Hans Loewe: Friedrich Thiersch. Ein Humanistenleben im Rahmen der Geistesgeschichte seiner Zeit - Friedrich Thiersch: Reisebriefe aus Griechenland: Redaktion: Konstantinou, Evangelos 9783653005332

Als profilierter Kulturpolitiker reformierte Friedrich Thiersch das bayerische Bildungswesen. Seit 1825 setzte Thiersch

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German Pages [352] Year 2011

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
Hans Loewe
Friedrich Thiersch. Ein Humanistenleben im Rahmen der Geistesgeschichte seiner Zeit 9
Friedrich Thiersch
Reisebriefe aus Griechenland (1831–1832) 189
Friedrich Thiersch
Zweite Reise nach Griechenland (September-Oktober 1852) 307
Heinrich Scholler
Griechische Politik in den Briefen von Johannes Kolettis an den deutschen Philhellenen Friedrich Thiersch 313
Heinrich Scholler
Warum Friedrich Thiersch nach Griechenland fuhr 329
Ortsregister 337
Personenregister 343
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Hans Loewe: Friedrich Thiersch. Ein Humanistenleben im Rahmen der Geistesgeschichte seiner Zeit - Friedrich Thiersch: Reisebriefe aus Griechenland: Redaktion: Konstantinou, Evangelos
 9783653005332

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Philhellenische Studien Band 15

HANS LOEWE: FRIEDRICH THIERSCH. EIN HUMANISTENLEBEN IM RAHMEN DER GEISTESGESCHICHTE SEINER ZEIT FRIEDRICH THIERSCH: REISEBRIEFE AUS GRIECHENLAND Herausgegeben von Evangelos Konstantinou, Konstadinos Maras und Heinrich Scholler

PETER LANG Internationaler Verlag der Wissenschaften

Als profilierter Kulturpolitiker reformierte Friedrich Thiersch das bayerische Bildungswesen. Seit 1825 setzte Thiersch sich intensiv für die Unterstützung des griechischen Freiheitskampfes ein und spornte durch umfangreiche Publikationen die deutschen Philhellenen zum Einsatz für Griechenland an. Er erreichte auch, dass Otto, der zweite Sohn König Ludwig I., König von Griechenland wurde. Durch die Ermordung des Regenten Kapodistrias geriet er auch in einen politischen Konflikt mit der bayerischen Regierung. Seine Reisebriefe aus Griechenland geben einen hervorragenden Eindruck des unermüdlichen Einsatzes des Philhellenen. Die historische Biographie Thierschs ist der zweite Band einer Gesamtbiographie von Professor Hans Loewe.

Evangelos Konstantinou ist emeritierter Professor an der Universität Würzburg (Byzantinistik, Neugriechische Philologie) und seit 2002 Ordentliches Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Wien. Konstadinos Maras ist Research Fellow im Kulturwissenschaftlichen Institut Essen. Heinrich Scholler ist emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Rechtsphilosophie an der Ludwigs-Maximilians-Universität München und Experte für die Philhellenismusforschung.

www.peterlang.de

Hans Loewe: Friedrich Thiersch. Ein Humanistenleben im Rahmen der Geistesgeschichte seiner Zeit Friedrich Thiersch: Reisebriefe aus Griechenland

Philhellenische Studien Band 15 Wissenschaftliche Reihe zur Erforschung des europäischen Philhellenismus in Geschichte und Gegenwart Herausgegeben von Evangelos Konstantinou Europäisches Zentrum für wissenschaftliche, ökumenische und kulturelle Zusammenarbeit e.V. – Griechisch-deutsche Initiative –

Das griechische Gesundheitswesen unter König Otto (1833-1862)

PETER LANG

Frankfurt am Main · Berlin · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Wien

Hans Loewe: Friedrich Thiersch. Ein Humanistenleben im Rahmen der Geistesgeschichte seiner Zeit Friedrich Thiersch: Reisebriefe aus Griechenland Herausgegeben von Evangelos Konstantinou, Konstadinos Maras und Heinrich Scholler

PETER LANG

Internationaler Verlag der Wissenschaften

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlaggestaltung: Atelier Platen, Friedberg

Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier.

ISSN 0939-7175 ISBN 978-3-653-00533-2 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2010 Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.peterlang.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ................................................................................................................. 7 Hans Loewe Friedrich Thiersch. Ein Humanistenleben im Rahmen der Geistesgeschichte seiner Zeit .................. 9 Friedrich Thiersch Reisebriefe aus Griechenland (1831–1832) ..................................................... 189 Friedrich Thiersch Zweite Reise nach Griechenland (September-Oktober 1852) .......................... 307 Heinrich Scholler Griechische Politik in den Briefen in den Briefen von Johannes Kolettis an den deutschen Philhellenen Friedrich Thiersch ............. 313 Heinrich Scholler Warum Friedrich Thiersch nach Griechenland fuhr ......................................... 329 Ortsregister ........................................................................................................ 337 Personenregister ................................................................................................ 343

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Vorwort Friedrich Wilhelm Thiersch, Professor der Klassischen Philologie an der Universität München, gehört zusammen mit dem Bayerischen Kronprinzen und späteren König Ludwig I. zweifellos zu den Protagonisten des Bayerischen Philhellenismus. Er fühlte sich mit den versklavten Griechen innig verbunden, lange bevor sie sich gegen die osmanische Herrschaft im Jahre 1821 erhoben hatten. Er war ein begeisterter Philhellene, der auch gerne wie die deutschen Reformatoren, seinen Namen in griechischer Version gebrauchte. Er war nicht nur ein Bewunderer und Forscher antiker und neugriechischer Literatur, sondern auch ein tatkräftiger Freund der kämpfenden Hellenen. Dieser Mann besaß den Mut, in der damals bedrückenden politischen Atmosphäre des Vormärz seine Stimme für den gerechten Krieg der Griechen zu erheben und die Bildung einer deutschen Legion zu fordern, die an der Seite der Griechen in den Kampf eintreten sollte. Zwischen 2. Juni und 17. September 1821veröffentlichte er in der „Augsburger Allgemeine Zeitung“ in fünf Folgen seine viel beachtete Artikelserie „Von der Isar“. Darin berichtete er von den kulturellen, ökonomischen und wirtschaftlichen Fortschritten der Griechen und bezog damit eindeutig Position gegen die antigriechische Haltung des „Österreichischen Beobachters“, der als Sprachrohr Metternichs fungierte. Unermüdlich bemühte sich F. Thiersch um eine Intensivierung der Kontakte zwischen der Münchner Akademie der Wissenschaften und den griechischen Gelehrten. Um den zahlreichen griechischen Schülern und Studenten, die nach München strömten, auf den Besuch der deutschen Lehranstalten vorzubereiten, gründete er 1815 eine Privatschule mit dem bezeichnenden Namen „Athenaeum“. Die Berufung des Bayerischen Prinzen Otto von Wittelsbach auf den deutschen Thron ist auf die Bemühungen dieses philhellenischen Professors zurückzuführen. Daher war es ein bedauernswerter Fehler Ludwig I., ihn aus der Regentschaft für den unmündigen König Otto von Griechenland auszuschließen. Friedrich Thiersch blieb zeitlebens mit Griechenland und den Griechen verbunden. Den besten Beweis hierfür liefert vor allem sein längerer Aufenthalt im geliebten Hellas von August 1831 bis zum Sommer 1832. Diese Reise hatte privaten und wissenschaftlichen Charakter und wurde von Cotta, dem berühmten Verleger aus Augsburg, der auch seine Reiseberichte veröffentlichte, finanziert. Während dieses Aufenthaltes hatte Thiersch die kostbare Gelegenheit, Griechenland und die Griechen aus der nächsten Nähe kennen zu lernen. Mit besonderer Vorliebe knüpfte er Kontakte mit den einfachen Leuten, deren Dialekte er erforschen wollte. Auch konnte er mit besonderer Freude neugriechische Volkslieder hören, die ihm besonders am Herzen lagen. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Reise waren seine archäologischen Ausgrabungen und die Restaurierung von alten Inschriften.

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Er besuchte die wichtigsten archäologischen und christlichen Orte Griechenlands, über die er in seinen Briefen an seine Frau Amalie ausführlich berichtete. Aber auch der griechischen Landwirtschaft galt sein großes Interesse, und er hatte für ihre Modernisierung ein eigenes Konzept entwickelt. Friedrich Thiersch wurde überall in Griechenland mit großem Respekt empfangen und konnte dank seiner philhellenischen Größe auch als Friedensstifter zwischen den bekriegten griechischen Parteien fungieren. Seine Reiseaufzeichnungen bilden eine Fundgrube von wertvollen Informationen über die Anfänge des neu gegründeten griechischen Staates und beleuchten am besten diese vielseitige Persönlichkeit. Er war ein Zeuge seiner Zeit, sein Philhellenismus war von Humanismus, liberaler und christlicher Gesinnung geprägt war. Die europäischen humanistischen Werte bestimmten sein Denken und Handeln. Daher begrüße ich sehr als Herausgeber der Reihe „Philhellenische Studien“ die erwähnten Reiseberichte, die auch einen wichtigen Beitrag zur heutigen Diskussion über die Humanisierung der Globalisierung und die Wiederentdeckung der humanistischen Werte leisten. Sehr wichtig halte ich auch die Drucklegung des zweiten Teils der Biographie über Friedrich Thiersch von Hans Loewe. Allerdings teile ich keineswegs seine harte Kritik am Führungsstil des ersten Präsidenten des griechischen Staates, des Grafen Ioannis Kapodistrias. Der Herausgeber der Reihe „Philhellenische Studien“ Evangelos Konstantinou

Friedrich Thiersch Ein Humanistenleben im Rahmen der Geistesgeschichte seiner Zeit

von Hans Loewe

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Vorwort zu Hans Loewes „Friedrich Thiersch, ein Humanistenleben, Bd. 2“ Hans Loewes biographisches Werk mit dem Titel „Friedrich Thiersch, ein Humanistenleben“ steht zwischen den beiden anderen Biographien, nämlich der von Heinrich Thiersch1, dem ältesten Sohn Friedrich Thierschs, und der biographischen Darstellung von Hans Martin Kirchner2, die ungefähr 100 Jahre nach der ersten Biographie veröffentlicht wurde und aus einer historischen Dissertation bei Franz Schnabel3, dem Münchner Historiker an der Ludwig-Maximilians-Universität, hervorging. Alle drei Biographen behandeln gleichzeitig auch in engerer oder weiterer Verbindung mit der historischen Person, die Gegenstand der Darstellung ist, die griechische Befreiungsgeschichte. Der erste Biograph Heinrich Thiersch hat dazu auch noch eine Geschichte des griechischen Freiheitskampfes geschrieben: „Griechenlands Schicksale vom Anfang des Befreiungskriegs bis auf die gegenwärtige Krisis“ (1863). Der Stil der Darstellungen bei Loewe wie auch bei Kirchner unterscheidet sich von dem biographischen Stil, den der Sohn Heinrich Thiersch mit großer Meisterschaft angewandt hat, indem er aus der umfangreichen Korrespondenz wichtige Briefe zum Abdruck bringt. Dadurch erhält man den Eindruck eines vielstimmigen Chores, der die Vergangenheit in sehr kräftigen Tönen vorstellt. So erreicht auch der Biograph eine Methode, die Friedrich Thiersch selbst entwickelte und in seiner Schilderung der italienischen Reise beschrieb4. An die Stelle eines Tagebuches traten bei ihm Notizen, die für einen Außenstehenden schwer lesbar, dem Autor aber selbst erlaubten, das Erlebte immer dann in Briefform, vor allem an seine Frau, ausführlich zu beschreiben, um dadurch eine Art Postscript zu den unmittelbaren Erlebnissen zu erhalten. Dr. Schultheiss hatte sich auf Bitten des Herausgebers dankenswerterweise der Mühe unterzogen, einmal in Bezug auf die Griechenlandreise die schwer lesbaren Tagebuchnotizen mit den kurz darauf verfassten und später veröffentlichten Briefen zu vergleichen. Er konnte feststellen, dass die Notizhefte wirklich nur einen Rohentwurf enthielten, der für sich selbst nicht geeignet gewesen wäre veröffentlicht zu werden. Schon im Jahre 1912/13 hatte Hans Loewe sich mit seiner Lebensaufgabe, einer Biographie Friedrich Thierschs, beschäftigt, indem er in einer Veröffentlichung des Münchner Maximilians-Gymnasiums einen Beitrag veröffentlichte, unter dem Titel „Zur griechischen Frage“. Diese Publikation ist gleichsam der Vorentwurf für seine Biografie des Humanisten Friedrich Thiersch. Diese Biographie, deren erster Band 1925 beim Oldenburg Verlag erschien, hatte er als 1 2 3 4

Heinrich W. J. Thiersch, Friedrich Thiersch’s Leben, Leipzig und Heidelberg, 1866. Hans-Martin Kirchner, Friedrich Thiersch: Ein liberaler Kulturpolitiker und Philhellene in Bayern, München 1996. Franz Schnabel (1887-1966), Hauptwerk: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, Freiburg 1929. Reisen in Italien seit 1822, Thiersch/Klenze/Schorn/Gerhardt, Leipzig 1826.

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zweibändiges Werk nicht nur konzipiert, sondern auch bis in alle Einzelheiten als Manuskript vorgelegt.5 Es konnte aber nur Band 1 als Druck erscheinen,6 da wohl die unruhigen Zeiten nach dem 1. Weltkrieg es nicht mehr zuließen, dass man sich den Ereignissen zuwandte, die vornehmlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Griechenland und in Bayern die Politik bewegten, auch wenn die Ereignisse der Befreiung Griechenlands selbstverständlich ein europäisches Phänomen erster Ordnung waren. Dies vor allem, wenn man neben der großen Begeisterung und der Anteilnahme der europäischen Öffentlichkeit an der Befreiung Griechenlands auch die immer wieder aufkommende Angst hinzunimmt, die vor revolutionären Unruhen und Erhebungen bestand. Vor allem hatte die Juli-Revolution in Frankreich im Jahre 1830 es schwerer gemacht, die griechische Befreiungsbewegung vorbehaltlos zu begrüßen. Selbst der große Bewunderer und Förderer der griechischen Sache, der bayerische König Ludwig I., hielt die revolutionären Erschütterungen für so bedenklich, dass er sich gegen den allgemeinen Wunsch stellte, dass sich Griechenland eine Verfassung gebe oder sie zumindest zusammen mit dem aus Bayern stammenden König Otto erhalte. Der Oldenbourg-Verlag hatte Hans Loewe im Vertrag noch den Druck von 1500 Exemplaren der Friedrich-Thiersch-Biographie zugesagt, doch spricht die Tatsache, dass der zweite Band nicht mehr erscheinen konnte, doch eher dafür, dass andere Sorgen die Menschen bewegten und der Verlag nicht mit der geplanten Auflage rechnen konnte. Zumindest nach dem Tode von Hans Loewe gelangte das handschriftliche Manuskript in die Obhut der bayerischen Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, wo sich allerdings auch ein maschinenschriftliches Manuskript, das offenbar später hergestellt wurde, befindet. Jene Manuskripte dienten nunmehr als Grundlage der hiermit verfolgten Veröffentlichung des zweiten Bandes. Loewe nahm wohl schon frühzeitig an, dass es nicht leicht sein werde, seine biographischen Thiersch-Studien komplett zu veröffentlichen, weshalb er vorweg einzelne Teile publizierte. Hier ist vor allem die Vorveröffentlichung „Die griechische Frage“7 zu erwähnen. Für interessierte Kreise sind diese Publikationen heute kaum mehr zugänglich. Es bestand daher ein Bedürfnis, diesen Text in seinem ganzen Umfang zu veröffentlichen. Im Jahre 1942 hat im Hellas-Jahrbuch Albert Rehm8 zum Tode von

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Von den weiteren Veröffentlichungen von Hans Loewe sind hier folgende zu erwähnen: Carl der Große, Leipzig und Berlin 1914; Friedrich Thierschs Lebenswerk, in: Neue Jahrbücher 1917 II, Leipzig, S. 366 ff. Friedrich Thiersch – ein Humanistenleben im Rahmen der Geistesgeschichte seiner Zeit, München 1925. H. Loewe, Friedrich Thiersch und die griechische Frage, Programm des MaxGymnasiums, 1913, S. 3-117. Albert Rehm (1871-1949), klassischer Philologe.

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Hans Loewe folgenden kurzen Nachruf verfasst, der hier wiedergegeben werden soll: „Hans Loewe zum Gedächtnis Am 18.5. ist der Verfasser des Aufsatzes (S. 20), der Oberstudienrat am Maximilansgymnasium und a.o. Professor an der Technischen Hochschule in München Dr. Hans Loewe nach kurzem Leiden an einer Krankheit, deren Schwere er selbst nicht ahnte, aus einem tätigen und gesegneten Leben geschieden. Geboren in München 1879, ebenda auf Gymnasium und Universität ausgebildet, nach trefflich bestandenem Lehramtsexamen in München, Bayreuth, Ingolstadt als Lehrer der alten Sprachen, des Deutschen und seines Lieblingsfaches, der Geschichte, wirkend, hat er, als er 1910 zu dauerndem Aufenthalt nach München zurückkehrte, seine Lebensaufgabe in der Erforschung und Darstellung des so unglaublich reichen Lebenswerkes seines Urgroßvaters Friedrich Thiersch gefunden. Originalurkunden aus Familienbesitz standen in großer Menge zur Verfügung; aber – und hier liegt der besondere Wert seiner mühevollen Arbeit – Loewe strebte in seinen Untersuchungen über das rein Monographische hinaus. Mochte es sich um Thierschs Anteil an der vorbildlichen Schulreform Bayerns von 1829 und 1830 handeln oder um die aufgeregten Jahre, während deren der große Philhellene in Griechenland mit persönlichstem Einsatz dem werdenden freien Staate diente, oder um sein Wirken in München am Gymnasium, der Universität, der Akademie: Immer entstehen unter der Hand des geschulten Historikers Bilder der ganzen Zeit, und neben dem Helden treten unzählige andere Mitspieler lebendig hervor. Mit dem Schulreformthema erreichte er 1914 die Habilitation für Geschichte und Pädagogik; aber diese und andere Einzelveröffentlichungen waren nur Vorarbeiten für das Hauptwerk: Friedr. Thiersch, ein Humanistenleben, dessen I. Band, 1925 erschienen, bis 1825 reicht. Der abschließende II. Band dürfte zu drei Vierteln ausgearbeitet sein; es wäre sehr zu bedauern, wenn er ein Torso und unveröffentlicht bleiben müsste. — Es ist hier nicht der Ort, Loewes Tätigkeit als höchst geschätzter und geliebter Lehrer am Gymnasium und seine akademische Arbeit (lange Jahre auch mit einem Lehrauftrag für Wirtschaftsgeschichte) zu würdigen. Aber das darf gesagt werden, dass der so vielseitig und unermüdlich Tätige ein Mensch von gewinnender Anmut und Harmonie des Wesens war, aufgeschlossen für alles Schöne und Edle, — auch er ein echter Humanist wie sein Ahn. A. Rehm.“

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Rehm erwähnt in diesem Nachruf9 einen Artikel von Loewe im gleichen Jahrbuch, der sich mit der Griechenland-Reise Friedrich Thierschs befasst. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen Versuch, einen Teil aus seinem geplanten zweiten Band der Biographie einer interessierten Öffentlichkeit vorzustellen. Einige Jahre später erschien ein Artikel zu dem Thema „Bayerns Anteil am Aufbau des griechischen Staates“, in welchem er vor allem die Bedeutung König Ludwigs I. und Friedrich Thierschs bei der Wiedererringung der griechischen Unabhängigkeit hervorhob.10 Hans Loewe war der Sohn von Ferdinand Loewe und dessen Frau Helene, die als Enkelin von Friedrich von Thiersch im Jahre 1854 in Athen geboren wurde. Sie war somit als Tochter des Historienmalers Ludwig Thiersch die Enkelin von Friedrich von Thiersch, dem die zweibändige Biographie gelten sollte. Diese familiäre Verbindung zu dem Gegenstand der biographischen Darstellung hat vielleicht den Autor hin und wieder veranlasst, sowohl Motive als auch Handlungsweise von Friedrich Thiersch als besonders liebevoll, teils mehr defensiv zu schildern. Mit dieser Bemerkung sollte die Bedeutung der biographischen Leistung in keiner Weise in Zweifel gezogen werden, im Gegenteil zeigt es sich immer wieder, dass die besondere persönliche Nähe und das Einfühlungsvermögen des Historikers Hans Loewe einen treffenderen Gesamteindruck vermittelt, als dies die reine Fachgelehrsamkeit ermöglicht. Am besten kann man die Absicht, mit welcher der zweite Band geschrieben wurde, aus dem Vorwort erkennen, das Hans Loewe seinem ersten Band vorangestellt hat. Dort macht er deutlich, dass er den Kampf des Neuhumanisten Friedrich Thiersch in den großen Strömen seiner Zeit, also in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, darstellen möchte. Natürlich musste diese Auseinandersetzung sich der konkreten Aufgabe zuwenden, die in der Verbindung der alten griechischen Ideale mit neuen Ideen der Freiheit verbunden war, die den gefährlichen Rausch der Begeisterung an der französischen Revolution vermeiden sollte. Nach Meinung von Hans Loewe war es gerade der Neuhumanismus, der einen Rückfall in eine konservative Erstarrung verhindern wollte und der im modernen Verfassungsstaat in der Gestalt der konstitutionellen Monarchie eine Lösung auch für Griechenland sah. So muss man das Eintreten Thierschs verstehen, der sowohl für die Entsendung des Prinzen Otto auf den Königsthron in Griechenland eintrat, als auch für die Verfassung war und sich tief enttäuscht zeigte, als er auf seiner Griechenlandfahrt erfahren musste, dass König Ludwig für seinen Sohn Otto eine Thronbesteigung ohne Verfassung vorsah. Damit war auch der Grund für die Spannung gelegt, die zwischen ihm und der bayerischen Regentschaft sehr bald entstand und die weniger auf seine Enttäuschung zu9 10

Hellas – Jahrbuch VII 1942, Göttingen 1943. Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und zur Pflege des Deutschtums/Deutsche Akademie, München 1935, S. 54.

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rückzuführen war, dass er nicht selbst als Mitglied der Regentschaft berufen worden war. Vielmehr musste er erkennen, dass in den drei Persönlichkeiten des Grafen von Armansperg, des späteren Generals von Heideck und seines eigentlichen Freundes Ritter Georg von Maurer Männer berufen worden waren, die nicht an diese Bindung von Krone und Verfassung gedacht hatten. So wollte er Griechenland auch nicht als ein „befreites Sibirien“ behandelt sehen, was offenbar die Meinung vieler berufener und unberufener Politiker und Pädagogen war, die man heute vielleicht als Entwicklungshelfer bezeichnen würde. Den Ausdruck „befreites Sibirien“ hat der Philhellene in einem Teil seines in französischer Sprache geschriebenen Protestes gebraucht, der unter der Bezeichnung „De la Régence en Grèce“ veröffentlicht wurde. Allerdings ist gerade dieser Teil des Werkes damals wohl in einem Akt der Selbstzensur von Thiersch zurückgezogen worden und konnte erst viel später bei einer von Prof. Flogaitis und dem Mitherausgeber Prof. Scholler besorgten Publikation als Ergebnis der modernen Forschung mitgeteilt werden.11 Zwei weitere hoch moderne Meinungen mussten jeden Vertreter des Neuhumanismus beunruhigen: Das war einmal die Auffassung, dass das griechische Volk als Volkskörper untergegangen sei, indem es sich verbraucht oder durch Vermischung mit anderen Völkern seine Substanz verloren habe. Diese Meinung wurde mit viel Akribie einer modernen Rassenlehre vorgetragen, konnte aber schließlich widerlegt werden. Autor war Jakob Philipp Fallmerayer, der 1830 sein berühmtes Buch unter dem Titel „Geschichte der Halbinsel Morea während des Mittelalters“ veröffentlichte. In diesem Werk stellte er folgende, von Anfang an umstrittene und später widerlegte Behauptung auf: Das Geschlecht der Hellenen sei in Europa ausgerottet (...) Denn auch nicht ein Tropfen edlen und ungemischten Hellenenblutes fließe in den Adern der christlichen Bevölkerung des heutigen Griechenlands (...) Eine zweite Gefahr musste man darin sehen, dass Georg von Maurer, der glänzende bayerische Jurist und spätere Staatsminister, einen Modernisierungsschock des griechischen Rechtes durchführen wollte. Er hatte, aus Heidelberg kommend, wo er einer der ersten deutschen Juristen war, die sich mit dem modernen französischen Recht zu befassen hatten, in München schon begonnen, den Code Napoleon gleichsam als die höchste Stufe der Rechtsentwicklung darzustellen. Thiersch musste darin eine Verkennung und Verletzung altgriechischer und neugriechischer Rechts- und Gerechtigkeitsvorstellungen erblicken. So wurden die beiden Freunde schließlich Gegner eines vor einem bayerischen Gericht eröffneten Beleidigungsprozesses, der dann durch eine Order König Ludwigs I. beendet wurde. Die geistige Auseinandersetzung des Neuhumanismus im befreiten Griechenland traf aber nicht nur auf Probleme, die durch die gut gemeinten Reformpläne bayerischer Politiker und Fachleute hervorgerufen 11

Friedrich von Thiersch: De la Régence en Grèce, Band 1 aus der Reihe: Quellen der Griechischen Verfassungsgeschichte unter Leitung von G. Kassimatis, hrsg. von S. Flogaitis und H. Scholler, Athen 1988.

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wurden, sondern auch auf politische Interessen. Thierschs Einstellung musste sich auch mit den politischen Interessen der Abwehr auseinandersetzen und sie in sein Kalkül einbeziehen, die dadurch sich geltend machten, dass die drei Großmächte England, Frankreich und Russland, die die Befreiung auf verschiedene Weise unterstützt hatten, natürlich ihre eigene von Machtinteressen nicht freie Politik betrieben. Die politischen Vertreter dieser drei Großmächte hatten selbstverständlich in Griechenland eine eigene politische Klientel, die sich bemühte, die Interessen der ausländischen Mächte jeweils auf eine Art und Weise durchzusetzen, die ihnen am meisten zugute kam. Loewe musste nun in beiden Teilen seiner als Kulturgeschichte verstandenen Biographie all diese Ströme darstellen und aufzeigen, inwieweit sie den neuhumanistischen Bestrebungen feindlich oder freundlich gegenüberstanden. Damit wäre aber die Aufgabe, die sich der Autor gestellt hatte, nicht erfüllt. Denn ein großer Anteil der neuhumanistischen Anstrengungen bestand nicht nur aus persönlichen Gesprächen, aus Briefwechseln oder aus der Veröffentlichung von Schriften und Büchern zugunsten des politischen Griechenlands, sondern auch in der Erhellung archäologischer Probleme. Die Privatreise, die Thiersch 1831 bis 1832 nach Griechenland unternahm, hatte eben gerade nicht nur eine politische Bedeutung, sondern sollte auch diesen allgemein kulturellen und archäologischen Zielen dienen.12 Geschickt hat Hans Loewe die Absicht des Philhellenen dargestellt, indem er dessen Reiseberichte, die später im Augsburger Morgenblatt veröffentlicht wurden, heranzieht. Da aber Hans Loewe offenbar als Historiker Schwierigkeiten hatte, diese archäologischen und kulturellen Ziele Thierschs in den geschichtlichen Ablauf einzubauen, ohne wieder eine Stockung in Kauf zu nehmen, hat er gleichsam als Anhang die wichtigsten wissenschaftlichen Forschungsarbeiten seines Untersuchungsgegenstandes analysiert. Diese Verfahrensweise ergab sich aus dem Ansatz, den er im Vorwort zum ersten Band der Thiersch-Biographie entwickelt hatte. Denn bei den Geschehnissen, die er im geplanten zweiten Band schildern wollte, war es schwierig, die historischen Vorgänge jeweils durch kontemplative Abschnitte zu unterbrechen, in welchen er die reine Forschungstätigkeit des Philhellenen darstellte. Es wäre aber deswegen unrichtig zu meinen, dass der zweite Teil nicht mehr die gleiche geistige Höhe und Frische habe, die man im ersten Teil vorfindet. Die Verschiedenheit der Konstruktion ergab sich vielmehr aus dem einmal gefassten Ansatz einer universellen Schilderung der gleichsam politisch wie kulturgeschichtlich wichtigen Persönlichkeit. Man stand vor der Frage, ob man den zweiten Teil der Biographie, der wohl schon vor fast 90 Jahren fertig gestellt worden war, heute ohne Veränderung publizieren kann. Selbstverständlich hat die Thiersch-Forschung in den letzten 12

Siehe die Darstellung von Prof. Götte über die Grabungsarbeiten Thierschs, die in seinen Reisebriefen von 1831 bis 1832 erwähnt wurden.

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30 Jahren, gerade aufgrund der Aktivitäten und des Interesses der griechischdeutschen Initiative, an Umfang und Erkenntnissen gewonnen. Zu danken ist dies auch dem Goethe-Institut in Athen und der Deutschen Botschaft, vor allem seinem damaligen Botschafter von Pachelbel. Eine Ergänzung oder eine Umarbeitung des Textes von Hans Loewe schien aber nicht nur unangebracht, sondern ohne Störung des Gesamtbildes nicht möglich. Es wurde daher vorgezogen, als Zusatz oder Anhang zu dieser Einleitung eine Auswahl von Veröffentlichungen und Tagungen anzubieten, die sich in den letzten 30 Jahren um das Thema des Neuhellenismus und damit auch um die Gestalt von Friedrich Wilhelm Thiersch entwickelt haben oder entstanden sind. In den Ausführungen Loewes in seinem Manuskript des 2. Teiles der ThierschBiographie wurden von Seiten der Herausgeber keine Veränderungen vorgenommen. Gelegentliche Unklarheiten wurden durch Vergleich des Schreibmaschinenmanuskriptes mit dem handschriftlichen Manuskript geklärt oder durch Zeichen in den Anmerkungen zu erkennen gegeben, wo eine Unklarheit offen bleiben musste. Es schien aber erforderlich, einer recht beachtlichen Zahl von Personen und Ortsnamen sowie Sachbezeichnungen kurze Anmerkungen beizufügen, durch die dem heutigen Leser, der mit der Materie nicht mehr so vertraut sein kann wie vor fast 90 Jahren, hinreichend Auskunft gegeben wird. Für die hilfreiche Unterstützung bei dieser Arbeit durch Herrn Dr. Dr. Konstandinos Maras, der vor allem Anmerkungen zu den griechischen Personen und Ortsnamen schrieb, sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Die Forschung zu Friedrich Thiersch mit besonderer Berücksichtigung seiner philhellenischen Arbeiten hat im letzten Viertel des folgenden Jahrhunderts nochmals beachtlich zugenommen. Daraus sind einige Publikationen hervorgegangen, die kurz erwähnt werden sollen. Zunächst ist die Veröffentlichung und Erweiterung der Promotionsarbeit von Hans-Martin Kirchner zu erwähnen, die unter dem Titel „Friedrich Thiersch – ein liberaler Kulturpolitiker und Philhellene in Bayern“ 1996 im Hieronymus-Verlag erschienen ist und die in einer zweiten Auflage in absehbarer Zeit erscheinen soll. Hinzuweisen ist auch auf das Friedrich Thiersch Symposium 1991 in Athen, das vom Goethe-Institut organisiert und als Manuskript in deutscher und griechischer Sprache verteilt wurde. Es stand unter dem Thema: „Friedrich Thiersch und die Entstehung des griechischen Staates aus der Sicht des 20. Jahrhunderts“13. Zu erwähnen ist auch die Publikation eines in französischer Sprache niedergeschriebenen Teils seiner Programmpublikation „De l´Etat actuel de la Grèce et des moyens à sa restauration“ die unter Mitwirkung von Prof. Flogaitis erfolgte.14 Schließlich ist auch die Arbeit von Frau 13 14

Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung in der Zeitschrift „Philia“, 2003, S. 181ff. Friedrich von Thiersch: De la Régence en Grèce, Quellen der Griechischen Verfassungsgeschichte, Scholler/Flogaitis, Athen 1988, (Introduction: „Le Concept d´evolution pour la Grèce“). Die Quellensammlung wurde von Prof. Kassimatis in Athen herausgegeben.

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Emmanuelle Karagiannis-Moser zu erwähnen, die sich vor allem mit der frühen Entwicklung bei Thiersch beschäftigt hat.15 Erwähnt werden muss noch die juristische Promotionsarbeit von Michael Tsapogas, der die Wirkung des Philhellenismus auf Griechenland als Vorgang eines umfangreichen Rationalisierungsprozesses untersucht hat.16 Ein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Evangelos Konstantinou und dem eben genannten Dr. Dr. Konstandinos Maras für die Aufnahme des Manuskriptes des zweiten Teiles der Thiersch-Biographie von Hans Loewe in die Publikationsreihe beim Peter Lang Verlag. München, November 2009 Prof. Heinrich Scholler

Weitere Publikationen des Mitherausgebers Scholler zu Thiersch: -

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Griechische Politik im Spiegel der Briefe von Kolettis an Friedrich v. Thiersch, in: Der Philhellenismus und die Modernisierung in Griechenland und Deutschland, Erstes Symposium, organisiert in Thessaloniki und Volos (7. - 10. März 1985) vom Institut für Balkan-Studien und der Südosteuropa-Gesellschaft München, Thessaloniki 1986, S. 65 ff. (zus. mit Vergi-Tzaviakos) Griechische Politik in den Briefen Johannes Kolettis an den deutschen Philhellenen Friedrich Thiersch, in: PHILIA, Zeitschrift für wissenschaftliche, ökumenische und kulturelle Zusammenarbeit der griechisch-deutschen Initiative, hrsg. von E. Konstantinou, 2/1988, 6 ff. Die Entwicklung des neuen griechischen Staates aus der Sicht Friedrich von Thierschs, in: Bayerns Philhellenismus – Symposium an der LMU 1991, Hrsg. Gerhard Grimm und Theodor Nikolaou, München, 1991. Thierschs Grundideen für die Neugestaltung Griechenlands, in: Friedrich Thiersch und die Entstehung des griechischen Staates aus der Sicht des 20. Jahrhunderts, Athen 1991, S. 187 ff. Griechische Informanten und Korrespondenten Friedrich von Thierschs und seine journalistische Tätigkeit in der Augsburger Allgemeinen Zeitung für Griechenland, in: Europäischer Philhellenismus - Die europäische philhellenische Presse bis zur 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, hrsg. von E. Konstantinou, Frankfurt/Main u.a. 1994, S. 157 ff.

Un aspect du philhellénisme allemand – Friedrich Thiersch et la question greque, PU de Nice, 1999, S. 222. Staatsrationalisierung und Verfassungsbewegung in Griechenland 1832 bis 1843, Münchner Jur. Diss., 1992.

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Die Antikenrezeption bei dem Philhellenen Friedrich Thiersch, in: Die Rezeption der Antike und der europäische Philhellenismus, Hrsg. E. Konstantinou, Europäische Verlag Peter Lang 1998 Das alternative oder revolutionäre Denken des Philhellenen Friedrich Thiersch, in: Ausdrucksformen des europäischen und internationalen Philhellenismus vom 17.-19. Jahrhundert, Hrsg. Evangelos Konstantinou, 2007, S. 283 Friedrich Thiersch und Rigas Feraios, Philia, 2008/I, S 23ff. Griechenland als Imago, Rezeption oder Perspektive – Das Bild Griechenlands bei Friedrich Thiersch im Kontrast zu dem Bild, das der bayerischen Regentschaft vorschwebte, in: Das Bild Griechenlands im Spiegel der Völker, Philhellenische Studien Band 14 (Hrsg: E. Konstantinou), Peter Lang Verlag, Frankfurt/Main 2008

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Vorwort von Hans Loewe im ersten Band seiner Biografie „Friedrich von Thiersch. Ein Humanistenleben“ (1925) Wer immer sich mit der Geistes- und Bildungsgeschichte des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts näher beschäftigt, weiß, daß es oft unmöglich ist die Entdeckung leitender Gedanken bestimmten führenden Persönlichkeiten zuzuschreiben. Denn viele von diesen waren gleichsam Allgemeingut der geistigen Oberschicht. Eine neue Biographie von Thiersch, wie sie dieses vorliegende Buch bieten will, hat daher nicht die Aufgabe in dem Lebenswerk des Humanisten im einzelnen nachzuweisen, wen er diese oder jene Idee verdankt; vielmehr muß das Kernproblem seines ganzen Lebens im Mittelpunkt der Darstellung stehen, der Kampf der Aufklärung mit der Weltanschauung des deutschen Idealismus und des Goethischen Zeitalters. Es muß gezeigt werden, wie sich diese starke Persönlichkeit gerade im Ringen der beiden geistigen Strömungen entwickelte und festigte, und wie sie das Gedankengut ihrer Zeit in die Praxis umzusetzen verstand. Fällt doch die Jugend und das reifende Mannesalter in die entscheidenden Jahrzehnte jenes Kampfes. Dabei kommt es noch vor allem darauf an das Lebenswerk nicht isoliert darzustellen, sondern es zu verstehen eben als Teil eines großen Kulturprozesses, der ganz Deutschland umspannte. Da aber gerade auch zum Verständnis geistiger Strömungen der Vergleich von größter Bedeutung ist, so müssen dem Neuhumanisten Thiersch die bedeutendsten Vertreter namentlich der bayerischen Aufklärung in ihrer individuell so verschiedenartigen Ideenwelt und Leistung gegenübergestellt werden; ferner ist zu verfolgen, welche Einwirkungen das Vordringen der Romantik und der Naturphilosophie auf die Geistes- und Naturwissenschaften ausübte. Das Bild wäre unvollständig, wenn nicht auch die Widerstände, die sich im bayerischen Partikularismus und Katholizismus erhoben, Berücksichtigung fänden. So erweitert sich die Thiersch-Biographie zu einer Geistesgeschichte Münchens und mehrfach darüber hinausgreifend zu einer Geistesgeschichte Deutschlands. Der vorliegende Band, der die Zeit des Reifens behandelt, bildet ein in sich abgeschlossenes Ganzes, indem er Thierschs Entwicklung unter dem Einfluß der großen geistigen Strömungen seiner Zeit bis zu dem Augenblick verfolgt, da dieser an die Hochschule berufen wird. In einem später erscheinenden Band soll die Zeit der Reife, Thierschs akademische Wirksamkeit, zur Darstellung kommen, die mit der Verlegung der Universität nach München beginnt und mit deren raschem Aufblühen eng verbunden ist. München, im Juli 1925 H. LOEWE

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1. Wiederaufnahme der publizistischen Tätigkeit in der Allgemeinen Zeitung 1825 - 1831 Die durch Metternichs17 scharfes Einschreiten jäh abgebrochene publizistische Tätigkeit18 konnte Thiersch erst wieder aufnehmen, als König Ludwig19 den Thron bestieg. (19.0ktober 1825); was man von ihm in der Sache der Griechen erwarten durfte, zeigt ein Gedicht: An die Hellenen, da ich König 1825:20 „Nur Gebete hatte die Seele zum Himmel zu senden, Tapf're Hellenen, für euch, für den befreienden Kampf. Tatlos verwehten mir in den Lüften die Töne der Lyra, bloß in die Seiten allein durfte greifen die Hand; 17

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Metternich, Fürst seit 1813 (1773 – 1859), österreichischer Staatsmann; 1809 Außenminister, seit 1813 einer der führenden Staatsmänner Europas, spielte auf dem Wiener Kongress eine führende Rolle bei der Neuordnung Europas. Er war damit Schöpfer der „Heiligen Allianz“, bekämpfte die liberalen und nationalen Bewegungen. 1906 kaiserlicher und später nach der Niederlegung der Kaiserkrone durch Österreich nur noch österreichischer Botschafter in Paris. Bei Ausbruch des Krieges kehrte er 1808 nach Wien zurück. Es gelang ihm als Kriegsziel gegen Frankreich die Wiederherstellung des europäischen Gleichgewichts zu propagieren und im Wiener Kongress zu verfolgen. Metternich gelang es nach dem Wiener Kongress die nationalen und liberalen Reformbewegungen zurückzudrängen, sodass er zur stärksten Persönlichkeit der konservativen Restaurationszeit wurde. Ziel seiner Politik war es die Zensurbehörde straff zu errichten und ein polizeiliches politisches Kontrollsystem aufzubauen (auch das Metternichsche System genannt). Das Ergebnis dieser Politik waren die Karlsbader Beschlüsse, die innenpolitisch überall die Unterdrückung liberaler Bestrebungen zur Folge hatten. Während sein Einfluss in Europa auf dem Höhepunkt stand, blieb seine Politik in der Orientfrage und vor allem gegenüber Griechenland, das seit 1821 den Befreiungskampf begonnen hatte, defensiv und erfolglos. Die Verhaftung von Rigas und seiner Gefährten in Triest und die aufgrund von Metternich erfolgte Unterdrückung der Veröffentlichungen von Thiersch in der „Augsburger Allgemeinen“ sind Teil dieser Politik gewesen. Loewe Friedrich Thiersch, Bd. I, S. 494 ff. Ludwig I. , Ludwig Karl August, König von Bayern (1786 – 1868), König von Bayern (1825 – 1848), Sohn König Maximilians I. Er förderte, auch mit eigenen Mitteln, den griechischen Freiheitskampf, folgte dem Vorschlag von Thiersch, seinen zweitgeborenen Sohn Otto zum König von Griechenland einsetzen zu lassen (1832). Nach der Julirevolution 1830 und der Ausbreitung revolutionärer Strömungen auch in Deutschland (Hambacher Fest, 1832), tendierte Ludwig zu einer konservativen bis reaktionären Staatsregierung. König Ludwig war ein blühender Verehrer des antiken Griechenlands, was sich in vielen Münchener Bauwerken im klassizistischen Stil, die er von seinen beiden Architekten Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner, bauen ließ, widerspiegelt. Ludwig heiratete die Prinzessin Therese von Sachen-Hildburghausen (1810); Thiersch wurde Hauslehrer der Töchter, hatte aber auch Einfluss auf die klassische Erziehung der Söhne Max, später König Maximilian II., und auf Otto. Heigel, Ludwig I, S. 149.

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Einsam erklangen dieselben, wie Seufzer verheimlichter liebe, jetzt ist die Lyra verstummt, aber das kräftige Wort tönt von dem Könige aus der Fülle des glühenden Herzens, dass sich's gestalte zur Tat, Griechen zu euerem Heil.“ Alsbald nahm Thiersch den früheren Plan die Griechen durch ein Hilfskorps zu unterstützen wieder auf und setzte sich zunächst mit Cotta21 in Verbindung, dessen warme Teilnahme für die Schicksale Griechenlands er kannte; ferner schrieb er nach Hofvyl22, an Kapodistrias in der Schweiz und die philhellenischen Vereine in London, Haag und Paris; auch Korais sollte in Kenntnis gesetzt werden. Bei dieser mühevollen und zeitraubenden Arbeit ermutigte ihn der Gedanke, dass König Ludwig sich lebhaft dafür interessiere sowie die Überzeugung, dass es sich um Griechenlands Glück handelte; vor allem galt es eine Schar von wenigstens 2000 Mann auszurüsten und mit einigen Batterien und 6 8000 Gewehren zu versehen. Auf Deutschland traf ein Bataillon von 500 Mann; die Mittel für Aushebung, Ausrüstung und Unterhaltung während des ersten Feldzuges waren durch die philhellenischen Vereine in Europa aufzubringen. Diese Macht würde hinreichen – so hofften die Griechenfreunde – Patras zu nehmen, dadurch die öffentliche Meinung in Griechenland wieder zu wecken und nach Besiegung der Ägypter den Peloponnes zu befreien. Ja Thiersch wagt es in seinem Optimismus sogar die Vermutung auszusprechen, dass nach drei erfolgreichen Feldzügen Griechenland einer geordneten nationalen Regierung übergeben werden könne; dringend bittet er Cotta um Aufschluss über die Stellung der Württembergischen Regierung zu dem Plan, über eventuelle finanzielle Unterstützung durch bedeutende Persönlichkeiten; er möchte die englische Politik in Betreff Griechenlands kennen lernen und wissen, ob der Hafen von Genua für Einschiffungen und Versendungen nach Griechenland offen bleiben werde. Wie man in den Kreisen der griechischen Regierung dachte, zeigt ein Memorandum derselben. Als nämlich Karl Freiherr von Heideck23 im September 1826 im Auftrag König Ludwigs nach Nauplia ging, um mit anderen bayerischen Offizieren griechische Militärs in europäischer Taktik zu unterweisen, wurde ihm 21

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Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. I, S. 279 ff, Brief an Cotta 27. Dezember 1825 Loewe, griechische Frage, S. 18 ff. zu Cotta: Cotta, Johann Friedrich von, seit 1822 Freiherr (1764 – 1832), Verleger, Industriepionier und Politiker. Studierte Mathematik, Jura und Geschichte und übernahm in Tübingen die Familienverlagsbuchhandlung und baute den Verlag zum wichtigsten deutschen Unternehmen der Klassik aus. Autoren waren Goethe, Schiller, Hölderlin, Uhland, Schelling, Fichte, Kleist und Hegel. Er war Deputierter beim Wiener Kongress. Er gehörte 1819 bis 1831 der Zweiten Kammer des Landtages in Stuttgart an. Er stand mit Thiersch in persönlicher Verbindung, trat für die Freiheit Griechenlands ein und bot seine Presseorgane den Publikationen des Philhellenen Thiersch freimütig an. Im Kanton Bern – Anm. d. Hrsg. Die bayerische Philhellenenfahrt 1826-1829 in Darstellungen aus der bayerischen Kriegs- und Heeresgeschichte, Heft 6, S. 25 ff.

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durch Glarakis, dem Sekretär des Auswärtigen eine Denkschrift überreicht des Inhalts: man begehre 3000 Mann Schweizer oder andere deutsche Truppen, damit die Regierung in ihrer Autorität gestützt und von den Kapitänen der Pallikaren unabhängiger werde, ferne drei – vier größere Schiffe ebenfalls unter fremder Führung, weil sonst den Forderungen der Schiffskapitäne der Inseln und den auf sie wirkenden Inseln nicht genügend begegnet werden könne, endlich die Aufstellung einer Kommission durch die philhellenischen Komitees zur Verteilung der einlaufenden Spenden. Heydeck sandte das Original an Eynard, eine Abschrift an König Ludwig, wobei er betonte, 1000 Mann wird vor der Hand eine kräftige Hilfe bedeuten. Indessen wie vor vier Jahren, so scheiterte auch diesmal Thierschs Plan. Es erging ihm ebenso wie 1827 dem Unternehmen des Generals von Lützow24 der Stein eingehende Vorschläge gemacht hatte; Graf Kapodistrias sollte durch ein wohldiszipliniertes, mindestens aus 6000 Mann bestehendes Korps unterstützt werden, das mit dem Parteikampf in Griechenland nichts zu tun und nur das eine Interesse habe, die Regierung aufrecht zu erhalten. Wie Thiersch scheint auch Gagern neben dem militärischen einen kolonisatorischen Plan gehabt zu haben, die Ansiedelung der geworbenen Deutschen als Handwerker und Bauern. Wer wird den verödeten Boden mit dem Schweiße seines Angesichts zur besseren, zur alten arkadischen Kultur bringen, wer mehr als der Deutsche? Wer anders und besser als der Deutsche wird dort das Muster des Fleißes und der Sittlichkeit liefern?25 Voll banger Sorge um das Schicksal der Griechen schrieb Thiersch am 13. Juni 1826 an die Kronprinzessin Elisabeth von Preußen, seine frühere Schülerin: “Meine seit Jahren unterhaltene Besorgnis, dass der Kampf in Griechenland nur ein verlängerter Todeskampf sein werde, wenn nicht gestattet und möglich wäre ihnen eine tätige Hilfe von wenigstens einigen Tausend Mann zu rüsten und auf einige Jahre zu unterhalten, scheint sich leider mehr und mehr zu bestätigen. Ein Plan dazu, gut berechnet und ausführbar, ohne ein öffentliches Verhältnis zu verletzen, ist wie vor vier Jahren so vergangenen Winter gescheitert. Noch fänden sich Mittel und Wege; aber wo ist die mächtige und zugleich wohltätige Hand ihn zu schirmen und zu stützen?“ Während Thiersch diese Worte schrieb, war bereits jenes Ereignis eingetreten, das auf Europa die gewaltigste Wirkung ausüben sollte und eine Epoche in der Geschichte des griechischen Befreiungskampfes bedeutet, der Fall der Festung Missolunghi. Alle Griechenfreunde verdoppelten ihre Anstrengungen. König Ludwig spendete namhafte Summen26 Heydeck erhielt ein Jahr Urlaub; mit welchem 24

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Karl Friedrich, Aus Briefen und Tagebüchern zum deutschen Philhellenismus 18211828. 1928 S. 76 ff, ferner: derselbe: Deutscher Philhellenismus und deutsche Kolonisation in Griechenland. 8. Jahrg. 192 Heft. Augsburger Allg. Zeitung, 10. Juli 1829, ein Aufsatz: „Griechenland in Beziehung auf Deutschland.“ Heigel, König Ludwig I., S. 150 ff.

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Interesse der Monarch seine Tätigkeit verfolgte, zeigen die enthusiastischen Briefe, die er an ihn richtete. Bald veranlasste der Gang der diplomatischen Ereignisse auch Thiersch wiederum seine Stimme zu erheben. Während nämlich noch auf dem Kongress von Verona (Oktober 1822) die Griechen seitens der Großmächte Russland und Österreich nicht die geringste Unterstützung hatten finden können, machte sich in London, wo George Canning das Ministerium des Auswärtigen übernommen hatte, seit dem Beginn des Jahres 1823 ein Wechsel der bisher griechenfeindlichen Politik bemerkbar; der englische Gesandte in Konstantinopel musste die Pforte nachdrücklich an ihre Versprechungen betreffs der Christen mahnen, die Griechen wurden als kriegsführende Macht anerkannt; auf der Monarchenzusammenkunft zu Czernowitz im Oktober 1823 wurde trotz aller Bedenken Metternich's eine Einmischung der Mächte in die griechische Frage beschlossen; man durfte Canning allein die Lösung dieser Angelegenheit nicht überlassen. Seit Januar 1824 begannen dann lebhafte Verhandlungen der drei Großmächte, öfters unterbrochen durch das siegreiche Vordringen der Ägypter in Morea und den hartnäckigen Widerstand der Pforte gegen jede Einmischung fremder Mächte; über Metternich's Kopf hinweg erfolgte am 4. April 1826 eine Vereinbarung zwischen den Höfen von London und St. Petersburg. Beide verpflichteten sich in tiefstem Geheimnis den Frieden zwischen der Pforte und Griechenland zu vermitteln. „Dieses Protokoll wurde der Ausgangspunkt der Unterhandlungen und Kämpfe, durch die Griechenland schließlich wirklich gerettet wurde.“27 Am 6. Juli unterzeichneten England, Russland und Frankreich einen Vertrag zu Gunsten Griechenlands. Der Tod Canning's (8.August 1827) bedeutete für Russland einen großen Vorteil. Die Schlacht bei Navarin vernichtete die türkische Flotte. Trotzdem gab der Sultan in der griechischen Frage nicht nach. Da brachen die Gesandten der Tripelallianz die Unterhandlungen mit der Pforte ab. Am 26. April 1828 erklärte der Zar den Krieg an die Türkei, am 7. Mai überschritten die Russen den Pruth, am 14. September 1829 wurde der Friede von Adrianopel unterzeichnet. Noch ehe dieses Ereignis eingetreten war, begann in der Allgemeinen Zeitung eine Artikelserie zu28 erscheinen unter dem Titel: „Über die Lösung der griechischen Frage. An den Verfasser waren wiederholt Aufforderungen ergangen, sich noch einmal zur griechischen Frage zu äußern und zu den Maßregeln der Kabinette Stellung zu nehmen; doch hielt ihn bisher ein tiefer Widerwille gegen die neue Gestaltung der Sache und namentlich gegen das ratlose Verfahren der Westmächte zurück sowie die Überzeugung, dass jedes Wort umsonst gesagt werde. „Mit dem Zug der russischen Heerscharen über den Balkan ist die griechische Frage gelöst. Kaum ist der europäischen Politik noch ein Augenblick frei gelassen zu bewirken, dass die Lösung zum Wohl von Griechenland und Europa ausschlage. Geht auch dieser ungenützt vorüber, so wird wenigstens niemandem verborgen sein, wen man der größten Schuld unseres Jahrhunderts 27 28

Geschichte Griechenlands, Bd. V, S. 391. Loewe, Griechische Frage, S. 21 ff.

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anklagen und für den langen Kampf verantwortlich machen sollte, welcher dann unfehlbar über Europa, seine Throne und Völker hereinbricht.“ Diesen „merkwürdigen“ Zeitpunkt, wo dem unverschleierten Blick die Aussicht auf die Schicksale künftiger Jahrhunderte sich öffnet, will der Verfasser benutzen, seine Meinung zu äußern. Es war jener Moment, da Gentz29 dem vertrautesten Ratgeber des österreichischen Staatskanzlers, die Zukunft so finster wie das Grab erschien; überzeugt von der Wehrlosigkeit der Türkei sieht er den Autokraten schon in Konstantinopel thronen, die griechische Frage durch ihn allein gelöst. Metternich30 glaubte, dieser Krieg werde dem zweiten punischen gleichen und die Macht des Sultans den Todesstoß versetzen. Das auf dem Wiener Kongress mühsam hergestellte Gleichgewicht drohte zerstört zu werden. Prokesch-Osten, einer der besten Kenner des Ostens, empfahl als einziges Rettungsmittel: “Die Türkei muss durch Europa geschützt werden, denn Europa ist, wie Achill an der Ferse, an dieser Stelle tödlich verwundbar.“ In vier Artikeln untersucht Thiersch die Stellung der Großmächte England, Russland und Frankreich zur griechischen Frage und unterzieht ihre Politik einer zum Teil sehr scharfen Kritik. Dass ihm dabei Missverständnisse unterliefen, wird man begreiflich finden, wenn man bedenkt, wie ungeheuer schwer, wenn nicht vielleicht unmöglich es 1829 sein musste, während alles in mächtiger Gärung war, sich ein nur einigermaßen deutliches Bild der allgemeinen politischen Lage zu machen. Der Wert seiner Ausführungen beruht vor allem in der klaren Herausarbeitung des von ihm mit selbstloser Hingabe erstrebten Zieles: ein nach innen und außen starkes freies Griechenland zu schaffen, das am besten die wahren Interessen Europas vertreten könne, so wie in dem tiefen Einblick, den sie uns in die Persönlichkeit dieses seine Meinung freimütig vertretenden Gelehrten geben. Als schweren Fehler Englands und Frankreichs bezeichnet es Thiersch, dass beide Mächte nach dem Erfolg von Navarin und der Befreiung des Peloponnes die griechischen Angelegenheiten nicht schnell beendeten und dadurch die Ausgleichung der russischen herbeiführten, der Rettung des Peloponnes wäre die Befreiung Ost- und Westgriechenlands gefolgt, die an den Dardanellen vereinigte Flotte der drei Mächte hätte den Sultan zur Nachgiebigkeit gezwungen. Indes wie nach dem Tage von Navarin wichen nach der Befreiung des Peloponnes die zwei Mächte von den Erfolgen ihrer eigenen Tätigkeit zurück. In diesem Satz fasst Thiersch seine Auffassung zusammen und er hat recht. Das englische Kabinett trug die Schuld, dass für die große Politik des Orients die erwarteten Folgen ausblieben, ja es zwang Frankreich, das im Sinne Kapodistrias die militärischen Operationen nach Attika und Euböa fortsetzen wollte, nachzugeben. Die Erklärung31 für Englands Verhalten findet der Philhellene in dessen Plan Griechenland aufzuopfern, weil „dieses Opfer ihm zur Befestigung der türki29 30 31

Beer, Oriental. Politik, S. 373. Stern, Geschichte Europas, Bd. III, S. 154. Beilage zur Nr. 257, 3. Artikel.

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schen Macht in Europa, diese aber zur Sicherheit seines politischen Systems unentbehrlich schien.“ Als die Hauptstützen dieser Politik bekämpft er Castlereagh und Wellington und als besten Beweis für die Richtigkeit seiner Annahme erkennt er den Zusatz zum Vertrag von London, nach dem Griechenland auf Morea und die Kykladen beschränkt, d.h. politisch vernichtet werden würde, sowie das von England durchgesetzte Protokoll, das zwar erweiterte Grenzen für Griechenland bewilligte, aber seine Unabhängigkeit und Würde durch Vasallenschaft, Suzeränität32 in zwiefacher Gestalt und Schadenersatz schonungslos raubte. In Erinnerung, wie wohl Canning die Schlacht von Navarin benutzt hätte, fällt er das bittere Urteil: „Die englische Politik ist von der freien Bahn seines Genius wieder eingelenkt in die engen Pfade des Egoismus, der aristokratischen Verstockung und der Berechnung des augenblicklichen Vorteils.“ Die Charakteristik beider englischen Minister ist völlig zutreffend. Castlereagh suchte aus Angst, Russland möchte nach Zertrümmerung des türkischen Reiches die Hand nach dem Schlüssel des schwarzen und mittelländischen Reiches ausstrecken, dem Zaren Alexander die Empörung der Griechen als einen Zweig des den Weltteil durchziehenden Geistes des Aufruhrs" hinzustellen. Wellington wollte den Londoner Vertrag im Geist eines Mannes, der ihn verurteilt, in Ausführung setzen. Als er im Gegensatz zu Russland und Frankreich darauf drang die Londoner Beschlüsse vom 22. Mai 1829 als Basis weiterer Verhandlungen in Konstantinopel vorzulegen, wurde am 14. September der Friede von Adrianopel geschlossen. Nicht ohne ein Gefühl der Schadenfreude konnte Thiersch konstatieren: „Von Griechenland ebenso wie von dem Diwan zurückgestoßen, ist das Kabinett von St. James an das Ende seiner labyrinthischen Bahn gelangt, auf der es weder Vorteil noch Ehre gefunden. Es sieht sich weiter als je von seinem Ziele weggeschleudert. Die Pforte, der es helfen wollte, hat es an den Rand des Verderbens gebracht und Griechenland, das es vernichten wollte, ist bereits jetzt seinem Arm, wollte Gott wie seiner Vermittlung entrückt.“ Nicht minder empört wie über Wellington ist Thiersch über das Verhalten des auswärtigen Ministers, Lord Aberdeen, zumal die Times offenbar im Sinne des Ministeriums die Forderung der wahren Unabhängigkeit Griechenlands als einen Traum halbunterrichteter Schulleute ausgab. Seine bittere Klage über die niederträchtige Behandlung der Griechen durch das Kabinett von St. James ist nur zu begründet. Denn Aberdeen war außer sich, als der englische Gesandte Stratford Canning in Konstantinopel seine Zustimmung zu den Beschlüssen der Gesandtenkonferenz von Poros gab, wonach als die beste Landgrenze Griechenlands die Linie von Arta - Volo und die Einbeziehung von Samos und Kreta befürwortet wurde. "Die griechische Sache", äußerte Wellington schon am 2. Nov. 1828 vertraulich gegenüber Aberdeen, „ist der größte Humbug, der jemals da

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Schutzherrschaft oder Protektorat – Anm. d. Hrsg.

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war; Gott sei Dank hat sie uns nie einen Schilling gekostet.“ Beide kannten nur die Sorge, Griechenland möchte ein Vorposten Russlands werden. Überraschend günstig lautet Thierschs Urteil über Russland. Alexander und Nikolaus I. hält er für die wahren Beschützer Griechenlands; alle seine Ausführungen sind von dem Gedanken beherrscht, die religiöse Interessengemeinschaft forderte von Nikolaus die Befreiung Griechenlands vom türkischen Joch. Diese aber schließt die Unabhängigkeit in sich; in der russischen Politik sieht er die wahren Interessen Europas vertreten. Aber er unterlag einer schweren, wenn auch begreiflichen Täuschung. Selbst Canning sah sich angesichts der Zweideutigkeit der russischen Politik veranlasst zu schreiben: „Es ist schwierig mit Nikolaus fertig zu werden und niemand kann sagen, wer ihn berät.“ Während Erzherzog Ferdinand, der 1826 den Zaren besuchte, und ein Teil seiner Umgebung den Eindruck gewann, der Zar sei gerade und offen, fand Graf „einen tiefen Zug der Verstellung und Falschheit in ihm.“33 In vertraulichen Gesprächen nannte Nikolaus die Griechen Rebellen“ und äußerte, „ich werde mit den Schurken schon fertig werden.“ Andererseits drängte er entschieden zum Krieg mit der Pforte, der für die Griechen großen Vorteil bringen musste. Aber in Wahrheit wollte er doch nur seine Interessen wahren. Die russische Politik wünschte ebenso wenig wie England ein wirklich starkes, lebensfähiges Griechenland. Zwei Tage vor Abschluss des Friedens von Adrianopel schrieb Thiersch den letzten Artikel34 nieder. Er glaubt, dass die Vernichtung der Türkei durch das Maßhalten der russischen Politik vorerst verhindert wird; aber er betrachtet dieses Geschick als ein Fatum ineluctabile, zum Heil der Völker, die mit eiserner Rute geweidet, zum Segen der Länder, die sie mit Verödung und Trümmern füllt, zum Trost der Christenheit, deren alte und ehrwürdige Sitze sie in drei Weltteilen zerbrochen hat. Von dieser Tatsache ausgehend wirft er die Frage auf: Was ist gegenüber diesem Verfall des Osmanenreichs das Interesse Russlands und Europas? Denn von ihrer Beantwortung hängt das Los Griechenlands ab. So sucht er sich dann über die in dem gewaltigen Reiche wirkenden Kräfte klar zu werden. Russland betrachtet es als seine Bestimmung den durch asiatische Horden Barbarisierten die Zivilisation Europas zu bringen, teils durch Einverleibung ihrer Länder in sein Reich, teils durch Errichtung besonderer Staaten an seiner Grenze, die ihm Schutz und Dasein verdanken. Diese Politik hat ihren Ursprung in Russlands Größe, sie zeigt sich in der Eroberung der Küsten des Schwarzen Meeres, in der Durchbrechung des Kaukasus und in den neuesten Eroberungen in Persien und der Türkei. Im Besitz Armeniens eröffnet sich sein Einfluss auf die Stromgebiete des Araxes, Euphrat und Tigris. „Wer will ihm sagen, bis hierher und nicht weiter?“ Damit beginnt die Umgestaltung und Verjüngung des alten Orients. Bei der Betrachtung dieser riesenhaften und durch ihre Erfolge noch mächtigeren Politik ergreift den Gelehrten die bange Sorge, was Europa angesichts dieser ungeheuren Machtentfaltung zu tun habe. Er un33 34

Beer, orientalische Politik, S. 325. Beilage zur Allg. Zeitung Nr. 260/261, Von der Isar 12. Sept.

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terscheidet zwei Systeme, des östlichen, dessen Mittelpunkt das Schwarze Meer, und das westliche, dessen Mittelpunkt das mittelländische Meer ist. Wie die Freiheit des Nordens darauf beruht, dass Russland in der Ostsee nicht vorherrschend werde, und die Erhaltung Preußens im Besitz jener Küsten eine Europäische Angelegenheit ist, so erscheint die Freiheit des Mittelmeers und die selbständige Entwicklung der Länder, die es bespült, ganz in gleicher Weise daran gebunden, dass der Anteil, welchen der russischen Macht an ihm gebührt, nicht in ein Übergewicht und eine Herrschaft über dasselbe ausarte. Das ist aber unvermeidlich, wenn Griechenland mit Makedonien und den Inseln in die Sphäre der russischen Politik gezogen würde. Die beiden Systeme können neben einander nur bestehen, wenn sie gegenseitig in jenen Schranken bleiben. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint Thiersch die griechische Frage aufs engste mit der Unabhängigkeit Europas verknüpft. Daraus ergibt sich für die künftige Gestaltung Griechenlands die Forderung: es handelt sich um das alte und ganze Griechenland, um seine völlige äußere und innere Unabhängigkeit. Voll Vertrauen blickt Thiersch auf Kapodistrias als den Mann, dem die Lösung dieser schwierigen Aufgabe gelingen wird. Der Friede von Adrianopel brachte den Beitritt der Pforte zum Londoner Protokoll vom 22. März 1829. Eine völlig veränderte Sachlage war geschaffen. Im Dezember 1829 entwickelte daher Thiersch in drei Artikeln35 seine Ansichten: „Über die Lage von Griechenland nach dem Frieden von Adrianopel.“ Wie verhaltener Schmerz klingt es durch die Betrachtungen, dass die Russen mitten in ihrem Siegeslauf innehielten vor den Kuppeln der heiligen Sophia umwendend, damit auch fortan auf ihrer Zinne der Halbmond statt des Kreuzes prange und in ihrem Inneren der Name des Propheten von Mekka statt des Heilandes verehrt werde. Thiersch wie die meisten fremden Gesandten ahnten nicht, dass die tatsächliche Lage der Russen sie zu raschem Friedensschluss nötigte. Sein Standpunkt ist derselbe wie in den früheren Artikeln. Noch immer glaubt er, Russland meine es, mit der griechischen Sache aufrichtig, während doch Griechenland nach Nesselrodes unvorsichtigem Geständnis „ein für allemal das Ergänzungsstück des unentreissbaren russischen Einflusses in der gesamten Levante“ bilden sollte. Dringend fordert er die natürlichen Grenzen für Griechenland: Thessalien, den Schlussstein seines Gebäudes, Janina, seine Burg im Norden und Kreta, seine Vormauern gegen Ägypten und Asien. Des Einwurfes gedenkend, England werde dadurch in seiner Sicherheit auf den jonischen Inseln bedroht und müsse sich dem furchtbaren Übergewicht der nordischen Macht an jenen Küsten entgegensetzen, ruft er in drastischer Leidenschaft aus: Seltsame Verblendung nicht der Diplomatie, sondern der Affen derselben, die ihre Gesichter schneiden ohne ihren Geist zu kennen oder zu achten.“ Gerade um jenen Einfluss zu brechen, muss Griechenland frei und stark sein. Der im Londoner Pro-

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Allg. Zeitung Nr. 349 15. Dez., Nr. 358 24. Dez., Nr. 362/63 28. Dez.

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tokoll vorgesehene Tribut an den Sultan müsse beseitigt werden durch Nachlass der russischen Geldforderungen. Der dritte Artikel beschäftigt sich mit der wichtigen Frage: In welcher Form und von wem soll Griechenland beherrscht werden? In voller Übereinstimmung mit so hervorragenden Kennern des Orients wie Prokesch Osten verlangt er: Dem neuen Staat darf nicht eine Form aufgedrängt werden, die nicht der Eigenart des Landes und Volkes entspricht. „Denn nichts, was Europa hat und kennt, gleicht dem Zustand, aus dem sich Griechenland aus Blut und Tränen erhoben; nichts, was bei uns besteht, gleicht dem Stoff, aus dem dort bürgerliche Ordnung gebaut wird.“ Die oberste Gewalt muss bei aller Gewährschaft gesetzlicher Ordnung stark sein, ferner monarchisch und erblich; so fordert es das Interesse Europas und Griechenlands. Eine Demokratie mit wechselnder Obergewalt wäre das grausamste Geschenk für das unglückliche Land. Das durch die unsagbaren Leiden des Kampfes arme und zerrüttete Volk soll sich unter den Segnungen einer Statthalterschaft erst erholen und so den Thron allmählich von selbst bauen. Die Frage, „wer soll Griechenland beherrschen?“ hatte durch eine Bestimmung des Londoner Protokolls bereits ein gewisse Abgrenzung erfahren, da nur ein Prinz die Krone erhalten sollte, dessen Haus zu keiner der Vertragsmächte gehörte. Statt die sogleich lautgewordenen Vorschläge zu beachten, betont Thiersch: „Die innere Wiedergeburt Griechenlands kann nur von dem überlegenen Mann vollendet werden, der sie begonnen hat. Das Los des unglücklichen Landes knüpft sich an seinen Namen, der allein eine Vereinbarung der Parteien bewirkt hat, an seine Fähigkeiten, die in einem Chaos Ordnung und Recht gründeten, an seine Tugenden, die einem großen aber verwilderten Volk zugleich Muster und Frucht der Zivilisation zeigen, die auf Bildung des Geistes und Charakters gegründet ist.“ Mit tiefem Bedauern sieht Thiersch, wie der Präsident durch Englands Haltung veranlasst wird, sich allzu stark an Russland anzulehnen. Als künftigen Regenten denkt er sich einen Jugendlichen Fürsten, der mehrere Jahre für sein künftiges Amt vorbereitet und noch durch Capodistria in die schwere Kunst eingeführt wird, ein solches Volk zu regieren. Hier wollte Thiersch seine Betrachtungen schließen, als gerüchteweise die Grenzregulierung durch die Londoner Konferenz bekannt wurde, wonach Thessalien, Epirus und Arkananien ausgeschlossen blieben. Der begeisterte Philhellene vermochte hierin nur ein neues Provisorium sehen; er musste sich mit der Unabhängigkeit Griechenlands trösten; mit diesem Trost betritt er das neue Jahr 1830. Besonderes Interesse beanspruchen diese Ausführungen; denn sie zeigen, wie Thierschs gute Meinung über Capodistria damals noch ganz unerschüttert war und wie durch langjähriges Studium der Plan in ihm reifte, für einen jugendlichen Fürsten einzutreten. Während er in den für die Öffentlichkeit bestimmten Artikeln sich eine gewisse Zurückhaltung auferlegen musste, konnte er dem

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treuen Eynard gegenüber umso offener sprechen.36 In dem Augenblick, da die Konferenzmächte über den Vorschlag berieten, Griechenland zwar die Unabhängigkeit zu geben, es aber auf Morea und die Kykladen zu beschränken, und durch die Zurückziehung der französischen Truppen aus dem Peloponnes der Ausbruch neuer Unruhen drohte, entwickelte Thiersch dem in Paris weilenden Freund seine Ansichten in der Hoffnung, dass er dort Gelegenheit finden werde zu einer glücklichen Lösung etwas beizutragen. Das sicherste Mittel Griechenland aus dem drohenden Chaos zu retten, ist die Wahl eines Souveräns; er müsse aus einem Herrscherhaus sein, das durch wohlwollende Gesinnung für Griechenland bekannt ist; denn nur so könne Capodistria die soziale Ordnung auf sicherer Grundlage befestigen. Das königliche Bayern erfülle alle Vorbedingungen; Prinz Otto besitze nach Aussage seiner Lehrer ausgezeichnete Verstandesgaben und treffliche moralische Eigenschaften; der erst 15-jährige müsse in Gemeinschaft mit jungen Griechen aus hervorragenden griechischen Familien zum Teil von griechischen Lehrern für seine große Aufgabe vorbereitet werden und eine genaue Kenntnis der Sprache, Sitten und Gebräuche des Landes erhalten sowie zum griechischen Kultus übertreten. Ein Korps bayerischen Truppen sollte nach Griechenland gehen und Capodistria in der Befestigung der Autorität der Regierung unterstützen. Sie könnten, gut ausgewählt zugleich als Lehrer für junge Griechen dienen, die sich für Gewerbe und nützliche Dienste ausbilden wollen, woran es Griechenland noch sehr fehle. Endlich kehrt der uns schon bekannte Gedanke wieder, dass Capodistria selbst den Prinzen in seine schwierige Aufgabe einführen solle; erst nach dessen Tod müsste Otto als erbliches Oberhaupt regieren. Da König Ludwig seinerseits in dieser Sache nicht das Geringste tun wolle, um nicht sein uneigennütziges Eintreten für die Griechen in ein falsches Licht zu setzen, so müsse man diese Vorschläge denen mitteilen, die die große Frage zu entscheiden haben. Diese Vorschläge finden sich in zahlreichen Punkten noch näher ausgeführt in einem Brief,37 den Thiersch bereits am 10. Sept. 1829 an König Ludwig nach Tegernsee richtete. Während Thiersch Eynard die Sorge überließ, seinerseits die notwendigen Schritte in Paris und in London zu tun, benützte er selbst eine günstige Gelegenheit den Zaren von der Angelegenheit Mitteilung zu; machen; das griechische Komitee in München hatte nämlich zur Ausstattung der Kirche, die den jungen Griechen zur Abhaltung des Gottesdienstes von König Ludwig überlassen worden war, von Zar Nikolaus die heiligen Gewänder und Gefäße erhalten. Thiersch fügte dem Dankesschreiben eine Abschrift seines Briefes an Eynard bei.

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Thiersch an EY 10. Nov. 1829 in Biographie, Bd. I, S. 352 ff. Otto, König Griechenland BDB BD S. 695. Thiersch, de l’Etat, Bd. I., S. 309, vergl. auch Thiersch Apologie S. 105.

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Gegen Ende des Jahres traf von dem unermüdlichen Genfer Philhellenen die Antwort38 ein; er selbst pflichtete in der Frage des Souveräns vollkommen den Vorschlägen von Thiersch bei und er unterließ keinen Schritt, sie zu verwirklichen. Frankreich und Russland nahmen sie an; aber an Englands Widerstand scheiterte, „la proposition, la plus convenable pour la Grèce.“ Thierschs Vorschlag beruhte, wie aus den bisherigen Ausführungen mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht, auf einer genauen Prüfung aller Verhältnisse, wobei sich der Gelehrte auch nicht den ungeheueren Schwierigkeiten verschloss, die den Sohn des Bayernkönigs in Griechenland erwarteten. Daher ist wohl Treitschkes39 temperamentvolles Urteil einseitig: „Dann kann Thiersch im Rausche seiner philhellenischen Begeisterung auf den Einfall, die Griechen durch Bayern für die Gesittung zu erziehen, des Königs Sohn, den jungen Prinzen Otto an die Spitze des werdenden hellenischen Staates zu stellen. Wohl niemals war eine seltsamere Schrulle im Haupt eines braven Gelehrten aufgestiegen.“ Das Londoner Protokoll vom 3. Februar 1830 übertrug die Würde des souveränen Erbfürsten auf den Prinzen Leopold von Coburg und erkannte die vollkommene Unabhängigkeit Griechenlands an; die Grenzfrage wurde abgesehen von der Überlassung Kretas an die Türkei so geregelt, dass das von Thiersch aufs heftigste bekämpfte Ministerium Wellington eine vollständige Niederlage40 erlitt. Aber es bot noch Stoff genug zu Auseinandersetzungen; daher veröffentlichte der unermüdliche Griechenfreund Ende Februar und Anfang März drei ausführliche Artikel: „Über das Verhältnis der drei Mächte zu Griechenland.“41 Den breitesten Raum nimmt die Kritik an dem Systemwechsel Englands ein. Scharf betont Thiersch, das System des Inselreiches im Mittelmeer, das die Felsen von Gibraltar und Malta zu unangreifbaren Festungen erhob, Korfu zu einem starken Bollwerk der beiden Meere gemacht und seinen mächtigen Arm über die wankenden Türme des Serails ausgebreitet hatte. Daraus ergibt sich als wichtige Folgerung, Griechenland darf dieses System nicht schädigen; daher müsse England auf die politische Form des neuen Staates entscheidenden Einfluss üben. Damit gewinnt die Stellung des Kabinettes von St. James zu dem Grafen Kapodistrias, der von dem griechischen Nationalkongress mit Zustimmung der Großmächte auf sieben Jahre die Regierung über Griechenland übernommen hatte, erhöhte Bedeutung. Thiersch untersucht sie sorgfältig und zeigt sich auffallend gut unterrichtet; denn in seiner Gegenwart waren von dem Grafen in Paris eingehende Besprechungen abgehalten worden, als er an den Zaren Alexander den Antrag stellte, die Schutzherrschaft über die sieben jonischen Inseln England zu überlassen. Dabei leitete ihn die Voraussetzung, England werde nicht zur Herrschaft, sondern zum Schutz der Inseln berufen; denn infol38 39 40 41

Thiersch, de l’Etat, Bd. I, S. 315-16. Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 618. Vgl. Loewe griechische Frage S. 36-37. Allg. Zeitung, Beilage Nr. 59, 28. Febr. 1830 Nr. 60, 1. März 1830.

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ge seiner Freiheit im Besitz aller Mittel der Zivilisation und einer den ganzen Welthandel beherrschenden Seemacht sei es mehr wie irgend ein anderer Staat geeignet, den Einwohnern der jonischen Lande die auf bürgerliche Ordnung gegründete Freiheit, die Schätze der Europäischen Bildung und die Vorteile eines geregelten Verkehrs mit anderen Staaten zu gewähren und zu schirmen. Zu spät erkannte der Graf, dass er von Lord Castlereagh getäuscht worden war; die Herrschaft der Engländer über seine unglückliche Heimat war befestigt, er selbst dem Kabinett von St. James verhasst und durch den Einfluss seiner mächtigen Familie auf Korfu gefährlich. Aus dieser Vorgeschichte erklärt sich Thiersch die Stellung Englands gegenüber dem Präsidenten und er kommt zu dem ganz richtigen Schluss, dass zwischen diesem und Wellington jedes wahre Vertrauen ausgeschlossen erscheint. Deshalb hielt Wellington den Präsidenten von allen Verhandlungen über die künftige Stellung des Landes fern, erst am 8. April erfuhr er durch die Residenten die wichtigen Beschlüsse in verletzender Form. Einen weiteren Grund für den Systemwechsel des englischen Ministers findet Thiersch in der inneren Lage. Wellington, durch sein Vergehen in der irischen Frage mit der Partei der Hochtories und der Hochkirche verfeindet, musste Anschluss an die Liberalen suchen, die Cannings Vermächtnis hüteten; das Aufblühen Griechenlands eröffnete zu jenen großen und reichen Ländern des Orients von neuem die Bahn. Der dritte Artikel42 über Russland enthält die bekannte Auffassung des Philhellenen über den Zaren Nikolaus. Im Juli des gleichen Jahres gaben die politischen Ereignisse in Griechenland Thiersch Veranlassung zu dem Artikel: „Über die Verwicklungen der griechischen Sache“.43 Die Gründe für die schwere Erschütterung des unglücklichen Landes erkennt er mit scharfem Blick nicht in dem Rücktritt des Prinzen Leopold, sondern in dem Vorgehen der Diplomatie, wodurch Capodistria's Ansehen erschüttert wurde. Inmitten der allgemeinen Verwirrung, während es an dem nötigen Sold und Unterhalt der Truppen fehlte, und das Land von Intriganten und Abenteurern überschwemmt wurde, blieb nur eines unerschüttert, der ausdauernde Mut des Präsidenten, der von dem aufopfernden Eynard so lange unterstützt wurde, bis die Diplomatie sich entschloss, wenigstens einen Teil der französischen Macht im Peloponnes zu lassen und die Subsidien zu erneuern. „Voll Anerkennung berichtet Thiersch die Haltung des Präsidenten, als die Grenzentscheidung der Konferenz neue Schwierigkeiten hervorrief. Nur die Überzeugung, dass auch der neue Regent seine Mitwirkung nicht entbehren könne, und des Präsidenten edelmütige Erklärung, er werde im Dienste bleiben, so lange er Hoffnung habe seinem Vaterlande nützen zu können, stärkte den Mut seiner Anhänger und hielt den drohenden Ausbruch zurück.“Eine interessante Beleuchtung und Ergänzung finden diese Ausführungen in Capodistria’s Briefen.44 42 43 44

Allg. Zeitung Nr. 69 u. Nr. 70, 10./11. März 1830. Allg. Zeitung, Beilage, Nr. 192, 193 von der Isar 11./12. Juni. Betant, Comt de Kapodistrias Bd. 3, 1839, S. 490.

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Thierschs abschließendes Urteil, Leopolds Ankunft würde die Sachlage nur verschlimmert haben, ist wohl unzutreffend. „Angesichts der großen Leistungen“, so urteilt Hertzberg45 mit Recht „die Leopold nicht lange nachher auf dem Thron von Belgien erzielt hat, muss es die Geschichte noch heute beklagen, dass der hochbegabte Fürst den Mut oder die Möglichkeit nicht gefunden hat, das Volk der Hellenen zu leiten und mit Aufbietung seiner reichen Kraft zu einem glücklichen Gliede der Europäischen Völkerfamilie zu machen.“ In der Grenzfrage betont Thiersch noch ein Mal die Notwendigkeit der natürlichen Grenzen und schließt seine Ausführungen mit dem Wunsche: „Möge der künftige Herrscher Griechenlands seine natürlichen Grenzen und zum Aufbau seines Staates reiche Mittel, zur Ordnung seiner Verhältnisse, Weisheit, Kraft und Beharrlichkeit bringen.“ Im Frühjahr 1831 weilte Thiersch in Bad Gastein. Hier schrieb er die bereits in anderem Zusammenhang gewürdigten achten Aufsätze: „Die Lage Europas im Frühjahr 1831.“Der letzte46 befasst sich mit der griechischen Frage. „Sie ist zugleich eine Europäische. Wien und Triest in ihrer Wichtigkeit für den Verkehr von Europa ruhen auf der Ordnung und dem Schicksal jener Völker. Das Schwarze Meer mit den unendlichen Mitteln seiner Küstenländer, Konstantinopel, Smyrna und Syra, auf deren Stapelplätzen die Güter von Asien und Südeuropa gegen die Erzeugnisse der europäischen Gewerbstätigkeit vertauscht werden, geraten in Stockung, wenn nicht auf jenem ergiebigen Gebiete Ruhe und Ordnung gegründet wird, deren Basis allein in der Unabhängigkeit und Stärke Griechenlands und in der Durchführung der türkischen Reformen zu finden ist.“ Wird man in der unbegreiflichen Gleichgültigkeit gegen die Not verharren, so wird der Zustand der Dinge sich so verschlimmern, dass Hilfe unmöglich und der Schaden für Europa unersetzlich und unermesslich ist. Bekümmert sieht der Gelehrte, dass Griechenland durch die Schuld der Diplomaten in seinen Grenzen beschränkt zu politischer Nichtigkeit und in seiner mittellosen Zerrüttung zur Ratlosigkeit verdammt ist. Dieses Urteil des Philhellenen deckt sich durchaus mit der Auffassung des Historikers. Mendelssohn-Bartholdy47 schreibt: „Heutzutage erscheint es unbestreitbar, dass falsch verstandener Egoismus und die übereilte Sorge, jenes drohende Unheil ohne Aufsehen, ohne Störung zur Ruhe zu bringen, dass diplomatische Kleinmeisterei eine politische Missgeburt ans Licht förderte, die nicht leben kann. Europas Schicksal liegt im Orient. Die Staatsmänner von Downing Street schufen ein schwaches, abhängiges Griechenland und bedachten nicht, dass die Gefahr, nur vertagt, mit gedoppelter Stärke zurückkehren, dass schwankende, haltlose Zustände einging und allein den Intrigen der vergrößerungssüchtigsten Großmacht erwünschten Spielraum gewähren mussten, während ein starkes unabhängiges Griechenland der

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Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 517. A. o. Beilage zur Allg. Zeitung Nr. 192, 31. Mai, Nr. 196, 3. Juni, Nr. 197, 4. Juni. Mendelssohn-Bartholdy, Capodistria S. 263.

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zweifelhaften russischen Freundschaft den Rücken kehren und an den Uferstaaten des Mittelmeeres neidlose, ungefährliche Bundesgenossen finden wird.“ Mit besonderer Sorge erfüllten Thiersch die Nachrichten aus Griechenland selbst, die er aus Syra und Ägion von erfahrenen und wohlgesinnten Männern erhielt. Schon konnte er sich nicht mehr der Einsicht verschließen, dass unter dem Einfluss der Julirevolution seit November 1831 das Land einer schweren Katastrophe entgegeneilte und Graf Capodistria nicht frei von Schuld zu sprechen war. Zum ersten Mal weist er bestimmt und klar auch auf die Schwächen des Präsidenten hin. Auf Grund genauer Prüfung der ihm zugesandten Nachrichten kommt er zu dem Schluss, der Zustand der Dinge in Griechenland ist unhaltbar geworden. Daher richtet er an die Konferenzmächte mit aller Entschiedenheit die Forderung, für die Erweiterung der Grenzen, die Wahl eines die nötigen Bürgschaften bietenden Oberhauptes der Nation und die Gewährleistung der Nation einzutreten. Griechenland muss Kreta und die nördlichen Gebirge bis Arta bekommen. Eine sorgfältige Prüfung der Lage der Türkei lenkt den Blick des Gelehrten in die Zukunft, er nimmt an, es gelingt wider alles Erwarten die Reformen in der Türkei durchzuführen; so dann muss die Pforte für die Verluste in Griechenland entschädigt werden; ihr droht aber noch von anderer Seite schwere Gefahr. Die Ausgleichung der polnischen Sache durch Sühnung der großen europäischen Schuld und der Wiederaufbau des zertrümmerten Reiches steht im Begriffe zur politischen Notwendigkeit zu werden. Die Entschädigung von zwei der dabei beteiligten Mächte für die Zurückstellung polnischer Länder ist bei dieser Lage von Europa nur auf Kosten der Türkei zu erzielen. Dann fällt einem starken Griechenland, das bis Montenegro reicht, Thessalien bis an den Axios und sämtliche Inseln umfasst, eine wichtige Rolle zu. Eine starke Land- und Seemacht muss es in den Stand setzen nicht nur seine Sicherheit gegen die beiden Großmächte Österreich und Russland aufrecht zu erhalten, sondern auch in Verbindung mit Frankreich und England die Unabhängigkeit des Mittelmeeres zu schützen. Neben dieser mehr apologetisch-publizistischen Tätigkeit war Thiersch auch bemüht durch wissenschaftliche Untersuchungen die Frage zu klären, welche Bedeutung das Wiedererscheinen der Griechen auf der Bühne der Europäischen Völker für die Sache der Bildung und Wissenschaften hat. Daher hielt er 1828 in der Akademie einen Vortrag: „Über die neugriechische Poesie, besonders über ihr rhythmisches und dichterisches Verhältnis zur altgriechischen.“48 Die Abhandlung ist in mehrfacher Hinsicht interessant, denn sie gewährt einen klaren Einblick in Thierschs Auffassung der griechischen Sprachentwicklung und des Wesens der neugriechischen Poesie. Er berührte und förderte Probleme, wie sie durch Goethes Auftreten lebhaft angeregt worden waren. Goethe war vor allem dadurch ein Hauptfaktor des literarischen Philhellenismus geworden, weil er zuerst in Deutschland und mit seiner ganzen Autorität auf die 48

Denkschriften der Münchner Akademie der Wissenschaften 28. März 1828.

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neugriechischen Volkslieder hingewiesen hatte.49 1815 las ihn in Wiesbaden Werner von Harthausen einige aus seiner großen Sammlung vor; der Dichter ermunterte aufs entschiedenste zur Herausgabe;50 aber es geschah nicht und so kam dem deutschen Forscher der französische zuvor. Fauriel veröffentlichte 1823 das Werk: "Chants populaires de la Grèce moderne". Im gleichen Jahr ließ Goethe sechs solche Gedichte in Übersetzung erscheinen. Niebuhr wurde, wie wir aus seinen Briefen51 wissen, durch die Lektüre der von Harthausen gesammelten Lieder für das geistreiche, wenn auch entehrte Volk „belebt“, ich weiß nicht, ob ein geringerer Dichtergeist in ihnen weht, als in den Lyrikern des alten Griechenlands. „(...) Wenn ich einen Band griechischer Lieder aus den Zeiten der Byzantinischen Kaiser, einen Kataster von Morea und einen Bündel Handlungsbriefe aus der Zeit haben könnte, so würfe ich gern alle Byzantiner ins Feuer.“ Die im zweiten Band von Fauriel herausgegebenen Lieder versetzten ihn durch ihre unaussprechlichen Schönheiten in einen solchen Zustand der Freude, dass er einige ins Deutsche übertrug. „Ich hörte das Griechische mit den lieblichsten Tönen in meinem Innern singen, mir war so selig, als ob ich es selbst gedichtet hätte.“ Thiersch liegt zunächst daran, das große Vorurteil zu widerlegen, als ob die Griechen infolge der über 2000 Jahre währenden Fremdherrschaft der Selbständigkeit und damit der wahren und segensreichen Bildung unfähig seien. Er führt den Beweis historisch, für die Römerzeit durch die Zeugnisse des Tacitus, Plutarch und Lukian, für das byzantinisch-griechische Kaiserreich durch den Hinweis auf die Männer, wie Chrysoloras, Lascaris, Bessarion, Musurus, die die Hauptträger der Renaissance-Bildung im Abendlande wurden, für die Gegenwart durch die Betonung der Tatsache, dass junge Staaten und Stadtgemeinden, vor allem der Inselwelt treffliche Lehranstalten errichteten. Der griechische Geist ist – so lautet das Ergebnis – „unverwüstlich durch seine innerste Natur.“ Seit 1750 nach dem lebhaften Aufschwung des griechischen Handels bis Amerika und Ostindien machte sich das Bestreben bemerkbar, durch Übersetzungsliteratur der verwüsteten Heimat neue Anregungen in poetischen, historischen und philosophischen Werken zu bieten. Französische, italienische und deutsche Einflüsse drangen ein. Daher entsteht ein zweiter Einwand: Tilgte diese übertriebene Vorliebe für das Fremde und die dadurch bedingte Nachahmung nicht den Keim des originalen Schaffens? Thiersch sieht die Gefahren jener Hinneigung zum Ausland besonders auf politischem Gebiet, wo gallische Ideen und Formen zumeist die augenblickliche Krisis herbeigeführt haben. Indessen tröstet ihn die Überlegung, dass die Nachahmung der Rhisos und Kalbos und die sogenannten Völkerlieder der (…), die in ihre Dichtungen, dem einfachen Mann unbekannt, Begriffe und Bilder aufnehmen, nur der Anfang einer neuen Literatur sind. Die Eigentümlichkeit der neuen Sprache wie des neuen Lebens 49 50 51

Arnold, Der deutsche Philhellenismus, S. 106 ff. Dieterich, Philhellenismus 1928, S. 44 Goethe an Therese von Jakob 2. Aug. 1824. Dieterich, Philhellenismus 1928, S. 34-35 u. S. 46

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geben vielmehr die echten Volkslieder, die Tragödie der Pallikaren, der Schiffer und Hirten-, der Hochzeits- und Reigenlieder wieder. Durch ihre Untersuchung will Thiersch das treue Abbild des Volkes und seines noch jetzt originalen und lichten Geistes entdecken. Dabei denkt er nicht an ein äußeres, geschichtliches Verhältnis zur altgriechischen Poesie, an eine bewusste Nachahmung der Kunst der Vorfahren, sondern an das natürliche, was aus dem Zusammenhang der alten und neueren Zeit in Griechenland von selbst hervorgeht, wenn auch die Erinnerung an diesen Zusammenhang längst erloschen ist. Das Neugriechische52 erscheint Thiersch nicht durch eine gewaltsame Katastrophe, sondern durch allmähliche Wandlung des Redegebrauchs aus der alten hervorgegangen; es ist die Sprache der Vorfahren mit ihren Formen und Fügungen, nur wie das Volk in sich verarmt und im Gebrauch umgewandelt; nicht wenige Formen sind neu geworden, manches aber, was nach sicherer Analogie auf das fernste Alter des Äolischen und Dorischen zurückweist, ist in den Schriftgebrauch eingetreten. Das Wesentliche dieser Auffassung des bayerischen Humanisten ist doch wohl die Einsicht, dass das Neugriechische in jahrhundertlanger Entwicklung aus dem altgriechischen hervorgegangen ist, dass es sich also beim Neugriechischen nicht um eine neue Sprache handelt, wie das Italienische neben dem Lateinischen, eine Erkenntnis, die, wie wir noch sehen werden, für die Beurteilung der Hypothese Fallmerayers bedeutsam wurde. Durch Hatzidakis53 grundlegende Forschung, namentlich in der Einleitung zur neugriechischen Grammatik (1892) wurde Gemeingut der internationalen Forschung: Die Sprache der Attiker ist die Weltsprache des Hellenismus geworden, aus ihr hat der ganze Reichtum der griechischen Sprache im Mittelalter und der Neuzeit sich entfaltet. Auch die Untersuchungen des Grazer Professors Gustav Mayer54 „Das heutige Griechische“ zeigen Berührungspunkte mit Thierschs Ergebnissen. Mayer betont vor allem die Anwendungen der modernen Sprachwissenschaft für das Verständnis des Neugriechischen. Seine Beurteilung ist unabhängig von der größeren oder geringeren Mischung des Volkes mit fremden Elementen. Trotz der ungünstigsten äußeren Umstände, der Sklaveneinfälle, der türkischen Eroberungen, der Herrschaft der französischen Barone, der Albanerinvasion blieb die griechische Sprache lebensfähig und widerstandskräftig; die Griechen haben sich die Slaven assimiliert. Wenn Mayer behauptet55, die klassische Philologie trage viel Schuld an der Verwahrlosung des Neugriechischen bis zu seiner Zeit, sie habe bis auf den heutigen Tag ihre Abneigung gegen das verwahrloste Kind der edlen Mutter (...) nicht überwinden

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Bis zum 12. Jahrhundert nicht geschrieben, da die Attikisten dem alten Griechisch im Schriftgebrauch ein künstliches Dasein zu wahren wussten. Heisenberg, Dialekte und Umgangssprache im Neugriechischen 1918. Essays und Studien zur Sprachgeschichte und Volkskunde Berlin 1885, S. 92 ff. Ebd., S. 95ff.

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können, so trifft dieser Vorwurf jedenfalls nicht Thiersch; Mayer ist offenbar die Akademieabhandlung unbekannt. In längeren Ausführungen untersucht Thiersch die rhythmischen Formen des Neugriechischen, zunächst die starke Abweichung vom Altgriechischen; über die Messung entscheidet wie in den romanischen Sprachen der Akzent, über das Metrum fast allein die Anzahl der Silben, ferner die Umschreibung des hohen Liedes von Psaltes um 1050 n.Chr., in einer dem 15 silbigem Tetrametron entsprechenden jambischen Weise, die unter dem Namen der „politischen“ (įȘȝȠIJȚțȩȞ) gangbar war und im folgendem Jahrhundert durch Nikitas, Eugenianos, Manassis, Johannes Tzetzes umgewandelt wurde, endlich den Gebrauch des Reimes, der, wie Thiersch annimmt, von den germanischen Völkern stammte und dann ins Lateinische (Stabat Mater56) und seit dem 16. Jahrhundert ins Neugriechische (Paraphrase der Batrachomyomachie von Demetrios Zenios aus Zakynthos) eindrang. Daran schließen sich Vergleiche zwischen alt- und neugriechischen Liedern in jambischen und trochäischen Rhythmen: (z.B. Anacreon: HLÝZNR—UKQ, neugr. Lied an den Mond; Aristophanes Wolken u. Ammenlieder des Neugriechischen in 4-füßigen Jamben; als besondere Eigentümlichkeit der neuen Poesie erscheint der 15-silbige jambische Vers (Lied vorn Garten, Fauriel II., S. 240). „Alle diese Formen, deren Urbild sich fast ohne Ausnahme in der alten Lyrik findet, zeigen ungeachtet ihrer Mannigfaltigkeit ein bestimmtes Gepräge, das den verschiedenen Stoffen ebenso angemessen wie überall durch einen gewissen Grundton mit sich selbst übereinstimmend ist, zum Beweis, dass sie sämtlich in Bezug auf eine musikalische Tonart stehen“.57 Thiersch nimmt an, dass zur Erkenntnis der Musik der Alten eine genaue Prüfung der Volksmusik in Sizilien, auf den Inseln des Archipelagos, in Arkadien und in den Tälern des Olymp viel beitragen könne, in der von unserem musikalischen System ganz abweichenden Temperatur. Der Art ihrer Töne und der Eigentümlichkeit der Melodien sieht er einen Beweis, dass der Grieche noch jetzt, wenn auch unbewusst, alter Überlieferung folgt. Einfach und doch abwechselnd wie diese Rhythmen haben die Melodien mit ihnen auch dies gemein, dass sie nicht über zwei Reihen von Tönen hinausgehen und so das Lied des zweizeiligen Epodos wiedergeben. „Wir sind durch genaue Erforschung der alten Rhythmen und Töne dahin gekommen (und das Resultat ist eines der größten und denkwürdigsten der das ganze Altertum umfassenden und mehr und mehr durchdringenden neueren in Deutschland gebildeten Philologie) aus der Messung der Rhythmen und Verse die Tonart zu erkennen, für welche sie gedichtet war, in dem sich gezeigt hat, dass Mischung und Folge der Töne in der Mi-

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Stabat mater (dolorosa): Aus dem Lateinischen „es stand die schmerzensreiche Mutter“, Marienhymnus, vielleicht von Jacopone da Todi, inhaltlich ins 13. Jh. zurückreichend, im 14. Jh. in einzelnen Missalen bekannt – Anm. d. Hrsg. Über die neugriechische Poesie…, S. 25.

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schung und Folge der Sitten in den Rhythmen der vollkommensten Weise sich entsprechen und für einander gebildet sind.“58 Zweifellos gehören nach Thierschs Ansicht die sämtlichen rhythmischen Formen der altgriechischen Poesie, welche sich in der neugriechischen wiederholen oder doch wiederspiegeln, der jonischen Weise an; das weichere, üppigere leichtere Wesen der späteren Griechen entspricht dieser Vorliebe für jonische Tonkunst der letzte Teil59 der Abhandlung versucht den Nachweis, dass sich in dem poetischen Charakter des neugriechischen Gesanges ein überraschender Nachklang und Wiederschein griechischen Altertums zeigt. Wie in der alten Poesie strebt auch jetzt die Phantasie alles was sie umgibt, mit Gefühl, Teilnahme, ja mit Rede und mit allem zu begaben, was in der menschlichen Brust sich regt und gestaltet, Vögel reden zu den Menschen, bringen ihm Kunde, trauern über sein Leiden, Streitrosse empfangen die Befehle des Herrn, Berge und Flüsse verkehren im Gespräch miteinander, die Erscheinungen des Lebens werden in Wesen von bestimmter Eigentümlichkeit bezogen. Dem Altertum am meisten analog ist die Idee des Todes (Euripides, Alcestis, MD—QDWRZ ringt mit Herakles; neugr.: Charon, der junge Hirte ringt mit dem Tod, Fauriel II. S.728). Thiersch hält es für falsch, überall einen unmittelbaren Zusammenhang mit den alten Vorstellungen anzunehmen; bei der Belebung der Natur liegt der Grund tiefer, es ist das innige Gefühl für die überschwängliche Herrlichkeit jenes Himmels und jener Erde, das schon im Altertum die Erscheinungen im ganzen Gebiet der Schöpfung mit menschlichen Wesen umgab, um sie als Abbild der Gottheit zu verehren. Dasselbe innige und lautere Gefühl spricht sich aus als Lust und Süßigkeit des Lebens, bald als Sehnsucht nach der Heimat, deren Anmut jede Trennung als ein Ungemach, jedes Fremde als der Ort der Trauer betrachten lässt. Nirgends ist die Freundestreue, die Zärtlichkeit der Mutter gegen die Kinder, die eheliche Liebe, die Leidenschaft der Geschlechter zueinander naiver und inniger geschildert. Mit der Innigkeit und Lauterkeit der Gefühle geht die Raschheit und mit ihr die Beweglichkeit der Darstellungen. Wie Goethe betont Thiersch die Verbindung des Lyrischen, Epischen und Dramatischen. In allen Liedern ist das nationale Gepräge leicht zu erkennen. Der Charakter der Stämme und Landschaften spiegelt sich und erhöht ihren Wert (Armatolenlieder aus den Gebirgen von Epirus, Akarnanien, Ätolien und Thessalien). Das Volk ist sangesfreudig; aus ihm stammen die Sänger. Im Altertum und der Neuzeit treffen Stoffe, Gesetze und Bestimmung der Poesie zusammen. Gerade die Beschäftigung mit der Poesie der Neugriechen mochte den Wunsch des Humanisten, das Land, dessen Geschichte er so genau kannte, an dessen Schicksalen er so warmen Anteil nahm, dessen Literatur und Wissenschaft er verehrte und liebte, mit eigenen Augen zu sehen. Wenige Wochen, nachdem er den letzten Artikel in der Allgemeinen Zeitung veröffentlicht hatte, trat er die längst geplante griechische Reise an. 58 59

Ebd. Ebd., S. 26 ff.

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2. Die griechische Reise August 1831 - Oktober 183260 Thiersch kannte die Schwierigkeiten, die ihn am Balkan erwarteten, genau. Er reiste in ein Land, das, wie er aus allen Berichten wusste, einer schweren Katastrophe entgegeneilte. Noch war die Entscheidung der Mächte über die endgültige Gestaltung seiner politischen Verhältnisse nicht gefallen. Es kamen Thiersch Zweifel, ob nach der augenblicklichen Lage der Dinge die Wahl Ottos für Bayern und Griechenland noch ratsam und vorteilhaft sei. In solcher Stimmung schrieb er an den vertrauten Freund Cotta noch am 10. Juli61: „Nichts, gar nichts lässt sich sagen und bestimmen, weil wir überall den Grund und Boden verloren haben.“ Männer wie Jacobs und Kreuzer erhoben ihre warnende Stimme. Die allgemeinen politischen Verhältnisse Europas auf Sturm, im Westen wie im Osten zitterte die durch die Julirevolution hervorgerufene Erregung noch nach. Indessen stand Thierschs Entschluss zu fest; der König gewährte den erbetenen Urlaub. Am 21. August 1831 erfolgte die Abreise. Angesichts der so verschiedenartigen Beurteilung, die das politische Auftreten des Bayerischen Humanisten in Griechenland gefunden hat, ist die Frage wohl berechtigt, was er denn bei dieser Reise beabsichtigte. Vor allem trieb es den begeisterten Freund des klassischen Altertums, das Land seiner Sehnsucht und alle die Stätten kennen zu lernen, die ihm durch seine eindringenden Studien der Klassiker vertraut und lieb geworden waren; endlich versprach er sich reichen Gewinn für seine archäologischen und literarisch-philologischen Arbeiten. Dann aber wollte er „den Zustand von Griechenland erforschen, klären und die Wege seiner Wohlfahrt nach Möglichkeit zeigen.“62 In einem Brief an seinen Bruder Ernst taucht auch der Gedanke auf, zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln. Einen offiziellen Auftrag seines Königs empfing er nicht, wie dieser schon früher Thierschs Vorschlag, in Betreff der Wahl Ottos zum König ausweichend beantwortet hatte mit dem Hinweis, dass sein Eintreten für diesen Plan seinen Philhellenismus in ein falsches Licht setzen könnte; aber Fürst Wrede63 teilte ihm mit: „S. Majestät der König sei weit entfernt, seinen Sohn den Griechen in irgend einer Weise aufnötigen zu wollen und das Angenehmste für ihn würde sein, wenn er von der Nation selbst, über die er herrschen sollte, begehrt würde.“ Diese Weisung sollte ihm in schwieriger Lage zum Richtpunkt dienen. 60

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Die wichtigsten Quellen sind: 1. Thiersch, Berichte an den Fürsten Wrede und König Ludwig I. (Biographie, Bd. II, S. 90, S. 100 (113); (ebenda S. 127 ff., S. 218 ff., S. 227 Ff., S. 238, S. 256 ff., S. 278 ff., S. 283 ff., S. 285 ff., S. 302; 2. Thierschs Briefe an seine Frau und Freunde, ebd. Passim. 3. Thiersch, Apologie eines Philhellenen, München 1846. 4. Thiersch, Über mein Benehmen in der griechischen Sache u. seine Gegner, 1839, ungedr. Thierschiana 120 u. 120 a. 5. Thiersch, De l’Etat actuel de la Grèce … 1833, Dokumentenanhang. H. Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 42. 1. Bericht an König Ludwig, Biographie, Bd. II, S. 137. H. Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 5/6; Heigel, König Otto, ADB Bd. 24, S. 692.

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Die Reisegesellschaft, die am 21. August München verließ, um zunächst über Innsbruck und Bozen Triest zu erreichen, war eigentümlich zusammengesetzt: der Sieger von Kulm, der russische General Graf Ostermann Tolstoi, nicht ganz normal, ein schwärmerischer Verehrer von Ringseis,64 Thiersch und Fallmerayer, die beiden Gelehrten, die bald in heftige literarische Fehde geraten sollten, der Architekt Eduard Metzger, Dr. Lindner und Dr. Fischer. Der Moskoviter hatte den Bayerischen Humanisten eingeladen, bis Athen die Fahrt in seinem Wagen mitzumachen. In Triest aber trennte man sich, Ostermann fuhr mit Fallmerayer nach Ägypten, Thiersch und Metzger nach Nauplia. Der Grund lag nach Heinrich Thierschs Ausführungen65 darin, dass sein Vater an dem Luxus, dem religiösen Anstrich und Mangel an sittlicher Bildung Ostermanns keinen Geschmack finden konnte; der General dagegen kündigte in Triest die weitere Mitnahme, da Thiersch ihm kraft seiner philologischen Kenntnisse habe beweisen wollen, die Schlacht bei Kulm hätte nach der eingeschlagenen Taktik eigentlich verloren gehen müssen.66 Thiersch bezeichnet in einem Brief67 an seine Frau als Hauptanlass, er habe sich mit dem General über die Reiseroute nicht einigen können und seine Taktlosigkeit in Geldfragen unangenehm empfunden. Der Aufenthalt in der von Leben und Bewegung eines regen Handels erbrausenden Stadt Triest war zwar nur kurz, bot Thiersch aber eine Fülle reichster Anregung. Vom Hafen aus scholl zu ihm herauf nie endendes Getöse. „Das Meer und die über ihm untergehende Sonne lagen vor meinem Fenster“, – so schreibt68 er seiner Frau, „Die unermessliche Fläche von leichtem Hauch gekräuselt und in wunderbarer Schönheit strahlend, als ob sie mich einladen und ermutigen wollte, mich zur Fahrt nach dem gelobten Lande meiner Studien ihrem Schoß und ihren schirmenden Mächten anzuvertrauen.“ Die ersten und reichsten Griechen besuchten Thiersch und wetteiferten in der Darbietung ihrer Dienste; sie boten ihm an, da gerade der „Marco Bozzaris“, ein mit Psarioten bemanntes Schiff ,Abfahrt bereit im Hafen lagt auf ihre Kosten die Reise umsonst zu machen; doch wies er das Anerbieten energisch zurück. Durch ihre Vermittlung erhielt er einen sehr günstigen Vertrag. (einige Tage vor der Abfahrt lernte Thiersch noch Karoline, die dritte Schwester Napoleons, die ehemalige Königin von Neapel kennen, die in ihrer schönen Villa bei Triest nach französischer Art abends Salons hielt. Die geistreiche und liebenswürdige Frau sprach in angeregtester Weise mit ihm über ihre Lage, über Griechenland, und die Vasen ihres Bruders.) Am 4. September verließ die Brigg Triest. Während der l8-tägigen Reise wechselten Sturm und Sonnenschein. Bald schaukelte das Schiff in unsteter Bewegung bei nachlassendem Wind, von Delphinen verfolgt, bald mit gekappten 64 65 66 67 68

Ringseis, Erinnerungen, Bd. 3, S. 79. H. Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 51. Ringseis, Erinnerungen, Bd. 3, S. 79. H. Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 52. Brief vom 28. Aug. 1831, Biographie, Bd. II, S. 48.

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Segeln von Regen und Hagel überschüttet durch die vom Sturm gepeitschten Wogen. Thiersch „genoss die einfache Erhabenheit des mit empfänglichsten Herzen immer wechselnden Schauspiels. Alles trägt einen so reinen Charakter ruhiger Tiefe, der auch unter den Stürmen und Ungewittern besteht und in den weniger bewegten Erscheinungen eine solche Lieblichkeit, dass jedes nicht im Alltäglichen erstorbene Gefühl davon ergriffen werden muss.“69 Namentlich nach dem Frühstück sammelte sich um den Gelehrten, der am Fuß des Mastes sitzend aus einer langen türkischen Pfeife rauchte, der Kapitän und wer gerade von der Bemannung Zeit hatte. Psarioten, Matrosen von Kephalonia, Zagora, Thasos und Chios und der Koch aus Ithaka, auf untergeschlagenen Beinen sitzend oder hockend lauschten alle aufmerksam den Gesprächen, die von Griechenland, seinen alten und neuen Schicksalen, von Bayern und Europa, von Natur und Welt handelten. Wie oft mag auch die Gestalt des jugendlichen Otto dabei eine Rolle gespielt haben! Als Thiersch ein Bild desselben dem Kapitän schenkt, hegte er es mit zärtlicher Sorgfalt und machte es zum Träger der weitgehendsten Hoffnungen. Die Pallikaren sangen öfters bei Mondschein von einer Liburi begleitet Lieder, die den Ruhm ihrer Heimat und die Taten seiner jüngsten Helden verherrlichten oder erzählten ihre z.T. sehr phantasiereichen Märchen. Erlaubte es die Witterung, so las Thiersch „unter freiem Himmel, im Hauch der erquicklichsten Luft, vor den Augen des Meeres“, Pausanias, verglich ihn mit den Büchern neuer Reisenden oder schrieb Tagebuch. Als er sich Korfu näherte, wurde die Erinnerung an die Phäaken und die infamis scopulos Acroceraunias lebendig. Bald ging es an den durch die Harpyien berüchtigten Inselchen vorüber, Navarin tauchte auf, wo Telemach landete und die Vernichtung der Türken die Befreiung Griechenlands ermöglichte. Beim Umsegeln der Südspitze Moreas grüßte ihn die himmelhohe Kette des Taygetus, während wie goldschimmernde Pfeile Scharen von Pacamythions neben dem Schiffe schossen. Eine Vorahnung der schwierigen Verhältnisse, die seiner warteten, bekam Thiersch, nachdem der „Marco Bozzaris“ das Kap Matapan umfahren hatte. Ein griechisches Schiff, „Apollo“, nach dem Journal der Opposition auf Hydra benannt, entsandte ein Boot, um sich nach der Bestimmung der Brigg zu erkundigen; durch die Bemannung erfuhr man, das die Aufständischen der Marina einen Sieg über Kolokotronis davongetragen hatten und die russischen Schiffe Hydra blockierten; der Handel sei unbelästigt. Am Morgen des 22. erschien ein zweites hydriotisches Schiff mit starker Bemannung; eine Reihe blanker Kanonen leuchtete herüber; hinter ihnen aber zeigten sich die rot geschmückten Köpfe einer dichtgedrängten Schar hydriotischer Seeleute. Aufmerksam beobachtete Thiersch den Kapitän, der frei auf dem Verdeck stehend die Meldung hörte, die ihm sein Abgesandter in albanesischer Sprache zurief; an den Namen Bavaria, Monaco, Miaulis merkte er, dass dieser dem Kapitän auch berichtete, was er 69

Brief vom 14. Sept. 1841 in: Biographie, Bd. II, S. 57.

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ihm mitzuteilen für gut befunden hatte, „es sei ein Reisender an Bord, der Briefe der Söhne des Miaulis aus München zu ihrem Vater brächte“. Auch dieses zweite Schiff bestätigte die Niederlage der Regierungstruppen und der Bootsmann fügte bei, dass sie ohne die Dazwischenkunft der Russen den „Barba Janni“ (Capodistria) bereits vertrieben hätten. Nachdem noch eine österreichische Kriegsschaluppe und bei einbrechender Nacht eine russische Fregatte die Brigg zum Halten gezwungen hatte, erfolgte am 22. September die Landung in Nauplia, eine türkisch-griechische Stadt mit engen und schmutzigen Gassen, terrassenförmig sich aufbauend, überragt von den Festungswerken von Itschkale und dem Palamedes, die auf steil zum Meer abfallenden Felsen trotzig ragen, die Engen erfüllt von einer großen Menge seltsamen Volkes, „mit dessen bunten Trachten und bedeutsamen Physiognomien man sich ebenso angenehm unterhalten kann, wie mit ihrer Lebensweise und bürgerlichen Tätigkeit. Die unteren Stockwerke der Hauser, fast ohne Ausnahme der ganzen Breite nach gegen die Straße geöffnet, zeigen eine ganze Gallerie von Werkstätten, in denen die Handwerker in ihrem Staat sitzen.“ 70 Thiersch fand bei Kapodistrias die freundlichste Aufnahme und die weitgehendste Unterstützung.71 Er kannte den Grafen schon seit 1814 und dieser wusste, dass der bayerische Philhellene stets für ihn eingetreten war. Offiziere der Garnison und angesehene Persönlichkeiten begrüßten ihn im Namen des Präsidenten. Im Amtsblatt wurde auf Thierschs Ankunft hingewiesen unter ausdrücklicher Betonung, der König von Bayern habe ihm Empfehlungsbriefe an die griechische Regierung mitgegeben. Alle Zivil- und Militärbehörden wurden angewiesen, den bayerischen Gelehrten überall gastlich aufzunehmen und für seine Sicherheit und Bequemlichkeit jede nur mögliche Fürsorge zu treffen. Daher konnte dieser schon kurz nach seiner Ankunft den fast eine Woche umfassenden ersten archäologischen Ausflug nach Argos und Mykenä unternehmen. Die Briefe72 an seine Frau entwerfen die eindruckvollsten Bilder seiner Erlebnisse. Der Hauptzweck war „den Winkel des rossenährenden Argos“ und seine uralten schon von Pausanias beschriebenen kyklopischen Stätten kennen zu lernen. In Tyrins bewunderte Thiersch die ungeheuren Überreste aus der griechischen Heldenzeit, den Wehrgang und den gewaltigen Turm und förderte durch Nachgrabungen Spuren des alten Königspalastes zu Tage. Während er im Schatzhaus des Atreus Grabungen vornehmen lässt oder die kyklopische Gasse mit dem Löwentor durchwandert oder das unterirdische Hohlgebäude besucht, in dem Atreus seine Waffen und Kostbarkeiten aufbewahrte, werden ihm die Gestalten des griechischen Dramas lebendig, des Agamemnon und Klytämnestra, des Orest, der Elektra und Iphigenie. Der Ausflug nach den Quellen des alten Erasinos gibt Thiersch, der 70 71 72

Heideck, Philhellenenfahrt, Heft 6, S. 4 ff; Thiersch, 30. Sept. 1831 in Biographie II, S. 69. Siehe Tagebuch in diesem Band, S. 210ff. Friedrich Thiersch, De L’Etat I, S. 318. H. Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 63 ff.

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aufmerksamen Auges auch die Natur des Landes studiert, um sich ein möglichst klares Bild von den natürlichen Hilfsquellen zu machen, Gelegenheit zu der Beobachtung, dass der ganze Fluss, der zum Teil früher als Wasserleitung für Argos diente, durch einen starken Bau eingefasst, zu gehöriger Höhe empor und durch einen Kanal am Gebirge hingeführt mit Abzügen dazu dienen könnte, die dürre Aue zu bewässern und sie so in einen vortrefflichen Boden umzuwandeln. In der Ebene von Argos interessierten Thiersch vor allem die Erträgnisse der Ernten; wo ehedem das liebliche Grün der nun zerstörten Ölpflanzungen und Feigenwälder leuchtete, dufteten jetzt Massen von Kräutern, besonders Thymian. Nur die trockenen Betten der Waldbäche füllten Kaktus- und Oleanderbäume; niedrige Weinstöcke prangten mit einer unbeschreiblichen Fülle der süßesten Trauben, von grünen und gelben Melonen durchwirkt. Endlich versäumte Thiersch nicht das einfache Volk bei seiner Tätigkeit zu beobachten und seine Freuden und Leiden kennen zu lernen. Dabei kam ihm seine genaue Kenntnis des Neugriechischen zustatten. In Argos wurde vor allem die höchst malerische Burg Larissa besucht, wo Ypsilanti beim Einfall des Dramali heldenhaft kämpfte, ferner das Theater und die Ruinen einer alten Kirche des Apostel Petrus. Am 29. September traf Thiersch wiederum in Nauplia ein, wo er acht Tage verweilte, um sich über die Lage genauer zu unterrichten; es war für ihn keine leichte Zeit, denn unaufhörlich wechselten die Besuche der verschiedenartigsten Persönlichkeiten; bald erschien der Staatssekretär des öffentlichen Unterrichts und bot im Namen Kapodistrias den Gelehrten an, in dem äginetischen Museum wertvolle Stücke für die Glyptothek in München auszusuchen, bald stellte sich der Kapitän Canello Delijani ein, ein Opfer der Willkür des Präsidenten, der wegen Begünstigung der Kandidatur des Prinzen Leopold fünf Monate unverhört in einem dunklen Kerker gesessen hatte und jetzt vor ein ganz abhängiges Tribunal gestellt werden sollte. Dann wieder ließen sich sechs Kapitäne der Besatzung melden, an ihrer Spitze zwei Sulioten, „um den ältesten Philhellenen und den wahren Freund von Griechenland persönlich kennen zu lernen.“73 Nicht minder anstrengend waren die Besuche, die Thiersch machte. Wenig günstige Eindrücke empfing er von dem Kriegsminister Rhodios und dem Staatssekretär des Auswärtigen Glarakis, die beide von ihren Geschäften nichts verstehen. In Augustin Capodistria lernte er einen jungen Mann von angenehmem Äußeren und gefälligen Formen kennen, in dem aber selbst die Freunde des Präsidenten umsonst eine Eigenschaft suchten, die ihn zur Führung eines wichtigen Amtes geeignet machte. Mit dem russischen Admiral Ricord, der den Philhellenen zu sehen wünschte, hatte Thiersch eine lange und lebhafte Unterhaltung, als dieser von seinem Zuge gegen die Hydrioten nach der Bucht von Maina zurückgekommen war. Das Gespräch behandelte vor allem die Opposition, die Ricord als Rebellion verfolgte, dann Griechenland und Europa. 73

Das Manuskript verweist hier auf eine Korrespondenz (Bd. 4, S. 409), die nicht näher bezeichnet wird.

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Am 1. Oktober speiste Thiersch bei dem Fürsten Demetrius Ypsilanti,74 einem Fanarioten, dem Bruder Alexanders, aber diesem an Tatkraft und Zähigkeit, Einsicht und Uneigennützigkeit weit überlegen, äußerlich unscheinbar und linkisch, „ohne den Zauber einer zum Herrscher geborenen Natur“, dem Verteidiger Larissas, der dem unfähigen Augustin das Generalkommando hatte abtreten müssen. Hier kam Thiersch mit verschiedenen Anhängern der Opposition in Berührung. Am gleichen Tag traf er bei einem Besuch der Festung Palamidio, wo die Staatsgefangenen untergebracht waren, in einer kleinen Kammer zu ebener Erde ohne Licht, außer dem, was durch die Türe eindrang, den Fürsten der Maina, einen riesenhaften Mann mit ergrauendem Bart, Petros Mauromichalis, durfte aber kein Wort an ihn richten.75 Am Sonntag, den 2. Oktober, unterhielt sich Thiersch beim Mittagsmahl eingehend mit dem Präsidenten über München, Bayern, König Ludwig und seine Reise. Thiersch beobachtete zunächst die äußerste Reserve, während der Graf von Bayern, dem König, der Lage Europas und dem Fürsten Wrede sprach, bis Capodistria plötzlich die Frage stellte: !Eh bien! Et vous ne me dites rien du prince Otto? Vous ne m'apportez rien de sa part? » Da begründete Thiersch sein Schweigen mit dem Hinweis, keinen Auftrag von Seiten des Königs zu haben. Nach dem Essen besprach Capodistria die innere Lage des Landes, seine Mittel und Schwierigkeiten, sowie die wohltätigen Erfolge, die mit den Anleihemitteln der Großmächte für Ackerbau, Handel und Industrie verwirklicht werden könnten. Erst am Abend verließ Thiersch das gastliche Haus, um sich noch unter das Volk zu mischen, das in den buntesten und heitersten Trachten auf der Straße gegen Tiryns spazierend wandelte. In ähnlicher Weise verstrichen alle Tage; nur die Personen wechselten, nicht die Sache; eifrig war Thiersch bemüht, mitten in der Spannung der öffentlichen Verhältnisse den Charakter eines Freundes von Griechenland zu wahren, ohne sich einer Partei anzuschließen. Wie sehr ihm dies gelang, zeigen die vielen Beweise des Wohlwollens und der Liebe, die ihm von allen Seiten entgegengebracht wurden. Am 3. Oktober lud Kapodistrias den Gelehrten zu einer Unterredung76 über die inneren und äußeren Verhältnisse des Landes ein. Anknüpfend an einen Brief, den ihm Thiersch vor zwei Jahren wegen Ottos Wahl geschrieben hatte, und an die Zustimmung des Königs Ludwig Philipp von Frankreich hiezu, besprach der Präsident die ganze Angelegenheit und zeigte seine Bereitwilligkeit, in dieser Sache etwas zu tun. Mit voller Offenheit erörterte darauf Thiersch alle seine Schritte unter besonderer Betonung, dass König Ludwig im Falle der Wahl seines Sohnes seine bekannte Gesinnung für Griechenland beweisen werde. Ungewöhnlich offen fuhr77 der Graf fort: „Sie sehen, wo wir sind, die Mainaten stehen gegen mich in den Waffen, die Inseln des ägäischen Meeres 74 75 76 77

Stern, Geschichte Europas, Bd. II, S. 327. Thierschiana 120 a „Über mein Benehmen“. Friedrich Thiersch de l’Etat, S. 318; H. Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 73. Friedrich Thiersch de l’Etat I, S. 319.

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sind alle im Aufstand, die Hydrioten haben mir die Arme abgehauen. Ich kann weder die Beamten noch die Armee bezahlen. Das Papiergeld hat mir einige 100 000 Fr. verschafft, aber auch diese Hilfsquelle, die allerletzte, ist versiegt. Ich bin am Ende mit meinen Maßregeln und mit meinen Mitteln. Ich habe der Londoner Konferenz einen Termin für die Erledigung der griechischen Frage gestellt. Wird er nicht eingehalten, so werde ich selbst die Initiative ergreifen. Ich werde den Kongress von Argos wieder versammeln und ihm den Prinzen Otto von Bayern als Souverän vorschlagen. Ist der Vorschlag angenommen, und wir werden dafür sorgen, dass dies einstimmig geschieht, so werde ich mich an den König von Bayern wenden, im Namen Griechenlands werde ich seinen Sohn und im Namen seines Sohnes, unseres Souveränes, werde ich seine Hilfe verlangen.“ Mit Freimut schlug Thiersch dem Grafen vor,78 sich mit der Opposition zu verständigen, die nach Capodistrias Meinung von England und Frankreich gehalten und gestützt werde, und in seinem Systeme diejenigen Veränderungen vorzunehmen, die nach der Meinung selbst seiner unbefangenen Freunde unumgänglich nötig wären; sonst werde der König ihm wohl schwerlich seinen Sohn anvertrauen. Der Präsident zeigte sich beiden Wünschen geneigt und hob noch hervor, er habe selbst die Wege der Ausgleichung offen gelassen, indem er der gegen die Führer in Hydria erhobenen Anklage nicht stattgegeben habe; nur durch den provisorischen Zustand sei er zu willkürlich erscheinenden Maßregeln gezwungen worden. In drei oder vier Wochen werde alles anders aussehen. So endete die Unterredung, die Kapodistrias veranlasste, Vertrauten gegenüber zu äußern: „ce professeur était plus fin qu’il n’ eurt cru.“ Thiersch gewann den Eindruck, dass ein friedlicher Ausgleich der Verhältnisse nicht mehr möglich und Kapodistrias Stellung auch nach seiner eigenen Ansicht unhaltbar sei. Unter diesen Umständen wagte er es nicht, irgend etwas zu tun oder zu sagen, um den Präsidenten in dem Vorsatz zu bestärken, der Nationalversammlung Ottos Wahl vorzuschlagen, denn er befürchtete, wie er in dem ersten Berichte an den Fürsten Wrede näher ausführte, eine nachdrückliche Bekämpfung seines Lieblingsplanes durch die Opposition. Dazu kam noch die Erwägung, dass Kapodistrias, nach seinem Auftreten bei der Wahl Leopolds zu schließen, offenbar Griechenland für sich und die Seinen in Besitz zu nehmen beabsichtige und daher alles, was durch Verdienste um die Nationalsache durch Reichtum und Einfluss hervorrage und sich ihm nicht fügen wolle, unterdrücken müsse, ein Urteil über den Präsidenten, das Thiersch schon in Triest feststehend fand und das ihm auf seiner Reise von allen Seiten und selbst von parteilosen Beobachtern und Ausländern wiederholt wurde.79

78 79

H. Thiersch, Biographie, Bd. II, Thiersch an s. Frau, 7. Oktober 1831, S. 77 u. s. Bericht an Wrede ebenda S. 91 ff. H. Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 92, 1. Bericht an Wrede, de l’État, Bd. 39-40 letztes Drittel.

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Wenige Tage nach dieser Unterredung unternahm Thiersch seinen zweiten archäologischen Ausflug in das Innere des Peloponnes. Am 7. hatte er seiner Frau aus Nauplia noch einen umfassenden Bericht seiner Erlebnisse gegeben, der besonders auch dadurch interessant ist, weil er ein scharf umrissenes Bild des Capodistrianischen Systems gibt. In der Allgemeinen Zeitung 80 erschien am 19. November ein Artikel: Über die Lage von Griechenland", es war der erste öffentliche Vorstoß gegen Capodistrias, offenbar geschrieben unter dem unmittelbaren Eindruck des persönlichen Verkehrs mit dem Präsidenten und der schädlichen Folgen seines Systems. Dunkel hebt sich das Bild des Grafen von dem düsteren Hintergrunde der in scharfen Zügen ausgeführten Schilderung des Systems, die in anderem Zusammenhange noch gewürdigt werden wird, folgt ein klares Bild der Opposition in Hydra, sie bildete sich, als der Präsident die versprochene Verfassung nicht ausarbeitete; ferner eine Darstellung der Feindseligkeiten in Poros und der Kämpfe der Mainoten. Auf diese Weise haben sich“ – so fasst Thiersch auf Grund seiner Beobachtungen sein Urteil zusammen“ durch das Versäumnis der griechischen Sache von Seiten der drei Mächte, durch das heillose Provisorium und die Richtung der provisorischen Regierung auf willkürliche Gewalt, endlich durch Fehlgriffe auf der einen, durch Leidenschaften auf der anderen Seite die Geschäfte, die Interessen, die Bedürfnisse auf eine Weise gesteigert und verwickelt, dass eine innere Lösung unmöglich und, im Falle nicht die Mächte schnell über das Los von Griechenland entscheiden, eine Katastrophe unvermeidlich ist. Gebe der Himmel, dass sie für Griechenland heilbringend sei!“ Deutlicher als in diesem für die Öffentlichkeit bestimmten Artikel konnte er sich seiner Frau gegenüber äußern: „Viele sorgen für das Leben des Präsidenten, nicht als ob von der Partei seiner Gegner ein Mordanschlag ausgehen könnte; aber dieser Mann hat so viele Einzelne in ihren teuersten Interessen gekränkt, dass selbst seine entschiedendsten Gegner nicht ohne Sorge sind, es möchte von Individuen eine Tat gegen ihn unternommen werden, welche die öffentlichen Interessen noch mehr bloßstellen und ein falsches Licht auf die Nation werfen könnte.“81 Nach den aufregenden Erlebnissen der ersten Oktober-Woche mochte es Thiersch doppelt dankbar empfinden, als er sich wieder archäologischen Untersuchungen widmen konnte. Mit Hilfe der Schilderung des Pausanias gelang es ihm, eine Stunde von Mykenä entfernt, die Überreste des berühmten Haraion aufzufinden, kyklopische und hellenische Substruktionen von großer Ausdehnung und Schönheit, Blöcke von zwei Arten kolossaler Säulen, die Basis einer dorischen Seitenpfoste. Reste von marmornen Dachziegeln. Die Ausgrabung enthüllte den aus dicken Platten gebildeten Fußboden des Tempels. In einer engen und wilden Schlucht, dem WUKWR—QRÍURZ des Pausanias, dem Tal von Nemea entgegenziehend wurde Thiersch erst der Begriff helleni80 81

A. o. B. Nr. 448/49, 19. Nov. 1831 Nauplia, den 1.Oktober. H. Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 77, Thiersch an seine Frau.

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scher Vegetation klar; denn dank der guten Bewässerung füllte das breite Bachbett ein Wald von blühenden Oleander mit der rotglühenden Fülle seiner Blumen und eine unübersehbare Menge des feinsten Myrthengebüsches mit zarten Blüten und sprossenden Früchten. Als die Reisenden den Weg nach Korinth verlassend sich Nemea zuwandten, schimmerte ihnen in einem nord-südlich gerichteten Tale der weiße Trümmerhaufen des nemeäischen Zeus mit drei noch emporragenden Säulen dorischer Ordnung im Lichte der Abendsonne entgegen. Während die Architekten Messungen und Nachgrabungen vornahmen, untersuchte Thiersch die Altertümer des Tales, die auf den Fundamenten alter Tempel errichteten Kirchen, die 3DODLR—SROLZ, vermutlich das alte Phlius. Diese friedliche Arbeit fand eine jähe Unterbrechung durch die Schreckensnachricht: „Der Präsident ist ermordet.“ Thiersch war durch diese Tat, die den Träger des von ihm so heftig bekämpften Systems beseitigte, tief bewegt. Wie er sie beurteilte, zeigen drei ausführliche Äußerungen von seiner Seite in der Beilag82 zur Allgemeinen Zeitung, in einem Brief83 an seine Frau und in dem ersten Bericht an den Fürsten Wrede.84 Gerade weil er miterlebte, wie dieser Mord von manchen Leuten als ein Werk der politischen Gegner des Grafen bezeichnet und England und Frankreich als Mitschuldige angeklagt wurden, wie man bemüht war, den Unfall, der einen Einzelnen betroffen hatte, den Charakter, einer Revolution aufzudrücken, hielt er es für besonders notwendig die wahren Gründe der Tat aufzudecken. Die fortgesetzten Verfolgungen, die die Familie des mächtigen Mainoten Petrobei Mauromichalis durch Kapodistrias erfuhr, die widerrechtliche Gefangenhaltung einiger Mitglieder, insbesondere aber die rücksichtslos grausame Behandlung des greisen Oberhauptes trotz lebhafter Fürsprache des russischen Admirals erklären nach Thierschs Ansicht hinreichend den Mord, der von dem Bruder und dem Sohn des Gefangenen ausgeführt wurde, als einen Akt der Privatrache. Eine Bestätigung dieser Vermutung findet Thiersch in der Ruhe und Ordnung, die das Volk und Militär bewies, in der Tatsache, dass weitere Unfälle nicht eintraten, sowie in der Überlegung, welche Nachteile aus dem Mord der Partei der politischen Gegner erwachsen mussten. Die moderne Forschung hat sich diesem Urteil im Wesentlichen angeschlossen. „Die Ermordung des Mannes... war vor allem das Werk wilder Familienrache. Nicht eine Partei, geschweige denn die Masse des Volkes, das selbst in Hydra die erschütternde Kunde mit ungeheuchelter Trauer aufnahm, konnten für die Tat verantwortlich gemacht werden.“85 Die durch den Tod Kapodistrias eingetretene Veränderung der Sachlage veranlassten den Gelehrten, zunächst die Forschungsreise in Peloponnes zu unterbrechen, um in Nauplia dem Schauplatz der Ereignisse nahe zu sein. Die Wahl der Regentschaft, die die Gerusia vornahm, Kolettis, Kolokotronis und Augus82 83 84 85

A. o. B. Nr. 450/51, 20.Nov. 1831. 9. Okt. 1831, Biographie, Bd. II, S. 80. Nauplia, 14. Okt. 1831, Biographie, Bd. II, S. 93. Stern, Geschichte Europas, Bd. IV, S. 467.

