkennt. Nachdem jahrhundertelang um das Subjekt der Staatsgewalt wissenschaftlich und politisch gekämpft worden war und die Theorie es einerseits im ,Volk', andererseits im Herrscher hat erkennen wollen, erklärt nun Hegel für den Inhaber der Souveränität ein Drittes, über beiden Stehendes: den Staat. Das läßt sich ein abstraktes Staatsverständnis nennen, in dem der , Staat an sich' den Primat in der Auslegung des Politischen beanspruchen kann. Den Grund für dieses ,Politik-Monopol' des ,Staates an sich' spricht HELLER an, wenn er Hegel den „Schöpfer der modernen Persönlichkeitstheorie des Staates" nennt^. Diese Formel muß ausgelegt werden, um in das Zentrum der Problematik einzudringen. Das kann nur in mehreren Schritten geschehen, die vorweg vorgezeichnet werden sollen. Zunächst wird das Staatsverständnis Hegels gekennzeichnet (IV). Dann muß die ältere juristische Staatslehre kurz vorgeführt werden (V). Und schließlich wird die Umwandlung dieses älteren Staatsverständnisses im formalistischen Normenpositivismus des 19. Jahrhunderts dargestellt (VI), die — zumindest für HELLER — unter dem Einfluß von Hegels Theorie der Staatspersonalität sich vollzogen hat. Erst dann können weitere Erwägungen angestellt und Folgerungen gezogen werden. Bei allen diesen Erwägungen wird stets auch das Verhältnis von philosophischer 5 Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke. 192. ^ Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke. 136. 7 Ebd.

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Politik- und Staatstheorie, hier natürlich vor allem der Hegels als einer besonders herausragenden Gestalt, und juristischer Staatsrechtslehre im Blick stehen müssen.

IV. Eigentlich ist es eher verwunderlich, wie es überhaupt dazu kommen konnte, daß die deutsche juristische Staatsrechtswissenschaft Konzepte des Hegelschen Denkens aufzunehmen imstande war^, verstand sie sich doch, sicher nicht ausschließlich, als antispekulativ, empirisch, positivistisch, jedenfalls unphilosophisch. Hegel selbst hat schon die juristische Disziplin seiner Zeit so gesehen, und daher hat für ihn diese Staats(rechts)wissenschaft nur den äußeren Staat — die ,Bürgerliche Gesellschaft' — zum Gegenstand. Dieser äußere Staat ist zugleich der real existierende Staat, der der autonomen sittlichen Person auch nur als etwas Äußerliches, als ein mit Zwangsbefugnis ausgestatteter Herrschaftsapparat (, Polizei') entgegen tritt. Die dafür eingesetzte Figur ist der Maschinenstaat®, und wenn es richtig ist, daß Hegel der Verfasser des sogenannten Ältesten Systemprogramms des Deutschen Idealismus ist, dann spricht er dort die Ablehnung des Maschinenstaates in aller Schärfe aus. „Die Idee der Menschheit voran — will ich zeigen, daß es keine Idee vom Staat gibt, weil der Staat etwas Mechanisches ist, sowenig es eine Idee von einer Maschine gibt. Nur was Gegenstand der Freiheit ist, heißt Idee. Wir müssen also über den Staat hinaus! — Denn jeder Staat muß freie Menschen als ein mechanisches Räderwerk behandeln; und das soll er nicht; also soll er aufhören.'“^ Der real existierende Maschinenstaat beschädigt, ja negiert und destruiert die absolute Autonomie der Person, der gegenüber er die Gestalt einer absoluten Entfremdung ist. Er negiert und destruiert vor allem de® Zur affirmativen Verwendung der Maschinenstaatsmetapher: B. StoUberg-Rilinger: Der Staat als Maschine. Zur politischen Metaphorik des absoluten Fürstenstaates. Berlin 1986; eine (unvollständige) Liste ihrer negahven Verwendung ließe sich aufstellen nach: O. Pöggeler: Das Menschenwerk des Staates, ln: Mythologie der Vernunft. Hegels ,ältestes Systemprogramm des deutschen Idealismus'. Hrsg, von Ch. Jamme und H. Schneider. Frankfurt am Main 1984. 190 f und F.-P. Hansen: ,Das Älteste Systemprogramm des Deutschen Idealismus'. Rezeptionsgeschichte und Interpretation. Berlin, New York 1989. 356, Anm. 21. Es wäre interessant zu untersuchen, ob der Antagonismus der affirmativen und der negativen Verwendung nicht auf den deutschen Kulturkreis beschränkt ist, d. h. von dem hier vorherrschenden Politik-Verständnis mit seiner absorptiven Identifikation von , Staat' und , Politik' abhängig ist. ® Mythologie der Vernunft (wie Anm. 8). 11 f.

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ren Se/fefbewußtsein als absolut autonomer Se/bstbestimmung — ,also soll er aufhören', abgelöst und ersetzt durch die ausschließlich auf Vernunft und Moral sich einlassende Gemeinschaft der Reflektierenden. Es gibt auf dem Boden der Idee der Person als der absolut autonomen Selbstbestimmung in dieser Zeit und im deutschen Kulturkreis eine ganze Reihe von Instanzen solchen ontologisch-reflexionsmoralisch begründeten An-Archismus, in denen die Figur einer (fremd-)herrschaftsfreien, staatlosen idealen Metapolis entworfen wird^*'; der berühmteste Fall ist bekanntlich die MARX-FNGELSsche Konzeption vom Absterben des Staates und seiner Ersetzung durch die auf das Gattungswesen des Menschen gegründete freie Assoziation der Produzenten, deren Kataklysmos wir gegenwärtig beiwohnen. Auf jeden Fall kann unter dieser Perspektive die positive Staatsrechtslehre nur als Anpassung an die bestehenden Verhältnisse des Maschinenstaates gelten. Hegel nimmt allerdings, ohne von der negativen Kennzeichnung des Maschinenstaates abzulassen, später Abstand von dem reflexionsmoralischen An-Archismus seiner frühen Jahre. Bedenkt man die Formel aus den Grundlinien der Philosophie des Rechts (§ 257) vom Staat als der „Wirklichkeit der sittlichen Idee", dann könnte man auf den Gedanken kommen, ihn einen Über-Etatisten zu nennen. Jedenfalls nimmt er die Negativität des Staates zurück, allerdings um den Preis eines reflexionsmoralisch umgearbeiteten Staatsbegriffs. Denn der Staat, dieser Staat, ist die Universalität derjenigen Rechtsqualitäten, welche die einzelne Person im Reflexionsakt zwar als die erkennt, die ihre eigene personale Autonomie begründen, die sie selbst aber nur partikular besitzt. Hegels Staatsbegriff ist so verfaßt, daß die Selbstbestimmung und Selbstherrschaft der autonomen sittlichen Person über sich selbst reflexionsmoralisch in ihm universalisiert worden ist. Das hat zwei zusammenhängende Konsequenzen. Einmal ist der Staat nun selbst eine real-(ideal-)universale Persönlichkeit. Hegel hat die im autoreflexiven Selbstbestimmungsakt der einzelnen Person erzeugten Rechtsstrukturen universalisiert auf die Rechtspersönlichkeit ,Staat' übertragen. Daher besitzt nun zum anderen die einzelne Person ihre volle Persönlichkeit nur als Angehöriger dieser universellen real-idealen Persönlichkeit ,Staat'. Die nooumenale Partizipation an der Persönlichkeit , Staat', die in demselben spekulativen Reflexionsakt ausgewiesen wird, in dem und aus dem auch die Staatspersönlichkeit entwickelt und 10 Einige Belege in E. Vollrath: Grundlegung einer philosophischen Theorie des Politischen. Würzburg 1987. 127, Anm. 76.

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,erzeugt' wird, garantiert die Vernünftigkeit dieser ,Idee', d. h. des Zusammenhanges von autonomer Einzelpersönlichkeit und universeller Staatspersönlichkeit. Die so erzeugte Idee ist dazu bestimmt, die real nicht existierende Partizipation als der Vernunft dieser Idee entsprechend und daher zu befördernde auszuweisen. Die Ambivalenz dieser Konzeption kommt zum erstenmal, denn später werden noch weitere Momente angesprochen werden müssen, zum Vorschein, wenn gefragt wird, warum Hegel die ursprüngliche anarchische Konzeption, die der autoreflexiven Spekulation so viel angemessener zu sein scheint, zugunsten seiner etatistischen aufgegeben hat. Darauf kann man mehrere Antworten geben. Die eine ist die philosophische, die Hegel selbst gegeben hat, sofern er immer wieder behauptet, die Logik der Philosophie des Rechts sei der philosophischen Logik selbst entsprungen und mit dieser identisch.ii Wenn in der und aus der Selbstbewegung des spekulativen Begriffs alle Ideen und das ganze System der Ideen vollständig soll abgeleitet werden können, dann muß das schließlich auch für die Idee ,Staat' zutreffen. Es ist ja der Anspruch des Hegelschen Denkens, nicht einfach die vorliegenden Vorstellungen (etwa , Staat') in ihrer mehr oder weniger phänomenalen Natürlichkeit aufzunehmen und auf ihren philosophisch-vernünftigen Gehalt hin verständlich zu machen, sondern sie durch ihre Genesis aus dem autoreflexiven Selbstbestimmungsakt des Bewußtseins der Systematik von dessen logisch-spekulativer Denkbewegung zu unterstellen. Ob dieser Anspruch bei Hegel erfüllt ist, ist bekanntlich besonders in bezug auf die Grundlinien der Philosophie des Rechts und die dort behandelten Materien eine ganz andere Erage. Darin zeigt sich, daß ein Verständnis von Hegels ,Politischer Philosophie' sich nicht allein an die Selbstauslegung dieses Denkens zu halten braucht. Die philosophische Binnensicht ist nicht die einzige Möglichkeit der Auslegung. Von ,außen' läßt sich der Sachverhalt noch anders anvisieren. Dabei muß diese ,Außensicht' natürlich ausgewiesen werden. Das geschieht hier, indem auf den politik-kulturellen Zusammenhang hingewiesen wird, dem das Hegelsche Denken zugehört. Dieser politik-kulturelle Zusammenhang ist der Typus der politischen Wahrnehmung im deutschen Kulturkreis, dessen Moment das Hegelsche Denken

11 Belege und Problematik werden kundig behandelt in: H. Ottmann: Hegelsche Logik und Rechtsphilosophie. Unzulängliche Bemerkungen zu einem ungelösten Problem. In: Hegels Philosophie des Rechts. Die Theorie der Rechtsformen und ihre Logik. Hrsg, von D. Henrich und R.-P. Horstmann. Stuttgart 1982. 382 f.

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ebenso wie alle politische Philosophie in Deutschland istd^ Im Zentrum dieser politischen Wahrnehmung steht aus geschichtlichen Gründen der Staat in seiner herrschaftskategorialen Bestimmung, wie ein frühneuzeitlicher Denker, JUSTUS LIPSIUS, sagt, der Staat als ordo in iubendo et parendo^^. Hegel hat dieses PoHtikverständnis durch Unterstellung unter die Logik des autoreflexiven Spekulationsaktes dahingehend universalisiert, daß eine jede einzelne Person, und damit alle, in der nooumenalen Partizipation an der idealen Realpersönlichkeit des Staates als der Wirklichkeit der sittlichen Idee nun autoreflexiv sich selbst gehorcht. Er bleibt damit im Horizont der traditionellen Wahrnehmung des Politischen und seiner absorptiven Identifikation mit dem herrschaftskategorial bestimmten Staatsbegriff; er steigert dies Paradigma durch die reflexiv-spekulativ Deutung seiner Momente: ,Staat' ist autoreflexiv universalisiert weiterhin die zentrale ,politische' Kategorie, und das herrschaftskategoriale Moment wird gleichfalls als autoreflexives Szch-Selbst-Beherrschen ausgelegt. Um den Unterschied klarzumachen: self-government meint gerade nicht S/c/z-Beherrschen, sondern selbst zu bestimmen, wie und durch wen man regiert werden will! Die Unfähigkeit, zwischen den beiden vollkommen differenten Weisen der Selbstbestimmung, der philosophischen und der politischen, unterscheiden zu können, kann der reflexive Fehlschluß des Politischen genannt werden. Jedenfalls verbleibt auch Hegels Staatsbegriff im Horizont der herrschenden politischen Apperzeption im deutschen Kulturkreis mit ihrem Primat des herrschaftskategorial bestimmten Staates. Zumal die Position, die dieser Begriff in der Systematik der Rechtsphilosophie einnimmt, nämlich die politisch zentrale, von der her alle anderen Begriffe, z. B. ,Verfassung', erst ihre Bestimmung erfahren, ist keineswegs zwingend Resultat der philosophischen Denkbewegung, sondern Aufnahme des traditionellen Staatsverständnisses im deutschen Kulturkreis und in dessen herrschender politischer Apperzeption. Dieses Staatsverständnis läßt sich unterschiedlich auslegen, sowohl affirmativ als auch negativ (wie im kritischen ,Maschinenstaats'-Konzept); und für beide Varianten gibt es im deutschen Kulturkreis zahlreiche Belege. Entscheidend bleibt die Identifikation des Politischen mit dem Staat, das ,Politik-Monopol' des Staates. Die absorptive Identifikation des Politischen mit dem Staat gibt es, um die wichtigsten Vergleichsmöglichkeiten heranzuziehen, in E, Vollrath: Die Kultur des Politischen. Konzepte der politischen Wahrnehmung in Deutschland, ln: Der Begriff der Politik. Bedingungen und Gründe politischen Handelns. Hrsg, von V. Gerhardt. Stuttgart 1990, 268 ff. 13 Justus Lipsius: De Politicorum sive civilis doctrina libri sex. Leiden 1589. II, 1.

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der anglo-amerikanischen politischen Wahrnehmung nicht und in der französischen politischen Wahrnehmung nicht sod^ Sie ist das Ergebnis eines geschichtlichen und kulturellen Prozesses, an dem philosophische Spekulation zwar beteiligt ist. Sie ist aber nicht der Grund der Festlegung der politischen Wahrnehmung auf die zentrale Kategorie des Staates. Zusammen mit der juristischen Staats(rechts)lehre (und zusammen mit anderen Disziplinen und weiteren Ausformungen der politischen Kultur in Deutschland) bildet die politische Philosophie, auch die Hegels, nur ein Moment im Gesamtkontext der politischen Wahrnehmung in Deutschland, der sie zugehört und von der sie in Hinsicht auf ihre Kategorien und apperzeptiven Horizonte abhängig ist. Das zeigt, daß es in bezug auf den politik-kulturellen Kontext keine Autonomie des philosophischen Arguments gibt. Daß die zentrale Kategorie des Hegelschen politischen Denkens der Staat ist, ist nicht selbst Produkt philosophischer Spekulation, sondern aus dem politik-kulturellen Kontext — der Kultur des Politischen im deutschen Sprachraum — vorgelegt. Auch die herrschaftskategoriale Bestimmung des Staatsbegriffs bleibt von daher bestehen; sie ist nur der spekulativen Bewegung der Autoreflexion angepaßt: Se/bstherrschaft als Sich-Se/l)sf-Bestimmen, wobei die Selbstheit dieses Szdz-Bestimmens eines Jeden, aller und des Ganzen sich in der real-idealen Staatspersönlichkeit universell realisiert.

V. Schon bevor Hegel seinen ideal-realpersonalen Staatsbegriff konzipierte, war sowohl in der philosophischen als auch in der juristischen Staatstheorie ein Begriff vom Staat ausgearbeitet worden, gemäß welchem der Staat wie eine Person — nämlich als eine ,juristische' oder ,moralische' Person angesehen werden konnte^^, wobei,moralisch' hier keinerlei sittlichen Charakter anzeigen soll. Als solcher ist der Personenbegriff des Staates also gar nichts Neues. Es handelt sich vielmehr um die juristisch korrekte Fassung des allgemeinen Staatsbegriffs, durch den sich der in der Neuzeit erstmalig aufkommende und sich durchsetzende neue Verbandstyp , Staat' von allen vorneuzeitlichen Verbandstypen unterschei1“* E. Vollrath: Deutschland als Verfassungsdemokratie. In: liberal. Vierteljahreshefte für Politik und Kultur. 32 (1990), 68 f. 15 Zahlreiche Belege in: U. Häfelin: Die Rechtspersonalität des Staats. Teil 1: Dogmengeschichtliche Darstellung. Tübingen 1959. Allerdings wird die Verschärfung des Persönlichkeitsdogmas im formalistischen Normenpositivismus nicht bemerkt.

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det (da es auch andere Verbände gibt, deren Typus durch ihre Qualität als ,juristisch-moralische Person' bestimmt ist, wird der staatliche Typ eigens durch die Qualität der Souveränität herausgehoben: in der Definition MAX WEBERS ist der Staat die souveräne Anstalti^). Die Personalität der juristischen Person ist dabei stets nur eine fiktive. Um diese Fiktion handlungsfähig zu machen, mußte ihre Fiktionalität durch gewisse vermittelnde Verfahren überbrückt oder überdeckt werden, und diese konnten theoretisch ganz unterschiedlich angesetzt werden: organologisch, mechanisch, symbolisch, personalisfisch etc. Es handelt sich grundsätzlich um eine Repräsentationsvermittlung, auf Grund derer verfahrensmäßig bezeichneten natürlichen Personen im Auftrag oder zu Gunsten dieser fiktiven Person eine Handlungskompetenz (,Amt') zuerteilt wird. Die fiktive Person ist zugleich persona repraesentataA'^ Dieses Personenkonzept diente dazu, das patrimoniale Eigenrecht des Fürsten am Staat abzuwehren und den Staat im internationalen Verkehr handlungsfähig zu machen. Mit anderen Worten: bei ,Staat' handelte es sich um ein juristisch-technisches Zuschreibungssubjekt (eine ,Maschine'! So gesehen fehlt dieser Bestimmung die kulturkritische Konnotation, die in der negativen Fassung des ,Maschinenstaats'-Subjekts im deutschen Kulturkreis damit verbunden war).

VI. Nach dem sogenannten Zusammenbruch des Deutschen Idealismus — politisch gesprochen: nach dem Scheitern des Versuchs, durch den Ausweis der Vernunftgemäßheit der nooumenalen Partizipation die reale zu befördern — übernimmt eine besondere Ausformung der juristischen Staats(rechts)lehre, zusammen mit der Historiographie, zu der enge konzeptuelle Beziehungen bestehen, die autoritative Führung in der Formierung und Formulierung der politischen Apperzeption in Deutschland. Das realpolitische Paradigma siegt über das idealpolitische. Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. 5. rev. Auflage. Hrsg, von J. Winckelmann. Tübingen 1972. 29 (dort wird die ,politische' Anstalt, d. h. der Staat, über das Souverärutätsmerkmal der Verfügung über das Monopol legitimen physischen Zwanges definiert). H. Hoftnann: Repräsentation. Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert. Berlin 1974. Der Titel ,Realpolitik' stammt von A. L. von Rochau: Grundsätze der Realpolitik. Angewandt auf die staatlichen Zustände Deutschlands (2 Bde. 1853 und 1869). Ich habe den Versuch gemacht, die Schemate ,realpolitisch' und ,ideal- und metapoUtisch' zur Kategorisie-

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Die Gestalt, die diese Rolle übernahm, ist der formalistische Normenpositivismus. In ihm wird ein Staatsbegriff von besonderer Härte ausgearbeitet. Ihn formuliert zum erstenmal EDUARD ALBRECHT in einer berühmt gewordenen Rezensionsabhandlung: Der „Staat selbst" ist „die Persönlichkeit, die . . . herrscht, handelt. Rechte hat".i^ Von nun an tritt der Staat in der deutschen Staatsrechtslehre nicht nur wie eine Person, also fiktiv und analogerweise, sondern als eine reale Person auf, die selbst herrschafts- und rechtshandelnd ist. Die bislang nur in der philosophischen Vorstellung, und zwar bei Hegel, aufgetretene personale Selbständigkeit der Rechtspersönlichkeit, Staat' wird damit rechtlich positiviert. Der Staat existiert nicht mehr nur idealpersonal, nur staatsf/zcoretisch, sondern realpersonal, positiv staatsrechtlich. Auch auf dieses Konzept konnte der Begriff der ,juristischen Person' angewandt werdende; rim- existiert diese Person nun nicht mehr bloß ,moralisch' oder ,deklamatorisch', also fiktiv, sondern positiv-rechtlich, also real. Es handelt sich um eine entscheidende Zuschärfung des Personenbegriffs des Staates, und zugleich wird damit der Staatsbegriff des Staates selbst in entscheidender Weise zugeschärft: alles das unter Zuhilfenahme eines Verständnisses der Staatspersonalität, welches der philosophischen Spekulation entstammt. HERMANN HELLER schreibt diese Umstellung im Begriff des Staates der Übernahme der Hegelschen Staatsidee zu. „ALBRECHT hat also in seiner Rezension nichts anderes getan, als die durch die Hegelsche Philosophie ausgebildete Theorie von der Staatspersönlichkeit übernommen. "21 Die Implikationen des neuen gehärteten Staatsverständnisses, das in der juristischen Staatsrechtslehre PAUL LABANDS, CARL FRIEDRICH VON GERBERS und GEORG JELLINEKS entfaltet wird, sind diese: Die nicht mehr staatstheoretische/staatswissenschaftliche, sondern staatsrechtliche Positivierung der Staatspersönlichkeit läßt diese als in der Einheit von Herrschaftshandeln und Rechtstätigkeit real agierende und entscheidende Willensmacht auftreten. Das Persönlichkeitsdogma des Staates wird darung der politischen Apperzeption im deutschen Kulturkreis zu verwenden: Die Kultur des Politischen (wie Anm. 12). E. Albrecht: Rezension über Maurenbrechers Grundsätze des deutschen Staatsrechts, ln: Göttingische Gelehrte Anzeigen 1837 (ND: Darmstadt 1962), 1492. 20 Ebd. 21 Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke. 194. Was das Persönlichkeitsdogma des formalistischen Normenpositivismus und seine Beziehung zum Hegelschen Staatsverständnis anbelangt, urteilt H. Quaritsch (in ders.: Staat und Souveränität. Bd 1: Die Grundlagen. Frankfurt am Main 1970): „so scheint sein [Hegels, E. V.] Einfluß auf die Staatsrechtslehre nicht eben gering gewesen zu sein" (503, Anm. 435).

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durch in entscheidender Weise realpolitisch und herrschaftskategorial neugefaßt. In den Formulierungen C. F.VON GERBERS, des Schülers von E. ALBRECHT und Fortführers von dessen Ansatz, lauten die Bestimmungen so: „Wir denken uns den Staat 1. als einen Organismus, in welchem die sittlichen Kräfte des Volkes zur Erreichung der höchsten gesellschaftlichen Zwecke zusammengefaßt sind und bekleiden 2. denselben, da er ein wollendes und handelndes Wesen ist, mit der Idee der Persönlichkeit. Die Seele derselben ist die Staatsgewalt, sie ist der Mittelpunkt eines richtigen Systems des Staatsrechts, dessen vorzüglichste Aufgabe die Beantwortung der Frage ist: was kann der Staat wollen und in welcher Weise kann er seinen Willen kundgeben? Hierbei verlegen wir die rechtliche Natur der Staatsgewalt, also der Willensmacht des Staates, in den Begriff des Beherrschens. Beherrschung ist die umfassendste Art der Willensfähigkeit, welche das Recht überhaupt kennt. Die durch die staatsrechtliche Positivierung vollzogene oder unabwendbar gewordene realpolitisch-herrschaftskategoriale Deutung des Staatspersönlichkeitsdogmas läßt nur noch dessen Verständnis als Machtstaat zu. Unter diesem Aspekt allein vermag folgerichtig HERMANN HELLER die Hegelsche Staatsauffassung sich verständlich zu machen. Er findet folgerichtig: „Wie für Hegel besteht auch für die heutige Lehre die Staatspersönlichkeit im Willen", und läßt „die Modernen", d. h. die Staatsrechtslehrer des formalistischen Normenpositivismus wie ALBRECHT, GERBER, LABAND, JELLINEK, usf., „ihren Stammbaum unmittelbar bis auf Hegel zurückführen".^3 Die Aggressivität der Ablehnung der Hegelschen Staatskonzeption durch HELLER ist motiviert durch seine Auseinandersetzung mit dem Staatsbegriff des formaHstischen Normenpositivismus der deutschen Staatsrechtslehre, die zugleich die Optik seiner Beurteilung dieses Konzepts abgibt: der reale Staat ,an sich' tritt für ihn sowohl in der Hegelschen Konzeption als auch in der der juristischen Staatsrechtslehre, die die ihre ja von Hegel übernommen hat, als reale Persönlichkeit auf. Dieses Konzept vermag er wiederum unter dem Horizont der herrschenden Lehre der deutschen Staatstheorie nur herrschaftskategorial-machtstaatlich auszulegen. Es kommt etwas anderes hinzu. Wirklich real ist diese Realperson des Staates in ihren Organen, d. h. in den höchsten, also den herrschenden! 22 C. F. von Gerber: Über die Theilbarkeit deutscher Staatsgebiete. In; Zeitschrift für Deutsches Staatsrecht und Deutsche Verfassungsgeschichte. Hrsg, von L. K. Aegidi 1 (1867), 9 (bei Gerber nur ,Beherrschen' und ,Beherrschung' gesperrt). 23 Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke. 195, mit Bezug auf den Zusafz § 279 von Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts.

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Sie sind mit dem Staat identisch, können zumindest beanspruchen die wahre Repräsentanz der realen Staatspersönlichkeit zu sein. In aller Schärfe wird dies von GEORG JELLINEK ausgesprochen: „Der Staat kann nur vermittelst seiner Organe existieren; denkt man die Organe weg, so bleibt nicht etwa noch der Staat als Träger seiner Organe, sondern ein juristisches Nichts übrig. "^4 Die Theorie der Realpersonalität des Staates, eines Instituts, welches zumindest auch eingerichtet worden war, um der Problematik zu entkommen, daß bei der personalen Subjektivität alles Rechts der Person des Fürsten der Primat gegenüber der fiktionalen juristischen Personalität des Staates zufallen könnte, stellt sich faktisch in den Dienst der ,powers-that-be'. Für ITERMANN HELLER stellt sich dies so dar, daß zwar bei Hegel „die Idee der Staatspersonalität durchaus erhalten" sei, „die praktische Handhabung der durch sie konzentrierten Macht aber an die Person des Herrschers übertragen und dieser zum Inhaber aller Souveränität gemacht" ist.^s Und analog beurteilt er die Verhältnisse seiner Zeit: der ,abstrakte' Begriff der Realpersonalität des Staates ist in Wahrheit dessen Auslieferung an die bestehenden Mächte, und die herrschende Lehre der juristischen Staatsrechtslehre stellt dafür die Rechtfertigung bereit.26 So sind alle Momente der Hegelkritik HERMANN HELLERS in seiner Auseinandersetzung mit dem juristischen formalistischen Normenpositivismus seiner Zeit motiviert.

VII. Bevor weiter auf die Auseinandersetzung HELLERS mit der Staatsrechtslehre seiner Zeit eingegangen werden kann, muß die Rechtsmäßigkeit der Einschmelzung Hegelscher Konzepte in die juristische Staatstheorie erörtert werden. Von deren Seite sieht diese Einschmelzung ja so aus, daß ihr ein Staatsbegriff zur Verfügung gestellt wird, den sie weiter ausbauen kann, den sie durch diesen Ausbau allerdings radikal verändert. G. Jellinek: Allgemeine Staatslehre (1900). 3. Aufl. Leipzig 1913. 560. Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke. 143. M. StoUeis urteilt über den nicht nur in der Staatslehre sich ausbreitenden formalistischen Positivismus so: „Die neue Richtung hatte den dreifachen Vorteil für sich, dem generellen positivistischen Hauptstrom der Zeit zu entsprechen, von den machtpolitischen Tendenzen gerechtfertigt zu werden und sich das Etikett ,wissenschaftlich' anheften zu können" tyerwaltungswissenschaft und Verwaltungslehre 1866—1914. In: Die Verwaltung. 15 [1982], 48). Ferner: „Der Gerber-Labandsche Positivismus [war] selbst an die politische Zustimmung zu dem Verfassungskompromiß Bismarcks gebunden, ja sogar ein indirektes Produkt dieses politischen Zustandes." (Ebd. 50)

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Sie benutzt ihn zur Verschärfung ihrer herrschaftskategorial-realpolitischen Apperzeption. Wie aber steht es mit dem Hegelschen Staatsbegriff in seiner Authentizität? Die Hegelsche Konzeption des Staates als der ,Wirklichkeit der sittlichen Idee' ist ein normativer Begriff. Als solcher hat er den Status des ,Sollens'. Nun hat Hegel sich stets in aller Schärfe — vor allem in bezug auf das KAmische Konzept der Moralität — gegen das bloße Sollen gewandt und für seine Begriffe, sowohl das Begreifen als auch das Begriffene, den Status der voll verwirklichten Realität beansprucht.^^ Diesen Status erlangen die Begriffe aus der spekulativen Bewegung der theoretisch-philosophischen Reflexion: das ist der Anspruch, den sein Denken erhebt, das sich als eine reale Tathandlung, d. h. als Praxis, versteht, um einen Ausdruck FICHTES, der hier nicht unangemessen ist, aufzunehmen. Aber phänomenal bleiben alle Reflexionsakte, auch wenn sie spekulativ vervollständigt sind, Scheinhandlungen. Sie traten ja als nooumenale Ersatzhandlungen für die ausgebliebene reale Partizipation auf. Was ihnen fehlt, ist die phänomenale Äußerlichkeit realer Handlungen. So erreichen sie die intensive und extensive Konsequenz der politischen Aktion in ihrer Äußerlichkeit nicht, sondern unterliegen ihr vielmehr wie alles, was in diesen Bereich fällt. Der reflexive Fehlschluß des Politischen wirkt sich voll aus. Reflexiv könnte die Leerheit der Normen nur überwunden werden, wenn auch die Wirklichkeitsbedingungen des Politischen mit den Prinzipien der Reflexion in ihrem selbstbezüglichen Selbst-verhältnis in Übereinstimmung zu bringen wären: die Voraussetzung, die das Hegelsche Denken machen mußte und spekulativ auszuweisen versuchte. Nur aus dieser Annahme konnte es die Identität der Logik ihrer rechtsphilosophischen Kategorien mit der philosophischen Logik der spekulativen Reflexion behaupten. Gerade diese Identität ist aber prinzipiell nicht ausweisbar. Für die Reflexion ist aus ihren eigenen Prinzipien auch noch das Anderssein des Anderen gänzlich durch Identität (,Selbstheit' als ,Selbigkeit') bestimmt. Das (philosophische) Denken kann seine Prinzipien aus seinem Selbstbezug gewinnen und behaupten. Das Politische dagegen gründet gerade auf dem bleibenden Anderssein der Anderen — dem, was HANNAH ARENDT die Pluralität der Menschen genannt und in ihrem politisch fundamentalen Sinn aufzuzeigen unternommen hat —, und es würde über27 Zur Problematik vgl. O. Marquard: Hegel und das Geschichtsphilosophie. Frankfurt am Main 1973. 37 f.

Sollen,

ln: ders.:

Schwierigkeiten mit der

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flüssig werden und verschwinden, wenn es durch irgendwelche Verfahren in Identität sich überführen ließe. Die politische Teilnahme und Teilhabe ist keine an sich, sondern an einem Anderen als die sind, die teilhaben und teilnehmen. Der reflexive Fehlschluß würde zur ,Vergänglichkeit des Politischen als solchen' führen. Alle Normen unterliegen bei ihrer Realisation Wirklichkeitsbedingungen des Politischen; anders gesprochen: sie müssen in Urteile eingebracht werden, und diese Urteile müssen Regeln der politischen Urteilskraft folgen. Die Frage ist, von woher die politische Urteilskraft überhaupt ihre Regeln beziehen und sie als politisch qualifizierte ausweisen kann. Normen haben phänomenal gesehen den Charakter von Regeln. Gewöhnlich wird das Problem so erblickt, daß die Realisierung von Normen in der Anwendung der Norm als einer Regel verstanden wird. Es gibt bekanntlich für die Anwendung einer Regel selbst wiederum keine — logische oder überhaupt theoretische — Regel.In Hinsicht auf die Phänomenalität des praktischen Bereiches, zu der, was das Politische anbelangt, seine abgründige Konsequenz gehört, ist die Kategorie der Anwendung in Wahrheit vollkommen untauglich. Die Realisierung von Normen, ihr Praktisch-Werden, ist hier vielmehr im höchsten Maße von der autoritativen polihschen Apperzeption bestimmt, die ein wesentliches Moment der Kultur des Politischen ausmacht. Allein aus ihr könnten die Regeln gewonnen werden, denen die politische Urteilskraft in der Realisahon der Normen folgen könnte. Es hängt also alles von der Kultur des Politischen ab, genauer gesprochen davon, daß diese Kultur selbst polihsch qualifiziert ist. Die politische Apperzeption einer Kultur ist, so sehr auch theoretische Momente zu ihr gehören mögen, selbst kein rein theoretisches Moment; sie ist ein essentielles Stück der Phänomenalität des Politischen selbst. Nur deshalb ist sie imstande, die politische Urteilskraft anzuleiten. Es kommt also im höchsten Maße darauf an, ob und in welcher Weise die politische Wahrnehmung in einer Kultur und damit diese Kultur selbst qualifiziert politisch bestimmt sind. Die politische Apperzeption im deutschen Kulturkreis geht, wie gesagt, sowohl affirmativ als auch negativ-kritisch, vom Politik-Monopol des Staates aus, von der absorptiven, herrschaftskategorial bestimmten Adäquation des Politischen mit dem Staat. Dabei tritt der Staat als

28 I. Kant: KrV A 133/ß 172.

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Rechtsstaat und als Rechtsherrschaftssubjekt auP^, und sowohl Hegels Staatsverständnis als das der juristischen Staatslehre mit Einschluß der des formalistischen Normenpositivismus können in die Tradition des Rechtsstaatsdenkens eingeordnet werden. Es war geradezu selbstverständlich, daß nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Unrechtsherrschaft des nationalsozialistischen Herrschaftssystems die Idee des Rechtsstaats wieder zur Geltung gebracht wurde, und wenn dies besagen soll, daß das Recht herrschen soll, dann ist das vollkommen richtig. Dann sind, nach den Worten CICEROS, die Magistrate die sprechenden Gesetze wie die Gesetze die schweigenden Magistrate sind^o, d. h. vermögen die Magistrate nur verbindlich-verbindend zu sprechen, sofern in ihnen und durch sie die Gesetze und das Recht sprechen. Das ist die Idee des government of law, not of men. Die sowohl bei Hegel als auch in der juristischen Staatslehre vorherrschende herrschaftskategorial bestimmte Staatsauffassung faßt dagegen die Rechtsherrschaft des Staates zugleich als das Herrschaftsrecht des Staates auf. Bleibt das bei Hegel im Bereich des Normativen und erscheint dabei die Rechtsstaatsidee als die wenigstens nooumenale Vereinigung des Anspruches der einzelnen autonomen sittlichen Persönlichkeit mit der im Staat repräsentierten Universalität des Anspruches aller, so positiviert die juristische Staatslehre des formalistischen Normenpositivismus die Rechtstätigkeit des Staates als dessen Herrschaftshandeln und — genau reziprok — dieses Herrschaftshandeln als seine Rechtstätigkeit. Sie beutet sozusagen das Staatspersonalitätskonzept Hegels für ihre Zwecke aus; aber sie kann sich dazu befugt meinen, sofern auch dieses Konzept die beiden zusammenhängenden Momente aufweist, die für politische Wahrnehmung in Deutschland konstitutiv sind; das Politik-Monopol des Staates und, zusammenhängend, dessen herrschaftskategoriale Bestimmung. Sie ,realisiert' diese Momente durch ihre Positivierung. In Hinsicht auf die herrschende politische Apperzeption ist das 25 Art.,Rechtsstaat' (M. Stolleis) in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte. Bd 4. Sp. 367—375 (mit weiteren Hinweisen). Es sei nur angemerkt, aber nicht weiter ausgeführt, daß sowohl die Zentrierung der politischen Wahrnehmung auf den Staat als auch, zusammenhängend, dessen Zentrierung auf seine Rechtsqualität in der politischen Kultur Deutschlands stärker gewesen ist als in anderen politischen Kulturen Westeuropas. Entscheidend ist, daß in Deutschland die Rechtsstaatsqualität weitgehend die politische Qualifikation des Verbandes absorbiert hat. * Videtis igitur magistratum hanc esse vim ut praesit praescribatque recta et utilia et coniuncta cum legibus. Ut enim magistratibus leges, ita populo praesunt magistratus, vereque dici potest, magistratum esse legem loquentem, legem autem mutum magistratum; De legibus. 111, 1, 2.

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nicht nur berechtigt, sondern unvermeidlich! Sieht man die Sache so, dann kann man der Hegel-Deutung HELLERS die Berechtigung nicht absprechen. Die unvermeidliche Konsequenz ist die, daß die Faktizität der Herrschaft schon genügt, um die Rechtlichkeit der Herrschaft zu begründen. In eins damit zeichnet dieses Konzept die herrschenden Organe als die wahren Inhaber des rechtlichen Herrschaftshandelns aus und privilegiert sie so. In der Realisierungsproblematik der Normen im Bereich des Politischen tritt so eine Ambivalenz auf: die Realisierung der Normen kann wegen der von der politischen Wahrnehmung mit ihrem herrschaftskategorial geprägten Staatsverständnis her bestimmten Konsequenz des Politischen zur genauen Umkehr des Sinnes führen, der in der Norm intendiert war: die Hegelsche Konzeption der idealen Realperson , Staat' als desjenigen, worin alle einzelnen vernünftig vereint sind, führt in ihrer staatsrechtlichen Positivierung zu einer realen Idealperson ,Staat', der alle Rechtsherrschaft zukommt, weil sie alle Herrschaftsrechte besitzt, denn der Staat ist ja ,die Persönlichkeit, die . . . herrscht, handelt, Rechte hat'! ln Wirklichkeit privilegiert die positivierte Konzeption allein die Mächte, die (schon) herrschen.

VIII. In den voranstehenden Erörterungen ist vorgeführt worden, daß HERMANN HELLER die Staatsvorstellung Hegels mit der des formalistischen Normenpositivismus identifiziert und welche Berechtigung diese Identifikation haben kann. Die Motive, die HELLER bei dieser Identifikation bewogen haben, werden vollends deutlich, wenn die Krise dieser Gestalt der Staatslehre näher betrachtet wird, zusammen mit der Position, die HELLER in dieser Krise einnimmt. Die Krise bricht im Zentrum des formalistischen Normenpositivismus selbst auf, nämlich an dem von ihm aufgestellten Staatsbegriff. Der Staat war konzipiert als das durch seine Positivierung rechtlich, d. h. rechtmäßig herrschende oberste Normensubjekt. Als dieses mußte es gerade um Willen seines Rechtscharakters in dieser seiner Normqualität dem ForDas ist die ,Normativität des Faktischen': „Die Umwandlung der zunächst überall rein faktischen Macht des Staates in rechtliche erfolgt stets durch die hinzutretende Vorstellung, daß das Faktische normativer Art sei, daß es so sein solle, wie es ist." G, Jellinek: Allgemeine Staatslehre (wie Anm, 24). 342.

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malismus der juristischen Methode, welche dem Wissenschaftsanspruch zugrunde gelegt war, zugänglich sein.^^ ln der vollendeten Gestalt des formalistischen Normenpositivismus, in der Allgemeinen Staatslehre von GEORG JELLINEK, stellt sich heraus, daß dies keineswegs der Fall ist. „Mit der formalen Logik [der juristischen Methode, E. V.] allein kommt man . . . leicht zur Zeichnung staatsrechtlicher Bilder, denen in der Wirklichkeit der Dinge . . . nichts (meine Hervorhebung) entspricht. "33 Man muß sich klar darüber sein, was das heißt. Die Staatsrechtslehre, die einen autoritativen Anspruch in der Formierung und Formulierung der politischen Interpretation erhoben hat, kann die Realität der Normqualität ihrer zentralen Kategorie, der des Staates als des Rechtsherrschaftssubjekts, wegen ihres ihren Wissenschaftscharakter begründenden Formalismus nicht begründen und ausweisen! Es handelt sich um eine tödliche Krise. Ihr sucht zuerst GEORG JELLINEK durch eine folgenschwere Unterscheidung zwischen sozialer Staatslehre und juristischer Staatsrechtslehre zu begegnen. „Die erstere hat das gegenständliche, historische, wie wohl nicht ganz zutreffend gesagt wird, natürliche Sein des Staates, die letztere hingegen die in jenem realen Sein zum Ausdruck kommen sollenden Rechtsnormen zum Inhalt. Diese Normen sind nicht ohne Weiteres Wirkliches, sondern ein durch ununterbrochene menschliche Tat zu Verwirklichendes. "34 An einer in politik-kultureller Hinsicht außerordentlich entscheidenden Stelle bricht die Problematik der Differenz von ,Sein' und , Sollen', von , Faktizität' und ,Normativität' auf. Ohne eine Berücksichtigung des Ortes, an dem das geschieht, also des herrschenden Staatsbegriffs der führenden Wahrnehmung des Politischen im deutschen Kulturkreis, kann die Problematik dieser Differenz in politik-kultureller Hinsicht nicht diskutiert werden. Das ist die Lage, mit der sich das Staatsdenken als der zentralen Wahrnehmung des Politischen in Deutschland seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts und bis weit in die Weimarer Zeit konfrontiert sieht. Die Realität der rechtsherrschaftlichen Staatsperson — ihre Normativität — ist nicht juristisch, sondern ausschließlich , soziologisch' zugänglich. Eine ganze Reihe von Staatsdenkern wendet sich einer meta-juristischen , Soziologie des Staates' zu, darunter zwei sonst so unterschiedli32 W. Wilhelm: Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert. Die Herkunft der Methodenlehre Paul Labands aus der Privatrechtswissenschaft. Frankfurt am Main 1938; E.-W. Böckenförde: Gesetz und gesetzgebende Gewalt. Von den Anfängen der deutschen Staatsrechtslehre bis zur Höhe des staatsrechtlichen Positivismus. Berlin 1958. 33 G. Jellinek: Allgemeine Staatslehre (wie Anm. 24). 17. 34 Ebd. 20.

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ERNST VOLLRATH

che Denker wie HERMANN HELLER und CARL SCHMITT (und auch MAX WEBERS Denken ist in hohem Maße von der hier angesprochenen Problematik bestimmt). Hinter der Problematik der ,Soziologie des Staates' aber verbirgt sich das Problem der Bestimmung einer Kultur durch die in ihr herrschende politische Apperzeption. Dieses Problem kommt in der ,Krise der Staatslehre' nur undeutlich zum Vorschein, sofern alle an der Diskussion Beteiligten am Primat des Staates in der Bestimmung des Politischen festhalten. Nur wenn dieser Primat aufgegeben werden würde, ließe sich eine vernünftige Lösung der Problematik nicht nur der juristischen Staats(rechts)lehre, sondern der politischen Apperzeption im deutschen Kulturkreis erhoffen. Das gesamte politische Denken bleibt jedoch weiter an der Kategorie des Staates orientiert. Es spaltet sich in Hinblick auf das Problem der ,Soziologie des Staates' in zwei Richtungen. Die eine hält am juristischen Formalismus fest. Ihr Hauptvertreter ist HANS KELSEN. Die andere Richtung, die in sich wiederum differenziert ist, geht zu einer meta-juristischen, soziologischen Betrachtung über. Zu dieser Richtung gehört das Werk von HERMANN HEU.ER.35 Aus dieser Position ist sein Hegelverständnis erklärbar. Das gesamte Konzept der abstrakt-formalen Staatspersonalität, in welches auch die Hegelsche Staatsidee eingeschlossen ist, verfällt einer doppelten Kritik. Auf der einen Seite wird seine formalistische, normenlogische Leere herausgestellt, die auf der anderen Seite seine Indienstnahme durch die herrschenden Mächte zu legitimieren imstande ist. Dagegen setzt HERMANN HELLER, der an der Vollendung seines Projektes durch die Zeitumstände, durch seine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, durch seine Vertreibung aus Deutschland und durch seinen frühen Tod gehindert worden ist, das Konzept einer ,Staatslehre als Politische Wissenschaft'.35 In den vorhandenen Stücken ist zu erkennen, daß er den Wirklichkeitsbezug der Normqualität des 35 Vor allem sichtbar in: Die Krise der Staatslehre. In: Gesammelte Werke (wie Anm. 1). Bd 2; Recht, Staat, Macht. 3 f. 36 In der unvollendet gebliebenen ,Staatslehre' heißt es charakteristischerweise: „Die vorliegende Staatslehre . . . steht in ihrer Fragestellung viel näher der .Politik' im Sinne der Dahlmann, Waitz und Droysen oder Mohls Enzyklopädie der Staatswissenschaften, diesem letzten akademischen Versuch, den Staat aus umfassenden Zusammenhängen zu verstehen. Jener Begriff der Politik, wie ihn auch die Romanen und Engländer kennen als Science politique, scienza politica, ciencia politica und political Science, hat sich bei uns leider nicht durchgesetzt" {Staatslehre. In: Gesammelte Schriften (wie Anm. 1). Bd 3: Staatslehre als Politische Wissenschaft. 93. Ob sich allerdings eine integre Theorie des Politischen noch an dieses ältere Paradigma halten kann (zu ihm vgl. M. Riedel: Der Staatsbegriff der deutschen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts. In: Der Staat. 2 (1963), 41 f), ist fraglich.

Zum Hegelverständnis Hermann Hellers

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Rechtsherrschaftsverbandes — des , Staates' — aus dem Verhältnis der nicht mehr nur abstrakt herrschaftsrechtlich Unterworfenen konstitutiv hervorgehen lassen wollte. Das wäre einer grundlegenden Änderung der politischen Wahrnehmung gleichgekommen, in deren Zentrum nicht mehr wie selbstverständlich die Kategorie des Staates mit seinem Politik-Monopol, sondern ein Begriff von Verfassung hätte stehen können: nicht Machtpolitik, sondern Zivilpolitik.

HANS-CHRISTIAN LUCAS (BOCHUM)

FICHTE VERSUS HEGEL oder Hegel und das Erdmandel-Argument

1. Allgemeinere Bemerkungen zur Fichte-Forschung im Blick auf das Schema „Von Kant bis Hegel" Nicht erst seit Hegel, aber a fortiori seit Hegels vielschichtiger Konzeption von Geschichte sind wir uns dessen bewußt, daß der Gang der Geschichte irreversibel ist. Von dieser Grundüberzeugung her wird deutlich, warum Auseinandersetzungen von FicHTE-Forschern, besonders von FiCHTE-Anhängern mit dem durch Hegel vorgeprägten Bild der Geschichte des sogenannten ,Deutschen Idealismus', damit auch mit Hegel und der Hegel-Forschung überhaupt oft durch eine betonte Schärfe ausgezeichnet sind. Gilt es dabei doch, das Hegelsche Schema, das KANT, FICHTE und SCHELLING letztlich zu bloßen Vorläufern werden zu lassen scheint^ und das in RICHARD KRONERS berühmtem (für viele mittlerweile eher berüchtigtem) Buch Von Kant bis HegeP eine vielbeachtete (neohegelianische) Neuauflage fand, (spätestens seit REINHARD LAUTHS Bemühungen als von Grund auf und von Anfang an) als unangemessen aufzuweisen, also ein Schema, das sich weitestgehend historisch durchgesetzt hat, aus sachlich-philosophischen Gründen zu widerlegen. Für LAUTH wird diese Aufgabe dadurch um so dringlicher, daß die „Gegner" Hegels und seiner Philosophie aus der Wirksamkeit des besagten Schemas „den Schluß gezogen" hätten, „daß die Wissenschaftslehre [FICHTES]

1 Man vergleiche jedoch die Stelle in der Differenz-Schnit, die einer solchen Sicht grundsätzlich widersprechen will und die von Lauth überhaupt nicht berücksichtigt wird: „Jede Philosophie ist in sich vollendet, und hat, wie ein achtes Kunstwerk, die Totalität in sich. So wenig des Apelles und Sophokles Werke, wenn Raphael und Shakespeare sie gekannt hätten, diesen als blosse Vorübungen für sich hätten erscheinen können — sondern als eine verwandte Kraft des Geistes, — so wenig kann die Vernunft in früheren Gestaltungen ihrer selbst nur nützliche Vorübungen für sich erbUkken; und wenn Virgil den Homer für eine solche Vorübung für sich und sein verfeinertes Zeitalter betrachtet hat, so ist sein Werk dafür eine Nachübung geblieben. —" (Hegel: Gesammelte Werke. Bd4.12.) 2 2 Bde. Tübingen 1921, 1924; 2. Aufl. Tübingen 1961.

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mit diesen Systemen [d. h. mit den Systemen SCHELLINGS und besonders Hegels] auch in ein und dieselbe Verurteilung hin [ein] zunehmen ist".3 [Ergänzungen: H.-C. L] Einen Weg, der große Plausibilität verspricht, stellt für die Zielsetzung einer Korrektur des Geschichtsbildes die Vorgehensweise dar, Hegel beim Wort zu nehmen, der sich bei seiner Widerlegung ausschließlich auf das frühe, allenfalls noch auf das mittlere Werk von FICHTE und ScHELLiNG richtete, um dies in seinem Denken dialektisch aufzuheben. Für FICHTE hat dies in klassischer Weise LUDWIG SIEF aufgezeigt.^ Das mittlere, besonders aber das Spätwerk beider Philosophen bleibt bei Hegel unberücksichtigt und kann damit auch nicht von seinem Verdikt des Überholtseins erfaßt werden — vielmehr kann es auch im Sinne einer potenten Kritik an Hegel verstanden werden. In einem solchen Sinne geht etwa WALTER SCHULZ vor, wenn er in der Spätphilosophie SCHELLINGS die Vollendung des Deutschen Idealismus erkennen will.^ Dabei ist er übrigens darum bemüht, die sonst auch vertretene Interpretation des SCHELLiNGschen Spätwerks als postidealistisch zu widerlegen und „den späten ScHELLiNG in den Raum [was immer das heißen mag] des Deutschen Idealismus zurückzuholen".^ Dieses Vorhaben führt dann aber für SCHULZ ZU sehr weitreichenden Konsequenzen: „Freilich wird dabei das uns geläufige Bild des Deutschen Idealismus einer Revision unterzogen werden müssen, einer Revision, die zum Ergebnis hat, daß nicht in Hegels System, sondern in FICHTES und vor allem in SCHELLINGS Spätphilosophie das eigentliche Grundmotiv des idealistischen Denkens sich ausdeutet. Das auf diese Weise angedeutete weitreichende Programm ist weitgehend durch Worte SCHELLINGS vorgeprägt, die SCHULZ als Motto seines „Vorworts", wenn nicht seines gesamten Buches, wählt: „Lästig, das fühle ich, muß ich wohl zum Theil sein. Man hatte mich untergebracht, ich war construirt, man wußte aufs genaueste, was an mir war. Nun soll man mit mir von vorn anfangen und einsehen, daß doch etwas in mir gewesen, von dem man nicht wußte."® In Hinsicht auf die folgenden Betrachtungen aus dem Blickwinkel der FiCHTE-Forschung, ist es nicht ohne Interesse, nochmals daran zu erinnern, daß bereits SCHULZ 3 R. Lauth: Hegel vor der Wissenschaftslehre. Mainz 1987. 5. (Im folgenden erfolgen die Zitatangaben aus diesem Buch ohne weitere Angaben in Klammern im Text.) ^ L. Siep: Hegels Fichtekritik und die Wissenschaftslehre von 1804. Freiburg, München 1970. ^ W. Schulz: Die Vollendung des Deutschen Idealismus in der Spätphilosophie Schellings. Pfullingen 1975. W. Schulz. 322. 7 W. Schulz. 322 f. * W. Schulz. 7; Schelling: Sämtliche Werke. Bd 14.361.

Fichte versus Hegel

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seine Perspektive auf FICHTES Spätwerk ausgezogen hatte: „Der späte FICHTE und der späte SCHELLING gehören zusammen, weil sie beide die Endlichkeit des Wissens setzen; . . Eine frühe Bemühung, die Rolle FICHTES in der Entwicklungsphase der Philosophie zwischen KANT und Hegel neu zu bestimmen, findet sich in EMIL LASKS Abhandlung über Fichtes Idealismus und die Geschichte; und zwar geht es LASK darum, in einer Untersuchung über das Irrationalitätsproblem im Rahmen des Deutschen Idealismus EICHTE wieder näher an KANTS Position heranzurücken und ihn von SCHELLING und Hegel eher abzugrenzen; „Unter diesen Voraussetzungen werden wir, sollte der Nachweis gelingen, daß FICHTE die transzendentale Methode KANTS mit klarem Bewußtsein von deren Tragweite in sich aufgenommen hat, unsere Vorstellung von dem Entwicklungsgang der nachkantischen Philosophie entsprechend berichtigen müssen. Der Schritt den FICHTE über KANT hinaustut, darf dann, was auch sonst mit ihm verknüpft sein mag, jedenfalls nicht als Abfall von der Schärfe der kritischen Betrachtung ausgelegt werden. Daß der deutsche Idealismus die großen fruchtbaren Grundgedanken der Erkenntniskritik wieder verdunkelt und zu metaphysischen Vorstellungen zurückgedeutet hat, diese im übrigen richtige Ansicht [sid^^] würde für den ersten großen Nachfolger KANTS, für FICHTE, noch nicht zutreffen. FICHTE wird uns im Gegenteil in seiner kritischen Periode mehr als Transzendentalphilosoph und analytischer Logiker denn als Metaphysiker und logischer Emanatist erscheinen.Seit den Zeiten EMIL LASKS hat sich nun freilich die Editions- und Forschungslage insbesondere in bezug auf den Nachlaß FICHTES sehr gründlich geändert und vielfältig entwickelt. Auf dieser Grundlage muß man davon ausgehen, daß die Rede von ,der' Wissenschaftslehre ohne weitere nähere Bezeichnung eigentlich obsolet geworden ist. So spricht beispielsweise GüNTER SCHULTE davon, daß „über 20 Gestaltungen der WL durch FICHTE . . . nachweisbar" seien^^, während PETER ROHS in seiner erst kürzlich erschienenen FicHTE-Darstellung, sich auf HANS GLIWITZKI beziehend, im9 W. Schulz. 331. Hegel wrird in diesem Zusammenhang zugebilligt, daß er eine „Sonderstellung in der Geschichte des Irrationalitätsproblems" einnehme, denn für Lask gilt folgendes: „Zweifellos hat es nie vor oder nach ihm einen stärkeren, eindringlicheren Rationalismus gegeben." Allerdings wird dies abhängig gemacht von der Gültigkeit des Anspruchs der Dialektik: „Auch der Kritiker wird Hegel darin Recht geben müssen: wenn die dialektisch sich wandelnden Begriffe armehmbar sind, dann und nur dann gibt es eine Überwindung der Irrationalität." (£. Lask: Gesammelte Schriften. Bd 1. Tübingen 1923. 72.) 11 E. Lask. Ebd. 79 f. 12 G. Schulte: Die Wissenschaftslehre des späten Fichte. Frankfurt a. M. 1971. 18.

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merhin von 15 verschiedenen Versionen der Grunddisziplin von FICHTES Philosophie sprichti^. Einen Teil dieser Ausdifferenzierung der Wissenschaftslehre, d. h. insbesondere die Entwicklung bis 1804, wobei freilich auch Vorgriffe auf die spätere Entwicklung nicht ausbleiben, legt WOLFGANG JANKE seiner kritischen Darstellung FICHTES zugrunde, welche dessen Eigenständigkeit jenseits des durch Hegel und KRONER verbreiteten Schemas nachweisen will: „SCHELLING und dem durch Hegel geprägten Zeitalter sind die Arbeiten FICHTES, welche einen Aufstieg zum Absoluten unternehmen, unbekannt geblieben. Erst die vom Klischee eines dialektischen Fortschrittes ,von KANT zu Hegel' frei und für die reiche EHfferenzierung der Geisteswelten des Deutschen Idealismus offen gewordene Forschung der letzten Jahrzehnte [der Text ist von 1970] hat begonnen, diese Texte, die zu den lichtesten und sprödesten philosophischer Sprache gehören, zu entziffern."14 Er verfolgt dabei (gegen DIETER HENRICHI^) eine variierte Drei-Stadien-Theorie für die „Entzifferung" der von ihm herangezogenen „drei Grundlagentexte" anhand von „drei Ich-Formeln": 1. „Das Ich setzt sich schlechthin als sich setzend" (dies gilt für die Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre von 1794), 2. „das Wissen erblickt sich in der intellektuellen Anschauung als absolutes Wissen" (dies gilt für den „Aufstieg zum Absoluten" in der Wissenschaftslehre von 1801), 3. „der Verstand versteht sich als Büd des Absoluten" (im Rahmen des „Aufstiegs zur Wahrheit" seit der Wissenschaftslehre von 1804). „Keine [dieser Ich-Formeln; H.-C. L.j dementiert die andere, jede setzt die andere vertiefend fort auf dem Wege, die Metaphysik in der kritischen Grundlage des Selbstbewußtseins zu vollenden, "i^ Dabei rückt JANKE FICHTES Denken einerseits in die Nähe der Hegelschen Phänomenologie, findet jedoch andererseits in der FICHTE eigenen Phänomenologie^^ eine allgemeine Nähe zur modernen Phänomenologie und Existenzphilosophie^®, in-

13 P. Rohs: Johann Gottlieb Fichte. München 1991. 149; vgl. Gliwitzkis Einleitung in die Wissenschaftslehre von 1805 (Hamburg 1984), LXXl. i“* W. Janke: Fichte. Sein und Reflexion — Grundlagen der kritischen Vernunft. Berlin 1970. Xll.

15 D. Henrich: Fichtes ursprüngliche Einsicht. Frankfurt a. M. 1967, 1^ W. Janke (wie Anm. 14). 416, vgl. Xll. 1^ Fichte selbst spricht in der WL von 1804 von einer „Phänomenologie", die „Erscheinungsund Scheinlehre" sei. /. G. Fichte: Die Wissenschaßslehre. Zweiter Vortrag im Jahre 1804 vom 16. April bis 8. Juni. Gereinigte Fassung hrsg. von R. Lauth und J. Widmann unter Mitarbeit von P. Schneider. Hamburg 1975. 138, vgl. 81, 155. 18 Vgl. W. Janke (wie Anm. 14). 406 ff.

Fichte versus Hegel

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sofern kann für ihn von einem Aufgehobensein der FicHTEschen Position durch Hegel eben keine Rede sein. Es sei nur noch kurz auf GüNTER SCHULTES Buch hingewiesen, in dem es darum geht, an die „Einsicht der WL FICHTES in das, was überhaupt und im Ganzen ist", zu erinnern, welche Erinnerung SCHULTE „wegen der scheinbaren Aufgehobenheit dieser Einsicht in den geschichtlichen Denkweg ,von Kant bis Hegel'" für notwendig hält: „Unsere Arbeit ist der Versuch, durch Interpretation dieser letzten Texte [gemeint sind FICHTES Erklärungen zur WL in den Jahren 1812 und 1813; H.-C. L.] die scheinbar von der Geschichte überholte Einsicht FICHTES einzuholen — nicht zuletzt in der Vermutung, daß in ihr entscheidende Einsichten neuerer Philosophie bereits überholt sind.''^^

2. Reinhard Lauths besonderer V\leg Einen vöUig anderen Weg der Rehabilitierung FICHTES wählt REINHARD LAUTH, da er das Schema der Aufhebung der Position FICHTES durch ScHELLiNG und Hegel bereits für die frühe Version der WL nicht gelten lassen bzw. widerlegen will. Zunächst wendet er sich kritisch SCHELLING ZU. Dabei wird SCHELLING grundsätzlich als FiCHTEaner angesehen, Abweichungen seines Denkens von FICHTES Linie erhalten auf diese Weise stets den Charakter der Häresie oder schlichtweg des Fehlers. Man könnte dem etwa das Urteil von WILHELM G. JACOBS entgegenhalten: SCHELLING „galt von 1795 bis etwa 1800 als ausgesprochener FicHTEaner, war es aber nie".20 Entsprechend seiner Grundvoraussetzung sieht LAUTH in SCHELLINGS Vom Ich eine Fortsetzung FiCHTEschen Denkens, aber bereits hier mit einer wichtigen (zunächst noch als legitim beurteilten) Abweichung: „Gewiß läßt sich nicht verkennen, daß in Vom Ich allein vom Unbedingten ausgegangen wird, was transzendentalphilosophisch nicht zulässig ist. Aber das konnte damit erklärt werden, daß SCHELLING das transzendentalphilosophische Sy-

G. Schulte: Die Wissenschaftslehre . . . (wie Anm. 12). 17 f. Der dritte Teil dieses Buches ist übrigens der Auseinandersetzung zwischen Fichte und Schelling über das „Absolute und die Natur" gewidmet. 20 W. G. Jacobs: Johann Gottlieb Fichte mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt. Reinbek bei Hamburg 1984. 61.

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Stern in Variation zu FICHTES Darlegung von einem anderen Punkt aus darsteilen wollte. Hier ist nun auf eine erste Besonderheit hinzuweisen: Zwar kennt LAUTH den Brief SCHELLINGS an Hegel vom 4. Februar 1795, und er zitiert ihn auch ausführlich, doch das Zitat ist durch eine sehr auffällige Auslassung gekennzeichnet, denn der einleitende Satz: „Ich bin indessen Spinozist geworden! — Staune nicht"22 erscheint bei LAUTH gerade nicht! Dementsprechend wird der Einfluß SPINOZAS auf diese Schrift, der überhaupt nicht übersehen werden kann, da ihr Aufbau dem des Anfangs der Ethica völlig entspricht^s, absichtsvoll vernachlässigt. (Wobei freilich andererseits überhaupt nicht geleugnet werden kann oder soll, daß die hier vorgenommene , Umkehrung' SPINOZAS in einem FiCHTEanischen Gewand einherschreitet.) Ähnliches gilt im Bezug auf SPINOZA dann auch für die (gegenüber Vom Ich) späteren Schriften SCHELLINGS (und Hegels). ^4 Ergänzend ist nun auf eine zweite Besonderheit in der Argumentation von LAUTH hinzuweisen: Wenn LAUTH in der Geschichte von ihm selbst als negativ zu beurteilende Urteile über SCHELLING oder auch über Hegel findet, freut er sich, diese als Belege für seine These heranzuziehen, sie oft zu wiederholen und gelten zu lassen (so z. B. die Rede von Hegel als „Schildknappe" SCHELLINGS, auf die noch hinzuweisen ist). Wendet die Geschichte sich allerdings gegen FICHTE, verliert sie für LAUTH plötzlich ihren argumentativen Wert. Eine solche ungleichartige Argumentation macht eine rationale Auseinandersetzung schwierig, weil sie (offenbar ungeprüft und insofern naiv) in sich selbst zwei Ideologien der Geschichte trägt. Im Sinne einer sich dieser positiv bedienenden historischen Argumentation zieht LAUTH Z. B. REINHOLD heran, der in seinem Brief an FICHTE vom Dezember 1795 zum Ausdruck gebracht habe, daß er „den dogmatischen Sinn der ScHELLiNGschen Thesen in jener Schrift erspürt" habe.^^ 21 R, Lauth: Die Entstehung von Schellings Identitätsphilosophie in der Auseinandersetzung mit Fichtes Wissenschaflslehre (1795—1801). Freiburg, München 1975. 20. 22 Briefe von und an Hegel. Hrsg, von J. Hoffmeister. Bd 1. Hamburg 1952. 22. 23 Vgl. dazu vom Verf. bereits mit kritischer Perspektive auf Lauth: Moi absolu et substance unique. Reflexions sur le spinozisme du jeune Schelling. — ln: Les cahiers de Fontenay. 36—38 (E. N. S. Fontenay-aux-Roses, März 1985), 87—102. 24 Dies hindert Lauth freilich nicht, Hartmut Büchner in einer ausführlichen Fußnote dafür zu rügen, daß er in dem frühen Schelling eher einen ,Spinozisten im höheren Sinne' als einen transzendentalen Idealisten erblicken und ihn daher nicht, einseitig vom frühen Fichte her erörtert' wissen wolle. (96 f, Anm 105; vgl. F. W. J. Schelling: Historisch-kritische Ausgabe. Bd 2. Stuttgart 1980. Editorischer Bericht.) 25 R. Lauth: Die Entstehung, (vgl. Anm. 21) 19. Das dort wiedergegebene Zitat Reinholds lautet folgendermaßen: „Ich [habe] bisher geglaubt, daß das reine Ich . . . aus dem moralischen

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Einen umfangreichen Exkurs widmet LAUTH einer kritischen Besprechung der Schrift Vom Ich durch JOHANN FRIEDRICH HERBART, welche dieser im Herbst 1796 FICHTE vorlegte und die 1852 erstmals veröffentlicht wurde. HERBART kritisiert die Schrift von einem FICHTE sehr nahestehenden Standpunkt aus — und LAUTH macht sich diese Kritik im wesentlichen zu eigen; „HERBARTS Kritik geht davon aus, daß SCHELLING die erkenntniskritische Position der Wissenschaftslehre in seiner Schrift verlassen und zugunsten einer spekulativ-metaphysischen aufgegeben habe."26 Entsprechend faßt er HERBARTS Resultate zusammen und zieht deren Gültigkeit tendenziell aus bis zum Identitätssystem von 1801: „Es ist auffällig, wie HERBART in dieser Analyse [der Schrift Vom Ich; H.-C. L.] schon Fehler auf deckt, die sich in ganz der gleichen Weise im Identitätssystem von 1801 wieder nachweisen lassen. Diese Fehler sind letzten Endes in der konstant bleibenden Tendenz SCHELLINGS begründet, auf scheinbar transzendentaler Ebene wieder ein dogmatisches metaphysisches System zu errichten. "22 Die auf der frühen Wissenschaftslehre basierende kritische Stellungnahme zu SCHELLING verbindet LAUTH in seinem Artikel Hegels spekulative Position in seiner „Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie“ im Lichte der Wissenschaßslehre mit einer Metakritik der FicHTE-Kritik des frühen Jenaer Hegel, wenn er thetisch behauptet: „Man kann aber die [gegenüber dem methodologischen Weg des Heranziehens des FiCHTEschen Spätwerks; H.-C. L.] engere Frage aufwerfen, ob Hegels Position in der Differenz nicht auch schon durch die Argumente, die FICHTE bis zu deren Erscheinen entwickelt hatte, widerlegt und als wissenschaftlich unhaltbar ausgewiesen ist."28 Als einzigen Vorgänger auf diesem Wege erkennt er HELMUT GIRNDT mit seinem Buch Die Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems in der Hegelschen „Differenz-

Gesetze — nicht dieses aus jenem deduciert werden müßte. Auch fürchte ich noch immer, daß der wahre Sinn des moralischen Gesetzes dadurch Gefahr laufen könne, wenn man dasselbe aus dem schlechthin gesetzten absoluten Ich ableitet; nichts davon zu erwähnen, daß ich nicht einmal ahne wie Gott und Unsterblichkeit, deren Überzeugung für mich nichts als die Überzeugung von der äusseren Möglichkeit der Beobachtung des Sittengesetzes ist, und aus der Überzeugung von der inneren Möglichkeit oder Wirklichkeit desselben sich allein für mich ergiebt, und folglich die Religion dabey fahren werden. In Hrn Schellings Schrift stehen Äusserungen über diesen Punkt, vor denen — wenn ich mich beschieden hätte, ich habe sie misverstanden, das was ich meinen Wahrheitssinn nenne, zurückgebebt haben würde." 19 f; zitiert nach Fichte: Gesamtausgabe. Bd 3.2. 26 R. Lauth: Die Entstehung, 205. 27 Ebd. 210. 28 Vgl. Kant-Studien. 72 (1981), 430-489, hier 430; in seinem Buch (vgl. o. Anm. 3) 9.

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schriß"^^ an. Während für LAUTH SIEPS Buch darunter leidet, daß es letztlich von der „fast allseitig vorausgesetzte[n] These" ausgehe, „Hegel habe mit seiner Differenz die Wissenschaftslehre wenigstens in der Gestalt, die ihr in Jena von FICHTE gegeben worden sei, als mögliche Position erledigt", habe GIRNDT zwar „seine Kritik der Hegelschen Philosophie in vielen Punkten als Kritik FICHTES" ausgewiesen, aber er ziehe zur Explikation dieser Kritik doch „auch Systemgedanken aus FICHTES Wissenschaftslehren nach 1801 heran".3° Im Sinne der nach LAUTH ZU erhebenden ,engeren' Fragestellung, ist selbst GIRNDT also nicht puristisch genug vorgegangen und hat die Konfrontation FICHTE versus Hegel dadurch entschärft. (Man kann sich allerdings fragen, ob LAUTH nicht letzten Endes doch in dem noch genauer zu betrachtenden Buch selbst auch einen ähnlichen Weg geht, indem er seinerseits auf die Wissenschaftslehre von 1804 rekurriert, freilich ohne die Tendenz zur Entschärfung der Auseinandersetzung.) Am Schluß seines Artikels formuliert LAUTH dann ein Programm, aus dem 1987 das Buch Hegel vor der Wissenschaffslehre^^ erwachsen ist: „Es muß einer besonderen Untersuchung Vorbehalten bleiben, ob Argumente Hegels in der Differenz zur Modifikation einzelner Theoriestücke der Wissenschaftslehre geführt haben. . . . Darüber hinaus wäre generell zu zeigen, daß Hegel das transzendentale methodische Prinzip nie verstanden hat. Auch, ob Hegel in Glauben und Wissen Haltbareres vorzubringen vermochte, blieb hier unerörtert. Läßt sich in gleicher Weise wie im Falle der Differenz zeigen, daß auch die in Glauben und Wissen bezogene Position gegen die Wissenschaftslehre nicht bestehen kann, so muß Hegels Angriff in den Jenaer Jahren als gescheitert angesehen werden. Es bleibt dabei völlig gleichgültig, daß eben dieser Angriff von der weit überwiegenden Zahl späterer Philosophen für gelungen gehalten wurde; . . ."32 Das Buch enthält diesem Programm entsprechend einen Neuabdruck des Artikels als erstes Kapitel mit identischem Titel, als zweites Kapitel wird „Hegels Verständnis der Wissenschaftslehre in ,Glauben und Wissen' " abgehandelt und als drittes Kapitel folgt: „FICHTES Kritik an Hegels spekulativen Voraussetzungen im Jahre 1804". Dieser Ausgriff auf das Jahr 1804 und die damit verbundene Argumentationsverschiebung mag an den Bau der Bücher von SIEP und JANKE, auch von GIRNDT erinnern, sachlich wird er von LAUTH damit begründet, daß „das Jahr 1804 . . . ei29 Bonn 1965. 2® Vgl. o. Anm. 28; im Buch: 9. Mainz 1987. 22 Kant-Studien (wie Anm. 28), 489; im Buch: 73.