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tin Capodistria, beruhigte Thiersch zunächst; schätzte er doch Kolettis als den fähigsten Mann von Griechenland, der auf die Rumelioten großen Einfluss hatte; Kolokotronis Bemühungen um Aufrechterhaltung der Ruhe, sowie sein Ansehen in Morea flößten ihm Vertrauen ein. Bei Augustins Wahl schien ihm nur die Rücksicht auf den Bruder, nicht die auf hinreichende Befähigung maßgebend gewesen zu sein. Bald wurde ihm diese Persönlichkeit verdächtig; denn um sie scharten sich alle Anhänger des bisherigen Systems. Diese Männer versuchten, den Mord als den Erfolg einer weit verbreiteten politischen Bewegung hinzustellen, ja Augustin bezeichnete sogar Thiersch gegenüber England und Frankreich als den Mörder. Unter das Volk wurde Geld verteilt; Listen liefen um, auf denen die Feinde des Präsidenten als Mitschuldige der Tat standen. Besonders gefährlich aber schien es Thiersch, dass von Augustin und seiner Partei auch die Hydrioten als Mitschuldige verdächtigt wurden und ihr Versuch, durch eine Gesandtschaft des Miaulis, Zaimis und Trikupis eine Verhandlung mit der Regentschaft anzuknüpfen an dem Widerstand „der Verzweifelten“ scheiterte. Bitter klagt86 der Philhellene, dass infolgedessen der Ausbruch des Bürgerkrieges nahe bevorstehe. Die Schuld kann nur die Partei Augustins treffen. Die einzige Hoffnung für Griechenland liegt in einer schnellen, bestimmten und vorteilhaften Entscheidung ihrer Sache durch die Mächte.“ Für diese aber war nach seiner Meinung der Weg klar vorgezeichnet: sofortige Wahl eines Fürsten, Sicherung seiner Stellung durch Gewährung einer Anleihe, Vermehrung der Land- und Seemacht, vorteilhafte Grenzregulierung; im Fall der Minderjährigkeit Einsetzung einer Regentschaft unter einem Fremden, dem Stellvertreter des künftigen Königs mit Beiziehung einer wirklichen Nationalversammlung. Da nach Einsetzung Kolettis, Kolokotronis und Augustins die öffentliche Ruhe zunächst nicht zerstört war, setzte Thiersch seinen wissenschaftlichen Ausflug nach Arkadien87 fort, diesmal von einigen berittenen Pallikaren Kolokotronis begleitet. Noch stand er als unbefangener Beobachter über den Parteien, er beabsichtigte über Mantinea, Stymphalos, Phenea in die Täler des Ladon und Alphäos, in diesem nach Olympia, dann über Phigalia, Messenien nach Sparta zu gehen und von da über Tripolizza und Argos nach Nauplia zurückzukehren. Die Reise bot wiederum Gelegenheit, die Natur des Landes zu erforschen. Leichteren Mutes nach den traurigen Eindrücken der vergangenen Tage ritt Thiersch durch das arkadische Hochgebirge zu den Ebenen von Tegea und Mantinea. Das vorzügliche Getreide, der ausgezeichnete Wein und die zahlreichen Viehherden an den Berghängen setzten ihn in Entzücken. Aufmerksam prüfte er, wie in Tegea, Mantinea, Orchomenos und im Tal von Stymphalos durch richtige Ableitung des Wassers fruchtbarstes Ackerland gewonnen werden könne; als er in Stymphalos nach den Arbeitern fragte, die die Felder umwühlten, wies man ihm große Herden schwarzer Schweine. Die archäologische Ausbeute war geringer. Thiersch fühlte sich in Arkadien stark angesprochen 86 87

Siehe Bericht an Wrede, Biographie, Bd. II, S. 97. Hauptquelle Thierschs Briefe an seine Frau, Biographie, Bd. II, S. 85-91.

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von etwas Heimatlichen in der Natur, dem Klima und sogar dem Leben und doch wieder diesem durchgehenden Charakter des Idealen und Klassischen, der auch hier allen Erscheinungen aufgedrückt ist. „Dieses wunderbare Licht neben tiefem Dunkel in dem klarsten Himmel und den ragenden Gebirgen, wenn die Sonne eben gesunken ist, der seltsame Reiz der wechselvollsten Farben, welche die Heiterkeit des klarsten Tages über dem von Gebüsch und Gestein bunten Teppich dieser kühnen hochgipfeligen und weitgezogenen Gebirge ausbreitet und wieder dieses Geheimnisvolle der von ihren Gebirgen ganz eingeschlossenen, durch unterirdische Schlunde allein verbundenen und wie mit den Trümmern alter Städte, so mit großen Namen und der Erinnerung alter Taten geschmückten Täler – alles das verbreitet auch jetzt noch über Arkadien einen Zauber, von dem die kahle und verbrannte Meeresküste bei Argos und das unerquickliche Nauplia mit dem Gewirr seiner Leidenschaften entblößt sind.“88 Am 21. Oktober ritt Thiersch nach Pheneä, dessen schönes und fruchtbares Tal durch gänzliche Verstopfung des Abzuges sich in einen seit 10 Jahren stets höher steigenden See verwandelt hatte, ohne dass die Regierung auf Abhilfe sann. Eben in Begriff, nach dem heiß ersehnten Olympia zu ziehen, wurde Thiersch durch einen Brief seines Freundes Gropius gebeten, sofort zurückzukommen, da die Kommission von Hydra seine Vermittlung wünsche. Bald war der Entschluss gefasst. Persönliche Rücksichten mussten schweigen, galt es doch durch Annäherung der gespaltenen Parteien neues Unheil von Griechenland abzuwehren. Nur einen kurzen Umweg über Sykion und Korinth gestattete sich Thiersch. „Das Schauspiel, welches sich uns öffnete, als wir über Kesara durch das letzte Hochtal von Arkadien hinauf, dann gegen den Meerbusen von Corinth herabstiegen, die Pracht und Größe der Gebirge von Phokis, Böotien und Akarnanien, des Helikon und Parnassus und gegenüber der beschneite Gipfel des Kyllene, zu ihren Füßen das blaue Meer, gegen Westen endlos sich in dieser majestätischen Straße ausbreitend, gegen Osten durch den Isthmus beschränkt und von Akrokorinth bewacht, ist schwer zu schildern.“ Bei Betrachtung der topographischen Verhältnisse kam ihm der Gedanke, welche Bedeutung für Korinth die Anlage eines Kanales haben würde, der die Schiffe des Mittelmeeres in seinen Häfen sammelte. Ein kurzer Nachmittagsritt galt noch dem Tale, wo die isthmischen Spiele stattgefunden hatten. Die Ankunft in Nauplia am 25. Oktober versetzte Thiersch wiederum mitten in das politische Chaos des Bürgerkampfes. Er teilte der Regierungskommission und den Residenten von Frankreich und England die an ihn ergangene Einladung mit. Mit Augustin Kapodistrias hatte er eine sehr offene Aussprache, er fand ihn in voller Unkenntnis über seine tatsächliche Macht und wies seine Warnung/mit der Opposition in Hydra zu verhandeln, entschieden zurück.89 Am

88 89

Biographie, Bd. II, S. 88. Friedrich Thiersch de l’État I., S. 321 ff. Im Tagebuch steht kein Treffen mit Kapodistrias an diesem Tag – Anm. d. Hrsg.

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27. fuhr er nach Hydra90; die große und saubere Stadt mit Kirchen und Palästen geschmückt, im Hintergrund der Bucht kühn und hoch aufgebaut, machte den günstigsten Eindruck. Der von russischen Schiffen gesperrte Hafen lag verödet, viel müßiges Volk umlagerte die Quais. In dem palastähnlichen mit marmornen Vorsälen und schönen Divanen geschmückten Hause des Nauarchen Miaulis aufs liebenswürdigste aufgenommen, erfuhr er, dass man von ihm Näheres zu hören wünschte über das Verhältnis von Griechenland zu Europa, über die Lage in Nauplia und über die Aussicht des bayerischen Prinzen; auch begehrte man seinen Rat, was die Abgeordneten nach der erfahrenen Zurückweisung tun sollten, um einen Bruch vorzubeugen. Über die ersten Punkte suchte Thiersch die zu einer Vorbesprechung Versammelten möglichst zu beruhigen. Es entging ihm jedoch nicht die tiefe Verstimmung, die das Vorgehen der Residenten Englands und Frankreichs hervorgerufen hatte, indem sie die Regierungskommission trotz ihres illegalen Ursprungs ohne weiteres anerkannt hatten. Am folgenden Abend fand in einem großen Saal des Herrn Bulgaris eine Zusammenkunft sämtlicher Abgeordneten statt; auch die angesehendsten Hydräer und die Fremden der Insel waren anwesend. Einer der ehrwürdigsten, einflussreichsten und unbescholtensten Männer von Griechenland, der Präsident Lazaros Konduriotis von dem Ludwig Roß berichtete: „So mögen die besten unter den Senatoren Venedigs in der besten Zeit der Republik ausgesehen haben“ 91, führte den Philhellenen ein und trat ihm zur Rechten Platz nehmend, seinen Stuhl ab; links saß Trikupis, der Geschichtsschreiber, der Schwager des Maurokordatos, lange Zeit Sekretär der auswärtigen Angelegenheiten unter Kapodistrias. In zusammenhängender Rede gab der Gelehrte Aufschluss über die gewünschten Punkte und riet, dass sämtliche Abgeordnete und ihre Freunde auf hydräischen Schiffen unter dem Schutze der Residenten in Nauplia erscheinen sollten; da sie mehr als ein Drittel der Abgeordneten des Volkes darstellten, werde ihr Auftreten Eindruck machen. Weil draußen ein gewaltiger Sturm tobte und lärmend in den Fenstern des altertümlichen Magnatensaales hauste, rückte die Versammlung um Thiersch besser zu verstehen, „ganz nahe heran und saß am Ende teils in faltiger orientalischer, teils in europäischer Tracht am Boden auf unterschlagenen Füßen und auf Stühlen dicht vor ihm. Über ihnen schauten noch einige Reihen aufmerksamer Köpfe in den Kreis.“92 Obwohl so bedeutende Männer wie Konduriotis, Maurokordatos, ein feingebildeter Phanariote, ein entschiedener Anhänger der englischen Einrichtungen und Förderer des englischen Einflusses, Trikupis und Zaimis, ein reicher Primat aus Morea, die Ansicht von Thiersch teilten, wurde in einer zweiten Versammlung der Vorschlag abgelehnt; man wünsche die Wiedereinberufung der Versammlung von Argos, die Kapodistrias am 18. August 1829 nur vertagt hatte. Über diesen Wunsch überrascht ließ sich Thiersch die Beschlüsse jener Ver90 91 92

Thiersch an seine Frau Hydra, 31. Oktober, Biographie, Bd. I, S. 99 ff. Erinnerungen und Mitteilungen aus Griechenland, 1863, S. 9. Siehe Tagebuch in diesem Band, S. 236ff.

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sammlung vorlegen und fand zu seiner großen Verwunderung, dass dieselbe tatsächlich, durch Kapodistrias selbst bestätigt, noch rechtlich bestand, ja beim Tode des Grafen die einzige politisch konstituierte Macht war. Ihre Sache wäre es also gewesen, eine provisorische Regierung zu ernennen. Die Gerusia hatte ihre Befugnisse übertreten und die von ihr ernannten Männer waren gar nicht berechtigt neue Wahlen vorzunehmen93. Am dritten Tag einigten sich die Versammelten auf zwei Forderungen: freie Wahl der Abgeordneten für den Peloponnes und Rumelien und freier Ort der Versammlung. Thiersch wusste zwar, da ihm die Gesinnung der Machthaber in Nauplia bekannt war, dass diese Wünsche undurchführbar seien, hielt sich aber nicht für berechtigt, dagegen Stellung zu nehmen. So endigte der erste Vermittlungsversuch ohne Erfolg; aber Thiersch war wohl berechtigt an seine Frau zu schreiben:94 „Ich rechne die Tage meines Aufenthaltes in Hydra zu den wichtigsten meiner Reise, nicht nur weil sie mich in engeren Verkehr mit so vielen ausgezeichneten Männern gebracht, sondern auch, weil sie mich in der Kenntnis der inneren Lage von Griechenland weitergebracht haben.“ Jetzt glaubte er bestimmt die Mittel zu finden, wie dem unglücklichen Lande zu helfen sei. Sie müssten seiner Natur, seiner Leiden, Bedürfnissen und Wünschen entsprechen. Auch in Hydra fand er Geneigtheit, das Los von Griechenland dem Sohne seines Königs anzuvertrauen, zumal seit dem Tod des Präsidenten. Mit Miaulis bahnte sich eine herzliche Freundschaft an. Nach Nauplia zurückgekehrt hielt sich Thiersch noch acht Tage dort auf, er bedauerte, dass die Abgeordneten seinem Rate nicht gefolgt waren; denn er fand die Stimmung für sie namentlich durch die Haltung der rumeliotischen Abgeordneten viel günstiger. Auch die Machthaber, die vor zwei Wochen nur von Krieg und Rache geträumt hatten, waren versöhnlicher. Die Vereinigung der Hydräer und ihrer Freunde mit den Rumelioten schwebte ihm bereits damals als ein Mittel vor, eine Majorität im Sinne der Nation hervorzubringen. In der zweiten Woche des November unternahm Thiersch seinen dritten archäologischen Ausflug,95 der bis Anfang Januar dauern sollte; er ging nach Norden. In Epidaurus untersuchte Thiersch das Heiligtum des Äskulap und das wohlerhaltene Theater. Trübe Eindrücke empfing er in Aigina von der verfehlten Regierungsweise Kapodistrias, das Waisenhaus war falsch angelegt, die Schulen vernachlässigt. Befriedigender waren die archäologischen Ausflüge nach dem Aphaiaheiligtum, das die Reisenden in den Falten des Gebirges fanden sowie nach den Ruinen und den Berg des panhellenischen Zeus. Zeugnisse des Pindar, Theophrast und Pausanias leisteten willkommene Dienste. Nachgrabungen ermöglichten architektonische Messungen. Über den Zustand der Insel, 93 94 95

Johann Ludwig Klüber, Pragmatische Geschichte der nationalen und politischen Wiedergeburt Griechenlands, S. 452. 31. Oktober 1831, Biographie, Bd. II, S. 102. Hauptquelle: Briefe an seine Frau, 13. November 1831-17. Januar 1832, Biographie, Bd. II, S. 103 und S. 120 ff.

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ihre Erzeugnisse und ihren Handel wurden Erkundigungen eingezogen, der Verkehr mit bedeutenden Männern wie Perhävos, Jakovakis Rhisos und dem vortrefflichen Lehrer Gennadios wirkten anregend. Am 14. segelte Thiersch in einer Barke nach den Piräus, während von Ferne immer deutlicher die Marmormassen der Akropolis herüberleuchteten. Die Nacht wurde in einer hölzernen Loranda verbracht, welche nebst zwölf Hütten die alte Herrlichkeit des Ortes vertritt. Roß schildert anschaulich eine Landung in dem berühmtesten Hafen der Altertums 1831: „Hier empfing den Reisenden etwa ein Dutzend kläglicher, aus Erde und Brettern mehr zusammengeleimter als aufgeführter Hütten; vor einer derselben saßen in dumpfem Hinbrüten, ihre Pfeife rauchend, etliche zerlumpte türkische Soldaten: der Duranier und seine Wache; die übrigen waren Kaffee- und Weinbutiken.“96 Am nächsten Mittag ritt Thiersch durch den Ölwald an den Ruinen der langen Mauern vorbei zur Stadt hinauf. Der Besuch der Akropolis und Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung zu den schön bewässerten Gärten und Ölwäldchen der Akademie, zum sophoklischen Kolonos, zu den Ufern des Flusses boten den herrlichsten Genuss. Über das Schlachtfeld von Marathon ging es dann nach Chalkis, Eretria, Theben, Platéä, Leuktra, den Kopaissee, Livadien, Chäronea und Elatea. Überall fanden sich halbverödete Fluren und in Trümmern liegende Orte, überall aber auch die Anfänge neuen Lebens durch die unverwüstliche Triebkraft des Bodens und der Bevölkerung. Thiersch wurde freundlich aufgenommen und hatte reiche Gelegenheit zu archäologischen und geographischen Beobachtungen und Entdeckungen. Anfang Dezember stand er bewundernd vor den gewaltigen thessalischen Gebirgen, an den Schwefelquellen der Thermopylen, an dem Grab des Leonidas, am 10. wurde Delphi erreicht; ein mehrtägiger Aufenthalt ermöglichte die einzelnen bedeutsamen Gebäude und Bezirke des Heiligtums der Lage nach genauer zu bestimmen. Dann ging es nach Salona hinab und mittels einer Barke wurde Korinth erreicht. Über Megara und Eleusis kam Thiersch Ende Dezember wieder nach Athen. Hier liefen böse Nachrichten ein: in Argos war der Bürgerkrieg ausgebrochen, „Die notwendige Entwicklung eines gewalttätigen Systems.“ Augustin Capodistrias, von Russland gestützt, hatte in der rücksichtslosesten Weise die ausgeschriebenen Wahlen durch Gewalt beeinflussen lassen; die Vollmachten der Abgeordneten von Hydra waren für ungültig erklärt worden; ähnlich war es den Abgeordneten der Maina ergangen. Kolettis hatte sich an die Residenten der Westmächte angeschlossen und die Rumelioten um sich gesammelt. Nach Eröffnung der inzwischen zusammengetretenen Nationalversammlung war Augustin am 20. Dezember zum alleinigen Präsidenten von einer gefügigen Mehrheit gewählt worden. Diese Wahl wurde der unmittelbare Anlass zum Ausbruch des Bürgerkrieges. Stratford Canning, der britische Gesandte bei der Pforte, der eben damals im Auftrag der drei Großmächte zur Bereinigung der Grenzfragen 96

Erinnerungen und Mitteilungen S. 2.

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nach Konstantinopel ging, war Zeuge der Vorgänge in Nauplia; er vermittelte den Rumelioten freien Abzug. Mit ihnen zogen 60 Abgeordnete. Perachora wurde zum Sitz einer neuen Nationalversammlung gewählt, Kolettis, Georg Konduriotis und Zaimis die Leitung anvertraut.97 Während es so ringsum stürmte, weilte Thiersch in Athen, „friedlich mit der vergangenen Zeit und ihrer Herrlichkeit beschäftigt.“98 Er bestimmte die Athener zur Einsetzung einer Kommission, die den Schutz und die Pflege der kostbaren Altertümer übernehmen sollte; die Ergebnisse seiner archäologischen Arbeiten liegen in den Denkschriften der Münchner Akademie vor. Bei Anbruch des neuen Jahres drängt es ihn unwiderstehlich, in Nauplia Erkundigungen über den Zustand der Dinge, die Absichten und Mittel der Parteien einzuziehen und seine Maßregeln dagegen zu treffen. Zudem war ihm mitgeteilt worden, die Rumelioten wollten mit 10000 Mann nach Argos und Nauplia. Dieser Bewegung hoffte er zuvorzukommen. Bereits am 12. Januar war er sich darüber klar, in welcher Weise er etwas zur Lösung der gefährlichen Verwicklungen beitragen könne; ein kurzer Vorbericht99 erging an den Fürsten Wrede. Eindringlich wies Thiersch darauf hin, dass nach seiner Überzeugung wie nach der aller Eingeweihten nur die Hauptfrage über den künftigen Souverän Griechenlands gelöst werden müsse, um die ganze Nation zu einigen. Mit Rücksicht auf das jugendliche Alter des Prinzen empfehle es sich, dass König Ludwig selbst als Vormund einen den Parteien fremden Regenten ernenne und sofort nach Griechenland schicke; vor allem gelte es den Griechen, die die schlimmen Folgen einer Ablehnung von Seiten des bayerischen Königs fürchteten, diese Ungewissheit zu nehmen. Immer wieder bestürmte man Thiersch, ob er in diesem Punkte keine Bürgschaften zu geben vermöge; er konnte darauf nur antworten: „Ich habe keine politische Mission in Griechenland zu erfüllen und kann keine Bürgschaft geben, ich bin auf eigene Hand hierher gekommen um die Lage und die Bedürfnisse des Landes, dessen Schicksal mich seit 15 Jahren beschäftigt, besser kennen zu lernen.“ Nur jene Äußerung Wredes wagte er mitzuteilen, die das Wohlwollen des Königs für Hellas zum Ausdruck brachte, sowie die Zusicherung zu geben, dass er selbst diese Gesinnung für unveränderlich halte. Die weitere Entwicklung der hier nur in den Grundzügen skizzierten Anschauungen brachte dann der sehr umfangreiche dritte Bericht an den Fürsten Wrede.100 In scharfen Zügen charakterisiert Thiersch die einzelnen Parteien und schildert die Vorgänge von der Ermordung Kapodistrias bis zum Abzug der Rumelioten. Mit Recht weist er den Fürsten darauf hin, dass er in seinen früheren Berichten stets auf diesen schlimmen Ausgang aufmerksam gemacht hat, und er hofft, das werde als Beweis dafür gelten, wie sehr seine Mitteilungen über Einseitigkeit und Parteilichkeit sich erhoben: „Ich habe mir fortdauernd 97 98 99 100

Stern, Geschichte Europas, Bd. 4,S. 468-470 Siehe Tagebuch in diesem Band, S. 306ff. Heinrich Thiersch Biographie, Bd. II, S. 110 ff. Heinrich Thiersch Biographie, Bd. II, S. 113 ff., Nauplio 17. Januar 1832.

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zum Gesetz gemacht, keiner Partei anzugehören oder zu dienen, bin über die Fehler keiner verblendet, aber, obwohl bereit die guten Eigenschaften und das Verdienst des Grafen Kapodistrias aufzusuchen und anzukennen, doch ebenso wenig in Täuschung über dasjenige, was der unglückliche und verblendete Mann mit seinem bedauernswürdigen System als eine Erbschaft des Unheils dem armen Griechenland zurückgelassen hat.“ Ferner betont der Bericht die unhaltbare Lage Augustins und die Umstimmung Kolokotronis, der jetzt selbst in der Ankunft eines fremden Fürsten das einzige Heil Griechenlands sieht, ferner die Stimmung der Syntagmatiker, der Partei Kolettis für Otto, Kolokotronis für Friedrich von Holland und Thierschs Bestreben, wenn er um Rat gefragt werde, auf Otto hinzuweisen. Endlich gibt er interessante Aufschlüsse über Verhandlungen zwischen dem englischen Residenten Dawkins und dem Gelehrten betreffs der Kandidatur Ottos. Diese finden eine Ergänzung in Thierschs De l'Etat.101 In Gesprächen zwischen Thiersch, Dawkins und Rouen, dem französischen Residenten, waren alle die Wahl Ottos berührenden Fragen erörtert worden. Dawkins wies besonders auf die Notwendigkeit hin, erst in Konstantinopel die Grenzfrage und in London die Anleihefrage zu erledigen. Thiersch dagegen vertrat die Ansicht, diese Fragen würden umso rascher gelöst, wenn der Prinz gewählt sei. Zur Klärung der verwickelten Fragen verfasste Thiersch ein Memoire, den oben erwähnten zweiten Bericht an Wrede und teilte ihn abschriftlich den beiden Residenten mit. Darauf hin bekam er von Dawkins ein Schreiben102, worin es in Bezug auf die Denkschrift hieß: „A more exact picture can not be drawn of the present state of that country and it is drawn by the hand of a master.” Als besonderer Vorteil für den Prinzen Otto wird es bezeichnet, wenn Thiersch im Fall der Wahl sein Berater werde. Da die Reise des Philhellenen mit Ottos Kandidatur in Verbindung gebracht wurde und die Residenten nach London berichteten, verfasste Thiersch das Schreiben an Wrede, damit ja nicht in London die Meinung entstehe, als ob Bayern hinter dem Rücken der Mächte Ottos Wahl betrieben habe. Die Schilderung der politischen Verhältnisse fand durch die moderne Forschung ihre volle Bestätigung. Inzwischen verschlimmerte sich die Lage in Griechenland; die Versammlung in Nauplia erklärte die Gegner von Perachera für Staatsverräter und Rebellen; die Verhandlungen wurden abgebrochen. Da trieb es den treuen Freund der Griechen, sich an seinen König zu wenden und 30 entstand jenes Schreiben vom 25. Januar103, das schönste Denkmal eines um das Wohl Griechenlands tief besorgten Mannes, der seine Kräfte einsetzt Hilfe zu bringen, so lange es noch Zeit ist. Gestützt auf genaue Kenntnis des Landes, des Volkes und seiner Hilfsmittel erörtert der Gelehrte die für den Augenblick dringendnotwendigen Maßnahmen. Errichtung einer monarchischen Regierung, Berufung einer aus freien Wahlen hervorgehenden Nationalversammlung, hinreichende Geldmittel zur 101 Friedrich Thiersch De l’Etat Bd. I, S 322 ff. 102 Friedrich Thiersch Apologie, S. 112 103 Heinrich Thiersch Biographie, Bd. II, S. 127-137.

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Befriedigung des Heeres und Förderung der Landwirtschaft, innere Reformen; die entscheidendste Handlung ist die Wahl eines Stellvertreters durch den König selbst. „Die unermessliche Wichtigkeit der Sache“ veranlasste den Griechenfreund, seinem Herrscher gegenüber sogar die Frage der Person des Stellvertreters zu berühren. Eynard erschiene, da er ein Freund Capodistrias war, zu sehr als Mann seiner Partei, Heydeck sei bei aller Tüchtigkeit den schwierigen Verhältnissen nicht gewachsen. Für sich selbst lehnt Thiersch auf das all energischste jede Beteiligung ab. Er sehne sich nach der Rückkehr in die Heimat „um die mir noch übrigen Jahre in Ruhe und jetzt vielleicht mit größerem Nutzen den griechischen Studien zu widmen, welche den Hauptteil meines Lebens erfüllt haben.“ Unmittelbar nach Absendung dieses Briefes unternahm Thiersch seinen vierten den umfassendsten archäologischen Ausflug nach der Inselwelt des ägäischen Meeres und der Küste Kleinasiens. In mühsamer, durch Windstille oft unterbrochener Fahrt wurde zunächst Syra erreicht; hier fand Thiersch in der Kaufmannschaft die freundlichste Aufnahme und lernte „die eigene Natur und Quelle des griechischen Handels kennen. Eingehende Besichtigung der Hafenanlagen und Nachforschungen über Handel und Zolleinnahmen entlockten ihm den Ausruf: „Welch eine Aufgabe, dieses Volk zu regieren! Wie leicht die Mittel, wie sicher der Erfolg!“104 Die Weiterfahrt über Tinos, Delos, Myconos und Ikaria nach Samos bot die beste Gelegenheit die natürlichen Hilfsmittel des Landes, namentlich das reiche Tinos mit seinen Wein- und Getreideterrassen, und die ergiebigen Salz- und Schwefelquellen von Ikaria zu studieren und archäologische Ausbeute zu machen, in Delos fanden sich trotz Zerstörung noch bedeutende Überreste des Theaters und eine sehr merkwürdige kyklopische Gasse, in Ikaria eine alte Stadt mit kyklopischer Burg. Samos bot besondere Anregung, da durch Bauten des Gouverneurs auf den Ruinen der Burg des Polykrates eine große Zahl Altertümer, Säulen, Architrave, Reliefs und höchst merkwürdige Inschriften zu Tage gefördert waren; Tempel, Hallen und das Rathaus kamen zum Vorschein. In der zweiten Hälfte des Februars betrat Thiersch mit erhebendem Gefühl an der Mäandermündung das Ufer von Asien, „die Wiege der griechisch-jonischen Bildung.“ Die zahlreichen Überreste des Altertums, wie des Apollo und Artemistempels bei Gerontai, des Theaters in Milet versetzten den Gelehrten ebenso in Erstaunen wie die außerordentliche Fruchtbarkeit der Flussebene. Ein stark wehender Boreas bot zwei Tage Muße, Inschriften abzuschreiben und archäologische Untersuchungen anzustellen. Trotz heftigen Sturmes bei klarem Himmel wurde Patmos erreicht; hier studierte Thiersch die Handschriften der reichen Klosterbibliothek Johannes des Theologen, von dem Patriarchen Alexander aufs freundlichste bewillkommnet. Über Naxos wurde die Fahrt nach Paros fortgesetzt; es glückte dem Gelehrten, eine wichtige Inschrift zu entdecken/aufzu104 Siehe Tagebuch, in diesem Band S. 250.

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nehmen und zu entziffern. Die Marmorbrüche wurden sorgfältig durchforscht. Nach Ablauf von fast zwei Monaten kehrte Thiersch am 18. März nach Syra zurück; er war ganz niedergeschlagen, denn überall begegneten ihm die Spuren der Zwietracht, überall vernahm er den Schmerz über die Verwirrung der Lage. Umso größer musste der Stimmungsumschwung sein, als am 19. die Botschaft einlief: „Prinz Otto von Bayern ist zum Hegemon gewählt.“ „Erloschen alle Sorge, vergessen aller Unwille und wie ausgelöscht aller Hass“, so schrieb Thiersch unter dem Eindruck all der fröhlichen Menschen, die sich glückwünschend zu ihm drängten, an seine Frau. Besonders merkwürdig war das sofortige Einsetzen des Handels, Schiffe wurden gemietet, Kontakte geschlossen, Bestellungen und Käufe gemacht; verstärkt wurde die Wirkung der frohen Botschaft offenbar durch die Kunde, Fürst Wrede werde in 10-14 Tagen als Vormund kommen. Eifrig zog Thiersch weitere Nachrichten ein; was er jedoch vernahm, stimmte ihn sorglich. Die Kunde von Ottos Ernennung war direkt aus London eingetroffen; aber von Bayern fehlte jede Mitteilung, ob König Ludwig seine Zustimmung geben würde. Trat hier eine Verzögerung ein, so waren neue Schwierigkeiten zu erwarten. Denn die Partei Augustin Kapodistrias hatte dadurch neuen Mut gefasst, dass die drei Residenten auf Grund eines Londoner Protokolls vorn 7. Januar 1832, das ohne Kenntnis der wahren Sachlage abgefasst worden war, Augustins Regierung öffentlich als gesetzlich anerkannt und die Gegner aufgefordert hatte, ihr Gehorsam zu leisten. Wenn ihre Macht nicht bald gebrochen werde, fürchtete Thiersch, dass sie auch der neuen Regierung gefährlich werden könne. Deutlich ist also schon hier ausgesprochen, dass Thiersch mit Augustins Partei überhaupt niemals in Verbindung treten konnte. Noch suchte er peinlich jedes Hervortreten in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Er dachte von Syra über Malta und Neapel nach der Heimat zurückzukehren, wo er zu Anfang des Sommersemesters erwartet wurde.105 Da trat ein Ereignis ein, das alle seine Absichten änderte und ihn zwang eine Aufgabe zu übernehmen, die dem von reinsten Willen beseelten Mann die schwerste Verkennung und die übelste Nachrede brachte. Die Residenten ersuchten ihn nämlich, da sie sich inmitten der streitenden Parteien ohnmächtig fühlten, zu vermitteln.106 Allein aus Bayern gegenwärtig, von den Griechen geliebt und verehrt, hielt es Thiersch für seine Pflicht den tiefen Eindruck, den Ottos Wahl hervorgerufen hatte, zu benützen und einen Versuch zu machen, den Bürgerkrieg beizulegen. Zugleich glaubte er die Gelegenheit sei gekommen, einen Auftrag König Ludwigs auszuführen, nämlich im Fall der Wahl Ottos durch die Mächte dahin zu wirken, dass die Nation ihre gesetzliche Zustimmung gebe. So fuhr er denn auf der französischen Kriegsbrigg Action nach Nauplia, zumal Kapitän Vaillant ihm eine Äußerung des Admirals Hugon mitteilte; die er bei der Nachricht von Thierschs Kommen gemacht hatte: „Quel 105 Thierschiana 120 „Über mein Benehmen“. 106 Stern, Geschichte Europas, Bd. IV, S. 470 ff.

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bonheur! Nous le cherchons partout. G’est le seul homme, qui peut encore arranger cette affaire.“107 Schwierig genug war die Lage, die Thiersch in Nauplia antraf. Augustin Kapodistrias war fest entschlossen, auf seinem Posten zu bleiben; die Mainoten standen bei Kalamata, bereit zum Marsch nach Tripolizza; die Rumelioten hatten sich in Argos versammelt, die Hydrioten wurden erwartet. Kolettis besaß weder die Macht sie zu entwaffnen, noch wünschte er es. Die Regierung des Grafen war ohne Mittel, alle Gemüter in höchster Spannung. Nach sorgfältiger Fühlungnahme mit Baron Rouen und dem Admiral Hugon sowie Augustin Kapodistrias eilte Thiersch auf einen englischen Dreidecker; hier fand zwischen den drei Residenten, den Admiralen und ihm eine eingehende Besprechung108 statt, wie man den Peloponnes vor der Katastrophe schützen könne. Auf seinen Vorschlag wurden die beiden Mauromichalis unter der Bedingung freigelassen, dass sie die Maina beruhigen; am 25. März konnte er selbst den Kerker öffnen „die Szene mit ihnen war für viele Mühen in dieser Sache reicher Lohn.“ Im Namen des künftigen Königs verkündigte er ihnen die Freiheit und erhielt das Versprechen, dass sie ihren ganzen Einfluss aufbieten würden, den geplanten Zug zu verhindern. So wurde die von Süden drohende Gefahr beseitigt. Die größere Schwierigkeit lag im Norden. Thiersch schlug vor, ein weiteres Vordringen der Rumelioten durch die Besetzung des Isthmus mit französischen Truppen zu verhindern. Bis zum Eintreffen derselben sollten Marinedetachements der drei Mächte dorthin abgehen und drei Kriegsschiffe bei Kalamaki Stellung nehmen. Dies wurde beschlossen; Thiersch bekam den Auftrag nach Perachora zu eilen, die Beschlüsse mitzuteilen und durch seine Vorstellungen die Maßregeln zu unterstützen. Nachdem er noch an Konduriotis einen Brief geschickt hatte mit der dringenden Bitte, es möge der Zug der Hydrioten nach Nauplia unterbleiben, brach er noch am Abend des 25. auf, in Argos übernachtete er bei Ypsilante, dessen Charakter und Einsicht er besonders hoch schätzte, und hatte Besprechungen mit ihm sowie mit der capodistrianischen Behörde und den Militärchefs. Auf dem Weg nach Korinth fand er die Dörfer verlassen, die Bevölkerung hatte sich auf die Berge und Höhlen geflüchtet. Korinth war von bewaffneten Bauern besetzt; die Regierungstruppen begannen dort einzutreffen. Thiersch gewann von ihrem Geist und ihrer Bewaffnung keinen günstigen Eindruck. Sie waren schlecht bezahlt, schlecht gekleidet und schlecht genährt. Daher richtete er schon in seinem ersten Schreiben109 an die Residenten die dringende Bitte ihm Geld zur Verfügung zu stellen und die Re-

107 Thierschiana 120. 108 2. Bericht an den König Ludwig, 4. April 1832 in: Biographie, Bd. II, S. 220; Thiersch an seine Frau, 4. april ebenda, S. 207; Mendelssohn-Bartholdy, Bd. II, S. 364 setzt diese Besprechung fälschlicherweise nach Thierschs Vermittlungsversuch in Perachora. Friedrich Thiersch, de l’Etat, S. 81 ff. 109 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 194-195.

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gierung zu veranlassen, ihre Truppen zurückzuziehen, falls die Rumelioten, die sich um Megara konzentrierten, mit überlegenen Streitkräften erschienen. Am 27. nachmittags traf Thiersch Perachora ein, einem Dorf auf dem Abhang eines kleinen Hügels gelegen am Rand einer Ebene, die von den Schönheiten des hellenischen Frühlings glänzte. Kapitäne, Abgeordnete und Soldaten empfingen ihn mit Zeichen der Freude und des Vertrauens. Schon unterwegs, als er die schroffen und unfruchtbaren Berge, die den Isthmus nach der Seite von Megara abschließen, hinter sich hatte, war er erstaunt, fruchtbare und wohlangebaute Felder zu finden, die Bauern auf ihren Ackern friedlich beschäftigt, die Dörfer unbeschädigt, die Hügel mit Herden bedeckt und alles dies inmitten zahlreicher Krieger, die die größten Entbehrungen erduldeten. „Es war ein auffallender Kontrast zwischen der Sicherheit und Ordnung auf der einen Seite und jener Verödung auf der anderen, welche den wieder auflebenden Anbau der schönen Eparchie von Korinth beinahe gänzlich zerstört hat.“110 In Perachora überzeugte er sich gar bald von der militärischen Überlegenheit der Rumelioten. Nachdem er eingehende Besprechungen mit Kolettis, den rumeliotischen Abgeordneten und den Militärhäuptlingen gehalten und ihnen seinen Ausflug mitgeteilt hatte, schrieb111 er an die Residenten: „Meine Sendung ist fehlgeschlagen. Die Invasion in den Peloponnes wird, – ich zweifle nicht daran – stattfinden.“ Voll Bitterkeit fügt er noch bei: „Das ist im letzten Grunde die Schuld jener, die, während ich Tag und Nacht reiste und arbeitete, um diese traurige Sache beizulegen, jeder friedlichen Ausgleichung die größten Hindernisse bereitet haben, indem sie, angesichts des kommenden Fürsten, den Grafen Kapodistrias hingestellt und mit willkürlicher Gewalt bekleidet haben und indem sie Intrigen angezettelt haben, um die Erwählung des Prinzen zu ihrem eigenen Vorteil auszubeuten.“ Dringend riet er reiflich zu überlegen, ob es nicht besser sei „die Dinge ohne Hindernis sich entwickeln zu lassen ohne durch einen unnützen Widerstand das Übel zu verschlimmern.“ Für den Gelehrten selbst brachte dieser Vermittlungsversuch einen folgenschweren Entschluss.112 Seine Briefe und Schriften geben darüber genügende Aufklärung. In allen modernen Geschichtsdarstellungen kehrt der Gedanke in verschiedener Form wieder, den Prokesch-Osten113 so formuliert hat: „Professor Thiersch, in diesen entscheidenden Tagen nach Perachora und Megara geeilt, um die Rumelioten zurückzuhalten, wich den Vorstellungen Kolettis und der Erkenntnis, dass dort die Kraft war.“ Stern114 schreibt: "Thiersch selbst durchdrang sich immer mehr mit der Überzeugung, die Sache, welcher die Rume110 2. Brief an die Residenten 27. März, Biographie, Bd. II, S. 196. 111 3. Brief an die Residenten, Megara 30. März 1832. Biographie, Bd. II, S. 205. Wie Mendessohn-Bartholdy, Bd. II, S. 363 diesen Bericht „vergnügt und beruhigt“ nennen kann, ist unerfindlich. 112 Hans Loewe, Thiersch und die griechische Frage, S. 50 ff. 113 Geschichte des Abfalles der Griechen, Bd. II, S. 482. 114 Geschichte Europas, Bd. 4, S. 471.

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lioten ihr Schwert geliehen, sei die Sache der Nation.“ Diese Stellungnahme war genügend vorbereitet durch die schlimmen Erfahrungen, die Thiersch bei seinen Reisen, namentlich auch in Nauplia und Syra mit der capodistrinischen Partei gemacht hatte, wo ihm der völlig illegale Ursprung der Regierung Augustins und ihre Abneigung gegen Ottos Wahl klar geworden war. Es ist wirklich nicht nötig mit Mendelssohn-Bartholdy ein förmliches Theaterspielen Kolettis mit Thiersch anzunehmen „um den bayerischen Gelehrten vollständig in ihr Netz zu ziehen.“ Allzu stark hat auf diesen Historiker die Pamphletliteratur gegen Thiersch eingewirkt, worin derselbe, wie noch zu zeigen sein wird, als der völlig arglose, leichtgläubige und selbstgefällige Stubengelehrte verhöhnt wird. Gleich nach seiner Ankunft in Perachora wurde Thiersch zu Kolettis geführt, der in einem Bauernhaus wohnte; das Zimmer war überfüllt von Soldaten und anderen, die den Philhellenen zu sehen wünschten. Sie verharrten in ehrerbietigstem Schweigen, während dieser mit ihrem Führer sich über die Wahl Ottos, über die Annahme durch den König Ludwig und die Erwartungen unterhielt, die sich für Griechenlands Zukunft daran knüpften. Dann folgte eine längere Zwiesprache zwischen Kolettis und Thiersch unter vier Augen. Der Gelehrte entledigte sich seines Auftrages, indem er besonders auf die Gefahren eines weiteren Vormarsches in den Peloponnes hinwies. Kolettis ging freimütig auf alle Fragen ein und es gelang ihm, Thiersch zu überzeugen, dass es für ihn und seine Partei physisch und politisch unmöglich sei, den Marsch nach Argos aufzugeben. „Die physische Notwendigkeit des Marsches lag in der Unmöglichkeit, die Truppen länger in ihren Standquartieren zu ernähren und zurückzuhalten; die politische aber in dem fanatischen Hass der zu Nauplia herrschenden Partei gegen die Wahl und die bevorstehende Regierung des Königs und in der Gefahr, welche für ihn und die unter Kolettis vereinigte nationale Partei eintrat, wenn der junge Monarch bei seiner Ankunft jene in der Hauptstadt fand und ihr in die Hände fiel.“115 Diese Auffassung hatte Thiersch bereits in Nauplia gewonnen, wo er wahrnehmen musste, wie man die Ankunft des neuen Herrschers hinauszuzögern oder die Monarchie unmöglich zu machen versuchte; sie wurde bestätigt in langen Besprechungen mit Demetrius Ypsilanti, bei dem Thiersch auf dem Wege nach Perachora übernachtete, und durch die daselbst aus allen Teilen Griechenlands einlaufenden Korrespondenzen.116 Im Gegensatz dazu fand er vor allem in Perachora und Megara die Stimmung für den König günstig bei Abgeordneten, Kapitänen, Bürgern und Soldaten. „Was den Prinzen Otto betrifft,“ so erklärte Kolettis „so kennen Sie meine Meinung seit sechs Monaten. Es ist die aller meiner Freunde, es ist die allgemeine und ausgesprochene Meinung der ganzen Nation. Der Prinz Otto ist der, welchen wir gewünscht haben, den wir einstimmig gewählt hätten, wenn die Wahlhandlung nicht unmöglich gewesen wäre.“117 115 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 20-21. 116 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 20-21. 117 Brief an die Residenten, Biographie, Bd. II, S. 200.

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Endlich sah Thiersch die Kriegshaufen und ihre Führer von dem Wunsche beseelt nach Argos zurückzukehren und ihre Rechte durch den Kongress anerkennen zu lassen. Er konnte hoffen, dass eben die Nationalversammlung auch Ottos Wahl gutheißen werde. Solange aber Augustin in Nauplia regierte, war der Zug unausführbar. Thierschs Tagebuch118 zeigt am deutlichsten durch den Eintrag vom 30., wie sorgfältig er seinen Entschluss überlegte: Nach dem Scheitern der Mission riet die persönliche Klugheit, sich in Nauplia in Sicherheit zu bringen; aber er betrachtete einen solchen Schritt als das äußerste der Torheit und Feigheit. „Es galt hier nach solonischen Gesetz bei öffentlichem Zerwürfnis Partei zu nehmen in einer Sache, die mehr als je die meinige geworden war, unter einem Volk, das mir in zwei Kongressen als dem ersten unter den Europäern sein Bürgerrecht erteilt hatte, und in einem Augenblick, wo durch die Wahl der verbundenen Mächte die Lösung der griechischen Frage auf die Weise herbeigeführt wurde, die ich seit Jahren als die allein mögliche bezeichnet und als die allein heilbringende den Griechen verkündigt hatte. Die Sache der Nation, ihre Freiheit, ihre Zukunft war unter die Fahnen von Perachora geflüchtet und diese waren gegen eine verderbliche Faktion erhoben, welche durch den öffentlichen Unwillen schon niedergeworfen sich in Nauplia noch umsonst durch den tätigen Schutz der verblendeten Agenten der fremden Mächte ihre Tage zu fristen suchte. Wäre noch etwas nötig gewesen, meinen Entschluss zu bestimmen, so war es die Gesinnung, von welcher diese Faktion gegen die bestehende Ordnung der Dinge und gegen den neu erwählten König von Griechenland erfüllt war.“ Angesichts aller dieser Tatsachen kam Thiersch zu einer Entscheidung, die ihm außerordentlich viel Bitternis und Anfeindung bringen sollte. „Ich beschloss“,– so lesen wir in der Apologie119 – „mich der Bewegung gegen Argos und Nauplia zu bemächtigen, um ihr einen möglichst unblutigen Verlauf und zugleich den Erfolg zu sichern, auf den sie berechnet war.“ Als Thiersch seine Absicht Kolettis mitteilte, hielt es dieser charaktervolle Mann für seine Pflicht, den Gelehrten auf die Folgen seines Schrittes aufmerksam zu machen. Er wies ihn darauf hin, wie er selbst mit der nationalen Sache den drei Mächten gegenüber bloßgestellt wurde, weil die Residenten die Regierung Augustins anerkannt hatten, und wie von jener Seite alles versucht werde, ihn und seine Freunde durch Auflösung der Regierung, des Kongresses und der Truppen von Perachora zugrunde zu richten. Eine ähnliche Behandlung fürchte er für ihn, jedenfalls werde seine Stellung zu den Residenten, zur europäischen Diplomatie, ja zum König von Bayern erschwert. Darauf setzte ihm Thiersch auseinander, er rechne auf eine erfolgreiche Durchführung des Zuges nach Argos und auf eine große moralische Wirkung, die Auflösung der Capodistrianischen Partei liege im Interesse des Landes und seines künftigen Königs. 118 Thierschiana 120 . 119 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 23.

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Auf Thierschs Bitte verschaffte ihm Kolettis Gelegenheit in einer Versammlung der Deputierten, sowie in Megara vor den Kapitänen seinen Auftrag auszurichten.120 Hier wie dort fand er die gleiche Entschlossenheit, das eigene Recht zu wahren und die Regierung in Nauplia zu bekämpfen. In drei Schriftstücken121 wurden auf seinen Wunsch die Ergebnisse der Besprechungen festgelegt. Die von Kolettis unterzeichnete Regierungserklärung betonte vor allem als Zweck des unaufschiebbaren Vormarsches in Argos durch die Nationalversammlung, die Rechte der Nation auf eine unerschütterliche Basis zu stellen sowie die Übereinstimmung der Armee mit dieser Absicht; ferner bezeichnete sie als gemeinsame Überzeugung der Regierung, der Deputierten und der Armee, dass Ottos Wahl das sicherste Mittel sei, Griechenland aus dem gegenwärtigen trostlosen Zustand heraus und einer glücklichen Zukunft entgegenzuführen. Die Erklärung der Deputierten hob noch den friedlichen Charakter des Zuges hervor und die feste Entschlossenheit auf die französischen Truppen, wenn sie den Vormarsch hindern wollten, nicht zu schießen; die Abgeordneten werden, die Arme über die Brust gekreuzt, sterben und der Nachwelt das Urteil überlassen, ob die griechische Nation nicht eines besseren Loses würdig war. Die gleichen Gedanken entwickelten die Kapitäne und sie schlossen mit dem herzlichsten Dank an Thiersch, „pour vos efforts généraux en faveur de la Grèce, efforts, qui pont votre caractère et de la hauteux de votre âme philhellenique.“ Nachdem Thiersch entschlossen war, die Bewegung gegen Argos zu unterstützen, kamen ihm Kolettis, die Abgeordneten und die Kapitäne mit vollem Vertrauen entgegen. In Megara, wo die aus Livadien nachgerückten Truppen inzwischen eingetroffen waren, versammelte Kolettis die angesehensten Kapitäne in Thierschs Quartier und der ganze Angriffsplan auf die Stellungen im Peloponnes wurde besprochen. Die Aufforderung durch offenen Anschluss an ihre Sache das Unternehmen zu fördern, durch Teilnahme am Zug den guten Geist der Truppen zu stärken, lehnte Thiersch mit dem Hinweis ab, er dürfe die Rolle eines Vermittlers nicht aufgeben, er hoffe ihrer Sache so am besten zu dienen.122 Über seine weitere Aufgabe war er sich vollkommen klar: Mit Hilfe Kolettis musste die kapodistrianische Partei aufgelöst werden, wobei die gesunden Teile derselben auszuscheiden waren; die Vereinigung der Rumelioten beider Parteien hatte er bereits in Nauplia eingeleitet in Verhandlungen mit den hervorragendsten Häuptlingen, wobei ihr Obergeneral Rhankos erklärte: „Es liegt Blut, Achterklärung, Hass und Argwohn zwischen uns. Wir brauche einen Mittler, um darüber hinwegzukommen und eine Gewähr, dass man auf der anderen Seite vergessen will und kann.“ Offenbar mit Rücksicht darauf hatte Thiersch in den Besprechungen zu Megara als Voraussetzung seiner Unterstützung die Zusage einer allgemeinen Amnestie verlangt. Ferner galt es, Kolettis 120 3. Brief an die Residenten 29. März 1832 und 30., Biographie, Bd. II, S. 201 ff. 121 Gedruckt in: Friedrich Thiersch De l’Etat, S. 345 ff. 122 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 2 ff., ergänzend dazu Thierschiana 120.

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und Ypsilanti mit Metaxas und Zaimis zusammenzubringen. Endlich war das Land von dem ausschließlich russischen Einfluss und seinen Grundsätzen zu befreien. Fest entschlossen „mit der größten, von dem Ernst der Ereignisse gebotenen Entschiedenheit“ an der Lösung dieser Aufgaben zu arbeiten erklärte sich Thiersch bereit vorauszueilen, den Widerstand der Capodistrianer möglichst zu beseitigen, den Empfang in Argos als einen friedlichen vorzubereiten, in Nauplia aufklärend zu wirken und zu versuchen, Augustin auf dem Wege der Überredung sein Amt niederzulegen, zu bestimmen. Ein Aufschub von vier Tagen wurde bewilligt.123 Noch war ein verantwortungsvoller Schritt zu machen: es galt unnötiges Blutvergießen zu vermeiden; daher ließ Thiersch in den Händen Kolettis, den er voll vertrauen konnte, einen offenen Brief124 an die französischen Kommandanten, die den Isthmus besetzen sollten, zurück. Er brachte dieselben in die Zwangslage, bevor sie irgendeinen Schritt unternahmen, neue Instruktionen einzuholen. „Mir war nicht unbekannt“, schreibt Thiersch in einer nicht veröffentlichen Rechtfertigungsschrift, „welche Verantwortung ich für einen möglichen Fall übernahm; aber sie musste übernommen werden; um eine mögliche Gefahr abzuwehren.“ Den Residenten gab er noch am 30. von dem Schritte Kenntnis. An die Demogeronten der Eparchie zu Argos erging ein Schreiben125 des Inhalts, Kolettis und seine Kapitäne hätten die feste Absicht, keine Unordnung zuzulassen, wenn sie nur keinen bewaffneten Widerstand fänden. Ihre Absicht sei den Nationalkongress zu erneuern, um die Landsleute zu schützen. Dieses Schreiben kam in die Hände der Regierung Augustins. Man war entrüstet, „Thyrsios ist zu Kolettis übergegangen und hat für die Rumelioten in Argos Quartier gemacht.“ Auf dem Weg von Korinth nach Argos am Ausgang der großen Derbeminen wurde ihm von Albanesen, getreue Anhänger des korfiotischen Hauses, ein Hinterhalt gelegt.126 Am 1. April war Thiersch von Megara nach dem Isthmus aufgebrochen;127 erst nach Einbruch der Nacht erreichte er auf der Höhe des Gebirges Area, wo die Vorhut der Rumelioten Wache hielt. In einer Baracke, die er mit dem Kapitän Kallistos und seiner Mannschaft teilte, verstummte, sobald er sich neben dem Feuer niedergelegt hatte, jedes Geräusch der scheinbar so wilden Horde und von den Ein- und Ausgehenden war kaum ein Flüstern zu vernehmen. Die folgende Nacht schlief Thiersch in gleicher Sicherheit jenseits von Korinth mit123 Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. I, S. 363; es entspricht der falschen Gesamtauffassung des Verfassers, wenn er Thierschs Anerbieten als „überfällig“ bezeichnet; wie viel objektiver ist Prokesch-Ostens Darstellung II, S. 482, er enthält sich aller herabsetzender Beiwörter. 124 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 206 De l’Etat, I., S. 348. 125 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 24. 126 Friedrich Thiersch, Apologie, Se. 37 ff. 127 Die Hauptquelle für die folgende Schilderung bietet Thierschs Verteidigungsschrift, Thierschiana 120.

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ten unter den Capodistrianern in einem Wirtschaftsgebäude eines Klosters, dessen Säle von düsteren Gestalten angefüllt waren, unter ihnen einige Kalageren, neben dem Feuer kauernd, welche die Soldaten mit der Erzählung von Legenden unterhielten. Thiersch lag schon auf einer Matratze, als ein Kalageros fünf stark bewaffnete weiße Gestalten, bekleidet mit wollenen Filzpelzen, hereinführte. „Ist er das?“ rief der Anführer auf mich deutend. „Das ist er selbst“, war die Antwort des Kalagaren. „Er ist Tag und Nacht gereist, um im Land Frieden zu stiften und gönnt sich kaum ' jetzt Ruhe. Morgen will er noch vor Tag nach Argos aufbrechen.“ „Möge Gott von meinen Tagen nehmen, soviel er will“, sagte der wilde Kriegsmann, „und sie den Seinigen zulegen.“ Leise setzten sie sich nieder und verzehrten ihr kärgliches Mahl, einige Stücke aufgeweichten alten Brotes. Am nächsten Morgen befand sich Thiersch auf dem Weg nach Argos, von den kleinen Derbeminen herabkommend machte er im Schatten einiger Feigenbäume Halt, aus der Ferne leuchtete der Golf; denn er fühlte sich von den Anstrengungen der letzten Tage sehr matt. Seinen Diener sandte er mit dem Gepäck voraus. Als er einige Stunden später bei Demetrios Ypsilanti eintraf, um mit ihm, was geschehen war und bevorstand zu besprechen, erfuhr er, dass er nur durch die Geistesgegenwart seines Dieners einem Hinterhalt der erbitterten Capodistrianer entgangen war. Ypsilanti hatte ihn schon für verloren gehalten. Am Abend des 3. April tritt Thiersch unbehelligt am Rand des Meeres nach Nauplia. Damit beginnt die letzte und wohl aufreibendste Phase seines Kampfes für das unglückliche Griechenland. Die Nachricht von der Rückkehr des Philhellenen hatte in Nauplia große Aufregung hervorgerufen; was in Megara und Perachora vor sich gegangen, war bekannt. Von allen Seiten wurde er gemahnt, auf der Hut zu sein. Den ganzen Tag war sein Haus von Besuchern angefüllt, von Offizieren, Abgeordneten, Beamten der Capodistrianer. Obergeneral Rhankos war Thiersch geneigt, da sein jüngerer Bruder, der in München studierte, den Gelehrten innig liebte. Er stellte ihm zehn zuverlässige Pallikaren zur Verfügung, damit sie sein Wohnhaus bewachten und ihn beim Ausgehen begleiteten. Auf Thiersch' Rat organisierten sich die Bürger in bewaffneten Kompagnien; täglich kamen deren Führer zur Beratung bei ihm zusammen. Endlich stellte sich die „junge Garde“ zu seiner Verfügung, junge Leute konstitutioneller Gesinnung, zum Teil Schüler und Pfleglinge aus dem Athenäum aus München. Während Thiersch den Kriegsleuten unermüdlich versicherte, Kolettis komme in friedlicher Absicht, waren alle Versuche, den Grafen Augustin zu freiwilligem Rücktritt und die Residenten zur Nachgiebigkeit zu bringen, vergeblich. Weder Dawkins noch Rouen hielten die Rumelioten für stark genug, den Isthmus zu überschreiten. Admiral Ricord geriet, als Thiersch von ihrer Forderung sprach, Graf Augustin müsse zurücktreten, in solchem Zorn, dass er drohte, wenn sie in der Ebene von Argos erscheinen, werde er sie durch 1000 Mann zusammenkartätschen lassen.

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So verstrich die vereinbarte Frist. Unter der Führung Kolettis überschritten am 6. April die Rumelioten den Isthmus, zersprengten mühelos die Regierungstruppen und rückten am 7. in Argos ein, die Gewehre mit Ölzweigen geschmückt, von der Bevölkerung freudig begrüßt. Unter dem unmittelbaren Eindruck dieser Ereignisse schrieb Kolettis an Thiersch einen Brief,128 der geeignet sein dürfte, Mendelssohn-Bartholdys Fiktion129 über das Verhältnis der beiden Männer zu zerstören: „Freund! Wir sind hier glücklich angekommen mit den Dir bekannten militärischen Streitkräften. Das Volk empfing mich mit den Zweigen des Ölbaumes in den Händen und die nationalen Kriegsscharen trugen gleich ihm die Ölzweige. Es war ein schönes Schauspiel die Bürger von Argos zu sehen, wie sie auf ihrem Wege die rumeliotischen Krieger umarmten und ausriefen: „Eintracht! Brüderliche Einigung! Es lebe die Verfassung! Es lebe Otto, der Führer von Hellas! (…) Ich weinte, mein Bruder, vor Freude. Die höchste Ordnung wird überall gehalten. Ich begehre zu erfahren, was Du ausgerichtet hast. Ich wünsche sehr, dass wir uns treffen, und sage mir wo. Denke an die Geldmittel und an den Unterhalt und denke schnell daran. Ich umarme Dich und lebe wohl! Dein treuer Freund I. K.“ Begreiflicher Weise herrschte in dem Kreise der Regierung Angst und Verwirrung. Schon am 6. abends waren die ersten Nachrichten vom Isthmus eingetroffen. Graf Augustin verlor den Kopf; nur Admiral Ricord suchte ihn noch zum Widerstand zu treiben und drohte seine Seesoldaten bei den Mühlen ausschiffen zu lassen, unterließ es aber, als Baron Rouen erklärte, wenn das geschehe, werde er augenblicklich mit seinem gesamten Gesandtschaftspersonal abreisen. Zahlreiche Offiziere und Soldaten des regulären Korps schlossen sich der nationalen Partei an. Die Residenten waren in peinlichster Verlegenheit. In diesem Augenblicke hielt es Thiersch für seine Pflicht den Residenten mit größtem Freimut auseinander zu setzen, dass schon „die Anerkennung der in Nauplia errichteten Regierung Augustins die Lage Griechenlands erschwert habe, die Anwendung bewaffneter Macht um diese Regierung aufrecht zu erhalten, würde die Lage wahrhaft verzweifelt machen.“130 Wohl weiß er, dass er kein Recht hat, gegen die Handlungen der Residenten zu protestieren noch Ratschläge zu geben; aber sein Gewissen treibt ihn seine Ansicht über die Lage auszusprechen. Er hält es für das Beste, den Dingen im Peloponnes ihren Lauf zu lassen sich nach ihren innewohnenden Kräften zu entwickeln.131 Naturgemäß 128 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 35. 129 Mendelssohn-Bartholdy II S. 366 bezeichnet den Ausdruck der Entrüstung, mit dem sie Thierschs Abfall züchtigten als das Stärkste, was sie zugunsten der Regierung leisteten. „Sie schritten lieber gegen den einmischungslustigen (1) Professor ein als gegen die Rumelioten.“ 130 Heinrich Thiersch, Biographie, 4. Brief an den Residenten, 6. April 1832, Bd. II, S. 210 ff. 131 Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. II, S. 36 spricht von einem „stark aufgetragenen“ Schreiben vom „Kürremachen“ Thierschs durch Koletti, vom „Übereifer“, alles die Folge der falschen Gesamtauffassung.

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erfolgte eine scharfe Zurechtweisung von Seiten der Residenten, sie warfen ihm „Veränderung der Gesinnung“132 vor; aber man hat doch den Eindruck, dass sich hinter der Schärfe die Beschämung über die Schwäche ihrer Position verbarg. In vornehmer Weise wies Thiersch in seinem fünften Brief diesen völlig unbegründeten Vorwurf zurück und zeigte, wie „der aufs höchste gestiegene nationale Unwille gegen das verabscheuungswürdige System der Regierung“ der Hauptgrund der Invasion war.133 Als die Spannung so hoch gestiegen war, traf ein Ereignis ein, das außer aller Berechnung lag, und die Krisis hemmte; indessen wurde die Lage durch die Wendung, welche die Residenten ihr gaben, auf eine furchtbare Weise verwirrt.134 Am selben Abend, da sie Thiersch so schroff abfertigten, traf ein neues Londoner Protokoll vom 7. März ein, das Stratford Canning von Konstantinopel aus nach Nauplia schickte. Durch diesen Gesandten über den wahren Sachverhalt aufgeklärt, forderte die Konferenz von den Residenten eine aus beiden Parteien gemischte provisorische Regierung einzusetzen und sie gesetzlich anzuerkennen. Es bedeutete also eine Rechtfertigung der Bemühungen des Philhellenen und eine förmliche Missbilligung des Betragens der Residenten, weil sie die ungesetzliche Regierung Augustins anerkannt und damit den Bürgerkrieg mit verursacht hatten. „Cela nous pouvera!“ rief Dawkins aus, als das Protokoll bekannt wurde; Baron Rouen war freudig überrascht.135 Graf Augustin gab auf starkes Drängen der Residenten seine Sache verloren, dankte am 9. ab und segelte am nächsten Abend mit der Leiche seines Bruders nach Korfu. Die Entscheidung der Mächte brachte einen noch stärkeren Übergang von Offizieren und Soldaten nach Argos. Im Peloponnes, Hydra und Syra wurde in gleichem Sinne gearbeitet. General Rhankos trat zur Sache Ottos über, andere folgten. Thiersch schrieb an den Sohn des Kolokotronis und Zavellas, einen Rumeliotenführer. Der Mahnung seines Freundes eingedenk versuchte er sich auch Geldmittel für die Truppen aus Argos zu verschaffen, indem er einen Wechsel von 20 000 Fr auf seinen Namen ausstellen ließ. Da begingen die Residenten einen schweren Fehler, indem sie den Senat, wo die Capodistrianer die Mehrheit hatten, aufforderten die neue Regierung zu ernennen. Noch am 9. nachmittags ersuchte dieser um Genehmigung der ohne weitere Formen aufgestellten Liste durch die Residenten, worauf Anschlag und Verkündigung erfolgte. Allgemeine Bestürzung und Entrüstung verbreitete sich in der Stadt und in Argos, sobald die Namen der Fünferkommission bekannt wurden. Neben Kolokotronis und Metaxas, den beiden Hauptstützen des kapodistrianischen Systems, und Zaimis und Buduris, Kolettis Gegner, von der siegreichen, nationalen Partei, fand sich nur Kolettis, dem Sieger sollte offenbar das

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Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 213-214. Ebd. S. 215ff. Thierschiana 120. Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. II, S. 367.

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Los des Besiegten bereitet werden. So führten die Residenten den von der Londoner Konferenz übermittelten Auftrag aus. Man begreift die Erbitterung, wie sie sich in Thiersch unveröffentlichter Rechtfertigungsschrift136 ausspricht; Rukmann und Dawkins waren einig, daher musste Rouen seiner Instruktion entsprechend seine Zustimmung zu der von dem englischen Residenten dem Senat vorgelegten Liste geben „Was durch die Verbindung des englischen und russischen Residenten in jenem verhängnisvollen Augenblick als die verderblichste, gewissenloseste und schamloseste Maßregel zustande gekommen war, wurde vom Senat begierig aufgenommen und die Untat zum Verderben des Landes vollzogen.“ Als einzige Erklärung für diese Haltung Dawkins, der bis zum Tod des Präsidenten Hand in Hand mit dem Baron Rauen gegangen war, findet Thiersch die Sorge des englischen Residenten vor einem zu starken Anwachsen des französischen Einflusses. Wenn die Residenten geglaubt hatten, Kolettis werde in diese FünferKommission eintreten, so waren sie in einem gefährlichen Irrtum. Als von Argos die Kunde eintraf, der Führer der nationalen Partei werde nicht annehmen, vielmehr seine Scharen, die er nicht mehr ernähren könne, in das Innere des Peloponnes führen, da schrieb ihm Thiersch,137 er solle vielmehr am nächsten Morgen mit den Truppen vor den Toren Nauplias erscheinen, wir werden zu seinem Empfang das Nötige vorbereiten. Die weiteren Erläuterungen zu dem kurzen Schreiben sollte der Überbringer, ein italienischer Philhellene von großer Einsicht und Entschlossenheit, geben. Die möglichen Folgen dieses Entschlusses hatte Thiersch wohl erwogen.138 Er fühlte sich durch seine Versprechungen gegenüber den Kapitänen gebunden; die Verwüstung des Peloponnes musste unter allen Umständen verhindert werden. Kolettis stellte ganz unbestreitbar in diesem Augenblick die Regierung von Griechenland dar. Staatsrechtlich hinderte ihn nichts, mit den Waffen in der Hand vor Nauplias Toren gegen das Vorgehen des Senats und der Residenten zu protestieren. Gelang es den Bürgerkrieg zu verhindern und trotz der diplomatischen Gegenwirkung die ursprüngliche Bewegung zum Ziel zu führen, zu einer möglichst friedsamen Lösung der griechischen Zerwürfnisse, so war das Mittel selbst dadurch gerechtfertigt. Unter den Bedrängnissen, den Bestürmungen und Maßregeln dieses verhängnisvollen Tages (9.April) war der Abend gekommen, als der Brief an Kolettis abging. Nachdem Thiersch mit den Vertrauten, die allein von ihm wussten, das Weitere besprochen hatte, ging er bei Anbruch der Nacht um nach der Tafel Herrn von Rauen zu besuchen und mit ihm über die neuen Verwicklungen zu sprechen. In der Dunkelheit der Straßen fiel ihm auf, dass russische und englische Soldaten an der Fünfbruderbatterie ausgeschifft wurden. Die bange Frage bedrückte ihn „Was hat das zu bedeuten?“ Im Salon des Herrn von Rauen sollte 136 Thierschiana 120. 137 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 41 ff. 138 Thierschiana 120.

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er nur bald Antwort erhalten. Die selbstverständliche Absage Kolettis, in die Fünferkommission einzutreten, hatte die Lage in Nauplia sehr bedrohlich gemacht; die Hauptstadt war ohne Regierung, von Argos her konnte sie mit einem Handstreich genommen werden; die Spannung zwischen den Bürgern und Capodistrianern war gestiegen. Daher hatten die Residenten, die an dieser Verwicklung Schuld waren, beschlossen, Stadt und Festung mit den Truppen der Allianz zu besetzen. Die Ausschiffung war in vollem Gang. Thiersch fand den Baron mehr als gewöhnlich erregt; denn von allen Seiten musste er hören, diese Maßregel werde der Anfang neuer Wirren sein. Als der Philhellene sich in gleichem Sinne äußerte, brach er gegen die Rumelioten los: „Si ces messieurs là ne se contentent pas, on s'en ira, on les laissera s' ègorer entre eux. S'ils viennent sous les mars de Nauplie, on tirera sur eux comme sur des chiens enrages.“ Vergebens suchte Thiersch139 ihm begreiflich zu machen, dass die von der Sympathie des Volkes getragene Partei Kolettis unmöglich sich den Capodistrianern wie Besiegte unterwerfen könne; ohne dass er es wisse, werde er, Rouen, zum Mitschuldigen derer gemacht, die Griechenland Grunde richten. Da Rouen über Thierschs Taten und Pläne genau unterrichtet war, so hielt es dieser für notwendig, ihm die Rolle klar zu machen, die man ihn, den Repräsentanten von Frankreich der nationalen Partei gegenüber spielen ließ. Er begriff auch die ganze Bedeutung dieser Äußerung und rief, indem er von Thiersch zurücktrat, aus: „Mais Monsieurs Thiersch, vous vous mettez à la place de l'Alliance.“ Darauf bekam er die Antwort: „Pardonnez moi, monsieur le baron, je m'y suis mis, puisque je n'y ai trouvé personne et soyez sur, j'ya ce que, j aurais mené au but la pacification de la Grèce malgré les obstacles, qu'on m'a lanca de nouveau devant les pieds.“ 140Thiersch ließ den Residenten im Gespräch mit Admiral Hugon, der mit dem Vorgefallenen ganz unzufrieden war. Dieser trug wesentlich dazu bei, dem wohlwollenden und trefflichen Mann, den alle liebten, zu einem richtigen Verständnis der Lage zu verhelfen. Das war aber mit Rücksicht auf die Begebenheiten, die der folgende Morgen bringen konnte, von höchster Notwendigkeit. Thiersch täuschte sich keineswegs über den Ernst der Lage im Allgemeinen und für ihn selbst. Die Absicht, Kolettis in die Stadt zu bringen war vereitelt; kamen die Rumelioten vor die Tore, drohte ein Konflikt mit den Mächten. Die Vorstadt, aller Mittel entblößt lag preisgegeben den Mündungen der russischen Kanonen. Es war 10 Uhr nachts, die Tore versperrt, der Hafenausgang durch Barken bewacht. Rasch entschlossen verfasste Thiersch einen Brief, worin er dem Freunde die eingetretene Veränderung und die damit notwendig gewordene Aufschiebung des Marsches nach Nauplia mitteilte. Noch während der Nacht musste der Brief in Kolettis Händen sein. Ein hydriotischer Seemann übernahm den schwierigen Auftrag, sich in seinem Boot zwischen den Wachtschiffen 139 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 42-43. 140 Thierschiana 120.

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hindurchzustehlen, bei den Mühlen zu landen und nach Argos zu eilen. Wird der schwierige Auftrag gelingen? Solche Gedanken mögen Thiersch beunruhigt haben, als er in der sternhellen Nacht auf der Zisterne, dem Werk der Venezianer, einsam stand, den Blick bald auf die schweigende Stadt unter sich gerichtet, bald auf die Burg von Argos, an deren Fuß ein leichter Streif wechselnden Feuers aufleuchtete.141 Sehr ermüdet kehrte er gegen Mitternacht in seine Wohnung zurück und sank in einen tiefen Schlaf. Am frühen Morgen des 10. wurde er von seinem Diener mit der Nachricht geweckt, der Obergeneral Rhankos und seine Kapitäne wünschten ihn in wichtigen Angelegenheiten zu sprechen. Durch sie erfuhr er, in Argos herrschte große Aufregung, ohne dass man wisse, was sie bedeute; sie selbst hätten ihre Mannschaft aus Eleusis und Poros herbeigezogen; ein Bataillon des Kalergis habe Pronoia besetzt, ein zweites werde erwartet. Die Vorräte seien nahezu erschöpft; Mittel zur Anschaffung neuer fehlen. Während dieser Unterhaltung erschien fast atemlos ein Bote mit einem Brief Kolettis:142 „Ich erhielt heute zwei Briefe von Dir, den einen um drei Uhr nachmittags, den anderen um 8 Uhr. Ich las mit der gebührenden Aufmerksamkeit ihren Inhalt und vertraute mich ihm. Deiner Ermahnung folgend und nachdem ich Kriegsrat gehalten hatte, gab ich Befehl, dass die Heerhaufen sich nach Pronoia in Bewegung setzen sollten. (...) Gegen 9 Uhr vormittags werde ich selbst in den Meierhof eintreffen (am Fuß der Ruinen von Tirynth), um mehr in der Nähe zu sein. Es betrübt mich, dass die Residenten von neuem eine Sache beschlossen haben, welche mit dem allgemeinen Wunsche des Volkes nicht in Übereinstimmung gebracht werden kann. Herr Morandis sagte mir alles, was Du mir aufgetragen hast. Infolge davon habe ich die Bewegung des Heeres angeordnet. Indes leide ich an einem beispiellosen Geldmangel und bitte, schickt mir morgen, was ihr könnt. Ich habe Alle für das gestimmt, was Du mir heute in Deinem ersten Brief schreibst und hoffe, dass ich die Gesinnung der Kapitäne wieder besänftigen werde. Gott rette Hellas! Argos, den 27. März 1832. Dein Bruder und Freund I. K. Offenbar hatte Kolettis den letzten (3.) Brief143 nicht erhalten. „Jetzt muss sich alles entscheiden; Kolettis kommt; sein Heer ist in diesem Augenblick schon unterwegs nach den Toren von Nauplia“, rief Thiersch nach Lesen des Schreibens; als er noch Rhankos zu beruhigen suchte, stürzten schon Bürger ins Zimmer mit dem Ruf: “Die Rumelioten sind im Anzug.“ Rasch entschlossen eilte Thiersch nach dem Tor von den Kapitänen begleitet, während sich die Straßen mit Männern füllten und wehklagende Frauen an den Türen und Fens141 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 44. 142 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 45. Nach Apologie S. 41 und 42 enthielt der 1. Brief Vorschläge über eine Vereinbarung zwischen den rumeliotischen Kapitänen, der 2. die Aufforderung, nach Nauplia zu kommen. 143 Mendelssohn-Bartholdys Behauptung,(Geschichte Griechenlands, Bd. II, S. 3) Kolettis habe den Brief nicht erhalten oder nicht beachtet, lässt sich durch nichts beweisen.

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tern standen. Auf den Wällen hielten neben den Geschützen russische und griechische Kanoniere brennende Lunten. In der Vorstadt fand Thiersch Capodistrianische Truppen, Infanterie und Kavallerie, rasch setzte er Kalergis auseinander, was zu tun sei, erbat sich Pferde und dann ritt er, nur von dem Engländer Masson und seinem Diener begleitet, in die Ebene. In einer Front nahte durch die hohe Saat das Fußvolk der Rumelioten, vor den einzelnen Haufen die Fahnenträger, vor ihnen die Kapitäne in ihren meist scharlachroten und reichgestickten Kleidung, mit schimmernden Waffen, auf den schönsten Streitrossen. Zuerst traf Thiersch auf Hadschi Christos, den Führer der bulgarischen Reiterei und forderte ihn auf Halt zu machen; denn Nauplia sei während der Nacht von der Allianz, die Vorstadt von Truppen aus Eleusis besetzt worden; doch diese seien zur Verständigung bereit, er habe Vorschläge an Kolettis zu überbringen. Nach Augustins Sturz und der Wahl des Königs sei der Krieg zwecklos. Von Hadschi Christos begleitet, ritt dann Thiersch zum Fußvolk; die Kapitäne waren bereit; seinen Weisungen zu folgen. Nachdem die Fahnen auf einem nahen Felsen aufgepflanzt waren, sammelten sich alle Krieger in weitem Kreise und lauschten aufmerksam den Worten des Philhellenen, der ihre Tapferkeit und Versöhnlichkeit pries. „Der Feind, gegen den ihr in Megara die Waffen erhobt, ist gefallen; diejenigen, die euch verfolgt haben, erwarten euch als Brüder in jenen Häusern. Die Vertreter der Schutzmächte sind bereit, sich mit euren Anführern, sich mit Kolettis über die Beruhigung des Landes zu verständigen. Darum erwartet hier seine Ankunft; unter euren Augen soll das Werk der Friedensstiftung vollendet werden. Es wird euer Werk sein! Ihr werdet durch diesen Frieden eure Taten krönen und aus vollem Herzen rufen: „Es lebe der König! Es lebe Hellas!“ Lang anhaltender Jubel folgte den Worten. Schon kamen ganze Abteilungen Kavallerie und Infanterie aus Pronoia zu den Felsen herüber; da begann es zu regnen. Die Rumelioten drängten, von Thiersch dringend zur Ruhe gemahnt, in die Straßen und Häuser der Vorstadt. Er selbst und die Kapitäne eilten unter Führung des Adjudanten von Kalergis, des Demetrius Sutzos , dessen Bruder Karl auf Thierschs Vermittlung in München erzogen worden war, nach Kalergis’ neuem Haus, das mit seinem ummauerten Hof und seinen Stallungen einer verschanzten Burg glich, um dort das Hauptquartier aufzuschlagen. Durch Sutzos Zureden gaben die finster blickenden Reiter den Saal frei und nach kurzer Zeit wurden die Kapitäne im Hause ihres Feindes von dessen Leuten bedient. Plötzlich ertönten aus der Straße, an deren Ausgang das Hauptquartier lag, Schüsse, gleich darauf kam Nachricht, die Leute des Generals Rhanko wollten ihre Häuser nicht mit ihren Gegnern teilen; ihnen sei von Frieden und Vergleich nichts bekannt. Noch hielten sich die Rumelioten zurück; jeden Augenblick aber konnte der Kampf aufflammen, umso unheilvoller angesichts der russischen Geschütze auf den Mauern Nauplias. In klarer Erkenntnis der gefahrvollen Lage eilte Thiersch nach den bedrohten Stellen. Er fand eine menschenleere

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Straße, die Häuser zur Rechten von Rumelioten besetzt, die ihm zuriefen, er solle umkehren, da er sonst verloren sei, die zur Linken von Capodistrianern besetzt. Allein für den mutigen Mann gab es jetzt kein Zurück. Mit einem weißen Tuch winkend trat er zum nächsten offenen Fenster linker Hand, das mit Bewaffneten angefüllt war, und verlangte den Führer zu sprechen. Da diese in der Stadt waren, ließ er den kommandierenden Offizier bitten, seine Leute zur Ruhe zu mahnen. Durch sein bestimmtes Auftreten brachte er es dahin, dass dieser einwilligte und sich weitere Befehle von Rhankos einholte. Thiersch selbst fügte einen Brief bei, worin er den Obergeneral dringend ersuchte, seine Leute zu beruhigen. Immer mehr Krieger drängten sich in das Zimmer; laut las Thiersch ihnen sein Schreiben vor und versprach zu bleiben, bis Antwort käme. Zugleich setzte er ihnen auseinander, wie schmachvoll es wäre, wenn sie sich gegenseitig die Hälse brächen in dem Augenblick, da der König nahe, der alle mit gleicher Liebe umfassen werde. Bald erschien Rhankos Adjutant. „die Maßregel, die Sie zur Herstellung der Ruhe genommen haben“ schrieb der Obergeneral144 „ist so vortrefflich, wie etwas nur sein kann und in diesem Sinne habe ich den Leuten draußen geschrieben.“ Zugleich beauftragte er Thiersch, mit Kolettis auf eine allgemeine Vereinigung hinzuarbeiten. So wurde der Rest der Schwierigkeiten noch beseitigt. Thiersch eilte in das Hauptquartier und hatte die Genugtuung, dass der inzwischen dort angekommene Kolettis alle von ihm getroffenen Anordnungen billigte. Um diesen versammelten sich die Kapitäne und die angesehensten Mitglieder des Kongresses und man beriet, ob Kolettis in die Stadt reiten und mit den Residenten und dem Senat wegen Umgestaltung der Regierungskommission in Verbindung treten solle. Zwar hatte Baron Rouen an Kolettis, noch ehe das Heer Argos verließ, die Einladung ergehen lassen nach Nauplia zu kommen, um mit ihm über die Beruhigung des Landes zu verhandeln; offenbar war er in der Nacht zu seiner früheren Gesinnung für Kolettis zurückgekehrt; aber man hatte doch schwere Bedenken; noch war Augustin in der Stadt, gedeckt durch die russische Seemacht; um ihn scharten sich der Senat, der über die Fortschritte der Syntagmatiker aufs tiefste erbittert war, und die entschlossensten Führer der Capodistrianer.145 Andrerseits aber verhehlte sich Thiersch nicht, dass eine Weigerung Kolettis neue Verwirrung hervorrufen müsse. So machte er geltend, dass die Rumelioten Kapitäne wie Rhankos auf Seiten Augustins Kolettis erwarten; die Residenten, durch parteisüchtige Verblendung in eine unmögliche Lage verstrickt, mussten wünschen, mit Kolettis Hilfe herauszukommen, die Bevölkerung sei wie ein Mann gesinnt und wünsche Frieden. Durch Thierschs entschiedenes Auftreten mitbestimmt146 entschloss sich Kolettis die Einladung Rouens anzunehmen; auf seinen Wunsch diktierte Thiersch die Antwort, dass der Führer der nationalen Partei „in Nauplia erscheinen werde, begleitet von 22 144 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 53. 145 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 54 ff. 146 2. Schreiben an König Ludwig, 10. April, in: Biographie, Bd. II, S. 224.

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Kapitänen und Abgeordneten, wenn sie während ihres Aufenthaltes den Schutz der Standarte Frankreichs genossen.“ Die Kapitäne billigten das Schreiben, Kolettis unterschrieb. Während man die Antwort erwartete, mahnte Makrijanis, einer der erprobtesten Führer des hellenischen Freiheitskampfes, ein treuer Freund des Gelehrten: „Bedenke, was Du tust; es ist nicht so sehr der Wunsch der Franzosen als dein Rat und Ansehen, dessen wir uns fügen. Du übernimmst es, den Anführer der Nation mitten in das Lager und die Gewalt der Feinde zu führen, die in Argos vor seinen Augen seine treuesten Freunde abgeschlachtet und in ihrem Kongress einen Preis auf seinen Kopf gesetzt haben. Es ist auf Deine Gewähr und Gefahr, dass er geht.“ Thiersch nahm die Verantwortung auf sich. Als der Schutzbrief der Residenten eintraf, verließ er seine Freunde, die ihn dringend baten, den Einzug an Kolettis Seite mitzumachen. Allein ging er nach dem Tore zurück, aus dem er sechs Stunden vorher mitten in der Bedrängnis einer großen Gefahr getreten war, vor allem in Sorge, wie er Kolettis das so notwendige Geld zur Verpflegung seiner Truppen, zur Aufrechterhaltung der Ruhe in der Vorstadt und zur Sicherung seiner Stellung verschaffen könnte; bald wurde er von Soldaten umringt, die ihn freudig begrüßten und ihm von dem Feldzug des GLGD—VNDORZvon Pachora bis Pronoia erzählten, der weniger Opfer gefordert habe als eine tüchtige Schlägerei in einer Taverne. Ein Palikar mit einer alten Geige stimmte das „neueste Lied“ über die Vorgänge der letzten Zeit an, während die Soldaten im Kreise um ihn tanzten. Eine halbe Stunde nach seiner Zurückkunft drang das Getöse des Einzuges bis in Thierschs abgelegenes Haus. Kaum hatte sich das Tor hinter Kolettis, den Kapitänen und den Abgeordneten geschlossen, „drängte man sich ihn zu sehen, ihm die Hand zu reichen oder seine Kleider zu küssen; alle Fenster und Dächer umher waren mit Menschen angefüllt und ein unermesslicher Jubel erschallte aus der ihn einengenden und langsam mit ihm sich fortbewegenden Menge.“147 Graf Augustin wurde Zeuge des Triumphzuges seines Feindes; tief erschüttert verließ er in der Nacht mit seiner Familie und seinen vertrautesten Freunden, den Leichnam des ermordeten Präsidenten mit sich führend, auf der Fregatte des Admirals Ricord Nauplia. Den 10. April hielt Thiersch für den denkwürdigsten seines Lebens. Im Jahre 1839 charakterisierte148 er die Eindrücke jener Zeit mit den bezeichnenden Worten: „Für mich war dieser Tag mit den folgenden eine Schule der Erfahrung, welche seitdem ganz Europa gemacht hat. Ich bemerkte damals zu meinem Schrecken an den griechischen Verhältnissen, was jetzt an den türkischen aller Welt klar ist wie der Tag, dass die Verbindung Europäischer Mächte, insofern sie zu Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen, besonders untergeordneten orientalischen Volkes führt, nicht zum guten führen kann, weil jede ihren eigenen Zweck verfolgt und mit den anderen in Widerspruch gerät, 147 Friedrich Thiersch, Apologie, S. 63. 148 Thierschiana 120: „Über mein Benehmen“.

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dass dagegen solche Einmischungen eben darum zur Hemmung, Zwietracht und Befehdung führt, in der auch eine stärker gegliederte bürgerliche Ordnung erschüttert und am Ende zertrümmert werden muss.“ Noch sollte es vier Monate dauern, bis Thiersch in die Heimat zurückkehren konnte. Mit gespanntester Aufmerksamkeit verfolgte er die Verhandlungen des Senates und der Residenten mit Kolettis. Die ausführlichen an König Ludwig gesandten Berichte149 gewähren ein gerade abstoßendes Bild der Streitigkeiten und Intrigen der Kybernetiker und zweier Residenten; bald musste Thiersch die Rumelioten beruhigen, die den ferneren Aufenthalt ihres Führers in der Hauptstadt nicht mehr wünschten, bald brauchte man seinen Rat und Einfluss in der Personenfrage; Freund und Feind wandten sich an ihn, Metaxas, eines der angesehensten Häupter der Capodistrianer ebenso wie Baron Rouen, der dem Widerstand des russischen und englischen Kollegen zu erliegen schien. Schon klagte Admiral Ricord, der Hauptschützer Kapodistrias, in Petersburg über die Intrigen der Alliierten: „Kolettis ist stark dank des französischen Einflusses.“150 Dawkins lockerte sein Verhältnis zu Rouen. Am 13. April drohte sogar der Rücktritt Kolettis; er setzte Thiersch auseinander, dass ihm nichts Anderes überbleibe; er scheide mit dem Bewusstsein eine gute Sache mit Mäßigkeit und Gerechtigkeit bis nahe an das Ziel geführt zu haben, das zu erreichen er durch fremde Schuld sei gehindert worden. Bei dem österreichischen Konsul Gropius musste der getreue Philhellene die Ausbrüche der Verzweiflung hören, mit denen die Rumeliotenhäuptlinge die Kunde von dem bevorstehenden Rücktritt ihres Führers begleiteten. „Gegen diese Gesinnungen und die Ausbrüche ihres Zornes ist nicht aufzukommen,“ – so schreibt151 er bekümmert 12 Uhr nachts an seinen König, „und muss ich in den nächsten Tagen die letzten Hoffnungen des armen Landes sich verdunkeln sehen, so werde ich mit dem nächsten Schiffe abreisen, um nach der Heimat zurückzukehren und Ew. Majestät weiteren Bericht von dem Untergang des geliebten Landes vorzutragen, dessen Zeuge zu sein ich das Unglück hatte.“ Kolettis machte er die eindringlichsten Vorstellungen. Ihm allein war der Eintritt des Demetrius Ypsilanti in die Kommission zu danken. Von Hydra holte er Georg Konduriotis, Zaimis suchte er mit seinen früheren Freunden wieder auszusöhnen. Durch ihn wurden endlich auch Massendemonstrationen von Bürgern und Abgeordneten veranlasst, um den Senat zum Nachgeben zu zwingen. „Nur unter des unermüdlichen Thyrsios selbstloser und vielgeschmähter Vermittlung“, so urteilt Hertzberg152 mit Recht, kam endlich eine Siebenerkommission zustande, in der Kolettis die Stimmenmehrheit für sich und die Seinen hatte. Die Staatssekretäre, unter ihnen auch Maurokordatos, gehörten gleichfalls zu seiner Partei, und so konnte die Nationalversammlung unter Gewährleistung freier Wahlen berufen werden. Thierschs gan149 150 151 152

Bericht 2-12 in: Heinrich Thierschs Biographie, Bd. II, S. 225 ff. Stern, Geschichte Europas, Bd. IV, S. 473. Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 236. Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 566.

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zes Bestreben war darauf gerichtet, dass die künftige Verfassung ein Ehepakt“153 werde, zwischen Hellas und seinem Fürsten geschlossen. „Sie kann und darf dem Fürsten nicht aufgelegt werden, wie es der Absicht E.M. widerstreiten würde, sie dem Volke aufzulegen.“ Dringend weist er schon am 26. den König darauf hin, dass die Ruhe und der regelmäßigen Lauf der Nationalversammlung auf dem sofortigen Erscheinen des Regenten und der Bereitstellung von Mitteln beruhen. Am Osterfest 1832 konnte sich Thiersch kaum retten vor den Besuchen der angesehensten Leute und Deputationen; Thyrsios war der Held des Tages; die an Entbehrungen und Kampf gewöhnten Pallikaren umarmten und küssten ihn, wo er sich sehen ließ. „Großväterchen hat das Wunder getan“, sagten sie unter Hinweis auf den Feldzug mit Ölzweigen und ohne Blutvergießen.154 Indessen täuschte er sich am allerwenigsten über die Gefährlichkeit der Lage. „Die Meisten sehen nicht, “schrieb er an seine Frau, „auf wie schwachen Füssen das Werk durch den Trug alter Bösewichter gestellt ist.“ Es war ein Kompromiss, geschlossen in der Hoffnung, dass der Statthalter bald kommen werde. Am 1. Mai sandte Thiersch ein ausführliches Memoire155 über die öffentlichen Angelegenheiten Griechenlands nach Einsetzung der Regierung von 7 Mitgliedern an Stratford Canning nach Konstantinopel, in der Überzeugung, dass dessen Rat für Griechenlands Wohl von größtem Einfluss sein könnte, wenn er auf möglichst genauer Kenntnis der Sachlage beruhe. Nach klarer Schilderung der augenblicklichen Lage fordert er energisch Geldmittel für die neue Regierung, baldige Grenzregulierung und das Erscheinen des Königs oder seines Stellvertreters. Canning ließ ihm für sein schönes Benehmen in Griechenland Anerkennung aussprechen. Nach der Wahl der 7er Kommission trat Thiersch in die Rolle des Beobachters zurück, da er sich in das Innere der Angelegenheiten der Regierung nicht zu mischen wünschte. Er unternahm seinen fünften archäologischen Ausflug156 in den südlichen Peloponnes. Am 2. Mai fuhr er in Begleitung Metzgers nach Astros, in einer schönen Ebene am Meer gelegen. Die Lage dieses Ortes entzückte ihn nicht nur wegen des außerordentlichen Reichtums der Umgebung an Wein, Getreide und Wild, zumal alles in der Blütenfrische und Blumenpracht des griechischen Mai prangte, sondern schien ihm auch geeignet zur Entstehung einer Stadt, wenn die an einigen Stellen versumpfte Gegend durch Gräben geöffnet und die Reede durch eine Mole gegen die Seestürme gesichert würde. Zudem versprachen die Pässe nach dem inneren Peloponnes vor allem nach Arcadien günstige Verbindungen. Gleich erfreuliche Eindrücke brachte der Ritt nach Petros im lakonischen Gebirge in das reiche Eurotastal überragt von der majestätischen Kette des 153 154 155 156

Friedrich Thiersch, 4. Bericht an den König, in: Biographie, Bd. II, S. 247. Thiersch an seine Frau, 22. April 1832, in: Biographie, Bd. II, S. 252-254. Gedruckt in: Thiersch, De l’Etat, S. 375-386. Thierschs Reisebriefe an seine Frau,Biographie, BD. II, S. 259 ff.

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Taygetos, bedeckt von Ölwaldungen und Maulbeerbäumen, Saatfeldern und Wiesen und nach St. Johannes mit seinen einzigartigen Orangenpflanzungen. In Mistra hörte er die Klagen der unglücklichen Bewohner über die endlosen Bedrückungen, die sie seit zwei Jahren durch die Capodistrianer erlitten hatten. Auf dem Boden des alten Sparta wurden antiquarisch-topographische Studien gemacht, Ottfried Müllers falsche Pläne richtiggestellt. Thiersch hatte mit der Reise zugleich einen politischen Zweck verbunden; er wollte die Lage im Innern des Peloponnes kennen lernen, die verängstigten Gemüter beruhigen und mit den Kapitänen Rücksprache nehmen. Bei den Bewohnern hatte er überall die freundlichste Aufnahme gefunden. Doch beunruhigende Nachrichten aus Nauplia veranlassten ihn zur Rückkehr über die hohen östlichen Gebirge Lakoniens nach Veria, wo er in einem quellenreichen Hochtal in einer Hütte unter Blütenbäumen und dem Gesang der Nachtigallen die Nacht blieb, vorbei an schönen Föhren- und Fichtenwaldungen in ihrem Schatten üppiges Gras, Quellen, eine Fülle von Veilchen, Narzissen und prachtvollen Tazetten, abwärts durch ein Tal von Nuss- und Kastanienpflanzungen traf er in Kastanizza ein, wo er eifrig den Dialekt der Bewohner, der Zakonen, studierte, dann ging der Ritt nach dem Meere, zu Schiff wurde am 10. Mai Nauplia erreicht. Mit tiefster Bekümmernis beobachtete hier Thiersch in den nächsten Wochen, wie sich die Lage bedeutend verschlechterte. Vor allem wegen Geldmangels, den die Residenten nicht abhelfen wollten, wurden die Pallikaren in Argos schwierig, Nauplia musste von den Franzosen besetzt werden, in Patras kam Zavellas zuvor. Überall erhoben die Capodistrianer wieder ihr Haupt. Trotzdem verlor Thiersch den Mut nicht. „Ich höre, spreche, rede, schreibe und treibe im Sinne der Versöhnung und Ausgleichung, was ich kann und – mit zwei Zeilen von dem König in der Hand wäre ich imstande, Griechenland vor neuem Unheil zu bewahren. Noch ist die letzte Hoffnung nicht untergegangen, aber stündlich wird der Himmel trüber.“157 Er konnte es gar nicht fassen, dass auf alle Berichte kein Lebenszeichen, keine Äußerung der Teilnahme aus München kam. Stärker und stärker wurde seine Sehnsucht, nach Hause zu den Seinen zurückzukehren. Von dort zog ihn das Gefühl der Liebe, in Griechenland hielt ihn die Liebe der Bedrängten, die in ihm fast noch den einzigen Hoffnungsanker sahen. Schon wurden Stimmen laut, er möge an die Spitze der Geschäfte treten; aber ehrgeizige Wünsche lagen ihm völlig fern. „Ich begehre, ich ersehne nichts“, schreibt158 er am 25. Mai an seine Frau, als die Ankunft, sei es des Maurer des Armansperg, sei es, wo es sei, um ihm zu sagen, was ich weiß, und nachdem ich meine Schulden in Griechenland in voller Zahlung berichtigt, mich nach der Heimat einzuschiffen.“ Nichts, was zur Beruhigung der Gemüter beitragen konnte, versäumte Thiersch. Tag für Tag empfing er in dem geräumigen Saal seiner Wohnung die Besuche von Generalen, Militärhäuptlingen, Ministern, 157 Thiersch an seine Frau, 22. Mai, in: Biographie, Bd. II, S. 273. 158 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II., S. 274.

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Mitgliedern der Regierung, Gouverneuren der Provinzen. Bevollmächtigte der Eparchien von den Inseln und dem Festlande berichteten ihm von den durch die Parteizwistigkeiten entstandenen Leiden. An die Hauptführer der Capodistrianer schrieb er, in Spezia vermittelte er persönlich. In festlichster Weise wurde am 1. Juni das Geburtstagsfest des künftigen Königs gefeiert, zumal aus Konstantinopel günstige Nachrichten über den Abschluss der Grenzunterhandlungen eintrafen. Am 4. Juni richtete Thiersch seinen sechsten Bericht159 an König Ludwig, der damals gerade in Neapel weilte, und beschwor ihn unter Hinweis auf die verzweifelte Lage Griechenlands selbst zu kommen oder einen Bevollmächtigten zu schicken. Obwohl er keine Antwort bekam, hielt er es doch für seine Pflicht, den Monarchen auch weiterhin über alle wichtigen Vorkommnisse zu unterrichten und so folgten in kurzen Abständen bis Ende Juli noch fünf, teils kürzere, teils längere Berichte,160 die ein auf genauester Personen- und Sachkenntnis beruhendes Bild der damaligen Regierung gaben, die zur Tatenlosigkeit und Schwäche verurteilt war, weil die Capodistrianer jede vernünftige Maßregel Kolettis wie z.B. die Verteilung der um Argos angehäuften Truppenmassen über den Peloponnes unmöglich zu machen versuchten und die chronische Geldnot nicht beseitigt werden konnte. Eingehende Schilderung erfährt das allmähliche Erstarken der Kybernetischen Partei, vor allem unter dem Schutz Russlands. Der 9. Bericht ging verloren; im 10. entwickelt Thiersch die Stellung, die die beiden Parteien gegenüber der künftigen Regierung einnehmen werden und bezeichnet es als deren Hauptaufgabe, die Vereinigung derselben zu bewirken, indem die fähigsten Männer aus ihnen an den richtigen Platz gestellt und ihre Zahl aus der nicht unbeträchtlichen Menge unbescholtener Männer, die sich dem Parteigetriebe fernhalten, ergänzt wird. Das Zutrauen des guten und lenksamen Volkes müsse durch Taten erworben werden. Der 11. Bericht ist deswegen besonders wichtig, weil Thiersch darin die Hauptfragen des unmittelbar bevorstehenden Nationalkongresses behandelt und seine eigene Stellung zum Verfassungsproblem entwickelt. Er hielt ihn zwar unter den damaligen Verhältnissen für ein Übel, konnte sich aber nicht der Einsicht verschließen, dass er infolge des allgemeinen und starken öffentlichen Willens unvermeidlich und für die Ordnung der Regierung und vor allem für die Sicherheit der künftigen Dynastie notwendig sei. Vor allem gelte es die Anerkennung und Bestätigung der Ernennung des Prinzen Otto. So angesehene Staatsrechtslehrer wie Johann Ludwig Klüber161 teilten diese Ansicht: „Durch den feierlichen öffentlichen Nationalakt (8.August 1832)“, schreibt er, „erhielt sowohl die Form des Staates als auch die Person seines Oberhauptes wahre staatsrechtliche Begründung.“ Die Ausarbeitung einer Verfassung freilich durch die Nationalversammlung lehnte Thiersch in Übereinstimmung mit einflussreichen Männern 159 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 278 ff. 160 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 283. 161 Pragmatische Geschichte der nationalen und politischen Wiedergeburt Griechenlands 1835, S. 497.

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wie Maurokordatos, Kolettis und anderen entschieden ab, weil er König Ludwigs Ansicht hierüber kannte und die wichtige Angelegenheit noch nicht spruchreif war; was vor allem Not tue, sei eine starke Monarchie unter Gewährleistung der wesentlichen Rechte der Nation. Der Ausfall der Wahlen zu Gunsten der Konstitutionellen zeige zur Genüge, dass diese die Nation darstellen. Je länger bestimmte Nachrichten aus Bayern auf sich warten ließen, desto mehr wuchsen die Schwierigkeiten der Regierung. Seit etwa Mitte Juli kamen ihre Mitglieder nicht mehr zusammen, die laufenden Arbeiten wurden von den Ministerien besorgt, das Land war in dieser Krisis sich selbst und den Parteien preisgegeben. Man erhoffte Rettung von der Nationalversammlung. Die Abgeordneten wünschten fast allgemein die Macht bis zur Ankunft des Regenten in der Hand eines Einzigen zu vereinigen; 60 Deputierte wollten Thiersch gleich nach Konstituierung der Versammlung als Präsidenten der Regierung vorschlagen.162 Durch eine energische Erklärung wies er das Anerbieten zurück. Seinem König aber schrieb er: „Ein Amt in Griechenland übernehmen, besonders eines von solcher Wichtigkeit und Verantwortlichkeit, konnte ich, als im Dienste E.M. stehend nicht ohne Allerhöchst Derselben Ermächtigung und wäre ich dennoch auf einen solchen Vorschlag eingegangen, so würde ich als ein unbesonnener Ehrgeiziger erschienen sein oder zu der Annahme Veranlassung gegeben haben, dass ich nach Allerhöchstem Auftrage verführe.“163 Am 26. Juli eröffnete die Nationalversammlung ihre Sitzungen in der Vorstadt Nauplia; Ludwig Roß164 hat sie anschaulich geschildert. Die namhaftesten Männer des griechischen Staatslebens waren vertreten. Am 1.August wurde eine allgemeine Amnestie ausgesprochen, am 8. unter Thierschs Vermittlung die Königswahl Ottos einstimmig anerkannt und bestätigt, während das Volk in Freudenrufe ausbrach. Der Philhellene, eben im Begriff abzureisen, erhielt den Auftrag, Abschriften der Adressen an König Ludwig und seinen Sohn nach München zu überbringen. Am 10. August segelte er von Nauplia ab. Welche Gefühle mögen ihn bewegt haben? „Ich verlasse die Dinge in einer steigenden Verwirrung. Zu besorgen steht, dass die Leidenschaften ihren Lauf haben und neue Gewalttätigkeiten herbeiführen werden“, so schrieb165 er noch kurz vor seiner Abreise an seine Frau. Er umfuhr den Peloponnes und landete bei Katakolo; wenige Wochen vorher hatte er noch einen Ausflug nach Messenien unternommen, aber nur Kalamata, Koron, Modon und Navarin besucht, da ein Vordringen ins Innere bei der Erregung des Landvolkes und der Bewegung der Parteien nicht ratsam erschien. In Pyrgos gelang es ihm noch, Streitigkeiten zwischen Hadschi Petros und Sessini zu schlichten. Der Ritt nach Olyrnpia gewährte ihm dann genauen Einblick in die fruchtbaren Ebenen, die erst zum 10. Teil angebaut waren und deren Ertrag durch Herstellung der Bewässerung ver162 163 164 165

Friedrich Thiersch, Apologie, S. 30. 11. Bericht an den König, Ende Juli 1832, in: Biographie, Bd. II, S. 318. Ludwig Roß, Erinnerungen und Mitteilungen, S. 11-17, 1863. Heinrich Thiersch, Bd. II, S. 325.

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doppelt werden könnte. Eine eingehendere Untersuchung des Geländes der Festspiele verbot die Kürze der Zeit. Von Katakolo fuhr Thiersch nach dem fruchtbaren Zante und Ithaka, dessen reichen Korinthen- und Ölhandel er besichtigte. Aufmerksam folgte er den Spuren Homers und schilderte in Briefen an seine Frau in begeisterten Worten die Stalaktitengrotte, die so ganz Homers Schilderung im Gesang der Odyssee entsprach. „Nie ist eine Beschreibung eines Naturgebildes treuer, vollständiger und zugleich poetischer, wahrer und schöner gebildet als die der Stalaktitenhöhle auf Ithaka durch den unsterblichen Sänger der Odyssee.“ Ende August traf er in Korfu ein, wo er einige Tage in der Gesellschaft griechischer Professoren und der englischen Offiziere der Garnison verbrachte. Die Stimmung der Bevölkerung fand er ganz Capodistria- und russenfreundlich. Von hier sandte er seinen letzten, den 12. Bericht166 an König Ludwig. Er entwirft ein klares Bild, unter welchen Schwierigkeiten die Nationalversammlung zusammentrat. Mit vollem Recht hebt er hervor, dass der Antrag, der Senat solle seine Tätigkeit beenden, die Aussicht auf eine baldige Versöhnung der Parteien vermittelte und dass die dadurch hervorgerufene Erklärung der Residenten, die nicht nur den Anfang und den Gang der Nationalversammlung missbilligten, sondern auch dem Senate als zu Recht bestehend die Befugnis einräumten, selbst jetzt noch Änderungen in der Regierung vorzunehmen, die Verwicklung bis zum äußersten steigerte. Der letzte Rat des treuen Philhellenen lautet, die Regentschaft möge die Nationalversammlung anerkennen und dann auflösen unter dem Hinweis, dass die neuen Grenzbestimmungen Neuwahlen nötig machen; sie übernehmen damit das Dekret der Amnestie und die Aufhebung des Senates; vor allem müsste sie sich über alle Parteien stellen. Mit größter Sorge erfüllte Thiersch eine über Neapel eingetroffene Nachricht, die neue Monarchie soll keine verfassungsmäßige sein. Wäre diese Nachricht begründet, so ginge Griechenland neuen Wechselfällen entgegen, die Gefahren werden nicht von innen kommen, sondern auch durch die auswärtige Politik vermehrt werden, besonders wenn es zu einem Bruch zwischen den Mächten käme, die bis jetzt zum Schutz für Griechenland verbunden waren, ein Hauptpunkt, den auch der Präsident I. Kapodistrias .... mit richtigem politischen Urteil als solchen erkannte.“ Nachdrücklich betont daher Thiersch noch ein Mal, der weit aus größere Teil des Volkes werde sich bei der Gewährleistung nur der wesentlichen politischen Rechte vollkommen beruhigen; bei gehöriger Kunde der Lage, der Bedürfnisse und der Wünsche von Griechenland werde es nicht schwer sein, die neue verfassungsmäßige Monarchie so einzurichten, dass sie stark in ihrer Tätigkeit ungehemmt und vom öffentlichen Zutrauen umgeben ist. Als Thiersch diesen Bericht schrieb, war das Ereignis, dessen Kommen er stets befürchtet hatte, noch nicht eingetreten. Doch da die Nationalversammlung trotz des Mahnens aller Gemäßigten die Entscheidung über die Nationalgüter und die Verfassung beanspruchte, wurde sie am 26. August durch Pallikaren 166 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 339 ff.

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gesprengt. Am 7. September musste sie sich bis zur Ankunft der Regentschaft vertagen. Bei der Abreise von Korfu sah sich Thiersch noch durch erbitterte Korfioten, die ihn als Rebell und Mörder Capodistrias bezeichneten, bedroht, so dass die englische Garde ihn schützen musste. Nach langsamer Fahrt erreichte er am 14. September Triest und empfing hier ein amtliches Schreiben vom 29. Juli 1832, das ihm gebot, „ungesäumt aus Griechenland abzureisen um S.M. Aufschlüsse über die griechischen Angelegenheiten zu geben.“167 Wie bitterste Ironie mussten dem Gelehrten diese Worte klingen; denn alle Aufschlüsse, die er überhaupt geben konnte, waren ja in seinen ausführlichen Berichten an den König niedergelegt und wohl berechtigt war seine vorwurfsvolle Frage: „Wer meinen Werken nicht glaubt, wie kann der meinen Worten glauben?“ Hass und Neid waren eben an der Arbeit gewesen, dem König sein Wirken verdächtig zu machen, für das die griechische Regierungskommission Worte168 schönster Anerkennung gefunden hatte: „Elf Monate sind verflossen, seit Hellas Sie in seinen Armen hielt und in diesem entscheidungsvollen Zeitraum hatte es Veranlassung Ihre edlen Gesinnungen für das ihm Zuträgliche deutlich zu erkennen. Sein wahres Wohl sich zum Ziele stellend haben Sie den Einfluss, den Ihnen Ihr in Deutschland wie in Hellas bewährter Eifer für Griechenland, jene so warme und tätige Liebe und die Ihnen ganz vorzüglich eigentümliche Aufrichtigkeit Ihnen sichern mussten, zur Einigung des Getrennten angewandt. Zu eben diesem Zweck haben Sie zur Zeit des Winters mühsame Reisen unternommen, indem Sie mit Hellenen jedes Standes und jeder Gesinnung zusammentrafen, sie alle als Bruder und Freunde achteten und sie zur Löschung der obwaltenden Leidenschaften anleiteten.“ Gerade die hier so richtig hervorgehobenen Eigenschaften des Gelehrten, seine Selbstlosigkeit und Aufrichtigkeit, hatten ihm den Hass derer zugezogen, die sich durch seine Tätigkeit beeinträchtigt fühlten. Der englische Resident Dawkins, der „böse Dämon Griechenlands,“ wie ihn Maurer nennt, berichtete an Lord Palmerston gegen ihn und rühmte sich dem Prinzen Karadja gegenüber: „C'est moi, qui ai fait le rapport, M. Thiersch m'a voulu casser le cou, et je l'ai prevenu.“169 Thierschs Auftreten für die „Konstitutionellen“ und die Bestätigung der Königswahl durch die Nationalversammlung wurde dem König so dargestellt, als ob der Philhellene den Prinzen Otto mit den griechischen Liberalen kompromittiert habe.170 In der Umgebung des Königs war Herr von Heydeck, der ihn auch nach Italien begleitet hatte. Mit Capodistrianern unterhielt er brieflichen Verkehr, Kolettis verachtete er, Thiersch war nach seiner Meinung unfähig und getäuscht. Er vertrat die Ansicht, je uneiniger die Grie167 168 169 170

Thiersch an seine Frau, 14. September 1832, in: Biographie, Bd. II, S. 345. Biographie, Bd. II., S. 321 ff. Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 366. Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. II., S. 378, 401; Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 179 ff.; Friedrich Thiersch, Apologie, S. 80.

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chen unter sich wären, umso weniger Schwierigkeiten werde die Regentschaft finden; es könne nicht schaden, wenn diese „hellenische Wirtschaft“ noch einige Monate dauere. So tat er das Seine, den König in diesem Sinne zu beraten. Dazu kam, dass wohl auch Metternichs Auffassung nicht ganz ohne Einfluss auf den bayerischen Hof blieb. Wiederholt fällte dieser Staatsmann das schroffste Verdammungsurteil über Thiersch; in der Erhebung der Griechen vermochte er nur ein Werk der Unordnung zu sehen; sein Rat an König Otto lautete griechisch-konservativ ohne Ausdehnungspolitik und ohne Teilnahme am englischen und französischen Intrigenspiel zu regieren und aus Griechenland erst ein Mal einen Staat zu machen, der seinen revolutionären Ursprung vergessen macht und sich an die Taufe der Legitimität hält.171 Die Vorfälle in Nauplia betrachtete er als einen Triumph der Westmächte und des Herrn Thiersch und konnte es nicht begreifen, dass Russland den wachsenden Einfluss Frankreichs gleichgültig mit ansah. „Die letzten Ereignisse in Griechenland,“ so schrieb172 er am 10. Mai in einer Depesche nach London – „welche von lange her durch den englischen und französischen Einfluss vorbereitet und durch den britischen Agenten, den französischen Kommandanten und den bayerischen Professor Thiersch ausgeführt wurden, sind ohne Widerrede der empfindlichste Schlag, der jemals der russischen Ehre zugefügt worden ist.“ König Ludwig selbst endlich wurde in seiner seit der Julirevolution hervortretenden Abneigung gegen den Konstitutionalismus noch bestärkt durch das Hambacherfest (26. Mai 1832). Alle diese Momente wirkten zusammen Thiersch die Ungnade des Hofes zuzuziehen; er blieb während monatelangen Kampfes für die wittelsbachische Dynastie ohne jede Unterstützung, er wurde zur Berichterstattung nach München befohlen. Am schmerzlichsten aber musste den feinfühligen Manne die Nachricht treffen, dass unmittelbar nach seiner Abreise das mühevolle Werk der Versöhnung, für das er so viele Opfer brachte, zusammengebrochen war, eine Anarchie begonnen hatte, die Bürgern und Bauern neue Leiden brachte.

3. „De l'etat actuel de la Grèce“. Thierschs Stellung zur Regentschaft Am 5. Oktober 1832 war Thiersch nach München zurückgekehrt. Mit der ihm eigenen Offenheit schilderte er dem König Ludwig die Erfahrungen, die er in Griechenland gemacht hatte, obwohl seine Mitteilungen auf den Monarchen großen Eindruck machten, musste Thiersch doch erleben, dass man seinen Rat nicht befolgte. Mit Recht hatte er bereits von Griechenland aus vor Heydecks Ernennung zum Regentschaftsmitglied gewarnt; denn dieser besaß keinen Einblick in die verwickelten Parteiverhältnisse Griechenlands, hing den Capodi171 Srbick, Metternich, Bd. I, S. 609, II., S. 136. 172 Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. I, S. 278.

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strianern an, beurteilte den Charakter der Griechen falsch und war in den Kreisen bedeutender Führer des Volkes sehr unbeliebt. Ein Bericht173 des preußischen Gesandten bezeichnete ihn sogar als „den bösen Genius von Griechenland“, als einen „unzuverlässigen und trägen Menschen, der die Griechen gehasst habe.“ Trotzdem wurde er durch das Vertrauen des Königs zu jener wichtigen Stellung ausersehen. Den übrigen Mitgliedern der Regentschaft, dem Grafen Armansperg, der kurz vorher sein Amt als Minister des Äußeren und der Finanzen niedergelegt hatte und von der Londoner Konferenz als Mitglied vorgeschlagen wurde, dem Staatsrechtslehrer v. Maurer und dem Legationsrat v. Abel fehlte jede nähere Kenntnis des Landes, des Volkes und der Verhältnisse, zu deren Ordnung sie berufen wurden. Mit steigender Besorgnis erfüllten Thiersch die endlosen Vorbereitungen, wodurch die Abreise immer wieder verzögert wurde, während das unglückliche Hellas sich in Anarchie auflöste, die von ihm so heftig bekämpfte capodistrianisch-kolokotronischrussische Partei die Macht gewann und nur die Gegenwart französischer Truppen in Nauplia die Landung der Regentschaft sichern konnte.174 Auch der griechischen Gesandtschaft, die nach München gekommen war, um die Huldigung des griechischen Volkes zu Überbringen, entgingen nicht die fehlerhaften Absichten der Regenten; Miaulis äußerte: „Sie schneiden für unser Vaterland den Rock zu, ohne das Maß genommen zu haben.“175 Kurz vor der Abreise hatte Thiersch auf Wunsch der Königin Therese noch eine längere Besprechung mit König Otto, bei der er ihm die wahre Lage Griechenlands, seine Bedürfnisse und die Wege zu ihrer Befriedigung schilderte. Anfang Dezember 1832 erfolgte endlich die Abfahrt Ottos, der mit unnötigem Luxus ausgestattet und nicht hinreichend für seinen hohen Beruf vorbereitet war.176 Thiersch war Zeuge; tief bekümmert kehrte er nach Hause zurück, wo er in dem neunten Nemeischen Hymnus Pindars die Stelle aufschlug: „Sie führten das Heer der Männer gegen die Stadt mit sieben Toren, nicht auf dem Pfade glückbedeutender Vögel; nicht hatte Kronion die von Übermut Betörten mit geschleudertem Blitzstrahl aufgemuntert von Hause zu ziehen, sondern sie gemahnt sich des Weges zu enthalten. So nun eilte die Schar dahin mit den ehernen Waffen, den Rossen und Wagen, in das Unheil, das deutlich erscheinende sich zu stürzen.“177 Wenige Wochen vorher hatte er unter dem Eindruck der vielen falschen Vorbereitungen an den Freund Cotta seine Sorgen in den vielsagenden Worten zusammengefasst:178 „Würde man bezahlt die Sache zu verderben, an der die Rettung von Griechenland, das Wohl des Königs Otto und die Ehre seines Vaters hängt, man könnte nicht anders verfahren als man bis jetzt verfahren hat.“ 173 174 175 176 177 178

Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. II, S. 434. Stern, Geschichte Europas, Bd. IV, S. 476-/477. Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 358. Stern, Geschichte Europas, Bd. IV, S. 478. Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 360. Thiersch an Cotta 18. November 1832 in: Biographie, Bd. II, S. 407.

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So schwere, unverdiente Kränkung hatte Thiersch erlebt; allein weit entfernt, sich grollend zurückzuziehen, begann er, da es ihm jetzt nicht mehr vergönnt war, persönlich irgend welchen Einfluss auf die Regentschaft zu üben, seine reichen Erfahrungen und Beobachtungen in dem stattlichen Doppelband niederzulegen, der noch vor Weihnachten 1833 in Druck erschien unter dem Titel: „De l' Etat actuel de la Grèce et des moyens d'arriver à sa restauration.“ Es war sein „Vermächtnis für Griechenland.“ Während er mit Anspannung aller Kräfte diese Arbeit betrieb, wurde ihm eine schöne Genugtuung zuteil. Als nämlich in Nauplia bekannt wurde, er sei infolge von Verleumdungen in Ungnade gefallen, richteten die bedeutendsten Griechen eine Adresse an König Ludwig, worin es hieß:179 „Niemals während der ganzen vergangenen Epoche hat die Gegenwart und Einwirkung eines Mannes in die Angelegenheit von Hellas sich heilsamer bewiesen als die des Herrn Thiersch.“ Sie schließt mit dem Wunsche, dass die Arbeiten des Philhellenen nicht auf die bis jetzt verflossene Zeit beschränkt bleiben möchten. Kolettis sandte sie in Abschrift an Thiersch mit einem Brief,180 der als eines der schönsten Zeugnisse für das Freundschaftsverhältnis zwischen beiden Männern gelten muss, um so bedeutsamer, da es nur so möglich wird, die Schmähliteratur, die gegen den Philhellenen von Seiten seiner Gegner veröffentlicht wurde und die leider auch in der wissenschaftlichen Literatur nur zu deutliche Spuren hinterlassen hat, richtig zu beurteilen. Eine kurze Betrachtung derselben liefert zugleich den richtigen Maßstab zu einer Kritik des „De l'Etat“. 1835 erschien anonym: „Examen critique de l'ouvrage de M. Thiersch“. Thiersch181 hatte keinen Zweifel, dass die Schrift vom Bruder des Präsidenten, Viaro Kapodistrias, von Murtoxidis und Gemata verfasst wurde, und unterließ es zunächst darauf zu antworten, da sie als eine reine Lobschrift alle Keime ihrer Auflösung in sich trug. Gegen ihn war der Vorwurf der Leichtgläubigkeit, der Eitelkeit und Lüge erhoben. „Meine Gegner sind falsch und unehrlich; fast alles, was sie aus meinem Buch anführen, ist mit Absichtlichkeit verstümmelt, verfälscht und nicht selten in sein Gegenteil verwandelt.“ Die wissenschaftliche Forschung bezeichnet das Examen als „ohne jeden historischen Wert.“182 Ein zweiter Verleumdungsfeldzug erfolgte in „der Vorläufer, eine Reiseschilderung des unter dem Namen Semilasso bekannten Schriftstellers Fürsten Hermann L.B. von Pückler Muskau (1838); er erzählt seine Erlebnisse auf Fahrten von Delphi bis nach Monembasia. Auf der Insel Syra traf er als Gouverneur des Grafen Armensperg Christides, der beim Feldzug Kolettis gegen Nauplia dessen Sekretär war. Der Fürst entblödete sich nicht im Gespräch über Thiersch den „Don Quichotte Gegner“ des großen Kapodistrias wiederzugeben. „Ich wiederhole zur belehrenden Unterhandlung unserer Landsleute wörtlich, was 179 180 181 182

Friedrich Thiersch, Apologie, S. 100-101. Friedrich Thiersch, Apologie, S. 102 ff. Thierschiana 120 a „Über mein Benehmen“. Mendelssohn-Bartholdy, Graf Johann Kapodistrias, Vorwort S. VIII.

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Herr Christides, der damals eine Hauptrolle (!) in Griechenland spielte, über ihn aussagte, ohne dies weder bejahen noch verneinen zu wollen.“ Christides ganze Darstellung der Vorgänge in Perachora und Nauplia verfolgt nur den Zweck, Thiersch als einen leichtgläubigen, albernen, von sich selbst stark eingenommenen Schuldiplomaten zu schildern, mit dem Kolettis Komödie spielte, während er, Christides, der Hauptakteur war. Besonders schamlos ist die Behauptung, Kolettis habe dem Philhellenen dabei 20000 Drachmen abgelistet. Der Sekretär schließt seine Ausführungen mit den Worten: „Der Wahrheit zu Ehren muss ich aber bekennen, dass Thiersch ungeachtet dieser guten Dienste von Anfang bis zu Ende nur ein Gegenstand herbsten Spottes und der vollkommensten Geringschätzung für uns geblieben.“ Pückler fügt bei, er sei durch eigene Erfahrung, die ihm schon früher das Werk des Herrn Thiersch über Griechenland theoretisch gegeben habe, zu der Überzeugung gekommen, dass dessen ganzer hiesiger Aufenthalt eine fortgesetzte Mystifikation vice versa genannt werden kann, die sich später auch eine Zeitlang auf Deutschland und Frankreich ausgedehnt hat.“ Gegen dieses Pamphlet dachte Thiersch eine längere Widerlegung zu schreiben; er widmete sie dem Philhellenen Kind, doch erschien sie nicht im Druck.183 Erst 1846 veröffentlichte er die Apologie eines Philhellenen wider den Fürsten Hermann L.H. von Pückler Muskau, nachdem dieser es gewagt hatte in seinem Buch: „Aus Mehemed Alis Reich“184 die gröbsten Lügen über Thiersch als Erzieher zu verbreiten. „Ich beginne mit der bestimmten und feierlichen Erklärung, dass im Grunde dieser ganzen abscheulichen Erzählung wieder nichts als Lug und Trug enthalten ist.“185 Hervorgerufen durch zwei schwerbeleidigende und irreführende Veröffentlichungen erhebt sich die Schrift rasch über eine bloße Verteidigungsschrift; vor allem bildet sich eine wichtige Ergänzung zu dem Etat, indem Thierschs entscheidende Tätigkeit in den Monaten Januar August unter Beiziehung grundlegender Briefe und Urkunden ins richtige Licht gerückt wird. Kolettis Briefe186 an Thiersch sind die beste Widerlegung der Erzählung des Christides. Zweimal vergeblich forderte Kolettis seinen früheren Sekretär auf, die Wahrheit zu sagen. Erst als dieser Minister des Innern geworden war (1842), erhielt Thiersch eine Mitteilung: M. Christides, ministre de l'interieure, est indigné contre le bavardage de M. le Prince Pückler, qui s’est rendu ridicule dans le pays par ses folies, et qui’ se rend odieux en défigurant les parbles, qu’ on lui a dit dans des conversations intimes et réwpondant le scandale. M. Christides m’a assure, qu’il ne lui a pas dit les choses, qu’il debite dans son livre de cancan princier de la manière qu'i1 les débite.“

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Der Entwurf ist in Thierschiana 120 a. Pückler Muskau, Aus Mehemed Alis Reich, Teil !, S. 117 ff., S. 181. Friedrich Thiersch, Apologie, S. 193. Friedrich Thiersch, Apologie, S. 45, S. 102-103, S. 106.

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Die dritte und wohl gemeinste Verunglimpfung des Philhellenen enthält die anonyme Schrift „Tutolassos Wanderungen187 durch Deutschland, Polen, Ungarn und Griechenland im Jahre 1836. „Der Angriff“, – schreibt188 Thiersch –, „hat eine Ausdehnung genommen, dass er fast mein ganzes Leben, meine schriftstellerische und amtliche Tätigkeit, meinen Charakter und meine Gesinnungen umschließt und nicht mit Unrecht als ein versuchter Meuchelmord bezeichnet worden ist.“ Der Verfasser ist Joh. Daniel Neigebauer,189 ein Reiseund Tagesschriftsteller, der dem Staatsrat Maurer nahestand. Der XV. Abschnitt trägt die Überschrift: „Der Philolog - Philhellene; Tutolasso veranstaltet eine Abendunterhaltung junger Griechen; bei reichlichstem Weingenuss entwickeln sich Gespräche über Thiersch. In der Art und Weise, wie der Stoff verteilt ist, erkennt man ganz deutlich die Absicht des Pamphlets: Rache wegen der scharfen Kritik an der Regentschaft; ist doch die Rede von den „ungewaschenen Zeitungsartikeln“, durch die Thiersch alle Mitglieder derselben nach und nach zu verkleinern und zu verdächtigen suchte. Seine ganze Tätigkeit in Perachora, Nauplia und Hydra soll lächerlich gemacht werden, damit der unbequeme Kritiker der Regentschaft dem allgemeinen Gespötte preisgegeben werden kann. Man unterschiebt ihm die niedrigsten, egoistischen Motive Tyrann von Griechenland zu werden. „Nichts Reizenderes für einen Menschen, der ein klassisch gebildeter philologischer Staatsmann zu sein wähnt, als auf dem Boden, wo Kleon, Alkibiades und Perikles und andere klassische Demagogen des Altertums gelebt, in unserer Zeit dasselbe Leben zu erstreben. Unser Magister verlor den Verstand, um ihn vielleicht nie wieder zu finden.“ Er glaubte auf Grund seiner Bücherkenntnisse imstande zu sein, ein neues Volk in ein altes umzuwandeln. Prahlend lässt Tutolasso ihn in einer Ansprache verkünden: „Ich vereinige in mir das Studium und die Kenntnisse der Alten mit der Kriegserfahrung der Neuen und daher bin ich in drei Dingen groß, nämlich einen Autor zu kommentieren, eine Armee zu kommandieren und einen Staat zu organisieren.“190 Die verschiedenen Redner schildern Thierschs Auftreten so, dass er als überspannter General, als rücksichtsloser Mensch und läppischer leichtgläubiger Narr erscheint. Von seinem Vermittlungsversuch in Megara heißt es: wie einen alten Hammel leitete ihn Kolettis am Seil, die von persönlichem Wagemut zeugende Tat vor den Toren Nauplias, wo der Bürgerkrieg wieder auszubrechen drohte, wird dargestellt, als ob Thiersch gegen eine nur eingebildete Gefahr zu Felde zog, um in schlechtem Neugriechisch eine Rede zu halten. Dimitrakis191 gibt Erzählungen aus München zum Besten, die die „ungemessene Eitelkeit und den übertriebenen Ehrgeiz des Gelehrten“ als die Grundquellen seiner Verschrobenheit beweisen sollen. 187 188 189 190 191

Stuttgart 1839. Thierschiana 120 a. Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 23, S. 404 ff. Tutolassos Wanderungen, S. 277. Ebenda, S. 324.

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Andere Abschnitte der Reisebeschreibung wie der XI.: „Die Regentschaft Griechenlands“ oder der XIII. „Der Patriarch von Konstantinopel“ zeigen Neigebauer entschiedenes Eintreten für Maurers Verdienste und eine scharfe Kritik der egoistischen Bestrebungen Armenspergs. Die Gründe für die Entstehung dieser Pamphletliteratur liegen also klar zu Tage; von zwei Seiten erfolgte der Angriff: von den durch Thierschs Kritik gerügten Capodistrianern und den Anhängern der Regentschaft; der Zweck war die Persönlichkeit des Philhellenen lächerlich zu machen und damit seine Leistung herabzusetzen. Den Capodistrianern bot Thiersch einen Hauptangriffspunkt durch seine Artikel192 in der allgemeinen Zeitung, vor allem aber durch den historischen Teil des De I' Etat.193 Denn hier entwirft er ein scharf umrissenes Bild des Präsidenten, seines Systems und der Bekämpfung desselben, behandelt die Regierung Augustins, die Einsetzung der gemischten Regierung und ihre Auflösung sowie den Nationalkongress von Pronoia. Offenbar gestützt auf sorgfältige Beobachtung und zuverlässige Berichterstattung schildert194 Thiersch den Präsidenten als nüchtern und arbeitsam; seine Tafel, seine Einrichtung, seine Gewohnheiten ließen ihn als einen einfachen, dem Luxus abgeneigten Menschen erscheinen; er besaß kein böses Herz, in hohem Grad erfüllte ihn das Bedürfnis, geliebt und verehrt zu werden. Indessen verachtete er auch wieder die Menschen, irregeführt durch die Schlechtigkeit anderer und verhärtet durch Erfahrung; infolge seiner Jugenderlebnisse auf Corfu und in Venedig vermochte er in der Gesellschaft nur einen Haufen interessierter Menschen zu sehen, zusammengehalten durch Gewalt und gelenkt durch Betrug; seine diplomatische Laufbahn hatte ihn in den Dienst des Absolutismus geführt; verständnislos stand er den Rechten gegenüber, für die Griechenland geblutet hatte. Die stärkste der Leidenschaften, der Machttrieb beherrschte ihn, den die äußerste Eitelkeit blendete. Er besaß eine seltene Unterhaltungsgabe, anregend und den Gegenstand stets wechselnd. Sehr wortgewandt hörte er fast nur sich selbst sprechen und überzeugt von der eigenen Überlegenheit, achtete er nicht auf den Rat und die Meinung anderer. Dem Vielgeschäftigen genügte kaum der Tag zur Erledigung des gesamten Briefwechsels und der Abfassung der Dekrete; aber diese Vielgeschäftigkeit blieb ohne nachhaltigen Erfolg; denn ihm fehlte jede Detailkenntnis in der Verwaltung und Staatswissenschaft. Nicht minder unbekannt war ihm der gegenwärtige Stand der Wissenschaften sowie die Sprache des alten Griechenland, in der Philosophie sah er nur eine Chimäre und in dem Ruhme des alten Hellas eine unnütze und für die Geschäfte der Gesellschaft selbst gefährliche Schulphantasie. So konnte es nach Thierschs Überzeugung dem Präsidenten zwar gelingen, Ruhe und Ordnung zu schaffen, aber für das, was Griechenland zum Aufbau 192 Hans Loewe, Friedrich Thiersch und die griechische Frage, S. 45, 50. 193 Friedrich Thiersch, De l’Etat, S. 1-189. 194 De l’Etat, I, S. 54-46.

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einer wahrhaft nationalen Regierung brauchte, um blühend und stark zu werden, fehlte Kapodistrias jedes Verständnis; dem widersprechen seine Grundsätze und sein System. Deutlich zeigt sich hier Thierschs Grundauffassung: Capodistrias Regierungssystem - ein Mittel, unter dem Schutze von Russland die Herrschaft über Griechenland seinem Hause zu sichern. Die Grundzüge dieses Systems195 arbeitet Thiersch klar heraus. Kapodistrias schuf sich Stützen seiner Gewaltherrschaft, im Senat, in der Verfassung der Gemeinden, in den Gerichten und der Polizei; die Gemeinden hatten selbst unter der Türkenherrschaft das Recht, die Demogeronten für die lokale Verwaltung zu wählen, jetzt wurden ihnen Listen aufgezwungen, die auf Befehl des Präsidenten angefertigt waren. Im Gerichtswesen196 zeigt sich das gleiche Bestreben, alle Richterkollegien dem Willen des Einen zu beugen, indem die Präsidenten der in jeder Stadt errichteten Tribunale von der Regierung ernannt wurden, die oberen Richter alle Entscheidungen der unteren kassieren konnten, auch wenn keine Berufung eintrat. Der Gang der Prozesse war, da alles schriftlich erledigt wurde, außerordentlich langsam, die Taxkosten unerschwinglich, so dass die Käger ruiniert wurden. In Argos waren bei 2000 Familien, als Capodistrias starb, 150 Prozesse anhängig.197 Der Philhellene Masson schied aus dem Handelsgericht aus, da die Regierung sich in die Prozesse einmischte. Einer der angesehensten Primaten von Argos, Kabas, der fast sieben Jahre Friedensrichter gewesen war, wurde wegen eines an höherer Stelle nicht genehmen Urteils plötzlich entlassen. Ganz besonderen Anstoß in der durch Gennatas geschaffenen Justizreform erregte die Übernahme der Gesetze wegen Majestätsbeleidigung198 aus dem byzantinischen Recht und der Einsetzung eines außer ordentlichen Gerichtshofes zur Aburteilung von Staats verbrechen; an dessen Spitze stand ein vom Grafen ernannte und unabsetzbarer Richter. Thiersch erwähnt199 zwei Fälle, die sich bei seiner Ankunft ereigneten. Der griechische Priester Pharmakides erhielt ein Jahr Gefängnis, weil er in einem Brief, der vom Gouverneur von Korinth aufgefangen wurde, die Hoffnung auf Wechsel der Regierung ausgesprochen hatte, wenn ein deutscher Prinz ernannt werde. Der Kapitän Kanellas in Argos, aus der Primatenfamilie der Deligjanis in Karytena , trat für die Wahl Leopolds ein, wurde nach dessen Rücktritt verhaftet, in Nauplia ins Gefängnis geworfen, blieb 10 Monate ohne Verhör; dann schleppte man ihn in Ketten nach Argos zur Verurteilung. Der von Kapodistrias abhängige Richter Milianos erkannte auf fünf Jahre Verbannung und Stellung unter Polizeiaufsicht. Die meisten Angeklagten wurden, um sie mürbe zu machen, in einem oft harten Gefängnis ohne Verhör festgehalten. Das maßgebendste Urteil 195 Friedrich Thiersch, De l’Etat, Bd. I, S. 16 ff., ergänzend die Rechtfertigungsschrift, Thierschiana 120 a. 196 Friedrich Thiersch, De l’Etat, Teil I, S. 285. 197 Thierschiana 120 a, vergl. Examen, S. 75. 198 De l’Etat5, S. 18. 199 Thierschiana 120 a.

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über diese Ausnahmegerichte fällte nach dem Sturz der capodistrianischen Partei der neue Justizminister Klonaras,200 ein durch Rechtskunde und Charakter ausgezeichneter Mann, im Kongress von Pronoia am 13. August 1832: „Wenn man von dem Organismus der ausnahmlichen Tribunale spricht, ihre Bildung und Befugnisse erwähnt, wird man kein Bedenken tragen, sie für Verdammungsgerichte zu erklären. Und nicht zufrieden, spezielle Tribunale zu errichten, haben die kühnen Gesetzgeber der Willkür noch die Befugnis gegeben, jedesmal, wo das Bedürfnis einer unrichtigen Politik es begehre, persönliche Kommissionen gegen jedes Opfer zu ernennen, das ihr nie schlummernder Argwohn einer peinlichen Verfolgung überliefern wollte.“ Das Ministerium Maurokordatos, Trikupis, Rhisos Klonaras brandmarkte die Einrichtung jener Gerichte als schwerste Verletzung der Beschlüsse des Nationalkongresses von Argos (22. Sept. 1832). Als ein besonders verhasstes Mittel zur Aufrechterhaltung des Systems bezeichnet Thiersch ferner die Einrichtung" , einer geheimen Polizei;201 jeder Agent der Regierung musste über die Gesinnung der Einzelnen berichten, selbst Lehrer und Priester, das Geheimnis des Beichtstuhles, wie der Erzbischof von Arta Thiersch berichtete, wurde verletzt. In Syra, Pyrgos und Livadie hörte Thiersch ähnliche Klagen. In der Schule von Ägina wurden die Kinder ausgefragt. Dazu kamen willkürliche Verhaftungen. Die Sachverwalter des Präsidenten behaupten, Kapodistrias ließ sich im April 1831 über die Staatsgefangenen Bericht erstatten, nur zwei waren im Gefängnis, sechs Monate später fand Thiersch den Hof der Festung Palamidis mit solchen Gefangenen gefüllt.202 Die Freiheit der Person wurde ebenso verletzt wie die Freiheit der Presse und die Unabhängigkeit der Gerichte. Das Schrecklichste, was Thiersch erlebte, erzählte er nicht, Beispiele von Meuchelmord, der in Griechenland bis dahin unbekannt war. Als Thiersch die nicht zum Druck gegebene Rechtfertigungsschrift beendet hatte, erschienen die beiden ersten Bände der von Bètant herausgegebenen Correspondance du Comte I. Kapodistrias, mit einer biographischen Skizze von Stourdza. In einer Nachschrift203 setzt er sich daher mit dieser Publikation auseinander. Scharf verurteilt er die Heuchelei christlicher Gesinnung, wie sie aus Stourdzas Äußerungen spricht, und tadelt die entstellte und viel zu anerkennende Berichterstattung, die in dem Grafen nur einen Heiligen und Märtyrer sieht. In den Briefen und Dokumenten findet er neue und wichtige Beweise von dem, was er als die guten Seiten des Charakters und Wirkens Kapodistrias anerkannt hatte; freilich traten auch, trotz der guten Auswahl, die Schwächen deutlich hervor, die Unwissenheit in den administrativen und finanziellen Angelegenheiten, die mangelnden Kenntnisse in militärischen Fragen; die Vielgeschäftig200 201 202 203

Thierschiana 120 a, folg. 334. De L’Etat, T. I., S. 27, Thierschiana 120 a. Thierschiana 120a, folg. 36. Thierschiana 120a, „Über mein Benehmen“.

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keit; Thiersch kommen bei der Lektion Zweifel an der Aufrichtigkeit des Grafen, da dieser Eynard mitteilt, die Wahl zum Präsidenten habe ihn überrascht, während er doch genau unterrichtet war, auch die Unterhandlungen mit Frankreich weisen nach der gleichen Richtung. Die beginnende Opposition lässt sich schon deutlich verfolgen. So findet Thiersch sein bereits im De I' Etat niedergelegtes Urteil bestätigt: Kapodistrias war ein Mensch mit vielen Vorzügen, aber auch vielen Schwächen des Charakters. Dem Vorwurf gegenüber, er habe das Andenken des Präsidenten mit absichtlicher Gehässigkeit heruntergesetzt, betont er, dass er als sein Freund nach Griechenland kam und nur mit inneren Widerstreben die gute Meinung aufgab: „Ich habe, nachdem mir unmöglich war, der Evidenz die Augen zu verschließen, ihn doch tief beklagt und kann noch jetzt nicht ohne Wehmut an ihn denken. „Was ich über ihn berichtet habe, ich habe es, wo meine eigene Beobachtung mich verließ, auf das Ansehen von Männern getan, welche die ersten des Landes sind oder waren und bei keiner wichtigen Tatsache diese Gewähr derselben verschwiegen.“ So schreibt ein Mann, den Isambert in seinem Buch: „L’ independance Grecque et L’Europe“204, ohne auf sein Werk näher einzugehen, „un de ses détracteurs systématiques“ nennt. Vergleicht man das Urteil, das Thiersch über den Präsidenten fällt, mit den Ansichten von bedeutenden Zeitgenossen, so ergeben sich bemerkenswerte Übereinstimmungen. Goethe äußerte schon am 2. April 1829 in einem Tischgespräch: „Ich will Ihnen ein politisches Geheimnis entdecken, das sich über kurz oder lang offenbaren wird. Kapodistrias kann sich an der Spitze der griechischen Angelegenheiten auf die Länge nicht halten; denn ihm fehlt eine Qualität, die zu einer solchen Stelle unentbehrlich ist: er ist kein Soldat. Wir haben aber kein Beispiel, dass ein Kabinettsmann einen revolutionären Staat hätte organisieren und Militär und Feldherrn sich hätte unterwerfen können.“205 Wilhelm von Humboldt, der Kapodistrias bei Verhandlungen schwieriger Gegenstände genau kennenlernte, betont in einem Brief206 an Thiersch: „Immer habe ich die innere Reinheit seiner Gesinnung und seine wirklich große Gerechtigkeit bewundert.“ Zugleich aber muss er zugeben, dass das griechische Unternehmen des Grafen Kräfte weit überstieg. „Er besaß weder die innere Größe, noch die äußere Lebensgewandtheit, die es hätte gelingen machen können. Er hatte alle aufopfernden Tugenden, aber keine der Eigenschaften, durch die man andere mit sich fortreißt.“ Wohl am schwerwiegendsten ist das Urteil von Prokesch-Osten. Er war ein fein gebildeter Offizier, besuchte auf ausgedehnten Reisen Byzanz und die kleinasiatische Küste. Er streifte zu Pferd Kreta, dann beritt er die ägäische Inselwelt und lernte das griechische Festland und Alexandria kennen. Von Met204 Paris, 1900, S. 407. 205 Dieterich aus Briefen und Tagebüchern zum deutschen Philhellenismus, 1928, Heft 2, S. 87, 171. 206 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 417-418.

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ternich und Gentz hoch geschätzt als Gesandter der österreichischen Regierung, reiste er nach Athen und hatte viel Gelegenheit die Person des Präsidenten, das Land und den Freiheitskampf aus eigener Anschauung zu studieren. Dieser Mann äußerte sich zwei Mal über Kapodistrias, zuerst 1834 in einer Besprechung207 des De l' Etat: Er bezeichnete Thierschs Werk als das vorzüglichste, das über das neuere Griechenland erschienen ist. Er berichtet darüber und fährt dann fort, zwei sind die Hauptverdienste dieses Buches: Das eine ist Historisches, nämlich die Epoche des Kapodistrias richtig und erschöpfend hingezeichnet zu haben, das andere ein Politisches, nämlich die richtigen Mittel nachgewiesen zu haben, mit welchen der junge Staat erstarken und wachsen könne. Man muss dem Verfasser für den Mut Dank erweisen, mit starker Hand das Idol der falschen Philanthropie entschleiert zu haben. Graf Johann, wie ein Engel des Friedens in Griechenland empfangen, verband sich mit allen Sünden des weniger durch Tyrannei als durch völlige Verwahrlosung entarteten Volkes, um das große und heilige Kapital des allgemeinen Vertrauens und der ihm durch die Europäischen Kabinette gegebenen Macht zu missbrauchen. Prokesch nimmt wie Thiersch an, dass Kapodistrias Herr von Griechenland werden wollte, tadelt dieses Bestreben nicht, wohl aber die Mittel, mit denen jener es zu erreichen suchte, das Lug- und Trugsystem, dessen einzelne Züge mit denen von Thiersch geschilderten übereinstimmen. Günstiger lautet Prokeschs Urteil über den Präsidenten und in seinem Hauptwerk: „Geschichte des Abfalls der Griechen vom türkischen Reich im Jahr 1821“208, das er von 1834-1838 ausarbeitete, aber erst 1867 veröffentlichen konnte. Er charakterisierte ihn als einen Mann von höflichen Eigenschaften und großen Schwächen; Sein Charakter war stark, seine Erfahrungen sehr unfertig, sein Wissen zu gering und seine Befähigung nicht über das Maß des Erkannten. Besonders betont Prokesch Kapodistrias’ Vaterlandsliebe, seine Frömmigkeit im höheren Sinn, seine Fähigkeit, mit anderen zu fühlen, sowie seine Bedürfnislosigkeit. Als Hauptgrund seines Versagens bezeichnet er: „Er konnte sich der beschränkten Ideen der minderen europäischen Gestaltung nicht entäußern. Er nahm seine Regeln von außen, nicht aus dem Griechischen, und insofern war er seiner Aufgabe nicht gewachsen“. Der zweite Mann, der die griechischen Verhältnisse bis zum Erscheinen des Königs Otto genau beobachten konnte, war Henry Headley Parish, dem Residenten Dawkins in Nauplia beigegeben, als englischer Legationssekretär; aufgrund seiner Beobachtungen veröffentlichte er das Werk: „The diplomatic history of the monarchy of Greece from the year 1830“.209 Er fasst sein Urteil über Thierschs Werk in den Worten zusammen: “The work of Mr. Thiersch is one of the most remarkable of the times. It preserves a record, which would otherwise have been lost, of that most interesting and dramatic period from the 207 Württembergische Zeitung 1834, Nr. 109, 8. Mai, vergl. Thiersch, Apologie, S. 73. 208 Vgl. Bd. 2, Stuttgart 1867, S. 461-463. 209 London 1838; vgl. Thiersch Apologie S. 77.

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conclusion of the rule of Kapodistrias to the arrival of king Otto and which every diplomatic and official means were employed to disguise and to falsify.“ George Finlay, der schottische Historiker schreibt seine „History of the Greek Revolution“210 vom Standpunkt des überlegenen Demokraten; daher kritisiert er scharf die absolutistischen Neigungen von Kapodistrias, seine Verständnislosigkeit gegenüber der griechischen Gemeindeverfassung: „To the regime of law he had a passionate antipathy (…) Sometimes he spoke of the law as a kind of personal enemy to his dictatorship (…) Unfortunately, Kapodistrias was not a diplomatist and not a statesman“. Nicht weniger ablehnend lautet das Urteil über die militärische Unfähigkeit des Grafen. „In military affairs Kapodistrias utterly ignorant.” Finlay schließt seine Erörterungen: “His talents, his eloquent state papers and his private virtues receive their merited praise; but with all his sophistry, his cunning insinuations and false pretences, they proved insufficient to conceal the wrongs, which his vicious system of administration inflicted on Greece.” Es erweist sich nach seiner Auffassung, dass Thiersch von Diplomatie ebenso wenig verstand wie von Politik. „He is the perfect Wagner, the famoulus in politics.“211 Grundlage dieser Auffassung ist vor allem die direkt ausgesprochene Meinung des Gelehrten, die Aufrechterhaltung der Ordnung wäre möglich, wenn hunderttausend Taler zur Verfügung stünden und in Übereinstimmung mit den Deputierten der Nationalversammlung und anderen einflussreichen Männern die Leitung an Geschäften übernommen würde. „Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet, der immerfort an schalem Zeuge klebt, mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt, und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!“ Hätte der würdige Professor sich an die Spitze gestellt, so hätte er aller Wahrscheinlichkeit nach das Kommen des Königs Otto unmöglich gemacht. Warum verschweigt Finlay Thierschs ausdrückliche Erklärung, er könne erfolgreich die Intrigen der Gegner einer festen Regierung nur dann bekämpfen, wenn er von König Ludwig besonders autorisiert werde? Die Kritik an Thiersch verbindet sich mit der Kritik an Kolletis212: Er behauptet nämlich, dieser hätte nach seinem Einzug in Nauplia am 10. April die Nation, das Militär, den Senat und die drei Schutzmächte zu seinen Füßen. „Unfortunately for the Greece with all his talents with an integrant he had neither the use of a statesman, nor the principles of a patriot“. Verwundert fragt man sich, was erwartete Finlay von Kolletis? Die Antwort liegt in dem Satz: Aufgestiegen zur Höhe eines Cromwell oder Washington, war er völlig unfähig zur tatkräftigen Entscheidung, völlig unfähig, der Sache der Verfassung oder den Interessen der rumeliotischen Truppen zu dienen. Colletis tat in Nauplia, was ein besonnener, die tatsächliche Lage berücksichtigender Staatsmann und Patriot tun musste; die Schutzmächte hatten König Otto gewählt, sie forderten die Einsetzung 210 London 1861. 211 Finlay, History Gr. II, S. 274. 212 Finlay BR. II S. 263.

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einer gemischten Regierung; eine völlige Beseitigung der Capodistrianischen Partei war weder möglich noch ratsam; denn sie widersprach dem letzten Beschluss der Londoner Konferenz. Die Darstellung der Ereignisse zu den schicksalsschweren Tagen des April 1832 durch Finlay ist einseitig; aber er sollte besser unterrichtet sein als Thiersch, der in Stunden höchster Not das Darlehen für Kolletis und seine Palikaren machte213. Die deutsche wissenschaftliche Geschichtsliteratur hat sich eingehend mit Kapodistrias und dem griechischen Befreiungskampf beschäftigt und auch zu Thierschs Wirken und Werk durch De l’Etat Stellung genommen. Sehr vorsichtig äußert sich Schlosser in einer eingehenden Besprechung über Willkür, Gewaltsamkeit; über Verletzung der loyalen Ordnung klagten alle Griechen, die Schlosser befragt hat; hier erscheint aber der Präsident als Tyrann, als Treuloser, als Wortbrüchiger, als Mörder und Mordstifter. Wir finden die schauderhafte Schilderung allerdings etwas übertrieben: „Wir würden Zweifel dreinsetzen, wenn nicht die einzelnen Tatsachen angeführt wären.“214 Die ganze Darstellung erscheint hier zu günstig für die Griechen. Klüber215 hebt den guten Willen, die reine Gesinnung des Grafen hervor, betont aber zugleich die mangelnde praktische und wissenschaftliche Vorbildung, das allzu große Selbstvertrauen auf die eigene Kraft, die übertriebene Hinneigung zu absolutistischen Regierungsmethoden. Am nachteiligsten für die Beurteilung von Thierschs Auftreten in Griechenland wirkten die Veröffentlichungen Mendelssohn-Bartholdys, eines Schülers des Gervinus. Schon in dem Vorwort zu seiner Biographie: Graf Johann Kapodistrias216 schreibt er über das Werk „De l' Etat: „Das Werk von Thiersch beruht zwar auf dem Augenschein des Verfassers, muss aber mit großer Vorsicht aufgenommen werden. Die schlauen Hellenen machten sich, sobald sie die Abneigung des Ankömmlings gegen Kapodistrias erkannt hatten, ein Vergnügen daraus dem wohlmeinenden, aber arglosen deutschen Gelehrten eine Menge reizender Anekdoten mitzuteilen, die „ĬȪȡıȚȠȢ“ unschuldig genug war, in seine Darstellung einzuflechten.“ Was hier mehr andeutungsweise erwähnt ist, findet eingehendere Darstellung in dem Hauptwerk: Geschichte Griechenlands.217 Ohne Zweifel steht der Historiker bei der Schilderung der Vermittlungstätigkeit des Philhellenen allzu stark unter dem Einfluss der Pamphletliteratur; denn er stellt die Vorgänge in Perachora und Megara so dar, als ob der kluge Kolettis mit dem leichtgläubigen Gelehrten nur Theater gespielt habe; daher gebraucht Mendelssohn Bartholdy Ausdrücke wie klugberechnete Reden Kolettis, „das Lied, womit er ihn gekürt hatte“, „Eisen schmieden“, loyales „Gewand der Opposition“; Thierschs Anerbieten zu vermitteln, wird „übergefällig“ genannt. In213 Heinrich Thiersch Biography II, S. 174. 214 Heidelberger Jahrbücher, R. 14, 1834, S. 213 215 Johann Ludwig Klüber, Pragmatische Geschichte der nationalen und politischen Wiedergeburt Griechenlands, Frankfurt 1835, S. 444 ff. 216 Berlin 1864. 217 Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. II, 1874, S. 356 ff.

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folge dieser falschen Gesamteinstellung begegnen Mendelssohn unbegreifliche Fehler in der Auslegung wichtiger Briefe; so nennt er Thierschs Schreiben an die Residenten, worin er das Fehlschlagen seiner Sendung meldet, „vergnügt“ und „beruhigt“; tadelt ferner seinen „Übereifer“, der ihm eine derbe Abfertigung zuzog; aber er muss doch zugeben, dass der Erfolg der Partei Recht gab, auf die sich Thiersch geschlagen hatte. Schief ist auch die Schilderung der Vorgänge an den Toren Nauplias. Mende1ssohn beurteilt eben das Verhältnis zwischen Kolettis und 'Thiersch völlig falsch. Kolettis Brief218 an Thiersch (27. März) 1832 ist undenkbar, wenn man mit Mendelssohn ein „Theaterspielen“ annimmt. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn man einen zweiten219 vom 28. März 1833 zum Vergleich heranzieht. Thiersch ist in München und hält sich aus Takt zurück, um der Regentschaft keine Schwierigkeiten zu machen. Da beklagt Kolettis, dass „dichte Wolken eines politischen Einflusses sich zwischen sie gelagert haben.“ Er erinnert den Freund an ihr erstes Zusammentreffen in Nauplia. „Unsere Ansichten, unsere Bestrebungen, unsere Wünsche stimmten überein. In Perachora, in Megara hörten wir beide zuerst aus dem Munde hellenischer Scharen den Ruf für ihren König und nahmen zuerst wahr den freien Willen der Nation. Erinnerst Du Dich, mein Geliebter, mit welchem Enthusiasmus damals auch wir erfüllt waren?“ Wie reimt sich mit Mendelssohns Auffassung die scharfe Ablehnung, die Graf Pücklers Verleumdungen durch Kolettis erfuhren? Christides hatte ja gerade das behauptet, was Mendelssohn in seine Geschichte aufnimmt. Es wirkt fast wie Hohn, wenn man das zusammenfassende Urteil220 in der Geschichte Griechenlands liest: „Mag immerhin eine gelinde Selbsttäuschung mit untergelaufen sein, so resümieren wir doch getrost dahin, dass die ehrliche, treuherzige und wahrhaft griechenfreundliche Gesinnung von Thiersch etwaige Irrtümer und Versehen ausgleicht und dass sein versöhnliches Wirken ihm einen schönen Olivenkranz im Andenken des griechischen Volkes sichert.“ Weit richtiger schildern Hertzberg221 und Stern222 Thierschs Tätigkeit. Mendelssohn-Bartholdys Werke enthalten eine eingehende Schilderung des Charakters und der Leistungen Capodistrias. In der Biographie223 bezeichnet Mendelssohn als die stärkste Triebfeder seiner Handlungen, „selbstsüchtiger Ehrgeiz“ „trotz des äußeren Scheines von demütigem Gottvertrauen und rührender Bescheidenheit2, dem schwächlichen Egoismus fehlte die Kraft; seine Präsidentenschaft zu einer immerwährenden zu machen. Vielgeschäftigkeit, persönliche Liebenswürdigkeit, einfache Lebensart, diplomatische Gewandtheit vermochten nicht die großen Schwächen auszugleichen: wie mangelndes Verständnis für die konstitutionellen Forderungen der Zeit und die Bedürfnisse der 218 219 220 221 222 223

Friedrich Thiersch, Apologie, S. 45. Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 407 ff. Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. II, S. 378. Geschichte Griechenlands, 1879, Bd. IV, S. 562 ff. Stern, Geschichte Europas, Bd. IV, S. 471 ff. S. 370 ff.

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griechischen Nation, Doppelzüngigkeit, Selbsteinschätzung, Eigensinn gegenüber gutem Rat. In der „Geschichte Griechenlands“224 erscheint das Bild Kapodistrias im Wesentlichen mit den gleichen Zügen gezeichnet. Beide Werke225 kommen wie Thiersch zu einer scharfen Verurteilung des Systems des Grafen. Vergleicht man die Ergebnisse der modernen Geschichtsforschung mit Thierschs Schilderung der Persönlichkeit Kapodistrias und seines Wirkens, so ergibt sich, dass weder Heinrich Thierschs günstige Beurteilung226 noch Mendelssohn-Bartholdys geringschätziges Urteil über den leichtgläubigen Gelehrten dem wahren Wert des De l'Etat gerecht werden. Zweifellos ist der Hauptgedanke der Ausführungen von Thiersch, Kapodistrias gewaltsames System beruhe und erkläre sich aus dem Bestreben des Grafen, die Herrschaft für sich und seine Familie zu behaupten falsch. An Lord Palmerston schickte Kapodistrias, als die Opposition immer drohender wurde, einen ausführlichen Bericht, seine letzte Verteidigung, an deren Richtigkeit auch Prokesch227 nicht zu zweifeln wagt: „Mein Glaubensbekenntnis ist Ihnen bekannt, Mylord. Bevor ich die einstweilige Regierung in Griechenland übernehme, erkläre ich den Mächten (...), dass, um Griechenland zu einem unabhängigen Staat zu machen, man ihm einen Souverän geben müsste und dass ich mich für glücklich achten würde, diesem den Weg zur Verwirklichung dieser heilsamen Lösung zu bereiten. Die Ereignisse und meine eigene Erfahrung haben womöglich meine damalige Überzeugung noch völliger gemacht. Ich habe also in Griechenland weder für mich noch für die Meinigen gearbeitet und meine Verwaltungsweise sowie meine Ansichten sind unabhängig von persönlichem Vorteil. (...) Wie die Sachen in und außerhalb Griechenlands stehen, müsste ich mir und muss ich mir auf das Dringendste eine baldige Entscheidung über die große Frage erbitten, wie es mit der Regierung dieses Landes zu halten sei. Die mir liebste Entscheidung wird aber die sein, die mich eine Stunde früher der schweren Last, die ich zu tragen habe, enthebt.“ Prokesch fügt bei: „Dieser Brief sprach seine ganze Meinung aus.“ In dem Thiersch, gestützt auf seine Beobachtungen und Nachforschungen, seine Grundansicht über Kapodistrias für die richtige hielt, ein sehr begreiflicher Irrtum, dem auch Männer wie Gervinus und Mendelssohn in ihren geschichtlichen Darstellungen nicht ganz entgingen, beurteilte er naturgemäß die Persönlichkeit des Präsidenten und viele seiner Schritte nicht immer gerecht. Doch stimmt seine Charakteristik des Grafen mit den Ergebnissen der neueren Forschung in wesentlichen Punkten überein. Stern228 einer der besonnensten 224 225 226 227

Bd. II, S. 283 ff. Biographie, S. 81 Ff. Geschichte Griechenlands, B. II, S. 1-261. Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 23 Prokesch, Geschichte des Abfalls der Griechen, Bd. II, S. 449 ff. s. a. Stern, Geschichte Griechenlands, Bd. III, S. 220. 228 Geschichte Europas, Bd. III, S. 202-203.

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modernen Historiker, hebt in seiner zusammenfassenden Besprechung hervor: „Was ihm fehlte (Kapodistrias), war die genaue Kenntnis irgendeines Gegenstandes der inneren Regierung. Auch lag ihm das Verständnis des Militärischen durchaus fern. Da er sich aber für fähig hielt, jedes Feld zu beherrschen, musste er früher oder später der Versuchung dilettantischer Vielgeschäftigkeit erliegen.“ Hertzbergs229 Urteil stimmt damit vollkommen überein und bestätigt Thierschs Auffassung. Besonders betont er „die Überspannung des persönlichen Regiments“, „die ungeheuere Vielgeschäftigkeit – um so bedenklicher, weil er (…) für keinen Zweig der Verwaltung eigentlich fachmäßig ausgebildet war.“ Mendelssohn-Bartholdy230 endlich berührt auch den von Thiersch hervorgehobenen Gegensatz zwischen der „anspruchsvollen, ruhelosen, an Widersprüchen reichen Nation, ihrer, von den Vorfahren ererbten geistigen Regsamkeit“ und dem „Diplomaten, der die russische Schule durchgemacht hatte.“ Die Gewaltmaßregeln, durch die Kapodistrias seine Regierung aufrecht zu erhalten suchte, sind ebenso richtig wie deren Folgen wiedergegeben. Die düstere Färbung des Berichtes erklärt sich aus den tiefen Eindrücken, die Thiersch an Ort und Stelle empfing. Der Wert des 1. Teiles des De l’Etat beruht darin, dass ein Mann zu uns spricht, der zum großen Teil ein Augenzeuge jener ungeheuer verwickelten Ereignisse war, der auf einen so gewiegten Menschenkenner wie Kapodistrias solchen Eindruck machte, dass er äußerte: „Ce professeur est plus fin que je ne croyais.“ Eine Fülle interessanter Aufschlüsse bringt das Werk über die Stellungnahme der Diplomaten der Großmächte in Nauplia, über das Ringen des russischen, englischen und französischen Residenten um Einfluss, über die Entstehung der Partei der Syntagmatiker und den Kongress von Pronoia; treffende Charakteristiken über führende Männer wie Kolettis, eine vernichtende Kritik über Augustin, den Bruder Capodistrias, schließen sich an. Die Beurteilung der a1lgemeinen Lage, wie er sie in dem Memoire vom 1. Mai gibt, fand die volle Anerkennung des Diplomaten Stratford Canning. Seine Bedenken wegen des Nationalkongresses wurden durch den Gang der Ereignisse vollauf bestätigt. Eine Reihe wertvoller Aktenstücke unterstützt die Darstellung. Trotz aller Mängel, die dem historischen Teil des Etat anhaften mögen, ist er doch ein Werk eines scharf beobachtenden, energisch handelnden, selbstbewussten und für eine große Aufgabe begeisterten Mannes, der an die Veredelung des griechischen Volkes unerschütterlich glaubt. Da er aus allen Beobachtungen an Ort und Stelle sich in dieser Überzeugung trotz der scheinbar trostlosen inneren Lage Griechenlands bestärkt hat, so unternimmt er es im zweiten Teil des I. Bandes sowie im zweiten Teil zu zeigen, wie ein ganzes Volk zu neuem Leben und neuer Blüte geführt werden kann. Er durfte an eine so gewaltige Aufgabe herantreten, denn nur sehr wenige waren so innig wie er mit der Geschichte Griechenlands, seiner Sprache, seinen Sitten, Bedürfnissen und Verhältnissen vertraut. Auf seinen Reisen hatte er das ganze 229 Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 470 ff. 230 Geschichte Griechenlands, Bd. II, S. 283 ff.

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Land durchstreift, war mit allen Klassen der Bevölkerung in Verbindung getreten und hatte die bedeutendsten Männer aller Parteien persönlich kennen gelernt. Wie glücklich er diese Aufgabe löste, beweisen die anerkennenden Worte eines der größten damals lebenden Neuhumanisten, Wilhelms von Humboldt:231 „Ich habe in der Tat bewundert, wie es Ew. Wohlgeboren gelungen ist, sich durch eine verhältnismäßig immer nicht lange Reise einen so vollständigen und zusammenhängenden Begriff von einem in so viele kleine Parteien, die alle einzeln erwogen werden wollen, geteilten Lande zu machen. Es ist Ihnen aber nicht bloß dies, sondern auch die glückliche Darstellung eines so verwickelten Ganzen in einem dem Verstande übersehbaren und für die Phantasie anschaulichen Gemälde gelungen (...) Es ist nur sehr wenigen Schriftstellern so wie Ihnen gelungen, so viele Gesichtspunkte vereinigen zu können, und wer das alte Griechenland und die Volkstümlichkeit seiner verschiedenen Stämme so genau kennt als Sie, muss auf eine anziehende Weise zu zeigen imstande sein, welche Fäden den Charakter der jetzigen Nation sich mit der alten verbinden. Denn im Ganzen stellt man sich die Griechen bei uns immer mehr überhaupt als Orientalen als auf eine ihnen eigentümliche Art vor.“ Thierschs Buch ruht auf der Grundanschauung, dass sich in der Bevölkerung des neuen Griechenlandes trotz aller Beimischungen fremden Blutes im Lauf der Jahrhunderte ein Kern der alten erhalten habe, wodurch allein die Übereinstimmung des Geistes, des Charakters, der Sitten und sozialen Verhältnisse des alten und des neuen Griechenland erklärt werden könne; dem griechischen Stoff sei durch Vereinigung mit den albanesischen Stämmen, die im Peloponnes und Attika, auf Hydra und Spezia saßen, ein neues Element der Kraft zugeführt worden. Diese Überzeugung fand für den Peloponnes eine sehr interessante Bestätigung, als Thiersch auf seiner Reise nach Sparta in Brast Gelegenheit hatte, den Dialekt der Zakonen zu studieren; in einer eingehenden sprachlichen Untersuchung232 führte er den Nachweis, dass die „Bewohner, geschützt durch die Abgeschlossenheit ihres Landes und ihrer Sitten gegen die Überwältigung durch fremde Art und verteidigt durch die unzugänglichen Pässe ihres Hochgebirges gegen Vernichtung durch Eroberer die Reste eines Urvolkes erhalten haben.“ Mit sichtlicher Genugtuung führt er aus: „Der Schluss von der Erhaltung einer originellen hochaltertümlichen Sprache auf die Erhaltung des Volkes, in dessen Mund sie zu uns gekommen ist, scheint ganz und gar sicher und nicht abzuweisen, mit Erlaubnis derjenigen sei es gesagt, welche auch im Peloponnes keinen echten griechischen Blutstropfen mehr anerkennen und unter diesen meines würdigen und hochgeachteten Freundes Dr. Fallmerayer im Fall er noch dieser Meinung sein sollte.“ Der Verfechter der Slawenhypothese ließ sich freilich von seinem gelehrten Gegner nicht überzeugen. In seinen Schriften und Tagebüchern wird er nicht müde gegen den „bekannten Eiferer für ungeschwächtes, 231 Wilhelm von Humboldt an Thiersch, 18.II. 1834 in: Biographie, Bd. II, S. 418. 232 Friedrich Thiersch, Über die Sprache der Zakonen. Abhandlung der Akademie der Wissenschaften, 1835, S. 511 ff, bes. S. 574.

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heute in Idee, Kunst und Sprache nicht weniger lebendig als vor Troja gärendes Hellenentum“233 zu Feld zu ziehen. 1842 (Mittw. 26. Okt.) heißt es: „gute Laune, weil der Athosartikel in integro cum magna omnium lande primoloco im Feuilleton der A. Ztg. steht und viel zu reden gibt; (...) das Dasein genossen: Thierschs Ruin ausgedacht mit einer langen Reihe von Artikeln über den Orient.“ Am 15. Juli 1843: „... Ruin Griechenlands mein Triumph; man gratuliert meiner Klugheit und prophezeit incremende rerum mearum.“ In seinem 1847 veröffentlichten Werk „Geschichte der Halbinsel Morea“ führt er aus, dass die slavische Einwanderung zwischen dem 6. - 14. Jhdt. den griechischen Stamm der Bevölkerung vernichtete und die jetzigen Bewohner Slaven seien. In einem Vortrag bezeichnete er „Otto von Griechenland als den Bildner eines Volkes, welches den Platz der alten physisch und moralisch verkümmerten und abgenützten Kinder Deukalions eingenommen hat.“234 Viele moderne Forscher, Historiker und Ethnographen wie Friedrich Müller in seiner allgemeinen Ethnographie und Edmond About teilen Thierschs Auffassung.235 Leopold von Ranke236 schreibt in seiner Digression über die Neugriechen im l6. Jhdt.: „ (...) Die Macht der Priester (...) ist die Rettung der Nationalität zuzuschreiben. Unter ihrem Schutz haben die Griechen den Türkenhass und die eigentümliche Natur bewahrt und ausgebildet, die ihnen jetzt zu statten kommen.“ Stern237 urteilt zusammenfassend: „Trotz starker Mischung mit fremden Bestandteilen hatte es (das griechische Volk) sich durch die Stürme der Zeit gerettet und seine überlegene Kraft der Aufsaugung glänzend bewährt. Nur wer sich verblendete und verblenden ließ, konnte wähnen, es sei durch slavische oder albanesische Überflutung völlig ertränkt worden. Es strahlte vielmehr dem Wanderer in den Bergschluchten des Parnaß und Helikon, auf den Felspfaden von Naxos und Paros häufig in Gestalten entgegen, die des Meißels eines Phidias und Praxiteles würdig gewesen wären. Es klang aus den Lauten jener verwilderten neuhellenischen Mundart, die Tausenden von den Lippen floss und in manchem Kampf und Liebeslied das tiefste Hoffen und Sehnen der Volksseele aussprach. Auch in allen den festgehaltenen Bräuchen, die den ganzen Kreis des Lebens von der Wiege bis zum Grabe begleiteten, spiegelte sich die Erinnerung an uraltes Sinnbild und Zeremoniell (...)“ “Nicht minder deutlich waren gewisse Grundzüge des althellenischen Volkscharakters in der breiten Masse der geweckten Neugriechen wieder zu erkennen.“ Eine geradezu vernichtende Abrechnung mit Fallmerayers Slaventheorie findet sich bei Mendelssohn-

233 Philip Fallmerayer, Schriften und Tagebücher, Bd. 2, S. 144. 234 Regiert König Otto über Griechen oder Slaven? In a. o. B. der Allg. Ztg. Nr. 432 und 433, 28. Okt. 1837, Nr. 474 und 475, 22. November. 235 Lewis Sergeant, Greece in the nineteenth Century, London 1897, S. 7 ff. 236 Leopold von Ranke, Fürsten und Völker von Südeuropa im 16. und 17. Jhd., Bd. I, 1837, S. 30. 237 Geschichte Europas, Bd. II, S. 186.

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Bartholdy,238 der von „Don Quixote'schen Niederlagen“ des Fragmentisten spricht. Das Schicksal, das dieser Thiersch bereiten wollte, traf ihn selbst. Auf festem Grunde errichtet also Thiersch den Neubau des hellenischen Volkes. Zunächst galt es für die umfangreichen Untersuchungen den rechten Standpunkt zu gewinnen. Die Anschauungen der Romantiker teilend erkennt Thiersch mit sicherem Blick: „Griechenland ist ein Land, das mehr wie jedes andere seinen Genius und seinen eigenen Charakter hat, das in seinen Sitten und Einrichtungen keinem Teil Europas gleicht.“239 Daraus ergibt sich für ihn als oberster Grundsatz, der bei allen Vorschlägen streng festgehalten wird, mag es sich um eine Reform des Militärwesens oder das große Problem der griechischen Kirche handeln: „Wir sind weit entfernt von dem Gedanken in Griechenland Einrichtungen einführen zu wollen, die weder mit seinen Sitten übereinstimmen noch seinen Bedürfnissen entsprechen; wir wollen vielmehr überall das aufsuchen, was die vergangenen Zeiten der Revolution überliefert haben und nachweisen, wie man es von Schutt freimachen und den Bedürfnissen der Zeit und der gegenwärtigen Lage anpassen kann.“240 Nachdem Thiersch den einzig richtigen Standpunkt gewonnen hat, stellt er sich die doppelte Aufgabe zu zeigen, durch welche Maßregeln für den Augenblick die Ordnung wieder hergestellt werden kann und welche Reformen eine dauernde Erneuerung und zukunftskräftige Entwicklung Griechenlands gewährleisten. Beide müssen von den natürlichen Voraussetzungen ausgehen; bei der gewaltigen Fülle der berührten Fragen ist es notwendig hier nur die Hauptgedanken herauszugreifen. Eingehend behandelt Thiersch die Bodenschätze241 und fordert ihre Erschließung; dann geht er den Gründen nach, die zur Vernichtung eines großen Teiles der Wälder führten und macht Vorschläge zur Durchführung einer gesunden Forstwirtschaft. Interessante Untersuchungen über die Gründe der verschiedenartigen Fruchtbarkeit des Bodens, je nach seiner Lage in der Nähe von Kalk oder Schiefer und Tonbergen wechseln mit solchen über die natürliche und künstliche Bewässerung Griechenlands; anziehend wird der Einfluss der Natur des Landes auf das Klima und die Rückwirkung desselben auf die Bodenprodukte und den Charakter der Bewohner geschildert. Eigenartig anschaulich sind die auf genauester Personalkenntnis berührenden Schilderungen der griechischen Bevölkerung.242 „Hier zeigt“, wie Schlosser 243 mit Recht hervorhebt, „Thiersch seine Überlegenheit über alle, die bisher über Griechenland geschrieben, die Kenntnis jedes Winkels vom Lande und jeder Farbe des Charakters seiner Bewohner.“ Er verfolgt aufmerksam die Unterschiede zwischen den Stämmen der Inseln und des 238 239 240 241 242 243

Geschichte Griechenlands, Bd. I, S. 34 ff. De l’Etat, Bd. II, Vorwort, S. VI. De l’Etat, Bd. I, S. 195. De l’Etat, 7. Abtlg., Bd. I, 2. Teil, S. 274-292. De l’Etat, 3., 4., 6. Abtlg., Bd. I, S. 217-230. Heidelberger Jahrbücher 1934, Bd. I, S. 219.

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Festlandes und forscht nach den Gründen; die zahlreichen Laster der gegenwärtigen Generation entgehen ihn nicht; aber er sieht mehr Verwilderung infolge lange andauernder Fremdherrschaft als Verdorbenheit und kommt zu dem Schluss: „Mag man sagen, was man will, es gibt noch in Griechenland Vaterlandsliebe, Rechtlichkeit verbunden mit Fähigkeit (...); die gute Naturanlage der Griechen ist unzerstörbar, wie die griechische Sonne und der griechische Boden.“244 Das bemerkenswerteste derselben ist seine durch nichts zu vernichtende Heiterkeit, wie sie in Erscheinung tritt in ihren Festen, in der Liebe zum Gesang, Tanz und öffentlichen Spielen, im Ertragen von Missgeschick ebenso wie in der Bereitwilligkeit aus niederdrückenden Lage sich wieder zu erheben.245 Thiersch künstlerisch geschultem Auge entging auch nicht die auffallende Schönheit der Körperbildung, namentlich in den Bergtälern des Festlandes in den Familien der Kapitäne und Primaten, verschieden in den verschiedenen Altersstufen. „Es ist etwas von antiken Formen im Körperbau und den feurigen Zügen geblieben, die diese stolzen Gestalten beleben.“ Der Schilderung der Bevölkerung folgt eine interessante Darstellung des primitiven Zustandes der damaligen griechischen Landwirtschaft;246 nach hesiodischer Art wurde noch gepflügt und gedroschen, nur der beste Boden ausgenützt; der Oliven-, Obst- und Seidenbau war vernachlässigt, der Gemüse- und Weinbau allein gepflegt. Zahllose Herden unter verwilderten Hirten beschädigten Felder und Wälder. Der furchtbare Bürgerkrieg und die Zerstörung der Dörfer hatten die Not noch gesteigert. Das Leben spielte sich in den einfachsten Formen ab. In klarer Erkenntnis, wie wichtig die äußere und innere Politik Griechenlands für die Wiederaufrichtung des griechischen Staates ist, widmet Thiersch mehrere Abschnitte247 den damit zusammenhängenden Problemen. Nach seiner Ansicht bestimmen zwei Tatsachen Griechenlands äußere Politik. Es verdankt seine Rettung der Intervention der drei Großmächte England, Russland und Frankreich; seine Zukunft beruht zum großen Teil auf seinem Handel und seiner Marine und hängt daher von den drei seehandeltreibenden Großmächten ab. Daher muss es stets während des Friedens darauf hinarbeiten für den Fall eines europäischen Krieges neutral zu bleiben, indem es sich nie einseitig an eine der drei Mächte anschließt. Noch sind seine Grenzen zu eng gezogen, als dass seine Unabhängigkeit als gesichert gelten könnte; das wäre erst der Fall, wenn die jonischen Inseln, Kreta, Thessalien und Epirus einbezogen würden. Erst dann wäre es auch imstande, sich auf die Bestimmung vorzubereiten, die ihm die Vorsehung zuzuweisen scheint. Hier begegnen wir einen Gedanken, den Thiersch schon früher ausgesprochen hat; er glaubt aus bestimmten Anzeichen 244 245 246 247

De l’Etat I. 2, S. 233. Ebenda, S. 292 u. S. 289. De l’Etat I, 2, 8. Abschnitt, S. 293 ff. De l’Etat I, 2 1. u. 2. Abt., S. 196-211, S. 212-216, di 5. Abt. S. 236-264 wird in einem anderen Zusammenhang besprochen.

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schließen zu dürfen, dass alle Wünsche der Griechen sich auf ein Ziel richten: Konstantinopel soll wieder die Hauptstadt werden und das griechische Kreuz auf der Sophienkirche sich erheben; er hält ein derartiges Hinausgreifen Griechenlands im Interesse Europas für gut, vorausgesetzt, dass es ein zivilisierter Staat werde, weil dadurch allein das gefährliche Vordringen Russlands nach dem Bosporus gehindert werde. Augenblicklich freilich wäre eine Schwächung der Türkei für Griechenland gefährlich; denn Mehemed Ali und Russland wären die lachenden Erben; es muss daher mit dem Sultan und mit Österreich, seinen natürlichen Verbündeten, in Verbindung treten. Dass selbst ein Mann wie Metternich geneigt war, Griechenland für die Zukunft eine bedeutsame Perspektive zu eröffnen, zeigt seine Äußerung248 gegenüber Prokesch-Osten im Dezember 1839: „Mein Plan ist gefasst, Konstantinopel darf nur griechisch werden.“ Auf die Frage des Gesandten: „Auch alles Land zwischen Athen und Konstantinopel?“ antwortete der Fürst: „Alles soweit die griechische Sprache die herrschende ist. Athen muss nach Konstantinopel übertragen werden.“ Betreffs der inneren Politik können nach Thierschs Meinung die Großmächte nur fordern, dass die neue Regierung den revolutionären Geist unterdrücke und Garantie für eine gesetzliche Ordnung gebe, die Aufrichtung einer absolutistischen Regierungsweise erscheint ihm nach den Erfahrungen Kapodistrias unmöglich. Nachdem Thiersch den Charakter des Landes und der Bevölkerung und ihre Bedürfnisse eingehend erörtert hat, behandelt er die auf wirtschaftlichem, geistigem und religiösem Gebiete notwendigen Reformen und zwar zunächst die Vorschläge249 zur Hebung des Standes der Ackerbauern. Neben der Erleichterung der Feldbestellung durch Beschaffung von Sämereien, Pflugstieren und Geräten auf Staatskosten und Gewährung ausreichenden Schutzes erscheint Thiersch mit Recht als wichtigste Maßregel der Regierung die Schaffung eines zahlreichen und leistungsfähigen Standes von Kleinbauern, die im Besitz ihres freien Eigentums gegen jeden Übergriff von Seiten der großen Besitzer geschützt sind und ihre Heimat lieben. Diese Bauernbevölkerung muss die Basis bilden für den Aufbau des sozialen Gebäudes. Zur Erreichung dieses Zieles darf die Regierung auch vor großen Kosten nicht zurückschrecken; sie muss einen Teil der Nationalgüter mit Kleinbauern besiedeln und darf dieselben nicht in großen Losen an reiche Privateigentümer abgeben, zum gleichen Zweck sollen die den Türken auf Euböa abgekauften Länder verwendet werden, damit sie nicht in die Hände von Spekulanten fallen. Für die Bauern, welche die Güter der großen Besitzer bestellen, wird das Recht der Kündigung verlangt, falls zu schwere Forderungen gestellt werden. „Die Zahl der Arme vermehren und sie in Bewegung setzen um die Bodenschätze zu erschließen, bedeutet die physische Bedingung der Existenz der neuen Regierung.“ Die Großgrundbesitzer als geistige Oberschicht sollen vor allem in der Verwaltung Verwendung finden. Auf seinen weiten Reisen hatte Thiersch die großen Überschwemmungsgebiete in 248 Adolf Beer, Die orientalische Politik Österreichs seit 1774, S. 437. 249 De l’Etat, II. Buch, S. 1-16, Abt. 9.

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Arkadien, am Copaissee und in Livadien kennen gelernt und so bringt er umfassende Vorschläge250 zur Hebung der Bodenkultur durch Schaffung von anbaufähigem Kolonisationsland, durch Austrocknung von Sümpfen, Ableitung verstopfter Kanäle, Verbreiterung bestehender Flussläufe, ferner über künstliche Bewässerung trockener Gegenden, die Wiederherstellung von Mühlen und die Anlage artesischer Brunnen. Für alle Zweige der Landwirtschaft schlägt Thiersch der Regierung sorgfältig geprüfte Verbesserungen251 vor; er wünscht Anlegung von Mustergütern und Förderung der gesamten Bodenkultur durch Belohnung guter Leistungen und Herbeiziehung erfahrener Landwirte aus Europa. In der Frage der Kolonisation wird der gesunde Grundsatz vertreten: „Griechenland muss im allgemeinen nur von Griechen bewohnt und bebaut werden.“ Eingehend wird endlich die Notwendigkeit eines sorgfältig gepflegten Straßennetzes auseinandergesetzt und seine Bedeutung für die Erschließung des Inlandes und die Hebung der Bodenkultur dargetan. Dank seiner vorzüglichen Ortskenntnis und der genauen Lektüre des Pausanias kann Thiersch einen umfassenden Plan von Straßen entwerfen, die zum großen Teil den Spuren der antiken folgen. Ein besonders schwieriges Problem war die Frage der Erhebung des Zehnten. Da Thiersch in der bisherigen Art ein Haupthindernis der Blüte des Ackerbaues sieht, so fordert er eine Verpachtung des Zehnten nach Distrikten und Gemeinden an einem Termin, der mit dem Beginn der Ernte zusammenfällt und nach Anlage genauer Verzeichnisse über Besitz und Höhe des Zehnten seine allmähliche Umwandlung in eine Geldsumme. Die Krönung dieses Systems sieht er in der Gründung von Hypotheken und ländlichen Banken, von denen Besitzer und Bauern um mäßigen Zins Geld erhalten und wo sie ihre Ersparnisse vorteilhaft und sicher anlegen können. Der Tiefstand des griechischen Handwerkes252 und die dadurch bedingte starke Abhängigkeit vom Ausland entgehen Thiersch nicht. „Der Grieche muss nicht allein vom Fremden das Drittel Getreide, das er zur Nahrung braucht, kaufen, nicht bloß die erstaunliche Menge von Zucker und Kaffee, die so verschwenderisch in allen Städten gebraucht wird, sondern er muss auch die feinen Tücher, den Kattun, die Seidenstoffe, alles bereitete Leder, das nötige Eisen, selbst Schlösser, Nägel, Messer, Gabeln, Kessel, Gold- und Silbergeschirr, Waffen, Hausrat, Glaswaren und Papier durch Einfuhr erhalten und man begreift kaum, wie nur noch ein Kreuzer Geld in einem Lande übrig bleiben konnte, welches gewissermaßen nur vom Ausland lebt und im Verhältnis zu dem, was es daher bezieht, nur sehr wenig wieder ausführt.“ Gegenüber diesem Notstand hat die Regierung die Aufgabe, die Gewerbefreiheit aufrechtzuerhalten, für Verbesserungen der Maschinen und Werkzeuge zu sorgen, im Lande die Mate250 De l’Etat, Bd. II, 10. Abschnitt, S. 16-43; in der Anmerkung S. 26. setzt sich Thiersch aufgrund genauer Besichtigung des Kephisostales in Attika mit dem gelehrten Herausgeber des Sophocleischen Ödipus auf Kolonus auseinander. 251 De l’Etat, 11. Abschnitt, S. 44-57. 252 De l’Etat, 12. Abschnitt, II. S. 58-71, bes. S. 62.

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rialien, die als Rohstoffe den Gewerben dienen, zu erschließen, andere zollfrei einzuführen, die Zahl der Handwerker durch Heimische und Fremde zu verstärken; zu diesem Zweck müssen für die regulären Truppen tüchtige Handwerker geworben werden. Auch die Errichtung einer Gewerbeschule nach dem Muster der ausgezeichneten Berliner ist wünschenswert. Eine Lebensfrage für Griechenland ist der Handel und die Schifffahrt.253 Um die Grundlagen für seine Reformvorschläge zu schaffen, schildert Thiersch aus genauer Kenntnis zunächst den inneren Handel von Provinz zu Provinz, dann die Organisation desselben auf den Inseln, sowie die Beziehungen der Haupthandelsplätze zum Ausland von den Küsten des Schwarzen Meeres bis nach Amerika. Der Handel im Inneren hängt mit den Reformen zur Hebung der Bodenkultur aufs innigste zusammen. Außerdem verlangt Thiersch unter Hinweis auf Capodistrias Regierung Freiheit des Handels und Gleichheit der Handeltreibenden. Es folgen Vorschläge über die Organisation der Kaufleute, Bau von Molen, Anlage von Magazinen, Warnung vor zu strengen Quarantänevorschriften. Interessant sind besonders auch die Ausführungen über die Ausbildung der jungen Kaufleute. Thiersch erkennt an, wie wichtig für die die praktische Ausbildung im Komptoir und Magazin, und spricht den Satz aus: „Nur der deutschen Pedanterie allein sei es vorbehalten sich einzubilden man könne durchaus nichts auf eine andere Weise lernen als aus einem Kompendium und durch einen Vortrag vom Katheder.254 Er verlangt also an den Handelsplätzen Einrichtung von Kollegien, in denen Naturgeschichte, Physik, Chemie, Handels- und Materialkunde vorgetragen wird; mit ihnen sollen physikalische und naturgeschichtliche Kabinette und Ausstellungen von Handelsprodukten verbunden werden. Nach englischem Vorbild ist eine Schiffsbauschule zu errichten. Alle Einrichtungen werden durch einen dem Ministerium des Innern unterstehenden Handelsrat zusammengefasst. Für sämtliche Stellen braucht Griechenland Kaufleute, die durch ihren sozialen Rang, durch Charakter und Kenntnisse das öffentliche Vertrauen genießen. „Denn die Handelsleute machen den Handel und sie allein können in blühen machen.“ Daher warnt Thiersch vor der Anstellung von Verwaltungsbeamten. Die vortrefflichen Ausführungen werden beschlossen mit Vorschlägen zum Ausbau von Häfen und der Durchstechung des Isthmus von Korinth. Athen erscheint dem Gelehrten als die beste Hauptstadt. In besonders eingehende Weise behandelt Thiersch das griechische Bildungswesen.255 Fest überzeugt von der Bildungsfähigkeit der Griechen und der Notwendigkeit, die Jugend intellektuell, moralisch, religiös und politisch zu erziehen, entwickelt er seine Ansichten und fordert die Errichtung von Elementarund hellenischen Schulen, Gymnasien, einer Universität und einer Akademie der Wissenschaften; überall knüpft er an das Vorhandene an und sucht den landschaftlichen Eigentümlichkeiten gerecht zu werden. Die Frage der Unter253 De l’Etat, 13. u. 14. Abschnitt II, S. 72-116. 254 De l’Etat II, S. 106. 255 De l’Etat II, 15-18 Abt. S. 117-177.

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haltung der Schulen, der Beschaffung der Lehrmittel wird ebenso eingehend behandelt wie die der Lehrerausbildung und der Lehrpläne. Über der geistigen Ausbildung darf unter keinen Umständen die körperliche vernachlässigt werden. Sehr entschieden weist Thiersch den Vorwurf zurück, als ob das Studieren der antiken Schriftsteller Griechenland zur Republik führen könne. Die Regentschaft256 kam auf diesem bedeutenden Gebiet, das sie für Griechenlands Zukunft als besonders wichtig ansah, über Anfänge nicht hinaus. Die von ihr eingesetzte Kommission erzielte trotz viel monatlicher Arbeiten nach Maurers Urteil „ein nur wenig brauchbares Resultat.“ In dem Gymnasium in Nauplia wirkte wie Gennadios und der Deutsche Dr. Ulrichs, ein Schüler von Thiersch, in aufopfernder Weise. Klenze257 gibt von einem Besuch in dieser Schule folgende Schilderung: „Nichts war interessanter und charakteristischer als die Szene, welche sich hier darstellte. In einem nackten, von Stühlen und Bänken fast entblößten Raum saßen etwa 80 Schüler meist auf dem Boden gekauert und die Worte des Lehrers mit der größten Emsigkeit und Aufmerksamkeit wie zu Homers Zeit auf den Knien nachschreibend. In keiner Schule der Welt möchte man vielleicht mehr und gleichmäßigere Lernbegierde unter allen Schülern von so verschiedenem Stande und Alter finden. Der Arme und Schmutzige, der Reiche und Saubergekleidete, der Rumeliote, Moreote und Insulaner, alle folgten gleichsam den Worten des Lehrers. Ebenso wenig war hierin ein Unterschied zwischen dem Kind von 7-8, dem Jüngling von 15-18 Jahren und mehreren alten Popen mit grauem Haupt zu bemerken, welche hier aus freiem Antrieb den in der Jugend entbehrten Unterricht nachzuholen gekommen waren.“ Roß258 erzählt, wie sein Freund Ulrichs unter den größten Schwierigkeiten Deutsch und Latein zu lehren anfing, da alle Hilfsmittel fehlten. Er lehrte die lateinischen Buchstaben schreiben, ließ die Deklinationen und Konjugationen an die Tafel schreiben und abmalen, bis er nach einem oder zwei Jahren die ersten Handbücher drucken lassen konnte. „Wer die damaligen Zustände nicht mit durchlebt hat, ahnt nicht und kann es nicht ermessen, welche Riesenschritte Griechenland in diesen zwanzig Jahren gemacht hat. Ulrichs aber ist der Gründer lateinischer Studien in Hellas.“ Schon ans diesen beiden Schilderungen geht hervor, dass bei dem völligen Mangel an finanziellen und materiellen Hilfsmitteln ein Aufblühen des Schulwesens trotz aller Verordnungen nur sehr langsam erfolgen konnte. Bei den im Mai 1833 eingesetzten Prüfungskommissionen in Nauplia und Ägina meldete sich niemand. Die hellenische Schule in Nauplia fristete ein kümmerliches Dasein. Im Mai 1834 erschien ein umfangreiches Volksschulgesetz,259 die Gründung eines Schullehrerseminars sollte dem Lehrermangel abhelfen. Ferner war geplant, dass im September die hellenischen Schulen und Gymnasien, im Okto256 257 258 259

Maurer, Das griechische Volk, Bd. II, S. 308 ff. Aphoristische Bemerkungen, S. 170-171. Erinnerungen aus Griechenland VIII, S. 71. Maurer griechisches Volk, S. 316.

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ber die Universität in Athen und am 2. November die Akademie der Wissenschaften ins Leben treten. Die Abberufung Maurers verhinderte jedoch diese Absichten. Maurer nahm die Entwürfe über das höhere Schulwesen mit, weil er fürchtete, „man würde sich mit seinen Federn schmücken oder seinen Namen verunglimpfen.“ Armansperg beauftragte 1836 den Rheinbaiern Kabinetsrat Frey mit dem Entwurf einer Universität.260 Dieser echte Bürokrat wiederholte ziemlich gedankenlos die ihm aus Bayern vertrauten Formen, sie mochten für Griechenland passen oder nicht. Alles war vorgesehen, selbst landsmannschaftliche Verbindungen, Duelle, Relegationen usf. Die Deutschen wie die urteilsfähigen Griechen waren sich über die Unausführbarkeit dieser Arbeit klar und auch der Staatskanzler musste ihnen recht geben. Erst als Professor Brandiß aus Bonn nach Athen gekommen war, wurde Freys Entwurf revidiert, abgeändert, von unnötigen Auswüchsen gesäubert und dann konnte die Otto-Universität ziemlich nach dem Muster der norddeutschen Anstalten am 1. Mai 1837 eröffnet werden. Angesichts solch törichter Missgriffe der Regentschaft begreift man die Ausführungen Klenzes:261 „Wenn Griechenland selbst, wie es allerdings scheint, im ersten Augenblick keinen Mann besaß, der die Aufgabe einen solchen Nationalunterricht zu ordnen lösen konnte, so war durch tiefe Einsicht in diesem Fache, durch Geist, Gelehrsamkeit, Kenntnis des Landes und Popularität in demselben von ganz Europa ein Mann bezeichnet, der dieser Aufgabe völlig gewachsen war, wenn er sich ihr unterzogen hätte. Wer musste hier nicht gleich den trefflichen Thiersch nennen? Aber er ward nicht dazu berufen, weil er vielleicht zu sehr seine echt griechischen „Ansichten über Griechenland ausgesprochen hatte.“ Von außerordentlicher Wichtigkeit war für das junge Königreich die Frage der Einrichtung und der Reform der griechischen Kirche und der Erziehung des Klerus. Wieder schickt Thiersch seinen Vorschlägen eine historische Darstellung262 voraus über die Stellung des Patriarchen und der Synode von Konstantinopel, über das Verhältnis zur russischen Kirche und die inneren Zustände der Kirche infolge der Revolution. Als besonders beachtenswert erscheint ihm die Feststellung, dass man die Kirche als die einzige Macht betrachtet, die die Nation gegen die Auflösung verteidigt hat, als die Basis und Säule der Nationalität, die die Blüte des Landes gewährleistet, eine Überzeugung, wie sie auch Ranke in seiner Digression über die Neugriechen ausspricht. Die Griechen legen den größten Wert auf die Formen und diese dürfen nicht angerührt werden. Die Anhänglichkeit an die Kirche, als deren Oberhaupt der Zar verehrt wird, findet noch eine Steigerung durch die Abneigung gegen die römische Kirche. Aufgrund dieser historischen Prüfung kommt Thiersch zu folgenden Vorschlägen: Da Griechenland seinen hohen Klerus aus den Händen der Synode und des Patriarchen nicht empfangen kann, so muss die Regierung versuchen, durch Ver260 Ludwig Roß, Erinnerungen aus Griechenland, X, S. 101 ff. 261 Aphoristische Bemerkungen, S. 132-133. 262 De l’Etat, Abt. 19 und. 20, II, S. 178-207.

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handlungen mit dem Patriarchen die Einrichtung einer selbständigen Synode zu erlangen, die Griechenlands Kirche nach den Grundsätzen der allgemeinen orthodoxen Kirche leitet; an ihrer Spitze sollte als Primus des Reiches ein Metropolitanerzbischof stehen, dem der Patriarch sein Recht für Griechenland überträgt. Dringend muss man sich hüten, die Kirche des Königreiches von der Mutterkirche zu trennen; denn eine derartige Trennung könnte leicht in ein Schisma ausarten; ein schismatisches Griechenland aber, das einem fremden lateinischen Herrscher unterworfen ist, würde niemals Festigkeit im Innern erlangen. Was tat die Regentschaft?263 Am 4. August 1833 wurde, nachdem sich die zur Untersuchung des Zustandes der griechischen Kirche niedergesetzte Kommission, das Ministerium und sämtliche Prälaten einstimmig dafür ausgesprochen hatten, die Unabhängigkeit der griechischen Kirche erklärt, ein „großer welthistorischer Schritt“, wie Maurer fast triumphierend schreibt (§295), der Epoche machen wird; eigenmächtig riss man die Kirche von dem Patriarchen los unter Missachtung der Ratschläge des bayerischen Gelehrten. Eine permanente vom König berufene heilige Synode sollte die höchste geistliche Gewalt ausüben, die staatliche Gerichtsbarkeit in weltlichen Angelegenheiten sich auf den Klerus erstrecken; die Zahl der Bistümer gedachte man zu mindern, etwa 400 kleine Klöster aufzuheben, um ihre Ländereien zu Gunsten des Schulfonds einzuziehen. Zumal bei der Ausführung aller dieser Maßregeln auch noch Missgriffe vorkamen, blieb die Folge nicht aus. Ein Aufstandsversuch der Capodistrianischen Partei fand lebhafteste Unterstützung; die Griechen beobachteten alle weiteren Schritte der Regierung mit tiefstem Misstrauen, um den russischen Gesandten Katokatzy, der sich diesem Schritte heftig widersetzt hatte, sammelten sich die unzufriedenen Kleriker. In der Masse der Bevölkerung wurde besonders der Bruch mit dem orthodoxen Oberhaupt der Kirche schmerzlich empfunden. Was Thiersch befürchtet hatte, trat ein. Erst 1852 gelang es einen Kompromiss mit dem Patriarchion zu schließen. Die moderne Forschung ist denn auch in der Verurteilung des Schrittes der Regentschaft einig. In der Frage des Glaubensbekenntnisses des Königs Otto vertritt Thiersch den Standpunkt: wenn dem Monarchen Gewissensbedenken den Übertritt verbieten, so müssen seine Nachkommen im orthodoxen Glauben erzogen werden. Weitere Vorschläge gelten der Organisation des Klerus; der Rechtsprechung der Laien und die Wiederherstellung der Klöster. Zuletzt entwickelt er seine Gedanken über den Pfarrerstand, den er als Vermittler zwischen der Masse des Volkes und den hohen Geistlichen sehr schätzt; er fordert seine wirtschaftliche Sicherstellung und vertiefte Ausbildung.

263 Maurer, Das griechische Volk, Bd. II, S. 292 ff.; Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 373 ff.; Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 613; MendelssohnBartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. I, S. X; Stern, Geschichte Europas, Bd. IV, S. 40.

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Neben der Frage der Kirchentrennung war von größter Bedeutung die der Verfassung des neuen Königreiches, der Organisation der Gemeinden und ihrer Einfügung in die Zentralgewalt. Thierschs ausführliche, historische Schilderung264 der Entwicklung der Gemeindeverfassung auf den einzelnen Inseln und dem Festland, verfolgt den Zweck zu zeigen, dass die Griechen nicht die Kinder waren, für die man sie in Europa hielt, unreif für politische Einrichtungen. Nach eingehenden Beratungen mit erfahrenen Männern, an deren Debatten Thiersch teilnahm, hielt er es für das Beste, wenn bei aller Wahrung der Rechte der Regierung auf Ernennung der Vorsteher der Eparchien und Diözesen und ihrer Beamten doch auch dem Verlangen des Volkes die Wahl der Demogeronten vorzunehmen Rechnung getragen wird; zur Beseitigung gewisser Schattenseiten der Gemeindeverfassung empfiehlt sich die Aufstellung von Untersuchungskommissionen für Gemeinden, Diözesen und Eparchien, deren Mitglieder das Volk wählt und deren Rat die Regierung bei Ausführung allgemeiner Maßregeln zu hören verpflichtet ist. Als das schwierigste Problem erscheint Thiersch das Recht des Volkes gegenüber den Rechten der Krone abzugrenzen. Als oberste Kontrollbehörde, die dem Lande seinen Anteil an der Aufstellung und Ausführung der Gesetze sichert, wünscht er einen Senat, der sich aus dem vom König ernannten und vom Volk gewählten Mitgliedern zusammensetzt. Jene haben eine 12-jährige Amtsdauer und sind unabsetzbar, diese führen ihr Amt 6 Jahre und können von der Regierung heimgeschickt werden. Die getrennte Beratung beider Körperschaften sichert der Regierung weitgehenden Einfluss. Mit größtem Nachdruck betont endlich Thiersch (S. 245), wie fehlerhaft es wäre, fremde Einrichtungen in Griechenland einzuführen; das Steuerbewilligungsrecht, das in Europa als ein Hauptmerkmal der konstitutionellen Monarchie gilt, kennt Griechenland nicht; man will wissen, wozu die Staatsgelder angewendet werden, ob Steuererhöhung nötig ist, ob die zu erlassenden Gesetze den Bedürfnissen entsprechen. Griechenland muss sich also fernhalten von den Missbräuchen des Absolutismus und vor den Illusionen des Konstitutionalismus. Ein Rückblick auf die Versuche der Griechen nach der Revolution sich eine Verfassung zu geben, veranlasst Thiersch zu fordern, dass die Regentschaft die Verfassung von Trözene, die durch die Beschlüsse von Argos modifiziert wurde, verbessert. Das Versprechen der Londonerkonferenz, dem Land eine Verfassung zu geben, muss eingelöst werden. Die Regentschaft265 unter Maurers Führung vertrat auch in dieser Lebensfrage Griechenlands einen von Thierschs Anschauungen weit abweichenden Standpunkt. Die Nationalversammlung von Pronoia, die nach der Landung König Ottos eine Deputation sandte und auf Grund eines Schreibens des bayerischen Ministers von Giese vom 21. Juli1832 die vom König von Bayern versprochene Berufung der Nationalversammlung zwecks Abfassung einer Konsti264 De l’Etat II., 22-24 Abschn., S. 213-261. 265 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 374 ff.; Maurer, Das griechische Volk, Bd. II, S. 70 ff.

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tution begehrte, wurde nicht anerkannt. Der Rat, die Versammlung für einige Tage zu berufen, um sich von ihr, wenn auch nur formell, zur Vornahme aller Regierungsmaßregeln autorisieren zu lassen, wurde verschmäht. Ein derartiger Schritt wurde als eine der königlichen Regierung „unwürdige Farce“ angesehen. „Griechenland,“ schreibt Maurer, „hatte jetzt einen König! Es galt nun auch in jenem Lande das monarchische Prinzip und nach diesem bedurfte es eines solchen nicht mehr.“ Und doch führt er am Anfang seines Werkes266 aus: „Die griechische Nation vollendete den Akt der Konstituierung durch die im Nationalkongress zu Pronoia 1832 einmütig beschlossene Bestätigung.“ Unter dem starken Druck Russlands267, dessen Zar dem Münchner Hof dringend riet, die Regentschaft mit allen materiellen Mitteln auszustatten, damit sie sich eine „imposante Gewaltstellung“ erzwinge, dessen Vizekanzler dem Baron Rußmann schrieb, „das kaiserliche Kabinett kann und wird eine einzige gesetzliche Macht anerkennen, die königliche Regentschaft, König Otto ist die einzige Quelle jeder legalen Gewalt in Griechenland“, versäumte es die Regentschaft, verfassungsmäßige Institutionen zu schaffen und die Nationalvertretung bei der neuen Organisation zu hören. Freilich glaubte sie sich durch eine von König Ludwig mitgegebene Instruktion (23. Juli 1832) gebunden, die die Bestimmung enthielt: „Da es der Regierung des Königreichs Griechenland ohnehin nach dem Begriff einer Regentschaft nicht zustehe, während der Minderjährigkeit des Königs dem Königreich eine Verfassung zu erteilen, so wird sie sich hauptsächlich damit zu beschäftigen haben, dass die Rechte des Königs gewahrt und ihm keines derselben vergeben werde.“ Eidlich mussten die Mitglieder dem König vor ihrer Abreise die Versicherung geben, dass sie sich auf konstitutionelle Experimente nicht einlassen würden.268 Es entsprach durchaus den königlichen Anschauungen, wenn Maurer269 in seiner Rechtfertigungsschrift die Nichtbeachtung der Nationalversammlung mit dem Hinweis begründete, „das Chaos in materieller und geistiger Beziehung hatte einen so hohen Grad erreicht, dass kein ruhiger Beobachter von einer damals einzuberufenden Nationalversammlung irgend etwas Gutes hätte erwarten können.“ Die Griechen mussten vor allem die Möglichkeit zeigen, dass eine konstitutionelle Regierung mit ihnen auch gehen könne.“ Aber das Verhängnisvolle war, dass durch ein solches Vorgehen der Regentschaft der Rechtsboden zerstört wurde; die Proklamation der drei Großmächte an die Griechen (30. Aug. 1832), worin diese aufgefordert wurden, den König mit gebührender Hingebung in dem Bestreben zu unterstützen, dem Staat eine definitive Konstitution zu geben270, bestand ebenso noch zu Recht wie die 266 Maurer, Das griechische Volk, Bd. II, S. 6-7. 267 Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. II, S. 239 ff.; Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 597 ff. 268 Von Heigel, Denkwürdigkeiten, S. 482-483. 269 Maurer, Das griechische Volk, Bd. II, § 262, S. 71, 73; Mendelssohn-Bartholdy, Die Regentschaft in Griechenland, Historische Zeitschrift 1872, Bd. 28, S. 11. 270 Klüber, Geschichte Griechenlands, S. 521.

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Anerkennung Ottos durch die Nationalversammlung. Daher ist es wohl verständlich, wenn der Anfang der Proklamation, die die Regentschaft am 6. Febr. 1833 erließ, „Otto, von Gottes Gnaden König von Griechenland“ ebenso die Kritik hervorrief wie das Verschweigen der künftigen Konstitution. Als die französische Kammer die Garantie der neuen griechischen Anleihe beriet, (Mai 1833) äußerte ein Redner, aus zarter Rücksicht auf den Absolutismus der russischen Regierung dürfe die Freiheit nicht niedergedrückt werden in einem Lande, wo alle Erinnerungen auf Märtyrer der Freiheit hinweisen, auf Verteidiger, die eher dem Tod sich hätten hingeben wollen als das Land in Sklaverei, zumal in fremde, fallen lassen.271 Die Kabinette von St. James und von den Tuillerien dachten daran König Ludwig an die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu mahnen, unterließen es aber auf einen Bericht Lyons.272 Indem König Otto nach seinem Regierungsantritt es versäumte, den Fehler der Regentschaft wieder gut zu machen, entstand seiner Herrschaft eine schwere Gefahr. Seit dem Sommer 1843 bereitet sich eine revolutionäre Bewegung273 vor; „freie Verfassung“ und „Austreibung der Bayern“ lautete die Forderung aller griechischen Parteien; die Kybernetiker dachten schon an den Sturz der Dynastie und die Berufung eines orthodoxen Prinzen. Am 15. September umlagerten die meuterischen Truppen das Schloss zu Athen. Otto gab nach. Als er auf dem Balkon erschien, wurde er von dem Volke mit dem Rufe begrüßt: „Es lebe der konstitutionelle König! Es lebe die Verfassung!“ Hätte die Regentschaft doch wenigstens dem Volke, das Sie zur Teilnahme an einer künftigen Verfassung erziehen wollte, freiere Bewegung in der Verwaltung gewährt; Thiersch hatte ausführliche Vorschläge zur Erhaltung der Selbstverwaltung der Gemeinden gemacht; als den schwersten Schaden der Verwaltung bezeichnete er die Übergroße Zahl von Beamten,274 die noch dazu größtenteils faul, bestechlich und unwissend sind, und forderte als wichtigste Aufgabe der Regentschaft hier Wandel zu schaffen. Leider wurde auch dieser Rat zu wenig befolgt. „Der begreifliche Hang die bayerische Schablone anzuwenden, wirkte einigermaßen auch auf die Verwaltung „Er beförderte Vielschreiberei und Ämterjagd und untergrub die bereits eingeengte Selbstverwaltung der Gemeinden.“275 Hatte Thiersch als abschreckendes Beispiel Kapodistrias’ Beamtenheer auf der Insel Ägina angeführt, so überzog die Verordnung der Regentschaft vom 15. April 1833 das Land mit einem Netz von Beamten, die als Organe des Ministeriums in den Provinzen funktionieren sollten. Abels Gesetzesentwurf über die Gemeindeverfassung, der sich allzu sehr an das bayerische Vorbild hielt, wurde in keiner Weise den Eigentümlichkeiten der griechischen

271 272 273 274 275

Klüber, Geschichte Griechenlands, S. 521. Mendelssohn-Bartholdy, Regentschaft, S. 10. Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 670-671. De l’Etat II, 25. Abschnitt, S. 262-267. Stern, Geschichte Europas, Bd. IV, S. 480.

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Munizipalverfassung gerecht, so dass Mendelssohn-Bartholdy276 die bittere Bemerkung anfügt: „Wie hätte der finstere Geselle, mehr Feder als Mann, begreifen können, welch eine Fülle von frischer Lebenskraft, von Witz, Unabhängigkeitstrotz und opferfreudiger Kühnheit die Gemeindeältesten der Hydrioten beseelte!“ Große Missgriffe machte die Regentschaft auch durch rücksichtslose Unterdrückung der Oppositionspresse. Ein Vergleich der genauen Voranschläge277 über die mutmaßlichen Einnahmen Griechenlands den Berichten des obersten Rechnungshofes für die Jahre 1833/34 zeigt, wie sorgfältig und richtig Thierschs Aufstellungen waren. Verhältnismäßig kurz behandelt er die Frage der Organisation des Gerichtswesens.278 Nach einem geschichtlichen Überblick erhebt er vor allem die Forderung auch hieran das Alte anzuknüpfen und einen einzigen königlichen Gerichtshof mit Geschworenen zu schaffen; die bisher benützten Gesetzbücher sollten provisorisch bleiben, doch müssten sie durch einige Gesetze ergänzt werden. Auf diesem Gebiet konnte die Regentschaft durch Maurers279 Gesetzbücher und Gerichtsordnungen, die nationale und germanische Überlieferungen verwerteten, dauernde Erfolge erzielen. Besonders folgenschwere Missgriffe beging die Regentschaft in der Frage des Heeres und der Flotte. Thiersch280 hatte sich auch darüber ausführlich geäußert. Vor allem fordert er eine Wehrhaftmachung der männlichen Bevölkerung, in dem man ihr aus den Vornehmen der Distrikte Führer gibt und sie an den Gebrauch der Waffen gewöhnt. Erst wenn diese Einrichtung Wurzel gefasst hat, sollten in den Hauptplätzen die jungen Leute durch Konskription ausgewählt und an regelmäßigen Dienst gewöhnt werden. Eine sehr wichtige Pflicht der Regentschaft ist es ferner das Land von den irregulären Truppen zu befreien; sie sollen an bestimmten Plätzen zusammengezogen und ihre berechtigten Soldforderungen erfüllt werden. Die, welche Ackerbauer oder Handwerker sind, müssen heimgeschickt, der Rest organisiert werden, indem man leichte Kompagnien bildet und sie einer Disziplin unterwirft, die den Gebräuchen des Landes und der Art ihres Dienstes entspricht. Am besten passt für sie der einfache, aber genaue Dienst der Jäger. 20 Bataillone lassen sich bilden, die vor allem an der Nordgrenze und in den Festungen zweiten und dritten Grades verwendet werden, die Übrigbleibenden finden als Polizeisoldaten, Zoll- und Hafenaufseher und besonders als Forstaufseher Anstellung. Von der Tüchtigkeit der Pallikaren ist Thiersch mit vollem Recht überzeugt. Gebührende Rücksicht sollte man auch auf ihre nationale Tracht und die heimischen Waffen nehmen. Sonst besteht die Gefahr,281 dass sie sich lieber zerstreuen und Griechenland der nationa276 277 278 279 280 281

Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. II, S. 454. De l’Etat II, S.268-284, 306-314, 315,318, 26., 30. und 31. Abschnitt. De l’Etat II, 27. Abschnitt, S. 285-294. Maurer, Das griechische Volk, Bd. III. De l’Etat I, 2, 5. Abschnitt, S. 236-264 und II, S. 295-305. De l’Etat II, S. 297.

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len Miliz beraubt wird, die seine Stärke und sein Ruhm während des Türkenkrieges war. Für die regulären Truppen ist man vor allem auf die Werbung fremder Soldaten angewiesen. Die verdienten Kapitäne des Peloponnes und Rumeliens, etwa 30, sollen ehrenvolle Stellen als Adjutanten des Königs und als Militärgouverneure erhalten; ihre berechtigten Entschädigungsansprüche müssen anerkannt werden. Die viel zu hohe Zahl der Offiziere ist zu verringern. Die Vorschläge hinsichtlich der Flotte beschränken sich wegen der ungünstigen Finanzlage auf die Errichtung von Seestationen und Gründung von Dampferlinien. Energisch wird die allmähliche Entschädigung der Inseln verlangt, die für den Befreiungskampf enorme Opfer gebracht haben. Eine Seebank müsste gegen mäßige Zinsen Kapitalien zum Bau von Schiffen liefern. Zweifellos war es für die dauernde Beruhigung des Landes von größter Wichtigkeit, welche Maßregeln die Regentschaft in den militärischen Verhältnissen282 traf. War es schon ein Fehler, das Kriegswesen dem bayerischen Obersten von Schmalz anzuvertrauen, weil dadurch die Kybernetiker aufs tiefste erbittert wurden, so missachteten Heydeck und auch Thierschs wohl überlegten Rat betreffs der Pallikaren. Durch eine Verordnung vom 14. März 1833 wurde, nachdem man Reguläre und Irreguläre aufgelöst hatte, bestimmt, es sollten alle Irregulären, die seit dem 1. Dez. 1831 eingetreten waren, als „bloße Parteigänger“ in die Heimat zurückkehren; die über dreißig Jahre alten Soldaten hatten die Wahl, entweder nach Hause zu gehen oder in 10 leichte Jägerbataillone einzutreten. Diese Verordnung, die erfahrene Offiziere wie Richard Church und Pellion scharf verurteilten, erregte unter den Pallikaren, die nicht in ihre wieder türkische Heimat heimkehren noch an die europäische Disziplin sich gewöhnen konnten, solche Verstimmung, dass im Mai 1833 mehr als 5000 nach Norden über die türkische Grenze zogen unter dem Rufe: „Es lebe der König!, mit schwarzen Fahnen, geführt von Häuptlingen, die sie selbst gewählt hatten. Viele küssten noch ein Mal den Boden der Heimat und nahmen mit Tränen Abschied. Jenseits der Grenze begannen sie eine Räuberwirtschaft, die das Land auf viele Jahre nicht zur Ruhe kommen ließ und Verwendung bayerischer Truppen notwendig machte. „Die Regentschaft hat durch ihr taktloses Auftreten gegenüber den Veteranen des Freiheitskampfes mittelbar nur „die Klefturie“ gefördert.“283 Ein drastisches Beispiel der trostlosen Lage, in der verdiente Kapitäne in Nauplia ausharrten, erzählt Klenze284, der 1834 nach Griechenland kam. Als er am Abhang des Palamedes Felsens spazieren ging, beobachtete er zwei ärmlich gekleidete Männer, ehemalige Krieger, die als Mittagsmahl ein Stück Brot verzehrten und einige Wurzeln aus den Felsspalten rissen. Am nächsten 282 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II,S. 370 ff.; Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 600 ff.; Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. II, S. 447 ff.; Stern, Geschichte Europas, Bd. IV, S. 480. 283 Mendelssohn-Bartholdy, Die Regentschaft, S. 64. 284 Aphoristische Bemerkungen, gesammelt auf seiner Reise nach Griechenland, 1838.

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Morgen waren sie unter den Anführern, die Kolettis dem bayerischen Künstler vorstellte. Auf Klenzes verwunderte Frage bestätigte der griechische Minister das grenzenlose Elend, in dem diese armen Leute in ihrem eigenen Vaterlande geduldig ausharrten und hungerten, während Hunderte von jungen Fremdlingen in glänzenden Stabsoffizieruniformen sich an ihnen vorüberdrängten. „Sollte man nicht denken“, so schließt Klenze diese Erzählung ab, „dass eine allgemeine Abneigung gegen die jetzige Regierung die Folge dieser hätte sein müssen?“ Erst als man die schlimmen Folgen des Schrittes wahrnahm, wurde am 1. Juni 1833 ein Gendarmeriekorps von 1200 Mann, geführt von verdienten Pallikaren gebildet, das großen Zulauf hatte und wertvolle Dienste leistete. Klenze wurde auf seiner Reise durch den Peloponnes von mehreren Gendarmen begleitet; er kann ihre Tätigkeit, Sorgfalt, Höflichkeit und Bescheidenheit nicht genug rühmen. „Der Dienst und die Verfahrungsart dieser Gendarmen stand in herbem Kontrast mit ihrem steifen, geregelten und ganz europäischen Anzuge. Mit engen Pantalons, engem Rock, schweren Kürassiersäbel, Pistolen, welche nicht am Sattel oder vorn im Gürtel, sondern ganz an der rechten Hüfte dem Säbel gegenüber hingen, und mit einem schweren mit Metall beschlagenen Helm auf dem Kopf rückten die vier Mann und ein Sergeant aus (...) Aber kaum aus dem Ort (...) entfernt, legten sie Rock, Helm und Pistolen ab und schnallten sie auf ihre eigenen oder auf eines der Packpferde, setzten ein griechisches (…) auf den Kopf und nahmen als Waffe einen Stock in die Hand, mit welchem sie nun unseren Zug auf gut griechisch oder türkisch beschützten.“285 Nicht minder schwere Fehler beging die Regentschaft in der Aufstellung der regulären Armee. Während Thiersch vorgeschlagen hatte, die Wehrkraft des ganzen Volkes zu schulen, suchte man ein viel zu starkes Heer von 10000 Mann mit 1000 Offizieren zu bilden, das enorme Kosten verursachte, das Budget des Kriegsministeriums verschlang etwa 7/9 der gesamten Staatseinkünfte.286 Statt das griechische Selbstgefühl zu schonen vermischte man griechische und bayerische Truppen und erregte durch die Bevorzugung der Bayern die schwerste Missstimmung. Über die Angeworbenen erhob sich nicht nur in Griechischen Zeitungen ein Schrei der Entrüstung; ein preußischer Gesandtschaftsbericht befürwortete schon 1835 die Entfernung dieser fremden Soldaten „Vu que ces troupes recrutés parmi les vagabonds de toute l'Allemagne sont fort mauvaises et content beaucoup“.287 Altes Gerümpel, Monturen, Rüstungsstücke, die in den bayrischen Magazinen keine Verwendung fanden, schlechtes Tuch und alte Flinten wurden an die griechische Regierung verkauft. Die Einführung der bayerischen Uniform, die dem Klima in keiner Weise entsprach, schädigte die Stellung und den Geist der griechischen Armee bis zum Sturz des Königs. Alle Versuche Maurers, die Schritte, der Regentschaft in dieser Beziehung zu rechtferti285 Aphoristische Bemerkungen, S. 668-669. 286 Klenze, Aphoristische Bemerkungen, S. 130 287 Mendelssohn-Bartholdy, Die Regentschaft in Griechenland, S. 14-15.

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gen, müssen als misslungen gelten. Ein so scharfer Beobachter wie ProkeschOsten, der 1835 als österreichischer Gesandter nach Athen kam, berichtete288 am 4. Februar 1835 an seinen Hof: „Tatsache ist, die Versuche europäischer Uniformierung und Bewaffnung haben die brauchbarsten Leute vom Militärdienst entfernt und Unzufriedene daraus gemacht. Fremde Hilfstruppen kosteten viel Geld ohne viel zu leisten, die Pallikaren würden sich für die Regierung schlagen, sobald man ihnen ihre Kleidung und ihre Waffen ließe, der damalige kostspielige Verteidigungszustand ist kein Halt für die Regierung, würde die selbe keinen Tag stützen, wenn sie nicht in der Passivität des Landvolkes und in der Hoffnung auf den König einen Anker fände.“ Thiersch schließt sein „Vermächtnis“ mit einem Zukunftsbild;289 er sieht Griechenland als ein nach innen und außen starkes Reich, das dem drohenden Übergewicht Russlands die Waage hält. Noch in der Quarantäne zu Triest hatte er das Werk290 begonnen. Er ließ es in französischer Sprache erscheinen, damit es möglichst weiten Kreisen der Diplomatie und der Gebildeten zugänglich werde. Es wurde an die Höfe von London, Paris und St. Petersburg geschickt. Auch nach Griechenland kam es in der ersten Hälfte des Mai 1834291 und wurde mit äußerster Begierde gesucht und gelesen. „Natürlich gefällt es den Griechen“, schreibt ein junger Engländer, „besser als ihren deutschen Machthabern, die ihr System darin, wenn auch indirekt, bekämpft finden, und unter den Griechen vorzüglich der Mittelklasse, der einzig gesunden, für die es auch geschrieben scheint.“ Viele Familien kauften sich ein Exemplar zusammen, weil sie es als einzelne nicht bezahlen konnten. Griechische Zeitungen, wie der Sotir, füllten ganze Spalten mit langen Auszügen und diese wurden sehr häufig in den Kaffeehäusern und an anderen Orten den versammelten Zuhörern vorgelesen. Kolettis, der damals im Ministerium war, schätzte das Werk seines Freundes sehr hoch. Armansperg ließ es ins Griechische übersetzen. Von Maurer erzählte man sich, er habe den Etat als sehr gut bezeichnet, doch seien die Vorschläge zur Verbesserung des Landes mehr theoretisch als praktisch; in seinem umfangreichen Werk292 nimmt der Staatsrat denn auch Thierschs Etat „ein in vieler Hinsicht vortreffliches Buch,“ aber der Gelehrte habe das Land mit „philologischen Augen“ betrachtet. Zu einem ganz anderen Urteil freilich kamen die Griechen. Ein Staatsrat sah den Hauptvorzug des „Etat“ gerade darin, dass er rein praktisch sei. Angesichts der vielen verkehrten Maßregeln der Regentschaft mögen viele zu der Überzeugung gekommen sein, die wir in einem griechischen Brief kennen lernen: „Armes Griechenland!“ möchte man rufen, „wenn man sieht, wie nahe die Hilfe lag, die man übersah oder von sich gestoßen hat.“ 288 289 290 291

Mendelssohn-Bartholdy, Die Regentschaft in Griechenland, S. 16. De l’Etat, II, S. 232-325. Hans Loewe, Thiersch und die griechische Frage, S. 87. Briefe von Griechen und einem jungen Engländer. Allg. Zeitung a. o. B. Nr. 172, 20. Juni 1834; Nr. 319 a. o. B., 16. August 1834, Nr. 401-402, Oktober 1834. 292 Maurer, das griechische Volk, Bd. II, S. 67-68.

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Mit dem Abschluss des De l’Etat war Thierschs literarische Tätigkeit für Griechenland nicht beendigt. Seine Mitarbeiterschaft an der Allgemeinen Zeitung bot ihm die Möglichkeit zu wichtigen Fragen Stellung zu nehmen oder an einzelnen Schritten der Regentschaft freimütige Kritik zu üben. Seit seiner Rückkehr aus Nauplia erschienen in den Beilagen von Zeit zu Zeit zur Belehrung und Beruhigung immer wieder Brief- oder Zeitungsauszüge293 mit verbindendem Text etwa unter dem Titel: „Nachrichten aus Griechenland.“ Im Mai 1833 waren in der französischen Kammer Verhandlungen über die griechische Anleihe, deren Bewilligung auf Widerstand zu stoßen schien; deshalb veröffentlichte Thiersch im April vier Artikel: „Über die Gewähr eines griechischen Anlehens durch Frankreich.“294 Unter dem Hinweis, dass nach der Beruhigung Griechenlands steigende Einnahmen zu erwarten sind, zeigt er, wie für Frankreichs Schatz in der Bewilligung keine Gefahr bestehe, wie seine Ehre die Gewährung geradezu erfordere, nachdem es sich seit 1826 so hervorragende Verdienste um Hellas erworben habe, und wie seine politischen Interessen in der auswärtigen Politik durch eine Ablehnung gefährdet würden, weil es aus der Reihe der Großmächte, die sich bis zur Rückzahlung des Anlehens eine gewisse über die künftige Gestaltung Griechenlands vorbehalten hätten, ausscheiden müsste, während doch sein immer steigender levantinischer Handel einen solchen Einfluss erforderte. Der letzte Artikel weist entschieden die für eine Ablehnung sprechenden Gründe zurück, dass nämlich Griechenland einem Frankreich feindlich gesinnten Haus preisgegeben werde, die in Aussicht genommene absolute Regierung eine Anschluss an Russlands System befürchten lasse und der größere Teil des Anlehens für Russland zur Abtragung alter Schuldforderungen an den Sultan bestimmt sei. Tatsächlich brachten die französischen Kammerverhandlungen stürmische Debatten, indem vor allem Broglie und Bignon energisch gegen die Gewährung der Anleihe sprachen. Doch zuletzt errang das Ministerium den Sieg. Da Thiersch seit Januar 1834 lange Auszüge aus griechischen Briefen veröffentlichte, worin die falschen Maßregeln der Regentschaft in sehr freimütiger Weise beurteilt wurden, hielt es diese für nötig, einen eigenen Korrespondenten mit der Widerlegung solcher Nachrichten zu beauftragen. Man war, wie Kolb295 an Thiersch schrieb, wütend über seine Artikel. Von einer der Regentschaft nahestehenden Seite wurde dem Redakteur mitgeteilt, die Allgemeine Zeitung, die doch unparteiisch sein sollte, verbreite die falscheste Ansicht über Griechenland. Kolb konnte daher die Aufnahme jener Berichtigungen nicht verweigern; er bat aber Thiersch seine Mitteilungen fortzusetzen, die doch durch die Gegenüberstellung an Wert nur gewännen. Der Gelehrte tat es und so hatten die 293 Allgemeine Zeitung, a. o. B., Nr. 194, 27. Mai 1833. 294 Allgemeine Zeitung a. o. B., Nr. 132, 133, 134, 136, 9.-12. April 1833. Dass Thiersch der Verfasser ist, ergibt sich aus der inhaltlichen Übereinstimmung der Ausführungen mit denen aus dem Jahre 1829. 295 Brief Kolbs an Thiersch, 1. Mai 1834; Kolb war Redakteur der Allgemeinen Zeitung.

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Leser der Allgemeinen Zeitung die Möglichkeit wiederholt die Briefauszüge mit den offiziösen Richtigstellungen zu vergleichen. Die Nummer vom 10. Februar brachte das Vorwort zum 2. Teil des De l’Etat, worin in so entschiedener Weise gefordert wird, dass eine erfolgreiche Reform in Griechenland an das Vorhandene anknüpfen müsse. Anfang März erschien aus dem Etat das Kapitel über „die auswärtige Politik Griechenlands.“ Mitte März begann eine zusammenhängende Serie von acht Artikeln zu erscheinen: „Misszellen über Griechenland296, die sich bis zum Juni fortsetzte und eine sehr wertvolle Ergänzung zu den Ausführungen des De l’Etat bildet. Scharf und klar fordert bereits der 1. Artikel als Hauptaufgaben der Regentschaft: Stiftung von Schulen, Schaffung geordneter Gerichtshöfe und Wiederherstellung der Munizipalverfassung; denn auf diesen drei Pfeilern der Bildung, des Rechtes und der inneren Verwaltung beruhe alle Ordnung. Vieles ist geschehen; aber noch sind die Grundlagen zu 1egen zu einem nationalen Heer und einer Flotte. „Was bis jetzt dort eingeführt worden und in einer ausführlichen Verordnung des Regierungsblattes vorliegt, ist das in Bayern unter der letzten Regierung meist nach französischen Einsichten gebildete System der Verwaltung - und wie sehr man auch die Vortrefflichkeit dieser Institutionen anschlagen mag, – das kann wohl niemandem, der Weltgeschichte kennt, beikommen zu glauben, dass dadurch ein Volk geschaffen werde.“ Aufgrund längerer Ausführungen über den Charakter des griechischen Volkes kommt Thiersch zu dem Schluss, dass die innere Gesundheit der hellenischen Natur über alle Schwierigkeiten siegen werde, wenn die Regentschaft nicht hemmend wirke. Der dritte Artikel betont als weitere wichtige Aufgabe der Regentschaft die Ordnung der Finanzen; alle unnötigen Ausgaben, z. B. die für diplomatische Missionen, sind zu vermeiden; man wird Ausgaben und Einnahmen in Einklang bringen, wenn man sich entschließt Griechenland hellenisch, d.h. einfach in Formen und Maßregeln und sparsam in den Nebendingen oder in dem politischen Luxus zu verwalten. Wie hat die Regentschaft gegen diesen Hauptgrundsatz verstoßen! Die von ihr auf Zentralisation eingestellte Verwaltungsorganisation, zu der alle Vorbedingungen fehlten, erforderte einen viel zu großen Beamtenapparat. Der Anfang Juni erschiene 4. und 5. Artikel erkennen zwar an, dass die Regentschaft sich bemühte, über den Parteien zu stehen und mutig die Truppen auflöste. Doch in der Reorganisation sei man vollkommen gescheitert. Etwas ausführlicher als im De l’Etat schildert dann Thiersch die Verwendbarkeit der Pallikaren zum Grenzschutz im Norden und schließt mit dem Wunsch, dass Griechenland nie in den Fall kommen möge, die nun zerstörte Miliz in seinem Dienst zu vermissen. Der umfangreiche 6. Artikel handelt von den regulären 296 Allgemeine Zeitung, 23. März 1834, Nr. 82-84, 158, 159, 161, 170. Die Autorschaft von Thiersch wird abgesehen von stilistischen Eigentümlichkeiten durch die Übereinstimmung der hier geäußerten Anschauungen mit denen des De l’Etat hinreichend sicher bewiesen.

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Truppen und übt die freimütigste und vollkommen berechtigte Kritik. Alles, was die Geschichtsforschung später als fehlerhaft an dieser Reform getadelt hat, wird von Thiersch gerügt: die Vermischung griechischer und bayerischer Truppen, die zur Verwirrung in Sprache, Kommando und Disziplin führte, sowie die unsinnig kostspielige Militärverwaltung, die 11 Armeekreisinspektionen vorsah und die formationsmäßige Zahl der Offiziere um mehr als ein Bataillon überschritt. Bei dem Gedanken, dass die Monate der Regentschaft bald vorüber sein werden, drängen sich dem treuen Griechenfreund hinsichtlich der Militärangelegenheiten wichtige Fragen auf: Findet man nach Auflösung der regulären Truppen unter der griechischen Bevölkerung noch hinreichend Stoff, um aus ihm und den Deutschen den Kern eines nationalen Heeres zu bilden, das seine Bestimmung erfüllen wird? Hat man die Mittel, über die man gebot, und die europäischen Kriegs- und Militärerfahrungen genugsam benützt ein Korps zu bilden, zweckmäßig eingerichtet und in seinen Bedürfnissen befriedigt, den Griechen zum Beispiel, der jungen Monarchie zum Schutz? Hat man dabei sich mit jener Sparsamkeit benommen, die allein das Wesentliche beachtet und den Bestand des begonnenen Werkes auch für die Zeit sichert, wo Griechenland allein auf seine eigenen beschränkten Mittel angewiesen sein wird? Durch alle diese Fragen klingt der verhaltene Schmerz: Die Regentschaft hat die schwersten Fehler gemacht. Im 7. Artikel tadelt Thiersch vor allem, dass für die Flotte, die doch zur Verteidigung der Sicherheit des Meeres, zum Schutz des Handels und zur Abwehr der Angriffe von der See her unentbehrlich ist, noch nichts Bemerkenswertes geschah, man auch hier es verschmähte, das Vorgefundene zu verbessern; die hieraus folgenden Übelstände, die Auswanderung der Seeleute nach der Türkei und Ägypten, die Stockungen in den Militärtransporten, die mangelhafte Verbindung mit Triest werden scharf hervorgehoben. Im 8. Artikel endlich unterzieht Thiersch die Maßregeln der Regentschaft in der Frage der Finanzen einer scharfen Kritik. Zwar erkennt er ihre Reformen hinsichtlich der Erhebung des Zehnten gerne an, findet aber doch drei Fehler, da infolge schlechter Kontrolle die Landeigentümer gegen Überschätzung nicht hinreichend geschützt wurden, nachträglicher Verkauf des Zehnten gestattet war, falls günstige Ernteergebnisse in Aussicht standen, und Leute von schlechtem Ruf mit diesem Geschäft betraut wurden. Besser wäre es – so lautet das Urteil eines modernen Forschers297 – wohl für die gesamte Entwicklung der griechischen Landwirtschaft gewesen, wenn man die alte Art der Wirtschaft vollständig aufgegeben hätte. Die Erhebung des Naturalzehnten mit ihren unausbleiblichen Missbräuchen wurde dadurch noch verderblicher, dass alle fiskalischen Beamten im Sinne „falscher konstitutioneller Zentralisation“ nur dem Finanzministerium verantwortlich waren. Die Frage, warum auf steigende Einnahmen noch nicht mit Sicherheit ge297 Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 612.

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rechnet werden könne, beantwortet Thiersch mit dem Hinweis auf die schwer darniederliegende Landwirtschaft und den Rückgang des Handels, der besonders durch viel zu strenge Quarantänevorschriften, vor denen er im De l’Etat so sehr gewarnt hatte, und durch zu hohe Bürgschaftsleistungen der Schiffseigentümer geschädigt wurde. Den tieferen Grund des Rückgangs sieht er in dem Umstand, dass der Handel der Regierung gegenüber allein in der Rolle des Gebers, fast nie des Empfängers ist. Daraus ergibt sich als wichtige Aufgabe der Regentschaft ihm die Kraft wiederzugeben, damit er auf den Plätzen der Levante wie früher mit den europäischen Häusern die Konkurrenz bestehen könne. Weiter wirkte schädigend, dass die Kapitalien des Anlehens durch die Hände deutscher und französischer Häuser gingen, während der griechische Handelsstand ausgeschlossen blieb. Genaue Budgetberechnungen führen zu dem traurigen Schluss, dass die von der Regentschaft eingeführte Verwaltung mit ihrem viel zu großen Beamtenapparat eine günstige Lösung der finanziellen Schwierigkeiten trotz großer Anleihemittel außerordentlich erschwert. Und doch müssen noch kostspielige Unternehmungen gemacht werden, um das Land aus seiner Lethargie zu wecken. Mit ihrer Aufzählung schließt Thiersch seine Artikelserie; er beabsichtigte eine Fortsetzung; doch ist sie nicht erschienen. Im September 1834 veröffentlichte der Gelehrte einen Artikel: „Griechenland und die Türkei“298, der sich im Wesentlichen mit seinen Ausführungen im De l’Etat berührt. Im Jahre 1835 wurde ein verschärfter Einfluss der Zensur bemerkbar, zwar konnte Thiersch seine Auszüge aus griechischen Blättern und Briefen fortsetzten; aber seinen Artikel über das griechische Budget wagte Kolb299 nicht in vollem Umfang zu veröffentlichen; in der zweiten Hälfte des März erschienen Briefe300 aus Athen, worin die Budgetaufstellungen des obersten Rechnungshofes von Mai 1833 – Mai 34 mit Thierschs Berechnungen einem sorgfältigen Vergleich unterzogen und die Unterschiede namentlich in Bezug auf die Einnahmen aus den Salinen den verfehlten Schritten der Regentschaft zugeschrieben werden. Diese Veröffentlichungen veranlassten im April eine offiziöse Berichtigung, als deren Ergebnis sich die für Thiersch erfreuliche Tatsache ergab, dass die Einnahmen des Jahres 1833 seine Berechnungen noch übertrafen. Das Erscheinen des großen Werkes von Maurer Das griechische Volk in öffentlicher, kirchlicher und privat-rechtlicher Beziehung rief den streitbaren Gelehrten wiederum in die Schranken; denn der Versuch dieses Mitgliedes der Regentschaft, die getroffenen Maßnahmen zu verteidigen, musste seinen schärfsten Widerspruch hervorrufen. „Das griechische Volk und Georg Ludwig v. Maurer“301 lautet der Titel des 1. Satzes, der dem Werke vor allem an Originali298 299 300 301

Allgemeine Zeitung, a. o. B., Nr. 358/359,15. September 1834. Kolb an Thiersch, 14. März 1835. Allgemeine Zeitung, a. o. B., Nr. 109, 114-116. Allgemeine Zeitung, a. o. B., Nr. 439, 1. November 1835.

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tät in allen Partien, welche die frühere Geschichte Griechenlands betreffen, vorwirft, die Flüchtigkeit der Abschnitte über Schulen und Kirche und das Missverstehen alles hellenischen Wesens, das sich in den Abschnitten über Militär und Marine, bis ins Unglaubliche steigere, tadelt. In den Kapiteln über RechtsqueI1en erkennt Thiersch zwar die eigenen Forschungen Maurers an; doch die dort abgedruckte, sehr gute Arbeit eines gelehrten Griechen über Gewohnheitsrecht und Volkssitten sollte als der nützlichste Teil gesondert erscheinen. Zum Schluss hält er Maurer vor, dass er in ein Land kam, dessen Sprache und Zustand ihm bei seiner Ankunft völlig fremd waren, dessen innere Verhältnisse, Eigentümlichkeiten und Bedürfnisse ihm trotz aller Erkundigungen fremd geblieben sind. An einer Stelle bricht die Bitterkeit des Gelehrten, der sich infolge der fortgesetzten Missachtung seiner Ratschläge wohl verletzt fühlen musste, durch, zumal er von der Überzeugung erfüllt war, dass er Griechenland wertvolle Dienste hätte leisten können: „Auffallend ist in diesem Buche zu lesen: „Wer kennt nicht den großen Philologen Thiersch, dessen ganzes Leben mit dem neuen Hellas aufs innigste verwachsen ist?“ und man möchte fragen, wer denn dieses Leben gerade da von jener innigen Verbindung mit Griechenland abgetrennt hat, wo sie ihm am nötigsten gewesen war und ihm vielleicht allein helfen konnte?“ Die Zensur verbot eine Fortsetzung dieses Aufsatzes; vergebens machte Kolb302 in einer Eingabe den Versuch, die Freigabe zu erlangen, indem er darauf hinwies, dass die Beurteilung dann in einem anderen deutschen Blatt erscheinen werde, das die in Bayern gegebenen natürlichen Rücksichten nicht kenne. Trotzdem schlug der Minister in letzter Instanz die Erlaubnis ab, weil die gegen Maurer und Abel gerichtete Kritik zu einer Antwort nötigen werde, was man in diesem Augenblick mög1ichst zu vermeiden wünsche. Als Kolb ihn darauf hinwies, dass Abel von der Anklage ausdrücklich ausgenommen werde, verlangte Fürst Wallerstein eine Abschrift des Artikels und stellte die eventuelle Aufnahme in Aussicht. Doch am 21. Dezember meldete Kolb dem Gelehrten, die Entscheidung sei zu seinem Ungunsten gefallen. So musste die weitere Kritik an den Maßregeln der Regentschaft unterbleiben. Auch die von Thiersch als Ergänzung des Etat verfasste „Histoire de l' établissement de la Régence Royale en Grece“303 erschien nicht im Druck. Inzwischen hatte am 1. Juni 1835 König Otto die selbständige Regierung übernommen.

4. Thierschs literarisches Wirken für Griechenland 1835-1860. Die zweite griechische Reise 1852 Auch nach dem Otto persönlich die Regierung übernommen hatte, dauerte die strenge Zensur fort. „Es ist zum Toll werden“, klagt Kolb, „eine Änderung ist 302 Kolb an Thiersch, 5. November 1835, 21. Dezember 1835. 303 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 367.

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vor des Königs Ankunft nicht zu erwarten.“304 Ja es trat sogar eine Verschärfung ein, indem bei einem Wechsel der Zensoren der ängstlichste ausgesucht wurde. „Wir kommen vom Schlimmen ins Schlimmste“, schreibt Kolb am 26. April, und erwartet eine Milderung nur noch von einem persönlichen Eingreifen des Regierungspräsidenten von Schwaben -Neuburg, der sich nach München begeben hatte. Diese Hoffnung ging in Erfüllung und so konnte ein 7. Aufsatz von Thiersch: „Über die Lage und Zukunft Europas“ erscheinen. Da die griechische Frage nur gestreift wird, soll er an anderer Stelle behandelt werden. Indessen scheint die Besserung nur von kurzer Dauer gewesen zu sein; denn immer aufs Neue tönen aus Augsburg die Klagen des treuen Freundes. Unter solchen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass in diesen Jahren die Zahl der zusammenfassenden Arbeiten von Thiersch über Griechenland so klein ist; nur am 4. April 1837 erschien ein Artikel: „Die neue Universität von Athen“,305 in dem er vor allem rügt, dass in dem Statut, einem letzten Werke der Verwaltung Armansperg, bayrische Formen und Bestimmungen nachgebildet sind, „ohne Beachtung dessen, was dem Boden, der Bildungsstufe, den Sitten und dem Geist des Landes gemäß ist.“ Eingehend berichtet über diesen „seltsamen“ Frey’schen Entwurf Ludwig Roß,306 einer der ersten Professoren der neuen Hochschule. Der rheinbayrische Staatsmann war ein echter Bürokrat von engem Gesichtskreis, der auch Dinge vorsah, von denen man in Griechenland keinen Begriff hatte, wie landsmannschaftliche Verbindungen, Studentenexzesse, Duelle, Relegationen, u. ä. ,so dass die Deutschen und die urteilsfähigen Griechen sofort die Unausführbarkeit des Entwurfes erkannten. Erst als Professor Brandis aus Bonn nach Athen kam, der König Otto Privatvorlesungen halten und der Regierung in Kultus- und Unterrichtssachen behilflich sein sollte, wurde Freys Entwurf revidiert, abgeändert und von unnötigen Auswüchsen gesäubert, so dass die „Otto Universität“ „so ziemlich nach dem Muster der norddeutschen Anstalten dieser Art“ organisiert am 22. (10.) Mai 1837 eröffnet werden konnte. Schon nach einem Jahr zählte sie 27 Professoren, darunter 7 Deutsche und gegen 100 Studenten. Die Universität ist „die bedeutungsvollste geistige Schöpfung dieser Regierung geworden.“ „Eine Lichtquelle für das ganze Hellenentum,“ ein Zentralpunkt der griechischen Jugend. So erfüllte sich bald Thierschs Wunsch, mit dem er jenen Artikel geschlossen hatte: „Übrigens ist zu hoffen, dass der Unsegen, mit dem falls alles geschlagen war, was jene Regierung (Armansperg) in Griechenland für Schulen, Unterricht oder Erziehung unternommen und versucht hat, unter der neuen, tätigen und mit mehr Entschiedenheit auf das Wesentliche gerichteten Verwaltung schwinden und ein volles Gedeihen beginnen wird.“ Einen kleinen Ersatz für Thierschs größere Aufsätze boten die von ihm veröffentlichen Bericht aus griechischen Zeitungen sowie die im Laufe des April und 304 Kolb an Thiersch 20. März 1836. 305 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 167. 306 Ludwig Roß, Erinnerungen aus Griechenland, S. 101 ff., 106, 113.

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Mai erschienen Artikel“ „Über den gegenwärtigen Zustand von Athen“ und „Atheniensische Briefe“, die in sehr interessanter Weise von den politischen, wirtschaftlichen, militärischen und literarisch künstlerischen Verhältnissen erzählen.307 Im Oktober 1837 trat eine Milderung der Zensur ein. „Endlich bricht die Allgemeine Zeitung mit würdiger Männlichkeit ihre Fesseln zerschlagend, ihr Stillschweigen und tritt gegen die Lüge in Schranken,“ schreibt Rudhart an Thiersch;308 gleichzeitig mit diesem Brief sandte der neue Ministerpräsident König Ottos wertvolle Materialien über den Streit, der zwischen ihm und dem englischen Gesandten Lyons, der Hauptstütze Armanspergs, ausgebrochen war. Die Ernennung Rudharts zum Ministerpräsidenten, die Mitte Februar 1837 erfolgt war, bedeutete für Thiersch eine wichtige Veränderung; denn er stand mit diesem in vertrauter Freundschaft. Bereits in einem Brief vom 18. Februar schrieb ihm Rudhart: „Ich halte Ihre Einsicht und Ihre Wirksamkeit für Griechenland so hoch, dass ich es für ein großes Glück halte, wenn Sie mir Ihre Beihilfe durch Rat und Tat nicht versagen. Ihre Briefe sind mir daher auch höchst willkommen.“309 Jetzt durfte Thiersch hoffen, dass die schlimmsten Fehler der Regentschaft beseitigt werden. Der Sturz des allmächtigen Staatskanzlers, dessen verhängnisvolles Wirken er so energisch bekämpft hatte, hing mit der Reise König Ludwigs 1835/36 nach Griechenland zusammen. Von seinem Sohne Otto dringend gebeten310 zu kommen, um sich durch eigene Anschauung zu überzeugen, durch welche Mittel die Ruhe befestigt und das Vertrauen der Nation dauernd gefestigt werden könne, erbat Ludwig von Prokesch-Osten, dem österreichischen Gesandten in Athen, ein Gutachten.311 Es ist aus dem Nachlass des Grafen zusammen mit den Berichten an Metternich im Druck erschienen, die die interessantesten Aufschlüsse gewähren. Wie findet Thierschs scharfe Kritik an der Rehentsch8ft im De1 'Etat und der Allgemeinen Zeitung hier ihre Bestätigung. Schon am 2. Februar 1835, also wenige Monate vor der Übernahme der Regierung durch Otto, schreibt Prokesch:312 „Ein in allen seinen Teilen unpassendes System hat die materiellen Mittel, die Zeit und das Kapital der Achtung, welches der Regentschaft bei ihrem Kommen zu Gebote standen, ohne ein anderes nützliches Ergebnis als den Erwerb trüber, aber ich hoffe, heilsamer Erfahrungen erschöpft.“ Mit größter Aufmerksamkeit verfolgte der Graf die Entwicklung der Intrigen innerhalb der Regentschaft, das Bemühen Armanspergs und Kobells, die Abberufung Heidecks herbeizuführen, den einsamen Versuch des Staatskanzlers, der durch ein conclusum medicum den König für unfähig erklären ließ; das be307 Allgemeine Zeitung, a. o. B., Nr. 188-189, 231-232, 237-238, 245-246, 250-251, 252253, 277-279. 308 Rudhart an Thiersch, 13./25. Oktober 1837, in: Biographie, Bd. II, S. 468. 309 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 450. 310 Heigel, König Ludwig, S. 162. 311 Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch-Osten, Bd. II, S. 161 ff. 312 Aus dem Nachlass, Bd. II, S. 153.

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stimmte Prokesch erst recht Ottos Charakter und Persönlichkeit zu prüfen und er kommt zu dem Ergebnis:313 „Der König ist wirklich zu beklagen; er steht wie das Sühneopfer für die Verirrungen der Politik und für die Missgriffe in der Wahl seiner ersten Umgebung da. Seine Persönlichkeit hält das schwankende Gebäude zusammen. Er ist wirklich geliebt und man kann sagen, dass ihm gegenüber unter den Griechen keine Parteien bestehen. Er hat viel Haltung, spricht mit großer Vorsicht und durchaus verständig, zeigt Ernst und Abgeschlossenheit, die man hier gerne sieht, und bewahrt eine Reinheit der Sitten, die um so höher geschätzt wird, da der Fremden hier nur zu sehr wegen des Gegensatzes verrufen sind. Er hat vielerlei Kenntnisse und einen großen Drang sich zu unterrichten, dabei ein langsames, aber richtiges und unabhängiges Urteil. Glücklich umgeben, – würde er zu den schönsten Hoffnungen berechtigen, so wie seine reinen und liebenswürdigen Formen, jede Berührung mit ihm zu einer angenehmen machen. Seine Individualität ist bei seiner mittelmäßigen Umgebung ein Rätsel und ein Trost.“ Einen ähnlich günstigen Eindruck von der Persönlichkeit Ottos muss auch der preußische Gesandte Luisi gewonnen haben: denn in seinem Bericht314 vom 5. Mai 1835 heißt es: „Dieser Fürst wird ohne Zweifel eine schöne Zukunft haben, wenn man sich nicht zu sehr der Hoffnung hingäbe vom ersten Augenblick der Großjährigkeit an alle jene Übel schwinden zu sehen, welche Griechenland heimsuchen.“ Jedenfalls sprach sich Prokesch in seinem Gutachten feierlich für König Otto und für die Erhaltung des Königreichs ans. Scharf charakterisiert er die aus dem Innern drohende Gefahren: wie die Aufrechterhaltung eines Verwaltungssystems, das in keinem richtigen Verhältnis zu den sozialen und finanziellen Mitteln des Reiches steht, die planlose Finanzwirtschaft, das Versäumnis, die Regierung zu einer nationalen zu machen, die Pflege revolutionärer Ideen und den Mangel an Einheit und Klarheit im Regierungsprinzip, die Vernachlässigung der wichtigsten Aufgabe, die materiellen Interessen des Landes zu heben, die Versäumnisse der Erziehung der nächsten Generation auf eine dem Thron und dem Land fruchtbare Weise. Wer denkt nicht an Thierschs Vorschläge im De l' Etat, wenn er Prokeschs vorwurfsvolle Fragen315 liest: „Hat der Aufwand vielleicht die verarmte Bevölkerung mit Mitteln, sich wieder aufzuhelfen, versehen? Erscheint er in Herden, welche die Hügel decken, in Feldern, in Häusern, in Pflanzungen, in Geräten? Ist er auf die Vorauslagen verwendet worden zur Erschließung von Lebensquellen der Zukunft? Nichts von alledem; er hält die Verwaltung im Gang und diese ihn; beide bewegen sich im Kreis und das Land besteht trotz beiden.“ Als besonderen Fehler der bisherigen Regierung endlich rügt Prokesch die Anhäufen aller Gewalt in den Händen des Staatskanzlers. Eingehend behandelt er sodann die Mittel, den drohenden Gefahren zu begegnen, wie Beseitigung 313 Aus dem Nachlass, Bd. II, S. 155, 2. März 1835. 314 Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands, Bd. II, S. 58. 315 Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch-Osten, Bd. II, S. 163.

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des Staatskanzleramtes, Ernennung eines zuverlässigen Ratgebers, der hinter dem König steht, Bildung eines aus Griechen bestehenden Ministeriums, mit dem der König unmittelbar arbeiten kann, Regelung des Geschäftsganges, Vereinfachung der Verwaltung, Zügelung der Presse, persönliches Einwirken des Königs auf die Förderung der materiellen Interessen, Ausgleich in der Eigentumsfrage, Hypothekengesetz, nationale Bank, Herstellung des Kredits, Regulierung der Differenzen mit der Pforte, kluge Behandlung der Großmächte. Auf König Ludwig müssen diese Ausführungen einen großen Eindruck gemacht haben, denn was niemand für möglich gehalten hatte, geschah. Rudhart wurde Armanspergs Nachfolger, aber nicht als Staatskanzler, sondern als Ministerpräsident. Einer seiner besten Freunde, der bayrische Staatsminister von Lerchenfeld fällte über ihn das bezeichnende Urteil: „Ich habe diesen ausgezeichneten, redlichen, tüchtigen Mann genau gekannt und bin einer der wenigen, die ihn nie verkannt haben. Mir ist kein zweiter Mann in meinem Geschäftsleben vorgekommen, der so ausgezeichnete Talente, so gründliche Kenntnisse, eine solche Gewandtheit in den Geschäften, diese Gabe der Sprache mit einem reinen Willen, einem edlen Streben und Festigkeit des Charakters in solchem Grad vereinigt hätte.“ Rudhart316, ein Franke, aus Bamberg stammend, auf der Universität Landshut ein Schüler und Freund Savignys und Gönners, teilte in fast allen Lebensfragen Griechenlands die Ansichten von Thiersch. Zwischen beiden Männern entspann sich ein lebhafter Briefwechsel, der leider nur kurze Zeit dauern sollte, da Rudhart noch im Dezember des gleichen Jahres seine Entlassung nahm. Über alle wichtigen Fragen tauschen sie ihre Meinung aus; immer wieder sandte der Präsident Urkunden, Aktenstücke, Zeitungen, deren Inhalt in geeigneter Form in der Allgemeinen Zeitung veröffentlicht werden sollte. Denn auch er war der Meinung, dass eine getreue Schilderung der tatsächlichen Verhältnisse notwendig sei. Thiersch erfülle solche Wünsche gerne; daher erschienen in den letzten Monaten des Jahres 1837 mehrere Artikel: „Über die Lage der Dinge in Griechenland“, und „Griechische Zustände, geschildert in Briefen an einen deutschen Philhellenen.“317 Sein vertrauter Verkehr Rudhart machte es Thiersch auch möglich in seiner „Geschichte des Jahres 1837318 das Kapitel über Griechenland auf verlässigem Material aufzubauen; Armanspergs Tätigkeit wird scharf, aber gerecht beurteilt. Dann entwirft Thiersch ein Bild der ungewöhnlichen Schwierigkeiten, mit denen Rudhart zu kämpfen hatte; die Hauptquelle derselben erkennt er in dem inneren Widerspruch des Staatsorganismus, der absolute Monarchie und konsti316 Heigel, Ignaz von Rudhart, in: ADB, Bd. 29, S. 459 ff., Treitschke, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 347. 317 Allgemeine Zeitung, a. o. B. Nr. 522, 523-524, ferner a. o. B. Nr. 551-552, 555-556, 557-558, 559-560, 567-568, 569-570, 579-580, 587-588, 589-590. 318 Taschenbuch der neuesten Geschichte, 7. Jhrg. 1839, Abt. II, S. 270-315, vergl. Biographie II, S. 380-381.

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tutionelles Wesen in unvollkommener Weise zu vereinigen suchte, in der zügellosen Presse und in der Verwirrung der Finanzfrage. Als Folge dieses sächlich durch die Schuld der Regentschaft verursachten Missstandes findet er die Unmöglichkeit die Kolonisierung durchzuführen, „Diese Grundbedingung des inneren Gedeihens von Griechenland.“ Volles Lob spendet er den rastlosen Bemühungen seines Freundes, den König in die Geschäfte einzuführen, die Kompetenzen des Staatsrates und der Ministerien zu ordnen sowie seinen Erfolgen auf den Gebieten des Heeres und der Marine, das von Oberstleutnant v. Purkart entworfene Konskriptionsgesetz, die Einrichtung der regelmäßigen Dampfschifffahrten zwischen Athen und Triest, die stetige Zunahme der Elementarschulen, vor allem die Gründung der Universität in Athen erweckten günstige Hoffnungen.319 Indessen geriet Rudhart in immer aufreibender Kämpfe mit der Diplomatie, namentlich mit Lyons, der die Verdrängung Armanspergs niemals verzieh. Thiersch schildert ausführlich die Ursachen des Sturzes seines Freundes im Dezember 1837; dabei wird das Verhältnis des Königs Otto zu seinem Ministerpräsidenten begreiflicherweise nur kurz angedeutet, dagegen ausführlich Rudharts Stellung zu den Diplomaten geschildert. Eine wertvolle Ergänzung bieten daher die Briefe320 Rudharts an seinen Freund Lerchenfeld. Hier kann er sich rückhaltlos aussprechen. In erschütternder Weise verfolgt man, wie der tapfere und fromme Mann in einem von Monat zu Monat aussichtsloser werdenden Kampf aufgerieben wurde. Immer düsterer tritt als Haupthindernis erfolgreichen Wirkens die Person des Königs hervor. War anfangs die Rede von den Fortschritten des Königs, seinem Arbeitseifer und seiner Arbeitsgeschicklichkeit, so bricht gegen Ende der Korrespondenz die tiefe Enttäuschung des Ministerpräsidenten durch: „(…) aber sein Grundcharakter ist Unentschlossenheit, Misstrauen und Teilnahmslosigkeit; unter dem Einfluss seiner Frau und Englands will er sich ganz vom bayrischen Einfluss freimachen. Mit erstaunlicher Schroffheit wies Rudhart in seinem Entlassungsgesuch auf Ottos Schwächen hin. Daneben spielen in den Briefen eine große Rolle die Presse („Unser Ungeziefer sind die Journalisten“) und die diplomatischen Umtriebe („das Bedenklichste ist, dass Griechenland das Terrain ist, wo alle fremden Diplomaten ihre Politik pflanzen und Proseliten machen wollen“). Heigel321 hebt als Hauptgründe des Rücktrittes hervor: die Umtriebe des Gesandten Lyons, die Ränke des beim König beliebten Deutschen Frey, die Herrschsucht der Königin, die Eifersucht der im Fanar oder Paris aufgezogenen jungen Griechen. Gerade Lyons war es, der aus Rache für seinen Freund Armansperg die griechische Opposition antrieb, die Forderung einer Verfassung in den Vordergrund der Debatte zu rücken. Für Rudhart war das umso peinlicher, da er persönlich gemäßigt 319 Stern, Geschichte Griechenlands, Bd. I, S. 367; Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 649 ff. 320 Lerchenfeld, Aus den Papieren des Staatsministers, Maximilian, Freiherrn von Lerchenfeld 1887, S. 469 ff. 321 Heigel, Rudhart, ebd.

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liberalen Anschauungen huldigte; hatte er doch schon 1816 in seiner Geschichte der Landstände in Bayern geschrieben im Hinblick auf die Richtung der Zeit auf Verfassung: „Das Licht löscht keine menschliche Hand mehr aus; das sind die Klügsten, die es ruhig nähren und leiten.“ Aber der Wille des Königs hinderte ihn, diesen Weg einzuschlagen. Als Otto in einem Streit Rudharts mit dem Justizminister gegen jenen Partei nahm, kam es zum Bruch. Rudhart nahm seine Entlassung; nach einer kurzen Erholungsreise starb er in Triest. Thiersch sah Rudhart mit größtem Bedauern aus seinem Amt scheiden. Er musste sich damit trösten, dass auch sein Freund trotz vieler schlimmen Erfahrungen den Glauben an die Zukunft Griechenlands nicht verloren hatte. Als ein dem Ministerpräsidenten nahestehender Mann beim Abschied die vorwurfsvolle Frage an ihn richtete: „Fast scheint es, als ob Sie uns und unser Schicksal aufgeben?“, entgegnete er: „Glauben Sie das nicht; es ist keineswegs Verzweiflung an der Zukunft Griechenlands: Nein, ich habe vielmehr die klarste Einsicht, die festeste Überzeugung, dass die Stoffe, das Volk und das Land vortrefflich sind, dass Griechenland ein Baum werden kann, der seine Äste über die schönsten Teile der Welt ausdehnt.“322 Während der beiden letzten Jahrzehnte der literarischen Tätigkeit für das Land seiner Sehnsucht beschäftigten Thiersch vor allem zwei Fragen, die orientalische und die Stellung Englands zu Griechenland. Bei der orientalischen Frage handelte es sich vor dem Krimkrieg in erster Linie darum, wie können die Störungen abgewendet werden, die dem europäischen Gleichgewicht infolge der Schwäche der Pforte, „des kranken Mannes“, und der Macht Russlands drohten.323 Mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgte Thiersch die sich im Orient anbahnende Verwicklung. Am 24. Januar 18138 veröffentlichte die Allgemeine Zeitung einen Artikel „Das europäische Staatensystem beim Antritt des Jahres 1838“,324 Russland und der Orient; es folgte „Die Pforte, Ägypten und Griechenland.“ In diesem Aufsatz wird die bestimmte Erwartung ausgesprochen, Griechenland werde bald infolge seines aufblühenden Handels imstande sein, die finanzielle Vormundschaft der Großmächte abzuschütteln sowie der Überzeugung Europas Ausdruck verliehen, dass im Süden der Balkanhalbinsel „hinlängliche Elemente autonomer Existenz vorhanden seien um es nicht zu bereuen einen ganzen Staat geschaffen zu haben statt eines jener Zwitter, die ohne Selbstbefriedigung ein Spielball fremder Intrigien und ein Depositum für künftige Länderverteiler sind.“325

322 A. o. B. zur Allgemeinen Zeitung Nr. 35/36, 20. Januar 1838. Eine Bestätigung findet diese Äußerung in den interessanten Briefen Rudharts an Lerchenfeld, vergl. bes. Nr. 257, S. 493; Nr. 258, S. 494; Nr. 259, S. 500; Nr. 260, S. 502 nennt er seine Pläne zur Förderung Griechenlands eitle Träumerei (Nr. 252, S. 481). 323 Stern, Geschichte Europas, G. K., S. 354. 324 A. o. B. Nr. 42/43, Kolb an Thiersch, Januar 1838. 325 A. o. B. Nr. 44/45, 25. Januar 1838.

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Denselben Fragenkreis erörtern zwei Artikelserien des Jahres 1839: „Europa und der Orient“326 und „Der Orient und der Oxident“327 sowie ein größerer Aufsatz des Jahres 1840 „Über die neue Krisis der orientalischen Frage“.328Im Februar des gleichen Jahres hatte Thiersch auf die Gefahr aufmerksam gemacht, die dem Königtum Ottos von Seiten der Capodistrianischen Partei drohte.329 Das Jahr 1841 brachte lebhafte literarische Tätigkeit. Drei Artikel widmete der Gelehrte der Frage: „Griechenland und der Orient“.330 Mit Besorgnis sieht er, dass die Teilnahme sich von Griechenland abgewendet hat; aber entschlossen nimmt er den Kampf gegen seinen „missgelaunten Freund Fallmerayer auf, der damals in der Türkei weilte und im Schoße des osmanischen Staatslebens „Quellen und Hoffnungen neuer Gestaltung unter europäischer Hilfe“ suchte. Offenbar teilte dieser die Ansichten des Schotten Urqhart, der als Gesandtschaftssekretär in Konstantinopel aufs entschiedenste für die Lebensfähigkeit des osmanischen Reiches eintrat. Gestützt auf so wertvolle Urteile wie das des Lords Brougham, der an eine Verjüngung der Türkei nicht glaubt oder das von Parish, der über die griechische Nationalversammlung sehr anerkennend spricht, legt Thiersch seine eigene Ansicht von der Entwicklungsfähigkeit der Neugriechen dar. Sie findet in dem aufblühenden Handel und Bildungswesen von Hellas eine stets wachsende Bestätigung. Der Orient geht einem neuen Schicksal entgegen; da die Großmächte infolge gegenseitiger Eifersucht und Furcht abgehalten werden, die Länder desselben durch unmittelbare Besetzung umzubilden, so müssen sie sich mit der Rolle der Beschützer begnügen und die entwicklungsfähigen Kräfte derselben ausnützen: „Hierin liegt die Hoffnung und die Zukunft, hierin die welthistorische Bedeutung der griechischen Nation.“ Daher fordert Thiersch mit aller Entschiedenheit den Schutz des jungen hellenischen Reiches. „Es gilt die unter europäischer Teilnahme begonnene Wiedergeburt der griechischen Nation zu sichern und durch sie zur Gestaltung des Orients und zur Festigung seiner Verhältnisse zu kommen, die erst dann vollendet ist und vollendet werden kann, wenn sie in ihr legitimes Erbe wieder eingesetzt und ihm anerkannt ist.“ Ein Jahr, nachdem Thiersch diese Zeilen geschrieben hatte, erschien aus der Feder von Helmut v. Moltke in der gleichen Zeitung ein Aufsatz: „Reschid, Izel und die Pforte.“331 Auf Grund eines vierjährigen Aufenthaltes in der Türkei, während dem er sich eine gründliche Kenntnis von Land und Leuten verschafft hatte, schreibt er im Hinblick auf die Schwäche des osmanischen Reiches, des326 Allgemeine Zeitung Nr. 237, 240, 245 und 246, 1.-3. Artikel, 25. und 28. August, 2. und 3. September. 327 Allgemeine Zeitung Nr. 355/356, 21. und 22. Dezember. 328 Allgemeine Zeitung Nr. 225-227, 12.-14. August. 329 Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 3. Februar 1840. 330 Allgemeine Zeitung, Nr. 43-45, 12.-14. Februar 1841. Vergl. Moltke „Zur orientalischen Frage“ in: Gesammelte Schriften und Denkwürdigkeiten, Bd. II, S. 314. 331 Gesammelte Schriften und Denkwürdigkeiten, Bd. II, S. 314, „Zur orientalischen Frage“.

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sen Fortbestand er nur dann für möglich hält, wen es auf naturgemäße Grenzen beschränkt wird: „Unserer Meinung nach ist die einzige naturgemäße, die einzige mögliche Lösung dieses Problems die Schöpfung eines christlich-byzantinischen Reiches zu Konstantinopel, dessen Wiederherstellung auf Hellas durch den Willen Europas ja schon begonnen hat. Wie man immer über den jungen griechischen Staat urteilen möge, niemand wird leugnen können, dass er ein werdender, vorwärtsschreitender, die Türkei aber ein sinkender, fast nur noch ein gewesener ist. Auf Hellas sind die Blicke der Griechen von Thessalien, Makedonien und auf den Inseln des Archipels gerichtet und es ist kein Grund vorhanden, weshalb selbst die slawische Bevölkerung Bulgariens sich lieber an eine russisch-griechische als an eine byzantinisch-griechische Kirche anschließen, lieber dem Zaren als dem Basileus gehorchen sollte.“ Schon 1841 hatte Moltke in einem Aufsatz der Allgemeinen Zeitung: „Militärisch-politische Lage des osmanischen Reiches“ seine Verwunderung darüber ausgesprochen, dass Österreichs nichts tut, den deutschen Einfluss am Balkan zu verstärken, obwohl doch die Verhältnisse für deutsche Kolonisation so günstig lägen. An den Ufern der stolzen Donau würde deutsche Sprache erklingen, deutsche Sitte wohnen von den schwäbischen Bergen bis zur Mündung der Sulina.“332 Österreichs Schwert wird einst hier in die Waage der Entscheidung geworfen werden.“ Im Dezember 1839 hatte Prokesch mit Metternich in Wien jene merkwürdige Unterredung, deren Verlauf der Graf333 festgehalten hat. Er wünschte besonders die Meinung des Ministers über die ägyptische Angelegenheit zu hören, die im engen Zusammenhange mit der orientalischen Frage überhaupt standen. Metternich kam auf die Türkei zu reden: „Es gibt Staaten und Individuen, die niemals gesund sind. Die Türkei ist ein solcher Staat.“ „Mein Plan ist gefasst, Konstantinopel darf nur griechisch werden.“ Auf die Frage des Gesandten: „also auch alles Land zwischen Athen und Konstantinopel“, fuhr jener fort: „Alles so weit die griechische Sprache herrschend ist. Athen muss nach Konstantinopel übertragen werden.“ Prokesch: „Das hofft der König und hofft auf uns. Ich habe ihm diese Hoffnung nie nehmen oder mindern wollen. Was ich ihm sagte, war deshalb immer: „Werden Sie stark in sich; bilden Sie einen achtungswerten Kern; das ist das sicherste Mittel, um nach Konstantinopel zu gelangen.“ Metternich: „Da haben Sie recht getan. Den König nehme ich auf Ihr Wort, auf Ihre Verantwortung.“ Es trat also das eigentümliche Verhältnis ein, dass eben der Mann, den einst Thiersch als einen der gefährlichsten Feinde des griechischen Freiheitskampfes angegriffen hatte, es jetzt in der Krise des Orients ehrlich mit den Griechen meinte.334 Zur Erreichung so weitgespannter Ziele, fährt Thiersch in seinen Be332 Moltke, Gesammelte Schriften, Bd. II, S. 309. 333 Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch-Osten, Bd. II, S. 184. 334 Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch-Osten, Bd. II, S. 169 „Zu den ganz eigenen Verhältnissen meines öffentlichen Lebens gehören unbedingt die vereinten Aufforde-

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trachtungen fort, ist es freilich wünschenswert, dass die diplomatischen Posten Russlands und Englands in Athen mit Männern besetzt werden, die eine wohlwollende Politik treiben. Die französische Regierung zeichnete sich bereits durch ihren Philhellenismus aus. Drei Maßregeln, denen Österreich und Preußen keinen Wiederstand leisten werden, können allein durch die Vermittlung der Konferenzmächte geordnet werden: 1. die Feststellung des Verhältnisses zwischen der Türkei und Griechenland, 2. die Ordnung der kirchlichen Verhältnisse, indem ein Einverständnis zwischen den Synoden von Athen und Konstantinopelangebahnt wird und 3. die Errichtung einer griechischen Nationalbank aus den Überresten des Anlehens von 60.000 fr; denn nur durch Befestigung des Kredits und Herabsetzung des Zinsfußes kann sich der Nationalwohlstand voll entwickeln. Den Schluss des Artikels bilden zwei außerordentlich wichtige Forderungen: stärkere Pflege des Unterrichtswesens und die definitive Konstituierung des Reiches, wie sie die Erklärung der drei Mächte verkündete. Der gegenwärtige Zustand ist nämlich unhaltbar, jetzt hat Griechenland freie Munizipalverfassung im Grund, freie Presse und Geschworenengerichte in der Mitte und unbeschränkte und unkontrollierte Gewalt im Gipfel. Die Regierung muss zeigen, dass sie hier Ordnung schaffen will, aber man soll ihr auch Zeit lassen. Zwar erfüllt das rücksichtslose Drängen des englischen Gesandten auf Gewährung einer Verfassung und die ablehnende Haltung Russlands in dieser Frage den Philhellenen mit Besorgnis; allein hoffnungsfreudig schließt er: „Die Regierung und das Land schreiten vorwärts; sie ist dem Stande nahe, wo sie aus eigenen Mitteln die Bedürfnisse decken und ihren Pflichten nachkommen kann. Wird Griechenland von den Mächten unterstützt, wird es ein Hort der Zukunft des Orients und der Europäischen Sicherheit werden.“ Nicht ohne tiefes Mitgefühl kann man diese Ausführungen lesen; fast nichts von dem, was Thiersch im Interesse der ruhigen inneren Entwicklung des Landes forderte, ging in Erfüllung; nur die am 30. März 1841 gegründete Nationalbank begann mit einem Kapital von 5 Millionen fr. ihre Operationen.335 Die Folge war die Revolution des 15. September 1843, ein wildes Kämpfen der Parteien um Einfluss, ein fast verzweifeltes Ringen gerade der besten Männer wie Kolettis, die vor allem durch Englands Schuld stets wachsende Finanzmisere zu beseitigen. Bereits im Juli 1841 begann Thiersch „Die anatolischen Miszellen336 zu veröffentlichen, bestimmt durch Gerüchte über die Absicht der Großmächte, die Verfassungsfrage in Griechenland zu lösen, sowie durch die Vorgänge im Orient. Er bespricht die Wünsche der führenden Männer Griechenlands in dieser wichtigen Angelegenheit und den trefflichen Vorschlag des französischen Mirungen des neuen Griechentums Bayerns und Englands, dass wir – die alten verschrieenen Hellenophagen – uns des armen Wesens annahmen.“ 335 Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S.660. 336 Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 185, 1. Juli; Nr. 189, 8. Juli; Nr. 205, 24. Juli; Nr.230, 18. August; Nr. 256, 13. September; Nr. 257, 14. September.