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nen Höhepunkt in der Entfaltung der Wissenschaftslehre" bedeute. (135)

3. Lauth, Fichte und die Differenzschrift Ihren besonderen Charakter und speziell ihren kämpferischen Stil gewinnt LAUTHS Argumentation aus drei Grundvoraussetzungen, welche die philosophiehistorische Zuordnung von FICHTES Philosophie, insbesondere im Blick auf Hegel betreffen. 1. FICHTES Philosophie gehört demnach nicht in den Kontext des Deutschen Idealismus: „Noch immer werden die Wissenschaftslehre und der absolute Idealismus durchweg unter dem nichtssagenden Namen ,deutscher Idealismus' verhandelt; und wenn man sich schon schämt, die Formel KRONERS ,Von KANT bis Hegel' zu wiederholen, so hat man sich innerlich doch keineswegs davon freigemacht, Transzendentalphilosophie und absoluten Idealismus, die sich wie Feuer und Wasser gegenüberstehen, als ,Idealismus' ineins zusammenzunehmen. Der Nichtswürdigkeit unseres standpunktscheuen Jahrhunderts entsprechend fragt man lieber: ,KANT oder Hegel?', wenngleich diese Alternative nur zu sehr verrät, wo man stehengeblieben ist." (5 f; die Bezugnahme auf das Motto eines Kongresses der Internationalen Hegel-Vereinigung und einen daraus hervorgegangenen Sammelband erscheint LAUTH SO offenbar eindeutig genug und wird nicht durch ein entsprechendes Zitat ergänzt.^3) 2. FICHTES Philosophie ist keine Metaphysik: „Transzendentalphilosophie ist methodischer, aber keineswegs metaphysischer Idealismus. Sie ist durch ihr Grundprinzip toto coelo von bloßer Metaphysik, wie scheintranszendental sich diese auch in gewissen ihrer Vertreter geben mag, verschieden." (6) 3. Im Gegensatz zur Hegelschen Philosophie kann für FICHTES Denken eine Aktualisierbarkeit für gegenwärtiges systematisches Denken reklamiert werden. „Die Wissenschaftslehre ist noch nicht widerlegt worden, selbst nicht in der unvollendeten Form, in der sie erst vorlag, als SCHELLING und Hegel im Jahre 1801 über sie triumphieren zu können vermeinten. . . . Hingegen kann man heute mit völliger Sicherheit sagen, daß das von Hegel vorgetragene System unhaltbar ist. Allein diese Sachlage ist Grund genug, dem transzendentalen System höchste Beachtung zu schenken, zumal in einer Zeitepoche wie der unseren, der es an systematischer Kraft ge33 Vgl. Stuttgarter Hegel-Kongreß 1981. Kant oder Hegel? Über Formen der Begründung in der Philosophie. Hrsg, von D. Henrich. Stuttgart 1983.

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bricht und die sich vollends in Teil- und Einzeluntersuchungen zu verlieren droht." (7)34 Trotz des auf Hegel bezogenen Titels legt es sich also von Anfang an nahe, LAUTHS Buch eher der FiCHTE-Forschung zuzuordnen, insofern es darin allein um eine Widerlegung des frühen Hegelschen Standpunktes im Interesse von FICHTE, nicht aber um die Erarbeitung eines näheren Verständnisses für die Hegelsche Argumentation zu gehen scheint. (Vgl. 10 o.) Entgegen der von KLAUS DüSING bereits früher vertretenen These, daß man vermuten dürfe, „daß Hegel in [der] Zeit [vor 1801] bereits eine Logik als eigenständige Theorie aufgestellt oder geplant hat"35, nimmt LAUTH das ,Gegenteil' an. Die gegenwärtige editorische Forschung im Umkreis von Band 5 der Gesammelten Werke Hegels (besonders durch KURT R. MEIST), aber auch die Edition einer Nachschrift von Hegels Vorlesung über Logik und Metaphysik aus dem Winter-Semester 1801/02 scheinen allerdings DüSINGS Vermutung eher zu erhärten.36 Diese Annahme ließe den weiteren Schluß zu, daß Hegel sich von Anfang der Jenaer Zeit an eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem bereits berühmten ScHELLiNG erarbeitet habe. Dagegen befindet LAUTH: „Doch angesichts des Fehlens jedes direkten oder indirekten Zeugnisses hierfür kann man als kritisch vorgehender Historiker nicht voraussetzen, daß eine Ausarbeitung einer derartigen logischen oder fundamental-philosophischen Theorie erfolgt ist. Vielmehr veranlaßt Hegels Interessenrichtung bis 1801 zur Annahme des Gegenteils." (10) Damit bleibt aber die Differenz-Schriit für LAUTH „bis zum Jahre 1807 Hegels einzige öffentliche und namentliche Äußerung zur Frage des Fundaments der reinen Philosophie" (10), und diese steht für ihn völlig eindeutig unter dem dominierenden Einfluß SCHELLINGS. Argumentationstaktisch gewinnt LAUTH auf diese Weise die Möglichkeit, Hegel ganz in den Umkreis SCHELLINGS ZU rücken, an die Polemik seines eigenen Buches zu SCHELLING (S. O. Anm. 21) anzuschließen und so letztlich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen bzw. zwei philosophischen Gegnern FICHTES gleichzeitig zu widersprechen. Aus ebendem34 Zu Überlegungen einer möglichen Aktualisierbarkeit Fichtes vgl. z. B. auch vom Verf.: Retorno crttico a Fichte? In: Cuadernos Salmantinos de Filosofia. 3 (Salamanca 1976), 73 —88. 35 K. Düsing: Das Problem der Subjektivität in Hegels Logik. Systematische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen zum Prinzip des Idealismus und zur Dialektik. (Hegel-Studien. Beiheft 15.) Bonn 1976. 55 — Vgl. Lauth (o. Anm. 3), 10. 35 Schellings und Hegels erste absolute Metaphysik (1801—1802). Zusammenfassende Vorlesungsnachschriften von I. P. V. Troxler, hrsg. eingeleitet und mit Interpretationen versehen von K. Düsing. Köln 1988. Vgl. bes. 157 f.

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selben Grunde kommt ihm auch REINHOLDS Rede von Hegel als „Schildknappe ScHELLiNGs" (13, 76, 140) gerade recht; er geht aus von „der Identität des [Hegelschen; H.-C. L.] Standpunktes mit demjenigen SCHELLiNGs" (10): „Hegel bestreitet der Wissenschaftslehre, das wissenschaftliche System der Philosophie zu sein, billigt dies vielmehr dem SCHELLINGschen Idealismus zu." (9) Es folgt nun eine oft scharfsinnig durchgeführte Konfrontation des (weitgehend, also nicht vollständig, als einheitlich interpretierten) ScHELLiNG-Hegelschen Standpunktes der Identitätsphilosophie mit FICHTES Wissenschaftslehre, die überaus kenntnisreich mit einem Verfahren des Gegenübersteilens vielfältiger Zitate arbeitet und sich daher nur schwer zusammenfassen läßt. Es kann aus diesem Grunde nur auf einzelne Punkte Bezug genommen werden. Bei den Gegenzitaten FICHTES bezieht sich LAUTH häufig auf Aufzeichnungen FICHTES, die inzwischen unter den Titeln Vorarbeiten gegen Schelling und Zur Darstellung von Schelling's Identitätssysteme aus dem Nachlaß herausgegeben worden sind.^^ Freilich erfolgt diese Bezugnahme meist in der Weise, daß der Leser fast den Eindruck gewinnen muß, als habe FICHTE mit diesen Notizen tatsächlich öffentlich in die Auseinandersetzung eingegriffen. Zunächst geht es ganz allgemein um das höchste Prinzip bei SCHELLING und Hegel, um das „Prinzip der absoluten Identität": „Nach Hegel ist", so LAUTH, „dieses (richtig erfaßte) Prinzip das Prinzip seiner und auch von SCHELLINGS Philosophie. Er formuliert es wie folgt: die absolute Identität ist Identität der Identität und der Nichtidentität. Nichtidentität ist (relative) Entgegensetzung und Trennung." (24) Wenn nun aber SCHELLING beanspruche, er gewinne die absolute Identität „tatsächlich durch reines Denken und nicht durch intellektuelle Anschauung" (übrigens in Anlehnung an BARDILIS rationalen Realismus), dann könne er „nie zu einer legitimen Unterscheidung von Wesen und Form der Identität kommen". (26, vgl. 11) Und LAUTH zitiert FICHTE ZU diesem Problem gleich mehrfach mit der gleichen Formulierung: „Er [seil. SCHELLING] kann überhaupt durch blosses Denken nicht aus der Indifferenz heraus kommen." (26, 27; vgl. Fichte: GA II, 5. 484) Letzten Endes bleibt für FICHTE die „ganze Lehre vom Selbsterkennen der absoluten Identität. . . unerwiesen". (27; Fichte: GA II, 5. 498) Hier sieht LAUTH FICHTE und Hegel also einmal in einer gewissen Gemeinsamkeit gegen SCHELLING. ES bleiben jedoch weitgehende Gemeinsamkeiten Hegels mit SCHELLING, und eben diese attackiert LAUTH nun frontal: 3^ Vgl. /. G. Fichte: Gesamtausgabe. Reihe II, Bd 5. 475—508.

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„Die dem Gedankengang SCHELLINGS entsprechenden Hegelschen Aussagen: Das Absolute stellt sich dar, ist, muß sich setzen u. s. w. veranlassen zu der Frage: Warum ist das so, warum muß es so sein? Auf diese Frage wie auch auf die nach der erkenntnistheoretischen Legitimation seiner Aussage gibt Hegel keine Antwort. Man ist versucht, ein Wort FICHTES an REINHOLD an dieser Stelle auf Hegel anzuwenden und ihm zu sagen: „Sie treten steif und fest daher, und sagen: [das Absolute] ist das, und [es] ist das, als ob sie etwa von . . . einer Erdmandel redeten." (28) Mit dieser spöttischen Redeweise will LAUTH also zum Ausdruck bringen, daß ihm eine „epistemologische Begründung dieser fundierenden Aussage" fehle, wie sie von der Wissenschaftslehre gefordert werde, noch nicht einmal „ein metaphysischer Erweis" finde sich bei Hegel oder SCHELLING. (28) Mit diesem ,Erdmandel-Argument' wird abgezielt auf eine grundsätzliche objektivierende und ontologisierende Tendenz bei beiden Denkern. So sieht LAUTH auch die Differenz gegenüber der Identität bei Hegel bloß behauptet und nicht abgeleitet; er zitiert aus der Differenz-Schiiit „In der absoluten Identität ist Subjekt und Objekt aufgehoben; aber weil sie in der absoluten Identität sind, bestehen sie zugleich; und dieß Bestehen derselben ist es, was ein Wissen möglich macht; denn im Wissen ist zum Theil die Trennung beyder gesetzt: die trennende Thätigkeit ist das Reflektiren, sie hebt die Identität [Auslassung LAUTHS] auf." (31)^® Ein weiteres Hegel-Zitat wird verkürzend angefügt: „Es müssen . . . beyde in das Absolute oder das Absolute in beyden Formen gesetzt werden, und zugleich beyde als getrennte bestehen." (31; GW4. 65) Dabei wird nicht verdeutlicht, daß es hier um eine Argumentation im Anschluß an den Vorwurf in Richtung FICHTES geht, bei ihm habe sich die Identität „nur zu einem subjektiven Subjektobjekt konstituirt" und bedürfe „zu seiner Ergänzung eines objektiven Subjektobjekts". (GW4. 63) Vielmehr richtet sich LAUTH wieder gegen den Behauptungscharakter beider Sätze und konstatiert lakonisch: „Erneut wird man an FICHTES Wort von der Erdmandel erinnert." (31) Argumente EICHTES werden übrigens auch aus der WL von 1801/02 und 1804 herbeigezogen, das ursprüngliche Programm LAUTHS läßt sich wohl doch nicht so ohne weiteres einhalten. Auf diese Weise ergibt sich allerdings der Eindruck, als werde auf interpolativem

^ Hegel: Gesammelte Werke. Bd 4. 63 f. (Im folgenden wird diese Ausgabe mit der Sigle GW im Text angegeben. Lauth zitiert übrigens nicht nach dieser Ausgabe, sondern nach dem Original.)

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Wege eine Konzeption ,der' Wissenschaftslehre zwischen 1794 und 1804 gewonnen und argumentativ eingesetzt.

Zusammengefaßt lautet der Kern der FiCHTE-LAUTHschen Metakritik an ScHELLiNG-Hegel, daß diese „mittels ihres dogmatischen ontologischen Ansatzes das Dasein des Absoluten in der Form des Erkennens, d. i. in der Form der konstruierenden und im Konstruieren trennenden , Reflexion' zwar behaupten, aber nicht einsichtig, ja nicht einmal konzipierbar machen können" (33). Wenn SCHELLING wegen der Leichtfertigkeit „mit der Kontrolle seiner naturphilosophischen und überhaupt philosophischen Ansichten auf ihre Evidenz hin" gerügt wird (54), so wird dieser Vorwurf rasch an Flegel weitergegeben, der dies SCHELLINGS Schriften habe anmerken müssen. Es folgt wieder das ,Erdmandel-Argument': „Doch in der Differenz[-Schrift] findet sich außer der Beanspruchung einer objektiven intellektuellen Anschauung, in modo der von FICHTE gerügten Erdmandelaussage, keinerlei Spur einer epistemologischen Prüfung ihrer Möglichkeit. Der Gedanke der Notwendigkeit einer erkenntnistheoretischen Rechtfertigung ist Flegel offenbar fremd. [Zwar soll dies hier wohl nur den Hegel der Differenz-Schiiit treffen, es wird aber so weitausholend formuliert, als könne es für den ganzen Hegel, also auch etwa für die Phänomenologie des Geistes, behauptet werden. H.-C. L.] Es darf dies als eine Folge davon angesehen werden, daß er ohne rein erkenntnistheoretische Vorarbeiten metaphysische Fragen zu entscheiden versucht hat." (55; in diesem Zusammenhang beruft sich LAUTH übrigens zustimmend auf RUDOLF HAYM und dessen polemische Hegeldarstellung.3^) Es folgt eine Reihe von Verdikten über Miß- oder Fehlverständnisse von Hegel, schlicht von Rügen über Hegels Unverständnis gegenüber der WissenschaftsleFue, als sei Hegel als FiCHTE-Forscher zu beurteilen — oder als sei alle Philosophie nach FICHTE nur an diesem zu messen. So wird Hegels Ansicht einer , durchgehenden Antinomik' als ,nach der Wissenschaftslehre nicht zuzugeben' beurteilt (63). Wie der Widerspruch im Einklang mit der Wissenschaftslehre aufzulösen sei, habe „Hegel überhaupt nicht verstanden" (65). Darauf, daß „das Wissen die einzige subjektobjektive Einheit" sei, habe FICHTE in seinem Briefwechsel mit SCHELLING aufmerksam gemacht und diesen dabei über seinen „Grundirrtum" aufgeklärt — „und dieser Punkt betrifft" für LAUTH „Hegel in derselben Weise" (67). Gleichfalls „verkennt" Hegel „die Natur des ObjektiR. Haym: Hegel und seine Zeit. Berlin 1857. (Nachdruck: Hildesheim 1962. Lauth bezieht sich auf eine offenbar seitengleiche Ausgabe Leipzig 1927.) 88—92.

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ven" (68). In bezug auf die Natur produziere Hegel „kompakten Unsinn" (52). Als Fazit stellt LAUTH in diesem Kapitel heraus, „daß das spekulative System, das Hegel als das allein vertretbare in seiner Differenz[-Schrift] präsentiert, nach dem kritischen Maßstab, den die Wissenschaftslehre errungen hat, nicht bestehen kann. Dieses System ist ein evidenzloses neoontologisches Gebilde, dessen Grundidee nicht vollziehbar ist. Daß es den transzendentalen System-Ansatz überwunden hätte, davon kann gar nicht die Rede sein; und das gilt nicht nur von der späteren Wissenschaftslehre, sondern auch von deren Ausarbeitung, wie sie im Jahre 1801 schon bestand." (73) Daß sich von dem Ansatz FICHTES her Probleme hätten ergeben können, die von , Nachfolgern' von neuen Ansätzen her angegangen wurden, kommt hier überhaupt nicht in den Bereich der Betrachtung. Auch die Tatsache, daß FICHTE ständig an seiner Wissenschaftslehre fortgearbeitet hat und dabei eine Vielzahl von Versionen der WL entstanden, läßt nicht die Frage aufscheinen, ob hier vielleicht drängende Sachprobleme Vorlagen, die aus der frühen Version der WL allein keine befriedigende Lösung finden konnten, wird so nicht erwähnt. Allerdings läßt LAUTH diese Frage zumindest anklingen: „Der Grundriß des Eigenthiimlichen der Wissenschaftslehre hatte zwar die allgemeinsten Konstituentien der Außenwelt systematisch entfaltet, aber es fehlte noch die wissenschaftliche Ausführung der Naturlehre und auf der anderen Seite der Religionslehre, Ausführungen zu denen FICHTE aus äußeren Gründen auch später nie gekommen ist. Doch es fehlte zu jener Zeit auch, was damals und auch später weit weniger bemerkt worden ist, die Ausführungen jenes Teils der Wissenschaftslehre, auf dem das, was in der Grundlage der gesummten Wissenschaftslehre ausgeführt worden ist, fußt, und den FICHTE als das ,System der intellegiblen Welt' und ferner als ,philosophia prima' bezeichnet." (136) Da kann es dann eigentlich nicht sehr verwunderlich erscheinen, daß die Zeitgenossen in FICHTES Philosophie nur ein unvollkommenes, bestenfalls ein unvollständiges System erblicken konnten und daß sie diese Unvollständigkeit eben nicht auf ,äußere Gründe' verwiesen. Doch eben solche Beurteilungen erwecken bei LAUTH schieres Entsetzen: „Hegels Interpretationskünste gipfeln endlich in dem unglaublichen Satz: ,An ein System ist [bei der Wissenschaftslehre] nicht zu denken.' [vgl. GW 4. 394; H.-C. L] Man hält den Atem an, wenn man diesen Satz liest. Seit dem DESCARTESschen Ansatz, der die dogmatische Ontologie alten Stils unmöglich gemacht hat, hat außer der Transzendentalphilosophie in der Form der Wissenschaftslehre keine Philosophie das Gesamte des Wissens und des Seins aus einer

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Einheit zu konstruieren vermocht. Und dies soll kein System sein!!" (115) Man vergleiche jedoch dagegen das soeben Zitierte über die Lükken dieses Systems. Grundsätzlich muß man doch wohl bemängeln, daß ein Konzept philosophiegeschichtlicher Betrachtung nur ex negative deutlich wird, insofern es gilt, das Schema ,Von KANT bis Hegel' zu bekämpfen. Der Ursprung dieser kritischen Position wird aus dem zweiten Kapitel, das Hegels Glauben und Wissen polemisch abhandelt, etwas deutlicher.

4. „Glauben und Wissen" und die „Parteiungen" der Philosophie

Wenngleich LAUTH in seinem ersten Kapitel sehr genau auseinandergesetzt hatte, daß Hegel in der Differenz-Schrift SCHELLINGS Darstellung meines Systems der Philosophie noch nicht kennen konnte (15 ff)^, weist er nun darauf hin, daß „die Differenz Hegels den Zeitgenossen vor allem als eine Anwendung der , Erkenntnisse' derselben auf die bekämpften Philosophien von FICHTE und REINHOLD" „erschien". Insofern wird auch im Zusammenhang mit Glauben und Wissen wieder das REiNHOLDsche Diktum von Hegel als „Schildknappe" SCHELLINGS (77, vgl. 13, 140) hervorgeholt. Diese Schrift wird nun als das Scheidewasser für absoluten Idealismus und Transzendentalphilosophie eingeführt: „Da Glauben und Wissen viel schärfer als die Differenz gegen KANT und FICHTE vorging, konnte die Abhandlung zur Verifizierung der Ablösung des absoluten Idealismus von der Transzendentalphilosophie dienen. Die philosophische Welt konnte den Bruch zwischen beiden Lehren nicht mehr übersehen." (76) Es kam dementsprechend dann also zur Unterscheidung von Häretikern (vgl. die „Ablösung"), von Überläufern (z. B. JOHANN BAPTIST SCHAD) und von Parteigängern, wobei diese als „Parteigänger KANTS, JACOBIS und FICHTES" vermerkt werden, und zur „Konfrontation beider Systeme". (Man weiß nicht recht, ob militärische Auseinandersetzungen oder Kirchenkonzüe das Paradigma liefern.) Eine Klärung der Angelegenheit durch FICHTE mittels der Veröffentlichung der Neue[n] Darstellung der Wissenschaftslehre bHeb jedenfalls aus; darin sieht LAUTH den Grund dafür, „daß die Philosophie in der Folge in Parteiungen zerfiel, deren keine ihre Gründe als überwiegend darzulegen vermochte bzw. jedenfalls nicht ^ Dabei wendet Lauth sich kritisch gegen die Herausgeber von Hegel: Gesammelte Werke. Bd 4, die in ihrem Anmerkungsteil auch Bezugnahmen Hegels auf diese Schrift angeben, wenngleich er diesen Band im Blick auf die Texte nicht zur Kenntnis nimmt, sondern nur nach dem Original zitiert.

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darlegte. Dieser Zerfall und der Fortbestand der ungeklärten Problemlage, die man von nun an vor sich her schob, wirkt sich bis in die Gegenwart verhängnisvoll aus" (77). Mit anderen Worten: Der Zerfall der Philosophie in Parteiungen wirkt sich für LAUTH bis in die Gegenwart aus — und von daher ist die Schärfe des Tons gegen Hegel zu verstehen, der hier angeschlagen wird. Dies gilt um so mehr, da Hegel nachdrücklich betrieben habe, „FICHTES und SCHELLINGS Sache immer mehr zu trennen" (80 f, vgl 15)41, ja vvohl letztlich auch zutrifft. Als ein nützlicher Hinweis zur Beruhigung der in den Parteiungen aufgeregten Gemüter könnte möglicherweise der folgende Hinweis LAUTHS gelten: „ln dem Zusammenhang, in dem Hegels Schrift Glauben und Wissen entstand, ist von großer Wichtigkeit, daß noch keine Darstellung der gesamten Wissenschaftslehre FICHTES vorlag, sondern nur die Darlegung der Grundlage und einzelner Partien derselben, sowie in einzelnen Fragen weiterführende Ausführungen in Veröffentlichungen vorhanden waren. Hegel mußte also — was er indes nicht getan hat — die verschiedenen Publikationen FICHTES daraufhin durchmustern, was sie zur Erfassung des Gesamtsystems und an Hinweisen auf dieses hergaben." (77 f) Vielleicht hätte Hegel dies wirklich tun müssen, aber hätte nicht LAUTH um so mehr davon ausgehen müssen, daß die DifferenzSchnit Hegels und Glauben und Wissen keinesfalls Darstellungen von dessen System sind, und sich auch um spätere Entwicklungen des Hegelschen Denkens bemühen müssen. Hätte er nicht zumindest das aus dem Nachlaß veröffentlichte Korpus der Jenaer Systementwicklung Hegels heranziehen sollen, da er ja auch bei FICHTE auf Nachlaß-Veröffentlichungen zurückgreift? Man kann LAUTH nur seine eigenen Worte entgegenhalten: „was er indes nicht getan hat" (78). Statt dessen folgt eine Darstellung des Parteienstreits, die zum TeU durch eine raffiniert zugespitzte Präsentation an Bosheit (teilweise aber auch an Witz) gewinnt. Wir wollen uns auf ein Beispiel beschränken: LAUTH behauptet (84): „Ja, S. 158/59 [GW4. 398; H.-C. L] scheut Hegel nicht vor der Niederträchtigkeit zurück, FICHTE mittels eines auf ihn angewandten SpiNOZA-Zitats zum ,animalium genjus], medio scilicet inter homines et bruta' zu rechnen, eine Bemerkung, bei der jeder zeitgenössische Leser an die Einordnung des katholischen Mönches ,nach dem LiNNEschen System' in eine Gattung von Lebewesen zwischen Affe und Lauth zitiert aus einem Brief Hegels an Mehmel nach: Hegel: Gesammelte Werke. Bd 4. 524. Dort wird gesagt, daß Mehmel den Brief am 16. August 1801 beantwortet habe. Bei Lauth wird dies zu der Datierung „August (?) 1801" (15 Fn. 24) bzw. „16. Aug. 1801" (81 Fn. 27).

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Mensch in IGNAZ VON BORNS (unter falschem Namen 1783 u. fgde. in mehreren Auflagen erschienener) Monachologia denken mußte. Man sieht, wie weit die Feindschaft gegen FICHTE gediehen war: sie ging bis zum Flaß." Dementsprechend sieht LAUTH nun bei Hegel eine „Verschreiung der FiCHTEschen Philosophie als Produkt eines ungesunden Menschenverstandes und einer Halbaffenmentalität" (ebd.). Dem muß freilich widersprochen werden: Hegel zitiert den SPINOZAtext in Zusammenhang des Referats von JACOBIS FicHTEkritik recht ausführlich. Das Zitat sei hier, etwas weniger gekürzt als bei LAUTH, auf Deutsch wiedergegeben: „Manche bestreiten, daß sie eine Idee von Gott haben, obgleich sie ihn, wie sie selbst sagen, verehren und lieben. . . . Indes kann man auf die Worte solcher Leute wenig geben, sondern man möchte sie für eine neue Art von Tieren halten, die zwischen den Menschen und den unvernünftigen Tieren in der Mitte stehen. "^2 Es geht hier also gerade um den Vorwurf des vorgeblichen Nicht-Wissens von Gott oder dem Absoluten. Nun ist es freilich JACOBI, der sagt: „Ein Gott, der gewußt werden könnte, wäre gar kein Gott."^^ Vorher hatte JACOBI gegen FICHTE den Vorwurf erhoben, er versündige sich an der Majestät des Orts des Bewußtseins des Nichtwissens des Wahren, „wenn er in den Bezirk der Wissenschaft diesen Ort einschließen, und von dem Standpunkt der Speculation, als dem angeblich höchsten, als dem Standpunkt der Wahrheit selbst, auf ihn will herab sehen lassen".Hegels Anführen des SpiNOZAzitats ist also offenbar überhaupt nicht auf FICHTE, sondern auf JACOBI gemünzt. LAUTHS Heranziehen der Monachologia scheint eher ein rhetorischer Trick, um eine zusätzliche Verschärfung des Tons im Sinne der „Halbaffenmentalität" herbeizuführen. An anderer Stelle (140) behauptet LAUTH, daß „FICHTE . . . gegen scharfe Kritik erstaunlich unempfindlich war", im Gegensatz dazu wird ihm hier nachträglich gerade eine solche Empfindlichkeit implantiert, was wiederum einen groben Ton gegenüber Hegel legitimieren soll. In Bezug auf diesen Ton möchte man auf ein Zitat zurückgreifen, daß LAUTH gegen Hegel ins Feld führt, der ja zugestandenermaßen selbst oft auch nicht gerade zimperlich war: „ ,Die Vernunft schimpft nicht', bemerkt Hegels Rezensent in der OALZ [d. i. ,Oberdeutsche allgemeine Literaturzeitung; H.-C. L.]; ♦2 B. de Spinoza: Descartes' Prinzipien der Philosophie auf geometrische Weise begründet mit dem „Anhang enthaltend metaphysische Gedanken". Übers, von A. Buchenau. Einl. und Anm. von W. Bartuschat. Hamburg 1978. 32. 43 Jacobi an Fichte. — In: F, H. Jacobi: Werke. Bd 3. Leipzig 1816. (Neuabdruck: Darmstadt 1976.) 7. 44 Jacobi an Fichte. Ebd. 5 f.

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,Sie muß sich also [hier] in einer sehr unähnlichen Gesellschaft befinden, und in derselben — wenigstens den Ton nicht angeben dürfen.'" (86) Zum Abschluß sei noch einmal darauf hingewiesen, daß LAUTH Hegel in einer grundsätzlichen, wenngleich scheiternden Abhängigkeit von der Wissenschaftslehre sieht, er beruft sich dabei auf FICHTE selbst in der WL von 1804, zweiter Vortrag (a. a. O. 10 f); „Hegel fällt für FICHTE unter die ,Kommentatoren', ,Weiterbringer' und angeblichen ,Verbesserer' der WL. Er ist unter den ,feurigen, und dabei wüsten und verworrenen Köpfen' zu suchen, deren ,Heros' SCHELLING ist, kurzum, unter dessen Anhängern. Endlich gehört er natürlich auch zu den ,Gegnern' der WL." (141) Der Bezug auf Hegel ist freilich nur durch eine Interpolation zu erzielen, da dieser von FICHTE hier überhaupt nicht genannt wird. Was FICHTE allerdings all diesen , Gegnern' als Grund ihrer Mißverständnisse entgegenhält, soll demnach auch gegen Hegel gelten: „Sind nun überall keine andern, als faktisch evidente Principien in den wirklichen Wissenschaften vorhanden, und die W.-L. will dagegen durchaus genetische Evidenz einführen, und aus ihr die faktische erst ableiten: so ist klar, daß sie innerlich, ihrem Geiste und Leben nach, völlig von allem bisherigen wissenschaftlichen Vemunftgebrauche verschieden ist; . . ." (WL 1804/11 a. a. O. 31, vgl. Lauth 127) Seinen ,Gegnern' macht FICHTE das Leben insofern schwer, als er behauptet, daß die WL nur aus sich selbst widerlegbar sei, und dies findet natürlich LAUTHS Zustimmung: „Die W.-L. kann nur in ihr selber beurtheUt, sie könnte nur aus sich selber, durch Nachweis eines inneren Widerspruches, einer inneren Inconsequenz oder Unzulänglichkeit angegriffen oder widerlegt werden; es müßte daher dem letztem Geschäfte doch das Studium und das Verstehen derselben vorangehen, und immerhin damit angefangen werden. Bisher freilich hat man die Ordnung umzukehren gesucht; erst beurtheilend und widerlegend, und hinterher, so Gott will, verstehend; es ist daher nichts Anderes erfolgt, als daß die Streiche keineswegs die W.-L., welche als ein unsichtbarer Geist ihren Augen verborgen geblieben, sondern die Himgespinnste getroffen haben, welche die Herren sich mit eigener Hand verfertigt, an welchen Hirngespinnsten sie denn hinterher wiedemm irre geworden, wodurch den dermalen die Verwirmng soweit gediehen, daß sich erwarten läßt, man werde nun bald inne werden, daß man verworren sei!" (WL 1804/11, a. a. O. 31 f; vgl. lauth 127 f) An Glauben und Wissen läßt sich an einer Frage aufzeigen, wie dies im Sinne LAUTHS ZU denken sei. Zunächst wird Hegel bestritten, daß er sich im FiCHTE-Teil dieser Schrift ,vorzüglich' FICHTES Bestimmung des Menschen zuwende (97): „Das meiste, was er von der Wissenschaftslehre vor-

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bringt, bezieht er aus anderen Darstellungen." (99) Dementsprechend wird SiEP gerügt, weil er Hegel dieses Diktum abnehme. (97 Anm. 106) Dann wird gesagt, daß Hegels Auffassung dieser Schrift „ganz irrig" sei. (98) Schließlich wird Hegel dafür getadelt, daß er sich zu sehr auf Die Bestimmung des Menschen konzentriert habe: „Um FICHTES Ansatz richtig zu verstehen, hätte Hegel die den , Glauben' betreffenden Aussagen der Bestimmung des Menschen sorgfältig mit solchen in anderen Veröffentlichungen FICHTES, zumal im Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre, im System der Sittenlehre und in den Atheismusstreit-Schriften vergleichen müssen." (101) Dies muß dem unbefangenen Leser einigermaßen widersprüchlich erscheinen, erschwerend kommt noch hinzu, daß LAUTH vorher (77) verkündet, daß FICHTE ZU dieser Zeit „seine mehrfach angekündigte Neue Darstellung der Wissenschaftslehre nicht veröffentlichte" und dies mit ein Grund für das Entstehen der „Parteiungen" in der Philosophie gewesen sei. Allerdings hat man hier wohl eher an die beiden Einleitungen in die Wissenschaftslehre von 1797 und den Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre ebenfalls von 17,97 zu denken.

5. Ausblick Grundsätzlich ist zu sagen, daß mit dem Verhältnis Hegels zu FICHTE ein kompliziertes und philosophiehistorisch höchst interessantes Thema abgehandelt wird. Allerdings würde man sich wünschen, daß diese Aufgabe nüchterner, weniger den Parteiungen verhaftet und mit einem klareren phBosophie-historischen Konzept angegangen würde. So wäre z. B. eigens zu überprüfen, inwiefern Hegels Kritik der drei Grundsätze in der frühen WL tragfähig ist und ein echtes philosophisches Problem in FICHTES frühem Ansatz aufdeckt, den dieser später ja aufgibt, um nach 1795 bei der intellektuellen Anschauung anzusetzen. Eine Lösung dieses Problems könnte dann zu einer näheren Durchführung des von LAUTH am Ende seines Artikels (und damit des ersten Kapitels) aufgestellten Programms dienen: „Es muß einer besonderen Untersuchung Vorbehalten bleiben, ob Argumente Hegels in der Differenz zur Modifikation einzelner Theoriestücke der Wissenschaftslehre geführt haben." (73) Dieses Programm wäre dann auch weiter dahingehend auszuführen, als verdeutlicht werden könnte, welche Sachprobleme die fort■*5 Vgl. U. Claesges: Geschichte des Selbstbewußtseins. Der Ursprung des spekulativen Problems in Fichtes Wissenschaftslehre von 1794—95. Den Haag 1974. 3.

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gehende Weiterentwicklung der WL erzwingen und warum beispielsweise die Thematisierung der Natur ausbleibt. Möglicherweise liegen beträchtliche Unterschiede zwischen FICHTE und Hegel auch in ihrer Auffassung von der Sprache und deren Rolle begründet. Dazu sei auf das Herausgebervorwort zum Grundriß des Eigenthümlichen der Wissenschaftslehre (1795) von WILHELM G. JACOBS verwiesen, der (unter Berücksichtigung von FICHTES Brief an REINHOLD vom 2. 7. 1795) nachdrücklich FICHTES Schwierigkeiten mit dem sprachlichen Ausdruck hervorhebt, nämlich „daß seine Sprache keine endgültige Formulierung seiner Aussage ist. FICHTE ist erst [gemeint ist wohl 1797; H.C. L.] dabei, sich eine adäquate Sprache zu schaffen. Wie alle Entdecker kostet ihn die Übersetzung seiner Idee in eine wissenschaftliche Sprache Mühe. Seine ersten Arbeiten sind ein Versuch in dieser Richtung, der kaum gelingen konnte. In der Tat ist FICHTE seiner eigenen Beurteilung nach nie eine sprachlich vollendete Darstellung der WL gelungen. Ein von JACOBS ausführlich mitgeteiltes Zitat aus dem bereits genannten Brief FICHTES kann diese Sprachproblematik weiter erhellen: „Setzen Sie auf meine Ausdrüke nicht so viel Werth, als etwa die Ihrigen allerdings haben. Man hat angemerkt, und ich glaube mit Recht, daß es fast unmöglich sey, die eigenthümlichen Gedanken Ihrer Philosophie anders auszudrüken, als sie dieselben ausgedrükt haben; das ist bei den meinigen, und ich glaube auch bei den KANTischen, nicht der Fall. Sie laßen sich auf unendlich verschiedene Weise ausdrüken, und es ist, von mir wenigstens, nicht zu erwarten, daß die zuerst gewählte Darstellungsart die vollkommenste sey. Der Körper, in den Sie den Geist hüllen, liegt ihm sehr fest an; der, worin ich ihn hüUe, ist locker, und leicht übergeworfen. Das, was ich mittheilen will, ist etwas, das gar nicht gesagt, noch begriffen, sondern nur angeschaut werden kann; was ich sage, soll nichts weiter thun, als den Leser so leiten, daß die begehrte Anschauung sich in ihm bilde. Wer meine Worte studiren will, dem rathe ich, Worte Worte seyn zu laßen, und nur zu suchen, daß er irgendwo in die Reihe meiner Anschauungen eingreife; fortzulesen, auch wenn er das vorhergehende nicht ganz versteht, bis irgendwo an einem Ende ein Lichtfunken herausspringt.Das Verhältnis zur Sprache ist bei FICHTE SO als ein J. G. Fichte: Grundriß des Eigentümlichen der Wissenschaßslehre in Rücksicht auf das theoretische Vermögen als Handschrift für seine Zuhörer (1795). Auf der Grundlage der Ausgabe von F. Medicus hrsg. von W. G. facobs. Hamburg 1975. XVI. Vgl. die Herausgeber-Einleitung von Jacobs, XVII; ]. G. Fichte: Briefwechsel. Kritische Gesamtausgabe. Gesammelt und hrsg. von H. Schulz. Bd 1. Leipzig 1925. 477; GA Reihe III, Bd 2. 343 f.

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schwankendes und ungewisses von ihm selbst konzediert; wenn FICHTE hier aber REINHOLD ein anderes Verhältnis zur Sprache zugesteht, als es ihm selbst eigen ist, so kann man fortschließen, daß es äußerst interessant wäre zu untersuchen, wie sich eine solche Unterschiedlichkeit in Relation zu Hegel verhielte (der ja z. B. in der Enzyklopädie § 459 und Anm. ausführliche philosophische Überlegungen zur Sprache anstrengt) und welche philosophischen Konsequenzen und Differenzen sich darauf zurückführen ließen. Im übrigen wäre es natürlich von großer Bedeutung für das Versfändnis des Zusammenhangs der Philosophie um 1800, wenn präzis dargestellt werden könnte, inwiefern Hegel unter Berücksichtigung aller möglichen Mißverständnisse, denen LAUTH sich so ausführlich zuwendet, FICHTE eben nicht nur ablehnt, sondern seinerseits von ihm beeinflußt ist. (Man denke etwa nur an das Programm der ,Aufhebung' im dreifachen Sinne des Wortes!) Dies gilt insbesondere für die Systemprogrammatik, wie sie FICHTE in seiner Schrift Über den Begriff der Wissenschaftslehre aufstellt und die offenbar keineswegs folgenlos geblieben ist.^ Von vergleichbarer, wenn nicht noch fundamentalerer Bedeutung wäre die damit zusammenhängende Darstellung der problematischen Behandlung des Gedankens einer Geschichte des Selbstbewußtseins, der bei Fichte in Form der ,pragmatischen Geschichte des menschlichen Geistes' auftritt und dann bei SCHELLING und Hegel folgenreich umgedeutet und fortentwickelt wird.^^ Eine zusammenhängende Reflexion auf diese Grundfragen wäre möglicherweise tatsächlich in der Lage, allgemeine Probleme des systematischen Denkens zu klären, und könnte so, mit LAUTH ZU sprechen, „allen denen gelegen kommen, deren Interesse nach wie vor wahrhaft der Philosophie als solcher, und das heißt, dem konzipierbaren Gesamtsystem güt" (7).

^ Vgl. dazu z.B. V. Hösle: Hegels System. Der Idealismus und das Problem der Intersubjektivität. Bd 1. Hamburg 1987. 22 ff. Vgl. dazu das bereits zitierte Buch von U. Claesges (s. Anm. 45).

KLEINE BEITRÄGE

LA QUESTION NATIONALE - HEGEL ET L'HISTOIRE DE LA PHILOSOPHIEi

II y a maintenant presque vingt ans que, jeune etudiante dans cette universite, j'etais venue, pleine d'apprehensions, m'adresser ä Monsieur DAGOGNET afin de lui proposer pour mon memoire de maitrise un theme qui, ä l'epoque, le desorienta: celui du nationaUsme. Ce theme, qui acquiert aujourd'hui ä nouveau un regain d'actualite, n'a cesse de m'occuper depuis lors, sous differentes formes. C'est sur ces formes ou, plus precisement, sur la fa?on dont ma question originelle s'est transformee — et sur les reponses que j'ai cru lui trouver — que je voudrais dire quelques mots en cette occasion solennelle. Monsieur DAGOGNET, ä l'epoque, semblait bien vouloir releguer cette question au dix-neuvieme siede, avec le geste royal d'un grand humaniste fran^ais pour lequel l'attachement ä des particularismes ne peut que sembler irrationnel; et je decouvris bien vite, d'aüleurs, que dans la conception franjaise du principe de souverainete nationale, tel qu'il avait ete formule, pour une bonne part sous l'influence de ROUSSEAU, par la Declaration des droits de l'homme de 1789, il n'y a pas de place, entre la nation, ou l'Etat, et l'individu, pour un quelconque corps collectif. Je comprenais d'autant mieux le scandale que pouvait representer, pour une teile pensee, la valorisation d'une entite collective comme celle de „peuple" que je savais ce ä quoi une teile valorisation avait conduit en Allemagne. Mais ne fallait-il pas precisement se demander ce qui avait rendu de telles aberrations possibles? Suffisait-il de nier le nationalisme ä la mode aUemande pour le voir disparaitre, ou ne fallait-il pas reconnaitre que c'etait bien lui, c'est-ä-dire la revendication d'un Etat sur la base d'un passe „culturel" commun ou soi-disant commun, qui se manifestait aujourd'hui encore, dans bien des regions et pour bien des peuples? Le sionisme, qui me preoccupait tant ä l'epoque, ne s'inspirait-il pas beaucoup plus du nationalisme romantique allemand que de l'idee nationale frangaise? II me fallait clarifier la nature et les impücations de cette parente si menagante; et ce fut sans doute l'une des raisons qui me conduisirent ä 1 Discours d'Habilitation, prononce ä TUniversite Jean MouUn, Lyon III, le 14 decembre 1990, devant le jury d'Habilitation: Madame et Messieurs les Professeurs: Blandine Barret-Kriegel, Bernard Bourgeois, Jacques D'Hondt, Frangois Guery, Guy Planty-Bonjour.

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me plonger dans l'etude des sources du nationalisme allemand, ä Taube du dbc-neuvieme siede. Je cherchai ä comprendre celui-d non pas ä partir de ses apötres, mais ä partir de grands penseurs qui en nierent la legitimite: ä partir de Hegel, et de MARX. Ced n'est paradoxal qu'en apparence: il est interessant de constater — ce fut en tous cas la constatation ä laquelle j'aboutis tres rapidement — que ces mouvements politiques que Ton denomme nationaüstes n'ont pas produit de grands theoridens. II n'y a pas, me semble-t-ü, de grand theoriden du nationalisme, comme U y en a du liberalisme, ou du sociaüsme — peut-etre justement parce que le nationalisme nie, ou cherche ä nier, la dünension constitutive de toute pensee rationnelle elle-meme: Tuniversalisme. Certains, peut-etre, voudront contester cette these; et affirmer en se redamant, par exemple, de FICHTE que Tambition de transformer un particularisme en universalisme est bien plutöt constitutive de ces mouvements „messianiques" que sont tous, en fin de compte, les nationalismes. Mais une teile transformation n'est pas si simple: la tension entre particularisme et universalisme constitue plutöt Tun des noeuds du probleme; et c'est bien celui-d que je tentais d'affronter en etudiant le hegeUanisme. Pour ceux de ses interpretes qui font autorite aujourd'hui, Hegel n'est pas un penseur nationaliste. Monsieur BOURGEOIS lui-meme est, me semble-t-ü, convaincu de cette these puisqu'ä la fin de son Uvre dejä classique sur la pensee poUtique hegeUenne U se contente d'opposer T„etatisme" hegeUen au courant nationaliste qui, par la suite, le contesta.^ Nombreux sont ceux qui affirment aujourd'hui, d'aUleurs, que Hegel ne comprit pas Timportance de la question nationale, qu'ü ne realisa pas quelle force pouvait avoir un mouvement nationaliste; et que teile fut Tune des grandes faiblesses de sa phUosophie poUtique. Mais j'avais des doutes lancinants ä ce sujet: affirmer ceci ne revenait-ü pas ä presupposer dejä, et ä legitimer, une certaine conception du nationaUsme — la conception meme, pourtant, qu'il s'agissait justement de soumettre ä Texamen? Et etait-ü plausible qu'un penseur comme Hegel, si preoccupe par tout ce qui touchait ä la poUtique, soit reste aveugle ä la montee, precisement ä son epoque, d'un nationaUsme ou pre-nationaUsme s'inspirant de ce romantisme dont lena, la vüle meme dans laquelle ü residait, devenait alors le centre inconteste? Comment ne pas noter qu'ü avait lui-meme recours ä toute la terminologie du pre-romantisme allemand: ä la notion de Volksgeist, par exemple, que devaient reprendre par la suite tous les nationaUstes aUemands? II me semblait bien que, pour Hegel aussi, la question du nationaUsme avait du jouer et avait effectivement joue un röle essentiel, et ceci quelle que soit la position qu'ü avait en fin de compte adoptee. Mais le probleme fondamental etait de savoir comment s'etait posee pour lui, ä Tepoque et dans le müieu auxquels ü appartenait, cette question; et je me rendis vite compte que pour clarifier ce point il me faUait examiner non pas seulement sa propre pensee, mais aussi celle de bien d'autres parmi ses contemporains, philosophes ou non. C'est le vaste champ 2 Bernard Bourgeois: La pensee poUtique de Hegel. Paris 1969. 146.

Myriam Bienenstock: La question nationale

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d'etude constitue par le probleme des rapports entre nationalisme et romantisme, au debut du dix-neuvieme siede en Allemagne, qui s'ouvxait pour moi et en lequel je me plongeai pour n'en ressortir qu'avec difficulte mais avec, sur Hegel, une these qui me sembla fort interessante et qui, par le plus grand des hasards, correspondait fort bien ä mes preoccupations poHtiques de l'epoque: Hegel aurait rejete toute revendication d'un peuple ä un Etat qui se fonderait sur une definition de ce peuple parce que pour lui on ne peut pas donner de definition a priori, universellement valable, de ce que serait un peuple; et ceci quelles que soient d'aUleurs les caracteristiques qu'une teile definition privilegierait (des caracteristiques naturelles, comme un territoire ou une origine ethnique commune, ou des caracteristiques culturelles: une langue ou, plus generalement, des coutumes communes). Ainsi que je le formulai ä l'epoque, un peuple ne pourrait etre „defini" de quelque fafon que ce soit, mais se definirait plutöt lui-meme, dans et par son histoire, par son action ou par ses lüttes; et ce seraient predsement ces lüttes qui le conduiraient ou non ä un Etat. . C'est la these hegeüenne bien connue Weltgeschichte ist Weltgericht que je retrouvais id, avec toutes les interrogations qu'elle suscite. J'en etais ainsi arrivee ä la conclusion, bien evidente d'ailleurs, que toute reflexion sur le nationalisme doit etre reflexion historique, pensee de l'histoire. C'avait ete la conclusion, d'ailleurs, ä laquelle plusieurs historiens israeliens m'avaient confrontee lorsqu'arrivant en Israel je leur avais annonce, avec l'aplomb de quelqu'un qui ne sait pas grand chose, que je voulais ecrire un üvre sur le sionisme: plongez-vous donc dans son histoire, au lieu de faire de l'ideologie! Mais voilä, les choses ne sont pas si simples: est-il si evident, ou meme possible, de faire Teconomie de ce que l'on appelle avec mepris l'ideologie, lorsqu'on fait l'histoire d'un mouvement poUtique, particuHerement du sionisme? Plus generalement, ne sont-ce pas nos propres categories, nos propres valeurs, que nous retrouvons ou croyons retrouver dans le passe? C'est lä la question bien hegeüenne — Hegel encore, Hegel toujours — traitee par GADAMER, par exemple, dans sa demarche dite „hermeneutique"; et nous ne sommes pas bien loin, ici encore, du probleme du nationaüsme: je me suis permis de mentionner dans ma these de doctorat nouveau regime une Conference que GADAMER donna en 1939 sur le theme Hegel und der geschichtliche Geist („Hegel et l'esprit historique")^, dans laquelle ü croit pouvoLr retrouver chez Hegel une demarche historique qui reconnait, certes, les valeurs ou normes propres ä une tradition historique particuliöre, mais ne fait pas droit ä une quelconque dimension universaüste. C'est, on le sait, ä partir d'une interrogation sur la langue, sur la communicahon par le langage, que GADAMER developpe les categories de sa demarche hermeneutique; et ce fut precisement cette interrogation que je me vis ä mon tour conduite ä reprendre. Mais le contexte dans lequel je me trouvais etait 3 Hegel at ]ena: Nationalism or Historical Thought? In: Archiv für Geschichte der Philosophie. 61 (1979), 175-195. Zeitschrift für die gesamfe Staatswissenschaff. 100 (1940), 25—37.

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bien different du sien: c'etait celui d'un milieu philosophique fortement domine par Tinfluence anglo-saxonne, et par les prejuges culturels propres ä la phüosophie analytique du langage, teile qu'elle s'est developpee depuis le debut du siede. Je dis bien prejuges culturels; car cette phüosophie analytique qui, dans sa croyance en un universalisme logique situe au-delä de toute culture, se veut justement au-dessus de tout prejuge, en est bien eile aussi prisonniere. Telle fut en effet Texperience profonde, je dirais presque traumatisante, que je fis au cours de longues annees, pendant lesquelles je recherchai le dialogue, ou la communication, avec ce particularisme qui ne se reconnait pas comme tel, avec cette tradition qui nie toute tradition: celui qui nie Thistoire, qui se croit au-dessus d'elle, se retrouve bien vite son prisonnier. II n'y a pas de dimension langagiere universelle, purement logique, en laquelle la communication entre differentes cultures serait possible. Telle est bien, d'ailleurs, la conclusion ä laquelle les apötres les plus fervents de la phüosophie analytique du langage semblent etre eux-memes parvenus puisqu'ils se tournent aujourd'hui, tres paradoxalement, vers les theses les plus „particularistes" de nos propres traditions, dites continentales: üs ne s'arretent pas ä GADAMER, mais s'interessent ä DERRIDA, pour en tirer la these selon laquelle la phüosophie ne serait guere plus qu'une „conversation" entre gens de bonne education . . .5 La direction de recherche qui se tourne vers la phüosophie de la reUgion — ä laquelle, curieusement, DERRIDA semble lui aussi s'interesser ces derniers temps — me semble plus fructueuse: je viens d'achever un article sur FRANZ ROSENZWEIG, ce grand interprete de la pensee politique hegeUenne qui, se tournant resolument contre Hegel et Tidealisme aUemand, a aussi ecrit ce que beaucoup considerent comme le plus grand livre de phüosophie juive contemporaine, VEtoile de la Redemptiorfi: il m'a semble interessant et necessaire de montrer que la „pensee langagiere" (Sprachdenken), la phüosophie de la Revelation en tant que „phüosophie du dialogue" que ROSENZWEIG developpe dans ce livre a, eile aussi, des motivations politiques fort claires: par cette phüosophie, ROSENZWEIG entendait precisement lütter contre le nationaUsme, qu'il rapportait — ä tort, bien sür — ä la „phüosophie de Tesprit" de Hegel. ^ Hegel, tentant, ä juste titre, de preserver Tuniversalisme sans lequel aucune communication n'est plus possible, avait plutöt affirme — c'est du moins ce qu'ü me sembla — que le röle de toute phüosophie consistait precisement ä clarifier, encore et toujours, ces termes du langage en lequel nous nous exprimons. N'est-ce pas, en verite, le röle meme qu'ü avait assigne ä la phüosophie politique? Elle ne consiste pas pour lui ä presenter un ideal poUtique, qu'ü s'agirait de reaüser. Mais eile ne consiste pas non plus ä simplement justifier ce qui est, ainsi 5 Cf. par exemple Richard Rorty: Philosophy and the Mirror of Nature. Princeton 1979; traduction frangaise par Thierry Marchaisse: L'homme speculaire. Paris 1990. ^ Der Stern der Erlösung. Frankfurt 1921 u. ö.; Traduction frangaise d'Alexandre Derczanski et Jean-Louis Schlegel. Paris 1982. ^ Mythe et revelation dans VEtoile de la Redemption. Contemporaneite de Franz Rosenzweig. Dans: Archives de Philosophie. 55 (1992), 17—34.

Valerio Verra: Die Kritisierbarkeit Hegels

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que raffirment certains de ses detracteurs, donnant ainsi une Interpretation bien malveillante ä la these que j'ai mentionnee plus haut (Weltgeschichte ist Weltgericht). Son röle est bien plutöt, me semble-t-il, celui de toute reflexion phüosophique: il s'agit pour eile, dit Hegel, de transformer les „representations" en pensees; ou en d'autres termes, mais ce sont maintenant les miens, de clarifier ces concepts, en lesquels nous nous exprimons. La dialectique, depuis ses origines, n'avait pas d'autre fonction; et c'est bien celle-ci que Hegel retrouve.® C'est ainsi sur une lefon de modestie que je voudrais conclure; le long chemin qui m'a conduite d'Israel aux Etats-Unis, et ä l'Allemagne, et m'a finalement ramenee en France m'a convaincue de la necessite qu'il y a ä revenir ä une histoire de la phüosophie des plus classiques: une histoire, qui serait en effet scrupuleusement attentive au contexte historique dans lequel s'elabore une Philosophie, ä la problematique singuliere qui l'anime et meme, tout particuherement, aux termes du discours dans lesquels eile est formulee. Un tel souci de fidelite historique, en effet, est peut-etie le seul moyen pour nous de nous comprendre aujourd'hui, par-delä les frontieres. Peut-etre: ce n'est pas sür. Myriam Bienenstock (Paris)

E. DE NEGRI (1909-1990): DIE KRITISIERBARKEIT HEGELS

Am 16. Juli 1990 starb in Pisa ENRICODE NEGRI, einer der Hauptvertreter der italienischen Hegelforschung. Geboren am 22. August 1902 in Carrara, hatte er 1924 in Pisa in Philosophie promoviert, danach lange an europäischen und amerikanischen Universitäten gelehrt, bevor er seine Karriere an der philosophischen Fakultät der Universität Rom abschloß. Seine wichtigsten Beiträge zur italienischen Hegelforschung sind die Bände: La Nascita della Dialettica Hegeliana (Firenze 1930), Interpretazione di Hegel (Firenze 1943, 2. Aufl. 1969), die Übersetzung der Phänomenologie des Geistes (Fenomenologia dello Spirito, Firenze 1933—1936, neue Ausgabe 1960) und die kommentierte Anthologie Hegelscher Schriften bis zur Vorrede der Phänomenologie unter dem Titel I Principi di Hegel (Firenze 1949). Um die Bedeutung und auch die starken methodologischen Impulse, die von DE NEGRIS Studien ausgingen, zu verstehen, müssen wir uns daran erinnern, wie in der italienischen Tradition vom 19. Jahrhundert an im wesentlichen die Tendenz vorherrschte, die Werke Hegels zur Basis für eine spekulative Untersuchung zu machen, die, wie ein berühmter Titel BENEDETTO CROCES lautet, darauf * The Logic of Political Life: HegeTs Conception of Political Philosophy. In: Knowledge and Politics. Gase Studies in the Relationship Between Epistemology and Political Philosophy, ed. par Marcello Dascal et Ora Grüngard. Boulder 1989. 145—170.

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zielte, das, was in diesen Werken lebendig war, von dem, was tot war, zu sondern. Es handelte sich weniger um eine genaue und artikulierte Rekonstruktion ihrer Genesis und ihres organischen Zusammenhangs als vielmehr um den Versuch, ihre — wirklichen oder vermeintlichen — schwachen Punkte zu isolieren, um dann Modifizierungen oder ,Reformen' vorzunehmen, die der dialektisch-spekulativen Philosophie jene Überzeugungskraft und Unverfälschtheit garantieren sollte, die nicht einmal Hegel ihr zu geben gewußt hatte. Nichts von alldem findet sich bei DE NEGRI, dessen feinfühlige und scharfsinnige Textauslegung, eine wirkliche ,Entzifferung', beruhend auf einer umfassenden historiographischen Blickweite, in keiner Weise auf eine Kanonisierung, viel weniger noch auf eine Verherrlichung des Hegelschen Denkens ausgeht, als vielmehr darauf, seine inneren kontradiktorischen Aspekte und seine dramatischen Ausgänge ins Licht zu rücken. Im gewissen Sinn hat für DE NEGRI das gesamte Hegelsche Denken den Charakter einer Phänomenologie des Strebens nach Freiheit und Befreiung, wie es bereits in der Studie über die Geburt der Hegelschen Dialektik von 1930 heißt. Tatsächlich jedoch — und das wird schon sehr stark am Schluß des Buches von 1943 betont — endet Hegel damit, daß er das Individuum zweimal tötet. „Einmal in seiner sittlichen Substanz, ln dieser ,glücklichen' Sphäre befindet sich das Individuum im Gleichgewicht mit dem Allgemeinen, insoweit es aus sich eine allgemeine Form von Individualität erreicht; es ist die Form des abgeschiedenen Individuums, eines einzelnen Toten, der hinabgestiegen ist in die Unterwelt, um dort die Unruhe seines Blutes und die Hartnäckigkeit des eigenen Willens abzulegen." „Das zweite Mal ist das Individuum im Gedanken getötet worden. Nur der ewige Gedanke des Todes des menschlichen Individuums . . . nur die ewige Rückkehr der individuellen Bestimmtheit zur Natur ermöglicht es dem absoluten Geist, sich selbst in seiner Transparenz zu genießen". Daher drückt nach DE NEGRI der sittliche und logische Tod des menschlichen Individuums „auf die wirksamste intuitive Weise den Hegelschen Panlogismus aus", auch wenn seine gesamte Interpretation zeigt, wie Hegel „so viel wie möglich den panlogistischen Ausgang seines Systems gebremst hat" (Interpretazione di Hegel. 372). In diesem Rahmen muß man auch DE NEGRIS Behauptung sehen, daß gerade die Phänomenologie als das letzte Werk Hegels zu betrachten sei, „da die Ordnung, in der Hegel seine Werke veröffentlicht hat, nicht der Ordnung entspricht, in der er die verschiedenen Bereiche seines Forschens für sich selbst bestimmt hat", und die Enzyklopädie ist „als Kompendium eher dazu geeignet, das Denken Hegels zu ersticken als es zu erklären" (7). Diese Bevorzugung der Phänomenologie bedeute jedoch keineswegs eine nachsichtige Legitimierung gewisser Tendenzen, die damals weit verbreitet waren und darauf abzielten, einzelne Figuren zu Schlüsseln des gesamten Hegelschen Denkens zu machen. Das beweisen sehr wirksam die Bemerkungen im Vorwort Zur 2. Ausgabe der Interpretazione di Hegel von 1969.

Valerie Verra: Die Kritisierbarkeit Hegels

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weist ausdrücklich darauf hin, daß er das gesamte Kapitel, , Knechtschaft und Unglückseligkeit des Selbstbewußtseins' neu geschrieben habe, und sagt dazu: „Eine einzige Druckseite der Phänomenologie, in der es sich gerade um Herrschaft und Knechtschaft handelt, hat einen emblematischen Wert angenommen, als hingen von ihm die Entscheidungen ab, die unser Gewissen beunruhigen . . . Die fragliche Seite geht aus von einem nur allzu bekannten Mythos: daß nämlich unsere prähistorischen Vorfahren, kaum aus dem Schoß der Natur hervorgegangen, zu einem mehr oder weniger zivilen Leben durch die gewaltsame Vorherrschaft der Starken über die Schwachen gelangt seien. Wie man weiß und auch bei Hegel lesen kann, trieben diese primitiven Herren die Sklaven wohl an die Arbeit, aber an eine Arbeit, die selbst primitiv war, ein Handwerk, das einen allenfalls an eine Art romantisch idealisierter Wirtschaft denken läßt, wenn man hier überhaupt von Wirtschaft reden kann. Auf jeden Fall sind wir in der Vorgeschichte des menschlichen Geschlechtes, und die schnellen Aufeinanderfolgen von Sich-Bewußtwerden, die Hegel hier injiziert, haben nichts zu tun mit unseren heutigen sozialen Interessen und nichts mit den entsprechenden Doktrinen." Eine analoge Berichtigung hat DE NEGRI, so erklärt er, mit dem unglücklichen Bewußtsein vorgenommen, „eine andere Druckseite, die mit der Episode Herrschaft-Knechtschaft ohne Unterbrechung der Kontinuität verknüpft ist. Die gesamte Darstellung beruht in ihrem Sinn und den Linien ihrer Strukturen auf theologischen Elementen; ich habe mich darauf beschränkt, auf ihren Ursprung hinzuweisen. Wenn ich das Richtige getroffen habe, so half mir dabei meine Beschäftigung mit der Theologie MARTIN LUTHERS und der darin enthaltenen Theorie der Erkenntnis." (ebd. 9 f) Ein kostbarer Hinweis auf einen Hauptschlüssel von DE NEGRIS Hegellektüre, aber auch eine Anspielung auf den Band La Teologia di Lutero (Firenze 1967), erschienen wie eine Art Verabschiedung von jenen Hegelstudien, denen DE NEGRI so viel gegeben hat. Valerio Verra (Roma) DE NEGRI

Deutsche Übersetzung von Frau Lilo Ebel de Negri

HISTORY - PHILOSOPHY - POLITICS Eine gemeinsame Tagung des Hegel-Archivs und der Hegel-Society of Great Britain in Oxford

Zum Gedächtnis von William Henry Walsh

HANS-CHRISTIAN LUCAS (BOCHUM)

KURZER BERICHT Bereits im September 1986 fand im Pembroke College in Oxford eine gemeinsame Tagung des Hegel-Archivs und der Hegel Society of Great Britain statt; im Anschluß an die hier vorliegende kurze Erinnerung an diese Veranstaltung sollen zum Gedenken an den damals verstorbenen Professor WILLIAM HENRY WALSH ein Text aus dessen Feder und zwei auf ihn bezogene Texte präsentiert werden. Die Tagung sollte, nachdem es vorher mannigfache (Einzel-)Kontakte gegeben hatte, der wissenschaftlichen Begegnung des Hegel-Archivs in Bochum und der Hegel Society of Great Britain dienen. Es bot sich an, eine der alljährlich stattfindenden Versammlungen der Hegel Society diesem Zweck zu widmen. Ein erster Plan zu dieser Veranstaltung entwickelte sich auf der Bochumer Tagung von 1984, die in dem Sammelband Hegels Rechtsphilosophie im Zusammenhang der europäischen Verfassungsgeschichte (Hrsg, von H.-C. LUCAS und O. PöGGELER) dokumentiert ist. Die Initiative wurde in leitender Funktion getragen von Prof. Dr. WILLIAM HENRY WALSH, dem damaligen Präsidenten der Hegel Society, der zur großen Trauer und Betroffenheit aller Teilnehmer im Laufe der Vorbereitungen verstarb, der aber trotz seiner schweren Krankheit noch ein ,paper' für die Tagung einreichte, und von Prof. Dr. OTTO PöGGELER, dem Direktor des Hegel-Archivs. Planung und Organisation der Tagung lagen vor allem in den Händen von Dr. ZBIGNiEW A. PELCZYNSKI und des Autors. Alle Teilnehmer sind dem Pembroke College, die deutschen Teilnehmer der Fritz-Thyssen-Stiftung dafür zu Dank verpflichtet, daß das Treffen stafffinden konnte. Die Hegel Society of Great Britain ist eine philosophische Gesellschaft, die in dem weitgehend durch analytische Philosophie bestimmten Philosophiebetrieb in Großbritannien auch dem dialektischen Denken, besonders Hegels, Geltung verschaffen will. Sie besteht seit September 19791, die Gründung wurde hauptsäch-

1 Vgl. Hegel Society of Great Britain: Inaugural Meeting [21.-22. Sept. 1979]. In: Bulletin of the Hegel Society of Great Britain. 1 (Spring/Summer 1980), 2 f. — Das Bemühen um die Tradition des „British Hegelianism" wird z. B. bereits in diesem ersten Heft durch zwei Artikel über G. R. G.Mure dokumentiert, von denen einer von W. H. Walsh stammt.

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lieh betrieben durch Z. A. PELCZYNSKI, R. PLANT, C. M. TAYLOR und W. H. WALSH. Ihre ersten Ehrenpräsidenten waren J. N. FINDLAY und SIR MALCOLM KNOX. Die Geschäfte wurden zunächst durch den „chairman" RAYMOND PLANT geführt, später dann bis zu dessen Tod durch WILLIAM HENRY WALSH. Veröffentlichungsorgan der Hegel Society ist das „Bulletin of the Hegel Society of Great Britain", das seit dem ersten Halbjahr 1980 erscheint und durch die Herausgeber Z. A. PELCZYNSKI (bis 1986) und ROBERT BERNASCONI, Z. Zt. durch J. M. BERNSTEIN betreut wurde und wird. Das Schwergewicht des „Bulletin" ist der Veröffentlichung von Rezensionen gewidmet; es werden jedoch auch Tagungs- und Kongreßberichte geliefert und eigenständige Abhandlungen veröffentlicht. Alljährlich finden in Oxford (Pembroke College) Versammlungen der Gesellschaft statt, auf denen Vorträge zu Hegels Philosophie und zu allgemeineren Problemen der Dialektik präsentiert und diskutiert werden. Regelmäßige Kontakte bestehen mit der Hegel Society of America. Die Hegel Society of Great Britain steht einerseits in der Tradition des ,Britischen Hegelianismus', sucht aber andererseits stets auch den Kontakt mit der ,kontinentalen' Hegel-Forschung zu halten. Grosso modo kann man sagen, daß sich die Gesellschaft auch das Ziel gesetzt hat, die bedeutende Tradition des „British Hegelianism" fortzusetzen, dessen Anfänge bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts zurückreichen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere an die Namen B. JOWETT, der in seinen PLATO-Vorlesungen und kommentierten PLATO-Übersetzungen intensiv auf Hegel hinwies, und J. H. STIRLING ZU denken, dessen monumentales Werk The Secret of Hegel: Being the Hegelian System in Origin, Principle, Form and Matter in zwei Bänden 1865 in London erschien (2. Aufl. Edinburgh 1898). Der „British Hegelianism" bildete eigentlich nie in sich organisierte Gruppen oder Schulen aus, sondern wurde durch Einzelpersönlichkeiten repräsentiert. Um nur einige Namen zu nennen: T. H. GREEN, EDWARD CAIRD, JOHN CAIRD, WILLIAM WALLACE, D. G. RITCHIE, F. H. BRADLEY, BERNARD BOSANQUET, J. H. MUIRHEAD,

J. S. MACKENZIE, LORD HALDANE, J. E. MCTAGGART.2 Obwohl diese Denker z. T. komplexe Theorien der Ontologie und Logik ausbildeten, erzielten sie doch ihre größte Wirkung im Bereich der Rechts- und Sozialphilosophie. In der Zeit des 1. Weltkrieges, z. T. auch im Zusammenhang damit, geriet Hegels Philosophie, damit auch der britische Hegelianismus, in Großbritannien in Mißkredit; paradigmatisch war etwa die indirekte, direkt nur gegen BRADLEY gewandte, Hegelkritik von G. E. MOORE und BERTRAND RUSSELL.3 Nicht zuletzt von dieser (scheinbar) erfolgreich geführten Auseinandersetzung, die freilich Hegels eigene Philosophie nicht getroffen hatte, nahm der Siegeszug der analytischen Philosophie in der an^ Zur genaueren Orientierung vgl. z. B. die folgenden Darstellungen: Hiralal Haldar: Neo-Hegelianism. London 1927 (Reprint: New York, London 1984); Peter Robbins: The British Hegelians. 1875—1925. New York, London 1982. 3 Vgl. z. B. die abrißhafte Darstellung im ersten Teil meines Artikels: Whiteheads Organizismus und der Streit um interne und externe Relationen. In: Natur, Subjektivität, Gott. Zur Prozeßphilosophie Alfred N. Whiteheads. Hrsg, von H. Holzhey, A. Rust und R. Wiehl. Frankfurt a. M. 1990. 71—91. Dort auch weitere Literaturangaben.

H.-C. Lucas: Kurzer Bericht

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gelsächsischen Welt ihren Anfang. Trotzdem wird man die Entwicklungslinien — nun mit einem Schwerpunkt bei der Geschichts- und Rechtsphilosophie — beispielsweise über COLLINGWOOD und KNOX bis WALSH ausziehen dürfen (ohne noch lebenden britischen Hegelforschern zu nahe treten zu wollen). Im Sinne dieser Tradition, aber auch im Anschluß an frühere Arbeiten des Hegel-Archivs wurde die Tagung unter den Titel „History — Philosophy — Politics" gestellt. Die Tagung begann damit, daß Prof. WALSHS (Oxford) paper mit dem Titel Philosophy of history and social theory in Hegel von Prof. A. MANSER (Southampton) vorgetragen wurde. Prof. PöGGELER (Bochum) lieferte einen ,comment', der gleichzeitig persönliche Würdigung war. Beide Texte werden im Anschluß veröffentlicht; obwohl die Tagung grundsätzlich auf Englisch abgehalten wurde, erfolgt die Veröffentlichung des Kommentars auf Deutsch unter dem Titel Geschichtsphilosophie ohne Dogma. — Die beiden Texte werden ergänzt und abgerundet durch einen Gedenkartikel von Prof. LEON POMPA (Birmingham) für W. H. WALSH. Im folgenden soll nur überblickartig auf die Abfolge der Referate und Kommentare hingewiesen werden: H.-C. LUCAS (Bochum): The historical meaning of the identity of actuality and reason in Hegel. Kommentar: B. CULLEN. (Belfast). — S. H. HOULGATE (Edinburgh): History as progress of man's consciousness of freedom. Kommentar: N. WASZEK (Hannover/Erlangen). — K. R. MEIST (Bochum): Hegel's last lectures on the philosophy of history. Kommentar: J. E. B. WALKER (Liverpool). — Z. A. PELCZYNSKI (Oxford): Violence in history and politics — from Machiavelli's ,Prince‘ to Hegel's world-historical individual. Kommentar: CH. JAMME (Bochum). — C. MENZE (Köln): The meaning of history in the System of Hegel and W. v. Humboldt. Kommentar: C. J. BERRY (Glasgow). — R. GRAWERT (Bochum): The interconnexion oflaw and history in Hegel and Savigny. Kommentar: N. JOHNSON (Oxford). — K. M. KODALLE (Hamburg): Hegel's theory of history and the historiography of his time. Kommentar: L. POMPA (Birmingham). — R. BERKI (Hüll): Concretization of Spirit — from Hegel's ,Volk' to Marx's ,class‘. Kommentar: H. KIMMERLE (Rotterdam). — H. WILLIAMS (Aberystwyth): The dialectic in history and politics — Hegel and Marx compared. Kommentar: L. SIEP (Münster).