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nisterpräsidenten Guizot, der eine Erweiterung der Rechte des Staatsrates anregte, schildert die Bewegungen auf Kreta, in Thessalien, Makedonien und Bulgarien und findet als Ursache das Verlangen der Christen sich von der Türkei loszumachen. Im September sieht er Griechenland infolge dieser Aufstände und Mehemed Alis Niederlage aufs tiefste erschüttert und betont vor allem die ungeheuere Aufregung, die Englands Haltung überall hervorrief, indem es die Flüchtlinge von Kreta nach Griechenland zurückschaffte Die Regierung war in grausamster Verlegenheit eingepresst zwischen ihren Gefühlen und der Europäischen Politik. Diese Charakteristik des Gelehrten entspricht der tatsächlichen Lage; die Großmächte hatten, nachdem in Europa der Philhellenismus erstorben war, den Grundsatz aufgestellt, die Pforte dürfe nicht weiter geschwächt werden: der eben im Orient geschaffene Friedenszustand sollte nicht von neuem gebrochen werden. Daher verhinderten sie die griechische Regierung, die gegen die Türken gerichteten Aufstandsbewegungen zu unterstützen.337 Infolge jener kriegerischen Vorgänge drohte bei Beginn des Jahres 1842 zwischen der Pforte und Griechenland der Ausbruch des Krieges; schon sammelten sich türkische Truppen in Thessalien und Makedonien, die Flotte segelte nach Volo. Deshalb veröffentlichte Thiersch im Januar zwei Artikel: „Griechenland und die Türkei.“338 Nach seiner Meinung handelt es sich bei dieser Krisis um das Schicksal Griechenlands und der ganzen griechischen Bevölkerung; im Hintergrund sieht er den europäischen Krieg stehen. Die wichtigsten Beschwerdepunkte der Pforte über die Angriffe in Thessalien, Makedonien und Kreta entschuldigt er mit dem Hinweis, dass die griechische Regierung zwar alles vermied, jene Unternehmungen aufzumuntern, aber durch die Anleihelast bedrückt und mit den schwierigsten Aufgaben der inneren Verwaltung beschäftigt, eine Kriegsmacht gar nicht aufstellen konnte, um alle inneren Bewegungen niederzuhalten. Ohne Kreta, Epirus und Thessalien sei es eben zu schwach, sich selbst zu schützen. Frankreich habe in richtiger Erkenntnis dieser Lage die Einverleibung jener Länder beantragt, sei aber an dem Widerstand der anderen Mächte gescheitert. Thiersch entgeht, dass das „Comité Oriental“ in Paris, das die Vergrößerung Griechenlands anstrebte, unter dem Schutze der griechischen Regierung überall die Vorbereitung zum Umsturz des türkischen Reiches trag. Mit größter Sorge berichtete Prokesch an Metternich über den wachsenden französischen Einfluss in Athen, der im „Innern den König in Abhängigkeit von Parteileuten zu bringen droht und nach außen ihn gegen alle Mächte und vor allem gegen die Pforte immer tiefer zu kompromittieren sucht,“ und er schließt: „Gebe Gott, dass nicht der gewaffnete Aufstand dem König und Bayern, wenn

337 Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 666-667; Stern, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 334. 338 Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 15, 18 und 19.

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es zu spät ist, beweise, wohin der Weg führt, den heute die Regierung unter der Leitung Frankreichs geht.“339 Ferner fragt Thiersch nach den Gründen, die die Türkei zu ihrem Vorgehen bestimmten und findet sie in der nach dem Tod Mehmeds II eintretenden Reaktion, indem die Alttürken, wie er glaubt, als ihre wichtigsten Aufgaben Herstellung der alten Ordnung und der Vorrechte der Gläubigen, sowie die rücksichtslose Bekämpfung aller Gegner; also auch Griechenlands betrachteten. Hier irrt Thiersch; gerade Abdul Medschid, der 1839 Mahmuds Nachfolger wurde, bot 1840 den Griechen einen außerordentlich günstigen Handelsvertrag, der jedoch zur allgemeinen Überraschung von der Regierung in Athen verworfen wurde.340 Mahmuds Werk war mit ihm nicht begraben, sondern eröffnete dem mit dem Untergang bedrohten Reiche eine, wenn auch nicht immer glückliche Zukunft.341 Der Ausbruch des Krieges, den Thiersch so sehr gefürchtet hatte, wurde mit Mühe vermieden. Griechenland, das im März 1842 Maurokordatos als Gesandten nach Istanbul schickte, musste sich fügen. Im November des gleichen Jahres bekämpfte Thiersch durch einen Artikel „Das anatolische Verhängnis“342, in dem die Leistungen des neuhellenischen Volkes geschildert werden, Fallmerayer, der an der Realisierung eines großen Slawenreiches glaubt. Der Dezember brachte endlich noch eine „Politische Überschau im Herbst 1842, IV. Griechenland“.343 Hier hebt Thiersch besonders hervor, offenbar wieder gegen den Fragmentisten polemisierend, dass auf der Balkanhalbinsel eine orthodoxe neuhellenische Macht im Entstehen ist, die nicht nach Russland, der Leibeigenschaft und dem Absolutismus, sondern nach dem Abendland, der bürgerlichen Freiheit und der höheren Bildung gerichtet ist. Auf das innerliche Erstarken Griechenlands hinweisend formuliert er die drei Forderungen: 1. Europa muss Russland abhalten, sich der Türkei zu bemächtigen, da Griechenland zu schwach ist, 2. die Konferenzmächte müssen ihren Schützling mit größerem Wohlwollen behandeln durch einen Wechsel der Gesandten Englands und Frankreichs, 3. Europa muss es geschehen lassen, dass zwischen der Türkei und den Neuhellenen die Dinge sich naturgemäß entfalten. Diese Endwicklung drängt aber nach seiner Überzeugung auf eine allgemeine Erhebung der christlichen Bevölkerung Thessaliens4a, Makedoniens und Bulgariens sowie auf die Eroberung Konstantinopels hin. Am 15. September 1843 brach jene aufsehenerregende Revolution in Athen aus, durch die König Otto genötigt wurde, seinem Volke die lang vorenthaltene Verfassung zu gewähren in dem Augenblick, da das bayrische Hilfskorps abge339 340 341 342 343

Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch, Bd. II, S. 228-229. Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 665. Geschichte des osmanischen Reiches, Bd. I, 1913, S. 387-388. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 332/333/334, 28. – 30. November 1842. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 346/347, 12. und 13. Dezember. 4a Thessal. Wanderungen 1842.

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lohnt und heimgesandt wurde und die Schutzmächte einen rücksichtlosen finanziellen Druck ausübten. Angesichts dieses folgenschweren Ereignisses durfte Thiersch nicht schweigen. Im November erschien ein Artikel: „Die gegenwärtige Lage von Griechenland“.344 Zunächst galt es wiederum gegen Fallmerayer Stellung zu nehmen; denn dieser sah in der Revolution des 15. September die Lehre seiner Schriften bestätigt; eine solche Wendung der Dinge führe nur als Übergangsphase von dem Konstitutionslärm zu einem ganz anderen Ziel und sie müsse dazu führen, weil „das byzantinische Griechenland dem occidentalischen Geist und seinen Schöpfungen seinem innersten Organismus gemäß schnurstracks widerstrebe und naturnotwendig von dem romanisch-germanisch gebildeten Westen Weg nach dem stamm- und glaubensverwandten Moskowiterreich hinstrebe.“ Siegesgewiss weist Thiersch diesen Ausführungen gegenüber auf ein Ereignis der letzten Wochen hin: Zographos, das Haupt jener Partei, welche die Bewegung des 15. September weiterführen und den König entfernen wollte, hatte bei der Abfassung der Eidesformel für den konstitutionellen Thron in der Vorschrift den Namen des Königs absichtlich weggelassen. Allein nur 3 Gemeinden leisteten den Eid in dieser Form, während 143 Gemeinden dem Throne Ottos Treue schwuren. Darin sieht Thiersch „die neueste, unverdächtigste und allgemeine Manifestation des eigentlichen Volkes von Griechenland“; es will eine Verfassung und einen abendländischen König. Tatsächlich hatten die „Napisten“, die russisch-korfiotische Partei, die entweder mit einer freiwilligen Abdankung Ottos oder durch ihre Majorität mit seinem Sturz in der Versammlung rechnete, nur halb gesiegt. „Otto dachte nicht an Abdankung, so sehr bald der Hauptvorteil der Bewegung aus den Händen der Napisten in die der ehrlichen Freunde eines griechischen Verfassungslebens hinüberglitt.“345 Nach der Kontroverse mit Fallmerayer gibt Thiersch eine Schilderung der durch die Revolution und den Kampf der Parteien entstandenen Verwirrung und fasst dann sein Urteil über die Lage dahin zusammen: „Das dringendste Gebot des Augenblicks ist ein dem Lande wohlgesinntes und möglichst in Übereinstimmung handelndes diplomatisches Korps in Athen;“ auf jede Weise fördere man die Partei, die König und Verfassung will, und versuche den Kongress in ihrem Geist zu führen; „Erst wenn der Thron auf der Grundlage des öffentlichen Rechtes neu befestigt, der König in das ihm durch Verfassung zu bestimmende Ansehen gesetzt, die Regierung in Übereinstimmung mit der neuen Ordnung der Dinge gebracht ist, wird man imstande sein, die Frage des Anlehens, seine Verzinsung und Heimzahlung wieder anzuregen und in einer Weise durchzu344 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 319 und 320, 15. und 16. November 1843. 345 Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 672; Stern, Geschichte Europas, Bd. VI, S. 335, lässt es unentschieden, ob Prokeschs Argwohn, den er in seinen Berichten an Metternich aussprach, dass „das wahre und eigentliche Ziel“ der Verschwörung „die Austreibung der bayrischen Dynastie gewesen“ sei, begründet ist. S. a.: Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch II, S. 239 ff.

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führen, dass dadurch das Land nicht in neue Verwirrung und Unmöglichkeit gestürzt wird“. Thierschs Wunsch bezüglich des diplomatischen Korps ging in Erfüllung. Die Gesandten der Westmächte, Lyons und Piscatory, begünstigten auf jede Weise die Verfassungsfreunde, Prokesch, einem Rat Metternichs folgend, aus dem Schiffbruch zu retten, was zu retten ist, wirkte nach Kräften dahin, den König und die einflussreichsten Männer zusammenzuführen „gegen die abstrakten Konstitutionstheorien, gegen das Kopieren fremder Konstitutionen und für eine aus den Bedürfnissen des Landes hervorgehende praktische Verfassung.“346 Der Zar griff nicht erschwerend in den Gang der griechischen Angelegenheiten ein, obwohl er die Haltung seines Gesandten aufs schärfste verurteilte und ihn abberief.347 Die schlimmsten Verwicklungen dagegen entstanden dadurch, dass namentlich England und Russland in der Frage des Anlehens einen den Interessen Griechenlands widersprechenden Standpunkt vertraten. In einem zweiten Artikel348 kommt Thiersch auf die Verfassungsfrage zu sprechen. Für ihn steht es fest, dass in dem Ereignis des 15. September eine politische Notwendigkeit zum Ausdruck kam, die dem kundigen Beobachter von Anfang an nicht verborgen war; eine geschichtliche Darstellung der Entwicklung seit Kapodistrias Ermordung dient zur Erläuterung dieser Ansicht. Aus dem Etat führt Thiersch seinen Vorschlag an, einen doppelten Rat zu bilden, einen königlichen und nationalen, betont aber zugleich, es sei fraglich, ob der Kongress sich mit jenem bescheidenen Maß politischer Rechte begnügen werde. Daher scheint es ihm desto nötiger, die im Kongress zusammentretende Nation daran zu erinnern, dass Griechenlands Schicksal in ihrer Hand liegt und dass durch Schwächung der Monarchie die öffentliche Freiheit ihrer festesten Stütze beraubt wird. Es ist die Meinung Prokesch-Ostens, der, nachdem der 15. September nicht ungeschehen zu machen ist, daraufhin arbeitet, die Konstitution zu einer monarchischen zu machen und die Deputierten in diesem Sinne beeinflussen.349 Bald nachdem jener Artikel geschrieben war, wurde am 30. November 1843 die sechste Nationalversammlung in feierlicher Weise eröffnet. Im Februar des folgenden Jahres setzte Thiersch seine Besprechung über „Die gegenwärtige Lage Griechenlands“350 fort. Interessante Bilder der um die leitenden Männer Metaxas, Maurokordatos und Kolettis gescharten Parteien ziehen am Leser vorüber. Als größte Gefahr im Innern erhebt sich unter der Führung des Rhigas Palamidis eine neunationale Partei, die Moskomangas, die rücksichtslos die Monarchie bekämpfte In besonderen Artikeln werden die Hauptfragen des Kongresses besprochen. Der Aufsatz „Die Verfassung und die Kirche“351 er346 347 348 349 350 351

Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch, Bd. II, S. 258. Stern, Geschichte Europas, Bd. VI, S. 336. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 325-326, 21. und 22. November 1839. Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch, Bd. II, S. 261-262. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 34 und 36, III, 3. und 5. Februar 1844. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 58-61, 27.-29. Februar und 1. März 1844.

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möglicht einen Blick in die heftigen Debatten über den Verfassungsentwurf. Die Verfassung hält Thiersch für zu stark republikanisch und allzu sehr der belgischen angenähert. Schart kritisiert er das Verlangen des Kultusministers Schinas, es solle wie die dogmatische auch die kanonische Einigung der Kirche von Griechenland ausgesprochen werden, während die Kommission beschlossen hatte, den seit 10 Jahren bestehenden Zustand beizubehalten, ohne eine künftige Verständigung mit Konstantinopel aufzugeben. Thiersch glaubt, dass durch diese Forderung die politische Unabhängigkeit der griechischen Kirche bedroht wird, weil nach den Kirchensatzungen Griechenland ein Teil der Erzdiözese des Patriarchen von Konstantinopel ist. Da nach dem ihm gesandten Mitteilungen die Debatte mit einem Sieg der streng kirchlichen Partei endigte, stellt er besonders die Frage, was wird geschehen, wenn auf Grund dieses Beschlusses der Patriarch sein Recht auf die griechische Kirche geltend macht und dabei von einer Macht unterstützt wird? Tatsächlich erlitt der streng orthodoxe Kultusminister, der Führer der Napisten, eine gewisse Niederlage; der nach langen Verhandlungen angenommene Kompromissantrag Maurokordatos, wonach formell die kanonische Einheit mit Konstantinopel anerkannt, aber ausdrücklich die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der hellenischen Kirche festgehalten wird, zeigt, dass Thierschs Befürchtungen in den Kreisen der leitenden Minister geteilt wurden.352 Mit lebhafter Sorge betrachtete endlich der Gelehrte Schinas Forderung, dass nicht nur der Proselitismus, sondern auch jedes andere Einschreiten gegen die herrschende Kirche verboten werden; er befürchtet nämlich, dass nach Annahme dieses Vorschlages in Griechenland künftig keine Lehre sich auch auf naturwissenschaftlichem Gebiet verbreiten kann, wenn sie der stereotyp gebliebenen orthodoxen Ansicht widerstreitet. In der Frage der „Autochtonen“353 fasste der Kongress den von Thiersch mit Recht scharf getadelten Beschluss, der fast alle nicht auf griechischem Boden geborenen Leute von den öffentlichen Ämtern ausschloss; Thiersch erklärt ihn aus dem Egoismus der auf dem Kongress in so großer Zahl vertretenen Zehentpächter und aus dem Hass gegen die Fanarioten. Die königliche Macht scheint ihm zwar im Ganzen nicht geschwächt, doch findet er einzelne Bestimmungen, namentlich die Zulassung weiblicher Nachfolge und die über die Religion des Thronfolgers fehlerhaft und bedenklich.354 Ein siebter Aufsatz355 über „den Senat, das Ende des Kongresses und die neue Schwierigkeit“ schließt die Serie. Mit Genugtuung kann Thiersch an Auszügen aus seinem De l’Etat feststellen, dass der Verfassungsentwurf der leitenden Staatsmänner über die Zusammensetzung und Amtsdauer der Senatoren im wesentlichen mit seinen Vorschlägen 352 353 354 355

Hertzberg, Geschichte Griechenlands, B. IV,, S. 676. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 5. Aufsatz, Nr. 87-89, 27, 28. und 29. März 1844. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 6. Aufsatz, Nr. 93, 2. April 1844. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 48, 27. April 1844.

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übereinstimmt; aber bedauernd muss er hinzufügen, dass namentlich durch den Einfluss des englischen und französischen Gesandten ein Vorschlag, Senatoren auf Lebenszeit zu ernennen, Annahme fand; dadurch wurde nicht nur die Gefahr heraufbeschworen, dass sich in den angesehenen Familien des Landes Parteien bilden, die der Regierung wie dem Volk gleich gefährlich sind, sondern auch Metaxas veranlasst auszuscheiden, indem der König wohl Kolettis und Maurokordatos, aber nicht ihn um Rat ersuchte. Wer sollte jetzt die Leitung des Ministeriums übernehmen? Maurokordatos, von Lyons unterstützt, glaubte stark genug zu sein, diese Aufgabe zu lösen. Allein schon im August 1844 musste er sein Werk als völlig gescheitert ansehen. Thiersch entwirft in vier Aufsätzen356 im Juli und August ein durch Forschung357 in allen wesentlichen Zügen bestätigtes Bild von der Tätigkeit dieses Ministeriums, von den Schwierigkeiten, die es durch die Angriffe der russischen Partei fand, von den verzweifelten Versuchen die neuen Wahlen zu beeinflussen und den dadurch hervorgerufenen Gegenbewegungen. Angesichts dieser schweren Wirren setzt er seine ganze Hoffnung auf den König, dessen vermittelnde Tätigkeit von allen Parteien anerkannt wird. In den zahlreichen Versuchen vieler Gemeinden, selbst wieder die Ordnung herzustellen, sieht er den besten Beweis gegen die immer wieder auftauchenden Anklagen Fallmerayers, der nur im russischen Absolutismus das Heil des Landes findet. Der Sturz Mavrokordatos brachte Thiersch Freund Kolettis, das Haupt der französischen Partei, an die Spitze des Ministeriums. Er sah sich in einen Kampf auf Leben und Tod mit England verwickelt. Ihn dabei durch Aufklärung der öffentlichen Meinung zu unterstützen wurde der Hauptzweck der literarischen Tätigkeit von Thiersch während der Jahre 1845-1847. Im April 1845 veröffentlichte er drei Artikel über „Die Lage von Griechenland“358; eingehend schildert er die Schwierigkeiten, die das neue Ministerium zu überwinden hatte, die Beruhigung des Landes, die Konstituierung der Kammern und die Anerkennung des Senats. Kolettis Gesetzentwürfe werden durch Auszüge aus seinen Reden erläutert. Denn schon hatte sich der verhängnisvolle Einfluss des englischen Gesandten Lyons, der über Maurokordatos Niederlage aufs tiefste erbittert war, bei der Adressdebatte in einem gänzlich verfehlten Verstoß des gestürzten Ministers geltend gemacht. In welch’ unglaublich rücksichtsloser Weise Lyons in Athen auftrat, zeigen die eingehenden Berichte359 Prokesch-Ostens an Metternich, entblödete jener sich doch nicht, der Königin mit einem anderen 15. September zu drohen. „Vor dem Wunsche Kolettis zu werfen“, heißt es am 21. Februar, „weicht bei Lyons jede Rücksicht und ich fürchte, er sieht heute keinen anderen Ausweg als die Anarchie herbeizuführen, um sie Kolettis in die Schuhe zu schieben.“ Spottend fragt Thiersch gegenüber 356 357 358 359

Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 183-184 und Nr. 227-228. Schmeidler, Geschichte des Königreichs Griechenlands, 1877, S. 1-72. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 105-107, 15.-17. April 1845. Aus dem Nachlass Prokesch-Ostens, Bd. II, S. 291 ff.

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Peels anerkennenden Äußerungen im englischen Parlament: „Lyons hat den Beweis geliefert, dass wichtige Angelegenheiten eines großen Staates auch den Händen eines Seeoffiziers anvertraut werden können: „Wir möchten erfahren, welches die wichtigen Angelegenheiten seines großen Vaterlandes in Griechenland seien, die er in einer Weise, die ihn dieses Lobes würdig machten. Der treffliche Seemann hat das Schiff der englischen Interessen unter den Griechen in die Klippen hineingesteuert, in denen es mit Mann und Maus, mit Mavrokordatos und Trikupis, mit Griffits und Church sozusagen gescheitert ist.“ Die Aufsätze im Mai: „Die neuen Verwicklungen in Griechenland“360 sind ein flammender Protest gegen das unverantwortliche Treiben der Anhänger Maurokordatos und Lyons, die im Innern des Landes Aufstände anzettelten und durch falsche Berichterstattung in Konstantinopel zum König gegen Griechenland hetzten, um die gänzliche Unfähigkeit des leitenden Ministeriums zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Führung der Geschäfte zu beweisen. Die Times, die Morning Post, die Chronicle Times bezeichneten die gegenwärtige Provinzialverwaltung Griechenlands als „Straßenraub“ und die Regierung Kolettis „als eine tägliche Aufreizung der Türkei und eine Aufmunterung zu Plünderungsangriffen auf die türkischen Grenzprovinzen.“ Mit Recht brandmarkt Thiersch jene Versuche als einen Verrat an Thron und Altar und diese Zeitungsberichte als „maßlose und gewissenlose Schmähungen, welche alle Tatsachen ins Gesicht schlagen.“ Er stellt ihnen umfangreiche Auszüge aus dem Moniteurgrec, dem amtlichen Organ der griechischen Regierung, gegenüber, wo die Pforte auf die Unvorsichtigkeit ihrer Maßregel, an der griechischen Grenze Truppen anzuhäufen, hingewiesen und davor gewarnt wird, durch Verletzung des griechischen Nationalgefühles einen in seinen Folgen unabsehbaren Konflikt heraufzubeschwören. Für beide Mächte gäbe es nur einen ihren Interessen entsprechenden Vorschlag durch Abschluss eines Bündnisses sich an die Spitze der orientalischen Bewegung zu stellen; sonst sei zu befürchten, dass die türkisch-griechische Eifersucht durch eine unermessliche Täuschung endige, vor der Athen und Konstantinopel bedroht werde. Thiersch sieht in diesen Ausführungen des Moniteurs einen Hinweis auf die drohende Übermacht Russlands und glaubt daher, dass Lyons törichte Politik seit dem Sturz Maurokordatos die höchsten und dringendsten Interessen Englands aufs Spiel setzt. „Mit Bestimmtheit lässt sich voraussagen,“ – so schließt er – „dass im Fall die notwendig gewordene Änderung in der Politik von England gegen Griechenland und der sie vertretenden Agenten nicht beizeiten eintritt, diese Politik auch in Zukunft sich als die Büchse der Pandora bewähren wird, aus der alle Leiden und Unfälle für Griechenland hervorgehen werden und es ist die Frage, ob es nicht sogar verwehrt sein wird von ihr wie in dem alten Gedicht zu sagen: „Nur die

360 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 141-144, 21.-24. Mai 1845.

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Hoffnung blieb noch zurück auf dem Grunde des Gefäßes. Denn die Hoffnung geht, wie bekannt mit dem Leben zu Grund.“ Thierschs Erwartung ging nicht in Erfüllung; vielmehr nötigte ihn die Stellungnahme Lord Aberdeens zur griechischen Frage im Juni den leidenschaftlichen Artikel zu veröffentlichen: „A bad, a very bad minister“ oder „Die Entwirrung des neuesten griechisch-türkischen Knäuels.“361 Gerne erkennt er an, dass durch die ruhige Haltung der griechischen Regierung und namentlich auch durch die Bemühungen Frankreichs das Misstrauen der Pforte zu schwinden beginnt. Doch Lord Aberdeens Äußerung im Parlament: „Man könne König Otto nicht hindern, sich einen schlechten, sehr schlechten Minister zu wählen“, versetzt ihn in die tiefste Erregung; denn er sieht darin einen in der diplomatischen Welt unerhörten Angriff auf den leitenden Staatsmann einer mit England in freundlichem Verkehr stehenden Macht sowie auf den jungen hart geprüften Monarchen. Noch größer wird Aberdeens Schuld durch die Tatsache, dass er jene Äußerung machte, obwohl er sich bereits von der Unhaltbarkeit der Vorwürfe gegenüber Griechenlands Stellung zur Pforte überzeugt hatte. Die Nichtberufung Lyons kann sich Thiersch nur so deuten, der Minister billigt die Haltung seines Gesandten. Eine interessante Beleuchtung finden diese Verhältnisse durch Prokeschs Berichte362 an Metternich; König Otto und seine Gemahlin beklagten sich bei dem Grafen, dass Lyons ganz eigentlich das Zentrum einer Verschwörung gegen die Person des Königs sei, und wandten sich an den König von Preußen um Unterstützung bei Lord Aberdeen. Von der Opposition heißt es: „Wo es einen Schmutz gibt, steht ein englische Agent dabei; der Truppe wird Aufruhr gepredigt, Unordnungen werden, wo es nur immer möglich, erzeugt, die verderblichsten Gerüchte verbreite, alle Tage schlägt irgend eine Intrige los.“ Kolettis soll z. B. den Plan haben, die Konstitution zu stürzen. „Der König, weil er seine konstitutionelle Pflicht tut, wird gefoltert, und die Missionen von Österreich, Preußen und Bayern, weil sie dem König und nicht der englischen Aktion helfend zur Seite stehen, werden als die Werkzeuge finsterer, tyrannischer Höfe hingestellt und ihnen mit der frechsten Unverschämtheit die absurdesten Absichten unterlegt.“ Der zweite Teil des Aufsatzes entwirft ein sorgfältig ausgearbeitetes Bild der Tätigkeit von Kolettis. An einzelnen Beispielen zeigt der Gelehrte, wie lächerlich die Oppositionsblätter jede Handlung des Ministers entstellten, um ihn beim rechtgläubigen Volk verhasst zum machen. Das in den offiziellen Blättern veröffentlichte Budget gibt ihm willkommenen Anlass zu entwickeln, wie Kolettis den erzielten Überschuss von 1 ½ Millionen Drachmen sowie die sichere in Aussicht stehende jährliche Mehrung der Einnahmen teils zur Förderung wichtiger Kulturaufgaben, teils zur Regelung einer sachgemäßen Verzinsung und Heimzahlung des fremden Anlehens benutzen will. Diesen Tatsachen, die zur Genüge die Unhaltbarkeit der Angriffe der Opposition gegen den griechi361 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 177-178, 26. und 27. Juni 1845. 362 Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch-Osten, Bd. II, S. 290-297, 20. Juli 1945.

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schen Ministerpräsidenten beweisen, fügt Thiersch mit bitterem Spott bei: „Es bleibt also dabei: Herr Kolettis is a very bad minister! Und Sie Eden Lyons a very distinguished and accomplished representant of the English interests at Athens.” Endlich weist er den Lord darauf hin, er werde bald noch mehr Ursache haben mit Kolettis unzufrieden zu sein; denn dieser werde und könne niemals die Übereinkunft der Mächte vom 2. September 1843 anerkennen, wonach zum Zweck der Heimzahlung der Anleihe jeder der drei Mächte jährlich 1 Million auf Zehnten und Zöller angewiesen werden solle. Im August ließ Thiersch einen Aufsatz363 folgen mit dem Titel: „Griechische Zustände“; vor allem zeigt er die ernsteste der neuen Schwierigkeiten, das Überhandnehmen des Räuberwesens, namentlich infolge der Hetzereien der Opposition und den Versuch Kolettis durch einen strengen Gesetzesentwurf dem Unfug ein Ende zu machen. Die daraufhin getroffenen Einrichtungen bewährten sich.364 Da inzwischen eine englische Stimme365 in Frankfurt Lord Aberdeen gegen Thiersch in Schutz genommen hatte, so veröffentliche der Gelehrte zwei Aufsätze über „griechische Interessen“,366 worin er in überzeugender Weise sein Urteil nicht nur aufrechterhält und hervorhebt, dass der Minister selbst bei der Wiederkehr der Debatte am 31. Juli erklärte, es komme ihm nicht zu, den Charakter des griechischen Chefministers zu tadeln, sondern auch einen scharfen Vorstoß gegen Palmerston macht, der sich jetzt nicht „entblöde, das Organ des englischen Agenten zu werden“, nachdem durch seine Schulz seit 12 Jahren der englische Name in Griechenland verhasst ist, und Kolettis als „den Verderber und Vertreter der Verfassung“ zu schildern. Als von London eine Note kam, die den dritten Teil des von Kolettis Ministerium in Aussicht gestellten Überschusses für die Zinszahlung beanspruchte, trat nach Thierschs Meinung das Ministerium seines Freundes in einen neue Phase ein; daher beleuchtete er die dadurch geschaffene Situation in einem Aufsatz: „Die Lage von Griechenland, leidenschaftliche Fehden der griechischen Journale. Das Ministerium und die Kammern.“367 Auszüge aus den ministeriellen Blättern und denen der Opposition werfen bedeutsame Streiflichter auf den in Athen tobenden Kampf, den Kolettis ruhig zusah. „Ich höre, dass es 20 Blätter sind, die gegen mich schreiben“, – äußerte er einem Fremden gegenüber; - „es macht nichts aus, wenn ihrer auch vierzig werden.“ Auch Prokesch-Osten berichtet: Kolettis ist gleich ruhig wie immer.“368 Daran schließen sich höchst interessante Mitteilungen aus den Kammerdebatten, namentlich aus der glänzenden Rede, die Kolettis über die Bedeutung der Universität hielt, als man ihm notwendige augenblickliche Einsparungen zum Vorwurf machte sowie wichtige Auszüge 363 364 365 366 367 368

Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 215, 3. August 1845. Schmeidler, Geschichte des Königreichs Griechenland, S. 175. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 214, 2. August 1845. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 230-231, 18. und 19. August 1845. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 328-329, 24. und 25. November 1845. Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch, Bd. II, S. 298.

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aus den Regierungsblättern, welche die übertriebenen Schulanträge der Opposition tadelten. Zum Schluss kann Thiersch mit Befriedigung feststellen: „Das Ministerium hat das Vertrauen des Königs, die Majorität der gesetzgebenden Gewalt, die Zustimmung des Landes und geht unter der überlegenen Leitung seines großen Chefs den ihm vorgezeichneten Weg, im ganzen nicht ohne Erfolg.“369 Im Dezember berichtete er noch in einem kurzen Artikel von dem aufsehenerregenden Schritt Lyons, der offenbar im Auftrag seiner Regierung die Häupter der Opposition darauf hinwies, dass England in Griechenland keine englische Partei haben wolle.370 Am 22. Dezember 1845 wurden die Kammern wieder eröffnet. Bald gestaltete sich die Lage des Ministeriums so, dass Thiersch einen Artikel über „die Lage in Griechenland“371 erscheinen ließ: sehr richtig charakterisiert er darin die neuen Schwierigkeiten: neben der Spaltung nach den Parteien der drei Schutzmächte machte sich eine solche nach den Inseln, dem Festland und dem Peloponnes geltend und Männer dieser drei Reichsteile wünschten Eintritt in das Ministerium; die Lebenslänglichkeit der Senatoren rief bedeutsame Missstände hervor; dazu kam die Uneinigkeit der Diplomaten. Trotzdem waltete Kolettis ruhig und zähe seines Amtes. Thiersch gibt eine eingehende Charakteristik des leitenden Ministers, das schönste Zeugnis der Freundschaft, die ihm mit dem so sehr mit Unrecht angefochtenen Mann verband. Er rühmt die Sicherheit und Zweckmäßigkeit seines Verfahrens, die imponierende Gewalt, den mit Milde gepaarten Ernst seiner Persönlichkeit, die schlichte Offenheit eines klaren Verstandes, die überwältigende Kraft seiner Rede. Der Einfluss des seltenen Mannes wird noch gesteigert durch seine edle Gestalt, das im Affekt lebhaft Minenspiel und die Anmut und Stärke seiner zu Herzen dringenden Stimme. Auch bei der heftigsten Erregung der Gemüter steht er wie der erfahrende Pilot am Steuer. Als besten Beweis für die Richtigkeit seiner Auffassung gibt Thiersch Auszüge aus jener prachtvollen, dreieinhalbstündigen Rede, durch die Kolettis bei den Adressdebatten einen vollständigen Sieg über die Opposition errang, nachdem dieselbe die Lage des Landes in den schwärzesten Farben geschildert und dem Ministerium die Notwendigkeit der Abdankung nahegelegt hatte. Einstimmig wurde die Adresse angenommen und die Geschäfte wickelten sich rasch ab.372 Allein in die Freude über den Sieg des Freundes mischt sich am Schluss des Artikels die Sorge; denn durch die Rückforderung des Anlehens ist in die Finanzlage eine große Schwierigkeit gekommen. Diese wichtige Angelegenheit behandelt er im Mai in zwei Aufsätzen: „Das griechische Budget und die englischen Forderungen.“373 Vor allem bekämpft er 369 Die in einem 2. Artikel in Aussicht gestellte Analyse der Note Aberdeens ist nicht erschienen. 370 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 353, 19.Dezember 1845. 371 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 91/92, 1. und 2. April 1846. 372 Schmeidler, Geschichte Griechenlands, S. 176 ff. 373 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 140 und 141, 20. und 21. Mai 1845.

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an Hand des Budgets, das auch für 1846 Überschüsse erwarten lässt, die gegen Kolettis Regierung erhobenen Vorwürfe, sie sei durch Verschleuderung der Einkünfte zahlungsunfähig geworden und führe durch schlechte Maßregeln den Ruin des Landes herbei. Durch einen geschichtlichen Rückblick zeigt er sodann, wie die Griechen mit vollem Recht einen Zahlungsaufschub und schonende Behandlung verlangen können; denn obwohl die Anleihe von 60 Millionen ohne Befragung der Nationalversammlung 1832 gewährt und der größte Teile für Zwecke aufgewendet wurde, die Griechenland nicht betrafen, erklärte sich der Nationalkongress 1843 bereit, dieselbe zu übernehmen. Endlich spricht Thiersch die Hoffnung aus, dass auch das englische Kabinett wiederum der Geist des großen Canning, Byrons, Hastings und Hamiltons durchdringen werde. Das Gegenteil trat ein. Selbst ein so ruhig urteilender Forscher wie Hertzberg374 fasst seine Ansicht in die Worte zusammen: „Nun war es wieder die britische Politik, die seit dem Oktober 1845 in der Schuld- und Zinsangelegenheit gegen Kolettis in der härtesten und ungroßmütigsten Weise auftragt.“ „Der große Gedanke der britischen Politik, die Vorherrschaft in der Levante zu behaupten, wurde im Detail in der griechischen Sache immer wieder durch die leidige Rücksicht auf die Abfallslust der Jonier und leider auch durch kurzsichtigste Eifersucht auf die zukunftsreiche griechische Handelsmarine im Mittelmeer recht kleinlich gefärbt“ – Auf die bitterste Weise beklagt sich Thiersch über Endlands Politik in den Aufsätzen: „Die griechisch-türkische Frage.“375 Er bezeichnet es als eine Schmach, dass Lyons Verleumdungen über Kolettis Ministerium im Parlament unwidersprochen blieben; in Russels Erklärung: „England hat keinen Vertrag gebrochen, keine Zusage getäuscht, die Ehre und den Glanz der Krone unbefleckt erhalten,“ sieht er angesichts der Misshandlungen Griechenlands nichts anderes als das Gebet des Pharisäers: „Ich danke Dir Gott (...)“. Am heftigsten aber erregt ihn jener herzlose Spekulationsgeist: „Was hilft es, dass irgend ein merkantiler Besitzer eines großen Geldsackes seine Rechnungen bezahlt, seine Kunden genau bedient, seinen Kreditoren Wort hält, auch Almosen gibt, den Sabbat feiert und bei feierlicher Gelegenheit im langen Talar der öffentlichen Sitte einhergeht, wenn er um dieselbe Zeit seiner oder der Seinigen herzlosen und egoistischen Spekulation das Wohl ganzer Völker zum Oper bringt und dem energischen Aufstreben eines noch armen und gedrückten, aber reich begabten und zukunftsvollen Volkes mit allen Mitteln der Aufstachelung und Verleumdung und mit nicht einmal verdeckter Feindseligkeit seiner Großmacht durch seine „Kommis und Geschäftsfreunde“ entgegen trifft, weil er in jenem Aufblühen eine Beeinträchtigung seines Handels, eine Schmälerung seiner Prozente und Verschlechterung der Kursdifferenz zum Schaden des eigenen Verkehrs besorgt? Nur wenige englische Zeitungsstimmen erhoben ihre Stimme für das unglückliche Griechenland. An leitenden Stellen 374 Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 685-686. 375 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 79, 82, 84, 20., 23. und 25. März 1847.

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sieht Thiersch keine Einsicht; so erläutert er aufgrund verlässiger Quellen Kolettis Gesetzesentwürfe. als Gründe der Haltung Englands findet er die Angst vor Frankreichs wachsendem Einfluss und besonders die Eifersucht auf die rasch aufblühende griechische Handelsflotte. Die Gefährlichkeit der Stellung Lyons, „dieses Äolus der englischen Diplomatie zu Athen“ liegt darin, dass er von den englischen Staatsmännern als die Inkarnation jenes Hasses und jener Furcht geschützt wird. In der türkisch-griechischen Frage vermutet Thiersch als letztes Ziel der geheimen englischen Bewegung „die Zurückführung Griechenlands unter türkischer Botmäßigkeit.“ Zu diesem Zwecke errege man innere Aufstände und entfremde es den europäischen Sympathien. Es drohe ein allgemeiner Kampf der Großmächte untereinander über den Trümmern des zusammenbrechenden Sultanreiches. Den Höhepunkt erreichte Thierschs literarischer Kampf für das unglückliche Griechenland in der Auseinandersetzung mit Palmerston durch die Artikel. „Die griechisch-englische Verwicklung“ und „Die Sendschreiben an Lord Palmerston“ während der Monate April, Mai, Juni und Oktober. Zunächst galt es maßlose Aufsätze des ministeriellen Organs des „Morning Chronicle“, zurückzuweisen, in denen Kolettis als Chef von Banditen und Räubern verleumdet und die Behauptung aufgestellt wird, er habe den Schatz durch Verteilung von Millionen an seine Werkzeuge erschöpft und über friedliche Bürger die grausamsten Verfolgungen verhängt; König Otto und Bayern wurden bezichtigt, die Verfassung zu beseitigen.376 Angesichts solcher Verleumdungen entsinkt dem Gelehrten die Feder, nicht weil die Tatsachen zu widerlegen schwer ist, sondern wegen der Größe der Unverschämtheiten. Dann rafft er sich wieder auf, zeigt die Zusammenhänge dieser englischen Berichte mit der Oppositionspresse in Griechenland und widerlegt sie. In einem Artikel vom 8. Mai377 kann er zwar mit Freude feststellen, dass Palmerston seine Geldforderungen etwas ermäßigte und Lyons neue Instruktionen schickte; aber eine wirkliche Besserung verspricht er sich nur von einem gemeinsamen Beschluss der drei Großmächte, die Verzinsung und Heimzahlung „der auf unverantwortliche Weise dem Lande aufgebürdeten Schuld“ zu erleichtern. Endlich wurden in England Stimmen378 zu Gunsten der Griechen laut: David Urquarts Broschüren, Massons Veröffentlichungen gegen Cochranes: „Staate of Greece“ und seine Brief an Lord Palmerston, die zeigen, dass die englischen Agenten, ohne es zu wollen, Griechenland dem russischen Einfluss ausliefern. Der schottische Philhellene teilt Thierschs Ansicht über Lyons: „Als alle seine Versuche (Lyons) scheiterten“ schreibt379 er, „verwandelte sich sein Verfahren in ein System offener und kränkender Angriffe gegen seine hellenischen Majestät, das in den Annalen der Diplomatie ganz ohne Beispiel 376 377 378 379

Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 109,19. April 1847. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 8. Mai 1847, IV, III ist nicht gedruckt worden. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 131, 11. Mai 1847. Brief an Palmerston, 16. Mai 1843.

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ist um den König zu nötigen, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Der Monarch sollte jeder Verbesserung des öffentlichen Einkommens beraubt und dadurch in die Unmöglichkeit versetzt werden, die Regierung zu führen (…)König Otto muss das alles ertragen und noch viel mehr als dies, ohne dass man ihm gestattet zu sagen, er sei beleidigt. Fürwahr es gibt kein edles Herz in Altengland, das, wäre nur ein geringer Teil dieser Unwürdigkeiten bekannt, nicht Gerechtigkeit fordern würde für den jungen Monarchen.“ Am 1. Juni richtete 380 Thiersch einen offenen Brief an Palmerston. Gerne gibt er zu, unter Hinweis auf des Ministers Ausspruch im Parlament: „Wir wollen nichts, als dass Griechenland gut regiert wird und dass es uns Zinsen zahlt“: „Wir waren im Irrtum, als wie der „Times“ Glauben schenkten, dass die Türkei im Falle eines Angriffes auf Griechenland Englands Unterstützung finde.“ Dann aber setzt er eindrücklich auseinander, wie die Haltung des englischen Gesandten in Athen in vollem Widerspruch mit der in der Rede des Ministers ausgesprochenen Politik steht, und wirft Palmerston vor, dass er trotz dieser Erklärung die Zustände Griechenlands in Lyons Sinne schilderte; um ihm seine falsche Auffassung zu nehmen, entwirft er nochmals ein Bild der Regierung Kolettis. Bald sollte Thiersch weiteren Grund zur Beschwerde gegen den Leiter der englischen Politik haben. Als Grivas, der seines Amtes entsetzte Generalinspektor der Armee, sich gegen seine Regierung empört hatte und verfolgt wurde, fand er Schutz bei dem Lordoberkommissär der jonischen Inseln, Lord Seaton, und bei dem englischen Konsul in Prevesa.381 König Otto schilderte die Lage dem Grafen Prokesch gegenüber so: „In Konstantinopel fällt Lord Cowley der Pforte in den Arm im Augenblick, als sie die Hand zum Vergleich bieten will; von den jonischen Inseln aus lässt Lord Seaton Grivas und seine Bande, die er erst meiner Gewalt entzogen, ins Türkische entweichen, offenbar zu keinem freundlichen Zweck, hier intrigiert Lyons durch den Phanarioten Panajotis Sulzo um mein Vertrauen in Kolettis durch die extravagantesten Behauptungen zu erschüttern und konspiriert bei offenen Türen; die englischen Linienschiffen rühren sich nicht und die Flotte ist angekündigt – das ist zu viel auf einmal um nicht mehr zu bedeuten.“382 Palmerston behauptete zwar, es sei geschehen um Blutvergießen zu vermeiden, Thiersch aber richtete aufs tiefste empört ein zweites Sendschreiben383 an den Lord, in dem die Klagen des ersten in verschärfter Form wiederkehren. „Es gibt noch Ehrenmänner, denen Ihre Politik gegen Griechenland die Schamröte ins Gesicht treibt; in Deutschland aber kann dieses Verfahren nur beitragen, das Urteil, das über jenen Zweig Ihrer politischen Tätig380 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 152-153, 1. und 2. Juni 1847. 381 Schmeidler, W. F. C., Geschichte Griechenlands, S. 187. 382 Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch, Bd. II, S. 307; In Nr. 215 (3. August) „Griechische Zustände nach den neuesten Meldungen“ schildert Thiersch, wie Kolettis Anlehnung an Wien und Petersburg sucht. 383 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 280, 7. Oktober 1847.

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keit unter uns schon längst gefällt ist, zu einem allgemeinen der Nation zu machen und als ein unwiderrufliches erscheinen zu lassen.“ Es ist das gleich vernichtende Urteil, wie es der beste Kenner der diplomatischen Verhältnisse in Athen fällte: „Es ist ein trauriger Anblick, eine so große Macht wie England niedersteigen zu sehen zu so niederträchtigen Mitteln, wie sie hier in Anwendung gebracht werden und die jeden schlichten Bürgersmann entehren würden. Ein paar Lumpen von Zeitungsschreibern, denen ein englischer Gesandter diktiert, und ein paar Phanarioten und Demagogen, das ist für Lord Palmerston das ganze Griechenland und dieses elende Gevatterspiel tischt er den Kabinetten auf.“384 Schon nach zwei Tagen lässt Thiersch ein drittes385 folgen. Noch ein Mal werden alle Gründe erläutert, die Englands Haltung gegenüber Griechenland erklären können. Den Hauptfehler der englischen Politik sieht der Gelehrte darin, dass sie sich an etwas für die Dauer Unhaltbares hält, an „das türkische Wesen oder Unwesen“ und daher Griechenland schwächt. Dringend mahnt er deshalb, doch dem Beispiel Österreichs zu folgen, das Kolettis Bedeutung erkennt und ein starkes Griechenland zum Schutz des orientalischen Friedens wünscht. Während Thiersch in Bad Gastein mit der Abfassung dieser beiden Sendschreiben beschäftigt war, „um die infernalische Politik dieses abscheulichen Staatsmannes von neuem zu beleuchten und zu brandmarken“,386 erhielt er die Nachricht von der Erkrankung und dem Tod Kolettis. „Der beklagenswerte Heimgang jenes großen und edlen Mannes, den die Engländer grausam und herzlos geopfert haben, beraubt Thron und Volk von Griechenland ihres stärksten Pfeilers und verdunkelt die Aussicht in eine große Zukunft von beiden,“ so fasst er seine Ansicht in einem Brief an den Kronprinzen Maximilian zusammen. Und dieses Urteil deckt sich mit dem des griechischen Volkes. „In Kolettis verlor Griechenland“ – so war die allgemeine Ansicht – „seinen größten Bürger, der Thron seine stärkste Stütze.“387 Kolettis letztes Vermächtnis aber war ein meisterhaft ausgearbeiteter Plan zur Tilgung der Anleihe, den er an die Großmächte schickte mit der Bitte Geduld zu haben. Mit jenem Sendschreiben an Lord Palmerston tritt eine längere Unterbrechung in Thierschs publizistischer Tätigkeit für Griechenland ein; denn vor allem beschäftigt ihn seine Rektoratsgeschäfte, die stürmischen Ereignisse des Revolutionsjahres sowie die Ernennung zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften und zum Generalkonservator der wissenschaftlichen Sammlungen des Staates. Nur der schon erwähnte Brief an den Kronprinzen Maximilian gibt uns einen Einblick in die Besorgnisse, die Thiersch für Griechenlands Zu384 Aus dem Nachlass des Grafen Prokesch-Osten, Bd. II, S. 312; Bericht an Metternich, 28. November 1847. 385 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 282, 9. Oktober 1847. 386 Thiersch an Kronprinz Maximilian, 6. Oktober 1847 in: Biographie, Bd. II, S. 579. Durch Kolbs Schuld verzögerte sich der Druck der Sendschreiben. 387 Schmeidler, Geschichte Griechenlands, S. 186.

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kunft erfüllten. Er sieht, wie Kolettis, von fremden und einheimischen Feinden gedrängt, entschiedene Anhänger der kapodistrianisch-russischen Partei ins Ministerium hatte nehmen müssen und wie König Otto nach dessen Tod genötigt war, die gleiche Bahn zu beschreiten. Deshalb fürchtet er, dass in Griechenland sich die französisch-nationale und die russisch-orthodoxe Partei bekämpfen werden, während Lyons und sein Meister die beiden aneinander hetzen, „um durch ihre Zwietracht die finsteren Zwecke ihrer Politik zu realisieren.“388 Bald genug musste er erleben, wie Lord Palmerston in Athen, wo die von Thiersch geahnte Gruppierung der Parteien eingetreten war, rücksichtslos Englands Interessen verfolgte. Der Handel mit dem portugiesischen Juden Don Pacifico und Aufstandsbewegungen der Jonier in den Jahren 1848/49 verschärften den Gegensatz; vor allem aber Palmerston empört über den wachsenden Einfluss Russlands im Osten Europas; es sollte jetzt den Russen auf der Basis „des illyrischen Dreiecks“ durch einen Schachzug auf dessen südlicher Spitze begegnet werden und Griechenland wurde das Opfer.389 Durch eine rücksichtslose Blockade des Piräus wurde König Otto gezwungen, zwei kleine strategisch wichtige Inseln herauszugeben und den finanziellen Forderungen nachzukommen. Über diese Vorgänge hat sich Thiersch in der Allgemeinen Zeitung nicht geäußert. Nur in dem 1851 veröffentlichten Aufsatz: „Zwei griechische Fragen“390 spricht er von tödlichen Wunden, die der Griff des englischen Leoparden Griechenland beigebracht hat. Der Hauptanlass zu dieser Arbeit war die Reise König Ottos nach Bayern. Infolge seiner Kinderlosigkeit wurde die dynastische Frage brennend und diese hing eng mit der Frage des Verhältnisses der griechischen Kirche zur anatolischen zusammen. Thiersch legt besonderes Gewicht auf den Zusammenhang dieser Fragen und zeigt daher in längeren Ausführungen, wie die russisch-griechische Kirche, weil ihre rechtliche und politische Trennung von beiden Seiten vollzogen wurde, von den Christen des Orients als eine „gesonderte“ betrachtet wurde, deren geistliches Oberhaupt, den Zaren, sie nicht anerkannten, während sie nach Errichtung des christlichen Thrones in Griechenland in dessen König den wahren Nachfolger Konstantins sahen; den Schirmherrn der orientalischen Kirche, die sich unter ihm in ihrer Eigentümlichkeit bewahren und verjüngen werde. König Otto gehört der abendländischen Kirche an, die Verfassung Griechenlands aber verlangt einen orthodoxen Nachfolger. Da im Orient kirchliches und politisches Leben eng verschlungen sind, gewinnt der Artikel 40 der Verfassung so große Bedeutung; er ist „Das Palladium der Gegenwart“, „das Labarum der Zukunft“. Sodann zeigt Thiersch, wie durch die Ausgleichsverhandlungen seit 1850 mit Hilfe des russischen Gesandten die Loslösung der griechischen Kirche von dem Patriarchat in Konstantinopel erfolgte, und wie sie dadurch in den Augen des Orients ihren Vorzug verlor. Wäh388 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 579. 389 Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 689; Schmeidler, Geschichte Griechenlands, S. 186 ff. 390 Beilage Nr. 110, 20. April 1851.

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rend die russische Diplomatie dieses Ereignis als einen Triumph feierte, da Griechenland dadurch in seinem Lebensnerv getroffen sei, betonten andere, die Trennung sei nur eine administrative und die Synode in Athen werde verhindern, dass in den Fragen der Ehe und der Taufe eine Alterierung eintrete; um so wichtiger sei, dass Ottos Nachfolger dem orthodoxen Glauben anhänge. Am Schluss des Artikels weist Thiersch auf die sachlichen Schwierigkeiten hin, die der Lösung dieser Frage drohen indem bei kinderlosem Abscheiden Ottos der nächste Thronfolger durch Ehekontrakt wegen der Konfession seiner Kinder gebunden ist, so dass nur Prinz Adalbert, der noch unvermählt war, das Erbe antreten könne. Im August 1852 besuchte Thiersch noch einmal Griechenland;391 die Nachricht von seiner Ankunft rief viele alte Freunde von Nauplia und Parachora herbei; Besuch drängte sich auf Besuch; alles erwies dem greisen Philhellenen Teilnahme; nur dem russischen Blatt Aeon war es vorbehalten zu behaupten, Thiersch habe eine politische Sendung und müsse dafür sorgen, dass die Griechen den Prinzen Adalbert aufnehmen, auch wenn er in seiner Kirche bleibe. Peinlich vermied der Gelehrte jedes politische Hervortreten. Mit größtem Interesse verfolgte er die Entwicklung Athens zu einer modernen Stadt. Die Altertümer fand er vernachlässigt, „auf der Burg die heilige Stadt in Trümmern, aus denen die noch aufrecht stehenden Teile des Parthenon, das Erechtheion, der Propyläen und des Siegestempel wie in Trauer emporragen. Die Altstadt nördlich zu ihren Füßen, noch voll alter Hütten und zerfallender Mauern, mit neuem Anbau dazwischen, aber mit Kaufläden, Waren und Volksgetümmel angefüllt und am Fuß des Lykabettos die Neustadt vom königlichen Palast überragt, unter dem sich die neuen, durchaus eleganten, zum Teil prächtigen Häuser und Hotels meist noch in einzelnen Gruppen, aber desto malerischer ausbreiten.“392 Das beredteste Zeugnis für den öffentlichen Geist der Griechen legten die stattlichen auf Stiftungen und Vermächtnissen beruhenden Bauten wie die Universität, die Sternwarte, das Priesterseminar, das Krankenhaus u. a. ab. Er war durch Palmerston rücksichtslosen Druck nur noch gestärkt worden. Viel Anregung bot der Umfang mit der Königin, die Thiersch wiederholt zur Audienz und Ausflügen einlud und ihm den Zutritt zu dem wundervollen Park des königlichen Schlosses jeder Zeit ermöglichte. Im Garten auf dem Mosaikboden eines dort aufgedeckten römischen Bades in grünen und duftigen Umgitterungen fanden Mahlzeiten statt, wobei das Gespräch die Politik ebenso berührte wie Kunst und Literatur. Einmal kam es zu einer sehr interessanten Erörterung, weil Lasaulx, Thierschs philologischer Kollege, der damals auch in Athen verweilte, die Frage aufwarf, ob ein Volk, das einmal sein Leben abgetan wie das griechische, wieder auferstehen und ein neues anfangen könne. Lebhaft verteidigte die Königin, von Thiersch unterstützt den Satz, Griechenland sei in der Wiedergeburt 391 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 604 ff. Die Briefe an seine Frau ebenda, S. 617 ff. 392 Brief vom 12. September 1852, Biographie, Bd. II., S. 621.

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begriffen und schreite fort. Unter den antiquarischen Funden, die im Park gemacht wurden, entdeckte Thiersch eine sehr schöne Demosthenes-Büste. Auf der Akropolis machte er sorgfältige Untersuchungen am Erechtheion. Ungünstig dagegen waren die Eindrücke, die er von der Regierung, namentlich von der Finanzverwaltung empfing. Die Erbfolgeverhandlungen wurden so geführt, dass er zu dem Schluss kam, die Politik werde auch bei dieser Gelegenheit „minime sapientia geführt und bringe die bayrische Dynastie oder Nachfolge in Griechenland in Gefahr.“ Die Königin hatte davon gehört, dass Thiersch die Verwaltung für grundschlecht und ihre Fortdauer für verderblich halte; daher suchte sie bei der Abschiedsaudienz dieselbe zu verteidigen. Bei diesen Gesprächen fiel Thiersch auf, wie sie die Verhältnisse im ganzen und einzelnen völlig verkenne. So fasste er die Eindrücke seines zweiten Besuches in Worte zusammen: „Ich habe Griechenland noch ein Mal gesehen und kenne es wieder wie vor zwanzig Jahren. Land und Leute sind rasch vorwärts gegangen, die Regierung seit acht Jahren zurück.“ Als ein letztes Vermächtnis legt er der Staatsregierung vor seiner Abreise einen Entwurf zur Gründung einer Akademie der Wissenschaften vor. Nach seiner Rückkehr wandte er sich in einem Promemoria vom 2.November an den König, da er wahrzunehmen glaubte, dass man am Hofe der Erbfolgefrage nicht genügend Bedeutung beilegte. Obwohl die Konferenzmächte im Oktober 1852 dem Artikel der griechischen Verfassung ihre Zustimmung gegeben hatten, und die Ehr Ottos kinderlos blieb, wurde keiner seiner Brüder oder deren Söhne im orthodox-griechischen Glauben erzogen, da Luitpold den Übertritt zur griechischen Kirche verweigerte, wurden die Erbrechte auf Prinz Adalbert übertragen, der aber erst bei seiner eventuellen Thronbesteigung die Konfession wechseln wollte.393 Im März 1854 veranlasste die große Krisis des Orients, der Krimkrieg, den Siebzigjährigen wieder mit einem größeren Aufsatz: „Die neue Erhebung der christlich-griechischen Bevölkerung“394 vor die Öffentlichkeit zu treten. Tief ergriffen schildert er, wie in Epirus, dem Königreich Griechenland und auf den jonischen Inseln eine Bewegung einsetzte, die alle Klassen der Bevölkerung mit einem Enthusiasmus erfüllte, würdig der schönsten Zeit einer Nation. Mit einer Opferwilligkeit ohnegleichen brachten auch die Ärmsten für die große und heilige Sache ihre Ersparnisse dar. Diese Erhebung wurde aber von den dadurch Bedrohten „als ein Werk des Eigennutzes, der russischen Intrigen, des Fanatismus dargestellt. Einer solchen Auffassung gegenüber betont Thiersch mit aller Schärfe: „Die griechische Bewegung ist heute, was sie vor 33 Jahren war, eine Äußerung des wieder erwachten natürlichen Lebens, ein Bewusstsein eigener Kraft und geistiger Überlegenheit über verrottetes Barbarentum und seine Herrschaft in ihrem schönen Vaterland, ein Hauch des Geistes, der nicht duldet, dass 393 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 600; Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 693. 394 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 69/70, 10. und 11. März 1854.

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im Grabe blieb, was dem Leben gehört, (...) beschleunigt und vielleicht übereilt durch die höchste Bedrängnis der unglücklichen Rajas, die rücksichtslosen Extraktionen verdorbener türkischer Machthaber und die steigende Gewalttätigkeit eines neu gestachelten Fanatismus, mit einem Wort durch einen Zustand, den die Westmächte durch ihr unbegreifliches Verfahren in Konstantinopel herbeigeführt und trotz aller Anstrengungen zu einem vernünftigen Ziel zu führen weder die Einsicht noch die Macht haben.“ Dann zeigt er, wie die griechische Regierung in dieser außerordentlich schwierigen Lage zu vermitteln suchte. Mit der größten Sorge sieht er den Maßregeln der fremden Mächte entgegen, die die Erhebung „unter den Bann von Europa“ legen wollen; sie haben die Macht, die Aufständischen von der See abzuschneiden, den Feinden jede Hilfe zu bringen und eine Besatzung nach Athen zu legen. „Tritt jene Vergewaltigung des Königs Otto durch Besetzung seiner Hauptstadt und seiner Festungen ein, so treibt man ihn in die Notwendigkeit entweder die mit Vernichtung bedrohte Sache seines Volkes, was er jetzt im europäischen Interesse verweigert hat, in die Hand zu nehmen oder sich bald den Aufständen seines eigenen Landes gegenüber zu finden, die jetzt schon gegen die Osmanen drohen und durch seine Stimme nur mühsam niedergehalten werden.“ Thiersch ist überzeugt, dass König Otto die Sache seines Volkes vertreten wird; dann aber droht die griechische Bewegung sich mit der in Montenegro und Serbien zu vereinigen und der Zusammenbruch des türkischen Reiches wird noch wahrscheinlicher. Die Vorkehrungen, die nach seiner Überzeugung jetzt getroffen werden müssten, will der greise Gelehrte ein anderes Mal entwickeln, „vorausgesetzt, dass es nicht für unstatthaft erachtet und erklärt wird, darüber offen und unumwunden zu reden, wie mir schon vor mehr als dreißig Jahren zu der Zeit begegnet ist, wo die hellenische Bewegung begann, die zwar gehemmt wurde, aber nicht unterdrückt werden kann und die – der europäische Unverstand mag darüber sagen, was er will – nicht zur Ruhe kommen wird, bis sie als allgemeine Erhebung allen in der Europäischen Türkei lebenden byzantinisch-christlichen Nationen das Kreuz auf der Sophienkirche aufgepflanzt hat.“ Der in Aussicht gestellte Artikel ist nicht mehr erschienen. Nur seinem König überreichte Thiersch ein Manuskript, worin er die Ansichten der Westmächte, Österreichs und Griechenlands über die Lösung der orientalischen Frage darstellte. Die von ihm befürchteten Maßregeln der Westmächte erfolgten, englische und französische Truppen unterstützen die Türkei, der Piräus wurde von den Franzosen besetzt, König Otto musste strengste Neutralität versprechen, die Okkupation dauerte bis 27. Februar 1857. Handel und Schifffahrt wurden stark beeinträchtigt, die Räuberwirtschaft begann von neuem. „Die Niederwerfung des griechisch-nationalen Aufschwunges gab der bayrischen Dynastie den Todesstoß.“395

395 Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 697.

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Im Herbst 1855 traf Thiersch, in Lindau weilend, einen eben aus der Türkei zurückkehrenden Freund; auf kleinen Ausflügen in die schöne Umgebung besprachen sie eingehend die Lage des Orients. Das Ergebnis dieser Gespräche veröffentlichte der Gelehrte unter dem Titel: „Innere Lage der Dinge in der Türkei und in Griechenland.“396 Vor allem beanstandet er die völlig verkehrte Politik der Westmächte, namentlich Lord Redcliffes in Konstantinopel, der die Griechen und die Christen überhaupt als geheime Bundesgenossen der Russen rücksichtslos bekämpfte. Von der völlig verrotteten Herrschaft der Türken entwirft er ein trübes Bild und schließt mit einem Ausblick auf die Zukunft, wo ein starkes Geschlecht das Erbe übernehmen wird. Im April und Mai 1856 erschienen nur noch Bruchstücke aus Besprechungen über die Zustände Griechenlands;397 auch aus ihnen klingt die Zuversicht, dass die Nation einer besseren Zukunft entgegengeht. Damit schließt Thierschs literarische Tätigkeit für das Land seiner Sehnsucht. Mehr als vier Jahrzehnte hatte er versucht, die öffentliche Meinung aufzuklären, in dem er die Lebensfragen und alle wichtigen Ereignisse des jungen Königreiches in einer der angesehensten süddeutschen Zeitung besprach, stets bemüht, die ihm drohenden Gefahren abzuwehren. Wiederholt hatte er gehofft, auch die Politik der Mächte dadurch beeinflussen zu können. Dies blieb ihm freilich versagt. Trotzdem behalten jene Artikel ihren Wert als Zeugnisse aufopferungsvoller Selbstlosigkeit, unerschrockenen Mannesmutes und felsenfesten Glaubens an die Zukunft des griechischen Volkes. Da sie sich auf verlässiges Material stützen, das zum großen Teil auf persönlicher Kenntnis des Landes, seiner Bewohner und der führenden Männer beruht, so gewähren sie höchste interessante Einblicke in das wechselvolle Ringen der Griechen um Gestaltung eines in sich starken Staatswesens. Sie enthalten eine Reihe noch nicht zur Ausführung gelangter Vorschläge, deren Verwirklichung dem Lande großen Nutzen bringen könnte. Wenige Jahre nach dem der letzte Aufsatz erschienen war, starb Thiersch am 25. Februar 1860 in einem Augenblick, da der griechische Staat schlimmen Stürmen entgegenging.398 1862 brach eine Militärrevolution aus, die Wittelsbacher wurden vertrieben. allein die Sache, für die Thiersch so viel Kraft und Zeit geopfert hatte, war damit nicht verloren. Wohl folgte noch die schwerste finanzielle Krisis, die durch die eigene Schuld der Griechen 1893 zum Staatsbankrott führte und ihnen die Sympathien eines großen Teils von Europa raubten, wohl gestalteten sich die innerpolitischen Verhältnisse infolge des Umstandes, dass die Verfassung den Bedürfnissen des Volkes nach einer starken Monarchie nicht in der richtigen Weise angepasst war – auch hier war ein von Thiersch besonders betonter Vorschlag nicht erfüllt worden – sehr ungünstig 396 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 5. Dezember 1855 und 11. Januar 1856. 397 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 116, 15. April; Nr. 129, 8. Mai; Nr. 130, 9. Mai. 398 Alfred Philippson, Griechenland und seine Stellung im Orient, Thessalien, in: Geographische Zeitschrift 187, S. 185 ff., S. 305 ff.

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und mehr als einmal brachte die unfreundliche Haltung einzelner Großmächte die schwerste Schädigung über das unglückliche Land. Aber trotzdem vollzog sich, wenn auch langsam, die von Thiersch so energisch geforderte territoriale Vergrößerung, die Grundvoraussetzung für eine gedeihliche Weiterentwicklung. 1864 erhielt es die jonischen Inseln, 1881 kam der größte Teil Thessaliens und ein kleiner von Epirus dazu; die Balkankriege 1912/13 brachten den Besitz Salonikis, der Inseln des ägäischen Meeres und Teile Makedoniens; einen schweren Verlust verursachte die Vernichtung des griechischen Heeres in Kleinasien, als die Türkei gegen den Gewaltfrieden von Sèvres, (August 1920), der Smyrna an Griechenland ausgeliefert und Konstantinopel internationalisiert hatte, eine machtvolle nationale Erhebung ins Leben riefen. Rascher als die territoriale Vergrößerung erfolgte ein ungeahnter wirtschaftlicher Aufschwung.399 Athen wurde eine der bedeutendsten Städte der Levante. Der Piräus ein ausgedehnter Industrieplatz. Hand in Hand damit blühte das geistige und wissenschaftliche Leben, wodurch Athen der Mittelpunkt des gesamten Hellenismus wurde. Als Träger dieser Richtung hat ein starker griechischer Staat in Zukunft noch eine gewaltige Kulturaufgabe sowohl gegenüber dem vordringenden Slawentum als auch im Orient zu lösen.

5. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der griechischen Reise Als Thiersch sein Werk „De l’Etat actuel“ an Wilhelm von Humboldt übersandt hatte, schrieb ihm dieser: „Nachdem Ew. Wohlgeboren in dem jetzigen französischen Werke die politischen Resultate Ihrer Reise mitgeteilt haben, dürfen wir wohl noch auf die Früchte derselben im antiquarischen und künstlerischen Gebiete hoffen. Es ist nur sehr wenigen Schriftstellern so wie Ihnen gelungen, so viele Gesichtspunkte vereinigen zu können und wer das alte Griechenland und die Volkstümlichkeit seiner verschiedenen Stämme so genau kennt als Sie, muss auf eine anziehende Weise zu zeigen imstande sein, welche Fäden den Charakter der jetzigen Nation mit der alten verbinden, denn im Ganzen stellt man sich die Griechen bei uns immer mehr überhaupt als Orientalen als auf eine ihnen eigentümliche Art vor.“400 Humboldts Wunsch sollte bald in Erfüllung gehen, denn der 1835 veröffentliche erste Band401 der philosophisch-philologischen Klasse der bayrischen Akademie der Wissenschaften enthielt nicht weniger als fünf Abhandlungen von Thiersch, sprachlich-historische Gegenstände ebenso umfassend wie künstlerische und epigraphische. Die schweren Probleme, die die Forschung noch 399 Hertzberg, Geschichte Griechenlands, Bd. IV, S. 720 ff; Heisenberg, Der Philhellenismus einst und jetzt, München 1913. 400 Heinrich Thiersch, Biographie, Bd. II, S. 418, 18. Februar 1834. 401 Abhandlungen der philosophisch-philologischen Klasse der königlichen bayrischen Akademie der Wissenschaften, Bd. I, München 1835, S. 303-316.

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heute beschäftigen, die Sprache der Zakonen, die vasa murrina, die Etruskerhypothese, die griechischen Steininschriften und die Verbesserung des Textes der Schriften des Aristophanes reizten den Scharfsinn des Gelehrten eine Lösung zu finden; mögen manche seiner Hypothesen durch die fortschreitende Wissenschaft als unhaltbar nachgewiesen sein, der Wert dieser Untersuchungen liegt in erster Linie in der Methode, die auch heute noch ihre Gültigkeit hat; in eigenartiger Weise bieten sie die Möglichkeit, Thierschs wissenschaftliches Arbeiten zu beobachten vom Augenblick, wo er den Stoff umsichtig sammelt, bis zu dem Augenblick, da er die Ergebnisse in anschaulicher Darstellung zum eindrucksvollen Bilde formt. Gleichzeitig sind sie die beste Widerlegung des Vorwurfes, Thiersch sei nur ein einseitiger Philologe gewesen. 5.1. Über die Sprache der Zakonen402 Thiersch hatte bei der Vorbereitung seiner Griechenland-Reise in den Prolegomena Volloisous zur Ilias und in Leakes Travels in Morea, ergänzt durch die in Grece mehr oder minder ausführliche Andeutungen gefunden, es werde in dem Gebirge zwischen Argolis und Lakonien ein eigentümlicher Dialekt, der zakonische, gesprochen. als er selbst von Sparta aus jene Berggegenden besuchte, fand er zu seiner größten Überraschung, dass die Bewohner in einer Sprache redeten, die den übrigen Griechen unverständlich war. Sofort war sein Entschluss gefasst. Das Zakonenproblem war nur durch eine genaue Kenntnis der Sprache zu lösen. Er suchte also zunächst während seiner Reise und in Nauplia aufs sorgfältigste den Wortschatz und die Bildungsgesetze dieses Dialektes durch häufigen Umfang mit Zakonen, durch Kreuzfahrten und Vergleichung abweichender Aussagen, kennen zu lernen; ein geistig sehr aufgeweckter prastiotischer Jüngling von 17 Jahren wurde Thierschs bester Lehrer, als er auf einem russischen Schiff nach Spezia fuhr. Das Ergebnis dieser sprachlichen Studien enthält der erste Teil der Akademieabhandlung. Sie bringt übersichtliche Zusammenstellungen über die Vokale und Konsonanten, über Deklination und Konjugation sowie Lexikologische und Sprachproben, da das Zakonische nur gesprochen, nie geschrieben wurde. Auf diesem Material baut sich die weitere Untersuchung auf, und zwar folgt ein historischer Teil, der in zwei Abteilungen zerfällt, in einen sprachlichen und einen geschichtlichen; denn Thiersch war sich von Anfang an klar, dass ein befriedigendes Resultat nur dann zu erwarten sei, wenn beide Seiten des Problems Berücksichtigung fänden; hierin liegt der Hauptwert seiner Abhandlung. Hätte die neuere Forschung diesen Weg stets zielbewusst weiterverfolgt, wäre mancher Irrtum erspart geblieben. Der sprachliche Teil der historischen Untersuchung stellt in den Mittelpunkt die Frage: Ist die zakonische Sprache slawisch oder aus dem Neugriechischen 402 Abhandlung der Akademie 1835, Bd. I, S. 511-582.

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verdorben, also ein griechisches Patois? Der Vertreter der ersten Ansicht war Kopitar, der berühmte Slawist, der bei einer Besprechung403 der institutiones linguae Slavicae von Dobrovsky den Satz prägte: „Der Tsakonische Dialekt endlich, den andere Griechen nicht verstehen, im Osten des alten Sparte ist beinahe gewiss ursprünglich slawisch“; dabei stützte er sich vor allem auf die slawischen Städtenamen Kastanitza, Sidinia, Prasto und einzelne Wörter wie „eson“-slav“iez“. Thiersch kommt bei der Prüfung der Einwände zu einer entschiedenen Ablehnung der Slaventhese. Kopitars Beispiel folgten zwar Forscher wie Heilmeier, Hopf, Kriegk, Hertzberg; Reste einer altgriechischen Bevölkerung mit Slawen stark vermischt behaupteten Schafarik, Gregorovius und Philippton; indessen ist die Zahl der Forscher groß, die die Slawisierung der Parnonlandschaft entschieden bestritten, so Boß, Curtius, Mullech, Deville, Combaretti, besonders Deffner.404 Was das Verhältnis des Neugriechischen zum Zakonischen betrifft, so verschließt sich Thiersch nicht der Einsicht, dass starke Einflüsse stattfanden; doch übte das Zakonische seine sprachbildende Kraft auch auf diese Eindringliche aus. Die weitere Untersuchung zeigt ihm einen Schatz altgriechischer Wörter, starke Dorismen, Einmischung von Altjonischem und Altdorischem; durch Vergleiche mit Böckhs Corpus inscriptionum stellt er böotische Anklänge fest, hohe Altertümlichkeit findet er in den Substantivpronomen, in dem substantivischen Zeitwort, in der Präsens- und Imperfektbildung. Zusammenfassend kommt er zu dem Ergebnis:405 „Das Zakonische ist durch seine innerste Bestimmung auf das Weiche und Tonvolle, und zwar noch entschiedener gestellt als das gewöhnliche Griechische und die Sprache in dem Munde der Zakonier macht gleich beim ersten aufmerksamen Anhören den Eindruck einer sanften Harmonie. Diese fließt aus der Öffnung der im gemeingriechischen geschlossenen Silben, (...) aus der Entfernung der schwachen Mitlaute und aus der Dehnung der dadurch geöffneten Laute, aus der Milderung der stärkeren Konsonantfolge (...) aus der Dehnung des v in ov. mit Vorschlag bei härterer Lautung.“ Das Zakonische entfernt sich vor allem durch den Bau der Pronomina und des Substantivzeitwortes sowie der Personalbildung zu weit von dem gewöhnlichen Griechischen, als dass es ein Dialekt desselben sein könnte; es hat mit dem neugriechischen, dem gemein altgriechischen, dem dorischen, epischen und altlakonischem starke Zusammenhänge, zugleich aber weist es auf eine Sprache hin, in welcher die origines von Griechisch, Lateinisch und Deutsch noch zusammenlagen. Nachdem Thiersch die sprachliche Untersuchung des zu seiner Zeit gesprochenen Dialektes so weit geführt hat, fragt er: wer sind die Zakonen, die diese Sprache sprechen? Zu welchem alten Stamm gehören sie? Was ist von der

403 Wiener Jahrbücher der Literatur, 1822, Bd. 17, S. 96. 404 Monatsberichte der Berliner Akademie 1875, die Literaturangaben bei A. Thumb, die ethnographische Stellung der Zakonen in: Indogerm. Forsch 1894, S. 195 ff. 405 Über die Sprache der Zakonen, S. 565 ff.

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Sprache derselben zu unserer Kenntnis gekommen oder nach sicherer Analogie anzunehmen? Zu einer Zeit, da es noch keine Wissenschaft des Mittelgriechischen und Byzantinischen gab, durchforscht Thiersch die byzantinischen Geschichtsquellen, um Antwort auf jene Fragen zu finden. Auf Grund der Angaben des Nikephoros Gregoras und des Georgios Pachimeris vermag er festzustellen,406 dass um die Mitte des 13. Jahrhunderts der Name der Zakonen als eines seekundigen, zahlreichen und tapferen Volkes, das an der Ostküste des Peloponnes wohnt, auftaucht. Die Turkograzcia, das Werk des gelehrten Martin Crusius, jenes ersten Philhellenen des 16. Jahrhunderts, Thiersch, der ihm warme Worte der Anerkennung widmet, in seiner Bedeutung für die Geschichte der griechischen Nation und Kirche im 1. Jahrhundert nach ihrer Unterwerfung durch die Türken. Hier findet er jenen wichtigen Brief des Tübinger Theologen Gerlach (7. März 1578), der ihm die Feststellung407 ermöglicht: Noch im 16. Jahrhundert bewohnen die Zakonen die Küste von Nauplia-Monembasia; Sie werden Jones genannt, ihre Sprache wird als eine alte, aber grammatisch verdorbene bezeichnet, unverständlich den übrigen Griechen. Gestützt auf seine eigene genaue Kenntnis der Örtlichkeit und die Angaben des Strabon und Pausanias verwertend vermag Thiersch die geographischen Mitteilungen Gerlachs über den Wohnsitz der Zakonen zu ergänzen; darnach begann im 16. Jahrhundert das Gebiet der Zakonen in der Ebene von Thyrea und Prasia, eben dahin verlegt Pausanias die äußerste Grenze der von Augustus für frei erklärten (HÝOHX—MHUR) und er fand dort noch 18 bewohnte Ortschaften von Gythion bis Prasia. Im 16. Jahrhundert sind also die 14 von Gerlach erwähnten von Zakonen bewohnten Gaue zu suchen an der Küste zwischen den bezeichneten Grenzpunkten und hinter ihnen im Gebirge. Pausanias erwähnt =D—UDFzweihundert Stadien von Prasia entfernt, wo jetzt Leonidi steht. Thiersch besuchte diese Gegend; er fand von Leonidi, Prasia und Thyrea ausgehende Saumwege, schroff und schwierig und meist auf den Kanten verwickelter Gebirge zu den inneren Ortschaften führend, die in den Hochtälern gewöhnlich an ergiebigen Ortschaften erbaut sind. Ihre Herden beweiden die obersten Gebirge des Malevo, während ihr Ackerbau sich auch in die Niederungen ausdehnt. Wegen der schädlichen durch Versumpfungen hervorgerufenen Sommerluft haben die Bewohner der oberen Orte hier nur Kalybia für die frühe Jahreszeit und die Ernte. Sie sind zu stattlichen Dörfern vereinigt, die vorzüglichsten heißen Prastos, Kastaniza, Kovakobundi und Sitinia. Sie liegen ungefähr in einem Dreieck, dessen Schenkel sich an der obersten Spitze des Malevo nach Prasie oder St. Andreas nördlich und nach Leonidi südlich erstrecken und dessen Basis von der Küste zwischen diesen beiden Orten gebildet wird. So kommt Thiersch zu dem Ergebnis:408 „Die Fläche derselben ist die Landschaft, 406 Über die Sprache der Zakonen, S. 568. 407 Über die Sprache der Zakonen, S. 569. 408 Über die Sprache der Zakonen, S. 571.

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auf welcher der Name Zakonia bis in die jüngsten Zeiten gehaftet hat, und welche die Ortschaften einschließt, in denen noch zakonisch gesprochen wird.“ Eine wertvolle Ergänzung dieser Beobachtung liefert endlich eine historische Sage der Zakonen, wonach ihre Vorfahren einst höher im Gebirge saßen, der Hauptort sei Aigithra gewesen und der Sitz des Bischofs Erionta. Tatsächlich führt derselbe noch den Titel 5H—RQWRZ NDL— 3UDVWRXT und an der Stelle, wo Rheon gestanden hat, liegt die Ruine einer alten Stadt. In diesen echt hellenischen Namen sieht Thiersch einen Beweis gegen Kopitars Hypothese. Nach der Sage wurden die Zakonen aus jenen früheren Sitzen durch Krieg verdrängt, vielleicht bei Verdrängung der Venetianer durch die Türken, Prastos stieg bis auf 1000 Familien, als der Einfall Ibrahim Paschas und die Verwüstung der Stadt die Bewohner nach St. Andreas, Leonidi und in die Niederungen; doch gehören zu dem Stamme noch Kastanitza und1 ½ Stunden tiefer im Gebirge Sitinia. Thiersch vermag in beiden Ortschaften gemeinsame Aussprache feststellen und gewisse Abweichungen in Leonidi, Prastos und Aigythyra; altertümlicher noch klingt das Idiom der Hirten (WVRXSD—QLGHZoder ERVNRL—) im Hochgebirge. Sehr günstig lautet Thierschs Urteil über den Stamm der Zakonen: „stark, rüstig, schön gebildet, von frischer Farbe und viel Verstand, zuverlässig und edler Gesinnung fähig.“ Die Frage nach der Abkunft der Zakonen soll endlich die Frage nach dem Ursprung der Sprache und die nach ihrem Verhältnis zur Ursprache von Griechenland klären. Die bisherige Untersuchung hat den Beweis geliefert, dass sich in der oben näher bezeichneten Landschaft, begünstigt durch seine Lage, ein Volksstamm mit eigentümlichem und altertümlichem Dialekt erhalten hat, der Rest eine Urvolkes, das in den fernsten Jahrhunderten hier seine Wohnsitze aufschlug. Die Antwort auf die Frage nach der Abkunft der Zakonen können nur die griechischen Quellen geben. Gestützt auf die Nachrichten des Herodot (VIII 7), des Thukydides IV. Pausanias und Strabon nimmt Thiersch an, dass in der Zeit der griechischen Blüte die Kynurier das Hochland zwischen den Gebirgen von Sparta und Argos bewohnten, einem Gau, zu dem auch das Zakonengebiet gehörte; ein Teil von ihnen wurde von den Argivern unterworfen und dorisiert; der Rest, der jonisch blieb – Herodot hält die Kynurier für Jonier – bewohnte nach Thukydides das Grenzland zwischen Lakonien und Argos, das beide Völker sich unterwerfen wollten. Durch Vergleichung und Erläuterung des gesamten uns erhaltenen Quellenmaterials folgert also Thiersch: In den Kynuriern haben wir die Urväter der Zakonen zu sehen, die zakonische Sprache ist kynurisch. Die Kynurier aber waren, wie noch Herodots Zeugnis beweist, Jonier. Gerlach bestätigt im 16. Jahrhundert diese Annahme. Die Betrachtung der Sprache der Zakonen zeigt als ihr innerstes Wesen das Jonische, ausgezeichnet durch seine Weichheit und Tonfülle; dieses aber ist eine Modifikation der hellenischen Ursprache mit vielen abweichenden Mundarten, wie sie im epischen Gesang, der solonischen Gesetzgebung, bei Herodot und Hippokrates entgegentreten. Die Dorismen im

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Kynurischen konnten die Eigenart der Sprache nicht aufheben. Außerdem finden sich ganz altertümliche Bestandteile. „Es ist also die kynurische keine Ableitung, kein Zweig irgend einer jonischen Mundart, nicht der achäischepischen, nicht der attischen, nicht der nach Asien übergepflanzten, sondern ein alter ursprünglicher Sprachstamm, unabhängig gleich jenen, aus dem Urquell unmittelbar geflossen und seinem Wesen mehrt als die anderen übereinstimmend geblieben, weil er weder der Schrift noch der Ausbildung teilhaftig geworden.“409 Damit erhebt sich die letzte Frage der Untersuchung. Die höchst eigentümliche und altertümliche Personalbildung des Zakonischen vermag Thiersch entsprechend der Anschauung seiner Zeit nur so zu klären, dass er hierin Reste einer Ursprache sieht, aus der alles Griechische und Lateinische floss, des Pelasgischen. Fast 100 Jahre sind verstrichen, seit der bayrische Philhellene in der Akademie seine Ansichten über die Zakonen entwickelte. In diesem Zeitraum hat die Sprachforschung namentlich auch über die Dialekte Griechenlands helles Licht verbreitet. Führende Gelehrte verfassten ausführliche Grammatiken. Thumb schrieb das Handbuch der griechischen Dialekte, 1909.Vom Tsakonischen besitzen wir abgesehen von allen Einzeluntersuchungen Michael Deffners, Zakonische Grammatik“, 1. Hälfte 1881? und das grundlegende „Lexikon WKTZ 7VDNRQLNKTZ 'LDOH—NWRX“, Athen 1923. Wie stellt sich die neuere Wissenschaft zu Thierschs Ergebnissen? Allgemeine Anerkennung hat die These über den Zusammenhang der Zakonen mit den Kynurieren und die über die Altertümlichkeit des Dialektes gefunden. „Die heutigen Bewohner der alten Kynuria, die Tsakonen, sprechen einen durchaus eigenartigen, von den übrigen neugriechischen Dialekten völlig verschiedenen Dialekt. Der Dialekt ist (abgesehen von den Zügen einer besonderen lautlichen und flexivischen Weiterentwicklung des Alten) ein Gemisch von altdialektischen, dorischen, bez. lakonischen, hellenistischen und neugriechischen Elementen, es ist der einzige neugriechische Dialekt, der als Fortsetzung eines alten Dialektes betrachtet werden kann. Die Mischung lakonischer und hellenistischer Züge, die im Einzelnen noch untersucht werden muss, gibt jedenfalls den Zustand wieder, in dem sich das Lakonische am Ausgang des Altertums befand.“410 In einer besonderen Abhandlung „Die ethnographische Stellung der Zakonen“ weist Thumb411 die Unhaltbarkeit der Slavenhypothese nach, in dem er 78 Ortsnamen untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis (S. 208): „Soviel ist sicher, Zakonien ist griechisch geblieben; es sind höchstens versprengte slawische Reste eingedrungen.“ Mit Thiersch nimmt auch er an, dass die Zakonen früher ausgedehntere Wohnsitze hatten.

409 Über die Sprache der Zakonen, S. 581. 410 Thumb, Handbuch der griechischen Dialekte, 1909, S. 97; vergl. auch: Pauly Wissowa, R. E. 1925, Bd, 12, S. 42. 411 Indogermanische Forschungen, 1894, S. 195-213.

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Abgelehnt wird Thierschs Versuch, die jonische Herkunft der Zakonen nachzuweisen und einen Zusammenhang mit dem Pelasgischen zu finden. Hatzidaki führt in seiner „Einleitung in die neugriechische Sprache“ (S. 9) acht Beobachtungen an, wie dorisch DT statt attisch K den W laut statt attisch N oder V, V statt G u.s.f., die „auf das entschiedenste den zakonischen Dialekt zu einem dorischen und speziell zu einem direkten Nachkommen des alten lakonischen Dialektes stempeln“, eine Anschauung, die jetzt wohl Gemeingut der Wissenschaft geworden ist. Die wichtigste Herodotstelle VIII, 73 auf die Thiersch sich stützt, wagen weder Busolt412 noch Eduard Meyer413 anzuzweifeln; doch nehmen beide an, dass die Kynurier ihre Sprache verloren und die der Dorier annahmen. Wenn Deffner in seiner zakonischen Grammatik (S. 5) zusammenfassend über Thierschs Arbeit schreibt: „In Bezug auf den grammatischen und lexikalischen Teil unvollständig und fehlerhaft, ja die Lautlehre, die doch im Zakonischen so wichtig ist, behandelt er so gut wie gar nicht, doch ist durch diese Arbeit das Interesse der Sprachforscher für diese interessante Sprache geweckt worden,“ so ist nach dem oben Ausgeführten dieses Urteil unvollständig; etwas ausführlicher äußert er sich in dem Lexikon des zakonischen Dialektes. 5.2. Über die vasa murrina der Alten414 Hatte Thiersch in der Abhandlung über die Zakonen415 vor allem ein sprachliches Problem behandelt, so bestimmte ihn ein Geschenk des russischen Gesandten am bayrischen Hof, zwei Bruchstücke antiken Kunstgewerbes, zu einer außerordentlich verwickelten künstlerischen Frage Stellung zu nehmen, was es nämlich mit den vasa murrina für eine Bewandtnis habe. Es war ein Streit, der die Gelehrten schon 300 Jahre beschäftigte. Besonders reizte es Thiersch auch selbst in die Diskussion einzugreifen, da einer der ersten Altertumsforscher seiner Zeit, Philipp Buttmann, der Schüler und Mitarbeiter Böckhs, in Anmerkungen und Zusätzen zu einer Arbeit Roloffs416: „Über die murrinischen Gefäße der Alten“ sich auf die Seite derer gestellt hatte, die in der vasa murrina Porzellangefäße sahen, und zwar mit solchem Scharfsinn, dass die Frage endgültig gelöst zu sein schien. In der ihm eigenen klaren und übersichtlichen Weise erörtert Thiersch die Geschichte des Problems bis zu seiner Zeit. Bei den Alten finden sich die ersten 412 Griechische Geschichte, Bd. I 2, 1893, S. 114. 413 Geschichte des Altertums II, S. 128, S. 173-174, cf noch Moritz, Griech. u. Lat. Grammatik, herausg. von Curtius, Bd. II, S.187, S. 347. 414 Abhandlung der philosophisch-philologischen Klasse der Akademie der Wissenschaften, Bd. I, 1835, S. 4239-510 mit einer Tafel. 415 C.A. Scutt: The Tsakonian-dialect. In: Arrival of the British school. 416 Philipp Buttmann, Museum der Altertumswissenschaft, II, S. 810, S. 517.

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Nachrichten über die vasa murrina bei Properz und Plinius; von den Griechen erwähnen sie nur Pausanias und Arrian. Der Dichter spricht von murrea que in Parthis pocula cocta focis, der Naturforscher schildert die vasa zwischen den Edelsteinen und Kristallen. Die Humanisten des 16. Jahrhunderts erörtern die Frage lebhaft und auch unter ihnen bildeten sich zwei Gruppen, die einen hielten die Murrinen für Porzellangefäße, die anderen für Produkte aus irgend einer Art Edelstein. Im 18. Jahrhundert trat besonders Joh. Friedrich Christ, der in Leipzig den Grund legte, auf dem Lessing und Winkelmann weiterbauten, für diese letztere Meinung ein und ihm folgten die Franzosen Le Blond und Larcher; wobei nur der Unterschied war, dass jeder Forscher eine anderen Edelstein in der murra sah. Roloff und P. Buttmann endlich verteidigten die Ansicht, die vasa murrina seien aus Porzellan gewesen. Die kritische Stellungnahme zu diesen Arbeiten zeigt Thiersch den Weg, den er selbst zu gehen hat. Er vermisst vor allem die richtige Methode. Roloffs Abhandlung, gegen die seine Beweisführung vor allem gerichtet ist, leidet an einem Fehler, der auch von späteren Forschern nicht vermieden wurde; er nimmt von vornherein an, dass die Murrinen Porzellan waren und deutet dann alle hierzu nicht passenden Stellen um. Er geht nur von einer Stelle aus. Thiersch fordert daher in voller Übereinstimmung mit Buttmann: der philologisch richte Weg ist vielmehr der: man muss sich zuerst „einen gewissen aus der Gesamtheit der Stellen gefassten, die Autopsie der Alten einigermaßen ersetzenden Totaleindruck verschaffen“ und dann Grammatik und Kritik gewissenhaft anwenden.417 Nach einer kurzen Erörterung des Namens murrina gibt Thiersch die allgemeinen Beweise, dass die Murrinen nicht Porzellan, sondern Minerale waren. Zu diesem Zweck sammelt er alle Stellen der Alten, wo die vasa murrina neben den cyrstallina genannt werden, aus Julius Capitolinus, Statius, Seneca, Plinius, Pausanias. Plinius bezeichnet beide als Fossile. Der zweite Beweis liegt in der Tatsache, dass die murra in der Erde gefunden wird (inveniuntur, von Naturprodukten gebraucht), und zwar in Parthien in der Provinz Caramanien. Den dritten Beweis gegen die Annahme des Porzellans findet Thiersch durch die Untersuchung der Frage, wie dachten sich die Alten den Ursprung der murra. „Humozem putant sub terra calore densari.“ Eine Erklärung dieser Stelle des Plinius darf nicht von einer vorgefassten Meinung aus erfolgen; man muss sie vielmehr vergleichen mit ähnlichen. Im folgenden Abschnitt heißt es vom Krystall: Contraria huic calori cansa cyrstallem facit. Damit bringt Thiersch eine Seneca Stelle in Verbindung über die Entstehung des Krystalls. Offenbar ist von einem Naturprozess die Rede, nicht wie andere meinten, in Anlehnung an die Properzstelle von unterirdisch angelegten Öfen. Zu große Hitze macht die Murrinen, zu große Kälte das Kristall; dort findet ein Gerinnen (densare) durch Verdunstung, hier ein Gefrieren durch Zusammenziehung statt. Parallel mit beiden Hypothesen geht Tacitus Meinung über die Entstehung des Bernsteins. 417 Über die vasa murrina, S. 457.

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Durch einen vorurteilslosen Vergleich der alten Quellenstellen kommt Thiersch also zu einer ganz natürlichen Erklärung des Plinius Berichtes. Der vierte Beweis gegen die Fictilia wird aus der Größe der Murrinen geschöpft. Der fünfte ist von der Stelle hergenommen, in welcher sie von Plinius behandelt werden, nach den Gemmen und vor dem Krystall und Bernstein, also mitten zwischen den kostbaren Naturprodukten; zudem trennt Plinius ausdrücklich die Murrinen von den Fictilien. Die beiden griechischen Quellen endlich nennen neben den Murrinen noch andere Geschirre aus Stein (Pausanias) onychinische und murrinische Steinwaren (3HUL—SORXZ des roten Meeres). Durch Anwendung des Hauptgrundsatzes, vorurteilslos zunächst einen Totaleindruck von der Anschauung der Alten hinsichtlich der vasa murrina zu gewinnen, kommt Thiersch zur Überzeugung, es handelt sich um Gefäße aus irgend einer Steinart, niemals aber um solche aus Porzellan. Die nächste Frage418 lautet daher: welches ist die Natur des murrinischen Minerales? Eine feinsinnige durch zahlreiche Quellenstellen belegte Interpretation der Schilderung des Plinius ergibt die wichtigsten Eigenschaften des Minerals, Größe und Dicke, Glanz und Farbenspiel, Strahlenbrechungen und fette Farbenstellen, körnichte Stellen, Geruch und Zerbrechlichkeit. Dann untersucht Thiersch die verschiedenen Arten der aus murra gefertigten Geräte. Daran schließt sich der Versuch unter den bekannten Mineralien das aufzufinden, das die Alten murra nannten. Die genaue Prüfung des 35.-37. Buches des Plinius ergibt, dass Plinius Gemmen und den Gemmen ähnliches verbindet, in absteigender Ordnung von den Gemmen zur Murra, von dieser zum Krystall, vom Krystall zum Bernstein und von diesem zum Syncurium geht; er bezeichnet also die Murra als ein Mineral, das den Gemmen wenigstens ähnlich und edler als Krystall war. Die Masse war nach seiner Überzeugung, die er von ihrer Entstehung ableitete, im Gegensatz zu den Gemmen locker, weich oder spröde. Unter Beiziehung von vielen Dichterstellen und Aussprüchen der Juristen gewinnt Thiersch die Möglichkeit zu erkennen, was nach der Ansicht der Alten – und darauf kommt zunächst alles an – die murra nicht war, weder ein voller Edelstein noch ein Halbedelstein; das Quarzgeschlecht scheidet also ebenso aus wie das der Krystalle; so bleiben die Spathe, in erster Linie der Feldspath, der die von Plinius angegebenen Eigenschaften besitzt, wie die schönen Funde in England zeigen, die 1810 einen englischen Forscher zur gleichen Vermutung führten, die Thiersch durch „eine sicher fortschreitende Analogie“419 gefunden hat. Die letzten Bemühungen galten der entscheidenden ältesten Stelle, die von Murrinen spricht, dem Vers des Properz, wonach dieselben als „gemacht“ und in persischen Öfen gebrannt erscheinen. Die Überlieferung ist so sicher, dass jeder Versuch durch eine Textänderung die Übereinstimmung mit Plinius herbeizuführen, unerlassen werden muss. Im Vergleich mit ähnlichen Ausführungen bei Cato und Varro kann der Sinn der Stelle bei dem Dichter nur sein: die 418 Über die vasa murrina, S. 471-481, V. Abschnitt. 419 Über die vasa murrina, S. 495.

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vasa (oder pocula) cocta sind Gefäße aus gebrannter Erde. Wie ist dann der Widerspruch zu lösen? Nur durch die Unterscheidung zwischen echten und unechten Murrinen. Dazu berechtigt einmal die Sache selbst: seit dem Triumph des Pompeius über den Partherkönig Mithradates, der zuerst murrinische Gefäße nach Rom brachte, steigerte sich die Neigung für dergleichen bis zur Leidenschaft; daher konnte die Nachfrage nach echten Murrinen nicht mehr befriedigt werden. Eine sichere Analogie zu diesem Verfahren bietet ferner die Nachahmung von Krystall und Edelsteinen durch Glas und Bernstein, wie sie von den antiken Schriftstellern ausführlich beschrieben wird, dann bedeutet murrina cocta nicht gebrannter, sonder, was coquere ja auch heißen kann, geschmolzener Stoff. Diese Herleitung findet ihren vollen Beweis bei Plinius, der nach Schilderung des obsidinischen Glases fortfährt: Fis et album et Murrinum ant hyacinthos sapphirosque imitatum. Die 3HUL—SORXZ HÝUXMUDTZ MDOD—VVKZ erwähnt in Diospolis gefertigte Murrinen. Als Gegenbild der wahren Murrinen mussten die nachgemachten mit ihnen gemeinsam haben: die Undurchsichtigkeit und die Farbe. In der Frage, ob Murrinen auf uns gekommen sind, neigt Thiersch zu der Annahme, dass die ihm geschenkten Bruchstücke murrina cocta seien; denn sie stehen in nahem Verhältnis zu dem Onyxstein, zeigen zwei Lagen, eine dunkle als Grund, und eine weiße für die Figuren, weisen überhaupt alle von Plinius der Murra beigelegten Eigenschaften auf, wie Undurchsichtigkeit, matten Glanz, Schwere, Flecken, Warzen, Körner. Seit Thierschs umfangreicher Untersuchung ruhte die Forschung lange Zeit; nur einzelne Seiten des Problems wurden aufgegriffen. Schulz420 wandte sich gegen den bayrischen Forscher, weil er die unechten Murrinen in den Glasgefäßen mit weißen Reliefs auf dunklem Grund sieht; es müsse schillerndes Opal gewesen sein; entschieden bestritten wurde die Spathhypothese von Lenormant in der Untersuchung: Note sur un fragment d’un vase Myrrhine;421 Achat wird vorgeschlagen von A. Nesbitt in den „Notes on the history of glass – making in Cataloque Slade“.422 In dem Handbuch der römischen Altertümer von Marquardt Mommsen: „Das Privatleben der Römer“423 folgten Marquardt-Maul im Wesentlichen den Ausführungen von Thiersch. „Demnach“ – so heißt es S. 766 – ist unter den beiden Hauptansichten, welche man über die Natur der Murrinen aufgestellt hat, diejenige als ungerechtfertigt zu betrachten, nach welcher unter der murra ein künstliches Material, und zwar Porzellan verstanden wird.“

420 421 422 423

Annali 1839, S. 97 ff. Revue archeologique XXIV, p. 163 ff. P. X u. 2. 2. Auflage, bes. von Maul 1886, S. 764 ff; Blumner, Hugo, Technologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern, Bd. 3, 1884, S. 276 stützt sich im wesentlichen auf Marquardt.

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Erst im Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in der Frage der vasa murrina ein neuer entschiedener Vorstoß unternommen. Der Museumsdirektor Kisa424 versucht die Hypothese zu verteidigen, dass die vasa murrina überhaupt nur aus Glas waren, er findet alle von Plinius erwähnten Eigenschaften bei den bunten ägyptischen Gläsern wieder und vollzieht ohne weiteres die Gleichsetzung der vasa murrina mit den Millefiorigläsern; für seine Beweisführung charakteristisch ist der von Thiersch so energisch bekämpfte Fehler: er geht von einer vorgefassten Meinung aus, dass Ägypten der Sitz der antiken Glasindustrie war und deutet demgemäß alle dazu nicht passenden Stellen um, und zwar in einer Weise, die nicht mehr gerechtfertig werden kann. Plinius berichtete bekanntlich: Oriens murrhina mittit. Inventiuntur enim ibi in pluribus locis … Diese Stelle interpretiert Kisa:425 Der Orient ist die Fundgrube alter Arbeiten, die im Boden an verborgenen Stellen, manchmal vielleicht wie heute durch Zufall gefunden werden. Der Ausdruck „inveniuntur“ passt nicht für Waren, welche an jenem Ort hergestellt wurden; die Orte sind unbedeutend geworden, weder durch Fabrikation noch Handel ausgezeichnet. Dagegen können an solchen Orten sehr wohl von älteren Herren durch frühere Beziehungen zu den Fabrikorten, durch Sammler und plündernde Eroberer Murrinen zusammengetragen worden sein, die man später aufdeckte und nach Rom verkaufte. An anderer Stelle spricht Plinius von Glasimitationen: Fis et album et murrina ant hyacinthos saphirosque imitatum; Kisa übersetzt: Auch macht man weißes und murrinisches Glas sowie solches, das den Hyanzint nachahmt. Willkürlich zieht er et album et murrinum zusammen; während doch „ant“ murrinum und hyacintum trennt. Kisa hält seine Übertragung für korrekter, doch wohl weil sie zu seiner Hypothese passt, dass die murrina Gläser waren. Dass dadurch ein Widerspruch zu sonstigen Äußerungen des Plinius entsteht, bekümmert ihn nicht. Die Properzstelle über die murrina cocta wird kurz abgetan mit den Worten: Versmaß und poetische Sprache veranlassten den Dichter, nur von Parthien zu sprechen. Wenn mit den überlieferten Quellen so umgesprungen wird, kann freilich jede vorgefasste Ansicht hineininterpretiert werden. Bezeichnend für Kisa ist der Grillparzervers, den er seiner Beweisführung voranstellt: „Willst Du noch dazu die alten Autoren lesen, So brauchst Du nicht zu erfinden, was lange vor Dir gewesen.“ Jedenfalls gilt auch nach dem Erscheinen von Kisas Buch in der Frage der vasa murrina das non liquet.

424 Das Glas im Altertum, Leipzig 1908, Bd. I, S. 180 ff., Bd. II, VII. Abschnitt S. 508, S. 531 ff.; Buch 37,8. 425 Das Glas im Altertum, Bd. 2, S. 533 ff.

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5.3. Über das Grabmal des Alyattes426 Im Jahre 1828 war als preisgekrönte Schrift der Akademie der Wissenschaften in Berlin K. O. Müllers grundlegendes Werk erschienen: „Die Etrusker“,427 das die Aufmerksamkeit der Gelehrten in besonderem Maße wiederum auf jenes rätselhafte Volk der Appeninhalbinsel lenkte; waren die Etrusker doch die ersten, „die den Geist der griechischen Kunst zu atmen begannen.“428 Müllers Hauptbestreben ging dahin, eine Vermittlung zwischen zwei zu seiner Zeit vertretenen Ansichten über die Herkunft der Etrusker zu suchen; die einen nahmen eine Einwanderung von Norden her an, ohne freilich sich auf bestimmtes Quellenmaterial stützen zu können; die anderen vermuteten die Heimat im Osten an der kleinasiatischen Küste, vertraten also ein Eindringen über die See. Müller kommt zu dem Ergebnis: Im Norden des ägäischen Meeres hatten die Pelasger Lemnos und Imbros besetzt; ein Teil siedelte auch an der lydischen Küste gegen Karien und empfingen von der südlichen Landschaft Torrhebien und der dort liegenden Stadt Tyrrha den Namen Tyrrhener; diesen teilten sie ihren nächsten Anverwandten in Lemnos mit. Vor dort erfolgte die Fahrt nach Italien.429 Müllers Beweisführung stützt sich vor allem auf die Nachrichten des Xanthos, eines lydischen Historikers, der noch zu seiner Zeit die Torrheber als Nachbarn der Lyder bezeichnet und von einer Auswanderung der ersteren nichts weiß, und auf die Gleichsetzung der Namen Torrheber und Tyrsener hinweist, ferner auf Tacitus annal. IV 56, wo eine Gesandtschaft aus Sardes im Senat die Blutsverwandtschaft mit den Etruskern betont, sowie auf Herodots Mitteilungen, dass zu seiner Zeit an verschiedenen Orten der Propontis ein Dialekt gesprochen wurde, der mit der Sprache der Bewohner von (…) übereinstimmt. So war die Lage der Forschung, als Thiersch seine Akademieabhandlung über das Alyattesgrab veröffentlichte. Die Schwierigkeiten der Aufgabe, die er sich stellte, waren sehr groß. Vor allem galt es gegenüber der allgemeinen anerkannten Autorität Müllers neue Gesichtspunkte in der Etruskerfrage zur Geltung zu bringen. So finden wir bei dem bayrischen Gelehrten den bemerkenswerten Versuch, kunstgeschichtliche Vergleiche hervorragender Grabdenkmäler des Altertums zu benützen, um historische Ergebnisse zu erzielen. „Grabdenkmäler des höheren Altertums“, so führt er aus, „haben als Monumente der Architektur und Geschichte doppelte Wichtigkeit und dienen die historischen Sagen zu bestätigen oder zu berichtigen, wenn ihre Eigentümlichkeit in Anlage und Ausführung in ähnlichen Werken bei anderen Völkern wiederkehrt, die

426 Gelesen am 9. August 1833 in Abhandlungen der philos.-philolog. Klasse der Akademie der Wissenschaften, München, Bd. I, 1835, S. 393, 438 ff. 427 Breslau 1828. 428 Gustav Herbig, Zum heutigen Stand der etruskischen Frage, in Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 1907, Nr. 92-93. 429 K. O. Müller, Die Etrusker, I. Buch, S. 71 ff.

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durch Länder und Zeiten getrennt, aber nach geschichtlicher Überlieferung miteinander ursprünglich vereint sind.“ Drei Werke, das Alyattesgrab, das Grab des Porsenna und das sogenannte Curiatiergrab will er vergleichen, um dann historische Schlüsse ziehen zu können. Da musste er zunächst eine eingehende Analyse der überlieferten Quellenstellen vornehmen; Ausgrabungen an dem berühmten Grabmal des Lydierkönigs Alyattes hatten noch nicht stattgefunden; so ist Thiersch auf den kurzen, an sagenhaften Bestandteilen reichen Berichts Herodots I B 93 angewiesen; an tatsächlichen Bemerkungen über das Grab enthält derselbe nur folgende Angaben: außer den ägyptischen und babylonischen Werken war es (VKTPD), der Grundbau (NUKSL—Z) von großen Steinen, das übrige Grabmahl ein aufgeschütteter Erdhügel, ([YTPD JKTZ), der Umkreis des Denkmals beträgt 6 Stadien und zwei Plethren, die Breite 13 Plethren, oben auf dem Grabmahl waren 5 Grenzpfeiler (RX4URL), die noch zu seiner Zeit standen. Thiersch untersucht zunächst die Ausdrücke VKTPD, NUKSL—Z und RX4URL, deren Bedeutung und Verwendung er bei griechischen Dichtern und Prosaikern verfolgt; für die zieht er vor allem die Begräbnisgebräuche heran, wie sie Homer schildert. Entscheidend für seine Auffassung von NUKSL—Z wird Strabons (XIII § 5d. Cor.) ganz unmissverständlicher Ausdruck in der Beschreibung des Alyattes Grabmahls: HÝSL— NUKSL—GRZ XÀ\KOKTZ [YTPD PH—JD. So nimmt430 Thiersch also an: Über einer gewaltigen, aus Steinblöcken gebauten NUKSL—Z erhob sich ein Erdhügel, hinter die Basis bedeutend zurückweichen, die [YTPD JKTZ; er umschloss in seinem Innern die Begräbniskammer; deren Mauern waren emporgeführt und dienten den RX4URLterminis als Basis; den Gipfel des Grabhügels umschloss wohl eine Ringmauer, die dem Bau jener fünf Körper als sichtbare Basis diente. Ein längerer Exkurs dient der Klärung der Frage, wer waren die von Herodot genannten Erbauer des Denkmals: die DÝJRUDLTRL DÍQMUYSRL, die [HLUY—QDNWHZ, und die HÝQHUJD]R—PHQDLSDLGL—VNDL; Thiersch kommt zu dem Ergebnis: die Marktleute, die kunstfertigen Handwerker und die Hetären aus diesen beiden Klassen. Für den Charakter des ganzen Grabmahls entscheidend hält Thiersch die RX4URL, fünf an der Zahl; aufgrund der erhaltenen Termini der Rennbahnen denkt er an (…), nach Art der Pyramiden, sich nach oben verjüngend, konisch abgerundet. Mit Hilfe der Zahlenangabe Herodots, der nur Umfang und Breite, nicht die (…) der NUKSL—Z nennt, berechnet Thiersch, dass das Alyattesgrab eine kreisförmige Basis hatte, von 38 Fuß Umfang und 12 Fuß Durchmesser. Eine Höhenangabe des ganzen Denkmals fehlt abgesehen von dem Vergleich mit den ägyptischen und babylonischen Werken. Daher benützt Thiersch eine Athenäusstelle (XII. p. 573) zur Ergänzung. In einer Schrift des Klearchos, eines Schülers des Aristoteles, „Erotika“ wird erzählt, der König Gyges habe sich und sein Reich seiner Hetäre überlassen und nach ihrem Tod alle Lyder zusammengeführt und ihr ein Grabmal aufgeschüttet, das 430 Über das Grabmahl des Alyattes, S. 401.

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noch zu seiner, Klearchos Zeit, PQKTPD WKTZ HÀWDL—UDZ hieß; er machte es so hoch, dass er, wenn er das Land innerhalb des Imolus bereiste, stets das Denkmal vor Augen hatte. Thiersch vermutet, dass das Alyattes Grabmal mit dem der Hetäre identisch ist; denn jenes lag nach Herodots Bericht am ägyptischen See und die Hetären hatten das Meiste dazu beigetragen; ein zweites, so gewaltiges Werk wäre von Herodot bestimmt erwähnt worden. Das Land HÝQWR—Z 7PY—ORX bedeutet die Fluren westlich dieses Berges, also das innere Lydien, nördlich und südlich von hohen Gebirgen umschlossen, mit Ebenen und Hügeln abwechselnd. Diese Fluren gestatten überall eine freie Aussicht, in deren Hintergrund am Fuß des Tmolus und am Ufer des Sees sich das Alyattesgrabmal erhob und seine RX4URL nach allen Teilen des Landes hin zur Schau stellte. Daraus folgt, dass der oberste Teil sich einer Burg gleich über den aufgeführten Hügel erhob und seine fünf Termini mit konischer Form in turmähnlicher Größe über den oberen Gurt aufragten. In jedem anderen Falle war es unmöglich, sie aus so weiter Ferne zu unterscheiden. Eine weitgehende Bestätigung fanden Thierschs Ansichten durch die Ausgrabungsbefunde, die der Bericht431 des Generalkonsuls Spiegelthal in Smyrna und des Barons von Behr-Negendank enthält. Nachdem durch Reisende wie Chandler, Prokesch. I. R. Stenart und Hamilton Strickland mehr oder minder ausführliche Nachrichten über die Grabhügel zwischen Sardes und dem ägyptischen See bekannt geworden waren, gingen Spiegelthal und Behr an eine planmäßige Untersuchung des Bin-tépe’, jenes merkwürdigen 1000-Hügellandes zwischen dem Hermos und dem See.432 Drei verschiedene Arten von Grabhügeln wurden festgestellt und als der bedeutendste der Alyattes erkannt. Die Bloßlegung der Basis an einzelnen Stellen zeigte diese aus dem Kreis gelegten, behauenen Steinen gebildet. Die Messung des Hügels. wie er jetzt ist, ergab 1. von der Ebene aus eine senkrecht Höhe 69,12 Meter 2. von der Basis der Steinaufmauerung 61,46 Meter 3. auf der Höhe der Steinaufmauerung, welche das Plateau der Grundfläche des eigentlichen Grabmals bildet 43 Meter, ferner für den Radius und Durchmesser der drei ebengenannten kreisförmigen Grundflächen zu 1 Radius = 257 m, Durchmesser = 514 m zu 2 Radius = 177,6 m, Durchmesser = 355,2 m zu 3 Radius = 120 m, Durchmesser = 240 m. Herodots Zahlenangaben finden ihre volle Bestätigung; danach ergibt sich für den Umfang des Grabhügels 1055,626 m, für den Durchmesser 336 m; der Radius dieses Kreises beträgt 168 m, die Hypothenuse zu dem Radius als Kathete 237,49 .; das ist die Länge der Seite des Quadrats, das in den Kreis eingezeichnet werden kann; die Seite der Cheopspyramide hat 236,49 m, die vier Seiten 431 Über die lydischen Königsgräber bei Sardes in dem Grabhügel des Alyattes, in: Abhandlung der Akademie der Wissenschaften, Berlin, 1858. 432 Olfers, Tafel I enthält eine gute Übersichtskarte

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ihrer Grundfläche würden also um 1 Meter gegen die Seite dieses Quadrates und die ganze Länge ihres Umfanges um 119,6 m gegen den Umkreis der Grundfläche des Alyatteshügels zurückstehen. Von den 5 RX4URL, die Herodot erwähnt, liegt eines433 noch auf der Höhe des Hügels umgestützt und halb in die Erde versenkt, eine Kugel mit niedriger Basis, deren Durchmesser 2,84 m beträgt. zweifellos der mittlere Stein. In der nächsten Umgebung fand sich eine Steinkugel,434 etwa ¼ der Größe des vorhergehenden, wohl eine der vier Eckverzierungen. Die Ausgrabungen auf der Spitze deckten ein Mauerwerk von großen Bruchsteinen auf, offenbar die von Thiersch vermutete Basis der RX4URL. Der ins Innere getriebene Stollen führte zu der 50 m s.w. vom Mittelpunkt gelegenen aus behauenen Blöcken grauweißen, kristallinischen Marmors bestehenden Grabkammer; eingefügte Marmorplatten bildeten die Tür, die südlich nach Sardes gerichtet ist. Die Deckplatte des Raumes beträgt 1,35 m. In der Grabkammer fanden sich zahlreiche Gefäße435 aus Ton und Alabaster. Für das Porsenna Denkmal grundlegend ist der Bericht des Plinius, nat. List XXXVI S. 19,4, der sich weitgehend aufeine Schilderung Varros stützt. Thiersch436 legt großen Wert darauf genau abzugrenzen, was Varro berichtet, was Zusatz des Plinius ist; denn Unklarheit hierüber veranlasste den Archäologen Al. Hirt in seiner Geschichte der Baukunst zu behaupten, in Varros Zeit sei von diesem fabelhaften Bau nichts mehr übrig gewesen. Thiersch kommt zu dem Schluss, dass die wörtliche Herübernahme aus Varros Annalen erfolgte, und zwar bis zu den Worten: „supra quas ...“. Damit gewinnt die Erzählung eines festen historischen Grund, da sie auf dem Ansehen des gelehrtesten und gewissenhaftesten Geschichtsforschers der Römer beruht. Varro spricht von dem Bau als von einem zu seiner Zeit noch aufrecht stehenden. Gestützt auf Varros Zeugnis rekonstruiert Thiersch das Denkmal des Etruskerkönigs auf folgende Weise: Die Basis des Grabmals bildete ein gleichseitiges Viereck von Quadersteinen; (jede Seite 300, der Umfang 1200 Fuß). Über dem Viereck, in dessen Innern ein Labyrinth lag, erhoben sich in seinen vier Winkeln (quattour in angulis) vier Pyramiden und eine in der Mitte, die Länge jeder der 4 Seiten der Pyramiden betrug 75 Fuß, also ¼ der Seite des ganzen Viereckes, die Höhe 150 Fuß, ½ eben derselben Seite. Diese 5 Pyramiden verjüngten sich an dem oberen Teil so, dass darüber ein eherner Petasus lag, über sie hervorragend, am Rand mit Glocken behängt. Da das Dach als Petasus bezeichnet ist, (3H—WDVRZ Hut mit Klappe) vermutet Thiersch eine Erhöhung des orbis in der Mitte; also überragte die mittlere Pyramide die übrigen, eine An433 Vergleiche Olfers Tafel III 1; es bildete das Mittelstück der Krönung; leider fehlt eine genaue Maßangabe der Basis. 434 Tafel II 3 eines der viel Eckstücke der Krönung. 435 Tafel V bei Olfers. 436 Offenbar gegen Ottfried Müller polemisierend; denn dieser nimmt (Etrusker IV 2, S. 224) an, dass eine solche Trennung genau nicht möglich ist.

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nahme, die durch Vergleichung des ähnlichen Denkmales von Albano an der Via Appia gestützt wird, wo die mittlere konische Pyramide höher und stärker ist, als die in den vier Ecken. Über dem Petasus standen vier andere Pyramiden, also offenbar über den Häuptern der unteren, die ihnen zur Basis dienten, jede 100 Fuß hoch, und über diesen auf einem Boden wieder 5, deren Höhe anzugeben sich Varro scheut. Plinius ergänzt die Schilderung seines Landsmannes durch sagenhafte Angaben der etruskischen Tradition, wonach dieselben die Höhe des ganzen Werkes, also 300 Fuß erreichten, so dass das Grabmal, der Grundbau mit dem Labyrinth, der untere Stock mit 5 Pyramiden, der zweite mit 4, der dritte mit 5, zusammen 600 Fuß maßen. Gegenüber dieser omnia verfiel Thiersch nicht in Hirths Fehler, überhaupt an dem Vorhandensein eines solchen Denkmals zu zweifeln, sondern er teilt K.O. Müllers Ansicht,437 man müsse Wahres und Falsches unterscheiden; als historische beglaubigt betrachtete er die wörtlich überlieferten Partien Varros, also Grundbau und die zwei ersten Stockwerke.438 Ein Vergleich der Denkmäler des Alyattes und des Porsenna zeigt zwar, dass das lydische ein Rundbau, das etruskische ein Viereck war, jenes konische, dieses pyramidische Türme hatte; auch ist dem etruskischen die Vielheit der Stärke eigen, während statt derselben beim lydischen der eigentliche Tumulus erscheint, aber übereinstimmend ist die ganze Anlage, der Grundbau aus großen Steinen mit der Vielheit der Pyramiden, Stelen und Termini in getrennten Massen. Was jedoch schlagender als alles erscheint, ist die Gleichzahl derselben, der 5 lydischen RX4URL über dem Grab des Alyattes und der fünf Pyramiden über dem Porsennas. „Die fünf Massen waren das Eigentliche und Bestimmende des Gebäudes und die Fünfzahl derselben durch Gebrauch und gemeinsame Beziehung auf feste Vorstellungen vielleicht im Kultus beider Völker gestützt.“439 Endlich wird die Anordnung der fünf Pyramiden auf der etruskischen Basis über die Anordnung der fünf konischen Rundpfeiler auf dem lydischen Tumulus entscheiden; vier werden am Rande derselben in gleichen Entfernungen voneinander und der fünfte in der Mitte aufgerichtet gewesen sein. Die Ausgrabung in Lydien bestätigte diese Vermutung. Das dritte Grabmal, das Thiersch zum Vergleich heranzieht, ist das sogenannte Kuriatiergrab.440 Die Basis ein Quadrat mit vorspringendem Sockel und Kranz (Seite 25 Fuß breit, 24 Fuß hoch); darüber 5 Kegel aus (…), an jeder Ecke 1, ein stärkerer in der Mitte; die völlige Abweichung des Grabes von den sonstigen römischen Denkmälern und die Übereinstimmung mit dem Porsennagrab lassen nach Thierschs Meinung keinen anderen Schluss zu, als 437 Die Etrusker, VI, 2, 1. 438 Aufgrund von Varros Schilderung entwirft eine Rekonstruktion Durm, Handbuch der Architektur II, Bd. 2, Baukunst der Etrusker ff, 1905, S. 143; vergl. auch Perrot-Ch: Historie de l’art dans l’antiquité V., Paris 1890, S. 265. 439 Thiersch, Über das Grabmal des Alyattes, S. 420. 440 Durm, a.a.O., S. 143 Abbildung.

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dass beide etruskisch sind, zumal sich nach Niebuhrs und Müllers Forschung die etruskische Macht bis über Campanium erstreckte. Das Denkmal des Alyattes zeigt Übereinstimmung in der Idee und in dem von fünf isolierten Massen überragten Grundbau. So wagt Thiersch nicht mehr zu zweifeln, dass ein innerer Zusammenhang zwischen den drei Grabmälern am gygäischen See, an der Via Appia und bei Usium besteht. Damit kommt er zum letzten Teil der Abhandlung: welcher Zusammenhang besteht zwischen Lydien und Etrurien, zwischen den Völkern, die jene Denkmäler errichtet haben? Schon eine Prüfung der antiken Quellennachrichten zeigt einen Zweispalt der Meinung an. Herodot I 94 erwähnt eine Überlieferung der Lydier, wonach Tyrohenos, ein Sohn des Königs Atys, mit einem Teil des Volkes bei einer Hungersnot das Land verließ und ein Gebiet der Ombriker in Italien neue Wohnsitze fand. Dionysius von Holykarnaß (Antiqu. Rom. 1, 27 ff) dagegen behauptet, bei Xanthos441, der selbst Lydier war, finde sich keine Nachricht über diese Auswanderung; vielmehr seien Atys Söhne, Lydos und Torrhebos in Asien geblieben, nachdem sie das Reich geteilt hatten. Daher glaube er überhaupt nicht, dass die Tyrrhener Abkömmlinge der Lydier seien; die Verschiedenheit der Sprache, Sitte, Gebräuche und Kultus beweise, das Volk sei (...) Diesem Zwiespalt der Quellen entspricht es, dass auch die späteren Forscher bald der einen, bald der anderen Meinung sich anschlossen. Während Bähr, Rickius, Larcher, Kreuzer dem Herodot recht geben, trat Valekenar, Heyne und Niebuhr für Xanthos ein. In neuester Zeit ging man den Zusammenhängen zwischen Lydern und Etruriern sorgfältig nach, Wachsmut fand Anklänge im Kultus, (Ältere römische Geschichte, S. 85), K.O. Müller (Etrusker I, 37) in den Kleidern; Kreuzer wies auf Theopompos Zeugnis und den Umstand hin, dass die Sibylle, welche Orakel nach Rom brachte, nach Varro aus Erythrä an der jonisch-lydischen Küste war und in jenen Sprüchen befohlen wurde, die Idaca mater, eine lydische Hauptgöttin nach Rom zu bringen. Endlich stellt K. O. Müller die bereits erwähnte Pelasger-Thyrrhenerhypothese auf. Hier setzt Thiersch Polemik gegen seinen berühmten Kollegen ein. Mit Bähr nimmt er an, dass trotz aller griechischen Einmischung, die etruskische Kunst nicht griechische Kunst ist, sondern im Prinzip wie in Ausführung ein nicht griechische Volk hinweist, je weiter man in die ältesten Formen zurückgeht. Auch die Unterschiede von der ägyptischen sind wesentlich. Um ihre Herkunft zu suchen, werden wir nach Asien gewiesen, wo die Lyder das kunstgeübteste Volk waren. Die Vergleichung der Grabdenkmäler macht den Zusammenhang wahrscheinlich. Sollten sich nicht auch die Zeugnisse des Xanthos und Herodot in Übereinstimmung lassen?

441 Xanthos, ein hellenisierter Lydier, schrieb in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts; sein Werk ging verloren; später wurde unter seinem Namen eine Geschichte Lydiens herausgegeben von einem Alexandriner Historiker Dioysius Skythobrchion. Vgl. Perrot Chrippier, Historie de l’art dans l’antiquité, tom V., S. 239 ff.

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Thiersch betont zunächst, dass beide Historiker lydische Quellen benutzten; Herodot wählte unter den zwei Sagen die, welche von der Auswanderung spricht. Da er bei der Darstellung des Kyrus unter den viel beglaubigten Überlieferungen derjenigen folgt, die Kyros nicht „würdevoll“ (VHPQR—Z) machen, sondern erzählen will, wie es geschehen ist, vermutet Thiersch ein ähnliches Motiv bei der Schilderung der lydischen Vorgänge; Herodot nahm an, dass Xanthos in der durch die eine Sage überlieferten Auswanderung etwas sah, das für sein Volk nicht VHPQR—Q war. Hieraus folgert Thiersch, dass die Zeugnisse beider Historiker auf gleicher Linie stehen. Wenn er sich für Herodot entscheidet, so geschieht e4s aus folgenden Erwägungen: Die Tacitus Stelle über die Verhandlungen der Gesandten von Sardes im römischen Senat (Ann. IV, 56) beweist, dass die Nachricht von dem Zusammenhang der Lyder und Etrusker durch die Übersiedlung eines lydischen Stammes nach Italien auf gegenseitige Anerkennung der beiden Völker selbst gestützt war; in dem phantastischen Zeugen des Herodotischen Berichtes steckt ein geschichtlicher Kern. Weitere Aufklärung erhofft Thiersch von einer Untersuchung des lydischen Namens und der Entstehung des Lydervolkes. Mit Hilfe zahlreicher Homerverse stellt er fest, dass am Imolus die Mäonier wohnten, die Söhne der 7XJDL—K OL—PQK, riesige Männer, die Prieners zu Hilfe eilten, die Frauen geübt in Purpurfärberei. Neben ihnen, durchs Gebirge getrennt im Tal des Kaistros, erscheint ein Volk gegen Karien zu, die Torrheber mit eigener Sage, die es an Karien knüpft. K. O. Müller442 wies aus Xanthos nach, dass es ein Stamm, der später unter dem gemeinsamen lydischen Namen begriffenen Nation war, welcher einen besonderen Dialekt sprach. Wie Müller hält Thiersch die Gleichsetzung der 7R—UUKERL und 7X—UVKQRL für möglich; während aber jener den Namen auf einen von den Torrhebern ganz verschiedenen pelasgischen Stamm überträgt, betont Thiersch, wie z. B. Plinius die eingewanderten Lyder von den Tyrrhenern bestimmt unterscheidet. Von den Mäoniern wie Torrhebern getrennt erscheinen nach alten Überlieferungen die Lyder, westlich gegen die Küste zu wohnend. Aus der Verschmelzung dieser drei Stämme entstand nach Thierschs Auffassung das mächtige lydische Volk; wie sie erfolgte, darüber lassen sich nur Vermutungen aufstellen; wohl fanden heiße Kämpfe um die reichen Ebenen der Mäonier statt; thrazische Namen in der ältesten mäonischen Königsreihe weisen auf ein Eindringen thrazischer Stämme hin. Eine ähnliche Mischung zeigt die Namenreihe der Herakliden. Die Sage von der Auswanderung der Tantaliden von Sipylos an den Alpheus zeugt ebenfalls von jenen Kämpfen. Dazwischen erscheint Atys mit seinen Söhnen Lydos und Torrhebos. Unter diesen verschwindet der mäonische Name, Lydos behauptet Land und Leute, Tyrhenos wandert aus, wegen Hungersnot (Herodot), wegen Zwist um die Herrschaft (Theogonie). Hinter den Namen verbergen sich Stämme. Die Lyder und Torrheber dringen in die

442 Die Etrusker I, 2,5.

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Ebenen des Poktolus und unterwerfen die Mäonier. Unter den Siegern entsteht neuer Kampf. Ein Teil verlässt die Heimat. Vergleicht man K. O. Müllers und Thierschs Auffassung in der Etruskerfrage, so stimmen beide Gelehrten insofern überein, als sie eine Einwanderung der Etrusker von Kleinasien über die See annahmen; aber während Thiersch das Zeugnis Herdots verteidigend in den Auswanderern Lyder sieht, überträgt Müller den Namen Tyrrhenri auf ein Volk, dass das nördliche ägäische Meer beherrschte. Ein Nachtrag443 zur Akademieabhandlung bringt noch eine Auseinandersetzung zwischen Thiersch und dem bekannten französischen Archäologen Quatremére de Quincy. Dieser versuchte in seinem Werk: „Monuments et ouvrages d’art antiques réstitués d’après les descriptions des écrivains Greeset Latins et accompagnés des dissertations archéologiques“444 eine Wiederherstellung des Porsennadenkmals; auch er erkennt die Übereinstimmung der drei Grabdenkmäler, beschränkt sich aber auf das Architektonische und Monumentale, während für Thiersch dieses nur der Träger der Historisch-philologischen Untersuchungen ist, die sich drauf gründen lassen. Ein Vergleich der Ausführungen beider Forscher ist deswegen sehr interessant, weil so auf ihre ganz verschiedene Methode helles Licht fällt. Wie oben ausgeführt gewinnt Thiersch durch genaue Interpretation der Pliniusstelle eine feste Grundlage um das absurde dieses Berichtes vom Brauchbaren zu scheiden; Quatremère dagegen unterwirft die Beschreibung der Kritik des Zeichnens und findet, wie er glaubt, die vernünftigste Zusammensetzung durch Veränderung eines einzigen Wortes. Plinius schreibt: Quatremère ersetzt unus durch una, nimmt dem Denkmal das gemeinsame hutähnliche Dach ab, spitzt die 5 Pyramiden rund ab und setzt jeder ein besonderes Hütlein auf. Statt der vierseitigen Pyramiden des Varro nimmt er konische Körper an – tout a fait arbitrairement (je l’av) uniquement en vûe de la varietè; sie laufen oben ganz spitzig ab und sehen mit den Hüten und den Glöcklein darüber ungefähr wie chinesische Bienenkörbe aus. Aus dieser willkürlichen Änderung ergeben sich für den Aufbau des 2. Stockwerkes die größten Schwierigkeiten. Quatremère errichtet hinter den 1. einen 2. viereckigen Grundbau, der bis über die 5 Hüte reicht, und darauf die 4 Pyramiden. Auf dem mittleren Raum des Unterbaues des 2. Stockes mauert er einen Rundbau als Träger des 3. Stockwerkes, der auf seiner Fläche 4 konische Körper und einen 5. in der Mitte trägt. Nicht minder willkürlich verführt Quatremère bei der Widerherstellung des Alyattes Grabmals (x p. 151); ohne Rücksicht auf Herodots Zahlenangabe gibt er ihm als Unterbau ein Viereck mit 2 Seiten von doppelter Länge der beiden anderen. Um das HÍUJRQSROOR—QPH—JLVWRQdes Herodot herauszubringen, zieht er die Beschreibung des Augustgrabmals durch Strabon (V.p. 236) heran; es lag 443 Über das Grabmal des Alyattes, S. 4934 ff. 444 Tom I. Paris 1829.

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in einem See auf einer hohen NUKSL—Z ein bis zum Gipfel mit grünen Bäumen besetzter [YTPD trug oben eine Statue des (…). Dementsprechend stattet er das Grabmal des lydischen Königs mit 5 übereinander liegenden Ringmauern oder Terrassen aus; an ihren Rändern Zypressengänge; über dem obersten Ring stehen die 5 Termini. Seitdem Müller und Thiersch ihre Untersuchungen zur Etruskerfrage veröffentlichen, wetteiferten Archäologen, Anthropologen, Historiker und Philologen das schwierige Problem zu lösen, die Spezialliteratur ist kaum mehr zu übersehen.445 Für die linguistische Seite der Frage schuf die notwendige Grundlage das Corpus inscriptionum Etruscarum, tom I, herausgegeben von Pauli (18931902), dem weitere Bände folgen werden. Wilhelm Schulze446 durchforschte den italienischen Schatz der Personen- und Städtenamen und versuchte ihre Bildungsgesetze zu finden. Paul Kretschmer447 schrieb über den kleinasiatischen Lautwandel in Ortsnamen und über die suffixalen und radikalen Bestandteile kleinasiatischer Personennamen, eine Vorarbeit zu einem Werk, das erst geschrieben werden kann, wenn einmal sämtliche kleinasiatischen Eigennamen systematisch gesammelt sind. Wilhelm Deecke gab Ottfried Müllers grundlegendes Werk über die Etrusker neu heraus, es durch Anmerkungen und Exkurse ergänzend. Zu diesen Forschungen kamen Funde, wie die berühmte Agramermumienbinde mit Schriftproben der italienischen Etrusker, die Tontafel von S. Maria di Capua, wodurch die Ausdehnung der Etruskerherrschaft über Campanien zur Gewissheit wurde und die 1885 entdeckte Inschrift von Lemnos, die Zusammenhänge der dort geschichtliche bezeugten tyrrhenischen Pelasger mit den Etruskern wahrscheinlich macht. Die Inschriften von Piacenza zeigen Übereinstimmungen mit babylonischen Stücken. Hatte Herbig in seiner Zusammenfassung von 1907 mit großer Vorsicht als Ergebnis der bisherigen Sprachuntersuchungen bezeichnet: sicher ist bis jetzt nur, dass das Etruskische keine semitische und keine indogermanische Sprache ist, so konnte er in den Vergleichstabellen448 kleinasiatisch-etruskischer Eigennamen den aufsehenerregenden Nachweis führen: „Die Namenmassen sind unter sich nach Stämmen, Suffixen und Lautsystem eng verwandt, der Schlüssel zur Lösung des Etruskerrätsels liegt im Osten.“ Skutsch449 zeigt in dem sehr lobenswerten Artikel über die Etrusker, wie die neuere Forschung das Zeugnis des Herodot ablehnend in der Grundauffassung mit K. O. Müller übereinkommt, dass die Etrusker aus dem Osten kamen. Seit dem 14. Jahrhundert saßen die Turscha im 445 Eine treffliche Zusammenfassung bei Gustav Herbi: Zum heutigen Stand der etruskischen Frage in: Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 1907, Nr. 92-93. 446 Zur Geschichte der lateinischen Eigennamen, Berlin/Zürich/Dublin 1966. 447 Einleitung in die Geschichte der griechischen Sprache, Göttingen 1896, Kap. VII, S. 171 ff., S. 384 ff. 448 Sitzungsberichte der bayrischen Akademie der Wissenschaften, 7. Februar 1914, Herbig „Religion und Kultur der Etrusker“ 1922. 449 Die Etrusker in: Pauli Wissova, Bd, VI, S. 730 ff., 1907.