WILLIAM HENRY WALSH (t)

PHILOSOPHY OF HISTORY AND SOCIAL THEORY IN HEGEL The Suggestion that the history of the world be seen as the self-expression of ,the universal world spirit' is made first, so far as I know, in a text Hegel prepared for his school pupüs at Nürnberg and which exists now as reconstituted by ROSENKRANZ; the text dates from 1808, and what Hegel has to say on the subject is

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HISTORY — PHILOSOPHY —

PoLmcs

contained in a single paragraph (Phil. Enz. § 202). In 1817 Hegel included in the first edition of his Encydopaedia of the Philosophical Sciences about a page and a half on ,universal world history'; we meet here for the first time with the view that such history sits in judgment on the peoples of the world: the nafion which for the time being is the vehicle of the world spirit at that parficular stage of its development is said to have absolute right over all others. The dictum that „the history of the world is the world's court of judgment", taken by Hegel from SCHILLER, appears again in the passage (G. W. F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts [= PR]. §340) which introduces the summary account of the philosophy of world history given towards the end of the Philosophy of Right. It is necessary first of all to understand what Hegel intended by it if we are to form an estimate of this part of his philosophy. Hegel treats of world history in the Philosophy of Right at the end of his account of the State, which is itself part of his treatment of the wider subject of Sittlichkeit or Ethical Life. Much of the largest part of what he has to say about the State concerns its internal constitutional arrangements, „das innere Staatsrecht“ in HegeTs own term. But Hegel is also interested in „das äußere Staatsrecht", that is to say in the rules, conventions and informal arrangements which govern the relations of one state to another. After a section headed ,Sovereignty vis-a-vis foreign States', notable largely for its discourse on ,the ethical moment in war', he passes to the more general subject of international law. The crucial difference between this and the domestic law he discussed earUer is that the first, springing as it does from relations between autonomous parties, necessarily „retains the form of an ought-to-be" (PR § 330), whilst the second rests on a basis of solid fact, the power of the state as a going concern. Hegel allows that States are in one way dependent one on another: each demands recognition from the other States with which it has relations, and obtaining and granting such recognition is by no means an idle act, since on it depends the continuing intercourse between States. It is only because and in so far States thus respect one another that their normal relafionship is one of peace, not war. However, Hegel insists that the demand for recognition is itself grounded in a Claim to absolute sovereignty and complete autonomy on the part of each state, a claim that can turn out to be formal and empty in individual cases but which cannot in general be set aside. It follows that international law has to be defined through the content of treaties which of their nature will be observed only so long as it suits the parties to them; beyond that there is nothing but the general injuncfion to keep such treaties once they are made. In virtue of their sovereignty States are „in a state of nature in relation to each other" (PR §333); again, „There is no Praetor to judge between States; at best there may be an arbitrator or a mediator, and even he exercises his funcfions contingently only, i. e. in dependence on the parficular wills of the disputants" (ibid.). International law is accordingly always precarious and often without effect, though Hegel is not in practice insensitive to the way in which custom, tradition and shared values can establish and perpetuate viable relations between parficular states. He is reported (PR § 339 Zusatz) as saying that: „The European

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peoples form a family in accordance with the universal principle underlying their legal Codes, their customs and their civilisation. This principle has modified their international conduct accordingly in a state of affairs otherwise dominated by the mutual infliction of evils." Even so, his last word was apparently that „the relations of state to state are uncertain . . . The only higher judge is the universal absolute spirit, the world spirit" (ibid.). In arguing that there exists no ordinary tribunal to adjudicate in quarrels between States and in claiming that history alone can judge in cases of this kind Hegel appears to be at once ignoring morality and proclaiming that might is right. As regards morality he would not deny the Charge. He takes the view that morality is essentially an affair for private individuals, something which is effective in regulating the personal conduct of the members of a particular Society, but which is irrelevant when we consider the relations between States. At the international and indeed at the national level what matters is not men's motives, but the objective content of their deeds; we must look to the great things they accomplish, not condemn them out of hand because of their duplicity, selfishness or ambition. The march of history involves the trampling of many an innocent flower, but we are not going to alter the fact by indulging in moral denunciation, or by sketching and advocating ideal arrangements under which States abrogate their sovereignty cease to make the pursuit of their own welfare their overriding aim. „When politics is alleged to clash with morals and so to be always wrong, the doctrine propounded rests on superficial ideas about morality, the nature of the state, and the state's relations to the moral point of view" (PR § 337). KANT'S project for perpectual peace, based on the premise that morality should have a say of a sort in the international sphere, was not serious political comment but idle chatter, as indeed the subsequent history of the project may be said to confirm. Hegel's fundamental idea is that there is no real morality except where there are shared sentiments and practices; he takes the view that this condition is fulfUled inside nation States, but not in general when one state comes up against another. The appeal here is to political realities, realities which could be different in our time from what they were in Hegel's, thanks for example to the increasing interdependence of different States (Hegel says that „autonomous States are principally wholes whose needs are met within their own borders": PR § 332) and to the development of something Hke an international pubUc opinion. But we have only to think of the state of affairs in the Middle East today to see that his case has to be taken seriously. The parties in dispute there do not even recognize one another, let alone agree to submit their dealings one with another to the jurisdiction of morality. Try telling Israel, or Arabic leaders that moral considerations must always come first; they are not going to listen. And this may not be because they are immoral to an unusual degree — at the personal level both may be wholly admirable for anything I know — but because they think quite other considerations must be taken into account. But if neither law proper nor morality holds sway in the sphere of interstate

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relations, does not this mean that they are given over to caprice, or rather to sheer force? When one says that history must be the judge, is not one putting one's money on the big battalions? Hegel denies this absolutely. „World history", he writes (PR § 342), „is not the verdict of mere might, i. e. the abstract and non-rational inevitabüity of a blind destiny. On the contrary, since spirit is implicitly and actually reason, and reason is explicit to itself in spirit as knowledge, world history is the necessary development, out of fhe concept of spirif's freedom alone, of the moments of reason and so of the self-consciousness and freedom of spirit. This development is the interpretation and actualisation of the universal spirit." ln the next paragraph Hegel mentions the question of fhe perfecfibihty of man and the ,education of the human race' (the title of LESSING'S famous book), and acknoYvledges that what he has in mind relates to these ideas. The moments of the self-consciousness and freedom of spirif spoken of in fhe quotation are moments by which it proceeds to an ever more adequate comprehension of ifself, a process which involves the progressive expression of spirit in the world and, as we shall see, its progressive emancipation from the natural element in which it is originally sunk. But before we try to throw light on these difficult notions we need to consider some preliminary questions of a more formal nature. In the passage just quoted Hegel says in effect, that world history is not the product of Chance or causal necessity; he adds shortly after thaf equally it should not be seen as „a superficial play of casual, so caUed ,merely human', strivings and passions" (PR § 343). Nor will it do to declare that it is presided over by Providence, only to add that „the plan of Providence is inscrufable and incomprehensive". The story about Providence is right in principle, but the plan of Providence as regards world history is by no means obscure, though it needs the resources of philosophy to bring it to light. The imphcations here are firstly that a proper judgment of what is going on in world history cannot be made on the basis of surface appearances, second that world history is properly treated as a single development with a specifiable goal. The first of these involves no particular difficulties; it was a commonplace among those who phUosophized about history in Hegel's time or just before it, and something like it would be accepted as true of history generaUy by the great majority of modern historians. But the second implication is a different matter. What reason is there to suppose that the history of the world can be construed as a single process? Hegel makes the question easier for himself than it otherwise would be by arguing from the first that ,not all peoples count in world history': the latter embraces only significant nations, and then only for the relatively short period during which each plays the leading role on the world stage. But even if we accept this and agree that world history can quite legitimately select only certain peoples and episodes for its attention, there remains a question about its continuity. Hegel Starts his philosophical history of the world by discussing the national spirits of China, India and Persia before going on to Greece and Rome; he speaks as if spirit took an important Step when it advanced from fhe Oriental to the Greek

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point of view. In what he says about the Orient he is particularly attentive not only to the contrasts with what was to come, but also to profigurations of the future; it is from this point of view, for example, that he puts particular emphasis on the Persian religion of light. Yet though the Greeks were certainly not totally ignorant of the world of the Orient (if it can be considered a single world), they did not think of themselves as in any way carrying on what the Orient had started. For the most part they were simply indifferent to the achievement of their Oriental predecessors. Nor is it at all plausible to think of the latter as having looked forward in any way to what might be done at some remote date in the future by peoples outside their own territory. As far as the Chinese and the Greeks were concerned, they knew of each other's existence, but did not regard themselves as engaged in a common enterprise of any sort. But if that is correct, to speak of spirit as advancing from one world to the other seems highly dubious. Two things can be said in Hegel's defendence here. First, that the conception of themselves entertained by individuals and indeed by whole nations need not be a correct one. It is not only world-historical men, the agents of crucial historical change, who accomplish more than they understand and thus prove to be Instruments for effecting the cunning of reason; the same could be true more generally. In any case the Greeks could not have formed a true idea of their contribution to world history since so much that has proved significant in world history was still to come in their time. The Chinese and other Orientais were at even more of a disadvantage over this point. The trouble with this defence is that, apparently, neither Orientais nor Greeks had any conception of the march of history: so far as they were concerned universal history, as opposed to Greek or Chinese history, did not exist. This is, of course, only to repeat in other words what was said aheady, namely that these peoples did not think of themselves as engaged in any common undertaking. We are therefore driven back on the second defence, which is that HegeTs assumptions make more sense if we look at history retrospectively. Early peoples may have seen themselves in terms we should describe as parochial, but the very fact that we use this description shows that another point of view is possible. The Chinese were not just Chinese but men, and what they achieved can be considered as contributing to the success-story of humanity. The Greeks had no use for barbarians like ourselves, but we can as it were correct the picture by acknowledging their affinity with us. We can see them as our predecessors in the human task of instituting and supporting tolerable conditions of life, predecessors from whose efforts we have profited and whose history we think of as a part of our own. When Greek historians like HERODOTUS wrote about barbarians they saw in them personal qualities, feelings and emotions, in many ways similar to their own. They were not at all curious about what distinguished barbarians from Greeks (barbarians were taken to be immature or unbalanced Greeks), but in practice had a rudimentary idea of a common human nature. It is not a very long Step from such an idea to the view I am invoking in Hegel's defence.

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I think it must be acknowledged that Hegel did tend to look at history in a retrospective way; this may be one reason why, despite his alleged ,historicism', he thinks it no part of his task to make predictions about the future. It must also be admitted that having this approach, and combining it with the thesis that only a small number of nations are of interest as far as world history is concerned, testify to a certain cultural imperialism on Hegel's part. I have argued elsewhere [Principle and Prejudice in Hegel's Philosophy of History. In: Hegel's Political Philosophy. Ed. by Z. A. Pelczynski. Cambridge 1971. 181—198.] that Hegel sees the history of the world from a standpoint that is aggressively European as that term might have been understood in the Protestant (,Germanic') nations; it is by such European criteria and as relevant to such European achievements that peoples are picked out as worth study by the philosophical historian. Freedom is of central importance in the modern European world: the Orientais knew that one is free, the Greeks that some are free, we know that man as such is free. Similary with rational social arrangements: they exist in a rudimentary way, hampered by their immersion in matter, in the Oriental world, make a big advance, though with little permanent gain, among the Greeks and Romans, finally become what they should be in the civilized States of the modern world. What needs to be said about this is that there is another way of taking the phenomena with which Hegel was concerned: we can investigate them, as HERDER said we should, not for their relevance to us but for their interest in themselves. This point of view goes along with a refusal to distinguish between significant peoples and a repudiation of the view that human life is or ought to be everywhere the same, measuring up to the Standards set by theorists of the Enlightenment or by White Anglo-Saxon Protestants. It would certainly be hard to reconcile with Hegel's view {PR § 351) that „civilized nations" are justified „in regarding and treating as barbarians those who lag behind them in institutions which are essential moments of the state". „The civilized nation is conscious that the rights of barbarians are unequal to its own and treats their autonomy as only a formality" (ibid.). But once we take the opposite view, the whole possibility of a philosophy of world history — indeed, of world history itself — in the Hegelian mode is jeopardised. For the purposes of fhis paper we have no alternative but to set the HERDER view aside and take Hegel in his own terms. Let us therefore return to the thesis that the history of the world is the world's court of judgment. If the court is to command any respect it must be shown that its proceedings are not arbitrary, the product of Chance and caprice, but are as they ought to be. Hegel thinks he can meet this requirement if he can demonstrate that reason governs history, which means, I take it, that it determines the main stream of world-historical development. He is not committed to saying that reason is the only factor at work in history — it is as well known that he assigned an important role to passion in the accomphshment of anything greaf — but he is committed to the view that reason will in the end shape the essential course of events whatever contingencies occur. Reason on this account is an internally operating cause.

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something which informs history rather than makes it go as external factors do. It is clear that to establish this thesis Hegel requires not just reference to the actual facts of history, but an a priori argument, and despite many protests on his part that his philosophy of history contains nothing objectionably a priori, it is such an argument that he provides. To try to understand the argument we must switch attention from ,reason' to another of Hegel's key terms, ,spirit'. If someone were to Claim today that reason governed history we should take him to mean that the course of historical events results from reasonable men's taking thought. But Hegel holds no such view. The agents involved in world history as he sees it are not particular persons (save so far as certain individuals act as the instruments of Providence), but immediately particular nations or States and more remotely the world spirit. What particular nations are and do is in each case to embody and give expression to a distinctive national spirit, a spirit which can be traced, identical amid differences, in many aspects of the national life. As Hegel himself put it in his lectures (G. W. F. Hegel: Lectures on the Philosophy of world History. Introduction: Reason and History. Transl. from the German ed. of Johannes Hoffmeister by H. B. Nisbet. Cambridge 1975 [= Nisbet]. 138): „Each historical principle, in its concrete form, expresses every aspect of the nation's consciousness and will, and indeed of its entire reality; it is the common denominator of its religion, its political Constitution, its ethical life, its System of justice, its customs, its learning, art and technical skill, and the whole direction of its industry." „Such principles", he had said just before, „constitute the determinate characteristics of the spirit of a nation". Historical understanding, the implication seems to be, requires that we grasp and bring to consciousness the nature of the national spirit concerned. In particular cases this is of course an empirical undertaking, as Hegel is anxious to stress. But that is not the end of the matter, since nations are not just entities that can be considered in themselves, but also „all the time the unconscious tools and Organs of the world spirit at work within them. The shapes which they take pass away, while the absolute spirit prepares and works out its transition to its next higher stage." (PR § 344) The higher stage here mentioned is a Step on the road to spirit's goal, the full realization and full consciousness of freedom. The relation between spirit and freedom is not arbitrary, as may appear at first sight, but essential. Freedom, as Hegel is reported to have said in his lectures (Nisbet. 48), is „the one authentic property of spirit": all its other properties exist in virtue of freedom and „are merely means of attaining freedom" (ibid.). Freedom is to spirit as gravity is to matter; just as matter could not fulfil its nature unless impelled by something not immediately itself „to move towards a certain point", so spirit could not be itself unless it were self-sufficient and self-moving. When Hegel speaks of freedom it is things like spontaneity, self-containedness, self-dependency he has in mind. His thought here depends on a sharp contrast between mind and matter (the word NISBET translates as ,spirit' is rendered as ,mind' by KNOX and WALLACH), a contrast drawn in reference to differing capacities or incapacifies rather than in

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terms of different forms of accessibility. Hegel is closer to PLATO than to DESCARTES here. He is also some way from the modern notion that identifies freedom with the exercise of unconstrained choice. True, he sees a dose link between free activity and unconstrained activity; to suppose that spirit might not under external constraint is to suppose a contradiction, since spirit is essentially self-determining. But the notion of a choice between alternatives which depends on nothing but an act of the free will is not to his liking. Free will in this sense would be arbitrary, whereas spirit acting in its freedom is guided by the law of reason. Here again Hegel diverges from DESCARTES, this time coming closer to SPINOZA, and of course KANT. It would clearly be possible to see sense in Hegel's account of the general contrast between mind and matter, and to accept his general argument about the Connection of spirit and freedom, without going along with his philosophy of World history. At least two further premises are required for the latter to become anything like plausible. The first is that, over and above the minds of particular persons and the spirits of different nations, there is such a thing as a (or the) World spirit, universal spirit as Hegel sometimes calls it. The second is that the World spirit is of its nature engaged in the activity of taking cognizance of itself, a result which is possible only if it expresses itself in the world and so becomes an object to itself. Both premises sound faintly ridiculous when taken out of the context of Hegelian thought; both, again, may be thought to be nothing more than pale copies on the secular levels of religious doctrines which can no longer be taken seriously as they stand. The world spirit is God wearing modern dress instead of his traditional garb as a patriarch; the story about its taking cognizance of itself and in so doing realizing itself in the world is an attempt to give intelligible expression to the theological view that the relationship between God and his creation is not one-sided: what is created depends on God, but God too needs what he creates if he is to be truly himself. To be fair to Hegel, however, we must remember that it was his explicit view that philosophy has to state in rational terms what religious doctrine presents in imaginative ways. He would not have agreed that religious Claims can no longer be taken seriously by modern man. At their own level they are entirely satisfactory: the ideas they convey could not be conveyed otherwise if the ordinary man is to grasp and respond to them. It is only the phUosopher who aspires to go beyond imagery and picture thinking and hence find himself driven to seek their intellectual equivalent. To point out that his proportions reflect religious dogmas is thus not to object to them at all. We must accordingly see what can be made of the two premises I set out. As regards the assertion that there exists a world-spirit, it must be admitted from the first that there is a dispute about whether Hegel thought this üterally true. It could be argued that he believed in a common-sensical way that the only minds that really exist are those of finite beings like ourselves, that his talk about the spirit of a nation should be taken as a short way of referring to ways of thinking and dispositions to act shared by or reflected in many such minds, and that ,the

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World spirit' is just a name for the totality of such minds taken collectively, as ,humanity' is a collective term signifying the totality of human beings. The adventures of the world spirit become on this account identical with the adventures of humanity. HegeTs language is, of course, veiy much against this interpretation: he is constantly insisting that it makes no sense to describe certain things as finite unless there is something to contrast with it which is infinite. But this something need not and indeed hardly could be a further separate thing; it could only be the whole of what exists seen in contrast to the limited things which are its parts. I suggest that this is in fact what Hegel had in mind when he talked about ,the Absolute', and that his invocation of ,the world spirit' is simply an invocation of the Absolute under a particular description. ,The Absolute' = ,reahty', and reaUty can be characterized in different ways, as material, mental and so on. When Hegel talks about ,the world spirit' or ,absolute spirit' he is referring to reality considered qua mental and claiming (this is the important point) that it exercises an important effect on things (at any rate on world history) as so characterized. He Claims to have proved in his general phUosophy that ,reason' (he says that „we can adopt this expression for the moment without a detailed discussion of its relationship to God") „is substance and infinite power; it is the infinite material of all natural and spiritual life, and the infinite form which activates this material content" (Nistet. 27). ,Reason' here is equivalent to ,reality qua rational', which can in turn be equated with ,reality qua mental' and hence with ,spirit'. On this account spirit underlies everything, constitutes everything, is constantly at work in the world, operating, perhaps, through the power of ideas, which can bring things about independently of the intentions of those who propound them. The idea is certainly not absurd (even G. E. MOORE ,devoutly hoped' that reality was spiritual), though it is not easy to subscribe to it with the confidence which Hegel clearly feit himself. My exegesis of HegeTs second premise must be even less convincing. Immediately following the sentence just quoted Hegel says of reason; „It is substance, i. e. that through which and in which all reality has its being and subsistence; it is infinite power, for reason is sufficiently powerful to be able to create something more than just an ideal. . .; and it is the infinite content, the essence and truth of everything, itself constituting the material on which it operates through its own activity." This is meant to be a general account of ,reason' or ,the Idea', which according to Hegel is active in nature as much as in the mental world. If reason or spirit has nothing to work on but itself, there is, I take it, sense in saying that all it can do is take cognizance of itself, come to self-consdousness. But Hegel wants to say that a condition for doing that is that it express itself in the world, thus becoming an object to itself, a way of speaking which suggests that the world is initially unspiritualised or only implicitly spiritualised, and to that extent separate from spirit. Hegel would opt for the second description, and thus try to escape the rigour of the conclusion. The world is not alien to spirit, since it must be seen in the last resort as an emanation of spirit itself. Be that as it may, there must be a reality which is for immediate

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purposes independent of spirit if the exercise is to take place at all. To attain to self-consciousness spirit has to become an object to itself, and it can do that only by expressing itself in some foreign, or seemingly foreign, element. I do not understand how Hegel can reconcile bis story about the need for spirit's self-expression with his thesis that all spirit can do is take cognizance of itself. Equally, I do not see how he could drop the story without exposing himself to the Charge of quietism proffered by MARxists — of believing that it is enough if spirit arrives at full consciousness of its own nature, without having any effect on the real world. When he comes to applying his theory Hegel writes as if the background against which spirit operates in history were a natural background, where , natural' is taken to cover certain aspects of human life and behaviour as well as straightforward physical nature. Thus he says that in the Oriental World „spirit is still immersed in nature and is not yet self-sufficient; it is therefore not yet free, and has not undergone the process by which freedom comes into being. Even at this initial Stage in the spirit's evolution, we find States, arts, and the rudiments of learning already in existence; but they are still rooted in the soil of nature." (Nisbet. 130; not from HegeTs manuscript). At the second stage, that of the Greek world, spirit is ,reflected within itself' and exists in a state of Separation from nature, though only in sensual form (as art) or as a precarious subjectivity. In the Roman world subjectivity is made more substantial with the recognition of Personality in Roman law, whUe in the Germanic or Christian realm „the divine spirit has come into the world and taken up its abode in the individual, who is now completely free and endowed with substantial freedom. This is the reconcüiation of fhe subjective with the objective spirit. The spirit is reconciled and United with its concept, in which it had developed from a state of nature, by a process of internal division, to be reborn as subjectivity." {Nisbet. 131) Spirit is thus (i) sunk in nature; (ii) then freed from it, though more precariously and less thoroughly than it thinks; (üi) finally expressed in the concrete world in the form of structures that are broadly social, and which explicitly represent what spirit essentially is and thus enable it to know itself. Since Hegel thinks that nature is not independent of spirit but is rather its ,other', the formal requirements of his theory are met on this account. But whether this reference to nature does much to clarify the general theory seems doubtful, if only because of lack of Information about what nature is supposed to do in the later stages of the process. One thing which is clear and not so far accounted for is that Hegel was a believer in progress: the march of spirit is a march towards better things. World history, we are told in the lectures (Nisbet. 64), „is the expression of the divine process which is a graduated progression in which the spirit comes to know and realise itself and its own truth". But what makes the progression continue? What guarantee is there that the march forward will not stop or even be reversed? Hegel himself admits (Nisbet. 127) that „in the history of the world there have been several great periods of development which have come to an end without any apparent continuation; whereupon, in fact, the whole enormous gains of

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past culture have been destroyed, with the unfortunate result that everything had to Start again from the beginning". Against that, he reminds us immediately after, „there have also been unbroken processes of development, structures and Systems of culture existing in their own peculiar elements and radiating in every direction". „The formal principle of development" cannot „assign superiority" to one of these over the other, nor can it „comprehend the purpose which underlies the destruction of earlier period of development". All Hegel can say is that it must regard retrogressions of the kind mentioned as „external contingencies", which means, I take it, that they need cause no alarm to the philosophical historian. ,The formal principle of development' is the principle we have been trying to elucidate. It is obviously rooted in Hegel's logic, and it gets its impetus as a process from dialecfical considerations. Once spirit in the abstract Starts on the road to total freedom where is nothing to top its progress. But the philosophical historian is concerned not just with logic, but also with fact; or more accurately, he is concerned with logic as reflected in fact. Hegel knows very well that facts may fall to measure up to the demands of logic; contingencies can occur which do not conform to the requirements of theory. But Hegel is not in practice much disturbed by the threat of such contingencies. Two things confirm him in this cavalier attitude: his conviction that not all nations have a part in world history, and the fact that he looks at world history retrospectively, in the way mentioned earlier. The first enables him to rule out as not world-historical those nations which first flourished and then decayed; it is interesting for instance, to notice that he says almost nothing about Spain in his detailed survey of world history. The second gives him assurance that progress is a reality: it is real because the development in which Hegel is interested has actually been brought to completion. If we ask whether it will continue Hegel says that it is no part of the task of the philosopher of history to prophesy. It seems to me that these considerations explain why Hegel feit confident about progress in history without affording any real justification for his belief. That Hegel bases his philosophy of world history on developments which are logical or conceptual has a further consequence of importance, namely that his main interest is centered on the inner Connections of the episodes which make up the history of the world. We have already seen how in dealing with particular nations he thinks what has to be done is to seize the key principle which manifests itself in the different areas of national life, thus enabling the enquirer to answer the question what particular spirit is at work in a given case. When it comes to making Connections between the careers of different nations, the sort of link Hegel looks for is again conceptual rather than causal. Thus the Oriental, Classical and Germanic worlds stand to one another as thesis, antithesis and Synthesis in a dialectical progression; they can be seen as stages in a development from sheer objectivity through sheer subjectivity to subjectivity embodied in objectivity. Hegel is concerned here with relations of ideas rafher than Connections between matters of fact. He takes the careers of fhe various

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world-historical nations as stages in the working out of a development which is essentially logical; if asked why any particular item was there he would reply that without it the process could not proceed to its completion. I think myself that the proposal to see the various aspects of the life of a nation as embodiments of an overarching set of ideas is empirically enlightening (it has a close Connection with, and is probably the main source of, the suggestions I myself made about colligation), and I believe it is not absurd in special crrcumstances to think of historical episodes as having logical relations (thus the Romantic era could be seen as the antithesis of the Enlightenment). But to establish such connections is not to rule out ordinary causal enquiries, as Hegel half suggests. He makes some very interesting remarks at one point in the lectures about why a nation declines after it has ,created itself'; the answer is in terms of the corrupting influence of ,reflection'. Thought has a positive part to play in the unfolding of world history: a nation must be conscious of what it is and what it is trying to do if it is to go through with the enterprise the world spirit has assigned to it. But once the task is accomplished, „thought emerges as a reality in its own right" {Nisbet. 61), and this means that the national effort is hencefort enfeebled, indeed replaced by a movement „occasioned by the particular Interests of individuals" (Nisbet. 59). To an age of healthy self-assertion, in which „individuals are not separated from the whole" (Nisbet. 58) there succeeds one of subjective criticism and particularism. This is not Hegel's only explanation of decline; in the same passage he teils us that a nation ceases to pursue its highest interests once it feels there are no fresh worlds to conquer, „for no interest is possible without some kind of Opposition" (Nisbet. 59). What is interesting in both versions is the way Hegel tries to account for historical change in terms of reasons and international factors. However, he also brings in causes of a different sort, though in a half-hearted and unsatisfactory way, as 1 shall now try to Show: „What we have hitherto called the principle, or ultimate end, or destiny, or the nature and concept of the spirit in itself, is purely universal and abstract. A principle, fundamental rule, or law is something universal and implicit, and as such it has not attained complete reality, however true it may be in itself . . . That which exists only in itself is a possibUity or potentiality which has not yet emerged into existence. A second moment is necessary before it can attain reality — that of actuation or realization; and its principle is the will, the activity of mankind in the world at large. It is only by means of this activity that the original concepts or implicit determinations are reaUzed and actualized." (Nisbet. 69—70) In this passage Hegel recognizes clearly that if God produces the plot of world history, man is needed to give it effect. The Story told already about the world spirit and its necessary development moves at the level of formal causes only; it needs to be supplemented by a further account which specifies the relevant efficient causes. In suggesting that „the activity of mankind in the world at large" offers an answer Hegel is misrepresenting his own doctrine. What most people do has no relevance to world history at all, whether their Station in üfe is high or low. It is only a small and restricted group of persons who leave their mark on

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history in a significant way, those whom Hegel classifies as ,world-historical men'. These are individuals who, while intent on their own selfish ends, in a sense glimpse the possibilities of the future and so give them effect, as JULIUS CAESAR did when he rode roughshod over constitutional forms and prepared the way for the Roman Empire. Their function is, roughly, to usher in new epochs, to mark and help get past points of fundamental historical change. They „discern the weakness of what still appears to persist in the present, although it possesses only a semblance of reality" and „first formulate the desires of their fellows explicitly", responding to „a power within them which is stronger than they are", the power of the world spirit {Nisbet. 84). World-historical individuals are men of practice, not philosophers; they know nothing about the universal Idea, but they must „know and will their own enterprise", including the „universal principle, which is the necessary and culminating point in the development of their world" {Nisbet. 83). Hegel is perhaps unclear about the extent to which they can be said to be genuine agents, as opposed to mere instruments of something larger than themselves. But the real weaknesses of his theory lie not here, but in its ad hoc character. World historical men are important in initiating fundamental changes in history; if we ask how they are to be characterised (or identified) independently of this we get no answer. The list of such figures mentioned by Hegel is woefully short: it includes only ALEXANDER, JULIUS CAESAR and NAPOLEON, with SocRATES and LUTHER as possible additions. How do we set about extending the list? Would LENIN qualify? Is HITLER out because he simply foUowed in NAPOLEON'S footsteps in envisaging an united Europa, or because his career ended in faUure? More important, is Hegel implying that whenever a crucial change occurs in world history, whenever one phase gives way more or less abruptly to another, some world historical person or persons must have been at work? If he does not say this, it will be appropriate to ask him what happens in the other cases; this would open the way for theories of the Operation in history of efficient causes of a very different kind. If he does answer affirmatively, we must ask him how he knows. It would not of course be reasonable to demand the names of those who fulfilled this role in remote periods about which we are iU-informed. But for the view to carry conviction there would need to be, in a substantial number of individual cases, evidence which pointed to the existence of such individuals and suggested fhat they played the part the thesis requires of them. It hardly needs saying that Hegel makes no attempt to provide such evidence. As PLAMENATZ said, the great weakness of HegeTs philosophy of history lies in its unsatisfactory account of what makes history go. That world history proceeds as it does because of the activities of a few far-sighted CARLYLEan heroes is too much for most of us to believe. But perhaps Hegel was led to the conclusion that it does by a line of reasoning which is at least intelHgible. He seems to have held that the only true causes of the sphere of history must be spirits or minds, on the ground that anything eise that might be suggested, natural forces, for example, or social conditions independent of the wills of those they affect, can make a

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difference only by working through minds. It is not the actual pressures that count, as when one material body comes up against another, but he feit or appreciated pressures. The impact of social circumstances in particular varies with the way they are seen; it would not be absurd to suggest that they have the effect those concerned in the end let them have. If this is correct it follows that human beings are the only true efficient causes in history. But to accept this is not to commit oneself to the view that world-historical men are the sole agents of significanf hisforical change. For one thing, Hegel himself makes clear that in his view such persons are responding to something not quite themselves, the voice of the World spirit within them. It is not just will that operates in their case, but will as influenced by thought, with the imphcation that such thought is in them whether they hke it or not. Doubtlessly they have to fish up the thought from within themselves and in a sense make in their own; even so, Hegel goes out of his way to assure us that it is not „their own invention" {Nisbet. 83). If the world spirit cannot strictly rank as an efficient cause in Hegelian history, he or it is at any rate a most potent causal force. And once that is clear, it becomes possible to argue that factors of a different sort, particular types of social circumstances, for example, can function as genuine historical causes. For this to be accepted we need not dispute the proportion that natural and social factors have an effect on history only so far as they are mediated through minds. What we have to do is demonstrate that, in the instances we pick on, the circumstances concerned could not help but have the effect they did. The idea would be that, just as the human body cannot resist certain natural pressures, whatever attitude the person involved adopts towards them, so social conditions sometimes leave him with no choice but to bow to them. Formally what he does depends on his will, but in practice conditions compel him to act in one way only. He cannot help himself, just as Hegel's world-historical man cannot help himself. 1 am not of course arguing for a particular theory of this type here, merely pointing to a possibility which 1 think Hegel overlooked. 1 cannot now enter into the detaUs of how Hegel applies his theory to the actual history of the world, though 1 should perhaps record (or repeat) my convictions that the results are of independent interest from the historical point of view. Hegel was not just an acute theorist of history; he was also an accomplished historian of the reflective category (he did not of course Claim to have done original historical research). Instead 1 should hke to conclude by considering briefly the topic promised in my title, the relationship between phUosophy of history and social theory in Hegel. We have already seen that formally the first is a part of the second, since it is a part of his fheory of the state, ln speaking above of the individuals which figure in world history 1 have normally made use of the term ,nation', used by both KNOX and NISBET to translate ,Volk'. It should be pointed out, however, that it is only nations which have evolved into States which possess the objectivity required to fulfU the world-historical role. World history for Hegel is the story of what is accomplished by spirit working through one leading state after another. From HegeTs point of view it is a necessary

W. H. Walsh (t): Philosophy of history and social theory in Hegel

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appendix to his political philosophy, designed to counter the objector who Claims that the state, for all its rational internal structure, maintains itself in being only by ruthless disregard of the rights of other similar institutions. Hegel would not deny that dominant nations ride roughshod over their fellows when it suits their particular interests; his argument is that since there is no tribunal to adjudicate between them talk of such rights is without justification. It is world history which passes the judgement, and history pronounces in favour of the nahon which is for the present the vehicle of the world spirit; against this „the spirits of the other nations are without rights" (PR § 347). Although I admire many aspects of Hegel's philosophy of history I cannot help thinking that this is a piece of convenient mythology calculated to forward what I take to be the liberal cause. Hegel wants to say that the modern state he describes is not only inherently rational in itself; it is also the culmination of a line of infelligible development presided over by Providence itself. He professes of course that his political and social theory is in no way prescriptive; all he does in his own eyes is delineate the central characteristics of the modern state as it is actually found. It might be better to say that he seeks to specify the concept of the modern state, on the understanding that there are particular States which live up to the concept with varying degrees of adequacy. But whichever descripfion we choose, what has to be remembered is that the facts Hegel looks at include the fact that people have certain aspirations, demand certain rights, think that there ought to be a determinate System of law, and so on. Hegelian philosophy may not be able to pronounce on the state as it ought to be, but it certainly takes account of the citizens' views of what the state ought to be. It is a point of strength in Hegel that he is prepared in his general political theory to treat there views in an objective way, by recording them as being held without raising questions about their justification. There is a sense in which he teils us that the modern state is simply different from the States of the ancient world, for example, different not merely because of fhe disparafe conditions in which the two functioned (marked by the presence or absence of civil society), but also because of the different values each embodied. The modern state is based on the Christian doctrine of the infinite worth of the human person, the ancient Greeks and Romans had no such belief and hence saw nothing wrong in slavery. A campaign in ancient times to abolish slavery would not have met with much response, a campaign to reinstitute it now would strike most of us as totally barbarious; that is the difference between the two worlds. Hegel knows that there is no neutral Code of morality to which to appeal in condemnation of the one attitude and Support the other; he realizes, or half realizes, that morality is internal to a society, being defined in the fundamental demands of ifs citizens. But if this ever was his view, he was not content to leave it at that. It seems that, after all, he feit the need for some exfernal justification of the prevalent values of his own society, or rather of those who, hke himself, counted as advanced thinkers in that society; the need was to be satisfied by recourse to philosophy of world history. The demand for a broadly liberal state was supported not just by enlightened public

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opinion, but also by the verdict of the ages: the civilization of the present could be shown to be the culmination of the long march of history. And that history was marching to an acceptable goal was shown by its presentation as the biography of the world spirit. But the fact that it can be presented in this way, if indeed it can, does not show that it must be so presented: as we have seen, there are difficulties both in the theory of the necessary self-development of spirit and about the mechanisms to which Hegel appeals to Start the process and keep it going. More important than these, however, is the question whether Hegel as a social theorist needs to invoke world history in this way. My own view is that he does not: his account of the social world could stand in essentials without the dubious addendum, whose only purpose must be to encourage doubting HegeUans. Since Hegel does not offer a diagnosis of the social Situation which issues in a programme for action, Hegelians do not need encouragement of his particular kind.

OTTO PÖGGELER (BOCHUM)

GESCHICHTSPHILOSOPHIE OHNE DOGMA Wir wissen alle, daß wir die Vorbereitung dieser Konferenz zum großen Teil den Bemühungen von WILLIAM HENRY WALSH verdanken. Als Vorsitzender der Hegel-Gesellschaft von Großbritannien sicherte Professor WALSH die Hilfe der Britischen Akademie. Nun kann er selbst nicht mehr teilnehmen; doch konnte er in den letzten Tagen seines Lebens den Beitrag fertigstellen, den wir gehört haben. Dieser Beitrag kann uns die Leitlinie für unsere Konferenz geben. Über die Weise, in der Professor WALSH die Verbindung zwischen der GeschichtsphUosophie Hegels und der Sozialtheorie behandelt, kann ich nur wenige Worte sagen. Heute wird Hegel sowohl extensiv wie intensiv erforscht; doch in dieser Forschung und noch stärker in der Destruktion und der sogenannten Dekonstruktion der philosophischen Tradition erscheint Hegel wie eine Zwiebel mit vielen Schalen, aber ohne wirklichen Kern. Jede Interpretation stellt eine neue Schale vor. Augenscheinlich möchte Professor WALSH Hegel in einer anderen Weise auffassen. Er versucht mit vollem Ernst, einen Kern bei Hegel zu finden und — in einem Versuch mit Hegel zu denken — auch in der Philosophie selbst. Der Titel unserer Konferenz lautet: „History — Philosophy — Politics"; Professor WALSHS Beitrag behandelt das Thema: „Philosophy of History and Social Theory in Hegel". Dieses Thema fügt sich in das Rahmenthema ein; Professor WALSH kam aber offensichtlich von seinen eigenen Arbeiten zu der Überzeugung, daß die Verbindung zwischen Geschichte, Philosophie und Politik auf einem

O. Pöggeler: Geschichtsphilosophie ohne Dogma

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Treffen der Hegel-Forscher von Großbritannien und Deutschland diskutiert werden müsse. Ich kann nicht auf die vielen Artikel und Vorträge von Professor WALSH hinweisen; ich möchte nur seine Introduction to the Philosophy of History und das Buch Hegelian Ethics von 1969 erwähnen. Im Jahre 1971 veröffentlichte Professor PELCZYNSKI den berühmfen Sammelband Hegel's Political Philosophy; er konnte auch einen Beitrag von W. H. WALSH einschließen: Principle and Prejudice in Hegel's Philosophy of History. WALSH zeigte darin auf, daß Hegel die Geschichte im Lichte eines Ziels sah: im Lichte einer freien Gesellschaft; doch lehrte Hegel, daß die Freiheit sich objektiven Erfordernissen anschließen muß und daß die Freiheit selber ein Rahmenwerk von Institutionen braucht. Hegel war nicht der Auffassung, daß die Institutionen in unseren Staaten „nur ein Übel sind, das ertragen werden muß und das nicht freiwillig anzunehmen ist". Die Frage blieb, ob dieses Ziel einer freien Gesellschaft ein Prinzip ist oder nur ein Vorurteil. Wenn dieses Ziel auch nicht nur ein Vorurteil ist, so gibt es doch viele Kontroversen zu der Frage, ob es als Prinzip möglich ist. Professor WALSH konnte nicht immer mit Hegel übereinstimmen. Er konnte zum Beispiel keine Sympathie aufbringen für Hegels Beschreibung der Neger in Afrika und für seine Worte über Religion und Gesellschaft in Indien. Er schloß: „Geschichte, wie sie von Hegel erklärt wird, schließt die fortschreitende Verwirklichung dessen ein, was das europäische Ideal genannt werden kann; geschriebene Geschichte ist auf dieser Grundlage folglich die Erfolgsgeschichte des europäischen Menschen." Offensichtlich sind Prinzip und Vorurteil in Hegels Geschichtsphilosophie und in seiner Sozialtheorie verbunden. In seinem Beitrag für unsere Konferenz erwähnt Professor WALSH, daß Hegel das berühmfe Diktum SCHILLERS zitiert: „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht". Hegel tut das in seiner Enzyklopädie und in seiner Rechtsphilosophie; ein eindrucksvoller Paragraph in Hegels Heidelberger Vorlesungen über Naturrecht und Staatswissenschaß vom Wintersemester 1817/18 zitiert ebenfalls diese Zeile aus SCHILLERS Gedichf Resignation. Hegel kann die Weltgeschichte als das Weltgericht nehmen, weil er der Überzeugung ist, daß jedes weltgeschichtlich bedeutsame Volk ein Prinzip entfaltet, aber nur ein begrenztes Prinzip; deshalb hat der allgemeine Weltgeist das Recht, von Volk zu Volk weiterzugehen, und er übt dieses Recht auch aus. Hegel zitierte SCHILLERS Gedicht schon in den Ausarbeitungen aus seinen Berner Jahren; dort freüich legte er den Akzent auf die Düsterkeit der Vorstellungen, die von der christlichen Orthodoxie gebraucht wurden, wenn sie die Einbildungskraft schrecken und die Menschen zur Tugend bringen wollte. Hegel zitierte SCHILLERS Eormulierung über das Feuer der Hölle: „Schreckfeuer angesteckt auf hohen Türmen, / Die Phantasie des Träumers zu bestürmen / Wo des Gesetzes Fackel dunkel brennt". Er zitierte auch die rhetorische Frage: „Sechstausend Jahre hat der Tod geschwiegen, / Kam je ein Leichnam aus der Gruft gestiegen / Der Meldung tat von der Vergelterin?" SCHILLER selbst will sagen: Die Weltgeschichte selbst ist der Platz für das Gerichf, die Tugend hat ihren Lohn in sich selbst. Das „Weltgericht" ist Subjekt in SCHILLERS Satz, nicht ein Prädikat zu „Weltgeschichte". Das bedeutet, daß Hegel SCHILLERS Satz umformt und SCHILLERS

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Worten eine andere Bedeutung gibt als SCHILLER selbst. Hegel gebraucht auch das Wort „Recht" offenbar in einer anderen Weise als die Jurisprudenz, wenn er vom „Recht" des allgemeinen Weltgeistes spricht. Deshalb macht der Titel „Rechtsphilosophie" Schwierigkeiten. Hegel sagt aber nicht, die Weltgeschichte als Geschichte des allgemeinen Geistes sei „das bloße Gericht seiner Macht". Professor WALSH zitiert die Rechtsphilosophie, in der Hegel im Paragraphen 342 von der Weltgeschichte sagt: weil der Geist „an und für sich Vernunft und ihr Fürsichsein im Geiste Wissen ist, ist sie die aus dem Begriffe nur seiner Freiheit notwendige Entwickelung der Momente der Vernunft und damit seines Selbstbewußtseins und seiner Freiheit". Das „Recht" des allgemeinen Weltgeistes (das ist seine Macht) wird durch die Vernunft bestimmt und ist nicht nur Macht. So kann Hegel die verschiedenen Momente der Vernunft oder des Geistes und die weltgeschichtlich bedeutsamen Völker oder die Entwicklung der Vernunft und die Entwicklung der Geschichte verbinden. In seiner frühen Arbeit über die Verfassung Deutschlands spricht Hegel über die Wahrheit, die in der Macht Hege. Solch ein Satz hat etwas Erschreckendes, besonders im Munde eines Philosophen. Radikalisiert Hegel HOBBES? Er erklärt die Bedeutung seines Wortes durch Beispiele. So weist er auf das Faktum hin, daß NAPOLEON Kanonen nach San Marino sandte, um die abgelegene, kleine RepubUk zu grüßen, ln derselben Zeit wurde die Republik Genf in der Nachbarschaft Frankreichs in den französischen Staat eingeordnet. Das bedeutet: Als das Zeitalter der großen Nationalstaaten kam, konnten kleine Republiken oder Monarchien nur unter besonderen Umständen überleben. Die Machtlagen, die in der Geschichte entwickelt werden, geben den Rahmen für das politische Leben und zeigen die Wahrheit der Geschichte als Entwicklung des Geistes. Eine spekulative Philosophie muß diese Wahrheit entfalten; dann kann Philosophie die Geschichte „logisch" begreifen, nämlich sie im Licht der Momente des Geistes verstehen. Professor WALSH zeigt auf, daß Hegel einige Voraussetzungen machen muß, wenn er die Weltgeschichte als einen durchgehenden Prozeß konstruiert. Nicht alle Völker zählen, nur die bedeutsamen Völker entwickeln Momente des Geistes. Die Kontinuität dieser Weltgeschichte ist keine kausale Verbindung. Die Chinesen und die Griechen wußten nicht gegenseitig von der Existenz des anderen, aber sie entwickelten Momente des Geistes und bildeten auf diese Weise verschiedene Stufen in der Geschichte. Weder die Orientalen noch die Griechen hatten irgendeinen Begriff von dieser Bewegung der Geschichte. Nur wenn wir im Rückbück auf die Geschichte sehen, können wir die verschiedenen Stufen als Teile eines Ganzen erkennen. „Wenn es darauf ankommt, zwischen den Wegen der verschiedenen Völker Verbindungen zu ziehen, dann ist das VerbindungsgHed, das Hegel sucht, wiederum eher begrifflich als kausal." Professor WALSH gibt zu, daß Hegel „die Weltgeschichte von einem Standpunkt aus sieht, der in einer aufdringlichen Weise europäisch ist". Er schlägt verschiedene Einsprüche und Korrekturen vor; zum Beispiel wird Hegels Meinung, nur bedeutsame Völker seien das Vehikel des Weltgeistes, betrachtet als „Stück einer bequemen Mythologie",

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die darauf berechnet ist, die eigene Sache vorwärts zu bringen. Professor WALSH weist auch auf die kosmologischen Perspektiven von Hegels Philosophie hin: Die Freiheit ist die eigentliche Eigenschaft des Geistes, wie die Gravitation die Eigenschaft der Materie; doch findet Hegel eine Tendenz zu Selbstbewußtsein und Ereiheit in der Materie und im Leben. Es gibt ausstrahlende Strukturen oder Systeme des Lebens und des selbstbewußten Lebens oder des Geistes; aber einige Strukturen gewinnen eine Übermacht über andere — die Menschen über die Tiere, und einige Gesellschaften über die anderen. Diese Probleme sind auch noch die unseren, doch können wir diese Fragen nicht so vertrauensvoll beantworten, wie Hegel es tat. Professor WALSH schreibt in seinem ersten Satz, daß die Konzeption des Weltgeistes zum ersten Mal gebraucht worden zu sein scheint in einem Text, den Hegel für seine Schüler in Nürnberg vorbereitete, ln der Tat: in seinen Frühschriften und in den ersten Systementwürfen in Jena verbindet Hegel die Geschichte mit dem Schicksal und der Tragödie. Doch im Wintersemester 1805/06 entwickelt er eine Geschichte der Philosophie, parallel mit einer Phänomenologie des Geistes als der Leitlinie eines Begreifens von Geschichte. In diesen Jahren begann Hegel die neuplatonischen Philosophen und ARISTOTELES als den ersten Philosophen des Neuplatonismus zu studieren: das Absolute ist Geist, aber Geist ist Leben und Wirklichkeit, Wirklichkeit ein teleologischer Prozeß und Vernunft (noesis noeseos meint auch zoe, energeia und entelecheia). Auch für Hegel ist die Zeit ein Bild der Ewigkeit; doch hat die Zeit in ihrer Negativität die Kraft, sich zur Ewigkeit zu erheben. Deshalb kann Hegel seine neue Metaphysik mit einer Sensibilität für historische Prozesse verbinden. Er kann auch die religiösen Traditionen aufnehmen. Im Jahre 612 vor Christus wurde das assyrische Reich zerstört; dann besiegten die Perser das medische und neubabylonische Reich. Das war ein Schock und eine nie vergessene Erfahrung. Seit seinen Heidelberger Vorlesungen gebraucht Hegel Daniels Vision der Abfolge der vier Reiche, aber in einer neuen Version. Er ersetzte in der Tradition des BOETHIUS den Begriff des Schicksals durch den Begriff der Vorsehung. Als Hegel seine Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte gab, mußte er seine logische Entwicklung der Weltgeschichte gegen die anderen Auffassungen berühmter Kollegen verteidigen. Professor WALSH sagt: „Es gibt einen anderen Weg, jene Phänomene aufzufassen, mit denen Hegel befaßt ist. Wir können diese Phänomene so erforschen, wie HERDER es forderte — nicht mit Bezug auf ihre Bedeutung für uns, sondern mit Bezug auf das Interesse, das sie in sich selbst haben. Wenn wir aber diese entgegengesetzte Einstellung annehmen, dann ist die Möglichkeit einer Philosophie der Weltgeschichte überhaupt — ja die Weltgeschichte selbst — infrage gestellt." In Berlin nahmen HUMBOLDT und die Historische Schule diese entgegengesetzte Einstellung ein. NIEBUHR entfaltete eine kritische Geschichtsschreibung, und so zerstörte er die Legenden der Römer über ihre Geschichte — über den Streit mit den Etruskern, usf. Über diese Kritik konnte Hegel nur spotten, weil er seine Erfolgsgeschichte nur der sogenannten weltgeschichtlich bedeutsamen Völker nicht aufgeben wollte. Für ihn war es noch

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nicht genug, daß die Weltgeschichte so viele Opfer (wie die Etrusker) hat. Er mußte auch noch sagen, daß diese Opfer kein Recht hatten, weil sie keine Bedeutung hatten. In einem Jahrhundert mit Millionen von Opfern ziehen viele offenbar eine andere Sicht der Geschichte vor. So widmet zum Beispiel EMMANUEL LEVINAS sein Buch Anders als Sein diesen Opfern und reklamiert PLATONS „Jenseits des Wesens" und das Eine PLOTINS als die höchsten und ausgezeichneten Stunden in der Geschichte der Philosophie, die auf eine andere Geschichte verweisen. Gegen Ende seines Buches sagt er: „Sicherlich würden wir hier nicht an das ,Jenseits des Wesens' erinnert haben, wenn nicht die abendländische Geschichte an ihren Rändern die Spur von Ereignissen mit einer anderen Bedeutung trüge und wenn die Opfer jener Triumphe, die den Zeitaltern der Geschichte die Namen geben, getrennt gehalten werden könnten von seinem Sinn." PAUL RICCEUR gebraucht in seinem Werk Zeit und Erzählung die Konzeption der „Spur" zu einer Kritik an Hegels Philosophie der Geschichte. Wir wissen, daß Hegel in seiner Jugend nicht nur THUKYDIDES und TACITUS studierte, sondern auch HUMES Geschichte von England; so konnte er die alte und moderne Geschichte vergleichen. Schon in seinen Berner Jahren verband Hegel die Bemühungen der europäischen Aufklärung mit der Romantik oder dem neuen Idealismus, wenn er auf GIBBONS Geschichte des Niederganges und des Falles des Römischen Reiches verwies. Er sagte, daß ein „denkender Geschichtsforscher" (wie GIBBON) sich darum bemühen müsse, die Ursachen für die Veränderungen in der Geschichfe oder die Revolutionen zu entdecken. Hegel wollte aber diese Ursachen in ihrer lebendigen Einheit, als Entwicklung des Geistes selbst verstehen. Er schrieb: „Den großen in die Augen fallenden Revolutionen muß vorher eine stille, geheime Revolution in dem Geiste des Zeitalters vorausgegangen sein, die nicht jedem Auge sichtbar, am wenigsten für die Zeitgenossen beobachtbar, und ebenso schwer mit Worten darzustellen als aufzufassen ist. Die Unbekanntschaft mit diesen Revolutionen in der Geisterwelt macht dann das Resultat anstaunen ..." Hegels Philosophie der Weltgeschichte war das letzte Ergebnis dieser Bemühungen, die geistigen Revolutionen in der Geschichte als Entwicklung des Geistes selbst zu verstehen. Wenn Hegel aber Vorlesungen hielt über sein philosophisches, nämlich logisches oder spekulatives Geschichtsverständnis, dann hatte er bedeutende Widersacher. In den Jahrzehnten nach Hegels Tod beherrschten große Historiker wie RANKE und DROYSEN, TOCQUEVILLE und JACOB BURCKHARDT die Universitäten und die öffentlichen Diskussionen. WILHELM DILTHEY versuchte, die geheime Philosophie dieses Historismus zu entfalten. Als der Zweite Weltkrieg die Selbstzerstörung Europas brachte, nahm HANS FREYER die Bemühungen Hegels und DILTHEYS auf und schrieb sein Buch Weltgeschichte Europas (1948). Der paradoxe Tifel will sagen: eine wirkliche Weltgeschichte gibt es erst seit dem 19. und 20. Jahrhundert, als Europa eine Einheit in das menschliche Leben auf diesem Planeten brachte. Nicht nur Konservative oder konservative Revolutionäre wie FREYER waren mit der Geschichte befaßt. Seit CIESZKOWSKI und MARX wurde Geschichte auf eine andere Zukunft bezogen; Philosophie und Wissenschaft sollten die Konzeption der zukünftigen Gesellschaft rechtfertigen.

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Doch das 19. und 20. Jahrhundert fragte nicht, wie das Absolute in Natur und Geschichte überhaupt verwirklicht wurde; man suchte nach einer konkreten Klasse oder Rasse als Repräsentanten für den weiteren Geschichtsprozeß. Als STALIN, HITLER und MAO Länder und Kontinente in einer neuen Weise zu organisieren suchten, hatten sie kein Bedürfnis nach komplizierten Philosophien der Geschichte; sie begnügten sich mit wenigen primitiven Theorien und verfolgten die Intellektuellen. Aber auch solch ein Intellektueller, THOMAS STEARNS ELIOT, schließt den Überblick über die intellektuelle europäische Geschichte in seinem Gedicht Mr. Eliot's Sunday Morning Service mit den Versen: „The masters of the subtle schools / Are controversial, polymath.“ Heute gebrauchen wir die Begriffe Hegels und seiner Zeitgenossen, wenn wir etwa von den „Vereinten Nationen" sprechen. Jede sogenannte Nation strebt nach einer neuen Gesellschaft. Sind diese Nationen bedeutsam? Professor WALSH bestärkt uns darin, daß Kontroversen über Gesellschaftstheorien möglich sein müssen, wenn wir Weltgeschichte im Licht der Gesellschaftstheorie sehen wollen. Im Jahre 1955 gab der deutsche Theologe RUDOLF BULTMANN seine Gifford-Lectures History and Eschatology in Edinburgh. Er hielt fest, daß wir uns um die Idee der Geschichte bemühen müssen (wie R. G. COLLINGWOOD es tat), aber nicht einseitig um den Sinn von Geschichte (wie KARL LöWITH es zu tun versuchte in seiner Destruktion der geschichtsphilosophischen Tradition). Bedeutet dies, daß wir jeden Versuch aufzugeben haben, einen letzten Sinn in der Weltgeschichte zu finden? Wenn BULTMANN sagt, jeder habe einen Sinn in den Entscheidungen seines eigenen persönlichen Lebens oder seiner Existenz zu suchen, dann bleibt die Frage, ob ich mein Leben nur in einer Gemeinschaft und in der Geschichte führen kann oder nicht. Diese Frage gab Professor WALSH die Erlaubnis, Hegel zu studieren und mit Hegel zu denken. Hier kann ich mich nur noch auf das Schlußkapitel des Buches Hegelian Ethics von Professor WALSH beziehen. Dieses Buch handelt über Hegels KANT-Kritik, über die Entfaltung von Hegels konkreter Ethik und die Bemühungen der britischen Hegelianer oder Idealisten. Professor WALSH hält erst einmal fest, daß Sittlichkeit eher ein soziales als ein persönliches Phänomen ist. Etwas, das nur verstanden werden kann, wenn wir das Individuum als Teil eines größeren Ganzen oder einer Reihe von größeren Ganzen sehen. Dann lehrt Hegel die zweite ethische Lektion, „daß ein sittliches Verhalten nicht, wie KANT unterstellte, die äußere Manifestation von irgendetwas Gottgleichem im Menschen ist, sondern eine Weise des Betragens, welche einem Ziel dient und damit die natürlichen menschlichen Bedürfnisse und Neigungen verbindet". Der dritte lehrreiche Zug in Hegels Ethik ist „sein Bestehen darauf, daß ethische Reflexion mit der Aufmerksamkeit auf sittliche Verschiedenheit verbunden wird". Professor WALSH schreibt: „Was den Hegelschen Einsichten Tiefe gibt (wenn wir sie mit vielem vergleichen, was heute über Sittlichkeit geschrieben wird), das ist, daß Hegel hat, was die Schriftsteller von heute nicht mehr haben, nämlich beides: ein eifriges Interesse an den geläufigen moralischen Kontroversen und eine weite historische Kenntnis als Hintergrund für eine Beurteilung. Er sieht zum Beispiel, daß es große Diffe-

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renzen und schlagende Ähnlichkeiten zwischen der sittlichen Wcft (oder den sittlichen Welten) der Griechen und der sittlichen Welt des 19. europäischen Jahrhunderts gibt; er sieht auch, daß es im sittlichen Leben des christlichen Mittelalters Züge gibt, die keine Parallelen in der modernen Gesellschaft haben. Das Ergebnis davon ist, daß Hegel fähig ist, einzusehen, daß es keine einfache Sammlung von Begriffen gibt, die ,den' Begriff der Ethik konstituiert, nicht eine unmittelbar verfügbare Sprache, welche ,die' Sprache der Sittlichkeit ist. Es gibt eine Pluralität der sittlichen Schemata und eine Pluralität der sittlichen Einstellungen.“ Doch muß Professor WALSH auch gegen Hegels „bequemen Optimismus" argumentieren. Wenn wir diese kritische Haltung einnehmen, dann ist Hegels Philosophie der Geschichte des Studiums wert — auch nach der Destruktion eines philosophischen, theologischen oder ideologischen Dogmatismus, der dabei bHeb, einen letzten Sinn in der Geschichte zu finden.

LEON POMPA (BIRMINGHAM)

WILLIAM HENRY WALSH, 1913-1986: IN MEMORIAM was distinguished both as a philosopher and as an historian of philosophy. His philosophical Outlook was characterised by the belief that while philosophy must develop in the light of discoveries in the other fields of knowledge, it must do so self-consciously and that this was possible only if its development involved critical engagement with its own history. Thus philosophy and history of philosophy were complementary and indispensable aspects of the search for universal understanding which he took to be the ultimate aim of philosophy. WILLIAM HENRY WALSH

first began to develop this view of philosophy at Merton College, Oxford, in his time as an undergraduate and junior research fellow there, prior to the War. Here he had the good fortune to be tutored by one of the last of the British Hegelians, G. R. G. MURE, from whom he learnt the value of assessing a philosophical System as a whole. Where MURE tended, however, to view most philosophical Systems in a Hegelian light, WALSH believed that they must be assessed in the light of criteria which were sufficiently theory-neutral to permit universal and non-tendentious application. He continued to develop these views in his first two books, Reason and Experience and An Introduction to Philosophy of History, both published when he returned to Merton as Eellow and Tutor after the War. With the growth of linguistic philosophy in Oxford, however, interest in metaphysics and history of philosophy declined sharply. WALSH found himself intellectually isolated and, as a result, in 1960 he moved to the Chair of Logic and Metaphysics at Edinburgh, WALSH

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which he held until he retired in 1979. The Scotlish System, with its great emphasis upon History of Philosophy, provided a much more sympathetic context for the pursuit of his interests and in major series of lectures on the history and nature of theories of knowledge and on the philosophical Systems of BRADLEY, KANT and Hegel, he explored the ideas which came to fruition in his three later books, Metaphysics, Hegelian Ethics and Kant's Criticism of Metaphysics, and in numerous influential articles published in these years.^ These works earned him great international recognition. ln 1969 he was elected to a Fellowship of the British Academy; in 1978 he was elected to a Fellowship of the Royal Society of Edinburgh, whUe the University of Rochester also conferred an Honorary Doctorate upon him; and in 1985, the University of Edinburgh recognised its Services to it and to philosophy with the conferment of the degree of Doctor of Letters. Upon his retirement, he returned to Merton in 1979 as Fellow Emeritus of the College. Oxford phüosophy had now become much more liberal in its Orientation and he was appreciated for the major contribution which he had made to the study of metaphysics and of the great philosophical Systems. One mark of this appreciation was his being elected President of the Hegel Society of Great Britain, of which he had been a founder member.

His research centred upon four main areas, epistemology and metaphysics, history of philosophy, ethics and philosophy of history, to which he returned throughout his life with remarkable consistency. Although he was very widely read in the history of philosophy, pubUshing upon almost every major thinker from PLATO to WITTGENSTEIN, his most speciahst work was upon the philosophy of KANT and HEGEL, who between them had, he believed, seen more deeply into the fundamental problems and paradoxes involved in any search for universal understanding. His own thinking remained shaped by the conviction that KANT had established that the employment of a categorial System was necessary for any coherent notion of an objective world. His first major work, Reason and Experience, was largely concerned with the problem of the necessity for, and Status of, categories. Although he never deviated from the view that KANT had shown a categorial System to be necessary, he was unconvinced by the further Claim that a deduction could be provided to establish the superiority of one set of categories over all others. ln Reason and Experience, for example, he showed how HUME, by calling upon functions of the Imagination, could provide an explanation of most of the categorial features for which KANT claimed deduction was necessary. An investigation of the Status of categories was the central theme of Metaphysics. His conclusion here was that metaphysicians should be seen not as deducing categorial Systems in a KANTian manner, but as advocating or prescribing their adoption. This did not render them immune to criticism but it meant that they could not be criticised in terms of the very mies which they were advocating. ' A Bibliography of his published writings, from 1939-1979, compiled by Dr. Jonathan L. Gorman, with assistance from Professor Walsh, is to be found in Substance and Form in History. Edited by L. Pompa and W. H. Dray. Edinburgh 1981. 187—193.

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Assessment was therefore, ultimately, to be made in terms of depth, penetration, insight and their capacity to provide that over-all coherence in the interpretation of experience, which was the most to which they could lay Claim. But, given the requirement that philosophy should take account of the discoveries of the other Sciences, this meant that the ideal of an ultimate metaphysics was unachievable. His belief that KANT had faüed to think in terms of the possibUity of different and Superior categorial Systems was one of his reasons for preferring certain aspects of Hegel's philosophy. One particular problem of KANiian metaphysics, founded as it is upon the needs of epistemology as KANT construed them, was that it provided a bifurcated view of the individual agent, introducing an irreconcilable duaüsm between the empirical and the moral seif. Hegel's rejection of KANTian epistemology removed the grounds of this duaüsm and made it possible to locate the source of much of the content of moraüty in the agent's necessary involvement in the particular historical society in which he found himself. This theme was developed in Hegelian Ethics, in which WALSH revealed his strong appreciation of the social nature of moraüty, both as found in Hegel and in BRADLEY. In these thinkers moraüty is part of the ontology of this world, rather than something dependent upon features of the noumenal world, as in KANT. Nevertheless, although WALSH appreciated Hegel's sensitivity to the social and historical contexts within which different moral Codes operate, he feit that Hegel had laid too much stress upon the wholly social character of moraüty. Behind any moral System there must also stand the KANTian concern for man as man, for the other as an end in himself. This was not something which Hegel had completely ignored. But he had faüed to grasp its real significance through his overoptimistic assumption that the logic of history would lead inevitably to the triumph of such a conception within a certain kind of state. But to beüeve that such a conception was part of the final end of history, as did Hegel, was quite different from reaüsing that it was the ground upon which any form of social moraüty at any point in history ultimately stood. This was the conclusion to which WALSH himself finaUy came. Although WALSH applauded Hegel for freeing phüosophy from the arid conception of the moral agent to which KANT'S epistemology had given rise, he was never convinced that Hegel had provided an epistemology which was Superior to KANT'S. He beüeved that the anti-KANrian arguments in, for example, the Phenomenology ofMind, had too much of an ad hominem character and could be met by reformulating KANT'S position more carefuUy. This, indeed, was what he himself did in Kant's Criticism of Metaphysics, when coming to the conclusion that KANT'S theory of judgement was essentiaUy correct and that,nature is not a set of things, pubüc or private [but] a set of facts about which [on the strength of a shared categorial framework] we can all be got to agree'. Nor was he ever convinced by the Claim that Hegel had transcended the conceptual need for a KANTian-style epistemology by the post-factum legitimation of different forms of knowledge which the viewpoint of absolute knowledge provided. Absolute

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knowing, as expounded by Hegel, was just an aspect of one of the contending Systems of metaphysics which any philosopher ought to be taking into account. When WALSH himself considered it, he could find little, in the light of advances in the other Sciences and in the moral conduct of many Western nations in the last Century, to dispose him to assent to it. ln the end, he saw metaphysics, as the search for universal categorial Systems, and epistemology, as the condition for the apphcation of those Systems, as twin aspects of the search for universal understanding which he believed to be the primary aim of philosophy. Given his firm conviction, however, that there was no limit to the number of possible categorial Systems which could be devised, he remained a constructivist, albeit an optimistic one, both in metaphysics and epistemology. ln this sense he was not far from the BRADLEY of the Principles of Logic, which he so much admired. Although his death has left a gap which will not be filled, his influence will continue to be present. Despite the academic demands which he placed upon himself, he always found time to share his thinking and his knowledge freely with his many students and friends, and the conception of philosophy for which he fought wül hve on both through them and through his many writings. He will be remembered as a kind and generous man, but also as one who, despite his warmth and generosity, never spared himself in developing his intellectual gifts in the interests of what he took to be the true end of philosophy.

LITERATURBERICHTE UND KRITIK

G. W. F. Hegel: Diferencia entre los sistemas de ßlosoßa de Fichte y Schelling. Estudio preHminar, traducdön y notas de Maria del Carmen Paredes Martin. Madrid: Tecnos 1990. LVII, 170 S. (Colecciön Cläsicos del Pensamiento. 71.) Jetzt sind in einem Abstand von wenigen Monaten gleich zwei Übersetzungen von Hegels Erstlingswerk erschienen, was das jüngste Forschungsinteresse in Spanien für die Phase vor der Phänomenologie dokumentiert. Da man in Spanien seit 1978 über eine gute Übersetzung von Hegels frühen Schriften verfügt (die in der Ausgabe von JOSE MARIA RIPALDA den Zeitraum bis 1800 umfassen), kann der an Hegels weiterer Entwicklung interessierte Forscher auf diese neuen Ausgaben der Differenz-Schiiit zurückgreifen, so daß ihm der Ausgangspunkt der Hegelschen Philosophie in seiner Ganzheit zur Verfügung steht. Für die hier rezensierte Ausgabe zeichnet MARIA DEL CARMEN PAREDES MARTIN von der Universität Salamanca verantwortlich, die bereits eine der besten neueren spanischen Forschungen über Hegel verfaßt hat, wobei jedoch vermerkt werden muß, daß ihr Buch Lä genesis del concepto de verdad en el joven Hegel (Der ürsprung des Begriffs der Wahrheit beim jungen Hegel) bis jetzt noch kaum Verbreitung fand, obwohl es eine beeindruckende, auf dem zu diesem Zeitpunkt aktuellen Forschungsstand basierende Studie über den jungen Hegel bietet und es gerade aus diesem Grund dazu prädestiniert wäre, in Spanien zu einem vorrangigen und unentbehrlichen Werk über diese philosophische Epoche zu werden. Die Autorin präsentiert eine Edition der Differenz-Schxiit, die einen einleitenden Aufsatz mit einer Auswahlbibhographie sowie die eigentliche Übersetzung beinhaltet, die mit knappen und zutreffenden Fußnoten versehen ist. Erschienen ist diese Arbeit innerhalb einer weitverbreiteten Reihe in einem handlichen und erschwinglichen Format, was sie zu einem nützlichen Hilfsmittel macht. Der einleitende Aufsatz von mehr als 40 Seiten resümiert eindrucksvoll die notwendigen Vorkenntnisse, um Hegels Erstling zu verstehen, wobei zunächst ein knapper Raum dem philosophischen Kontext von Jena zur Zeit des Entstehens der Differenz-Schiiit gewidmet ist. Im Anschluß daran folgt eine Darstellung der für das Textverständrus relevanten Aspekte der Differenz-Schiiit, nämlich der Philosophie FICHTES, des Standpunktes SCHELLINGS und der kritischen Position Hegels

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diesen beiden gegenüber, im Lichte der Rolle, die die Reflexion und deren Beziehung zur Spekulation spielt. MARTINS schlüssige Erklärungen sind schon deshalb verdienstvoll, weil sie von einem sicheren philosophischen Standpunkt aus entwickelt werden und keine Konzessionen an ,anekdotische' Einzelheiten machen. Darüber hinaus zeichnet sich die Übersetzung ihrerseits durch große Exaktheit aus, indem die Autorin stets die Textnähe bewahrt sowie großen Wert auf Klarheit des Ausdrucks im Spanischen legt. Alles in allem stellt die Übersetzung MARTINS eine in ihrem Wert kaum zu unterschätzende Ausgabe dar, die überdies den Vorteil hat, sowohl die Paginierung der kritischen Ausgabe (Hegel: Gesammelte Werke. Bd 4) als auch die der Edition von GLöCKNER und LASSON aufzuweisen. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist diese Ausgabe vorzüglich dazu geeignet, neben dem Original gelesen zu werden, was allerdings für jede seriöse philosophische Forschung unumgänglich ist. Abschließend sei darauf hingewiesen, daß hier eine Publikation vorliegt, die sich durch eine klare Konzeption auszeichnet und so für jeden, der sich über den Forschungsstand zu Hegel und dem deutschen Idealismus in Spanien informieren wiU, unentbehrlich zu sein scheint. Arturo Leyte Coelle (Vigo)

Hegel: Notes et fragments. lena 1803—1806. Texte, traduction et commentaire par Catherine Colliot-Thelene, Gwendoline Jarczyk, Jean-Frangois Kervegan, Pierre-Jean Labarriere, Alain Lacroix, Andre Lecrivain, Beatrice Longuenesse, Denise Souche-Dagues, Steve Wajsgrus. Paris: Aubier 1991. 320 S. Die Jenaer Fragmente, die KARL ROSENKRANZ unter dem Titel „Aphorismen aus der Jenenser Periode" in G.W.F. Hegels Leben (537—555) erstmals publizierte und deren vollständige Edition für Band 5 der kritischen Ausgabe (GW) vorgesehen ist, wurden bereits in verschiedene Sprachen übersetzt. i Auch eine erste französische Übersetzung war bereits erschienen.^ Eine Forschungsgruppe, die sich um PIERRE-JEAN LABARRIERE im Rahmen des College international de Philosophie gebildet

* Englisch: G. W. F. Hegel: Aphorisms from the Wastebook. In: The Independent Journal of Philosophy. 3 (1979), 1—6; Italienisch: Aforismi Jenensi (Hegels Wastebook 1803—1806). A cura e con un'introduzione di Carlo Vittone, Premessa di Remo Bodei. MUano 1981; Spanisch: Aforismos de Jena. Traduccion y notas de Manuel Barrios Cesares y Juan Antonio Rodrigues Tous. In: Revista de Füosofia. Sevilla. 6 (1988). 2 G. W. F. Hegel: Aphorismes 1803-1806. Traduit par Max Marcuzzi. In: Philosophie. 13 et 14 (1987).

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hat (alle Mitarbeiter sind oben genannt), legt hier eine neu übersetzte, reich kommentierte und annotierte, zweisprachige Ausgabe dieser Texte vor. Zweifellos handelt es sich bei der vorliegenden Ausgabe um die vollständigste und informativste Edition der Aphorismen, die wir bisher besitzen. In ihrem Vorwort begründen die Herausgeber, warum sie sich für die wörtliche Übersetzung entschieden haben und damit gegen eine Übersetzungsmöglichkeit, welche für die zahlreichen umgangssprachlichen Ausdrücke in Hegels Notizen entsprechende Wendungen der französischen Umgangssprache gesucht hätte. Die Herausgeber haben es bewußt vermieden, dem französischen Leser einen geglätteten Text zu bieten, den er dann nach Gutdünken hätte interpretieren können und in dem er vermutlich oft kein philosophisches Interesse gesehen hätte. Demgegenüber beabsichtigen es die Herausgeber mit ihrer wörtlichen Übersetzung gerade, dem Leser zu zeigen, daß Hegels Notizen eine philosophische Bedeutung besitzen. Demzufolge widmen sie in diesem Band den zirka dreißig Seiten Hegels (im deutschen Original) auch 180 Seiten Kommentar — und für den deutschsprachigen Leser ist es natürlich dieser Kommentar, der den vorliegenden Band attraktiv macht. Wenngleich die Herausgeber in ihren Erläuterungen auch den Erklärungen von Hegels Anspielungen auf geschichtliche Ereignisse den erforderlichen Raum beimessen (bekanntlich ist der Gehalt von Hegels Fragmenten oft stark enigmatisch), ist dies offenbar nicht das grundlegende Ziel, das sie sich gestellt haben. Ihr Hauptziel scheint es vielmehr zu sein, das Werkhafte oder besser gesagt das Werkstatthafte des Hegelschen Denkens zu zeigen und dessen charakteristische Weise, das geradezu erstaunlich empirische, dem konkreten Gegenstand hingegebene Denken mit dem entschieden Spekulativen zu verbinden. Um dieses Ziel zu erreichen, folgen die Herausgeber der Strategie, in ihrem Kommentar alle Texte Hegels heranzuziehen, von den Texten seiner Jugendjahre, über die mehr oder weniger zeitgenössischen Manuskripte, bis hin zu seinen nicht unerheblich späteren Schriften. Dennoch erscheint ein Text des Hegelschen Oeuvres als privilegierte Referenz; Die Phänomenologie des Geistes, und dies wird bei einer Forschungsgruppe nicht überraschen, die sich um PIERRE-JEAN LABARRI6RE schart, dessen wichtigste Studien ja der Phänomenologie gewidmet sind.^ Nach den Herausgebern können die Jenaer Fragmente, die hier präsentiert werden, bestimmte Anspielungen der Phänomenologie des Geistes erhellen: z. B. auf SCHILLERS Karl Moor (Fragment 24); „das Gesetz des Herzens": Gott gibt den Seinen im Schlafe (Fragment 75); oder Fragment 81: Von Osten nach Westen. Darüber hinaus glauben die Autoren, dem Sinn des Begriffs der Bildung in der Phänomenologie über die Analyse des Fragments 15 näher kommen zu können. In ähnlicher Weise werden der Begriff des Gewissens mit Fragment 20 verglichen oder auch die Hegelsche Konzeption der Religion durch seine Kritik der Erbauung erhellt (vgl. die 3 Pierre-Jean Labarriere: Structures et mouvement dialectique dans la Phenomenologie de l'esprit de Hegel. Paris 1968, 2. Aufl. 1985; Ders.: La Phenomenologie de l’esprit comme discours systematique, histoire, religion et Science. In: Hegel-Studien. 9 (1974), 131—154; Ders. (mit G. Jarczyk): Hegel: le malheur de la conscience ou l'acces ä la raison. Paris 1989.

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Fragmente 22, 48, 67, 88 f). Daß die Phänomenologie auf diese Weise privilegiert wird, erscheint dadurch hinreichend gerechtfertigt, daß Hegel diese Schrift gerade gleichzeitig erarbeitete. Es ist aber bedauerlich, daß diese Konzentration auf Hegels Jenaer Periode und die Probleme, die den Philosophen damals beschäftigten, nicht systematischer durchgeführt worden ist. Auf solch naheliegende Fragen wie z. B., was uns die Fragmente über Hegels Verhältnis zu SCHELLING sagen oder über seine Auseinandersetzung mit JAKOB BOEHME, dem Hegel die dunkelsten Fragmente der Sammlung widmet, erhalten wir keine erschöpfende Antwort. Freilich kann man im Rahmen einer Ausgabe und Übersetzung von Fragmenten keine philosophisch-systematische Analyse bestimmter Themen erwarten. Die Herausgeber folgen also der einzig möglichen Vorgehens weise. Aber man spürt geradezu das Bedauern, das die in der Gruppe um LABARRI^RE versammelten Philosophinnen und Philosophen bei diesem selbstbeschränkenden Verzicht verspürt haben mögen. An das Lob des Reichtums und der philosophischen Tragweite des vorliegenden Kommentares sei daher der Wunsch geknüpft, daß möglichst viele systematische Analysen ihn auch heranziehen werden. Schließlich sei betont, daß dieser Kommentar, weit über die behandelten Fragmente hinaus, auch als Einführung in die Hegelsche Weise des Philosophierens dienen kann. Myriam Bienenstock (Grenoble)

Stephen Houlgate: Freedom, Truth and History. An Introduction to Hegel's

Philosophy. London, New York: Routledge 1991. XVIII, 263 S. book is subtitled, „An Introduction to Hegel's Philosophy", and it certainly is that, but one would be misled if one took this to mean that this book was something other than a serious interpretation of the major themes of Hegel's philosophy; indeed, what marks it as an introduction is primarily the clarity with which it is written. The argument of the book develops through five chapters, taking us from the very concept of humanity as self-conscious and self-defermining to the culmination of fhe story of freedom in Christianity. Chapfer One, „History and Truth", develops the notion that truth, for Hegel, is historically determined, and that history marks the progressive transformations in the self-conscious appropriation of truth up to the modern age in which we are finally able to let our reality be fully revealed to ourselves. This chapter is especially concerned to defend the Claim there can be truth in the context of historical relafivity. My own concern here is that HOULGATE has not adequately articulated what it is to be historically determined. It is true that, for humanity, our history is precisely the process of making concrete our animating concept, and thus one cannot know the full truth of humanity without seeing our history STEPHEN HOULGATE'S

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as inherently necessary to our being; this Claim is, I think, the core of HOULGATE'S Claim that truth is historical, for bis account is of the gradual process of fhe Corning together of our concern for truth and of our social existence: „History and fruth necessarUy belong together in Hegel's philosophy, because our true nature is to come to understand ourselves through a process of historical development and to produce a new world in the process, and because genuinely historical, as opposed to natural change is generated by our gradual awakening to our true nature.“ (34) But this idea that truth is only completed in our self-comprehension as historical marks only the culmination of the story of truth; we still need to know whether all truth depends on history, whether the logical „historicality“ of a concept which presupposes a dialectical development as its transcendental conditions necessitates any historicality in natural existence, and so on. The first chapter focusses on our history as the realization of our nature as self-determining thinkers, and Chapter Two, „Thinking Without Presuppositions", takes us into the kind of self-determining thinking which is the distinctive province of this modern age; this chapter is a discussion of the Programme of HegeTs Science of Logic which is concerned to defend HegeTs claim that this is presuppositionless pure thought; HOULGATE'S analysis develops primarily from an explication of the dialectic of Being, Nothing, and Becoming. He argues that it is the rigorous demands of thought itself which moves thought from its grasp of one category through the dialectical development of that category into another. In thinking of being, we really must think of what is not anything at all, that is, nothing. In thinking of nothing, we must think of what nothing is, that is, we employ the concept of being. Our thought itself, then, must be an oscillation between the categories of being and nothing, that is, it is becoming. In each move, nothing extrinsic to thought itself has been employed to make the logical transitions. HOULGATE'S analysis here is convincing as an account of an act of thinking, and that is really all he needs for the argument he is making, but he further presents this as HegeTs understanding of what is going on in the Logic and this is one-sided. HegeTs claim in the Logic is not simply that this is how we must think about, for example, being; rather, being itself moves ifself. The dialecfic of the doctrine of being is the dialectic of the determinations of being measuring up fo their own sfandard, and not simply a movement that a logician makes. So while I take Houlgate's moves to be acceptable for what they are, as an Interpretation of the Logic I think they are subjectivist. Chapter Three, „Freedom, Rights, and Civility", considers how such self-determining thinking comprehends human social existence, and gives a fairly detailed run-through of the major moves of the Philosophy of Right, all the way from immediate rights to the state. This is the pivot of the whole account, and is worthy of being such. HOULGATE leads us through the major moves of HegeTs account, not in the fashion of an external commentary, but by actually making one continuous argument, that is, HOULGATE himself develops the material dialectically. The analysis of morality and conscience is excellent, and the emphasis HOULGATE puts on HegeTs treatment of poverty nicely shows Hegel to

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be a serious political philosopher worthy of consideration both by analybc and MARxist political phüosophers. Because it does not just list Hegel's views but effectively argues for them by showing them as an inherently rational development, this chapter would serve as an excellent piece to be read separately, both as an account of Hegel and, perhaps more importantly, as an independently standing argument in political philosophy. Chapter Four, „Art and Human Wholeness", studies the role of art in communicating to us the wholeness which constitutes the truth of our existence, being concerned especially to determine where Hegel's philosophy of art Stands with respect to various modern movements in art. The themes HOULGATE develops here are provocative and plausible, but I am not convinced that they do adequately capture Hegel's conception of art. HOULGATE takes Hegel's criticisms of KLEIST to reveal that there is a certain kind of art that an Hegelian philosophy of art must reject, namely, art which does not portray human wholeness; HOULGATE uses this to mount what he takes to be an Hegelian critique of a variety of modern artistic movements which emphasize the fractures in existence (147 ff), and his interpretation is worthy of serious attention. He also notes, however, that Hegel is not opposed to art which shows existence to be self-divided (149). This latter point, it seems to me, is telling. What does, or what does not, count as „hoUstic" is not as easy to pin down as HOULGATE suggests, and the criticisms of KLEIST should not be taken as the key. The fact that many see in KLEIST the elements of modern movements does not mean that this is what Hegel was seeing, and we must be careful not to confuse Hegel's biography — the fact that he thought KLEIST was a poor artist — with the Hegelian concept of art: it is not obvious, that is, that Hegel would not now see himself to have been merely idiosyncratic in his evaluation of KLEIST. HOULGATE quotes Hegel as requiring us „to let [art] objects be as free and infinite" (138), but surely this means we only see art as art when we see it as self-determining, as a whole in which form equals content: HOULGATE'S conception, to my mind, focusses too narrowly on content. Finally, Chapter Five, „Philosophy and Christian Faith", rightly emphasizes the pivotal position of religion in Hegel's account, and HOULGATE develops this theme in a way which both insists on the philosophical soundness of this move, (against those who think that Hegel should have been an atheist), and also insists on the legitimacy of Hegel's calling his philosophy a Christian philosophy, (against those who think that Hegel really was an atheist). For Hegel, absolute idealism is the answer to what both religion and philosophy autonomously demand, and, as such, is the completion of both which equally amounts in their mutual transformation into a new, common identity, and HOULGATE considers both how Hegel's philosophy is the completion of religion, but also how it vindicates even that religious faith which does not come to this completion. HOULGATE'S emphasis here that it is the Christian religion which is the true religion, is, 1 think, done too immediately (182). Hegel's „absolute" religion is not to be identified with Christianity simpliciter, but identifies a religious focus which is best exemplified historically in Christianity, but which can equally characterize

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any other living religion. HOULGATE'S emphasis on Hegel's belief in the historical existence of Jesus Christ is also, 1 think, misleading. No doubt Hegel himself believed that there was such a person, but this biographical detail seems to have little to do with Hegel's philosophical account of religion: if there was no such person, Hegel's account would not change, (as HOULGATE comes dose to saying on pp. 184—5), and, indeed, in the Phenomenology of Spirit, what matters for the dialectic of human experience is nof that Christ existed but that a community came into being which believed that Christ existed. The book has a bibhographical essay appended which discusses various English-language commentators, and which would be an asset to a Student making a first approach towards modern Hegel Interpretation. John Russon (Cambridge, Mass.)

Marcella D'Abbiero: Le ombre della comunitä. II soggetto e la realtä del mondo nella Fenomenologia dello Spirito di Hegel. Genova: Marietti 1991. 216 S. Die „Schatten der Gemeinschaft" („le ombre della comunitä"), das sind in der von MARCELLA D'ABBIERO vorgeschlagenen Auslegung der Phänomenologie des Geistes die Individuen. Die komplizierte Beziehung zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft wird als Schlüssel zur Lektüre dieses Werkes gewählt, das, noch „vom Schleier des Rätselhaften und Geheimnisvollen" umgeben, einer Zeit der Krise im Hegelschen Denken entspricht (11). Nur in der Phänomenologie führt Hegel das Vorhaben der Verwirklichung des Absoluten im Subjekt und nicht in der Substanz konsequent durch. Was bedeutet es aber konkret, so fragt D'ABBIERO, für das einzelne menschliche Subjekt, „Geist" zu werden? Aus dieser anfänglichen Frage entspringt eine große Anzahl von Problemstellungen, die es ermöglichen, die Tiefe und die Aktualität des vielleicht meistgelesenen und -kommentierten Werkes von Hegel hervorzuheben. In der Frankfurter Zeit und in den frühen Jenaer Jahren findet Hegel für das Problem der Beziehung zwischen dem Menschen und der Welt unbefriedigende Lösungen, die vom Einzelnen den Verzicht auf sich selbst und auf seine freie Handlung verlangen (22), ohne aber gerade aus diesem Grund dem KANrischen Begriff der Selbständigkeit, in dem der wahre Ausgangspunkt des Hegelschen Denkens besteht (15), gerecht werden zu können. Um dem Gedanken an seinen individuellen Tod den Stachel zu nehmen — so schreibt D'ABBIERO —, stirbt der Einzelne in der Gemeinschaft, in einer beinahe durch Glauben gefundenen Totalität, die den bedrückenden Charakter der Notwendigkeit bzw. des biologischen Faktums hat, nicht aber den der Geistigkeit, die sich nur von der Freiheit ausgehend realisieren kann. „Solange Hegel die Totalität nicht als ein geistiges Faktum

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versteht, muß er in dem starren Entweder-Oder zwischen einer abgeschlossenen Individualität und einer Totalität bleiben, in der der Einzelne stirbt." (32) Man beginnt erst, eine Lösung für das Problem der Bestimmung einer nicht unmittelbaren und nicht substantialistisch begriffenen Totalität zu ahnen, als Hegel den Weg einer auf die Selbständigkeit der Menschen und die gegenseitige Anerkennung zwischen Individuen gegründeten Sittlichkeit einschlägt. In der Realphilosophie von 1805/06 aber schließt diese Lösung nach D'ABBIERO noch den Verzicht auf die äußere zugunsten der inneren Freiheit ein, so daß der Geist sich in einer Art ideeller Gemeinschaft verwirklicht. Nur in der Religion und in der Philosophie existiert diese und kann die harte Realität nicht vermitteln (56). Auf diese Weise nähere sich Hegel PLATO an, insofern beide auf die Fähigkeit des Menschen vertrauen, geistig zu wachsen und reif zu werden, und dennoch zugleich den Zweifel hegen, ob dies je etwas mehr als eine Erfahrung für nur wenige Privilegierte darstellen könne (58). Erst in der Phänomenologie gibt Hegel, so meint D'ABBIERO, die substantialistische Auffassung des Geistes auf, die mit der Freiheit des Einzelnen unvereinbar ist, um die Richtung einer Totalität einzuschlagen, die als harmonischer Zusammenhang von Verschiedenen verstanden wird. Auf eine grundlegend neue Weise sfellt er sich so dem zentralen Problem seiner Philosophie, indem er fragt: wie bildet sich eine Totalität, in der der Einzelne seine Selbständigkeit tatsächlich verwirklicht? Der in der Phänomenologie vorgeschlagene Weg schließt aus, daß das Absolute irgendwo vorhanden ist und das Subjekt es nur anzuerkennen hat, und bindet dessen Existenz an die Bedingung, daß jedes menschliche Subjekt es realisieren kann und jeder Einzelne sich in ihm befriedigt fühlt (67). Der Geist sei keine harte Notwendigkeit, mit der man sich abfinden müsse, sondern die VerwirkUchung des menschlichen Strebens: was die Phänomenologie beschreibe, seien die verschiedenen Arten und Weisen, auf die dieses Bedürfnis befriedigf werde. D'ABBIERO legt das Absolute, wie es sich in phänomenologischer Sicht darstellt, nicht als Substanz aus, sondern als die zu der Welt der Bedeutungen und des symbolisierenden Denkens gehörende Fähigkeit, „der Wirklichkeit einen vollendeten Sinn zu geben" (73). Die Welt des Geistes sei nichts anderes als die Welt der Bedeutungen, in der das Subjekt die Herrschaft über die Reahtät und dadurch seine Freiheit erlange. Es wolle die Wirklichkeit in ihrer Unmittelbarkeit nicht beherrschen, sondern begnüge sich damit, Macht über ihren Sinn zu bekommen (99). In D'ABBIEROS Sicht ist also die Freiheit nicht nur das negative Vermögen des Subjekts, sich von der Realität abzusondern und ihr gewollte Bedeutungen zu geben, sondern auch die positive Fähigkeit, durch das Denken die eigene Selbstverwirklichung zu erreichen (93). Damit schaffe die Phänomenologie den Übergang von der Gnoseologie zur Infersubjekfivität, in der ihr echfer Problemkern bestehe (94). In dieser nicht substantialistischen Auslegung des Geistes, „die nie wieder in den Hegelschen Werken so deutlich erscheinen wird", stellt sich die Analyse der Gemeinschaft als ein schwieriges Problem dar: sie darf nicht mehr als eine Substanz gedacht, sondern muß als ein Ganzes von Beziehungen (100) betrachtet

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werden, so daß jedes teilnehmende Individuum in ihr seinen Ort und seine Befriedigung finden kann, ohne auf seine Individualität zu verzichten. Unerbittlich breiten sich so „Schatten" über der Gemeinschaft aus. Diese durch die unvermeidbare Verschiedenheit der Individuen hervorgerufenen Schatten lassen den Verdacht aufkommen, daß es dann doch nicht so ganz wahr ist, daß jedes Individuum notwendigerweise Geist wird (176). In der Tat beweisen die vielen Umkehrungen, die der phänomenologische Weg beschreibt, daß der Einzelne vom Anderen nicht immer anerkannt wird. Wenn aber seine Bedeutung vom Anderen nicht erfaßt wird, bleibt er nur ein Einzelner und ist nicht imstande, sich als Geist zu verwirklichen. Hier verflechtet die Phänomenologie nach D'ABBIERO das Thema der gegenseitigen Anerkennung und der Vermittlung durch das Bedeutung gebende Denken mit einer zweiten, ebenfalls subsfanfialishschen Argumentationskette, nach der der Unterschied der Individuen nur scheinbar und Äußerung einer ursprünglichen Substanz ist. In diesem Fall setzt jedoch die Überzeugung, daß trotz des Chaos der einzelnen Handlungen das Ergebnis ausgeglichen sein werde, wieder den Glauben an eine der Entstehung der Individualitäten vorgeordnete Substanz voraus und gleichzeitig die Aufgabe des Modells, nach dem der Geisf die Realisierung jedes Subjektes ist. Nach D'ABBIERO bleibt auf dem phänomenologischen Weg noch unbestimmt, ob das wichtigste die Fähigkeit ist, den Geist oder sich selbst anzuerkennen. Diese Unbestimmtheit hat die Verknüpfung von zwei unversöhnlichen Perspektiven zur Folge: die eine verankert den Geist in der vermittelnden Tätigkeit des Denkens, und die andere macht ihn zur ursprünglichen Substanz (183). Die Ambiguität der Phänomenologie wird später in den dem objektiven Geist gewidmeten Systemteilen, in denen Hegel die substantialistische Wende nunmehr ohne Umschweife vollzieht, auf negative Weise gelöst. Hier liegt das echte punctum dolens der Hegelschen Philosophie, auch wenn in ihr die Forderung, die Selbständigkeit des Menschen zu bewahren, in aporetischer Weise immer durchscheint. Mit dieser Feststellung beschließt D'ABBIERO ihren eindrucksvollen und gleichzeitig schwierigen Versuch, die Phänomenologie als eine konsequente Verwirklichung eines antisubstantialistischen Programms zu interpretieren. Auch in diesem Werk aber — so muß sie selbst am Ende ihrer Mühen eingestehen — ist dieses Programm dazu verurteilt, an den „Schatten der Gemeinschaft" zu zerbrechen und wieder der Substantialisierung des Absoluten zu weichen. Francesca Menegoni (Padova)

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Robert B. Pippin: Hegel's Idealism. The Satisfactions of Self-Consciousness. Cambridge: Cambridge University Press 1989. XII, 327 S. Der vormals in San Diego, jetzt aber in Chicago lehrende ROBERT B. PIPPIN, der sich bereits durch verschiedene Beiträge (neben zahlreichen Aufsätzen vgl. insbes. sein Buch Kant's Theory ofForm. New Haven 1982) als Kenner der Klassischen Deutschen Philosophie ausgewiesen hat, legt mit dem vorliegenden Werk erstmals seine Gesamtdeutung der Philosophie Hegels vor. Unter den Veröffentlichungen der gegenwärtigen Hegel-Forschung nimmt es insofern eine besondere Stellung ein, als es versucht, die Aktualität und die Herausforderungen, die von Hegels Denken für das heutige philosophische Problembewußtsein ausgehen, in einer Weise herauszuarbeiten, die sich weder in der Erörterung von Detailfragen verliert, noch von einem externen Standpunkt aus den Maßstab der Beurteilung zu gewinnen sucht. PIPPINS Buch ist vielmehr an zentralen gesamtsystematischen Fragestellungen interessiert, die darauf abzielen, die systematische Einheit und sachliche Mitte der Philosophie Hegels vorzüglich aus dem durch seine beiden Hauptschriften, die Phänomenologie und die Wissenschaft der Logik, aufgespannten Zusammenhang zu verstehen. Das Ziel seiner Deutung bestimmt PIPPIN dabei im Gegensatz zu allen eklektischen, dogmatischen und romantisch-anachronistischen Vereinnahmungen als Versuch einer „nonmetaphysical interpretation of Hegel" (6). Zu welchen Ergebnissen diese programmatische Forderung führt und ob dieselbe eine aussichtsreiche Alternative zu einer „metaphysischen" Deutung darstellt, werden wir noch sehen. Im ersten der drei Hauptteile des Buches gewinnt PIPPIN den Zugang zu seiner nichtmetaphysischen Deutung Hegels über eine historische Rekonstruktion des „ideahst background". Hier erfolgen die entscheidenden sachlichen Weichenstellungen für die nachfolgende Argumentation. So sind es namentlich KANTS transzendentaler Idealismus sowie sein Begriff der transzendentalen Einheit der Apperzeption, die dazu geeignet sein sollen, die beherrschenden Themen hervorzuheben, die auch für Hegels Philosophie grundlegend sind. Ausschlaggebend für ein rechtes Verständnis Hegels sei die Anerkenntnis des ihm mit KANT gemeinsamen Ausgangspunkts: die subjektivitätstheoretisch gewendete Problematik des selbstbewußten Charakters menschlicher Erfahrung (6 f; vgl. 39). Von hier aus gelte es, KANT und Hegel in ein konstruktives Verhältnis zueinander zu setzen, so daß Hegels Kritik und Weiterbildung KANTS nicht als ein Rückfall in ein vorkritisches Philosophieren erscheinen (10), sondern einer internen Rechtfertigung durch die Analyse der KANTischen Texte fähig werden (12). Die positive Aufgabe sei mithin, den historischen Weg von KANT ZU Hegel auch unter den systematischen Bedingungen des BCANTischen Ansatzes plausibel zu machen. — Auf diesem Hintergrund entwickelt PIPPIN (16 ff) zunächst die KANT-Deutung und -BCritik Hegels. Ausgehend von der transzendentalen Deduktion der Kategorien als dem Herzstück des KANiischen Begriffs des kritischen Idealismus gelingt es PIPPIN in einer behutsamen und sorgfältigen Argumentation, jene Themen herauszuarbei-

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ten, an die Hegels KANX-Deutung sich anschließt und die zugleich den sachlichen Bezugspunkt seiner Kritik an KANT bilden, so etwa die Rolle des Apperzeptionsbegriffs für die Bestimmung der Objektivität der Erkenntnis (32 ff), der notwendig selbstbezügliche Charakter der Subjektivität (35), die für KANTS Begriff des franszendentalen Selbstbewußtseins konstitutive Formalität (36), oder das in seinen ontologischen Grundlagen ungeklärte Verhältnis von Anschauung und Begriff. Dem folgt (42 ff) eine ausführliche Darstellung des Verhältnisses FICHTES ZU KANTS Idealismus, die die leitenden systematischen Intentionen hervorhebt, die FICHTES Beitrag zur Weiterbildung der bei KANT noch offen oder ungeklärt gebliebenen Probleme leistete. Von diesen offen gebliebenen Fragen sehen sich auch ScHELLiNG und Hegel während ihrer Zusammenarbeit in Jena herausgefordert. Im Anschluß an zentrale Thesen namentlich KLAUS DUSINGS betreffend das Verhältnis zwischen „Spekulation und Reflexion" bei SCHELLING und Hegel in Jena (61; vgl. 63, 274) zeigt PIPPIN eindringlich, in welcher Weise SCHELLINGS Aufnahme des durch FICHTE gesfellten Problems eines spekulativen Identitätsprinzips die sachliche Kontinuität zwischen KANTS Exposition und Hegels Ansatz in seinen frühen Jenaer Schriften herstellt (60—88). Der zweite Hauptteil des Buches („The phenomenology of idealism") enthält eine an ausgewählte Textstellen sich anschließende Rekonstruktion des Ganges der Phänomenologie des Geistes. Hauptziel der Darstellung PIPPINS ist die Klärung der systematischen Aufgaben, die ihr im Rahmen des Gesamtsystems im allgemeinen und hinsichtlich der Begründung des spekulativen Standpunkts im besonderen zukommen. Für beide Aspekte sei der Übergang vom „Selbstbewußtsein" zur „Vernunft" und damit die Überwindung des Skeptizismus wie des unglücklichen Bewußtseins durch die sich selbst bestimmende Subjektivität entscheidend (163—171). Hier werde deutlich, daß das Problem des absoluten Standpunkts weder „empirically, metaphysically, pragmatically" noch „conventionally, or religiously" lösbar sei (166). Die mit der Selbstbestimmung der Vernunft und des Geistes gesetzte Identität zwischen Denken und Wirkhchkeit motiviere vielmehr durch die Fragen nach ihrer Beschaffenheit und ihrer Form den Übergang zum absoluten Standpunkt der Wissenschaft der Logik als der Instanz, die eine mögliche Antwort auf diese Fragen in Aussicht stelle (167 ff). Der Gang des dritten Hauptteils („Idealist logic", 175 ff) schließlich folgt in seinen drei Kapiteln sowohl der Form wie dem Inhalt nach der Einteilung der Logik Hegels in Seins-, Wesens- und Begriffslogik. — Wie immer im Falle einer Gesamtinterpretation der Philosophie Hegels entscheiden sich der Wert und die Erschließungskraft der Deutung von ihrer Gesamtheit und damit von ihrem Ende her, d. h. in welcher Weise sie die Totalität, die gesamtsystematische Struktur des Hegelschen Ansatzes zu verstehen und zu explizieren erlaubt. In diesem Sinne wollen wir uns jenen „unresolved problems" (254—260) zuwenden, von denen PIPPIN am Ende seiner Überlegungen glaubt, Hegel habe sie nicht oder doch nur unzureichend beantwortet. Selbstverständlich hängen diese Schwierigkeiten eng mit PIPPINS eigenem, „ruchtmetaphysischen" Interpretahonsansatz zusammen. Da hier nicht auf alle interessanten Aspekte eingegangen werden kann, sollen zwei

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der von PIPPIN angeschnittenen Probleme herausgegriffen und kurz erörtert werden. 1) Eine erste Schwierigkeit der Wissenschaft der Logik betrifft PIPPIN zufolge das Verhältnis zwischen Darstellung und Rechtfertigung: Hegel „does not seem to notice that his very recollective explanation also undercuts the justißcation of the Claim that there is a fundamental empirically unrevisable, internally self-determining, ,free' Notional level. . . The Logic was to demonstrate that this was so by showing how the assumption that it was not so, that this Notional level was . . . ,unfree' (reahstically determined) or only relatively free (subjectively ,posited' or ,reflected'), was self-defeating, could be shown to presuppose [!] such a wholly ,free' Notionality. . . . we find that this demonstration presupposed its result." (255) Dieser argumentative Zirkel kommt daher, daß Hegel „attempts ülidtly to conclude . . . from a lack of determination[,] a positive indetermination" (254). — Die Stichhaltigkeit dieses Vorwurfs hängt freihch davon ab, ob Hegels Beweisverfahren in dieser Form sachgemäß interpretiert wird. Verhält es sich tatsächlich so, daß Hegel das Vorhandensein der dialektischen Selbstbewegung des Begriffs dadurch rechtfertigt, daß er es aus der Selbstwidersprüchlichkeit der Annahme ihres Nichtvorhandenseins ableitet und es für diesen Nachweis bereits in Anspruch nimmt? — Diese Frage setzt bereits voraus, daß eine Entscheidung über Vorhandensein oder Nichtvorhandensein keine Sache spekulativen Erkennens ist, d. h. daß zur Beantwortung der Frage, ob von einem einer philosophischen Rechtfertigung zugänglichen Beweis bei Hegel gesprochen werden könne, mehr als die logisch-kategoriale (Selbst-)Darstellung des zu Beweisenden erforderlich sei. Solche externen Beweisgründe bzw. Instanzen der Rechtfertigung kann Hegels Dialektik aufgrund ihres Letztbegründungsanspruchs indes nicht unbesehen gelten lassen. Selbst abgesehen von dem weiteren Problem der wesenslogischen Dialektik von Setzen und Voraussetzen ist es daher zumindest problematisch, wenn PIPPIN seinen Zirkelvorwurf durch ein apagogisches argumentum ex negative zu stützen sucht, das selbst von unbewiesenen, jedenfalls unbefragten Voraussetzungen ausgeht. Was Gegenstand und hinreichende Voraussetzung eines philosophischen Beweises ist, ist keine der Philosophie äußerliche Frage, die sich etwa durch Hinweis auf gewisse (transzendental-)logische Gegebenheiten abweisen ließe, sondern eine, die allein in ihr selbst beantwortet werden kann. PIPPINS Zirkelvorwurf ist deshalb ohne zusätzliche Erörterungen über die Erfordernisse einer philosophisch zu nennenden Kritik als unzureichend abzuweisen. 2) Das sachlich gleiche Problem artikuliert im wesenthchen PIPPINS anderer Einwand: Hegel verstricke sich in folgendes unlösbare Dilemma: „Either HegeTs Claim about the final comprehension of Notionality itself is justified by the determinate negations of the prior, insufficiently comprehended Notions, in which case we are committed to a highly implausible view of determinate negation . . ., or HegeTs Claims about determinate negations are themselves justified by an implicit (or ,in itself') assumption about thougth's final self-understanding, in which case it is unclear why that Version of thougth's completion is the correct one, sin-

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ce it certainly cannot be defended by appeal to the transitions articulated by reference to it." (256) Ob die Unmöglichkeit der zweiten Alternative sich wirkhch so von selbst versteht, wie PIPPIN offensichtlich meint, kann mit guten Gründen bezweifelt werden. Warum sollte das Prinzip bestimmter Negation nicht dadurch sich begründen lassen, daß seine Momente im geregelten Gang der in ihrem Anderssein sich selbst explizierenden Subjektivität methodisch hergeleitet werden? Nur wenn man bereits mit der jedem Zweifel entzogenen Annahme an Hegel herangeht, daß philosophische Begründung — wenn überhaupt noch Gegenstand sinnvollen Fragens — niemals über die formale Dualität zwischen Prinzip und Prinzipiat eines Beweises sich zu erheben vermag, erscheint die spekulative Lösung des Begründungsproblems als unannehmbar. PIPPINS Sorge, daß im Falle der Selbstbegründung des Prinzips der bestimmten Negation die richtige Lösung sich nicht hinlänglich von anderen unterscheiden lasse, ist daher unbegründet; zumal PIPPIN selbst (253 f vgl. 46 f, 166 u. ö.) ausdrücklich auf das Ungenügen aufmerksam macht, das immer dann sich einstellt, wenn die vernünftigen Gegenstände vom Standpunkt der verständigen und daher abstrakten Reflexion aus betrachtet werden. PIPPINS Zustimmung etwa zu DIETER HENRICHS und STANLEY ROSENS Hegel-Kritik (255, 308 n. 25) vermag diese Schwierigkeit kaum auszuräumen. Man gelangt daher zu der Vermutung, daß es gerade die von PIPPIN abgelehnte „metaphysische" Deutungsperspektive ist, welche die von ihm hervorgehobenen Aporien in Hegels Ansatz einer Lösung zuführen könnte. Daß dieselbe nicht eo ipso einen Rückfall in eine vorkritische Onto(theo-)logie bedeutet, hat Hegel selbst zur Genüge unterstrichen, als er KANTS transzendentalen Ansatz ausdrücklich als die nicht hintergehbare „Grundlage und den Ausgangspunkt der neuern deutschen Philosophie" rühmte, wobei sich die von Hegel inaugurierte neue Metaphysik sowohl in ihrer systematischen Struktur wie in methodischer Hinsicht grundlegend von jener vorkritischen unterscheidet, deren Ungenügen KANT zurecht kritisiert hatte. Gleichwohl dürften sich gewisse — einer „nichtmetaphysischen" Deutung sicherlich unbequeme — theologische Konsequenzen aus einer gesamtsystematischen Interpretation der Wissenschaft der Logik kaum vermeiden lassen. Dies haben selbst in dieser Hinsicht zurückhaltende Hegel-Interpreten wie etwa DOSING oder HENRICH anerkannt. — Die Erklärungsleistung einer spekulativen, „metaphysischen" Deutung Hegels dürfte daher größer sein als die einer in PIPPINS Verständnis „nichtmetaphysischen". So wird die letztere aufgrund ihrer Vorentscheidungen stets wichtige Probleme zurücklassen, die innerhalb ihres Rahmens unlösbar bleiben. Wie berechtigt das sachhche Anliegen auch ist, Hegels Fortbildung des KANTIschen Idealismus auch unter den Bedingungen des letzteren zu rekonstruieren und ihn dadurch für die Auslegung Hegels selbst fruchtbar zu machen, so darf es doch nicht dazu verleiten, KANTS antimetaphysische Grundüberzeugungen zum bestimmenden und letztgültigen Beurteilungsmaßstab — sei es der Konsistenz, sei es der Plausibilität des Hegelschen Ansatzes - zu erheben. PIPPIN betont (m. E. zu Recht) die Herausforderung, die von Hegels Idealismus gerade für das

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gegenwärtige philosophische Problembewußtsein ausgeht (13, 260). Namentlich die systematische Forderung nach einer immanenten Kritik seines Ansatzes, besonders der Logik (248 ff) zeigt, daß PIPPIN bestrebt ist, es nicht bei einer äußerlichen Beurteilung bewenden zu lassen. Diese unter den gegenwärtigen angelsächsischen Hegel-Interpreten seltenen Tugenden verdienen deshalb schon für sich Beifall und Anerkennung. Es bleibt zu hoffen, daß PIPPIN in Zukunft seinem stets differenzierten und ausgewogenen Urteil gemäß auch seine eigenen bisher noch nicht ausdrücklich thematisierten Grundüberzeugungen einer kritischen Prüfung im Lichte seiner durch die Interpretation der spekulativen Philosophie gewonnenen Einsichten offenhält. Bernd Burkhardt (München)

Essays on Hegd's Logic. Edited by George di Giovanni. Albany: State University of New York Press 1990. 218 S. Dieser Sammelband enthält 11 Vorträge und 6 diese Vorträge kommentierende Repliken, die vom 7.-9. Oktober 1988 an der 10. Tagung der Hegel Society of America an der Loyola University of Chicago gehalten wurden. Unter dem allgemeinen Thema der ,Logik Hegels' werden verschiedene Aspekte der Wissenschaft der Logik (WdL), der Jenaer und Nürnberger Logikentwürfe sowie der unterschiedlichen Enzyklopädiesysteme behandelt. Der Schwerpunkt der Beiträge liegt in der Interpretation der dialektischen Methode und der seinslogischen Problematik des Anfangs; außerdem werden Ansätze der Wesens- und Begriffslogik untersucht. Damit bietet dieser Band nicht nur einen einleitenden Überblick über die Gesamtkonzeption der WdL, sondern auch ins Detail gehende Analysen einzelner Abschnitte an. DAVID DUQUETTE (Kant, Hegel and the Possibility of a Speculative Logic) diskutiert die Auseinandersetzung Hegels in dessen spekulativer Logik mit der transzendentalen Logik KANTS und charakterisiert allgemeine methodische Züge der WdL. Während der Inhalt der transzendentalen Logik aus dem reinen Denken als der Gegenständlichkeit a priori bezüglich der Bedingungen von Zeit und Raum bestehe, mache das Denken selbst unabhängig von diesen Bedingungen den Inhalt der spekulativen Logik aus (vgl. 2—4). Damit liegt der Schwerpunkt DUQUETTES in der Frage, inwiefern trotz der KANTischen Vernunftkritik das Hegelsche Projekt der spekulativen Etablierung der Einheit der Kategorien möglich sei, da KANT die systematische Einheit der theoretischen Vernunft nur als regulative Funktion zuließe. DUQUETTE findet die Antwort auf diese Frage in Hegels Aufhebung der traditionellen Metaphysik des Absoluten und zwar gleich am Anfang der WdL: im Begriff des Werdens als der ,Ununterschiedenheit' von Sein und Nichts (GW 11. 44; GW 21. 69). Hegel ersetze ,die Logik des Verstandes', die das Absolute als fi-

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xiertes Ding begreifen wolle, durch ,die Vernunft, die gemäß dem Prinzip der dialektischen Negation' fungiere (7). Die Kategorie des ,Für-sich-seins' liefert dann, so DUQUETTES Interpretation, noch ein wichtiges Prinzip der WdL: ,die logische Struktur der Selbstbeziehung (Reflexion-in-sich)', die die begriffliche Einheit aller Kategorien versichere, indem nun jede Bestimmung mittels Negation als Selbstbestimmung verstanden werden könne (10). Dieses Prinzip erreiche sogar ein metalogisches Niveau in der begriffslogischen Darlegung der Begrifflichkeit selbst, denn die immanente Selbstbeziehung des Absoluten zeige sich nicht nur isomorphisch zur reflexiven Struktur des Ich (vgl. 11—14), sondern auch zur Intelligibilität der objektiven Realität selbst (vgl. 12—16). WILLIAM MAKER (Beginning) untersucht einige Probleme des Anfangs der WdL, ihre angebliche Autonomie bzw. Voraussetzungslosigkeit, ihr Verhältnis zur Phänomenologie des Geistes (PhdG) und anschließend ihre ersten Argumentationsschritte, die insbesondere von HENRICH kritisiert worden sind. MAKER sieht die Lösung der Frage nach der Absolutheit des logischen Anfangs in Hegels Bestimmung der PhdG als der , Vermittlung, . . . welche zugleich Aufheben ihrer selbst ist', woraus die WdL resultiere (GW 21. 56); Die PhdG fungiere als diejenige Voraussetzung, deren Aufhebung die WdL selbst voraussetze (vgl. 30). Die WdL sei somit voraussetzungslos, indem sie durch die Aufhebung dieser Voraussetzung ermöglicht werde; sie fange aber dennoch mit einer Voraussetzung an, indem diese Aufhebung selbst vorausgesetzt werde (vgl. 31—34). MAKER begreift die PhdG daher als die Selbstaufhebung derjenigen Voraussetzung, die die Möglichkeit einer voraussetzungslosen Wissenschaft ausschließt; dies sei die Voraussetzung, daß das Wissen und der Gegenstand des Wissens getrennt sind (vgl. GW 9. 59). Die in der PhdG durchgeführte Aufhebung des natürlichen Bewußtseins ins absolute Wissen sei darum ,die Selbstaufhebung der Struktur des Voraussetzens selbst' (37). Die WdL müsse also autonom, ohne vorbestimmten Inhalt und somit mit dem Unbestimmten selbst anfangen (vgl. 38). Somit sei HENRICHS Kritik, daß die Logik des reinen Seins sich nur via negationis durch äußerliche Aufhebung der Reflexionsbestimmungen explizieren ließe, vielmehr als legitimes Resultat der PhdG positiv umzudeuten (vgl. 40—43). RICHARD WINFIELD (The Method of Hegel's Science of Logic) erläutert sechs Grundzüge der Methode der WdL, die deren Charakter als fundamentale Hegelsche Wissenschaft aufweisen. Der Unterschied zwischen Form und Inhalt sei 1) in ihr schon überwunden (vgl. 46), da für Hegel die Logik als ,Wissenschaft des Denkens' selbstdenkendes Denken ist (GW 11. 15; 21. 28). Ein absoluter Anfang der Logik sei also möglich, indem ihre Methode nicht vorgegeben sei (vgl. 47). Vielmehr drücke die logische Methode diese Einheit von Form und Inhalt aus als 2) immanente und 3) sich gründende, somit kreisförmige Selbstentwicklung, die sich 4) durch bestimmte Negation und 5) sowohl analytisch als auch synthetisch entfalte (vgl. 48—50). Gegenüber formaler und transzendentaler Logik müsse die WdL als eine präskriptive Logik diese einheitliche Struktur bilden, da 6) ihre eigene Methode und Inhalt ihr Resultat sein müßten (vgl. 51—52). Aus der so dargelegten Methode der WdL zieht WINFIELD Folgerungen für die Methode der Philo-

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Sophie im allgemeinen, denn allein so könne die Philosophie die ,Freiheit der Selbstbestimmung' gewinnen (54). PHILIP GRIER (Abstract and Concrete in Hegel's Logic) unterscheidet sechs verschiedene Bedeutungen des Terminus ,abstrakt' bei Hegel: ,getrennt', ,einseitig', ,positiv', ,unmittelbar', ,beharrt' und ,formal' (vgl. 60— 70). Diese Bedeutungen erweitern nach GRIERS Meinung auf jeweils eigene Weise den vorphilosophischen, etymologischen Sinn des Wortes (,abziehen'). GRIER geht abschließend auf BAILLIES Interpretation der Wirklichkeit der logischen Begriffe ein und deutet an, daß nur eine Analyse der absoluten Idee selbst die Termini ,abstrakt' und ,konkret' vollständig explizieren könne, da diese ihren adäquatesten Ausdruck in der Begriffslehre erhielten (vgl. 70— 74) — eine Auslegung, die hier allerdings nicht unternommen wird, ln seiner Replik behauptet ERROL HARRIS, daß es Hegel deshalb unterlassen habe, ,abstrakt' und ,konkret' als logische Kategorien auszugeben, eben weil sie nicht logische Kategorien, sondern metalogische oder deskriptive Termini seien (vgl. 81—84). CYNTHIA WILLST (The Shadoiv of Hegel's Science of Logic) stellt die mehr als fragliche These auf, daß Hegel die anfängliche logische Äquivalenz von ,Sein' und ,Nichts' nicht beachte, indem er im ,Werden' das Moment des ,Entstehens' über das des , Vergehens' privilegiere und so ARISTOTELES' Ontologie des Werdens der Vergänglichkeitslehre HERAKLITS vorziehe; dadurch allein sei der Übergang zum Dasein überhaupt möglich und das systematische Zurückkehren der WdL zum Sein vorprogrammiert (vgl. 86—91). Hier wird am Hegelschen Text völlig vorbei interpretiert, da das Dasein für Hegel zunächst die ,Einheit des Seins und Nichts' ist, die als das ,Verschwundensein' des Werdens selbst entstanden ist (GW 11. 57; 21. 94). Gewisse Aspekte eines solchen Arguments — freilich ohne die genannten geschichtlichen Anknüpfungspunkte — lassen sich vielmehr anhand des Verhältnisses von ,Realität' und ,Negation' in der Daseinslogik aufbauen, indem nach Hegel jene diese ,enthalten' soll, wohingegen die Umkehrung zumindest nicht explizit von Hegel formuliert wird (vgl. GW 21, 99—100). Di GIOVANNI weist in seiner Replik WILLETS These zurück; er geht davon aus, daß die Wesenslogik die Wahrheit des Werdens im Wesen als ,die Bewegung von Nichts zu Nichts' (GW 11. 250) reflektiere, deshalb sei die WdL ,eine Logik der Ereiheit' (98). DANIEL DAHLSTROM (Between Being and Essence: Reflection's Logical Disguise) analysiert die wesenslogische Kategorie des ,Scheins', der für Hegel ,die Negativität des Wesens an ihm selbst' ist (GW 11. 247). Dabei setzt er sich mit der bekanntlich schwierigen Erage der Übersetzung des Wortes ,Schein' auseinander. Im Unterschied zu den einerseits von MILLER (,illusory being') und andererseits von MURE und HARRIS (,show') und von WALLACE und BURBIDGE (,seeming') vorgeschlagenen Übersetzungen argumentiert DAHLSTROM für ,guise' bzw. ,disguise', um die Zweideutigkeit des Scheins passend auszudrücken (vgl. 99—105). Durch seine Analyse des Scheins in den Reflexionsbestimmungen der ,Identität', des ,Unterschieds', der ,Verschiedenheit', des ,Gegensatzes' und des ,Widerspruches' etabliert Hegel nach DAHLSTROMS Meinung ,die fundamentale Bedeutung des Begriffs der Selbstreflexion bzw. der Subjektivität' für die WdL (105). Hegel

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zeige, die Reflexionsbestimmungen dürften nicht getrennt werden (vgl. 106). Dieses Resultat scheint DAHLSTROM am Ende seines Aufsatzes aber zu relativieren, wenn er behauptet, man brauche nicht ,das Undenkbare zu postulieren, daß etwas in derselben Hinsicht ist und nicht ist' (111) — jedoch ohne auf diese Bemerkung oder Hegels eigene Diskussion vom Satz des Widerspruches bzw. Satz der Identität näher einzugehen. LAURA BYRNE (Hegel’s Criticism of Spinoza's Concept of the Attribute) befaßt sich sachlich mit der SpiNOZAkritik Hegels in dessen Anmerkung zum wesenslogischen Kapitel „Das Absolute", in der Hegel das Attribut wie den Modus des SPINozistischen Absoluten ,nur als verschwindend, nicht als werdend' versteht, so daß diese Bestimmungen nur durch einen ihm äußeren Verstand ans Absolute herangetragen werden können (GW 11. 377). Diese Kritik läßt BYRNE, die die Auslegung dieser Problematik einerseits von GUEROULT und andererseits von KLINE in Betracht zieht, nur in bezug auf SPINOZAS Lehre von der Bestimmung selbst gelten, während sie diese, bezogen auf dessen Lehre vom Verstand, der das Attribut erkennt, zurückweist, da nach SPINOZA der Verstand das Attribut als zum Wesen der Substanz selbst gehörend erkenne (vgl. 118—126). Dennoch sieht BYRNE in Hegels Begriff vom Absoluten das, was SPINOZA nicht denken kann: Das Absolute bezieht sich negativ auf sich selbst, da die Bestimmungen aus dem Absoluten selbst hervortreten. GABRIELLA BAPTIST (Ways and Loci of Modality. The Chapter ,Actuality' in the Science of Logic between its Absence in Jena and its Disappearance in Berlin) stellt die Entwicklung der modalen Kategorien in Hegels Denken vor der Entstehung der WdL (insbesondere im 3. Kapitel der PhdG) dar und diskutiert die wesenslogische Kategorie der , Wirklichkeit' als einen einzigartigen, fehlgeschlagenen Versuch, ,das Problem der Zufälligkeit logisch und ontologisch innerhalb der dialektischen Analyse der Notwendigkeit' zu behandeln, da in den der WdL folgenden Enzyklopädien diese Kategorie als eigenständiges Kapitel verschwinde (138). Das Fehlen einer logischen Ausarbeitung der Modalitäten in Verbindung mit der Kategorie der ,absoluten Notwendigkeit' ist ihrer Meinung nach als Signal einer sich entwickelnden metakategorischen Funktion dieser Kategorie zu deuten (vgl. 141 — 143). In ihrer RepHk befürwortet DEBORAH CHAFFIN die logische Konsequenz der Kategorie der absoluten Notwendigkeit in der WdL, ohne dabei auf die Frage über das Schicksal dieser Kategorie in Hegels Heidelberger und Berliner Zeit einzugehen (vgl. 149-151). JOSEPH FLAY (Hegel'S Science of Logic: Ironies of the Understanding) bietet eine rhetorische Perspektive auf die Methode der WdL im Hinblick auf die Aufhebung des Verstandes, indem er behauptet, die WdL werde methodisch nicht von der Logik, sondern von der Rhetorik geleitet (vgl. 153). Nur eine von Ironie (d. h. ,Erkennen einer unbeabsichtigt aufgetauchten Bedeutung, anders als der gemeinten Bedeutung') geprägte Rhetorik könne die von der WdL erstrebte dialektische Notwendigkeit liefern; ihre logische Notwendigkeit sei freilich allzu zweifelhaft, darüber hinaus könne letztendlich allein die Rhetorik, nicht die Logik überzeugen (vgl. 154—157). Diese Behauptungen werden jedoch von FLAY nicht weiter begründet

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bis auf die Feststellung, daß die Notwendigkeit eines Arguments nicht nur logisch bestimmt werde. In der Hegelschen Dialektik fungiert nach seiner Interpretation eine solche Ironie zum einen destruktiv in Form der Selbstnegation einer traditionellen These des Verstandes über das Absolute und zum anderen konstruktiv in Form eines zweiten Widerspruches bzw. einer Einheit der Entgegengesetzten, die die erste Negation negiere und somit eine neue Definition des Absoluten aufstelle; wonach der ganze Prozeß wieder beginnen könne (vgl. 159—162). Diese verdoppelte Ironie wird von FLAY am Beispiel des Anfangs der Logik erläutert (vgl. 162—167) und für Hegels Rolle in der modernen Rhetorik verantwortlich gemacht (vgl. 168—169). Die von ihm behauptete rhetorische Notwendigkeit des zweiten konstruktiven Momentes der Ironie bleibt freilich undurchsichtig und bedarf noch einer logischen Ergänzung, um das Entstehen und Akzeptieren einer Einheit der Entgegengesetzten überhaupt erklären zu können. JOHN BURBIDGE (Where is the Place of Understanding?) fragt im Hinbhck auf die bekannte Verstandeskritik Hegels nach dem Ort des Verstandes in der WdL. Er stellt heraus, daß dieser Ort die Begriffslehre sei (vgl. 174—175), da für Hegel der Verstand ,die unendliche Kraft' ist, welche ,das Allgemeine bestimmt' bzw. ,der Bestimmtheit. . . die Form der Allgemeinheit. . . erteilt' (GW 12. 42); somit ist für Hegel der Verstand ,das Vermögen der Begriffe überhaupt' (GW 12. 32). BURBIDGE geht von Hegels Bemerkung aus, daß Verstand und Vernunft nicht getrennt werden dürften (vgl. GW 12. 42). Dabei setzt er sich überzeugend für die Übersetzung von ,Begriff' mit ,concept' statt ,notion' ein (178). In seiner Replik setzt sich STEPHEN HOULGATE zutreffend mit BURBIDGES durchaus überraschenden Behauptungen auseinander, der Verstand sei für Hegel ,die Vollendung des Denkens' (176), und das disjunktive Urteil sei ,der Höhepunkt des Versuchs, das Allgemeine und das Einzelne zu vereinigen' (180), sowie mit seiner auf eine Fehldeutung von § 79 der Enzyklopädie (1830) gegründeten Einteilung der ,drei Seiten' des Logischen, nämlich Dialektik-Seinslogik, Vernunft-Wesenslogik und Verstand-Begriffslogik (vgl. 181). Eher ist es nach HOULGATE die Vernunft, die die Einheit der logischen Bewegung des Denkens erfaßt und damit dieses ,zur vollständigen Erkenntnis von sich selbst' leitet (185). Für Hegel sei der Verstand zwar ein Moment der Vernunft auf ihrem Weg zu sich selbst, aber wegen seiner undialektischen Abstraktheit nicht die höchste Stufe des Denkens (vgl. 186—188). EDWARD HALFER (Hegel and the Problem of the Differentia) befaßt sich mit dem Status der Differenz in ARISTOTELES' Kategorienlehre und bietet einen letzten Blick auf die dialektische Methode Hegels. Der Unterschied von Kategorie und Differenz sei problematisch: Gehört die Differenz derjenigen Kategorie an, die sie differenziert? Wenn nein, dann läge das Eigentümliche jeder Kategorie in einer anderen; wenn ja, dann bliebe das Eigentümliche der Kategorie selbst unerklärt (vgl. 191 — 194). Die Entwicklungsdynamik der Kategorien in der WdL und deren selbstbezügliche Natur deuten, so HALFERS Interpretation, Hegels Lösung dieses Problems an (vgl. 196—198). Die seinslogischen Kategorien gingen in andere, ihre Wahrheit aufhebende Kategorien über; somit sei ihre Differenzierung Umwand-

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lung (vgl. 198—199). Die Anerkennung, daß Umwandlung der Kategorie selbst immanent sei, sei typisch für die Wesenslogik, da mittels Gegensätzen ,die Differenz in die von ihr differenzierte Kategorie als deren Wesen einbezogen' werde (200). Dagegen betrachtet HALFER die gegensatzlose Selbstbeziehung der Kategorien der Begriffslogrk als ihre eigene Differenz; es sei das Absolute, das allein sich durch sich selbst differenziere (vgl. 200—201). Obwohl lange Strecken der WdL unbesprochen bleiben, bietet der Band eine gute Einleitung in die ,Logik' Hegels besonders im Hinblick auf die dialektische Methode des Werkes und auf Stellung zur vorhergehenden Metaphysik; darüber hinaus enthält er anregende Analysen der Anfangsproblematik und bestimmter Aspekte der Wesenslogik. Allein die Begriffslogik wird eher pauschal behandelt. Leider beeinträchtigen zahlreiche orthographische Fehler die Lektüre dieses ansonsten lesenswerten Buches. O. F. Summerell (Bochum)

Der „liberale Hegel" — ein Streit ohne Ende D. Losurdo: Hegel, Marx e la tradizione liberale.

Libertä uguaglianza Stato.

Roma: Editori Riuniti 1988. 205 S. }.-C. Pinson: Hegel, le droit et le liberalisme.

Paris: Presses Universitaires de

Frartce 1989. 228 S. Schwer ist es, eine Gemeinsamkeit zwischen diesen zwei Büchern zu finden, wenn nicht im Namen „Hegel" und in den Wörtern „liberale" und „liberalisme", die in den Titeln der zwei Werke Vorkommen. Allein die Annäherung MARX' an Hegel im Titel von LOSURDOS Buch zeigt, daß er eine Übereinstimmung zwischen hegelianischer und marxistischer Tradition in direktem Gegensatz zum Liberalismus sieht. PINSON ist dagegen bestrebt — wobei MARX bei ihm ganz in Vergessenheit gerät — zu zeigen, daß es möghch ist, Hegel in die hberale Tradition einzureihen. Gegensätzlicher könnten also die Interpretationen nicht sein. Und da die zwei Autoren sehr unterschiedliche Wege gehen, um ihre Thesen zu belegen, ist es angebracht, diese getrennt zu analysieren.

I. Während PINSON seine Arbeit mit einer neuen Interpretation eines Problems der Logik beginnt, geht LOSURDO von einer genauen Auseinandersetzung mit zwei Aspekten aus, über die man in den letzten Jahren sehr viel geschrieben hat, obwohl PINSON sie ganz und gar ignoriert: die angebliche Rolle der Zensur in der

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Veröffentlichung der Grundlinien und, daran geknüpft, die Beziehung zwischen diesem Text und den Vorlesungen zum selben Thema. Das Problem der Zensur hat durch die Untersuchungen von JACQUES D'HONDT und KARL-HEINZ ILTING neuerlich Interesse erlangt. Die im wesentlichen von beiden geteilte Meinung ist, daß Hegel von der politischen Situation dazu gezwungen wurde, häufig eine List zu gebrauchen, Vorsichtsmaßnahmen anzuwenden und nicht zuletzt das eigene Denken selbst zu zensieren. Diese These bewirkte, wie bekannt, eine lange Auseinandersetzung. Ich muß meinerseits gestehen, daß es mir unbegreiflich bleibt, warum sie so große Entrüstung auslöste. Alle autoritären Regierungen erhalten Gehorsam von ihren Untertanen zum hohen Preis einer allgemeinen Unaufrichtigkeit. Wenn der Schreibende in einer Situation massiver Unterdrückung lebt, kann man nicht davon ausgehen, daß er alles und auch nur das, was er denkt, sagt. Es ist dagegen gut verständlich, daß er gerade über das Wichtigste stillschweigend hinweggeht oder es im Text verborgen läßt. Es scheint mir außer Frage zu stehen, daß Hegel sich in einer solchen Situation befunden hat. Auf jeden Fall ist es überflüssig, dies hier zu wiederholen, da LOSURDO diese These teilt. Er führt aber im Versuch, sich insbesondere von ILTING zu unterscheiden, einige Interpretationsvarianten ein, die diese These in mancher Hinsicht schwächen. Zunächst unterscheidet er allgemein zwischen „Selbstzensur" und „Zweideutigkeit". Im ersten Fall „verleugnet der Autor seine eigenen Überzeugungen nicht, sondern er beschränkt sich darauf sie in einer unklaren und verworrenen Form zu äußern." Im zweiten gibt der Autor Erklärungen ab, „die nicht im geringsten mit seinem Denken übereinstimmen" (14). Gehörte Hegel zur ersten Kategorie — wie LOSURDO meint —, so würde eine Entzifferung eines mehr oder weniger unklaren Textes ausreichen. Wenn Hegel aber zur zweiten Kategorie gehören sollte (was nach LOSURDO ILTINGS Meinung ist), dann müßte man das authentische Material von dem gefälschten unterscheiden. Diese Differenzierung finde ich ziemlich künstlich: kann die Selbstzensur nicht so weit gehen, daß der Autor zur Umgehung der Zensurkontrolle und zur Verwirrung des Zensors seinem Denken entgegengesetzte Dinge behauptet? Und warum sollte andererseits die „Zweideutigkeit" notgedrungen die Aufgabe der innersten Überzeugungen des Autors mit sich führen, wie es dagegen aus LOSURDOS Argumentation hervorzugehen scheint? Man kann wohl keine genaue Grenze zwischen dem Punkt beschreiben, an dem die Selbstzensur endet, und dem, an dem die Zweideutigkeit anfängt. Deswegen verursacht die obengenannte Unterscheidung nur unnötige Verwirrung. Entweder akzeptiert man bis zum Äußersten die Vorstellung, Hegel sei von der politischen Situation zur Verschleierung seines politischen Denkens gezwungen worden (mit all den Folgen, die dies mit sich führt), oder man akzeptiert sie nicht. Einmal angenommen, Hegel hätte sein politisches Denken entstellt, so bleibt noch zu entscheiden, ob dies auch eine Relevanz auf theoretischem Niveau haben kann. Das Problem ist also, ob diese „Zugeständnisse" das Begriffssystem beeinflussen oder es sich um eine praktisch motivierte, dem theoretischen Erar-

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beitungsprozeß nicht innewohnende Anpassung handelt. In diesem Zusammenhang führt LOSURDO eine neue Unterscheidung ein, nämlich die zwischen „sprachlicher Selbstzensur" und „theoretischem Kompromiß", die man — im Gegensatz zur ersten — übernehmen kann. Mit dem ersten Ausdruck bezeichnet er einen „bewußten Kunstgriff, der nur die äußere FormuHerung des Gedankens betrifft", mit dem zweiten dagegen etwas, das „dem Erarbeitungsprozeß inhärent" ist (18). LOSURDO folgert zu Recht, daß Hegel zur ersten Kategorie gehören müßte. Weniger Recht hat er, wenn er ILTING ZU den Autoren rechnet, die Hegel unter der zweiten Kategorie geführt hätten. Nach LOSURDO ist auch ILTING nicht im Stande gewesen, das Problem der politischen Anpassung Hegels vom theoretischen Erarbeitungsprozeß zu unterscheiden. In den verschiedenen Schriften ILTINGS sind zwar einige unterschiedliche Akzentuierungen aufzuweisen, aber seine Grundeinstellung ist eindeutig. Für ihn war das Problem der politischen Anpassung ein rein politisches Problem, das aus einer besonderen politischen Lage entsprang und die philosophische Anschauung Hegels nicht berührte. Deshalb sehe ich es als eine Verzerrung seines Denkens, aus seiner These einer politischen Anpassung den Schluß zu ziehen, Hegel hätte mit den Grundlinien seine Grundauffassung aufgegeben. Das für ILTING wichtige Problem war nicht die Frage, ob die Grundlinien im wesentlichen inauthentisch sind, wie LOSURDO (und mit ihm viele andere Kritiker ILTINGS) behauptet (vgl. 21), sondern vielmehr die Erkenntnis, daß man sich nicht mehr ausschließlich auf den von Hegel veröffentlichfen Text stützen konnte, um eine Bewertung seiner politischen Ideen vorzunehmen. Wegen der Tatsache, daß dieses Werk eine selbstzensierte Version seines politischen Denkens darstellte, sollten in dieser Hinsicht seine Vorlesungen als eine verläßlichere Quelle zur Kenntnis dieses Denkens angesehen werden. In der zweiten von LOSURDO angeschnittenen Trage, nämlich derjenigen der Beziehung zwischen dem publizierten Text und den Vorlesungen liegt gerade der zentrale Punkt der Auseinandersetzung zwischen ihm und ILTING. Auch wenn man voraussetzt, eine gewisse Anpassung hätte stattfinden können, isf nämlich LOSURDO nichf bereif, die von ILTING verfrefene Meinung zu feilen; dies hätte eine Veränderung in Hegels politischer Stellungnahme bedingt. Aus diesem Grund bewegt er sich weiterhin im Rahmen der traditionellen Interpretation, die — im Gegensatz zu ILTING — die Notwendigkeit einer „einheitlichen Deutung" betont (47) und also die Vorlesungen nicht dem publizierten Text gegenüberstellt. Hatte ILTING sich bemüht, einige grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem Buch und den Vorlesungen hervorzuheben, so bekräftigt LOSURDO noch einmal die These ihrer wesentlichen Übereinstimmung. Untersucht werden die zwei Aspekte, die im Mittelpunkt von ILTINGS Interpretation stehen; das Wort von der Vernünftigkeit der Wirklichkeit und die Rolle der fürstlichen Gewalt (55—63). In beiden Lällen würden nach LOSURDO Vorlesungen und gedruckter Text keine alternativen, sondern grundsätzlich ergänzende Lesarten bieten. Zum zweiten Punkt sei hier nur folgendes angemerkt; Wenn LOSURDO zu der These neigt, Hegel hätte der fürstlichen Gewalt immer eine „bedeutende

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Relevanz" beigemessen (56), dann ist es relativ einfach, dies einzig mit taktischen Gründen der Art: „die gesetzgebenden Versammlungen waren reaktionär, die Fürsten dagegen progressiv" zu erklären. Freilich erleben wir in Frankreich zur Zeit der Chambre introuvable eine paradoxe Umkehrung der Anschauungen zwischen Ultras und Liberalen (die von der Tatsache bedingt war, daß damals die Reaktionäre in der Kammer die Mehrheit bildeten), aber Hegel war weder CONSTANT noch GUIZOT. Die philosophische Reflexion konnte auch weit über die von den französischen Liberalen, nicht ohne Kompromisse verfolgten politischen Strategien hinausgehen. Und so hat es sich tatsächlich verhalten. Hegel sagt in seinen Vorlesungen auch, wohin jene ganze Strategie führen wird, nämlich zur Neutralisierung der politischen Rolle des Fürsten, und läßt das, was die Grundregeln des parlamentarischen Spiels sein werden, ans Tageslicht kommen. Sollte sich diese Interpretation als begründet erweisen, dann wird man nur schwer zu dem Schluß kommen können, daß aus den Vorlesungen und aus dem gedruckten Text keine entgegengesetzten politischen Richtungen herauszulesen sind. Aber darauf werde ich später eingehen. Hinsichtlich des Diktums von der Vernünftigkeit der Wirklichkeit richtet LOSURDO besonders harte Worte gegen ILTING (vgl. z. B. 49). Es besteht kein Zweifel darüber, daß, falls wir Hegels These einer reinen theoretischen Interpretation unterziehen, d. h. ihre Bedeutung entpolitisieren, sie so revolutionär erscheinen mag, daß sie von MARX, LENIN oder GRAMSCI als paradigmatisch angenommen werden konnte. Von diesem Gesichtspunkt aus bedeutet nämlich jene These nichts anderes, als daß es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Vernunft und Wirklichkeit gibt. Aber ILTING lag nicht so sehr daran, die theoretische Bedeutung jenes Satzes festzustellen, sondern seine politische Anwendung zu verdeutlichen. Und in dieser Hinsicht scheint es unleugbar, daß in der gedruckten Fassung Folgen einer bestimmten Art und in den Vorlesungen Folgen gerade entgegengesetzter Art impliziert sind. Ich möchte hier keinen nochmaligen Übersichtsvergleich Vorbringen, sondern mich darauf beschränken, die Mängel des Vergleichs von LOSURDO hervorzuheben. Diese bestehen nicht so sehr in den teilweise ungenauen bibliographischen Angaben. LOSURDO (47 f) trennt den ersten Teil des Satzes von dem zweiten, und der Übersichtsvergleich läßt somit den tatsächlich wichtigsten Beleg nicht hervortreten: jenes Diktum, in seiner vollständigen Form und in der Version der gedruckten Fassung (Rph. Vorrede), findet man nur (leicht verändert) in der gleich darauffolgenden, noch unveröffentlichten Vorlesung wieder, während es in den späteren Vorlesungen nicht mehr in dem ursprünglichen Kontext der Vorrede vorkommt. In der Vorrede kommt es nur in der vom Tod 1831 unterbrochenen Vorlesung vor (aber dort ist nur der zweite Teil des Satzes zu finden). Diese kurzen Vergleiche sollten zumindest über eins nachdenken lassen: jenes Diktum hat unbestreitbare Schwankungen erlitten, wurde einmal in einem Kontext und einmal in einem anderen aufgenommen und ist auf jeden Fall nicht immer in seiner vollständigen Form wiedergegeben worden. Abgesehen von einigen Hervorhebungen, scheinen mir jedoch die Vorlesungen in einem Punkt zu-

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sammenzulaufen: die Verwirklichung des Vernünftigen wird nie als eine bereits erworbene Tatsache, sondern als ein Prozeß angesehen, der in der Gegenwart begonnen ist und nur in der Zukunft vollendet sein wird. Die Verwirklichung des Vernünftigen ist also ein noch offener Prozeß, während in der Version der gedruckten Fassung er schon als abgeschlossen scheint. Hier nimmt man als schon vollendet das an, was dort dagegen noch zu verwirkhchen bleibt. Es schwindet also jene Diskrepanz zwischen Vernunft und Wirkhchkeit, die der Notwendigkeit einer Veränderung zugrunde liegt. Die im veröffenthchten Text vorhandene Übereinstimmung von Vernunft und Wirkhchkeit entzog der politischen Philosophie die Möghchkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bestehenden und diente dagegen vortrefflich zu einer philosophischen Würdigung der vorhandenen Verhältnisse. Dies heißt jedoch nicht, daß jene Losung unter einem methodologischen Gesichtspunkt nicht auch revolutionär sein konnte, wie LOSURDO betont. ILTING dachte jedoch nicht an diesen Gesichtspunkt, als er die unterschiedhche pohtische Anwendung hervorhob, die im veröffentlichten Text und in den Vorlesungen aufweisbar ist. Man sollte darauf achten, seinen Standpunkt rucht zu mißdeuten und daher nicht zum Schluß kommen, seine Hervorhebung des Wertes der Vorlesungen würde eine Herabwürdigung des gedruckten Textes mit sich führen. Die Relativierung jenes Textes hinsichtlich der Vorlesungen betrifft ausschließlich den politischen Gesichtspunkt des Werkes. Für ILTING besteht kein Zweifel darüber, daß, wenn man das Werk in systematischer Hinsicht betrachtet, vom veröffentlichten Text ausgegangen werden soll. Hier hat sich Hegel nämlich am meisten bemüht, diesen Teil in das komplizierte Gerüst des Systems einzubauen; aus dieser Tatsache lassen sich unter anderem die ständigen Verweise auf die Kategorien der Logik erklären. Dies ist aber nicht der Punkt. Einmal angenommen, daß die logisch-systematische Struktur im Wesentlichen unverändert bleibt und daß sie im veröffentlichten Text am genauesten dargestellt wird, hat man über die eigentlichen politischen Aspekte des Werkes noch nichts ausgesagt. Ohne Zweifel bleibt das System auch ohne das Prinzip der politischen Verantwortung der Minister oder mit einem politisch dominanten Monarchen unversehrt, aber vom politischen Gesichtspunkt aus sind das Vorhandensein jenes Prinzips oder sein Fehlen, die Tatsache, ob der Fürst nur „den Punkt auf das i setzt" oder in jeder Hinsicht regiert, Unterschiede, die nicht auf einfache Akzentverschiebungen zurückzuführen sind. Bis jetzt war LOSURDOS Kritik vor allem gegen ILTINGS Interpretation der Beziehung zwischen dem von Hegel veröffentlichten Text und seinen Vorlesungen gerichtet, in den folgenden Kapiteln wird auf den Vergleich Hegels mit der liberalen Tradition eingegangen. Er zielt noch einmal auf KARL-HEINZ ILTING und dann auf NORBERTO BOBBIO ab. Das Leitmotiv dieses Teils des Buchs ist leicht erkennbar: Hegel war gewiß weit entfernt von der liberalen Tradition, was aber noch lange nicht heißt, daß er politisch konservativ gewesen wäre, wie BOBBIO daraus gefolgert hat. Der Bruch mit der liberalen Tradition nähert im Gegenteil Hegel der sozialistischen Tradition an. Dies ist aber die Schlußfolgerung des gesamten Bu-

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ches. Um zu ihr zu gelangen, bemüht sich LOSURDO zunächst zu zeigen, daß Hegels Antiliberalismus nicht unbedingt eine Einordnung unter die konservativen Denker mit sich führt. Dies begründet er, indem er von Hegels Kritik der Vertragslehre ausgeht. Er kehrt den traditionellen Ansatz um, der in dieser Kritik die Bestätigung fand, daß Hegel sich außerhalb der liberalen Tradition stellte (BOBBIO) oder seinen liberalen Prinzipien untreu wurde (ILTING), und versucht zu zeigen, daß diese Kritik sogar fortschrittlicher als die liberale Vertragslehre ist. Hegel kritisiert nämlich die Ideologie des Gesellschaftsvertrags, weil er auf die für das Feudalsystem typische Verwirrung von privatem und öffentlichem Recht zielt, gegen die sich die gesamte zur Entstehung des modernen Staates führende geschichtliche Entwicklung richtet. Ergebnis dieser Entwicklung wird eben die Vorherrschaft des öffentlichen Rechts über das private Recht sein und folglich die Herabsetzung des Vertrags (als typische Institution des privaten Rechts) zu einer untergeordneten Nebenkategorie. LOSURDO hebt mit Recht diesen Aspekt hervor, den allerdings — entgegen seinen Behauptungen — sowohl BOBBIO wie auch ILTING klar vor Augen haben. Diesen Autoren stellte sich aber ein weiteres Problem. Unbestreitbar wurde die Vertragslehre (von HOBBES bis KANT) zur Erklärung und Rechtfertigung der Entstehung des modernen Staates verwendet. Der Staat wurde nämlich nicht mehr als ursprüngliche Fortsetzung der natürlichen Gesellschaft aufgefaßt, sondern als Ergebnis einer Willenserklärung von atomistisch betrachteten Individuen. Hegel hielt wahrlich eine solche Rechtfertigung für theoretisch unangemessen, aber man kann sie nicht einfach abhandeln — wie LOSURDO es macht —, indem man behauptet, sie sei „letztendlich das Spiel der Reaktion" gewesen (74). Die traditionelle (an sich gewiß anfechtbare) Gleichung „Vertragslehre = Liberalismus" ersetzt LOSURDO durch eine andere Gleichung, „Vertragslehre = Ideologie der feudalen Reaktion", die noch irreführender ist. Bei der Bemühung, den fortschrittlichen Charakter von Hegels Kritik zu unterstreichen, rückt LOSURDO die Vertragslehre in ein falsches Licht. Obwohl es zwischen Vertragslehre und Liberalismus keine vollkommene Übereinstimmung gibt, ist es unbestreitbar, daß beide Begriffe oft gekoppelt wurden und immer noch gekoppelt werden. So ist es zu Hegels Zeiten im Falle von BENJAMIN CONSTANT gewesen, so ist es heutzutage im Falle des vielleicht bekanntesten Vertreter der gegenwärtigen Vertragslehre; JOHN RAWLS. Zweifelsohne war Hegel hierüber anderer Meinung. Er hat immer die Vertragslehre abgelehnt. Also hätte man daraus einfach schließen sollen, daß Hegels Standpunkt sich in dieser Hinsicht vom Liberalismus unterschied (der zumindest in CONSTANTS Darstellung noch im Sinne der Vertragslehre aufgefaßt wurde). Das noch zu lösende Problem bleibt daher Hegels Beziehung zu einer Tradition, die er jedenfalls hinsichtlich einiger Elemente ablehnt. Diesem Punkt sind die folgenden Kapitel gewidmet, die den klaren Gegensatz Hegels zur liberalen Tradition zeigen möchten. Auch angenommen, BOBBIOS Alternative („liberaler oder konservativer Hegel?") sei falsch, da ,liberal' und ,konservativ' nicht abstrakt als das genaue Gegenteil betrachtet werden dürfen, bleibt die Tatsache, daß zur Zeit Hegels ,liberal'

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unbestreitbar Synonym für ,revolutionär' war. Gerade dies wird aber von LOSURDO hartnäckig übersehen, so daß zum Schluß jene Kategorien, die in abstrakter Weise gegensätzlich erschienen, nun in genauso abstrakter Weise übereinstimmen; War für BOBBIO der Liberalismus dem Konservativismus entgegengesetzt, so sind diese für LOSURDO dagegen ein und dasselbe. Und dies gibt ihm die Anregung zu einer Invektive gegen den Liberalismus, die seine These eines ganz und gar nicht liberalen und eben deswegen fortschrittlichen Hegels bestätigen soll. Die Hegelsche-MARXsche Tradition und die liberale Tradition werden also frontal gegenübergestellt. Es ist bezeichnend, daß LOSURDO die Untersuchung mit dem Versuch fortsetzt, den deutlichen Widerspruch zwischen Hegel und dem liberalen Denken in der Auffassung der Geschichte und der Revolution zu zeigen (Kap. V) und mit einem Kapitel (VI) über jene soziale Frage endet, die — der liberalen Tradition fremd — doch schon bei Hegel vorhanden ist und später bei MARX im Mittelpunkt stehen wird. Diese Kapitel sollen hier nicht im einzelnen besprochen werden. Bemerkt sei nur, daß gerade die Auffassung der Geschichte und der Revolution LOSURDOS Interpretation eigentlich entschieden dementiert. Vergleicht man zum Beispiel Hegel mit CoNSTANT, so findet man bei ihm CONSTANTS Revolutionstheorie, nach welcher die Ursachen einer Revolution im Bruch zwischen Institutionen und Ideen liegen, als Paradigma unverändert wieder. Das Hegelsche Prinzip der notwendigen Anpassung der Institutionen an den Geist eines Volkes (vgl. Rph I § 146) ist nichts anderes als die idealistische Darstellung vom Prinzip CONSTANTS der Übereinstimmung von Institutionen und Ideen. Obwohl das, was bei der Revolution den Stein ins Rollen bringt, die verfehlte Anpassung der Institutionen an die Ideen ist, so findet doch die Revolution eine bessere Rechtfertigung im Rahmen einer Geschichtsphilosophie, die die geschichtliche Entwicklung als fortlaufende Verwirklichung der Vernunft ansieht. Für CONSTANT wie für Hegel wird das Vernünftige mit der Revolution wirklich. LOSURDO übersieht in seinem Bestreben, Hegel der liberalen Tradition radikal gegenüberzustellen, einige unleugbare Ähnlichkeiten, indem er Hegel wiederum in MARX' Nähe rückt. Erkenne ich einerseits eine Aufwertung von MARX an, der heutzutage zu schnell beiseite gedrängt wird, so billige ich andererseits seinen Versuch nicht, die liberale Tradition ebenso schnell beiseite zu drängen. LOSURDO ersetzt die Alternative BOBBIOS (liberal versus konservativ) durch eine andere: Hegelsche-MARXsche versus liberale Tradition, die ebenso irreführend ist. Alternativen dieser Art sind immer gefährlich. Sie setzen eine genaue Grenzlinie zwischen homogenen, deutlich entgegengesetzten Blöcken. Daraus ergibt sich ein in seinen engen Grenzen beschränkter Liberalismus und ein antiliberal aussehender, gefährlich autoritärer Sozialismus. Tatsache ist, daß es weder eine einzige liberale Tradition gibt noch eine einzige sozialistische Tradition. Für LOSURDO sind jedoch die zwei Blöcke vollkommen isolierbar und entgegengesetzt, und so vertuscht er schließlich einige der Zusammenhänge beider Traditionen und zugleich die unleugbaren Unterschiede, die innerhalb derselben bestehen. Hegel und MARX werden in der Verherrlichung der politischen Gemeinschaft, der Gemeinschaft der citoyens vereint und dem

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bourgeois, als Inbegriff der Privatisierung von Freiheit, gegenübergestellt. Der Kern der Meinungsverschiedenheit liegt also in der dem Staat zugeteilten Rolle: von der liberalen Tradition stark reduziert, von der Hegelschen-MARXschen Tradition dagegen emphatisch erweitert (siehe beispielhaft 106). Schon hier scheitert der Versuch, MARX an Hegel zu binden. Gerade in der Verherrlichung des Staates kann man ein Unterscheidungsmerkmal sehen. Das Ziel der ganzen theoretischen Erarbeitung MARX' (von den Jugendschriften bis zur Kritik des Gothaer Programms) ist die Abschaffung des Staates und nicht seine sittliche Verherrlichung. Die Tatsache, daß der reale Soziahsmus dann zu vollkommen verschiedenen Ergebnissen gekommen ist, kann als eine Ironie des Schicksals betrachtet werden. Trotzdem strebte das kommunistische Programm von MARX nach der Negation der Existenz des Staates. Es ist aber nicht angebracht, sich hier weiter bei MARX aufzuhalten. Tatsache bleibt, daß nach LOSURDO Hegel nicht liberal ist, da er dem Staat die Aufgabe erteilt, im gesellschafthchen Bereich einzugreifen (siehe z. B. 106). Es besteht kein Zweifel, daß Hegel gegen einen Markthberalismus ist. Aber man soll nicht vergessen, daß bei Hegel die bürgerliche Gesellschaft einem möglichen staatlichen Eingriff wohl ausgesetzt ist, von dem Staat jedoch nicht absorbiert werden darf. Der Staat beruht auf der Anerkennung des Prinzips der individuellen Freiheit und nicht auf deren Abschaffung. Auch der staatliche Eingriff ist nicht gegen jenes Prinzip gedacht, sondern zielt auf dessen Verwirklichung. Aus diesem Grund kann, obwohl es nach Hegel unmöglich ist, eine feste Abgrenzung von Einflußbereichen zu ziehen, die staatliche Interventionsgewalt nicht unbegrenzt sein. Hegel ist sowohl gegen das Konzept eines laissez faire als auch gegen die Auffassung einer totalen Überwachung von seiten des Staates. Beide Lösungen erscheinen als unannehmbar: die erste, weil sie den Einzelnen seinem Schicksal überläßt; die zweite, weil sie ihm seine Freiheit entzieht. Hegels Lösung steht in der Mitte: sie geht durch die Versöhnung der privaten mit der öffentlichen Freiheit und nicht durch die Streichung der ersteren. Der Staat soll nicht einfach die sozialen Widersprüche von oben her lenken, da dies im Widerspruch zum modernen Prinzip der Subjektivität stehen würde. Andererseits kann die Gesellschaft auch nicht sich selbst überlassen werden. Aus der Aufhebung dieser beiden Auffassungen entspringt die Hegelsche Idee eines Staates, der — ohne die Unabhängigkeit der bürgerlichen Gesellschaft zu bestreiten — doch legitimiert ist, in sie einzugreifen, wenn die ungeordnete Bewegung der sozialen Kräfte zu große Mißverhältnisse verursacht. Soll aus all diesen Gründen Hegel außerhalb der liberalen Tradition stehen? Wenn man eine sehr begrenzte Definition von Liberalismus verwendet, kann man zu diesem Schluß kommen. Vielleicht sollte man aber gerade diese Definition in Frage stellen und sich von dem Vorurteil eines übermäßig individualistischen Liberalismus befreien. So wird man auch Hegels Stellungnahme hinsichtlich der liberalen Tradition auf eine Weise erklären können, die LOSURDOS Interpretation entgegengesetzt ist. Selbstverständlich kann man Hegel und CONSTANT nicht auf eine gleiche Ebene stellen (obwohl einige Verwandtschaften mir unleug-

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bar erscheinen). Es ist eher so, daß CONSTANT sozusagen nicht NOZICK ist und daß der Liberalismus nicht unbedingt dessen Schlußfolgerungen ziehen sollte.