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Gebiete des nördlichen ägäischen Meeres und siedelten auch an der Küste Kleinasiens; von dort fuhren sie an die Küsten Italiens. Als Eroberer mit höherer Kultur und größerer Tatkraft verschmolzen sie mit den heimischen italienischen Bauern; ihre Sprache und Kultur blieb bis zum Siege Roms herrschend.450 Als stärksten Beweis für die Herkunft des Volkes aus dem Osten erkennt Skutsch die Hellenisierung der Etrusker; langgestreckte Grabkammern mit ihrer durch Überkragung hergestellten Wölbung, wie sie den Gräbern Südetruriens eigentümlich sind, gleichen den lydischen. Hier berührt Skutsch das schwierige Problem der Bestattung, auf das auch Herbig451 hinweist, der es formuliert: Sind die tombe a camera (Grabkammern) eine Weiterentwicklung der tombe a pozzo (Brunnengräber) und der tombe a fossa (der Schachtgräber) oder sind sie geschichtliche mit den kleinasiatischen Felsengräbern und Tumuli zu verknüpfen? In den Tumuli der südetruskischen Seestädte wurden zweifellos nur reiche Händler und Adelige bestattet. Durch sekundären Kulturaustausch können sie nach Etrurien gekommen sein. Hier fehlt eine unbefangene archäologische Vorarbeit. Furtwängler452 sieht in der Angabe Herodots, dass die Etrusker aus Lydien kamen, eine falsche antike Vermutung, die er sich aus dem engen Verkehr mit den Lydern entstanden denkt; aber die fremde überseeische Herkunft selbst ist deswegen „durchaus nicht als falsch anzusehen.“ Die anthropologischen Forschungen gaben hinsichtlich des homo etruscus kein irgendwie verlässiges Resultat.453 Müllers und Thierschs Etrusker-Hypothese wird also, soweit sie eine Einwanderung von Kleinasien her annimmt, durch die neuere Forschung im wesentlichen anerkannt; ungeklärt bleibt noch die von dem bayrischen Gelehrten stark hervorgehobenen Übereinstimmung der Königsgräber hinsichtlich der 5 Pyramiden oder RX4URL 4. Über Paros und parische Inschriften. Eine philologisch-antiquarische Abhandlung454 Als von dem Begründer und Meister der griechischen Epigraphik Boeckh die ersten Hefte des großangelegten Corpus insriptionum Graecarum erschienen, das ähnlich wie die Monumenta Germaniae historica für das Mittelalter die quellenmäßigen Grundlagen für eine wissenschaftliche Behandlung der antiken Geschichte schaffen sollte, erhob Gottfried Hermann vom Standpunkt der Philologie im engeren Sinn ernste Bedenken. Aber der Verfasser des Staatshaushal450 451 452 453 454

Herbig, Zum heutigen Stand der Etruskerfrage, ebd. Ebenda, S. 65. Die antiken Gemmen, Bd. III, S. 173 ff., 1900, 7. Abschnitt die etruskischen Skarabäen. Herbig, a. a. O., S. 71. Vorgetragen am 4. Mai 1834. Abhandlung der phil.-philolog. Klasse der Akademie der Wissenschaften, Bd. I, 1835, S. 585 ff.

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tes der Athener ließ sich dadurch nicht beirren und fand die Unterstützung bedeutender älterer und jüngerer Gelehrter.455 Auch Thiersch teilte seine Ansicht von den umfassenden Aufgaben der Altertumswissenschaft und richtete während seines griechischen Aufenthaltes sein Augenmerk gerade auf Inschriften. Durch seine Abhandlung über Paros wirkte er nicht nur anregend auf die jung aufblühende Wissenschaft der Epigraphik; mit ihr beginnt auch die eigentlich wissenschaftliche Arbeit über jene bedeutende Kykladeninsel.456 Auf einer Marmorplatte der nördlichen Einfassung der Burg gelang es ihm, zwei bedeutsame Beschlüsse des Rates und Volkes der Parier zu Ehren des Killos aufzufinden. außerdem sammelte er kleinere fragmentarische Dekrete, Inschriften auf Weihgeschenken für Asklepios und Hygeia sowie auf Denkmälern, besonders der Toten. Die erste Aufgabe war eine möglichst genaue Wiedergabe des Textes457 der Killosurkunden in Kapitalschrift und Übertragungen mit den notwendigen Ergänzungen. Aus dem Charakter der Schriftzeichen und aus dem Gebrauch und der Verbindung der Wörter schließt Thiersch, dass die Insel aus dem Zeitalter der Diadochen stammt; der Rest altertümlicher Orthographie, die noch den Diphtung nl als el überliefert, erklärt sich Thiersch als alten bei Steinschriften zäh festgehaltenen Brauch. Boeckh setzt die Entstehung der Urkunden etwa in die Mitte des 1. Jahrhunderts. Mit dem Text verbindet Thiersch eine ausführliche Erläuterung;458 sie enthält eine genaue Begründung der von ihm vorgenommenen Ergänzungen und sprachlich-grammatische Erklärungen der Kurkunden; vor allem aber bietet sie zwei interessante Exkurse über die DÝJRUDQR—PRL, zu denen Killos gehörte, und über die Theoxenien. Dank seiner genauen Kenntnis der griechischen Literaturquellen entwirft Thiersch in dem ersten Exkurs ein anschauliches Bild von der Tätigkeit des Killos, der durchs Los zum Ordner des Kaufes und Verkaufes auf dem Markt bestimmt ist; seine Hauptsorge richtet sich auf Brot und Mehl und auf die Lohnarbeiter; er hat eine vortreffliche Ernte benutzt, um jene Lebensmittel in vorzüglicher Qualität und billig zu verkaufen; damit keine Partei die andere übervorteile, legt er beiden den Zwang der Gesetze auf. Die Arbeiter dürfen nicht müßig werden, die Herren sollen ohne Streit den verdienten Lohn auszahlen. Um Killos erfolgreiche Tätigkeit noch deutlicher zu machen, untersucht Thiersch das Wesen der DÝJRUDQRPL—D; unter Verwendung aller ihm zugänglichen Nachrichten z. B. Harpokrations, Theophrasts, die Gesetze Platons, der 455 Larfeld, Griechische Epigraphik in: Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft von Müller-Pöhlmann, Bd. I, 5. Abtlg. 1914. 456 O. Rubensohn, Paros I, Geschichte der wissenschaftlichen Erforschung von Paros in Athen. Mitteilungen Bd. XXV, 1900, S. 370; Ludwig Roß, Reisen auf den griechischen Inseln des ägäischen Meeres, Bd. I, 1840,S. 46; Larfeld, Griechische Epigraphik, S. 42. 457 Thiersch, Akademieabhandlung, S. 599-603; mit einigen Verbesserungen gedruckt bei Le Bas, Voyage archéologique II, 2097; dann Boeckh, C. I. Gr. II, 2374 e, 1843 und jetzt I. Gr. XII 5, 1909, Paros, Nr. 129, S. 29. 458 Akademieabhandlung, S. 604-631.

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Komödien des Aristophanes stellt er fest: die DÝJRUDQR—PRL sorgten zunächst dafür, dass die Waren in gehöriger Fülle und guter Beschaffenheit vorrätig waren, dann ordneten sie Kauf und Verkauf; zur Regulierung dieses Marktes wurde wohl jeder Ware ein bestimmter Platz angewiesen; der Wert war sogleich zu bezahlen; auf Borg zu kaufen und zu verkaufen sollte verboten sein; wer gegen diese Vorschriften verstößt, darf keinen ihm daraus entstehenden Schaden gerichtlich einklagen. Alle Fälschungen der Waren, Verschweigung der Fehler, ja auch Feilschen oder Aufschlagen und selbst Lob der Ware von Seiten des Verkäufers wird verpönt. Thiersch selbst fand diesen Brauch noch vor; Anpreisen galt als jüdisch. Unter der Obhut derDÝJRUDQR—PRL standen nebst den Verkäufern die schon in der Abhandlung über das Alyattesgrab erwähnten PLVMDUQRXTQWHZ, die auf dem Markt als dem Mittelpunkt des städtischen Verkehrs ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellten. Die Killosurkunde lehrt, dass der Marktmeister von Paros den für die käuflichen Dinge geltenden Gebrauch auch auf ihre Arbeit als eine von ihnen zu Markt gebrachte Ware ausgedehnt hat. Außer Betrug und Übervorteilung bei Kauf und Verkauf und der Zwistigkeit über Lohn und Arbeit fielen der Behandlung der DÝJRUDQR—PRL zu absichtliche oder zufällige Beschädigung der Waten und Lasten, Gauner, Diebe, Müßiggänger. Aristophanes schildert in den Acharnern, wie die Brothändlerin den Philokleon, der ihr den Brotkorb umgestoßen hat, bei den Agoranomen belangt; die Sykophanten werden von ihnen des Marktes verwiesen. Ehrlichkeit im Geschäft und die gute Ordnung im Verkehr muss diese Stadtbehörde pflegen. Ihre Tätigkeit unterlag bestimmten Normen, den QR—PRL und IXODNWK—ULD der DÝJRUDQR—PRL bei Platon (de leg. XI. S. 917 B), die sie mit Hilfe der QRPRIX—ODNHZ und der Sachkundigen von dem Marktvorsteheramt aufstellen sollten. Thiersch vergleicht diese auf eine Platte eingegrabenen Vorschriften mit den edicta aedilinen der Römer und sieht in dem berühmten Dekret aus der Zeit Hadrians über den Verkauf einer Quote des jährlichen Ölertrages ans Volk nach Marktpreisen, das an einer Mauer auf der DÝJRUD— zu Athen sich erhalten hat, einen solchen QR—PRZ der attischen DÝJRUDQR—PRL. Zur Handhabung der Ordnung und Schlichtung so verwickelter Geschäfte, wobei es die DÝJRUDQR—PRL vor allem mit Hinter- und Insassen und zahllosen Sklaven zu tun hatten, erschienen sie mit drastischen Mitteln, dem Zuchtriemen, LÀPD—Z, als ihrem Symbol (Aristophanes, Acharner, 724). Sonst saßen sie gleich den Ädilen zu Gericht; sie erkannten auf Verlust oder Ersatz und Züchtigung mit dem Riemen; der Übeltäter musste seinen Hals in einen Holzkragen stecken. Killos zog die Streitsache wegen Lohnverweigerung vor sein Forum. Wegen seiner Verdienste als DÝJRUDQR—PRZ wurde Killos belobt sowie durch einen goldenen Kranz, eine marmorne Bildsäule und Verkündigung dieser Ehren beim Wettkampf der Tragödien an den großen Dionysien ausgezeichnet. Dexiochos, Killos Sohn, schenkte das Geld zur Errichtung der Bildsäule; sie soll so zur Aufstellung kommen im Haus der Agoranomen auf dem Markt, ohne

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dass frühere Weihgeschenke beschädigt werden; auf marmorner Platte war der Name und Veranlassung der Ehrung eingegraben. Das zweite \K—ILVPD mit der Überschrift: Dioskuren, worin die Auszeichnung des Killos als SROH—PDU[RZ für die Verherrlichung des Festes jener Gottheiten enthalten ist, gibt Thiersch Veranlassung zunächst durch Vergleichung der Stellung des SROH—PDU[RZ in Athen, Lakedämon und Theben auf die Verfassung von Paros Rückschlüsse zu ziehen. Dann folgt eine umfangreiche Untersuchung über die Theoxenien459 und ihre Feier. Es gelingt Thiersch der Nachweis, dass dieselben zu Ehren des Apollo zu Pellena und Delphi und der Dioskuren zu Akragas die Festfeier der Theoxenien zu verherrlichen, lädt Killos das Volk zu Speisung ein. Damit fällt auch volles Licht auf den Schluss des dritten olympischen Gesanges Pindares, wo die Dioskuren den Emmaniden, dem Stamme des Theron und ihm selbst Ruhm verleihen, weil diese unter den Sterblichen ihnen die meisten Gasttafeln rüsten, ehrend mit frommer Gesinnung die Ordnung der Seligen. In den Theoxenien der Dioskuren erkennt Thiersch vor allem gestützt auf Mitteilungen des Pindar und Pausanias ein Denkmal ihres gastfreundlichen Verkehrs mit den Menschen und er vermutet eine ähnliche Entstehung der apollinischen Feier, indem er auf Euripides Alkestes hinweist, wo der Gott an den gastlichen Tisch des Admet kommt. Thierschs Annahme, dass die Speisung des Volkes in Paros im Gymansion des Hermes stattfand, ist unhaltbar. Durch den Urkundenfund des bayrischen Gelehrten war eine wichtige topographische Frage einwandfrei beantwortet; das heutige Paroikia mit seinen engen, aber ziemlich reinlichen Gassen – fast alle Häuser haben Terrassen, welche von riesig großen Weinstöcken überschattet sind – liegt auf den Trümmern der alten Stadt.460 Thiersch schildert anschaulich in der Einleitung seiner Abhandlung, nachdem er auf Grund der griechischen Quellen einen kurzen Überblick über die Geschichte der Kykladeninsel bis zur Besetzung durch die Türken gegeben hat, seine Eindrücke. Die Fruchtfelder und Weingärten im Süden und Nordosten der Stadt bedeckt mit den Überresten vergangener Herrlichkeit, fast in jedem Haus Marmorplatten und anderer Schmuck der alten Gebäude, das Meiste vereinigt in der Burg, dem sogenannten Schloss, hat am Meeresstrand gelegen, auf einem kaum 40 Fuß hohen Felsenhügel, im Mittelalter gebaut, wo die fränkischen Herren, die Sanudo Sommariga, Carrerio u. a. sich eingerichtet und verteidigt haben. Diese ist weder beträchtlich an Höhe noch Umfang, ein breiter Fels der in die See hinaustritt, „aber die ganze Einfassungsmauer gegen Süden bis in die Gassen der Stadt herab ist aus Werkstücken, Säulen Architraven und Gesimsen zusammengesetzt, sowie auch im Innern das Meiste. Die Säulentrommeln sind zusammengeschichtet, die Architrave und andere Platten ziehen sich in verschiedenen Zwischenräumen wie zum Halte dieser Säulen459 Vergleiche Boeckh, Pindari opera II, 2 1821, S. 194. 460 Roß, 5. Brief Paros, S. 4.

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mauer durch.“461 Zwei Tempel, einen jonischen von äußerst feiner Arbeit und einen dorischen von kolossalen Formen vermöchte Thiersch festzustellen. Am nordöstlichen Rand des Schlosses ist in der halb eingefallenen Kirche unserer Lieben Frau vom Kreuz der einzige noch aufrechtstehende alte Baurest von Bedeutung erhalten, eine große, antike, halbkreisförmige Nische, die zur Aufnahme des Altars dient.462 Mit größtem Interesse durchforschte er die etwa zwei Stunden von der Stadt entfernten Marmorbrücke die den Ruhm der Insel begründete; in dem nördlichsüdliche ziehenden Tal, OD—NNRL genannt, erklomm er die 2-500 Fuß hohen Randhöhen und stand staunend vor den domähnlichen Höhlen, aus denen die Marmorblöcke schichtweise herausgearbeitet wurden. In der Nähe des Klosters des heiligen Minas auf dem flachen Rücken des eigentlichen Marmorberges Marpessa fand Thiersch die Stellen, wo die feinsten Sorten gewonnen wurden, dem Alabaster an Farbe und Form ähnlich. Auf dem Bauche kriechend kam er mühsam über gehäufte Trümmer zu Gewölben der weißesten Marmorlager, die den Glanz der Fackeln von ihrem feinen und festen Korn in unzähligen Schimmerpunkten zurückwarfen, so dass vermutet, von diesen Lichtern habe der Stand die Bezeichnung OX[QHX—Z erhalten. Roß,463 der bei seinem Besuch der Insel ebenfalls die Höhlen besuchte, hält an der Deutung des Plinius fest, der Marmor wurde OX[QL—WKZ genannt, weil er bei Lampenlicht gebrochen wurde. Ein kurzer geographischer statistischer Überblick zeigt die Insel von einem waldigen, von 20000 Ziegen und Schafen beweideten Bergrücken durchzogen; die Fruchtbarkeit des Landes beschränkt sich auf die zum Meere liegenden Täler, wo viel Getreide wächst und guter Wein gebaut wird, ein sehr starker dunkler bei Naussa, an der Nordostspitze der Insel, ein heller von vorzüglicher Süßigkeit bei Paroikia. In der Hauptstadt fand Thiersch etwa 30 Familien als Primaten des Ortes von dem Ertrag leben. Die übrigen Bewohner bauen ihre eigenen Felder oder Weingärten, sind Hirten und Seeleute. In der eben erst eingerichteten hellenischen Schule hörte Thiersch zu, wie die Knaben und Mädchen den Isokrates lasen. Zu Naussa bemühte sich ein Mönch (NDOR—JHURZ) die willige Jugend mit Hilfe einiger venetianischer Drucke ins Altgriechische einzuführen. In Thessalien hatte er es von seinem Vater gelernt und in Konstantinopel eitergetrieben; in München studierte ein junger Landsmann von ihm. Heftig klagte er über die Teilnahmslosigkeit der Eltern. Einen sehr ungünstigen Eindruck empfing Thiersch von der kostspieligen capodistrianischen Verwaltung; die etwa 55000 Drachmen betragenden öffentlichen Einnahmen reichten kaum hin die Beamten zu bezahlen, einen Präfekten und einen Polizeidirektor, jeden mit seinem Bureau, einen Stadthauptmann mit 40 Bewaffneten aus Kreta, einen Hafenmeister und einen Gesundheitswächter. 461 Thiersch, Paros, S. 589. 462 Roß, 5. Brief, Paros, S. 45. 463 Reisen auf den griechischen Inseln des ägäischen Meeres, Bd. I, S. 50, 1840.

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Außer Paroikia und Naussa erwähnt Thiersch das größte Dorf der Insel Levkae, nördlich im Gebirge .DXTVVRZ sowie die sogenannten Dörfer von Kephalos ([YUL—DWRXT .HID—ORX) um die Ansichten des heiligen Antonius, WD— PD—UPDUD, RLÀ .KSL—GRL und RÀ 7UDJRXODTZ; eine Viertelstunde von Kepidi, an einer Stelle, die 0DVVD—GD heißt, fand man früher alte Gräber464 und in ihnen einige von jenen rohen kleinen Marmorfiguren, die vorzugsweise den Inseln anzugehören scheinen; Thiersch465 erwarb zwei von ganz eigentümlicher barbarischer Gestalt, ein männliches und ein weibliches, von denen jedes eine kleine Figur von gleicher Beschaffenheit auf dem Kopfe sitzen hat; das Material ist parischer Marmor, Thiersch vermutet ihre Herkunft aus vorhellenischer Zeit, da noch Karier jene Inseln bewohnten. (Thueyd. I 4 und 8) Besonderes Gewicht legt Thiersch darauf mit Hilfe der aufgefundenen Inschriften und durch Heranziehung der ihm bekannten literarischen Quellen des Altertums einen Einblick in die Geschichte der Insel zu gewinnen. Der nachhomerische Hymnos auf Apollo (v. 44) lehrt ihn, wie die jonischen Ankömmlinge Feste und Spiele am Heiligtum in Delos466 feierten; Herodots Schilderung der Belagerung von Paros durch Miltiades zeigt, dass Demeter hier ihre Mysterien hatte; eine parische Münze,467 auf der vorderen Seite den bekränzten Bacchos darstellend, auf der Rückseite die Aufschrift 3DUL—YQ6HOKQR—Zund eine sitzende Frau mit der cista mystica, wohl jene Kleoböa, die die Mysterien der Demeter von Paros nach Thasos brachte und von Polygnot in Delphi gemalt wurde, erlaubt den Schluss, dass wie in Eleusis der Bacchus- und Demeterkult verbunden waren. Die von Thiersch aufgefundenen Inschriften bezeugen den Kult des Zeus und Herakles,468 der Dioskuren, des Aeskulap und der Hygieia. Roß469 untersuchte bei seinem Aufenthalt auf Paros 1835 genau die Umgebung von Paroikia und gibt eine höchst anschauliche Schilderung. In de Mauer eines Häuschens auf einem niedrigen Hügel s. ö. der Stadt fand er die Inschrift 'K—PKWURZ NDUSRIR—URX und ganz in der Nähe viele Quader und Trümmer; daher vermutet er, dass hier das in der Geschichte des Miltiades und öfter erwähnte Heiligtum der eleusinischen Gottheiten stand; Herodots Ortsschilderung (6, 134) passt gut hierzu.470 Zwei Jahre, bevor Thiersch nach Paros kam, entdeckte man südl. der Stadt in den Weinbergen die Ruinen eines Tempels, den die Inschriften als ein 464 Roß, a. a. O. S. 51. 465 Über Paros ..., S. 585-586. Im Anhang sind die Figuren abgebildet. 466 Roß, 5. Brief, Paros, S. 46 fand in einer Kapelle die Inschrift R°URZ [YUL—RX LÀHUR—Q Ý$SR—OOYQRZ: (Kunstblatt 1836, Nr. 12, Homerischer Hymnus an Apollo 44) ein Beweis für ein Heiligtum des delischen Apollo. 467 Mionnet Description of II p. 321. 468 Vergl. Roß, 5. Brief, S. 49, eine Inschrift auf Zeus Basileus und Herakles Kallinikos in C. I. Gr. II n. 2358. 469 Roß, 5.Brief, S. 45 ff. 470 Roß erwähnt S. 49, Anm. 10 als einen Beweis für das Alter des Demeterkultes auf Paros die Homerischen Hymnen an Demeter; C. I. Gr. Ii 2384 und 2388.

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DÝVNOKSL—HLRQ bezeichneten. Thiersch471 untersuchte dieselben, die auf einer (…) eingegraben waren und fand Weihgeschenke einer bestimmten Familie unter verschiedenen Archonten; die lateinischen Namen deuten gleich der Schrift auf die Zeit der Antonius. Es handelt sich um Weihung von Haaren, (SDL—GHRZ MUL—F) des zum Jüngling gereiften Knaben, das vom Vater der Epheben auf Grund eines Gelübdes den beiden Göttern dargebracht wird, ein Brauch, wie ihn Martialis IX 17 schildert. Unter Beiziehung von Münzen versucht Thiersch die z. T. stark beschädigten Inschriften zu ergänzen und er vermag Festspiele zu Ehren jener Gottheiten festzustellen. Roß472 verlegt den Tempel des Asklepios und der Hygeia ¼ südlich der Stadt hart an eine kleine Felswand, unter der eine Quelle hervorkommt; diese wird in einem antiken Bassin (GHFDPHQK—) aufgefangen, das in dem Umfang des Tempels miteingeschlossen war. Wenig ergiebig war Thierschs Suchen nach Grabdenkmälern.473 In der auf den Inseln weit und breit berühmten Kirche Hekatontapyliani, 5 Minuten vor der Stadt gelegen, durch Größe und eine wenn auch geschmacklose Pracht ausgezeichnet, wohl in dem Temenos der Demeter stehend und aus Überresten ihres Tempels erbaut, fand er eine marmorne Urne mit vier Inschriften zum Andenken an zwei Ehepaare. Eine kurze Inschrift474 auf einem Fensterpfeiler weist auf einen PRXVLNR—ZDÝJY—Qzu Ehren des Apollo oder der Musen hin. Wie von der Pflege der Götterkulte versuchte Thiersch auch von den Staatseinrichtungen der Parier eine Vorstellung zu gewinnen, wo urkundliche Nachrichten versagen, hilft er sich mit Analogieschlüssen. So nimmt er an, dass ursprünglich mächtige Familien wie die des Dichters Archilochus an der Spitze des Gemeinwesens standen. Die Macht der aristokratischen Geschlechter ging in der Demokratie unter. Schon die bis jetzt bekannten Inschriften nennen ihre Magistrate, den DÍU[YQ, den Rat, den Marktvorsteher, den SROH—PDU[RZ. Die zusammenfassenden Schlusssätze475 der Abhandlung zeigen, dass Thiersch letztes Ziel immer ein geschichtliches ist; mit Hilfe der Epigraphik und Numismatik, gestützt auf eine möglichst umfangreiche Heranziehung der alten Quellen will er erkennen, wie verlief das Leben der Griechen. So gelingt es ihm, indem er auf die kleinsten Hinweise verstümmelt erhaltener Inschriften beachtet und sie durch andere Nachrichten ergänzt, indem er in sorgfältigst philologischer Kleinarbeit die Lücken ergänzt, ein anschauliches Bild von Paros im Altertum zu entwerfen. „Wir sehen in ihnen (den Inschriften) die alte Stadt mit Rat und Volk, mit ihren Ämtern der Archonten, der Agoranomen, der Polemarchen, welche teils durch Wahl, teils durch das Los besetzt worden, mit der Marktordnung, dem Marktvorsteheramt, dem öffentlichen Gymnasium, in der Gemeinde die Ver471 472 473 474 475

Thiersch über Paros, S. 597/598 und S. 634. Roß, 5. Brief Paros, S. 46/47, vergl. Kunstblatt 1836, Nr. 12, in: C. I. Gr. I. in. 2390-97. Thiersch, Über Paros, S. 593 und 641 ff. Thiersch, Über Paros, S. 629. Thiersch, Über Paros, S. 643 ff.

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dienste ausgezeichneter Bürger mit Lob, mit goldenen Kränzen, mit Inschriften und marmornen Bildsäulen geschmückt, und diese in öffentlichen Gebäuden zwischen den früheren Weihgeschenken aufgestellt. Ebenso tritt das auf den Kultus bezügliche hervor: der Dienst des Zeus Olympios und Herakles Kallinikos mit ihrem gemeinsamen Priester, des Asklepios und der Hygeia, denen dankbare Eltern die ersten Haare ihrer zu Jünglingen gereiften Söhne darbringen. Der Dioskuren, welchen die Theoxenien mit öffentlicher Speisung des Volkes gefeiert werden. Auch öffentliche Kämpfe fehlen den Festen nicht; die großen Dionysien werden mit tragischen Chören gefeiert. Auch die Asklepiaden haben ihren DÝJY—Q und ein Sieger in einem PRXVLNR—ZDÝJY—Qsieht seine heilige Muse wegen der Frömmigkeit mit Kränzen und Gedichten geehrt. Endlich lebt auch das Andenken der Stadt an das Verdienst zu früh verstorbener Bürger der die Erinnerung der Zurückgebliebenen an abgeschiedene Glieder ihrer Familie in den ihnen gewidmeten Denksteinen, Urnen und Bildern und in dem Nachruf, der sie aus dem Leben begleitet. Das ganze Leben einer alten hellenischen Stadt liegt also hier nach seinen Hauptteilen in sicheren und unverfälschten Urkunden aufgestellt.“ Indes das Interesse des Humanisten gilt nicht nur der Geschichte des alten Hellas; während er aufmerksam die Insel und ihre Siedlungen durchwandert, prüft er die natürlichen Voraussetzungen für eine Wirtschaftsblüte, die Bodenschätze an Marmor, die Ertragsfähigkeit der Felder und Weinberge, die Bevölkerungsdichte, geht den Fehlern einer verfehlten Verwaltung nach, untersucht die Möglichkeit, das öffentliche Einkommen zu steigern und das Bildungsniveau zu heben.

5. Aristophanes Die fünfte476 der großen Akademieabhandlungen beschäftigt sich mit Konjekturalkritik, und zwar sind es aus den Komödien des Aristophanes einige besonders umstrittene Stellen, die den Scharfsinn des Gelehrten reizen, eine Lösung zu versuchen. Von den kleineren Ergänzungen muss hier abgesehen werden; es sollen nur die zur Erläuterung kommen, denen Thiersch eine umfangreichere Untersuchung widmet und die es gestatten, seine Arbeitsmethode auf diesem schwierigen Gebiet der Kritik und Hermeneutik kennen zu lernen.

5. 1 Die Nubes Aus den „Wolken“ greift Thiersch jene Verse heraus, in denen Sokrates des Diebstahls beschuldigt wird. Strepsiades, der einfältige Bauer, ist nach Athen 476 Abhandlungen Bd. I, S. 647-716, 2. Ausgabe, 1834.

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gekommen, um in dem „Denkerheim“ des Philosophen die neue Redekunst zu erlernen, durch die er Befreiung von seinen Schulden erhofft. Ein Scholar schildert dem neugierig Fragenden die tiefsinnigen Forschungen des Meisters über Flohsprünge und das Musizieren der Mücken und mein dann: (176 ff.) (Hör! Gestern Abend – hatten wir nichts zu essen –)477 Auf den überraschten Einwurf des Strepsiades: (L4HQWL—RX4QSUR—ZWÝDÍOILWÝHÍSDODPK—VDWR (Ei nun, wie griff er’s an euch Brot zu schaffen? Lautet die Antwort des Scholaren:  .DWD—WKTZWUDSH—]KZNDWD—SD—VDZOHSWK—QWH—IUDQ .D—P\DZRÝEHOL—VNRQHL4WDGLDEK—WKQODEY—Q HÝNWKTZSDODL—VWUDZMÝRLÀPD—WYQRÀIHL—OHWR (Auf den Tisch streute er feine Asche, nahm einen Bratspieß, bog ihn zu einem Zirkel und stahl den Mantel.) 478 Thiersch nimmt an, gestützt auf Stellen des Lukian, Vitruv, Cicero u. a., es handele sich um eine Unterweisung der Schüler des Sokrates in geometrischen Fragen, und zwar in der Palästra an einem Altar. Die Hauptverderbnis der Stelle sieht er in MRLPD—WLRQ; was soll der Mantel (WR—LÀPD—WLRQ) in der Ringschule, da die Kämpfenden nackt waren; mit den Scholiasten vermutet er, der Philosoph bog einen Bratspieß in Zirkelform, um in der aufgestreuten Asche demonstrieren zu können. Die Handschriften überliefern alle MRLPD—WLRQqWR— LÀPD—WLRQ. Wie konnte es Aristophanes wagen, von einem Manteldiebstahl des Sokrates zu sprechen? Gegen diese Lesart MRLPD—WLRQ spricht schon die Bemerkung des Scholiasten zu vers. 7; Sokrates sei von Eupolis wenn auch mit wenigen Worten härter behandelt worden als von Aristophanes in dem ganzen Stück der Wolken, Eupolis spricht nämlich von der Entwendung eines Bechers durch den Philosophen. Aus dieser Stelle schließt Thiersch, dass der Scholiast von einem Kleiderdiebstahl des Sokrates nichts gehört noch gelesen hatte. Zudem galt ein solcher in der Palästra nach Solons Gesetzen als ein todeswürdiges Verbrechen. (Demosthenes, contra Timocraten) Weitere Bedenken gegen die Lesart MRLPD—WLRQ ergeben sich aus der Tatsache, dass die Epheben ihre Kleider in verschlossenen Räumen ablegten, wo Sklaven sie beachten, und Sokrates Demonstrationen auf den Abend verlegt sind, also auf eine Zeit, da die Übungen in der Palästra schon beendet sind. 477 Übersetzung von Ludwig Seeger, Cottaausgabe, 1910. 478 Dagegen lautet dieÜbersetzung von Ludwig Seeger, Cottaausgabe 1910, laut Manuskript, wie folgt: „Im Ringhof streut er feine Asche hin, nahm einen Bratspieß, bog ihn krumm und – husch! Hatt’ er ein Opferstück vom Tisch gezirkelt!“

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Aus allen diesen Erwägungen hält Thiersch die Konjektur Gottfried Hermanns in seiner Ausgabe der Wolken, der statt MRLPD—WLRQ q MXPD—WLRQ XÀIHL—OHLQ schreibt, für ausgezeichnet (felicissima coniecture, tamquam palmeria tantoque critico digna); durch sie wird die Verderbnis der Stelle beseitigt und Aristophanes von dem schweren Vorwurf frei, den Sokrates eines todeswürdigen Verbrechens beschuldigt zu haben. Der Philosoph nahm für seine hungrigen Schüler ein Stückchen Opferspeise, wahrscheinlich vom Altar des Merkur, der ein Beschützer der Gymnasien war. Nun bleibt noch eine Schwierigkeit, die Hermann nicht glücklich löste: er nimmt nämlich an, der hungrige Meister beschrieb mit dem Zirkel einen Kreis so, dass eine Spitze derselben die Opferspeise aufspießte. Thiersch vermag ihm nicht beizustimmen; wo bleibt dann der Platz für die geometrischen Demonstrationen? Wie durfte Sokrates auf den heiligen Tisch Asche streuen, konnte er die anderen Zuschauer täuschen, da doch im Text XÀIHL—OHVMDL (heimlich wegnehmen) steht? Dazu kommt die auffallend späte Erwähnung der Palästra im dritten Vers. Thiersch findet eine Möglichkeit, die Schwierigkeiten zu beseitigen in der Lesart der besten Handschrift des codex Ravennatensis, wo statt SDODL—VWUDZ WUDSH—]KZsteht. So kommt er zu folgender Herstellung des Textes:  .DWD—WKTZSDODL—VWUDZNDWD—SD—VDZOHSWK—QWH—IUDQ .D—P\DZRÝEHOL—VNRQHL4WDGLDEK—WKQODEY—Q HÝNWKTZWUDSH—]KZMXPD—WLRQXÀIHL—OHWR Sokrates entwirft mit dem Zirkel in der Palästra nahe dem Altar geometrische Figuren und während alle sie betrachten, birgt er in seinem Mantel eine Opferspeise, die er von dem nahestehenden Tisch wegnimmt. Eine zweite nicht minder umfangreiche Untersuchung gilt jener viel erörterten Stelle der Wolken (v. 1362 ff), wo Strepsiades dem Chor erzählt, wie er in Streit mit seinem Sohn Pheidippides geriet. Auf die Bitte des Vaters, ein Liedchen von Simonides zu singen, meint der blasierte junge Mann, das passe für alte Weiber bei ihrer Gerstenmühle; er bezeichnet Simonides als einen schwachen Dichter und bedroht den Vater mit Füßen und Fäusten. Nur mit Mühe seinen Zorn bemeisternd, wünscht Strepsiades von Äschylus etwas zu hören, und bekommt zur Antwort: Noch einmal verbeißt der Alte seinen Zorn und wünscht etwas Neues nach dem Zeitgeschmack voll philosophischer Schule! Da sprach jener aus Euripides die Stelle, wo der Bruder die eigene Schwester schändet. Alle Herausgeber nehmen an dem Widerspruch Anstoß, dass Pheidippides einerseits den Äschylus für den „ersten“ unter den Dichtern hält und gleichzeitig seine Kunst durch vier Prädikate charakterisiert, die nichts weniger als schmeichelhaft sind. Thiersch erläutert dieselben: SOH—YQ \R—IRX mit Worten tönend; DÝFX—VWDWRZ ein Dichter, der immer mit sich selbst in Widerspruch ist, bald himmelhoch jauchzend, bald zu Tod betrübt, die Rede so herb, dass sie den Mund zusammenzieht, NUKPQRSRLR—Z, ein Dichter, der DÝSR—WRPDhervorstößt.

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Die verschiedenartigsten Versuche wurden gemacht, diesen Widerspruch zu beseitigen; man nannte Pheidippides Lob pervers; Thiersch vermag sich dieser Deutung nicht anzuschließen, dass die beschimpfenden Beiwörter zu sehr gehäuft erscheinen und Aristophanes in den Fröschen v. 835 ff Euripides über Äschylus sagen lässt: „Ich kenn ihn, ich durchschaue ihn längst den Schöpfer der Ungeheuer, den Posaunenmund Unbändig reißend ohne Zaum und Zügel, Aufsprudelnd, wortgebälkverklammerungskundig!“479 Es handelt sich also beide Mal um eine herbe Kritik der Aeschyleischen Muse; zudem widerspricht der Zusammenhang der ganzen Stelle einer solchen Auffassung. Der Sohn will weder aus Simonides noch aus Aeschylus singen, da er beide für schlechte Dichter hält. Brunckius und andere fassten den Vers als unwillige Frage; aber Strepsiades hat ja nur eine Aufforderung an seinen Sohn gerichtet, keine Frage; wieder andere wie Hermann sehen in den Worten des Pheidippides eine ironische Zustimmung zu der Auffassung des Vaters. Thiersch betont dem gegenüber mit Nachdruck: die Stelle enthält das Urteil eines jungen Menschen, der durch die Lehre des Sokrates verdorben ist; ironisches Lob des Pheidippides schließt noch nicht die Weigerung in sich, etwas aus Aeschylus vorzutragen; die Lesart der Handschriften deutet in keiner Weise darauf hin, dass das Urteil ironisch aufzufassen ist. Reisick und Schütz stellten den Widerspruch erregenden Vers in Paranthese oder so um, dass das Lob des Aeschylus (SUYTWRZHÝQSRLKWDLTZ) als Urteil des Strepsiades erscheint; das ergab neue unlösbare Schwierigkeiten; z. B. was kümmert die Zuhörer das Urteil des tölpischen Bauern? Warum nennt er denn Simonides zuerst? Daher versuchte Hermann eine andere Umstellung nach v. 1372 „Nun denkt euch, wie vor Ingrimm mir das Herz im Leibe pochte! Halt ich den Aeschylus doch für den Meister unter den Poeten. Gleichwohl verbiss ich meinen Zorn.“ Thiersch hebt die Schwächen dieser Lösung klar heraus; in der unwilligen Frage des Strepsiades liegt schon sein Urteil über Aeschylus ausgedrückt: die Hinzufügung des begründenden Satzes schwächt die HÝQH—UJHLD der Rede.

479 Übersetzung von Seeger, S. 105.

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Die Prüfung aller Verbesserungsvorschläge, – Frage, ironische Deutung, Paranthese – zeigt, wie dem Gelehrten unbefriedigend alle sind; der Vers kann weiter an der Stelle stehen bleiben, noch umgestellt werden. Dann muss die Verderbnis in einem Worte desselben liegen, und zwar in SUYTWRQ; die Handschriften weichen von einander ab und bieten keinen Anhalt zur Lösung. Da wagt Thiersch überzeugt, dass es die Hauptaufgabe des Kritikers ist das Dunkle aufzuhellen, eine kühne Veränderung eines einzigen Buchstabens und liest statt (…): („Weißt Du, dass Aeschylus ist unter den Poeten, pausbäckig, klaffend, ungeschlacht, hart, schwülstig, aufgedunsen?“)480 Thiersch zeigt, dass durch diese Konjektur alle Schwierigkeiten der Deutung behoben sind und die Stelle ganz im Sinn des Aristophanes den herbsten Spott enthält. Erst jetzt gewinnen die Ausdrücke \R—IRX SOH—YQ. Volle Klarheit im Mund einer frechen, durch die Sophistik verdorbenen Jugend. Der Zorn des Vaters steigert sich mit der zunehmenden Unverschämtheit des Jungen; den dritten größeren Exkurs widmet Thiersch481 einer Stelle in den „Acharnern“ (v. 588 ff.) İੇį੼ȞIJȚȢਫ਼P૵ȞIJਕțȕ੺IJĮȞૃਲ਼IJȠઃȢȋ੺ȠȞĮȢ Ƞ੡ijĮıȚȞਕȜȜૃ੒ȀȠȚı઄ȡĮȢțĮ੿ȁ੺PĮȤȠȢ ȠੈȢਫ਼ʌૃਥȡ੺ȞȠȣIJİțĮ੿Ȥȡİ૵ȞʌȡઆȘȞʌȠIJ੼ ੮ıʌİȡਕʌંȞȚʌIJȡȠȞਥțȤ੼ȠȞIJİȢਦıʌ੼ȡĮȢ ਚʌĮȞIJİȢૃਥȟ઀ıIJȦૃʌĮȡ૊ȞȠȣȞȠੂij઀ȜȠȚ Sorgfältig untersucht er den Begriff HÍUDQRZ bei Homer und den Scholiasten und die Bedeutung von DÍORJRZ; HÍUDQRZ ist ein einfaches Mahl, zu dem die Teilnehmer gemeinsam beisteuern; DÍORJRL heißen die, welche sich der Beitragspflicht entzogen haben, aber dennoch erschienen sind; ihnen rufen die HÝUDQLVWDL— zu: HÝFL—VWY; denn sie verteidigen ihren Tisch (XÀSH—UHÝUD—QRX) gegen Eindringliche. Die einzige Schwierigkeit bietet dann [UHYTQ. Daher sucht Thiersch durch Veränderung eines einzigen Buchstabens eine Lösung und schreibt NUHYTQ unter Hinweis auf die NUHRXUJD— KÍPDWDder Panathenäen, wo die Ärmeren Fleischstücke mitnehmen durften und auf die Schilderung der Ermordung des Neoptolemos durch Pindar (Nem. VI.); bei Aristophanes und Pindas sind die GDLWX—PRQHZ unwillig, weil fremde Menschen NUH—Dbegehren; dort erfolgt eine SDUDL—QHVLZ XÀSH—U NUHYTQ, hier eine PD—[K XÀSH—U NUHYTQ. Auch Ilias 495 kann zum Vergleich herangezogen werden. 6. Über die Topographie von Delphi471

26a Friedrich Thiersch in Abhdlg. der philosoph.-philologischen Klasse der Akademie 1840, III.Bd.1.Abtlg., S.1 ff. 480 Übersetzung von Ludwig Seeger, S. 232. 481 Aristophanes S. 680 ff.

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1840 veröffentlichte Thiersch eine interessante Abhandlung über eine der wichtigsten Kultstätten der Antike, über Delphi, nachdem sein Aufenthalt in Griechenland 1831 die unbedingt notwenige Voraussetzung dazu geschaffen hatte; denn das Beispiel eines der scharfsinnigsten und gelehrtesten Altertumsforscher, K. O. Müller, zeigte, indem er zu einer Pindarausgabe Dissens eine topographische Karte zeichnete, wie wenig auch von der geschicktesten Hand ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild auf Grund Angaben anderer entworfen werden kann. Ein eigentümlicher Zufall fügte es, dass in dem gleichen Jahre H. N. Ulrichs482, Professor an der Otto-Universität zu Athen, seine Untersuchungsergebnisse über die Orakelstätte in den Druck gab, nachdem er 1838, also sieben Jahre nach Thiersch, während eines längeren Aufenthaltes zu Choyso und Delphi Nachforschungen angestellt hatte. Beide Gelehrte verfolgten, völlig unabhängig voneinander, den Zweck auf Grund sorgfältiger Ortsbesichtigung und mit Heranziehung aller nur erreichbaren antiken Quellen die vielen strittigen Fragen zu klären. Unter welch schwierigen äußeren Verhältnissen sie dabei arbeiteten, zeigt die Tatsache, dass weite Teile des heiligen Bezirkes damals von dem stattlichen Dorf Castri483 bedeckt waren, wo ein übel berufener Stamm roher, unwissender und gleichgültiger Albanesen alles, was sie an alten Überresten finden, in ihren Kalköfen zerstörten oder für die Mauern ihrer Gebäude verwendeten, „zu denen bei dem Argwohne und der Rücksichtslosigkeit dieser jüngsten Bewohner der alten Götterstadt man nur mit Mühe Zugang erhalten kann.“484 So lohnt es sich, die Ergebnisse ihrer Arbeiten zu vergleichen. Sie beginnt mit einem aus gewaltigen Parnasssteinquadern zusammengefügten Grabgebäude, das Thiersch als erster beschrieb und vermaß. /Tafel II der Abhandlung). Von hier senkt sich der Weg, bis er etwa nach 12 zu seiner tiefsten Stelle gelangt485. Der diese ganze Strecke südlich begrenzende Abhang, wo die alten Delphier in kühlen Felsengräbern schlummern,486 ist bedeckt mit Sarkophagen aus grauem Stein und Marmor. Auf demselben Wege wie einst der Perieget Pausanias kam Thiersch, begleitet von seinem Freund Professor Eduard Metzger, am 3. Dezember 1831 in das Tal des Parnaß und nach Delphi, und zwar in der Richtung von Daulia, das auf dem östlichen Vorsprung des Parnaß gelegen in das breite Tal hinabsieht, durch das der Kephissos seinen Lauf nach dem kopaischen See nimmt. Die Schilderung der Landschaft ist so anschaulich, dass auch der moderne Leser gespannt 482 Reisen und Forschungen in Griechenland, 1. Teil mit 2 Plänen, 1840, Bremen. Der eine Plan enthält die Einzeichnung Ulrichs, der 2. ist von Laurent, 1838 gezeichnet im Auftrag der griechischen Regierung im Maßstab 1:8000, der 1. Plan von sachkundiger Hand. 483 Ein Plan des Dorfes findet sich als Tafel I bei H. Pomptow, Beiträge zur Topographie von Delphi, Berlin 1889. 484 Thiersch: Delphi, S. 70. 485 Pomptow, Beiträge zur Topographie von Delphi, S. 70. 486 L. Roß, Griechische Königsreise, 1. Bd., 1848, S. 67.

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folgt. Unter den steilen Felswänden des Hochgebirges hin führte der Weg zunächst zu einer Stelle, wo ein anderer von Lebadea herauf kreuzt, die V[LVWK— RÀGR—Z, – hier hatte Ödipus und Laios das tragische Zusammentreffen. Dann ging’s nordwestlich steil empor zwischen den Wänden des Parnaß, bis nach einer Stunde die Kluft sich zu einem west-südwestlich ziehenden Hochtal erweiterte, der Grund des Tales meist mit fruchtbarem Humus gefüllt, gut bewässert und angebaut, die aus Urkalk und Schieferlagen bestehenden Wände, z. T. mit Föhren bewachsen, die Landschaft kühn und malerisch, „Unseren Hochtälern nicht unähnlich,“ der Weg in den höheren Regionen fast eben zwischen Matten und Fruchtfeldern. Nach dreistündigem Aufstieg war die Wasserscheide erreicht. Aus mehreren Quellen entsteht der Pleistos, der den einsamen Reitern jetzt zur Linken blieb, bald in der Nähe und sichtbar, bald tiefer unter dem Wege in abschüssigen Gründen und durch die Vorsprünge der Felsen dem Auge verhüllt, während sein Rauschen in die lautlose Stille des Tales heraufdrang. Nach zwei Stunden Ritt, dann öffnete sich, wie ein Tor aussehend, von einem Vorsprung die Aussicht nach Westen bis zum Talabschluss und über Delphi (Castri); dort biegt nämlich der nördliche Rücken des Parnaß in weitem Schwunge nördlich zurück und dann nach Westen vor und sperrt das Tal, so dass nur für den Pleistos der Abfluss durch zerrissene Klüfte bleibt, während der Weg nach Krissa aus dem Hochtal durch eine Felsengasse der westlich vorgelagerten Gebirge steil hinabführt. Voll Erwartung folgten die Reisenden dem allmählich sich sinkenden Pfad durch Ölpflanzungen vorüber an Weinberge, bis sie kurz vor Castri die östliche Nekropole betraten. Etwa 500Schritt vor der Kluft enden die Gräber mit einem in die Felswand eingehauenen Denkmal, ORJD—ULRQ genau.487 Zunächst galt die Untersuchung der Gegend links des Weges zwischen der von der Kastalia durchströmten Schlucht und dem Pleistus; es fanden sich hier zahlreiche, zum Teil noch wohl erhaltene Grund- und Stützmauern einer Terrasse, die mit Äckern und Ölpflanzen bedeckt ist. In dem Eckbau488 eines Temenos war die Ölpresse des Klosters eingesetzt; innerhalb des SHUL—ERORZ liegt unter Ölbäumen die Kirche 3DQDJL—DZNRL—PKVLZMHRWR—NRX. Die Kastalia bricht zur Rechten aus dem Gebirge, das in eine tiefe Schlucht auseinanderreißt und in zwei kahle Felsen von Urkalk, der aus Tonschiefer etwa 800 Fuß emporsteigt, aufragt. Aus zwei reichlich fließenden Quellen strömt das sehr klare und angenehm schmeckende Wasser in ein in den Felsen gemeißeltes Bassin, hinter dem eine für Weihgeschenke bestimmte Nische, jetzt zu einer Kapelle des hl. Johannes umgewandelt ist. „Die Gegend um sie von erhabener Wildheit und auch im Mondschein von bezauberndem Reiz. Ein schönes Echo in dieser Kluft, das die Stimme vielfach melodisch zurückgibt, ist auch den alten nicht entgangen. (Justin. Histor. XXIV 6, § 8), es ist wie ein wehmütiger 487 Ulrichs a. a. O., S. 44 sieht darin ein Bild der Pforte des Hades, Pomtow, S. 71 Tafel X Nr. 27. 488 Tafel III gibt ein Teil der Terrassenmauer nahe der Castalia wieder.

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Ton, der immer wiederkehrt und über die vergangene Herrlichkeit des Ortes und des gesangkundigen Gottes fürwahr zu klagen scheint.“489 Durch Beiziehung des Reiseberichtes des Pausanias (X, VIII § 4) stellt Thiersch die Vermutung auf, dass der Tempel der Ý$MKQDT 3URQRL—D auf der Stelle zu suchen ist, wo die Kirche 3DQDJL—DZ NRL—PKVLZ steht. Der Eingang des Klosters zeigt noch schöne dorische Triglyphen, der Vorbau der Kirche ruht auf Säulen verschiedenen Maßes, die Kuppel auf vier gleich großen; rechts vom Eingang ist ein Denkstein der Athener eingesetzt, eine Inschrift in einem Lorbeerkranz: RÀ GKTPRZRÀ Ý$MKQDL—YQ3XML—RLZ. Eine Bestätigung seiner Vermutung erhält Thiersch durch Herodots Bericht (VIII 36 ff.); denn dieser erzählt, wie die Perser von Phokis kommend in der Nähe des Tempels der Athene durch Blitz und Donner sowie einen Bergsturz zurückgeschreckt wurden. Herodot sah selbst noch ein Temenos der Göttin die Felstrümmer des Parnaß.490 Herodots Darstellung ermöglicht auch, die Lage des Tempels des Phylakos und Autonoos näher zu bestimmen; Thiersch glaubt, dass der heilige Bezirk des Phylakos, des Wächters des apollinischen Temenos, zwischen dem heiligen Weg und dem Tempel der Athene sich hinzog, der des Autonoos aber nahe der Quelle der Kastalia auf der anderen Wegseite war. Das von Pausanias erwähnte Gymnasium ist wohl östlich des Athenetempels zu suchen. Nach Überschreitung der Kastaliabrücke lag das Innere des theaterähnlichen Halbkreises vor den Reisenden ausgebreitet; zwei in der Mitte dieser Gegend sich kreuzende Linien teilen sie in vier Teile, der Weg nach Krissa und eine flaches Rinnsal, das der Kastalia parallel zum Pleistos hinabzieht. Bei Betrachtung des amphitheaterartigen Halbrunds wurde Thiersch die Schilderung des homerischen Hymnos anschaulich, die SXMY— SHWUK—HVVDDXÝWD—UX°SH—UMHQSH—WUK HÝSLNUH—PHWDLNRLOK— GÝ XÀSRGH—GURPHEKTVVDdas Amphitheater des Parnaß, dessen schräg abgehender Grund die EKTVVD bildet. Den SH—WUK X°SHUMHQ HÝSLNUHPDPH—QK entspricht bei Justinus der rupis undique impendens. Die schräge Fläche ist die 3DUQDVVL—D QD—SK des Pausanias, bei Pindar 3ROX—[UXVRZÝ$SROOYQL—DQD—SK491 genannt. Zunächst gibt Thiersch eine genaue Schilderung der Wege, die die QD—SK durchziehen mit besonderer Berücksichtigung der Terrassen und Stützmauern sowie der Quellen. Der Augenschein lehrt ihn, dass K. O. Müllers Karte in keiner Weise stimmt. Dann folgen Auszüge aus den alten Quellen über das Schicksal Delphis in der römischen Kaiserzeit, namentlich aus Strabos und Plutarchs Werken, unter denen das Buch über das Delphische Orakel besonders wichtig ist; denn wie wenig andere kannte und pflegte der Greis von Chäronea das Heiligtum.

489 Ulrichs a. a. O., S. 40, S. 48 beschreibt die Stelle ebenfalls ausführlicher. 490 Vergl. auch Ulrichs a. a. O., S. 46. 491 K. O. Müller beschränkt die QD—SK auf die Mitte des Grundes, Thiersch, Delphi, S. 16, Tafel IV.

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Nach diesen allgemeinen Erörterungen wendet sich Thiersch zunächst Pausanias zu, weil wir ihm die ausführlichste Schilderung verdanken. Vor allem kommt es ihm darauf an, zu zeigen, welche Teile von Delphi Pausanias besuchte und in welcher Reihenfolge er die vorgefundenen Denkmale schildert. Thiersch nimmt fünf verschiedene Gänge an: auf dem rechten Ufer der Kastalia führt der 1. in den Temenos des Gottes an den Schatzhäusern und den Weihgeschenken bei ihnen vorüber durch die Halle der Athenäer zum Felsen der Herophile, der 2. zwischen Weihgeschenken zu den Schatzhäusern der Korinthier und von da in den Hof des Tempels, die 3. Periegese umfasst die Aule des Tempels sowie die Vorhalle mit dem Giebel, die 4. schildert den Aufstieg zum Stein des Kronos und der Quelle Kassotis, oberhalb welcher die Lesche des Knidier stand; und zwar vermutet Thiersch, dass Pausanias den Tempel auf der Ostseite verließ und sich dann links nördlich wandte; auf dem 5. Gang kommt Pausanias aus der Lesche zu dem Theater und von hier zum Stadion; die vom Stadion westlich und südlich gelegenen Teile betrat Pausanias nicht. An Pausanias schließt Thiersch den Bericht des Plutarch; der Historiker wird von den Periegeten von Delphi geführt, und zwar in derselben Art wie Pausanias, nur finden sich verschiedene von diesem vergessenen Gebäude und Kunstwerke; manche Angaben sind genauer. Heliodors Nachrichten über Delphi in den aithiophischen Erzählungen hält Thiersch für ein Gemälde freier Dichtung, zumal mit Rücksicht auf Eusebius Vita Constantini, wo die Plünderung der heiligen Stätte durch den Kaiser geschildert wird. Nachdem noch Julian den Versuch gemacht hatte, die verödeten Tempel wieder zu schmücken, breitete sich tiefe Nacht über den nun bedeutungslosen Ort. Erst im 15. Jahrhundert findet Thiersch wieder eine geschichtliche Nachricht über Delphi bei Kyriacus aus Ankona, als Papst Nikolaus V. 1436 ihn nach dem Morgenland schickte, Handschriften, Inschriften und andere Reste des Altertums zu sammeln. Er sah den verfallenen Tempel Apollos, ein Amphitheater und auf der höchsten Burg der Stadt unter sehr hohen Felsen des Parnaß den Hippodrom noch im Marmorschmuck des HerodotAttikus. Von der Literatur des 17. Jahrhunderts über Delphi bespricht Thiersch die Reisebeschreibung Jakob Spons und Whelers 1676; sie kamen von Salona, also vom Norden und hielten die Kirche des hl. Elias für den Apollotempel; kurze Bemerkungen über Richard Chandler folgen, der1765 Delphi besuchte. Neuere Reisende wie Clark, Dodwell, Gell, Turner lieferten so wenig zur vergleichenden Topographie, dass Thiersch sie übergeht. Auf Grund seiner eigenen Beobachtungen versucht Thiersch am Schluss der Akademieabhandlung, die Beschreibung des Pausanias in ihren wichtigsten Punkten zu beleuchten. Er scheidet die Totenstadt, die weder Pausanias noch Plutarch erwähnen, von der Stadt und dem heiligen Bezirk Gottes. Die Nekropolis zog sich nach seiner Ansicht durch die Kastalia und höher hinauf durch die nordöstlichen Felsen unterbrochen in drei Teilen über der Stadt der Leben-

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digen hin; in ihrem 2. und 3. Teil umspannte sie den Temenos des Gottes, von dem sie durch den Weg zwischen den Felswänden und den Terrassen getrennt war. Die Stadt Delphi bildete, wie die Inschriften zeigen, eine für sich bestehende selbständige Gemeinde, der Temonos war ihr altes Heiligtum. Ihre Lage und ihr Verhältnis zur Nape lassen sich aus Pausanias und Strabo genau ermitteln. Pausanias beritt sie, wo die Tempel beginnen, besucht das Gymnasium, geht zum Pleistos hinab und dann wieder in ihr empor, wobei er sie c. 8 a. E. als 'HOIL—Z SR—OLZ bezeichnet. Sie lag also an der Kastalia vom heiligen Weg abwärts, zu beiden Ufern des Baches; in dieser Lage kennt sie auch Strabo (Geogr. IX 3 § 3). Thiersch vermutet demnach, dass sich die Stadt vom Pleistos bis an den Ursprung der Quelle Kastalia erstreckte, außer den östlich der Kastalia gelegenen Teilen von dem theaterähnlichen Raum der Nape den unteren Teil bis zum krissäischen Weg einnehmend, so dass die südlich gelegenen Kapellen und westlich die großen Substruktionen mit der Kirche des heiligen Elias auf Tempel deuten, die außer dem Haupttempel des Apollo zur Stadt der Delpher gehörten. Sie gewinnt die Gestalt eines Vierecks, das von der Kastalia und dem Rinnsal der Nape in 2 Linien durchschnitten wird, an jeder Seite etwa 4 Stadien lang; damit stimmt Strabon, der die Stadt vom PDQWHLTRQ trennt und sie einen Kreis von 16 Stadien erfüllen lässt.492 Welche Tempel Delphi außer dem der Pallas 3URQRL—Dund ihren Umgebungen und den im Peribolos eingeschlossenen enthalten habe, wagt Thiersch nicht zu entscheiden, eine Stelle bei Justinus lässt auf eine größere Zahl schließen; die Ruinen der links des krissäischen Weges in der Stadt gelegenen Kapelle deuten auf Heiligtümer der Diana und Minerva, die Kirche des hl. Elias mit den kolossalen Substruktionen in der Nähe aufeinen Tempel des Zeus, da diesem gewöhnlich jener Prophet untergestellt wird, dessen feuriger Wagen und Aufsteigen zum Himmel zu dem Gespanne des Donners das nötige Analogen bot.493 Den heiligen Bezirk des Gottes verlegt Thiersch in den ganzen oberen Raum der Nape innerhalb des Felsenbogens, mit Rücksicht auf die Menge der in ihm enthaltenen Schatzhäuser, Heiligtümer u. s. f. und auf das Zeugnis des Pausanias, der ihn PHJH—MHL PH—JDZ nennt. Zu ihm gehören also die großen und schöngefügten Terrassen oder Mauerreste, welche rechts des krissäischen Weges hinziehen, wenn man von der Kastalia kommt und übereinander nach der Kirche des hl. Nikolaus gelegen sind. Die Inschriften auf den Flächen der 2. und3. Terrassen beweisen, dass man sich im alten Temenos des Gottes befindet. Die Terrassen sind sämtlich zu beiden Seiten nach Osten und Westen gegen die Felsen des Parnaß geöffnet oder auslaufend; in ihren hat man also vermut492 Ulrichs a. a. O., S. 60: „Die Stadt Delphi lag zu beiden Seiten der Castalia und erstreckte sich in einem Umfang von 16 Seiten oder 48’ unterhalb des Peribolos hin, von der Marmaria oder den vier Tempeln bis zu den Tennen, wo sie in der Vorstadt Pyläea endigte. Pomtow, Beiträge, S. 74-75 zeigt, dass Pyläea kein eigentlicher Vorort der Stadt Delphi war, sondern nur ein Vorbezirk des Hieron. 493 Pomptow, Beiträge, S. 73.

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lich einen Rest der Ausgänge, die nach Pausanias aus dem Tempelgebiet zahlreich geöffnet waren. Thiersch nimmt an, dass die dem krissäischen Weg zunächst gelegene Terrasse die äußerste des Temenos war gegen die Stadt unter ihm; der über dem Boden sich erhebende Teil ist meist verschwunden, der untere wurde als Stütze des Ackergrundes geschont; die Sorgfalt der Arbeit, die netz- oder brillantähnliche Verzierung der äußeren Oberfläche lassen daran keinen Zweifel; nächst der Kastalia zeigt die Mauer ein Eck, dessen einer Schenkel nach Norden zeigt; so ist deutlich, dass hier der Temenos durch eine nördlich gegen die Felsen des Parnaß sich erhebende Mauer geschlossen war, welche zwischen ihm und den Felsen einen Weg offen ließ und mit diesem durch die Ausgänge aus den Terrassen verbunden war; der unter rechtem Winkel ansetzende Schenkel bildete die südliche Schlussmauer des Tempelgebietes.494 In gleicher Weise zeigt sich da, wo der krissäische Weg gegen das Rinnsal in der Mitte des muldenförmigen Grundes einbiegt, in langen Zügen eine zwischen den Terrassen aufsteigende und gegen sie in rechten Winkeln anstehende Mauer noch zum Teil erhalten. Offenbar war – so schließt Thiersch – der Temonos durch eine der zuerst genannten parallel laufende Mauer abgeschlossen; er reicht also hier bis nahe an das Rinnsal heran und gewinnt dadurch eine Breite von ungefähr 600 Schritten. Die Lage des Haupttempels lässt sich nach Thiersch einwandfrei bestimmen; die mit Inschriften erfüllten Terrassen, das steinerne Archiv desselben, verkünden seine Nähe; auf der 3. steht die Kirche des hl. Nikolaus; hier fanden sich die großen Bruchstücke schöner Architektur, besonders das kolossale Ey eines jonischen Gebälkes; es ist von pentelischem Marmor und nach Stephanus von Byzanz bestand der Tempel des Gottes aus ihm.495 Nach Pausanias war das

494 Ulrichs a. a. O., S. 38, spricht von einer Mauer, die 80 Schritt unterhalb der Substruktion, die den Apollotempel trug, sich zur Castalia hinzieht; 150 Schritt weit ist sie gut erhalten, im Osten bildet sie eine Ecke nach Norden. Die Bauern halten sie für eine Festungsmauer und nennen sie ... (unleserlich) Den Glauben, dass hier eine Festung gestanden war, dankt Delphi seinem heutigen Namen Kasti. „Ohne Zweifel ist diese Mauer ein Stück der südlichen Umfassungsmauer des weiten Tempelbezirkes. Pomtow, Beiträge, S. 13 ff. die Polygonmauer (Böschungsmauer der Tempelterrasse). Die Existenz dieser Mauer ist die Vorbedingung gewesen für die Aufschüttung der Tempelterrasse und damit für den Bau des Tempels selbst. „Sie ist nicht nur das älteste der heute noch in Delphi vorhandenen Baudenkmäler, sondern eines der ersten dort überhaupt errichteten. Hellenico, die Peribolosmauer, die Umfassungsmauer des heiligen Bezirks. 78 m tiefer ungefähr parallel laufend zu Polygonmauer. 495 Ulrichs, a. a. O., S. 37, fand ungefähr in der Mitte des Dorfes eine große, aus sechs Fuß langen schmalen Steinplatten gebildete Substruktion, die sich unter mehreren Häusern fortsetzt, und vollkommen dem Sockel eines großen Tempels gleicht. Während er dort weilte, grub man bei einem Hausbau unterhalb derselben Stücke dorischer Säulen aus einheimischen Steinen und jonischer aus weißem Marmor und ein schönes Kapitel aus. Jene Plattform ist daher sicher der Sockel des Tempels. In der Nähe stieß Ulrichs auf eine Inschrift, die sich auf die Statue eines siegreichen böotischen Feldherrn bezieht.

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Wasser der höher liegenden Quelle Kassotis unterirdisch in den Tempel geleitet, Plutarch findet neben ihm das der anderen Quelle.496 Beide Quellen fließen nach der Kirche von NO und N. Ebenso sicher scheint Thiersch die Ermittlung des Felsens der Herophile, DÝQH—[RXVDXÀSH—UWKTZJKTZoder nach anderer Lesart über die Stoa der Athenäer; auf ihm stand die Herophile und sang ihre Orakel; nahe dem Ursprung der Kassotis erhebt sich eine Felstribüne mit Stufenaufgang und Weg zur Abplattung, im Inneren der Nape der einzige Fels. Der dritte mit Sicherheit zu bestimmende Punkt ist das Stadion, jene durch das obere Segment des Felsenbogens hinlaufende Diagonalvertiefung von der Länge eines Stadiums; noch mit einem Teil der Sitze versehen; vollkommen geebnet und breit ist die gegen das Tal gewendete, durch Stützmauern getragene südliche Terrasse. Vielleicht standen auf ihr die zahlreichen Quadrigen, welche nach Justinus XXII. c. 7. den heranziehenden Galliern schon aus der Ferne wie von Gold entgegenleuchteten. In der Tat zeigt sich diese Terrasse dem von Osten Kommenden als ein weißer Streif. Ausführlich äußert sich Thiersch über die Quellen der Nape (S. 52 ff., s. auch S. 18). Die eine führt nach Pausanias den Namen Kassotis497; die andere kennt Plutarch (c.17) unterhalb der gegen Süden gelegenen Stufe des Tempels; von dieser Simonides singt, sie hat um ihren kühlen Hauch das Heiligtum der Musen und das Wasser wird aus ambrosischer Kluft geschöpft. Nicht wenige Kapellen sind noch jetzt in Griechenland auf der Basis der alten Sacella über Quellen gebaut, die in marmornen Behältern eingeschlossen sind. Eine solche Kirche oder Kapelle heißt nach der Quelle DÀJL—DSKJK—oder SKJD—GD. Ähnlich ist wohl die Quelle unter dem Musentempel mit ihrer ambrosischen Kluft zu denken; sie entspringt498 am Rand der parnassischen Felsen und fließt nach dem hl. Niklaus; an ihrem Ursprung war sie gefasst und im Innern des Temenos nur unter dem 0RXVHLTRQzu sehen. Pausanias erwähnt weder diesen Tempel noch die (…).

Pomtow, Beitrag, S. 24: „Ulrichs war der 1., der die wirkliche Stelle des Tempels auffand.“ 496 Ernst Curtius unterscheidet wie Thiersch drei Quellen, die Kastalia, die Delphusa und mitten im Temenos gelegen die Kassotis. Anekdota Delphika, 1840 S. 3. 497 Ulrichs a. a. O. S. 37 ff. , S. 105 // als Cassotis die Quelle, die ungefähr in der Mitte des Dorfes den Brunnen de hl. Nikolaus speist; die bisherigen Reisenden nannten die große Quelle Kerna in der Nähe des Stadiums so. Pausanias sagt, dass ihr Wasser in das Adyton fließe; gerade unterhalb des Brunnens liegen die Tempelruinen. Der Homerische Hymnos erzählt von ihr, nach Euripides tränkte sie den pythischen Lorbeer und die Myrten des heiligen Gartens. Die Cassotis wässert einige Gärten in der Mitte des Dorfes. Einen Lorbeer fand Ulrichs hinter der Nikolauskirche in einem kleinen Garten. 498 Thiersch, Delphi, S. 18 findet den Ursprung, indem er von der Kastalia aus an den (…) hinführenden oberen Weg 800 Schritte verfolgt.

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Diese Quelle bewacht nach dem Mythos der Drache Pytho, der Hüter des Orakels der Gäa, die Delphusa499 bei Stephanus von Byzanz; der vorspringende Fels des Parnaß, unter dem sie entquillt, heißt der XXX, Hügel oder Riff des Bogenschützen; nach Hesychius tötete Apollo von hier aus das Ungetüm. Da Thiersch den Felsen der Sybille unrichtig ansetzt, so sind auch seine Vermutungen über den Weg, den die Periegeten von Delphi die Fremden zu führen pflegten, hinfällig und der Versuch, Gruppen von Weihgeschenken und Schatzhäusern auf die einzelnen Terrassen zu verteilen, sehr problematisch. Der Tempel des Gottes mit seinem Peribolos füllte nach seiner Ansicht eine eigene Terrasse. Die Lage der Lesche ist durch das Aufsteigen des Weges, auf dem Pausanias zu ihr gelangt, und durch die Nähe des Stadions angedeutet; in dem vorspringenden Winkel des nördlichsten Felsenbogens ist z. T. durch Aushauen des Riffes, zum Teil durch Stützmauern eine sattsam große Fläche geebnet, die ein allein stehendes Gebäude getragen hat, das die freie Aussicht auf die ganze Nape und die Umgebung weit umher gewährt; durch die Nähe des Stadions und des Theaters eignet es sich vorzüglich zu einem Platz für Gespräch und Verkehr. Dorthin ist offenbar das Gebäude der Knidier mit den Gemälden des Polygnotus zu setzen, die Pausanias ausführlich beschreibt.500 Am höchsten in der Stadt, DÝQYWD—WY WKTZ SR—OHYZ, folgte außerhalb des Peribolus das Stadion, unter ihm schmiegte sich das Theater,501 wo die ältesten pythischen Festspiele, musische Wettkämpfe zum Lob Apollos stattfanden, an den Peribolus; das ist der oberste Teil der theaterähnlichen schrägen Einbiegung der Nape, der unter der südlichen Terrasse des Stadions, das Rinnsal in der Mitte, sich ausbreitet; jetzt ist dieser Grund mit steinigen Feldern bedeckt, deren kleine und mauerlosen Terrassen noch die Linien der Sitzreihen anzudeuten scheinen; im Rinnsal fand Thiersch noch einzelne marmorne Sitze, wie sie sich z. B. im Theater von Epidaurus erhalten haben; vielleicht waren es auch herabgefallene Reste von den Sitzreihen des Stadions.

499 Ulrichs (ebd., S. 109) nennt die Kerna die „Delphusa“; Pomtow, Beiträge, S. 41 bezweifelt Ulrichs Feststellungen, namentlich, wenn er in ihr den Stadtbrunnen Delphis sehen will. 500 Pomtow, Delphi, (Karte des hl. Bezirkes) setzt die Lesche der Knidier in etwa gleiche Höhe mit dem Theater; ebenso Thiersch, Plan von Delphi auf Tafel I. 501 Ulrichs, a. a. O., S. 108. Die Lage des Theaters ist einwandfrei festzustellen; denn westlich neben der Cassotis ist eine hohe Mauer mit vielen Inschriften, die Südmauer des Theaters; das Innere desselben ist fast ganz verschüttet; über und an der Mauer, die das Halbrund umgab, stehen Häuser, nur einige Teile der obersten Sitzstufen liegen frei; nach gefundenen Inschriften lag das Theater innerhalb des heiligen Bezirks. Seine Ruinen bestimmen also die Ausdehnung des WH—PHQRZnach Nordwesten. Pomtow, Beiträge, S. 64; Thiersch verlegt das Theater außerhalb, Ulrichs innerhalb des Temenos; nach Pausanias X. 32, i bildete es die NW-Ecke des heiligen Bezirks. Ernst Curtius, Anecdota Delphica, S. 6 folgt Ulrichs.

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Den Schluss der Abhandlung bildeten Inschriften auf der neu entdeckten polygonen Wand,502 eine Schenkungsurkunde und eine Belobungs- und Belohnungsurkunde sowie zwei arg zerstörte Inschriften, ferner der von K. O. Müller entworfenen Plan Delphis, Taf. IV b und Taf. I und IC a ein Plan, was Thiersch an Ort und Stelle von der Nape aufnahm. An Thierschs Untersuchung schließt sich ein Aufsatz503 von Professor N. Ulrichs über die Städte Crissa und Cirrha, der einwandfrei zeigt, dass Cirrha hart am Meer lag unter dem Abhang der Cirphis, Crissa dagegen unter den Felswänden des Parnaß, wo keine Wagen sich tummeln und kein Rossegestampf gehört wird, und mit dem Dorf Chryso in Zusammenhang zu bringen ist. Die von Ulrichs angewandte Methode ist die gleiche wie die von Thiersch befolgte; sorgfältigste Untersuchung der Gegend wird mit umfassender Prüfung der alten Quellen verbunden. Ulrichs Ergebnis wird von Thiersch504 durchaus anerkannt und er hält es für zweckmäßig, die Arbeit seiner eigenen unmittelbar folgen zu lassen, „um so mehr, dass sie ihren Gegenstand genau, sachkundig und klar behandelt und, wie ich hoffe, den alten und verwickelten Streit über den Unterschied von Krissa und Kirrha zur Entscheidung bring.“ Der in Thierschs topographischer Untersuchung viel genannte krissäische Weg steigt zur Seite der gewaltigen Substruktionen des heiligen Elias hinauf, um westlich den Kranz der hohen Felsen zu erreichen, von denen die Nape auch dort umgeben ist. Thiersch und sein Begleiter schlugen ihn ein, als sie die Untersuchungen in Delphi abgeschlossen hatten. Zwischen jenen Felsen dringt er, Grabkammern zu beiden Seiten, durch und führt auf einen Vorsprung des Berges, der dort jäh nach der Einbiegung des korinthischen Meerbusens hinabstürzt. Nicht weit von der Höhe kamen die Reisenden an jenen Felsblöcken vorüber, hinter denen die Mörder des Königs Eumenos lauerten (Liv. 15) und erreichten das Dorf Chryso, von Öl- und Weinpflanzungen, Gärten und Feldfluren umgeben, wohl bewässert, in dessen Nähe das alte Krissa lag. Von hier ging es hinab in jene weite Ebene, fast so flach wie ein Meeresspiegel, die Strabo (IC. pag. 276) .ULVVDLTRQSHGL—RQHXÍGDLPRQnennt, „geschmückt mit dem schönsten und fruchtbarsten Oelwald Griechenlands und mit üppigen Wein- und Kornfeldern“,505 und dann nach Kirrha am sinus Crissäus. In einem Brief an seine Frau hat Thiersch,506 unter dem starken Eindruck der Erlebnisse stehend, den Aufenthalt in Delphi kurz zusammenfassend geschildert: „Wie überall fand ich auch dort Natur, Lage, Ruinen mehr oder weniger 502 Ernst Curtius, Anecdota Delphica, S. 7. Curtius und Otfried Müller kamen 1843 nach Delphi und begannen an der polygonen Mauer zu graben bis zu der Stelle, wo sie nach Norden abbog. Neue Inschriften wurden gefunden. Otfried Müller zog sich eine Fiebererkrankung zu, an deren Folgen er starb. 503 Denkschriften, 18. Bd., 1840, S. 77 ff. 504 Über die Topographie von Delphi, S. 76. 505 Ulrichs, a. a. O., S. 81. 506 17. Januar 1832 in: Biographie, Bd. II, S. 125 ff.

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von den Berichten der Neueren verschieden und ein Aufenthalt von mehreren Tagen hat mich in den Stand gesetzt, die Beschreibung von Pausanias mit dem Ort zu vergleichen, die Tempel, heiligen Bezirke und Quellen, Gymnasium, Theater u. dergl. bestimmter nachzuweisen und zu einer besseren und genaueren Beschreibung und Vergleichung dieses merkwürdigen Ortes Materialien zu sammeln. Auch die Nachgrabungen sind nicht ganz vergeblich gewesen und zu der Terrasse mit Inschriften, die man schon kannte, habe ich eine zweite kykopische gefunden, jener parallel, tiefer, die ebenfalls mit Inschriften, Ehrendenkmalen, Schenkungsurkunden und dgl. bedeckt ist. Vier Terrassen durchschneiden die nordöstliche Hälfte des theatralisch sich erhebenden Raumes, gegen Osten bis an die Felsenwände des Parnaß und die Klippen der Kastalia reichend, gegen Westen durcheine mitten in dem Ort gerade aufsteigende Mauer geschlossen. Dieses war der SHUL—ERORZdes Tempels, er selbst auf der dritten Terrasse, gegen sie schräg gestellt, am Ort, wo jetzt die Kirche des h. Nikolaus steht. Westlich von ihm in der Höhlung der schrägen Fläche und neben der Mauer des Peribolus herabreichend, das Theater, darüber das Stadium, in der Nähe noch deutlich zu entdecken der Fels der Herophile, die Quelle Kassiotis, um Umfang dieser Gebäude durch eine tiefe Kluft, in welche die Quelle Kastalia fällt, getrennt, im vorderen Stadtteil (auch er mit schönen Terrassen) sowohl die Lage des Tempels der Athene Pronopia als der Hain des Phylakos und das Gymnasium in diesem mit größter Bestimmtheit nachzuweisen. Vorzüglichen Erfolg versprachen die Nachgrabungen bei der Kirche des heiligen Elias, wo, wie ich glaubte, ein alter Tempel des Zeus gestanden, wurden aber durch den Zusammenlauf der Bauern gehemmt, die mit großem Geschrei den Gräbern das Werkzeug aus den Händen rissen und mit meinem Diener, der in diesen Dingen erfahren die Aufsicht führte, haderten, dass er die Gräber ihrer Angehörigen aufwühle. Ich kam mitten in das Gezänke hinein und fand für ratsam, mich aus der Mitte dieser verwilderten Gemüter mit meinen Leuten zurückzuziehen.“ Curtius507, der 1843 in Delphi vor allem Inschriften untersuchte, hat über Thiersch auf die Delphiabhandlung Bezug nehmend, das herbe Urteil gefällt: (…), wohl unter dem starken Eindruck, dass Ottfried Müller, dessen Delphiplan Thiersch entschieden ablehnte, so zäh aus dem Leben gerissen wurde; gerecht wird er damit der Arbeit des bayrischen Humanisten nicht. Gerade weil Thiersch überzeugt war, dass die Topographie ein wichtiger Zweig der griechischen Altertumswissenschaft sei, so wandte er ihr bei seinem Aufenthalt in Griechenland große Aufmerksamkeit zu und sammelte in Delphi bereits 1831, also 7 Jahre vor Ulrichs, Material, das er dann freilich erst 1848 veröffentlichte, dass ihm dabei Irrtümer unterliefen, ist bei der Schwierigkeit der Fragen, um die es sich handelt, begreiflich, aber man sollte darüber nicht die positive Leistung vergessen. Thiersch versuchte klar zu scheiden die Nekropolis, die eigentliche 507 Annecdota Delphica S. 2b.

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Stadt Delphi und den heiligen Bezirk; in der Frage der Quellen, der Terrassenanlagen, der mutmaßlichen Lage so wichtiger Bauten wie des Haupttempels, des Theaters, des Stadions, der Abgrenzung des Temenos, des Stadtteiles links der Kastaliaquelle, kommt er zu klärenden Ergebnissen, an der Polygonmauer fand er nur Inschriften. Das Interesse für die alte Orakelstätte war lebhaft geweckt. So sehen wir, wie in rascher Folge bedeutsame Veröffentlichungen erscheinen. In Begleitung Ludwig Roß,508 der sich um Delphische Inschriften verdient machte, kam König Otto nach einer aufsehenerregenden Parnaßbesteigung dorthin und schon damals wurde der Plan509 in seiner Umgebung erwogen, das Dorf Castri zu verlegen, um die heilige Stätte genau untersuchen zu können; leider musste er aufgegeben werden; aber im Auftrag der Regierung entwarf ein Sachverständiger Laurent die erste wirklich brauchbare Karte Delphis, die Ulrichs in sein Buch aufnahm. 1843 führte Curtius und Ottfried Müller wichtige Grabungen aus, wodurch vor allem die topographischen Fragen eine wesentliche Klärung fanden. Mit Hilfe der immer zahlreicher edierten Inschriften wurden geschichtliche Fragen geklärt.

508 Griechische Königsreisen, 1. Bd., Halle, 1848, S. 67 ff., in prachtvoller Weise wird der Königsbesuch geschildert. 509 Ernst Curtius, Anecdota Delphica, S. 3.

Reisebriefe aus Griechenland (1831 – 1832)

von

Friedrich Thiersch

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Vorwort und Einführung Heinrich Scholler Vorbereitung und Beginn der Reise Thiersch reiste zum ersten Mal im August 1831 nach Griechenland, von wo er erst im Sommer 1832 zurückkehrte. Er reiste als Privatmann, finanziert von Cotta510, dem berühmten Verleger und Gönner aus Augsburg, der auch in seinem „Morgenblatt für gebildete Stände“ die Reiseaufzeichnungen von Friedrich Thiersch abdruckte, die alle ohne Ausnahme an seine Frau Amalie511 in München gerichtet waren. Es besteht aber auch eine direkte Korrespondenz an den Fürsten Wrede und an König Ludwig I., die in der Biografie des Sohnes Heinrich512 wesentlich später publiziert wurden.513 Die Reise führte ihn zunächst zusammen, geschlossen mit einem größeren Gefolge des russischen Generals Graf Ostermann-Tolstoi, zu dem unter anderen Fallmerayer und Dr. Fischer gehörten, mit Kutschen über Innsbruck, Bozen und Udine nach Triest. Drei jüngere Begleiter (Dr. Lindner, Wirthe und Bostillone) ritten voraus, um jeweils Pferdefutter und Logis zu organisieren (Biografie II). In einem zweiten Brief aus Triest an seine Frau erwähnt er die vielen griechischen Besucher und einige Einladungen in Triest, hier treffen wir auch zum ersten Mal auf Edmund Metzger, der ihn als Zeichner und Maler die ganze Reise über begleiten wird und auch schon in Triest eine Skizze der Stadt anfertigte. In Triest trennt sich Thiersch von der mitreisenden Gefolgschaft des russischen Generals, über dessen Lebensart er klagt. Thiersch bestieg dann ein im Hafen

510 Johann Friedrich von Cotta, seit 1822 Freiherr (1764-1832), Verleger, Industriepionier und Politiker. Studierte Mathematik, Jura und Geschichte und übernahm in Tübingen die Familienverlagsbuchhandlung und baute den Verlag zum wichtigsten deutschen Unternehmen der Klassik aus. Er war Deputierter beim Wiener Kongress. Er gehörte 1819 bis 1831 der Zweiten Kammer des Landtages in Stuttgart an. Er stand mit Thiersch in freundschaftlicher Verbindung, trat für die Freiheit Griechenlands ein und stand dem Philhellenismus nahe. 511 Geb. Löffler, 1794-1878. 512 Heinrich Wilhelm Josias Thiersch (1817-1885), Theologe und Philologe. Er war der älteste Sohn von Friedrich Thiersch, studierte vor allem bei seinem Vater, seinem Taufpaten Schelling und bei Görres. 1843 außerordentlicher Professor an der PhilippsUniversität Marburg, Berufung zum ordentlichen Professor 1845. Neben zahlreichen theologischen Publikationen erschien zu Griechenland: „Griechenlands Schicksale vom Anfang des Befreiungskriegs bis auf die gegenwärtige Krisis“ (1863). Er schrieb auch die Biografie seines Vaters unter dem Titel: „Friedrich Thiersch’s Leben“ (in zwei Bänden), Leipzig und Heidelberg, 1866. 513 Der erste Bericht an Fürst Wrede bezieht sich auf die Ermordung des Grafen Kapodistria, dem zwei weitere Berichte folgen. Heinrich Thiersch, Friedrich Thiersch’s Leben II, Leipzig 1866, S. 90ff, 110ff., 113ff.; nachfolgend als Biografie II zitiert.

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liegendes Schiff mit Namen „Marco Bozzaris“, um auf diesem Wege mit Metzger nach Nauplia zu gelangen. In Briefen, die er in den Monaten vor seiner Abreise an verschiedene Persönlichkeiten richtete, drückte er Zweifel darüber aus, ob seine Reise noch sinnvoll oder ob es schon zu spät dafür sei. So schrieb er am 10. Juli an Cotta, dass selbst die Einsetzung Ottos als König von Griechenland nicht nur noch nicht entschieden, sondern vielleicht sogar als nicht mehr sinnvoll angesehen werden müsse.514 In der erwähnten Biographie des Sohnes Heinrich wird die GriechenlandReise selbst nur in kurzen Auszügen und Hinweisen erwähnt. Dagegen sind neben dem Bericht an den Fürsten Wrede mehrere Berichte an König Ludwig I. ausführlich. Dies kann man wohl nur dadurch erklären, dass das Gesuch um Verlängerung der Beurlaubung durch den König abgelehnt worden war, so dass Thiersch nun anfing, ein Resumé über seinen Aufenthalt zu ziehen. Der Grund für die Ablehnung der Verlängerung der Beurlaubung der Universität München lag aber wohl darin, dass der Entschluss feststand, Otto, den zweitgeborenen Sohn des Königs, mit einer Bayerischen Regentschaft nach Griechenland zu schicken, welcher Thiersch nicht angehören sollte. Man hat unter Hinweis auf ein Schreiben des Königs an seinen Sohn ausgeführt, dass Thiersch zu sehr mit der griechischen Kultur und dem Volk verbunden gewesen sei, um eine neutrale Funktion in der Regentschaft spielen zu können. Der zweite Biograph von Thiersch, Hans Loewe, hat im ersten Band seines Werkes nur die Zeitspanne bis 1825 beschrieben. Die spätere Zeitspanne und damit auch die Griechenlandreise liegen nur in Manuskriptform in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek vor und weird nunmehr mit dem Reisebericht veröffentlicht. Loewe hat bereits der Schilderung der Reise eine Kommentierung hinzugefügt, die die Vorgänge und die Absichten des Philhellenen Thiersch auch für die heutige Zeit sinnvoll verdeutlichen. Andererseits sind aber Loewes unmittelbare Reiseschilderungen wieder zu knapp, um sie alleine zu veröffentlichen. Aus diesem Grunde schien eine Publikation der Reisebriefe und der Ausführungen von Loewe sinnvoll. Die gelegentlich vorgetragene Auffassung, dass die Reisebriefe wenig zur historischen Aufklärung beitragen könnten, da sie „nur“ an die Ehefrau des Philhellenen gerichtet sind, übersieht, dass für jeden Philhellenen, vor allem aber für Thiersch, die Reise selbst, die er auch zu archäologischen Grabungen benutzte, ein starkes und nicht rein familiäres Erlebnis war. Weiterhin war es für ihn die Voraussetzung für sein Werk, mit welchem er anschließend die europäischen Mächte aufrufen wollte, den richtigen Weg einzuschlagen, um Griechenland vor den drohenden politischen Gefahren zu schützen und um es einer besseren Zukunft entgegen zu führen.515 Seine Reise diente ihm gerade dazu, der europäischen Öffentlichkeit, 514 Heinrich Thiersch,Biografie II, S. 42. 515 F. Thiersch, De l´Etat actuel de la Grèce et des moyens d´arriver à sa restauration, Leipzig 1833.

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weshalb er sein Werk auf Französisch schreibt, darzulegen, welche Schritte und Maßnahmen zur Wiederherstellung Griechenlands notwendig waren. Er spricht schon im Titel des Werkes bewusst von der Restauration, nicht von einer „Wiedererschaffung des an und für sich verlorenen und zerstörten griechischen Kulturlandes“. Es ist immerhin interessant, dass ein wichtiger zentraler Teil dieses Werkes die Überschrift trägt: „De la régence de la Grèce“, welcher damals nicht veröffentlicht werden konnte.516 In diesem erst viel später veröffentlichten Teil klagt er, dass er auf Grund seiner kritischen Haltung zur Entwicklungspolitik der Bayerischen Regentschaft als „Homme perdu“ angesehen werde. Er warf der Bayerischen Politik vor, das Land als ein „befreites Sibirien“ zu behandeln. Auch wenn die Reiseberichte an seine Frau gerichtet sind, enthalten sie wertvolle Einsichten, denn sie berichten über die Schockwirkungen, die von der Ermordung Kapodistrias ausgingen, und von den Spannungen der verfeindeten Gruppen, die er versöhnen konnte. Es ist wohl auch möglich, dass er mit der gewählten Adresse der Berichte an seine Frau den Postverkehr vor Zensurmaßnahmen schützen wollte. Thiersch verwandte auch bei seiner früheren Italienreise als Grundlage für spätere Veröffentlichungen Notizblätter oder Notizhefte, in die er über alles Berichtenswerte Notizen schrieb. Diese waren dann die Grundlage für Briefe an seine Frau, die sich auch heute noch in großer Zahl in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek befinden. Diese Briefe wurden dann von Amalie Thiersch, einem anderen Familienmitglied oder einem Nahestehenden der Redaktion der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ übersandt, sodass dort dann aus den Briefen Thierschs der Artikel für die Veröffentlichung zusammengestellt wurde. Dieser Vorgang lässt sich wie folgt umschreiben: Thiersch war offenbar mit diesem Verfahren einverstanden, denn es wäre aus zeitlichen Gründen kaum möglich gewesen, ihm Entwürfe oder Korrekturabzüge nach Griechenland zu schicken, um dann darauf zu warten, dass sie aus Griechenland wieder mit dem Billigungsvermerk des Autors an die Redaktion zurückkämen. Dieses Verfahren macht es auch erklärlich, dass in der Biographie seines Sohnes Heinrich die Zitate von dem abweichen, was im Morgenblatt veröffentlicht wurde. Bei der Durchsicht der Reisebriefe wurden auch die viel später nach der Publikation des Morgenblattes in der Biographie seines Sohnes Heinrich erschienenen Briefzitate verglichen. Bei Abweichungen wurden in den Fußnoten entsprechende Vermerke gemacht. Eine Kontrolle anhand der Originalbriefe aus der Zeit vom August 1831 bis zum September 1832 ist jedoch nicht erfolgt. Die Reisebriefe wurden aber in formaler Hinsicht ergänzt. Es erschien nämlich erforderlich, eine Anzahl der in den Berichten erwähnten 516 F. Thiersch, „De la régence en Grèce“, in: Scholler/ Flogaitis (Hrsg.), Quellen der griechischen Verfassungsgeschichte, Athen 1988. Thiersch konnte im Jahre 1833 diesen Teil offenbar nicht veröffentlichen, s.a. Scholler, „Das alternative oder revolutionäre Denken des Philhellenen Friedrich Thiersch“, in: Evangelos Konstantinou (Hrsg.), Ausdrucksformen des europäischen und internationalen Philhellenismus vom 17.-19. Jahrhundert, 2007, S. 283.

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Persönlichkeiten zumindest kurz in Anmerkungen vorzustellen oder zu charakterisieren. Thiersch selbst konnte erwarten, dass in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts diese Personen noch bekannt waren und das Gleiche gilt für seinen ersten Biographen, den Sohn Heinrich. Der Biograph Hans Loewe konnte im Jahr 1925 davon nicht mehr ausgehen, weshalb er wohl in größerem Umfang auf die Benennung und Erörterung von Persönlichkeiten, gerade in der Schilderung der Griechenlandreise, verzichtet hat.Thiersch hatte ursprünglich gehofft und geplant, die Reiseberichte zusammen mit den Bildern seines jugendlichen Begleiters, des Malers und späteren Architekten Edmund Metzger als eigene Veröffentlichung herauszubringen. Dies ist leider nicht geschehen, und es ist auch zu bedauern, dass nur einige wenige Bilder im Nachlass Metzgers wie auch im Nachlass Thierschs noch auffindbar sind.517 Durch Missverständnisse und Intrigen ist die Reise des Philhellenen, der sein ganzes Leben lang an Griechenland, den Menschen und der Kultur hing, zu einem unerfreulichen und plötzlichen Ende gekommen. Sein wiederholtes Gesuch auf Verlängerung seines Urlaubes von der Universität wurde ungnädig zurückgewiesen. Die letzten Nachrichten aus der Quarantäne in Triest zeigen seine verbitterte Stimmung deutlich. Es muss ihm umso mehr geschmerzt haben, als er in Griechenland vom Volke überall mit großer Ehrerbietung und mit dem Ehrentitel „įȚįȐıțĮȜȠȢ“ (Lehrer) bezeichnet und begrüßt wurde. Doch sollte hier im Anschluss an den Reisebericht nicht eine Diskussion aufgenommen werden, die sich mit Irrtum, Schuld und Unschuld, Erfolg und Fehlschlag beschäftigt, obschon gerade die nahe Verwandtschaft des Biografen Hans Loewe als Urenkel des Philhellenen Thiersch eine persönliche Befasstheit erkennen lassen könnte. Zurückgekehrt nach München fand er sich als Verlorener, als „homme perdu“. Es wäre aber falsch, mit diesem Ausdruck eines unglücklichen Gefühls die einführenden Worte schließen zu wollen. Auch in den darauf folgenden Jahren, im Revolutionsjahr 1848, blieb er immer der Sache Griechenlands verbunden und wirkte für Griechenland, sei es als Rektor der Münchner LudwigMaximilians-Universität, oder von 1848 bis 1859 als Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Die zweite Reise führte ihn noch einmal nach Griechenland im Jahre 1852. Sein Sohn Ludwig, der gleichzeitig über Rom nach Griechenland gekommen war, wo sich Vater und Sohn trafen und wo diese beiden Generationen, hier der alte Philhellene, dort der junge Maler der gerade aus der Schule der Nazarener kommend, dem griechischen künstlerischen Empfinden mit den christlich romantischen Impressionen begegnete.

517 Nachlaß Thiersch, Thierschiana, I. Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek.

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Vorbemerkungen Friedrich Thierschs Tagebuch-Aufzeichnungen sind Stichworte, die er zu Briefen an seine Frau bearbeitete, mit der Bestimmung in Cottas „Morgenblatt für gelehrte Ständen“ von der Redaktion unter Hermann Hauffs Anleitung redigiert und veröffentlicht zu werden. Gewöhnlich nahm der Redakteur dabei gleichzeitig Kürzungen und Änderungen vor, um das Manuskript an der Zensur vorbeizubringen und die privaten Briefpassagen auszuklammern. Diese Fassungliegt dieser Arbeit zu Grunde. Später hat Heinrich Thiersch in der Biographie seines Vaters die Briefe erneut entziffert, ergänzt und korrigiert: Bei der unleserlichen Handschrift von Fr. Thiersch ein gewagtes Unternehmen. Der Vergleich der beiden gedruckten Versionen zeigte dabei nicht nur stilistische Feinheiten, sondern auch Missdeutungen. Hier haben wir uns an das Briefmanuskript gehalten und gelegentlich die Änderungen der Bearbeiter des Originalmanuskripts in Fußnoten angemerkt. Lediglich offenbare Lese- oder Schreibfehler wurden stillschweigend korrigiert. Grundsätzlich haben wir Eigennamen und Ortsnamen in moderner Schreibweise korrigiert bzw. die Änderungen in Fußnoten angemerkt, so z.B. wenn der Ort St. Andreas anstatt Ag. Andreas geschrieben wurde. Schwieriger wurde es, wenn Thiersch Namen in seinem fast schwer entzifferbaren, stichwortartigen Tagebuch nicht oder nach dem Gehör notiert hatte oder falsch erinnerte. So z.B. schrieb er Chonie, als er Chonika meinte oder Klaraky anstatt Glaraky. Bei einigen Orten haben wir das Tagebuch sogar zur Identifizierung zu Rate gezogen. Bei griechischen Eigennamen ist der Gebrauch des Buchstabens C heute ungewöhnlich und „Mycene“ oder „Cyclop“ wurde korrigiert. Die wissenschaftliche Ausbeute der Reise ist in den Denkschriften der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Dritte Abteilung zu finden: Über das Grabmal des Alyattes. DS. XII. Über die Topographie von Delphi. DS. XVI. Über ein auf der Insel Rhenea bei Delos gefundenes Epitaphium. Jahresber. 1831/33. Über die Henkel irdener Gefäße mit Inschriften und Fabrikzeichen. DS. XV. Über die Sprache der Zakonen. DS. XII. Über Paros und parische Inschriften. DS. XII. Auf der Griechenlandreise 1852 entstanden Thierschs Ausführungen über das Erechtheion auf der Akropolis zu Athen DS. XXI, XXIV, XXVII, XXXVI.. Die Abschrift der Texte aus den Seiten des „Morgenblattes“ (1831: 1149, 1155, 1157, 1162, 1166, 1169, 1174, 1178, 1222, 1227, 1229, 1235, 1237, 1242, 1245; 1832: 317, 323, 326, 330, 334, 457, 462, 465, 471, 474, 777, 782, 785, 791, 953, 958, 962, 965, 969, 974) hat Alexander Hartwig besorgt. Dr. Konstantin Maras hat an der Bearbeitung der Fußnoten mitgearbeitet. Er besorgte auch die Korrektur der griechischen Namen und Texte. Prof. Peter Robert Franke hat Namen und Begriffe überprüft. Zu danken ist auch den Anregungen und Vorschlägen von Dr. Hans-Martin Kirchner, die nach Überarbeitung durch die Redaktion in die Fußnoten aufgenommen wurden.

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Für die redaktionelle Bearbeitung galten folgende Grundsätze: Vor allem war zu beachten, dass die Veröffentlichung der Reisebriefe von Thiersch nur im Zusammenhang mit der Wiedergabe des zweiten Bandes der Friedrich ThierschBiographie von Hans Loewe erfolgen sollte. Deswegen mussten gewisse Eingriffe in den Fußnotenapparat erfolgen, denn die Reisebriefe sollten ja nicht im Vordergrund stehen, sondern allenfalls gleichberechtigt neben dem LoeweManuskript eine Rolle spielen. Die Veröffentlichung der Reisebriefe erfolgt ohne Bildmaterial, da die Bilder von Edmund Metzger zum großen Teil nicht mehr vorhanden sind bzw. schon damals nicht, wie es von Thiersch geplant gewesen war, publiziert werden konnten.Nach der Wiedergabe der „Reisebriefe“ folgt ein dreiteiliger Anhang. Im ersten Teil des Anhangs befindet sicheine Dokumentation der zweiten Griechenland-Reise von Thiersch mit seinem Sohn Ludwig im Jahre 1852. Der zweite Anhang ist ein Artikel über den Briefwechsel zwischen Thiersch und seinem großen griechischen Freund Kolettis518. Beide hatten bei der Beurteilung der Situation Griechenlands im Wesentlichen die gleichen Ansichten und Grundsätze vertreten und sprachen sich für die Regelung der politischen Probleme durch eine Verfassung einer konstitutionellen Monarchie aus. Den dritten Teil des Anhangs bildet eine Auseinandersetzung mit alten und neuen Vermutungen über eine politische Aufgabe des Philhellenen Thiersch als Anlass seiner ersten Griechenland-Reise vom Mitherausgeber Prof. Heinrich Scholler.

518 Außerdem liegt vom gleichen Autor zusammen mit Konstantina Vergi-Tzivakos ein weiterer Artikel vor, „Griechische Politik im Spiegel der Briefe von Koletis an Friedrich v. Thiersch“, in: Der Philhellenismus und die Modernisierung in Griechenland und Deutschland, Thessaloniki 1985, S. 65 ff. Im Anhang findet sich eine Zusammenfassung unter ähnlichem Titel, zuerst abgedruckt in: PHILIA Nr. 2/ 1988, S. 6 ff.

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Triest, den 28. August 1831 Wir sind diesen Nachmittag einige Stunden später, als wir 8 Tage vorher in München abgegangen waren, nach einer etwas langsamen aber glücklichen Reise hier angekommen, und ich schreibe Dir, von meinem Fenster das Meer und die über ihm untergehende Sonne – die unermessliche Fläche von leichtem Hauch gekräuselt und in wunderbarer Schönheit strahlend, als ob sie mich einladen und ermutigen wollte, mich zur Fahrt nach dem gelobten Lande meiner Studien ihrem Schoße und ihren schirmenden Mächten zu vertrauen. Die Reise in der Ordnung, welche Du kennst, gemacht, die drei jungen Leute in ihren artistischen Kitteln mit dem Postillion um einige Stunden voran, um als Couriere die Posten zu bezahlen, die Pferde zu bestellen, Quartier und Abendessen einzurichten; wir, in den schweren Karosse, der Verzweiflung sogar der italienischen Postknechte und Postpferde, in langsamer Fahrt ihnen nach, die erste nach Nacht nach Weilheim, die zweite nach Innsbruck, die dritte nach Briren, dann nach Bozen, Borgo Valsugana, Treviso, Udine und dann hierher. Die Wege bis Trient hast Du wenigsten in meinen Briefen (von 1822) mit mir gemacht, von da steigt eine neue Straße östlich die Berge empor und läuft in den Quertälern nach dem venezianischen Litorale heraus, um die Straße, welche aus Deutschland herankommt, in gerader Richtung durch Mestre und Venedig und durch eine östliche Seitenfahrt mit Triest zu verbinden. Die Täler, besonders das Thal der Brenta, durch welches wir fuhren, waren ausnehmend schön, mit Anbau, Herden, Seen abwechselnd geschmückt, und die Ebene, in welche es bei Bassano ausläuft, zeigt sich in einer Fläche wie die Lombardei, eine vollkommene Fortsetzung derselben und die Nordgrenzen des adriatischen Meeres umspannend, nur weniger fruchtbar als die gesegneten Fluren, welche der Po bewässert, und darum weder so gut bebaut, noch so reich an schönen Städten, wie jenes unerschöpfliche Land. Bassano, Treviso, Castelfranco, Udine und andere Orte dieser Richtung sind mehr oder weniger im Verfall und verödet, an der Straße kein einziger Landsitz, ehedem reicher Geschlechter, mehr bewohnt. Die schönen Gebirge, jetzt zur linken Hand liegend und nach Norden sich in weitem Bogen ausbreitend, folgten uns auf unserer Fahrt. Bis zu ihren Füßen ist diese Ebene, das venetianische Litoral, Friaul und Dalmatien ausgespannt. Gegen Udine verschwindet der Anbau mehr und mehr, und unermesslich weite Flächen nähren die schönsten Rinderherden. Den letzten Tag unserer Fahrt kamen wir über die Grenze von Italien, den Isonzo auf einer Fähre (die früheren Bergströme, oder vielmehr ihre unermesslichen Kiesbetten, die Piave und der Tagliamento, waren mit langen Jochbrücken überspannt, von denen die letzte nicht viel weniger als 1800 Schritte lang war), und von da lenkte der Weg in ganz dürres und mit öden Kalkmassen bedecktes Gebirge ein, das nur hier und da spärlichen Anbau zeigt. Auf dem Wege von Montefalcone nach Santa Croce kamen wir über die Quellen der Timavus, deren Beschreibung Dir unter H. im Virgilius mit Hülfe des Registers aufsuchen mag [Aen. I, 244-246]. Er bricht

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zwar nicht mit Brausen aus 9 Mündungen des Gebirges hervor und überströmt weithin die Gefilde wie mit einem Meer, aber die drei Hauptquellen desselben, welche ganz nach bei einander aus dem Fuße des öden Kalkgebirges hervorbrechen und sich gleich nachher vereinigen, rauschen recht angenehm und bilden einen Strom, der an Breite dem Inn bei Innsbruck nichts nachgibt, die schwersten Schiffe bis zu seiner Quelle trägt und nach dem Laufe kaum einer halben Stunde sich in die äußerste Einbiegung des adriatischen Meeres ergießt. Über der Anhöhe von Santa Croce hatten wir es zum ersten mal erblickt, bald aber lag es vor dem Gebirge bei Ogrigo mit dem Kai von Triest, mit dem Hafen und der Stadt und den sich in zahllosen Terrassen erhebenden grünen Hügeln in großem und bezaubernden Anblick vor Augen. Wir fanden in der Locanda Grande Quartier für uns vorbereitet in dem schönsten Teile der von Leben und Bewegung eines regen Handels erbrausenden Stadt, und ich wählte ein Zimmer im 3. Stock, welches die Aussicht auf den Hafen hat, dessen nie endendes Getöse zu mir heraufschallt. Die Witterung hat uns sehr begünstigt. Doch wurde, je näher wir Triest kamen, die Hitze lästiger, und im Schoß dieser Kalkgebirge glüht die Sonne in voller Kraft aus dem azurnen Himmel, doch wird die Hitze durch einen nie ruhenden Wind von der See her gemildert, der eine wahre Wohltat ist. Die Zeit der Fahrt ist ausnehmend günstig und bleibt so bis gegen die Mitte nächsten Monats, wo die Äquinoktialstürme eintreten. Die Einrichtung unserer Reise hatte durch den Vorsatz des Grafen, Mittag nicht zu halten, sondern in einem Zuge bis zur Nacht zu fahren, viel Unangenehmes. Wir hatten die Mittagshitze zu ertragen und kamen erst um 8 oder 9 Uhr zum Essen. Diese Einrichtung hatte ihn von Innsbruck nach Briren so ermüdet, dass ich vorschlug, den folgenden Tag nur bis Bozen über zu gehen, um ihm Zeit zu geben, sich wieder zu erholen. Auch war seine Laune über den Dr. Lindner, der als Kurier ging, oder die anderen, wenn sie, wie er glaubte, sich hatten überteuern lassen, dann über Wirte, Postillione und dergl. immer erregt, und ich habe ihn einigemal darüber förmlich ausgezankt, wo er die Avantgarde von Udine aus die Nacht vorausblicken wollte, ungeachtet erst denselben Abend zwei Wagen waren angefallen und ausgeplündert worden. Triest, den 3. September 1831 Gleich den Tag nach meiner Ankunft war mein Zimmer von Griechen voll, welche mir alle möglichen Artigkeiten bezeugten und so viel Dienste anboten, als ich in meinem Leben nicht zu brauchen hoffe. Es waren zum Teil die ersten und reichsten Männer der hier lebenden Orientalen. Ich entging den Äußerungen ihrer Teilnahme und ihren Anerbietungen, Einladungen etc. vorzüglich dadurch, dass ich erklärte, mich aus Rücksicht auf den General und sein Befinden nicht

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von diesem trennen zu können. Nur bei Herrn Carciotti519, welcher hier in einem Palast wohnt, dessen sich kein König zu schämen brauchte (die von ihm nicht bewohnten Teile des Gebäudes tragen 20,000 fl. Miete), nahm ich ein Mittagessen an, das durch die Gegenwart der sämtlichen Vorsteher (ȆȡȩİįȡȠȚ) der Nation, der Geistlichkeit und der Gelehrten unter den Griechen geschmückt, und mit orientalischem Luxus gegeben wurde. Alle feinen griechischen Gerichte waren beisammen, schmackhaft besonders die Fische und die Brühen, im Übrigen das Gastmahl an zu großer Fülle des Verschiedenartigsten leidend. Herr Buchler520 fährt fort, mir alle möglichen Gefälligkeiten zu erweisen. Gestern war ich schon um fünf Uhr des Morgens mit Herrn Metzger521 auf seiner schönen Villa am Meere, wo wir die übrige Familie trafen und frühstückten. Dann kam die Jugend eines unter seiner Obhut stehenden Erziehungsinstituts, eine Schaar hübscher Knaben, alle in schwarzen Röcken mit Gewehr, Trommel und Fahne, um ihre Militärkunst vor uns zu zeigen, und dann an dem Frühstück Teil zu nehmen. Herr Metzger zeichnete indes aus dem obersten Fenster des Hauses die Ansicht der Stadt und des Hafens zur großen Zufriedenheit. Die Stadt, von dem Morgen bestrahlt, lag mit dem Gurt ihrer Villen und Weingärten höchst anmutig am gebogenen Rande des endlos wallenden Meeres. Mit dem General konnte ich über die vereinte Fortsetzung unserer Reise nicht in das Reine kommen: Zögerungen, Schwierigkeiten wegen des Punkts der Trennung, da er durchaus nach Alexandria will und ich dahin ihm nicht folgen mag, dann auch, dass er in meiner Gegenwart mehr als einmal sich beklagte, er müsse in Triest für seinen Aufenthalt (den unsrigen einbegriffen) täglich 12-15 Taler zahlen, bestimmte mich, der Sache ein Ende zu machen, und mir für mich und meinen Gefährten selbst eine Gelegenheit zu suchen. Wir fanden sie desselben Tages, vorgestern, in einem griechischen Schiffe, Marco Bozzaris genannt, das mit psariotischen522 Seeleuten bemannt ist und gerade nach Nauplia geht. Alle Griechen gerieten in aufrichtige Freude über meinen Entschluss. Dieses Schiff zu wählen, und schon am folgenden Tage war der Contract durch ihre Vermittlung in meinen Händen, in Folge von welchem ich mit Herrn Metzger um 30 Tlr. (73 fl.) nach Nauplia geführt werde. Für das Essen werden wir mit 519 Der Palast wurde auf Veranlassen des griechischen Kaufmanns Demetrio Carciotti und unter Leitung des Architekten Matteo Pertsch zwischen 1802 und 1805 erbaut und stellt eines der bedeutendsten Beispiele des Triestiner Klassizismus dar. 520 David Buchler, Kaufmann und Protektor der griechischen Schule in Triest. Verwandter des österreichischen Konsuls in Griechenland Gropius und Schwiegersohn des Münchner Industriellen Maffei. 521 Eduard Friedrich Me(t)zger (1807-1885), Architekt und Kunstschriftsteller. Er besuchte die Akademie in München und bildete sich unter Friedrich Gärtner aus. Danach war in der Hochbauintendanz unter Leo v. Klenze tätig, der ihm Thiersch als Reisegefährten empfahl. Gärtner vermittelte ihm in Athen Aufträge zur Mitausführung mehrererAthenischer Monumentalbauten. 522 Die Insel Psara (ȌĮȡȐ) liegt im nördlichen Teil des Ägäisches Meeres, 150 km nordöstlich von Athen.

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einem, in unserer Gesellschaft gehenden Griechen selbst sorgen. Auch eine Ziege kommt an Bord, dass es nicht an Milch fehlt. Ebenso Eier, Hühner etc. Ich habe die Anerbietungen von mehreren Seiten, die Reise auf dem Schiff umsonst, d. h. auf Kosten der Griechen zu machen, zurückgewiesen und erklärt, dass ich nur gegen Zahlung es besteigen würde. Sie haben es dann auf diese mäßige Summe gesetzt und wetteiferten mit Herrn Buchler, mich mit Proviant zu versehen. Dieses Volk kann doch nicht schlimm sein, da sein Gefühl der Dankbarkeit so aufrichtig, so lebhaft und allgemein ist. Die Witterung ist die ganze Woche hell und heiß gewesen, das Thermometer auch während der Nacht nicht unter 20 Grad und wir in beständiger Transpiration, Ausgang von 10 bis 3 Uhr wegen der großen Hitze nicht ratsam. Erst gestern stellte sich anderes Wetter, Schirokko, Blitz und Regen ein, nachdem wir aus der Villa zurückgekommen, und hielt den ganzen Tag an. Heute stellte es sich um. Die Kundigen erwarteten für den Abend die Bora, welche uns mit reißender Schnelle im adriatischen Meere hinab führen würde, auch ist, wie der Wind sich allmählich gegen Norden stellte, die Luft kühler geworden. Ich schreibe Dir nicht von den Besuchen bei Griechen und besonders von Griechen, nur des einen Besuchs erwähne ich, den ich gestern bei der Schwester von Napoleon, der ehemaligen Königin von Neapel, gemacht habe. Sie bewohnt eine schöne Villa bei Triest und hält dort nach französischer Art ihre Salons des Abends. Herr Baron Eichtal523, der mich dort angemeldet, fuhr mit mir hinaus, und es war mir sehr angenehm, mit dieser geistreichen und liebeswürdigen Frau, welche die Stärke ihres Charakters in allen Unfällen bewährt hat, über ihre Lage und Verhältnisse, über Griechenland, über ihre Kunstsammlungen, die Vasen ihres Bruders und dergl. zu sprechen. Sie schien an dem Inhalt des Gespräches so viel Gefallen zu finden, dass sie zuletzt in einem Korridor wenigstens eine halbe Stunde lang mit mir allein auf- und abging. Ein eben angekommenes Vasenwerk ihres Bruders, mit zum Teil wunderlichen Erklärungen, gab besonders auch reichen Stoff. Die Gesellschaft bestand aus ihren Kavalieren und einigen Konsuln. Halb 11 Uhr, wo man sich zum Abendessen rüstete, ging ich, um, nachdem ich bei Herrn Buchler ein sehr reiches Mittagessen eingenommen, mich nicht durch ein zweites Essen zu verderben. Die übrigen Gefährten des Generals beklagen sehr unsere, schon hier beginnende Trennung, und besonders der gute Professor Fallmerayer524 ist sehr schwermütig über die Aussicht, dass sie nun mit diesem alten Kriegsmann, welcher die Weihnachten zu Jerusalem feiern will, drei Monate lang in der Welt herum zigeunern sollen, wie er es nennt. Ich kann sie nur bedauern; aber, einmal ein Ziel im Auge, kann ich mich unmöglich durch untergeordnete Rücksichten davon trennen lassen. Gebe der Himmel, wie alles andeutet, eine glückliche Fahrt auf einem Schiffe, das zu den besten griechischen gehört, und von den geübtesten Seeleuten geführt wird. Wir können dann in 8-10 Tagen in Nauplia ankommen. Also noch 523 Eichtal, Simon Baruch v. (1787-1854), Bankier, Philhellene. 524 Fallmerayer, Jakob Philipp (1790-1861), Orientalist und Publizist.

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einmal, Lebewohl Dir, dem Vater, den Kindern, den Freunden! Meine nächste Meldung aus Griechenland. Wegen sicherer Besorgung der Briefe hin und zurück ist Sorge getragen. Auf der Höhe von Korfu, den 14ten Sept. 1831 Wir sind noch den 5ten September, früher, als nach dem ungünstigen Wetter der letzten Tage sich erwarten ließ, unter Segel gekommen. Ich hatte mich schon darein gefunden, nachdem alles Gepäcke außer dem Nachtsacke zwei Tage vorher auf das Schiff war gebracht worden, noch länger in Triest zu bleiben, als ich früh um sechs mit der Nachricht geweckt wurde, dass der Kapitän uns erwarte, da der Wind sich während der Nacht gewendet habe und günstig sei. Wir waren bald zur Reise fertig und nahmen von den Gefährten Abschied, welche sehr ungern ohne uns mit dem Grafen525 bei seinem Vorsatze mit Ägypten und Palästina zurückblieben, ich auch von ihm selber; obwohl er mir den Tag vorher einige Kleinigkeiten von seinen Instrumenten, die er nicht brauchen kann, und die uns nötig waren, verweigert hatte, war er doch sehr teilnehmend und entließ mich unter Umarmung und der Versicherung, dass ich von früher sein volles Zutrauen gehabt hätte und es jetzt noch in vollem Maße besäße. Indes hatte sich mein Zimmer mit Griechen gefüllt, welche uns nach dem alten Lazarette begleiteten, in dem der M. Botsaris526 Quarantäne hielt, und aus dem man abzusegeln im Begriff war. Es gab dort noch mancherlei Aufenthalt, bis alles in Ordnung und die Gesellschaft beisammen war. Endlich erschien um zehn Uhr am Quai des Lazarettes die mit Pharioten bemannte Feluke527, die uns nach dem Schiffe bringen sollte, das mit vollen Segeln und mit der griechischen Flagge geschmückt, vor dem Hafen uns erwartete. Es wurde Mittag, ehe der Hafenbeamte mit der Ausfertigung zu Ende und die Feluke, welche ihn an das Land zurückbrachte, nach dem Schiffe umgekehrt war, und um zwölf Uhr endlich ließen wir den Hafen und die mit ihrer malerischen Umgebung zurückweichende Stadt hinter uns, um mit einem zwar guten, aber mäßigen Winde an diesem Nachmittage bis auf die Höhe von Rovigo das adriatische Meer hinabzusegeln. Auf dem Schiffe waren wir bald eingerichtet. Die Camera (Kajüte) war reinlich, aber auch geräumig genug, um hinter den Seitenwänden unsere Betten aufzustellen (das meinige war durch eine in Triest gemachte und zum Zusammenschlagen eingerichtete Matratze, und durch eine wollene Decke vollständig geworden) 525 Alexander Iwanowitsch Graf Ostermann-Tolstoi (1772-1857). Bis 1815 war Grf. O. Oberbefehlshaber der russischen Armee und Gouverneur von St. Petersburg. Er unternahm 1831 eine Orient-Reise in Begleitung von Jacob Philipp Fallmerayer (1790-1861), während Thiersch sich in Triest von ihm trennte. 526 Die Überfahrt für 30 Th. erfolgte mit der Brigg, die nach Markos Botzaris (1790-1823), dem Verteidiger von Suli und seinen Pässen in den Epirus, benannt war. Botsaris war bei Karpenissi gefallen. 527 Feluke = Kleines Kriegs- oder Seeräuberschiff.

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und für einen Tisch mit vier Stühlen und das kleinere Gerät Raum zu geben. Im Hintergrund war eine tiefere Stelle für das Bild des Ag.528 Nikolaos, an dem eine Laterne hing, darunter ein offener Schrank, in dem ich meine Bücher, soviel ich während der Fahrt brauchen wollte, samt den Schreibereien unterbrachte. Ringsum gingen Bänke, unter denen viele Behälter für die Geräte angebracht waren, unter dem Ag. Nikolaos breit genug, auch als Ruhestätte zu dienen, auf die ein bunter Teppich gebreitet war. Außer uns selbst bestand die Reisegesellschaft aus einem armen Griechen aus Thessalien, der während neun Monaten in Wien allerlei Kenntnisse gesammelt hatte, und nun, vor der Cholera fliehend, nach Nauplia ging, um sich dort durch Unterricht Mittel zur Fortsetzung seiner Studien in München zu erwerben, und aus Hr. Apostolopulo, einem jungen und gefälligen Manne, der im Namen der Eigener unserer Schiffsladung, und als Teilhaber an ihr, seine Freunde in Triest verließ, um in seiner Heimat, Argos, mit dem Gute, welches wir führten, Handel zu treiben. Es ward gleich bestimmt, dass der Kapitän mit uns gemeinsam essen sollte. Die Mannschaft bestand großen Teils aus Pharioten, meist noch jungen Leuten, welche bald eben so große Geschicklichkeit in ihrem Geschäfte, als Wissbegierde und Gelehrigkeit für andere Dinge entwickelten. Außer ihnen waren zur Ergänzung noch Eingeborene aus Kephalonien, Zagora, Kasos und Chios, auch ein Alter aus Theaki (Ithaka) beigezogen worden, der schlachtete und den Koch machte, und dem ich deshalb mit Beistimmung der ganzen Gesellschaft den Namen Eumäus beigelegt. Als er hörte, dieser sei der Sauhirte des alten Königs seiner Heimat gewesen, war er mit dem Namen nicht sehr zufrieden, desto mehr aber bei der Nachricht, dass er für seinen König auch geschlachtet, ihn bewirtet habe, dass er sein Koch gewesen sei. Als das Schiff in Bewegung und die Arbeit weniger war, versammelten sich die Leute (Pallikaren) um mich und den Kapitän, unser Gespräch mit Aufmerksamkeit zu hören, oder um Hn. Metzger, welcher diese Gruppe und das Schiff zu zeichnen angefangen hatte. Gegen Abend ward die Zitter (Liburi) hervorgebracht, und sie begleitete in ungleichen Weisen die Lieder, in welchen sie den Ruhm ihrer Heimat und die Taten ihrer jüngsten Helden zu verherrlichen bemüht waren. Der Kapitän (ʌȜoȓĮȡȤoȢ) waltet mit vieler Ruhe und Humanität unter ihnen, und überhaupt tritt, ungeachtet des pünktlichen Gehorsams, den jedes seiner Worte findet, das Verhältnis der Unterordnung äußerlich gar nicht hervor. Unser Mittagessen bestand aus Reis, der in Wasser gekocht und mit einer Brühe aus Eiern und Zitronensaft angemacht, sehr gut und wohlschmeckend war, dann aus einem Huhn, kaltem Braten, Käse und Früchten, und hat die folgenden Tage ungefähr denselben Charakter behalten, nur dass der Reis mit Makaroni abwechselt, und nach meinem Wunsche noch Kartoffeln hinzugekommen sind.

528 Hl.

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Die Fahrt während der Nacht war ruhig und mein Schlaf durch die schaukelnde Bewegung des Schiffes nicht gestört. Wir waren während derselben an Pola vorübergekommen. Das Frühstück, aus Kaffee mit Milch von meiner Ziege und Zwieback bestehend, ward auf dem Verdecke unter einem von der Morgenluft strahlenden Himmel über der prachtvoll rauschenden Fläche des blauen Meeres eingenommen, während das Schiff von einem frischen Nordwest das Meer hinab getrieben ward. Der Tag verging in der Ordnung des vorhergehenden. Am folgenden Morgen wurde der Wind schwächer und hatte selbst nicht mehr die Kraft, das Schiff vorwärts zu treiben. Die Schiffer nennen ihn dann Bonazza. Wir schaukelten in unsteter Bewegung umher und ergötzten uns an den Fischen, die, von Delphinen verfolgt, aus der ruhigen Fläche der Gewässer emporsprangen. Ich war den größten Teil des Tages mit meinen Büchern auf dem Verdecke beschäftigt. – Die Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch waren wir um vierzehn Seemeilen vorwärts gekommen. Der Wind am Morgen war uns stark um zwei Dritteile entgegen, so dass wir nur lavirend vorwärts kamen. Die Küste von Dalmatien begrenzte östlich mit ganz kahlen Gebirgen unsern Horizont. Am 9ten September, Freitag, wehte derselbe Wind, doch stärker. Das Schiff kämpft rüstig gegen die entgegenrauschenden Wellen, und der M. Botsaris lässt eine österreichische Brigg529, welche fünf Stunden vor uns abgesegelt, und uns am Horizonte voraus war, eben so weit hinter sich zurück. Die stärkere Bewegung des Fahrzeugs nötigt uns, auf dem Verdecke von der Hand zu essen. Der Kaufmann und der Grieche aus Wien leiden an der Seekrankheit. Wir beide bleiben davon unberührt. Gegen Abend wächst der Aufruhr des Meeres, und die am Horizonte liegenden Wolken zeigen im Wetterleuchten ein nahendes Ungewitter. Die Nacht des Freitags ward unter schlimmen Zeichen begonnen. Der Ag. Nikolaos sei zweimal aus dem Ikonostasion herabgefallen, und die Bewegung des dröhnenden und knarrenden Schiffes ging in ein förmliches Schleudern über. Das laute Brausen des Orkans wird von der sicheren Stimme des vortrefflichen Kapitäns übertönt. Die Laterne vor dem Heiligen fällt herab. Hr. Metzger, welcher aus dem Bette steigt, das brennende Licht auf dem Teppiche zu löschen, wird mit dem Tisch, an dem er vorüber will, über den Haufen geworfen, und alles geht nun zu oberst zu unterst. Am gleichen Morgen will Hr. Metzger auf das Verdeck, wird aber zurückgewiesen, um den Palikaren530 nicht im Wege zu sein, auch machte der unter Sturm und Donner herabrauschende Platzregen den Aufenthalt dort unmöglich. Eine halbe Stunde nachher war die Stärke des Ungewitters gebrochen, und einen erregenden Anblick gewährte das furchtbare, aber großartige Schauspiel der vom Sturm gepeitschten See. Gegen elf Uhr ward der Himmel wieder frei, die Palikaren, wie gewöhnlich, guter Dinge, wechselten die Kleider und trockneten die durchnässte Garderobe, und die Ordnung des Tages war nur in der Küche einigen Störungen unterworfen. Wir las529 Brigg = zweimastiges Segelschiff. 530 Irreguläre Gruppen als Freiheitskämpfer gegen die osmanische Herrschaft.

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sen die Insel Cythe zur Linken und kommen an der Insel Lagosta531, einem kahlen Felsen, vorüber. Den Abend war der nordwestliche Himmel wieder mit tiefem Gewölke bedeckt, aus welchem bald ein prachtvolles Gewitter hervorbrach. Nicht nur aus den dunklen Massen des fernen Gewölkes stürzten die Blitze herab, sondern stiegen auch, wie aus den Fluten, Raketen gleich vom Gewölke empor, das unter dem Horizont steht, während die mehr und mehr erbrausende Flut den Sturm verkündigt, den das Gewitter vor sich hertreibt. Gegen acht Uhr waren alle Segel gekappt, während wir ziemlich nahe an einer öden Felseninsel vorüber kamen. Hierauf wird unsere Gesellschaft in die Camera verwiesen und hört nur von unten den Tumult des Donners und des Sturmes, der mit noch größerer Gewalt wütet, als in vergangener Nacht, doch war sein Zorn diesmal nur von kurzer Dauer, und von einem strömenden Platzregen gebrochen, zogen die Gewitter uns von beiden Seiten über die italische und dalmatische Küste nach Süden wetterleuchtend hinab. Gegen zehn Uhr war der Himmel von einem halben Nordwinde gereinigt, der frisch in die wieder entfalteten Segel blies und die schwere Maschine des belasteten Schiffes mit der Leichtigkeit und Schnelligkeit eines Vogels durch die ihm nachbrausenden Wogen vor sich hertrieb. Am Sonntag Morgen war der Himmel rein und das Meer von dem West, in welchen sich der Nordwind umgedreht hatte, sanfter bewegt, einem Zephyrus von ausnehmender Sanftheit und erquicklicher Frische, dem vollen Gegensatze des in München verwünschten Westwindes, und der alles Lob rechtfertigt, das die Alten diesem anmutigsten ihrer Winde gespendet haben. Die Gesellschaft ist heiter und sonntäglich erregt, die Palikaren voller Fragen nach Ursprung und Natur des Blitzes, des Donners, mit dem sie vergangene Nacht so lebhaft beschäftigt gewesen sind. Nur unser Eumäus kann an den Gesprächen und der Ruhe keinen Teil nehmen, weil am Sonntag die ganze Mannschaft aus seiner engen Küche mit Fleisch versorgt werden muß. Bei Tische, der wieder auf dem Verdecke bereitet wird, gebe ich eine Bouteille vortrefflichen Johannisberger 1783er zum besten, den mir Freund Buchler als Rest von seinem Mittagessen unter anderen Zeichen seiner Teilnahme eingepackt hatte. Gestern kamen wir an der Insel Pelagosa vorüber, welche durch ihre schroffen und seltsam geformten Felsen auffällt und, gleich den meisten an dieser Küste, nicht bewohnt ist. Gegen Norden zogen sich auch heute Gewitter zusammen, und der Wind ward so heftig, dass der Kapitän, für die Segel fürchtend, sie kappen ließ. Doch zog sich die Hauptstärke des Ungewitters über Italien hinab, und wir bekamen für einige Stunden den Vorteil eines reicheren Windes, auf den aber wieder Bonazza eintrat. Der Abend war höchst anmutig und lau, und wir (verweilten) bis zehn Uhr auf dem Verdecke, bewundernd die Pracht dieses südlichen Sternenhimmels. Auch war seltsam, dass der Mondschein den Glanz desselben nicht abstumpfte. Da das Licht des Mondes von dem dunklen Meere nicht zurückgeworfen wird, so waltet über der ganzen Fläche dunkle Nacht, und 531 Die Insel Lagosta liegt südlich von Korþula in Kroatien.

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auch die Luft ist, trotz der leisen Dämmerung, mit magischen Schatten angefüllt, über denen der Mond fast mit gleich hellem Silberlichte wie die anderen Sterne schimmert. Die Nacht auf den Montag war ruhig, aber die Fahrt nur schwach, so auch der Morgen. Gegen zehn Uhr neue Gewitter im Anzuge. Ein österreichisches Schiff, von der neuen und vortrefflichen triestiner Bauart, segelt an dem unsrigen vorüber. Gegen Mittag, wo beide Schiffe sich zur Seite sind, verstärken sich die Windstöße vor dem heranziehenden Gewitter in einer Art, dass beide alle Segel kappen, um sie dem Sturm zu entziehen, der auch unmittelbar darauf mit furchtbarer Heftigkeit der Donnerschläge über uns kommt. Mehrere Blitze fuhren in das Meer herab, der Platzregen, in den es sich auflöste, ist mit Hagel vermischt. Nach zwei Uhr ist das Gewitter mit seinem Orkan gegen Süden hin über uns weggebraust. Ich selbst, nun schon an diese Stürme gewöhnt und über sie wegen ihrer Nützlichkeit zur Erzeugung stärkerer Fahrwinde beruhigt, war während der letzten Stunde dieses letzten auf meinem Bette in einen ruhigen und tiefen Nachmittagsschlaf gesunken, aus welchem mich Hr. Metzger mit lauter Stimme weckte, um mir vom Verdecke das prächtige Schauspiel zu zeigen, das in diesem Augenblicke Himmel und Meer gewährten. Die Erhabenheit des noch laut brausenden Meeres, dessen tief erregte Massen, von den Schlaglichtern der halbverschleierten Sonne zauberisch beleuchtet, sich in ungeheuren Dehnungen schäumend durcheinander wälzten, war so unbeschreiblich wie die magische Beleuchtung des Himmels. Der Sonne gegenüber, tief auf dem Meere, stand in den glühendsten Farben ein breiter Regenbogen. Der ganze Raum des dunklen Himmels, den er umspannte, war mit dem bunten Widerschein seiner Farben angefüllt und schien das offene Tor zu bilden, durch welches die schäumende Flut sich majestätisch hereinwälzte, und die zwar kühlere, aber noch milde Luft der wieder beruhigten Atmosphäre goss den Frieden der Übereinstimmung über diesen Wechsel großer Lieblichkeit und furchtbarer Großartigkeit. Ich habe viel von der Einförmigkeit und unerträglich langen Weile einer Seereise gehört und war darauf gefasst, sie standhaft zu ertragen. Bis jetzt habe ich von ihr noch nichts empfunden, ja ich fange an, jene Klagen unbegreiflich zu finden. Mir eröffnet diese Fahrt eine ganz neue Seite des Lebens, und ich kann von meiner Bewunderung der einfachen Erhabenheit dieses immer wechselnden Schauspiels noch nicht zurückkommen. Alles trägt einen so reinen Charakter ruhiger Tiefe, der auch unter den Stürmen und Ungewittern besteht, und in den weniger bewegten Erscheinungen (den Charakter) einer solchen Lieblichkeit (hat), dass jedes nicht im alltäglichen erstorbene Gefühl davon ergriffen werden muss. Dazu wirkt der balsamische Hauch dieser ätherischen Luft über der bläulichen Fläche und der milde Strahl der mittäglichen Sonne, deren Heftigkeit durch den Atem der Tiefe gemäßigt wird, so zauberisch auf mich, dass ich stundenlang auf dem Verdecke stehen kann, mich in ihr oder in dem Anblicke der Wogen zu berauschen, die sich im lieblichsten Hellblau um den Kiel spalten, und von dem

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ziehenden Silber ihres perlenden Schaumes, eine jede in anderem Schmuck, umblüht sind. Die Ordnung meines Tages hat sich indes von selbst gestaltet. Um sieben Uhr erwartet mich auf dem Verdecke der Kaffee, an dem unsere Tischgesellschaft Teil nimmt. Zum Sitzen tragen mir die zwei Knaben, denen nach griechischer Art alle kleineren Dienste obliegen, einen schlichten, hölzernen Klappsessel des Kapitäns neben den Mast, legen in Ermangelung eines Polsters mein Kopfkissen darauf, und breiten zum Schutze gegen die Morgensonne aus, was sie zur Hand haben. Nach dem Kaffee bringt einer die lange türkische Pfeife und der andere in einer Zange eine Kohle zum Anzünden. Der Kapitän, und wer von seinen Leuten Zeit hat, setzten sich dabei oft um mich her auf die untergeschlagenen Beine, die Jüngern hocken auch in die Knie zusammen, alle mit klugen, aufmerksamen Gesichtern, während wir über Griechenland, seine alten und neuen Schicksale, über Bayern und Europa, oder über Natur und Welt Gespräche führen, oder Hr. Metzger mit seinen Zeichnungen beschäftigt ist. Hierauf wird unter freiem Himmel, im Hauche der erquicklichen Luft, vor den Augen des Meeres Pausanias gelesen, mit den Büchern neuer Reisender verglichen, oder in dem Tagebuche geschrieben. Indes kommt der Mittag und bringt jenes frugale Mahl, dessen ich erwähnte. Nach diesem einige Ruhe, gegen drei Uhr wieder Kaffee, nach ihm die Pfeife mit den Gesprächen und dieselbe Arbeit bis zum Abend, wo wir uns beim Schimmer des Mondes auf dem Verdecke lagern und die Lieder der Palikaren und ihre zum Teil sehr phantasiereichen Märchen hören, oder unter uns beschäftigt sind. So spinnt sich einfach und mannigfaltig zugleich, ruhig und bewegt, die Reihe der Tage ab, die wir an der über uns ihren Bogen beschreibenden Sonne kaum zählen und die unsere zwischen der Prora und Prymne532 eingeschlossene Welt, zwischen Himmel und Meer, ihrer Bestimmung durch Sturm und Sonnenschein sicher entgegenführten. Während der Nacht auf den Dienstag hatte das ungewöhnlich starke Schaufeln des Schiffes bei ruhiger Atmosphäre einen raschern Lauf angekündigt, und in der Tat waren wir durch einen halben Nord in großer Geschwindigkeit vorwärts getrieben worden, der sich in beinahe gleichmäßigen Schwingungen auf den Wogen lagerte und sie nach Süden hindrängte. Et claro videns fluctus aquilone moveri533 Wir hatten während der Nacht zwanzig Seemeilen zurückgelegt. Das Schaukeln des Schiffes, welches bald hoch auf dem Rücken der Wogen ging, bald, unter den auseinanderweichenden Gewässern zurücksinkend, mit dem äußersten Ran532 Vorder- und Hinterdeck 533 „Sehend, daß die hellen Fluten durch den Nordwind bewegt wurden“ [Vermutlich in Anlehnung an Vergil: „Interea medium Aeneas iam classe tenebat/certus iter fluctusque atros Aquilone secabat“ (Aeneis, V, 1-2)].