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Die Gegenüberstellung zwischen Hegel und der liberalen Tradition steht auch in der Untersuchung PINSONS im Mittelpunkt. Der Verfasser bewegt sich aber im Vergleich zu LOSURDO in eine diesem genau entgegengesetzte Richtung. Während für LOSURDO Hegels Bruch mit der liberalen Tradition seine Anbindung an MARX ermöglicht, läßt die (zwar problematische) Kontinuität mit der liberalen Tradition PiNSON zeigen, daß die Kritik der Einseitigkeit des Individualismus nicht unbedingt zum Totalitarismus führen muß. Der Ansatz PINSONS scheint also eine wirkungsvolle Alternative zu der Interpretation LOSURDOS darzustellen und sich in jene Studien über den Liberalismus einzureihen, die in der ersten Hälfte der 80er Jahre in Frankreich mit den Werken von FURET, GAUCHET, ROSANVALLON, MANIN, FERRY U. a. wiederbelebt wurde. PINSON liegt aber nicht so sehr der Vergleich Hegels mit der liberalen Tradition in seiner Zeit am Herzen (und eine Forschung dieser Art auf Grund jenes erneuten Interesses für den Liberalismus wäre ja ohne Zweifel wünschenswert gewesen), sondern er fragt sich, ob im komplexen Gerüst des Hegelschen Systems „ein eindeutig liberales Element" (10) zu entdecken ist. Dabei geht er in seiner Untersuchung von der Logik aus. Aus diesem Grund werden alle jene Ereignisse, die Hegel irgendwie den liberalen Strömungen nahe erscheinen ließen, von Anfang an (8) als vollkommen belanglos betrachtet. Aber wie man den Liberalismus auch definieren will, er bleibt doch immer eine politische Lehre, und es ist dann nicht einzusehen, aus welchem Grund er nicht in erster Linie in seiner politischen Dimension untersucht wird und folglich jene die Politik betreffenden Werke Hegels in Betracht gezogen werden. Es ist übrigens kein Zufall, daß sich die Frage des (wahren oder vermutlichen) Liberalismus' Hegels mit der Veröffentlichung der Vorlesungen über die Rechtsphilosophie verschärft hat. Deren Deutung ist also unumgänglich, wenn man das Problem lösen wUl. Diese Tatsache ist LOSURDO bewußt, da er seine Arbeit mit einer Erörterung der Bedeutung der Vorlesungen beginnt. PINSON scheint dagegen ihre Existenz nicht zu kennen. Von den Rechtsphilosophien Hegels kennt er nur eine: die 1820 veröffentlichte. Aber eigentlich steht auch diese nicht im Mittelpunkt seiner Argumentation, da er den Liberalismus Hegels auf die Logik gründen will. Es ist an sich keine Neuheit, daß dieses Werk in einem solchen Licht gelesen wird. Überwiegend Interpreten marxistischer Richtung (wie auch LOSURDO) haben den revolutionären Charakter der Hegelschen Logik hervorgehoben. Aber PINSONS Argumentation ist anders. Er fragt sich nämlich, ob in der Logik ein „doppelter logischer Status des Zufalls" (23) gefunden werden kann. Mit diesem Problem beschäftigt sich der ganze erste Teil des Buches (genau die Hälfte davon), der der Erklärung der Zufallslogik und ihrer Rolle innerhalb der Rechtsphilosophie gewid-

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met ist. Ist es möglich zu zeigen, daß es im Hegelschen System einen Spielraum nicht nur für einen relativen Zufall gibt, der sofort aufgehoben werden soll, sondern auch für einen absoluten Zufall mit einem eigenen Recht, so kann man nach PiNSON dem Hegelschen Liberalismus sogar eine logische Begründung geben. PiNSON meint, daß es in der Hegelschen Logik zwei Arten von Zufall gibt. Die erste ist die bekannte, die sich in der Wesenslogik befindet und nach der der Zufall nur ein relatives, abhängiges Moment ist, das also aufgehoben werden soll: es ist nichts anderes als ein Mittel im Dienste der wesentlichen Zwecke der Notwendigkeit, denen er untergeordnet ist. Philosophisch gesehen ist dies der „spinozistische“ Gesichtspunkt, der nur die Identität der Substanz kennt und dem Zufall keinen autonomen Spielraum zugesteht. PiNSON erkennt diese Auffassung des Zufalls beispielhaft im § 6 der Enzyklopädie dargestellt, in dessen Anmerkung Hegel die von ihm in der Rechtsphilosophie behauptete Übereinstimmung von dem Wirklichen mit dem Vernünftigen zu rechtfertigen versucht. Zu diesem Zweck unterscheidet Hegel das zufällige Dasein von der Wirklichkeit, indem er auf die Kategorien der Wesenslogik verweist. Dies ist aber nur ein Aspekt. Am Ende der Begriffslogik kann man nämlich eine weitere Art von Zufall erkennen. Auf dieser Ebene verliert der Zufall sozusagen seine Zufälligkeitsmerkmale und erlangt ein eigenes Recht auf das Koexistieren mit der vernünftigen Wirklichkeit: „ein solcher autonomer und absoluter . . . Zufall ist von dem der Wesenslogik eigenen zu unterscheiden" (37). Diese zweite Art von Zufall ermöglicht die Aufhebung des „spinozistischen" Gesichtspunkts der Identität, um dem Gesichtspunkt der Differenz Platz einzuräumen, „diesmal aus der Perspektive eines LocKEschen Liberalismus und nicht mehr aus der eines FiCHTEschen Aktivismus interpretiert" (40). Worauf die ganze Argumentation PINSONS abzielt, scheint deutlich zu sein: die erste Art von Zufall hat vom politischen Gesichtspunkt aus gesehen als Folge, daß der individuelle Zufall der staatlichen Notwendigkeit unterordnet wird; die zweite Art kann dagegen — indem sie für den Zufall Selbständigkeit und Absolutheit beansprucht — das Recht des Individuums begründen, in seiner Kontingenz frei und unabhängig von jeder vereinnahmenden „List" der staatlichen Substantialität zu sein (vgl. 10). Und so haben wir einen liberalen Hegel! Diese Doppelheit des Zufalls ermöglicht also die Gründung einer Sphäre von Rechten des Individuums, die vor jedwedem staatlichen Eingriff geschützt ist. Worauf gründet zunächst die Hypothese einer zweiten Art von Zufall in der Logik? Kann PINSON mit einiger Sicherheit in der Wesenslogik die erste Art ausmachen (25—32), so scheint er mir nicht ebenso sicher bei der zweiten Art (33—38). Diese wäre auf der Ebene der Begriffslogik, genauer gesagt an deren Ende zu finden. Bei der Bestimmung dieser zweiten Art gibt aber PINSON eigentlich einen einzigen Anhaltspunkt für seine These im § 244 der Enzyklopädie, der die Logik abschließt und den Übergang zur Natur darstellt. Zu beachten ist, daß in diesem Paragraphen kein einziges Mal der Ausdruck , Zufall' oder ihm verwandte Ausdrücke Vorkommen. PINSON verzerrt den zweiten Teil des Paragraphen, in dem Hegel von der absoluten Freiheit der Idee spricht (wieso sollte sie mit dem absoluten Zufall vergleichbar sein?), die sich dazu entschließt, „sich die Natur frei aus

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sich zu entlassen", und er verschweigt den Inhalt des ersten Teils, in dem die Natur als eine „Idee ... in einseitiger Bestimmung der Unmittelbarkeit gesetzt" dargestellt wird (und die Einseitigkeit ließe wiederum an den relativen Zufall denken). Wenn nun der Versuch, neben einem mit wesentlichen („essentiels") Maßstäben einen mit begrifflichen („conceptuels") Maßstäben interpretierbaren Zufall zu finden nur auf diese Prämisse gründet, dann scheint er mir unvermeidlich zum Scheitern verurteilt. Statt zwei logische Arten des Zufalls von der Unterscheidung zwischen Wesenslogik und Begriffslogik aus zu bestimmen, gibt sich diese Doppelheit schon in der Wesenslogik allein zu erkennen. Freilich hat der Zufall auf dieser Ebene einen relativen Charakter (und es wäre hervorzuheben gewesen, daß gerade seit diesem Werk Hegel ihm eine genaue Stellung im System zuteUt), aber im Grunde genommen ist jede Kategorie der Logik relativ in dem Sinn, daß sie keinen Begriff verabsolutiert, sondern alle Begriffe verflüssigt. Was wiederum nicht bedeutet, daß die einzelnen Momente sich in der Notwendigkeit des Ganzen verflüchtigen. Der Zufall wird zwar im Begriff des Wesens aufgenommen und kommt in der Wirklichkeit als ein erstes Moment vor, das von der Notwendigkeit aufgehoben wird, aber es wäre irrtümlich zu meinen, daß die Zufälligkeit in einem Verfahren verschwinden würde, in dem alles notwendig wird. Es ist vielmehr die Zufälligkeit selbst, die sich in diesem Verfahren als absolut notwendig erweist. Schon auf diesem Wesensniveau erscheinen daher Zufälligkeit und Notwendigkeit als eng verbunden. Nur falls es etwas absolut Zufälliges gibt, ist die Notwendigkeit denkbar. Aber ohne Zweifel — bleibt man im Rahmen der Logik — erscheint die Zufälligkeit (und sie kann nicht anders erscheinen) als ein Moment in der Reihe der Bestimmungen des Gedankens. Nur außerhalb der Logik, wenn man von der Natur zum Geist übergeht, erkennt man, daß sie eine Autonomie hat. Hier „gebührt" nämlich der Zufälligkeit — wie Hegel es ausdrückt (Enz^ § 145 Z) — „ihr Recht". PiNSON unterstreicht die Bedeutung dieses Zusatzes; doch er bestätigt nicht so sehr seine Auffassung einer Doppelung des Zufalls, sondern führt eher zu einer neuen Problemstellung: Nimmt die Dialektik des Zufalls unterschiedliche Merkmale an, je nach dem, ob man sie auf einer logischen Ebene oder in der Natur und im Geist wirkend betrachtet? PiNSON untersucht dann dasjenige, was er „den praktischen Zufall" nennt, und zwar: den Zufall, wie er sich in der Rechtsphilosophie darsfellt. Aus welchem Grund sollte die Bestimmung eines absoluten Zufalls auf dieser Ebene die These eines liberalen Hegels bekräftigen? Man könnte ebenso zu einem anderen Schluß kommen: Da Hegel auf der praktischen Ebene die Unmöglichkeit der Aufhebung dessen, was zufällig ist, erkennt, nimmt er eine wenig aktive Haltung gegenüber der Praxis an und ist somit politisch eher konservativ als liberal. PINSON versucht, sich angesichts dieses möglichen Einwands zu verteidigen, indem er sich bei der Unterscheidung zwischen Naturrecht und positivem Recht aufhält. Es gelingt hier PINSON gut zu zeigen, wie die Zufälligkeit dem Positiv-Werden des Rechts eigen ist {Rph § 3) und wie das Naturrecht unvermeidlich auf Zufälligkeif und Willkür stößt, indem es ins Dasein tritt und Gesetz wird (§§ 211—214). Die Vernunft

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selbst erkennt, daß die Zufälligkeit ihre eigene Sphäre und ihr eigenes Recht hat, und sie müht sich nicht ab, alle Widersprüche abzubauen und zu schlichten. Die Vernunft soll also duldsam sein und wissen, daß eine gewisse Zufälligkeitsgrenze unaufhebbar ist. Das heißt aber nicht, daß Hegel somit das ganze Seiende rechtfertigen will. Er bewegt sich zwischen einer voluntaristischen Haltung, die „alles korrigieren" und einer realistischen Haltung, die „alles rechtfertigen“ möchte (39). Dieser Schluß kann im wesentlichen geteilt werden, obwohl man auf dessen Grundlage sehr schwer den Liberalismus Hegels erklären kann. Nicht so sehr ein Vergleich Hegels mit der liberalen Tradition wird von PINSON gezeigt, sondern eigentlich nur die Originalität der philosophischen Position Hegels im Vergleich mit den zwei Positionen, die entweder im Übermaß (FICHTE) oder bruchstückhaft (SPINOZA) doch eine einseitige Beziehung zur Zufälligkeit hatten. Die Legitimität einer logisch-systematischen Lesart der Rechtsphilosophie sei überhaupt nicht bestritten. Nicht überzeugend ist jedoch PINSONS Anspruch, aus logischen Prämissen Folgen politischer Natur unmittelbar ziehen zu können. Wenn das eigentliche Problem nicht das logisch-systematische Gerüst der Rechtsphilosophie ist, sondern sich die Frage stellt, ob dieses Werk politisch in einem liberalen Sinn charakterisiert werden kann oder nicht, dann wird eine die politischen Beurteilungen und Haltungen privilegierende Interpretation notwendig. Eine Lesart, die sich bei einem Problem rein politischer Natur (dem Liberalismus) aufhält, ist genauso legitim wie eine Lesart, die sich mit der logischen Struktur beschäftigt. Und da es sich um unterschiedliche Interpretationsebenen handelt, gibt es keinen Grund, die eine der anderen unterzuordnen. PINSON möchte dagegen von einer gewissen Interpretation der Logik einige genaue politische Schlußfolgerungen ziehen; So sollte die Erkenntnis eines absoluten Zufalls in der Logik ein Recht der Besonderheit des Subjekts in der Rechtsphilosophie begründen, das unabhängig ist und der sittlichen SubstantiaUtät des Staates nicht untergeordnet werden kann. In Wirklichkeit strebt jedoch die ganze liberale Tradition danach, im Gegenteil zu zeigen, daß jenes Recht sehr wenig „zufällig" und vielmehr das grundlegende Prinzip der Freiheit der Moderne ist. Dies ist ein weiterer Beweis für das Scheitern des Versuchs, die logische Problematik des Zufalls mit der politischen Problemahk der Beziehungen zwischen Individuum und Staat zu verbinden. Diesem Aspekt ist insbesondere der zweite Teil des Buches von PINSON gewidmet. Auf der Grundlage der im ersten Teil erreichten Ergebnisse möchte PINSON eine Parallelität Hegels mit einem Liberalismus LocKEscher Prägung darlegen. Was PINSON am Herzen hegt, ist nicht ein direkter Vergleich Hegels mit LOCKES politischer Philosophie, sondern vielmehr mit „den Zügen einer Tradition", die von LOCKE ausgehend „eine ganze Dimension der Modernität" (105) geprägt hat. Diese Grundzüge verweisen auf drei wesenfliche Probleme. Der Liberalismus schreibt dem Individuum drei Grundrechte zu: das Recht aus dem Staat auszutreten (das Recht auf Auswanderung), das Recht auf eine weitgehende Autonomie innerhalb des Staates (das Recht auf eine eigene private Sphäre, Toleranz) und schließlich das Recht, vor dem Staat geschützt zu werden (Gewaltenteüung, Mög-

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lichkeit der Anwendung des Widerstandsrechts). Würde PINSON das Vorhandensein dieser drei Grundrechte auch bei Hegel beweisen, so wäre seine These eines liberalen Hegels mit guten Gründen bestätigt. PINSON mißlingt dies aber, und so hat man am Ende fast den Eindruck, daß er zu Schlußfolgerungen kommt, die seinem eigenen Konzept widersprechen. Der zweite Teil seines Buches bestätigt nämlich nicht, sondern belastet eher seine These des Vorhandenseins eines klaren liberalen Elementes bei Hegel. Auf der Grundlage der von PINSON benutzten Quellen, kann man nichts anderes folgern, als daß Hegel sich von der liberalen Tradition radikal unterscheidet. Aus dem Zusatz zum § 75 geht nämlich deutlich hervor, daß er z. B. im Unterschied zu LOCKE und KANT kein Recht auf Auswanderung anerkannt hat. Nun sind die Zusätze — wie bekannt — von GANS auf der Grundlage einiger Vorlesungen zusammengestellt worden. Da diese Vorlesungen seit langem veröffentlicht sind (obwohl PINSON es nicht zu wissen scheint), wäre es interessant gewesen, von den Zusätzen von GANS sozusagen zu Hegels Worten zurückzukehren, um Unterschiede in den Akzentuierungen festzustellen oder eventuell die verschiedenen Vorlesungen untereinander zu vergleichen. Ich kann dies an dieser Stelle nicht leisten. Natürlich könnte man auch auf der Grundlage der Vorlesungen zu demselben Schluß PINSONS kommen, aber die Akzentuierungen in den Vorlesungen insgesamt scheinen anders gelagert (vgl. Rph V 266—267). Hier geht es Hegel nämlich nicht so sehr darum, dem Individuum ein Recht auf das Ausscheiden aus dem Staat abzusprechen, sondern in polemischer Auseinandersetzung mit der Vertragslehre festzustellen, daß man nicht willkürlich Mitglied eines Staates werden kann, da man bereits in ihm geboren worden ist. Anstatt sich das Problem des Individuums zu stellen, der sich irgendwann dazu entscheidet, sich vom Staat, in dem er geboren ist, zu trennen, betrachtet Hegel diese Situation nur unter dem Gesichtspunkt des Staates, der jemandem erlauben soll, aus ihm aus- oder in ihn einzutreten. Aber erlaubt der Staat jemandem, aus ihm auszutreten, so heißt es, daß dieser auch ein Recht darauf hatte. PINSON könnte erwidern, daß Hegel nicht zu diesem Schluß kommt, und daß jedenfalls auch in den erwähnten Vorlesungen die ganze Argumentation auf den Staat und nicht auf das Individuum konzentriert ist, was nicht bestritten werden soll. Hegel stellt jedoch in einer anderen Vorlesung gerade diesen Punkt in Frage, indem er behauptet, daß „ein Individuum freiwillig in einen bestimmten Staat tritt" (Rph I § 160). In diesen Vorlesungen beschränkt sich Hegel darauf, die Existenz eines Rechts des Individuums auf die Trennung von seinem Volk zu verleugnen, und setzt diesem die Tatsache gegenüber, daß ein Individuum dagegen doch willkürlich in einen Staat ein- oder aus einem Staat austreten kann, d. h. daß Staatsangehörigkeitsrechte erworben oder verloren werden können. Dies ist zwar nicht die liberale Position von LOCKE und KANT, aber die Hegelschen Vorlesungen bieten die Möglichkeit einer Interpretation, die sich ein wenig von derjenigen PINSONS unterscheidet. Hegel erkennt nach PINSON kein Recht auf Austritt aus dem Staat an. Aber wie verhält er sich gegenüber dem Problem der Freiheitsräume der Individuen inner-

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halb des Staates? Zumindest auf dieser Ebene scheint PINSON Hegel auf die liberale Tradition zurückführen zu wollen, da bei ihm der Staat „trotz allem den Bürgern weite Autonomieräume in seinem Schoß gestattet" (143). Aber auch in dieser Hinsicht sind die Schlußfolgerungen PINSONS anders. Die sich innerhalb der Gesellschaft ausdrückende Zufälligkeit ist nicht absolut, sondern vielmehr relativ: sie soll also aufgehoben, auf die sittliche Substantiahtät zurückgeführt werden. Wo dies nicht gelingt, hängt es mit dem Auftreten eines neuen Subjekts zusammen (des Pöbels), dessen Existenz Hegel wahrnimmt, das er aber nicht auf den Begriff bringen kann. Es ist bedeutungsvoll, daß der Pöbel von der Dialektik der Stände ausgeschlossen bleibt. Für Hegel ist dies auf jeden Fall noch nicht das Hauptproblem, denn dieses besteht vielmehr darin, daß die Gesellschaft insgesamt nicht einfach auf das freie Spiel der wirtschaftlichen Beziehungen hinauslaufen kann. Obwohl er ihr viel Autonomie verleiht, handelt es sich doch immerhin um eine relative Autonomie, und Hegel ist überhaupt nicht bereit zu denken, daß der Staat kein Recht auf einen Eingriff in sie haben könnte. Dies — nach PINSON — „unterscheidet eindeutig Hegel von den Liberalen und den Neuliberalen" (154). Aber nicht genug! Auch die Art, die Beziehung zwischen Politik und Religion, zwischen Staat und Kirche aufzufassen, kann nicht auf eine liberale Ideologie zurückgeführt werden. Sicherlich ist die Hegelsche Anschauung „nicht totalitär" (163), aber sie ist auch nicht rein liberal. Nach der Hervorhebung einiger Unterschiede zwischen der Rechtsphilosophie von 1820 und der Enzyklopädie von 1830 (§ 552 A) hält sich PINSON bei der langen Anmerkung zu § 270 der Rechtsphilosophie auf und kommt sodann zu dem Schluß, daß — trotz des von ihr der Toleranz belassenen Spielraums — sie doch „etwas ganz anderes als die prinzipielle Toleranz, die man bei LOCKE findet" (179) sei. Auch hinsichtlich der Art und Weise, wie die Trennung zwischen Staat und Kirche aufgefaßt wird, scheint also Hegel ziemlich fern von der liberalen Tradition zu liegen. Hiermit wird die Gültigkeit der Hauptthese dieses Kapitels schwerwiegend beeinträchtigt. Im Hinblick auf diese Hauptthese ist folgendes zu bedenken: Wenn man den üblichen Begriff von Liberalismus zugrundelegt, dessen Umrisse leicht im Ausdruck „Freiheit vom Staat" und in seinem Zusatz „Lob des Marktes" erkannt werden können, so bleibt Hegel entschieden außerhalb der liberalen Tradition. Die Frage ist aber, ob auf diese Version des Liberalismus die ganze liberale Tradition zurückgeführt werden kann. In diesem Falle würde man einen beträchtlichen Teil der deutschen Liberalen von der liberalen Tradition ausschließen. Hegel stimmte nämlich in der Hochschätzung des Staates gegenüber der Gesellschaft mit vielen deutschen Liberalen überein. Zu denken ist z. B. an ROBERT VON MOHL. Aber auch wenn man auf das andere Rheinufer wechselt, sind die Hegelschen Positionen von einer gewissen liberalen Tradition nicht so weit entfernt, d. h. von der, die von MONTESQUIEU bis zu TOCQUEVILLE die Aufmerksamkeit auf die Tatsache gelenkt hatte, daß die Macht nicht a priori, sondern a posteriori beschränkt werden kann, indem man den gesellschaftlichen und institutionellen Pluralismus hütet. Von diesem Gesichtspunkt aus wird auch die individuelle Sicherheit selbst nicht dadurch gefe-

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stigt, daß den Individuen ein Raum zugeteilt wird, in den der Staat nicht eingreifen darf, sondern von dem Mächtespiel der gesellschaftlichen Verbände ausgehend, von ihrem Konflikt und ihrem Gleichgewicht. PiNSON bleibt jedoch noch ein Weg, um seine These zu beweisen: er müßte zeigen, wie Hegel zumindest hinsichtlich der Frage der politischen Macht auf die liberale Tradition zurückgeführt werden kann. Und tatsächlich wird dies im letzten Kapitel versucht. Aber das Ergebnis ist leider auch diesmal enttäuschend. Anders konnte es auch nicht sein, da PINSON die Tatsache verkennt, daß es neben dem der Zensur vorgelegten und 1820 veröffentlichten Text auch die Vorlesungen gibt, in denen Hegel sich freier und ohne Druck der Zensur geäußert hatte. PiNSONs Analyse geht von der Rolle aus, die die fürstliche Gewalt gespielt hat, und dann fragt er sich, ob im Rahmen der gesetzgebenden Gewalt ein „demokratischer Moment" auszumachen ist. Es handelt sich hierbei um den schwächsten Teil des ganzen Buches. Bezüglich der fürstlichen Gewalt ist PINSON SO wenig originell, daß er einfach nur Ergebnisse anderer Interpreten wiedergibt. Hinsichtlich der gesetzgebenden Gewalt hätte PINSON die komplizierte Präge der politischen Repräsentation anschneiden sollen. Dagegen berührt er eine Reihe von Themen wie die Demokratie, das allgemeine Wahlrecht, die Rolle der öffentlichen Meinung usw., ohne ein einziges davon angemessen zu behandeln. Eine Analyse dieser einzelnen Aspekte würde hier zuviel Zeit kosten, doch läßt sich allein beim Problem der fürstlichen Gewalt aufzeigen, wie fruchtbar ein Vergleich mit den Vorlesungen gewesen wäre. Es besteht kein Zweifel darüber, daß, wenn man sich allein auf die gedruckte Fassung der Rechtsphilosophie bezieht, man zu dem Schluß kommen kann, Hegel würde der fürsthchen Gewalt eine politisch vorherrschende Rolle zuteüen. Die Sache sieht jedoch anders aus, wenn man zu der Analyse der Vorlesungen übergeht. In den Vorlesungen, insbesondere in der ersten, ist der rein symbolische Charakter der Entscheidung des Monarchen offensichtlich. Der Monarch ist „dieses letzte Orakel" in einer Zeit, die sich darüber bewußt ist, daß man zum Entscheiden keine Orakel mehr braucht {Rph I § 162 A). Seine Macht ist nur noch eine scheinbare, da in Wirklichkeit jetzt die Regierung politisch entscheidet (vgl. § 139). Hegel sieht in seinen Vorlesungen den Monarchen nicht nur als ein Verfassungsorgan (und als nichts anderes sonst), sondern läßt auch diejenigen Regeln erkennen, die die Prinzipien des parlamentarischen Spiels sein werden: ein in Mehrheit und Minderheit geteiltes Parlament und eine von der Mehrheit vertretene Regierung. In jenen Vorlesungen liest man nämhch u. a.: „Es muß daher notwendig eine Opposition innerhalb der Ständeversammlung selbst sein; das Ministerium muß in einer Stände Versammlung die Majorität haben, aber die Opposition muß ebenso notwendig da sein" (Rph I § 156 A). Und falls das Ministerium die Minderheit hat, muß es zurücktreten, da es „sich . . . nur so lange halten kann, als es im allgemeinen die Majorität für sich haf" (ebd.). Handelt es sich hier nicht um den klaren Ausdruck einer eindeutig liberalen politischen Anschauung? Hätte PINSON den Rahmen seiner Analyse auf die Vorlesungen erweitert, so hätte er darin mehrere Bestätigungen für seine These eines liberalen Hegels gefunden.

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Indem er dagegen seine ganze Aufmerksamkeit auf die gedruckte Fassung konzentriert, muß er sie immer wieder in Frage stellen. Kurz und gut: die Einwände, die ich hier gegen LOSURDO und PINSON erhoben habe, sollen nicht die Bedeutung ihrer Arbeiten mindern. In beiden Fällen handelt es sich um Werke, mit denen sich eine Auseinandersetzung durchaus lohnt. Das erste Werk mehr für die zur Diskussion gestellten Fragen als für die von ihm erreichten Ergebnisse, das zweite Werk für das aufgeworfene Problem des Liberalismus', obwohl der Autor dieses letztlich nicht zu lösen vermag. Paolo Becchi (Genova)

Zur Rekonstruktion der praktischen Philosophie. Gedenkschrift für KarlHeinz Ilting. Hrsg, von Karl-Otto Apel in Verb, mit Riccardo Pozzo. Stuttgart: Frommann-Holzboog 1990. 620 S. (Spekulation und Erfahrung. Abt. II, Bd 15.) Den philosophischen Anfängen des hier Geehrten, KARL-HEINZ ILTING, vermochten PLATON und HEIDEGGER die entscheidenden Anstöße zu geben. Später war es CARL SCHMITTS Kritik an PLATON, die die politische Philosophie THOMAS HOBBES' würdigen lehrte: fortan wurde HOBBES' Philosophie zum Prüfstein jeder Rechtsund Staatsphilosophie. Die Auseinandersetzung mit KARL MARX verwies schließlich auf Hegel. Mit diesen Denkern und den mit ihnen angezeigten Positionen hat ILTING selbst einmal seinen Werdegang verbunden. Die produktive Aufnahme ihrer Anstöße ließ ILTING drei Aufgaben ins Zentrum seines philosophischen Arbeitens stellen: Die Analyse und Kommentierung von Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts unter Einbeziehung der Vorlesungen, die systematische Begründung und Darstellung der praktischen Philosophie und die kritische Rekonstruktion der Geschichte der praktischen Philosophie. Diese drei Arbeitsgebiete standen für ILTING im Dienst seines Gesamtanliegens: einer „Rehabilitierung" der praktischen Philosophie den Weg zu bahnen. Die Beiträge der vorliegenden Gedenkschrift orientieren sich an diesem Lebenswerk des zu Ehrenden — ohne allerdings, wie KARL-OTTO APEL in seinem Vorwort betont, auf eine einheitliche Position verpflichtet zu sein. Die Gedenkschrift will weniger das Sprachrohr einer Schule sein, vielmehr beabsichtigen die Autoren mit ihren Arbeiten, ein zu Lebzeiten mit ILTING begonnenes Gespräch fortzuführen. In welcher Weise die einzelnen Beiträge noch an ILTINGS Gesamtanliegen festhalten, eine „Rehabilitierung" der praktischen Philosophie zu leisten, müßte überprüft werden. Die im Titel der Gedenkschrift angekündigte ,Rekonstruktion' verweist eher auf einen in dieser Hinsicht zurückgenommenen Anspruch. Mit der Edition von sämtlichen überlieferten Nachschriften zu Hegels

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rechtsphilosophischen Vorlesungen hat ILTING nicht nur ein Mammutwerk hinterlassen; die Forschung zu Hegels Rechtsphilosophie und ihrer Wirkungsgeschichte hat er mit seinen Arbeiten darüber hinaus neu zu beleben vermocht. Wird ILTINGS Zuwendung zu Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts vor dem Hintergrund seines Gesamtanliegens betrachtet, so drängt sich die Frage auf, in welchen systematischen Horizont ILTING die Kommentierung der Hegelschen Rechtsphilosophie gestellt wissen wollte. Da weder die Autoren der Festschrift auf ILTINGS Programm im strengen Sinn verpflichtet sind, noch — wie sich zeigen wird — die einzelnen Beiträge ein einheitliches Hegel-Bild geben, das mit ILTINGS Deutung und seinem Programm ungeprüft konform gesetzt werden dürfte, kann diese Frage hier nicht verfolgt werden. Richtungsweisend für das Anliegen ILTINGS wurde die politische Philosophie HOBBES' gerade in ihrem Anliegen, einer idealen Ordnung menschlichen Zusammenlebens Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit zu sichern. Die Wiedergabe eines „Gesprächs über HOBBES", mit dem GAETANO CALABRö die Gedenkschrift eröffnet, stellt noch einmal die für ILTING relevanten Gesichtspunkte des HoBBESSchen Denkens heraus. Wie ist eine ideale Ordnung menschlichen Zusammenlebens zu verwirklichen? Für M. ScHELER und N. HARTMANN ist es der Wert-Begriff, der die praktische Philosophie fundiert — ein Ansatz, der an seiner Ineffektivität scheitert, bleibt die Wertlehre doch gerade im juristischen und politischen Bereich zu weit von Leben und Praxis entfernt. Zwangsläufig führt sie in eine Opposition zur bestehenden Ordnung, wird zu einer „Tyrannei der Werte" (SCHMITT). HOBBES' Insistieren auf eine Übereinkunft über die geltenden Normen wird für ILTING daher zum entscheidenden Moment. Über die letztendlich positiven Werte, die bei der Konstituierung der politischen Körperschaft relevant werden sollen, muß Übereinkunft erzielt werden, wenn eine Ordnung Beständigkeit finden soll. HOBBES hat aber auch das Bedenkliche und Fragwürdige einer auf Konsens ruhenden politischen Verbindung betont. HOBBES' enge Verbindung von Recht und Macht, die den Souverän als Inhaber der Staatsmacht betont, hat im Zweifel, an der Tragfähigkeit der Übereinkunft ihre Wurzel. Trotz dieser Widersprüche bleibt die politische Philosophie HOBBES', SO ILTING, für die praktische Philosophie der Gegenwart unverzichtbar. Die systematische Begründung der praktischen Philosophie und die kritische Rekonstruktion der Geschichte der praktischen Philosophie als die beiden — neben der Analyse der Grundlinien — Hauptanliegen ILTINGS bestimmen auch den Aufbau der Gedenkschrift. Im ersten Teil widmen sich die Beiträge in erster Linie den „Grundfragen der praktischen Philosophie", während historische Gesichtspunkte für die Fragestellungen des zweiten Teils im Vordergrund stehen. Wie eng die Erörterung der Grundfragen der praktischen Philosophie mit einer Interpretation ihrer historischen Positionen verknüpft ist, machen die Beiträge im ersten Teil der Gedenkschrift deutlich: so ist z. B. auch für diesen Gesichtspunkt ein Verzicht auf Hegel kaum möglich. Für HANS-GEORG GADAMER ist das Niveau, auf dem Hegel das „produktive Gespräch" mit ARISTOTELES und PLATON führte, nach wie vor uneingeholt. Hegels „hohe begriffliche ünterscheidungskunst" ist

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im Sinne einer Rekonstruktion jener Schwierigkeiten, die eine angemessene Begriffsbildung des Praktischen begleiten, an der Gegenwart der SoKRAiischen Frage nach dem Guten bei ARISTOTELES zurückzugewinnen. Mit der Realisierung dieses Programms, das die SOKRATische Ausgangsfrage im Rahmen eines ARiSTOTELischen Problemansatzes wiederaufnimmt, würde die Philosophie die ursprüngliche Weite ihrer praktischen Fragestellung wiedergewinnen. Für GADAMER bezieht sich die Aufgabe der praktischen Philosophie auf das Ganze der menschlichen Praxis. Deutlich eingeschränkt wird dagegen GADAMERS Anspruch an die praktische Philosophie in dem Bestreben PAUL LORENZENS, die Ethik als eine normative Wissenschaft zu begründen, hält dieser Ansatz doch bewußt an einem nur begrenzten Sinn der praktischen Fragestellung fest. So ist es auch nicht das Anliegen LORENZENS, jenes produktive Spannungsverhältnis zwischen ARISTOTELES und PLATON wiederzugewinnen, vielmehr wird die Auflösung des PLATONisch-ARiSTOTELischen Gegensatzes in der Geometrie für LORENZEN Vorbild für die Problemlösungsstrategie der praktischen Philosophie in der Gegenwart. Für dieses Programm ist es entscheidend, den Dualismus in der politischen Philosophie KANTS und Hegels in ähnlicher Weise zu überwinden, wie dies die Geometrie für die Gegensätze der Antike leistete. LORENZENS Skizze einer politischen Ethik als Prinzipienlehre rekurriert auf die für die Gegenwartsphilosophie entscheidenden Neuansätze von Sprachkritik, Pragmatik und Post-Traditionalität. Die sprachkritische Beantwortung der Frage „Was ist der Mensch?" verändert, so LORENZEN, auch die Prinzipienlehre der politischen Wissenschaft; denn weder durch das reine Denken noch durch sein Wollen kann der Mensch definiert werden, vielmehr muß mit dem Menschen als redendem Lebewesen begonnen werden. Werden Normen als sprachliche Gebilde aufgefaßt, so erweist sich das Argumentieren über Normen als ein Kernbestand des Politischen. Nach ihrer pragmatischen Wende stellt sich der Philosophie nicht mehr die Aufgabe, das Ganze der Welt zu begreifen: die Wissenschaftstheorie hält vielmehr ausschließlich an dem Anspruch fest, die Wissenschaft als ein Ganzes zu begreifen. Allerdings genügt das technische Können und Wissen nicht, wenn es gilt, in einer dauerhaften politischen Ordnung das Überleben zu sichern. Leitfaden für alles politische Handeln ist die Idee der Gerechtigkeit. Ideen schreiben Normen für unser Handeln vor, während Begriffe lediglich Vorgefundenes beschreiben. Damit diese Idee nicht außerhalb jeder politischen Praxis als bloßes Sollen verbleibt, muß eine dritte Bedingung erfüllt sein: das Stadium des „Posttraditionalismus" muß erreicht sein. „Denn erst in posttraditionalen Zeiten", so LORENZEN, werden „Grundbegriffe und das konstituierende Ziel einer ethischen Politik aus der politischen Praxis begründbar". Ist historisch diese Phase realisiert, kann sich auch eine „politische Ethik als Prinzipienlehre ethischer Politik" (27) etablieren. In diesem Punkt allerdings stößt das Anliegen LORENZENS an die Grenzen der gegenwärtigen Praxis. Es zeigt sich nämlich, daß die gegenwärtige politische Praxis des Argumentierens über Gesetzesänderungen noch keineswegs theoriefähig ist. Diese Bedingung erfüllt sie erst dann, wenn „die Gesetzgebung nicht mehr in traditionellen Formen geschieht" (37). Damit wird die derzeitige Praxis den Anforderungen, die eine

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politische Ethik als Praxis stellt, nicht gerecht. LORENZEN sucht mit seiner politischen Ethik einen „KANxisch interpretierten Hegel", einen „durch Hegel bereicherten Republikanismus" zu etablieren. Muß aber aus Hegelscher Perspektive an LORENZENS politische Ethik nicht der Vorwurf ergehen, diese Position verbleibt bei einem abstrakten Sollen, wie sie — gemäß Hegel — allen Moralitätskonzepten eigen ist? In den Beiträgen von JACQUES D'HONDT und FRANK WERNER VEAUTHIER bilden die französischen Moralisten, HUSSERL und SCHELER den Ausgangspunkt für die Klärung der Möglichkeiten der praktischen Philosophie in der Gegenwart. Der thematische Schwerpunkt der Beiträge in diesem ersten Teil der Gedenkschrift bewegt sich allerdings im Problemfeld jener Konfroverse, die KARL-HEINZ ILTING mit KARL-OTTO APEL ausgetragen hatte; APEL greift in seinem Beitrag selbst noch einmal die Hauptargumente jener Kontroverse um „Faktische Anerkennung oder einsehbar notwendige Anerkennung?" auf. Dem Problemkreis „Rationalität und Normativität" widmet sich HERBERT SCHNäDELBACH; der Kritik von RüDIGER BUBNER an allen Begründungsversuchen der Moral entgegnet der Beitrag von PETER ROHS. Die Möghchkeit von Normenbegründung erörtern kritisch auch die Aufsätze von HANSGEORG HOPPE und WOLFGANG KUHLMANN; die Kontroverse ILTING-APEL problematisieren noch einmal die Beiträge von RICARDO MALIANDI, ADELA CORTINA und LUISA MEYER. Im zweiten Teil der Gedenkschrift spannt sich der thematische Bogen der historischen Analysen von der Frage nach dem Verhältnis von Recht und Geschichte bei GIAMBATTISTA VICO (HöSLE), über den Zusammenhang von Hermeneutik und praktischer Urteilskraft in KANTS Lehre vom „Faktum der Vernunft" (RIEDEL), das Verhältnis von Moral und Geschichte in der Praktischen Philosophie KANTS (BUHA), die Frage nach dem Begriff des Praktischen bei FICHTE (GESA) bis zu spezifischen Problemen der Hegelschen Rechtsphilosophie. Die Aufsätze zu diesen Themenkreisen können hier nur genannt werden, in diesem Zusammenhang muß sich die inhaltliche Darstellung auf die Beiträge zur Hegelschen Philosophie beschränken. Jene Motive, die für ILTINGS Auseinandersetzung mit Hegels Grundlinien und den Vorlesungen zur Rechtsphilosophie bestimmend waren, finden sich auch in den Beiträgen zur Gedenkschrift wieder. Es ist vor allem die Kontroverse um die Deutung der bürgerlichen Gesellschaft sowie um die Frage der pohtischen Verortung Hegels und der Grundlinien — Anpassung an die Zensur im Drucktext seiner Rechtsphilosophie? —, die für die Fragestellung der Interpreten auch hier bestimmend wird. Die Entwicklung des Hegelschen Systems unter besonderer Beachtung der Stellung des Rechts verfolgt der Beitrag von NORBERT BOBBIO. Von einer Marginalie wächst das Recht, so BOBBIOS These, zur totalen und prinzipiellen Kategorie in Hegels System heran. Für die frühen systematischen Versuche ist das Recht noch keine selbständige Kategorie. Vielmehr ist es der Plan Hegels, dem Primat des Rechts, wie er den Naturrechtssystemen eigen ist, eine Konzeption entgegenzusetzen, die das Recht in den Kontext eines Ganzen einbettet. Dabei ist Hegel nicht am abstrakt verstandenen Recht der naturrechtlichen Systeme orientiert, sondern sein Rechtsbegriff geht von dem geschichtlich bestimmten Recht aus.

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wie es sich in der Sitte ausbildet. Keineswegs darf hier, so BOBBIO, lediglich von einer Verdrängung des Rechts gesprochen werden, vielmehr wird es „als einheitliche und einheitsstiftende Kategorie aufgelöst" (483). Bereits die frühen Schriften machen deutlich, wie wenig Hegels Gesichtspunkt auf das Recht beschränkt ist: Ökonomie, Politik und Sittlichkeit werden von Anfang an in die Betrachtung mit einbezogen. Das Werden der endgültigen Systematik vollzieht sich desweiteren in den beiden Jenaer Systementwürfen (1803/04 und 1805/06), in der Nürnberger Philosophischen Propädeutik und der Heidelberger Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften. Das System der Sittlichkeit ordnet das Recht der spontanen unreflektierten Bewegung des Ökonomischen nach, das Recht auf Eigentum manifestiert sich als ein Recht auf Recht, die Person wird in dieser Sphäre zur zentralen Kategorie. Das gegenseitige Anerkennen ist das konstitutive Moment des Privatrechts; von ihm hebt Hegel in der Verfassung Deutschlands die Organisation als das konstitutive Moment des Staatsrechts ab. Nicht dem Privatrecht selbst, sondern jener privatistischen Auffassung des Rechts, die das Privatrecht zur höchsten Kategorie des Systems erhebt, gilt Hegels Absage. In den Nürnberger Kursen nimmt die Systematik die Gestalt der späteren Rechtsphilosophie an; im Unterschied zum KANXischen System der Metaphysik der Sitten steht die Morahtät, statt auf Privat- und Staatsrecht zu folgen, zwischen beiden. Während KANT Legalität und Moralität unterscheidet und das Recht von der Moral trennt, erfolgt bei Hegel der Sprung im Übergang von der Sphäre des Privatlebens (Privatrecht und Moralität) zur Gesellschaft, die das Leben ihrer Mitglieder organisiert und bestimmt. War für Hegels erste Entwürfe die Wirtschaft das Erneuerungs- und Antriebselement der Umgestaltung, so verfallen die Nürnberger Kurse in dieser Hinsicht einer Vereinfachung. Die endgültige Systematik führt dann in der bürgerlichen Gesellschaft auch wieder die Wirtschaft ein. Eine neue Einstellung dem Recht gegenüber macht sich in der Art und Weise bemerklich, wie Hegel die bürgerliche Gesellschaft einführt; diese wird keineswegs als das System der bürgerlichen Ökonomie und deren Klassenverhältnisse aufgefaßt, sondern Hegel will zeigen, wie im bürgerlichen Staat die ökonomische Welt geregelt wird. Die bürgerliche Gesellschaft wird hier nicht als Gesellschafts-, sondern als Staatsform eingeführt. Das Recht der bürgerhchen Gesellschaft regelt die privaten Verhältnisse, erst in der Tätigkeit der öffentlichen Organe verwirklicht sich das abstrakte Privatrecht. Im Unterschied zum sittlich-politischen Staat wirkt die bürgerliche Gesellschaft im wesentlichen rein negativ, sie koordiniert das Wirken ihrer einzelnen Momente. Der sittliche Staat verwirklicht seine positive Aufgabe mittels „Organisation der Teile im Ganzen". Der von Hegel betonte Zusammenhang zwischen Recht und Freiheit realisiert sich auf der Ebene des Staats — als der höchsten Form verwirklichter Freiheit — nur in einer Verfassung. In der Genese des Hegelschen Systems setzt sich für BOBBIO allmählich die Einsicht vom Primat des Rechts vor allen übrigen Momenten durch. Das Recht wird zum vereinigenden Moment aller Teile des Systems, es ist die „allgemeine Form ... in welche die verschiedensten Inhalte gegossen werden" (506). Für BOB-

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zeigt diese Entwicklung — nach der einst so erbitterten Ablehnung des Naturrechtsdenkens — eine „Wiederannäherung an die Grundtendenz der Naturrechtsschule" (506). Die Ideen von 1789 und die mahnende Lehre des Jahres 1792 machen für Hegel in der Phänomenologie des Geistes, so L. W. BECK, den einzig positiven und bleibenden Wert der Französischen Revolution aus. Statt in NAPOLEON den Überbringer des Fortschritts der Revolution für das feudalistische Reich zu begrüßen, „wandte sich Hegel vollständig von der Idee der politischen Freiheit ab und beschäftigte sich mit der moralischen Betrachtung der Welt jenseits der Politik" (507). Diese Entwicklung verdeutlicht sich an der Beurteilung, die KANTS Bestimmung des reinen Willens bzw. ROUSSEAUS „allgemeiner Wille" bei Hegel erfährt. Während Frankreich versucht, dieser Idee „praktische Durchführbarkeit zu verleihen", bleibt sie in Deutschland „ruhige Theorie"; sie wird dort vom Reich der Religion und Philosophie überstiegen. Die absolute Freiheit ist damit aus ihrer sich selbstzerstörenden Wirklichkeit in ein „anderes Land" übergegangen. Für eine adäquate Würdigung der Hegelschen Auffassung der Revolution ist es notwendig zu klären, welche Faktoren für Hegel zwangsläufig zur Revolution führen. BECK zieht in diesem Zusammenhang die Vorlesungen zur Philosophie der Weltgeschichte und die Philosophie des Rechts heran. Für Hegels Philosophie ist neben dem Urteil über die Französische Revolution die Reformation als die „deutsche Revolution" entscheidend geworden. „Hegels Ausführungen über die Reformation sind", so BECK, „phantasiereicher als die über die Revolution". Sie seien zum Teil in der Absicht geschrieben worden, sie dem gegenüberzustellen, was Hegel als ihre Alternative ansah, nämlich die politische Revolution. Die Reformation als die „Revolution" in den Herzen der Menschen schafft in den protestantischen Ländern die wahrhafte Voraussetzung für die Verwirklichung der Freiheit — eine politische Revolution wurde in diesen Ländern überflüssig. Trotz der Realisierung der Freiheit auf der Grundlage der Reformation waren die protestantischen deutschen Staaten auf ihrem Weg zu einer politischen StabUisierung der Freiheit auf die Auswirkungen der Revolution angewiesen. In der Verfassungsschrift macht Hegel für die mangelnde politische Durchsetzungskraft der Reformation die Spaltung der Religion verantwortlich. Für BECK zieht sich diese Argumentationslinie von der Verfassungsschrift bis zu den späten Schriften der zwanziger Jahre, in denen schließlich — so seine These — die religiöse Seite im politischen Denken Hegels vorherrschend wird; angesichts der neuen Unruhen verblaßt die einstige Begeisterung für die Ideen der Revolution „in lutherischer Resignation" (525). Wird BECKS Einschätzung Hegels Verhältnis zu Revolution und Reformation gerecht? Mag Hegel persönlich „die Ruhe" lieben (525), mag er auch, wie BECK annimmt, „kein Held" (524) gewesen sein, so ist von diesen persönlichen Charaktermerkmalen doch Hegels politische Theorie und seine Stellung in der Zeit zu unterscheiden: eine psychologische Deutung greift hier zu kurz. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an die Deutung der Reformation im § 270 der Grundlinien. Gibt es für Hegel Aufgaben, die die Moralität auch bei fortschreitender Ausbreitung des Sittüchen zu übernehmen hat? Mit dieser Fragestellung greift der BIO

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Beitrag von DOMENICO LOSURDO zunächst ein spezifisches Problem der Hegelschen Grundlinien auf; die Analyse bleibt aber nicht auf inferne Analysen beschränkt, vielmehr leitet auch diese Themenstellung in die Auseinandersetzung um den „Konservatismus" und die politische Standortbestimmung Hegels hinüber. Das moralische Gebot ist in der Sphäre des unmittelbaren Wissens angesiedelt; die Schwelle zum Gesetz wird erst dort überschritten, wo die Zufälligkeit der Empfindung der Allgemeinheit des Wissens Platz macht. Obgleich die moderne Welt für Hegel eine fortschreitende Einschränkung der Sphäre der Moralität bewirkt, gibt es für die Ausbreitung des Sittlichen gewisse Grenzen: dort, wo die politischen Institutionen versagen, wo die Sittlichkeit sich nicht durchzusetzen vermag, muß die Moralität eintreten. Für KANT ist dagegen, so DOMENICO LOSURDO, der Fortschritt durch mehr Moralität, durch mehr Wohltätigkeit gegeben. Für KANT stellt sich aber auch die Frage, ob es mit dem Wohl der Welt nicht besser stünde, wenn alle Moralität der Menschen auf die Rechtspflichfen eingeschränkt würde — eine Position, die für LOSURDO „gewissermaßen die Hegelsche Position charakterisiert". KANT vermißt in einem solchen Zustand die „große moralische Zierde der Welt, nämlich die Menschenliebe". Das KANTische Argument wird in der Folge von SCHLEIERMACHER, V. ROTTECK und STAHL aufgegriffen und gegen die Hegelsche Position geltend gemacht. Die Hegelsche Einschränkung der moralischen zugunsten der sittlichen Sphäre bedeutet, so LOSURDO, keine Regression auf jene konventionelle Macht, die von APEL und HABERMAS beim heutigen Neu-ARiSTOTELismus angeprangert wird. Vielmehr stellt sich die Frage, ob Hegel tatsächlich, wovon GADAMER und RITTER ausgehen, in der Tradition des Neu-ARiSTOTELismus steht. LOSURDO sucht diese Frage anhand der Rolle, die die auf Gewohnheit und Brauch beruhenden Gesetze gegenüber den geschriebenen Gesetzen haben, zu entscheiden. Erstere sind für ARISTOTELES die grundlegenden, während Hegel ganz in die Tradition der Naturrechtslehre rückt, wenn das Gesetz ohne geschriebenen Text für ihn seine Allgemeinheit verliert und das Bewußtsein unveräußerlicher Rechte seine Rechtsposition entscheidend prägt. Nicht Hegel, sondern EDMUND BURKE ist der Vertreter jenes ARiSTOTELismus, der den Konservativismus der nachrevolutionären Jahre prägte. In der Betonung der Glückseligkeit als dem allgemeingültigen Ausgangspunkt für die Gesetzgebung sowie in der Ausgrenzung alles Ökonomischen, wie sie dem antiken Politikbegriff nach HANNAH ARENDT eigen ist, findet dieser ARiSTOTELismus seinen Schwerpunkt. „Das Pathos der Allgemeinheit" (541) trennt Hegel darüber hinaus von ARISTOTELES und führt ihn zur Französischen Revolution hin. Hegels Neo-ARiSTOTELismus ist im wesentlichen in der Behauptung des „Primats der Politik" zu suchen, während der neokonservative NBO-ARISTOTELismus sich nur scheinbar auf Hegel berufen kann: „in Wirklichkeit schließt er . . . an BURKE an, den unerbittlichen Gegner der französischen Revolution" (543).

Um die politische Verortung der Position Hegels im Kontext der zeitgenössischen Stellungnahmen geht es auch in dem Beitrag von P. BECCHI, wenn dort nach den Wurzeln der Ethik der Überzeugung gefragt und die unterschiedlichen

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Rezeptionslinien verfolgt werden. Die Debatte zwischen FRIES und Hegel geht auf den Begriff der Überzeugung und die von KANT eingeführte Unterscheidung von „Meinen, Glauben und Wissen" zurück. Während das Meinen sowohl subjektiv als auch objektiv ein unzureichendes Fürwahrhalten kennzeichnet, ist das Wissen ein beiderseits zureichendes Fürwahrhalten, der Glaube aber ist durch ein nur subjektives Fürwahrhalten gekennzeichnet; letzterer ist auf fheoretischem Niveau völlig unzureichend, unfer praktischen Gesichtspunkten ist er aber unverzichtbar. Im Unterschied zu seinen Nachfolgern und Krifikern bindet KANT allerdings die praktische Überzeugung, den Glauben, an die kritische Vernunft zurück. HERDER, JACOBI und FRIES sind die Stationen einer „fortschreitenden Subjektivierung des Begriffs der Überzeugung". Der FRIES-Schüler FOLLEN und seine Anhänger, die „Unbedingten", führen diese Entwicklung fort — die Ermordung KOTZEBUES durch den Studenten SAND vollzieht schließlich den Übergang von der Theorie zur Praxis. PAOLO BECCHI rekonstruiert die Grundzüge dieser Entwicklung; seine Darstellung macht desweiteren die Genese der Gegenposition durchsichtig, die in Anknüpfung und im Rückgang zu KANT von Hegel formuliert wurde. In seiner Analyse konzentriert sich BECCHI in erster Linie auf Hegels Vorrede zu den Grundlinien — jenem „bedauerlichen Beispiel politischer Willfährigkeit" (ILTING), dem BECCHI „philosophische Aussagen größter Relevanz" (572) entnimmt. BECCHI kann sich in seiner Interpretation auf ILTINGS unveröffentlichten Kommentar zu Hegels Rechtsphilosophie stützen, der von ihm zur Veröffentlichung vorbereitet wird. BECCHI fordert, Hegels Kritik an der Überzeugungsethik von seiner Zustimmung zur Restaurationspolitik zu unterscheiden. Hegels Kritik an der Überzeugungsethik erweist sich als problematisch, wenn die Bedeutung der Subjektivität für die Moderne beachtet wird. Zwar sind in diesem Punkt der Hegelschen Philosophie keine Defizite nachzuweisen; die Präge muß aber lauten: welche Kriterien entwickelt Hegel, um die echte Subjektivität von der verabsolutierten zu unterscheiden? Eine Klärung müßte zeigen können, „welche Art und welchen Grad von Objektivität" eine Überzeugung haben muß, damit „sie legitim der gesetzlichen Objektivität zur Seite gestellt werden kann" (579). Hegel erhebt zwar die Spannung zwischen Subjektivität und Sittlichem zum tragenden Moment der Moderne; auf diese enfscheidende Frage bleibt er aber eine Antwort schuldig. In seinen Erläuterungen zur Mitschrift der Hegelschen Rechtsphilosophie-Vorlesung des Wintersemesters 1817/18 verwies KARL-HEINZ ILTING auf die Ambivalenz des Ausdrucks „bürgerliche Gesellschaff" bei Hegel. Die Übersefzungsschwierigkeiten verdeutlichen das Problem: bürgerliche Gesellschaft könne bei Hegel entweder mit „societe bourgeoise" oder aber „societe civile" wiedergegeben werden. RICCARDO POZZO nimmt diesen Hinweis ILTINGS zum Anlaß, in seinem Beitrag die logische Bedeutung und die geschichtliche Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft im Rahmen der Hegelschen Staatskonzeption zu klären. Von Interesse ist die politische Wirkung des Begriffs „bürgerliche Gesellschaft" auf die vor- und nachrevolutionären Ideologien vor allem hinsichtlich der ILTINGschen These, Hegel habe an der Ambivalenz des Begriffs angesichfs des Revolufi-

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onsverdachts, mit dem der Begriff „Bürger" nach den Karlsbader Beschlüssen behaftet war, bewußt festgehalten. Sehr deutlich trennt Hegel in der Vorlesung 1824/25, wie Pozzo anhand der Nachschrift GRIESHEIM zeigt, zwischen Bürger (bourgeois) und Staatsbürger (citoyen). Die Entwicklung, die der freie Wille in der bürgerlichen GeseUschaff durchläuft, entspricht im Logischen der Stufe der Reflexionslogik. In der Wesenslehre treten polare Strukturen auf, deren Versöhnung auf dieser Stufe nicht möglich ist. Logisch bezieht sich die Abgrenzung zwischen bourgeois und citoyen auf folgende Differenzen: der bourgeois steht im Zustand der reinen Notwendigkeit, er behauptet seine Besonderheit, nicht aber seine Freiheit; der citoyen weiß dagegen, daß er frei ist. Historisch erscheint die bürgerliche Gesellschaft als ein Typus des sozialen Zusammenlebens, der sich des Rechts lediglich als Mittel für das Fortbestehen der hier herrschenden Zwecke bedient; diese Form des Zusammenlebens ist vom Staat zu unterscheiden. Damit scheint sich die Richtigkeit der Übersetzung von bürgerlicher Gesellschaft mit „societe bourgeoise", wie ILTING sie vorgeschlagen hat, zu bestätigen. Hegels Stellungnahme im Württembergischen Verfassungsstreit macht die Strukturen der bürgerlichen Gesellschaft sowie ihre historische Verortung deutlich. Bürger (bourgeois) sind die Mitglieder jener Schichten, die seit dem Spätmittelalter Privilegien und Mitsprache in öffenthchen Angelegenheiten besitzen, denen aber der „Sinn des Staates" fehlt. Das „Direkte ihres Zwecks" ist nicht das Fortbestehen des Staates an sich, sondern ausschheßUch „das Private ihres Besitzes" (597). Diesem Partikularismus der Stände stellt Hegel die Forderung „einer ursprünglich substantiellen Einheit" zwischen Regierung und Volk entgegen. Für Pozzo bedeutet dies, daß Hegel die Abschaffung des altständischen Bürgertums und damit die Überwindung der „entpolitisierten" bürgerlichen Gesellschaft fordert. Unabdingbar ist die ümwandlung „jedes Mitgheds des Volkes ... in einen Staatsbürger" (598) — erst mit dieser Umwandlung ist das Niveau des Staates erreicht. Ein Vergleich der Position Pozzos mit derjenigen NORBERT BOBBIOS zeigt, wie kontrovers die Auseinandersetzung um die Deutung der bürgerlichen Gesellschaft noch immer ist: auch die Autoren der Gedenkschrift vertreten durchaus gegensätzliche Standpunkte. Während Pozzo im Anschluß an ILTING die Hegelsche bürgerliche Gesellschaft gleichsetzt mit der MARXschen Beschreibung des Systems der bürgerlichen Ökonomie, deutet die Gegenposition, wie sie von BOBBIO im Anschluß an BöCKENFöRDE vorgetragen wird, die bürgerliche Gesellschaft als eine von zwei „Formen oder Stufen der rechtlichen Gesellschaft" (499). Zwischen beiden Positionen vermittelnd, schlägt BECCHI vor, bürgerliche Gesellschaft mit „societä civUe borghese" zu übersetzen — die Sphäre gleichsam als eine vermittelnde Instanz zwischen den Sphären der Ökonomie und Politik zu verstehen. Die bürgerliche Gesellschaft partizipiert sowohl an Prinzipien aus der Sphäre des rein Ökonomischen (das freie Spiel der Einzelnen) als auch an den durch den Staat geschaffenen Institutionen (Rechtspflege, Polizei). Die Auseinandersetzung um dieses Problem ist keineswegs abgeschlossen. Ihre Solidarität mit der obersten Aufgabe ILTINGS, das philosophische Arbeifen

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in den Dienst einer Erneuerung der praktischen Philosophie zu stellen, erweisen die Beiträge zur Gedenkschrift gerade in diesem fruchtbaren Dissens um die zentralen Fragen der politischen Philosophie. Elisabeth Weisser-Lohmann (Bochum)

Adriaan Theodoor Peperzak: Hegels praktische Philosophie. Ein Kommentar zur enzyklopädischen Darstellung der menschlichen Freiheit und ihrer objektiven Verwirklichung. Stuttgart: Frommann-Holzboog 1991. 372 S. (Spekulation und Erfahrung. Abt. II, Bd 19.) In diesem Buch hat A. T. PEPERZAK eine wichtige, aber überaus komplizierte Aufgabe übernommen, nämlich Hegels praktische Philosophie zu rekonstruieren und zu interpretieren. Als Methode und Verfahren dazu wählte er die Textexegese und den Kommentar aus. Auf Grund dieser Methode wurde es ihm möglich, die Analyse „in medias res" zu beginnen. So besteht kein Zwang, dem Problem der Begriffsbildung, dem „Praktischen" und dessen Entwicklungsgeschichte bei Hegel oder den alten und mannigfaltigen Diskussion darüber zu folgen. Mit Hilfe dieses Verfahrens konnte er die „prinzipiellen" Fragen des Praktischen von der Analyse abtrennen und auf sein vorheriges Buch zurückverweisen (vgl. 16). Gegenüber den prinzipiellen Fragen oder, anders formuliert, den „Metafragen" des Praktischen soll der Schwerpunkt der Analyse anderswo und in anderem liegen. Darüber gibt uns der Verfasser folgende Auskunft: „Es handelt sich auch jetzt nicht so sehr um eine genetische Studie, als vielmehr um eine Einsicht in die Argumentation Hegels ..." (16) Im Gegensatz zur Trennung der Prinzipien und der Argumentation ist es unmöglich, die Fragen des Praktischen bei Hegel nur auf die inhalflich-prinzipielle Fragen entbehrenden Probleme zurückzuführen. Die von PEPERZAK empfohlene Lösung dieses Gegensatzes besteht darin, daß die inhaltlichen Momente und Komponenten des Praktischen von ihm als strukturelle Fragen erörtert werden; die inhaltlichen Züge des Begriffs des Praktischen werden von Hegel strukturell auf gezeigt. Analyse und Kommentar des Praktischen wollen vor allem dessen systematische Stelle umschreiben und umgrenzen. Diese Stelle ist kein leerer Raum, sondern sie hat auch eine Funktion, also auch ein inhaltliches Moment. Ort und Funktion des Praktischen werden vom Verfasser vornehmlich in den drei Fassungen der Enzyklopädie analysier!. Daneben spielen auch die Grundlinien der Philosophie des Rechts eine Rolle, über die er einen selbständigen Kommentar vorbereitet. PEPERZAK faßt sein Ziel wie folgt zusammen: „zum Behuf von Studenfen und Forschern eine klare und möglichst vollständige Auslegung der in der Enzyklopädie

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enthaltenen Theorie des Praktischen zu geben." (15) Zu dieser Auslegung gehört ebenfalls das von ihm entwickelte Verfahren, mit welchem die zu analysierenden Texte, der Vergleich dieser Texte und die an sie geknüpften Kommentare überschaubar gemacht werden. Die ausgewählten Paragraphen der erwähnten Fassungen werden vom Verfasser klar gegliedert und gekennzeichnet. Nach der Erklärung der Gründe, der Struktur und der Methode dieses Buches ist es leicht, die inhaltlichen Züge des Praktischen in der Interpretation von PEPERZAK einzusehen. Dementsprechend spielt auch die Problematik des subjektiven und objektiven Geistes und der Logik bei der Behandlung des Praktischen eine maßgebende Rolle. Was die Logik betrifft, so wird ihre Stelle und Funktion nicht auf globale strukfurelle Aspekte, auf die systematische Frage des Praktischen eingeschränkt. Die Logik fungiert auch und vor allem als Argumentationsbasis des Aufzeigens der Struktur und der Auslegung der einzelnen Teile und Paragraphen. Ferner hat die Logik einen weiteren, ebenfalls zum Praktischen gehörenden Aspekt. PEPERZAK sieht die logischen Strukturen nicht einfach als formelle Elemente an, weil Hegel — so der Verfasser — „diejenigen formellen Elemente des Menschseins thematisiert, welche für sein praktisches Verhalten wesentlich sind" (18). Der Aufbau des Buches wurde von der oben erörterten Konzeption bestimmt und dementsprechend in vier Kapitel eingeteilt. Diese Einteilung bedarf einer erklärenden Bemerkung. PEPERZAK faßt den subjektiven Geist als theoretischen und praktischen auf. So wird auch der praktische subjektive Geist zum selbständigen Gegenstand der Analyse und zur selbständigen Gestalt des Praktischen gemacht, die Hegel in der Psychologie erörtert. Dies macht das erste Kapitel aus. In den nächsten Kapiteln werden das Recht, die Moralität und die Sittlichkeit analysiert. Es ist offensichtlich, daß diese Kapitel der Gliederung des objektiven Geistes folgen. Die Struktur der Untersuchung wurde aber von PEPERZAK eingeschränkt, und zwar so, daß er die Paragraphen über die Familie und die bürgerliche Gesellschaft in der zweiten und dritten Ausgabe der Enzyklopädie ausklammerte, weil er sie — wie oben erwähnt — getrennt mit den Grundlinien kommentieren will. Das Praktische wurde durch den Begriff des Willens bestimmt und bezeichnet. Diese traditionelle Auffassung modifiziert Hegel, indem er den Willen als Selbstbestimmung des freien Willens betrachtet und dem Willensbegriff eine imperative Struktur beimißt. In der ersten Stufe der Bewegung des Willens, in der Psychologie, enfdeckt PEPERZAK eine Sollensstrukfur, eine Moralphilosophie. „Die Hegelsche Entfaltung der Psychologie des Willens ist zu gleicher Zeit die Grundlegung einer Moralphilosophie, — . . . die Analyse der psychologischen Momente [ist] ipso facto und notwendigerweise eine Analyse des ursprünglichen und fundamentalen Sollens ..." (26) Das Sollen stammt aus einer traditionellen Gegenüberstellung von Vernunft und Herz und gehört zum Verstandesdenken. Demgegenüber meint Hegel nach der Interpretation von PEPERZAK: „Die Kennzeichnung des Gefühls als immanent und total zeigt seine Verwandtschaft mit der Vernunft. Beide sind dem Verstand entgegengesetzt ..." (99) Das Resultat der Bewe-

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gung des subjektiven praktischen Geistes besteht nach dieser Auffassung in der Grundlegung einer Moralphilosophie, von welcher auch das praktische Verhalten zu gleicher Zeit thematisiert und fundiert wird. Nur eben in der Psychologie. Im zweiten Kapitel seines Buches erörtert der Verfasser die Fragen des Rechts. In der Heidelberger Enzyklopädie war „Recht" für die erste Stufe der Freiheitsverwirklichung reserviert und synonym mit dem Personalrecht (vgl. 121). Seit den Grundlinien bedeutet Recht das Dasein der Freiheit überhaupt. Zu gleicher Zeit beginnt in diesem Kapitel die Erörterung der Bewegung des objektiven Geistes. PEPERZAK formuliert es so: „Das Wesen des Geistes geht über die Form seiner Subjektivität hinaus, indem er sich in eine objektive Welt der freien Notwendigkeit transformiert." (108) Durch diese Auffassung des objektiven Geistes wird die Trennung der Gebiete der praktischen Philosophie von PEPERZAK abgelehnt. Gegenüber KANT und FICHTE hatte Hegel die Einheit der praktischen Philosophie mit ihren Unterschieden, der Totalität oder dem System aller Strukturen und Inhalte des Sittlichen vorausgesetzt. Der Hegelschen Einteilung folgend, wird die Moralität im nächsten Kapitel untersucht. Sie hat im Vergleich zum subjektiven praktischen Geist einen grundlegenden Mangel. Diese Moralität hat nämlich keinen bedeutenden normativen Inhalt. Für Hegel ist der morahsche Standpunkt in der Moralität nicht relevant. Die Frage, wie man ein guter Mensch wird, hat hier eine „untergeordnete Perspektive". (205) Demgegenüber wird die Handlung als wichtiges Moment des Praktischen in der Moralität thematisiert. Der Wille bestimmt sich hier in der Form einer näheren Bestimmtheit des eigenen Willens, wie der Mensch sie sich selbst gibt (vgl. 197). Die Handlung ist eben der Ausdruck dieser Selbstbestimmung, aber nicht im moralischen, sondern eher im rechtlichen Sinn. So besitzt die Moralität einen anderen Mangel, weil sie als solche „keine Aufmerksamkeit für die gesellschaftlichen und sittlichen Dimensionen des individuellen Handelns" hat (194). Die Notwendigkeit, durch die der Begriff des moralischen Willens und sein äußeres Dasein in der Welt miteinander verknüpft sind, ist das ,Geheimnis' der Sittlichkeit, das im letzten Kapitel erörtert wird. Die Sittlichkeit in ihrer endgültigen Form ist Hegels Philosophie des Sozialen und des Politischen, wo die Inhalte der Pflichten und Tugenden der Einzelmenschen von den Sitten und Institutionen menschlicher Gemeinschaften (Familie, bürgerliche Gesellschaft, Staat) nicht getrennt sind. Im Gegensatz zur Getrenntheit sind die Bestimmtheiten der Einzelnen „eng mit dem guten Leben der Gemeinschaft verbunden" (243). In der Dimension des Sittlichen sind Sollen und Sein zwei Seiten einer einzigen Wirklichkeit, weil „die Norm zur Normalität von sittlichen Verhaltensweisen und Gewohnheiten geworden ist" (245). Das Hauptziel von PEPERZAK wurde erreicht: er hat eine für Forscher und Studenten gleicherweise fruchtbare Auslegung der in der Enzyklopädie enthaltenen Theorie des Praktischen gegeben. Erzsebet Rözsa (Debrecen)

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Giuliano Marini: Liberia soggettiva e libertä oggettiva nella filosoßa del diritto hegeliana. II edizione riveduta a arricchi di altri studi hegeliani. Napoli:

Morano 1990. 256 S. G. W. F. Hegel: Lineamenti di filosoßa del diritto. Diritto naturale e scienza dello stato in compendio. Übersetzt von Giuliano Marini. Bari: Laterza 1987. XXIV, 277 S. Jurist und langjähriger Vertreter der ,Historischen Rechtsschule', konzentriert sich seit Jahren in seinen Forschungen auf den späten Hegel, wie jüngst auch die von ihm vorgelegte Übersetzung der Grundlinien der Philosophie des Rechts ins Italienische bestätigt. Diese Übersetzung ist um so mehr anzuerkennen, als dieses Werk Hegels im italienischen Kulturraum ein eigenartiges Schicksal erfuhr. Im Gegensatz zu Hegels „Idealismus", der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und in der ersten des 20. Jahrhunderts auf Italien einen entscheidenden Einfluß ausübte, waren die Grundlinien trotz der verschiedenen Übersetzungen und zahlreichen Neuauflagen kaum populär. In den letzten Jahrzehnten fanden sie hingegen unter den Hegelforschern große Beachtung, und dies in einer Zeit, in der das Werk für ein breites Publikum nur schwer zugänglich war infolge der letzten, von FRANCESCO MESSINEO 1912 herausgegebenen Übersetzung, die in vielen Punkten fragwürdig und als Ganzes unklar erscheint. Die theoretische Grundorientierung und die daraus entspringenden methodologischen Kriterien gehen aus dem Vorwort des Übersetzers eindeutig hervor. Es ist in erster Linie MARINIS systemphilosophisches Interesse, das seine Ausführungen leitet; MARINI macht sich sozusagen das in der Lehre Hegels dominierende ,Systemdenken' zu eigen. Neben dem Systembegriff untersucht das Vorwort vor allem die zwingende Kraft des Systems, wobei MARINI nachdrücklich auf die Entsprechungen und Übereinstimmungen der in der Wissenschafl der Logik und in der Enzyklopädie dargelegten theoretischen Grundstruktur und des spezifischen Inhalts der einzelnen Teile der Grundlinien aufmerksam macht. Daher wählte MARINI als Beispiel von Hegels Rechtsphilosophie die 1820 veröffentlichte Buchfassung aus, in der Hegel „mit Genauigkeit die inneren Verbindungen aufzeigte und seine Gedanken wiederholt mit Bezug auf die Logik und die anderen Teile des Systems entfaltete" (Vif). In dem ersten Aufsatz Libertä soggetiva e libertä oggetiva der gleichnamigen Sammelstudie wendet sich MARINI insbesondere der „bürgerlichen" Gesellschaft zu, mit der er sich auch im folgenden am intensivsten auseinandersetzt. Der Reichtum an Problemstellungen und die Spannbreite der Interpretationsebene, die den späthegelschen Begriff der bürgerlichen Gesellschaft kennzeichnen, scheinen MARINI offensichtlich für die Zusammenfassung der zwei Grundeigenschaften des Hegelschen Systembegriffs am geeignetsten zu sein: die Kompaktheit einerseits und die Komplexität andererseits. Die Kompaktheit und die innere Kohärenz des Systems werden allein schon durch die Anordnung des betreffenden Abschnitts zur Geltung gebracht: Im Zentrum des abschließenden Teils (die GIULIANO MARINI,

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Sittlichkeit) und somit des Höhepunkts der Philosophie des objektiven Geistes stellt die bürgerliche Gesellschaft die Wichtigkeit der Übergangsmomente am besten dar — Übergangsmomente, die in ihrem Innern sowohl die bedeutendsten Hinweise auf Vorhergegangenes als auch die prägnantesten Inhalte des Nachfolgenden enthalten. Indem die bürgerliche Gesellschaft im System den Ort der „Entzweiung" darstellt, gleichzeitig aber auch derjenige ist, wo die Wiederzusammenfügung eingeleitet wird (aber noch nicht ihre Aufhebung), eignet sie sich auch für die Verdeutlichung der zweiten Grundeigenschaft des Systemganzen, seiner Komplexität. Eine Zusammenfassung der Grundthese des Sammelbandes MARINIS ist im Titel des zentralen Aufsatzes wiedergegeben, nämlich die der Möglichkeit einer effektiven (wenn auch problematischen) Koexistenz der subjektiven und objektiven Freiheit im Staat, der nach Hegel als Höhepunkt der Sittlichkeit zu verstehen ist. Folgende Hauptpunkte zeichnen diese Interpretation aus: 1) Die Betonung der Beziehung zwischen Endlichem und Unendlichem, wodurch die endlichen Sphären der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft in die unendliche Wirklichkeit des Staates übergehen, wobei die Entwicklung entsprechend und parallel zu derjenigen der Triade der Logik des Begriffs abläuft (siehe dazu auch den Aufsatz Aspetti sistematici nella societä civile hegeliana). 2) Die Betonung der Rolle des Staates eher als „wahrhafter Grund" denn als „Resultat", und zwar weil der Staat die unendliche, ideale Wirklichkeit darstellt (Ausführungen zur Idee bei Hegel findet man im Beitrag La libertä nel suo concetto e nella sua realizzazione: su alcuni luoghi della „Filosofia del diritto" hegeliana). 3) Schließlich die Wiederaufnahme der von Hegel gegebenen Darstellung der dialektischen Beziehung zwischen Grund und Resultat als Beziehung zwischen Vermittlung und Schein (§ 256 Anm.); den ünterschied zwischen „Schein" und „Erscheinung" sowie Hegels Unsicherheit in bezug auf die Starrheit dieser Unterscheidung behandelt der Aufsatz La societä civile tra apparenza e parvenza: su alcuni aspetti sistematici della „Filosofia del diritto" hegeliana. Wenn MARINI eben diesen (theoretisch relevanten) Aspekt des Systems betont, dann prägt dies auch unmittelbar seine Interpretation der „bürgerlichen Gesellschaft" bei Hegel. Obgleich es unbestritten ist, die bürgerliche Gesellschaft als Ort der Absonderung und der Differenz, gleichzeitig aber auch als unentbehrliche Voraussetzung für die Vollendung der Sittlichkeit darzustellen, wurde oft in der Geschichte der Interpretationen bald dieser, bald jener Aspekt hervorgehoben mit der Konsequenz, daß zwei entgegengesetzte Interpretationsrichtungen entstanden. So wurde z. B. die bürgerliche Gesellschaft, indem man vornehmlich das System der Bedürfnisse betonte, als Spiegel der Aufstiegs- und Expansionsphase der kapitalistischen Produktionsweise und ihrer Widersprüche betrachtet. Und was die bürgerliche Freiheit betrifft (die dort verankert ist), wurde einmal ihre positive Funktion, einmal ihre bloß abstrakte, subjektive und formale Natur hervorgehoben. Wollte man hingegen die enge Verbindung zwischen der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staat betonen, zeigte man, wie dieser als Verkörperung der „Wirklichkeit der sittlichen Idee" die gesamte Konstellation der Elemente der bür-

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gerlichen Gesellschaft so fest an sich zieht, daß das Ganze (der Ort der „substantiellen Freiheit") die Dimension des Einzelnen und seine Rechte völlig verdrängt. MARINI hingegen versucht, die vielfachen Momente der bürgerlichen Gesellschaft gleichzeitig zusammenzuhalten (wobei er in bezug auf die bürgerliche Gesellschaft — aber auch in bezug auf die Familie — ihre Zugehörigkeit zur Idee betont: siehe § 245 Anm.), und die spezifische Bedeutung jedes einzelnen Moments anzuerkennen. Einerseits führt dies im Vergleich zu zahlreichen früheren Interpretationen zur Abschwächung der Rolle des Systems der Bedürfnisse, andererseits gewinnen die anderen Momente — die Rechtspflege, die Polizei und die Korporation — an Bedeutung. Die oben erwähnte Abschwächung wird durch den von MARINI wiederholt hervorgehobenen Unterschied zwischen der , tragischen' Anschauung des jungen Hegel der Jenaer Zeit und der viel weniger pessimistischen Auffassung des späten Hegel unterstützt (die durch die Rolle der Bildung (§ 197) oder durch das „Lob der Staatsökonomie" veranschaulicht wird (§ 189 Anm.)). Die Stufe der Differenz, behauptet MARINI im Aufsatz Struttura e significati della societä civile hegeliana, stellt auch jene Stufe dar, in der „Selbstbesinnung, Andacht und Entdeckung des Wertes von Unendlichem, das jedes Individuum im modernen Zustand des Geistes in sich trägt", eingesehen werden (137). Einen wesentlichen Bestandteil dieser Auffassung bildet die Rechtspflege, die nicht mehr bloß als abstraktes, privates Recht, sondern als von Richtern angewandtes, allgemeingültiges Recht erscheint. Sie ist das Fundament des Rechtsstaates und entspricht dem Moment jener Annäherung des Besonderen zum Allgemeinen, die in der Korporation (und dann im ständischen Element) kulminiert. Wie auch der von Hegel selbst gesetzte Doppeltitel der Grundlinien nahelegt, bildet die Theorie der bürgerlichen Gesellschaft ebenfalls den Ort, wo zwei Denktraditionen aufeinander stoßen: einerseits die naturrechtliche, die hier eine ihrer bedeutendsten Folgen zeitigt, und die organisch-romantische, die vor allem in der Auffassung zu finden ist, daß sowohl die Familie als auch die Korporationen als „sittliche Wurzel" des Staates anzusetzen sind. In der Korporation, die das hauptsächliche Verbindungsglied zwischen der Atomisierung in der bürgerlichen Gesellschaft und dem organischen Charakter des Staates bildet, fließen der subjektive und der objektive Charakter des Staates zusammen, wie man schon in der Anmerkung zum § 256 sehen kann. Es ließe sich daher sagen, daß der wiederholte Verweis auf diesen Paragraphen, der den Übergang zum Staat verdeutlicht, einen der stärksten Punkte der Interpretation MARINIS darstellt. In seiner gedrängten Beurteilung von MARX' Kritik des Hegelschen Staatsrechts verbindet er wiederholt den § 262, auf den sich MARX' Analyse hauptsächlich stützt, eben mit dem Inhalt der Anmerkung zu § 256, der von MARX vernachlässigt wurde (vgl. dazu Tra due secolarizzazione: il „mistero della ßlosoßa hegeliana e la critica di Marx al Par. 262 della „Filosoßa del dirittö). Diese Vernachlässigung vermehrte die Mißverständnisse. Nicht nur, daß MARX bedeutende Aspekte der Philosophie Hegels wie den triadischen Ablauf der Dialektik nicht verstand, auch wußte er nicht, die Grundbedeutung von Begriffen wie ,formelle Freiheit' oder ,Idee' zu erfassen, — Begriffe, die entschei-

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dend zur Aufklärung der theologisch-providentiellen Auffassung der politischen Welt bei Hegel beitragen. Carla De Pascale (Bologna)

Birger P. Priddat: Hegel als Ökonom. Berlin: Duncker & Humblot 1990. 330 S. Ermöglicht die wirtschaftliche Rationalität der bürgerlichen Moderne eine allgemeine Sittlichkeit? Das Werk von BIRGER P. PRIDDAT sieht kritisch auf Hegels Versuch, „an der Schwelle zur Moderne die Gehalte älterer Lebensweisen mit der Form modernen wirtschaftlichen Rationalverhaltens in Einklang zu bringen" (318). Die Hegelsche Problematisierung der Möglichkeit einer allgemeinen Sittlichkeit unter den Bedingungen der modernen Ökonomie erkennt der Autor aber durchaus an. In seiner Erörterung von Hegels ökonomischem Konzept im Rahmen seiner Staatsphilosophie untersucht PRIDDAT, auf welche Art diese Problematisierung das Verhältnis Hegels zu der ökonomischen Wissenschaft seiner Zeit bestimmt hat. Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Interpretation, das Verhältnis Hegels zu der Ökonomie seiner Zeit aus dessen exphziten Hinweisen auf RICARDO, SMITH usw. abzuleiten, analysiert der Autor die Hegelsche Rezeption auf Grundlage von dessen ökonomischer und rechtsphilosophischer Argumentation (9). Das bekannte MARXsche Urteil, wonach Hegel auf dem Standpunkt der modernen Ökonomie stehe, muß nach den Resultaten der Untersuchung revidiert werden. Die Spannungen zwischen den verschiedenen, oft konträren Theorien, die Hegel zugänghch waren, reflektieren sich in dessen ökonomischen Denken. Nach dem Urteil des Autors denkt Hegel eine mit kritischen Argumenten MALTHUS' und SIMONDE DE SISMONDIS bereicherte und stets eigenständige Synthese von Elementen aus Kameralistik und klassischer Ökonomie, wodurch er nicht sosehr der englischen, sondern eher der deutschen zeitgenössischen Tradition der politischen Ökonomie zuzurechnen sei (11, 15 und 307). PRIDDAT geht in verschiedenen Kapiteln seiner Studie auf die Konsequenzen ein, die Hegels Primat der Rechtsphilosophie über die Ökonomie für die Konzeption der Wirtschaftsverfassung nach sich zieht. Hegel richtet über die politische Ökonomie nach sittlichen Maßstäben. Die Realisationsbedingungen und die Konsequenzen der individuellen wirtschaftlichen Handlungen sollten nicht mit dem diesen Handlungen externen und „verfehlt teleologischen" (168) Prinzip der „unsichtbaren Hand", sondern bewußt und vermittelt über Institutionen mit der allgemeinen Sittlichkeit übereinstimmen. Dieser Anspruch macht sich vor allem in der „Wohlfahrtspolitik" Hegels geltend. Hegel fordert eine durch Korporationen

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garantierte Beschäftigungspolitik, die das Recht auf Arbeit zu gewährleisten habe. PRIDDAT sieht hierin zurecht eine Anwendung einer menschenrechtlichen Argumentation auf die Ökonomie (49). Diese Einforderung eines Menschenrechtes versteht Hegel nicht als abstraktes Postulat. Das Arbeitsvermögen muß nach Hegel gleichgewichtig mit dem Kapitalsvermögen realisiert werden (67). Ein freier Arbeitsmarkt, totale Mobilität des Produktionsfaktors Arbeit (111 und 197) oder allzugroße Spannungen in den Einkommensdisproportionen von arm und reich würden das Gleichgewicht hingegen stören. PRIDDAT betrachtet „Gleichgewicht" als einen für das rechtlich-normative Denken Hegels charakteristischen Terminus. Er bezeichne ein vernünftiges Verhältnis von Arbeit und Bedürfnis (62). Auch die Hegelsche Beschreibung der Überproduktionskrise, wobei das Wachstum nicht als Wachstum des „allgemeinen Vermögens" der Gesellschaft, sondern als Wachstum des „Reichtums" auf Kosten der Einkommen und Beschäftigung der „Armen" auftrete (172), und vor allem die Aporie der bürgerlichen Gesellschaft, daß sie bei „dem Übermaße des Reichtums . . . nicht reich genug ist, ... dem Übermaße der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern", sieht PRIDDAT nicht als primär ökonomische, sondern als normative Konzeption der bürgerlichen Gesellschaft, „die ökonomische Gründe wohl verwendet, nicht aber auf ihnen beruht" (70). Das Primat des Normativen kann zu einem verkürzten Verständnis gesellschaftlicher Prozesse führen. So kritisiert PRIDDAT zum Beispiel die einseitige Hervorhebung der Disproportionen von arm und reich innerhalb des zweiten Standes, während die agrarische Klasse (bei Hegel: der erste Stand), im Gegensatz zu der Analyse aller Einkommensklassen in der klassischen Ökonomie, keinerlei ökonomische Rolle spielt. PRIDDAT sieht diese Einengung auch als eine Folge der Hegelschen Rezeption der antiken Philosophie. Wie bei PLATO und ARISTOTELES stehen hier die Händler und Gewerbetreibenden „im Visier der ethischen Skepsis" (79 f, vgl. auch 310). Das Primat des rechtsphilosophischen Gesichtspunkts führt bei Hegel andererseits auch zu einer Erweiterung des ökonomischen Problemhorizonts. Wichtig scheinen mir die Ausführungen PRIDDATS über Hegels Konzeption der Armut. Die EHsproportionen im Einkommen zwischen arm und reich haben für Hegel rechtliche Konsequenzen, indem Armut eine Form von rechtlicher Unselbständigkeit, d. h. eine Nichtanerkennung des Rechts sei (127). Hegel warnt vor der „pöblischen" Gesinnung, die er als Folge einer verfehlten Wohlfahrtsnormierung ansieht. Wenn der Staat den Armen das Recht auf Subsistenz gewährt, ohne ihnen aber das Recht auf Arbeit zu ermöglichen, tritt er nicht als Träger der allgemeinen Sittlichkeit sondern als paternalistischer Souverän auf (171 f). Eine verfehlte Wohlfahrtsordnung hat für Hegel zur weiteren politischen Konsequenz, daß die Armen — „die nur noch abstrakt als Staatsbürger gekennzeichnet sind" (171) — weder Rechte noch Pflichten haben. Eigentum ist für Hegel im allgemeinen eine Voraussetzung rechtlicher Autonomie und sittlicher Bildung. Durch das Fehlen des Eigentums entbehrt der „Pöbel" jeglichen Verantwortungsgefühls für die allgemeine Sittlichkeit (173 f).

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Eine Stabilisierung wirtschaftlicher Verhältnisse sollte für Hegel nicht sosehr durch eine alternative Wirtschaftstheorie oder -politik, sondern durch Neuordnung politischer und sittlicher Institutionen garantiert werden (74). Die Korporation habe für die Verwirklichung der unveräußerlichen Rechte der Individuen auf Subsistenz, Autonomie und Arbeit (107 und 189) und für das Gleichgewicht von Tugend und Reichtum (115 f) zu sorgen. Im Gegensatz zur freien Marktordnung, die die wirtschaftlichen Verhältnisse „ex post" bereinigt, bringt die Korporationsordnung Arbeit und Kapital „ex ante" in ein Gleichgewicht (203 und 209). In diesem Entwurf fallen die Unterschiede innerhalb des zweiten Standes zwischen kapitalistischen Unternehmern, selbständigen Handwerkern und Arbeitern weg (200). Die Korporationen sieht PRIDDAT als „sittliche Selbstverwaltungsorgane der bürgerlichen Gesellschaft" (188). Sie seien als nicht-individualistische liberale Koordination des Wirtschaftslebens zu betrachten (202). Die Korporationsidee steht in der nationalökonomischen deutschen Tradition des frühen 19. Jahrhunderts, und war mit dem Programm einer graduellen Reformierung der bestehenden Zunftordnung verbunden (211). Zur Bestimmung des Hegelschen Standortes in der Ökonomie seiner Zeit vergleicht die Studie durchgehend Hegels Thesen mit der SMiXHschen Theorie. Diese Gegenüberstellung gehört zu den interessantesten Teilen des Buches. Hegel befürchtet die Eolgen des Wachstums für die Beschäftigung der Arbeiter und sieht die durch SMITH dargestellte endogenen Beschäftigungseffekte nicht (26); Hegel begreift die Beschäftigung als Vermittlung der Bedürfnisse, während SMITH sie als Effekt der Kapitalakkumulation betrachtet (27); die Marktinstitution läßt in Hegelscher Sicht bei den Beteiligten kein sittliches Bewußtsein oder tugendhaftes Handeln zu, während sie für SMITH in funktionaler Weise „moralischen" Ansprüchen entspricht (39, 103 und 227 f); Hegels Korporationsidee kann als eine Erweiterung der SMiTHSchen privaten Eigentumsstruktur der bürgerlichen Gesellschaft zu einer öffentlich-rechtlichen betrachtet werden, die die Garantie der Identität von bourgeois und citoyen zum Zweck hat (187); bei Hegel stimmen private Interessen und allgemeine Wohlfahrt u. a. über staatliche Institutionen miteinander überein, während eine solche Harmonisierung bei SMITH auch ohne den Staat möglich ist (294). Am interessantesten scheint mir in diesem Zusammenhang die Gegenüberstellung der SMrraschen und der Hegelschen Konzeption des Übergangs von herkömmlichen zu neuen Sittlichkeitsmodi zu sein. In der Theorie von SMITH ist PRIDDAT zufolge das Problem ohne politische Intervention gelöst, „da die neue Marktwirtschaftsform mit Ihrem Wettbewerbssanktionsmechanismus allen Beteiligten die neuen Regeln einübt, d. h. sie an den materiellen Sanktionen erfahren läßt, was es heißt, gegen sie zu verstoßen. Hegels Sittlichkeit läßt dieses Verfahren nicht zu, weil es nicht ausgeschlossen ist, daß die Erfahrungen auf Kosten der materiellen Existenz, mindestens aber auf Kosten der Ehre und Würde der Bürger gehen. Wenn die Empirie der Marktwirtschaftsinstitution auf Kosten des Vertrauens in die unbedingte Voraussetzung der Gemeinschaftlichkeit und der mit ihr verbundenen sicheren Erwartungen geht, dann ist für Hegel die historische Chance vertan, jemals wieder ein

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Vertrauen in stabile — ökonomische und politische — Institutionen gewinnen zu können." (297). Die Studie bezieht sich vorrangig auf die Hegelsche Ökonomie und Rechtsphilosophie. Die diese beiden philosophischen Disziplinen leitende und übergreifende Fragestellung nach dem Verhältnis von Empirie und Spekulation wird nicht behandelt. In dem einleitenden Kapitel schreibt PRIDDAT, daß er nur einen bestimmten Aspekt der Hegelschen Ökonomie behandeln wolle und daß er sich bewußt der Frage nach die Ableitung der Logik des Ökonomischen aus der Wissenschaft des Geistes ausklammere (20). Sicher wäre es interessant, zu erfahren, wie PRIDDAT auf der Grundlage seiner Resultate das Verhältnis der Spekulation zur Empirie beurteilt. Eine solche Einschätzung scheint mir deswegen wichtig, weil das Verhältnis des Spekulativen zum Empirischen nicht nur einen Aspekt des Hegelschen Ökonomieverständnisses bildet. Die leitende Fragestellung des Werkes — „Was hat Hegel von der ökonomischen Wissenschaft seiner Zeit überhaupt gekannt, was hat er übersehen, was ignoriert?" (20) — läßt sich ohne die Erörterung des Verhältnisses des Absoluten zu dessen Erfahrung und des wissenschaftlichen Systems zu dessen Einzeldisziplinen bei Hegel nicht völlig zufriedenstellend beantworten. Wie immer eine solche Erweiterung der Fragestellung von der ökonomischen und rechtsphilosophischen zur spekulativen Konzeption Hegels auch ausfallen mag, so hat PRIDDAT die weitaus interessanteste Studie zur Hegelschen Ökonomie vorgelegt, die es zur Zeit gibt. Bruno Coppieters (Bruxelles)

Dale M. Schlitt: Divine Subjectivity: Understanding Hegel's Philosophy of Religion. Cranbury, N. J.: University of Scranton Press 1990. XX, 343. This is one of the first books on Hegel's philosophy of religion that relies exclusively on the new edition of the Lectures, edited by WALTER JAESCHKE in Germany, and translated into English by a team led by PETER C. HODGSON. In the first half, SCHLITT provides an overview of the two editions, indicating some of the ways in which Hegel changed his approach over the years. He offers a summary, usually of the 1821 manuscript and the 1827 lectures transcript, then suggests some questions that merit further research. In the second half of the work SCHLITT ventures further into Hegel Interpretation, developing his thesis that, for Hegel, God is pure subjectivity, incorporating otherness and finitude into his dynamic life. Focusing exclusively on what Hegel says about Christianity, and drawing as well on the Phenomenology of Spirit, the Science of Logic and the Encyclopaedia of the philosophical Sciences, he illustrates the way „the consummate religion" integrates Identity and difference in a comprehensive totality. Hegel's discussion of the Trinity incorporates

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diversity into a basic unity; Incarnation develops the theme of otherness; and the Kingdom of God is „the grounding inclusive identity, the identity of difference". In each of these chapters SCHUTT reviews the texts that explicitly discuss the three doctrines from both the lectures and Hegel's written texts. For all the differences in the various versions, he suggests, there is a fundamental continuity that results in a sophisticated and disciplined Statement of what Christianity involves: a comprehensive subjectivity that not only includes difference in its unity but also generales otherness through division and diremption. ScHLiTT is so careful in ensuring that every bit of evidence is correctly located that it is frequently difficult to discern the overall pattem being used in establishing his thesis and to identify how the evidence he brings forward contributes to that goal. At times he slips into using formulae. He is so concerned to identify Incarnation with becoming other, or „self-othering", for example, that Creation emerges as an instance of incarnation; and Jesus, who, as individual Union of infinite and finite, is already the overcoming of otherness, seems to be fully incarnate only when he dies, or others himself into universahty. (SCHUTT S Christology is complicated by the fact that he takes over from HODGSON the belief that when Hegel says „der Christ" he is talking about Jesus, whereas the conventional German would read this term as „the Christian".) Nevertheless, SCHLITT'S careful scholarship makes this book a reliable tool for anyone who wants to work seriously with the new edition of the Lectures on the Philosophy of Religion. John W. Burbidge (Trent University)

Alfredo Perrarin: Hegel interprete di Aristotele. Pisa: ETS Editore 1990. 254 S. Schon an dem Titel der Arbeit von FERRARIN kann man den Versuch ablesen, daß hier unter einem historischen wie systematischen Gesichtspunkt eines der wichtigsten Probleme der Hegel-Interpretation behandelt wird. Auch wenn man die Frage nach der Beziehung zwischen Hegel und ARISTOTELES bereits im 19. Jahrhundert behandelt hatte, so gewinnt sie doch erst angesichts der von HEIDEGGER in Sein und Zeit vorgelegten Interpretation verstärkt an spekulativer Relevanz. Bekanntlich sieht HEIDEGGER in Hegels Begriff der Zeit und seinem Zusammenhang mit dem Geist die philosophisch radikalste Aufarbeitung des ,vulgären' Zeitverständnisses. Hegels Denken wird auf diese Weise als einer der höchsten Verdichtungspunkte in der Geschichte der „Metaphysik" betrachtet. Daß letztere sich zur Geschichte eines einzigen, immer gleichen Problems der Unverborgenheit und des Sich-Verbergens des Seins entwickelt, wird insofern bestätigt, als sich die

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Metaphysik im modernen, subjektiv-geistigen Sinn nur dann ausprägen kann, wenn sie sich die Formen anzueignen weiß, die diese Thematik im griechischen Denken und insbesondere bei ARISTOTELES angenommen hatte. In Sein und Zeit (82 Anm. 30) bemüht sich HEIDEGGER, „auf die grundsätzliche ontologische Tragweite dieser Filiation für die Hegelsche Logik aufmerksam (zu) machen", und a fortiori auch für die Strukturierung der ganzen Geschichte der Metaphysik. Innerhalb einer Beweisstrategie, die HEIDEGGERS Interpretation selbst in den scheinbaren Bannkreis jener Geschichte miteinzubeziehen versucht, nimmt (unter anderen) JACQUES DERRIDA diesen Punkt wieder auf und untersucht ihn in dem Aufsatz „Ousia" et „gramme", in dem das Spiel der Verweisungen und der „Filiationen" zwischen ARISTOTELES, Hegel und HEIDEGGER weiter problematisiert wird. Auf dieses ohnehin bekannte Faktum wurde nur deshalb verwiesen, um die entscheidende Bedeutung hervorzuheben, die dieses Thema nicht allein „für die Hegelsche Logik", sondern auch für die Gestalt der zeitgenössischen theoretischen und philosophischen Diskussion hat. FERRARIN läßt zwar die allgemeinen Implikationen des betreffenden Problems im Hintergrund, ist sich jedoch (wenigstens in bezug auf HEIDEGGER) dessen bewußt, was auf dem Spiel steht. Entsprechend verweist er ständig auf die allgemeine Verschiebung, der die Wiederaufnahme ursprünghch ARiSTOTELischer Ansätze und Themen unterliegt, wenn sie innerhalb der Perspektive Hegels erscheinen und sozusagen metabolisiert werden. Diesbezüglich genügt es das Kapitel „L'interpretatione hegeliana del ,nous'" (132—137) in Betracht zu ziehen, in dem die Verkehrung ARiSTOTELischer Lehren in Richtung auf eine absolute Subjektivität hin genauer analysiert wird: „Hegel liest im nous das Selbstbewußtsein, die Selbstbezogenheit als jene Grundlage, die eine Bezugnahme auf das Gegebene erst ermöglicht und vermittelt. . . Hegel deutet die Tätigkeit des nous als Selbstsetzung, als sich selbst als absolut wissen. Für ARISTOTELES dagegen ist dann der menschliche Verstand in actu, wenn er die intelligiblen Formen angenommen hat, und andererseits ist das eidos kein Produkt des Geistes, Objekts" (133 und 135). Dieser Zug charakterisiert jedoch nicht nur die ganze Hegelsche Interpretation von De anima, sondern auch ihre Rezeption im Aufbau der Philosophie des subjektiven Geistes innerhalb der Enzyklopädie. Dazu schreibt FERRARIN (der diesem Thema das ganze 2. Kapitel seiner Arbeit widmet): „Für Hegel wie für ARISTOTELES ist eine vereinzelte Anschauung der Formen der Wahrnehmung, der Erkenntnis und des Begehrens völlig sinnlos. Sind sie jedoch, nach ARISTOTELES, als die der Physis der Lebewesen eigenste Formen darzustellen . . ., so sind sie, Hegels Meinung nach, völlig unverständlich außerhalb der Metaphysik des freien Geistes, d. h. des sich selbst Denkens. Daraus folgt, daß De anima, die für ARISTOTELES den Angelpunkt der Naturphilosophie bildet — und über dessen Bereich lediglich die beiden Kapitel über den nous hinausgehen —, von Hegel in eine, anhand der Überlegenheit des Geistes über die Natur begriffene ,Philosophie des Geistes' übersetzt wird. All das ermöglicht Hegel, . . . Themen und Werke gemeinsam zu behandeln, die in ARISTOTELES' Augen alles andere als homogen sind: De anima, Nikomachische Ethik und Politik, außerdem noch De anima und Metaphysik." (95) Angesichts der Vorherrschaft des geistigen

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Elements kann Hegel die noch getrennten und „diskreten" Momente des ARISTOTEÜschen Denkens zum Telos der systematischen Konstruktion umfunktionieren. Auf diesem Weg gelangt man endlich zum Kernpunkt der hier besprochenen Arbeit: es soll gezeigt werden, daß Hegels Geistbegriff die Überlegungen über die energeia des ARISTOTELES enthält und impliziert. Die von diesem Ausdruck innerhalb der verschiedenen Kontexte angenommenen Abwandlungen (Hegel versteht ihn als „Tätigkeit" in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, als „Entwicklung" in der Phänomenologie des Geistes, als „Wirklichkeit" in der Logik und als „Aktuosität" in der Enzyklopädie) können nicht über die einheitliche Grundlage der begriffsgeschichtlichen Wandlungen hinwegtäuschen, denen dieser Terminus ausgesetzt wird und die gerade in Hegels Konzeption des Geistes auf eine ihrer maßgebendsten Wurzeln stoßen. Auf dem betreffenden Punkf besfeht EERRARIN nachdrücklich. Wird diese umfassende Verschiebung berücksichtigt, so kann man ohne Mißverständnis auch jene Behauptungen verstehen, die wegen ihrer Urteilsgestalt sonst Gefahr liefen, die Transformation von Wörtern und Begriffen in Eorm ihrer linearen Übertragung auszudrücken. Wird z. B. HEIDEGGERS These der „Filiation" der Hegelschen Zeitbehandlung aus der ARISTOTELischen Physik als abgeschlossene Frage betrachtet (16, 66), so handelt es sich nicht darum, die ursprünglich ARiSTOTELische Prägung einiger begrifflicher Momente zu bestreiten. Man dürfte aber die theoretisch-modifizierte Bedeutung nicht vergessen, die die betreffende Aufnahme im Kontext der spekulativen Gliederung und der gesamten Umwandlung des Begriffs der Zeit bei Hegel annimmt. Dasselbe gilt für die als „besonders ARiSTOTELisch" hervorgehobene Sfelle, die besagt, ohne Leidenschaft könne nichts wirklich Großes vollbracht werden (142 — mit Bezug auf § 474 Anm. der Enzyklopädie) — ein berühmter Topos von grundlegender Bedeutung angesichts der Konstruktion der Hegelschen Geschichtsphilosophie. Nicht ganz so eindeutig wird die Behauptung erscheinen können, daß Hegel „innerhalb der Interpretation des Geistes als energeia . . . ARISTOTELES als Vorgänger seiner Philosophie" betrachtet. Außer der Vielfalt an Informationen und der philologischen Akribie ihres Verfassers ist es jedenfalls kein geringes Verdienst dieser Arbeit, das Problem von Hegels ARiSTOTELES-Interpretation mit neuer Strenge wieder zur Diskussion gestellt zu haben. Gaetano Rametta (Padova)

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Luden Calvie: Le renard et les raisins. La revolution frangaise et les intellectuels allemands 1789—1845. Paris: EDI 1989. 190 S.

Der originelle Titel dieser Studie über das Verhältnis der deutschen Intelligenz zur Französischen Revolution greift eine Fabel LA FONTAINES auf: „Certain renard gascon, d'autres disent normand, Mourant presque de faim, vit au haut d'une treille Des raisins mürs apparemment. Et Couverts d'une peau vermeUle. Le galant en eüt fait volontiers un repas; Mais comme il n'y pouvait atteindre: ,Ils sont trop verts, dit-il, et bons pour des goujats'. Fit-U pas mieux que de se plaindre?" und nimmt sie zum Leitfaden der Untersuchung. Die Fabel besitzt, wie so oft bei LA FONTAINE, nicht nur eine explizite und oberflächliche Moral, bescheidene Selbstbeschränkung auf das Mögliche, sondern auch eine tiefer reichende implizite Moral: die Menschheit weist verbal genau das zurück, was ihr praktisch unerreichbar ist, von dem sie aber weiß, daß sie es dringendst bräuchte. Der französische Germanist LUCIEN CALVIE deutet die Reaktionen von KANT, den deutschen Jakobinern, von GOETHE, SCHILLER, HöLDERLIN, FICHTE, NOVALIS, Hegel, über HEINE, BöRNE, GUTZKOW, bis zu den Hegelianern, WEITLING und MARX — so weit wird hier der Bogen gespannt — auf die Französische Revolution als Varianten der Fabel LA FONTAINES. CALVifi findet die Haltung des hungrigen Fuchses bei den deutschen Intellektuellen wieder: auch bei ihnen folgt auf die Phase der elementaren Attraktion zunächst die traurige Feststellung, daß das Objekt der Begierde praktisch unerreichbar ist, und dann die ideologische Entwertung desselben Objektes. Der konkrete Gegenstand, der anfangs so verlockend erschien, wird also bald kritisiert, aufgegeben und durch ein ungleich abstrakteres Ziel ersetzt; die spezifisch deutsche Revolution des Geistes. Aus der größeren Perspektive des vorliegenden Buches, dessen Hauptlinie hier nur kurz skizziert werden konnte, sind für die Hegelforschung das vierte, fünfte und siebte Kapitel von besonderem Interesse. Im vierten Kapitel, das Hegel unter dem Titel „zwischen Revolution und Restauration" (67—81) zentral thematisiert, wird die Diskussion der politischen Philosophie und der Politik Hegels zunächst, unter Anlehnung an ERIC WEIL, von dem Klischee des preußischen Apologeten befreit. Die Ambivalenzen der Hegelschen Position sind nicht etwa das Ergebnis eines gemeinen Opportunismus, sondern die Konsequenz einer grundlegenden philosophischen Haltung: das Denken Hegels ist das Denken des Wirklichen in seinen historischen Entwicklungen (69 f). Nach diesen einleitenden Korrekturen tradierter Fehldeutungen erläutert CALVIE die Hegelsche Position an Hand von zwei Textgruppen, den Vorlesungen zur Philosophie der Geschichte einerseits und den Württembergschriften (1798 und 1817) andererseits. Die Beschränkung auf diese Texte beinhaltet natürlich eine strenge Selektion, die u. a. den komple-

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xen Problemen der Behandlung der Französischen Revolution in der Phänomenologie aus dem Wege geht. Neben der offensichtlichen Notwendigkeit, die Proportion des Hegel-Teiles im Rahmen der vorliegenden Studie zu wahren, macht der Autor das weitere Argument für seine Auswahl geltend, daß er damit nicht nur Hegels spekulativem Denken, sondern auch seiner politischen Publizistik Rechnung trage (76). Wenngleich der Autor in seiner Analyse Hegels nicht ganz neue Wege geht (und auch nicht diesen Anspruch erhebt, sondern u. a. auf HYPPOLITE, BOURGEOIS und D'HONDT verweist), kommt ihm in mancher Hinsicht doch Originalität zu: so z.B. in der Weise, in der er Hegel mit Vertretern der politischen Romantik (NOVALIS, SCHLEGEL, GöRKES, ADAM MüLLER) kontrastiert, ln seiner Erörterung der Württembergschrift von 1817 verdient der Nachdruck Aufmerksamkeit, den CALVIE auf die darin enthaltene rechtsphilosophische Option Hegels legt. Daß Hegel in Württemberg für das Naturrecht und gegen das positive „gute alte" Recht plädiert, verbindet ihn gerade mit Aufklärung und Französischer Revolution, auch wenn es ihn auf die Seite des Königs zu stellen scheint. Forschungsgeschichtlich interessant sind auch die Hinweise auf den in Deutschland kaum bekannten EDMOND VERMEIL, dessen einschlägige Studien HYPPOLITE vorausgingen. Eigenständiger und ungewöhnlich informativ sind dann CALVIES Ausführungen über ein weites Spektrum von Hegelschülern. Im fünften Kapitel (83—98), das sich HEINRICH HEINE widmet, zeigt der Autor, wie eng verbunden Hegel und die Französische Revolution, zwei Einflüsse von zentraler Bedeutung für HEINE, in HEINES Denken waren: „une double reference, constante chez lui depuis le debut des annees 1820, ä la Revolution fran^aise et ä la phüosophie de Hegel, indissolublement Uees Tune ä Tautre." (88) Diese doppelte und miteinander verbundene Referenz erläutert CALVIE elegant an Hand von HEINES zahlreichen Äußerungen über Polen, insbesondere dem frühen Essay „Über Polen" (1823). Daß es dem Autor auch nicht an Humor fehlt, zeigen seine Übersetzungen der polnischen Phantasienamen, die HEINE boshaft in dem Gedicht „Zwei Ritter" (Romanzero 1. Buch) verwendet: ,torchonski' und ,emmerdonski'. Auch in dem Kapitel über die Hegelsche Linke (119—147) eröffnet sich dem Leser manch unerwartete Perspektive. CALVifi widmet darin z. B. auch dem ansonsten eher vernachlässigten EDUARD GANS einige einsichtsvolle Seiten (120—123 u. ö.), die sich nicht zuletzt dadurch auszeichnen, daß sie GANS auch im Kontext der Jungdeutschen Bewegung, z. B. aus dem Blickwinkel GUTZKOWS präsentieren, ünter den Linkshegelianern, die CALVI£ behandelt, begegnet uns schließlich auch MARX. Der Versuch, LA FONTAINES Fabel auf MARX anzuwenden, mag zunächst überraschen, doch ermangelt er nicht der Plausibilität: kann nicht auch die Entfaltung eines neuen Typus von Revolution, so läßt sich mit CALVIE fragen, die soziale Revolution die MARX vorschwebt, als Reaktion darauf angesehen werden, daß die süßen Trauben einer politischen Revolution ä la frangaise auf deutschem Boden unerreichbar blieben? Norbert Waszek (Erlangen/Paris)

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Bewußtsein und Zeitlichkeit. Ein Problemschnitt durch die Philosophie der Neuzeit. Hrsg, von Hubertus Busche, George Heffermann, Dieter Lohmar. Würzburg: Königshausen & Neumann 1990. 379 S. Der vorliegende Sammelband, den die Herausgeber ihrem akademischen Lehrer GERHART SCHMIDT zum 65. Geburtstag gewidmet haben, versucht die Leistungsfähigkeit und die Grenzen der neuzeitlichen Subjektivität auszuloten. Angefangen vom Aufbmch des Selbstbewußtseins bei ROUSSEAU wird unter anderem anhand von KANT, NIETZSCHE, VAIHINGER, HUSSERL und HEIDEGGER der problemgeschichtliche Überblick einer philosophischen Entwicklung gegeben, für die zunehmend die Reflexion auf die Zeitlichkeit des Menschen an Bedeutung gewann. Gemäß der Konzeption dieses Bandes, den ein theologischer Beitrag zur Alternative von zeitbedingtem und unbedingtem Glauben abschließt, ist es ganz folgerichtig, wenn die Philosophie Hegels einen thematischen Schwerpunkt bildet, sofern es ihr nämUch darum geht, das Prinzip des Selbstbewußtseins mit der Erfahrung der Geschichte zusammenzudenken. Daher scheint Hegel beispielhaft die programmatische Doppelheit des Titels von Bewußtsein und Zeitlichkeit einzulösen, der die vier sich mit ihm auseinandersetzenden Beiträge nachgehen. Sie verdeutlichen das Spannungsfeld zwischen einem sich aus dem Bewußtsein bestimmenden Menschen, der sich gleichfalls aus zeitlichen Vorgebenheiten verstehen muß. In seinem Aufsatz über Die Zeitlichkeit des Lebendigen (75 —87) konzentriert sich WERNER STEGMAIER zunächst auf KANTS Kritik der Urteilskraß, die die Diskursivität einer mechanistischen Naturbetrachtung durch die Annahme einer teleologischen Kausalität ergänzt. Während Kant demzufolge eine zweckgerichtete Entwicklung der Arten zugesteht, die allerdings zu einem Abschluß gekommen ist, lehnt Hegel eine solche Theorie kategorisch ab. Sie bedeutet für ihn eine schlechte Unendlichkeit, weil man hier Natur nur in ihrer Vollkommenheit hervortreten läßt. Dieser Diskreditierung der Naturgeschichte, die STEGMAIER aus Hegels Idiosynkrasie gegen SCHELLING versteht, folgt im 19. Jahrhundert die Evolutionstheorie von DARWIN nach. DARWIN geht von dem Gedanken einer Selektion unter Lebensbedingungen aus, der ihn auf die Struktur versetzter Kontinuitäten führt: Bringt man die Arten in eine variable Beziehung, dann gelangt man auf die Vorstellung einer evolutativen Kausalität, die der komplexen Zeitlichkeit eines Gegenstandes entspricht, der über den Maßstab physikalischer und physiologischer Erkenntnisse hinausreicht, an dem noch die KANrische Vernunftkritik orientiert war. Während STEGMAIER bei Hegel das Fehlen einer zeitlichen Auffassung der Natur betont, erneuert RUDOLPH BERLINGER unter dem Titel Individuum und Weltgeschichte (89—102) einen existentialphüosophischen Einwand. Die Philosophie der Weltgeschichte, für die lediglich in der Aufnahme AmsTOTELischer Begriffsgehalte der Endzweck eine absolute Entelechie und substantielle Natur besitzt, zerstört bei Hegel den personalen Begriff des Individuums, dessen Geschick keine Dauer hat.

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Zwar unterscheidet er von dem beiläufigen Individuum das welthistorische Individuum, jedoch löst es sich auch um den Preis auf, daß ihm als Werkzeug des Weltgeistes die Einsicht in die eigene Umsicht und das Wollen fehlt. Für BERLINGER scheitert Hegels Philosophie der Weltgeschichte also daran, daß sie die substantielle Freiheit des Menschen, deren Horizont das Allgemeine ist, nicht mit dem individuellen Ort des Gewissens und der subjektiven Wahlfreiheit identifizieren kann. Vielmehr vernichtet sie den hier und jetzt geschichtlich handelnden Menschen, über den anonym sich ein moralfreies und gewissenloses ,Subjekt' erhebt. Im Unterschied zu STEGMAIER und BERLINGER bemühen sich die beiden folgenden Aufsätze um positive Anknüpfungspunkte an Hegel. Entsprechend der thematischen Vorgabe des Bandes behandelt MANFRED RIEDEL Zeit- und Naturerfahrung (103—124) bei Hegel aus der Absicht heraus, dessen Verhältnis zur Atomistik im Lichte der gewachsenen Naturerfahrung des europäischen Menschen zu klären. In seiner stark ,heideggerianisierenden Interpretation' geht RIEDEL zunächst auf den jungen Hegel ein, der gemeinschaftlich mit HöLDERLIN die Einheit von Mensch und Natur im Sinne der griechischen Physis zurückzugewinnen versuchte. Danach erörtert RIEDEL die Stellung der Atomistik in der Wissenschaft der Logik, für die das Atomon den qualitativen Begriff des Fürsichseins erfüllt. Obwohl es ohne Beziehung auf Anderes sein Dasein erhält und damit unveränderlich zu sein scheint, verbirgt es das von ihm negierte und aufgehobene Etwas unter dem Namen der Leere. Auf diese Weise bildet das Fürsichsein die Einheit der Entgegengesetzten, die eine ursprüngliche Erfahrung der Zeit bezeichnet, daß etwas allein dann zu dem wird, was es ist, wenn es sich auf die Leere bezieht. Eine solche Freilegung der Zeit leitet ebenfalls den Vergleich zwischen der griechischen und der neuzeitlichen Atomistik, den Hegel in den Berliner Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie durchführt. Aus diesem Vergleich zieht er die Konsequenz, daß die experimentierende Naturwissenschaft die undeutliche Vorstellung atomarer Teilchen mit dem spekulativen Naturgedanken verwechselt, der noch der Erfahrung eines eigenständigen Waltens der Natur gerecht wurde. Laut RIEDEL weiß Hegel jedoch ebenso um die Ambivalenz und Grenzen der griechischen Atomistik, die sich im zeichenvermittelten Zugang zur Natur gleichermaßen von ihr entfernt hat. Den sich mit Hegel beschäftigenden Themenkomplex rundef schließlich ROLAND W. HENKES Aufsatz über das Bewußtsein als Staatsprinzip (125—145) ab, der die These erläutert, daß wesentliche Aspekte der Rechtsphilosophie (1820) in die Konzeptionen der modernen westlichen Demokratie eingeflossen sind, wobei sich der Nachweis auf das Bonner Grundgesetz beschränkt. Nachdem HENKE mit PLATONS Politeia den Ursprung von Hegels Staatskonzeption namhaft gemacht und ihre konstitutiven Momente dargestellt hat, weist er deren Affinitäten zum Grundgesetz auf. Sie basieren vor allem auf einem organologischen Modell des Staates, der nicht bloß legaUstisch erzwungene Gerechtigkeit realisieren soll. In diesem Sinn geht nach HENKE gleichfalls das Grundgesetz davon aus, daß die ei-

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gentliche Staatssphäre von dem interessegeleiteten Widerspiel der einzelnen in der Gesellschaft unabhängig bleibt. Weitere Parallelen zeigen sich für HENKE an der übereinstimmenden Ablehnung einer schematischen Trennung der drei Staatsgewalten, am Amt eines unparteilichen Bundespräsidenten, das funktionsäquivalent zur rechtsphilosophischen Konstruktion der fürstlichen Gewalt ist, sowie im Partei- und Verbands wesen, das ein modernes Gegenstück zu Hegels Auffassung der Korporationen darstellt. Analog zu Hegel, der die Versittlichung des Gewissens vorinstitutionell auszurichten versucht, baut das Grundgesetz den Staat auf der loyalen, inneren Gesinnung der Bürger auf. So beinhaltet das Grundgesetz, für das Würde und Recht des Individuums im Unterschied zu einem spekulativ gerechtfertigten Etatismus den absoluten Vorrang besitzen, dennoch Elemente der Hegelschen Staatstheorie, die wohl, durch das Scheitern der Weimarer Republik veranlaßt, unbewußt aufgenommen worden sind. Betrachtet man die hier vorgestellten Aufsätze, die sich jeweils abwechselnd mit den Themen von Zeitlichkeit und Bewußtsein beschäftigen, im ganzen, dann zeichnet sich aus ihrer Divergenz ein vergleichbares Defizit ab. Sowohl eine manchmal philosophisch präjudizierte Kritik an Hegel (STEGMAIER, BERLINGER) als auch seine aktualisierende Ehrenrettung (RIEDEL, HENKE) vermögen kaum einem so ausdrückhch geschichtsbedingten Denken Rechnung zu tragen, das aus dem Kontext seiner, in Gedanken gefaßten Zeit verstanden werden sollte. Wenn man dabei die Gefahr eines interessenlosen Objektivismus vermeiden wUl, sind allerdings die kritischen und aktuellen Fragen notwendig, die in diesem Band zur Sprache kommen. Über eine unabdingbare historische Forschung hinaus bringen sie erst solchermaßen ein Bewußtsein hervor, das sich der Zeitlichkeit des Menschen zu stellen weiß. Hans-Jürgen Gawoll (Bochum)

Friedrich Kaulbach: Philosophie des Perspektivismus. Teil 1: Wahrheit und Perspektive bei Kant, Hegel und Nietzsche. Tübingen: J. C. B. Mohr 1990.

333 S. Das Buch hat die Aufgabe, anhand der Darstellung „dreier großer Konzepte des Perspektivismus" (X) ein Fundament perspektivischer Philosophie zu schaffen, deren systematische Ausformung einem vom Verfasser in Aussicht gestellten 2. Teil der Philosophie des Perspektivismus Vorbehalten bleibt. Daher kann in der vorliegenden Rezension die Theorie des Perspektivismus selbst nicht beurteilt werden, die zwar das durchgängige Interpretament der drei behandelten Philosophien bildet, sich aber dem Leser jeweils in leicht variierter Form darbietet; vielmehr soll hier die perspektivische Interpretation der Hegelschen Philosophie

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durch den Verfasser (137—209) kritisch gewürdigt werden. Da die Abfolge KANT — Hegel — NIETZSCHE nicht bloß chronologisch, sondern auch systematisch begründet ist, kommt das Verhältnis zu den beiden anderen Kapiteln im Lauf dieser Betrachtung von selbst zur Sprache. Zwei Aufgaben der perspektivischen Theorie werden eingangs in Beziehung auf die drei Untersuchungen hervorgehoben: „Einerseits sucht er [der perspektivische Gedanke] nach einer Antwort auf die Frage nach der Bedeutsamkeit des Prinzips: Perspektive für den auf philosophische Wahrheit ausgehenden Menschen. Andererseits stellt sich die Frage nach dem Charakter derjenigen besonderen Perspektive, zu deren Wahl für den Menschen je einer Gegenwart gemäß seiner Stellung zum Sein Notwendigkeit besteht." (10) Zunächst in die Richtung der ersten Frage führt die Erörterung des „Vorbegriffs" aus der dritten Auflage der Enzyklopädie, mit der das Hegelkapitel beginnt. Die dort von Hegel vorgenommene Darlegung der drei geschichtlichen „Stellungen des Gedankens zur Objektivität" eignet sich schon aufgrund der Terminologie zur Einleitung in eine perspektivische Interpretation. Man sollte aber dabei bedenken, daß Hegel selbst ankündigt, in diesem Abschnitt „nur historisch und räsonierend" {Enz. § 25) Vorgehen zu können — ein Umstand, auf den der Verfasser um so mehr hätte hinweisen müssen, als er selbst im Verlauf seiner Darstellung auf das räsonierende, vom Verstand geprägte Verhalten zu sprechen kommt, das nicht dem begreifenden Denken Hegels entspricht (193 ff). So jedoch entbehrt die vom Verfasser zu Beginn (139) vorgenommene Ineinssetzung der „objektiven Gedanken", von denen Hegel außerhalb der Darstellung der Stellungen des Gedankens zur Objektivität spricht, mit dem „objektiven Geist", dessen geschichtliche Entfaltung der historischen Betrachtung zugrundeliegt, eines hinreichenden Fundaments in den Äußerungen Hegels. Die objektiven Gedanken sind demnach „Gestalten, in denen sich die Realität, welche die Wirklichkeit der Vernunft ist, selbst in der Perspektive eines Standpunktes darstellt, welcher derjenige des absoluten Wissens ist" (140). Diese „überlegene Perspektive" ist die des objektiven Geistes, innerhalb dessen geschichtlicher Entwicklung die „vor-läufigen Perspektiven" der betrachteten Stellungen ihren Ort haben (138). Hegel selbst wird als „Sachwalter und Wortführer" (140 u. ö.) dieses Standpunktes angesehen, demgemäß der Gegenstand der Philosophie entsprechend der übersubjektiven Vernunft als „Inbegriff von sprachlichen Inhalten" (141) zu verstehen ist. Im KANT-Kapitel hatte der Verfasser dessen Philosophie als Perspektivismus in der Grundhaltung der autarken Selbstbestimmung der Vernunft interpretiert, der den Gebrauch der naturwissenschaftlichen und der moralischen Weltperspektive nach rechtlichen Gesichtspunkten regelt. Diesen Anspruch der Vernunft auf den autarken Entwurf der Wirklichkeit sieht er bei Hegel weiterentwickelt zur „allgemein-gemeinsamen und übersubjektiven Vernunft" (138), die auch die „Sinnotwendigkeit", mit der sich ein Subjekt jeweils für eine Weltperspektive entscheidet, erfaßt (135). Die Geschichte des objektiven Geistes ist damit die „Geschichte der Veränderungen der Stellungnahmen und der ihnen eigentümlichen Perspektiven" (ebd.).

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In diesem Sinne erörtert der Verfasser die drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität; dogmatische Metaphysik, Empirismus und Kritische Philosophie, unmittelbares Wissen. In dem Abschnitt über die zweite Stellung setzt sich der Verfasser eingehender mit der Hegelschen KANxkritik auseinander und weist ihr zu Recht Simplifizierungen und Verkürzungen nach, die den grundsätzlichen Unterschied zwischen Empirismus und KANxischer Philosophie verwischen. Es wäre dabei allerdings nicht nötig gewesen, die Sache so darzustellen, als habe Hegel — was nicht der Fall ist — die Kritische Philosophie geradezu unter den Empirismus subsumiert; so kommen die Differenzierungen, die Hegel vornimmt, gar nicht zu Wort, und es wird selbst da eine „vermeintliche Frontstellung gegen KANT" gesehen, wo die Zitate diesen Sinn gar nicht hergeben (157). Die Behauptung, Hegels Philosophie beanspruche selbst im Gegensatz zur Kritischen „objektive Hin-geltung auf das Unendliche" im Sinne der vorkritischen, dogmatischen Metaphysik (ebd.), kommt in diesem Zusammenhang unerwartet und läßt sich auch kaum in Einklang mit der zu Beginn dargelegten Sprachlichkeit der Gegenstände des absoluten Wissens bringen. Von dem Resultat der Betrachtungen der Stellungen des Gedankens zur Objektivität, das der Verfasser in der „überlegenen Perspektive" sieht, die das Unendliche oder Gott nicht wie die vorläufigen Perspektiven als unmittelbare Tatsache oder bloß Vermitteltes, d. h. beweisend zu Begründendes, sondern als sich entfaltenden Geist begreift, geht er nicht zum Anfang der Logik fort, sondern beginnt mit einer neuen Erörterung des Perspektivismus bei Hegel anhand der Phänomenologie des Geistes. Das Kapitel ist also deutlich zweigeteilt, was ja auch seine Berechtigung in der Tatsache hat, daß Hegel sowohl im „Vorbegriff" als auch in der Phänomenologie dasselbe, nämlich eine Einleitung in die Logik, unternommen hat. In einer früheren Schrift Einführung in die Metaphysik hatte der Verfasser schon ausgehend vom BUd des Dialogs eine perspektivische Deutung der Phänomenologie vorgenommen, hier hebt er mit einer Definition von Dialektik an, die beide Momente des Aufhebens einschließt: „Dialektik ist. . . als Methode der Bewegung zu verstehen, in welcher der Erkennende widerstreitende, einseitige Perspektiven von einem höheren Standpunkt aus zur Einheit des Büdes vom ganzen Gegenstände bringt"; damit ist sie zugleich „die Methode der Bewegung des Denkens, welches von einem Stand und seiner Perspektive aus zu einem höheren Stand übergeht. . ." (164). So stehen sich beim Beispiel der Dialektik der sinnlichen Gewißheit die Perspektiven des Meinens und der Allgemeinheit der Sprache gegenüber, deren Widersprüchlichkeit die Einnahme eines Standpunktes erfordert, in dem die gemeinten Hier und Jetzt durch die Allgemeinheit vermittelt sind. In die Betrachtung der Phänomenologie schiebt der Verfasser einen „perspektivischen Vergleich zwischen den Dialektikkonzeptionen KANTS und Hegels" ein (168 ff). Eindeutiger als dieser Vergleich ist die Abgrenzung beider Konzeptionen vom „relativistischen" oder „trivialen" Perspektivismus, der sich bei den Sophisten findet. Während dieser verschiedene Perspektiven beliebig gelten läßt, kommt im wahren Perspektivismus „statt Beliebigkeit des Point de Vue die Not-

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Wendigkeit der Perspektivenwahl und dadurch eine den widersprechenden Perspektiven gemeinsame Logik in den Blick" (173). In der Dialektik der Wahrnehmung, die das , Insofern' an die Widersprüche heranträgt, sieht dies der Verfasser erläutert. Hierbei muß er zwar eingestehen, daß Hegel von einem Widerspruch in ein und derselben Hinsicht spricht (175), jedoch hält er demgegenüber an der Interpretation fest, „daß der Widerspruch durch widersprechende Perspektiven zustandekommt", die aber im Unterschied zum trivialen Perspektivismus „mit Notwendigkeit aus einem einigen Denkakt entspringen" (ebd.). Die perspektivische Deutung der Dialektik setzt der Verfasser am Beispiel von Herr und Knecht fort. Da es hier um die Wahrheit des Selbstbewußtseins geht, treten die Perspektiven in Form der „Rolle", die das Subjekt von sich entwirft, und des „Rollenbildes", das die anderen Personen als die Realität ihm zumuten, auf (176). Ergebnis dieser vom Verfasser überzeugend dargestellten Dialektik ist zunächst dem Hegelschen Gedankengang noch im weitesten Sinne entsprechend die Perspektive des Allgemeinen und Gemeinsamen, des ,Wir'. Ganz aus eigenen Stücken aber leitet der Verfasser dann direkt vom Knecht den Bürger in einer Rechtsgemeinschaft ab. Der „Stand des Rechts" hat innerhalb der Phänomenologie einen anderen Platz, und darauf kommt der Verfasser auch weiter unten zu sprechen, ohne jedoch eine Bemerkung zu dieser doppelten Stellung zu machen (187). Bevor der Verfasser zu weiteren Beispielen aus der Phänomenologie übergeht, erläutert er den Gang der Erfahrung des Bewußtseins, den notwendigen Fortschritt zu höheren Stufen bis zum absoluten Wissen. Dieser Gang, seine Notwendigkeit und die „Logik dieser Bewegung" zeigt sich dem „Phänomenologen des Geistes", der auf der höchsten Stufe über die höchste Perspektive verfügt, „in welcher sich der Wissende als Selbstbewußtsein des vollendeten Geistes erkennt", und der in der Erinnerung die Bewegung des Denkens nachvoUzieht (184 f). Für uns, die Leser, die ebenfalls über diese Perspektive verfügen, zeigt sich darin die Notwendigkeit in der Weise, daß das Bewußtsein, das sich noch auf dem Wege befindet, in der Erfahrung der Widersprüchlichkeit subjektiver Perspektiven jeweils zur Einnahme eines höheren Standes genötigt wird (186). Es ist zu bemerken, daß in der bisherigen Darstellung des Verfassers bei keinem der von ihm herausgegriffenen Beispiele der Fortschritt von Stufe zu Stufe aufgezeigt wurde. So wurde z. B. die Dialektik der sinnlichen Gewißheit vorangetrieben bis zum vermittelten Unmittelbaren, aber der Übergang zur Stufe der Wahrnehmung, in der das Bewußtsein in eine neue Unmittelbarkeit und Einseitigkeit zurückfällt, blieb außerhalb der Betrachtung. Die überlegene Perspektive, von der der Verfasser dabei sprach, war die unsrige, nicht die der folgenden Stufe der ,Wahrnehmung', die er in einem neuen Beispiel ohne Zusammenhang aufgreift. Die Notwendigkeit des Fortschreitens wird, wie sich in den folgenden Beispielen der Stufen der Sittlichkeit und der Aufklärung zeigt, durch die Einführung des Phänomenologen, dessen Perspektive „mit der allgemeinen, ihm vom objektiven Geiste zugemuteten Perspektive übereinstimmt" (185), von außen an die Erfahrung des Bewußtseins herangebracht. Zwar wird der Gedanke der „Umkehrung des Be-

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wußtseins", wie ihn Hegel in der Einleitung entwickelt hat, treffend rekapituliert, doch sogleich unter die mit ihm unvereinbare perspektivische Vorstellung gestellt, daß der neue Gegenstand des Bewußtseins aus dem „Bedürfnis nach Sinnerfüllung" enfsfeht (190 f). Hätte der Gedanke der Umkehrung des Bewußtseins durch unsere ,Zutat' einen angemessenen Stellenwert in der Interpretation des Verfassers erhalten, so hätte sie sich von vorneherein auf zwei Perspektiven konzentrieren müssen, nämlich ,unsere' Perspektive und die des betrachteten Bewußtseins, bei dem sich nicht die Perspektive, sondern der Gegenstand ändert. Der ,wissenden' Perspektive entspricht der spekulative Satz, von dem der Verfasser ebenfalls eine perspektivische Deutung gibt (193 ff): Im Gegensafz zum räsonierenden Verstand verändert das begreifende Denken im Übergang vom Subjekt zum Prädikat des Urteils seine Stellung; es findet eine Umkehr der Perspektive von der Ausrichtung auf den Gegenstand hin zu einer Wendung zurück zum Denkenden und Sprechenden statt, wobei zugleich eine höhere Perspektive eingenommen wird, denn mit diesem „invertierenden" Charakter des Satzes kommt die Bedeutung des perspektivischen Sinns des Prädikats für den Denkenden zur Sprache. Indem der Verfasser die in sich zurückkehrende Bewegung dieses Satzes mit dem im ersten Kapitel erörterten symbolischen Charakter philosophischer Aussagen bei KANT gleichsetzt, kann die Identität des spekulativen Satzes nur darin liegen, daß der Denkende in ihm „seine Sinnbefriedigung erfährt" (197 f). Dadurch, daß Hegel damit das Unendliche nicht wie KANT bloß als Regulativ, sondern als „gegenwärtige Wirklichkeit" faßt, hebt er „in perspektivistischer Sprache im absoluten Wissen den Perspektivismus auf" (200). (Ersf durch NIETZSCHE wird, ausgehend vom Nihilismus, die „Ereiheit der perspektivistischen Sinnwahl" (ebd.) dem Individuum zurückgegeben, womit die Beziehung zum letzten Kapitel des Buchs angegeben ist.) Dieses Resultat der Erörterung des spekulativen Satzes wird abschließend durch eine Betrachtung der Dialektik der moralischen Weltanschauung in der Phänomenologie erläutert, in der Hegel die KANTische Lehre von den Postulaten der praktischen Vernunft kritisiert. Dabei hat der Verfasser nicht die Kritik im Auge, sondern er parallelisiert die ,Verstellung', die das Bewußtsein der moralischen Weltanschauung im Widerspruch von Postulaten und wirklicher Handlung vornimmt, mit der „Umstellung von einer Perspektive zur anderen" beim spekulativen Satz (207). Es ist klar, daß bei einer solchen Gleichstellung des Spekulativen mit der Bewegung von Perspektiven, mit denen es nach Hegels Worten dem Bewußtsein ,nicht Ernst ist', die Hegelsche Philosophie der Geschichte eines mit „Sinnotwendigkeit" fortschreitenden objektiven Geistes zum Opfer fällt: „Der Sinnanspruch des denkenden und handelnden Menschen hat sich durch die Perspektive dieser Gegenwart der Vernunft in der jeweiligen Wirklichkeit, deren Absolutheitsanspruch bei Hegel zum Dogmatismus zurücklenkt, faktisch nicht befriedigen lassen." (209) Und es ist ebenso folgerichtig, daß dann NIETZSCHE mit der Relativierung der Wahrheit auf die jeweilige geschichtliche Gegenwart diesem Anspruch perspektivistischer Philosophie

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besser gerecht wird. „Der Nihilismus ist die Widerlegung Hegels durch seinen eigenen objektiven Geist." (ebd.) Zusammenfassend kann man feststellen, daß es dem Verfasser trotz mancher scharfsinnigen Gedankenführung nicht gelungen ist, mit seiner Darstellung der Hegelschen Philosophie als „Konzept des Perspektivismus" zu überzeugen. Daß die Unterschiedlichkeit von Perspektiven bei Hegel eine große Rolle spielt und daß eine perspektivische Betrachtung Hegelscher Aussagen bisweilen sehr erhellend sein kann, sei unbestritten und wurde vom Verfasser auch hinreichend bewiesen. Daß aber die Hegelsche Philosophie als solche eine perspektivische, daß „der Sache, nicht dem Worte nach . . . das Prinzip Perspektive in allen Aussagen des Dialektikers Hegel gegenwärtig" sei (164), konnte der Verfasser nicht behaupten, ohne ihr in erheblichem Maße Gewalt anzutun. Dies wird besonders deutlich, wenn er die Aufhebung aller Perspektivität im absoluten Wissen gleichsam als ein Scheitern der perspektivischen Konzeption Hegels hinstellt, anstatt sie als Intention ernst zu nehmen. Da die Philosophie Hegels sich einer solchen perspektivischen Deutung grundsätzlich verschließt, fällt das Hegel-Kapitel nicht nur vom Umfang her am schwächsfen aus. Der Leser, der nichf nur an einer Hegelinferpretation interessierf ist, sollte sich jedoch nicht von der Lektüre des Buchs abhalten lassen, dessen beide andere Kapitel, vor allem die hervorragende NiETZSCHE-Darstellung, den Mangel mehr als wettmachen. Darüber hinaus bietet die hier dargelegte Philosophie des Perspektivismus einen interessanten Beitrag zur Diskussion um das Verhältnis von moralischer und naturwissenschaftlicher Weltanschauung. Matthias Koßler (Mainz)

Walter Simonis: Gott in Welt. Umrisse christlicher Gotteslehre. St. Ottilien: Eos Verlag 1988. 391 S. Die christliche Dogmatik sieht heute — wie schon PASCAL formulierte — die Notwendigkeit, vom Gott der Philosophen zurückzugehen zu dem Gott der Bibel, der sich in der Geschichte offenbart. Kann man jedoch zweitausend Jahre dogmatischer Arbeit überspringen? Diese Arbeit muß vielmehr neu interpretiert werden, da sie ja auch heute noch prägend bleibt. Bei dieser neuen Interpretation muß neben der Kontinuität und Identität (oder gar dem Fortschritt) die Diskontinuität und Differenz betont werden. Eine Aufgabe dabei isf es, jene „Metaphysizierung Gottes" wieder aufzuheben, die in der scholastischen Theologie festgeschrieben wurde (16). So beendet der Verfasser eine Geschichte der christlichen Dogmatik mit einem Kapitel über Hegels Trinitätslehre: nicht, weil Hegels Trinitätskonzept eine „echte Möglichkeit" biete, sondern deshalb, weil gerade „die Hegelsche Interpretation von Trinität die Notwendigkeit zutage bringt, daß

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Theologie sich in ihrem Sprechen und Denken von Gott wieder auf das Fundament begibt, welches in der Offenbarung Gottes durch Jesus Christus gelegt worden ist" (17). Der Verfasser beginnt mit der Frühschrift des PAULUS, dem ersten Thessalonicherbrief; in den späteren Briefen des Apostels findet er dann z. B. die Lehre von der Praeexistenz Christi. Diese Lehre erscheint uns heute als schwer rezipierbar, aber sie gerade gab den Anstoß für die Trinitätsspekulationen. Das Kapitel über Hegel ist das achte Kapitel am Ende einer Reihe von Ausführungen über das Neue Testament, die Kirchenväter und die mittelalterlichen Theologen (125—145: „Die Vollendung der metaphysischen Theologie in Hegels trinitätstheologischem Denken"). Der Verfasser verzichtet auf den Aufweis, wie Hegel aus dem frühen Gespräch mit HöLDERLIN und der bleibenden Kontroverse mit SCHLEIERMACHER zur Trinitätsspekulation kam. Er kommt zu Behauptungen, die so undifferenziert kaum haltbar sind, z. B. zu der These, Hegel habe den alttestamentüchen Glauben bleibend als sinnlosen Legalismus abgelehnt (132). Hegels Gedanken werden zurückgeführt auf die Parakletvorstellung, die erst in die Redaktion des Johannesevangeliums eingebracht worden sei (130, 300 f). So kann der Verfasser Hegel gerade deshalb nicht akzeptieren, weil er trinitarisch vom Geist ausgeht. „PauUnisch gedacht darf die Theologie streng genommen gar nicht trinitarisch, sondern nur binitarisch denken, denn das Pneuma ist ja nicht ein eigenes Drittes, sondern Gottes, des Vaters eigenes Wirken." (144) Der zweite Teil der Arbeit handelt entsprechend von Gottes Schöpfersein, seinem BundeswoUen und von Gott als Liebe und Mitleiden. Otto Pöggeler (Bochum)

Ulrich Bieherich: Wenn die Geschichte göttlich wäre. Rosenzweigs Auseinan-

dersetzung mit Hegel. St. OttUien: Eos Verlag 1990. 225 S. Auch Hegelforscher haben gelegentlich den Autor des Buches Stern der Erlösung für einen anderen gehalten als den Autor des wohlbekannten Werkes Hegel und der Staat. Die Bamberger katholisch-theologische Dissertation von LILRICH BIEBERiCH führt Arbeiten über ROSENZWEIG vor als Beispiel dafür, „wie fatal sich der Ausspruch ROSENZWEIGS, der Autor des Stern sei ,von anderem Kaliber' als der des Hegel und der Staat, ausgewirkt hat". Eine Liste von „kontradiktorischen" (oder nicht doch unterschiedlichen und allenfalls konträren?) „Aussagen zum Verhältnis RosENZWEiG-Hegel" soll deutlich machen, warum diese Dissertation einen anderen Weg als den Weg des sachlichen Urteils über ein Verhältnis geht: „Sie verfolgt die Bedeutung der Metapher ,Hegel' im Werk ROSENZWEIGS und ent-

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hält sich einer Beurteilung, ob ROSENZWEIG Hegel verstanden hat, ob sein Denken das alte hegelsche ersetzt oder erneuert, und wieweit sein System in hegelschen Bahnen verbleibt. "(12) So verdeutlicht das erste Kapitel zwei Thesen: „1. Die eigene Lebensdeutung ROSENZWEIGS und seine Darstellung der Biographie Hegels in Hegel und der Staat zeigen eine Übereinstimmung. 2. Die Elemente des Stern der Erlösung sind Gedanken aus der Entwicklung ROSENZWEIGS, also keine neuen Ideen, aber sie bekommen erstmals alle untereinander eine Verbindung." (13) Für viele westeuropäische Juden war GOETHE (nicht SCHILLER, nicht einmal LESSING) die verehrte vorbildliche und große Gestalt. ROSENZWEIG ließ sich von GOETHE die Einheit von „Weltanschauung" und Leben zeigen. Daß er Geschichte bei MEINECKE studierte, stimmte mit dieser Orientierung an GOETHE überein. Da FICHTE und NIETZSCHE nicht befriedigten, war es Hegel, der die Synthese von KANT oder Neukantianismus und GOETHE zeigen mußte. DILTHEYS Verweis auf den jungen und romantischen Hegel, MEINECKES Deutung des Weges von Hegel und RANKE ZU BISMARCK wurden wichtig. ROSENZWEIGS Buch Hegel und der Staat, seine verbesserte und erweiterte Dissertation, fügt die verhandelte Sache in die Biographie Hegels und die offene Geschichte ein. Der Weg des einzelnen verlangt Zukunft, und so kann die Geschichte eben nicht göttlich sein. Kann diese These, so richtig sie sein mag, heute genügen? Zu Unrecht setzt ROSENZWEIG Hegels Lebenskrise in die Frankfurter (statt Berner) Jahre; er trägt vorschnell sich und seinen Lebensweg in Hegel hinein. So versteht er nicht, daß die Frankfurter Neuorientierung an der Schönheit nicht nur Neigung und Pflicht, sondern auch den einzelnen und die Gemeinschaft, den Menschen und die Welt in Einklang zu bringen sucht. Zwar soll über Fragen der Hegelforschung nicht entschieden werden; doch fallen falsche Entscheidungen, z. B. mit der Behauptung, Hegels Bild vom Judentum sei im wesentlichen immer gleich geblieben (44). Die Phantasmen, die ROSENZWEIG und seine Nachfolger dem sog. ältesten Systemprogramm entgegengebracht haben, sind nicht vom Hegelbezug allein her verständlich. Das neue Bild von SCHELLING, wie man es sich in Heidelberg und Freiburg damals macht, war entscheidend. Das gilt auch für die Kritik, mit der LUKäCS dem Frankfurter Hegel entgegentrat, SCHELLING aber bleibend in den Irrationalismus verstieß. Ähnliche Impulse wirken sich auf diesem Weg zum Stalinismus ganz anders aus als bei ROSENZWEIG. Das zweite Kapitel „Das System" entfaltet eine dritte und vierte These: „3. Hegels Phänomenologie des Geistes, wie sie ROSENZWEIG auslegt, und die Einleitungen des Stern der Erlösung haben die gleiche Funktion für das folgende System und ähnliche Struktur. 4. Das endgültige System Hegels, wie es ROSENZWEIG in Hegel und der Staat darstellt, und das System des Stern der Erlösung sind im triadischen Aufbau gleich." (13) Natürlich muß die Frage behandelt werden, ob nicht SCHELLINGS Philosophie, neu gedeutet als erzählende Philosophie, eher als Hegel für ROSENZWEIG entscheidend gewesen sei. Doch auch über diese Frage kann man wohl endgültig erst entscheiden, wenn man den Jenaer Weg Hegel neu deutet und z. B. die falsche Datierung der Systementwürfe seit EHRENBERG korrigiert.