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de die Flut zu berühren schien, war so stark, dass wir Mühe hatten, obwohl auf dem Verdecke und stehend, unsers Mittagessens habhaft zu werden. Wir waren ganz eigentlich wie auf einer Schaukel, die noch dazu unordentlich gezogen wird. Um fünf Uhr sind wir an der Bocca di Cataro vorbei und den Gebirgen von Shkodra gegenüber, während gegen Abend die flachen Küsten von Italien sich gleich einem Streifen am Horizont bis tief nach Süden hinab ausbreiten, wo sie wie in einer Stufe plötzlich abbrechen, um dem offenen Meere nach Sizilien hin Raum zu geben. Die Ufer des adriatischen Meeres treten hier am engsten zusammen, und es scheint sich wie ein breiter Fluss, ein zweiter Amazonenstrom, durch sie hinab in das jonische Meer zu ergießen, das hinter jenem Vorgebirge von Italien anfängt. Auf jenem schmalen Streifen Italiens liegen Brindisi und Otranto, und wir sind auf den Gewässern, welche gemeiniglich die römischen Flotten nach Griechenland trugen. Heute sind wir nun auf dem offenen, ionischen Meere auf der Höhe von Korfu und den Akrokeraunien534 angekommen. Die nördlichen Tore von Griechenland, hinter ihnen die albanischen Gebirge, welche den Weg nach Thessalien öffnen, liegen vor uns, in den Inseln, deren Reihe mit dem Reiche der Phäaken beginnt, der Schauplatz der Odyssee, wie später der Schauplatz reicher und blühender griechischer Staaten, und die Luft, welche daher weht, scheint an Reinheit und Milde noch zu gewinnen. Vergeblich sah ich mich übrigens in den Akrokeraunien nach den Felsen, durch Schiffbrüche übel berufen, um, welche Horatius als infamis scopulos Acroceraunias bezeichnet535. Es ist ein Bergrücken, wie die übrigen, welche wir an der Küste von Dalmatien und Shkodra herab gesehen hatten. Doch liegt ungefähr vor ihrer Mitte eine öde und steile Felseninsel, Phanos, deren Massen, wie wir uns südlich mehr von ihnen entfernten, in zwei sehr hohe und steile Klippen auseinander traten, und den von Süden heraufsegelnden und sich der Küste nahe haltenden Griechen bei plötzlichen Sturm allerdings verderblich werden konnten. Wahrscheinlich sind es diese Felsen, welche der Dichter gemeint hat. Korfu selbst dehnte sich in einer Reihe von Hügeln und Gipfeln vor uns aus, die gegen Süden in eine Art von Schweif auslaufen, der wohl dem Eilande seinen alten Namen (țȑȡțȣȡĮ, der Schweif) gegeben hat. Wir sind also auf den Gewässern von Griechenland, wie du siehst, nach einer zwar nicht sehr schnellen, aber doch guten und glücklichen Fahrt angekommen; denn die Stürme auf offener See fürchtet bei guten Schiffen, gutem Kapitän und geübter Bemannung, niemand; im Gegenteil sind sie dem Schiffer als die Väter guten Fahrwindes willkommen. Das Unangenehme, welches mit der Seereise verbunden zu sein pflegt, haben wir, wie z.B. die Seekrankheit, gar nicht empfunden, und ich habe mich nie wohler gefühlt als auf diesem mir neuen Elemente, teils, wie den Mangel an anderer als der schaukelnden Bewegung, die eingeengte und bei größter Hitze übel riechende Luft der Kajüte, leicht ertragen. Der 534 Das Gebirge wird auch als das ceraunische Gebirge bezeichnet. 535 Horaz Carmina I,3,20.

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Kapitän ist ein sehr braver und teilnehmender Mann, von genauer Kenntnis der Lage seines Vaterlandes und gesundem Urteil über sie, dabei Enthusiast, der ein Bild des Prinzen Otto, das ich ihm zum Geschenke gemacht, mit zärtlicher Sorgfalt hegt und es zum Träger der ausschweifendsten Hoffnungen macht. Die nächsten Tage werden uns an den jonischen Inseln und dem Peloponnes hinabführen, und ich hoffe, dir bald aus Nauplia die Beendigung unserer Fahrt melden zu können.

21ten Sept., auf der Höhe von Hydra und Spezia Es ist heute ein Monat, dass ich, meine geliebte Amalie, mich von dir getrennt habe, und noch schwimme ich auf dem unsteten Meere dem Ziele der Reise erst noch entgegen, indes zum Glück ihm schon so nahe, dass dieser Morgen bereits uns dahin geführt hätte, wäre die Nacht über nicht eine Windstille eingetreten, welche sich jetzt erst in einen frischen Hauch zu lösen anfängt, welcher das Schiff wieder in Bewegung setzt. Den 15ten wurde der Wind ziemlich stark, war aber Skirocco und uns entgegen, so dass wir auf der Höhe von Korfu und Paros hin und her lavierten, und erst am folgenden Tage Lefkas536 (S. Maura) und Kephallinia, zwischen beiden eine Anhöhe von Ithaka, gegenüber hatten. Dieselbe Fahrt ging auch den folgenden 17ten. Wäre mein Ziel Patras gewesen, so würden wir mit gutem Winde über Zante (Zakyntos) hinweg und nach den Gebirgen des Peloponneses gesegelt sein, welche im Hintergrunde lagen, und Patras in ihrem Schoße haben. Die Nacht und der folgende Morgen hätten uns dahin gebracht. Doch unser Weg ging am Peloponnes hinab. Indes wurden wir für den folgenden Tag durch einen sehr frischen Nord entschädigt. Schon während der Nacht hatte er sich eingestellt und uns an den Strophaden (jetzt Stauphano von einem Leuchtturm, Fano genannt), niedrigen Inseln vorüber geführt, welche durch die Sage von den Harpyien537 bekannt sind, und gegen zehn Uhr lag die Kette der Gebirge von der Insel Proti bis nach Methoni hinab als ein großes Amphitheater, welches der Peloponnes bildet, vor uns ausgebreitet. Die Lage von Navarino unter einem konischen Berge ist mit bloßem Auge zu unterscheiden. (An sie sind die Erinnerungen einer fernen Vergangenheit geknüpft, von Homer an und der Reise des Telemachos nach Pylos in jenen Hafen, bis zu der Schlacht der drei Mächte, durch welche die Befreiung von Griechenland möglich wurde538). So rasch ging 536 Lefkas heißt heute die damals noch Leukadien benannte, im 14. Jhdt. von den Venetianern S. Maura benannte Insel. Sie liegt nördlich von der Insel Kephallinia. 537 Harpyien sind nach der griechischen Sage die Windgöttinnen. 538 Ein Hilferuf der griechischen Regierung, während der Auseinandersetzungen der Kapitani mit den Regierungstruppen, als die Ägypter sengend durch die Peloponnes zogen, verpflichtete entsprechend dem Londoner Protokoll (1827) die drei Schutzmächte England, Frankreich und Rußland zur Hilfe. Seitdem wachten sie eifersüchtig aufeinan-

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die Fahrt diesen Tag bei dem erquickendsten Wetter, dass wir in der Stunde sechs bis sieben Seemeilen zurücklegten, und noch vor Abend am Vorgebirge Ag. Gallo539 vorüber kamen, welches den Eingang in den messenischen Busen öffnet, und im Hintergrunde über den Bergzügen desselben die himmelhohe Kette des Taÿgetos zeigt, durch welchen Messenien von Lakedämon getrennt wurde. Das stark bewegte Meer war mit Scharen von Seevögeln bedeckt, welche ihrer Nahrung nachgingen, und neben dem Schiffe schossen wie gold schimmernde Pfeile Scharen von Palamythien, deren Nachstellungen die kleineren Bewohner der Wogen (țĮȜĮȝȐvĮ)540, ihrem Fange zu entgehen, sich gleich Zügen von Vögeln in die Luft hoben, so hoch, dass nicht selten einzelne auf das Schiff niederfielen. Die Nacht über hatte der Wind uns durch den messenischen Busen und vor den Wohnorten der Manioten an seiner östlichen Seite, so wie an dem Vorgebirge Tainaron541, in welches die Küste sich endet (jetzt Kap Matapan) vorübergeführt, und wir schwammen am folgenden Tage, den 19ten, bei weniger gutem Winde zwischen diesem Vorgebirge und dem entgegenstehenden Malea, den lakonischen Busen vor uns, nach Mittag dem daran sich schließenden kleinern Busen von Vatica (Vocaticus), so nahe kommend, dass wir die Ställe mit Anbau, und durch das Perspektiv die Häuser542 und Ortschaften unterscheiden konnten. Jenseits Malea war das offene Meer von Schiffen belebt, die unter verschiedenen Flaggen, österreichischer, jonischer, griechischer, an uns vorübergingen. Eines der letzten schickte nach uns ein Boot, welches sich nach uns, dem Orte unserer Abfahrt und Bestimmung erkundigen sollte. Es war ein Hydriot, ein Schiff des Apollo (die Opposition gegen die Regierung, welche sich nach ihrem Journale auf Hydra so nennt), die Nacht über der russischen Blockade entgangen und auf dem Wege nach Mani, um den Insurgenten, welche dort den Kolokotroni543 geschlagen haben, Hilfe zu bringen. Im übrigen sei alles ruhig, der Handel unbelästigt, und wir könnten unsern Weg fortsetzen, wohin wir wollen.

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der und nutzten die Seilschaften der verschiedenen Kapitani für ihre Zwecke. Als die türkisch-ägyptische Flotte im Hafen von Pylos zur Winterpause ankerte, verabredeten die Schutzmächte eine gemeinsame Winterpause im Hafen von Pylos. Die allierte Flotte segelte darauf in Schlachtordnung in den Hafen und ein Schuß, der sich versehentlich auf dem Admiralsschiff löste, war der Anfang einer entscheidenden „Seeschlacht“. S. Gallo = Südkap Messeniens. Lt. Morgenpost: „von denen eine Gattung kleinerer Bewohner der Wogen, ihrem Fange zu entgehen“. Tainaron = Südspitze der Halbinsel Mani. Lt. „Morgenpost: „die Stellen mit Anbau, und durch das Perspektiv die Dörfer und Ortschaften“. Theodoros Kolokotronis (1779 - 1843), war von Briten in Korfu ausgebildeter Major a. D., der fähigste Militär unter den aufständischen Griechen. Anhänger Kapodistrias‘, jedoch mit Petrobey Mavromichalis (1773-1848) war er eines der Häupter der Regierungsgegner von Ioannis und Augustin Kapodistrias seit 1831. Feind der Regentschaft.

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Gegen Abend waren wir in die Meerenge zwischen Kythera (Cerigo) und dem Vorgebirge Melo eingesegelt und von so ungünstigem Winde empfangen worden, dass wir nur durch Lavieren langsam vorwärts gelangten, und erst am 20ten das durch Stürme berüchtigte Vorgebirge mit seinen schroffen Felsenmassen vor uns hatten. Wir durften uns, trotz der langsamen Fahrt, Glück wünschen, dass wir nicht statt der Meeresstille auf jene brausenden Insassen desselben gestoßen waren. Am Morgen dieses Tages wurden wir von einem zweiten hydriotischen, stark bemannten Schiffe in gleicher Weise angesprochen, das während unserer Unterredung mit seinem Bootsmann, der auf unserem Verdecke war, ganz nahe neben uns anhielt544 und eine Reihe von blanken Kanonen, hinter ihnen aber die rot geschmückten Köpfe einer gedrängten Schar hydriotischer Seeleute zeigte. Allein der Kapitän stand frei auf dem Verdecke, die Meldung zu hören, welche sein Abgeschickter ihm in albanischer Sprache zurief. An den Namen Bavaria, Monaco, Miaulis sahen wir, dass er ihm auch berichtete, was ich mitzuteilen für gut befunden hatte: Es sei ein Reisender an Bord, der Briefe der Söhne des Miaulis545 aus München zu ihrem Vater brächte. Diese Namen schienen auf einmal die Zweifel zu lösen, bei ihnen machte der Hydriote auf dem Schiffe des Apollo mit der Hand das Zeichen vor Brust und Stirne, dass er befriedigt sei, und wir zogen unseres Weges, (jene) immer dem ersten Schiffe zu den Manioten nach. Auch sie bestätigten die Niederlage der Truppen der Regierung, und der Bootsmann bemerkte, dass ohne Dazwischenkunft der Russen sie den „Barba Janni“ schon vor die Türe gesetzt hätten. Barba nennen sie im familiären Ton jeden Alten, und Janni ist der Vorname des Grafen Kapodistrias, der Johannes heißt546. 544 Lt. Morgenpost: „Bootsmann, der bei uns auf dem Verdecke war, ganz nahe an uns anhielt und eine Reihe von blanken Kanonen, hinter ihnen aber die wohl geschmückten Köpfe (...)“ 545 Andreas Miaoulis (1779-1835), griechischer Admiral. Er schloss sich 1821 der griechischen Revolution an und beteiligte sich mit seinem Schiff „Leonidas“ an allen Streifzügen des Jahres. Als Oberbefehlshaber der griechischen Marine siegte er im Jahr darauf gegen die osmanische Flotte. Zeitweise vom Oberbefehl verdrängt, übernahm er nach der Schlacht bei Navarino wieder den obersten Befehl über die griechische Flotteneinheit. Er war Haupt der antirussischen Oppositionspartei und verbrannte im Hafen liegende griechische Kriegsschiffe, um eine Auslieferung an die russische Flotte zu verhindern. Unter König Otto wurde er 1835 zum Vizeadmiral ernannt. 546 Ioannis Kapodistrias (1776-1831), Graf, in zaristischen Diensten ausgebildeter Diplomat, durch die Nationalversammlung von Troïzen 1827 zum Präsidenten Griechenlands (Ȁȣ-ȕİȡvȒIJȘȢ) gewählt, stellte nach seiner Ankunft 1828 die Bedingung, daß das Parlament suspendiert werden soll, bis sich die Verhältnisse stabilisieren. So genötigt, sich selbst aufzulösen, hatte man die Vollmachten zwar von der Zustimmung eines Panhellenion benannten Ausschusses abhängig gemacht, dessen Anliegen aber von Kapodistrias mißachtet wurden. Sein Verfassungsentwurf sah ein autoritäres Regime mit einer zentralistischen Führung vor und sollte durch die Entmachtung der Eparchen und Demogeronten und deren Anhänger ihr Wählerreservoirkaltstellen. Der Aufstand in der Mani und in Hydra war die griechische Antwort, weswegen Kapodistrias Petrobey

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Kaum hatten wir uns nach Tische wieder auf dem Verdecke eingefunden, als eine österreichische Kriegsgoelette547 unsers Wegs kam, uns zu halten und ein Boot zu schicken befahl, und auf die Bemerkung, dass wir keines zur Hand hätten, uns selbst mit dem ihrigen besuchte. Dieselben Fragen und dieselben Antworten, wie bei beiden Hydrioten548, indessen war der Seeoffizier nicht damit zufrieden gestellt, bis er die Papiere des Kapitäns gesehen hatte. Doch damit sollten wir für diesen Tag von den Befragungen und dem Aufenthalte noch nicht frei sein: denn noch bei einbrechender Nacht ward am Horizont eine Fregatte549 bemerkt, welche gegen neun Uhr auf uns zukam, dann uns zur Seite beilegte und durch einen Kanonenschuss zu erkennen gab, dass wir halten sollten. Auch von ihr ein Boot, dieselben Fragen, nebst Untersuchung der Papiere des Kapitäns, und ein Aufenthalt von vielleicht einer Stunde. Es war die russische Fregatte, welche, wie es schien, die Station Hydra verlassen hatte und den hydriotischen Schiffen nachging, um mit ihnen in dem Meeresbusen von Messenien ein wahrscheinlich nicht freundschaftliches Zusammentreffen zu feiern, zumal schon eine hydriotische Brigg sich gegen zwei russische zur Wehr gesetzt und dadurch Feindseligkeiten begonnen hatte. Wir waren seit gestern bis auf die Höhe von Monembasia gekommen, und hofften für diesen Morgen, während der Nacht Nauplia nahe gekommen zu sein, wurden aber durch die Windstille getäuscht, deren ich oben gedachte, doch weht jetzt der Wind günstiger, und das Ziel ist nahe. Die Verwirrungen in Griechenland werden in der Ferne wohl schlimmer erscheinen, als sie sind. Keine von beiden Parteien hat die Mittel zu einem ernstlichen Kampfe, und die Hydrioten haben dem Präsidenten die Schiffe in Poros verbrannt, die er gegen sie rüsten550 wollte. Wahrscheinlich legen sich die Mächte bald in das Mittel und bringen die Sache hier zum Vergleich, das Los von Griechenland aber im Ganzen in Ordnung. Was uns jetzt von griechischer Natur umgibt, Himmel und Meer, sind unvergleichlich schön, die Luft wie im höchsten Sommer bei uns, und doch nicht drückend, das Thermometer auch nach Sonnenuntergang nicht unter 19 Grad. Die Gebirge, alle zeigen ein dürres Aussehen in der Ferne. Doch ist hinter jenem falben und braunen Grün der zahlreichen, zum Anbau geeigneten Stellen der ganze Segen des Südens und seine goldene Ernte verborgen. Ich schreibe dieses auf dem Verdeck, auf dem schwarzen Porto foglio, das ich auf den Knien habe, und gegen die Sonne durch die wollene Decke geschützt, zu meinen Füßen das anmutig rauschende Meer, gegenüber die nahen Gebirge von Lakonien, mit den Fruchthainen von Orangen und Weinpflanzun-

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Mavromichalis festnehmen ließ. Um die Familienehre wieder herzustellen, ermordeten Petrobeys Bruder Konstantin und sein Sohn Georg den Präsidenten. franz. für Schoner = Zwei- oder Dreimaster. Männer von der Insel Hydra. Fregatte = Mischform aus Galleere und Galeone. Lt. „Morgenblatt“: „rufen“.

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gen in ihren Klüften, und bei kaum merkbarer Bewegung des Schiffes, das mit dem günstigsten Winde nach Nauplia hinauf schwimmt, dessen Gebirge sich bereits im tiefen Hintergrunde enthüllt haben. Hydra haben wir zur rechten Hand liegen lassen. Möge auch euch der September glückliche Tage bringen!551 Nauplia, den 21ten Sept. Ich schreibe Dir im Magazin des Herrn Paulos Skouloudis552, der einen Sohn beim Herrn Archimandriten553 hat, nur mit wenig Worten, dass ich gestern Abend mit Herrn Metzger nach einer zwar nicht sehr schnellen, aber doch glücklichen Fahrt von sechzehn Tagen von Triest hier angekommen und heute von allen, die ich gesehen, den Herrn Präsidenten nicht ausgenommen, auf das Freundlichste und Teilnehmendste bin aufgenommen worden. Herr Skouloudis schickt eben einen Brief an seinen Sohn nach München ab, daher vorläufig nur diese Zeilen. Meine Gesundheit ist nie besser gewesen, das Wetter ist bewundernswürdig, wie bei uns im hohen Sommer, und der Teil von Griechenland, den ich hier um den Golf von Nauplia sehe, gegenüber Argos mit der Burg Larissa, seitwärts in der schönen Ebene die Ruinen von Tiryns, bezaubernd. Die Unruhen von Griechenland, in der Ferne notwendig vergrößert, schwinden hier in unbedeutende Bewegungen zusammen, da die Parteien keine Mittel zu großen Dingen haben, und in keinem Teile von Griechenland, außer bei den Hydrioten und Mainoten, also nur in einigen Felsenwinkeln, ist die Sicherheit bedroht, würde es auch dort für mich nicht sein, wenn ich, was nicht der Fall ist, dorthin wollte. Auch in Bezug auf die Cholera und die Pest ist hier keine Besorgnis. In vier Tagen schreibe ich an Dich und andere ausführliche Briefe über Syra, hoffe aber, dass dieser früher mit den guten Nachrichten ankommen soll. Argos, den 26ten Sept. Meine geliebte Amalie! Ich habe Dir gleich nach meiner Ankunft in Nauplia ein paar Zeilen durch Hn. Scouloudis geschrieben, um die glückliche Beendigung unserer Reise und die gute Aufnahme, die ich hier überall finde, sogleich und vorläufig zu melden. Einen ausführlichen Brief über unsere Fahrt von Triest nach Nauplia habe ich vorgestern beendiget und ihn in den Händen des Kapitäns, der uns geführt hat, zurückgelassen. Dieser geht in einigen Tagen nach Syra ab, und will ihn von dort mit erster Gelegenheit nach Triest befördern554. 551 Von diesem Absatz an: „Ich scheibe dieses auf dem Verdeck (...)“ hat Heinrich Thiersch das Manuskript gekürzt (II, 63). 552 Paulus Skouloudis. Die Skouloudis waren kretischer Herkunft und kamen über Konstantinopel nach Griechenland. Der Sohn im griechischen Erziehungsinstitut in München hieß Theodoros. 553 Vorsteher eines Klosters in der östlich-orthodoxen Kirche. 554 Heinrich Thiersch hat die Darstellung um diesen Absatz gekürzt: vgl. H. Thiersch, Thiersch’s Leben II, S. 36.

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Denselben Tag früh bin ich mit Hn. Metzger, in Begleitung des Hn. Ritsos555 und des Hn. Schinas556, eines von den jungen Griechen, die in Deutschland gebildet worden, hierher über Tiryns aufgebrochen. Unsere Absicht ist, diesen Winkel des rossenährenden Argos (ȝȣȤȩȢ Í$UȖİȠȢLÀSSRER—WRLRÙî) und seine uralten zyklopischen Städte zu sehen, von denen Tiryns und Mykenä noch in denselben Trümmern liegen, welche schon Pausanias557 beschrieben hat. Der Weg von Nauplia aus führt über die Ebene, welche sich oben am Schlusse des argolischen Busens zwischen dem Meere und den Gebirgen ausbreitet, durch einige neue Anlagen in der verödeten, baumlosen Gegend nach den Ruinen von Tiryns, welche sich über einen langen Felsenrücken, mitten in der Ebene ausbreiten. Am Fuße dieser, durch ihr Altertum und ihre Bedeutsamkeit merkwürdigen Überreste der hellenischen Heroenzeit hat die Regierung eine Meierei zur Aufnahme des Ackerbaues angelegt, und nie standen so die Bestrebungen des fernsten Altertums und der neuesten Tage in dem seltsamsten Kontraste beisammen. Die zyklopischen Mauern, der aus ungeheueren Felsblöcken gebildete bedeckte Gang, der über einem kolossalen Unterbau sich erhebende Turm sind von gleich großartigem Charakter einer Heldenzeit. Die Stadt, welche den niedrigen Teil des Berges einnimmt, zieht sich in der Gestalt eines Schiffes zusammen, und die Mauern, welche den Berg nach allen Seiten noch jetzt, teils ganz, teils in Trümmern, einfassen, zeigen ganz deutlich, dass es darauf abgesehen war, etwas der Art in dem Baue darzustellen, nicht unwahrscheinlich das Schiff, auf welchem Danaos558 aus Ägypten in diese äußerste Gegend des argolischen Busens gekommen war. Wir kamen von Tiryns, das von Nauplia nur Dreiviertelstunden entfernt ist, den Abend noch bei guter Zeit in Argos an und fanden, statt der durch den Glanz ihres Namens, den Wechsel ihrer Schicksale erinnerungsreichen Stadt, eine Menge von niedern Hütten, aus Backsteinen gebaut, und von zahllosen Ruinen unterbrochen: die ersten Anfänge der aus einer gänzlichen Zerstörung sich erhebenden Stadt, auch schon untermischt559 mit einzelnen schönen neuen Häusern, und hinter ihr auf hohem, steilem Gebirge die alte Burg Larissa, welche in ihren zerfallenden Mauern die Spuren venetianischer Herrschaft und in ihrem

555 Jakovakis Rizos Neroulos (1778-1849) aus Phanar. Kultusminister unter Kapodistrias. Onkel von Alexandros Rizos-Ragavis (1809-1892). 556 Konstantinos Dimitrios Schinas (1801-1870), Ministerialrat unter Rizos-Neroulos und sein Nachfolger. 557 Pausanias XPQ&KULQ.OHLQDVLHQ‚XPQ&KU JULHFKLVFKHU6FKULIWVWHOOHU Geograph, Geschichtsschreiber. 558 Danaos kam der Sage nach mit 50 Töchtern, den Danaiden, aus Lindos auf Rhodos. Er war dorthin vor seinem Bruder Aigyptos und dessen 50 Söhnen, den Aigyptiaden, auf einen Rat der Athene hin geflohen. In Lindos errichtete er zum Dank den Tempel der Athena Lindia. 559 Lt. Morgenblatt: „wechselten in buntem Gemisch mit einzelnen schönen neuen Häusern“.

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zyklopischen Grundbau die unvergänglichen Überreste hellenischer Vorzeit trägt. Nachdem wir vorgestern, mit einem Schreiben der Regierung an den Gouverneur ausgestattet, bei diesem freundliche Aufnahme gefunden und einen Teil der Altertümer besehen hatten, beschlossen wir heute einen Ausflug zu den Quellen des alten Erasinos, des einzigen Flusses in der Argolis, der im Sommer sein Wasser behält. Schon die Alten bemerkten, dass er die Gewässer des Sees von Stymphalos unter der Erde hier abführe. Er entspringt unter dem Fuße eines öden Marmorgebirges aus fünf Quellen und zerstreut sich nach kurzem Laufe durch die Ebene in die Niederungen von Lerna, die er in Sumpf verwandelt. Dort war die lernäische Schlange, deren Häupter Herakles abzuschlagen bemüht war. Ein Teil seiner klaren und lieblichen Gewässer werden durch eine Wasserleitung nach Argos geführt. Auch diese ist zerstört. Ein neuer Herkules würde den ganzen Fluss durch einen starken Bau einfassen, ihn dadurch zu der gehörigen Höhe emporheben und durch einen Kanal am Gebirge hin, mit Abzügen zur Bewässerung der dürren Au, zu einem Wohltäter dieses vortrefflichen Bodens machen. Über ihm öffnet sich eine große und tiefe Höhle. Frühere Reisende schilderten sie als feucht oder gar mit Schlangen angefüllt. Wir fanden sie trocken und sicher, und im Seitenarm eine Kapelle der Panagia (der Mutter des Heilands), welche wahrscheinlich die Stelle eines dem Pan gewidmeten Altars einnimmt. Die Ebene von Argos, ob sie gleich den ganzen Sommer über des Regens entbehrt, trägt doch zwei Ernten. Im Herbste, wenn der Regen eintritt, wird Getreide gesät; dieses wächst den Winter hindurch, der hier ohne Frost und Schnee ist, und wird im Mai eingebracht. Dann kommt türkischer Weizen, Tabak, Baumwolle u. dgl. in den Grund, und so eben ist man beschäftigt, die Reife dieser zweiten Ernte einzubringen. Von den trockenen Monaten her (noch jetzt ist die Wärme im Schatten um die Mittagszeit 22 Grad) ist die Ebene jetzt wie verdorrt, und eine Masse von duftenden Kräutern, vorzüglich Thymian, erfüllt noch die Luft mit Wohlgerüchen, so wie sie über ihr saftloses, falbes Gebüsch hinstreift. Sogar die Disteln, eine Art von wachsgelbem Stengelgewächs, haben, wenn sie getrieben werden, einen gewürzhaften Geruch und einen der Vanille nicht unähnlichen Geschmack. Ehedem war sie mit dem lieblichen Grün der nun zerstörten Ölpflanzungen und Feigenwälder erfüllt. Wo jetzt noch Grün erscheint, ist es von den Kaktus- und Oleanderbäumen, die vorzüglich die trockenen Betten der Waldbäche anfüllen, und von dem noch frischen Laube der niedrigen Weinstöcke, welche noch zum Teil mit einer unbeschreiblichen Fülle der süßesten Trauben prangen und von grünen und gelben Melonen durchwirkt sind. Ich kann diese nicht sehen oder mich an ihrem Genusse erfreuen, ohne an die liebe Schar unserer Kinder zu denken, und wie sie sich mit Griechenland in einer halben Stunde befreunden würden, wenn ich sie in eine dieser

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hesperischen560 Pflanzungen und in ihren reichen Segen mit dem guten Appetit, welchen sie haben, hineinlassen könnte. Heute haben wir die Burg Larissa erstiegen, unter Führung eines Geistlichen, den ich in München gesehen und den wir hier in einem Kloster fanden, das auf halbem Wege in die Felsen der Burg gleich einem Adlerneste hineingebaut ist. Sie ist höchst malerisch und in neuern Zeiten die Burg der hellenischen Freiheit dadurch geworden, dass Ypsilantis561 sich beim Einfalle des Dramali562 hineinwarf und dadurch sein Heer in Argos zurückhielt, bis aus dem Peloponnes sich Hilfe gesammelt hatte. Der übrige Teil des Tages ward mit Untersuchung der wenigen Altertümer, welche sie finden, und der Kirchen ausgefüllt. Die Stufen des alten Theaters sind in neuerer Zeit ausgegraben worden, und die Nationalversammlung von Argos ward unten auf der freien Fläche gehalten, während das Volk die Terrassen umher anfüllte. Zur linken Seite glaube ich die Reste des alten Agon563 gefunden zu haben, rechts die Spuren des Stadions. Die Ruine einer alten Kirche des Apostels Petrus ist als Rest eines alten Tempels und auch dadurch bedeutsam, dass, altargolischer Sage zufolge, hier der Apostel wirklich begraben liegt, auf dessen Grab in Rom die päpstliche Kurie ihre Macht gegründet hatte. Als wir dort mit Untersuchung der Ruinen und Abschrift einiger Inschriften an ihnen beschäftigt waren, unterhielten uns mehrere Frauen mit Erzählungen von ihm: Noch pflege er jährlich zu erscheinen in weißem Kleide, und jeder könne ihn sehen und hören, der nicht einen zu dicken Schatten habe. Mykenä, den 28ten Sept. Wir sind gestern von Argos in anderthalb Stunden hierher geritten, nachdem der Gouverneur den Tag vorher einen Soldaten vorausgeschickt hatte, um uns eine Wohnung zu bereiten und Leute zum Ausgraben zu bestellen. Jene fanden wir in dem nahe bei Mykenä liegenden Dorfe Karbali, in der besten seiner zwölf aus ihren Trümmern wieder gebauten Hütten. Sie besteht aus vier Wänden, über denen ein Ziegeldach mit vielerlei Luftlöchern auf schwachen Balken ruht, und war, da die Hochzeit des Sohnes bevorstand, mit einem gelblichen Kalk neu angestrichen. Ein etwas höherer Absatz diente für die zweifüßigen, ein niederer für die vierfüßigen Bewohner, ein kleiner Anbau für das Heu und Stroh. Umher standen große, aus Erde zusammengeknetete Gefäße, welche Korn und andere 560 Die goldenen Äpfel, das Brautgeschenk der Gaia für Hera, bewachten drei Jungfrauen, die Hesperiden. 561 Dimitrios Ypsilantis (1793-1832), jüngerer Bruder von Alexandros, war 1822 auf der Nationalversammlung von Epidauros zum Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaft gewählt worden. 562 Lt. „Morgenblatt“: Omar Ali = Mahmud Dramalis, Pascha (1780-1822). 563 Agon = Kampfplatz.

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trockene Früchte, den Vorrat des Hauses enthielten. Einige grobe irdene Näpfe, ein hölzerner Wasserkrug waren die Hausgeräte der Küche, und als Luxus ein kupferner Kessel zum Kochen und ein Trinkglas. Fenster, Tische, Stühle, Messer und Gabeln sind unbekannte Geräte beim Essen, ebenso Betten für die Nacht. Uns zu Ehren wurden die nicht menschlichen Hausgenossen genötigt, das Feld zu räumen, die Hunde nicht ohne Widerspruch und fürchterliches Geheul über die Schläge, mit denen man ihnen zusprach, auch die Esel wären lieber dageblieben, nur die Hühner ließen sich es nicht nehmen, uns beim Essen Gesellschaft zu leisten, das wir am Boden, auf ausgebreiteten leinenen Matratzen sitzend, aus einem Napf auf einem Küchenbrett mit zwei Zoll hohen Füßen, doch mit dem besten Appetite, gleich den homerischen Helden, verzehrten. Es bestand aus Pilaw564, zu dem wir Reis und Butter mit uns gebracht hatten, aus zwei Hühnern des Dorfes, einem gekochten und einem gebratenen, und aus vortrefflichen Weintrauben. Am Abend ward auf denselben Matratzen ausgebreitet, was wir an Betten bei uns führten, und ich habe in dem meinigen zu Hause nie besser geschlafen. Die Glieder des Hauses lagerten sich, wo sie Platz fanden, auf die bloße Erde, mit wollenen Kleidern bedeckt, und noch lange, während in der anderen Ecke der Hütte das Feuer verglühte, an welchem das Abendessen gekocht worden war, lag ich in Betrachtung über die Leichtigkeit des von allen künstlichen Bedürfnissen entkleideten Lebens dieser einfachen Menschen, indem von meiner Erinnerung die Schreckensbilder vollends verschwanden, mit welchen besonders englische Reisende dem Leser den Aufenthalt in solchen Uranfängen menschlicher Einrichtungen und Gebäude geschildert haben, während über die lockeren Ziegel ein Stern um den anderen hinwegging und auf die seltsame Szene nächtlicher Ruhe neugierig hereinblickte. Ich entschlief endlich ganz behaglich, doch nicht ohne Wehmut im Gedanken an Dich und unsere Kinder, und ward erst am anderen Morgen durch das Knistern des Feuers geweckt, an dem die Hausfrau uns den Kaffee aus Argos sott. Neben ihr saß auf dem Boden eine uralte Frau in ihrer einfachen, doch malerischen und faltigen Tracht, deren Schleier das Gesicht, auf dessen großartigen Zügen achtzig Jahre lagen, halb verhüllte, und wickelte von einer Spindel, welche sie zwischen den Zehen mit beiden Füßen hielt, das Baumwollgarn auf einen Knäuel, das sie den Tag vorher gesponnen hatte. Ich rief den ältern Sohn, welcher sich eben aus seinem Kapotrocke565 und dem Schlafe wickelte, neben mich an das Bett und ließ mir von ihrem Schicksale während des Krieges, von ihren Leiden und der neuen Lage erzählen. Sie hatten, wie die übrigen Einwohner des Peloponneses, alles verloren, Häuser, Geräte, Kleider, Vieh. Nur der nackte Boden und einem Teile der Bevölkerung das nackte Leben war übrig geblieben. Jetzt haben sie ihre Hütten wieder aufgebaut, sie haben Ackergeräte, doch nicht sattsam, Hühner, einige Esel, wenig Pferde und Schafe, kein Rindvieh, und vermissen besonders die Ochsen, da, bis ihnen möglich wird, neue zu 564 Pilaw = Brühreis 565 Die Fustanella ist ein warmer Rock aus Baumwollfilz.

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kaufen, sie mit der Hacke ihr Feld bauen müssen. Der Regierung zahlen sie drei von zehn, außerdem noch Steuern für die Weide, für die wenigen Bäume, sind aber doch zufrieden, dass sie Ruhe haben, und hoffen bessere Zeiten. Doch ich schreibe Dir ausführlich von diesen einfachen Landleuten, während die Paläste alter Könige in Trümmern und das Schatzhaus des Atreus in seiner ganzen Altertümlichkeit vor uns liegt. Indes ich weiß, dass Dir die menschlichen Dinge der Gegenwart und mein Behagen an ihnen merkwürdiger sind und näher liegen, als alles, was ich Dir über die Trümmer dieser königlichen Stadt und ihrer Burg sagen könnte. Da sie jedoch von den großen Erinnerungen der Pelopiden, des Atreus und Thyestes, des Agamemnon und der Klytämnestra, des Orestes und seiner Schwestern, der heroischen Elektra, und der liebreichen Iphigenia, erfüllt sind, die hier gewaltet und gelitten, und deren Gefühle und Schicksale vorzüglich die attische Dichtkunst für alle Ewigkeit menschlicher Bildung ausgeprägt hat, so haben die Trümmer sogar Anspruch auf die Teilnahme der Frauen. Mykenä ist noch in denselben Ruinen vorhanden, in welchen sie Pausanias gesehen, und in denen sie seit fünfhundert Jahren vor unserer Zeitrechnung liegt, wo die Stadt von ihrer Nachbarin Argos in sie (Ruinen) geworfen ward. Die zyklopische Gasse mit dem Löwentor, das unterirdische Hohlgebäude, in welchem Atreus seine Waffen und Kostbarkeiten aufbewahrte, und die Trümmer von fünf anderen zeigen, gleich den Trümmern von Tiryns, den Charakter und das Leben jener ältesten griechischen Zeit, das sich hier den Augen, wie in den homerischen Gesängen dem Gemüte, ausdrückt. Wer das alte Griechenland kennen und verstehen will, muss notwendig von diesem seinem ältesten Heiligtum anfangen und mit Athen endigen, was auch wohl im Ganzen mein Weg sein wird, und ich preise mich schon jetzt glücklich, durch die Umstände vor andern begünstigt und dieser Kenntnisse durch eigene Anschauung teilhaftig geworden zu sein. Im Schatzhause des Atreus habe ich zum Teil den Grund ausgraben lassen, der gegen die Mauer aus rotem Estrich, gegen den Eingang aus Marmorplatten besteht, und einige Trümmer seiner kostbaren Säulen gerettet. Heute sind wir umsonst die Gegend durchstreift, um das Heraion566 zu finden. Die Grundmauern und Terrassen von fünf Tempeln haben wir gefunden, einige in der Richtung und Entfernung, welche das Heraion haben müsste, keinen, der ganz mit des Pausanias Nachrichten stimmt. Nur einer lässt sich nach einer Inschrift, welche wir aus ihm im Dorfe Phychti fanden, als ein Tempel einer bestimmten Gottheit, der Persephone nachweisen.

Nauplia, den 30ten Sept. Wir sind gestern Abend über Tiryns nach Nauplia zurückgekommen. In Tiryns haben meine Nachgrabungen das Fundament des alten Königspalastes zu Tage 566 Hera-Heiligtum.

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gefördert, wenigstens zum Teil. Gegenüber der See zeigen die Terrassen und Züge der Mauern auf einen Eingang von großer Ausdehnung in die Burg. Oben auf der Spitze, wohin er führt, ragte eine viereckige Marmorbasis aus dem Grunde. Ich ließ dort einschlagen, und wir kamen bald auf einen feinen Estrich aus Kalk, mit kleinen Stücken von rotem Marmor und Serpentin vermischt, zum Zeichen, dass hier keine Straße, auch kein Tempel, sondern ein Wohnhaus war. Bald enthüllten sich zur Linken drei Basen von Säulen, an welche sich eine Seitenmauer anschloss. Dieser Seite mit ihrem Pilaster und drei Säulen musste gegenüber eine andere gleiche entsprechen. Doch war hier der Berg bis auf drei Schuh rückwärts verschwunden, nur ein Stück von dem Pfosten des Tores, aus grünem Granit, lag in der Entfernung von einundzwanzig Fuß von dem Pilaster und erhob die Vermutung, dass wir den Grund des Palastes hatten und hier den Plan seines Einganges, zur Gewissheit. Auch konnte er nicht passender als eben hier auf der Mitte der Burglinie, an ihrem Rande, hinter einem Hauptaufgange, mit der Aussicht auf die See, gelegen sein. Nachdem wir unsere Messungen und Untersuchungen geendet, auch in der Meierei des Hn. Präsidenten ein gutes Mittagsmahl eingenommen hatten, das ihr Vorsteher auf seinen besonderen Befehl uns bereitet hatte, kamen wir, mehr bestäubt und beschmutzt als ermüdet, hier wieder an und stiegen in zwei leeren Zimmern ab, welche Herr Babulos für uns gemietet hatte. Sie waren noch vor der Nacht durch seine Beihilfe mit den notwendigsten Geräten angefüllt und wir in unserer Einrichtung, um uns auf unsere größere Reise in den Peloponnes vorzubereiten. Der Aufenthalt hier hat viel Merkwürdiges und Eigentümliches. Die Stadt ist nur zum Teil zerstört gewesen und zeigt in den engen, schmutzigen Gassen, in dem mit Querbalken gestützten Überbau ihrer Häuser, in der Scheinlosigkeit der innern Einrichtung und ihrem Schmutz – so dass man eintretend oft glaubt, in einem Schweinestall statt in die Wohnung eines angesehenen Mannes zu treten, bis man über alte hölzerne und baufällige Treppen hinauf, im Innern eines Zimmers mit einem Divan und einigen besseren Geräten die Spuren von Wohlstand findet – das deutliche Gepräge einer türkisch-griechischen Stadt, und zugleich eine Einrichtung, die sich aus dem hellenischen Altertum erhalten hat. Alles stimmt so vollkommen mit den Nachrichten der Alten über ihr häusliches und das Innere ihrer Städte, dass sich hier jedem, der jenes weiß, die Vorstellung aufdringen muss, er sehe eine altgriechische Stadt, aber ohne den Schmuck ihrer öffentlichen Hallen, Gymnasien, Stadien und Tempel. Die in Trümmer gefallenen Häuser werden zum Teil in gutem Stile wieder gebaut, und es sind die neuen Wohnungen in allen Straßen zerstreut, so dass Nauplia bei seiner terrassenartigen Lage aus der Ferne den gefälligen Anblick einer neuen Stadt gewährt. Diese Engen sind von einer großen Menge seltsamen Volkes erfüllt, mit dessen bunten Trachten und bedeutsamen Physiognomien man sich eben so angenehm unterhalten kann, wie mit seiner Lebensweise und bürgerlichen Tätigkeit. Die unteren Stocke sind fast ohne Ausnahme der ganzen Breite nach gegen die Straße geöffnet, und zeigen dem Vorübergehenden eine ganze

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Galerie von Werkstätten, in denen Handwerker, welche nicht mit Schmutz umgehen, sogar die Schuster und Schneider, in ihrem Staat sitzen und mit einem Ernst und einer Ruhe arbeiten, als wären es Herren anderer Stände, die sich in Folge gewisser Rücksichten zu diesem Geschäft herabgelassen hätten. Die Aufnahme, die ich überall finde, ist für mich ebenso angenehm, wie für die Griechen ehrenvoll; denn der ehrt sich, der dem andern für Dienste, die am Ende doch untergeordnet sind, sich dankbar erweist. Heute hat der Präsident einen Befehl in der Regierungszeitung bekannt machen lassen, der allen Zivilund Militärbehörden des Landes auflegt, das Ihrige zu tun, dass ich überall alle Hilfe zur gastlichen Aufnahme finde und für meine Bequemlichkeit und Sicherheit jede mögliche Fürsorge solle getroffen werden. Auch der Brief, den die Griechen an ihn geschrieben haben, ist, meines Lobes voll, in derselben abgedruckt, und ich fühle mich wie beengt durch die Aufmerksamkeit und Zuvorkommenheit, noch mehr durch die unbequeme Neugierde, welche mich überall umgibt. Mitten in die Spannung der öffentlichen Verhältnisse hineingeraten, ohne einer Partei anzugehören, suche ich den Charakter eines Freundes von Griechenland, nicht von dem oder jenem, zu behaupten, und verkehre mit den verschiedensten Personen aller Meinungen. Morgen werden wir beim Fürsten Ypsilantis, übermorgen beim Präsidenten zu Mittag sein, dem Hr. Metzger eine Ansicht von Nauplia, die er von seiner Meierei bei Tiryns aufgenommen hat, kopieren und überreichen wird. Die Unruhen, welche auf den Inseln und im südlichen Peloponnes ausgebrochen waren, sind größtenteils gestillt, und man sieht hier der Entwicklung der griechischen Angelegenheiten für nächsten Winter mit Ungeduld entgegen. Auch habe ich noch kein einziges Mal von der Cholera sprechen hören, obwohl sie in Alexandria und Konstantinopel sich eingenistet haben soll. Die strenge Quarantäne und die Zurückweisung der Schiffe, die aus angesteckten Orten kommen und Kranke haben, sichert, ebenso wie das Klima von Griechenland, gegen ihre Verbreitung. Hr. Graf Ostermann, der jetzt mit seinem armen Geleite der verpesteten Hauptstadt von Ägypten, wo sogar der Pascha auf einem Schiff wohnt, entgegen schwimmt, wird wahrscheinlich der Furcht vor dieser Seuche mehr als meiner Beredsamkeit nachgeben und eher in Nauplia ankommen, als er sich’s anfangs vorgenommen hatte. An Herrn Gropius567 habe ich einen sehr erfahrenen und gefälligen Mann gefunden und mich gefreut, dass unser Sutzos568 als Oberlieutenant und Lehrer an der Kadettenschule allgemeine Achtung sich erworben hat. Wir rüsten uns jetzt zur Reise durch den Peloponnes, die uns nach Tripolizza, von da nach Sparta und über Messenien nach Olympia, von da nach Patras und Korinth führen soll. Ich werde Dir den nächsten Brief von Navarino aus mit der 567 Georg Christian Gropius (1781-1854), östereichischer Konsul in Griechenland. 568 Skarlatos Soutsos (1806-1887), kam an Stelle von Schinas 1824 an die Kadettenanstalt in München. Er wurde Lehrer an der Evelpidenschule und 1853 und 1869 Kriegsminister.

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französischen Post über Marseille schicken, möglich, dass er dann früher ankommt, als alle, die ich bis jetzt geschrieben habe. Ich befinde mich fortdauernd in diesem ganz warmen und mir darum höchst heilsamen Klima vollkommen wohl, und nachdem ich den zweiten Tag in Mykenä von Morgen bis Abend über Berg und Tal umhergestiegen war, hatte ich davon keine anderen Folgen, als nach einer großen Ermüdung einen sehr tiefen und ruhigen Schlaf. Meine Natur bewährt sich auch hier, dass ihr in einem äußerlich und innerlich regsamen Leben am behaglichsten ist. Heute habe ich für die Reise einen griechischen Bedienten angenommen, einen achtzehnjährigen echten Spartiaten, einen hübschen und sehr gescheiten Jungen, der sich dem Herrn Hauptmann Fabricius569, welcher jetzt nach Hause geht und ihn ungern entlässt, als vollkommen treu und ehrlich, zugleich aber sehr gewandt und anhänglich erwiesen hat.

Nauplia, den 7. Okt. 1831 (...) Von unserer Reise nach Tiryns, Argos und Mykenä am 29ten September hierher gekommen, bin ich durch die Verhältnisse, und um den Zustand der Dinge genauer kennen zu lernen, hier acht Tage zurückgeblieben. Nachdem ich diesen Zweck erreicht habe und glauben kann, den verwickelten Verhältnissen dieses Landes bis auf den Grund zu sehen, werde ich morgen in guter Gesellschaft die Reise über Nemea und die arkadischen Seen nach Olympia antreten, und über Sparta, Tripolizza und Argos hierher zurückgehen. Der Brief ist bestimmt, in Navarino auf die Post gegeben zu werden, welche von den Franzosen alle vierzehn Tage nach Marseille oder Toulon abgeht, und deshalb nicht in Gefahr, auf den treulosen Posten dieser argen Regierung erbrochen und nach Befund vernichtet zu werden. Ich werde Dir also freier über den Zustand schreiben, den ich hier vor Augen sehe, und der einer schlimmen Katastrophe notwendig entgegeneilt. Auch die mit Gelegenheit abgehenden Briefe sind vor den befleckten Händen der Polizei nicht sicher, weil sie die Kapitäne und andere Reisende, bei denen sie Briefe vermutet, nach denselben ausfragt, und durch die Furcht vor willkürlicher Einsperrung zu ihrer Auslieferung zu bestimmen weiß. Ein großer Teil der Zeit ist mir durch Besuche weggenommen worden, die ich gemacht oder empfangen habe. Als Probe des bunten Gemisches derselben zähle ich die vom Sonntag den 2ten Oktober auf. Zuerst kam der Kapitän Kanello Deligiannis570, einer der tapfersten im letzten Kriege, den der Präsident 569 Christoph Heinrich Detlev Fabricius (1802-1880), kam als Freiwilliger nach Griechenland. Im Jahr 1832 war er Oberstleutnant und Platzkommandant in Nauplia. 1841 wurde er Militärkommandant von Euböa. Er kehrte erst 1844 nach Deutschland zurück. 570 Kanellos Deligiannis (1780-1862), Primat von Langetas, Teilnehmer am Befreiungskrieg. Als Gegner Kapodistrias zu Gefängnis verurteilt. 1844 wurde er der erste Parlamentspräsident.

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deshalb verfolgt, weil er, als Prinz Leopold571 zum Könige von Griechenland bestimmt war, und der Präsident alles anwendete, um den getäuschten Fürsten von Griechenland abzuhalten, eine Adresse an ihn, von Seite des Militärs, veranlasst hatte, um ihn zu bestimmen, die Krone anzunehmen. Fünf Monate hatte er ungehört in einem dunklen Kerker gesessen, dann sieben Monate auf der Festung. Jetzt hat er Stadtarrest und sieht dem Urteile eines ganz abhängigen Tribunals entgegen, vor das er endlich als Mitglied einer angeblichen Gesellschaft, welche die Veränderung des jetzigen Zustandes zum Zwecke habe und von welcher jene Adresse ausgegangen, gezogen ward. Während dieser noch bei mir war, tritt Chrysogelos572, der Staatssekretär des öffentlichen Unterrichts, mit seinem Bruder ein, um mir von Seiten des Präsidenten Verbindliches für mich und den König zu sagen, für den ich aus dem äginetischen Museum auszuwählen ermächtigt bin, was ich glaube, das der Glyptothek in München zur Zierde gereichen wird. Noch sind wir in den Erörterungen dieser Dinge und eines Ankaufes von drei Statuen, in welchen wieder einzutreten ich Sr. Majestät dem Könige vorschlagen will, nachdem die Sache von Heydegger573 angefangen und dann der Regierung überlassen war, begriffen, als sechs Kapitäne von der hiesigen Besatzung, der alte Plotamara und ein anderer Suliote an der Spitze, bei mir eingeführt werden, welche kommen, um, wie sie sagen, den ältesten Philhellenen und den wahren Freund von Griechenland kennen zu lernen und ihm ihre Achtung zu bezeugen. Der Besuch war mir ebenso überraschend als angenehm, aber die Verlegenheit nicht gering, weil ich für die ganze Gesellschaft nur vier Stühle hatte. Obwohl ich für die Wohnung auf einen Monat 120 Piaster zahle, besteht sie doch nur aus zwei leeren Zimmern, und die Mobilien sind von den Freunden zusammengebracht, weil es keine zu mieten gibt. Die Konversation 571 Prinz Leopold von Sachsen-Coburg und Gotha (1790-1865), war der Wunschkandidat Kapodistrias’ auf den griechischen Thron. England verweigerte die sofortige Auszahlung der Anleihe und die Vergrößerung des Garantiegebietes um Samos und Kreta. Er verzichtete deshalb und nahm 1831 die Krone Belgiens an. 572 Nikolaos Chrisogelos (1789-1857), 1832 Lehrer, unter Trikoupis Unterrichtsstaatssekretär. 573 Oberstleutnant Karl Wilhelm v. Heideck (1788-1861), stellte sich dem Philhellenischen Hauptverein in München für eine Erkundungsfahrt nach Griechenland im Jahr 1826 zur Verfügung. Durch den Tod Kg. Max I. zur Rückkehr in Triest bewogen, brach er 1828 erneut auf und wurde von Kapodistrias als Platzkommandant von Nauplia, später zum Militärkommandant von Argos eingesetzt und mit dem Aufbau einer Evelpidenschule sowie der Aufstellung einer Regierungstruppe beauftragt. Sein Versuch Athen militärisch zu entsetzen schlug genauso fehl wie seine Operation gegen Oropos. Nach Malaria-Anfällen kehrte er über Rom, wo er Kg. Ludwig I. Bericht erstattete, nach München zurück. 1832 wurde er zum Mitglied der Regentschaft ernannt und zum Generalmajor befördert. Seine von Ludwig I. gebilligten Pläne für die Regentschaftsarbeit haben die ersten zwei Jahre der Regentschaft durch die Kosten für den Militärschutz des Königs erheblich belastet. Aber er war nicht verantwortlich für die mangelnde Fähigkeit der Regentschaft, ihre Planung und einseitige Sparsamkeit zu Gunsten der bayerischen Soldaten den Griechen verständlich zu machen.

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wurde deshalb stehend geführt, und sie schieden endlich mit vieler Herzlichkeit. Den weiteren Besuchen, welche mir noch auf der Stiege begegneten, entging ich dadurch, dass ich selber die Rolle des Besuchers übernahm. Wir sahen erst den Kriegsminister, einen kleinen schwarzen jungen Mann, Rodios574, nicht viel länger als sein Schwert, der sechs Monate in Paris gewesen ist und vom Kriege und der Armee so wenig versteht, als der Staatssekretär des Auswärtigen, Glarakie575, von seinem Geschäfte, zu dem er von der Ausübung der ärztlichen Kunst berufen worden ist. Der russische Admiral Ricord576 hatte gewünscht, mich kennen zu lernen und deshalb zu besuchen. Ihm zuvorzukommen, ging ich mit Gropius auf die russische Fregatte, die er kommandiert, und sah zum ersten mal die schöne und bequeme Einrichtung eines großen Schiffes, die bewundernswürdige Ordnung und Bequemlichkeit in allem, was hier geschieht und wie die Mannschaft vorgekehrt ist. Der Präsident war beim General577, der von seinem Zuge gegen die Hydrioten nach der Bucht von Maina zurückgekommen war, und wir wurden in dem Konversationssaale der Offiziere, wo unter andern auch für europäische Zeitungen gesorgt war, von der Mannschaft, besonders einem jungen liefländischen Arzte, unterhalten. Der General begrüßte uns, nachdem der Präsident ihn verlassen, mit vieler Freundlichkeit in seiner, einem geräumigen Zimmer gleichen und höchst geschmackvoll eingerichteten Kajüte. Seine Gemahlin, sein Sekretär und die obern Offiziere waren gegenwärtig. Das Gespräch über die Opposition, welche Ricord als Rebellen verfolgt, über Griechenland und Europa, war lang und lebhaft. Von dem russischen Schiffe ging ich, den Bruder des Präsidenten, den Grafen Augustin578, zu besuchen, einen jungen Mann von angenehmem Äußern und gefälligen Formen, in dem aber selbst die Freunde des Präsidenten umsonst irgendeine Eigenschaft suchen, die ihn zur Führung wichtiger Geschäfte, z.B. des Krieges, aus welchen er den Fürsten Ypsilantis verdrängt hat, geeignet machte. Den Tag vorher hatte ich mit Hn. Metzger, Gropius und einigen Gliedern der Opposition beim Fürsten Ypsilantis zu Mittag gegessen, für den Sonntag waren wir beim Präsidenten, in Gesellschaft von Hn. Chrysogelos, Glarakie und einiger anderer Personen, zu Tische. Die Gespräche bei Tische, der beinahe ganz auf französische Art bedient war, verbreiteten sich über München, Bayern, den König, die Stände, Fürst Wrede und meine Reise. Nach Tische ging der Präsident in die innere Lage des Landes, seine Mittel und Schwierigkeiten ein und in die wohltätigen Erfolge, welche sich mit dem von den Mächten verheißenen Anlehen, das aber 574 Panagiotis Rodios (1789-1851), als Kriegsminister beteiligt an der Gründung der Evelpiden-Schule. 575 Georgios Glarakis (1789-1855), Dr. med. aus Chios, 1828 - 1829 Außenstaatssekretär. 576 Pyotr Ivanovich Ricord (1776-1855), russischer Admiral, unterstand auf Beschluß Kapodistria’s seit 1831 die griechische Flotte. 577 Thiersch tituliert hier wiederholt den Admiral mit „General“. 578 Augustin Graf Kapodistrias (1777-1857), übernahm nach dem Tod seines Bruders die Regierungsgeschäfte, unter Umgehung des Parlaments, womit er sofort scharfe Opposition auslöste.

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noch nicht habe realisiert werden können, für Ackerbau, Handel, Industrie erzielen liessen. Gegen Abend, wo wir ihn verließen, ergingen wir uns noch auf der Strasse nach Tiryns, auf welcher, der einzigen offenen, sich die Bevölkerung von Nauplia in den buntesten und heitersten Trachten spazierend hin und her bewegte. Ich würde nicht Zeit finden, Dir die Geschichte der übrigen Tage in ähnlicher Weise zu schildern. Auch gleicht einer so ziemlich dem andern, nur die Personen, nicht die Sachen wechseln, gleich bleibt sich auch das Wohlwollen und die Beweise von Liebe, die ich von allen Seiten und Parteien, zwischen denen ich stehe, empfange. Öfter habe ich bemerkt, dass, wenn ich durch dichte Gruppen von Bürgern oder Militärs gehe, sie auseinander treten, und mich in ihrer Weise, die Hand an den Mund oder auf das Herz legend, still und bescheiden grüßen, und auf die Frage der mich nicht Kennenden ʌȠȚȩȢ İȓȞĮȚ (wer ist´s) nur mit meinem Namen, o ĬȒȡıȚoȢ, antworten. Am Montag fand ich um zehn Uhr, nach Hause kommend, ein Billet vom Präsidenten, der mich einlud, im Fall ich Zeit habe, ihn um ein Uhr zu besuchen. Ich war um diese Stunde beim Vater des Herrn Ritsos zu Tische geladen. Das Mittagessen wurde nach meinem Wunsch auf eine spätere Stunde verschoben, und ich hatte mit diesem unerklärlichen Manne, der jetzt noch das Schicksal von Griechenland in seinen Händen hält, eine Unterredung von beinahe zwei Stunden über die innern und äußern Verhältnisse des Landes. Nemea, den 8ten Okt.579 Ich überschreibe diesen Abschnitt mit einem klassischen Namen, obwohl der Ort, in dem ich schreibe, eine Stunde über Nemea hinaus liegt: Aber sein moderner Name, „Der heilige Georg“, will nicht in meinen Brief über Dinge des klassischen Altertums hineinpassen. Wir brachen diesen Morgen in verschiedenen Abteilungen auf, nachdem die Pferde, welche mir der Gouverneur bestellt, nicht gekommen waren, wir, d.h. ich, Hr. Metzger, mein Bedienter und ein berittener Palikare, dazu ein Packpferd. Auf der Straße nach Tiryns holte uns Hr. Gropius mit seinem Sekretär ein, in Tiryns ein junger Engländer, der seit sechs Jahren mit einem Diener aus dem Kaukasus und einem Palikaren aus Konstantinopel die Welt durchzieht, später noch ein französischer Architekt. Was alles mit den Führern der Pferde, die von ihren Tieren nicht lassen, eine sehr bunte 579 Der Schluß des Briefes vom 7.10. (Hrch. Th.: Th. Leben II, 73-77) und ein Brief vom 10. Okt. kamen nicht zum Abdruck. Kapodistrias‘ Ausführungen belehrten ihn, daß dieser die Dinge offen halten wollte bis der Prinz in Griechenland ankomme. Darauf stellte sich Th. die Frage: “(…) kann in diesem Falle man ihm den Prinzen mit einiger Sicherheit anvertrauen?” (II, 74) und schildert anschließend die Entmachtung der Eparchen, Demogeronten, Polizei und Justiz und den Aufbau einer Schnüffelpolizei. Thiersch beklagte, noch keine Nachricht von seiner Frau zu haben, die mit den Kindern vor der Cholera nach Murnau geflohen war, und erklärt ihr die Postwege über Triest und Marseille.

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und eigentümliche Gesellschaft bildet. Der Weg ging zuerst nach dem von Mykenä sich gegen die Ebene links hervorziehenden Gebirge, wo nach der Angabe des Pausanias, noch das Heraion gesucht werden konnte, wo nach Erklärung der Einwohner von Karbothi ein Paläokastron (Altes Schloss) lag, und wo Hr. Gordon580, der sich längere Zeit in Argos aufgehalten hatte, auf einer Jagdpartie durch einen Dänen aus der Gesellschaft auf diese alten Mauern aufmerksam gemacht, das Heraion glaubte gefunden zu haben. Schon in dem Dorfe Chonika, welches unter dem Paläokastron liegt, drei Stunden von Nauplia, eine Stunde von Mykenä, kamen uns Säulentrümmer eines großen Tempelbaues entgegen, und als wir den Berg hinanritten, zeigten sich bald in einer Lage, welche mit Pausanias Schilderung vollkommen übereinstimmt, die Überreste zyklopischer und hellenischer Substruktionen, letztere von großer Ausdehnung und Schönheit, eine Terrasse stützend, welche für die Aufnahme des Tempels vollkommen geeignet war. Die Blöcke von zwei Arten kolossaler Säulen und die Basis einer dorischen Seitenpforte, Reste von marmornen Dachziegeln, zuletzt der aus dicken Platten gebildete Fußboden des Tempels, den die Ausgrabung enthüllte, zeigten deutlich, dass wir uns auf dem Boden des viel-berühmten argivischen Heiligtumes befanden, nur beklagend, dass man im Verlaufe der Jahrhunderte die Ruinen, zur Steuer des Bedürfnisses benachbarter Orte fast alles ihres Schmuckes beraubt hat. Nachdem wir die Lage und Eigentümlichkeit des Heraions, so weit es nach den Umständen möglich war, untersucht, ritten Hr. Gropius und sein Sekretär nach der Stadt zurück, wir Übrigen aber zogen nach kurzer Ruhe in Karbothi auf der Straße nach Korinth dem Tale von Nemea entgegen. Der Weg führt in einer engen und wilden Schlucht, dem durchbohrten Berge (IJȡȘIJȩȞ ȩȡȠȢ) des Pausanias, empor, doch wird ihr Grund von dem immer fließenden Bache einiger Quellen bewässert, und diese Feuchtigkeit nährt in dem breiten Bette des Baches eine so frische und üppige Fülle der schönsten Gesträuche, dass hier erst mir ein Begriff hellenischer Vegetation aufging. So weit das Auge reichte, füllte den Grund ein Wald von blühendem Oleander mit der rotglühenden Fülle seiner Blumen, und eine unübersehbare Menge des feinsten Myrtengebüschs mit zarten Blüten und sprossenden Früchten suchte ihm den Besitz an mehreren Orten mit Glück streitig zu machen, während andere seltenere Gesträuche des Südens sich in bescheidener Unterordnung zurückhielten. Nach einem Ritte von etwa einer Stunde durch diese Engen, welche in neuer Zeit auch durch die Niederlage des Dramali berühmt geworden, kamen wir an die Stelle, wo von dem Wege nach Korinth der Weg nach Nemea sich links über die Anhöhe hinaus und bald nach einem von Süd nach Nord ausgebreiteten Tale wendet, in welchem uns bei der Umbiegung um einen Vorsprung bald der weiße Trümmerhaufen des nemei580 Thomas Gordon (1788-1841), schottischer Landedelmann, der 1810 u.a. Griechenland bereiste und 1821 sich in Hydra als Freiwilliger meldete. Er beteiligte sich an den Kämpfen mit mehreren Unterbrechungen und schrieb 1831 eine zweibändige sehr objektive Geschichte des Aufstandes.

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schen Zeus, mit drei aus den Ruinen noch emporragenden Säulen dorischer Ordnung in dem Lichte der Abendsonne entgegenschimmerte. Ein Erdbeben muss das herrliche Gebäude umgestürzt haben. Die runden Blöcke seiner Säulen liegen noch, wie diese fielen, aufgeschichtet neben einander, und die Verödung des Tales, das von keinem Dorfe besetzt und dessen fruchtbarer Grund großenteils der Weide preisgegeben ist, hat die Verschleppung jener Trümmer verhindert, der ersten von bedeutendem Umfang, welche wir in Griechenland fanden. Unsere Architekten hatten bald einen großen Teil der zur Messung nötigen Glieder zusammengefunden, andere wurden von dem Erfolge der Nachgrabungen erwartet, welche auf den folgenden Tag bestimmt waren, und wir schieden, sehr zufrieden über das, was wir getroffen, erst spät, um über eine andere Anhöhe in ein noch mehr westlich liegendes Tal, den Sitz des alten Phlious hinüber zu reiten, in dem sich der heilige Georgius angebaut hat. Wir kamen in der Nacht in dem hoch liegenden Dorfe an, und ich fand meine Wohnung im Hause des Demogeronten581, in einem Zimmer, das, wenn auch statt der Fenster nur Läden, doch einen Tisch und Stühle und einen bretternen Boden hatte. Nach einem recht guten Abendessen, bestehend aus Suppe, Pilaw und einem gebratenen Huhn und vortrefflichen Weintrauben fand ich noch Zeit, den Brief an Dich fortzusetzen. Noch immer fehlt von Dir die Nachricht und über die Kinder, doch kennend die Schwierigkeit der Kommunikation füge ich mich mit widerstrebendem Herzen in die Notwendigkeit länger zu warten. Die Witterung ist hier umwölkt, die vorletzte Nacht fiel Regen, der Thermometer zeigt in diesen hoch liegenden Orten nur vierzehn Grade, und von hier aus werden wir in Arkadien noch höher hinaufsteigen, um über die Seen von Stymphalos und Pheneos in das Tal des Ladon, aus diesem an den Alpheios vorzudringen. Nemea, den 9ten Okt. Ich habe diesen Morgen die Architekten mit Arbeitern und dem Geräte zu einer Leiter allein nach Nemea ziehen lassen und ihnen die Leitung der Ausgrabungen überlassen, weil ich für zweckmäßiger hielt, statt bei ihren mir fern liegenden Messungen gegenwärtig zu sein, die Altertümer in diesem bedeutenden Tale zu untersuchen. Den Morgen ritt ich mit einem Führer einen steilen Berg empor, auf dem ein Paläokastron liegen sollte. Auch sein Name auf der Karte, Polyphengos, zog mich an. Doch war oben nur die Ruine eines alten Klosters, das eigentlich diesen Namen trägt, der Berg selbst wird Gura genannt. An der östlichen Seite herab ist er von Höhlen ganz verklüftet, und über Abgründen, an eine starre Wand angemauert und die Öffnung einer großen Höhle schließend, hängt ein anderes Kloster höchst malerisch. Diese fast unnahbare Stadt und 581 Demogeronten waren gewählte Bürgermeister. Im Originaltext lautet diese Stelle: „fanden aber, da mir ein Palikare und Hr. Roß (s. Anm. 88) voraus geritten waren, die Wohnungen bereitet, die meinige…“

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Höhle hat bei einem Überfall der Araber des Ibrahim582 den Einwohnern von Ag. Georgios zu Zuflucht und Schutz gedient. Am Berge hinab stehen noch zwei Kirchen auf Trümmern alter Tempel. Den Nachmittag ritt ich, um die alte Stadt (ʌĮȜĮȚȐ ʌȩȜȚȢ) zu sehen, gegen Westen, und fand mich auf den Feldern bald von ihren Trümmern umgeben. Sie ward von einem Gießbache geteilt, der, in das Erdreich einschneidend, nicht selten bedeutende Reste zu Tage fördert. Am meisten haben sich deren in Trümmer zerfallene Kirchen, die den Griechen heilig sind, erhalten. Diesseits des Gießbaches sind solche Kirchen, sechs in einer Gruppe, auf Unterbauten alter Tempel. Auf dem andern Ufer (liegen), von einer fünfhundert Schritte langen Terrasse eingeschlossen, wenigstens eben so viele Substruktionen von andern öffentlichen Gebäuden, und auf der Burg, außen die zyklopische Substruktion und alter Unterbau mehrerer Tempel, noch die beinahe ganz erhaltene Kirche der Panagia, aus Werkstücken und andern Resten eines dorischen Tempels gebaut, von denen unter anderm im Innern noch ein Kapitell von der ausnehmendsten Schönheit sich vorfindet. Nach Vergleichung der Nachrichten bei den Alten ist kein Zweifel, dass hier Phlious gelegen, und so lassen sich auch die übrigen, dieses schöne und fruchtbare Tal betreffenden Nachrichten derselben an Ort und Stelle ordnen und erläutern. Spät um zehn Uhr Ich hatte bis dahin den Brief geschrieben, als ich durch die Zurückkunft der Architekten unterbrochen wurde. Sie haben alles gefunden, was zur Herstellung jenes schönen dorischen Tempels, mit den schlanksten dorischen Säulen, die man kennt, nötig ist. Am meisten Schwierigkeit hat die Leiter gemacht. In Ag. Georgios war so ein Instrument nicht zu haben, obwohl der Ort 250 Familien zählt und 500.000 Okaden583 Wein baut, und in Ermangelung von schmalen Bäumen mussten Dachbalken mühsam auf Saumtieren hingeschafft und zusammengenagelt werden. Noch fehlte die Höhe der vordern Seite, und sie waren über die Möglichkeit, die schwerfällige Maschine dahin zu bringen, nicht ohne Sorgen. Wie wir noch in diesem friedsamen Gespräch begriffen waren, wurde mir gemeldet, mein Diener habe eben aus Nauplia die Nachricht gehört, der Präsident sei ermordet worden.

582 Ibrahim Pascha (1789-1848), Vizekönig von Ägypten, ältester Sohn Muhammad Alis von Ägypten, war der Feldherr der 20 000 Mann starken ägyptischen Truppen, die von den Türken zu Hilfe angefordert waren und 1825 die Peleponnes mit einem Vernichtungsfeldzug überzogen und ganz Griechenland rückeroberten, während sich griechische Anführer mit den Regierungstruppen um die Befehlsgewalt stritten. Nach der Seeschlacht bei Navarino (1827) vom Nachschub abgeschnitten, musste Ibrahim ein Jahr später, am 1.10.1828, kapitulieren. 583 1 Oka (türkische Gewichtseinheit) = 1280 g

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Gleich die erste Nachforschung bestätigte diese arge Nachricht. Leute aus Ag. Georgios, welche diesen Morgen um sieben Uhr, wo der Mord geschehen, von dort abgegangen, haben sie gebracht. In der Kirche sei er überfallen und mit Stichen und Pistolenschüssen umgebracht worden. Die Soldaten hätten sich hierauf auf seine Feinde geworfen, mehrere einzeln gemordet, dann fünfzehn in einem Hause zusammengebracht und samt demselben verbrannt. Auch streifen einzelnes Militär bereits auf den Straßen und machen sie unsicher. Bald kam einer von den Augenzeugen. Der Präsident sei gegen halb sieben Uhr in die Kirche des Ag. Spiridion getreten. Zu beiden Seiten hätten Männer in weiten Mänteln gestanden. Wie er sich gebeugt, um das Kreuz zu machen, habe der eine auf ihn geschossen und ihn gefehlt, darauf aber der andere ihm eine Kugel in den Nacken und einen Stich in den Unterleib gegeben. Die Mörder seien Konstantin, Bruder des Mauromichalis, und Georgios, sein Sohn. Jenen habe ein Kreter von dem Gefolge des Präsidenten anfangs verwundet, dann zu Boden geschlagen. Dann sei er von den Soldaten nach dem Platze geschleift worden und in gänzlicher Entblößung, mit Wunden bedeckt, liegen geblieben. Noch zwei Stunden nachher habe er sich bewegt, bis ihn Lastträger fortgezogen und in das Meer geworfen hätten. Andere Unfälle seien nicht vorgekommen. Es hat also den Unglücklichen sein Schicksal schneller noch, als zu erwarten stand, und auf eine Weise, die von vielen voraus gesehen wurde, erreicht. Er fällt nicht unter den Schlägen einer Partei, sondern als ein Opfer der Rache einer Familie, die im Kriege Reichtum und einundvierzig Glieder verloren, deren letzten Sprössling er ohne Urteilsspruch in dem Gefängnisse gehalten, die er zur Verzweiflung getrieben hat. Unsere Reise ist dadurch wenigstens vor der Hand gestört. Wir haben einmütig beschlossen, vor allem nach Nauplia zurückzukehren, um zu erfahren, was geschah, wie es jetzt und was zu erwarten steht.

Nauplia, den 11ten Okt. Wir sind gestern auf unserer Rückkehr im ersten Teil des Tages in Nemea mit Messungen und Untersuchungen der Örtlichkeiten aufgehalten worden, heute mit Nachgrabungen im Heraion. Auf der Strasse überall tiefe Ruhe, hier in Nauplia das Volk in den Gassen, die Läden gesperrt, auf den Wällen die Trauerfahnen, doch keine Symptome ernsthafter Bewegung, und die Griechen haben durch ihre Haltung bei diesem schlimmen Falle gezeigt, dass sie Ordnung kennen und wollen. Auch der Peloponnes ist ruhig, in Hydra, dem Sitze der Opposition, allgemeine Trauer, nur ein Gefühl des Schmerzes über die Tat, was auch sonst die Meinung über die schlechte Regierung des Präsidenten war, und nur eine Besorgnis, dass nicht auf die Nation geworfen werde, was die Tat einiger Verzweifelter ist. Vor der Hand ist eine vormundschaftliche Regierung (İʌȚIJȡȠ-

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ʌȒ) aus Kolettis584, dem fähigsten Manne von Griechenland, aus Kolokotronis, der sich sehr gut benommen hat und zur Aufrechthaltung der Ruhe wesentlich beiträgt, und dem unbedeutenden Bruder des Präsidenten, Graf Augustin, zusammengesetzt, bei dem man die Rücksicht auf seinen Bruder vorwalten lässt. Eine Bürgerwehr ist mit dem Militär in Tätigkeit, und trotz mehrerer Aufreizungen der Beamten gegen die Anti-Kybernetischen, die Ruhe doch behauptet worden. Tripolizza, den 17ten Okt585 Ich beginne diesen Brief auf der ersten Station einer Reise, welche mich über Mantinea, Stymphalos, Pheneos in die Täler des Ladon und Alpheios, in diesen aber nach Olympia, dann über Phigalia, Messinien nach Sparta und von dort über Tripolizza und Argos nach Nauplia wieder zurückführen soll. Die Witterung ist fortdauernd für die Reise vortrefflich, die Luft etwas abgekühlt, aber noch sommerlich warm, für den Landbau ungünstig, weil jetzt Regen nötig und sonst gewöhnlich sind, ohne die das den Sommer über ausgetrocknete Feld nicht besät werden kann. Die Ruhe ist durch den Tod des Präsidenten nicht unterbrochen worden, bis jetzt wenigstens nicht, und dieser Umstand trug bei, unsere Abreise zu beschleunigen, um, im Falle es später zu feindlichen Bewegungen kommen sollte, wenigstens mit einem Teile der Reise sie übereilt zu haben. Ich hatte zu größerer Sicherheit mir vom alten Kolokotroni einige seiner berittenen Pallikaren ausgebeten. Dieser schickte mir am Morgen einen seiner besten Kapitäne, Serro, einen jungen Mann, der seit seinem fünfzehnten Jahre und dem Anfange der Revolution in allen gefährlichen Kämpfen mit Ruhm gedient hat. Dieser hatte für meine Sicherheit zu stehen und den Auftrag, aus den übrigen Leuten mit sich zu nehmen, wen er wolle. In Argos kamen wir überein, dass er ein paar unnütze Burschen (unnütz, weil sie uns überflüssig waren) zurückschicken und nur einen ʌİvIJȘțȩvIJĮȡȤoȢ, eine Art von Lieutenant, nebst einem vom argivischen Aufgebote, der auf einem Maulesel ritt, zur Besorgung seiner Pfer584 Ioannis Kollettis (1784-1847), griechischer Politiker walachischer Herkunft. Kapitani seit 1821. 1828 Gouverneur von Samos und ein Jahr später Verteidigungsminister. Unter König Otto I. war er Marine- und Verteidigungsminister sowie Botschafter in Frankreich. Von 1843-1847 griechischer Ministerpräsident mit französischer Unterstützung. Friedrich Thiersch und Kolettis waren langjährige Freunde. Ein Bericht über die Kolettis-Briefe an Thiersch findet sich im Anhang. Außerdem liegt vom gleichen Autor zusammen mit Konstantina Vergi-Tzivakos ein weiterer Artikel vor, „Griechische Politik im Spiegel der Briefe von Koletis an Friedrich v. Thiersch“, in: Der Philhellenismus und die Modernisierung in Griechenland und Deutschland, Thessaloniki 1985. Im Anhang II. dieses Bandes findet sich eine Zusammenfassung unter ähnlichem Titel, zuerst abgedruckt in: PHILIA Nr. 2/ 1988. 585 Im folgenden Brief fehlt der Anfang mit einer Aufzählung der bislang abgesandten fünf Briefe. (siehe dazu H. Th. II,81.)

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de bei sich behalten sollte. Der Pentekontarch war eine schlanke, aber wirklich heroische und stattliche Gestalt. Hr. Metzger nannte ihn den Hagen der Nibelungen, vor dem er aber die heitere Laune voraus hatte. Unterwegs sang er meist wie eine Lerche, und der ĮȖȦȖĮIJİȪȢ (der Pferdetreiber) hielt ihm Widerpart. Mir versicherte er, ich sei unter seiner Hut so sicher, wie in der Mutter Schoß. „Dein Schatten ist auf unserm Haupte“, setzte er hinzu. Wir selbst hatten vier Pferde, drei zum Reiten, für mich, Metzger und den Bedienten, und eines für das Gepäck. Unser Zug wuchs zu einer Karawane an, weil sich ein junger Engländer, Ross, der Sohn des Generals Ross586, mit seinem Maler, seinem Pallikaren aus Konstantinopel und seinem Bedienten aus dem Kaukasus an uns anschloss, die außer ihren Reitpferden noch zwei Packpferde mit sich führten. Nimm dazu, dass zu jedem Pferde noch ein Mann, der es treibt und besorgt, nebenher geht, dass, mich und Hr. Metzger ausgenommen, alles bewaffnet war, sogar mein junger Spartaner, der über einem Teil des Gepäckes auf seinem Pferde sich mit der Flinte ganz stattlich ausnahm, ferner, dass sich auf der Straße gemeiniglich einzelne Reisende an uns anschlossen, zu Fuß und zu Pferde, und du wirst Dir ungefähr eine Vorstellung von dem langen und bunten Zuge, dem Gemische europäischer und asiatischer Trachten, von Reitpferden, Packpferden, Fußgängern machen können, welcher sich besonders malerisch ausnahm, wie er sich eine Stunde südlich von Argos auf dem steilen Rücken des hohen Parthenion im Zickzack emporbewegte, oder in einer seiner Falten an einem beschatteten, reichen Quell, neben den Trümmern eines alten Tempels, zwischen den Schafen, Ziegen und Hunden arkadischer Schäfer ausruhte, um den Reisevorräten von Geflügel, Wein und Weintrauben zuzusprechen. Wir waren den ersten Tag nur bis Argos gekommen. Ein Freund von Hn. Ross, Herr Masson587, der durch einen Aufenthalt von sieben Jahren in Griechenland sich allgemeine Achtung erworben hat und jetzt als Advokat in Tripolizza lebt, wollte uns dahin begleiten. Am andern Morgen kam er ganz betroffen zu mir, um mir zu sagen, dass Georg Mauromichali, der eine von des Präsidenten Mördern, ihn zu seinem Anwalte gewählt habe. Ich riet ihm, wie auch nachher Hr. Ross, den Ruf nicht abzulehnen, sogar wenn Gefahr dabei sein sollte, ihm zu folgen. Habe Georg seine Teilnahme eingestanden, oder sei sie durch Zeugen erwiesen, so sei allerdings sein Geschäft auf Gründe der Milderung beschränkt. Aber er habe dabei zugleich dem griechischen Volke einen wesentlichen Dienst zu leisten, nämlich zu zeigen, dass jener Mord nicht seine, des Volkes, oder einer politischen Partei, sondern die Tat einiger auf das Äußerste getriebenen Individuen gewesen sei.

586 Alexander Ross (1742-1828), General aus Schottland. Sein Sohn wird hier von Thiersch erwähnt. 587 Edward Masson (1800-1873). Der Schotte kam als studierter Theologe als Hauslehrer nach Griechenland und begann danach Jura zu studieren. Generalstaatsanwalt (1834). Ging mit Thiersch 1832 in Argos zwischen die Fronten.

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Mir war nach den vielen traurigen Eindrücken und Erfahrungen der letzten Tage leichter zu Mute, als wir endlich am folgenden Tage nach einem Ritte von einer Stunde von Argos aus, an dem klaren Erasinos vorbei, neben einem höchst merkwürdigen alten polygonen Turme mit pyramidalisch sich verjüngenden Mauern empor (in der Nähe waren die Ruinen eines zweiten) die steilen Gebirge erstiegen, und durch ein enges Tal vom Dorfe Achladokampos, das malerisch zwischen Bäumen am Berge hing, endlich zu dem arkadischen Hochgebirge, dessen Gipfel hier das Parthenion, zur Rechten hin das Artemisium bilden, emporgelangten und von seinem erhabenen Rücken in die Ebene von Tegea hinabblickten. Wir waren zuletzt gegen zwei Stunden gestiegen, die Ebene hinter diesem großen Rücken liegt aber so hoch, dass wir schon nach sechzehn Minuten in sie hinabkamen. Die auf der argivischen Seite so gewaltigen Gebirge umstehen diese Hochebene nur als größere Hügel, außer im Hintergrunde, wo sie wieder kühn emporstreben und die zackigen Häupter des Mänalon oder Trikorypha (IJȡȚțȩȡȣija) bilden, an dessen Fuße Tripolizza sich aus seinen Trümmern wieder erhebt. Die Ebene von Tegea, in welcher diese neue Hauptstadt des Peloponneses liegt, erstreckt sich in zwei Armen nach Süd und Ost und in einer zwischen zwei und einer Stunde wechselnden Breite etwa vier Stunden lang nach Norden, wo sie mit der Ebene von Mantinea durch eine Wendung nach Westen zusammentrifft. Überall von Gebirgen umgeben, hat sie für ihre Gewässer nur einen unterirdischen Abfluss in dem östlichen Winkel. Es ist ein klaffender, jetzt ganz trockener Felsenrachen, in den man gegen vierzig Schritte weit hineingehen kann, wo er sich in kleinere Öffnungen zusammenzieht. Diese sind zum Teil verschlammt. Das Wasser, welches den Winter über von allen Bergen zusammenläuft, verwandelt deshalb bei gehemmtem Abflusse einen großen Teil des Tales in einen See, welcher im Sommer zu spät abläuft, als dass die Äcker noch könnten bestellt werden. Es gehört zu der schlechten Wirtschaft Kapodistria’scher Verwaltung, dass man nicht dazu gekommen ist, ja noch nicht daran gedacht hat, die Löcher, wie es in frühern Zeiten, manchmal sogar unter den Türken, geschehen ist, durch Ausführung des Schlammes zu reinigen und zu erweitern, und dadurch eine der fruchtbarsten Flächen dem Anbau zu sichern588. Bei der hohen Lage des Tales ist das südliche Klima mit seinen Erzeugnissen verschwunden. Es trägt weder den Ölbaum, noch Baumwolle, sondern nur Getreide und Wein, beides von vorzüglicher Güte, und die Anhöhen sind, wie in alten Zeiten, mit Herden bedeckt. Wir kamen erst bei Nacht in Tripolizza an. Der Mondschein, welcher zwischen den öden Trümmern zerstörter Häuser und in den hohlen Fensteröffnungen lag, gab dem Ganzen einen gespensterhaften Anblick, und der Ort schien von den Geistern der 14.000 Türken angefüllt, die hier, ein Opfer der Rache des Siegers, gefallen sind. Erst am andern Morgen bemerkten wir, dass die Stadt wieder gegen 200 neugebaute Häuser zählte, die aber noch ziemlich dünn zwi588 Diesen Satz, wie fast jede Kritik an Kapodistrias´ Verwaltung, hat die Redaktion in den Beiträgen unterdrückt. (H. Th. II,83)

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schen den Trümmern gesät sind. Wir waren kaum im Hause des Herrn Masson (er selbst war nach Nauplia zu seinem traurigen Geschäft abgegangen) ein wenig eingerichtet, als der Astynomos (Polizeidirektor) von Tripolizza kam, um mich in seinem und des Dioiketes (Gouverneur) Namen zu begrüßen. Der Gouverneur sei von Alteration über den Tod des Präsidenten noch krank und könne deshalb seine Pflicht gegen meine „ehrwürdige Person“ (ıİȕȐıȝȚov ʌȡȩıȦʌov) nicht erfüllen, die in ganz Europa berühmt und auch zu Tripolizza durch die Zeitung bekannt sei. Heute früh kamen gar die Behörden vom Militär (der Bruder des Kolokotroni, der Kapitän Johann an ihrer Spitze) und vom Zivil, worunter der ȑțțȜȘIJȠȢ IJȘȢ ȆİȜȠʌȠȞȞȒıȠȣ, der Präsident vom Appellationsgerichte des Peloponneses, mir den Besuch zu machen. Auch die Lehrer der hellenischen Schule hatten sich angeschlossen, und ich wusste in der Verlegenheit nicht, wie ich mit so vielen ausgezeichneten Personen in meiner beschränkten Wohnung in Ordnung kommen sollte. Da geht also die Not schon an darüber, dass der Präsident durch die Bekanntmachung in seiner Zeitung mich herausgestellt hat. Kaum dass sich ein ĮvIJȚțȣȕİȡvȘIJȚțȩȢ vor mir blicken lässt. Hier sah ich von dieser Farbe nur einen jungen Deligiannis589, der über mich von den Seinigen Nachrichten aus Nauplia hatte. Wir haben einen Teil des Morgens mit Gegenbesuchen bei den vornehmsten der genannten Herren zugebracht und sind darauf nach dem Dorfe Piali590, zwei Stunden von hier, dem alten Tegea, geritten, wo aber, eben weil ein Dorf seinen Platz einnimmt, von Ruinen wenig zu finden ist. Einige kostbare architektonische Trümmer an und in der Kirche, und Schäfte von gewaltigen Marmorsäulen, deren Trümmer an Brunnen und Häusern zerstreut sind, deuten allein auf die alte Pracht. Im Garten, der Kirche gegenüber, haben vor etwa vierzig Jahren die Türken eine Menge Säulen ausgegraben und nach Tripolizza, zum Schmucke einer neuen Moschee, abgeführt. Dass der Boden noch nicht erschöpft ist, zeigt eine halbe weibliche Marmorstatue von guter Arbeit, die neulich dort bei Ausgrabungen eines zehn Fuß tiefen Brunnens zu Tage gekommen ist.

Tal von Stymphalos, 20ten Okt. Wir sind vorgestern früh von Tripolizza ausgeritten, um die Ruinen von Mantinea zu besuchen. Der Kapitän Kolokotroni, welcher sich unter diesen archäologischen Merkwürdigkeiten und den Dingen, die dabei vorkommen konnten, mehr denken mochte, als er fand, hatte sich unserm Zuge angeschlossen, desgleichen ein junger Mann aus Tripolizza, Manettas591, vor kurzem durch die 589 Die Familie Deligiannis war eine angesehene Familie auf der Peleponnes. Mehrere Mitglieder der Familie waren politisch aktiv. In Nauplia korrespendierte Thiersch mehrfach mit ȋĮȡĮȜȐȝʌȘȢ ǻ. (1785-1864) und dessen Sohn ȆȑIJȡoȢ (1812-1872). 590 Piali, heute Statdtteil von Tegea. 591 Konstantinos Mannetas (1807-1867), Abgeordneter für Tripolizza (1847-1864).

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Gewalt der kolokotronischen Soldaten der Stadt zum Abgeordneten aufgedrungen (nicht weniger als 400 angesehene Bürger der Stadt und Umgegend sollen dabei in Arrest gekommen sein). Wie wir nach einem Ritte von etwa zwei Stunden westlich in das Tal von Mantinea einbogen, fanden wir die Weinernte in vollem Gange, und jeden Weingarten, dazu die breite Straße zwischen ihnen, mit Menschen und Eseln angefüllt. Denn auch hier geht kein Rad über die Straße, und die Ernte wird auf jenen Tieren nach Hause gebracht. Auch hatte die Ernte nicht den Charakter von Fröhlichkeit und Festlichkeit, den man besonders in dem ländlichen Arkadien erwarten sollte. Die Leute sind ernst und schweigsam und gehen ohne viele Umstände an ihr Geschäft, doch wurden uns beim Durchreiten von mehreren Händen Trauben geboten und ein ernsthafter Gruß von manchem Munde. Tiefer hinein senkt sich das Tal von Mantinea in Niederungen, auf denen, wie in den vordern, während eines großen Teiles des Jahres die Gewässer sich halten, weil auch hier der Schlund (țĮIJĮȕȩșȡĮ) verschlammt ist, welcher sie ehedem regelmäßig abgeführt hat. Die Ruinen der Stadt Mantinea liegen im hintern Teile des Tales, dem Ankommenden zur Rechten, vor einem beträchtlichen, frei in der Ebene stehenden Berge (Gurzuli) auf dem flachen Grunde ausgebreitet. Schon von ferne erscheint die weiße Linie der Ringmauer fast ohne Unterbrechung in einem Oval, das von Nord nach Süd die Ausdehnung einer halben Stunde, von Ost nach West zwei Dritteile der Länge hat. Von dem genannten Berge ist dieses Schema der Stadt sehr deutlich zu sehen. Die Mauern aus schönen Werkstükken, zum Teil aus Polygonen gebaut, stehen, nebst den vorspringenden Türmen, vier bis acht Fuß aus der Erde, von einem im Sommer trockenen Graben eingefasst. Nur gegen Norden hat er von einigen Quellen wenig Wasser. Den Winter über füllten ihn Gießbäche (des Ochus), welcher von der andern Seite der Stadt seinen Lauf quer durch das Tal nach der Katabothra der südlichen Berge nimmt, die ihn verschluckt. Im Innern ist Lage und zum Teil Gestalt des Theaters des Junotempels und einiger anderer Gebäude wohl zu unterscheiden, der ganze Raum mit Feld bedeckt, das von größerer Güte als das übrige des Tales sein soll, und von ihm sind jetzt die letzten Hütten verschwunden, welche noch vor kurzem den Boden der alten Mantinea bezeichneten. Wir ritten den Abend, nachdem wir den Tag mit Untersuchungen, Messungen und Betrachtungen der umliegenden Altertümer zugebracht hatten, noch eine Stunde weit auf dem Wege nach Orchomenos bis Kakuri, wo Herr Mannetas zu unserer gastlichen Bewirtung alle Vorkehrung getroffen hatte. Das Abendessen war echt hellenisch an Gehalt und Art. Es bestand aus gebratenem Geflügel und Hammel. Wir „Europäer“ hatten uns mit Tischzeug eingerichtet, mit dem wir, obwohl den Übrigen gleich auf der Erde hockend, ziemlich ausreichten. Für die Übrigen ward ein zweiter Tisch, gleich dem unsrigen einen halben Fuß hoch, auf den Boden gestellt, ohne Tischtuch, ohne Teller, Messer oder Gabel. Sie hockten um ihn her, und als der įĮȧIJȡȩȢ (der Koch) das Fleisch auf dem hölzernen Tisch zerlegt hatte, griff ein jeder mit den Fingern danach und wusste ohne

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weitere Hilfe als die der Zähne mit den sehr großen und vom Fette blühenden Stücken fertig zu werden. Eine Schüssel mit Hühnern in einer Brühe ward aufgetragen. In diese tunkten sie das Brot mit den Händen und wischten diese am Ende an den Fetzen ab, die von dem flachen, kuchenähnlichen, ungesäuerten Brot übrig geblieben waren. Und das waren Männer, an einen gewissen Wohlstand gewöhnt, und zu der Klasse wohlhabender Landbesitzer, aber des innern, vom Verkehr mit Fremden abgeschnittenen Landes gehörig. Während dieses geschah, standen ihre Diener, der Aufträge wartend, hinter ihnen, der eine mit einer silbernen Schale, in die er unaufhörlich Wein aus einer hölzernen Flasche goß, die von Zeit zu Zeit aus einem Schlauche, wie man sie bei den Bildern des Silenus sieht, wieder gefüllt wurde. Diese silberne Schale ging im Kreise um, und war das Einzige, an dem Pracht zu bemerken (war), die Waffen unserer Gefährten ausgenommen. Das Interesse der Szene mehrte sich noch, als in den gebräunten vier Wänden, die uns als Saal dienten, und in deren tiefen Hintergrunde das wirtliche Feuer des Herdes brannte, die Tische von uns zu der Dienerschaft wanderten, und nun diese sich, der Held Hagen, der bis dahin wie Meriones dem Idomeneus dienend zur Seite gestanden, an ihrer Spitze, jetzt zwischen jenem Feuer und uns in der Mitte mit den Resten des Mahles einrichtete, während uns und den Gefährten die Pfeifen gebracht wurden und der alte Kriegsheld, von dem Weine wie von meiner Neugierde bewegt, sich über die Taten und die Ereignisse des Kampfes verbreitete, an dem er unablässig Teil genommen. Ich bemerkte auch hier, dass in diesen Erzählungen gar nichts Ruhmrediges liegt. Es wird wie eine ganz fremde Begebenheit, ich möchte sagen episch, vorgetragen, auch hat sich keiner des andern zu überheben. Jeder hat geholfen, und bis in die letzte Bauernhütte findet man Flinten, Säbel und andere Waffen, welche ehedem türkisches Eigentum gewesen sind. Auch hat das Volk das Bewusstsein seiner Kraft und ist deshalb, wie sich auch die Oberfläche bewegt, ruhig. Überall, wohin die Kunde von des Präsidenten Tode drang, war gleich alles bei der Hand, die Ruhe zu schützen. In Argos, wo die undisziplinierten Soldaten Miene zum Plündern machten, waren, ehe zwei Stunden vergingen, 2000 Mann bewaffnet und zur Verfügung des früher städtischen Generals Zakais592, den ich mit seinem Generalstabe barfuss getroffen hatte, lauter bewährte alte Kriegsleute, die aber jetzt ein Eigentum zu schützen hatten und entschlossen waren, es sich nicht nehmen zu lassen. Wir waren den andern Morgen um acht Uhr auf dem Wege über einen flachen Bergrücken in ein weiter westlich liegendes Tal. Auf einen mitten hinein tretenden Bergrücken, der sich zu einem hohen Gipfel erhebt, lag Orchomenos. Die zyklopischen Mauern der Burg, Reste eines schönen dorischen Tempels, darunter fünf Kapitelle und andere Spuren der alten Stadt sind noch zu sehen (bei dem Dorfe Kalpaki). Die Aussicht von dem Gipfel ist unvergleichlich, auch 592 ǽĮțĮȒȢ, General, Stadtkommandant von Argos.

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in die hinteren Täler mit einem jetzt beinahe ganz ausgetrockneten See, von dem die Burg umgeben ist. Auch hier findet sich eine noch mehr verschlammte Katabothra und dieselbe Sorglosigkeit der Regierung593. Der Abend brachte uns über Kandyla an sehr malerischen Höhlen und Klostergebäuden vorüber und über raues Gebirg in das Tal von Stymphalos hinab, das sich im Winkel mit dem von Orchomenos von S.n.N. etwa vier Stunden lang ausbreitet, von gleicher Abgeschlossenheit durch Gebirge und an gleichen Übeln leidend. Wir fanden spät im Dorfe Kauka das für uns schon bereitete Quartier. Die Nacht über gab es Regen und auf den Bergen Schnee. Das Thermometer stand nur auf vier Grad in diesem Hochlande. Wir ritten, die Beschaffenheit des Tales, seine halbverschlammte Katabothra und die Ruinen von Stymphalos zu sehen, die sich neben einem öden Bergrücken befinden, der die zyklopische Burg mit runden Türmen trug, und durch einen von einer ungleichen Mauer gehaltenen Weg mit der Stadt verbunden ist, näher zu untersuchen. Auch hier liegt der schönste und fruchtbarste Teil des Tales dem Anbau entzogen, weil er zu spät im Jahre vom Wasser frei wird. Doch war er wie regelmäßig mit Karst und Hacke umgehackt. Wie ich nach den Arbeitern fragte, die das getan, und zu welchem Zwecke, zeigte man mir in der Ferne große Herden schwarzer Schweine, die noch an der Arbeit waren, den Grund umzuwühlen. Mir fielen die Schweine der Ägypter bei Herodot ein, welche statt des Pflugs nach Zurücktreten des Nils auf die Felder getrieben wurden. Dann wurden die Äcker besät. Was in diesem hoch liegenden Lande mit seinen abgeschlossenen Tälern, schönen Gebirgen und ernsthaften, redlichen Bewohnern mich besonders anspricht, ist etwas Heimatliches in der Natur, dem Klima, dem Leben sogar, und doch wieder dieser durchgehende Charakter des Idealen und Klassischen, der auch hier allen Erscheinungen aufgedrückt ist. Dieses wunderbare Licht neben tiefem Dunkel an dem klarsten Himmel und den ragenden Gebirgen, wenn die Sonne eben gesunken ist, der seltsame Reiz der wechselvollsten Farben, welche dieses Heitere des klarsten Tages über den von Gebüsch und Gestein bunten Teppich dieser kühnen, hochgipfligen und weitgezogenen Gebirge ausbreitet, und wieder dieses Geheimnisvolle der von ihrem Gebirge ganz eingeschlossenen, durch unterirdische Schlunde allein verbundenen und wie mit den Trümmern alter Städte, so mit großen Namen und der Erinnerung alter Taten geschmückten Täler – alles das verbreitet auch jetzt noch über Arkadien einen Zauber, von dem die kahle und verbrannte Meeresküste bei Argos und das unerquickliche Nauplia mit dem Gewirre seiner Leidenschaften entblößt sind.

593 „(…) noch größere Verschlechterung derselben und dieselbe Sorglosigkeit der Regierung)“ Hrch. Th.: Th. Leben. I.I, 87.

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Korinth, 24ten Okt 

Meine Reise durch den Peloponnes wird zum zweiten Male durch die politischen Ereignisse unterbrochen. Wir waren am 21ten früh über die westlichen Gebirge von Stymphalos nach Phineos (Phonea) geritten, dessen schönes und fruchtbares Tal durch gänzliche Verstopfung des Abzugs sich in einem seit zehn Jahren stets höher steigenden See verwandelt hat. Neun Dörfer sind außer Nahrung und in tiefe Not gebracht worden, und noch hat die Regierung nicht einmal über die Möglichkeit der Hilfe Untersuchungen veranstaltet. Wir hatten die wenigen Überreste der alten Burg und Stadt auf einem Hügel, der jetzt als ein Vorgebirge in das offene Meer hineinreicht, untersucht, und waren am Morgen bereit, über Lykuria den Weg nach Olympia zu suchen, als mir ein Mann mit einem Brief gemeldet ward. Er war von Hn. Gropius geschickt und hatte den Auftrag, meiner Spur zu folgen, bis er mich fände. Er brachte eine Einladung der Kommission von Hydra, von Miaulis, Trikupis594 und Zaïmis595, sobald als möglich nach Hydra zu kommen. Ein Brief von Trikoupis an Gropius bezeichnete die Sache als ganz friedlich, aber höchst wichtig, und Gropius unterließ nicht, mich dringend aufzufordern, dass ich meine Reise abbrechen, oder auf das Äußerste abkürzen, und über Nauplia nach Hydra gehen solle. Es war offenbar, dass sie und ihre in Hydra versammelten Freunde, die Abgeordneten sämtlicher Inseln, mich als einen keiner Partei angehörigen und durch meine Gesinnung für Griechenland bekannten Philhellenen zum Mittler zwischen sich und der provisorischen Regierungskommission ausersehen hatten, und der Versuch, durch Annäherung der gespaltenen Parteien neues Unheil von Griechenland abzuwenden, war wohl wert, dass, so empfindlich es auch war, die Aussicht nach Olympia sich zu verschließen, ich dieses unbedenklich tat. Nach einigen Stunden war ich von meiner Reisegesellschaft mit den Meinigen getrennt und, während Herr Ross seinen Weg nach Westen fortsetzte, auf dem Rückweg nach Stymphalos. Nur dieses gestattete ich mir, durch einen Umweg über Sikyon und Korinth den Weg nach Nauplia zu suchen, da der Unterschied nur drei Tage ausmachte. Die Eile der Reise gestattet jetzt keine weitere Schilderung. Aber das Schauspiel, welches uns sich öffnete, als wir über Kesara durch das letzte Hochtal von Arkadien hinauf, dann gegen den Meerbusen von Korinth herabstiegen, die Pracht und Größe der Gebirge von Phokis, Böotien und Akarnanien, der Helikon und Parnassus und gegenüber der beschneite Gipfel 594 Spyridon Trikoupis (1788-1873), Politiker und Staatsmann. Im griechischen Freiheitskampf bekleidete er die wichtigsten Posten in der Verwaltung und der Diplomatie. 1833 Premierminister. 595 Andreas Zaimis (1791-1840), war Demogeront von Kalavryta, als der Aufstand begann und gehörte der Philiki Etairia an. Beteiligte sich an der Eroberung von Patras, der Schlacht gegen Dramali Pascha u.a. Die zweite Nationalversammlung von Astros wählte ihn in die exekutive Körperschaft, der er zeitweilig 1827 vorstand. Unter König. Otto wurde er Reichsrat und Vorsitzender des Ministerrats. Obwohl Mitglied des Panhellenion, schloss er sich bald den Gegnern Kapodistrias’ an.

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der Kyllene, zu ihren Füßen das blaue Meer gegen Westen in einer majestätischen Straße sich endlos ausbreitend, gegen Osten durch den Isthmus beschränkt und von Akrokorinth bewacht, ist zu schwer zu schildern. Wir hatten gestern Zeit genug, bei Basiliko die Ruinen von Sikyon zu sehen und noch, obwohl spät, in Korinth anzukommen. Der Gouverneur gewährte uns gastfreundliche Aufnahme in seinem eigenen Hause. Wir haben diesen Morgen die Ruinen der Stadt, die alten und neuen, (auch Korinth entsteht wieder aus seiner Asche, und zweihundert Häuser sind neu gebaut) und die Burg gesehen, auf ihr das erhabenste Theater der Natur, das vielleicht Europa darbietet: Die beiden Meere mit ihren Inseln und Küsten, rechts bis gegen Sunion, links bis gegen Patras, verbunden durch den schmalen Strich des Isthmus, der nur einer verständigen Regierung wartet, um ihn durch leicht zu öffnende Gräben Durchgang zu verschaffen und Korinth, durch Vereinigung aller, das Mittelmeer hinund herfahrenden Schiffe in seinen Kanälen, über Konstantinopel zu erheben. Den Nachmittag Ritt zu den Ruinen des Neptun und dem Tale des Isthmus, wo die isthmischen Spiele gefeiert wurden. Morgen früh nach Nauplia zurück.

Nauplia, den 26ten Okt. Wir sind gestern Abend auf dem kürzesten Wege über die Gebirge von Ag. Oros aus Korinth in Nauplia angekommen. Ich habe über meine Einladung nach Hydra mit den Gliedern der Regierungskommission hier und mit den Residenten von Frankreich und England Rücksprache genommen und gehe diesen Abend mit einer Kommission von Hydra, die ebenfalls in friedlicher Absicht hier war, dahin ab, um das Geschäft eines Friedensstifters in der hellenischen Politik zu versuchen. Nach meiner Rückkehr das Weitere.

Hydra, den 31ten Okt. (…) Wir kamen nach einer glücklichen Fahrt während der Nacht vom 27. auf 28. Oktober am Morgen des letzten Tages in das Angesicht der Insel, die auf einem öden Felsen im Hintergrund einer unbequemen Bucht kühn und hoch hinaufgebaut ist und dem Reisenden, der bis jetzt in Griechenland nur Hütten und Ruinen gesehen, zu seiner Verwunderung das Bild einer großen, saubern, mit Kirchen und Palästen geschmückten Stadt darbietet. Der Hafen war fast verödet, eine russische Brigg, die ihn belagert hielt und unter ihrem Schutze zwei Briggs der Regierung hatte, trug dazu bei, das Vertrauen und die Tätigkeit noch mehr zu brechen. Im Grunde des Hafens stand viel müßiges Volk. Ob aber wohl die Geschäftlosigkeit und damit die Not groß ist, bleibt die Ruhe doch unerschüttert. Keine Polizei, kein Militär bewacht sie: Das Volk trägt und schweigt, hier wie überall, und sogar Diebstahl und Bettel sind unerhört.

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Gleichwohl sagt man, dass die Griechen unruhig und einer guten Regierung unfähig sind. Kein Volk ist leichter zu regieren, wenn es nur einigermaßen gut behandelt wird, und keines verdient mehr, gut regiert zu werden. Meine Ankunft war seit mehreren Tagen erwartet worden. Ich ward in das Haus des guten und verständigen Navarchen Miaulis von seinem Sohne Antonios geführt, und in diesem schönen palastähnlichen Gebäude mit marmornen Vorsälen und schönen Diwanen in den besten Zimmern untergebracht. Der Admiral war leider an einem Fieber krank, das ihn nur von Zeit zu Zeit verließ, doch nahm er an den Vorgängen und Gesprächen lebhaft Anteil. Die Einladung nach Hydra zu kommen, die ich im Namen der Hydrioten und der dort versammelten Abgeordneten von ihrer Kommission Miaulis, Trikoupis und Zaïmis bekommen hatte, war allgemein. Hier erfuhr ich, dass man von mir bestimmte Nachrichten über die Verhältnisse von Griechenland zu Europa, über die Lage der Sache in Nauplia, die ich genauer zu kennen Gelegenheit gehabt hatte, über die Hoffnungen wegen eines bayerischen Prinzen, zugleich aber auch Rat über das begehrte, was von Seite der Abgeordneten nach Zurückweisung der Kommission geschehen könnte, um einem Bruche zuvorzukommen. Ich teilte über die ersten Punkte mit, was ich wusste, und was von der Art war, dass es sie beruhigen konnte, fand aber viel Niedergeschlagenheit und Sorgen, dass man von Seiten der Residenten Frankreichs und Englands die Regierungscommission ohne Rücksicht auf ihren illegalen Ursprung und auf die Spaltung der Nation, ohne irgend eine Stipulation für den Frieden, ohne weiteres anerkannt habe, dass man die Insel als eine Übeltäterin von den Russen bewachen ließ, während eine bewaffnete Regierungskommission mit sechs Schiffen den Archipelagus durchstreifte, um den Bewohnern Wahlen im Sinne der gewalttätigen Machthaber von Nauplia aufzunötigen. Das Beste und für die Sache der Nation gegen ungesetzliche Gewalt Heilsamste schien mir zu sein, wenn die sämtlichen hier versammelten Abgeordneten und ihre Freunde, die man hierher bescheiden konnte, einige hydräische Schiffe besteigen und statt einer Kommission selbst in Masse nach dem Hafen von Nauplia unter Schutz der Residenten segeln wollten. Sie würden dadurch zusammengehalten, in Bewegung gebracht, mit den Residenten und den Freunden dort in Verkehr gekommen sein und Gelegenheit gefunden haben, sich von dem Zustande der Dinge selbst zu überzeugen, und die nötige Sicherheit für den Fall zu stipulieren, wo sie sich mit den andern vereinigen und zur Nationalversammlung kommen wollten. Wahrscheinlich würde die Erscheinung von mehr als einem Drittel der Abgeordneten des Volkes, von Männern, die das öffentliche Vertrauen hätten, den nötigen Eindruck hervorbringen und die andern zum Zugeständnisse desjenigen bewegen, was dem Recht und der Billigkeit gemäß sei, wo nicht, so würden sie mit derselben Sicherheit nach Hydra zurückkehren und hätten wenigstens der Nation und den Mächten gezeigt, dass sie alle möglichen Schritte zur Vereinbarung zu tun bereit wären. Die aus-

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gezeichnetsten Glieder der Versammlung, wie die Brüder Kountouriotis596, Mavrokordatos597, Trikoupis, Zaïmis teilten diese Ansicht. Es ward eine Versammlung auf den folgenden Tag sämtlichen Abgeordneten angesagt. Auch die angesehensten Hydräer und Fremden in Hydra erschienen dabei. Ein großer Saal im Hause des Herrn Bulgaris598 diente zur Beratung, in welche der ältere Kounturiotis, Lazaros, einer der ehrwürdigsten, einflussreichsten und unbescholtensten Männer von Griechenland, Präsident dieser Vereinigung, mich einführte. Er trat mir seinen Stuhl ab und saß zu meiner Rechten. Ich bat Trikoupis, sich mir zur andern Seite zu setzen und mir, im Fall ich, der Sprache nicht vollkommen mächtig, mich über einzelnes nicht deutlich und bestimmt genug ausdrücke, als Gehilfe und Dolmetsch zu dienen. Ich trug hierauf im Zusammenhang vor, was ich zu berichten und zu raten hatte. Es war Nacht. Draußen ging ein gewaltiger Sturm und hauste lärmend in den Fenstern des altertümlichen Magnatensaales. Die Versammlung rückte deshalb, um mich besser zu verstehen, ganz nahe heran und saß am Ende teils in faltiger orientalischer, teils in europäischer Tracht am Boden auf untergeschlagenen Füßen und auf Stühlen dicht vor mir. Über ihnen schauten noch einige Reihen aufmerksamer Köpfe in den Kreis. Nachdem ich geendet, sprachen noch meine Nachbarn und Zaïmis. Es entspann sich ein Gespräch über die Schwierigkeiten, über die Lage der Dinge, über Mittel, Wege, Hoffnungen, und man beschloss am Ende, den Vorschlag für den nächsten Tag in noch weitere Beratung zu ziehen. An jenem zweiten Tage lehnten sie den Rat ab: Auch wenn man in Nauplia ihnen Versprechungen und Zugeständnisse machte, würden sie in Argos, dem Ort der Versammlung, wo die Soldaten Kolokotronis’ hausten, nicht sicher sein. Dazu würde man nach der Art, wie man der ersten Deputation begegnet habe, nicht einmal auf sie einige Rücksicht nehmen, sondern sie entweder nach Argos ohne weiteres, oder nach Hydra zurückweisen, eine Begegnung, welche ihrer Würde und ihrer Sache gleich nachteilig sei und sie bei ihren Kommittenten herabsetzen würde. Sie 596 Georgios Kountouriotis (1782-1858). Von 1824 bis 1826 war er Präsident der Exekutive. Er gehörte zu Kapodistrias´ Opposition. 1848 wurde er Premierminister König Ottos. Lazaros Kountouriotis (1769-1852) hat den Befreiungskrieg finanziell unterstützt. Danach wurde er Senator unter Otto. 597 Alexandros Mavrokordatos (1791-1865), Fanariot mit westlicher Ausbildung. Von seinem Onkel, dem Hospadar der Wallachei, politisch geschult, begann er 1821 sich politischen und militärischen Problemen der Koordination zu widmen. Als erster Präsident der Nationalversammlung und Vorsitzender des Exekutivausschusses bemühte er sich als Führer der englischen Partei um politische und finanzielle Unterstützung aus London. Sein Führungsanspruch auch in militärischen Fragen hat ihn bald in Gegensatz zu Kolokotronis gebracht und das Debakel von Arta mitverschuldet. Unter der Regentschaft hat er kurzfristig griechische Außenpolitik als Staatssekretär bestimmen können, wurde aber sehr schnell abgelöst und als Gesandter zuerst in München, dann in London beschäftigt. 1841 nochmals als Außenstaatssekretär tätig, hat er 1843 an der Verfassung mitgearbeitet. 598 Dimitrios Voulgaris (1801-1878), Politiker, war mehrfach Finanz- und später Innenminister und gehörte zur Kapodistrias-Opposition.

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hielten deshalb für notwendig, dass man auf die frühere Versammlung von Argos zurückkäme, welche Kapodistrias vor drei Jahren gehalten. Diese sei nicht aufgelöst, sondern nur vertagt worden und solle an einem sicheren Orte, z.B. in Aegina, vereinigt werden. Zwar seien auch gegen diese Versammlung gerechte Beschwerden gewesen: Gegen den Präsidenten habe sie sich zu nachgiebig gezeigt und ihm die Wege willkürlicher Gewalt geebnet, indes seien in der letzten Zeit mehrere Abgeordnete zur Besinnung gekommen, und auf jeden Fall sei sie unter zwei Übeln das kleinere. Ich ließ mir die zur Sache gehörigen Beschlüsse jener Versammlung vorlegen und sah zu meiner Verwunderung, dass sie nicht nur noch rechtlich besteht, sondern auch gar nicht aufgelöst werden konnte, ohne zu einer neuen Sitzung wieder vereinigt zu sein. Denn sie hatte sich nur vertagt bis zu der Zeit, wo der Präsident ihr die Verfassung oder die Entscheidung von Europa über Griechenland vorlegen würde. Sie hatte sich das Recht vorbehalten, über den einen und den andern Gegenstand zu beraten und zu entscheiden. Der Präsident hatte diesen durch den Vorgang der Versammlung von Troïzen gestützten Beschluss mit seiner Bestätigung begleitet und dadurch zum Gesetze erhoben. Die Versammlung bestand also rechtlich noch, obwohl ihre Glieder zufällig zerstreut waren, sie hatte ihren Präsidenten (Sisinis)599, ihren Sekretär (Jakobaky Ritsos), ja sie war die einzige politisch konstituierte Macht beim Tode des Präsidenten und Sisinis sofort das gesetzliche Oberhaupt der Nation. Zwar hatte jene Versammlung für den Todesfall des Präsidenten Vorsorge getroffen und diesen ermächtigt, testamentarisch eine Regierungskommission zu ernennen, welche nach seinem Tode sogleich die Versammlung berufen solle, und das Testament in der Gerusia niederzulegen. Aber ein solches Testament wurde nicht gefunden: Der leichtsinnige Mann hatte nicht daran gedacht, für diesen dringenden Fall die ihm durch das Gesetz auferlegte Vorsorge zu treffen, und statt den Präsidenten Sisinis aufzufordern, ohne weiteres in seine Rechte einzutreten, übertrat die Gerusia (eine Art von Staatsrat) ihre Befugnisse und ernannte ganz willkürlich, den Drang der Umstände vorschützend, eine Regierungskommission, welche bald ihrerseits über ihre Befugnis hinausging, die auf Berufung der Versammlung beschränkt war, und sich in der Machtvollkommenheit von Kapodistrias nur noch willkürlicher bewegte. Das alles war nun ganz offenbar und die neuen Wahlen, ohnehin das Werk der Gewalt, waren mit vollkommener Nichtigkeit geschlagen, zumal auch die Gerusia selbst gegen sie, als gegen ungesetzliche, sich verwahrt hatte. Indes waren unter den in Hydra versammelten Abgeordneten etwa zehn, welche nicht Mitglieder der Versammlung von Argos gewesen waren, und deshalb durch die Einberufung derselben wären aus dem Spiele gesetzt worden. Diese 599 Georgios Sisinis (1769-1831), Demogeront von Gastouni in der Region Elis, beteiligte sich aktiv an der Vorbereitung des Aufstandes 1821. Er saß in allen Nationalversammlungen, deren Vorsitzender er in der 3. und 4. Versammlung und im Panhellenion war. 1830 bezog er jedoch Stellung gegen Kapodistrias. Er war bei der Versammlung in Hydra schwer erkrankt und starb noch im Oktober 1831.

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machten am dritten Tage geltend, dass man keine Befugnis habe, auf die Einberufung jener Versammlung zu bestehen, dass man dies umso weniger dürfe, da gegen ihr Verfahren gerechte Beschwerden sich erhoben hätten, und man solle deshalb sich an die zwar allgemeinen aber gerechten und billigen zwei Forderungen halten, a. freie Wahl für Peloponnes und Rumelien, b. freier Ort der Versammlung, und die anderen, um eine Spaltung zu vermeiden, fanden sich veranlasst, dieser Ansicht beizutreten. Ich kannte die Gesinnung der Machthaber in Nauplia zu gut, um nicht zu wissen, dass sie auf keine der beiden Forderungen eingehen würden. Doch schien es mir nicht gehörig, mein Urteil über das, was ihrer Würde und dem Wohl ihrer Sache zuträglich wäre, dem ihrigen unterzuschieben, auch bedenklich, da sie selbst in Argos keine Sicherheit fanden, in sie zu dringen und sie dadurch vielleicht zu veranlassen, ihren Hals unter das Messer zu legen. Übrigens habe ich nirgends mehr Männer von Bildung, Einsicht in die einheimischen Angelegenheiten, gutem Willen und Tüchtigkeit des Urteils vereinigt gesehen, als hier in Hydra, freilich haben die Inseln bei allen Unbefangenen den Ruhm, dass sie dem Festlande wie an Wohlstand, so an Einsicht und Bildung weit vorangehen, und die Zahl ihrer Abgeordneten war durch die bedeutendsten Männer der andern Teile Griechenlands verstärkt worden, welche die Gewalttätigkeit des Präsidenten aus ihren Sitzen vertrieben und in Hydra eine Zuflucht zu suchen genötigt hatte. Mich persönlich erfreut noch das große Zutrauen und die Beweise von Zuneigung, mit welchen man von allen Seiten mir entgegenkam, und ich rechne die Tage meines Aufenthalts in Hydra zu den wichtigsten meiner Reise, nicht nur, weil sie mich in engeren Verkehr mit so vielen ausgezeichneten Männern gebracht, sondern auch, weil sie mich in der Kenntnis der innern Lage von Griechenland weiter gebracht haben. Ich glaube jetzt, den Dingen hier auf den letzten Grund zu sehen, dort aber auch die Mittel zu entdecken, durch welche allein die Verwirrung gelöst, Ruhe und Glück über das tief erschütterte und gekränkte Land gebracht werden kann. Wehe jedem, der es mit ihm versucht, ohne seine Natur, seine Leiden, seine Bedürfnisse und Wünsche zu kennen. Wie leicht aber wäre die Wiedergeburt von Griechenland auch nach den tiefen Wunden der kapodistrianischen Verwaltung einem Arzt, der es, um mit Pindar zu reden, mit weicher und kundiger Hand zu pflegen verstünde! Auch hier begegnete ich dem Wunsche, dass das Los von Griechenland einem Sohne unsers Königs anvertraut werden möchte, dieser Wunsch tritt jetzt nach dem Tode des Präsidenten überall lebhaft hervor, außer in dem kleinen Kreise der Gewalttätigen, die in Graf Augustin einen Schild suchen, ihre Personen und ihr Verfahren zu decken. Solange der Präsident am Leben war, hätte die Gelangung eines minderjährigen Prinzen zum griechischen Thron alle Widersacher des Präsidenten, d. h. den ganzen gebildeten und wohlhabenden Teil der Nation, zu Gegnern gehabt, die in ihm für Kapodistrias nur ein Mittel, sein schwankendes Ansehen zu befestigen und eine ihnen verhasste Macht zu verlängern, gesehen hätten. Nachdem er aus der Mitte getreten, besteht jene Be-

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sorgnis nicht mehr, ebenso die Abneigung von England und Frankreich gegen jene Wahl nicht mehr, die keinen andern Grund als ihre Überzeugung hatte, dass der Präsident seiner Aufgabe nicht gewachsen war. Ich schreibe dir nicht von den Einzelnen meiner Aufnahme in Hydra, nur dieses noch, dass ich den Admiral Miaulis herzlich lieb gewonnen habe. Ich teile die Gefühle der Achtung und Zuneigung für ihn mit fast allen Menschen in Griechenland. Beim Abschied, der sehr herzlich war, schenkte er mir eine sehr große und schöne Pfeife, den Besitz irgend eines Pascha, die als ein Prachtstück meiner griechischen Gerätschaften mich auf der weiteren Reise begleiten wird.

Aegina, den 13ten November Ich habe mich nach meiner Rückkehr von Hydra sechs Tage in Nauplia aufgehalten, um die Wendung der Angelegenheiten und die Gestaltung der Verhältnisse abzuwarten, und den Freunden in Hydra weitere Nachricht geben zu können. Der Wunsch, diese auf der Versammlung in Argos erscheinen zu sehen, ist unter allen Verständigen allgemein, und man beklagt, dass sie dem Rate, in den Hafen von Nauplia zu kommen, nicht gefolgt sind. Die Machthaber, welche vor zwei Wochen nichts als Strafe, Rache und Krieg träumten, haben seitdem ihre Sprache bedeutend herabgestimmt. Die ruhige aber entscheidende Haltung aller Eparchien, welche Eintracht und Ruhe wollen, die Stimmung vorzüglich der rhumeliotischen Abgeordneten, welche nichts weniger als dem Schwerte von Kolokotronis und der Weisheit des Grafen Augustin folgen wollen, endlich ihre Mittellosigkeit, die Unmöglichkeit, den Forderungen der Soldaten zu genügen, haben ihr Zutrauen in ihre Sache stark erschüttert, und leicht könnte die Erscheinung der Hydräer und ihrer Freunde in Verbindung mit den Rhumelioten eine Majorität im Sinne der Nation, d. h. der Vereinigung und der gesetzlichen Ordnung hervorbringen. Doch sind ihre Anschläge immer noch gewaltsam, ihr Verfahren außer dem gesetzlichen Gleise, und fortdauernd steht Griechenland auf einem Vulkan. Kaum ist auf eine andere Art als durch eine schnelle Entscheidung von Europa her zu helfen: Diese Überzeugung drängt sich jetzt mehr und mehr allen auf, und mit ängstlicher Ungeduld blickt die Nation nach jedem Schiffe, das die ersehnte Kunde über die endliche Lösung ihres Ungemaches bringen soll. Ich habe mir indes vorgenommen, den Weg über Epidauros und Aegina nach Athen zu suchen, dort den Aufenthalt von einigen Wochen zu machen und dann, im Fall es mit Sicherheit geschehen kann, einen Ausflug durch Böotien, Lokris nach den Thermopylen zu versuchen. Der Weg von Nauplia nach Epidaurus führt durch meist verödete Gegenden. An der Straße sind die Trümmer von zwei verschwundenen Städten, die Burgen mit zyklopischen Mauern, im tiefen Grunde das stadtähnliche Heiligtum des Aesculapius mit weitläufigen Anlagen und im Gebüsch einem beinahe ganz er-

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haltenen Theater, einem Werke des Polykleitos, das Pausanias mit Bewunderung nennt. Jetzt sind die ehedem fruchtbaren und bewaldeten Fluren großenteils der Weide preisgegeben, nur Ligurio, auf der Ruine einer alten Stadt, ist ein etwas bedeutenderes Dorf, Epidaurus, das den alten Namen einer vordem berühmten Stadt erhalten, besteht aus einigen Dutzend Hütten am Ufer des Meeres, das in der Bucht die Trümmer der alten Stadt bespült. Wir waren den ersten Tag bis Ligurio gegangen und brachten den zweiten fast ganz im Heiligtum des Aesculap zu. Erst abends gelangten wir durch enge und zum Teil sehr wilde Gründe nach dem offenen Meere, in dessen lieblichem Blau sich Methoni, Aegina, im tiefern Grunde die Gebirge von Attika ausbreiteten und die Gewässer zu einem großen Landsee abzuschließen schienen. Wir warteten den folgenden Tag auf eine Gelegenheit nach Aegina und fanden den Abend ein Kajkion600, auf dem wir uns die Nacht einschifften. Die Fahrt war wenig günstig, der Wind zwar nicht heftig, aber doch entgegen und erst nach 14 Stunden haben wir die Entfernung von 18 Seemeilen zurückgelegt. Die Insel Aegina läuft gegen Nordwest in einen flachen Rücken aus. An seiner südwestlichen Seite auf dem Grunde der alten Stadt ist die neue Stadt Aegina hinter dem Hafen der alten Aegineten gebaut worden. Sie nimmt sich vom Meere freundlich aus, im Innern aber ist sie schmutzig und unfreundlich: Die Häuser, meist ohne Dächer, obwohl alle neu gebaut, sehen schon alle alt, zum Teil wie Ruinen aus. Der vorübergehende Wohlstand der Insel, die eine Zeit lang Sitz der Regierung war, hat einer ziemlichen Verödung Platz gemacht, doch sind im Hafen noch einzelne Schiffe und viele Kajkien. Der Kleinhandel ist nicht unbeträchtlich. Auch hier ist ein beträchtlicher Teil der ausgezeichneten Männer durch die Regierung des Präsidenten verdrängt worden, unter den zurückgebliebenen zogen besonders Jakobaky Ritsos, der bis auf wenige Monate vor des Präsidenten Tod bei ihm ausgehalten, und Gennadios601, der beste Lehrer der Schulen dahier, mich an. Unter diesen ist das Waisenhaus (ȠȡijĮȞȠIJȡȠijİȓȠȞ) eine gut gemeinte aber ganz verunglückte Anstalt des Präsidenten und seiner Brüder, die mehr als irgendetwas von ihrer Unfähigkeit zu verwalten zeugt. Das Gebäude steht zu niedrig und hat deshalb auf der gesundesten Insel eine ungesunde Lage. Man hat, statt es höher hinauf in freie Aussicht und reine Luft zu rücken, unten zum Teil die Felsen abarbeiten müssen, um ebenen Grund zu gewinnen und, als ob man des Geldes Fülle hätte, hat man, statt dem Bau drei Stock zu geben, ihn in einem Stocke flach hingestreckt, das Dreifache für Grundlage und Dach aufwendend, und welches Ansehen hat nun dieses missratene Geschöpf! Wie unverzeihlich, einem armen Volke dafür einen Aufwand von 800.000 Piaster aufzubürden, wo man mit dem vierten Teil ausgereicht hätte. Dann ist die Idee, arme Kinder, die Beute der Not, des Hungers, des Ungeziefers und schlechter 600 Kajk = schnelles Ruderboot 601 Georgios Gennadios (1784-1854), war Teilnehmer am Unabhängigkeitskrieg.

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Gewohnheiten in große Häuser einzusperren und dadurch ihr Verderben vollständig zu machen, in Europa, in Deutschland wenigstens, den besseren Anstalten für die verlassenen Waisen fremd, hier in ihrer ganzen Argheit zum Vorschein gekommen, und manche Krankheit, z.B. die ägyptische Augenentzündung von einigen unglücklichen aus Ägypten zurückgekehrten Knaben dahinein gebracht, zu einer schaudererregenden Größe ausgebildet worden. Während man aber mit so unbegreiflichem Aufwand diese verderbliche Anstalt gründet und mit einem Aufwand von monatlich nahe an 20.000 Piaster unterhält, schmachten alle übrigen Anstalten für den höhern Unterricht in einer kläglichen Mittellosigkeit, und die Jugend der gebildeten Stände, die Hoffnung von Griechenland, findet nirgends Gelegenheit, ihren Durst nach Kenntnissen zu löschen. In Aegina in der so genannten Zentralschule, der einzigen Anstalt, die mit unsern Gymnasien einige Ähnlichkeit hat, wird nichts als Griechisch und etwas Mathematik gelehrt, das Französische, welches wenigstens den Weg zu einer reichen Literatur geöffnet hätte, wird mit diesem Monate geschlossen, weil die Regierung den Lehrer nicht länger bezahlen will, und es ist im Laufe des letzten Sommers vorgekommen, dass die Schüler sich in der Kirche durch einen Eid verbunden haben, die Schule nicht eher wieder zu betreten, bis man ihnen den im Plane versprochenen Unterricht erteilen und Lehrer geben würde, die etwas gelernt hätten. Zwar haben sich die jungen Leute großen Teils wieder zerstreut, welche die Hoffnung, hier endlich einmal auf griechischem Boden Unterricht und Kenntnisse zu finden, aus allen Teilen von Griechenland und Mazedonien, ja aus Asien, den Donauländern und Russland hier versammelt hatten. Aber auch die Zurückgebliebenen sind noch zahlreich genug für eine vollständige Schule und es ließe (sich) mit dieser lernbegierigen, talentreichen und wohlgesitteten Jugend alles anfangen! Wohlgesittet sag’ ich, weil so lange die Schule besteht, hier noch kein einziger Exzess von einiger Bedeutung vorgekommen ist. Für den Altertumsforscher bietet die Stadt die Anfänge eines griechischen Museums. Eine Sammlung von Inschriften und Werken alter Plastik, meist Reliefe, darunter mehrere sehr schöne, und einige vortreffliche Bildsäulen. Auch die Vasensammlung, meist aus äginetischen Gräbern genommen, ist beträchtlich, doch an ausgezeichneten Stücken arm. Gegen 2000 Gräber sind geöffnet worden, aber von Spekulanten, welche die besten Stücke an Engländer und andere Reisende verkauft haben. Die Umgegend der Stadt, ihre alten Häuser, die Spur ihrer Tempel und Gräber, bieten vieles bemerkenswerte dar, im Innern der Insel haben wir den Berg des panhellenischen Zeus und die Ruinen des Tempels besucht, von denen die Bildsäulen nach München gekommen sind. Jener Berg, noch jetzt seinen alten Namen ǵȡȠȢ tragend, während sonst die Berge ȕoȣvȐ heißen, erhebt sich konisch hoch über die andern. Dass er dem panhellenischen Zeus gewidmet war, ist aus Theophrast klar. Auf ihm also wird das Heiligtum jenes Gottes zu suchen sein, dessen Pausanias gedenkt. Nach Pindar war es ein

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Altar, und die Spitze des Berges trägt noch seine Fundationen. Auch den Tempel der Aphaia, den Pausanias erörtert, fanden wir in den Falten des Gebirges wieder, in den Ruinen einer Kirche, neben ihm zwei durch Altertum und Inhalt gleich bedeutsame Inschriften, von denen die eine das X durch KH ausdrückt. Von diesem Berg und seinem Heiligtum des panhellenischen Zeus ist der Berg und der Tempel, der uns die Bildsäulen geliefert, ganz verschieden. Es ist ungegründet, dass eine in ihm gefundene Inschrift jenen Gott nenne. Doch lässt sich wenigstens vor der Hand nicht angeben, welchem der schöne Bau gewidmet war. Wir haben mit der nötigen Anzahl von Nachgrabungen vorzüglich zum Behuf architektonischer Messungen einen Tag dort zugebracht und Hr. Metzger wurde durch einen andern deutschen Architekten, Hn. Semper602, der längere Zeit in München gelebt und sich hier zu uns gesellt hatte, in seinen Arbeiten unterstützt. Morgen werden wir Aegina verlassen, um auf einem guten und sichern Kajkion den Weg nach dem Piräeus, von da nach dem Ziel unserer Wünsche, nach Athen und seiner Akropolis, suchen. Das Wetter ist fortdauernd günstig, der Himmel rein, das Wetterglas des Morgens 16, Mittags 19 bis 21 Rèaumur, die Nächte wundersam. Doch klagt der Landmann über Mangel an Regen: Alle Fluren sind verdorrt, die Bestellung, ehe Regen kommt, unmöglich603.