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Dann wird auch die Frage möglich, wie Hegels Phänomenologie mit seiner Logik verflochten ist. Das dritte Kapitel „Nach dem System" behandelt die Lehrhaustätigkeit von ROSENZWEIG, seine Krankheit und seine Übersetzungsarbeit. Bleibt trotz ROSENZWEIGS anderen Beteuerungen immer noch Hegel im Blick? Wie Hegel verabschiedet und zugleich beibehalten wird, hätte nach den verschiedenen Schritten deutlich gemacht werden müssen. Dabei wäre die lange zurückgehaltene Abhandlung Globus zu erörtern gewesen — was nicht geschieht. So kommt zu kurz, daß die Sintflut der Zeit weg von Hegels Wegen führte. Macht nicht z. B. die sog. messianische Politik die konkreten Fragen einer Politischen Philosophie unmöglich, die einmal von Hegel aufgenommen wurden? Zeigen nicht ROSENZWEIGS konkrete Äußerungen über Philosophie auch, daß ihm der Anspruch auf allgemeine Verbindlichkeit der begrifflichen Arbeit zu wenig Sorge machte? Für LEVINAS war wohl der entscheidende Anstoß für das Neue in seinem ersten Hauptwerk Totalität und Unendlichkeit der Stern der Erlösung von ROSENZWEIG; doch von der Phänomenologie her blieb die Frage nach der Begrifflichkeit stärker im Blick. Damit wurden die Anstöße, die ROSENZWEIG gab, auf ein neues Niveau gehoben. Eine andere Frage ist, ob Hegel dabei nicht in einer neuen Weise zu einem Phantom wurde (nämlich zum „französischen" Hegel vor allem der Phänomenologie des Geistes). Otto Pöggeler (Bochum)

Reinhard Mehring: Pathetisches Denken. Carl Schmitts Denkweg am Leitfaden Hegels: Katholische Grundstellung und antimarxistische Hegelstrategie. Berlin: Duncker & Humblot 1989. 250 S Der Rezensent möchte zunächst erklären, daß er diese bei WILHELM HENNIS in Freiburg angefertigte Dissertation für einen ungemein fruchtbaren Beitrag zur Aufschlüsselung des Denkens und des Werkes von CARL SCHMITT hält. Diese Anerkennung betrifft vor allem, aber nicht ausschließlich, zwei nach seiner Meinung ganz entscheidende Momente und ihren Zusammenhang bei SCHMITT: die kulturkritische Motivation, ausgeführt an der Ablehnung der modernen ökonomisch bestimmten Gesellschaft und am Beispiel WALTER RATHENAUS, und die erkenntnisstrategische Rolle des Fiktionalismus HANS VAIHINGERS (und RICHARD WAGNERS!). Da diese Momente sich bei CARL SCHMITT eher in kleinen Schriften seiner intellektuellen Jugendzeit darstellen, werden sie gewöhnlich in ihrer Bedeutung unterschätzt. Von ihnen soll hier jedoch nicht die Rede sein, sondern von der im Untertitel der Arbeit angesprochenen Hegelposition CARL SCHMITTS. Hier möchte der Rezensent Bedenken äußern, die sich in die These zusammenfassen ließen: CARL SCHMITT ist kein Hegelianer (und für das Verständnis von Hegels politischem

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Denken gibt er wenig her!). Noch einmal: die hier vorgetragene Gegenposition soll die Bedeutung dieser Arbeit für ein volles Verständnis des Denkens von CARL SCHMITT, dieses Enigmas und dieser Gorgo des politischen Denkens im deutschen Kulturkreis in einer seiner folgenreichsten und schwierigsten Epochen, nicht schmälern. Es scheint vielmehr, als ob der Verfasser zwar auf Hegelzitate SCHMITTS oder auf Strukturanalogien hinweisen kann, die bei diesem aber so auftauchen, wie er sie gerade braucht. Für die Durchführung seiner Arbeit ist der Hegelanklang bei CARL SCHMITT keineswegs so essentiell, wie er annimmt. Nun ist offenkundig, daß, im deutschen Kulturkreis zumindest, kein politisches Denken an Hegel vorbeikommt, und ebenso lassen sich bei SCHMITT zahlreiche und für die Analyse seines Denkens wichtige Bezüge zu Hegel finden. Aber wenn CARL SCHMITT Hegel den , großen Schwaben', , großen Soziologen', den , größten deutschen Staatsphilosophen' nennt, braucht das nicht mehr als Ironie zu sein, die SCHMITT ja nicht fremd war. Wie ist also zu urteilen? Dazu muß man zunächst den Bezug der deutschen juristischen Staatsrechtslehre zu Hegel klären. Leider existiert zu diesem wichtigen Thema, wenn man von HERMANN HELLERS unrichtiger Hegel-Interpretation absieht, deren Intentionen allerdings beachtet werden müßten, nur ein einziger Aufsatz von ULRICH SCHEUNER (Hegel und die deutsche Staatslehre des 19. und 20. Jahrhunderts. In: Studium Berolinense. Gedenkschrift zur 150. Wiederkehr des Gründungsjahres der Friedrich-Wühelm-Universität zu Berlin. Berlin 1960. 129 ff). Aber auch diese Darstellung ist noch unzulänglich. 1837, also kurz nach dem Tode Hegels und dem sogenannten Zusammenbruch des Deutschen Idealismus, den man in diesem Betracht als die (endgültige) Übergabe der autoritativen Formulierung der deutschen politischen Wahrnehmung von der Philosophie an die juristische Staatsrechtslehre (und die Historiographie!) bezeichnen kann, hatte der Göttinger Staatsrechtslehrer EDUARD ALBRECHT in der Besprechung eines Buches seines Kollegen ROMEO MAURENBRECHER in den ,Göttingischen Gelehrten Anzeigen' den Begriff der juristischen Person ,Staat' so bestimmt: der Staat ist „die Persönlichkeit, die . . . herrscht, handelt. Rechte hat", und er hat damit einer führenden Richtung der juristischen Staatsrechtslehre, dem formalistischen Normenpositivismus, das entscheidende Konzept geliefert. ULRICH SCHEUNER (in der oben erwähnten Abhandlung) führt dazu aus: „Liest man die seichte Besprechung ALBRECHTS ... und die Behauptung, nur das Denken des Staates als juristischer Person könne die Grundformel für eine wahrhaft staatsrechtliche Auffassung bieten, so wundert man sich, wie jemals ein so schwacher Gedanke in den Ruf einer wissenschaftlich bedeutenden Wende gelangen konnte. Es ist vermutlich der konstruktivistisch-positivistische Anklang, der ALBRECHT seinen Ruf verschafft hat." Die Lehre vom Staat als einer juristischen Person ist im 19. Jahrhundert in der Tat nichts Neues. Sie gehört längst, spätestens seit dem 18. Jahrhundert zu den allgemein akzeptierten Konzepten (U. Häfele: Die Rechtspersönlichkeit des Staates. I. Dogmengeschichtliche Darstellung. Tübingen 1959). In der Bestimmung des Staates als der „Persönlichkeit, die herrscht, handelt. Rechte hat" hat EDUARD ALBRECHT allerdings eine folgenreiche

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Erweiterung des juristischen Personencharakters des Staates vorgenommen: dieser ist nicht mehr nur bloß technisches Zuschreibungssubjekt, sondern universale Realperson mit sittlich-moralischer Rechtsnormqualität. Mit anderen Worten: ALBRECHT hatte die universalen idealen Personalitätsqualitäten des Staates bei Hegel, seinen Rechtsnormsubjektcharakter (§ 257 RPh.), staatsrechtlich positiviert. Der formalistische Normenpositivismus der deutschen juristischen Staatsrechtslehre der CARL FRIEDRICH VON GERBER und PAUL LABAND (um nur die wichtigsten Namen zu nennen) ist dieser Festlegung gefolgt, und von der tödlichen Krise, die aus dieser Struktur in dem Konzept bei GEORG JELLINECK (Allgemeine Staatslehre. 1900) ausbricht, ist das Denken von CARL SCHMITT im höchsten Maße bestimmt. Ja, man kann sagen, daß diese Problematik in die Staatsrechtslehre des 20. Jahrhunderts beherrschend eingedrungen und bei allen führenden Staatsrechtslehrern, so bei HANS KELSEN und HERMANN HELLER — zugehörig sind aber auch MAX WEBER und GEORG LUKäCS! — wirksam geworden ist. Wie kommt es zu dieser Problematik und worum handelt es sich bei ihr? Sie tritt, um sie wenigstens andeutend zu charakterisieren, in unterschiedlichen Figurationen auf, wobei stets beachtet werden muß, daß es sich um das für die deutsche politische Wahrnehmung entscheidende Konzept des Staates handelt: nämlich als Disjunktion von Sein und Sollen, Faktizität und Normativität, Legalität und Legitimität, schheßlich von Wirkhchkeit und Idee. Die ganze Problematik kann hier nicht vollständig vorgeführt werden. Statt dessen soll von einer Hegelposition ausgegangen werden, freilich einer solchen, die bereits unter der Perspektive der angezeigten Problematik anvisiert wird. Die sittliche, normativ qualifizierte Staatsidee ist bei Hegel durch und vermöge ihres Werden zu sich selbst objektiv existent - sozusagen geistes- und ideenwirklich. Wird sie staatsrechtlich positiviert — im übrigen dadurch, daß auf Grund dieser Positivierung alle staatlichen Herrschaftsakte schon als Rechtshandeln ebenso zu gelten haben wie alle staatlichen Rechtshandlungen als Herrschaftsakte —, dann fällt ihre Normativität in ihre Faktizität, und gerade das droht, jene Normativität in etwas bloß geisterhaft Fiktives und Nicht-Existentes zu verwandeln. Das würde das Staatskonzept, welches dieser ganzen Konstruktion vollkommen unentbehrlich ist und ohne welche sie Zusammenstürzen würde, absolut nichtig machen und gänzlich entleeren. Die gesamte Staatstheorie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist um dieses Problem zentriert. Hier soll es nur um jene ,Lösung' dieser entscheidenden Problematik gehen, die bei CARL SCHMITT zu finden ist. Sie ist schlicht nicht mit dem Denken von Hegel zu harmonisieren, und in diesem entscheidenden Betracht ist CARL SCHMITT niemals ein Hegelianer. Die ,Lösung', die SCHMITT für die Problematik gefunden hat, läßt sich bekanntlich mit dem Namen ,Dezisionismus' benennen. Versteht man diesen Terminus nicht einfach — wie üblich, aber falsch — polemisch, sondern analytisch, dann läßt er sich so auslegen: im Unterschied zu Hegel, dem ,Idealisten', bei dem die Idee des Staates ihre Existenz durch den Prozeß des geistigen Werden zu sich selbst zu setzen vermag, ist CARL SCHMITT ,Existentiahst'. Das will in strenger Konfrontation mit dem Konzept Hegels besagen, daß diejenige Existenz als wahr-

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haft normativ qualifizierte wirklich zu sein vermag, die auf Grund dieser ihrer bloßen Existenz die Idee zu verwirklichen vermag, als die sie existieren will (und eigentlich ist es gleichgültig, welche das nun ist, Hauptsache: sie existiert in dieser Weise), und zwar gegen und in der Vernichtung aller derjenigen Existenzen, die ihrem existentiellen Willen zu sich selbst Widerstand entgegensetzen (,Freund-Feind-Disjunktion'). Es soll hier nicht etwa diskutiert werden, ob diese Konstruktion wirklich eine ,Lösung' darstellt. Es sollte nur offensichtlich sein, daß sie mit dem Hegelschen Denken inkompatibel ist. Wie immer sich CARL SCHMITT affirmativ auf Hegel beziehen mag, in diesem entscheidenden Moment ist er sein genauer Gegenpol. Es gibt einen merkwürdigen Beleg für diese Auslegung: SCHMITTS Verständnis der marxistisch-leninistischen ,Hegelnahme'. Sicherlich ist sie für ihn illegitim. Sie ist für ihn illegitim, weil sie genau das zu realisieren versucht, was auch die Struktur des Hegelschen Denkens ist: die Verwirklichung einer Idee (der ,klassenlosen Gesellschaft') durch die normative Geistigkeit und Objektivität der Idee selbst, jedenfalls die Behauptung, es verhalte sich so, als liefe der Prozeß der Geschichte darauf hinaus. Für CARL SCHMITT ist das nichts anderes als Betrug, und er würde den Betrugsvorwurf gegen jede, eingeschlossen die Hegelsche, These richten, in der behauptet wird, es gäbe eine Idee, zu deren objektivem Sinn ihre Selbstverwirklichung gehört. Vielmehr bedarf jede Idee, wenn sie überhaupt existent werden und nicht im fiktiv Nicht-Existierenden verbleiben will, zu ihrer Verwirklichung eines existentiellen Täters, der sich zu ihrer Existenz als der ihm eigenen, also eigentlich zu sich als der selbst-tätigen Existenz, entscheidet. Und SCHMITT hätte darauf hinweisen können, daß LENINS Formel zur Verwirklichung seines Konzeptes, die knappe Formel „Wer-Wen", nichts anderes ist als sein eigenes Konzept der Freund-Feind-Disjunktion, auf der die existentielle Tat ja beruht. Die Differenz, die zwischen dem Denken Hegels und dem von CARL SCHMITT vorliegt, könnte man auch so ausdrücken: Hegel ist ein evangelischer ,Versöhnler', bei dem sich die Wirklichkeit schließlich mit der Idee auf Grund der objektiven Geistigkeit der Idee harmonisch vereint; CARL SCHMITT dagegen ist ein katholischer ,Verschärfet', bei dem der Endsieg im existentiellen Kampf durch die Vernichtung des satanischen Feindes garantiert ist. Ernst Vollrath (Köln)

Manfred Reist: Die Praxis der Freiheit. Hannah Arendts Anthropologie des Politischen. Würzburg: Königshausen und Neumann 1990. 320 S. Diese Baseler Dissertation will eine kritische Auseinandersetzung mit HANNAH ARENDT vorbereiten. Offenbar sind dem Verfasser in steigendem Maße die kritischen Vorbehalte gegen HANNAH ARENDTS Theorie deutlich geworden. So äußert das nachträglich geschriebene Vorwort die Auffassung, die radikale Demokratin

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teile zu viele Vorurteile ihrer Klasse und verbleibe in einer „elitären" Situation. Das gelte ebenso für die Kapitalismuskritik wie für ihr Verhältnis zur Frauenemanzipation. Vielleicht kommt aber über diesen Vorbehalten die Erörterung des philosophischen und politischen Kontextes der Gedanken von HANNAH ARENDT ZU kurz. Der Verfasser schreibt auf Seite 15, HANNAH ARENDT habe 1924 in Marburg ihr Studium bei HUSSERL begonnen, dessen Assistent MARTIN HEIDEGGER gewesen sei. Bekanntlich war HUSSERL nie in Marburg; daß HEIDEGGER 1924 seine Auseinandersetzung mit dem PLATONischen Spätdialog Sophistes mit einer ausführlichen Interpretation des sechsten Buches der Nikomachischen Ethik begann, war wohl die entscheidende Vorgabe für die Gedanken von HANNAH ARENDT (diese zitiert denn auch in ihrem Spätwerk über das Leben des Geistes noch eine Nachschrift dieser Vorlesung). Auf Seite 86 vermutet eine Anmerkung, die Rede von der abstrakt allgemeinen Arbeit beim frühen MARX dürfe von HEGEL stammen; verwiesen wird auf HEGELS sog. Jenaer Realphilosophie, nämlich die Vorlesungsmanuskripte von 1803/04. Diese Manuskripte zur Natur- und Geistesphilosophie wurden in der Tat von JüRGEN HABERMAS mit der Realphüosophie von 1805/ 06 konfundiert; doch MARX selbst konnte sie nicht lesen, denn sie sind erst in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts publiziert worden. Sieht man von diesen Details ab, so führt diese breite Kommentierung von HANNAH ARENDTS Buch Vita activa schnell zu den zentralen philosophischen Fragen. Für ARENDTS Verhältnis zu HEIDEGGER liegen diese darin, daß HEIDEGGER die Praxis oder das sog. Handeln immer vom Hervorbringen und so von der Poiesis als der „Dichtung" her verstand, damit nach HANNAH ARENDT gründlich mißverstand. ln der Kritik, daß die Neuzeit sich an die Arbeit und damit an die Notwendigkeiten bloßen Lebenserhalts verlor, stimmen ARENDT und der späte HEIDEGGER überein. Dem steht die Hegelsche Position (und doch wohl auch unsere wirkliche Geschichte) entgegen. Sicherlich waren die Arbeit und das Kindergebären auch für das Christentum ein Fluch nach der Vertreibung aus dem Paradies; doch haben die Benediktinermönche gezeigt, wie die Arbeit auch einen anderen Sinn bekommen könne, und daran konnten die umstrittenen Tendenzen der Neuzeit anknüpfen und die Antibanausie der Griechen überwinden. ARISTOTELES zeichnet drei Lebensweisen aus: den Genuß und die philosophische Hingabe an Theorie, dann die politische Lebensweise oder die vita activa. Man kann nicht davon absehen, daß diese Lebensweisen den Unterschied zwischen Haus und Polis zugrunde liegen haben; im Haus oder Oikos herrscht der freie Mann als „Despot" über seine Familie und das arbeitende Gesinde. So kann ARENDT die Befreiung der Sklaven und die Emanzipation der Frauen zusammensehen. Nimmt sie aber auch den Sinn der Arbeitsteilung auf, die nach Hegel mit der Ausbildung der bürgerlichen Gesellschaft etwas Neues gegenüber Familie und Staat hervorbringt? MANFRED REIST weist zu Recht darauf hin, daß HANNAH ARENDT am Ursprung der Gesellschaft aus dem Haus festhält und damit die Gesellschaft bleibend den Notwendigkeiten der Bewahrung und Weitergabe des Lebens unterworfen sieht (64). HANNAH ARENDT hat bis zu ihrem plötzlichen Tod die Auseinandersetzung mit Hegel gesucht, ohne jedoch zu einer fundierten Aneignung und Kritik zu komARENDT

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men. So kann ihre Kritik an MARX auch dessen berechtigte Motive nicht übernehmen: gestatten die sozialen Verhältnisse es wirklich allen Menschen, ihre Menschenrechte auszuüben? Nach HANNAH ARENDT verdirbt man die Politik, wenn man ihr auch die Sozialpolitik als Aufgabe zuweist: das Mehr-haben-wollen der Menschen findet kein Ende, und so verliert die Politik ihre freiheitliche Ausrichtung mit der Übernahme sozialpolitischer Aufgaben, die den Experten überlassen bleiben sollten. Zu Recht wird die Frage gestellt, ob dieser Begriff von Politik für uns heute übernehmbar sei. Entscheidend ist sicherlich die Rehabilitierung des Begriffs der Öffentlichkeit. Politik wird bei HANNAH ARENDT verbunden mit dem Versuch, Übereinstimmung und damit Regeln zu finden, obgleich das Feld des Politischen durch den steten Neubeginn und die Vielheit gekennzeichnet ist. Bezeichnend bleibt, daß HANNAH ARENDT wie RENE CHAR und MARTIN HEIDEGGER in der Liebe zu MELVILLES Roman Billy Budd übereinstimmten: der von Natur aus Gute erschlägt im Zorn spontan den Bösen, und dieses Handeln in Ausnahmesituationen wird anerkannt; die Ausnahme unterläuft im Relativieren die gefundenen Regeln. Das Verzeihenkönnen Jesu wird (wie KAFKAS Romane) rein politisch interpretiert. Ja, der Unterschied zwischen der Neuzeit und der erst beginnenden Gegenwart wird darin gesetzt, daß es jetzt auch um ein Handeln mit der Natur als Partner gehe, nicht um Unterwerfung der Natur, die zugleich eine Unterwerfung des Menschen unter natürliche Notwendigkeiten wird. Diese richtigen Gedanken bleiben freilich allzusehr Apercu, so daß die Gegenstellung zu Hegel nicht recht deutlich werden kann. Otto Pöggeler (Bochum)

Maria Bykova: War Hegel ein „schrecklicher Mensch"? Überlegungen über die Persönlichkeit des jungen Hegel. — ln: Wiener Jahrbuch für Philosophie. Wien. 22 (1990), 135-153. Über die bloße bibliographische Berichterstattung hinaus (vgl. die Aufsatz-Bibliographie in diesem Band, 271 ff), bedarf diese Abhandlung eines besonderen kritischen Hinweises. Sie stellt sich die Aufgabe und erhebt den Anspruch, einem spezifischen Mangel der Hegelliteratur abzuhelfen, vollzieht dabei aber einen eklatanten Fehltritt. Die Titelfrage setzt voraus, was die Autorin einleitend darlegt: daß es im allgemeinen Bildungsgespräch, aber auch „in manchen biographischen und quasibiographischen Hegel-Studien" gängig zu sein scheint, Hegel als eine Art Schreckgespenst, einen Menschen mit negativen Charakter-Dominanten darzustellen. Die These ist nicht unbedingt befremdlich. Trotzdem wäre eine Konkretisierung durch einige Belegstellen wünschenswert gewesen, so daß man präsent hätte, an welche bestimmten Aussagen die Verfasserin vor allem gedacht hat. Beachtens-

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wert ist ihre Bemerkung, daß sich gegenüber Hegel häufig ein „Bipolaritätsparadigma", eine Schwarz-Weiß-Mentalität Geltung verschafft, die einzelne Züge seines Persönlichkeitsbildes verabsolutiert. Solchen einseitigen Verfestigungen will die Autorin entgegentreten. Dabei ist es ihr nach eigenem Bekunden nicht um eine Apologetik Hegels zu tun. Sie sieht vielmehr ein „Motiv" ihres Aufsatzes darin, „zu einer erneuten wissenschaftlichen Diskussion über Hegels Persönlichkeit beizutragen" (137). Dieses Vorhaben ist aller Ehren wert; doch führt es sich im folgenden rasch selber ad absurdum. BYKOVA möchte sich mit ihrem Beitrag speziell auf Hegels Tübinger Periode beziehen. Hier kommt, wie ich meine, das eigentliche Motiv oder doch der eigentliche Anlaß ihrer Ausführungen zum Vorschein: die Annahme, eine erst jüngst bekanntgewordene biographische Quelle zu Hegel auswerten zu können. „Ich möchte den Leser auf Notizen im Tagebuch 1792 aufmerksam machen. Sie gehören zu Hegel, dem zweiundzwanzigjährigen Studenten des Tübinger theologischen Stifts." (138) Daß diesem Text solche Bedeutung zugemessen wird, beruht aber auf einem verhängnisvollen Irrtum. Das Tagebuchblatt ist nicht, wie unsere Autorin anmerkt, von LEMCKE/HACKENESCH in ihrem Büchlein Hegel in Tübingen (1984) editorisch „publiziert", sondern von CHRISTA HACKENESCH erdichtet und als Produkt literarischer Phantasie gleich an Ort und Stelle deklariert worden. Damit stürzt alles weitere Bemühen des vorliegenden Aufsatzes in sich zusammen. Der Versuch, die Seelenstruktur und den Motivationshorizont des nächtlichen Tagebuchschreibers durch Auslegung seiner Notizen zu erschließen sowie Einzelaussagen altbekannter biographischer Berichte zu bestätigen, zu ergänzen oder zu korrigieren, ist im vorhinein gegenstandslos. Die wissenschaftliche Diskussion über Hegels Persönlichkeit könnte nur in umgekehrter Einstellung gefördert werden, in einer kritischen Untersuchung der Erage, wieweit das erfundene Selbstzeugnis Hegels mit den gesicherten biographischen Quellen übereinsfimmt. Vgl. dazu F. NICOLIN: Legendenbildung. In: Hegel-Studien. 26 (1991), 224—228. Dort wird gezeigt, daß und mit welcher Wirkung das von HACKENESCH fingierte Blatt auch bereits an anderer Stelle im Hegelschrifttum Eingang gefunden hat, — in der Biographie von ROLF HOSFELD (1988), der der gleichen Täuschung erlegen ist. Ob M. BYKOVA die Darstellung HOSFELDS schon gekannt hat, ist nicht ersichtlich. Beide Autoren unterstreichen unbeabsichtigt, daß Quellenkritik ein vorrangiges Desiderat der biographischen Hegelforschung ist. Friedhelm NicoHn (Düsseldorf)

KURZE ANZEIGEN

G. W. F. Hegel: Het zvezen van de ßlosoßsche kritiek [Über das Wesen der philosophischen Kritik]. Einleitung, Übersetzung und Anmerkungen von Peter Jonkers. Kämpen, Kapellen: Kok Agora & DNB/Pelckmans 1990. 134 S. (Agora editie.) Das Buch enthält eine im ganzen zuverlässige und genaue Übersetzung der Einleitung in das Kritische Journal der Philosophie. In seiner Herausgeber-Einleitung bietet JONKERS zuerst eine KurzdarsteUung der Jugendschriften, dann gibt er eine kurze Geschichte des Kritischen Journals und analysiert die Hauptzüge des Wesens der philosophischen Kritik. Einige Unzuverlässigkeiten seiner Einleitung treten noch deutlicher in den Anmerkungen hervor. JONKERS gibt öfters entweder nur hegelianisierende Auskunft (zu den Themen ,Dialektik' und , Antinomie' einerseits und in den Hinweisen auf KANT und FICHTE andererseits), oder er berücksichtigt nicht das Ganze der Hegelschen Philosophie (in Beziehung auf,Konstruktion' und ,intellektuelles Anschauen') bzw. der Forschung (Hegels Systemstruktur am Anfang der Jenaer Zeit). Schade ist es auch, daß JONKERS nicht zwischen dem vermutlich ScHELLiNGschen Reflex und der Hegelschen Reflexion (GW 4.118) unterscheidet sowie daß er die Hauptproblematik des Absoluten nicht ausreichend differenziert darlegt. Lu De Vos (Löwen)

G. W. F. Hegel: Due scritti berlinesi su Solger e Humboldt [Zwei Berliner Schriften über Solger und Humboldt]. A cura di Giovanna Pinna. Napoli: Liguori 1990. 186 S. In diesem Band werden zwei Schriften Hegels aus den Jahrbüchern Jur wissenschaßliche Kritik ins Italienische übersetzt, und zwar die Rezensionen SOLGERS und W. VON HUMBOLDTS. In der Einleitung der Herausgeberin werden beide Schriften kultur- und philosophiegeschichtlich betrachtet und erläutert. (Sie gehören spezifisch in das Berliner Küma der Jahre 1820—30, sind aber auch autonom sehr be-

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deutsam. Wenn es um nicht-systematische Texte geht.) In den Texten ist es Hegel gelungen, seine äußerst kritische Stellung sowohl gegenüber der Romantik als auch gegenüber dem neu entstandenen Interesse für das indische Denken pointiert herauszustellen. Beiden Bewegungen sei nach Hegel eine drohende Neigung zum Irrationalismus gemeinsam, von der sich Hegel distanziert. Nur für SoLGER (und besonders für seinen Ironiebegriff) macht Hegel innerhalb der romantischen Bewegung eine Ausnahme, indem er SOLGERS Auffassung der Negativität als eine Überwindung der ScHELLiNGschen Identitätsphilosophie in die Richtung des eigenen Begriffs der Dialektik und des Absoluten interpretiert. Auch in dieser Hinsicht aber hebt die Herausgeberin die erhebliche Differenz sowohl zwischen der Hegelschen und der SoLGERSschen als auch zwischen dieser und der ScHLEGELschen Auffassung hervor. Maria Zinnani (Pisa)

Angelica Nuzzo: Rappresentazione e concetto nella ,logica' della Filosofia del diritto di Hegel [Vorstellung und Begriff in der ,Logik' von Hegels Rechts-

philosophie]. Napoli: Guida 1990, 172 S. Im allgemeinen haben sich die Interpreten von Hegels Philosophie des Rechts vor allem mit den historisch-politischen Aspekten und Konsequenzen dieses Werkes auseinandergesetzt. Dennoch gibt es seit einigen Jahren eine neue Interpretation dieses Werkes, die einen anderen Aspekt, nämlich die „Logik" der Philosophie des Rechts, in den Vordergrund stellt. Dieser Sichtweise folgen die jüngsten Arbeiten von ELEY, FULDA, HENRICH, KIMMERLE, DE VOS und DOVE, die sich auf Hegel selbst berufen können, der in seiner Einführung zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts bereits auf den Zusammenhang zwischen dem Systemteil des Objektiven Geistes und der Wissenschaß der Logik hingewiesen hat (vgl. Vorrede § 2; § 7 Anm.; §31, Anm.). ANGELICA Nuzzo, die sich dieser jüngsten Interpretationsdebatte anschließt, versucht, die Beziehung zwischen Logik und Rechtsphilosophie zu erhellen, indem sie die verschiedenen Bedeutungen unterscheidet, die es ermöglichen, von einer „Logik" und insbesondere von der „Logik" der Philosophie des Rechts zu sprechen. Allerdings läßt sich die „Logik" der Philosophie des Rechts nicht unmittelbar mit jener „Logik" identifizieren, die Hegels gleichnamige Wissenschaft enthält. Nach Meinung Nuzzos muß man einen solchen Zusammenhang erst herstellen, indem man versucht, einerseits die immanente „Logik" der Philosophie des Rechts herauszupräparieren sowie andererseits die Beziehung zwischen der „Logik" der Wissenschaß der Logik und der „Logik" der Philosophie des Rechts zu verdeutlichen.

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Nachdem Nuzzo diese notwendige Differenzierung und Klärung vorgenommen hat, die es erlaubt, von einer eigenständigen „Logik" der Philosophie des Rechts zu sprechen, kann sie in ihrer Analyse die beiden zuvor unterschiedenen Ebenen wieder miteinander verknüpfen, woraus das resultiert, was sie selbst als „kombinatorische Logik" bezeichnet. Hierunter versteht sie genau jene spezielle „Logik", die der Begründung der Philosophie des Rechts vorausgeht. Es sind die beiden verschiedenen, sich jedoch ergänzenden Sprachen der Vorstellung und des Begriffs, die diese „Logik" begründet. Aus diesem Grund ist es einsichtig, warum nur ein solches Verständnis der Philosophie des Rechts es erlaubt, die Begriffe der Wissenschaft der Logik mit denen der Vorstellungen der realen Gegenstände der Philosophie des Rechts zu verbinden. Auf die Darsfellung des logisch-kombinatorischen Modells bei Hegel (das dem Anschein nach sehr verschiedene Logiken enthält) folgen zwei weitere Kapitel, in denen Nuzzo die Problematik untersucht, die sich aus der Anwendung dieses logisch-kombinatorischen Modells auf das Geschehen des Objektiven Geistes und der Sittlichkeit in bezug auf die Moralität ergibt. Neben einer eigenständigen Interpretation, die Nuzzo methodisch streng durchführt, enthält ihr Buch auch einen Exkurs und eine kritische Diskussion der neueren Literatur, die sie mit einer umfangreichen Bibliographie zum Thema einer Logik der Rechtsphilosophie abschließt. Claudia Melica (Roma)

Hegels Rechtsßlosoße. Achtergronden en actualiteit [Hegels Rechtsphilosophie. Hintergründe und Aktualität]. Hrsg, von M. Keestra. Amsterdam 1990. 73 S. (Stoicheia. Jg. 5, N. 3.) Diese Themanummer einer Zeitschrift für historische Philosophie bietet eine Sammlung von Aufsätzen zu Hegels Rechtsphilosophie, ln diesen schlägt sich der Einfluß von verschiedenen Richtungen der niederländischen Hegelforschung (akademischer und außerakademischer Neuhegelianismus, HEYDE, HOLLAK, KIMMERLE, PEPERZAK, VAN DOOREN) nieder. Obwohl HEYDE über Hegels (nicht-aktuellen?) Identitätsbegriff hinaus möchte, gibt dieser Versuch ihm doch keinen Anlaß, Hegel von der Logik aus zu kritisieren. Gerade dies ist die Zielstrebung eines im Ansatz wichtigen Aufsatzes von BRONS, der eine metaphysische Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie anstrebt. Vielleicht zeigen diese beiden Aufsätze die wichtigsten Verständigungslinien der Rechtsphilosophie im niederländischen Sprachraum insgesamt: einerseits eine Aktualisierung ohne spekulative Rahmenfragen und andererseits eine spekulative Diskussion ohne unmittelbare, rechtsoder politikdoktrinäre Konsequenzen. Lu De Vos (Löwen)

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Alfred Schaefer: Die Macht der Tendenz in Hegels Rechtsphilosophie. Berlin: Berlin Verlag Arno Spitz 1990. 224 S. geht es in seinem Buch um die Vermittlung von Abstraktem der Weltgeschichte mit Konkretem, dem Interesse des Volkes oder der Individuen. Für die Beschreibung dieser Vermittlung benutzt er den Begriff der Tendenz. Die von Hegel geleistete Vereinigung dieser Gegensätze kritisiert er, orientiert an MARX' Kritik des Hegelschen Staatsrechts, weU Hegels Parallelisierung von Logik und Weltgeschichte letzten Endes mystisch sei. Für SCHAEFER sind historische Entwicklungen nicht aus einem Begriff abzuleiten, was er Hegel mit MARX vorwirft, sondern Ergebnisse geschichtsmächtig gewordener Tendenzen (vgl. 127). Historische Tendenzen, die durch die Ideen weniger ausgelöst werden, vermitteln, indem sie den Einzelwillen in den Allgemeinwillen, die jeweils herrschende Tendenz, überführen, für ihn Abstraktes mit Konkretem. Unter einer Tendenz zusammengefaßt, bestimmen letztlich die Massen den Gang der Geschichte. Gegen MARX und Hegel sieht SCHAEFER in der Weltgeschichte sowohl aufsteigende als auch absteigende Tendenzen, die sich nicht mit Notwendigkeit, sondern aus der Freiheit des menschlichen Willens ergeben. SCHAEFERS Tendenzbegriff ist für das Verständnis historischer Vorgänge interessant, nur bleibt seine Bestimmung ungenau. Das Verhältnis von Individuum oder Volk und Tendenz bleibt ungeklärt. Ein einzelner Mensch kann als Vordenker eine Tendenz auslösen, ist aber gleichzeitig Tendenzen völlig ausgeliefert. Als Beispiel dient SCHAEFER Hegel, der die monarchische Tendenz nicht überwinden konnte. Auch die Massen machen zwar, wenn auch unbewußt, Geschichte, gleichzeitig sind aber die Völker, die die Weltgeschichte bestimmen, der herrschenden Tendenz unterworfen. Auch hier wird das Verhältnis zwischen dem AusgeUefertsein an die Tendenz und den eigenen Handlungsmöglichkeiten nicht deutlich. Stefan Kyora (Dortmund) ALFRED SCHAEFER

Livio Sichirollo: Filosoßa e Istituzioni. Saggi e conferenze [Philosophie und Institutionen. Aufsätze und Vorträge]. Milano: Guerini 1990. 387 S. Wie bereits der Titel deutlich macht, stellt das Buch eine Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen SICHIROLLOS dar, die bereits bei anderer Gelegenheit veröffentlicht wurden oder noch im Druck sind. Allerdings fällt es schwer, einen durchgehenden Leitfaden zu finden, der diese Sammlung zusammenhält, die die verschiedensten Themen von der Antike über die Moderne bis zur Gegenwart behandelt. Die vielleicht interessantesten Abschnitte sind der 4. und 5. Teil, die sich mit Hegel und seiner Rezeption in Italien beschäftigen.

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Im ersten Aufsatz des 4. Abschnitts, Fede e sapere. Giobbe e gli amici. Riflessioni in tema di ßlosoßa, religione e ßlosoßa della religione in Kant e Hegel [Glauben und Wissen. Hiob und die Freunde. Reflektionen über Philosophie, Religion und Philosophie der Religion bei Kant und Hegel] stellt SICHIROLLO die Gesamtwerke KANTS und Hegels gegenüber. Aus diesem Vergleich schließt er, daß sich Hegel trotz seiner wiederholten Kritik an KANT nie von den grundsätzlichen Voraussetzungen der transzendentalen Religionsphilosophie befreit hat. Im zweiten Aufsatz über La pedagogia di Hegel [Die Pädagogik Hegels], geht SICHIROLLO den Hinweisen nach, die sich dazu in Hegels Philosophie des Rechts finden. Der dritte und letzte Aufsatz über Hegel e la rivoluzione ßrancese. II „moderno“ come problema contro il postmoderno [Hegel und die französische Revolution. Die „Moderne" als Problem der „Post-Moderne"] stellt der Verfasser einige Übereinstimmungen fest zwischen Hegels Gesellschaftstheorie und ihrer Interpretation bei MARX. Im abschließenden Teil, der die Rezeption Hegels in Italien von 1907 bis 1977 zum Thema hat, hebt SICHIROLLO die Bedeutung ANTONIO BANFIS hervor. BANFI scheint eine Mittelstellung zwischen den Interpretationen CROCES und GENTILES sowie den politischen Interpretationen Hegels der 70er Jahre einzunehmen. Damit gehört BANFI der „non-minoritaria" der italienischen Philosophie der 30er Jahre an. Nach SICHIROLLO vereinigt er in sich die marxistische Reflexion auf hegelianische Themen, die heute noch von äußerster Wichtigkeit sein sollen. Claudia Melica (Roma)

Heidi Liehu: Sören Kierkegaard's theory of stages and its relation to Hegel. Hel-

sinki: The Academic Bookstore 1990. 372 S. (Acta philosophica fennica. Bd 47.) Auf der Grundlage von KIERKEGAARDS Sicht des Menschen als Synthesis analysiert LIEHU ihre Theorie der Stadien und beleuchtet deren Verhältnis zu Hegel, besonders zur Phänomenologie des Geistes. Das Hauptaugenmerk des Buches gilt dabei dem Nachweis der These, daß KIERKEGAARDS Sicht des Menschen als Synthesis seine Theorie der Stadien bis ins Detail prägt und vor dem Hintergrund dieser Beziehung KIERKEGAARDS Philosophie als wesentlich logischer und klarer strukturiert gelten kann als bisher angenommen (vgl. 43). LIEHU stellt fest, daß KIERKEGAARD, wie Hegel in seiner Phänomenologie des Geistes, den Entwicklungsgang eines menschlichen Bewußtseins schildert. Aufgrund dieser Gleichheit und mit Hilfe der Strukturierung von KIERKEGAARDS Theorie der Stadien wird ein genauer Vergleich möglich, der zu dem Ergebnis führt, daß KIERKEGAARD genau deswegen in völliger Opposition zu

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LITERATURBERICHTE UND KRITIK

Hegel sein kann, weil die Struktur seiner Theorie der Hegels ähnlich ist. Der Hauptunterschied zwischen Hegel und KIERKEGAARD findet sich in der Möglichkeit der Vermittlung von Gegensätzen, die KIERKEGAARD nur auf der für die Existenz irrelevanten Ebene der Begriffe sieht. Es kann weder eine existentielle Vermittlung von Gott und Mensch noch eine der gegensätzlichen Eigenschaften des Menschen geben. ln KIERKEGAARDS Beschreibung des ästhetischen und des ethischen Stadiums, das für ihn ein bloßes Durchgangsstadium ist, sind Einflüsse Hegels erkennbar, die von KIERKEGAARD allerdings gegen Hegel gewendet werden. So kann die Kritik KIRKEGAARDS an dem ethischen Stadium auch als Hegelkritik gelesen werden. Erst die religiöse Sphäre unterscheidet sich völlig von Hegels Philosophie (vgl.

304). Durch ihre bis in kleinste Einzelheiten gehende Analyse gelingt LIEHU zwar ein überzeugender Nachweis für die Gültigkeit ihrer These; bei dem Vergleich mit Hegel führt diese Vorgehensweise aber dazu, daß lediglich die KiERKEGAARDsche Sicht Hegels reproduziert wird. LIEHU bleibt damit bei einer historischen Analyse des Verhältnisses KIERKEGAARDS ZU Hegel, auch wenn ihre KiERKEGAARO-Deutung eine Neubestimmung dieses Verhältnisses erlaubt. Stefan Kyora (Dortmund)

De filosofische receptie van de Franse Revolutie in Duitsland [Revolution und Philosophie. Die philosophische Rezeption der Französischen Revolution in Deutschland]. Hrsg, von Paul Cruysberghs. Leuven; Universitaire Pers 1990. 255 S. Revolutie en filosofie.

In dieser Sammlung bieten Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft ,Duits Idealisme' (KULAK-KORTRIJK) Aufsätze zur Lage der deutschen Intelligenz zur Zeit der Französischen Revolution einerseits und zur Reaktion von deutschen Philosophen (KANT, FICHTE, FR. SCHLEGEL, MARX) auf dieses historische Ereignis andererseits. A. BRAECKMAN untersucht in Intellectuele revolutie — politieke reformatie [Intellektuelle Revolution — politische Reformation] SCHELLINGS und Hegels Deutung der Französischen Revolution während der Jenaer Zeit. SCHELLINGS Philosophie, und mit ihr diejenige seines Mitarbeiters Hegels, sei als Kritik der politischen Moderne ZU betrachten. R. DEVOS bietet in Leren van de revolutie [Lernen aus der Revolution] eine Textlektüre der Gestalt ,Die absolute Freiheit und der Schrecken' aus der Phänomenologie des Geistes, die auch die Philosophie des Geistes berücksichtigt. Die philosophische Erfahrung selbst bietet als eigenständige Aktivität vielleicht die Möglichkeit, aus den geschichtlichen Ereignissen der revolutionären Jahre in Frankreich zu lernen. Lu De Vos (Löwen)

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Internationale Hölderlin-Bibliographie 1984—1988 (IHB) auf der Grundlage der Neuerwerbungen des Hölderlin-Archives der Württembergischen Landesbibliothek. Quellen und Sekundärliteratur, Rezeption und Rezensionen. Hrsg, vom Hölderlin-Archiv. Bearb. von Werner Paul Sohnle und Marianne Schütz. Begründet von Maria Köhler. Stuttgart—Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 1991. Bd 1: Erschließungsband; Bd 2: Materialband. Zus. XLII, 664 S. 1985 erschien der verdienstvolle erste Band der IHB, der die Literatur der Jahre 1804—1983 mit über 12 000 Titeln umfaßt. Hieran schließt die, 1991 publizierte, neue Ausgabe IHB 1984—1988 mit über 2 300 Titeln an. Gegenüber der ersten Ausgabe ergeben sich zwei Neuerungen. Zum einen wurde die Ausgabe in zwei Bände (Erschließungs- und Materialband) geteilt, was dem Benutzer ein umständliches Hin- und Herblättern erleichtert. Zum anderen gelang durch EDV-Unterstützung ein umfassender und spezifischer Zugang auf die im zweiten Band verzeichneten Titel. Dies erfolgte, indem eine verschiedene Fragestellungen berücksichtigende Systematisierung konstruiert wurde. So sind die Titel im Erschließungsband nicht nur alphabetisch nach Schlagworten, Personen und Titeln aufgelistet. Entwickelt wurde ein dezidiertes systematisches Schlagwortregister (ein HöLDERLiN-Thesaurus mit Ober-, Unter- und verwandten Begriffen), das nicht nur ein einzelnes Wort, sondern dessen Wortfeld umgreift (z. B. innerhalb der Gruppe „Weltbild" die Abteilung „Philosophische Theorie" mit den Stichworten: das Absolute, Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus, Ästhetik, das Aorgische, Auflösung usw. bis hin zu Zärtlichkeit, Zeit). Hierdurch wird auch ein monomanes Personenregister nochmals aufgelöst nach Themengruppen wie z. B. „Tübingen, Stift" (mit Namen wie AUTHENRIET, BARDILI, BEUERLiN, CoNZ, DIEZ, HEGEL, PLOUCQUET, SCHELLING U. a.), oder innerhalb der Gruppe „Philosophie" nach „Philosophische Quellen" (ARISTOTELES, DIOGENES LAERTIOS, EMPEDOKLES, FICHTE etc.). Der Materialband ist gegliedert nach Ausgaben, Sekundärliteratur, Rezeption und Rezensionen sowie einem Anhang der ausgewerteten Dokumente. Ersichtlich dürfte sein, daß die IHB nicht nur für die HöLDERLiN-Forschung und Literaturwissenschaft von unschätzbarer Wichtigkeit ist. Philosophische Forschungen unterschiedlichster Perspektiven, die entweder HöLDERLIN als Dichter und/oder Denker in den Blick nehmen oder z. B. von Hegel her nach dem Kontext des deutschen Idealismus fragen, haben mit der IHB ein Hilfsmittel in der Hand. Frank Völkel (Bochum)

BIBLIOGRAPHIE ABHANDLUNGEN ZUR HEGEL-FORSCHUNG 1990 Zusammenstellung und Redaktion: Andreas Großmann (Bochum)

In dieser laufend fortgesetzten Berichterstattung wird versucht, das nicht selbständig erschienene Schrifttum über Hegel, also Abhandlungen aus Zeitschriften, Sammelbänden usw. möglichst breit zu erfassen und im einzelnen durch kurze Inhaltsreferate bekanntzumachen. Die Anordnung geschieht alphabetisch nach den Namen der Autoren. Nachträge aus früheren Berichtszeiträumen sind in einem Anhang gesondert zusammengestellt. Nicht alle vorgesehenen Inhaltsreferate konnten bis zum Redaktionsschluß fertiggestellt werden. Sie werden im nächsten Band nachgeholt. Für diesen Band haben Berichte verfaßt: Edgardo Albizu (Lima), Georgia Apostolopoulou (loannina), Gabriella Baptist (Roma), Silvina Barese (Rosario), Jorge Luis Gömez (Quito), Wilfried Korngiebel (Hagen), Jeong-Im Kwon (Seoul), Barbara Markiewicz (Warszawa), Mariano de la Maza (Santiago de Chile), Claudia Melica (Roma), Vlada Müller (Berlin), Friedhelm Nicolin (Bonn), Swiatoslaw Florian Nowicki (Warszawa), Angehca Nuzzo (Firenze), Breno Onetto (Santiago de Chile), Mihäly Szivös (Budapest), Lu de Vos (Leuven), Norbert Waszek (Erlangen, Paris), sowie Wolfgang Bonsiepen, Hans-Jürgen Gawoll, Andreas Großmann, Friedrich Hogemann, Christoph Jamme, Dietmar Köhler, Hans-Christian Lucas, Helmut Schneider und Elisabeth Weisser-Lohmann vom Hegel-Archiv (Bochum). Die über Hegel arbeitenden Autoren sind freundlich eingeladen, durch Einsendung von Sonderdrucken die Berichterstattung zu erleichtern. Allen, die solche Hilfe bisher schon leisteten, sei besonders gedankt.

Kvinnens frigjoring gjennom kjaerligheten — Hegels kritikk av Platons likestiUingsforslag [Die Freistellung der Frau durch die Liebe — Hegels Kritik an Platons Gleichstellungsvorschlag]. — In: Norsk Filsofisk Tidskrift. Oslo. 25 (1990), N. 2, 83-94. AAMODT, SIDSEL:

Der Aufsatz ist die Zusammenfassung einer Magisterarbeit über H.s Theorie der Familie (Bergen 1983). Verf. stellt H.s Kritik an Platons Forderung der Gleichstellung von Mann und Frau vor, und rückt diese Kritik in den zeitgenössischen Kontext (Das moderne Verlangen nach Liebe und Romantik): Schlegel erweist sich als der Vorfahr der modernen Position. Eine Betrachtung über die Stellung der bürgerlichen Familie und die neueren Problemstellungen beschließen den Beitrag.

El desaparecer de lo eterno en st mismo. Una clave del pensamiento de Hegel [Disappearance of Eternal in itself. A Keystone of Hegel's ThinkingJ. — In: Diälogos. Rio Piedras, Puerto Rico. 25 (1990), N. 56, 81-85. ALBIZU, EDGARDO:

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BIBLIOGRAPHIE

This work shows the importance of the idea of Verschwinden in the philosophy of H. The paper has four parts; 1) Dialectic and signs. 2) Strict dialectic: to place, to knock, to disappear. 3) The transversal dialectic-semiological circle: logic, language, law. 4) Disappearance of eternal in itself: speculative keystone. — Dialectic's main operative aspects are presented as a play of logical and linguistical moments. Therein is very important the passage from Dasein to Gesetztsein, where the disappearance proves to have a fundamental function. On that speculative level, appearance (Erscheinung) is possible. „Disappearance of eternal, of operativity comprehending absolute meanings, is the leading problem of consistency in HegeTs logic. It concerns the existence of concept, the Dasein of Begriff, i. e. time, where concentrates the overmetaphysical and vivifying nature of these philosophy."

Actualidad de un tema filosöfico: el fin de la historia. Clase inaugural [Aktualität eines philosophischen Themas: das Ende der Geschichte. Antrittsvorlesung]. Mendoza (Argent.): Facultad de Filosofia y Letras, Universidad Nacional de Cuyo 1990. 22 S. ALBIZU, EDGARDO;

Hier wird die H. sehe Formel: Ende der Geschichte mit den heutigen post-modernen Auffassungen bzw. mit dem sogenannten „Endism" verglichen. Die hier dargestellte Beziehung zwischen dem „Ende der Geschichte" und dem „Ende der Philosophie" zeigt, daß die Stellung H. s nicht zu verwechseln ist mit denjenigen, die heutzutage sowohl die Vollendung der Philosophie (Heidegger) als auch die Vollendung der Freiheit als verwirklichte Tatsachen betrachten. Insbesondere werden die Interpretationen Kojeves und Fukuyamas als geltende Auslegungen der H. sehen Geschichtsphilosophie deswegen zurückgewiesen, weil sie den Sinn der Vernunft nicht begreifen können.

Hegel und die Folgen. Studien über die philosophischen Quellen der totalitären Utopie. [Polnisch.] Wroclaw 1990. 1-153.

ALEKSANDROWICZ, DARIUSZ:

Als Ausgangspunkt für die Interpretation der H.sehen Philosophie nimmt Verf. H.s Fassung des ontologischen Beweises vom Dasein Gottes. Er weist darauf hin, daß H. die Frage nach dem Dasein Gottes als die wahre Grundlage des philosophischen Denkens und wichtigstes metaphysisches Problem betrachtet. Die Verhältnisse von Gott, Absolutem und Welt wurden bei H. eine Konkretisierung Gottes, der absoluten Wahrheit. H. interessiert sich aber für den Beweis vom Dasein Gottes nicht nur um der Möglichkeit seines Erkennens, sondern um der Möglichkeit der absoluten Wahrheit selbst willen. Deshalb vertritt H.s Philosophie keinen Pantheismus. Verf. untersucht die Interpretationen der H.schen Metaphysik in der marxistischen Philosophie und Ideologie. Er skizziert dabei die Positionen von Lukäcs und Marcuse und erörtert die Grundlagen der marxistischen Gesellschaftsutopie.

Circularity of Thoeght in Hegel's Logic. — In: The Review of Metaphysics. Washington, D. C. 44 (1990/91), 95—109. BALABAN, ODED:

Verf. erblickt in der Wissenschaft der Logik eine Zirkularität hinsichtlich des Zusammenhangs von Subjekt, Prädikat und Begriff: „Wenn das Urteil die ,Fabrik (factory)' ist, in welcher Begriffe produziert werden, wie kommt es dann, daß die Begriffe dem Urteil vorausge-

Abhandlungen zur Hegel-Forschung 1990

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hen und nicht bloß in diesem in ihrer Funktion als Subjekte produziert werden?" „Wie ist es möglich, einem Subjekt ein Prädikat beizumessen, wenn das Subjekt vor der Prädikation ohne jeden Inhalt ist?" H.s eigene Weise, diese KreisUnie des Denkens mit dem Hinweis auf die erste Prädikation bzw. das erste Subjekt zu durchbrechen, erscheint Verf. widersprüchlich. Schließlich befindet Verf., daß in H.s Logik das Prädikat als das Allgemeine stets dem Individuellen vorausgehe und vorausgesetzt werde, auch eine Umkehrung dieses Verhältnisses könne die Zirkularität nicht brechen, sondern dazu sei erst eine nicht-H.sche Sicht imstande, die vom Ganzen des Wissensprozesses ausgehe.

Recht, Natur und die Frage nach den Rechten der Natur bei Hegel. — In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie. Mainz, Wiesbaden. 76 (1990), 500-509. BECCHI, PAOLO:

H.s Zurückweisung des Begriffs „Naturrecht" bedeutet keinen Bruch mit der Richtung, die Hobbes zuerst dem Naturrecht verliehen hatte. Geht man von der Unterscheidung zwischen natürlicher und rechtlicher Ordnung aus, dann steht H. s Rechtsphüosophie nicht nur in der Linie jener Tradition, sondern kann geradezu als ihre Radikalisierung betrachtet werden. Ausgehend von dieser Prämisse versucht der Beitrag jedoch zu zeigen, wie problematisch das Verhältnis zwischen Natur und Recht im Rahmen der Rechtsphilosophie ist.

La rivoluzione liberale e il rinnegato Hegel [Die liberale Revolution und der Renegat Hegel]. — In: Material! per una storia della cultura giuridica. Bologna. 20 (1990), 497—544. BECCHI, PAOLO:

Vom jüngsten Buch Domenico Losurdos ausgehend diskutiert Verf. einige Probleme, die in letzter Zeit im Mittelpunkt der H.-Forschung gestanden haben; die Rolle der Zensur bei der Veröffentlichung der Rechtsphilosophie, das Verhältnis zwischen gedruckter Fassung und Vorlesungen, die Bedeutung von H.s Kritik an der Vertragslehre und die Art, sein politisches Denken zu beurteilen. Die uns von Losurdo dargebotene Interpretation H. s bewegt sich noch im Rahmen jener langen Forschungstradition, die heute ein wenig überholt erscheint und die den Zusammenhang zwischen H. und Marx hervorzuheben versucht und sie dabei der liberalen Tradition frontal gegenüberstellt. Becchi setzt dagegen die von K.-H. Ilting aufgezeigte Richtung fort; er bemüht sich zu zeigen, wie gewinnbringend ein Vergleich H.s mit dem liberalen Denken sein kann.

Die Wurzeln der Ethik der Überzeugung. — In: Zur Rekonstruktion der praktischen Philosophie. Gedenkschrift für Karl-Heinz Ilting. Hrsg, von K.-O. Apel in Verbindung mit R. Pozzo, Stuttgart-Bad Cannstatt 1990. 550 —579. BECCHI, PAOLO:

Zunächst wird versucht, die entscheidende Rolle zu rekonstruieren, die der Begriff „Überzeugung" in einer der an philosophischen Polemiken reichsten Zeit in Deutschland gespielt hat. Sie tritt — von Kant ausgehend — in den Vordergrund der Diskussion über „Glauben und Wissen" und wird nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch relevant in der darauffolgenden Auseinandersetzung zwischen H. und Fries. H.s Kritik an Fries gestaltet sich ei-

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BIBLIOGRAPHIE

nerseits als die erste angemessene philosophische Antwort auf jene Radikalisierung der Überzeugung ün subjektivistischen Sinne, die ihre Vervollkommnung gerade in Fries gefunden hatte, und andererseits als die politische Antwort auf jene Extremisierung des politischen Kampfes, die in Sands Anschlag auf Kotzebue ausgeartet war.

Individuum und Weltgeschichte. — In: Bewußtsein und Zeitlichkeit. Ein Problemschnitt durch die Philosophie der Neuzeit. Hrsg, von Hubertus Busche, George Heffermann, Dieter Lohmar. Würzburg 1990. 89-102. BERLINGER, RUDOLPH:

Vgl. die Besprechung in diesem Band, 246 f.

Evolution and nostalgia in Hegel's theory of desire. — In: Clio. Kenosha, Wisc. 19 (1990), 367—388.

BERTHOLD-BOND, DANIEL:

H. entwickelt in der Phänomenologie des Geistes eine Theorie des Selbstbewußtseins, die eine Theorie der Begierde ist. Diese treibt das Selbstbewußtsein über jeden erreichten Zustand der Befriedigung hinaus und führt so in den Zwiespalt zwischen Erfüllung und Nichterfüllung, Wirklichkeit und Möglichkeit, den das Selbstbewußtsein immer neu zu überwinden sucht. Verf. zeigt, daß dieses dominierende Verständnis von Begierde von einem ihm entgegengesetzten begleitet wird. Das endlose Streben nach Neuerfüllung generiert die Sehnsucht nach einem vergangenen Zustand der Einheit und des Glücks. H. qualifiziert diese Sehnsucht ab und gesteht ihr kein Recht zu. Vielmehr soll in der Arbeit das endlose Streben der Begierde produktiv werden. H.s Theorie kann aber jene entgegengesetzte Tendenz (Freuds Todestrieb) nicht eliminieren.

Hegel nella storiografia. Dai „Contributi" di Arnaldo Momigliano [Hegel in der Historiographie. Aus den „Beiträgen" von Arnaldo Momigliano]. — In: II Pensiero. Roma, Urbino. N. S. 30 (1989/1990), 141-164. BONACINA,

GIOVANNI:

In der deutschen Historiographie des 19. Jahrhunderts galten Niebuhr und Humboldt in vielerlei Hinsicht als Modelle einer modernen Geschichtswissenschaft, die sich a posteriori auf die Quellen stützt, während H. vielmehr als Beispiel einer apriorischen und also eigentlich grundlosen und sogar pantheistischen und irreligiösen Auffassung der Geschichte wahrgenommen wurde. Durch Momiglianos Auseinandersetzung mit dem Problem der Geschichtsschreibung in seinen Beiträgen zur Deutung der antiken Geschichte untersucht Verf. H.s Problematik einer philosophischen Deutung der Geschichte und einer kritischen und philologischen Prüfung der geschichtlichen Dokumente, was auch im Spiegel der historiographischen Reflexion (etwa Gibbon, Montesquieu, Niebuhr, Droysen, Boeckh) reflektiert wird. In diesem Rahmen gewinnt besonders H.s Kritik an Niebuhr an Interesse.

The first chapter of HegeTs larger Logic. — In: The Owl of Minerva. Villanova, Pa. 21 (1989/1990), N. 2, 177-183. BURBIDGE, JOHN:

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The author argues that the inabiUty of critics to understand the soundness and validity of the Sein/NichtsAVerden dialectic is because they fall either to appreciate the essentiaUy motive character of thought or to follow H.'s own advice to develop a „plastic" receptivity to this naturaUy „plastic" movement of thought. Accordingly, the author defends H. by claiming that these three particulars are not merely external to one another, and thus are not really particulars at aU, but ever appearing and changing aspects of a non-viciously circular movement of their own thought determinations. The equilibrium of the circle is the next phase: Dasein.

War Hegel ein „schrecklicher Mensch"? Überlegungen über die Persönlichkeit des jungen Hegel. — In: Wiener Jahrbuch für PhUosophie. Wien. 22 (1990), 135-153. BYKOVA, MARIA:

Vgl. die Besprechung in diesem Band, 261 f.

Finalitä e idea della vita. La recezione hegeliana della teleologia di Kant [Zweckmäßigkeit und Idee des Lebens. Hegels Rezeption von Kants Teleologie]. — In: Verifiche. Trento. 19 (1990), 127-229. CHIEREGHIN, FRANCO:

Die ersten Spuren von H.s Auseinandersetzung mit Kants Teleologie finden sich bei der Diskussion der Kritik der Urteilskraß im Rahmen der Ausarbeitung von ethisch-politisch-religiösen Problemen, was u. a. zu einer Neuformulierung des Begriffs des Lebens als eines Unendlichen und zu einer Überwindung von Kants Fragestellimg führt, ln den Jenaer Schriflen äußert sich H.s spekulative Deutung besonders in der Hochschätzung von Kants Thematisierung der Einbildungskraft, von seinem jedoch bloß profilierten anschauenden Verstand, der inneren Zweckmäßigkeit und des darauf gegründeten Freiheitsbegriffs. In der Phänomenologie wird das reflektierende Urteil im Vernunftkapitel behandelt, dabei stellt sich aber die teleologische Beziehung in ihrer Äußerlichkeit als unzureichend heraus. Auch in der Wissenschaß der Logik und in der Enzyklopädie werden die Aporien des teleologischen Prozesses dargestellt und Kants dritte Antinomie sowie die subjektivistischen Grenzen seines Zweckbegriffs krifisiert. Der Zweck ist für H. das konkrete Allgemeine und das Wahre als der spekulative Schluß, der durch die Objektivität zu sich selbst zurückkehrt. Kants Begriff einer Technik der Natur wird in seiner Ambiguität anhand H.s Kritik an der äußeren Zweckmäßigkeit sowie im Lichte einer Neuanknüpfung an Aristoteles behandelt; dabei erhellt die bedeutende Stellung der Idee des Lebens im System sowie die Thematisierung des Lebendigen als Entelecheia und Selbstbewegungsprinzip einer stetigen Selbstentzweiung und Wiedereinung.

ficlairages nouveaux sur „Le plus vieux programme de Systeme de l'idealisme allemand". — In: Revue philosophique de Louvain. Louvain-la-Neuve. 88 (1990), 79—98. DEPRE, OLIVIER:

Anläßlich des Erscheinens von Mythologie der Vernunß (hrsg. v. Ch. Jamme u. H. Schneider) und F. P. Hansen, „Das älteste Systemprogramm des Deutschen Idealismus", berichtet der

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BIBLIOGRAPHIE

Verf. über die wichtigsten Etappen der Systemprogrammforschung. Hansens These wird kritisch geprüft, und es wird am Ende auf die französischen Übersetzungen des „Systemprogramms" hingewiesen.

Hegels Interpretation der Gottesbeweise. — In: Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie. Berlin. 32 (1990), 275 -318.

DIERKEN, JöRG:

Verf. erörtert (I) den religionsphilosophischen Sinngehalt der Gottesbeweise, (II) Kants Kritik des ontologischen Arguments und H.s Meta-Kritik, (III) Kosmotheologie und Ontotheologie bei Kant, (IV) H.s Vermittlung von kosmologischem und ontologischem Argument, (V) die Differenzierung von Denken und Sein als historisch-systematische Voraussetzung des ontologischen Arguments und dessen subjektivitätstheoretischen Sinngehalt, (VI) den — nach H. — ,allein wahrhaften' ontologischen Beweis und die religiöse Gestalt seines spekulativen Gehalts. Am Schluß (VII) stehen Rückfragen an das H.sche Unternehmen, die Identität von Begriff und Sein begrifflich-spekulativ zu entfalten.

Schein und Depotenzierung. Zur Interpretation des Anfangs der „Wesenslogik". — In: Hegel-Studien. Bonn. 25 (1990), 65 — 84. ELLRICH, LUTZ:

Adorno und Hegel. Ein Mißverständnis über die Sprache. — In: Das unerhört Moderne. Berliner Adorno-Tagung. Hrsg, von F. Hager und H. Pfütze. Lüneburg 1990. 28—47. ENGLISCH,

FELICITAS:

Ausgehend von der Kritik Adornos an der H. sehen Dialektik geht Verf. dem Problem der Sprache bei Adorno und H. nach. Adorno, so die Hauptthese, verkennt den wesentlich sprachlichen Charakter des H.sehen Denkens, weil er in der Einstellung der natürlichen Ontologie verharrt. Die unterschiedlichen Sprachauffassungen bei Adorno und H. bedingen andererseits ihre jeweiligen Optionen auf begriffliche Mimesis qua Konstellation bzw. die Organisation der spekulativen Reflexion zum System.

Hegel, Spengler, and the enigma of world history: progress or decline? — In: Clio. Kenosha, Wisc. 19 (1990), 331—344. FARRENKOPF, JOHN:

H.s Philosophie der Geschichte und Spenglers Untergang des Abendlandes wurden kaum miteinander verglichen, obwohl eine intellektuelle Verwandtschaft zwischen beiden Werken existiert, die auch darin zum Ausdruck kommt, daß Spengler H.s Geschichtsphilosophie explizit als gewichtige Gegenposition zu seiner bezeichnete. Neben dem grundlegenden Unterschied, daß für den einen die Geschichte als Eortschritt im Bewußtsein der Freiheit, für den andern als Verfall gedacht wird und daß der eine einem Eurozentrismus anhängt, der andere nicht, gibt es unübersehbare Gemeinsamkeiten zwischen beiden Denkern. Ihnen geht es nicht um bloße Beschreibung des Geschichtsverlaufs, sondern um dessen metaphysische Ausdeutung. Beide beschreiben Geschichte in Analogie zum organischen Wachstum, beide messen den großen Männern der Geschichte eine besondere Bedeutung zu. Bei einer

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Bewertung der verschiedenen Ansätze kommt Verf. zu dem Ergebnis, daß Spenglers Geschichtsphilosophie uns heute näher steht, da sie — insbesondere in dem späteren Werk Der Mensch und die Technik — die moderne ökologische Krise wahrgenommen hat.

C.: Hegel and Merleau-Ponty. — In: Ontology and alterity in Merleau-Ponty. Ed. by G. A. Johnsson and M. B. Smith. Evanston, 111. 1990. 142-157. FLAY, JOSEPH

Gegenüber der auf Hyppolite zurückgehenden und dann von Merleau-Ponty übernommenen Bevorzugung der Phänomenologie des Geistes, der beide eine Offenheit für die Existenz zuschreiben, versucht Verf. eine Philosophie der radikalen Andersheit auch für die Wissenschaft der Logik nachzuweisen. Zu diesem Zweck analysiert er vor allem H.s Kritik an den traditionellen Kategorien, wie sie die Lehre vom Wesen enthält. Im Unterschied zur platonisch-aristotelischen Suche nach dem unvergänglichen und dauerhaften Wesen der Dinge vermag H. zu zeigen, daß das Wesen der Wirklichkeit in der Wechselbestimmung besteht, so daß es schließlich die Kontingenz selbst ist, die die Notwendigkeit konstituiert. Daher beschränkt sich die Wissenschaß der Logik auf die Erkenntnis und das Begreifen dessen, was geworden ist, während sie die Zukunft als noch unbestimmte Andersheit offenhält. Auf diese Weise trifft sich der dynamische und ,radikale EssentiaUsmus' H.s mit dem Anliegen Merleau-Pontys, ohne für alle Zeit gültige Wahrheiten den Weg zur selbstbestimmten Konkretheit des individuellen Lebens zurückzufinden.

Hobbes dans les le^ons d'histoire de la philosophie de Hegel. — In: Thomas Hobbes. Philosophie premiere, theorie de la Science et politique. (Colloque pour le 400e anniversaire de la naissance de Thomas Hobbes.) Ed. par Y. C. Zarka et J. Bernhardt. Paris 1990. 391-412. GARNIRON, PIERRE:

Verf. untersucht die Darstellungen der Hobbesschen (hauptsächlich politischen) Philosophie, die in den verschiedenen Berliner Vorlesungen H.s zu finden sind. Die Konvergenz, die zwischen Hobbes und H. im selektiven, assimilierenden und ziemlich eliminierenden Lesen des ersteren durch den letzteren zu bemerken ist. Liegt vor allem in der Behauptung einer unmittelbaren Präsenz der AUgemeinheit der Vernunft im individuell Natürlichen, das somit ausschließlich gemacht wird: daher die wesenhafte Konfliktbestimmtheit der Menschen. Während aber bei Hobbes diese Vernünftigkeit dem Praktischen als Natürlichkeit, Sich-Selbst-Äußerlichkeit des individueUen Lebens zugeordnet ist, ist sie bei H. praktisch durch sich selbst, Selbstzweck durch ihre Einheit selbst mit der Endlichkeit, die sie aufhebt, indem sie sie aufbewahrt, und sich mithin als Geistigkeit erweist. Insofern die Vernünftigkeit von Hobbes ihn dazu führt, eine Transzendenz des Politischen in Beziehung auf die Individuen zu behaupten, erscheint diese Vernünftigkeit der H. sehen Vernünftigkeit als zum blinden Gehorsam und Despotismus führend, und geht damit nicht über den von ihr verworfenen theologischen Standpunkt hinaus. Aber diese Kritik hat eine relative Bedeutung, insofern Hobbes von H. aus einem doppelten geschichtLchen Standpunkt betrachtet wird; eigentUch geschichtlich als „Sohn seiner Zeit", und philosophiegeschichtlich als Anfang des modernen politischen Denkens.

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BIBLIOGRAPHIE

F.: Remythisierung und Öffentlichkeit. Pragmatische Aspekte der Diskussion ästhetischer Erziehung im Zeitalter der Französischen Revolution. — In: Acta Universitatis Wratislaviensis. No. 1115. Germanica Wratislaviensia. LXXX. Wroclaw 1990. 149—168. GILLE,

KLAUS

Verf. diskutiert das Problem der romantischen „Neuen Mythologie" von ihren pragmatischen Aspekten aus, d. h. im Blick auf die hinter diesem Projekt sichtbar werdende „gesamtgesellschaftliche Dimension". Mit Habermas versteht er den Ruf nach Remythisierung als Verweis auf „eine gestörte oder nicht bestehende Öffentlichkeit, die sich um gemeinsame Normen, Werte, Grundüberzeugungen herum hätte konstituieren müssen", ln diesem Zusammenhang wird auch das sog. „Älteste Systemprogramm des Deutschen Idealismus" wichtig, in dem Verf. den „pragmatischen Aspekt der ästhetischen Erziehung" dezidierter als bei Schiller ausgearbeitet sieht. Dabei wird H.s Verständnis der Französischen Revolution ebenso beleuchtet wie seine Abkehr von der Konzeption des „Systemprogramms".

Le non-etre et la negativite chez Platon et Hegel. — In: L'Enseignement Philosophique. Paris. 40 (1989/90), N. 4, 28—41. GUILLAMAUD, PATRICE:

Verf. stellt die grundlegenden Differenzen zwischen der Platonischen, dualistischen und der „monistischen" H.sehen Ontologie heraus und sucht damit zu zeigen, daß H. zu rasch und undifferenziert Platon in sein System einzugliedem versucht. Entscheidend wird in diesem Kontext die Differenz zwischen dem Platonischen Begriff des „Nicht-Seins" im Sophistes und der Bedeutung der „Negativität" als Basis einer „monistischen" Ontologie innerhalb der H. sehen Dialektik.

Hegel, Heidegger, and the Question of Art Today. — In: Research in Phenomenology. Pittsburgh. 20 (1990), 112—135. GROSSMANN, ANDREAS:

Verf. zeichnet die Entwicklung der kunsttheoretischen Konzeptionen H.s und Heideggers vergleichend nach und setzt sich dabei kritisch mit der neueren deutschen wie amerikanischen Forschung auseinander (u. a. F.-W. von Herrmann, J. Kockelmans). Am Ende des Aufsatzes stehen Überlegungen zur jeweiligen Relevanz der diskutierten Ansätze im Blick auf die Frage nach der Kunst in der modernen Welt und angesichts der Erscheinungen moderner Kunst.

Hegels Entwicklung im Hinblick auf die Vorrede der Phänomenologie des Geistes. Dargestellt an Hand von Jürgen Rollwages Habilitationsschrift ,Kommentar zur Vorrede von Hegels Phänomenologie des Geistes'. — In: Philosophisches Jahrbuch. Freiburg, München. 97 (1990), 125-146. HANSEN, FRANK-PETER: ZU

Der vorliegende Artikel referiert die unveröffentlichte Habilitationsschrift des 1977 verstorbenen J. Rollwage. Dieser sucht in seiner Interpretation der Vorrede der Phänomenologie des Geistes den Brückenschlag vom Jahre 1807 zurück zum Ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus zu schlagen. Die Vermittlung soll durch die vor kurzem aufgefundenen Jenaer Fragmente zur Einleitung in die Philosophie geschehen, die nach Rollwage in die Vorrede

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der Phänomenologie eingegangen sind. Systematisch bedeutsam ist für Rollwage H.s Rezeption des aristotelischen Bewegungsgedankens. Der entwicklungsgeschichtlichen Neuorientierung um 1805/1806 läuft eine nun einsetzende Aristoteles-Rezeption parallel.

Hegel, logic, and metaphysics. — In: Clio. Kenosha, Wisc. 19 (1990), 345-352. HARTSHORNE, CHARLES:

Mit H. vertritt Verf. den Standpunkt, daß die philosophische Wahrheit als Einheit von Gegensätzen aufzufassen ist und daß der Subjekt-Objekt-Gegensatz vom Subjekt aus aufgelöst werden muß. Allerdings sieht er sich bei der näheren Ausgestaltung dieser Annahmen in Opposition zu H. Im Unterschied zu diesem entwickelt er eine Logik der Gegensätze, die asymmetrische Oppositionen annimmt. Keineswegs stehen alle Dinge in wechselseitiger Beziehung zueinander, wie H. meint, sondern es gibt Beziehungen ohne Gegenbeziehungen. In asymmetrischen Beziehungen stehen z. B. Ursache und Wirkung, Früher und Später, Subjekt und Objekt. H. verbirgt sich in seiner Logik hinter der Unbestimmtheit der Begriffe.

G. W. F.: Phänomenologie des Geistes. A. Bewußtsein. I. Die sinnliche Gewißheit. [Griechisch.] — In: Ekphrase. Lamia. 2 (1990), 107-113. HEGEL,

Übersetzung der ersten Abschnitte dieses Kapitels, mit Vorwort und Kommentar von Demetres Tzortzopoulos.

Colloquium über Dialektik. — In: Hegel-Studien. Bonn. 25 (1990), 9-40. HEIDEGGER,

MARTIN:

W.: Bewußtsein als Staatsprinzip. — In: Bewußtsein und Zeitlichkeit. . . . Hrsg, von H. Busche [u. a.j. Würzburg 1990. 125—145. HENKE, ROLAND

Vgl. die Besprechung in diesem Band, 247 f.

Hegel als Advokat Machiavellis. — In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie. Berlin. 38 (1990), 629—638.

JAMME, CHRISTOPH:

Nach einem kurzen Überblick über Grundlinien der Rezeption von Machiavellis Principe (bei Spinoza, Herder, Jacobi) geht es wesentlich um H.s Lektüre dieser Skandalschrift. Er diskutiert ihre Thesen vor allem in der Schrift Über die Verfassung Deutschlands vor dem Hintergrund der Zersplitterung des Deutschen Reiches, dann später auch, unter etwas geänderten Vorzeichen, in der Jenaer Realphilosophie von 1805/06, in den Vorlesungen über die Weltgeschichte und in der Rechtsphilosophie.

280

BIBLIOGRAPHIE

P.: „The Appearing God" in Hegel's Phenomenology of Spirit. — In: Clio. Kenosha, Wisc. 19 (1990), 353—365.

JAMROS,

DANIEL

Interpretation des Gewissens-Kapitels der Phänomenologie des Geistes, Versuch einer Identifikation der Anspielungen H.s und Diskussion des Verhältnisses von Gewissen und Religion.

Hegel es Görögorszäg istenei [Hegel und die Götter Griechenlands]. - In: Magyar Filozöfiai Szemle. Budapest. 34 (1990), 593-606. KERENYI, KäROLY:

Verf. betont, daß H. durch die für die Vertreter der Nachwelt übriggebliebene ästhetische Beziehung den möglichen Wert der Götter Griechenlands darstellte. H. stellte in seiner Ästhetik den tautegorischen Charakter der Spitzenleistungen der antiken Kunst in den Vordergrund. Es ist sein Verdienst, daß das Interesse für die griechischen Götter ein integraler Bestandteil der Beschäftigung mit der altgriechischen Kultur wurde. Verf. resümiert, daß H.s philosophische Konzeption für die schon über viele Materialien verfügende Archäologie inskünftig besser ausgenützt werden sollte.

W. J.: A point of reconciliation between Schopenhauer and Hegel. — In: The Owl of Minerva. Villanova, Pa. 21 (1989/1990), N. 2, 167-176. KORAB-KARPOWICZ,

The author argues that H. and Schopenhauer are in limited agreement with regard to their respective philosophies of architecture. For both thinkers, architecture, more than any other art, expresses the objective consummation of human being in the world as having risen above the environment given by mere nature. For example, the building which Schopenhauer would see as a manifestation of the conquest of (natural) gravity by (humanly produced) rigidity would be seen by H. as a fitting enclosure for the human spirit, or, in other words, a building which becomes immediately symbolic of the current level of human ascendancy over nature as realized in our ideaüzed human restructuring of certain forms which were first given to us in nature. Both Schopenhauer and H. see architecture as an adequate externalization of the internal essence of humankind, whether this essence be called „will" or „spirit".

The role of historicity in man's Creative experience: A comparative analysis of the ideas of Kant, Hegel, Husserl, Heidegger, and the Hermeneutical School. — In: The moral sense and its foundational significance: Seif, person, historicity, Community. Ed. by A.-T. Tymieniecka. Dordrecht, Boston, London 1990. (Analecta Husserliana. 31.) 411-416. KULE, MAIJA:

Obwohl H. die Dialektik zwischen den objektivierten Formen des Geistes und deren transformativer Vergegenwärtigung beschrieben hat, schöpft er nicht den ganzen Reichtum der geschichtlichen Welt aus. Dies geschieht erst während des 20. Jahrhunderts, in dem die

Abhandlungen zur Hegel-Forschung 1990

281

logischen Strukturen, die H. der Geschichte unterstellte, durch die Lebensphilosophie, die Phänomenologie, den Existenzialismus und die moderne Hermeneutik verdrängt wurden.

Modernisierung des Idealismus. Die Aktualisierung von Hegels Kantkritik in Habermas' kritischer Gesellschaftstheorie. — ln: Hegel-Studien. Bonn. 25 (1990), 119-128. LöVENICH,

FRIEDHELM:

Hegel aus polnischer Sicht. Bonn. 25 (1990), 129-135. MARKIEWICZ, BARBARA:



In: Hegel-Studien.

Ancora sulla filosofia politica hegeliana: societä civile e stato tra finita e infinitä [Nochmals zu Hegels politischer Philosophie: bürgerliche Gesellschaft und Staat zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit]. — In: II Pensiero Politico. Firenze. 23 (1990), N. 1, 78—91. MARINI, GIULIANO:

In der Mitte zwischen den zwei einheitlichen Momenten der Familie und des Staates ist die bürgerliche Gesellschaft bei H. Moment der Differenz und der Teilung, aber in den Reflexionsverhältnissen zwischen Wesen und Erscheinung, Allgemeinheit und Besonderheit strebt die Spannung zur Unendlichkeit der Bildung, des Rechts und der Freiheit. Gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft wird der Staat in seinen vernünftigen und theologischen Attributen präsentiert. Aber die anscheinende Unendlichkeit des Staates ist schon im Bereich des inneren Staatsrechts und bei der Behandlung des Krieges reduziert: im Weltgericht der Weltgeschichte ist der Weltgeist der Richter über das Schicksal der Volksgeister. Besonders die Dialektik zwischen innerem, äußerem Staatsrecht und Weltgeschichte wird auch in ihrer systematischen Bedeutung untersucht, wobei erhellt, daß die Spannung zwischen Geist und Welt, moralisch-religiöser und ethischer Dimension, die H. aufzuheben gesucht hat, in ihrer bleibenden und unüberwindbaren Dynamik angesehen werden soll.

Elaborazione di temi hegeliani in Gramsci [Die Bearbeitung von Hegelschen Themen bei Gramsci]. — In: Archivio di storia della cultura. Napoli. 3 (1990), 315—338. MARINI, GIULIANO:

Verf. untersucht Gramscis Bezug auf H. besonders durch die Aufarbeitung des Marxschen und neuideaUstischen Erbes. Gegenüber H.s Gegensatz zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat und Marx' Dialektik zwischen Struktur und Überstruktur schlägt Gramsci eine Trichotomie zwischen ökonomischer Struktur, bürgerlicher Gesellschaft (als Moment des Konsensus und der kulturellen Hegemonie) und Staat (als Moment der Machtausübung) vor, was als sein origineller Beitrag angesehen werden soll. Besonders problematisiert ist der Unterschied zwischen Gramscis und H.s Auffassung der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates: wenn der ökonomische Aspekt der bürgerlichen Gesellschaft bei Gramsci im Vergleich zu Hegel eher im Hintergrund bleibt, wird das Moment der Kultur, der Hegemonie und des Ethos der bürgerlichen Gesellschaft selbst bei der Auffassung des ethischen Staates

282

BIBLIOGRAPHIE

stark betont: Gramscis Staat beruht in der Tat nicht bloß auf Macht, sondern auch auf Konsensus und Bildung, d. h. die Tradition des Marxismus und des Hegelianismus wird neu übersetzt und gedacht, wobei der Einfluß Gentiles besonders hervorgehoben wird.

La guerra e l'idealitä delle cose finite nella „Filosofia del Diritto" Hegeliana. [Der Krieg und die Idealität der endlichen Dinge in der Hegelschen „Philosophie des Rechts"]. — In: Studi Politici in onore di Luigi Firpo. A cura di Silvia Rota Ghibaudi e Franco Barcia. Vol. 3. MUano 1990. 13-24. MARINI, GIULIANO:

Ausgehend von einer Analyse des § 234 der Rechtsphilosophie untersucht Verf. H.s spekulativ-philosophische Rechtfertigung des Krieges. Unter den philosophischen Kategorien, auf die H. für seine spekulative Legitimierung des Krieges zurückgreift, sei die der Endlichkeit (der Dinge) im Verhältnis zur Unendlichkeit (der Idee) die vorherrschende, wobei H.s Argumentation hierfür an das Motiv der göttlichen Vorsehung anknüpfe und damit an die Tradition des christlichen Denkens anschließe.

Ragione e storia nel Diritto: Per un'interpretazione sistematica del § 3 della „Filosofia del Diritto" Hegeliana [Vernunft und Geschichte im Recht. Zur systematischen Interpretation von § 3 der Hegelschen „Philosophie des Rechts"]. — In: Studi in Memoria di Giovanni Tarelo. Vol. 1: Saggi storici. Milano 1990. 345—363. MARINI, GIULIANO:

Das Hauptinteresse des § 3 der Rechtsphilosophie gilt den Problemen einer philosophischen Betrachtung des Rechts. Hierbei entwickelt H. das Verhältnis der Vernunft zur Geschichte. Verf. erörtert den systematischen Standort des § 3 als „spezifischen UnterfaU" des umfassenderen Problems des Zusammenhangs zwischen Vernunft und Wirklichkeit, wie H. ihn in der Vorrede und in § 1 der Einleitung ausgeführt hat. Hierauf folgt (unter Berücksichtigung der Polemik H.s gegen die historische Rechtsschule bzw. gegen G. Hugo) die Analyse dreier Schwerpunkte des § 3: des Verhältnisses von Naturrecht (philosophischem, vernünftigem Recht) und positivem Recht; des Unterschieds zwischen philosophischer und historischer Methode; der Würdigung des römischen Rechts nach Maßgabe seiner Vernünftigkeit.

Tra Kant e Hegel: per una riaffermazione dell'antico concetto di societä civile [Zwischen Kant und Hegel: für eine Neubelebung des antiken Begriffs der bürgerlichen Gesellschaft]. — In: Teoria. Pisa. 10 (1990), 17-28. MARINI, GIULIANO:

Bei Kant ist die bürgerliche Gesellschaft noch Synonym von politischer Gesellschaft oder Staat und stellt durch Recht und Freiheit die Überwindung der Barbarei der natürlichen Gesellschaft dar, während H.s Unterscheidung zwischen bürgerlicher Gesellschaft und politischer Gesellschaft oder Staat, d. h. zwischen der Sphäre der subjektiven und der objektiven Freiheit ontologisch bedingt ist. Gegenüber den möglichen totalitären Gefahren einer solchen Unterscheidung erläutert Verf. den semantischen Reichtum des Terminus ,bürgerliche Gesellschaft' von der lateinischen Tradition her, wobei nicht nur der intersubjektive Aspekt,

Abhandlungen zur Hegel-Forschung 1990

283

sondern auch die Funktion der Zivilisation und der Kultur hervorgehoben wird. Die bürgerliche Gesellschaft ist, im Kantischen Sinne, der Bereich des phänomenalen Menschen, sie muß sich intensiv und extensiv entwickeln, aber über ihr bleibt die Gesellschaft des noumenalen Menschen, d. h. die res publica oder ecclesia noumenon.

La periodizaciön hegeliana de la historia, vertice del conflicto interne del pensiamento hegeliano [Die Hegelsche Periodisierung der Geschichte als Schwerpunkt des inneren Konflikts des Hegelschen Denkens], — In: Pensiamento. Madrid. 46 (1990), 305—332.

MAYOS SOLSONA, GONCAL:

Verf. versucht, in H.s Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte die erste und zweite Periodisierung der Weltgeschichte als eine „tiefe Evolution des H. sehen Denkens" zu verstehen. Die Trias gehört zu der letzten Periodisierung, wo die Reformation als Schwerpunkt der Weltgeschichte dem jugendlichen griechischen Ideal gegenübersteht. Verf. meint, die letzte Periodisierung gebe der griechischen Welt kein Vorrecht, um so die Reformation hervorzuheben.

La cuestiön del comienzo en la lögica de Hegel. (Crttica a la posieiön de Gadamer) [Die Frage des Anfangs in Hegels Logik. Kritik der Position Gadamers]. — In: Comunicaciones del Instituto de Filosofla. Universidad de Morön (Argent.), Facultad de Filosofla y Letras 1990. 18 S. MAZORA, M.:

In seiner Logik unterstreicht H. die Notwendigkeit, mit dem Objekt selbst anzufangen — ohne einleitende Überlegungen. Auf Grund einer wohl fragUchen Interpretation des unbestimmten Seins behauptet aber H.-G. Gadamer (Hegels Dialektik. Fünf hermeneutische Studien), daß „Sein" und „Nichts" keine Begriffe, sondern nur analytische Momente im Begriff des Werdens seien, d. h. einleitende Bedingungen der Logik. Dagegen meint Verf., daß das unbestimmte Sein ganz und gar dialektisch sei, d. i., daß es nur dialektisch zu begreifen sei. M. a. W.: obwohl als erstes und abstrakteres Moment des Begriffs dargestellt, ist Sein ebenfalls Begriff. Die Logik fängt also mit dem Sein an.

Hegel e il newtonianismo [Hegel und Newtonianismusj. — In: Verifiche. Trento. 19 (1990), 563—573.

MELICA, CLAUDIA:

Italienische, geringfügig überarbeitete Fassung des zuerst in englischer Sprache erschienenen Aufsatzes der Verf. — vgl. in diesem Band 296.

Zum Manuskript des sogenannten Systemfragments von 1800. — In: Hegel-Studien. Bonn. 25 (1990), 111—114. NICOLIN, FRIEDHELM:

Nuzzo, ANGELICA: „Begriff" und „Vorstellung" zwischen Logik und Realphilosophie bei Hegel. — In: Hegel-Studien. Bonn. 25 (1990), 41—63.

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La dignitä deU'uomo da Kant a Hegel [Die Bestimmung des Menschen von Kant bis Hegel]. — In: Rivista di Filosofia neoscolastica. Milano. 82 (1990), 256—286. PAOLINELLI, MARCO:

Verf. untersucht die „Bestimmung" des Menschen in den Werken Kants, Fichtes und H.s. Wenn man sich mit der „Bestimmung" des Menschen beschäftige, müsse man auch über das Schicksal, die Berufung und das Ziel des Menschen nachdenken. Bei Kant sei die „Bestimmung" des Menschen — besonders in der K. p. V. — das sittliche Leben, d. h. die Freiheit und die Autonomie. Diese Kantische Interpretation führe notwendigerweise zu einem bloßen Formalismus. Nur H.s „Bestimmung" des Menschen, der sich im Staat realisiere, sei die zutreffende Interpretation dieses Begriffs.

PiNKARD, TERRY: HOW Kantian was Hegel? — In: The Review of Meta-

physics. Washington, D. C. 43 (1989/90), 831—838. Kritische Auseinandersetzung mit Pippins Versuch, das H.sche Programm als eine Transformation der Kantischen Transzendentalphilosophie zu lesen, H. also gleichsam zu „transzendentahsieren" (vgl. den folgenden Titel). Die Kernthese lautet: „not only is apperception not the key to Hegel's System, but seeing it as such will blind us to the systematic features that for Hegel were so important".

B.: Hegel and Category Theory. — In: The Review of Metaphysics. Washington, D. C. 43 (1989/90), 839—848. PIPPIN, ROBERT

Während er das Kantische Unternehmen einer Ableitung der Kategorien allgemein ernstgenommen sieht, verweist Verf. hinsichtlich der H. sehen Ableitung der Kategorien bzw. von dessen Projekt einer , spekulativen Wissenschaft' als , Wissenschaft der Logik' darauf, daß dies generell als „a non-starter" beurteilt werde. Er fragt dagegen, wie eine heutige Rekonstruktion von H.s Idee einer spekulativen Logik und deren Relation zum restlichen System möglich sein könne. Verf. geht diesem Problem und der damit verbundenen zentralen Frage: „Wie Kantianisch war H.?" in wohlmeinender Auseinandersetzung mit dem Buch von T. Pinkard: H.s Dialectic: The Explanation of Possihility (Philadelphia 1988) nach.

Raya Dunayevskaya: eine humanistische Tradition des Marxismus in Amerika. — In: Hegel-Studien. Bonn. 25 (1990), 135-137.

PORTALES, GONZALO:

Desrre: an elemental passion in HegeTs ,Phenomenology'. — In: Poetics of the elements in the human condition, P.3: The elemental passions of the soul. Ed. by A.-T. Tymieniecka. Dordrecht, Boston, London 1990. (Analecta Husserliana. 28.) 193—207. RAUCH,

LEO:

H. versteht das Selbstbewußtsein in der Phänomenologie des Geistes als wesentlich durch Begierde bestimmt. Verf. interpretiert H.s Konzeption als Gegenposition zu Hobbes' Theorie, die den Menschen in seinem vorgesellschaftlichen Zustand durch Begierde und Furcht ange-

Abhandlungen zur Hegel-Forschung 1990

285

trieben sieht. In vier Punkten lassen sich beide Standpunkte vergleichen und unterscheiden: 1) Bei Hobbes gibt der Mensch das destruktive Streben der Begierde auf, folgt der Furcht, um einen gesicherten sozialen Zustand zu erreichen. Bei H. gibt einer im tödlichen Kampf der Begierden nach, opfert seine Freiheit und unterwirft sich dem Herrn als Knecht, um sein Leben zu retten. Der Knecht internalisiert und spiritualisiert aber seinen Verlust der Freiheit. 2) Nach Hobbes führt die Begierde unvermeidlich zum Kampf auf Leben und Tod, der den vorgesellschaftlichen Zustand kennzeichnet. Nach H. ist es möglich, die Begierde zu spirituaUsieren und zur Grundbestimmung des Selbstbewußtseins zu machen. 3) Bei Hobbes unterwirft sich das Individuum dem Herrscher, von dem alle kulturellen Initiativen ausgehen. Bei H. ist es das sich unterwerfende Individuum, das die kulturellen Initiativen setzt. 4) In Hobbes' vorgesellschaftlichem Zustand herrscht ein Kampf aller gegen alle. Bei H. handelt es sich um einen Zweikampf, in dem es um die Anerkennung durch den andern geht.

Sprechen und Hören. Humboldt und Hegel oder das ursprünglich dialektische Grundverhältnis. — ln: Riedel: Hören auf die Sprache. Die akroamatische Dimension der Hermeneutik. Frankfurt a. M. 1990. 50-69. RIEDEL, MANFRED:

Gegen Heideggers Kritik, Humboldt bestimme das Wesen der Sprache als Energeia, als Tätigkeit des Subjekts, verweist Verf. auf Humboldts Idee der Zweiheit. Diese führt in eine spekulative Dimension der Philosophie der Sprache, die in H.s Lehre der Vermittlung unbeachtet bleibt: die Logik „vergißt das Dialekhsche an der Sprache, das Zusammenfassen oder die synthetische Erweiterung, die das Ausgesprochene, Auszusprechende in einem Hörenden findet". Energeia ist bei Humboldt nicht im Sinne der H.sehen Werkformel als Poiesis zu denken, sondern muß wie die griechische Dynamis als Kraft zum Tun und zum Erleiden verstanden werden.

Zeit- und Naturerfahrung. — ln: Bewußtsein und Zeitlichkeit. . . . Hrsg, von H. Busche [u. a.]. Würzburg 1990. 103—124. RIEDEL, MANFRED:

Vgl. die Besprechung in diesem Band, 247.

Whitehead et Hegel. Realisme, idealisme et philosophie speculative. — In: Archives de Philosophie. Paris. 53 (1990), 261—269. ROCKMORE, TOM:

Während H. die Ergebnisse der früheren Geschichte der Philosophie in die systematische Entwicklung seines Denkens einschließen wiU, verweisen Whiteheads philosophische Auffassungen viel mehr auf die Betrachtung der Wissenschaften (und vor allem der Mathematik). Whitehead vollzieht eine gemäßigte Rückkehr auf die vorkritische Lehre der realitas objectiva (Descartes etc.), was ihn dazu führt, den Idealismus und Realismus zu beiden Gliedern einer ausschließenden Alternative zu machen. Und die Epistemologie besteht für ihn in der Bemühung, den Skeptizismus und Solipsismus zu überwinden, zu welchem der Idealismus — insbesondere der deutsche, von Kant bis H. — verurteilt würde. Aber damit habe Whitehead — trotz seiner auf die Wissenschaften erweiterten Überlegungen, und vielleicht gerade wegen dieser Erweiterung — das kritische Wesen des deutschen Idealismus nicht richtig erfaßt, was insbesondere für dieses bei H. gipfelnde und bei ihm fehlende Reflexions-

286

BIBLIOGRAPHIE

moment von Selbstbewußtsein gelte: bei der Betrachtung dieses Idealismus nehme er einen früheren, vorkritischen Standpunkt in Anspruch.

Presenza di Hegel nella filosofia gramsciana [Die Präsenz Hegels in Gramscis Philosophie]. — In: II Pensiero. Roma, Urbino. N. S. 30 (1989/1990), 165-183. ROLFINI, CRISTINA:

Wenn auch sein Bezug auf H. meistens auf indirekte Kenntnis des Werkes zurückzuführen ist, so erweist sich doch Gramscis theoretische Position in vielerlei Hinsicht als durch H.s Einfluß bestimmt. Der Verweis auf H.s Immanentismus und auf seine Geschichtsphilosophie mit der damit verbundenen Problematik der dialektischen Entwicklung hat z. B. im Rahmen des Projektes einer Reform des Marxismus eine Rolle gespielt, wobei die inzwischen stark aufgetretenen positivistischen Orientierungen durch eine Neubelebung der humanistischen Tradition des historischen Materialismus und selbst dank des begrifflichen Bezuges auf die neohegelianische Tradition kontrastiert wurden. Verf. untersucht in dieser Perspektive Gramscis Hinweise auf H. mit besonderer Berücksichtigung der Heße aus dem Gefängnis und bezüglich Themen wie H.s Auffassung des Problems der Freiheit, oder H.s Bestimmung der Aufgabe der Intellektuellen, der Funktion der politischen Parteien und des Staates.

Mysticism and Speculation. — In: Hegel-Studien. Bonn. 25 (1990), 85-98. ROTENSTREICH, NATHAN:

The master-slave dialectic in Latin America: The social criticism of Zea, Freire, and Roig. — In: The OwI of Minerva. ViUanova, Pa. 22 (1990/1991), N. 1, 5-18. SCHUTTE, OFELIA:

The author outlines three unorthodox interpretations or uses of H. which have recently become influential in Latin America. The Mexican Leopoldo Zea redefines H.s master-slave dialectic anthropologically, and specifically in terms of Latin American history, as a dialectic of past dependence and emerging independence. The Brasilian philosopher of education Paulo Freire chooses some aspects of H.'s thought as bases of ideological strategies to escape from oppression, for example, by enlightening his readers as to the contradictions in their lives. The Argentinian Arturo Andres Roig sees the ultimate Aufhebung of the master-slave dialectic as the „we" learning to believe in its own value and to assert this value as a concrete force in history. As members of national groups still wresthng with the dehumanizing effects of Eurocentric colonialism, these three thinkers all tend to emphasize the alienation of free sprrit from its world as the dominant H.ian theme in their respective social philosophies.

SoROKOS, STATHES: Dialektik des geschichtlichen Werdens: Kritische Be-

merkungen zu den Auffassungen von K. Marx und G. W. F. Hegel. [Griechisch.] — In: Epitheores e Koinonikon Ereunon. N. 79. Athen 1990. 19-27.

Abhandlungen zur Hegel-Forschung 1990

287

Die Auffassungen von H. und Marx über das geschichtliche Werden sind komplementär. Die „List der Vernunft" (H.) und die Rolle des kollekhven Bewußtseins (Marx) sind die Schlüsselpositionen und stellen die Differenz von zwei Analysen dar, deren Synthese von besonderer methodologischer Bedeutung für die Sozialwissenschaften sein kann.

STEGMAIER, WERNER:

Nietzsches Hegel-Bild. — In: Hegel-Studien. Bonn.

25 (1990), 99-110.

Die Zeitlichkeit des Lebendigen. — In: Bewußtsein und Zeitlichkeit. . . . Hrsg, von H. Busche [u. a.]. Würzburg 1990. 75- 87. STEGMAIER, WERNER:

Vgl. die Besprechung in diesem Band, 246.

Denken der Wirklichkeit. Eine sprachlich und kognitiv fundierte Theorie der Erkenntnis. Würzburg 1990. 28—51. STENGLIN, JüRGEN VON:

Nach einem historischen Teil, der zeigt, daß die Philosophie seit ihren Anfängen eine Selbstexplikahon wissenschaftlicher Erkenntnisweisen ist, gibt Verf. eine sprachkritische Interpretation von H.s Wissenschaft der Logik. Sie beginnt als diskursive Erkenntnistheorie mit der syntaktischen Urteilsform, die H. in den Kategorien von Sein und Nichts darstellt und deren semantische Deutung zum Werden führt. Bei den Reflexionsbestimmungen (Identität, Gegensatz, Widerspruch) handelt es sich um Operatoren, mit deren Hilfe man zu Prädikaten des Absoluten fortschreitet. Vor allen Dingen ist es das semantische Oppositionsverhältnis der Negation, wodurch eine Bestimmung durch andere Bestimmungen definiert wird. So ist die Wissenschaft der Logik keine Ontologie des Absoluten, sondern sie hat ihren Sinn allein darin, die Bedeutungen des metaphysischen Vokabulars aufzuklären.

Bemerkungen zu Hegels Interpretation des platonischen „Parmenides" in seinem Jenaer Skeptizismus-Aufsatz. — In: Philosophisches Jahrbuch. Freiburg, München. 97 (1990), 118—125.

TRIENES, RUDIE:

Der Skeptizismus war ein aktuelles Thema der damaligen Philosophie. H. rühmt den antiken Skeptizismus; dem modernen steht er kritisch gegenüber. Die reinste Gestalt des alten, echten Skeptizismus erblickt er in Platos Parmenides. — Wir können H. nicht mehr zustimmen, wenn er die Dialektik Platos durchweg als ein Denken interpretiert, das sich um das Widerlegen von Hypothesen bemüht.

„Templo senza Santuario" e metafisica esteriore. Determinazione e immagini della scienza nelle Vorreden della Wissenschaft der Logik di Hegel [„Tempel ohne Allerheiligstes" und äußerliche Metaphysik. Bestimmung und Bilder der Wissenschaft in Hegels Vorreden

VARNIER, GIUSEPPE:

288

BIBLIOGRAPHIE

zur Wissenschaft der Logik], — In: Annali della Facoltä di Lettere e Filosofia. Pisa. 11 (1990), 99-123. Hinsichtlich der Beziehung zwischen Sprache und Denken werden die Bilder und Metaphern in H.s Vorreden zur Wissenschaft der Logik vom Verf. thematisiert. Nach dem H.sehen Bild muß ein Volk seine Metaphysik haben, wie der Tempel sein Allerheiligstes hat. Aber die Metapher meint etwas ganz anderes: wie der Tempel der Vorstellung vom Volk entspricht, so ist auch das AllerheUigste der metaphorische Ort der Metaphysik.

,Eins und Vieles' nel pensiero di Hegel [Eins und Vieles im Denken Hegels]. — In: L'Uno e i molti [Eins und Vieles]. A cura di Virgilio Melchiorre. Milano 1990. 405—419. VERRA, VALERIO:

Verf. untersucht H.s Erörterung des Begriffspaares ,Eins und Vieles' innerhalb der Architektonik der Wissenschaft der Logik im Rahmen der Behandlung von Seinsbegriffen wie Fürsichsein, Für-eines-sein, Attraktion und Repulsion, Quantität. Die Frage nach dem Ideellen und nach der Realität gewinnt in diesem Kontext an Bedeutung, wobei auch die geschichtsphüosophischen Bezüge erläutert werden, besonders hinsichtlich der Interpretation des Atomismus.

Zum begrifflichen Aufbau und argumentativen Duktus von Hegels „Vorlesungen über die Philosophie der Religion". — In: Wiener Jahrbuch für Philosophie. Wien. 22 (1990), 115—133. WAGNER, FALK:

H.s „Begriff der Religion" hat introduktorischen Charakter: er soll „den philosophisch zu explizierenden Begriff der Religion von vornherein als Einheit von Gottesgedanke und Gottesbewußtsein" einleiten, H.s Konzeption des „Begriffs der Religion" (deren endgültige Fassung erst ab 1827 vorliegt) weist gleichwohl begriffliche Unklarheiten auf. H.s Darlegungen entsprechen eher dem „Charakter eines Vorbegriffs als dem des spekulativen Begriffs der Religion"; seine Vorlesungen über die Philosophie der Religion verfolgen in erster Linie ein bildungspraktisches Interesse: das mit den spekulativen Begriffen noch nicht vertraute Bewußtsein zum Umgang mit denselben anzuleiten. Von dem „gewöhnhehen" unterscheidet H. den spekulativ genommenen Begriff der Religion, der auf dem Begriff des sich manifesherenden Geistes und der logischen Struktur der Idee (als Einheit von Begriff und Realität, Subjektivität und Objektivität) gründet. Der spekulativ genommene Begriff weist in seiner Struktur allerdings auf den Begriff des realisierten absoluten Geistes als seine Voraussetzung. Er ist folglich als Vorgriff auf die christlich-vollendete Religion zu interpretieren. Damit erweist sich im Rückblick der Mangel als Notwendigkeit: der als Vorbegriff gefaßte Begriff der Religion impliziert den Fortgang zu den beiden anderen Hauptteüen der H.sehen Rehgionsphilosophie, zur „bestimmten Religion" (d. h. der Geschichte der posihven Religionen) und schheßlich zur „vollendeten Religion" als Repräsentation des als Idee realisierten Begriffs der Religion (d. h. als Selbstbewußtsein des absoluten Geistes), wobei der Aufbau der vollendeten christlichen Religion selbst sich als Resultat der Logik der absoluten Subjektivität zu erkennen gibt.

Abhandlungen zur Hegel-Forschung / Nachträge 1988—1989

289

Eine neue Quelle zum Studium der Hegelschen Schule. — ln: Hegel-Studien. Bonn. 25 (1990), 115—119. WASZEK, NORBERT:

Hegel and British Political Economy. — In: Chuo University Research Reports. Nr. 34. Tokyo 1990. 1—19. WASZEK, NORBERT:

öffentlicher Vortrag aus Anlaß des 200. Todestages von Adam Smith. Im ersten Teil wird H.s Auseinandersetzung mit der politischen Ökonomie Großbritanniens genetisch und systematisch rekonstruiert. Der zweite Teil vertieft diese Auseinandersetzung am Beispiel von H.s Beschäftigung mit der Arbeitsteilung.

The Stagnation of the Consciousness of Ereedom. A Challenge to Hegelianism. — In: Denken unterwegs. Philosophie im Kräftefeld sozialen und politischen Engagements. Festschrift für Heinz Kimmerle zu seinem 60. Geburtstag. Hrsg, von H. Oosterling und F. de Jong. Amsterdam 1990. 175—185. WASZEK, NORBERT:

Ausgehend von H.s Position in der Preußischen Verfassungsdebatte, die in den Zusammenhang seiner geschichtsphilosophischen These vom ,Fortschritt des Bewußtseins der Freiheit' gerückt wird, erörtert der Aufsatz am Beispiel von Eduard Gans die theoretischen Schwierigkeiten der H.sehen Schule, die aus den sich verschlechternden politischen Rahmenbedingungen erwuchsen. Besonders gewürdigt wird Gans' Lehre von der Opposition.

Nachträge aus früheren Berichtszeiträumen (1988—1989)

La naturaleza como vida en la interpretaeiön hegeliana de Aristoteles [Die Natur als Leben in der Hegelschen Auslegung von Aristoteles]. — In: Themata. Sevilla. 1989, N. 6, 9—22. ACOSTA BARROSO, INMACULADA:

Verf. in versucht, in H.s Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie und in der aristotelischen Physik eine argumentative Entsprechung zwischen Begriffen wie Natur, Bewegung, Kausalität und Selbstproduktion aufzuzeigen.

Hegelianism as the Metaphysics of Revolution. — In: Dialectics and Humanism. Warszawa. 15 (1988), N. 3—4, 129-138.

ALEKSANDROWICZ, DARIUSZ:

H.s Philosophie der Geschichte läßt sich nicht auf die ideologische Rationalisierung sozialer Umwälzungen reduzieren, sondern sie ist eine revolutionäre Metaphysik des Absoluten, derzufolge gesellschaftliche Prozesse die Eschatologie des Reichs Gottes verwirklichen. Indem Marx dieses strukturelle Modell der Geschichte übernimmt, entwickelt er eine ,Önto-Ökonomie', die die metaphysischen Probleme des Seins einer Lösung zuführen soU. Sowohl bei H. als auch bei Marx stellt die Analyse sozialer und politischer Verhältnisse le-

290

BIBLIOGRAPHIE

diglich den konkreten Aspekt eines wissenschaftlichen Systems dar, das den Sinn der Geschichte zum Bewußtsein bringt.

Hegel as Lord arrd Master. — In: Radical Philosophy. N. 50. London 1988. 19-25.

ARTHUR, CHRIS:

Unter der Hauptfrage, ob es noch möglich sei, H. für den Feminismus zu retten, untersucht Verf. H.s „sexistische" Einstellung gegenüber den Frauen. Belegt wird diese Einstellung mit H.s eigenwilliger Antigone-Deutung, welche auf der grundlegenden Dichotomie zwischen männlichem und weiblichem Gesetz basiert, der Identifikation der Mann-Frau-Beziehung mit dem Herrschaft-Knechtschaft-Verhältnis in der Phänomenologie, das vom Verf. auch auf H.s eigene Ehe angewandt wird, und schließlich der stereotypen naturrechtUchen Einschätzung der Rollen von Mann und Frau in der Phänomenologie und in der Rechtsphilosophie.

Hegel and the French Revolution. — In: Radical Phüosophy. N. 52. London 1989. 18—21.

ARTHUR, CHRIS:

Verf. untersucht H.s Philosophie der Revolution, indem er von dem Kapitel „Die absolute Freiheit und der Schrecken" in der Phänomenologie ausgeht, dann H.s Verhältnis zu Burke untersucht und schließlich bei der Rechtsphilosophie endet, wobei ein Blick auf die Marxsche Kritik nicht fehlt.

Hegel's eschatological vision: does history have a future? — In: History and Theory. Studies in the Philosophy of History. Middletown, Conn. 27 (1988), 14—29. BERTHOLD-BOND, DANIEL:

Ein zentrales Motiv H. sehen PhUosophierens ist sein Bemühen, eine teleologische Entwicklung der menschlichen Kultur von ihren Keimformen bis zu ihrer Erfüllung nachzuzeichnen. „Erfüllung" kann aber bei H. auf zweifache Weise verstanden werden: als „absolute" oder als „epochale". Verf. gibt der letzteren den Vorzug, jedoch unter dem Vorbehalt, daß keine der beiden Möglichkeiten weginterpretiert werden kann.

La pensee de Hegel selon Claude Bruaire. — In: Les fitudes Philosophiques. Paris. 1988, N. 3, 309—313.

BRUN, JEAN:

Claude Bruaire hat seine Reflexion über die Geschichte der Philosophie im Lichte des Christentums vollzogen, statt das Christentum im Lichte der Philosophie erhellen zu wollen, wie es heute viele versuchen. Er war nicht im mindesten Hegelianer. Mit Karl Barth findet er bei H. eine Frage, ein Versprechen und eine Desillusionierung; letztere wird durch dasjenige erzeugt, was Bruaire das „rationalistische Delirium" H.s nennt.

Le Dissonanze del Mondo. Rivoluzione Francese e Filosofia Tedesca tra Kant e Hegel [Die Dissonanzen der Welt. Französische RevoBODEI, REMO:

Abhandlungen zur Hegel-Forschung / Nachträge 1988—1989

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lution und deutsche Philosophie zwischen Kant und Hegel]. — In: L'Ereditä della Rivoluzione Francese. A cura di Frangois Furet. Bari 1989. 103-131. Freiheit und Terror, Vernunft und Gewalt: Den Versuch, die Spannung zwischen den theoretisch-rationellen Prinzipien der französischen Revolution und ihrer materiellen bzw. historisch-politischen Kristalhsierung auszubalancieren, spiegeln die unterschiedlichen Rezeptionsansätze der französischen Revolution in der deutschen Philosophie (Kant, Fichte, Hegel) und Literatur (Schiller, Hölderlin), die vom Verf. differenziert abgehandelt werden.

La speculation Hegelienne. — In: Revue de Theologie et de Philosophie. Lausanne. 121 (1989), 273 —289. BOURGEOIS, BERNARD:

Verf. setzt sich mit zwei gegensätzlichen Vorwürfen auseinander, die dem spekulativen Denken H.s von Linkshegelianern (Feuerbach) bzw. rechten Kritikern (Kierkegaard) entgegengebracht wurden: 1) Die Spekulation vergesse das objektive Sein der Dinge und die Erfahrung. 2) Da die Praxis sich nicht in der Vernunfttätigkeit erschöpfe, vernachlässige die Spekulation die subjektive Existenz. Die „schöpferische Freiheit in der Dialektik" suche jedoch gerade die Subjekt-Objekt-Dichotomie in der Weise zu unterlaufen, daß deren absolute Identität sich in der absoluten Differenz realisiere, insofern weder die subjektive Existenz noch die objektive Realität vernachlässigt würde.

Resurrecting Hegel to Bury Art. — In: The British Journal of Aesthetics. Oxford. 29 (1989), N. 4, 303—315. BROWN, LEE B.:

Kritische Auseinandersetzung mit der These vom Ende der Kunst in der Gestalt, die ihr Arthur Danto in Anknüpfung an H. gegeben hat.

Escepticismo e Idealismo. — In: Universitas Phüosophica. Bogota. 6 (1988), N. 11/12, 169-203. CARDONA, LUIS FERNANDO:

Verf. geht H.s Auseinandersetzung mit dem modernen anti-idealistischen Skeptizismus G. E. Schutzes nach. H.s Ausführungen im Skeptizismusaufsatz aus dem Kritischen Journal zielen darauf, das wahre innere Verhältnis des skeptischen Moments zur philosophischen Spekulation darzustellen: Eine radikale Widerlegung des Skeptizismus wird gleichbedeutend mit der Verwirklichung des Absoluten im Element des Denkens als Einheit der Vernunft und ihrer Darstellung im spekulativen bzw. absoluten Idealismus. Als Fazit seiner radikalen Widerlegung des Skeptizismus gelangt H. zu der Einsicht, der Übergang vom natürlichen Bewußtsein zur absoluten Wissenschaft sei jeweils schon der wissenschaftliche Weg; diese Idee legt H. dann auch der strukturellen und begrifflichen Konstruktion der Phänomenologie des Geistes zugrunde.

Realisme politique et normativisme dans la Philosophie du droit de Hegel. - In: Hegel-Jahrbuch 1988. Bochum 1989. 191-198. COLLIOT-THELENE, CATHERINE:

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BIBLIOGRAPHIE

F. Meinecke, und er nicht allein, behauptet, H. habe den Machiavellismus, der zwei Jahrhunderte lang nur am Rande der ethischen Welt existiert habe, in ihren Mittelpunkt gestellt. Diese Behauptung kann sich auf Äußerungen H.s in seiner Rechts- und Geschichtsphilosophie stützen. Eine gründliche Untersuchung der Frage, wie H. den Antagonismus zwischen politischem Realismus und normativer Vernunft gedacht hat, muß auf H.s Kant-Rezeption in den Grundlinien zurückgehen. H. wendet gegen Kant ein, die Trennung von Legalität und Moralität sei abstrakt; indem man sie einander entgegenstelle, trenne man sie von dem Prozeß der Weltgeschichte, von dem her sie erst ihren Sinn erhielten und der ihnen zugleich ihre Grenzen zu weise.

Abstraction and Idealization in Marx and Hegel. — In: Poznan Studies in the Philosophy of the Sciences and the Humanities. Amsterdam. 16 (1989), 61—88. CoNiGLiONE, FRANCESCO:

Nachdem Verf. die empiristische Auffassung von Abstraktion als Substraktionsprozeß von Eigenschaften dargestellt hat, wird sie mit dem Methodenverständnis H.s konfrontiert, an das sich der späte Marx in ihrem rahonalen Kern anschließt. Marx folgt der Wissenschaft der Logik insofern, als er ebenfalls ein bloß Tatsachen ordnendes Verfahren kritisiert, dem er mit H. die Methode der Idealisierung entgegensetzt, die auf eine Wesenserkenntnis der konkreten Wirklichkeit drängt. Demzufolge besitzt die authenhsche Umkehrung H.s bei Marx nicht den ontologischen Charakter, die Selbstbewegung der Idee durch die Dialektik der materiell-historischen Wirklichkeit zu subshtuieren. Vielmehr bedeutet sie eine Inversion der Methode, die nicht länger im Dienst einer spekulativen Philosophie steht, sondern auf empirische Wissenschaften wie Physik und Ökonomie angewendet wird.

O.: The Sexual Basis of Moral Life. — In: Hermeneutics and the Tradition. Ed. by Daniel O. Dahlstrom. Washington, D. C. 1988. 202-211. DAHLSTROM, DANIEL

Am Beispiel der Antigone-Interpretation aus der Phänomenologie des Geistes wird gezeigt, daß für Hegel die Sitthchkeit ursprünglich in den unterschiedlichen Geschlechterrollen gegründet ist. Obwohl sich Antigone einer einseitig weiblichen Verwirklichung der Sittlichkeit schuldig macht, folgt daraus nicht die Ideologie einer geschlechtslosen Persönlichkeit, was einen ,Schreckensstaat' zur Folge hätte. Vielmehr besteht H.s moralische Einsicht darin, daß jede exklusive Idenhfikation in der Weise aufzuheben ist, daß man die Sexualität als Schlüssel für das anfäUige Gleichgewicht zwischen Familie und Staat anerkennt.

The Discourse of Modernity: Hegel, Nietzsche, Heidegger (and Habermas). — In: Praxis International. Oxford. 8 (1988/89), 377-406. DALLMAYR, FRED:

Verf. zeichnet anhand von H., Nietzsche und Heidegger diejenigen epochalen Stadien nach, denen Der philosophische Diskurs der Moderne von Habermas eine zentrale Bedeutung zuerkennt. Zwar betont Habermas, daß H. das Projekt eines kritischen Selbstverständnisses der Moderne erneuert, indem er deren Dichotomien und Entzweiungen aufzulösen versucht. Jedoch scheitert H. letztlich, weil er die Vernunft in eine selbstgenügsame Subjekhvi-

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tat einschließt, die wesentlich theoretischen Charakter besitzt. Allerdings schwankt nach Verf. diese H.-Interpretation zwischen der subjektiven und objektiven Vernunft, wodurch Habermas eine Philosophie auseinanderreißt, deren systematische Einheit allein der metaphysisch-ontologische Begriff des Geistes gewährleistet. Da Habermas lediglich die membra disjecta bei H. angibt, kann er ihn in eine Reihe mit Nietzsche und Heidegger stellen, die alle das alternative Modell einer kommunikativen Rationalität verfehlten.

Hegel on Reference and Knowledge. — ln: Journal of the History of Philosophy. St. Louis, Miss. 26 (1988), 297—307.

DE VRIES, WILLEM;

This contribution to an on-going discussion corrects certain positions (D. W. Hamlyn, Ivan Soll, G. Plumer, M. J. Inwood) in the ,analytical' interpretation of H. In these interpretations it appears as if H. denied the possibüity of knowledge of particulars. The author shows that, on the contrary, what H. denies and aims at is the immediacy of such knowledge and he reveals how certain interpretations went wrong because of their unfamiliarity with H.ian terminology; e. g. the truth/correctness distinction. In the last section of the paper, H.'s Position is contrasted with Russell's theory of ,acquaintance'.

Gott als Geist. Theo-logik und Religionsvollzug in Hegels Religionsphilosophie. — ln: Wahrheit und Versöhnung. Hrsg, von D. Korsch u. H. Ruddies. Gütersloh 1989. 47— 72. DIERKEN, JöRG:

H.s Religionsphilosophie erhält ihr spezifisches Profil dadurch, daß sie Gottesgedanken und religiöses Verhältnis zu verschränken sucht: der Gottesgedanke wird thematisch in Relation zur Subjektivität der Religion. Geboten ist von daher, die jeweilige Bestimmtheit von Gott und Religion als durch ihr Anderes vermittelt zu begreifen. Diese Beziehung zu erhellen dient die logische Struktur ,Geist'. Sie ist Grundlage des Gottesbegriffes bei H., aber auch leitend für die H.sche Fassung des Religionsvollzuges als des Wissens der religiösen Subjektivität (Gemeinde) von Gott. Verf. entfaltet diese Problematik im Blick auf H.s Aufnahme und Deutung der Trinitätslehre und seine „Ekklesiologie". Die „vollendete" christliche Religion stellt sich H. als „onto-theologisch bestimmte Selbstexplikation Gottes" dar, die zur Gemeinde führt, „in der Gott sich selber weiß". Die religiösen Vollzüge werden von H. jedoch nur verkürzt behandelt, da für sie die Dualismen der religiösen Vorstellung gelten. Stattdessen transformiert H. die Frömmigkeit in die Sittlichkeit. So werden Religion und Sittlichkeit „untrennbare Größen" — ein Zusammenhang, der adäquat erst im „Kultus" der Philosophie begriffen wird.

The concept of Ute and organism in Hegel and Purkyne. — In: Jan Evangelista Purkyne in Science and Culture. Scientific Conference Prague, August 26—30, 1987. Praha 1988. 955—966. ENGELHARDT, DIETRICH VON;

Sowohl in der Naturphilosophie Kants als auch in der Naturphilosophie ScheUings und H.s spielt der lebendige Organismus eine zentrale Rolle; er wird als Manifestation der Freiheit in der Natur angesehen. H. arbeitete eine systematisch und empirisch entwickeltere Theorie des organischen Lebens als Schelling aus, dessen Naturphilosophie allerdings — weil früher publiziert — einen größeren Einfluß ausübte. Purkyne war mit der romanti-

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BIBLIOGRAPHIE

sehen und spekulativen Naturphilosophie vertraut, obwohl er sich als Naturwissenschaftler und nicht als Philosoph verstand. Seine kritischen Bemerkungen zur zeitgenössischen Naturphilosophie beziehen sich eher auf die romanttsche als auf die spekulative Naturphilosophie H.s. Er sieht in H.s organischer Physik eine nicht-reduktionistische Fundierung der modernen Physiologie.

alcune recenti edizioni ed interpretazioni della Rechtsphilosophie di Hegel [Über einige neue Ausgaben und Interpretationen von Hegels Rechtsphilosophie]. — In: II Cannocchiale. Roma. 13 (1989), 99-118. FABBRI BARTOLETTI, STEFANO: SU

Verf. diskutiert die Probleme der Interpretation der verschiedenen jüngsten Ausgaben von H.s Rechtsphilosophie (hrsg. von K.-H. Ilting, D. Henrich und vom Hegel-Archiv). Einwände macht Verf. besonders gegen die Ausgaben von Ilting und von Henrich geltend.

Hegel pensatore religiöse? [Hegel — ein religiöser Denker?]. — In: II Contributo. Roma. 12 (1988), 43—54. FERRERI, DINO:

Verf. verweist auf die Ambiguität im Reügionsbegriff H.s, der die Religion in der Philosophie sowohl bewahrt als auch auflöst. Die notwendige Entfremdung des Geistes findet in der Religion selbst eine Auflösung, wobei H.s Religionsbegriff in dem engeren Sinn der Religion als Moment des absoluten Geistes zu verstehen ist.

Zur Heimat Blochschen Denkens in der Hegelschen Dialektik und der Schellingschen Spätphilosophie. — In: Bloch-Almanach. Ludwigshafen. 9 (1989), 123—145. FOLKERS, HORST:

In Verf. s Darstellung tritt der Marxsche Einfluß auf das Denken Blochs zugunsten der Wirkungen H.s und Schellings in den Hintergrund. Mit der Intention, „Bloch als Etappe in der Wirkungsgeschichte der beiden Schwaben zu lesen", wird zunächst Blochs Übereinstimmung mit H. bezüglich der Dialektik als Weg oder Methode des Phüosophierens und der Auffassung der werdenden Selbsterkenntnis als begriffene Subjekt-Objektivierung herausgearbeitet, aber auch Blochs Kritik der Selbstbewegung des Begriffs und der Bestimmung des Wesens allein als Begriff bei H. skizziert. Anschheßend stellt Verf. maßgebliche Einflüsse Schellings auf Blochs ontologische Formel werdender Identität und auf sein Theorem vom „Dunkel des gelebten AugenbUcks" dar; gleichermaßen ist auch der dynamische Materialbegriff aus der frühen Naturphilosophie Schellings zentral in Blochs Entwurf einer unfertigen Welt eingegangen.

GOLDSTEIN, LEON J. :

Force and the inverted world in dialectical retrospection. — In: International Studies in PhUosophy. Chico, Ca. 20 (1988), N. 3, 13-28. Die Phänomenologie des Geistes stellt die Entwicklung des westlichen Geistes dar, dessen Bewegung die Dialektik einer retrospektiven Begriffsanalyse nachzeichnet. Hierbei gibt es kei-

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ne interne Notwendigkeit dieser Entwicklung, sondern sie wird vielmehr von logischen Zufälligkeiten bestimmt. Ein Beispiel für ein solches Verständnis der Phänomenologie ist die verkehrte Welt, die jene über den empirischen Gesetzen stehenden hypothetischen Entitäten meint, wie sie allein die theoretischen Wissenschaften des Westens eingeführt haben.

C.: Logic, History and Alternative Paradigms in Hegel's Interpretation of the Religions. — In: The Journal of Religion. Chicago. 68 (1988), N. 1, 1-20. HODGSON, PETER

H.s Interpretation der Geschichte der Religionen in seinen Vorlesungen ist allgemein vernachlässigt worden. Die neue Ausgabe der Vorlesungen trennt zum ersten Mal H.s vier Kollegs aus den Jahren 1821, 1824, 1827 und 1831. H. ist für den zweiten Teil der Vorlesungen niemals zu einer befriedigenden Ordnung gelangt. Sein Manuskript aus dem Jahre 1821 ordnet Die bestimmte Religion am Leitfaden der Kategorien des Seins, Wesens und Begriffs. Im Kolleg von 1824, das die Substanz von H.s Interpretation der Religionen enthält, beabsichtigte H. ursprünglich eine Dreiteilung. Diese verwandelte sich aber bei der Durchführung in eine Zweiteilung: natürliche Religion und die Religionen der geistigen Individualität. 1827 ist Die bestimmte Religion wesentlich kürzer; H. kehrt hier zur Triadik zurück. Das Material ist nicht nur klarer und einfacher angeordnet, sondern enthält auch mehr Bezugnahmen auf religiöse Praktiken. Für das letzte Kolleg nahm H. eine tiefergreifende Reorganisierung vor: die Anordnung ist triadisch, in den Vordergrund tritt nun das Thema der Geschichte des Bewußtseins der Freiheit.

Hegel, Tocqueville a revoluce [Hegel, Tocqueville und die Revolution, slov.]. — In: Filozofia. Praha. 43 (1988), 223—229. HORäK, PETR:

Idee und Faktum. Variationen über die Glaubensaussage „Jesus Christus". — In: Sinngestalten. Metaphysik in der Vielfalt menschlichen Fragens. Festschrift für Emerich Coreth. Hrsg. v. Otto Muck. Innsbruck 1989. 78 —90. KERN, WALTER:

Auf dem Hintergrund der H.sehen Christologie führt Verf. eine Christologie weiter aus, die Idee und Faktum in Christus vermitteln soll, indem Ansätze des Dogmatikers Karl Rahner aufgegriffen werden. H. hat auf hohem Denkniveau zu begreifen gesucht, daß die Menschwerdung Gottes in Christus ein notwendiges Moment der Selbstverwirklichung des Geistes darstellt. Die Idee des Erlösers und das Faktum der konkreten Menschwerdung sind in Jesus Christus vereint.

La disposition politique. Ses connexions sociales et morales. — In: Hegel-Jahrbuch 1988. Bochum 1989. 109—115.

KERVEGAN, JEAN-FRANCOIS:

Die Theorie der politischen Gesinnung wird von H. in den §§ 267 und 268 der Grundlinien exponiert. Dieses Thema bildet den Mittelpunkt der Texte, die innerhalb der Lehre vom Staat die Beziehungen zwischen Staat und Bürger abhandeln. Die politische Gesinnung ist

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BIBLIOGRAPHIE

an erster Stelle „die in Wahrheit stehende Gewißheit". Anschließend wird sie als „das zur Gerechtigkeit gewordene Wollen" definiert. H. identifiziert die politische Gesinnung mit dem Patriotismus. Diesen versteht er aber nicht als „Aufgelegtheit zu außerordentlichen Aufopferungen", sondern als Bewährung in den Situationen des Alltags. Zur Bildung seiner politischen Gesinnung gelangt der Bürger dadurch, daß er einem Stand angehört.

Hegel's Philosophy of Law Topical? - In: Synthesis Philosophica. Zagreb. 3 (1988), 249—261.

KLENNER, HERMANN: IS

H. formuliert in seiner Rechtsphilosophie die grundlegende Erkenntnis, die nur bei Strafe des Wissenschaftsverlustes zurücknehmbar ist: Recht und Rechtsdenken befinden sich in einem unaufhörlichen, tendenziell progressiven und jedenfalls widersprüchlichen Entwicklungsprozeß der Gesellschaft, der schließlich erkennbar, von der Vernunft legitimierbar und vom Menschen beHerrschbar ist, auch wenn es keine Endgültigkeit intellektueller oder normativer Ergebnisse des menschlichen Denkens und Handelns gibt.

E.: L'etat platonicien - l'etat hegelien. — In: Hegel-Jahrbuch 1988. Bochum 1989. 212—223. KOUTLOUKA,

MARIA

Platos Staat führt mit seiner reaktionären Politik und seiner autoritären Verwaltung, die die individuellen Freiheiten erstickt und die Gleichheit der Bürger verwirft, zum Totalitarismus. Ebenso ist das H.sche Denken mit seinem historischen Dogmatismus und seiner in die Irre gehenden Dialektik die Quelle allen totalitären Denkens.

Hegel and Newtonianism. A Report on the Cambridge Conference, September 1989. — In: Bulletin of the Hegel Society of Great Britain. Essex. 20 (1989), 55—63. MELICA, CLAUDIA:

Verf. berichtet über die internationale Konferenz und äußert sich besonders zur Debatte um H.s Interpretation (Enz. §270) von Newtons „Principia" I, 3, Propositionen XI und XVII.

Morale concrete et attitude politique. — ln: Hegel-Jahrbuch 1988. Bochum 1989. 231-237. MüLLER, PHILIPPE:

Cicero war der erste, der der Idee des Staatsbürgertums Gestalt gegeben hatte. Von seiner Ermordung bis zur Französischen Revolution richten sich in Europa Regimes willkürlicher Gewalt ein, die zwischen Moral und Politik einen unheilbaren Bruch heraufbeschwören. Eine Wende tritt hierin erst mit Kant ein. Zu den Lesern Kants, die die Beziehung seiner Philosophie zur Französischen Revolution bemerkt haben, gehört H., dessen Denken hieraus Dichte und dauernde Aktualität schöpft.

Abhandlungen zur Hegel-Forschung / Nachträge 1988—1989

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PoRRiNO, SALVATORE: Hegel: „Fede ed Essere" o la metafisica [Hegel:

„Glauben und Sein" oder die Metaphysik], — In: Rivista Rosminiana di Filosofia e di Cultura. Stresa. 83 (1989), 459—479. Verf. behandelt das Frankfurter Fragment Glauben und Sein als H.s erste Untersuchung der metaphysischen Struktur des Wirklichen und ihrer Dialektik unter (1) dem formal-logischen Moment der Identifizierung der Prinzipien des Bedingten und Unbedingten; (2) dem ontologischen Moment der Bestimmung des Unbedingten als Sein bzw. Vereinigung; und (3) dem erkenntnistheoretischen Moment der Unbeweisbarkeit des Unbedingten als nur im Glauben zugängliches. Die in Glauben und Sein begonnenen und in den zwei ersten Jenaer Jahren fortentwickelten Untersuchungen H.s zur Metaphysik haben eine einschneidende Bedeutung für den Übergang von einer ersten präsystematischen Phase seines Denkens zu seiner Auffassung von der Philosophie als Wissenschaft mit entsprechender systematischer Entwicklung.

PoiTEViN, MICHEL: Approche hermeneutique de l'ecriture des manuscrits

azteques. — In: Cahiers Philosophiques. N° 39. Paris 1989. 53—67. Ausgehend von den Untersuchungen J. Galarzas sieht Verf. eine Analogie zwischen der Schrift, den Glyphen der aztekischen Manuskripte und dem symbolischen Kunstwerk, wie es H. in seiner Ästhetik verstand. Die aztekischen BUderschriftglyphen sind nicht nur Texte, sondern polyvalente Kunstwerke, die H. am Beispiel der ägyptischen Hieroglyphen behandelt hat. Hier findet sich noch die ursprüngliche Einheit der produktiven Phantasie vor der Spaltung in Bild und Text, aber auch der Übergang zur Vernunft der Zeichen. Die Lektüre der aztekischen Bilderschriften kann auf dem Hintergrund von Bestimmungen des subjektiven, objektiven und absoluten Geistes bei H. erfolgen.

Hegel e il problema delFinizio della filosofia greca [Hegel und das Problem des Anfanges der griechischen Philosophie]. — In: Discorsi. Napoli. 8 (1988), 7—28. RIEDEL, MANFRED:

Innerhalb des Versuches, Heideggers Fragen an H. zu stellen, insbesondere hinsichtlich Heideggers Auffassung des Anfangs der Philosophie bei den Griechen, untersucht Verf. H.s Unterscheidung zwischen einem ersten und einem anderen Anfang innerhalb des Widerspruches zwischen gründendem und erinnerndem Wissen, zwischen logos und Mnemosyne. In dieser Perspektive werden besonders die Vorlesungen über die Geschichte der griechischen Philosophie in ihren verschiedenen Argumentationsschichten sowie H.s Interpretation von Parmenides und Heraklit thematisiert. Das System einer ursprünglich spekulativen Philosophie begründet die Einheit des ersten und des anderen Anfanges sowie ein absolutes Wissen, das seine Absolutheit im eigentlichen dialektischen Sinn, d. h. in der Anerkennung des Anderen im Anfang zeigt, wobei die Zeitproblematik an Bedeutung gewinnt.

Critica y defensa de lo existente. Referencias de la filosofia a la realidad. Estudio sobre la filosofia hegeliana del derecho [Kritik und Apologie des Existierenden. Verhältnisse der Philosophie zur SANDKüHLER, HANS-JöRG:

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BIBLIOGRAPHIE

Wirklichkeit. Studie über die Hegelsche Philosophie des Rechts]. — In; Anales del Seminario de Historia de la Filosofia, Universidad Complutense Madrid. Madrid. 6 (1986—1989), 11—35. Spanische Übersetzung eines zuerst 1984 erschienenen Aufsatzes, vgl. „Geschichte, gesellschaftliche Bewegung und Erkenntnisprozeß". Verf. untersucht H.s Verhältnis zur Wirklichkeit in den Grundlinien der Philosophie des Rechts unter dem Gesichtspunkt „Hegel und der preußische Staat". Gegen eine verbreitete Sicht behauptet Verf.: Die Philosophie ist keine Apologie der Wirklichkeit, sondern eine Kritik.

D. F.: Drie Staatsmodellen en het eeuwige natuurrecht [Drei Modelle des Staates und das ewige Naturrecht]. — In; Nederlands Tijdschrift voor Rechtsfilosofie en Rechtstheorie. Zwolle. 17 (1988), 1—5. ScHELTENS,

H. konstruiert eine Triade von Staaten; Nach dem Staat des Altertums und dem modernen Staat folgt der ideale Staat, der den selbständigen Begriff des — formellen — Naturrechts realisiert.

Hegels Lehre vom Notrecht. — In; Die Rechtsphilosophie des deutschen Idealismus. Hrsg. v. V. Hösle. Hamburg 1989. 146-163. SCHILD, WOLFGANG;

Zwei unterschiedliche Probleme werden traditionell unter dem Titel „Notrecht" diskutiert: einmal der Notdiebstahl, der den Hungertod verhindert, und das „Brett des Karneades", auf dem zwei Schiffsbrüchige sich befinden, das aber nur einen tragen kann. H. geht auf beide Fälle ein, auf das Brett allerdings nur in der Vorlesung 1817/18. Der Verzicht auf dieses Problem ist wohl begründet: handelt es sich bei den Ertrinkenden doch um einen Zustand der Rechtslosigkeit, in dem von „Recht" oder „Unrecht" nicht mehr die Rede sein kann. § 127 und auch die Nachschriften behandeln das Notrecht nur insofern, als jemand in Lebensgefahr ist und sich nur retten kann, indem er nach dem Eigentum anderer greift. Das ausschließende Verhältnis zwischen dem Recht auf Freiheit und dem Recht auf Eigentum zeigt die Begrenztheit beider Prinzipien, das dialektische Moment (Wannenmann); eine Situation, die Abwägung fordert: „das Geringe ist gegen das Höhere ein Unrecht" (Hotho).

Hegel's Critique of the Subjective Idealism of Kant's Ethics. — In; Journal of the History of Philosophy. St. Louis, Miss. 26 (1988), 89-105. SEDGWICK, SALLYS.;

Ausgehend von einer Analyse der Kritik an Kants Ethik, die H. in seiner Philosophie des Rechts leistet, und die zu dem negativen Ergebnis kommt, daß sich in H.s Deutung „kaum eine Spur von Kants Idee findet, daß es Gesetze oder Erfordernisse gibt, die notwendig aus der Möglichkeit menschlicher Ereiheit als solcher folgen" (97), geht Verf. der ParaOele nach, die zwischen H.s Lektüre von Kants Ethik und seiner Kritik an dessen theoretischer Philosophie besteht, um die Ursachen von H.s unzureichendem Verständnis der Kantischen Ethik zu erhellen. Letztlich sind für Verf. diejenigen „TriviaUsierungen", die sie in H.s Beschäfti-

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gung mit Kants theoretischer Philosophie findet, auch in seiner Beurteilung des Verhältnisses von reiner Vernunft und höchstem praktischen Gesetz wieder am Werke.

Hegel's Theory of the Syllogism and its Relevance to Marxists. — In: Radical Philosophy. N. 48. London 1988. 30—35. SMITH, TONY:

Nach Lenin ist es unmöglich, Marx' Kapital zu verstehen, ohne zuvor H.s Logik verstanden zu haben. In dieser Perspektive fragt Verf. (nach einigen Bemerkungen über H.s Logik im allgemeinen und das Kapitel über den Syllogismus im besonderen) nach der theoretischen und praktischen Bedeutung von H.s Theorie des Syllogismus für Marxisten.

II Problema deUa Ragione in Kant ed Hegel [Das Problem der Vernunft bei Kant und Hegel]. — In: Per la FUosofia. Milano. 6 (1989), N. 15, 84-94. VEZZALI, MARIANO:

Verf. befaßt sich mit dem spezifischen philosophischen Anspruch der Moderne, das Ganze des Seienden aus der Vernunft abzuleiten. Kant und H. werden mit je gegensätzlichen Antworten auf die Frage der Möglichkeit einer rationalen Konstruktion des Ganzen als exemplarische Pole der Vollendung moderner Philosophie herangezogen. Während Kants transzendentaler Ansatz absolute Übereinstimmung der Vernunft mit dem Weltganzen negieren muß und seine Philosophie eine postulafive, nicht voUendbare „rationale Erforschung des Ganzen" bleibt, vermag H., indem er das Ganze der natürlichen und geschichtlichen Welt als Resultat der immanenten Verwirklichung des Geistes begründet, die Philosophie als „rationelles Wissen des Ganzen" darzusteUen.

Religionsphilosophie und Theorie des Absoluten. — In: Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie. Berlin. 31 (1989), 41-61. WAGNER, FALK:

Verf. zeigt, wie die nachkantische Religionsphilosophie — klassisch bei Schleiermacher — die Selbständigkeit der Religion zu begründen sucht im (von Denken und Handeln unterschiedenen) „Gefühl" (d. i. unmittelbaren Selbstbewußtsein) Schlechthinniger Abhängigkeit von einem als „Gott" bezeichneten transzendenten Grund. Dagegen erhebt Verf. seine sog. „theologische Religionskritik": Das religiöse Bewußtsein weiß sich zwar auf einen göttlichen Grimd bezogen, thematisiert diesen aber einseitig vom religiösen Bewußtsein aus, weshalb er gerade nicht als absoluter Grund gedacht werden könne. Die der Religionsphilosophie „nach der Aufklärung" gestellte Aufgabe sei deshalb die Ausbildung einer Theorie des Absoluten, durch die die Gottesbeziehung des religiösen Bewußtseins erst ihre Begründung erfahren soll. Sie wird vom Verf. im Anschluß an H. skizziert.

WoLKOWA, ELENA W. : Das ästhetische Bedürfnis in der Kunst (Hegelsche

Konzeption und Gegenwart). [Russisch.] — In: Informationsblatt der Moskauer Universität. Ser. 7: Philosophie. 1988, N. 6, 31—39.

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BIBLIOGRAPHIE

Verf. analysiert H.s Konzeption der Ziele und der Bedürfnisse der Kunst. „Ziel der Kunst ist — das Unversöhnliche zu versöhnen, eine Einheit im Gegensatz des Willens und der Natur, des Geistigen und des Sinnlichen zu finden." „In der Kunst deckt der Mensch sein Bedürfnis nach der geistigen Freiheit." Verf. unterstreicht, daß die H.sche These, die Kunst dürfe das Streben nach der Harmonie und der Freiheit nicht verlieren, für die moderne Situation von großer Aktualität ist und daß die moderne Kultur dieses Streben auf anderen Wegen verwirklicht als der große Denker vorgeschlagen hat, aber im ständigen Dialog mit ihm.