Nauplia, 17ten Jan. 1832 Gern löste ich mein Versprechen, über meine Reise von Aegina nach Athen, von da nach den Termopylen und über Delphi und Korinth nach Athen zurück, und über meinen Aufenthalt daselbst ausführlich zu schreiben. Aber die öffentlichen Dinge haben hier, wie die Angelegenheiten der Reise während derselben, die Zeit dazu hinweggenommen, und ich muss mich auf Skizzen und einige Notizen beschränken. In Aegina ritt ich mit Hr. Semper, einem jungen Architekten aus Holstein, während Hr. Metzger beim Tempel auf der andern Seite der Insel beschäftigt 602 Gottfried Semper (1803-1879), ist ein bedeutender deutscher Architekt des (Renaissance-) Historismus (Semper-Oper in Dresden) und Autor von Studien über griechischen Tempelbau. 603 Zwischen dem 13. November 1831 und dem 17. Januar 1832 hat Thiersch Briefe geschrieben aus Korinth, 16.12.1831, und aus Athen, 3.1. 1832, wo er eine archäologische Gesellschaft gründete. Er will noch nach Syra und danach über Malta und Neapel abreisen. Am 24.1.1832 schrieb er vor seiner Abreise nach Syra aus Nauplia mit Beilagen für König Ludwig und einem Schreiben an Schelling mit der Bitte um Verlängerung des sechswöchigen Urlaubs. Am 31.1. war er bereits in Syra und sandte seiner Frau einen Brief mit der Mitteilung, dass er Theodor Brisalchis, einen 25jährigen Thebaner, engagiert habe und eventuell mit nach München bringen werde. Alle diese mehr privaten Briefe sind ungedruckt. Der folgende Brief, vom 17.1.32, aus Nauplia ist im Original nicht erhalten.

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war, auf den konischen Berg der Insel, um dort die Spuren vom Altar des panhellenischen Zeus aufzusuchen. Wir kamen auf dem Wege dahin zu den Trümmern einer Kirche der Erzengel, deren Baureste und polygone Substruktion auf einen Tempel hinwiesen, dessen Stelle sie einnimmt. Pausanias, der den Berg ebenfalls erstiegen, nennt am Wege den Tempel der Aphaia, einer Gefährtin der Artemis (2.30.3.). Die Lage stimmt zu und einige Inschriften, an Altertum wenigen in Griechenland nachstehend, welche sich hier fanden (die eine in einem Distichon), zeugen von dem Altertume des Tempels dieser halbkretischen Göttin. Auf dem Gipfel des Berges steht eine Kapelle des Ag. Elias, mit altem Gemäuer, in dem sich der Unterbau eines Altares erhalten hat, der hier dem panhellenischen Zeus errichtet war. Denn dass das Heiligtum des Zeus auf dem Gebirge Panhellenium aus einem Altar bestand, ist aus Pindar klar, welcher sagt, dass die Helden der Vorzeit, um Aiakus604 versammelt, am Altare des panhellenischen Zeus die Hände zum Himmel emporgestreckt haben. Aiakus bat mit ihnen um Regen. Griechenland war dieses Jahr in derselben Not, bis Mitte November war noch kein Tropfen gefallen, und auch jetzt stiegen an mehreren Orten die Menschen auf die Berge, wo der Ag. Elias Kapellen hat, ihn um Regen zu bitten. Von einem Tempel des panhellenischen Zeus ist nirgends die Rede. Doch ist in den schönen Tempelruinen, nahe der Ostküste der Insel, von welchem die Bildsäulen in der Glyptothek sind, eine Inschrift: ǻIȅȈ ȆǹȃǼȁȁǾȃIȍȃ605, zum Vorschein gekommen, wohl zu einem Weihgeschenke gehörig, welche dem Heiligtum des panhellenischen Zeus vindicirt, doch muss es von dem bei Pausanias erwähnten Heiligtum getrennt werden. Dort auf dem Berge war, wie erinnert, nur ein Altar, und anzunehmen wäre, dass die Aegineten dem panhellenischen Zeus, dem Gründer der Aiakiden, außer dem weniger zugänglichen Heiligtum auf dem Berge noch diesen Tempel in der Nähe jenes Berges errichtet haben. Nachdem wir in den folgenden Tagen die Ruinen des Tempel gesehen und untersucht, die Gräber der alten Stadt, die Anlage ihres Hafens, die Reste ihrer Tempel mit den Nachrichten der Alten verglichen, auch über den Zustand der Insel, ihre Erzeugnisse, ihren Handel Erkundigungen eingezogen und mit ausgezeichneten Männern, die hier zurückgezogen leben, wie mit Peraibos606, Jakobaky Ritsos u.a. verkehrt hatten, mieteten wir den 14ten November eine Barke und segelten gegen Mittag nach dem Piräus hin. Die Burg von Athen, auf einer Anhöhe gelegen, welche die vordern Hügel überragt, blieb immer wie ein Pharus vor uns aufgestellt und enthüllte deutlich und deutlicher ihre weißen Massen, während wir an Inseln vorüber, zuletzt Salamis zur Linken lassend, durch die Öffnung des Piräus, eine weitere lange Meerstraße mit vielen Resten 604 Aiakos, in der griechischen Mythologie Sohn des Zeus und der Aigina, wird wegen seiner Gerechtigkeitsliebe Richter in der Unterwelt. 605 „dem panhellenischen Zeus“ – Diese Inschrift hat angeblich Ludwig Ross (deutscher Archäologe, 1806-1859) als groben Spaß von Gropius entlarvt. 606 Christophoros Perevos (1773-1863), Mitglied der Philiki Etairia (ĭȚȜȚțȒ ǼIJĮȚȡİȓĮ).

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alter Mauern und Türme, in das Becken dieses berühmten attischen Hafens hineinfuhren. Wir fanden noch vor Einbruch der Nacht in einer hölzernen Locanda Unterkommen, welche nebst zwölf Hütten die alte Herrlichkeit des Ortes vertritt, und gingen am andern Morgen, die Lage des Hafens, seine Umgebungen, ihre Altertümer und den daran grenzenden Hafen von Munychia zu besehen. Nach Mittag ritten wir neben den Ruinen der alten Mauer, welche den Hafen mit der Stadt verband, durch den Oelwald zur Stadt hinauf. Aus diesem heraustretend, sahen wir die Burg wieder über die Hügelreihe vor ihr emporragen, und jetzt so nahe, dass der ehrwürdige Bau des Parthenon in der Sonnenklarheit eines unvergleichlichen Herbsttages in seiner ganzen Herrlichkeit sich zeigte. Die Stadt war hinter den Hügeln verborgen, an denen der Weg gegen Norden sich hinzieht, um sie zu umgehen und dann über ihren flachsten Abhang durch das alte Dipylon in die Stadt einzulenken. Uns zur Rechten ragte, fast noch unberührt, der Tempel des Theseus auf einer freien Terrasse empor, die Stadt seines Heros überblikkend, die nun von Neuem zu seinen Füßen in Trümmern lag. Nur einzelne Häuser, zwischen ihnen auch einige Palmen und Zypressen, erheben sich aus den gestaltlosen Schutthaufen, in die auch diese Stadt während des Krieges zerfallen ist. Doch war in der Straße des Basar viel Leben, Regsamkeit und in ihrer schmutzigen Enge ein ziemlich geordneter Verkehr. Wie ich seitwärts durch die Gassen ritt (Hr. Metzger war gleich zum Theseum abgelenkt), begegnete mir eine Gesellschaft stattlicher Männer. Ich fragte nach der Locanda der Madame Spiro, und sie mich: Ob ich der ǼȚȡȘȞĮȓȠȢ ĬȪȡıȚȠȢ607 sei, den man seit vier Wochen erwarte. Auf meine Antwort reichten sie mir mit vieler Herzlichkeit als einem alten Freunde die Hände und führten mich in den wohleingerichteten und guten Gasthof. Unter ihnen war Psyllas608, den Gropius für den „besten der Griechen“ erklärt, der als Gouverneur von Messenien und Mani sogar unter den Manioten ein gesegnetes Andenken zurückgelassen hat, und nachdem er bei der Entwicklung des Kapodistrias‘schen Gräuelsystems sich zurückgezogen, dort den schrecklichen G..., eine der Stützen des Hofes von Ali Pascha609, zum Nachfolger gehabt hatte, den dieser Präsident brauchte, um die Familie der Mauromichalis zu plagen, zu zerrütten und zu Grunde zu richten. Er hat in den Trümmern ihres zerfallenden Hauses selbst seinen Tod gefunden, und jener Auswurf der menschlichen Gesellschaft sitzt jetzt im Senat, um die Dekrete seines Bruders vollziehen zu helfen. Ich war durch ihn, durch Psyllas, an den ich von Heydegger Briefe hatte, durch Bas-

607 ǼȚȡȘvĮȓoȢ ĬȪȡıȚoȢ = Friedrich Thiersch 608 Georgios Psyllas (1794-1879), Stipendiat der Philomusen in Göttingen und Berlin, seit 1821 Freiheitskämpfer, ab 1826 Lehrer in Nauplia und danach in Athen. 1828 Gouverneur der Mani. Vgl. Ǽ. ȆȡİȕİȜȐțȘȢ (Hrsg.), "ī. ȌȪȜȜĮ. ǹʌȠȝȞȘȝȠȞİȪȝĮIJĮ IJȠȣ ȕȓȠȣ ȝȠȣ", Athen 1974. 609 Ali Pascha von Ioannina (1741-1822), geboren im albanischen Tepelene, führte Kämpfe in Albanien und einen Aufstand gegen den Sultan.

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sos610 und andere ihrer Gesellschaft bald von Allem in und um Athen unterrichtet, und nach zwei Stunden durch sie und andere neue Freunde in dieser Hauptstadt ehemaliger literarischer, artistischer und politischer Größe und unvergänglich großer Erinnerung als einer der Ihrigen heimisch und vertraut. Am folgenden Tage Besuche beim Muchthar, dem Kommandanten von Athen, einem ruhigen und billigen Mann, von dem wir leicht die Erlaubnis erhielten, die Akropolis zu besteigen, und sofort Untersuchung der Werke alter Architektur und Skulptur, mit der sie noch fortdauernd zwischen den Trümmern alter und neuer Zeit prangt. Sie allein sind eine Reise nach Griechenland wert, denn so etwas Vollendetes und Schönes wird in der ganzen Welt nicht gefunden. Die westliche Seite des Parthenon hat durch die Kugeln der Türken sehr gelitten, doch haben die gewaltigen Säulen widerstanden. Große Stücke sind aus ihnen durch das Anprallen derselben gesprengt worden. Sie sehen ganz scheckig aus, aber keine ist gefallen. Die schönen Reliefe hinter der westlichen Halle sind unberührt, aber ein großer Teil von der Mauer der Cella ist durch die Habgier der Türken zerstört, die nach dem Eisen und Blei suchten, mit denen die Marmorblöcke verbunden waren. Das Erechtheum liegt halb in neugefallenen Trümmern. Gura611, der Mörder des Odysseus, hauste während der Belagerung seine Familie darin und beschwerte das Dach gegen die Bomben mit Schutt und Erde. Es brach zusammen und diente den Leichnamen von vierzehn Frauen und Kindern zum Grabe. Das herabgebrochene Mauergebälk, die Kapitelle der Säulen und anderer ionischer Schmuck ist von den Reisenden, besonders den Engländern, welche sich darüber wie die Geier über ein gefallenes Wild hergestürzt haben, arg zerstört, zerklopft, zerschlagen. Die Propyläen sind im alten Zustande, Nachgrabungen jetzt durch die Türken ganz untersagt, dadurch mein Vorsatz vereitelt, unter dem östlichen Giebel des Parthenon aufräumen und aus dem Schutt der türkischen Häuser dort hervorziehen zu lassen, was in ihnen vom alten Bau und seinen Bildwerken wahrscheinlich verborgen liegt. Die folgenden Tage wurden die andern Denkmäler untersucht (keines ist zu Grunde gegangen, einige nur teilweise beschädigt) und das Studium der Topographie von Athen begonnen, dazwischen Ausflüge in die auch jetzt noch grünenden und von den Bächen des klaren Kephissus schön bewässerten Gärten und Oelwäldchen der Akademie, zum sophokleischen Kolonos, zu den Ufern des Ilissus, den Weingärten an ihm, den jetzt öden Ruinen des Lykeion, zur Kallirrhoe und den übrigen Orten großer oder anmutiger Erinnerungen, welche dieses wunderbare Land in seiner unzerstörbaren Herrlichkeit auch jetzt zum Hauptlande von Griechenland und Athen zu seinem Juwel machen. Der Burg gegenüber, nach Süden gewandt, vorn zu beiden Seiten Aussicht über den Piräeus und die Küsten des Peloponnesus bis Kap Malea, näher 610 Vassos Mavrovouniotis (1790-1847), Freiheitskämpfer. 611 Giannis Giouras (1791-1826), Freiheitskämpfer. Zusammen mit Odysseus Androutsos verteidigte er erfolgreich das Gravia-Gasthaus gegen Omer Vrionis überlegene türkischen Kräfte. Auf Befehl der griechischen Regierung ließ er Androutsos ermorden.

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in der Niederung die neue Stadt, zu beiden Seiten Ilissus und Kephissus, mitten in einem Panorama klassischer Erinnerungen und unvergänglicher Herrlichkeit der Natur. Dort wäre ein Platz, auf welchem die königliche Burg des neuen Beherrschers dieses wundersamen Landes und Volkes sich erheben müsste, dem hier vergangene Größe und unvertilgbare Spuren des über Griechenland waltenden Genius in erhabenen Zügen und Bildern vor Augen ständen. Ich fand die folgenden Tage noch viele Freunde, unter anderen Kleanthes612, den Architekten, der uns in München besucht und den Dienst der Regierung in Aegina verlassen hat, vorzüglich, weil Mustoxidis613 ihm zornig gesagt: „Fluch den Türken, dass sie die Altertümer von Athen nicht ganz zu Boden geworfen und vertilgt, damit von ihnen nur keine Rede mehr wäre“, und er in der Erklärung dieses Vertrauten des Präsidenten einen neuen Beweis von des letztern Ansichten gefunden. Hr. Pittakis614, einen guten Kenner der attischen Altertümer, der sich zurückgezogen, weil man ihm angesonnen, den Kundschafter der Fremden, besonders der Engländer, zu machen. Hr. Benthylos615, der sein Lehramt in Aegina aufgegeben, weil man ihm untersagt hat, mit seinen Schülern den Gorgias des Plato zu lesen. Athen und Missolunghi waren dem korfiotischen Herrscher616 am meisten verhasst, jenes wegen seines alten idealen Ruhmes, dieses wegen seines neuen Heroismus, beides Potenzen, die ihm seine Rechnung mit Griechenland zerstört hatten, das er bemüht war, in eine Art von Meierei für sich und seine Familie einzurichten. Auch Hr. Zacharitsas, den Bruder des jungen Z617. in München, und seine Familie lernte ich kennen und wurde von ihnen auf das freundlichste aufgenommen. Am 23. November verließen wir Athen, um in Gesellschaft von Hr. Zacharitsas, der in Marathon Besitzungen hat, die Reise dorthin, und von da nach Euböa, Theben, Livadien, den Thermopylen und Delphi anzutreten. Die nächsten Gegenden wurden für unsicher gehalten. Einige Tage zuvor waren zwei junge Engländer auf dem Weg nach Marathon von drei Räubern angefallen und geplündert worden. Wir hatten deshalb drei Palikaren und einen Kapitän zu unserer Bedeckung und waren selbst bewaffnet, ein Zug von neun Männern außer 612 Stamatis Kleanthis (1802-1862), Schüler Schinkels, entwickelte mit seinem Studienfreund E. Schaubert den ersten Entwurf für den Stadtplan von Athen. 613 Andreas Mustoxydes (1785-1860) kannte Thiersch bereits seit 1814, als Thiersch ihn zum a.o. Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften vorschlagen konnte. M. war Direktor der Waisenhausschule und danach der Vorsteher des Nationalmuseums in Aegina. 614 Kiriakos Pittakis (1798-1863) hatte sich vom Fremdenführer zum Kenner der Ausgrabungsstätten gebildet. Sein Interesse galt den Inschriften, worüber er mit Ludwig Ross in Streit geriet, weil dieser August Boekh für den geeigneteren wissenschaftlich geschulten Bearbeiter des Corpus Inscriptionum graecarum hielt. 615 Ioannis Venthylos (1804-1854) aus Smyrna. Schüler Gottfried Hermanns, dem Leipziger Lehrer Thierschs. Lehrte 1828 bis 1832 in Aegina, später am Gymnasium in Nauplia. 616 i. e. Ioannis Kapodistrias. 617 Christos Zacharitsas (geb. 1811). Seit 1830 Student der Rechte in München.

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den Pferdetreibern, womit es so leicht die Räuber nicht aufnehmen. Auch sahen wir in aller Sicherheit die Ebenen von Marathon (nach so vielen Beschreibungen ist sie zur Aufklärung der Schlacht daselbst noch immer nicht hinlänglich bekannt), und kamen unbehelligt über Oropos und Aulis nach Negropont (Chalkis), nachdem sich unsere Gesellschaft kurz vorher getrennt hatte. Erst dort erfuhren wir, dass unsere Beschützer zu den Räubern gehört hatten und nach Negropont gekommen waren, um vom Pascha gegen Zusage künftiger Ruhe Verzeihung zu erhalten. Zacharitsas aber, der nahe bei Oropos auf einem seiner Dörfer eingekehrt war, war dort von kybernitischen Soldaten überfallen und nebst seinem Sekretär festgenommen worden, weil er zu den Gegnern des Präsidenten gehört hatte. Er entkam die Nacht auf seinem Pferde in die Gebirge, den Sekretär ließ man später frei. Die Truppen waren von Athen aus über seine Reise benachrichtigt und von Theben zu dieser Expedition geschickt worden. Nachdem wir so, ohne es zu wissen, den Händen der Räuber und der Kybernitischen entgangen waren, sind wir in guter Ruhe von Chalkis nach Eretria, dann nach Theben, Platäa, Leuktra, dem copaischen See, Livadien, Chäronea, Elatea gegangen, haben überall halb verödete Fluren und Orte in Trümmern, aber überall auch Anfänge eines neuen Lebens durch die unverwüstbare Triebkraft des Bodens und der Bevölkerung, freundliche Aufnahme von vielen Menschen, denen mein Name lieb war, Gelegenheit zu archäologischen und geographischen Beobachtungen und Entdeckungen gefunden und dann, von dem besten Wetter begünstigt, unsern Weg nach den prachtvollen, herrlichen Thermopylen fortgesetzt. Am 7ten Dezember standen wir an dem erhabenen Amphitheater der thessalischen Gebirge neben den perpendikulären Felsenwänden des Oeta618, von den reichen Schwefelquellen, die dampfend in drei großen Bächen aus dem Fuße desselben strömen, und dem Passe der Thermopylen seinen Namen gegeben, auf dem Grabe des Leonidas, wie ein Hügel neben ihm genannt wird, in welchen man während des letzten Krieges tief hineingegraben und in dessen Tiefe man altes menschliches Gebein ohne allen Schmuck gefunden hat. Die Schädel und andere Knochen wurden von den Griechen sorgfältig gesammelt und zur Seite gelegt, als sie genötigt waren, sich zurückzuziehen. Zwei Tage darauf nahmen sie ihre Stellung wieder ein, und die Gebeine waren verschwunden. Mit Mühe gelang es, noch eine Reliquie davon aufzufinden. Von den Thermopylen gingen wir zu den großen Ruinen von Tithorea am nordöstlichen Ende des Parnaß, von da über Parapotamia und Daulis in das Tal desselben, von welchem sein ganzes Gebirgslager der Länge nach von S.O. nach N.W. durchschnitten wird, von dem Triodos, in welchem Laios619 erschlagen ward, bis Delphi hinauf, das uns am Nachmittag des 10ten Dez. auf einer östlichen Fläche des sich dort herumbeugenden nördlichen Gebirgsrückens, über den Abgründen der Kastalia und 618 Oeta (ȅȓIJȘ), höchste Erhebung 2158 m. 619 Laios wurde, unwissend um die Verwandtschaft, von seinem Sohn Ödipus erschlagen, der danach seine Mutter Iokaste heiratete.

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des Plistus, mit großenteils neugebauten Häusern entgegenschimmerte. Wie überall, fand ich auch dort Natur, Lage, Ruinen mehr oder weniger von den Berichten der Neuern verschieden, und ein Aufenthalt von mehreren Tagen hat mich in den Stand gesetzt, die Beschreibung von Pausanias mit dem Orte zu vergleichen, die Tempel, heiligen Bezirke und Quellen, Gymnasium, Theater und dergleichen bestimmter nachzuweisen und zu einer bessern und genauern Beschreibung und Vergleichung dieses merkwürdigen Ortes Materialien zu sammeln. Auch die Nachgrabungen sind nicht ganz vergeblich gewesen. Und zu der Terrasse, die man schon kannte, habe ich eine zweite zyclopische gefunden, jener parallell die sicher ebenfalls mit Inschriften, Ehrendenkmalen, Schenkungsurkunden u. dergl. bedeckt ist. Vier Terrassen durchschneiden die nordöstliche Hälfte des theatralisch sich erhebenden Raumes, gegen Osten bis an die Felsenwände des Parnassus und die Klippen der Kastalia reichend, gegen Westen durch eine mitten in dem Ort gerade aufsteigende Mauer geschlossen. Dieses war der ʌİȡȓȕoȜoȢ620 des Tempels, er selbst auf der dritten Terrasse, gegen sie schräg gestellt, am Orte, wo jetzt die Kirche des Ag. Nikolaus steht. Westlich von ihm in der Höhlung der schrägen Fläche und neben der Mauer des Peribolus herabreichend, das Theater, darüber das Stadion, in der Nähe noch deutlich zu entdecken der Fels der Herophile, die Quelle Kassiotis, vom Umfang dieser Gebäude durch eine tiefe Kluft, in welche die Quelle Kastalia fällt, getrennt. Im vordern Stadtteil (auch er mit diesen Terassen), ist sowohl die Lage des Tempels der Athene Pronoia, als der Hain des Phylakos und das Gymnasium mit größter Bestimmtheit nachzuweisen. Vorzüglichen Erfolg versprachen die Nachgrabungen bei der Kirche des Ag. Elias, wo, wie ich glaubte, ein alter Tempel des Zeus gestanden, wurde aber durch den Zusammenlauf der Bauern gehemmt, die mit großem Geschrei den Arbeitern die Werkzeuge aus den Händen rissen und mit meinem Diener, der, in diesen Dingen erfahren, die Aufsicht führte, haderten, dass er die Gräber ihrer Angehörigen aufwühle. Ich kam mitten in das Gezänke hinein, und fand für ratsam, mich aus der Mitte dieser verwilderten Gemüter mit meinen Leuten zurückzuziehen. Am Meere bei Salona angekommen und ziemlich ermüdet von dem fast täglichen Reiten und Arbeiten während zwei Dritteln eines Monats, nahm ich eine Barke, auf welcher wir die 66 Seemeilen bis Korinth bei dem anmutigsten, lautersten und erquicklichsten Wetter glücklich zurücklegten und von da über Megara, Eleusis und Daphni wieder in Athen ankamen. Dort hörten wir die traurigen Vorgänge von Argos, die notwendige Entwicklung eines gewalttätigen Systems, den Ausbruch des Bürgerkriegs, die nahen Bewegungen der Konstitutionellen in Megara, und waren, während es um uns stürmte, friedlich mit der vergangenen Zeit und ihrer Herrlichkeit beschäftigt. Ich brachte am 1. Januar des neuen Jahres eine Versammlung der Athenäer zu Stande und schlug in einem ausführlichen Vortrage vor, dass sie zur Erhaltung ihrer durch Unwissen620 Umfassungsmauer.

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heit und Rohheit preisgegebenen Altertümer eine Kommission einsetzten und dieser durch Subskription die Mittel geben sollten, jenem heiligen, nützlichen und notwendigen Geschäfte sich zu unterziehen. Die Sache kam nach einigen Bedenklichkeiten zu Stande, und nachdem die Freunde mir unter den Säulen des olympischen Zeus noch ein Mittagessen gegeben, wo die Lämmer auf homerische Weise am Spieß gebraten wurden und viel roter Wein getrunken ward, reiste ich am 10. Januar von dem gesangreichen, dem veilchenbekränzten Athen ab, um in dem finstern, kalten, abschreckenden Nauplia die Freunde zu begrüßen, über den Zustand der Dinge, die Absichten und Mittel der Parteien Erkundigung einzuziehen und danach meine Maßregeln zu nehmen. Hn. Metzger habe ich mit den Denkmälern in Athen beschäftigt zurückgelassen, und werde nach meiner Reise durch die Inseln dahin zurückkehren, um ihn zur Heimreise über den Süden des Peloponnesus abzurufen. Syra, den 31ten Jan. Ich bin den 25ten Januar mit einer Feluke621 von Mykenä nach Syra622 unter Segel gegangen. Am Morgen nach unserer Abfahrt waren wir auf der Höhe von Spetsa und kamen den Tag über bei wenig günstigem Winde nur in die Nähe von Hydra. In tiefer Dunkelheit und unter beginnendem Regen lief das Fahrzeug in einem kleinen, aber guten Hafen der Insel Thoko, südlich von Hydra, ein, in welchem schon mehrere andere Barken ihr Nachtquartier vor uns bezogen hatten. Am Morgen wurde am Strande erst Kaffee gekocht, ein Vorrat von guten Fischen, Kartoffeln und Eiern geröstet, ehe die Fahrt weiter ging, welche etwas langwierig zu werden drohte. Der Tag brachte uns an Hydra vorüber, und die folgende Nacht auf die Höhe von Thermia623. Die Witterung war wieder hell und ausnehmend mild, ein wahrer erquikkender Sommertag, der Wind von Westen günstig, aber so schwach, dass der Steuermann und die Gesellschaft viele Seufzer und Gebete an die Panagia und den heiligen Nikolaus schickten, dass sie doch etwas stärker möchten blasen lassen. Mein Junge sammelte zugleich in seiner roten Kappe von der nicht eben wohlhabenden Gesellschaft aus Kypros, Mytilene, Salona, Janina (auch ein Türke war darunter) Beiträge zu einer Litanei, die man den Heiligen in Syra wollte singen lassen. Wir sahen in einer schönen Kulisse Aegina, Zia, Thermia und weiter gegen Süden Milos und Seriphos um uns ausgebreitet und kamen dem Lande von Zia und Thermia ziemlich nahe.

621 Feluke = kleines Kriegs- oder Seeräuberschiff. 622 Syra, im Zentrum der Kykladen gelegene Insel mit der blühenden Handels- und Hauptstadt Hermopouli. Bis Ende des 18. Jahrhunderts der zentrale Hafen im östlichen Mittelmeer. 623 Auch Kythnos genannt.

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Die Nacht über war es fast ganz windstill, aber den folgenden Tag fing der West stärker an zu blasen, und wir gingen nun in rascherem Laufe durch den Kanal zwischen beiden Inseln in einen Kreis anderer ein, die sich sofort um uns her ausbreiteten, die jetzt beschneiten Gipfel des Karystos zur Linken, an welchen Andros und Tinos sich in langem Zuge anschlossen, während weiter gegen Südost die Berge von Paros und Naxos verdunsteten. Syra, das Ziel unserer Reise, lag im Bogen jener schönen Eilande uns näher, und wir kamen den Abend um zehn Uhr glücklich im Hafen dieser blühendsten Stadt von Griechenland an. Am Morgen, da auf dem Zollamte die Papiere untersucht waren, hatten wir Muße, den Hafen, der von den Schiffen fast angefüllt war, die ganz neue und meist saubere, zum Teil mit schönen, aber leicht gebauten Häusern geschmückte Stadt und das rege Leben am Molo zu sehen, und gleichwohl ist Syra in Folge der Unruhen, welche den Handel lähmen, jetzt nur ein Schatten seiner frühern Tätigkeit. So ist der Ertrag des Zolls von monatlich 20.000 Taler auf 4000 herabgesunken. Mit einiger Mühe fand ich (mit) meinem Diener ein leeres Zimmer, das von einigen Freunden bald mit den nötigen Bedürfnissen versorgt wurde. Denselben Tag, als ich meine Briefe abgegeben, wurden mir vier in den Häusern angesehener Kaufleute und von Dr. Apostolides624, dem Bruder des Hr. Archimandriten625 in München, angeboten. Doch zog ich vor, in dem gemieteten zu bleiben, der Ruhe und Unabhängigkeit wegen, zumal Theodoros Brisalchi (dies ist der Name meines jungen Thebaners) alles bald sehr gut in Ordnung gebracht hatte. Ich habe hier dieselbe Aufnahme, wie überall, gefunden, voll Herzlichkeit, wie ein alter und bewährter Freund des Hauses. Gleich den Nachmittag ging ich, den Konteradmiral Kanaris626 auf seinem Schiffe zu besuchen, das hier in Station liegt, ein kleiner, gutmütiger, aber unbedeutender Mann, mit eingedrücktem Gesichte und der schlichten Kleidung eines Seemannes. Auch hier herzlicher Empfang und Übereinstimmung mit dem allgemeinen Wunsche, dass doch ein Sohn des Königs von Bayern zum Könige von Griechenland möchte bestimmt werden. Ich war den ersten Mittag beim Bruder des Herrn Sculudis zu Tische gewesen, heute bei Herrn Rallis627, den wir von München kennen. Einladungen, mehr als mir lieb, sind schon für die folgenden Tage angenommen. Ich werde hier, als an einem Hauptsitze des griechischen Verkehrs, etwas länger 624 Onoufrios Apostolidis (1790-), Dr. med., Bruder des Archimandriten, der mit ihm nach München gekommen war. 625 Michael Apostolidis (1789-1863), 1829 Religionslehrer in München, ab 1831 Leiter des Erziehungsinstituts, Er kehrte mit Köng Otto 1832 nach Griechenland zurück, wurde 1837 Professor, 1847/48 Rektor der Universität und 1861 Erzbischof. 626 Konstantinos Kanaris (1790-1877), Seeheld des Befreiungskrieges. 1828 Kommandant der Festung Monemvassia. Später Kommandant eines Geschwaders. Nach 1832 zog er sich in Syra ins Zivilleben zurück. 1848 Marineminister. 627 Georgios Alexandrou Rallis (1805-1883), Professor für Handelsrecht (ab 1837), zweiter Rektor der Otto-Universität. Als Politiker war er mehrmals Justizminister.

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verweilen, auch um einen Engländer, Ross, aus Nauplia zu erwarten, mit dem ich dann einen hydriotischen Kajk mieten und die Inseln bis an die Küsten von Asien bereisen werde. Syra zählt etwa 30.000 Einwohner, Überreste der Bevölkerung von Chios, Psara, auch viele Familien aus Kandia628, Smyrna. Es würde ohne den unvernünftigen Zoll von 12 pCt. der Hauptstapelplatz der Levante werden und seinen Handel, wie den Ertrag der Zölle, bei ihrer Herabsetzung auf 2-3 pCt. verdoppeln. Erst hier lerne ich die eigene Natur und Quelle des griechischen Handels kennen, der, gehörig geleitet, sich halb über jeden andern in der Levante emporschwingen würde. Welch eine Aufgabe, dieses Volk zu regieren! Wie leicht die Mittel, wie sicher der Erfolg! Alles, Handel, Kauffahrteiflotten, Krankenhäuser, Quarantäneanstalten, Molen, entsteht hier wie von selbst unter einem ordnungsliebenden, klugen und sparsamen Volke, und trotz dieses Gemisches aus allen griechischen Stämmen ist eine solche Sicherheit, dass, obwohl die Magazine fast nicht verschlossen sind, doch nie auch nur ein einziger Diebstahl vorgekommen ist. Die Kapodistriasche Verwaltung hat auch hier ihr Siegel aufgedruckt. Zweimal sind die ruhigen und sogar großenteils furchtsamen Insulaner durch die törichten Maßregeln des Unrechts und der Gewalt in Harnisch und gegen ihn in Aufstand geraten, und auch jetzt ist die Missachtung und Abneigung gegen die Regierung, wie billig, fast allgemein, da ein längerer Bestand derselben wie Griechenland, so auch diese Stadt dem Untergange entgegen führen würde. An Altertümern habe ich außer einem Teile der sehr schönen alten Burgmauer, der sich zufällig, weil man ihn in die neuen Häuser eingeschlossen, in der allgemeinen Zerstörung alter Mauern in dieser jüngsten Zeit erhalten hat, nichts gefunden. Die Insel selbst ist beinahe nur Fels, doch trägt dieser auch in seinem sparsamen Kies und Schutte vortrefflichen Wein und Öl, zunächst um die Stadt ist alles kahl und öde, nur in einem Grunde hinter ihr einiges Grün. Die Berge bestehen aus Gemeng von Schiefer und Quarz. Auf einem der Hügel sind ganze Lager des schönsten und reichsten Eisensteins. Auf einem konischen Berge erhebt sich die alte Stadt, von der neuen durch freies Feld und den unten leer gebliebenen Raum des Berges, noch mehr durch Sitten und Neigungen, getrennt. Sie ist ganz von Griechen des lateinischen Ritus bewohnt, hat ihren eigenen Bischof, ihre abgesonderte Verwaltung, und die während der Revolution hier unten an ihrem Ufer und Hafen zusammenströmenden Ansiedler waren bei der Abneigung der Lateiner gegen sie genötigt, sich zum Teil mit Gewalt in den Besitz des Bodens zu setzen, den sie mit der neuen Stadt bedeckten, und die Ansprüche der widerstrebenden Insassen, denen dieses Gebiet übrigens zu nichts diente, mit Flintenschüssen in ihre Burg zurückzuweisen. Jetzt hat sich das ausgeglichen. Die Hauseigentümer haben den Grundeigentümern den Boden entweder abgekauft, oder verzinsen ihn, und die Ländereien sind so im Werte gestiegen, dass auf einmal die ehedem ganz ver628 Kandia = Kreta.

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armten Lateiner durch die Industrie ihrer neuen Insassen fast ohne Ausnahme wohlhabend und reich, dadurch aber mit ganz andern Gesinnungen gegen sie erfüllt worden sind. Das Innere der Stadt ist auch hier, gegen die Hitze des Sommers und um den Raum zu sparen, so eng, dass in keiner Straße auch nur ein Karren fahren könnte. Die Waren werden von dem Ufer in die nahen Magazine auf den Schultern getragen. Die Einwohner haben in ihren Manieren viel Europäisches. Die meisten sind Kaufleute und in Europa gewesen, nicht ohne eine sogar umfassende Bildung klug und unternehmend zugleich, und sehnen sich mit wahrem Verlangen nach einer Regierung, die Vertrauen verdient und Bestand hat. Dass sie noch keine hellenische Schule außer der mit wechselseitigem Unterricht haben, ist Schuld der Regierung. Sie hatten 50.000 Piaster zu diesem Zwecke durch freiwillige Beiträge beisammen, wollten durch eine Handelssteuer jährlich die nötige Summe in einem Maße aufbringen, dass sie die besten Lehrer berufen und würdig belohnen könnten, für Häuser, Apparate, Bibliotheken sorgen, fanden aber bei dem Präsidenten, der äußerlich sich zufrieden zeigte, im Grunde aber keine Schule, außer der des wechselseitigen Unterrichts, wollte, so viel Schwierigkeiten, Förmlichkeiten und Klauseln, dass sie am Ende es ganz aufgaben. Auf gleiche Weise hat er die Schulen in Livadien und anderwärts hintertrieben, den Einwohnern von Argos die Gemeindekapitalien, welche sie dazu bestimmten, unter dem Vorwande, sie verzinsen zu wollen, in den öffentlichen Schatz gezogen, in dem sie mit den Zinsen versiegt, oder vielmehr an seine Kundschafter und Werkzeuge verschleudert worden sind. Die Äußerung, die ich neulich in einem europäischen Blatte von ihm in Beziehung auf Reichtum gelesen hatte, ist vollkommen beglaubigt, als ein Fall. „Schon jetzt, sagte er, wo sie arm und unwissend sind, machen sie mir so viel zu schaffen. Was soll es mit diesen Menschen erst werden, wenn sie reich und unterrichtet sind?“ Armut und Unwissenheit (ʌİȞȓĮ țĮȓ ĮȝĮșȓĮ) war das Erbteil, das er Griechenland zugedacht hatte, nämlich ein solches bescheidenes Maß von Besitz und Kenntnis, dass an eine Selbstständigkeit nicht zu denken war, und er hat sein Prinzip mit eiserner Stirn bekannt und mit eiserner Beharrlichkeit durchgeführt. Ich las neulich die Artikel des guten Eynard629 über die vortrefflichen Anstalten für Ackerbau, Wohltätigkeit, Verkehr und Unterricht, die er in Griechenland zurückgelassen. Eynard ist durch die guten Seiten des Mannes gleich mir getäuscht worden. In Griechenland angekommen, Augen- und Ohrenzeuge dieser heillosen Wirtschaft, würde auch er mit Schrecken aus seinem Traume erwacht sein, [630 und alle jene Anstalten sind nichtig und Trug. Die Straße, deren er gedenkt, geht nicht bis Argos, sondern bis nach der Meierei des Präsidenten, dreiviertel Stunden von Nauplia, und er war gewohnt, täglich Abends dahin noch zu fahren. 629 Jean Gabriel Eynard (1775-1863), Züricher Bankier und Philhellene, der erhebliche Mittel für die Befreiung spendete. 630 Ab hier ist der Absatz [] von Heinrich Thiersch nicht übernommen worden. (H. Th. II, 141).

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Das Waisenhaus ist ein Ärgernis in Anlage und Verwaltung, und ein Gräuel des innern Verderbens. Die so genannte Zentralschule in Aegina hat drei Lehrer, zwei der griechischen Sprache, die Grammatik treiben und mit ihren Schülern noch nicht zur Lesung der Dichter vorgedrungen sind, und einen der Mathematik, der Arithmetik und etwas Geometrie weiß. Das Studium der französischen Sprache, welches den jungen Leuten doch den Zugang zu einer neuen Literatur geöffnet hätte, ist von seinem Bruder, der in den Fußstapfen des Vorgängers wandelt, abgestellt worden, und die Schule zeigt in ihrer kurzen und bettelhaften Existenz das in der Geschichte der Bildung einzige Phänomen, dass die auf ihren ersten Ruf aus allen Teilen von Griechenland zusammenströmende, zahlreiche, talentreiche und lernbegierige Jugend sich förmlich gegen die Behörde durch feierliche Eide vor dem Altare der Panagia verschworen, weil man ihr die Mittel des Unterrichts verweigerte. Sie gaben sich sämtlich die Zusicherung, die Schule nicht eher wieder zu betreten, bis man die nötigen Lehrer angestellt und ihnen einen zweckmäßigen Unterricht zu geben entschlossen wäre, und lieber in ihre Heimat umzukehren. Nur mit Mühe, durch schlechte Künste, durch Einkerkerung, Verfolgung und Schrecken gelang es, einen Teil derselben von ihrem Entschlusse abzubringen, und dadurch, dass man damals den Lehrer des Mathematischen und des Französischen anstellte]. Doch ich kann in diesem Thema nicht fortfahren, ohne mit steigendem Unwillen erfüllt zu werden. Ich will mir den schönen Frühlingstag nicht verderben, der eben mit einem goldstrahlenden Morgen über das schimmernde Meer in mein Fenster hereinleuchtet, und lieber zu Gott beten, dass er dieses gute, willige, mäßige, talentvolle Volk und dieses schönste aller Länder, welche seine Sonne bescheint, durch eine väterliche, verständige Regierung beglücken und einer bessern Zukunft entgegenführen möge.

Samos, den 16ten Febr. Von Syra ging ich mit einem Kajk beim schönsten Sommerwetter nach Tinos ab. Hr. Dr. J. Buros631, ein junger und gebildeter Arzt aus Syra, der erst vor fünf Monaten aus Europa zurückgekommen, hatte sich mir angeschlossen. In Tinos fanden wir, wie überall, gastfreundliche Aufnahme, verweilten aber nur zwei Tage dort, denn unser Plan war, wo möglich, alle Inseln des Archipelagos, welche durch Altertum oder durch ihre Erzeugnisse merkwürdig sind, der Reihe nach zu besuchen. Tinos ist die am besten und sorgfältigsten angebaute von allen, ihre sehr steinigen Berge vom Fuß bis zum Gipfel mit Terrassen für Getreide und Wein bedeckt, ihr Inneres mit Ortschaften angefüllt. Doch leidet sie an alter Feindschaft der Lateiner, welche eigene Dörfer, und von den venezianischen Zeiten her die besten Fluren besitzen, und der griechischen Christen, zu 631 Ioannis Vouros (1805-1885), Arzt in Athen, medizinischer Berater König Ottos.

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welcher in neuerer Zeit die politische Spaltung durch das System der Regierung gekommen ist, mit einem Fanatismus, welcher dem religiösen fast gleich kommt. Eine neue Berühmtheit hat sie jetzt durch die Panagia erlangt. Auf die Weisung einer alten Nonne wird an einer von ihr bezeichneten Stelle gegraben. Man findet die Grundmauern einer alten Kirche, zuletzt auch ein altes Bild der Panagia (der Allheiligen). Die Nonne hatte ausgesagt, dass eine schöne und edle Frau ihr im Traume geboten, ihr an jener Stelle ein großes Haus zu bauen, für die Unkosten werde sie sorgen. Kaum war das Bild gefunden, so strömten von den Gläubigen Beiträge aller Art herbei, und nach sieben Jahren steht eine große und schöne Kirche, in ihrem Hofe ein Krankenhaus und eine hellenische Schule, und von den fortgehenden Beiträgen werden noch immer neue Anstalten gegründet. Wir sahen die alte Klausnerin, deren Alter niemand kennt, in ihrer Zelle, nicht unähnlich einer alten Sibylle oder Parze am Boden sitzend und ihre Spindel drehend. Die ältesten Klosterfrauen erinnerten sich, sie schon in ihrer Jugend bei Jahren gekannt zu haben, und ihre trockene, aus der eingeschrumpften Kehle rau hervorkommende Stimme hatte etwas GespenstigGeisterhaftes. Wir hatten vor, von Tinos nach Andros zu gehen. Aber es war Nordwind eingetreten, welcher die Fahrt dahin unmöglich machte. Wir nahmen deshalb ein Schiff nach der hochgefeierten Delos und nach Mykonos. Delos fanden wir noch mit Trümmern bedeckt, voll merkwürdiger Spuren alter Herrlichkeit und zu archäologischen Bemerkungen reichen Stoff. Die Zerstörung und Verschleppung des alten Marmors hat in den letzten Zeiten durch das Einschreiten der Regierung aufgehört. Aber für die merkwürdigsten Überreste des Altertums war es zu spät: Sie waren schon früher nach anderen Inseln oder in die Kalköfen gewandert, deren Trümmer wir noch an vielen Stellen vorfanden. Vom Theater stehen noch die bedeutendsten Reste, und am Kynthos, dem größeren Berge der Insel, eine zyklopische Gasse, die an Merkwürdigkeit und Großartigkeit denen von Tiryns vorangeht und an Altertum gleichkommt. Der Wind war in Sturm übergegangen und unser Fahrzeug genötigt, am Ufer der öden Insel zu übernachten. Am andern Morgen ward es durch den Mut und die Geschicklichkeit der Seeleute glücklich durch die brausenden Wogen nach Mykonos hinübergeführt. Diese Insel ist weniger gut angebaut als Tinos, hat aber auf den Anhöhen schöne Fluren. Im Innern fanden wir Reste zyklopischer Tempel und in einer Kirche ein großes, noch zum Teil lesbares altes Psephisma632 eingemauert. In Mykonos haben wir auf einen Monat eine Feluke mit vier Mann um 600 türkische Piaster gemietet und sind auf ihr am 12ten d. M. nach Ikaria hinübergefahren. Die Insel breitet sich lang und hoch, wie der Rücken eines Kontinentes, durch das Meer von Westen nach Osten hin, würdig, ihm den Namen des ikarischen zu geben, ist aber durchaus rau, nur in einzelnen Höfen und Hütten bewohnt von Menschen, die im Zustande alter Armut und Rauheit mehr von alt632 Psephisma (ȥȒijȚıȝĮ) = Verordnung, amtlicher Beschluß.

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hellenischer Sitte und Sprache erhalten haben, als vielleicht irgend ein Teil von Griechenland. Wir fanden an der Ostküste die Ruinen einer alten Stadt mit zyklopischer Burg, deren Schluss, ein gewaltiger Turm aus großen Marmorblöcken, noch beinahe unversehrt erhalten ist, Salz- und Schwefelquellen von einer außerordentlichen Stärke und Hitze, neben ihnen eine schöne und große Höhle, so durchwärmt, dass ein Aufenthalt von fünf Minuten in ihr den Körper in vollen Schweiß versetzt, und nicht weit davon in einer Bucht, die den Namen Hieron erhalten hat, die Ruinen eines alten Tempels. Die Stärke des anhaltenden Nordens nötigte uns, auch an dieser öden Küste zweimal zu übernachten. Am 14ten d. M. hatte sich der Sturm gemäßiget, und wir segelten, oder vielmehr wir flogen in 31/2 Stunden von Ikaria nach Samos hinüber, wo wir noch vor Mittag in dem großen und schönen Hafen von Bathy vor Anker gingen. Der österreichische Konsul nahm uns gastfreundlich in sein Haus auf. Bathy ist ein erst in der neuern Zeit gebauter Ort, den wir am folgenden Mittag verließen, um über die Berge nach den südlichen Gegenden und den Ruinen der Altstadt zu reiten, während unser Kajk zwischen der Insel und der Küste von Asien nach demselben Orte hinsegelte. Dort fanden wir den Gouverneur der Insel, Herrn Logothetis633, beschäftigt, auf den Ruinen der alten Burg des Polykrates eine neue zu bauen und mit Kanonen zu besetzen. Zum Behufe des Baues war die Gegend umher aufgegraben und eine große Anzahl Altertümer, Säulen, Architrave, Inschriften, auch Reliefe zu Tage gefördert: Tempel, Hallen, auch das Rat- oder Stadthaus (ȕoȣȜİȣIJȒȡȚov) sind dadurch zum Vorschein gekommen, freilich in Trümmern, aber auch diese großenteils von der schönsten Arbeit und unter den Inschriften mehrere höchst merkwürdig. Auch Herr Logothetis nahm uns in seiner polykratischen Burg gastfreundlich auf, und wir benutzten die folgenden Tage, die Ruinen der alten Stadt, die merkwürdigen Mauern der Burg, deren erstaunlicher Bau sich an sechs Stellen noch ganz erhalten hat, und die Reste vom Tempel der Hera zu sehen, dessen einzige noch emporragende Säule von hoher architektonischer Merkwürdigkeit und Schönheit ist. Das Kapitell, welches früher noch vorhanden war, fanden wir leider in Trümmern, deutlich Spuren auch von dem Molo des Polykrates, den verborgenen Gang, der unterirdisch aus der Burg nach dem Meere führt (der Ausgang ist hinter vorliegenden und großen Felsen fast unsichtbar). Die Wasserleitung, die er durch den Berg getrieben, suchten wir an der großen Quelle, welche sie zu fassen bestimmt war, auf und entdeckten zwei Brunnen ähnliche Öffnungen, durch welche sie mit der Oberfläche in Verbindung stand. Sie war gleich den Emissaren von Albano und Fucino, und am See Kopais gebildet, ein Schacht, der durch jene Trichter sich nach oben öffnete. Eine ähnliche, wiewohl nach kleinerem Maße, hat man bei dem Bau der Panagia in Tinos entdeckt. Die Insel ist, nebst Patmos, Ikaria, Leros und Kalymnos, leider von Griechenland getrennt, und erwartet erst noch ihr Schicksal, dem sie sich zu unterwerfen 633 Lykourgos Logothetis (1768-1850), Freiheitskämpfer. Er erklärte am 8.5.1821 mit Bischof Kyrillos von Samos offiziell den Aufstand gegen die Türken.

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wenig geneigt ist. Herr Logothetis scheint sie mit Mäßigung und Einsicht, aber zu seinem Vorteile zu beherrschen. Küste von Milet, den 22ten Febr. Wir sind am 18ten d. M. von Samos mit einem starken und günstigen Nordwind abgefahren und nach sechs Stunden glücklich an der Küste von Milet angekommen. Am Vorgebirge Mykale und seinem Schlachtfelde vorübergekommen, durchschnitten wir einen breiten Busen, dessen Hintergrund von den Anschwemmungen des Mäander erfüllt ist und reiche Fischereien bildet, während die Ferne des Festlandes sich in einem Kreise der schönsten Gebirge majestätisch ausbreitet. Mit erhebendem Gefühle betrat ich das Ufer von Asien, die Wiege der griechisch-ionischen Bildung. Wir waren südlich von Milet nach einem Hafen gefahren, über dem der Ort Gerontai (verdorben aus LÀHUR—Q) neben und über den Ruinen eines alten kolossalen Tempelbaues gegründet ist. Schon aus der Ferne traten dieselben wie ein Bergrücken mit zwei Anhöhen, die eine mit einer Windmühle, aus der Ebene empor. Sie übertreffen an Größe und Umfang, was ich bis jetzt gesehen: Die Durchmesser der Säulen sieben Pariser Fuß, die Architrave zweiundzwanzig solche Fuß lang. Mit Mühe steigt man zwischen den schönen Friesen, Kapitellen, Reliefen wie zwischen den Klippen steiler Gebirge umher. Ebenso merkwürdig ist der Ort durch seine Inschriften, aus denen hervorgeht, dass wir uns in dem Heiligtume des Didymeischen Apollon ( Ý$SR—OOYQ'LGXPHR—Zî) und der Pythischen Artemis (îî î Í$UWHPLZ3XML—D) befanden. Vor dem Orte ist in der letzten Zeit durch Nachgrabungen eine ganze Reihe sitzender Frauenbilder, beinah ganz in ägyptischem Stile, zum Vorschein gekommen. Leider haben englische Reisende ihnen die Köpfe abgehauen und fortgeschleppt. An Inschriften, meist Psephismata, haben wir vierundzwanzig gesammelt. Am folgenden Tage ritten wir nördlich, die Ruinen von Palatia, dem alten Milet, zu erreichen. Wir kamen dort nach dreieinhalb Stunden mitten unter den Türken in einer Ebene an, die durch ihre Breite, Tiefe und gleichmäßige Ausdehnung in Erstaunen setzt. An den fernen Bergen beginnend und in einer Ausdehnung von drei bis vier Stunden bis an das Meer hervortretend, zeigt sie sich bald als das Geschenk eines Flusses, der ein tiefes, fettes und fruchtbares Erdreich aus dem innern Gebirge herabführt und den Meerbusen, der hier war, allmählich ausgefüllt hat, wie er auch daran arbeitet, im vorliegenden Meer südlich an der Küste hinab, wohin sein Gewässer von den Nordstürmen getrieben wird, alle Buchten und Häfen zu verschlammen. Der Fluss selbst, von der Anhöhe gesehen, erscheint in einzelnen Silberblicken und Schlangenlinien bald da, bald dort: Es ist der Mäander. Die Stadt selbst ist auch in ihren Trümmern ein Wunder: Wenigstens 2.000 Trümmer von Säulen ragen noch an ihren alten Stellen zwischen Haufen von Ruinen auf einer Fläche von mehreren Quadratmeilen empor. Das Theater, hellenisch im innern Bau, römisch in dem Vorbau der Szene, ist noch großenteils vorhanden. An Inschriften sammelten wir zehn, doch

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keine von großer Bedeutung. Zwischen diesen Trümmern, an denen noch der Name Palatia haftet, ist ein elendes türkisches Dorf eingeflickt. Wir fanden in seinem Onta, der Stube, in welcher gegen Fremde die Gastfreundschaft ausgeübt wird, Kaffee, Abendessen und Nachtlager um ein Feuer mitten unter Christen und Türken, die der Abend hier zusammengebracht hatte. Jeder wird, ohne dass man auch nur fragt wer? woher? wohin? aufgenommen und verpflegt. Doch liegt etwas Barsches, Herrisches und Wegwerfendes in dem Benehmen dieser barbarischen Gastgeber gegen die Christen, und wir waren froh, uns am andern Tage in DZțIJȚoȚ und Gerontai in christlichen Dörfern zu befinden. Die Türken besetzen nur die fruchtbarsten Täler und überlassen die weniger ergiebigen den Christen zum Anbau, welche, nachdem die alten Bewohner in den letzten zehn Jahren fast alle vertilgt worden, sich aus den griechischen Inseln und Thrazien sammeln und gegen Zahlung des Zehnten so viel Äcker bauen, als sie wollen, denn alles ist großherrliches Eigentum, doch werden die Leute durch andere Abgaben stark niedergebeugt, und obwohl im Übrigen jetzt Sicherheit genießend, sind sie doch bereit, mit guter Gelegenheit Asien wieder zu verlassen. Derselbe Zustand herrscht an der ganzen asiatischen Küste. Als wir, auf unser Schiff zurückgekommen, weiter gehen wollten, war der Boreas so stark geworden, dass er die Abfahrt unmöglich machte. Wir sind dadurch zwei Tage an dieser Küste über unsern Vorsatz aufgehalten worden und haben sie benutzt, unsere Bemerkungen und Abschriften zu vervielfältigen und zu berichten.

Patmos, den 28ten Febr. Wir sind am 23ten d. M. von Gerontai in Asien, trotz eines heftigen Sturmes, glücklich hier eingelaufen. Vom Hafen, in dem wir lagen, schien das Meer weniger unruhig. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung von einem Sturme bei vollkommen heiterem und klarem Himmel und gleichmäßigem Gange des Windes: In meiner Vorstellung war Sturm mit tiefbewölktem Himmel, mit Verwirrung in der Atmosphäre und Ungewitter verknüpft, und ich wollte den Seeleuten nicht glauben, wenn sie zum Zeichen, dass draußen großer Sturm sei, mich auf die weißen Schaumsäulen hinwiesen, die am fernen offenen Ufer hinaufstiegen und verschwanden, und es schien mir unleidlich, bei so guter Witterung und günstigem Winde bloß deshalb, weil dieser ein wenig stark sich hören lasse, trotz der nötigen Eile unserer Reise, im Hafen zu liegen. Auf offener See zeigte sich jedoch, dass die Leute Recht hatten, wenn sie nur ungern die Fahrt unternahmen, doch sie waren geübt, das Schiff gut und sicher, der Wind zwar seitwärts, aber doch noch günstig genug. Und so flogen wir durch das Ungestüm des Meeres, oft von den überschlagenden Spitzen der Wellen benetzt, rüstig vorwärts, „wo Gott uns hinführt“, sagte der Kapitän. Nach wenigen Stunden lag der breite und sichere Hafen von Patmos vor uns, die Stadt im Hintergrunde auf dem Gipfel eines Berges, in ihrer Mitte, als eine Burg emporragend, das

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Kloster des Ag. Johannes des Theologen. Nach Patmos hatten wir gewollt, und nachdem wir uns unten am Hafen in einem „Magasino“ getrocknet und erholt, gingen wir, den Hegumenos des Klosters und den Patriarchen von Alexandria zu sehen, der sich jetzt in ihm, seinem alten Wohnorte, aufhält, nachdem er im Laufe des Krieges seinen patriarchalischen Sitz mit der Teilnahme am Kampfe seines Vaterlandes um die Freiheit vertauscht hatte. Wir fanden auch hier die zuvorkommendste, beim ehrwürdigen Prälaten von Alexandria eine wirklich herzliche Aufnahme, in der ehedem berühmten und reichen Bibliothek des Klosters aber, die mich vorzüglich nach Patmos gezogen hatte, an Handschriften für alte Literatur nur wenig von Bedeutung. Ein Codex des Diodorus Siculus634, vom 11.-16. Buch, enthält nur, was schon gedruckt ist, und die Lesearten, soweit ich verglichen habe, sind nicht von Bedeutung. Wichtiger ist ein Manuskript vom Arzte Paulus Aegineta635, aus dem neunten oder zehnten Jahrhundert, auf dessen Vergleichung sich allein eine Kritik des Textes mit Sicherheit wird bauen lassen. Auch die Ausbeute an grammatischen Dingen, als Glossaria, Lexika, Scholia, ist nicht unbedeutend, und ein junger Philologe würde hier sechs Monate lang nützliche Beschäftigung finden. Groß ist der Reichtum der Bibliothek an alten Membra der Bibel: Ein Manuskript des griechischen Hiob von hohem Altertum, von den Evangelien eines mit reichem und gutgeschriebenem Kommentar, ein anderes mit den musikalischen Zeichen der griechischen Kirche, ebenso von griechischen Kirchenvätern. An beiden Gattungen, als an heiligen Dingen, hat man sich nicht vergriffen, sie auch nicht gebraucht, und so ist der alte Schatz ziemlich unberührt geblieben. Das „Heidnische“ ist zerstreut, zerschnitten. Die Handschriften auf Baumwollenpapier sind erst im letzten Jahrhunderte, weil sie von Motten stark angefressen waren, von den Mönchen in den Ofen gesteckt worden, in dem sie ihr Brot backen. Nur drei oder vier sind durch Zufall dem Untergange entschlüpft, und den letzten bedeutenden Schatz, die schönste und beste Handschrift des Plato, hat erst in neuerer Zeit der Engländer Clark636 dem Kloster entwendet, indem er einen untergeordneten Diener durch Bestechung bewog, das Buch unter die Brote zu legen, welche das Kloster nach altem Gebrauch ihm als Gastgeschenk nach dem Schiffe in einem geflochtenen Korbe hinabschickte. Auch hier wurden wir vom Boreas belagert, doch vergingen die Tage unseres Aufenthaltes im Kloster, wo wir die erste Nacht blieben, in der Familie eines Verwandten von Hr. Dr. Buros und bei andern neuen Freunden angenehm, belehrend in der Bibliothek und im Umgange mit dem erfahrenen und wohlwollenden Patriarchen, der am zweiten Morgen mit dem Demogeronten kam, mir den Besuch, den ich ihm gemacht, zu erwidern. Auch an Inschriften und Altertümern hat die Insel einiges geliefert, und gestern bin ich noch von seiner Glückseligkeit (ȂĮțĮȡȚȩIJȘȢ IJoȣ), wie die Patri634 Diodorus Siculus, griechischer Historiker des 1. Jahrhunderts v. Chr. 635 Paul von Aegina oder Paulus Aegineta (um 625 bis um 650 n. Chr.), in Alexandria tätiger Arzt. 636 Edward Daniel Clarke (1767-1851), englischer Naturforscher.

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archen heißen, mit einer Sammlung schöner Altertümer, Gefäße aus Gräbern, feinen Reliefen aus Ton, ägyptischen und griechischen Bronzen, zum Teil von großer Seltenheit und Schönheit, beschenkt worden. „Hier liegen die Dinge ohne Nutzen, ich weiß, dass sie ihnen Freude machen und nützlich sind“, so sagte er, als ich Bedenken trug, sie anzunehmen, und fügte noch anderes Freundliche bei, um meine Bedenklichkeit zu besiegen. Die Witterung ist fortdauernd sich gleich, der Himmel hell, die Kraft des Boreas groß, das Meer schäumend unter seinen Streichen, so weit es von unserer Warte herab im Kreis offen liegt, und wie mit einem weißen, frostigen Duft bedeckt, der Thermometer allmählig auf acht, sechs, drei Grade herabgegangen. Gestern Abend hat es Eis auf den Straßen gegeben, ein hier seit Menschengedenken unerhörter Fall. Der Winter ist also noch gekommen und wir sind mitten in seine Stürme hineingeraten und werden von ihnen belagert, übrigens entschlossen und in der Lage, günstigere Tage zur Überfahrt nach den andern Inseln abzuwarten. Naxos, den 9ten März Am 29ten Februar hatten wir ruhigere Witterung, und wir segelten mit guter Hoffnung ab, noch diesen Tag Naxos zu erreichen, doch gegen Abend kehrte der Sturm zurück und trieb uns südlich von Naxos nach der öden Insel Belussa, in deren guten Hafen wir während der Nacht einliefen, nicht ohne Furcht, auf die Klippen an der südlichen Einfahrt zu geraten. Am folgenden Tage dieselbe Stärke des Windes, während wir nach Naxos hinübersegelten. Er zwang uns, in der ersten Bucht an der südlichen Seite der Insel vor Anker zu gehen. Wir untersuchten die Gegend: Sie war öde und menschenleer, hinter den Bergen ein weiter und schöner Hafen, der Panormos, in den wir das Schiff gegen Abend hinüber brachten. Den zweiten Morgen, bei etwas mäßigem Winde, kamen wir um das nächste Kai, nicht weiter, am dritten wieder um eines im Westen der Insel. Die Gegend war überall gleich verlassen. An diesem Tage ging unser Vorrat aus, wir hatten weder Brot noch Wasser mehr, und der Nordsturm blieb in gleicher Stärke. Nachdem wir am folgenden Morgen mit unsern letzten Eiern und Kaffee gefrühstückt hatten, machten wir uns, vom Kapitän gefolgt, auf die Beine und durchzogen den ganzen Tag über das westliche und einen Teil des nördlichen Ufers, um nach der Stadt zu gelangen. Nach Mittag kamen wir in eine schöne fruchtbare, mit Dörfern und Landsitzen geschmückte Ebene, die Stadt lag in ihrem nördlichen Hintergrunde, um einen beträchtlichen Bergkegel hinangebaut, schimmernd in dem hellen Lichte des Tages. Wir kamen noch vor Abend dort ermüdet, nicht erschöpft an, nachdem wir noch über wenigstens fünfzig Gräben gesprungen waren. Von Asien kommend, unterlagen wir der Quarantäne. Der Gouverneur erließ sie aus Rücksicht auf mich, und weil wir von Asien aus lange unterwegs gewesen, und wir fanden in dem Hause, an welches wir empfohlen waren, die freundlichste Auf-

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nahme und in seiner Pflege und Bequemlichkeit bald Erholung von den Mühseligkeiten unserer Fahrt, die uns mehr Unterhaltung als Verdruss gemacht hatten. Naxos ist zu zwei Dritteln so öde wie irgend eine Insel, ein Drittel ist durch fruchtbare Ebenen, wohlbewässerte Täler und Gründe ein wahres Paradies hesperischer Gärten, aber auch hier die politischen Leidenschaften in gewaltiger Gährung, der Ausbruch, wie überall, nur mit Mühe und vielleicht nur auf kurze Zeit aufgehalten, im Fall die Lösung nicht schnell kommt. An Altertümern haben wir in dem Innern der Inseln mehreres sehr Denkwürdige, an Inschriften aber wenig gefunden. Der Sturm hat seit gestern etwas nachgelassen. Mildert er sich die Nacht vollends, so wird unser Schiff das letzte Kai, hinter dem es fortdauernd liegt, überwinden, hier einlaufen und uns nach Paros führen.

Agrusa auf Paros, den 17ten März Wie wir gehofft, hatte das Wetter sich gemildert. Am frühen Morgen kam unsere Feluke um das Kai heraufgesegelt, und wir waren kurz darauf nach dem gegenüberliegenden Paros unter Segel. Der Wind war Anfangs schwach, stärker den Nachmittag, und wir kamen vor Abend, ehe er wieder heftig ward, glücklich in dem Hafen von Paroikia, der Stadt von Paros, an. Zu unserm Glück, denn die Nacht wütete der Südwind mit Donner und Blitz so stark, wie der Nord je bei heiterm Himmel gewütet hatte. Auch hier gute Aufnahme in einem Hause, in welchem wir aber gleich Anfangs uns Bezahlung unserer Bedürfnisse ausbedungen, eine reiche Ernte von Altertümern (In die Burgmauer sind zwei alte Tempel, einer von kolossalen Verhältnissen, ganz eigentlich ein- und umgebaut worden) und von wichtigen Inschriften. Ein doppeltes, großes und schönes Psephisma war ich so glücklich, gleich bei dem ersten Besuche der Burg mit Hilfe eines Knaben zu entdecken, eines der merkwürdigsten über Markteinrichtungen, Kampf der Tragöden an den großen Dionysien, Feste der Dioskuren, Theoxenien und öffentliche Gastmähler dabei. Es war verkehrt in die Mauer eingefügt und ward auf meine Veranstaltung und Unkosten herausgebrochen. Zwar fehlen alle Anfänge der zweiundsechzig Zeilen, aus denen es besteht, auch ist in der Mitte ein beträchtliches Loch und der Stein ist bei dem Herausbrechen in drei Stücke gegangen. Doch habe ich bis auf zwei Stellen alles und, wie ich glaube, mit voller Sicherheit ergänzt, zur großen Freude der Parier, die sich mit vieler Selbstzufriedenheit in dem Besitze dieser wichtigen Urkunde ihres frühen Altertums sehen637. Wir ritten am Morgen nach unserer Ankunft in Paros, die Brüche des Marmors zu untersuchen, aus denen die Alten den Stoff zu so vielen ihrer Hallen, Tempel und plastischen Werke gezogen haben. Sie liegen nördlich von der 637 Es handelt sich hierbei wohl um das sogenannte „Marmor Parium“, eine in Marmor gemeißelte grichische Zeittafel der Jahre 1582 v. Chr. Bis 263 v. Chr.

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Stadt in dem Tale „die Löcher“ (ȜȐțțoȚ), ¾ Stunden von der Stadt, und ¼ Stunde weiter in einem andern Tale, auf dessen Höhe das Kloster Ag. Minas steht, dieses die „Höhlen“ genannt. Im erstern, den Löchern, sind eine halbe Stunde lang die beiden Bergzüge des Tales ganz eigentlich das Unterste zu Oberst gewendet, und hinter den bis zu den Spitzen empor aufgehäuften Massen von Trümmern des Abfalles klaffen in gewaltiger Ausdehnung die Bergöffnungen, aus denen aus noch unerschöpften Lagern die Marmorblöcke gebrochen wurden. An mehreren Stellen liegt noch unbenützter Vorrat derselben. Die Höhlen beginnen in großer, domähnlicher Ausdehnungen und ziehen sich dann als Stollen in das Innere der Gebirge hinein. In der zweiten, wenn man vom Kloster herabsteigt, ist das große Marmorlager wie in Stufen abgearbeitet, und man könnte gerade da fortfahren, wo die Alten aufgehört. In die tiefern Teile drangen wir mit Lichtern vor. Dort ist der Stollen durch die in ihm liegenden Abfälle so verengt, dass man gegen fünfzig Schritte lang, um in die hintern Stollen zu gelangen, auf den Händen und Knien, zum Teil auf dem Bauche sich forthelfen muss. Dann öffnet sich der Schacht in größerer Weite, und seine natürliche Decke wird von einem starken zurückgelassenen Pfeiler getragen. Strabo gedenkt dieser Höhle, in der der Marmor bei Licht gebrochen werde. Er heiße deshalb der Lichtmarmor: ȜȣȤvȓIJȘȢ. Diesen Namen aber hat er wohl von seinem hellschimmernden Kern. Die ganze Höhle, sauber ausgehauen, als ob es erst gestern geschehen wäre, schimmert, vom Lichte bestrahlt, wie von lauter Diamanten, und der Anblick hat etwas Zauberhaftes. Der Marmor ist von verschiedenen Arten, teils weiß, zum Teil blendend und, gegen das Licht gehalten, bei mäßiger Dicke durchschimmernd, teils bläulichgrau, gleichsam wasserfarbig, zwischen beiden Gattungen mehrere Abstufungen der Farbe, auch Mischung des weißen und grauen, so dass er dem Tinischen ähnlich wird. Der schöne weiße findet sich vorzüglich in den Höhlen. Es steht zu hoffen, dass schon in der nächsten Zukunft diese vortrefflichen Brüche, ehedem eine Hauptquelle des Wohlstandes für Paros, wieder benutzt werden. Das Einfachste wäre, wenn einige Künstler mit den nötigen Arbeitern kommen und sich im Kloster Ag. Minas niederlassen wollten. Sie fänden dort den schönsten Marmor zur Hand und könnten mit Arbeiten beginnen, deren Transport auf Maultieren und Eseln möglich ist. Die Straße nach dem Hafen, zum Transport auf Wagen, wäre leicht herzustellen, da sie kurz, der Vorrat an Steinen für sie unerschöpflich ist und sie immer bergab gehen würde. Aber auch hier sind die Leute so stark mit ihrem politischen Hasse beschäftigt, dass ihnen für die Gedanken an das öffentliche Wohl keine Zeit bleibt, zu ihrer Ausführung keine Mittel zu Gebot stehen. Die folgenden Tage wieder Nordstürme – kein Mensch erinnert sich hier, diese so anhaltend gesehen zu haben – und wir von neuem in der Insel belagert, so dass wir selbst gehindert waren, das nahe Antiparos mit seiner merkwürdigen Grotte zu besuchen. Gestern schien die Witterung günstig. Wir liefen aus, um nach Syra hinüber zu kommen, wurden aber unterwegs von einem neuen Nordsturm, der schlimmer als irgend ein früherer war, überfallen und genötigt, nach

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Paros umzukehren. Wir liefen, eine Stunde lang von Wind und Wetter gepeitscht, sicher in dem großen Hafen von Nausa an der Nordküste ein, und sitzen nun in dem schmutzigen kleinen Orte, bis die Belagerung aufgehoben wird. Syra, den 18ten März Wir sind gestern bei günstigem Wetter nach Syra abgegangen und die Nacht glücklich hier angekommen. Der Boreas war viel milder geworden, und die Witterung ist heute in der Katastrophe begriffen. Ich fand die alten Freunde mit der frühern Teilnahme. Es sind hier während meiner Abwesenheit Unruhen vorgefallen, doch ist die Ordnung bereits wieder hergestellt. Es ist der Ausbruch des Übels, das überall liegt, an einzelnen Stellen. Gott gebe bald glückliche Lösung! Die Gemüter sind in der äußersten Spannung, der Zwiespalt hier sogar unter den Behörden, der Verkehr zwischen den Schiffen der Regierung unter Kanaris, dem Psarier, und der Stadt mit hydriotischer Wache unter einem hydriotischen Gouverneur beinahe ganz aufgehoben, die feindlichen Parteien in Waffen, der Handel so gut wie vernichtet, viele Familien abgereist, andere im Einpacken, der Schmerz, die Verzweiflung in jedem Herzen.

Syra, den 19ten März Die Lösung des Schicksals von Griechenland ist schneller, glückverkündender und entscheidender gekommen, als ich je zu hoffen wagte. Diesen Morgen ging ich aus, einige Freunde zu besuchen, und traf den Gouverneur im Gespräch mit einem eben angekommenen Schiffskapitän. Er nahm mich seitwärts, um mir zu sagen: Eben sei die Nachricht eingelaufen, dass der Prinz Otto von Bayern zum Hegemon von Griechenland gewählt worden sei. In wenigstens sieben Briefen sei sie denselben Morgen, wo das Schiff aus Hydra abgegangen, von Nauplia dort angekommen. Der Admiral Ricord habe sie der Nationalversammlung in Nauplia mitgeteilt, und diese sie mit Freudengeschrei aufgenommen. Bald kam ein Zweiter, ein Dritter, die auch Briefe aus Hydra erhalten hatten, mit derselben Freudenbotschaft herbei, dann Hr. Xenos638, der von einem Hause zum andern gelaufen war, wo er mich vermutete, um mich aufzusuchen. Die Nachricht ging wie ein Lauffeuer durch die Strassen, über die Schiffe. Bald war sie allgemein bekannt. Niemand hatte einen andern Gedanken, ein anderes Gespräch, erloschen alle Sorgen, vergessen aller Unwille und wie ausgelöscht aller Hass. Den Abend ist die Stadt nicht mehr zu erkennen. Alles atmet, äußert sich frei und – was dem guten, dem verkannten, dem verleumdeten Volke zur größten Ehre gereicht – ich habe keine Äußerung, keinen Wunsch der Rache, der Verfolgung 638 Emmanuel Xenos (1776-1852) aus Syra, Mitglied der Philiki Etairia.

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gehört, dagegen überall Äußerungen der Bereitwilligkeit, alles zu vergessen, was geschehen, und mit den neuen Hoffnungen ein neues Leben in Griechenland anzufangen. Ermüdet von den Glückwünschen, die ich in Ermangelung eines Andern alle auf mich nehmen muss, von den Erzählungen, Nachrichten, die man von mir begehrt, komme ich eben von einem Spaziergang am Meeresufer zurück, wo die heitere, die glückliche Menge sich ergeht, sich von der großen Begebenheit unterhält, und finde kaum Zeit, diese Worte niederzuschreiben, weil der Saal neben meinem Zimmer sich mit Besuchenden füllt, die mich sehen, von mir hören wollen, was ich schon oft gesagt und sie offenbar schon wissen. 

Syra, den 20ten März Die freudige Bewegung dauert fort. Sie ist ganz allgemein und von allen, sie mochten Kybernetisch oder Syntagmatisch639 heißen, gleich geteilt. Die unglücklichen Verfolgten gehen mit freiem, aufrechtem Haupt und leichtem Herzen einher, ihre Gegner finden sich über den frohen Aussichten in alles, und der Handel ist mit einem Male wie durch Zauber wieder erschienen. Kajke, Schiffe werden gemietet, Kontrakte geschlossen, Bestellungen, Käufe gemacht. Während gestern die besten Häuser Schwierigkeit hatten, hundert Taler zu finden, sind heute Tausende im Umlauf. Niemand erinnert sich einer solchen allgemeinen, plötzlichen Umgestaltung. Sie ist so schnell und vollständig wie die der Stürme, von denen das Meer noch vor drei Tagen brauste, in den hellen, warmen, lebenglühenden griechischen Frühling, der seitdem angebrochen ist und mit jenem Frühling politischer Natur der Zeit wie der Art nach wundersam zusammentrifft640.

Mistra bei Sparta, 3ten Mai 1832 Ich ging in Begleitung von Hn. Metzger und Theodor den 2ten Mai abends um zehn Uhr vom Hr. Baron Rouen641 mit dem Admiral Hugon642 auf seine Fregat639 Kybernetisch = nach dem offiziellen Titel, țȣȕİȡȞȒIJȘȢ, des Präsidenten Kapodistrias benannte Partei, die für den Alleinherrscher mit zentralistischer Regierung sich stark machte. Demgegenüber die Syntagmatiker, die Männer von Hydra, die für die Wiederherstellung der autonomen Gemeinden und der Verfassung sich einsetzten. 640 Die chronologisch folgenden sechs Briefe sind entweder zu politischen oder zu privaten Inhalts und vom Morgenblatt (und somit auch hier) nicht abgedruckt, während H. Th. (II, S. 154, 207, 251, 253, 255) sie teilweise abdruckte. Auch der hier folgende Brief aus Mistra wurde um den rein posttechnischen Anfang gekürzt. (H. Th. II, 259). 641 Baron Achille de Rouen (1785-1855), Französischer Resident der Schutzmächte. 642 Admiral Gaud Amable Hugon (1783-1862), Befehlshaber der französischen Flotte in der Schlacht bei Navarino

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te, von welcher aus wir den andern Morgen um drei Uhr in einem guten und stark bemannten Canot643 nach Astros abruderten und absegelten. Wir kamen mit Sonnenaufgang dort an. Astros liegt in einer schönen Ebene neben dem Meere, die sich südlich ungefähr zwei Stunden lang bis nach Ag. Andreas erstreckt und gegen die Mitte durch ein dem Meere näher tretendes Gebirge in zwei Teile geschieden ist. Die dem Meer näher liegenden Fluren sind ausnehmend fruchtbar und prangten in der Blütenfrische und Blumenpracht des griechischen Mais. Auch gewährte der friedliche Anblick der über sie in ihren Geschäften, besonders in ihren Weingärten zerstreuten Einwohner zwischen den hochwallenden Saatfeldern und unter den Blütenbäumen, mit seinen Bildern eines tiefen und gesegneten Friedens, einen höchst erfreulichen Gegensatz gegen das Getümmel, die Unruhe und Not im noch fortdauernd erschütterten Nauplia. Vor der Ebene und östlich, vom Meere bespült, erhebt sich ein felsiges Vorgebirge mit Resten einer zyklopischen Burg, von welcher sich eine herrliche Aussicht auf Nauplia und Spezia und rückwärts über die Ebene mit ihrer Fülle und ihren zahlreichen Ortschaften am Fuße der Gebirge darbietet. Oben hat eine wohlhabende Familie, die der Saphyropuloi, sich angebaut. Ich kenne, da die Felder und Täler umher auch reich an Jagd sind, keinen angenehmeren Landsitz für den künftigen Herrscher von Griechenland in der Nähe seiner vorläufigen Residenz als diesen Ort stiller Zurückgezogenheit und gesegneten Überflusses. Wird die an mehreren Stellen versumpfte Ebene durch Gräben geöffnet und die den Südstürmen offene Rhede durch einen Molo geschirmt, so wird man den jetzt geringfügigen Ort sich zu einer Stadt ausbreiten sehen, nicht nur wegen der Fruchtbarkeit der Flur, sondern auch weil er die Pässe nach dem innern Peloponnes, besonders nach Arkadien, an dieser Stelle öffnet und der Handel mit den Erzeugnissen des innern Landes und seinen Bedürfnissen von der See hier und in Ag. Andreas getrieben wird. Die Gegend wird für die des alten Thyrea, um welches Argos und Sparta in einem hartnäckigen Kampfe begriffen gewesen sind, und welches beide Völker oft mit ihrem Blute begossen haben, gehalten644. Die Trümmer einer Stadt liegen tiefer gegen das Gebirge, doch unter dem Ackergrunde fast ganz verborgen. Wir schickten das Gepäck auf geradem Wege nach Ag. Petros, im lakonischen Gebirge, wo wir übernachten wollten, und nahmen unsern Weg durch ein Seitental von Ag. Petros nach dem Kloster Ag. Luka, welches auf den Trümmern eines alten Tempels gebaut ist. Tiefer unten zwischen den Ölbäumen, die von einem reichlichen Quell bewässert werden, liegen auch die Trümmer eines Ortes, der hier gestanden, unter ihnen Reste kolossaler Säulen aus sehr hartem Granit. Eine kleine Sammlung von Altertümern, welche der Hegumenos645 hier umher ausgegraben und, wie er sagte, sorgfältiger als seine Kleider bewacht 643 Ruderboot. 644 Diese Gegend war zunächst von den Spartanern im Jahre 395 v. Chr. Erobert, doch haben die Athener im Peleponnesischen Krieg Thyra verwüstet. 645 Klostervorsteher der Orthodoxen Kirche.

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hatte, ist von dem Präsidenten mit Gewalt dem Kloster entrissen und nach Aegina geführt worden. Wir kamen aus den schönbewässerten Wein- und Ölpflanzungen des Klosters, über raues und zum Teil gigantisches Gebirge, südlich gegen Mittag nach Ag. Johannes, dessen Häuser, von Blütenbäumen umgeben, zwischen Quellen und lieblichem Grün sich sehr einladend vor uns zeigten. Die Nachricht, dass der Didaskalos (so heiße ich hier überall) unterwegs sei, war mir vorausgegangen, und die Leute wetteiferten überall, mir Beweise ihrer Gastfreundschaft und einer rührenden Dankbarkeit zu geben. Sie waren überzeugt, dass ich durch Ablenkung der Rumelioten nach der Vorstadt von Nauplia und durch den Vergleich daselbst den inneren Peloponnes vor ihrem Einfall und ihre Häuser vor der Zerstörung gerettet habe646. Gegen drei Uhr, wo die schon sehr lästige Hitze nachließ, setzten wir über gleich ödes, aber des Anbaues nicht unfähiges Gebirg unsern Weg fort und kamen, die Gebirgsrücken des bewaldeten Malewos, mit Schnee auf den höchsten Gipfeln, zur linken Hand, bald abwärts durch wiesenreiche Gründe mit Quellen und Nachtigallen, bald aufwärts über Gestein und durch kurzes Gestrüpp gegen Abend in die Gebirge und Klippen, welche die Betriebsamkeit der Einwohner von Ag. Petros mit allem Reiz der Natur umgeben hat. Die Berge sind terrassenmäßig eingerichtet und mit Weinpflanzungen und Saatfeldern bedeckt, im Grunde rauschen zwischen Gebüsch und Gärten lautere Quellen, welche sich zwischen den Felsabhängen und den Fruchthainen über ihnen herabstürzen. Zwischen den Bäumen versteckt und von ihrer Blütenfülle fast wie mit Schnee überzogen, blinkten an den steilen Abhängen die Häuser von Ag. Petros uns entgegen, und wie wir zwischen ihnen und dem üppig blühenden Gebüsche emporritten, wurden wir von einer ganzen Heerschar von Nachtigallen begrüßt und besungen, welche durch die liebliche Kühle des Abends, durch die milde Klarheit der ätherisch-balsamischen Luft und den Strom der Düfte zur vollen Begeisterung ihres himmlischen Gesanges erhoben wurde. Das Gepäck mit Theodor war uns zwei Stunden vorausgekommen und meine Ankunft war deshalb erwartet. Auf einem freien Platze empfingen mich die Vorsteher und die Geistlichkeit, von einem großen Teile der Einwohner umgeben, mit herzlicher Begrüßung, und wie ich, von ihnen begleitet, langsam nach dem Hause des Kapitän Andreas ritt, wo man Quartier gemacht hatte, lief zwischen den Häusern und aus den Gärten alles, was Ag. Petros aufbieten konnte, alt und jung herbei, um den Zug unserer Begleitung zu vergrößern647. Ag. Petros ist der Hauptort einer kleinen Eparchie, die von ihm den Namen hat. Es hat etwa 2000 Einwohner in 300 Häusern, die sehr vielen und guten Wein, Getreide nur auf drei Monate bauen. Die hohe Lage des Ortes und der vom Malewos auslaufenden Berge macht sie ausnehmend gesund, und ein Menschenalter von hundert Jahren ist dort keine Seltenheit. Vor kurzem ist ein Mann in seinem 132sten Jahre gestorben. Am Morgen nach meiner Ankunft er646 Dieser Satz findet sich nicht im Morgenblatt, aber bei H. Th. II, 260. 647 Die letzten beiden Sätze finden sich nicht im Morgenblatt, aber bei H. Th. II, 261.

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hielt ich unter andern Besuch von dem Großvater meines Wirts. Er ist 112 Jahre alt, hat in seiner Jugend die Türken unter Orloff648 bekämpft, in seinem 101 Jahre an der Spitze von 150 rüstigen Hagiopetriden das südliche Tor von Tripolizza erstürmt und die Eroberung der Stadt entschieden, und ist jetzt noch vollkommen Herr seiner Sinne und Bewegungen. Sein Sohn war abwesend, sein ältester Enkel, mein Wirt, einer der schönsten Männer, die ich gesehen, 32 Jahre alt und Vater einer zahlreichen Familie, seine jüngern Brüder ihm alle ähnlich – der Jüngste, ein Bursch von fünfzehn Jahren und groß und stattlich wie ein Mann gewachsen, kam am Abend mit reichlicher Beute aus dem Malewos von der Jagd zurück – die ganze Familie von einer Rüstigkeit und Männerschönheit, wie ich sie noch wenig selbst in Griechenland gesehen hatte. Auch andere der angeseheneren Einwohner hatten etwas sehr Stattliches, und ich fand später, dass auch die andern Orte des lakonischen Gebirgslandes sich ähnlicher Vorzüge in dem Grade erfreuen, als sie hoch und gesund gelegen sind. Am folgenden Tag ritten wir über einen fast gleich schön gelegenen Ort, Arachora, in das meist enge Tal von Sellasia, durch welches die Kelephina (Onus), ein beträchtlicher Bach, sich unter schönen Platanus- und Kastanienbäumen und Waldungen durchschlingt, um, nachdem er tiefer unten einen ostsüdlichen Bogen beschrieben, sich Sparta gegenüber in den Eurotas zu ergießen. Gegen Mittag verließen wir sein schattiges und nachtigallenreiches Ufer, da, wo der Weg von Tegea mit dem von Selasia zusammenfällt, und nachdem wir über den Rücken einer Anhöhe geritten waren, hatten wir die ganze majestätische Kette des Taÿgetos vor uns, dessen schneeweiße Gipfel uns früher vor dem Ausgange des Tales zu liegen und ihn zu sperren geschienen hatten. Jetzt lag er von N.W. nach S.O. in majestätischer Größe hingelagert, seine südöstlichen Gipfel höher und höher übereinander steigend, bis sie sich in dem südlichsten mit einer in der Bläue des Äthers schimmernden weißen Schneewand schlossen. Gegen die Hälfte der Anhöhe, nach bewaldeten und schrägen Abhängen, lagert sich eine Reihe von dreizehn steilabfallenden und durch Klüfte getrennten Bergkegeln, an deren Fuße die lange, breite, von Ölwaldungen, und Maulbeerbäumen, von Saat und Wiesen erfüllte Ebene des Eurotas, so weit das Auge reicht, sich ausbreitet. Über die Hügel hin, mit denen sie gegen den Fluss abläuft, war Sparta gebaut. Nie habe ich eine größere, mannigfaltigere und ergreifendere Szene der Natur gesehen, als diese Ebene mit dem Taÿgetos, und wenn ihr etwas abgeht, um sie über die Aussicht von Korinth, die umfassender und ausgebreiteter ist, zu erheben, so ist es das Meer. Wir blieben, da unmöglich war, noch diesen Abend Mistra zu erreichen, das uns aus der Ferne am Fuße des nordwestlichen Vorberges des Taÿgetos mit dem Schloss auf seinem Gipfel entgegenschimmerte, die Nacht in einem Dorfe, Broulià, das rechts ab vom Wege in den Falten des Gebirges liegt, welche sich 648 Alexej Grigorjevitch Orlow (1731-1808), Großadmiral, Sieger bei der Seeschlacht in der Nähe der osmanischen Hafenstadt Tscheúme (1770). Die Schlacht gilt als Anfang der Erhebung der Griechen gegen das Osmanische Reich.

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gegen den Eurotas hinabsenken, nachdem wir linker Hand auf einer steilen Anhöhe noch Einsicht von den zyklopischen Resten einer Burg mit der Grundlage eines großen Baues genommen hatten. Die Anhöhe ist offenbar der Thornax649 und der Bau hat zu dem berühmten Apollotempel auf demselben gehört. Das Dorf war fast von allem Vorrat entblößt. Eine Schar kybernetischer Rhumelioten, welche den Tag vorher auf ihrem Abzuge durchgekommen waren, hatte (all)es wie Heuschrecken aufgezehrt, und die Leute liefen anfangs wie gescheuchtes Wild davon, als sie (ich war den andern voraus) einen Mann zu Pferd ankommen sahen. Der Zuruf meines Treibers, dass ich ein Milordo sei, brachte endlich eine alte Frau zum Stehen, die ohnehin nicht laufen konnte. Sie fragte halb beruhigt, ob ich allein sei? „Es kommen noch andere Milordi.“ – „Wie viele?“ – „Einhundert und fünfzig“, sagte der Mensch in üblen Scherz, und die Alte rief erschreckt ihr Kyrie eleison aus, schlug das Kreuz und suchte sich, so schnell als ihr möglich war, in einer nahen Hütte vor den hundert und fünfzig Milords in Sicherheit zu bringen, die sie als eben so viele Rumelioten sich denken mochte. Nach langem Suchen wurden uns noch sechs Eier gebracht und zuletzt, als die Leute hörten, dass ich der Didaskalos sei, von dem Demogeronten Brot, Honig und geronnene Milch. Der Weg am folgenden Morgen führte uns durch schattige Gründe voll Quellen und Nachtigallen in ein enges und friedliches Tal hinab, aus dem uns, noch ehe wir ihn sahen, zwischen Gebüschen beinahe ganz versteckt, der Eurotas durch lautes Rauschen seiner Gewässer sich ankündigte. Er strömt hin, klar wie ein Quell, rasch, etwa achtzehn Fuß breit und zwei Fuß tief, durch fruchtbares Ackerfeld, das er durch seinen Niederschlag gebildet hat. Denn der Charakter des Gebirges auf unserm ganzen Wege war vorherrschend Tonschiefer, dessen an Luft und Sonne zerbröckelten Massen, vermischt mit der verwesenden Vegetation, jedes Jahr den guten Ackergrund bilden, den die Bäche von den Anhöhen in die Niederungen führen und um den sich überall in den Falten dieses im übrigen verödeten Gebirges friedliche Dörfer, unter Gebüschen zwischen Saatfluren an den Quellen und Bächen, angesiedelt haben. Über eine Brücke am Wege von Tripolizza und hinauf im breiten Tale, den Eurotas entlang, zuletzt durch die Falten und über die Hügel des hier in einem sich verflachenden Rücken auslaufenden Taygetos, kamen wir gegen vier Uhr in dem obern Teile der Ebene und bald darauf in Mistra an650. Den Nachmittag ritten wir durch die Ebene zurück nach den Hügeln am Eurotas, jenseits des Dorfes Magula, auf und neben denen das alte Sparta sich ausbreitete. Nach etwa einer halben Stunde waren wir auf den Äckern, wo die Trümmer der untergegangenen Stadt anfangen, eine Viertelstunde nachher auf der Anhöhe, auf welcher die spätern Einwohner in byzantinischer Zeit sich zu649 Hügelkette. 650 Fehlt ein Satz mit Beschreibung des Empfanges durch den Eparchen und die Honoratioren. Danach folgt zweiseitiger Bericht über Mißhandlung der Antikybernetischen durch Willkür des Eparchen. (Hrch. Th.: Th. Leben. II, 263-265)

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sammengezogen und befestigt haben. Sie ist, wie die Gegend, noch mit vielem Mauerwerk bedeckt, das aber, fast alles spätrömisch, zum Teil aus alten Tempeln gebaut ist. Die hellenischen Werke sind, mit wenigen Ausnahmen, nur noch in den Grundmauern, oder von ihnen nur Säulenschäfte und Gesimsüberreste vorhanden, doch die Hügel der in Trümmer gestürzten Gebäude und die wallähnlichen, lang hingestreckten Erhöhungen, welche sie erzeugt, sehr zahlreich, zwischen ihnen, in der Fruchtbarkeit der Ebene und der Höhen hochwallende Saat, üppig wucherndes Gestrüpp. Wir haben auch die folgenden Nachmittage mit antiquarisch-topographischen Untersuchungen über dem alten Sparta zugebracht, und selbst den neuesten Plan von Leake651 fast ganz unbrauchbar gefunden. Die Lage des Theaters ist allein nicht zu verkennen, die des Marktes, des Tempels der Artemis Orthia und mehrerer anderer Tempel, (das Grabmal des Leonidas und der Agiaden teils durch Inschriften, teils durch Pausanias und die Ruinen zu erkennen. Das Grabmahl des Leonidas gehört zu den schönsten Bauwerken von Griechenland. Die gegen Norden gewandte Mauer hat in einer Ausdehnung von zweiunddreißig Fuß nur drei Quader, den einen von sechzehn Fuß. Noch ist hier vieles zu tun und aufzudecken. Doch auch mit dem, was wir beobachtet und gefunden, können wir einen Plan liefern, der topographisch genauer und antiquarisch richtiger ist, als die frühern, von denen z.B. O. Müller652 den seinigen aus Bergen und Höhen, die nicht bestehen, ebenso aus imaginärem Laufe der Flüsse mit ebenen Plätzen da, wo Berge und mit Bergen da, wo Ebenen sind, und dazu das Oberste zu unterst stellend, zusammengesetzt hat. Den Tag nach unserer Ankunft ritt ich am Morgen aus, die südliche Gegend des Tales mit der Lage von Therpagne auf den Höhen, Amyklài und ein altes Schatzhaus zu sehen, das bei Lewkà aufgegraben sein sollte. Der Weg am Fuße des Taygetos und seinem mächtigen Vorgebirge hin zeigte zugleich den Quellenreichtum der Gegend. Aus fast allen Klüften des Gebirges rinnen und an mehreren Stellen der Ebene quellen Bäche frischen, klaren, lieblichen Wassers hervor, welche die Ölwaldungen und die Orangengärten bewässerten. Wir hielten in Ag. Johannes an, wo die berühmtesten Orangengärten sind. Der Ort liefert allein jährlich über eine Million der größten und schönsten Portogallen653. Für den Lehrer Sr. Königl. Hoheit werde ich nun einmal gehalten. 651 William Martin Leake (1777-1860), englischer Amateur-Archäologe, zunächst Artillerieoffizier, ab 1800 mehrere diplomatische Missionen im Orient. Später beteiligte er sich auch, durch Lord Byron angeregt, am griechischen Freiheitskampf. 652 Karl Otfried Müller (1797-1840), Altphilologe, Archäologe. Lehrte, dass die griechische Kultur eine Solitärerscheinung sei und nur die Techniken aus Ägypten übernommen habe, während Thiersch auch Adaptionen im Bereich der Religion und Mythen postulierte. Starb bei Ausgrabungen in Delphi. Die Erläuterung zu Thierschs Kritik an Müller ist von der Redaktion gestrichen worden (H. Th. II, 266). 653 Es fehlen hier sieben Zeilen, über den Andrang der ungebetenen Gäste, die wegen Th’s. Aussage über den Unterricht des Prinzen Otto sonst nirgendwo dokumentiert ist: (Hrch. Th. Th. Leben, Bd.2, S. 267) „Für den Lehrer Sr. Königl. Hoheit werde ich nun einmal

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Man hat gehört, dass ich in der königlichen Familie von Bayern viele Jahre Unterricht gegeben habe und begreift nun, wenig um den Unterschied der Zeiten und Geschlechter bekümmert, auch den Fürsten von Griechenland in den Unterricht, trotz meiner Erklärung vom Gegenteil, die ich endlich, weil sie nichts fruchteten, zu geben müde geworden bin. Neulich fiel mir ein, dass der Prinz das Griechische, wenn ich nicht irre, nach meiner Grammatik gelernt hat, und dass ich wenigstens indirekt etwas zu seinen griechischen Studien beigetragen habe654. Die Orangengärten des Hauses, in dem ich bewirtet wurde, sind ein Wunder an Größe und an Schönheit der wohlgepflanzten und bewässerten Bäume, die ihre zugleich von Blüten und Früchten strotzenden Äste zu einen dichten Laubdach verschlingen. An einem einzigen Büschel zählte ich einundzwanzig dichtgedrängte, große goldene Früchte in einem Knäuel. Derselbe Baum hatte dieses Jahr allein 5.000 geliefert. Die zwei Söhne unseres Wirtes, zwei rüstige und der Gegend wohl kundige Jungen, begleiteten uns zu Pferde zuerst nach den Kalybien von Socha655, die anderthalb Stunden weit am Fuß eines der Vorgebirge gelegen sind. Trümmer von Säulen und andern Stücken marmorner Gebäude, Grundmauern und Ziegeln auf dem Felde umher zeigen, dass der Ort in alter Zeit bewohnt war, und auf dem Gipfel des Gebirgs, von wo eine Aussicht in die Hochtäler dieser Alpenwelt sich öffnet, sind noch die zum Teil sehr wohl erhaltenen Mauern einer mächtigen zyklopischen Burg, die auch in neuerer Zeit den Einwohnern gegen Ibrahim als Zufluchtsort gedient hat. Hier also wird Thetayne, der „hochlandige Sitz der Thyndariden“ nach Pindar (Isthm. 1, 43) gewesen sein. Wir ritten von hier in südöstlicher Richtung gegen den Eurotas nach Lewkà, einem großen, aber ganz in Ruinen liegenden Dorfe, dessen türkische Einwohner, wie die gleichen Stammes in der ganzen Ebene, mit dem Schwerte vertilgt wurden. Kein lebendiges Wesen war in dieser Öde ganz zerfallener Mauern, doch die Flur mit hohen Saaten bedeckt, die Maulbeerbäume wohl unterhalten. Hinter dem Orte erhebt sich, gegen den Eurotas gewandt, eine beträchtliche Hügelreihe, auf einer ihrer westlichen Spitzen der zyklopische Eingang in einen Rundbau, der hinter ihm zusammengefallen ist. gehalten. Man hat gehört, daß ich in der königlichen Familie von Bayern viele Jahre Unterricht gegeben und begreift nun, wenig um den Unterschied der Zeiten und Geschlechter bekümmert, auch den Fürsten von Griechenland in den Unterricht, trotzt meiner Erklärung vom Gegenteil, die ich endlich, weil sie nichts fruchteten, zu geben müde geworden bin. Neulich fiel mir ein, daß der Prinz das Griechische, wenn ich nicht irre, nach meiner Grammatik gelernt hat, und daß ich wenigstens indirekt etwas zu seinen griechischen Studien beigetragen“ (habe). Vgl. dagegen die Zitatstellen, die Th. für den Lehrer Prinz Ottos ausgeben haben sollen, bei Kotsowilis, Konstantin: Die Griechenbegeisterung der Bayern unter König Otto I., München 2007, S. 4, Anm. 7. 654 Die letzte drei Sätze finden sich nicht im Morgenblatt, aber bei H. Th. II, 267. Vgl. dagegen die Zitatstellen, die Th. für den Lehrer Prinz Ottos ausgeben haben sollen, bei Konstantin Kotsowilis, Die Griechenbegeisterung der Bayern unter König Otto I., München 2007, S. 4, Anm. 7. 655 Sommerhütten.

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Die Meinung, dass dieses ein Schatzhaus gewesen, hat auch auf das nicht archäologische Gemüt des Gouverneurs Eindruck gemacht, und in der Hoffnung, den Schatz aus dem Hause zu heben, hat er darin eifrig nachgraben lassen. Doch ist das ohne Ordnung und Verstand geschehen: Man hat mitten hinein ein Loch gemacht, die Steine nur zurückgeworfen und ist abgestanden, ehe man auf den Grund gekommen, wo noch erhaltene Teile des Baues sein müssen, nach deren Aufdeckung allein man über denselben urteilen kann. Wir kehrten von da gegen Norden um und kamen nach einer halben Stunde in den fruchtbarsten und üppigsten Teil der Gegend, wo die Ortschaften Godma und Slavochori mit Trümmern zahlreicher Kirchen zwischen fetten Saatfeldern zerstreut liegen. Die Erde gibt hier ungedüngt zwanzigfältige Frucht, doch ist ihr Anbau zur Zeit der Türken versäumt gewesen und auch jetzt noch nicht in Ordnung. Weder Ölbäume, noch Orangen, noch Wein sind noch gepflanzt worden, und die Not der letzten Jahre, wo die Dörfer von zahlreichen Soldaten, welche gegen die Manioten zu Felde lagen, heimgesucht wurden, hat vollends allen Eifer erstickt656. Die ganze Gegend ist reich an Altertümern, besonders die versumpften Büsche zwischen Godma und Slavochori. Die zahlreichen Kirchen von Slavochori sind fast alle aus Trümmern alter Tempel gebaut, ebenso andere in Godma, wie die der Panagia, seitwärts vom Orte an einer reichen Quelle, und der Ag. Kyriaki, hinter dem Dorfe, auf einer Anhöhe gegen den Eurotas. Man wandelt über dem Grabe einer untergegangenen Stadt, und diese muss, nach Lage und Entfernung von Sparta, Amyklai gewesen sein. Man (suchte) Amyklai in Slavochori, Leake hat es auf dem Hügel der Ag. Kyriaki gesucht. Es breitete sich offenbar an der Stelle und über die Fluren beider genannten Dörfer aus, die nur zwanzig Minuten voneinander entfernt liegen. Auf der Höhe der Ag. Kyriaki war die Burg, und in der Kirche und in den gewaltigen Substruktionen umher haben sich wahrscheinlich Spuren des berühmten Apollotempels von Amyklai erhalten. Auf uralte Festesfeier deutet auch ihr Name hin, indem er den einer Märty(re)rin und den (eines) Sonntags gemein hat, der öfters in Griechenland den Kirchen gegeben ward, die an den Stellen alter Volksfeste gebaut wurden. Eine Burg von Amyklai wird zwar nicht erwähnt, aber wie könnte eine Stadt jenes Altertums ohne Burg gewesen sein, zumal in diesem Tal voll natürlicher Burgen in den Anhöhen gegen den Eurotas? Auch deutet der lange Widerstand, den sie den Doriern geleistet, auf starke Befestigungen hin, die in Griechenland sich überall an Berge lehnen oder Berge umspannen und krönen. Vergeblich war unser Bemühen, hier, wo vor hundert Jahren Fourmont657 merkwürdige Inschriften fand und noch mehr erdichtete, wenigstens einige derselben zu finden. Eine mit den Namen von Amyklai in Ag. Kyriaki, eine andere ebenfalls mit die656 Folgen 14 Zeilen Klagen über Kapodistrias’ Willkürherrschaft. (Hrch. Th.: Th. Leben. II, 268). 657 Claude Louis Fourmont (1703-1780), französischer Philologe, dem vorgeworfen wird, viele „Funde“ von Inschriften, die er publizierte, erfunden zu haben.

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sem Namen in einer Kirche von Slavochori und einiges Römische war alles, was sich erhalten hatte. Erst vor zwei Jahren waren aus einer Kirche von Slavochori die letzten durch „Milordi“ abgeführt worden. In der Panagia von Godma, auf einem Marmorpfeiler, der dem Gewölbe zur Stütze dient, ist der Name Eugenidas in uralten Zügen geschrieben, die einzige Erinnerung an das fernere hellenische Altertum. Wir gingen über das Dorf Kalagonia zurück, hinter dem der Fluss von Magula weggeht, um das Tal des Eurotas zu erreichen. An seinen Ufern ist die untere Hälfte eines großen und schönen Sarkophags aufgedeckt worden, dessen halbabgebrochene Figuren einerseits eine Opferszene, auf der andern einen Kampf bei einer Einschiffung andeuten und wohl auf die Szene der Iphigenia in Tauris Bezug haben. In derselben Richtung, an einem Hügel, an welchem der kleine Ort Psychiko liegt, sind andere Gräber gefunden worden. Gleich neben diesem Orte gehen dann die Trümmer von Sparta an. Wir kamen auf dem letzten Teil unserer Heimkehr in ein arges Gewitter, das südlich unter den Schneeregionen des Taygetos an dem Berg herabzog und die Flur mit einem ausnehmend reichen und erfrischenden Regen erquickte. Gleich darauf ward es heiter und die Luft von einer außerordentlichen Lieblichkeit. Wie schön, unaussprechlich schön ist doch dieses Klima, dieser Himmel und, in den erlesenen Teilen, dieses Land! Korinth, der Parnaß, die Thermopylen und dieses Tal des Eurotas, welche Gegenden! Diesen Abend kamen wir nach Untergang der Sonne gegen Mistra zurück und hatten das riesenhafte Gebirge in ernster Stille vor uns. Eine zauberhafte Klarheit schimmerte um die weißen und bewaldeten Gipfel desselben, und der milde Strom der Alpenluft aus seinen Höhen war mit den Düften der Orangengärten, über welche er zu uns kam, balsamisch erfüllt, während Scharen von Nachtigallen wetteiferten, diese Verklärung und Herrlichkeit der südlichen Natur mit Melodien zu erfüllen, würdig des irdischen Paradieses, das von ihnen wiederklang. Mistra, so weit es jetzt unter alten Ruinen aufgebaut ist, hat etwa dreihundert Häuser und nur zweitausend Einwohner, deren Wohlstand in den Kriegen gegen die Türken und dann gegen die Bedrükkung erschöpft worden ist. Die Stadt leidet durch die Nähe des Gebirges, besonders durch den Luftzug einer bis in die oberste Höhe hinaufreichenden Bergschlucht, durch welche, sobald die Atmosphäre sich erwärmt, ein heftiger kalter Luftstrom herabbraust. Es war im Plan, die Hügel des alten Sparta mitten in den schönen Fluren am Eurotas aufzubauen und den Namen der glorreichen Stadt zu erneuern. Der Präsident hat auch dieses gehindert.

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Nauplia, den 12ten Mai658 Unser Weg führte uns vergangenen Donnerstag über den Eurotas in die hohen und öden östlichen Gebirge von Lakonien, durch ihre Niederungen mit Anbau, Grün, Quellen und anmutigen Dörfern, immer höher in die Bergreihen des Malewos empor. Wir kamen über Brasara659 gegen fünf Uhr in Verta an, in dessen hochgelegenem, quellenreichen Tal wir in einer Hütte unter Blütenbäumen und den Gesängen der Nachtigallen die Nacht zubrachten. Am folgenden Morgen ging es durch höhere Gebirgszüge, und die von der Zerstörung der Hirten noch nicht erreichten Waldungen der Hochtäler nahmen ihren Anfang, die Föhren und Fichten zum Teil in dichtem Bestand, trotz der Verwüstungen im Einzelnen, da jeder ungestört nimmt, was er braucht, und in ihrem Schatten üppiges Gras, Quellen, eine Fülle von Veilchen, Narzissen und prachtvollen Tazetten. Auch die Singvögel unserer Waldungen fehlen nicht. Gegen Mittag zogen wir abwärts durch ein Tal voll Nuß- und Kastanienpflanzungen nach Kastanitsa, eine Ortschaft, die von den eigentlichen Zakonen (Lakonen) bewohnt wird, welche unter andern einen ganz eigentümlichen, dem altlakonischen sehr nahen Dialekt reden, in dem zugleich vieles andere Altgriechische sich erhalten hat. Ihr Hauptort, Brastos660, einige Stunden von Kastanitsa, gegen tausend Familien stark, ist nach der Zerstörung durch Ibrahim wenig aufgebaut worden, und die Einwohner haben sich in ihre Besitzungen am Meere, nach Limeni und Ag. Andreas, zerstreut. Außer Brastos und Kastanitsa, das 130 Häuser hat, ist der Dialekt nur noch in Aigithyra661, einem nordwestlich von Kastanitsa gelegenen Dorfe von hundert Häusern, ursprünglich. Wo er sonst vorkommt, ist er durch Einwohner der drei Orte hingebracht. Ich habe mir Mühe gegeben, von ihm so viel wie möglich zu erfahren. Den Nachmittag ritten wir durch sich mehr und mehr senkende Gebirge nach dem Meere, und kamen um sieben Uhr durch eine mit Astros zusammenhängende Ebene am Fuße einer Anhöhe am Meere an, die auf der Spitze die Kirche des Ag. Andreas hat, von der die Gegend den Namen trägt. Desgleichen bedeutende zyklopische Reste einer Burg und über die Bergfläche verbreiteten Stadt, in welcher wohl mit mehr Sicherheit die Ruinen des alten Thyrea als hinter Astros zu suchen sind. Am Fuße eine durch den Handel mit Nauplia, Syra und dem Innern des Landes belebte Rhede, und die geringen Reste eines ursprünglich größeren, aber fast ganz verschlammten Hafens, bis zu dem sich die alten und starken Substruktionen hinaberstrecken. Am Ufer sind nur einzelne Magazine erbaut.

658 659 660 661

Folgen 17 Zeilen politische Kritik. (Hrch. Th.: Th. Leben. II, 270). Brasara = ǺĮııĮȡȐ , ǺȑȡIJĮ = ǺȑȡȚĮ. ȆȡĮıIJȩȢ. Die Ortschaften, wo der Tsakoniki Dialekt gesprochen wird, sind: ȀĮıIJĮȞȓIJıĮ, ȈȓIJĮȚȞĮ, ȆȡĮıIJȩȢ, ȉȣȡȩȢ, ȈĮʌȠȣȞĮțĮȓȚțĮ, ȂȑȜĮȞĮ, DZȖȚȠȢ ǹȞįȡȑĮȢ, ȆȡĮȝĮIJİȣIJȒ, ǺĮıțȓȞĮ, ȁȚȕȐįȚ, ȈĮȝʌĮIJȚțȒ.

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Nauplia, den 10 August662 Endlich ist der Tag meiner Abreise gekommen. Ich gehe diese Nacht auf einer Goelette aus Gelapidi, die ich für meine Reise gemietet habe, nach Korfu unter Segel. Ich werde mich unterwegs nur zwei Tage in Pyrgos aufhalten, um von da Olympia zu sehen, und ebenso lange in Ithaka, um den Schauplatz der Odyssee kennen zu lernen. Ist die Fahrt nicht ungünstig und in Korfu, wo ich mit dem Paketboot aus Triest zusammenzutreffen hoffe, kein Aufenthalt, so gedenke ich zu Ende des Monats in der Quarantäne von Triest anzukommen. Zante, den 19 August Wir sind am 10ten abends in Nauplia, von Freunden und vielen Wünschen begleitet, unter Segel gegangen, ich, Hr. Metzger und Theodor. Weil man Besorgnis wegen eines Piraten im Golf von Maina hatte, gab die Regierung mir eine Kriegsbrigg bis über jenen Golf zur Begleitung. Die Fahrt um den Peloponnes ist im Ganzen sehr günstig gewesen, vorzüglich führte uns ein starker Ostwind schnell an der ganzen Südseite am 13ten August vorüber. Am folgenden Tag segelten wir mit mäßigem Winde die Westküste des Peloponnes hinan und gingen die Nacht bei Katakolos, dem Hafen und der Skala von Pyrgos, vor Anker. Noch spät kam der Zolleinnehmer, den ich zu sprechen gewünscht, an Bord und brachte Nachricht über den Stand der Dinge in jenen Gegenden. Hadschi Petros663, der mit seinem Korps gegen Tzavellas664 gestanden und, statt (sich) mit ihm zu schlagen, einen unbegreiflichen Vertrag geschlossen und die Belagerung aufgehoben hatte, war mit allen seinen Leuten in die Eparchie von Gastuni gezogen, um dort Zehentgelder, die ihm bewilligt waren, zu erheben. Findend übrigens, dass Sisini, welcher durch persönliches Ansehen an der Spitze jener Eparchie steht, zu stark sei, als dass er sich Erpressungen erlauben könne, war er ab- und tiefer nach der kleinen Eparchie Pyrgos gezogen, um von ihr 30.000 Piaster zur Bezahlung der Truppen zu erheben, die von Tzavellas zu ihm übergegangen. Seine Leute hatten sich viele Unterordnungen und selbst Gewalttätigkeiten erlaubt. Die Summe sollte von den Zehentgeldern entrichtet werden. Da aber Hadschi Petros darauf keine Anweisung von der Regierung hatte, die er anerkannte, verweigerte der Zehentpächter, Lalis, einer der angesehendsten Männer von Pyrgos, die Zah662 Zwischen dem 10. Mai und dem 12. August hat Thiersch sieben Briefe meist mit politischer Kritik geschrieben, die von Heinrich Thiersch (II, 272 ff.) abgedruckt wurden, während der letzte Abschnitt und dieser Brief vom 10. August dort fehlen, aber im “Morgenblatt” abgedruckt sind. Leider fehlen die Orginal-Briefe seit Sparta (2. Hälfte des Briefes v. 9.5.) in den Thierschiana I der Bayer. Staatsbibliothek. 663 Christodoulos Chatzipetros (1794 (9?) – 1869) Anführer der epirotischen Aufständischen; später Adjutant König Ottos. 664 Kitsos Tzavellas (1800-1855), suliotischer Politiker und Freiheitskämpfer, Anhänger Kapodistrias´. Wegen hochverräterischer Pläne 1834 inhaftiert, aber von König Otto aus der Haft entlassen. 1844 Kriegsminister und 1847/48 Premierminister.

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lung und sucht Hilfe bei Sisini. Dieser gebietet über ein beträchtliches Korps von Reiterei, das er bis auf 1.500 durch berittene Landleute vermehren kann, und hatte außerdem noch das Korps von Diamantis Zervas665 in der Nähe, welcher ebenfalls zu jenem Vertrage mit Tzavellas verlockt worden, aber später zur Besinnung gekommen war. Sisini zieht ihn an sich und rückt mit ihm und 150 Reitern nach Pyrgos, um Hadschi Petros zu bestimmen, von seiner Forderung und von der Eparchie abzulassen. Noch war es nicht zu Feindseligkeiten gekommen, aber die Eparchie litt durch eine Anhäufung von nahe an 2.800 Mann ungeregelter Truppen, und der Ausbruch konnte jede Stunde eintreten. „Sie kommen“, sagte der Zöllner, „wie vom Himmel gesandt. Niemandem außer ihnen würde es möglich sein, die Sache zum Vergleich zu bringen und die Eparchie von dem harten Druck zu befreien. Ich trug ihm auf, noch die Nacht an den Präfekten, den ich kenne, (es ist der Schwager von Karpuni) zu schreiben und für mich und meine Begleiter aus dem zwei Stunden entfernt liegenden Pyrgos für den frühen Morgen Pferde zu bestellen. Bald nachdem es Tag geworden, hielt eine Abteilung von den Reitern des Generals Sisini, einen Trompeter voran, in Katakolos ihren Einzug. Sie war mit den Pferden abgeschickt, uns nach Pyrgos zu begleiten. Wir ritten durch eine schöne und fruchtbare, aber meist verödete Ebene gegen S.O. zuerst nach Ag. Johannes, wo wir unter mächtigen Platanusbäumen die süßesten Wassermelonen, die ich je gegessen, und andere herrliche Früchte des gesegneten Landes verzehrten, während die geängstigten Bewohner und die Geistlichen uns mit bekümmerten Blicken umstanden und versicherten, dass das ganze Volk in den Kirchen und in seinen Hütten Gott täglich mit Tränen in den Augen um die Ankunft seines Königs bitte und ihm mit ausgebreiteten Armen entgegensehe. Die Gegend von Katakolos und von Ag. Johannes zeigt die Spuren alter Städte, die sich mit Hilfe von Strabo und Pausanias ausmitteln lassen. Nach einer Stunde weiteren Rittes naheten wir einer Reihe schöner und begrünter Anhöhen, welche sich von Norden her mitten in die Ebene hereinzieht. In dem Schoße der einen schimmerte uns aus Platanen und Zypressen der wohlhabende Ort Pyrgos entgegen. Erst vor sechzig Jahren ist er mit zwölf Dörfern, die man von ihm aus übersieht, von der Eparchie Gastuni getrennt und zu einer eigenen Eparchie erhoben worden. Dadurch ward ein ursprünglich einfacher Landsitz (ʌȪȡȖoȢ) des Aga der Grund des Hauptortes der neuen Eparchie, welche der Sultanin als Eigentum zufiel und darum mit mehr Schonung behandelt wurde. Die Einwohner hatten vor der Revolution die ganze fruchtbare Gegend wie einen Garten angebaut, durch die Versumpfungen Kanäle gezogen und ihren Wohlstand noch durch den Handel nach der nahen Skala vermehrt. Jetzt ist noch alles in derselben Versäumnis, in welche es die Kämpfe der Revolution gebracht haben, und das neue Unglück kommt dazu, auch die Anfänge der Kultur zu hemmen. Vor dem Orte empfingen mich die 665 Diamantis Zervas aus der Mani, als Freischärler im Epirus aktiv, am Freiheitskampf beteiligt. Später Syntagmatiker.

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angesehenen Einwohner mit der Geistlichkeit, bald darauf Hadschi-Christos666 mit seinen Offizieren. Ich ward in das Haus geführt, in welchem Chrysanthos Sisini667 sein Hauptquartier aufgeschlagen, und von diesem ausgezeichneten und wohldenkenden jungen Manne mit aller Aufmerksamkeit und Auszeichnung aufgenommen. Kurz darauf kam Diamantis Zervas mit seinen Offizieren, nach ihm die Demogeronten. Ich hatte mich mit Sisini bald über die Lage der Sachen und über dasjenige verständigt, was zu tun sei. Mit den übrigen Häuptlingen wurde zunächst verkehrt und noch vor Mittag die Sache zum Vergleich vorbereitet. Nach Tische brachen wir auf, um nach Olympia zu reiten, das man von Pyrgos aus in drei Stunden erreichen kann. Sisinis schloss sich an, und da man wegen der Nähe der Eparchie Karytena, wo Kolokotronis haust, nicht ganz sicher war, wurden fünfundzwanzig Reiter zu unserer Bedeckung beordert. Der Ort selbst, durch den wir ritten, bot einen traurigen Anblick. Fast alle Läden waren geschlossen, die meisten Menschen hatten sich zerstreut, fast nur Soldatengruppen waren überall zu sehen. Nach einer und einer halben Stunde Ritt, teils an Anhöhen, teils über die fruchtbare Ebene von Pyrgos, kamen wir östlich auf den Vorsprung eines Berges, von welchem aus sich eine herrliche Aussicht über die weite Landschaft eröffnete. In der größten Ferne gegen Süden hin ziehen sich die Kolobuniagebirge, östlich stehen die arkadischen in gleicher Weite, und im Norden erheben sich die steilen Gipfel des Olenos, wo die Eparchien von Patras, Kalavrita und Gastuni zusammenstoßen. Innerhalb dieses weiten und erhabenen Amphitheaters ist der ganze Raum von Bergen zweiter Ordnung erfüllt und durchstrichen, und während jene, aus Felsmassen aufgetürmt, dem Auge nur öde Flächen bieten, sind diese, aus Ton, Sand, Lehm und Dammerde gebildet, bis auf ihre nicht sehr erhabenen Gipfel begrünt und bewaldet und bilden in ihren weniger erhabenen als schönen Tälern eine Abwechslung von Grün und eine Üppigkeit der Farben und des Gebüsches, die mit den schönsten Gegenden des Norden wetteifert. In einem jener Täler liegt Olympia. Da alles, was durch den Regen von jenen Bergen abgeschwemmt wird, dem Anbau günstig ist, sind diese Täler alle von einer ausnehmenden Fruchtbarkeit und wetteifern an Fülle der Erzeugnisse mit den reichen Ebenen, in welche sich die vordere Landschaft ausbreitet. Eine solche lag zu unsern Füßen, von der Lestenitsa durchschnitten und südlich vom Alpheios begrenzt, der aus den Tälern von Olympia durch einen engen Pass hervorbricht um am Fuß eines jener Höhenzüge in geradem Lauf gen Westen nach dem Meere zu gehen. Die Ebene mit ihrer Fortsetzung am Alpheios hinab heißt jetzt Guba (țȐȝʌȠȢ IJȘȢ īȠȪȕĮȢ). Vierunddreißig Ortschaften liegen umher an den Anhöhen, und reichen noch nicht hin, ihren achten Teil anzubauen. Es ist die hohle Elis (țRȚȜȒ ǾȜȓȢ) der Alten, die übrige Elis, die Eparchie Gastuni, erstreckt sich von hier aus gegen Norden. Ihr Hauptteil ist 666 Chatzichristos (1783-1853), Freischärler, Syntagmatiker. 667 Chrysanthos Sisinis (1799-1845), Sohn des Georgios.

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eine mehr als neun Stunden lange und gegen vier bis sechs Stunden breite Ebene von gleicher Fruchtbarkeit und mit ähnlichen Höhen begrenzt, aus denen eine Fülle von Quellen und Bächen und der Peneios sie bewässern. Nicht ihr zehnter Teil ist angebaut, und auch der Ertrag des Angebauten könnte durch Herstellung der Bewässerung verdoppelt werden. Sie enthält jetzt 80.000 Einwohner. Sie kann eine Million in Wohlstand ernähren, 200.000 mehr als jetzt das ganze in Ruinen gefallene Griechenland erhält, und dieses ganze Feld ist öffentliches Eigentum. Nicht anders ist Beschaffenheit, Lage und Verhältnis von Messenien, von Boötien. Das ist Griechenland, was es ist, was es werden kann, das der Reichtum seiner Regierung, wenn die Schätze nutzbar gemacht werden. Kommt das Grundeigentum nur etwa zur Hälfte seines innern Wertes, so besitzt die Regierung daran für 500 Millionen spanische Taler. Sie besitzt ebenso 12.000 Millionen Ölbäume, die 50 Millionen Taler wert sind, alle Gebirge und Waldungen ohne Ausnahme, und ein genügsames, arbeitsames, folgsames Volk, aller Dinge fähig, wenn es mit Wohlwollen, Einsicht und Gerechtigkeit regiert wird. Nachdem wir in einer Stunde die Ebene vor uns durchritten hatten, folgten wir dem Alpheios, dem größten und schönsten Flusse, dessen Gewässer hier gegen 125 Schritte breit ist, bei drei bis fünf Fuß Tiefe, und kamen an dem Abhange der Berge an seinem rechtem Ufer nach einer halben Stunde in eine Gegend, wo zwei breite, ebene, fruchtreiche, gutbewässerte, von grünen Höhen umgebene Täler, das eine von Norden, das andere von Osten kommend, vor einem konischen Hügel zusammentreffen. Da lag Olympia, und der Hügel ist der von Pindaros gefeierte Berg des Kronos. Der Abend war im Anbruch. Wir begnügten uns deshalb für heute mit dem ersten Anblicke. Die Untersuchung des Einzelnen auf den folgenden Tag verschiebend, eilten wir noch vor der Nacht, das arme, auf den linken Anhöhen liegende Dorf Makrisia zu erreichen, wo wir, um in den Hütten dem Ungeziefer zu entgehen, auf der Area einer Tenne unser Nachtlager aufschlugen, über uns der klare Mond, dessen Licht zauberisch die vielfachen und verschlungenen Gründe erfüllte, in welchen, gegen Nordost hin, die Gegend weit vor uns offen lag. Am anderen Morgen waren wir bei guter Zeit in der durch alte Herrlichkeit berühmten und jetzt noch durch große Erinnerungen geweihten Ebene, welche tausend Jahre lang die Bevölkerung des blühenden, dann des gesunkenen Hellas zu den bedeutsamsten und schönsten Spielen und Festlichkeiten vereinigte. Jetzt ist ein fruchtbarer Ackergrund über die Reste des Altertums, die hier noch verborgen liegen, hinweggezogen, welcher den alten Boden sechs, zehn, an manchen Stellen sogar zwölf Fuß erhöht hat. Mein aufmerksamer Begleiter, der hier in seiner Eparchie war, hatte eine ganze Schar von Arbeitern zu meiner Verfügung gestellt. Aber was war an einem Tage bei dieser Tiefe zu tun, in welcher das Verborgene ruht? Die Anschlammung kommt nicht vom Alpheios. Dieser zieht am südlichen Bergrücken hin, und anwachsend überschwemmt er nur den niedern Teil der Ebene, ohne je die Höhe zu erreichen, welche da, wo

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der Tempel lag und was zu ihm gehörte, um fünfzehn Fuß über jenem erhaben liegt und nach ihm in einer geschlungenen, aber steilen Terrasse abfällt. Auch nicht der Bach, welcher aus dem nördlichen Tale kommt, der Keladaios, hat die Erhöhung allein gebracht, sondern sie rührt daher, dass gleichmäßig die fruchtbare Erde der umgebenden Berge durch die Regen so vieler Jahrhunderte herabgeschwemmt worden. Alles war jetzt mit den üppigsten Maispflanzungen überzogen. Auch sind in den Tälern Gruppen von Feigenbäumen, von mächtigen Platanen sehr malerisch verteilt, und an den Anhöhen gewährt das Gebüsch der Waldungen und geben die Tannen, der hier auf allen Höhen vorherrschende Baum, reichlichen Schatten. Die Luft war, obwohl in der noch ungebrochenen Sommerhitze, hier milder als in der Ebene und durch den Einfluss der Berge, durch die Temperatur des Stromes und der Bäche in einem angenehmen, kühlen Wehen. Von den alten Gebäuden, deren Schönheit und Menge diesen Ort verherrlichten, ist nur der Tempel des Zeus mit Bestimmtheit nachzuweisen, nachdem die Franzosen seinen ganzen Grund durch eine umfassende Nachgrabung aufgedeckt und dadurch die Wahrnehmung begründet haben, dass sich an diesem schon früher sichtbaren, aber noch wenig untersuchten Gebäude, so weit es übrig, alles der Beschreibung des Pausanias gemäß findet. Auch das schwarze Pflaster im Innern, nahe der kolossalen Statue des Gottes, und die Rinne, in welcher das Öl abgeleitet wurde, welches von der Statue abfloss, sind noch zu sehen. Alles Übrige über dem Grunde ist römischer Zeit angehörig und besteht aus Resten von Mauern aus Backsteinen, deren Bestimmung nicht zu enträtseln, doch kann man, nachdem die Lage des Hauptgebäudes, südlich vom Kronion und nahe der Stelle, wo die beiden Täler zusammentreffen, bestimmt ist, mit Pausanias Hilfe an Ort und Stelle die Lage des Übrigen, wenigstens des meisten, nach der Örtlichkeit bestimmen. Die vorzüglichsten Gebäude und Anlagen, der eigentliche vĮȩȢ, das Heraion, das Metroon, die Schatzhäuser, das Stadion umgaben den konischen Berg, und dieser hatte die vorzüglichste Herrlichkeit von Olympia um sich her ausgebreitet. Er ist durch einen niedrigen Rücken mit den nördlicher liegenden Höhen verbunden und steht, jene flache Verbindung abgerechnet, ganz frei. Über oder vielmehr durch diesen Rücken ging der verborgene Weg von den Schatzhäusern in das Stadium. Die Schatzhäuser sind nördlich und westlich am Fuße des Kronion auf einer doppelten Terrasse, deren Spuren ich aufgedeckt, zu setzen, und das Stadium in das Tal, welches zwischen dem Kronion und einer östlicher liegenden Anhöhe sich ausbreitet. Doch ich will hier in keine Topographie eingehen, die ich füglich unsern Philologen und Antiquaren aufhebe, sondern hier von Olympia mit dem Wunsche scheiden, dass seine anmutige Flur, dass seine schattenreichen Höhen und Gründe bald wieder mit einer glücklichen Bevölkerung sich bedecken und die Stellen, wo Schätze alter Kunst zu vermuten sind, bei sorgfältiger und mit Einsicht geführter Nachgrabung bald sich öffnen mögen. Man hat häufig von dem Projekt gesprochen, dem Alpheios ein anderes Bett zu graben, um aus dem, das er jetzt

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füllt, hervorzuholen, was in ihm an Werken alter Kunst verschlammt ist. Der Vorschlag wäre nur für den östlichen Teil seines Laufes in diesem Tale auszuführen, wo er an dem niedrigen Teile desselben vorübergeht, und dort gerade scheint mir das wenigste zu erwarten, weil in dem niedern Tale die wenigsten Sachen aufgestellt waren. Ratsamer bliebe, dem eigentlichen Schauplatze der olympischen Herrlichkeiten nahe in dem Flussbette einzelne Stellen abzudämmen, wie da, wo man den Rost zu Steindämmen und Brücken legt, und dort nachzugraben. Im Sommer, der hier ganz ohne Regen ist, bietet der Fluss in seinem ziemlich breiten Bette dazu alle Leichtigkeit. Pausanias erwähnt da, wo die meisten Gebäude und Hallen zusammengedrängt waren, in der Nähe des Naos, ein vielfältiges Echo. Dieses ist jetzt mit den Gebäuden, die es offenbar bildeten, verschwunden, aber der Name haftet noch an dem Orte. Er heißt Antilalos, der widerhallende (eigentlich: Ƞ ĮȞIJȓȜĮȜȠȢ țȐȝʌȠȢ). Nachdem wir unter den Baumgruppen am Kronion gegessen, brachen wir nach Pyrgos auf und kamen dort mit Sonnenuntergang an. Wir hatten Sorge um Hr. Metzger gehabt. Er war weder in Miraka zu uns gestoßen, noch nachher in Olympia, jedoch nahe bei Olympia noch gesehen worden und offenbar an der Stelle, wo der Weg nach Miraka ein biegt, durch die Urkunde der Leute vorbeigekommen und tiefer in das Land geritten. Es stand deshalb zu besorgen, dass er in die Eparchie von Karytena gekommen und den Leuten von Kolokotronis in die Hände gefallen sei. Für meinen Aufenthalt in Olympia kam daraus auch der Nachteil, dass ich von den schönen, zwar nicht großartigen, aber sehr malerischen Landschaften keine Zeichnung und von dem Naos keine architektonischen Maße bekam, doch fanden wir ihn zu unserer Freude mit seinen Begleitern in Pyrgos. Sie waren allerdings auf jenem Wege noch drei Stunden in der Nacht fortgeritten, dann wieder zurück, hatten, ohne es zu ahnen, in der Nähe des Tempels den Rest der Nacht zugebracht und waren, um sich nicht weiter zu verirren, nach Pyrgos zurück aufgebrochen, ehe wir an Ort und Stelle unserer Untersuchungen ankamen668. In Pyrgos war indes zwischen den Parteien der Vergleich auf der angenommenen Grundlage zu Stande gekommen, und diese Sache, in Folge welcher die Eparchie von ihrer Last befreit worden, in dieser Art abgemacht. Ich verließ um elf Uhr nachts Pyrgos und zwei Stunden darauf den Boden von Griechenland. Der Wind, mit dem wir nach Zante669 hinauffuhren, war schwach, und wir kamen erst die folgende Nacht in dem Hafen der schönen Insel an. Am folgenden Tage, an dessen Abend ich dieses schreibe, gingen wir, die geräumige Stadt, einige Freunde und die Gegend zu sehen, dieses, indem wir den Berg der Festung bestiegen. Bisher hatten wir die Insel zwar besser angeschaut, jedoch nichts gesehen, was ihren Namen, Fior di Levante, rechtfertigt. Aber von 668 Diesen Abschnitt, „Wir hatten Sorge (…) ankamen“, hat Heinrich Thiersch nicht abgedruckt. Der sich im Anschluss an den folgenden Satz befindende Vertragstext über die Beilegung der Kämpfe wurde von der Redaktion ausgelassen (H. Th. II, 331). 669 Zante = Zakynthos.

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dort oben blickt man in eine ausnehmend schöne, reiche, an malerischen Hügeln und Bergen umgebene große Ebene hinab, von welcher die Festung an drei Seiten umgeben ist, die mit ihren Weingärten, Ölwaldungen, Villen und Ortschaften eines der reichsten und anmutigsten Gemälde bildet, das die Natur in diesen an ihren Schönheiten reichen Ländern aufgestellt hat. Morgen früh werden wir nach Ithaka unter Segel gehen.

Höhe von Ithaka, 23ten August 1832 Wir sind nach einer mäßigen Fahrt von Zante am 20ten abends in dem Hafen von Bathy, dem Hauptorte auf Ithaka, angekommen und den andern Morgen bald aufgewesen um den Ort, vorzüglich aber um die Gegend zu sehen, welche man als die in der Odyssee bezeichnete betrachten kann. Die Insel zeigt überall fleißigen Anbau und alle Früchte gedeihen auf ihr in vorzüglicher Güte. Die beiden Teile derselben sind durch einen schmalen Isthmus verbunden, auf dessen höchstem Gipfel die Ruinen der alten Burg und Stadt sind. Dahinein geht eine tiefe Bucht mit einer ganzen Reihe guter Häfen, an der Südseite. Die Nordseite ist durch das schroff ablaufende Gebirg hinter der Küste unwirtbar, die südliche aber gegen das Meer in schönen Niederungen geöffnet, welche mit Ölund Weinbau angefüllt sind. Der rote Wein gehört zu den vortrefflichsten, die wir getrunken haben, und kommt an Ort und Stelle wohlfeiler als in München das Bier. Der meist steinigte Boden liefert nur spärliches Getreide, und was nicht durch den andern Ertrag der Insel gedeckt wird, gewinnen die sehr tätigen Einwohner durch einen beträchtlichen Seehandel, der durch ihre schönen Häfen begünstigt wird. An Korinthen werden jährlich 400.000 Pfund, an Öl 2.500 Fässer ausgeführt. Die letzte Zählung hat 9.319 Einwohner gegeben, von denen 4.500 auf den Hauptort Bathy kommen, welcher hinter einem großen und vortrefflichen Hafen sich schön und malerisch ausbreitet. Früher war die Stadt höher am Berge hinauf, aus Furcht vor den Seeräubern, jetzt sind dort noch in weiter Ausdehnung die alten Ruinen der venetianischen Zeit. Wir brachen nachmittags auf, um in dem schönen Tale hinter Bathy südlich hinauf nach der Bucht von Perapegadhi zu reiten. Sie hat den Namen von einer Insel vor ihr, und diese von einer schönen Quelle, die in einem höchst malerischen Felsengrund gegen die Mitte der Berghöhe zu Tage tritt und in einer Grotte gefasst und zurückgehalten wird. Man hält diese für die Arethusa670 des Dichters, in welcher Eumäus seine Schweineherde getränkt. Wir fanden eine Rinderherde dort und die Hirten beschäftigt, das schöne und dunkele Wasser zu schöpfen und ihr denselben Dienst zu leisten. Der göttliche Sauhirt würde dann seine Stallungen und Gehöfte über diesen Felsen gehabt haben, wo eine be670 Arethusa war eine Nymphe, die vor dem in sie verliebten in der Elis lebenden Flußgott Alpheios als Wasserlauf nach Syrakus floh und dort von ihm eingeholt wurde. Überall dort, wo die Nymphe gerastet hat, gab es Quellen mit dem olympischen Wasser.

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trächtliche Ebene, sehr steinig, aber doch für Öl und Wein benutzt, sich ausbreitet. Hier hätte er seinen Herrn bewirtet, welcher aus dem Hafen zu ihm heraufgekommen. Alte Zisternen an mehreren Stellen und an einem Rest einer polygonen Mauer zeigen auf hellenische Bewohnung. Den Abend blieben wir in Perachorion, das über Bathy neben dem alten Orte gebaut ist, und brachen am andern Morgen auf, den rauen Weg am Gebirge hin nach der alten Burg auf dem Isthmus zu verfolgen. Ist dort die Stadt des Odysseus gewesen, so war auch auf ihm die Verbindung zwischen ihr und den Gehöften des Eumäus und ihr, weil am Berge hin kein anderer Weg nach ihr leitet. Nach einer halben Stunde Rittes kamen wir über den Hafen von Dexia neben Bathy und lenkten in einen dritten Seitenpfad abwärts, um eine Grotte zu besuchen, die dort tiefer hinab in dem Berg sich öffnet und uns als merkwürdig war geschildert worden. Hier waren wir in der Tat auf homerischem Grund und Boden. Die Grotte besteht aus zwei Teilen, einem vordern, der durch das in den schmalen Eingang dringende Tageslicht mäßig erhellt wird, und einem hintern, in den man linker Hand jäh hinabsteigt, voll dunkler Nacht. Als wir ihn mit Kerzen beleuchtet hatten, enthüllte sich ein großes herrliches Gewölbe voll der prächtigsten Stalaktiten, die sich teils als Säulen gebildet hatten, teils wie kolossale Draperien in den schönsten Faltungen zwischen diesen herabhingen und in der Beleuchtung magisch schimmerten. Der vordere Teil ist trocken, der hintere träufelt noch, und bei Regenzeit sammelt sich das Wasser in den Gründen. Gegen das Ende hin steigt der Boden und zieht sich die Grotte eng zusammen. Nicht ohne Mühe klimmte ich zwischen den Zacken nach dem engen Schlusse empor, welche dem Eingange gegenüber liegt. Das ist jene Grotte, die Homer schildert, und welche Überraschung, seine Schilderung, die ganz phantastisch und märchenhaft klingt, ganz nach der Natur zu finden! Aber am Haupte des Hafens ist ein weitlaubiger Ölbaum, Diesem nahe die Grotte, die liebliche, dunkelerfüllte, Heiligtum der Nymphen, die man Najaden benennet; Drinnen sind Mischbecher und Henkelkrüge geweihet Steinerne, und auch bauen daselbst sich Waben die Bienen; Drin auch sind Webstühle von mächtigem Stein, wo die Nymphen Meerpurpurnes Gewand ausweben, ein Wunder zu sehen, Drin auch träufelnd Gewässer und zwei sind die Türen der Grotte, Eine vom Boreas her, hinabzusteigen dem Menschen, Eine nach Süden gewandt, die steilere; Aber die Männer Sehen zu dieser nicht ein, sie ist der Unsterblichen Eingang. (Odyssee XIII,102 ff.) Hier ist die Grotte selbst, wie wir sie gesehen, die liebliche, die nachterfüllte, und noch jetzt walten die Nymphen in ihr, welche von dem träufelnden Gewäs-

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ser genannt sind. Die Mischbecher und Henkelkrüge darin, wohl Weihgeschenke der Verehrer und im vordern Raume aufgestellt, sind verschwunden. Aber die Nachkommenschaft jener Bienen, die hier schwärmten, hat die Grotte und die Gegend noch jetzt im Besitz. Sie sind so zahlreich, dass die Grundsteine in der Nähe nach ihnen (ıȐ ȝİȜȓııȚĮ) genannt werden. Im tieferen Grunde aber enthüllt die Beleuchtung jene Wunder, die auch den Dichter überrascht und erfreut haben: Jene mächtigen Strebepfeiler und Säulen von Tropfstein, was sind sie anders, als die übergroßen Webstühle der Nymphen, und die Gewänder, welche sie gebildet, hängen noch jetzt, in vollem Glanze schimmernd, zwischen ihnen herab. Ja, das Weben und Wirken der Göttinnen hat noch jetzt nicht aufgehört; denn noch jetzt träufelt das Wasser, der Geist und das Leben ihrer Natur, in den hinteren Gründen und erzeugt neues Gebild. Man sieht zugleich neben der Kunst der Nymphen die Kunst des Sängers, wie er eine Erscheinung der Natur auffasst und durch leichte Allegorie zur Poesie verklärt. So fehlen auch die immer träufelnden Gewässer nicht, noch der doppelte Eingang. Der eine nach Norden ist noch jetzt offen, der andere nach Süden ist zwar verschlossen, aber vorhanden gewesen, denn jener enge und steile Aufgang im Hintergrunde führt der Oberfläche der Berge ganz nah. Steine und Erdreich, die dort liegen, zeigen, dass er nach ihr geöffnet und durch hereingefallenes Geröll verstopft ist. Er wird sich ohne große Mühe wieder öffnen lassen. Auch dieses ist klar, warum die Menschen ihn nicht betraten: Er ist schroff, beschwerlich, eng, darum aber den Göttern nicht unzugänglich, welche beim Dichter durch solche Öffnungen leicht herabschweben und verschwinden. Nie ist eine Beschreibung eines Naturgebildes treuer, vollständiger und zugleich poetischer, wahrer und schöner gebildet worden als die der Stalaktitenhöhle auf Ithaka durch den unsterblichen Sänger der Odyssee. Das Gefühl ist erhebend, begeisternd, sich in jenem Wunderbaue der Natur auf derselben Stelle zu finden, die er vor beinahe 3.000 Jahren betreten, sich an der Bildung der still wirkenden Natur zu erfreuen, die auch ihn ergötzt, und jene Bewunderung zu teilen, die ihn zu jener Schilderung voll Anmut und Sinnigkeit begeistert hat. Die Höhle ist übrigens leicht zu finden, den Einwohnern wohl bekannt, die einen Teil der Äcker dort nach ihr benennen (= IJȠȪ IJȡȪʌȠȣ IJȐ ȤȦȡȐijȚĮ), um so mehr ist zu verwundern, dass sie den Werken der Reisenden fremd und unbekannt geblieben, vorzüglich dem des Engländers William Gell671, der ein Buch voll unstatthafter Dinge über Ithaka geschrieben und die Grotte unten am Wasser in den Überresten einer aus gewöhnlichem Fels gefügten gesucht hat, die er aus angeblichen Mitteilungen über ihre frühere Gestalt der Schilderung des Dichters, so gut es gehen will, nahe zu bringen sucht. Die Lage dieser Grotte entscheidet über den ganzen Schauplatz der Odyssee. Der Hafen unter ihr, jetzt der Hafen von Dexia genannt, einer Ortschaft, die der Stadt Bathy zur Rechten (westlich) liegt, ist der des Phorkys beim Dichter, und 671 Sir William Gell (1777-1836), Architekt, Maler, Archäologe, Reisen durch und Publikationen über Griechenland.

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das Neritongebirge, welches er zugleich bezeichnet, wird der Berg Katharon sein, welcher am südlichen Teile der Bucht dem Hafen gegenüber steil emporsteigt und jetzt seinen Namen von einem (IJȦȞ țĮșĮȡȫȞ) hat. Das Neiongebirge in der südlichen Hälfte, rückwärts dem Hafen, soll nach den Reisebeschreibern jetzt $J. ȈIJȑijĮvoȢ genannt werden. Aber diesen Namen kennt kein Mensch und er beruht auf einer Verwechslung. Er endigt sich in einen Kranz steiler Felsen, und dieser heißt von einem frühern Besitzer, der auf seiner obersten Fläche über demselben liegende Gründe der Kranz des Makrys (IJȠȣ ȂĮțȡȪ IJo ıIJİijȐvȚ). Auf ähnliche Weise ist der Ag. Andreas in die Karten gekommen, indem man eine Gegend am Ufer, über welcher sich eine Höhle und neben ihr mehrere kleinere finden, von ihr genannt hat: IJȠȣ ĮȞIJȡȠȪ IJȠ ȤȦȡȓȠȞ. Wahrscheinlich ist dorthin der Fels der Raben, țȩȡĮțoȢ ʌȑIJȡĮ, zu setzen, in dessen Kluft Eumäus mit seinen Schweinen übernachtet, weil bei der Quelle der Arethusa und in ihrem Felsen, nach übereinstimmender Aussage der Einwohner, keine Höhlen zu finden sind. Wir brachen von der Grotte der Nymphen auf, um nach Westen zu auf den verlassenen Bergpfad wieder emporzukommen, und gelangten auf ihm nach einer Viertelstunde Rittes, bei einer Kirche des Ag. Spiridon, mit zwei Brunnen in ihrer Nähe, die von ihm und dem Ag. Stephanus den Namen haben. Das ist der einzige Gegenstand, an welchem der Name dieses Heiligen mit Recht an dieser Gegend haftet. Denn die Kirche, der man ihn auch beilegt, ward mir von allen, die ich darnach fragte, übereinstimmend als die des Ag. Spiridon bezeichnet. Ist aber die Grotte der Nymphen und die Quelle Arethusa mit den Höfen des Eumäus bestimmt, so bleibt kein Zweifel, dass wir auf dem Wege waren, auf welchem er, Odysseus und Telemachos, nach der Stadt gingen, indem diese dann mit Bestimmtheit auf dem Isthmus, wohin er führt, in den großen zyklopischen Steinen zu suchen ist. Wir kamen am Fuße des Berges, auf dem sie stand, nach einer Stunde Rittes an und ruhten bei einem Brunnen aus, offenbar demselben, bei welchem Eumäus und Odysseus mit dem Melantheus zusammentrafen. Auch jetzt ist die Gegend schattig und in der Nähe eine in den Felsen gehauene Grotte, wohl die der Quellennymphen, deren der Dichter gedacht. Man ist dort auf dem niedern Rücken des Isthmus, und der Grund senkt sich steil und klippig nach dem Kanal des Meeres hinab, der Ithaka von Kephalonia trennt. Der Berg selbst hat den Namen vom Adler: Er heißt Aito (wahrscheinlich Abkürzung von IJȠȣ ĮİIJȠȪ IJȠ ȕȠȣȞȩ, Adlerberg, wie im südlichen Teile der Insel ein anderer „Adlernest“, = ĮİIJȠijȦȜİȐ, genannt wird), und Cicero bemerkte schon, dass des Ulysses Burg wie ein Adlernest an dem Felsen liege. Die Mauern der Stadt senken sich als zwei Schenkel gegen Ost und Süd an dem steilen Berge herab. Der nach Osten gehende ist an mehreren Stellen in großen Bruchstücken erhalten und zeigt eine der gewaltigsten zyklopischen Mauern. Von ihm aus gehen unter rechten Winkeln vier Mauern in ungefähr gleichen Entfernungen voneinander, welche den Berg parallel umgürteten und

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die innern Räume der Stadt zugleich trennten und schützten. Der oberste Rücken ist ein nach Norden schräg aufsteigendes Felsenriff, ebenfalls mit Mauern umgeben, und von diesem der höchste Teil, die eigentliche obere Burg, abgeplattet mit Mauern umgeben, mit einem Vorbau zum Eingange, mit Spuren von vier Rundtürmen an den vier Ecken, mit zwei Zisternen innerhalb der Mauern und mit den Resten einer ebenfalls nach Norden streichenden Mauer, in welcher ein Stein, der zu einem Türpfosten gedient, zu unterscheiden ist. Das ist alles, was sich auf diesem Gipfel erhalten hat, auf welchem William Gell in seinem Plane so viele Mauern und Abteilungen angibt, als er nötig hatte, um aus ihnen das Haus des Odysseus nach den Schilderungen des Homer zusammenzusetzen. Das ist eine unbesonnene und absichtliche Täuschung, durch die er uns arme und leichtgläubige Philologen und Antiquare zwanzig Jahre lang in der Irre geführt hat. Er selber soll sich über dieses leichtfertige, wo nicht gewissenlose Verfahren, als über einen Scherz erklären, den er sich in der Voraussetzung erlaubt, dass man ihm nicht auf das Wort glauben würde. Welch’ Verfahren! Und welche Entschuldigung! Wird der Raum innerhalb der vier Türme und der Zisternen als zu einem Bau gehörig betrachtet, so ist er nur groß genug für einen mächtigen Männersaal, und hat der Dichter nach demjenigen dargestellt, was sich von einem so weitläufigen Burggebäude, wie er es schildert, zu seiner Zeit gefunden, so muss der ganze, vor diesem Bau liegende, schräg aufsteigende Raum zu Hilfe genommen werden, der zwischen den Felsenriffen, die wohl erst ausgewaschen worden, und der Ringmauer einen beträchtlichen langen und etwa dreißig Schritte breiten Raum übrig lässt. Nordwestlich von dieser Burg hinab zeigen sich Spuren eines alten Weges, an einem Felsen daneben, die Buchstaben ȅǻ, von denen die Gegend ’Ȣ IJȩ ȖȡȐȝȝĮ genannt wird. Sie führten an die Küste hinab und den westlichen Fuß des Neriton nach Ag. Johannes. Der Ort trägt jetzt Öl, Wein und Feigen. Dass er ehedem durch Gärten ausgezeichnet gewesen, beweist der Name, welcher der Kirche geblieben, indem sie der Ag. Johannes in den Gärten genannt wird (ǿȦȐȞȞȘȢ İȚȢ IJȐ ʌİȡȚȕȩȜȚĮ). Alles demnach, die Lage, etwa im Süden der Stadt, jene Straße und dieser Name, gebieten, dahin die Gärten des Laertes zu legen, welche William Gell weiter hinweg nach dem Orte Levki gebracht hat. Das Tal am Fuße der Burg, welches nach der Bucht, die von Bathy hinüber sich erstreckt, ist voll von vortrefflichem Wein und Feigen, durch die von den Bergen herabgeschwemmte Erde sehr fruchtbar, auch reich an Resten alter Baue, welche zeigen, dass die Anlage der alten Stadt sich in das Tal herab erstreckt habe. Wahrscheinlich verließ man, als die Zeiten sicherer wurden, wie es im letzten Jahrhundert an vielen Orten wieder geschehen ist, die steilen Felsrücken, um sich dem Ufer näher anzusiedeln, und behandelte die alten Sitze nur als Zuflucht bei Krieg und Überfall, ein Gebrauch, der sich ebenfalls jetzt noch an vielen Orten erhalten hat, und Homer fand schon die Stadt tiefer herabgerückt, weil er sie unter dem Neion liegend bezeichnet, der sich östlich vom Isthmus steil erhebt.

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Am Abend hatte ich ein ausführliches Gespräch mit einem gelehrten Arzt, Maratto, über Ithaka, und wir machten hierauf uns fertig, am folgenden Morgen nach Korfu unter Segel zu gehen.

Korfu, den 4ten Sept Wir sind nach einer etwas langsamen, aber glücklichen Fahrt schon vor neun Tagen hier angekommen, haben sechs Tage die Ankunft des österreichischen Paketbootes aus Triest, die durch Windstille und Gegenwinde verzögert war, abgewartet und werden erst morgen Nacht mit ihm nach Triest unter Segel gehen. Der Aufenthalt in Korfu wurde mir angenehm verkürzt durch Bekanntschaft und Unterhaltung mit den griechischen Professoren dahier und mit wohlunterrichteten und gebildeten Engländern, sowohl Offizieren der Garnison als solchen, die im Zivil angestellt sind, wie der Oberst Charles Moore und der Oberrichter Kirk Patrik672. Auch in der Familie des Generalgouverneurs, an den ich eine Adresse hatte, war ich gut aufgehoben, desto übler aber angesehen von denjenigen, welche ihr Glück und ihre Hoffnung auf die Herrschaft der Familie Kapodistria über Griechenland gesetzt hatten. Diese lassen es sich nicht nehmen, daß ich allein jene Familie gestürzt habe, um einen bayerischen Prinzen an ihre Stelle zu bringen, ja sie sind überzeugt, dass ich allein deshalb die Reise gemacht habe. Dass ihre Partei und die wohlbekannten Freunde derselben in Griechenland wieder den Bürgerkrieg angefacht haben, finden sie ganz natürlich, da es gälte, wenigstens die Dekrete ihrer Nationaversammlung von Nauplia aufrecht zu halten, die dem Grafen Augustin eine Entschädigung von 150,000 Thalern zuerkannt, dazu Ländereien, Weinberge, Ölwaldungen einer ganzen Provinz. Auch wollen sie gar nicht glauben, dass die Nationalversammlung die Wahl des Königs, am allerwenigsten, dass sie dieselbe einstimmig anerkannt hat, denn man hat ihnen alle Tage wiederholt, dass die braven Leute Tzavellas und Kolokotronis, Kalergis673 und Mamuris674 nicht nur für den Grafen Augustin und ihre an ihn geknüpften Vorteile, sondern, und zwar vorzüglich für den Prinzen Otto die Waffen erhoben hätten, welche alle Gegner des Kapodistria eben so wenig wollten wie das Haus Kapodistria, welches ihren Unordnungen ein Ziel gesetzt habe.

672 John Kirkpatrik (1786-1871), britischer Chief-Justice of Jonian Islands. 673 Dimitrios Kallergis (1803-1867), General und Staatsmann. Im griechischen Befreiungskampf kämpfte er unter Karaiskakis, später wurde er Adjutant des Obersten Fabvier und dann des Präsidenten Kapodistrias. Er half wesentlich bei der unblutigen Revolution vom 15. September 1843. Anschließend wurde Kalergis zum General ernannt und zum Adjutanten des Königs Otto erhoben. 674 Ioannis Mamouris (1797-1867), General, Adjutant des Königs, Militärkommandant von Westgriechenland 1851 bis 1854.

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Eine russische Fregatte, die während unseres Aufenthaltes ankam, wurde mit unbeschreiblichem Jubel empfangen: man führte, man trug fast die Mannschaft durch die Stadt, ganze Schwärme der Bevölkerung zogen glückselig dem Popen und den ihn begleitenden Offizieren durch die Kirchen, die er besuchte, und durch die Spaziergänge nach. Hier also besteht die russische Partei noch in ihrer ganzen Stärke, die in Griechenland durch Kapodistria vollkommen aufgelöst ist. Die Insel selbst ist eine der schönsten und fruchtbarsten, die ich je gesehen, aber fast allein dem Ölbaum gewidmet, die Festung von erstaunlichem Umfange und großer Stärke, und obgleich sie jetzt ihre Bestimmung, ein Bollwerk von Italien gegen die Türken zu sein, verloren hat, doch gut unterhalten und ihre Werke auf die Insel Wido im Hafen ausgedehnt. Auch in ihr ist ein Schauplatz der Odyssee: Die Lage der Stadt der Phäaken, der Strom, in den Odysseus sich rettete und in dem Nausikaa ihre Wäsche besorgte, der doppelte Hafen, alles findet sich wieder, sogar vor dem einen, jetzt versumpften, ein schiffähnlicher Fels, der zu der bekannten Sage beim Dichter veranlassen konnte. Nicht ohne Interesse und für die künftige Einrichtung von Griechenland als Beispiel von Wichtigkeit ist die Art, wie die Inseln von den Engländern verwaltet werden. Alle direkten Steuern von Äckern, Weinbergen, Ölpflanzungen etc. sind aufgehoben und durch indirekte, durch Besteuerung der Einfuhr und besonders der Ausfuhr ersetzt worden, was umso leichter geschehen konnte, da Europa die beiden Haupterzeugnisse derselben, Öl und Korinthen, nicht entbehren kann. Es werden auf diese Art von einem Staate, der nicht viel über 160.000 Einwohner und großenteils Arme hat, der nur vier Monate des Jahres von eigenem Getreide sich nährt, jährlich an 200.000 Pfund Sterling Einnahmen aufgebracht, von denen nicht nur die Kosten der ganzen Verwaltung bestritten, sondern auch Schulen gegründet, vortreffliche Straßen gebaut, die Städte durch Wasserleitungen mit Wasser versehen, die Häfen verbessert und die Gerichte auf einen Fuß gebracht worden, der jedem sein Recht sichert, eine Wohltat, die früher dem venezianischen Untertan versagt blieb. Auch hat man die Mittel gefunden, eine Anstalt zur Bildung künftiger Priester zu gründen, die als Knaben aufgenommen, verpflegt, unterrichtet und nach ihrer Entlassung mit einer monatlichen Pension von dreißig Talern bis zu ihrer Anstellung bedacht werden, eine Anstalt, die dem griechischen Klerus ganz gefehlt hat und geeignet ist, die Wege zu seiner Verbesserung zu ebnen.

Triest, den 14. Sept. Wir sind nach einer langsamen, durch Windstille öfter gehemmten Fahrt von neun Tagen von Korfu diese Nacht im Hafen von Triest angekommen. Die Quarantäne wird etwa zehn Tage dauern, dann Vorkehrungen zur Reise und die Reise selbst etwa acht Tage, so dass ich, so Gott will, die ersten Tage des Okto-

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ber oder die letzten des September in Deinen und der Kinder Armen sein werde. Ich schließe den Brief mit herzlichem Danke gegen Gott, dass Er mich durch alle Gefahren und Anstrengungen der langen und schwierigen Reise bis hierher glücklich und auf das feste Land zurückgeführt hat, und mit dem herzlichen Wunsche, dass ich Euch alle wohl finden und die Freude des Wiedersehens durch nichts gestört sein möge.

Triest, den 15. Sept. Kurz nachdem ich den frühern Brief geschlossen, brachte mir Hr. Baron Eichthal675 das Schreiben der Universität mit dem Ministerialrescript, welches in Folge königlichen Signats mir gebietet, ungesäumt aus Griechenland abzureisen, um Sr. M. Aufschlüsse über die griechischen Angelegenheiten zu geben. Die Wendung ist noch ganz gnädig, denn dass es mehr als Wendung ist, habe ich nicht Ursache zu glauben, da ich alle Aufschlüsse, die ich geben kann, in meinen ausführlichen Berichten an den König niedergelegt habe – und wer meinen Werken nicht glaubt, wie kann der meinen Worten glauben? Wir befinden uns in der Quarantäne alle drei sehr wohl und sind noch zur rechten Zeit in den Hafen eingelaufen, um einen furchtbaren Sturme zu entgehen, der diese ganze Nacht unter Platzregen und argem Blitz und Donner gewütet und auf dem Meer gewiss großen Schaden angerichtet hat. Die Nachrichten über die Verzögerungen und die Kleinkrämereien, welche mit der griechischen Sache getrieben werden, haben etwas Verzweifelndes, wenn es überhaupt gestattet wäre, an der griechischen Sache zu verzweifeln. Wie? Während Griechenland jeden Tag mehr in Ruinen und Anarchie verfällt, lässt der König dreimal sich von der Konferenz an sein Wort mahnen, zu eilen? Schickt den Prinzen Otto, statt ihn durch Unterricht auf seine Bestimmung vorbereiten zu lassen, nach Berlin auf Reisen, und jenen Heideck, welcher das Armeekorps ausrüsten soll, in das Bad nach Gastein? Die Griechen sagen, man erwarte in München die griechische Deputation, vor ihrer Ankunft werde die Regentschaft nicht aufbrechen. Ist das wahr? Du schreibst nichts davon und fast halte ich es für griechische Erfindung oder von jener Seite für Vorwand der Zögerung, im Fall es Grund haben sollte. Ist es aber wahr, so gleicht nichts der treulosen Falschheit, mit welcher sammt den Russen auch Herr Dawkins676, englischer Resident, der Nationalversammlung alle Hindernisse in den Weg gelegt hat mit dem Vorgeben, dass sie weder von der Konferenz noch vom König von Bayern gewollt, sondern im Gegenteil gemissbilligt werde. Dadurch ist die Deputation mit der Versammlung verzögert worden, bis es zu spät war. Mit 675 Simon Aaron v. Eichthal (1787-1854), vermittelte mehrere Anleihen an Griechenland und war der Vorsitzende des Münchner Hauptvereins für die Griechenhilfe. 676 Edward Jacob Dawkins, britischer stellvertretender, später Botschafter in Athen 18281835.

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Mühe gelang es mir, die durch das unbegreifliche Schweigen und Zögern und durch die, Gott gebe, falschen, Verbreitungen über kapodistrianische Gesinnung und Pläne des Königs und der Regentschaft vorbereitete und durch den leidenschaftlichen und bösartigen Widerstand gegen die Versammlung, die alle Notabilitäten der Nation vereinigt, mit jedem Tag steigende Misstimmung zu zügeln und die Anerkennung und Bestätigung der Königswahl, die ich fortdauernd für die Basis des neuen Thrones halte, gegen die diabolischen Künste der Gegner, welche hier mit dem Unmute der Abgeordneten zusammentrafen, noch durchzusetzen. Vorstellungen, Beschwörungen, Zorn und Drohungen wechselten, und am Ende hat vielleicht mehr noch als meine Bemühungen die allgemeine Landesnot gewirkt zu vollbringen, was mir gelungen war als die Bedingung der neuen Ordnung der Dinge und der Ankunft geltend und der Versammlung glaublich zu machen. Ich habe weder an den König noch an Kreuzer über das Ausbleiben der Deputation schreiben wollen, dem Könige auch keine Abschrift der Briefe der Regierung und der Nationalversammlung mitzuteilen für nötig gehalten aus dem Grunde, weil ich mich nicht antragen und auch nichts tun will, was auf einen Antrag hindeuten könnte. Soll ich nach Griechenland zurückgehen, so muss ich gesucht werden, wie ich auch dort auf die vielen und dringenden Vorstellungen und Bitten allen erklärt habe, und ich werde nur zurückgehen, wenn ich über das System im Ganzen, das man befolgen will, Gewissheit und die Möglichkeit sehe, nach meinem Sinne und meiner Stellung gegen Griechenland gemäß dort zu handeln und Gutes schaffen zu können. Die bayerischen Schul- und Universitäts-Angelegenheiten sind, wie die Sachen nun stehen, nicht zu halten, das heißt, nicht zu bessern, und man muss sich darein finden, sie laufen zu lassen. „Einst wird kommen der Tag“. Ich werde mir alles das, was ich dafür gehofft, getan und geschrieben habe, wie einen Traum aus dem Sinne schlagen und eben fortfahren, ihnen Lehrer zu erziehen, was am Ende doch die Hauptsache ist, solange diese noch einen Platz in einem System finden, das zum Schlimmen geht. Meine herzlichen Grüße vorzüglich an Niethammer677, an den ich nicht ohne Wehmut denke. Okens678 Ansicht und Meinung ist, so wie er selbst von der Erde weg, Korn und Gras durcheinander, und davon immer doch etwas zu gebrauchen. Schade, wenn er München verlassen muss, wo er zwar öfter ein stachelndes als belehrendes Prinzip war, aber gegen die Verdumpfung, welche dort droht, ein schätzbares Acidum.

677 Friedrich Philipp Immanuel Niethammer (1766-1848), deutscher Philosoph und Theologe. 678 Lorenz Oken (1778-1851), eigentlich Okenfuß, deutscher Mediziner und Naturforscher.

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Triest, den 17. Sept Die Zeit vergeht ganz ruhig und gut, und was nicht mit Spazieren in dem weiten Gehöft und auf den Quais des Hafens und vor dem Sprechgitter zugebracht wird, wird dem Lesen, Schreiben, Essen und Trinken gewidmet. Die Zimmer, welche bei unserm Eintritt nichts boten als garstige Wände und zerrissenen Fußboden mit Backsteinen belegt, sind jetzt ganz angefüllt mit Sachen, Geräten und Gepäck, was man hereingeschleppt und -gestellt hat. Hr. Metzger ist daran, die Tempel von Athen mit dem Farbenschmuck auszumalen, dessen Spuren er daran gefunden hat679. Sie nehmen sich in dieser blauen, roten und grünen Verschlingung der architektonischen Ornamente sehr schön und sauber aus. Was aber hemmt den Abgang der Regentschaft? Ich begreife es nicht und bekomme von den vielen Leuten, die ich darüber frage, verschiedene Antworten, unter andern, dass sie nicht abgehen werde, bis die Deputation aus Griechenland kommt. Ist das wahr? Warum hat man alsdann nicht geschrieben, dass eine solche erwartet werde? Dadurch ist den Russen und ihrer Rotte Raum geblieben, glauben zu machen, dass der König von Bayern keine Nationalversammlung, also auch keine Deputation wolle, die allein von ihr kommen konnte. Ich höre, dass Heidegger durch den Hauptmann Trentini, der als Kurier gegangen ist, die Wahl von Zaïmis680, Kosta Botsaris681 und Miaulis für dieselbe vorgeschlagen und Trikoupis als Dolmetscher. Kosta Botzaris ist ein braver, aber politisch schwacher und unbedeutender Mann und ebenso der als Admiral große Miaulis. Beide wären nur als Figuranten gekommen und Zaïmis, der allein gezählt hätte, ist jetzt das Haupt der gestürzten und im neuen Bürgerkrieg wieder erstandenen Partei des Kolokotroni, Tzavellas etc. in der Regierung. Jene Weisung wird demnach als eine indirekte Anerkennung derselben betrachtet werden, und sind dadurch die Besorgnisse, die man schon gehabt, zu einer größeren Wahrscheinlichkeit für die Griechen geworden, so weiß ich nicht, was die 679 Von den Zeichnungen Metzgers haben sich nur zwei Aquarelle in seinem Nachlass und fünf Zeichnungen in den Thierschiana der Bayerischen Staatsbiblothek gefunden. Veröffentlicht sind seine Zeichnungen zum Erechtheion und zu einem 1839 veröffentlichten Werk über griechische Baukunst. Seine bei einem späteren Aufenthalt angefertigten zehn Zeichnungen vom Pantheon für Wladimir Davidoff wurden von diesem versehentlich unter dem Namen des ihn begleitenden Malers Karl Pawlowitsch Brülloff veröffentlicht in seinen sehr seltenen „Reisebemerkungen während eines Aufenthaltes auf den Jonischen Inseln, in Griechenland, Kleinasien und der Türkei im Jahre 1835“ (Russisch, gedruckt in Paris). 680 Andreas Zaimis (1701-1840), Demogeront von Kalavryta. Militärischer Führer bei der Eroberung von Patras und gegen Pascha Dramali. Ab 1823 wieder als Politiker aktiv in der provisorischen Regierung der 2. Nationalversammlung, und auch die dritte Nationalversammlung berief ihn als Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses. Unter Kapodistrias war er Mitglied des Panhellenion, ging aber schon früh in Opposition. Ab 1833 gehörte er dem Reichsrat an und war Vorsitzender des Ministerrates. 681 Kostas Botzaris (1793-1853) führte die Sulioten nach dem Tod seines Bruders weiter. Nach dem Unabhängigkeitskrieg General und Senator.

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Folgen von diesem Schritte des unbesonnenen und eiteln Mannes sein werden, der von München aus glaubt bestimmen zu können, wen man jetzt schicken soll, wo von dem Griechenland, das er gekannt hat, von dem Gebäude des kapodistrianischen Systems und der Stellung, Richtung und Stärke der Parteien nichts mehr besteht. Alles ist neu und anders. Mir scheint die Angabe, dass man die Deputation erwarte, nur Vorwand und ein sehr schlimmer Anschlag der russisch-kapodistrianischen Partei im Hintergrunde. Sie wollen nicht, dass die Regentschaft komme, oder wenigstens, dass sie nicht eher komme, bis sie mit den Gegnern fertig sind, und der Phönix seine blutigen Schwingen wieder über Griechenland ausgebreitet hat. Sie werden also dem König geraten haben, sich nicht zu beeilen, abzuwarten, bis Griechenland beruhigt, d.h. ganz und gar wieder in ihren Klauen sei. Dann sind sie ihrer Sache gewiss, dass die Regentschaft und nach ihr der König, wenn sie kommen, die ihrigen sein werden, dass Griechenland ihnen nicht mehr entschlüpfen kann. Unsern lieben Freund und Nachbarn Maurer veranlasse ich, doch jetzt die Verhandlungen zu lesen, wie der Präsident Ioannis Kapodistrias den Prinzen Leopold bestimmt hat, zu resignieren und ihm Griechenland noch auf Weiteres zu überlassen. Sie sind ein Meisterwerk der Täuschung, die hinter dem Schleier der Aufrichtigkeit, der Teilnahme, der Sorge für das Wohl von Griechenland so versteckt ist, dass man anfangs Mühe hat, den Fuchs zu entdecken. Am meisten guckt er bei der Zumutung durch, dass der Prinz das griechische Dogma annehmen soll, die er durch den Senat ihm machen lässt, und die er als eine Sache, die sich bei ihm von selbst versteht, voraussetzt. Er bittet, nur gleich mit der Erklärung herauszugehen, weil er, der Präsident, sonst nicht für den Empfang stehen könne, den er in Griechenland finden würde. Der Prinz weiß sich darein nicht zu finden, erklärt den Ministern der drei Mächte, dass er zu einer solchen Voraussetzung keine Veranlassung gegeben habe und dankt ab. Mit ebenso großer Schlauheit sind die politischen Schwierigkeiten, die aus der Grenzbeengung entstehen, gegen ihn gewendet, und eine Schwierigkeit, die ihn hätte bestimmen sollen, vor Allem an Ort und Stelle zu eilen, um zu sehen, was zu tun, wird hier seiner Ehre und seinem Gewissen, seiner Liebe für Griechenland selbst als eine unübersteigliche hingestellt. Und wie rührend schreibt er an Hn. Eynard darüber! Briefe, welche ganz und gar den „großen Bürger“ schildern, ein wahrer Charakterroman! Wie seufzt er über sein Joch und nach der Stunde, in welcher er aus ihm gespannt werden soll! Hr. Maurer wird die ganze Bescherung in französischen Blättern, z.B. im Moniteur 1830, etwa in den Monaten Februar bis Mai finden. Aus Griechenland sind, wie zu erwarten, die Nachrichten immer trauriger. Missolunghi, in welchem man dem Kommandanten der Regierung den Eingang versagte (man fürchtete die Gegenwart der Soldaten und wollte die Festung ohne ihre Hilfe beschützen), ist von diesem bei Nacht nach kurzem Widerstande genommen und von seinen Leuten zwölf Stunden lang geplündert worden. In

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Tripolizza soll Grivas682 von Kolokotronis geschlagen und zum Rückzug nach Argos genötigt worden sein. In der Vorstadt von Nauplia, wo die Nationalversammlung sitzt, soll man Soldaten gegen sie zusammengebracht, sie gesprengt, sogar einen Teil der Abgeordneten gefangen fortgeschleppt haben. Ypsilantis, der tugendhafteste Mann in Griechenland, ist gestorben, dadurch die Stimmenzahl in der Regierung für beide Parteien gleich, und ernennt der Senat ein neues Mitglied, so weiß man, in welchem Sinn. Das sind die Früchte eures Zögerns, ihr Herren! Wie soll das enden, und wo werdet ihr ein Griechenland finden, wenn ihr länger säumt?

Triest, den 22. Sept. (…) Die Griechen tun das Mögliche, um mir durch das Gitterwerk (der Quarantäne) die Zeit zu vertreiben. Menschen werden zwar nicht hereingelassen, aber Essen und Trinken, und sie schleppen alles mögliche zu: Fische, Seekrebse, Zuckerwerk, Torten, Pfirsiche, Birnen, Feigen, Pomeranzen, Weintrauben, Weine aller Art, auch Champagner und Rheinwein, und ich bedauere nur, dass ich unsere sechs Mäuler nicht um den großen Waschkorb voll des schönsten Obstes her habe, die ihn wohl mit gutem Appetit und in wenig Tagen bezwingen würden. Das Lokal ist hässlich und feucht, die Witterung abwechselnd, heute wieder ein arger Nordwind. Vorgestern Abend kam eine englische schöne Fregatte, stolz um den Molo hereinsegelnd, bald nach ihr eine französische Brigg. Es verbreitete sich die Nachricht, dass an Bord der Fregatte die griechische Deputation sich befinde, dass noch eine russische Fregatte erwartet werde, und die Schiffe gekommen seien, um die Regentschaft hier zu erwarten. Das sind lauter gute Nachrichten, und sie haben die griechische Welt hier, wie billig, mit hoher Freude erfüllt. Niemand zweifelt nun mehr, dass die Sorgen und die Angst ein Ende nehmen. Gestern meldete man mir die Grüße der griechischen Deputation, die ihre Quarantäne auf dem Schiffe macht, und ihre Namen. Es sind Miaulis, K. Botzaris und Koliopulos683 (auch Plaputas genannt). Die mit dem Kurier gekommene Einladung hat also ihre Bedenklichkeiten, wie zu erwarten stand, schnell überwunden und nur zu bedauern bleibt, dass sie ihnen nicht früher zugekommen ist. Miaulis war das von Anfang her und von allen bestimmte Glied derselben, K. Botzaris hat seine Wahl wohl dem Briefe von Heideck zu danken, aber statt des Zaïmis, der allein politische Bedeutung, wiewohl eine schlimme, gehabt hätte, haben die klugen Leute den in dieser Hinsicht noch unter den beiden an682 Theodorakis Grivas (1797-1862), General der Regierungstruppen, Politiker, Verbündeter von Kolettis. 683 Dimitrios Koliopoulos (1786-1864), genannt ȆȜĮʌoȪIJĮȢ (Plapoutas), General, verteidigte den Pass von Dervenakia vor dem Heer Pascha Dramalis. Schwager von Theodoros Kolokotronis und mit ihm zum Tode verurteilt, begnadigt und 1835 amnestiert.

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deren stehenden Koliopulos geschickt, so dass, unter uns gesagt, die Deputation aus drei politischen Nullen besteht, zu denen der Einser fehlt. Diese Eigentümlichkeit wird noch dadurch erhöht, dass keiner von ihnen weder französisch noch italienisch spricht, und dass sie auch keinen Dolmetscher bei sich haben. Sie sind dagegen rücksichtlich ihres Charakters sehr achtbare Leute, sogar Koliopulos nicht ausgenommen, ein Freund von Kolokotronis und einer der reichsten Häuptlinge im Peloponnes, der, obwohl Anhänger des kapodistrianischen Systems und dasselbe in der Deputation repräsentierend, doch nie in das leidenschaftliche, verfolgungssüchtige Wesen desselben eingegangen ist, und deshalb auch bei den Gegnern in Ansehen und Achtung steht. Weil er übrigens die politischen Dinge wenig versteht, langweilt er sich in der Regel bei denselben, wie bei allem, was ein wenig lange dauert, und wird das Geschäft des Gähnens für die andern mit übernehmen und mit dem besten Erfolg ausüben, im Falle man sie nicht schnell abfertigt. Dem guten, alten, in der letzten Zeit sehr gebeugten Miaulis gönne ich von Herzen diese Erholung. Ich bin überzeugt, dass die Reise seinem Leben eine Elle zusetzen wird, er ist ein durchaus rechtschaffener und biederer Mann, und der aus der Revolution den unvergänglichen Schatz eines unbefleckten Heldenruhmes zur See herausgerettet hat. Auch K. Botzaris gehört zu den schönsten militärischen Charakteren derselben. Er und Koliopulos sind Mitglieder der Regierung, Miaulis nur der Ständeversammlung, die übrigens verständig genug (gewesen) ist, ihre Sitzungen nach Ankunft des Kuriers bis zum Eintreffen der Regentschaft zu vertagen. Jeder hat zwei Begleiter bei sich, deren Namen ich noch nicht kenne, es sollen jüngere Leute, unter ihnen mehrere der französischen Sprache kundig, sein, was mir auch deshalb lieb ist, weil ich dann um so sicherer mit dem Ansinnen, den Dragoman zu machen, verschont bleibe. Was nun ihren Aufenthalt in München betrifft, so scheint mir durchaus nötig, dass sie mit ihrem Gefolge in der Residenz untergebracht werden. Es muss alles geschehen, um die schlimme Meinung, die nur zu verbreitet ist, zu vertilgen, dass der König die Griechen gering achte und sich aus ihnen und ihrer Sache im Grunde wenig mache, weil er seit dem Januar, wo sein Sohn gewählt wurde, in Griechenland kein Wort von sich hat hören lassen, auf die dringendsten Einladungen keine Hilfe geschickt, ja weder dem Senat auf seine Adresse noch der Regierung auf ihre wiederholten Schreiben auch nur ein Wort erwidert hat. Müssen nun die Herren in einem Wirtshaus ihr Unterkommen suchen, so wird die Nachricht davon in Griechenland den schlimmen Eindruck, den des Königs Verfahren gemacht, nur vermehren, statt dass ihre Aufnahme in der Residenz und eine dieser entsprechende auszeichnende Behandlung ihn verlöschen und die Sache so ziemlich herstellen kann.

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Triest, den 26. Sept. Ich werde schon morgen Nacht mit dem Dampfschiff nach Venedig gehen, da von hier aus keine gerade Gelegenheit nach München ist und Hr. Metzger sehr wünscht, die prächtige Stadt in den Lagunen zu sehen. Von da suchen wir nach Verona zu kommen und mit dem Eilwagen nach Innsbruck zusammen zutreffen. – Du darfst nicht bestimmt auf einen Tag rechnen, und dadurch wird auch das Entgegenkommen nicht ratsam, so überaus erfreulich es mir auch wie natürlich sein würde, Dich mit den Kindern z.B. schon in Weilheim beim Wastelbräu zu treffen. Auf jeden Fall hoffe ich euch gesund und heiter in München in dem lieben und wohlbekannten Hause zu treffen, das uns dann alle seine Reize und Behaglichkeiten wieder entfalten soll. Dass ich bei meiner Ankunft ganz und gar aus der Rolle eines Diplomaten herauskomme, daran darfst Du nicht zweifeln. Ich werde mich von denen, die etwas von mir erfahren wollen, suchen lassen, mich in meinen Mitteilungen auf das Allgemeine und auf das Drängen zur Abreise beschränken und meine Vorlesungen in der Universität gleich den Tag nach meiner Ankunft anschlagen, wenn das schwarze Brett schon offen ist. Ich habe gestern die Depeschen, die ich von der griechischen Regierung an beide Majestäten von Bayern und von Griechenland hatte, räuchern und durch das bayrische Konsulat dahier nach München an Herrn Hofrat Kreutzer abschicken lassen, dem ich auch den Hergang mit den Adressen der Ständeversammlung geschrieben. Ich habe also mit den hohen Herrschaften durchaus nichts zu tun. Die Deputation ist eine bestellte und vorgeschriebene oder, wie man in München sagt, eine beschriebene, wie ich von dem Kommandanten der englischen Fregatte gehört, der sie gebracht hat, geschickt nämlich auf einen Brief des Baron v. Gise684 an den Minister des Auswärtigen, in dem sogar ihre Glieder bezeichnet gewesen. In diesem Briefe war, wie der Engländer sagte, neben Miaulis und K. Botzaris auch Nikitas685 genannt, ein ganz unbedeutendes Subjekt, der unter Kapodistrias, ohne dass er es gewusst hat, zum Chef der geheimen Polizei geworden war, und jetzt an der Spitze eines verunglückten Bauernaufstandes in Messenien steht. Den von seinen Spießgesellen zu trennen und nach München zu schikken, nachdem er zumal den Bauern im Namen ihres künftigen Herrn Freiheit von Abgaben versprochen, wenn sie sich empören würden, ist doch selbst den diplomatischen Personen in Nauplia ein wenig zu stark gewesen, und man hat den Sohn von Kolokotronis, Gennäos686, in Vorschlag gebracht. Mit diesem kommt sein Vater nach Astros und wird von da durch eine russische Barke an Bord des Admiral Ricord gebracht. Nachdem er mit diesem eine halbe Stunde Rat geschlagen, erklärt er dem englischen Admi684 Friedrich August Koch Frh. v. Gise (1783-1860), bayerischer Staatsmann, Minister des königlichen Hauses und des Äußern. 685 Nikitaras Stamatelopoulos (1782-1849), Freiheitskämpfer, Neffe von Kolokotronis. 686 Gennaios Kolokotronis (1803-1868), Freiheitskämpfer mit dem Beinamen „der Tapfere“, wurde Adjudant König Ottos, Generalmajor und 1862 Ministerpräsident.

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ral, er könne seinen Sohn nicht mit einer Deputation gehen lassen, die von einer Regierung und einer Versammlung geschickt werde, die er, Kolokotronis, nicht anerkenne, auch bliebe die Sache nicht wie jetzt, und in einer Woche würden in der Ebene von Argos 8.000 Mann gegen diese Regierung unter den Waffen versammelt sein. Der englische Admiral Hotham687, ein trockner aber fester Tory, hat darauf geantwortet: Ist das eine Meinung, ein Plan oder eine Drohung? Eine Meinung ist es nicht, denn ich habe Ihnen keine Veranlassung gegeben zu glauben, dass ich Ihre Meinungen kennen wolle. Ein Plan ist es auch nicht, denn ich weiß, dass Sie in der Ebene von Argos nicht 800 Mann ernähren können. Es ist also eine Drohung, und Sie haben vergessen, wen und was ich hier vorstelle. Nichts bleibt übrig, als dass wir unsere Unterhaltung abbrechen. Darauf ist der alte Klephte688, der natürlich nicht seine Weisheit, sondern die von dem russischen Bord ausgelegt hat, ganz verblüfft abgezogen, hat sich nach einer Stunde, während deren er mit seinem Sohn auf dem Verdecke des englischen Dreideckers auf und abgegangen ist, wieder beim Admiral melden lassen und diesem erklärt: Er habe sich eines andern besonnen und werde die Bewegung unterlassen. „Sie werden wissen“, war der schließliche Bescheid, „wie Sie sich zu bewegen, und ich, was ich in jedem Fall zu tun habe.“ – Auch daraus ist klar, wie es in der griechischen Sache zwischen Russland und England steht, und wie misslich die Lage der Regentschaft sein würde, wenn sie sich auf jene Seite neigen sollte, wo ihr nur die Mittel einer zerrütteten Koterie und der zweideutige Schutz ihres Schirmherrn gegenüber von Griechenland, Frankreich und England zu gewärtigen stehen. Übrigens haben die Russen seit vier Monaten an einer Verbindung zwischen Th. Grivas und Th. Kolokotroni, den schlimmsten Häuptlingen beider Parteien, gearbeitet und jenem, wie ich von ihm selbst weiß, schon damals 10.000 Taler geboten. Jetzt ist diese Verbindung, nachdem Kolokotroni seinen bösen Feind noch in seiner Proklamation auf das äußerste gemisshandelt, glücklich zu Stande gekommen, und nachdem der würdige Bruder von Theodor Grivas durch nächtlichen Überfall in Missolunghi eingedrungen und die Stadt geplündert hat, wie der Schwager von Theodor Kolokotroni, Tsavellas, früher mit Patras getan, sind nun die beiden Theodore selbst Freunde geworden und gegen die Regierung von Nauplia vereint. Die erste Expedition, welche hierauf Grivas hat machen lassen, ist gegen die Ständeversammlung in der Vorstadt von Nauplia gewesen. Es waren seine Soldaten, nicht die von Chrysiotis, welche, ohne dass jemand sich dessen versehen, die Versammlung umringt und außer dem alten Präsidenten neun Abgeordnete fortgeschleppt haben. Als der achtzigjährige Präsident auf dem Wege erklärte, er könne nicht weiter gehen, hat Griva den ziemlich breitschultrigen Deputirten von Tinos genötigt, ihn auf den Schul687 Admiral Sir Henry Hotham (1777-1833), berühmter englischer Seeheld im Kampf gegen Napoleon. Er kehrte aus dem Ruhestand in den Dienst König Ottos als Oberbefehlshaber der griechischen Flotte zurück. 688 Klephte von gr. țȜȑʌIJİȚȞ (stehlen). Die zerklüfteten Gebirge Griechenlands boten gute Möglichkeiten, als Räuber Reisende auszuplündern.

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tern fortzutragen. So sind sie auf einen Felsen zwei Stunden von Nauplia gekommen und dort mehrere Tage lang zurückgehalten worden. Anfangs hat er ein sehr hohes Lösegeld für sie begehrt und ist später heruntergegangen. Da ist der bayrische Kurier in Nauplia angekommen, und nun haben sich die Residenten in das Mittel gelegt und die Gefangenen sind gegen ein Stück Geld freigelassen worden. Gut ist es auf der andern Seite, dass sich diese unsaubern Stoffe von der nationalen Sache abgeschieden. Übrigens hat Herr Trentini689 keine Nachricht an die Admirale gebracht, die Schiffe nach einem bestimmten Hafen zur Aufnahme der Regentschaft zu schicken. Dieser Umstand hat Residenten und Admirale (nämlich von zwei Mächten) bestürzt und sie haben Rat gehalten, in welchem beschlossen ward, die Schiffe abzuschicken, ohne daß man Auftrag erwartete, und von Triest aus durch Staffete ihre Ankunft in München zu melden. Träten dann noch Verzögerungen ein, so hätte man wenigstens das Mögliche getan und die Verantwortung möge tragen, wen es träfe. Wer hat nun wieder Recht, ich, der immer und immer getrieben zu eilen, oder die Russen, welche immer und immer geraten zu warten, so lange nämlich, bis sie in Griechenland ihre Wirtschaft wieder eingerichtet haben werden, dann gute Nacht! Doch was Nacht oder Tag! Ich glaube bestimmt, dass es auch in der Politik mehr als eine Gattung von Star gibt, den schlimmsten von allen, wo man die Augen nicht öffnen will und lieber im Dunkeln wandelt.

Triest, den 27. Sept. (…) Die Zerstreuung durch Besuche und der bevorstehende Abgang der Post hinderte mich, den Brief fortzusetzen. Also herzliches Lebewohl bis auf baldiges Wiedersehen und tausend Küsse und Grüße den Kindern von Ž’—Ž–ȱ›ŽžȬ Ž—ȱ Fr. Thiersch Nauplia, den 4. April 1832 [...] „Welch ein Glück, dass Sie ihn haben,“ rief der französische Admiral [Hugon] aus, da mein Capitän an seinen Bord kam und in seinem Rapport anführte, dass er mich gebracht habe. „Wir suchen ihn überall und haben nach ihm nach Milos geschickt.“ – Was war es? Das abscheuliche Regiment Capodistria, längst erloschen, wäre es nicht durch die unbegreifliche Anerkennung der drei Mächte, bei unnatürlichem Leben geblieben, ist trotz dieses für Griechenland grundverderblichen Schutzes in schlimmen Umständen und nicht im Stande, den Einfall der Rumelioten vom Peloponnes abzuwehren. Mich wünscht man dort, um sie zu bewegen, Ruhe zu halten. – „Ganz recht, ich wünsche selber 689 Aloys Trentini (1805-1864), Hauptmann, Bayerischer Stabsoffizier, der Thiersch den Befehl zur Rückkehr überbrachte.

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nichts mehr, als sie zu sehen und ihre Sache kennen zu lernen, und diesen Unfall, wenn es möglich ist, zu verhindern.“ Hierauf Besuche bei den drei Residenten, beim Grafen Augustin, und mit den Residenten Conferenz auf dem englischen Dreidecker in Gegenwart der drei Admirale, über die Mittel, durch welchen meinen Vorstellungen Nachdruck verschafft sollte werden. Es ward beschlossen, sie durch drei Schiffe, welche am Isthmus bei Kalamaki vor Anker gehen sollten, ernsthaft bedeuten zu lassen, und auf Requisition der Regierung französische Bataillons herbeizuziehen und den Isthmus besetzen zu lassen. Die Sachen in ihrem Stande zu halten, damit der Fürst ein Griechenland und nicht nur Ruinen fände, war der Zweck dieser Sendung, und ich nach einem Aufenthalt von neun Stunden in Nauplia, während welchem noch andere Besuche gemacht und an Kondurioti geschrieben wurde, auf dem Wege nach Argos, um noch Abends spät mit Ypsilanti zu verkehren. [...] Noch fand ich Zeit und Gelegenheit vor meiner Abreise aus Nauplia, den Kerker der Mauromichali’s zu öffnen und die beiden unglücklichen Mainotten-Häuptlinge aus ihrer Haft in die Heimath zurückzusenden. Die Scene mit ihnen war für viele Mühen in dieser Sache reicher Lohn. Wie aber sind die Dinge in diesen Zustand gerathen? Wie war es möglich, dass die Ernennung des Prinzen die politischen Stürme nicht beschwichtiget, sondern noch erhöht? Die Diplomatie hat den enormen Fehler gemacht, das tieferschütterte Regiment der Gewaltthätigen anzuerkennen, dadurch zu stärken und die anderen zu hemmen. Es lebt nur von ihrem Hauche, ohne ihn wäre es verschwunden, und die Nation einig und bereit, den Fürsten zu empfangen. Die nationale Partei erkannte sogleich die Gefahr, in welche jene Anerkennung sie gestürzt hat: der Fürst wird kommen, von den Verzweifelten umgeben sein, in ihr System gezogen werden und die Convulsionen, durch diesen unnatürlichen Kampf zwischen dem Volk, das seine Freiheit sucht, und dem unnatürlichsten Gewühle der Politik und der grundlosesten Schlechtigkeit hervorgebracht, werden fortgehen; die neue Regierung wird unmöglich oder antinational, in beiden Fällen ist Griechenland verloren. Daher der Entschluß der anderen, das verhaßte System, nachdem es in Europa trotz der Greuel seiner Einsetzung Anerkennung gefunden, mit doppelter Kraft zu bekämpfen, damit der Prinz nicht in die Hände einer solchen Partei, sondern in die Arme der Nation falle; denn darüber ist unter allen Verständigen kein Zweifel, dass die Sache, welcher die Rumelioten ihr Schwert geliehen, die Sache der Nation ist und eben darin die Garantie, dass im Fall ihres Sieges und im Fall verständiger Anordnung der Verhältnisse eine Gründung militärischen Uebergewichts nicht zu besorgen steht. So wird die Ernennung des Prinzen das Signal neuer Kämpfe, und je mehr die Diplomatie bemüht ist, dem ganz kraft- und haltlosen Werke korfiotischen Unfugs das Leben zu fristen, desto entschlossener treten die anderen auf. „Verfassung“ führten sie in ihren Fahnen, „Fürst und Verfassung“ (griechische Schrift) führen sie jetzt darin. [...]

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Nauplia, den 22. April 1832, Ostersonntag Diese Nacht ward ich durch den Lärm der griechischen Osterfeier aufgeweckt. Die Straßen waren voll Menschen und Lichtern, die Kirchen beleuchtet; Freude und Jubel überall; die Nacht selber mondhell und von wunderbarer Klarheit. Am Berge von Palamidia hin bewegte sich eine lange Procession mit Lichtern, wie ein wandelndes Feuer, nach einer benachbarten Kirche und eine Menge Schüsse hallten durch den Freudenruf und durch die Lieder, mit denen der Morgen der Auferstehung begrüßt wurde. Mich rührte das alles mehr, als dass es mich erheiterte: dieses Volk, am Rande des Abgrundes hinwankend, braucht nur einen Anlaß, um sein Leid in lauter Lust und Fröhlichkeit auszulöschen. Auch war das weiche Gefühl wohl mehr über mich selbst und über Euch. Ohne diese Verwickelungen, welche der Zustand von Griechenland in meine Reise gebracht hat, wäre ich auf der Heimkehr nach München, feierte vielleicht mit Dir und den Kindern ein Fest, das mir hier, ungeachtet aller Ausdrücke der Dankbarkeit, wegen vieler und meist trübseliger Geschäfte ohne Heiterkeit vorübergehen wird. [...] Mit dem Oelzweig in der Hand ist das Rumeliotenheer auf dem Isthmus erschienen und nach leichtem Widerstand und unblutigem Siege nach Argos vordringend, dort mit dem Oelzweig empfangen worden. Nach der Vorstadt von Nauplia aufgebrochen, um nach dem Sturze von Kapodistria eine dem öffentlichen Willen gemäße Zusammensetzung der neuen Regierung zu erlangen, ist es auf meine Ermahnung gestanden, und mir gelang, was mir selber noch unbegreiflich ist, unter den Mauern von Nauplia zwischen erbitterten Waffen, die sich seit 4 Monaten bekämpften, den Kampf zu hindern, das Oberhaupt der nationalen Regierung [Kolettis] seinen widerstrebenden Kapitänen zu entführen, mitten in die Hauptstadt der Feinde zu bringen und eine Uebereinkunft einzuleiten, durch welche der Bürgerkrieg an Einem Tage beendigt und mit Zustimmung der Mächte eine Regierung durchgesetzt wurde, welche den nationalen Wünschen eine durch eine sichere Majorität bedingte Gewährschaft zu leisten im Stande war. – Es kam nun darauf an, die Glieder der Commission, auf die man zählen konnte, schnell zu vereinigen. Nur Koletti war von ihnen gegenwärtig. Ich bewog den Prinzen Ypsilanti trotz seines Widerstrebens zur Annahme und ging selbst mit dem Dampfboot nach Hydra, um von dort G. Condurioti nach Nauplia zu bringen. Es gelang mir, ihn zur Reise zu bestimmen. Miaulis, Antonios Kriesis, einer der ersten Seehelden und edelsten Charaktere von Griechenland, Bulgaris und andere Primaten von Hydra und mehreren Inseln, die dort versammelt waren, schlossen sich dem Zuge an, und schon am 18. April war alles, was Griechenland an hervorragenden Charakteren bietet, in Nauplia vereinigt; [...] Die nationale Partei weiß es mir Dank, dass ich mit Entschiedenheit und Offenheit ihre Sache geführt, und die besiegte, dass ich den leidenschaftlichen Haß der Gegner von ihnen abgelenkt habe: auch die am meisten Bloßgestellten und Beschuldigten gehen unbehelligt umher und die

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rumeliotischen Palikaren, welche sich noch jetzo nicht in einen Feldzug mit Oelzweigen und ohne Blutvergießen gegen ihre erbittersten Feinde finden können, sagen, ihr Großväterchen, wie sie mich nennen, habe Wunder gethan (griechischer Text). Der Besuche von den angesehensten Leuten und der Deputationen ist heute zum Ostertage kein Ende gewesen, und da Du so gerne hörst, was die Leute Gutes von mir sagen, um Dich über das zu trösten, was Du Schlimmes von mir hörst, wünschte ich Dir wohl, dass Du hier oder in Hydra gewesen wärest und griechisch verstanden hättest. Freilich sehen die meisten nicht, auf wie schwache Füße das Werk durch den Trug alter Bösewichter gestellt ist.

Nauplia, den 25. April 1832 [...] Für die Güte des griechischen Charakters zeugt, dass ich bei keinem einzigen der Gegenwärtigen, nicht einmal der gemeinen Pallikaren, die sich nach Landesart oder Unart in die Zirkel der Herren mischen, einen dauernden Haß, oder eine Aeußerung des Unmuthes gegen den Mann hörte, den zu stürzen sie vier Monate lang alles Unheil ertragen und gegen den ich noch vor wenig Wochen ihren Unwillen so lebendig gefunden hatte. [...] Und was habe ich diesen guten Menschen erwiesen, dass sie an mir hängen? Ich habe ihnen Theilnahme gezeigt, ich habe ihnen aufmunternde Worte gesagt, um sie beim Guten und in der Ordnung zu halten, ich habe ihnen Liebe gezeigt und Liebe gefunden; vor allem aber, sie sehen in mir den Mann ihres Hegemon (Fürsten), den sie in ihren Herzen und in rohen Bildern, die sie selber gemacht, auf mehr als einer Fahne tragen, von dem sie die Sicherstellung ihres Vaterlandes, für welches sie seit 12 Jahren Schweiß und Blut vergossen, von dem sie Theilnahme und Sorge für ihr Schicksal erwarten, den sie lieben, ohne ihn gesehen zu haben, dem sie vertrauen, ohne ihn zu kennen, weil er der Sohn ihres ersten Wohlthäters unter den Königen ist. Wahrlich er kann in der Hütte wie in den Armen dieser rauen und doch gutherzigen Männer ruhig wie in dem Schooß der Seinigen schlafen, und jeder Arm, jedes Schwert wäre im Falle des Bedürfnisses zu seiner Vertheidigung gehoben. Gott gebe, dass der Schluß, zu welchem wir jetzo die Revolution gebracht haben, ein wahrer sei, und dass der Statthalter bald erscheinen möge, dem Werke das Siegel aufzudrücken. [...]

Nauplia, den 22. Mai 1832. [...] Welches der Eindruck dieser Begebenheit auf Missolunghi, auf die Capitäne von Ostgriechenland sein werde, steht zu erwarten, ein allgemeiner Brand ist zu besorgen, wenn er nicht an jenem Orte erstickt wird; denn an den Orten, von wo er angeblasen wird, kann kaum ein Zweifel sein – dass die Ver-

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zweigungen sich in den Sitz von Kolokotroni und in den Sitz der Allianz, ja in das Innere der Regierung selbst erstrecken, daß sie von einer Seite als Begünstigung des russischen, von der andern als Schwäche der französischen Partei angesehen und gern gesehen werden, während die durch Diplomatie verhärteten Gemüther der Fremden und die durch Leidenschaft verblendeten Gemüther der Einheimischen nicht wahrnehmen oder nicht wahrnehmen wollen, dass über ihrer nichtigen Freude und nichtigen Hoffnung das arme Griechenland zu Grunde geht. Daß ich dabei wieder die Hände voll zu thun, Mühe und Kosten habe, ist in der Ordnung, ich höre, spreche, rathe, schreibe und treibe im Sinne der Versöhnung und der Ausgleichung, was ich kann, und – „mit zwei Zeilen vom König in der Hand“ wäre ich im Stande, Griechenland vor neuem Unheil zu bewahren. Noch ist die letzte Hoffnung nicht untergegangen, aber stündlich wird der Himmel trüber, und brünstiger die Sehnsucht der geängstigten Menschen, dass doch die Hülfe, die alle als die einzige erkennen, keinen Augenblick länger ausbleiben möge!

Nauplia, den 25. Mai 1832. Dein ersehnter Brief mit der Antwort auf meine Mittheilungen aus Syra ist um die Zeit, wo ich ihn erwartete, ja noch vor dem Schlusse des zweiten Monats angekommen. Er enthält zwei Trauerbotschaften, die Nachricht vom Tode des guten und alten theuern Vaters, und einer treuen bewährten Freundin [Frau von Niethammer]. Daß der Vater am äußersten Ziele des menschlichen Lebens nach treuer Pflege in unserem Hause, von Dir und seinen Enkeln umgeben, gestorben ist, muß mich darüber trösten, daß ich bei seinem Tode fern gewesen bin, ihm die Augen nicht zugedrückt habe, und ihm so weit von seinem Grabe den Zoll der Thränen bezahle. Er war ein geistig ebenso wie körperlich rüstiger, vielerfahrener und durchaus rechtschaffener Mann, der durch kluge Thätigkeit seine zahlreiche Familie ehrenhaft ernährt, erzogen und es sich hat sauer werden lassen, und es sich selbst abgebrochen hat, um es seinen Kindern nicht fehlen zu lassen. Er ruht in Gott, dessen Friedens wir alle gewärtig sind, bei der seligen Mutter, auf unsere Pfade blickend, auf denen wir der Vereinigung mit ihm früh und spät entgegenwandeln. [...] Die Nachrichten über S. K. Hoheit und den Statthalter habe ich in gehöriger Form zu einem Briefe an den Präsidenten der Regierung Konduriotis vereinigt, der heute in den hiesigen Zeitungen zur Beruhigung der Gemüther erscheinen wird. Währe doch ein Wort Sr. K. Hoheit selbst dabei gewesen, an den ich seit acht Monaten oft geschrieben hätte, wie ich Tag und Nacht mit ihm beschäftigt bin, wenn es den leidigen socialen Verhältnissen und den Umständen gemäß wäre. An S. Maj. den König haben wir, Regierung und ich, nach Neapel Couriere über Corfu geschickt und sehnen uns nach seinen Befehlen von dort aus. Kommen diese in Zeit von zehn Tagen an, so kann Griechenland noch vor

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der drohenden Katastrophe geschützt werden, in der es mit den Grundlagen des Thrones erschüttert werden muß, den wir über seinen Fluren und den Gräbern seines alten und neuen Ruhmes gründen wollten.

Nauplia, den 3. Juni 1832. Mein letzter Brief vom 25. Mai war in trüber Stimmung über die politischen Katastrophen geschlossen worden, von denen Griechenland von Neuem plötzlich bedroht war. Seitdem hat sich der von Gewittern schwere Himmel wieder aufgeheitert, wenigstens zum Theil, und wir athmen freier. Der Plan, die Partei Capodistria in Tinos, Spezia, Nauplia, Koron, Patras, Missolunghi, Salona auf einmal wieder zu erwecken und die neue Regierung dadurch zu stürzen, ist an den meisten Orten gescheitert. Nur in Patras besteht noch offener Widerstand; doch erklärt der Sohn des Herrn Fürsten Wrede in einem Brief an mich, dass er nur gezwungen in die Festung zurückgegangen und schon nach 24 Stunden wieder aus ihr entlassen worden sei, und Zavellas, mit seinem Unternehmen allein gelassen, wird ebenfalls genöthigt sein, sich zu unterwerfen, wenigstens scheint die Gefahr eines allgemeinen Krieges vorübergegangen. In Spezia bin ich die letzten Tage selbst gewesen und am 1. Juni von dort zurückgekommen. Der Aufruhr war dort noch nicht zum vollen Ausbruche gelangt, aber doch nahe daran, und die Widersetzlichkeit gegen die Regierung, welche man anzuerkennen vorgab, offenbar. Die sehr hartköpfigen Capodistrianer jener Insel haben indeß wenigstens zum Theil nachgegeben, und der Condreadmiral Kalandruzzi ist desselben Tages von dort mit mir abgegangen und bemüht, hier die Sachen zur Ausgleichung zu bringen. Den ersten des Monats wurde hier das Fest der Geburt S. K. H. des Prinzen Otto gefeiert. Den Morgen war die Stadt, durch einen bewaffneten Besuch des General Grivas erschreckt, noch in Unruhe; doch nach seinem Abgange der Nachmittag voll Vorbereitungen zu den Festlichkeiten des Abends. Die Stadt war allgemein und bis in die kleinsten Häuser beleuchtet. Niemand erinnert sich, etwas solches in diesem Umfange, auch nicht zu den Zeiten, wo der Präsident noch als Wohlthäter begrüßt wurde, gesehen zu haben. Auf dem Platze des Regierungsgebäudes waren Ehrenpforten, Guirlanden, griechische und militärische Musik. Gegen 9 Uhr begannen nach der griechischen Musik Tänze um den Stamm, an welchem die griechische Fahne flatterte. Den Pallikaren gesellten sich bald ihre Häuptlinge bei und führten die Reigen; die Fröhlichkeit war allgemein und herzlich. [...] Welch ein Klima ist doch das dieses Landes! Der Mai, abwechselnd zwischen Wärme, die von 14 auf 20 Grad stieg und auf 16 fiel, und Regen, hat das Getreide gereift, und die starrenden Büschel von Gersten- und Waizenähren zeigen in der Ebene von Argos fünfzigfältige Frucht. In diesem Monate wird die Baumwolle bestellt, welche in der Mitte des Oktobers zur Reife kommt. Dabei

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diese Uepppigkeit, dieser Duft auch der niedrigsten Gewächse, und Zuckerstoff bis in die gelben Stengel der Distel. Die Ernte steht besser als seit elf Jahren, ihr Segen wird die Wunden des Bürgerkrieges heilen, von dem das Land die letzten sechs Monate zerrissen wurde. Möge nur bald erwünschte Kunde und die entscheidende Hülfe aus München kommen!

Nauplia, den 21. Juni 1832. [...] Der Ball, den die Franzosen gegeben haben, war sehr besucht und für Nauplia sehr glänzend. Der runde Saal, der bald als Moschee, bald als Schule, bald zur Ständeversammlung, bald zum Gericht gedient hat, war mit Waffen und griechischen und französischen Fahnen schön ausgeziert, die Trachten in der Buntheit eines deutschen Carneval, da außer den Griechen auch Russen, Engländer, Franzosen, Deutsche in allen Farben sich durcheinander drängten; von den Tänzen die schönsten, welche von den Rumelioten aufgeführt wurden. Nauplia, den 6. Juli [...] Ich sehe mit jedem Tage deutlicher, dass zur Haltung des Landes, bis der Fürst kommt, Jemand nöthig ist, der außer den Parteien stehend den Gang der Krisis, in welcher Griechenland fortdauernd liegt, beobachtet und zur rechten Stunde das rechte Mittel findet und vorschlägt. Von den drei Residenten ist das nicht zu erwarten. Keiner kennt die Sachen genug, und kennt sie auch einer, so handeln sie mit andern Absichten und nach andern Eingebungen als denjenigen, welche von dem Wohle von Griechenland geboten werden. Der König mag seine guten Gründe haben, sich mit der griechischen Sache nicht früher befassen zu wollen, bis sie geordnet ist; dass er aber gar kein Zeichen weder seiner Theilnahme noch seines Willens von sich gegeben, bringt für Griechenland und seinen Sohn unermesslichen Schaden. Eine einzige Person, von ihm hierhergeschickt, wäre es auch nur um Erkundigungen einzuziehen, und mit einem Creditiv an die Regierung, wäre durch ihr Ansehen und die Achtung vor dem König im Stande gewesen, alle feindlichen Bewegungen niederzuschlagen, aus denen nun höchst wahrscheinlich ein neuer Bürgerkrieg erwächst, den ich nicht werde hemmen können, eben weil ich nie vorgegeben habe, in königlichem Auftrage zu handeln, dazu nicht ermächtigt und auf meinen persönlichen Einfluß beschränkt bin. Dieser aber hat seine natürlichen Grenzen. Den Einfall der Spartiaten oder Mainoten in den Peloponnes hab’ ich einmal abgehalten, jetzt zieht Katzakos gegen Kolokotroni; dem ersten Einfall der Rumelioten habe ich einen friedlichen Charakter gegeben, den zweiten durch meinen Brief an Koletti, der ihn in die Vorstadt von Nauplia rief, abgewendet, jetzt zieht Grivas, ohne Befehl zu erwarten, gegen Kolokotroni, der ihn in seinen Proklamationen schmäht und förmlich herausfordert; Kolokotroni aber, der

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auf meine Zusprache und auf meinen Brief sich zwei Monate ruhig gehalten, bricht jetzt offen mit der Regierung, weil er sieht, dass sie von zwei der Residenten im Geheimen bekämpft wird, und von Bayern aus kein Zeichen der Theilnahme und Anerkennung erhalten hat. Er wagt es deshalb zu brechen, um seine eigenen Absichten durchzusetzen, und zieht sich dadurch die Rumelioten und Mainoten auf den Hals, deren Zusammenstoß mit ihm höchst wahrscheinlich ihm, aber auch mehreren Eparchieen des Peloponneses verderblich werden wird. [...] Was zwischen ihnen an zahlreichen Franzosen, Italienern, Engländern oder gar Russen sich bewegt, scheint ein versäumtes und wildgewachsenes Gespröß gegen den Adel und die männliche Schönheit des griechischen Geblütes, und eben weil es in seinen Hauptzügen so eigenthümlich, von Italienern so gut wie von Asiaten entfernt ist, dem Juden so wenig gleicht wie dem Türken, ist offenbar, dass weit mehr aus der althellenischen Ader geflossen, als man gewöhnlich annimmt. Hier ist Stoff zu bilden, besonders in der Jugend, und wenn die älteren durch angeerbte und durch die Knechtschaft und die zwölfjährige Revolution verhärtete Unarten nicht zu bessern sind, so ist mit dem jungen Alter anzufangen und Alles zu leisten. [...] N. S. Ich hatte den vorstehenden Brief an Herrn Babulas abgegeben, als ich von dem Bankier der französischen Gesandtschaft in Nauplia erfuhr, dass der Courier, welcher mit den Depeschen des Baron Rouen, des General Corbet und mit meinem Paket an Kreuzer für den König und für Dich von hier durch den Peloponnes nach Navarin abgegangen war, unterwegs von einer Bande, wahrscheinlich Leuten des Kolokotroni oder Kalergis, angehalten und seiner sämmtlichen Briefe und Depeschen beraubt worden ist. Wahrscheinlich befinden sich sämmtliche Papiere schon hier in den Händen der Vertrauten, nach deren Anleitungen und Eingebungen sich jene Nichtswürdigen in Bewegung setzen. Der Brief an Dich enthielt vorzüglich meine Ansicht über die Furcht und Besorgnisse, welche Du in dem Deinigen vom 13. Juni über die Art äußerst, wie von dem Könige meine Thätigkeit würde beurtheilt werden. Ich bemerkte Dir, dass ich nicht begreife, wie davon, dass ich desavouirt oder der Besorgniß irgend einer Art zum Opfer gebracht werden könnte, auch nur die Rede sein könne. Was ich gethan habe, ist zum Heil der Dynastie und des ganzen Landes ausgeschlagen, und nur nicht von den Feinden von Griechenland dafür anerkannt. Dafür wird mein Name von dem Volke gesegnet, und darum begehrt man mich jetzt von allen Seiten an die Spitze der Nation bis zur Ankunft des Fürsten. Wird dagegen beim Betragen in München verkannt, so hat man dieses dort mit den Feinden von Griechenland hier gemein, und dieses würde nicht für mich, wohl aber für die neue Dynastie bedenklich sein, weil es auf einen Weg außer dem öffentlichen Willen und Wohl hindeutete, der schon dem obwohl verschlagenen und klugen Grafen Joh. Capodistria verderblich gewesen ist. Ich selbst habe auf keinen Dank gerechnet, denn ich habe ohne Rücksichten und allein für Griechenland gehandelt, und will man mich gar deshalb ernstlich in Anspruch

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nehmen, so wird dieser Handel vor einem höheren Tribunal als dem gegenüber dem goldenen Hahn in München entschieden werden. Was auch geschieht, ich werde Frau und Kinder zu ernähren wissen, und in Bezug auf Dich reicht mir hin, dass Du sagst, Alles was zu meiner Rechtfertigung gehöre, sei Dir vollkommen klar. Du wirst, was auch bevorsteht, mit mir und darum mit festem, wenn auch nicht mit leichtem Muthe tragen. Gott hat Dir nicht umsonst einen Theil von der Charakterstärke und dem Edelmuth Deines seligen Vaters gegeben, weil Dir nicht bestimmt war, an einen Stubenhocker verheirathet zu werden. Das einzige Unangenehme wäre, wenn die Wechsel über 20,000 Fr. protestirt zurückkämen, nicht meinetwegen, sondern weil es eine Erklärung gegen die bestehende Regierung, die das Geld dringend gesucht und dringend gebraucht hat, sein und für die schlimmste Vorbedeutung gelten würde. Jenen Protest mir als möglich denkend, weil ich meine Leute kenne, habe ich hier Anstalt getroffen, dass mir das Geld aus den Einkünften der hiesigen Douane zurückbezahlt wird. Nauplia, den 2. August 1832. [...] Ich habe in den letzten Tagen einen Ausflug nach Messenien auf einem Dampfschiffe der Regierung gemacht und Kalamata, Koron, Modon und Navarin besucht. In das Innere des Landes vorzudringen schien bei der Bewegung der Parteien und der Aufregung des Landvolks unrathsam. Hauptsächlich durch die Unfähigkeit der neuen dorthin gesandten Präfecten und anderer Beamten ist Alles in Verwirrung gerathen, und Nikitas hat Gelegenheit gefunden, die Bauern durch Verkündigung von Freiheit von Abgaben unter die Waffen zu bringen. Es ist die alte capodistrianische Aufgährung: diese Leute wollen Kolokotroni und die Russen; jenen, weil er die Rumelioten bekämpft, diese weil sie Geld bringen; wollen aber nichts von Verfassung und vom Fürsten wissen. Die Verfassung sei eine spitze Gabel, an welcher man sie, wie zur Zeit der Türken, aufspießen wolle und der Fürst sei ... doch ich mag auch hier ihre Schmähungen nicht wiederholen, und er verlange den einfachen und den dreifachen Zehnten, weil er nichts habe und vom Lande leben wolle. Jetzt sind hier die guten Nachrichten über die Beendigung der griechischen Sache eingetroffen, zuerst in Deinem Briefe vom 23. Juni aus dem Munde des Herrn Baron v. Schmitz-Grollenburg, dann durch Briefe über Marseille an Herrn Baron Rouen. Dadurch gewinnen die Sachen eine andere Gestalt. Die hartnäckigsten Capodistrianer haben zwar noch nicht alle Hoffnung, die Ankunft des Fürsten verhindert zu sehen, aufgegeben, und treiben ein Project nach dem andern um; aber auf diesem Punkte kommt ihre Ohnmacht mehr und mehr zum Vorschein, und jetzt wo das Volk seinen König, wie die Juden den Messias, erwartet, hat er weder von den Capodistrianern noch von den Demokraten etwas zu besorgen; doch wird die Regentschaft noch Schwierigkeiten und Noth genug finden, zumal da sie wie vom Himmel mitten unter unbekannte Men-

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schen und Geschäfte und unter dieser tiefen Verwicklung der Verhältnisse hineinfallen wird. Es erscheint jedem, der diese Schwierigkeiten kennt und vor ihnen erschrickt, unbegreiflich und räthselhaft, dass ich nach den Erfahrungen eines Jahres, und welches Jahres! gehe, während sie kommt.

Anhang I

Friedrich Thiersch Zweite Reise nach Griechenland (September-Oktober 1852)

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Athen, den 12. September 1852 Meine Ankunft war durch die Zeitungen angekündigt, die sich täglich mit mir, mit meinen Besuchen, die ich mache oder empfange, beschäftigen, alle mit Wohlwollen, wie ich höre, denn ich bleibe meinem Grundsatze treu, keine zu lesen, nur der Aeon, ein russisches Blatt, schreibt gegen mich und meint, ich würde wohl die Thätigkeit von Nauplia und Perachora wieder aufnehmen, legt mir eine politische Sendung und den Auftrag bei, dafür zu sorgen, dass die Griechen den Prinzen Adalbert aufnehmen, auch wenn er in seiner Kirche bleibt und dergl. Doch ist die Ueberzeugung schon allgemein, dass ich nur gekommen bin, um Griechenland und die Griechen noch einmal zu sehen, und man beweist mir überall große Theilnahme, mehr noch als meinem Leibe und meinen Geschäften zuträglich ist. Die Besuche sind so häufig, dass sie in gewissen Tageszeiten sich so zu sagen die Thüre in die Hand geben und nicht Stühle genug finden, darauf zu sitzen, lauter alte Freunde von Nauplia, Perachora, ehemalige Zöglinge aus München oder Glieder ihrer Familien, Professoren, Kaufleute, Abgeordnete usw. [...] Gegen die Königin haben wir gleich in den ersten Tagen unsere Schuldigkeit erfüllt und uns durch die Obersthofmeisterin, Frau Plüskow, bei ihr zur Audienz melden lassen, zu der wir unter Einführung des bayerischen Gesandten am schon folgenden Tage gelangten, ich, Ludwig und Herr von Lasaulx, welcher mit der Königin in einen Streit über die Frage gerieth, ob ein Volk, welches einmal sein Leben abgethan, wie das griechische, wieder auferstehen und ein neues anfangen könne. Die Königin behauptete, obwohl in einiger Verlegenheit bei diesem unerwarteten und ihr gegenüber ganz ungehörigen Widerspruch, doch ihren Satz, dass Griechenland in der Wiedergeburt begriffen sei und fortschreite, mit vieler Gewandtheit. Ich war natürlich auf ihrer Seite und drückte am Schlusse meine Freude darüber aus, in ihr die Vertheidigerin der Jugend und Zukunft Griechenlands kennen gelernt haben. [...] Meine archäologischen Arbeiten haben ihren gewiesenen Gang. Wir, das ist ich und meine archäologischen Freunde, werden das Erechtheum zum Gegenstand unserer Sorge machen. Die bei den früheren Ausgrabungen gefundenen Alterthümer sind an verschiedenen Orten nothdürftig zusammengestellt. Man hat noch nicht die Mittel gefunden, ein auch noch so einfaches Museum zu bauen. „Dergleichen“, sagte Sir Thomas Wise, „muss hier von oben herab angeregt werden und die Regierung hat noch nicht begriffen, dass sie sich hier als eine hellenische zeigen muß und daß es ein Unterschied ist, ob man Griechenland oder Madagaskar beherrscht.“ Die Stadt bietet einen sehr mannigfachen Anblick. Auf der Burg die heilige Stadt in Trümmern, aus denen die noch aufrecht stehenden Theile des Parthenon, des Erechtheum, der Propyläen und des Siegestempels wie in Trauer empor

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ragen; die Altstadt nördlich zu ihren Füßen noch voll alter Hütten und zerfallender Mauern mit neuem Anbau dazwischen, aber mit Kaufläden, Waaren und Volksgetümmel angefüllt und nach Norden, am Fuße des Lykabettus die Neustadt vom königlichen Palast übersehen, unter dem sich die neuen, durchaus eleganten, zum Theil prächtigen Häuser und Hotels meist noch in einzelnen Gruppen, aber desto malerischer ausbreiten. An allen Ecken und Enden geht der Bau fort; was den Griechen nicht wenig zur Ehre gereicht, es werden zwischen den schönen Wohnhäusern der Einzelnen, meist aus Vermächtnissen und Sammlungen, umfassende Gebäude für Erziehung, Wissenschaft und Krankenpflege aufgeführt. Die Universität (noch unvollendet), die Sternwarte, das Priesterseminar, das Krankenhaus, das weibliche Erziehungsinstitut haben keinen andern Ursprung. Der öffentliche Geist zeigt sich in solchen Stiftungen und Leistungen hier stärker als anderwärts und hat auf diesem Punkte nur in England seines Gleichen. Auch ist er durch die Calamität, welche Lord Palmerston über das Land gebracht hat, und durch den männlichen Muth, mit dem sie ertragen und am Ende abgetrieben wurde, noch mehr gehoben worden. Im Übrigen stehen die Sachen schlecht, aber nicht so, wie man sich draußen vorstellt, dem Verderben nahe, und ein Monarch, der mit so viel gutem Willen und Ehrenhaftigkeit, wie König Otto hat, noch festen Willen, männlichen Entschluß und Thatkraft verbände, würde mit den Schwierigkeiten bald in Ordnung kommen; doch verstehen die Griechen wie kein anderes Volk zu warten und zu ertragen, und lieben ihn wegen des Guten, was er, wenn auch in beschränkter Weise, thut und wegen des Bösen, was er durch seine Gegenwart verhütet. Am schlimmsten sind die Missbräuche in der Finanzverwaltung, und die Einkünfte, welche 22 Millionen Drachmen bringen sollten, sind in den letzten Jahren auf die Hälfte herabgekommen. Es wird jetzt fast allgemein gefühlt, was man an den Deutschen gehabt und verloren hat, und selbst Blätter der Opposition rathen dem Könige Otto, aus Deutschland einige gute Rathgeber mit sich nach Griechenland zurückzubringen.

An Bord des Otto, Höhe von Kephalonia, den 16. October 1852 Die griechischen Zeitungen setzen ihren Krieg für und gegen mich fort und ich rechne es mir zur Ehre an, dass mich das russisch gesinnte Blatt, das auch der bayerischen Dynastie feindlich gesinnt ist, die Woche zweimal, das ist so oft es erscheint, schmäht und auszankt. [...] Dann Besuch in der Residenz, Anmeldung zu einer Abschieds-Audienz und mit Freund Reser eine Reihe von anderen Besuchen im Laufe des Tages, sogar bei dem türkischen Gesandten, der mich sehr freundlich empfing und meine schnelle Abreise bedauerte. Den Nachmittag war Nachricht von der Königin durch Miaulis gekommen. Sie stellte mir frei, den Abend 7 ¾ oder den andern Morgen um 10 Uhr zur Au-

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dienz zu kommen. Ich wählte den Abend und hatte vor mir den unvermeidlichen Herrn Ward von den jonischen Inseln, der von Sir Thomas Wise mit noch einigen Diplomaten und Officieren ein- und ausgeführt wurde. Die Königin ging in mehrere Gegenstände, welche während der letzten Wochen waren verhandelt worden, auch in allgemeine Fragen über Lage von Griechenland, über Einfluß der Mächte und innere Politik ein. Es war ihr offenbar bekannt geworden, dass ich die Verwaltung für grundschlecht und ihre Fortdauer für verderblich halte, denn sie gab sich Mühe, sie zu vertheidigen. Es kam eine völlige Unkunde der Verhältnisse im Ganzen und im Einzelnen zum Vorschein. Mehrere Anliegen, die ich für die Akropolis und die Bibliothek vortrug, wurden in diesem Sinne beschieden. Die Bibliothek der Universität hat keine Drachme zum Ankauf neuer Bücher: „Ei, sie bekommt ja sehr viele Geschenke.“ – Die Akropolis bietet einen traurigen, ja widerwärtigen Anblick, weil es auch an den kleinsten Summen fehlt, die angefangenen Arbeiten fortzusetzen, und alles durcheinander liegt. „Wir haben allerdings jetzt kein Geld für die Alterthümer.“ Aber eine Million für die Abgeordneten; übrigens würden auch dafür sich Mittel finden, wenn das, was von dem Volke bezahlt wird, wirklich in den Schatz eingeht. Darüber neue Reclamation ihrerseits und Protestation für ihre Minister, selbst Herrn Christidis. Er sei ein tüchtiger Finanzmann und ehrenhaft. Der Cultusminister, der ein ehemaliger Schneider ist, habe sich doch in der Kirchensache gut gehalten. Er gehört zur russischen Partei und die Unterzeichnung des Kirchengesetzes war die Bedingung, unter der er in’s Ministerium gelangte. So im übrigen. Dabei Beweise von viel Verstand in Dingen, die ihr näher liegen. Übrigens schieden wir, ich mit Wiederholung meines Dankes, sie mit der Versicherung, wie viel Vergnügen es ihr mache, mich in Griechenland gesehen zu haben, und wie leid es ihr thue, dass ich nicht über den Winter bleibe.

Anhang II Griechische Politik in den Briefen von Johannes Kolettis an den deutschen Philhellenen Friedrich Thiersch von

Heinrich Scholler

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Vorm August 1831 bis März 1832 hatte sich Thiersch als Privatmann in Griechenland aufgehalten. Er traf seinerzeit ein, als Griechenland ein wenig später durch die Ermordung von Kapodistrias in eine neue Anarchie verfiel. Thiersch hatte von seinem König nur Urlaub erhalten, keine Sendung. Doch er brachte eine Botschaft mit, die ihm durch den Fürsten Wrede anvertraut war und folgenden Inhalt hatte: Seine Majestät, der König, sei weit entfernt, seinen Sohn den Griechen in irgendeiner Weise aufnötigen zu wollen, und das Angenehmste für ihn würde sein, wenn er von der Nation selbst, über die er herrschen sollte, begehrt würde.690 Sein nun mehr veröffentlichtes Tagebuch691 und seine Briefe zeigen, mit wie vielen führenden Persönlichkeiten Thiersch, der Griechisch wie seine eigene Muttersprache beherrschte, zusammentraf. Seine Biographen692 sagen aber nicht, wann er zum ersten Mal mit Kolettis zusammentraf. Johannes Kolettis war um 1780 in Syrrako in Epirus geboren. Er war einer der begabtesten und geistreichsten Führer des griechischen Befreiungskampfes. 1822 war er bereits Innenminister und Kriegsminister, 1823 Präfekt in Euböa, und seit 1824 war er Mitglied der Exekutivregierung. Er hatte Medizin studiert und war Arzt, weshalb er sich auch in besonderer Weise dem griechischen Gesundheitswesen widmete. Von der Nationalversammlung in Argos wurde er 1828 zum Senator gewählt. Nach der Ermordung Kapodistrias' führte er die Revolte gegen Augustin (1831-32). 1833 wurde er Minister für Handel und Marine im neuen Kabinett, mußte aber dann in das goldene Exil nach Paris, von wo er erst 1843 nach Griechenland zurückkehrte, um dort 1844 Ministerpräsident zu werden. Er starb 1847.693 Während seiner privaten Reise nach Griechenland hatte Friedrich von Thiersch Kolettis kennengelernt und seitdem eine ständige Freundschaft mit ihm gepflegt. Kolettis hatte es sehr bedauert, dass Thiersch nicht als Mitglied der Regentschaft Ottos nach Nauplia zurückkehrte. Bis zu seinem Tode im Jahre 1847 haben sich beide über die griechischen Angelegenheiten, politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Fragen, durch einen intensiven Brief-

690 Gollwitzer bemerkt jedoch, dass Thiersch weder von König Ludwig noch von dem Fürsten Wrede eine Antwort bekam, obschon es sich nach der Auffassung von Gollwitzer um "glänzende Analysen" gehandelt hatte,- Heinz Gollwitzer, Ludwig I. von Bayern eine politische Biographie, München 1986, S. 479. 691 Bayerische Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, Thierschiana I No. 87. 692 Heinrich W. J. Thiersch, Friedrich Thierschs Leben, 2 Bände, Leipzig und Heidelberg 1866; Hans Loewe, Friedrich Thiersch, Ein Humanistenleben im Rahmen der Geistesgeschichte seiner Zeit, München und Berlin 1925; Hans Martin Kirchner, Friedrich Thiersch. Ein liberaler Kulturpolitiker und Philhellene in Bayern, München 1996; Gerhard Grimm, Studien zum Philhellenismus, Münchner Habilitationsschrift, 1965. 693 Die Forschungen über Kolettis sind noch recht unvollständig. Über die Verbindungen von Kolettis zur französischen Außenpolitik s. John Malakassis, France as a protecting power in Greece, Ann Arbor/Michigan 1973.

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wechsel verständigt: hier der Arzt, Diplomat und Politiker, dort der deutsche Humanist, der Pädagoge und politische Journalist. Im Thiersch-Archiv (Thierschiana I) in der Handschriftenabteilung der Bayer. Staatsbibliothek befinden sich 28 Briefe von der Hand Kolettis’, die an Friedrich von Thiersch gerichtet sind. Um ein Bild der beiderseitigen Entwicklung zu entwerfen, um die historischen Ereignisse nachzuvollziehen, bedürfte man natürlich auch der Briefe, die Thiersch an Kolettis geschrieben hat. Sie waren uns aber bisher noch nicht zugänglich, wenn sie überhaupt noch vorhanden sind. Demgegenüber genügt für die Kennzeichnung der menschlichen und wissenschaftlichen Beziehungen beider Männer eine Analyse des Schriftverkehrs von Kolettis, von dem 28 Briefe vorhanden sind. Diese Briefe von Kolettis, ebenso wie die ca. 700 übrigen Briefe von griechischen Politikern, Wissenschaftlern, Historikern an Thiersch sind von den bisherigen Historiographen kaum ausgewertet worden. Wohl hat der erste Biograph, Friedrich Thierschs Sohn Heinrich694, die Biographie vorgelegt, die im wesentlichen auf dem Briefwechsel Thierschs mit einer Vielzahl von Persönlichkeiten aufbaut. Die griechischen Briefe wurden aber kaum einbezogen. Hans Loewes695 Biographie ist nur im ersten Teil veröffentlicht worden und geht auch in diesem wie im unveröffentlichten zweiten Teil nicht auf die griechischen Korrespondenten von Thiersch ein. Das gleiche gilt von der Biographie von Hans Martin Kirchner696, der ebenfalls die griechische Korrespondenz nicht berücksichtigt. Erst wenn man Friedrich von Thiersch auch als politischen Journalisten697, der in der „Augsburger Allgemeinen“, der wichtigsten deutschen Zeitung seiner Zeit, zu den gesamten deutschen Gelehrten und zur politisch interessierten Öffentlichkeit sprach, ernst nimmt, werden auch diese Briefe von erhöhter Bedeutung für Thiersch, aber auch für ein Zeitgemälde griechischen Geisteslebens in den ersten Dekaden nach der Befreiung sein. Zu den 28 handschriftlichen Briefen in der Kolettis-Akte ist nachfolgendes zu bemerken: a) 26 Briefe sind in griechischer Sprache verfasst worden. b) Der dritte Brief vom 19. (31.) März und der siebte vom 27. November 1832 sind Übersetzungen ins Französische. c) Der 5. Brief vom 29. März 1832 ist nicht an Thiersch, sondern an einen gewissen Kallisperis in Nauplia gerichtet. 694 Thiersch, s. Anm. 3. 695 Loewe, s. Anm. 3. 696 Friedrich Thiersch, ein liberaler Kulturpolitiker und Philhellene in Bayern, München 1996. 697 Funk, die Verfassungsfrage im Spiegel der "Augsburger Allgemeinen Zeitung" von 1818 - 1848, Münchner Justizschriften, Juristische Fakultät, Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung, Band 25, Berlin 1977. Dazu meine Besprechung, in: BayVR1, 1978,7 66. Außer Funk hat Thiersch als politischen Journalisten noch niemand ausführlich gewürdigt.

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d) Der 6. Brief vom Mai 1832 ist nicht von Kolettis verfaßt worden, sondern von dem bekannten Freiheitskämpfer Theodoros Kolokotronis. e) Dem 8. Brief vom 28. März 1833 ist eine Abschrift eines Gesuches an den König von Bayern beigefügt. Das Gesuch wird von 89 griechischen Persönlichkeiten (Prokritoi) und Geistlichen unterzeichnet und vom Ältestenrat der Stadt Nauplia beglaubigt. f) Dem 21. Brief vom 24.1.1838 sind Abschnitte aus den Briefen von drei Personen – die Herren werden A, B und C genannt – beigefügt. Die Briefabschnitte von A und B sind in Griechisch verfasst, der von C in französischer Sprache. Die 24 Briefe Kolettis an Thiersch dekken den Zeitraum vom Februar 1832 bis Januar 1846. Sie wurden aus folgenden Städten geschrieben: 1832–1835 aus Megara, Argos, Nauplia und Athen, 1836 –1839 aus Paris. Der letzte Brief wurde aus Athen am 19. (31.) Januar 1846 geschrieben. Die Briefe vom Jahr 1832 sind nach Nauplia geschickt worden, da sich Thiersch zu jener Zeit in Griechenland aufhielt. Der Umfang des Inhalts der Briefe erstreckt sich zwischen einer und vier Seiten. Die Durchschnittslänge beträgt zweieinhalb Seiten. Das persönliche Verhältnis zwischen Kolettis und Thiersch kann am besten durch eine teilweise Wiedergabe des 8. Briefes vom 28. März (9. April) 1833 wiedergegeben werden. Dort beklagt sich Kolettis zunächst, dass er von Thiersch keine Antwort erhalten hat. Thiersch war mit Verfügung vom 2.8.1832 sehr barsch, wie Gollwitzer698 bemerkt, unter Androhung der Dienstentlassung zurückberufen worden. Dies mussten seine griechischen Freunde gewusst haben; so wusste auch Kolettis, dass sicher das lange Schweigen Thierschs, über das er sich in seinem Brief vom 28.3. beklagt, doch wohl mit den Schwierigkeiten zu tun haben musste, die Thiersch zu Hause vorfand. Wir lassen hier den ersten Absatz des Briefes folgen, um die tiefe Freundschaft zu zeigen, die zwischen beiden bestand. Auch Kolettis bedauert, dass er selbst nicht geschrieben habe, obwohl er glaubte, dass sein eigenes Schweigen eher zu entschuldigen sei. „Bester Freund! Gebührte es sich wohl, dass, seitdem Du von hier weggegangen bist, Du durch keinen Brief mir Kunde von Dir gibst? Ist nicht durch ein so langes Schweigen meiner aufrichtigen Freundschaft ein Unrecht geschehen? Welche Ursachen mochten Dir entgegenstehen, mir Stoff zum Leben durch Mitteilungen zu geben, von denen Du weißt, wie nötig sie für mich zu dem Gefühle und dem Bewußtsein sind, dass ich lebe? Unmöglich kannst Du leugnen, dass Du dadurch Unrecht an mir begangen hast. Du hast mich in eine Lage gesetzt, in der ich doppelt leide, nicht nur, weil ich ohne Deine Briefe bin, sondern auch, weil ich vergeblich bemüht bin, die wahre Ursache davon zu entdecken. Soviel ist wohl klar, dass dichte Wolken eines politischen Einflusses sich zwischen uns gelagert haben.

698 Gollwitzer, a. a. 0., S. 489, Anm. 790.

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Wollte Gott, dass wir uns begegnen könnten! Ich würde dann wohl auch begreifen, was mir jetzt zu begreifen unmöglich scheint. Wenn Dein Schweigen mich betrübt hat und noch betrübt, so bin ich nicht in Zweifel, dass auch mein eigenes Schweigen, das nicht so schwer zu rechtfertigen ist, Dich betrübt hat und Dich, mein Lieber, noch beunruhigt. Um diese peinliche Stimmung zu endigen, schreibe ich Dir, und gebe Dir Nachricht von mir(. . . )„ Dem Brief legte Kolettis eine Petition von 93 Gelehrten bei, die an den König gerichtet war und mit welcher eine Entsendung von Thiersch nach Griechenland erbeten wurde. Kolettis fügt noch hinzu, dass er nicht zugelassen habe, dass mehr als 93 Unterschriften gesammelt wurden. Er meint, dass alle wahren Hellenen unterzeichnet hätten, wenn er nicht gegen eine solche Mammutpetition gewesen wäre. Wir wollen hier noch den Mittelteil des Briefes folgen lassen, weil er zeigt, wie innig die Freundschaft zwischen Kolettis und Thiersch, dem Haupt der Münchner und Süddeutschen Philhellenen, war, und wie groß die Bestürzung darüber gewesen sein musste, als Thiersch nicht mit König Otto nach Griechenland kam. Der bereits erwähnte Brief von Kolettis an Thiersch vom 28. März (9. April) 1833 fährt dann fort: „Als Du zum ersten male nach Nauplia kamst, erinnerst Du Dich noch, was Du als Freund der Hellenen mir dort sagtest? Erinnerst Du Dich, was ich zu Dir sprach? Unsere Ansichten, unsere Bestrebungen, unsere Wünsche stimmten überein. In Perachera, in Megara hörten wir beide zuerst aus dem Munde hellenischer Scharen den Ruf für ihren König, und nahmen zuerst wahr den freien Willen der Nation. Erinnerst Du Dich, mein Geliebter, mit welchem Enthusiasmus damals auch wir erfüllt waren? Erinnerst Du Dich, wie wir durch die schönen Fluren der Megaris zogen? Wie glücklich wir uns achteten, da wir unsere Wünsche in Erfüllung gehen sahen? Und als wir am Schlusse in der Nationalversammlung von Pronvia aus dem Enthusiasmus der Vertreter des Volks den freien, den endlich über alle Hindernisse siegreichen Willen aller Hellenen erschallen hörten, erinnerst Du Dich, welche Freude damals uns erfüllt hat? ... Den Augenblick, in welchem unser König triumphierend in Nauplia einzog, inmitten des Segensrufes und der Begeisterung des ganzen Volkes, suchten die Hellenen mit ihren Blicken Dich unter denjenigen zu entdecken, die den Monarchen umgaben; sie suchten Dich, weil sie nach Dir Verlangen trugen, weil sie sich sehnten, Dich in Hellas zu sehen.“ Der Inhalt der Briefe zeigt das ganze Panorama der zeitgeschichtlichen Diskussion: Inhaltlich beziehen sich fast alle Briefe auf die damalige politische Situation, die politischen Persönlichkeiten und Ereignisse im griechischen Raum. Der schon zweimal zitierte Brief von Kolettis ist eine Mischung von persönlicher Freundschaft, Information und politischer Aktion. Bei beiden – Thiersch und Kolettis – mischten sich die drei Ebenen ständig in einem fort. Es soll nun

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auch der Schluss dieses Briefes gezeigt werden, bei dem die vielleicht von Freundschaft überhöhte Erwartung und Enttäuschung zum Ausdruck kommen, die viele Griechen empfanden, als Thiersch nicht mit der Delegation Ottos eintraf. „Aber wie groß war ihr Schmerz, als sie erfuhren, dass Du nicht gekommen warst! Um wieviel größer wart er, als sie erfuhren, dass Du von einigen der Intriganten dahier warst verleumdet worden, und dass Dir darum die Rückkehr versagt war! 'Wie?' sagten sie und sagen sie noch, 'derselbe Mann, welcher mehr als irgendeiner Ursache eines so großen Glückes gewesen ist, der während seines ganzen Aufenthaltes in Hellas auf Verständigung, Einigung und Beschwichtigung der Leidenschaften gesonnen und dafür gewirkt hat, konnte dieser als Ruhestörer verunglimpft werden und war es möglich, dass eine solche Verleumdung zulässig erschien? Unmöglich!' Gleichwohl kamen sie überein, eine Adresse an Seine Majestät, den erhabenen König von Bayern, zu entwerfen, die ich hier in Abschrift beilege. Ich habe nicht mehr Unterschriften zugelassen, als Du findest (es sind ihrer 93); ich hielt es für überflüssig. Wäre ich nicht entgegen gewesen, sei versichert, alle wahren Hellepen würden unterzeichnet haben usw. Ich umarme Dich und bleibe für alle Zeiten meines Lebens. Dein aufrichtiger Joh. Kolettis.“ In den Briefen 10 bis 15, die zwischen Dezember 1833 und Mai 1834 geschrieben wurden, werden einige griechische Jugendliche von Kolettis an Thiersch empfohlen. Diese sollen zum Studium nach München kommen und Thiersch wird gebeten, für sie zu sorgen und sie in seine Obhut zu nehmen. In den Briefen 9 vom 31.10.1833 und 14 vom 25.4.1834 sowie auch 16 von 1834 ist die Rede von Thierschs Werk über Griechenland. Kolettis möchte den ersten Band, der bereits publiziert ist, von Thiersch bekommen, der ihm diesen dann auch zuschickt. Die entsprechenden Passagen lauten: Aus dem Brief vom 25.4.1834: „( . . .) Andere hatten das Glück, das Buch über Griechenland zu empfangen, nur ich hatte es noch nicht, obwohl der letzte Brief mir die Hoffnung gab, dass es bald in meinen Händen liegt.“ Aus dem Brief vom Mai 1834: „Zuerst begleitete mich Dein schönes Buch über den jetzigen Zustand Griechenlands und die Mittel seiner Wiedergeburt, das von den Griechen viel gefragt wurde ... Obwohl ich es oberflächlich durchgelesen habe, fand ich es voll von vielen wahren Feststellungen über die Ereignisse und reich an Kenntnissen, die für den Fortschritt der Griechen wichtig sind.“ Im 8. Brief vom 28.3.1833 kam die Erwartung Kolettis' zum Ausdruck, dass Thiersch zusammen mit König Otto in Griechenland ankommen sollte.

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Aus der gesamten Korrespondenz geht hervor, dass mit Thierschs Ankunft mehrere Korrespondenten fest gerechnet hatten. Die Gründe, warum Thiersch nicht mehr entsandt wurde, werden von den Historikern verschieden beurteilt. Wir hatten in einer früheren Veröffentlichung699 ausgeführt, dass die Verleumdung gegenüber Thiersch wohl die maßgebliche Rolle gespielt hat, warum Thiersch bei König Ludwig in Ungnade gefallen war. Gollwitzer bemerkte dazu, dass König Ludwig damals in Begleitung von Heideck auf einer ItalienReise durch letzteren gegen Thiersch bestimmt wurde. Schon in München hatte Gise dem König geraten, Thiersch nach München zurückzuberufen. Er hatte König Ludwig überbracht, Thiersch habe sich als sein Beauftragter ausgegeben und sei daran gegangen, Grundzüge einer Verfassung für Griechenland auszuarbeiten. Als nun auch von englischer, französischer und österreichischer Seite gegen Thierschs Auftreten in Griechenland protestiert wurde, und Palmersten die Zurückziehung Thierschs forderte, erfüllte man bereitwillig diesen Wunsch.700 Thiersch musste in München an der Rehabilitation seines Rufes arbeiten. Dass er verleumdet worden war, wusste er, und er hat dies auch deutlich in seinem Griechenland-Buch ausgedrückt, obwohl gerade die beiden letzten Kapitel dieses Werkes, in dem er die Hintergründe der Verleumdung schildert, nicht veröffentlicht werden konnten.701 Eine andere Meinung, die vor allem von Hans Martin Kirchner702 vertreten wird, beruft sich auf einen Brief Ludwigs an seinen Sohn Otto, in dem er ausführt, dass die Ausstrahlungskraft Thierschs so groß sei, dass Otto bald nicht mehr als König angesehen werde und das Volk Thiersch zulaufen könnte. Beide Auffassungen sind wohl nicht unvereinbar. Während der Rückberufung und der ersten Monate danach überwog sicher bei Ludwig die Vorstellung, dass Thiersch nicht nur an eine Verfassung geglaubt habe, sondern, dass er sich auch daran gemacht habe, etwas für diese Verfassung zu tun. Zum späteren Zeitpunkt, als die Verleumdung mehr oder weniger offenkundig wurde, wird Ludwig dann deswegen nicht an Thiersch gedacht haben, weil er eine zu starke Persönlichkeit als Berater gewesen wäre. Die Stelle, in welcher sich Kolettis auf die Verleumdung von Thiersch bezieht, lautet: „Vielmehr tat es ihnen leid, wenn sie erfuhren, dass Du von einigen der hiesigen Intriganten Verleumdungen erlittest, . . . wie konnte dieser als Unruhestifter dargestellt werden, der während seines ganzen Aufenthaltes in Griechenland für das Einvernehmen, die Befreiung und die Einstellung der Leidenschaften gesorgt hatte?“

699 Heinrich Scholler/Konstantina Vergi-Tzivakos, Griechische Politik im Spiegel der Briefe von Kolettis an Friedrich von Thiersch, Thessaloniki 1986, S. 65 ff. 700 Gollwitzer a. a. 0., S. 479 Anm.770. 701 Gollwitzer ist der Auffassung, dass General von Neideck König Ludwig auf seiner Italienreise 1832 gegen Thiersch beeinflußt hatte. Gollwitzer a. a. 0., S. 479. 702 Kirchner, a. a. O., S. 186f.

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Damit dürfte auch die bisherige Streitfrage entschärft sein, ob König Ludwig seinem Sohn Otto die Entsendung Thierschs deswegen ausgeredet habe, weil Thiersch eine zu starke Persönlichkeit von großer Ausstrahlungskraft auf die Griechen gewesen, so dass er als wahrer Regent angesehen worden wäre. Vielmehr zeigen die Kolettis-Briefe, dass Thiersch als Liberaler und Anhänger der Verfassung als ungeeignet angesehen wurde, weil schon die Entscheidung gefallen war, Griechenland ohne Verfassung regieren zu wollen. Unterstützt wird diese Auffassung durch ein beigefügtes Gesuch von 89 griechischen Honoratioren (eine Eingabe, in welcher Thiersch als Freund der Griechen dargestellt wird, der wertvolle Dienste in und für Griechenland geleistet habe).703 Einige Namen: „Anthimos (Bischof) von Athen und Levadia, Kyrillos (Bischof) von Korinth,“ „P. Mavromichalis, L Kolettis, . .... Anastassios Londos, Kanellos Delijannis, . . . , Rhigas Palamidis, .. . , A. Polyzoidis, . . . , K. Schinas . . .“ Die Briefe von Kolettis geben uns auch Aufschluß über die Person Thierschs, obschon natürlich die Äußerungen in einer Korrespondenz zwischen Freunden nicht immer ein objektives Bild vermitteln können. „. . .eines Mannes, der von allen Griechen geehrt und geliebt wird. Nie in der Vergangenheit, Eure Majestät, war das Erscheinen und die Vermittlung eines Mannes nützlicher für die griechische Sache als diese des Herrn Thiersch, weil ihm schuldet man die Beruhigung vieler unüberwindlicher Schwierigkeiten mit höchster Besonnenheit . . .“ Auch noch im 18. Brief äußert Koletis die gleiche Hoffnung, indem er die Erwartung ausdrückt, dass Thiersch mit der Erreichung der Volljährigkeit Ottos im Mai 1835 ins Land kommen könne. Die entsprechende Stelle bei Kolettis aus dem Brief vom 19.3.1835 lautet: „Nach der Thronbesteigung unseres Königs hoffe ich, dass wir Dich bald ins berühmte Athen herbeirufen, damit Du mit Deinen hohen Kenntnissen die durstige Jugend aufklärst.“ Bei der Prüfung der allgemeinen Bedeutung der Kolettis-Briefe kann man folgendes feststellen: a) Kolettis betont in jedem Brief seine tiefe Freundschaft zu Thiersch, dessen philhellenisches Engagement und Bemühungen zugunsten Griechenlands er sehr zu schätzen weiß. Aus diesen Briefen geht ferner deutlich hervor, dass zwischen Kolettis und Thiersch ein reger Informationsaustausch hinsichtlich politischer Vorgänge und Persönlichkeiten in Griechenland stattfand. Oft bittet Ko703 In dieser Eingabe wird Thiersch als Freund der Griechen dargestellt, der wertvollste Dienste in und für Griechenland geleistet habe. Es folgen hier einige Namen der Petenten: ANTHIMOS, Bischof von Athen und Levadia, KYRILLOS, Bischof von Korinth, MAVROMICHALIS, P., KOLETTIS, J., . . . ANASTASSIOS LONDOS, KANELLOS DELIJANNIS.... RHIGAS PALAMIDIS.... A. POLYZOIDIS, ...K. SCHINAS ...

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lettis Thiersch um dessen Meinung und Rat, oder er stellt Fragen bezüglich der Ursachen bestimmter Ereignisse oder Beweggründe von Unternehmungen einiger Personen in Griechenland, obwohl er sich selbst mitten im politischen Geschehen befand. Daraus ist zu schließen, dass zu jener Zeit die politischen Vorgänge in Griechenland hauptsächlich durch die Diplomatie europäischer Großmächte bestimmt wurden. Kolettis, der selbst in der vordersten Front der griechischen Politik stand, bedarf daher aus München zusätzlicher Informationen, um das Ränkespiel der Großmächte, die hinter den Aktionen stehenden Interessen, besser verstehen und abwägen zu können. b) Kolettis betont in seinen Briefen seine „royalistische“ Einstellung und dass er jeden Versuch zur Abschaffung des Thrones missbillige. Das Grundkonzept für diese Haltung ist nicht nur der Gedanke, dass die Krone Grundlage der Nation und der nationalen Einheit sei, sondern dass durch sie auch alle östlichen Völker wieder zusammengefaßt werden könnten. Vgl. Briefe 20 und 21 vom 18.1.1838 und 24.1.1838. Aus dem Brief vom 18.1.1838: „(...) Es ist auch wahr, dass ich für nichts anderes gesorgt und gearbeitet habe, als für die Befestigung des Thrones und die fortschrittliche Entwicklung aller, die zum Wohl_ stand Griechenlands dienen.“ Aus dem Brief vom 24.1.1838: „(...) Jedesmal, wenn der Thron schwankt, schwankt auch die Existenz meines Vaterlandes, da, wenn der griechische Thron stürzt, stürzt auch die Existenz der griechischen Nation( . . .) , weil ich den Thron Griechenlands nicht nur notwendig für die politische Existenz der griechischen Nation betrachte, sondern auch für die Wiedergeburt aller Völker des Orients.“ Gemeint sind offenbar alle Völker, die unter der osmanischen Herrschaft standen. c) Aus den Briefen 20 vom 18.1.1838 und 23 vom 9.4.1838 folgt, dass Kolettis, wie allgemein bekannt, ein Anhänger der französischen Politik und der französischen Richtung war, da er in diesen Briefen die Aktivitäten des französischen Königs und der französischen Regierung zugunsten der griechischen Sache hervorhebt. In seinem Brief vom 9.4.1838 schreibt Kolettis, dass Frankreichs Politik die Stärkung des wirtschaftlichen Systems, die Stabilisierung des Staates und eine ausgeglichene Bilanz zum Ziele habe: „Der König der Franzosen und alle, die am Ruder sind, sind der Sache Griechenlands sehr gewogen.“ Und weiter: „Die französische Regierung setzt ihr Wohlwollen gegenüber Griechenland fort, aufrichtig zu zeigen ... Man muß böswillig und undankbar sein, um es nicht zu bestätigen, dass die französische Regierung bei allen ihren Bestrebungen zugunsten Griechenlands keinen anderen Zweck außer der Unabhängigkeit Griechenlands hatte, und dass sie jetzt keinen anderen Zweck hat, außer seiner stabilen und endgültigen Innenorga-

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nisation: eine gute Regelung der Finanzen, der Ausgleich zwischen Einkommen und Ausgaben, die innere Ordnung und Ruhe, . . . und seine moralisch und materielle Entwicklung.“ Die innere Ordnung, das Gleichgewicht, die Stabilität des Thrones, moralischer und materieller Wohlstand werden als Rechtsgüter dargestellt, die von Seiten der französischen Politik im besonderen Maße gefördert wurden. Ein weiterer Gegenstand der Korrespondenz ist die Revolte von Kolettis gegen Augustin Kapodistrias. Auf diese Ereignisse beziehen sich die ersten drei Briefe (Februarbis März 1832). Diese Revolte gegen den Bruder des ermordeten ersten Präsidenten Kapodistrias begann im Dezember 1831 und hatte ihren Grund in der mangelnden Legalität der Regierung, die nach der Ermordung Kapodistrias' an die Spitze getreten war. Wörtlich sagt er in seinem Brief vom 19.3.1832: "Die Revolte, . . . weder kann noch muß verhindert werden ... Die nationalen Truppen ... werden die echten Volksbevollmächtigten begleiten ... und die Ränke beenden ... Die Regierung, die Versammlung und die Truppen gehen auf ein und demselben Weg." Im Februar 1832 wurde Otto zum König von Griechenland erhoben. Nicht nur Kolettis, sondern auch viele andere Korrespondenten von Friedrich Thiersch äußern die Erwartung, dass die Ankunft des neuen Königs die Sicherung und Stabilität des neuen Staates garantieren werde. In seinem 8. Brief vom 28.3.1833 äußert Kolettis über diese Hoffnung hinaus, dass Otto, wie dies alle Griechen wünschten, den Thron von Konstantinopel besteigen möge. Die einschlägige Stelle bei Kolettis lautet: „Ich hoffe und wünsche, mein Freund, unseren respektierten König auf dem Thron von Konstantinopel zu sehen, auf diesem Thron, der jetzt ihm aus Erbschaftsrecht gehört und für welchen er kraft göttlichen Willens ausersehen scheint.“ Hier drückt der sonst so progressiv linksliberal stehende Kolettis den gleichen Gedanken aus, welchen sehr viele in allen Lagen mit ihm teilten und der als Megali-Idea – d.h. die Idee eines Großgriechenlandes – in die Geschichte einging. Die Gründe, warum Kolettis diese Idee insbesondere nach seiner Rückkehr aus Paris (1844) so zentral in den Mittelpunkt gestellt hat, lassen sich nicht genau eruieren. Natürlich haben innenpolitische Gegner von Kolettis behauptet, dass diese Konzeption großgriechischer Ideen dazu benutzt worden sei, um innenpolitische Probleme zu meistern. Über die Revolte gegen den Thron und die Regentschaft 1833 äußerst sich Kolettis in seinem Brief vom 31.10.1833 (9. Brief). Kolettis offenbart Thiersch die Namen der Anführer der Revolte: „Theodoros Kolokotronis mit seinem Sohn Gennäos, Kitsos Tzavellas, Theodoros Grivas, Kriezotis, Rougis, Spyros Milios, Protosyngelos und Gregoriadis aus Arkadien, Boukouras aus Karytäna, Georgios Athanassiadis, Dimitrios Koliopoulos und einige andere.“

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Kolettis ist gegen diese Revolte, er verurteilt sie und nennt die Initiatoren eigensüchtig und ehrgeizig. Interessant ist es, dass er Thiersch nach den Hintermännern und Gründen dieser Revolte fragt, da er offenbar vom griechischen Schauplatz nicht genug Informationen erhalten konnte. Thiersch hat seine Informationen immer wieder in Artikeln umgesetzt, die er vor allem in der "Augsburger Allgemeinen" veröffentlichte. Zu den Hintergründen schreibt nun Kolettis folgendes: „Alle betrachten es als unbestreitbar, dass das Ganze von unsichtbarer Hand angestiftet wird; aber mit welchem Zweck? Darin kann ich nicht eindringen und Sie würden mir Wohltaten erweisen, wenn Sie mir die Lösung des Rätsels gäben.“ Die Revolte rührte sowohl von der Unzufriedenheit der früheren Freiheitskämpfer her, die sich nunmehr aus der aktiven Politik und der Mitwirkung am Staate und den Streitkräften ausgeschlossen sahen und sich vielleicht auch bedroht fühlten. Als Hintermänner verstanden die Politiker, diesen Missmut auszunutzen. Wahrscheinlich standen Kolettis selbst mit seinem französischen Flügel und Mavrokordatos mit seinem englischen Anhang hinter den agierenden Militärs und Exfreiheitskämpfern. Umso mehr verwundert es, dass er bei Thiersch nach den Hintergründen angefragt hat. Möglicherweise hat Kolettis Thiersch über seine eigenen Absichten im Umklaren gelassen, um in München seine eigenen Absichten zu verdunkeln. Dabei handelt es sich aber nur um Vermutungen, die weiterer und intensiverer Forschung bedürfen. Aus den Jahren 1833 und 1834, während welcher Kolettis Handels- und Marine-minister war, datieren Briefe, die seine politischen Überzeugungen und Konzepte aus diesem Zeitraum widerspiegeln (Briefe 16 und 17, 1834). Eine sehr typische Formulierung findet sich auch in diesen Briefen insofern, als Kolettis Thiersch bittet, nur seiner eigenen Darstellung zu vertrauen und alle anderen Versionen der griechischen Frage als unglaubwürdig zu behandeln. In einem dieser Briefe schreibt Kolettis auch, dass die Regentschaft und ihre Mitglieder den Weg zu einer verfassungsmäßigen Monarchie verfolgten. Der Passus dieses Schreibens von 1834 lautet wie folgt: „Es sollte, liebster Freund, zuerst getrennte Fraktionen geben, damit es möglich sei, diese Maßnahmen zu ergreifen, die allein die Gründe der griechischen konstitutionellen Monarchie legen können. Die Mitglieder der Hohen Regentschaft folgen ständig diesen patriotischen Zielen und bereiten alles dem griechischen Thron und der griechischen Nation Angemessene vor.“ Im 17. Brief vom 10. (22.) August 1834 wird eine neue Revolte vom 30. Juli 1834angesprochen.Währenddieser Revolte hatten zweitausend Revolutionäre die Abschaffung der Regentschaft proklamiert, aber nach den Worten von Kolettis konnten die wahren Patrioten diesen Aufruhr niederwerfen. Vielleicht gelten für die Hintergründe dieser Revolte die gleichen Ursachen, die oben bereits

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angeführt wurde. In den Briefen 16, 18, 20 und 22 spricht Kolettis vom inneren Helfer, von Ränken und Böswilligkeiten innerhalb und außerhalb der Regierung, gegen die er sich auflehnt und die er aus dem öffentlichen Leben verbannen möchte. Aus dem Brief vom 19.3.1835: „. . . (die Böswilligkeit) habe ich überall bekämpft und sie liegt schon vernichtet am Boden und Griechenland genießt die Vorzüge der inneren Ruhe.“ Er ist selbst Teil dieser Angriffe, aber macht es auch klar, dass ihm der innere Frieden und die innere Ordnung des Landes am Herzen liegen. Im 20. Brief vom 18.1.1838 schreibt er, dass ihn Hader und Intrige nicht abhalten könnten, seine vaterländische Pflicht zu tun und für den König zu kämpfen. Die Briefe 19 bis 27 stammen aus dem "Pariser Exil". Dorthin war er wohl nach Meinung vieler aufgrund der Intervention des Grafen Armansperg versetzt worden. Im 20. Brief vom 18. 1. 1838 setzt sich Kolettis für das Zustandekommen eines Post- und Handelsabkommens zwischen Frankreich und Griechenland ein: “Ich habe ein Postabkommen zwischen Frankreich und Griechenland günstig zustande gebracht. Ich hoffe, bald auch ein Handelsabkommen zustande zu bringen.“ Hier berührt er auch die Frage der Kreditgewährung durch die Schutzmächte. Im 22. Brief vom 2.3.1838 interpretiert er die Haltung Frankreichs bei den Londoner Verhandlungen über die Gewährung der dritten Kreditrate als einen Beweis der progriechischen Einstellung der französischen Nation und der französischen Regierung. Im gleichen Brief wird auch die englische und russische Haltung gegenüber der griechischen Frage behandelt. Er sieht in der Einstellung beider Regierungen eine Gefährdung Griechenlands, da der englische Vertreter zur Verfassung, der russische wie auch der österreichische zur patriarchalischen Herrschaftsform raten. „In Griechenland entwickeln sich die Zustände nicht gut; die englische und die russische Botschaft benehmen sich mit derselben Sprache, die sie auch in München benutzen. Der englische Botschafter empfiehlt Verfassung, der russische und der österreichische empfehlen paternalistische Regierung.“ Bei der Beurteilung der französischen Politik waren sich Kolettis und Thiersch einig. Beide gehörten, wenn man das so ausdrücken darf, der französischen Partei an, beide hatten die Auffassung, dass Frankreich am wenigsten eigennützige Interessen in Griechenland verfolgt habe und verfolgen könne. Dennoch war auch Kolettis wie Thiersch ein Anhänger der Verfassung, deswegen ist nicht ganz klar, warum sich Kolettis hier gegen England wegen der Verfassungsfrage äußert. Eines der letzten Themen, die im Briefwechsel zwischen Kolettis und Thiersch berührt werden, ist der Fall Rudhart. Im 21. Brief vom 24.1.1838 hat Kolettis unter Beifügung zweier weiterer unbekannter Briefschreiber (Briefe A

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und B) zur Frage Rudharts Stellung genommen. Rudhart, der die Stelle des Grafen Armansperg im Februar 1837 übernommen hatte, war nach 10-monatiger Tätigkeit gescheitert. Andererseits hatte König Otto sich entschlossen, nunmehr selbst die Macht auszuüben. In einem der Begleitschreiben wird die Meinung geäußert, dass der König selbst und nicht der englische Vertreter Grund für das Scheitern Rudharts gewesen sei, während im anderen Schreiben (Version B) die Meinung vertreten wurde, dass die prorussische Politik Rudharts der eigentliche Grund für sein Scheitern gewesen sei. Auch wird in diesem Schreiben dem König vorgeworfen, dass er keine Führungsqualität habe und dass er nicht über die erforderlichen Geldmittel für eine kraftvolle eigenständige Politik verfüge. Im Brief vom 2.3.1838 (22. Brief) bringt Kolettis zum Ausdruck, dass er selbst und sein Freund Friedrich Thiersch sich über den Charakter Rudharts geirrt hätten. Die einschlägige Passage lautet: „... wir Beiden, mein Freund, wurden im Bezug auf den politischen Weg unseres Freundes Herrn Rudhart getäuscht. Die letzten Briefe ... lassen mir es als sicher glauben, dass er keinen anderen Zweck hatte, außer der Machtübergabe in die Händen der Napisten. Dadurch kannst Du leicht schließen, welches seine Ansichten waren.“ Es wird nicht unrichtig sein, daraus den Schluss zu ziehen, dass beide ursprünglich Rudhart positiv beurteilt hatten. Ob Thiersch seine positive Beurteilung Rudharts geändert hat, scheint aber fraglich. In der Biographie Heinrich Thierschs werden zwischen dem 18. Februar 1837 und dem 12. März 1838 9 Briefe von Rudhart an Thiersch wiedergegeben.704 Sie alle zeigen ein sehr freundschaftliches und offenes Verhältnis, das zwischen diesen beiden Persönlichkeiten bestand. Der letzte bei Heinrich Thiersch veröffentlichte Brief von Rudhart hat das Datum vom 12. März 1838. Während der Brief von Kolettis an Thiersch. in welchem er Rudhart negativ beurteilt, am 2. März 1838 geschrieben wurde. Auch scheint die neuere Forschung nicht bewiesen zu haben. dass Rudhart ein Anhänger der russischen Partei war, wenn er auch zunächst schon vor seinem Amtsantritt Kontakte zu den Russen gesucht hatte. Im Brief vom 2.3.1838 (22. Brief) äußert sich Kolettis sehr bewegt, dass er den Wunsch habe, nach Griechenland zurückkehren zu dürfen. Er bittet Thiersch um Intervention sowohl bei der französischen Regierung als auch beim Hof in Athen. Ganz typisch für die beiden Persönlichkeiten, Kolettis und Thiersch, ist es aber, dass sie sich klar sind, dass beide als Vertreter eines "extremen Flügels" füreinander wenig tun können. Er begründet den Rückzieher damit, dass sein Gewissen ihn verpflichte, an der Stelle, an der der König ihn hinberufen habe, seine Pflicht fürs Vaterland zu tun. Der wirkliche Grund für die Zurücknahme seines Wunsches um Intervention erscheint aber dann doch am Ende des Briefes, wo Kolettis sich dahingehend äußert, dass es wohl besser 704 Thiersch, s. Anm. 3, beginnend mit dem Schreiben von Rudhart vom 18. Februar 1837 (S. 448) bis zum Schreiben von Rudhart vom 12. März 1838 (S. 519).

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sei, wenn Thiersch nicht für ihn einträte, da es die Erfahrung gezeigt habe, dass ein positives Eintreten für Kolettis von Seiten Thierschs eher Verdachtsmomente ausgelöst habe. „Deshalb, mein lieber Freund, höre damit auf, meine Vorzüge zu erwähnen. Die Erfahrung hat Dir gezeigt, dass Du, weil Du viel für mich plädiert hast und plädierst, unbewußte Ursache für mehr Verdacht gegen mich geworden bist.“ Den letzten Brief vom 19. (31.) Januar 1846 hat Kolettis eineinhalb Jahre vor seinem Tode aus Athen geschrieben. Er war bereits wieder voll aktiv in das politische Leben integriert und seit 1844 als Ministerpräsident im Amt. Er spricht wiederum von Verleumdung und Ränken, deren Umfang jene des Zeitraumes 1834 bis 1835 weit übertreffe. Dagegen will er weiter ankämpfen, da er glaubt, dass dadurch sein Vertrauen einerseits dem König gegenüber und andererseits das Vertrauen und die Hochachtung, die für ihn seine Freunde und die Freunde Griechenlands empfinden, gerechtfertigt werden. „Ich hoffe, dass die Vorsehung Gottes mich auch künftig verstärkt, damit ich dem König, dem Vertrauen meiner Nation und der Achtung meiner Freunde und der Freunde Griechenlands recht gebe.“ Die beiden Freunde haben sich nicht wieder gesehen. Als Thiersch im Jahre1852 nach Griechenland zurückkehren kann, um dort seinen Sohn Ludwig705 zu besuchen, der als Maler längere Zeit in Athen tätig war, ist Kolettis schon lange tot. In einem Brief vom 10. September 1852 an seine Frau schreibt Thiersch, wie ihm seine alten Freunde die Treue gehalten haben und ihn besuchen. „Die Besuche sind so häufig, dass sie in gewissen Tageszeiten sich sozusagen die Türe in die Hand geben oder nicht Stühle genug da sind, um darauf zu sitzen, lauter alte Freunde von Nauplia, Perachora, ehemalige Zöglinge aus München, Professoren, Kaufleute, Abgeordnete usw. Unter ihnen der alte Christos, der Familienvater und wenig verändert ist ... Die Mauromichalis, die Delijannis, die Notaras . . . „ Es folgen viele andere Namen mehr, doch der Name seines Freundes Kolettis ist in dieser Aufzählung nicht zu finden. Schon 5 Jahre vorher war er aus der Welt gegangen.

705 Thiersch, a. a. 0., S. 619.

Anhang III Warum Friedrich Thiersch nach Griechenland fuhr von Heinrich Scholler

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1. Einführung Es gibt seit längerem eine Diskussion über die Gründe und Motive, die den Philologen Friedrich Thiersch 1831 nach Griechenland führten, wo er bis August 1832 blieb. Während immer wieder geradezu Wege des Enthüllungsjournalismus beschritten werden, in dem man die im Morgenblatt veröffentlichten Briefe mit jenen vergleicht, die später in der Biografie seines Sohnes gelegentlich verändert oder verkürzt erscheinen, glaubt man, in der Reise einen geheim gehaltenen politischen Plan entdeckt zu haben, der sich gegen die Politik des vom griechischen provisorischen Parlament gewählten, aus Russland stammenden Kapodistrias richtete (siehe allgemein zur Kritik: Vassilios Sfyroeras: „Kritische Ansichten griechischer Gelehrter zur Person Friedrich Thierschs“, abgedruckt in der Symposium-Veröffentlichung des Goethe-Instituts Athen, 1990). Einen Grund hierfür glaubt man auch immer in dem Umstand erkannt zu haben, dass sich Thiersch für die verfassungsmäßige Errichtung einer monarchischen Regierung einsetzte und somit der französischen Partei Griechenlands nahe stand, die sich aufs Heftigste sowohl von der britischen als auch von der russischen politischen Gruppierung unterschied. Die griechische Bevölkerung sah demgegenüber in ihm nur den großen Philhellenen, den Didaskalos, wie man ihn überall nannte, der früh für den Freiheitskampf der Griechen öffentlich eingetreten war und schon ein Jahrzehnt vor dem Ausbruch des Befreiungskrieges das Wiedererscheinen Griechenlands auf der europäischen Bühne im Jahre 1812 vorausgesehen hatte. Liest man die so genannten Reisebriefe oder Reiseberichte, so erhält man ein anderes Bild, nämlich das eines hervorragenden Wissenschaftlers, der als erster der griechischen Philologen Europas Griechenland aufsuchte, das für ihn ein paradiesisches Land war. So galt seine Reise vor allem der Begegnung mit den griechischen Menschen und gerade auch den einfachen Leuten, weshalb er auch die Dialekte erforschen wollte. Ein weiterer wichtiger Grund war ein archäologischer, denn er führte eine Reihe von über zehn Grabungen in Griechenland durch und sorgte dafür, dass alte Inschriften wieder restauriert wurden. Im Nachfolgenden sollen aus den Reiseberichten die Gründe und Motive für seine Reise herausgezogen werden, die unmittelbar für jedermann erkennbar waren. 2. Interessengebiete Thierschs Literarische, philologische, archäologische Interessen. Er spricht auch von der Möglichkeit, als Friedensstifter aufzutreten, gegenüber seinem Bruder Ernst. In diesem Abschnitt interessiert er sich nicht nur für archäologische Fragen, sondern auch für die Natur, für Himmel und Erde!

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Er zeigt Interesse an der Möglichkeit zur Flussbegradigung und zur Verbesserung von Ernten. (26.09.1831) Wegen der österreichischen und bayerischen Zensur sendet er seine Post zum Teil über Marseille und Frankreich. (30.09.1831) Sein Interesse am griechischen Volkslied und der griechischen Volksdichtung zeigte sich schon in dem berühmten Münchener Akademievortrag 1828 („Ueber die neugriechische Poesie, besonders ueber ihr rhythmisches und dichterisches Verhältnis zur altgriechischen“, königliche Akademie der Wissenschaften zu München, 28.03.1828). 3. Korfu, Nauplia Auf der Strecke Korfu – Nauplia befasst er sich mit der alten und neuen Geschichte Griechenlands, insbesondere auch mit der traditionellen Schiffsroute der römischen Flotte nach Griechenland, um dann sich aber auch mit Homer und der griechischen Antike zu beschäftigen. (21.09.1831) Hier interessiert er sich auch für die entscheidende Seeschlacht von Navarino [20.10.1827], welche die Wende im Befreiungskrieg Griechenlands brachte. Auf der Seite Griechenlands kämpften Briten, Franzosen und Russen gegen die türkisch-ägyptische Flotte. (21.09.1831) Ein weiteres großes Interesse ist die Landwirtschaft. So beschäftigt er sich mit der Modernisierung des Ackerbaus und schlägt modernste Lösungen vor. (26.09.1831) Er selbst lebt äußerst bescheiden in einfachen Bauernhäusern, für deren Mobilisierung er selbst sorgen muss, oder in welchen er mit der großen Familie und den Tieren den Raum teilt. (28.09.1831) Er entdeckt dabei das, was man in der Gegenwart mit Kundera als „die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ bezeichnen würde. Hier spricht in ihm der das einfache Leben gewöhnte Bauernsohn. Es ist bewegend, wie er sich mit der greisen Griechin beschäftigt, die mit Händen und nackten Füßen den Faden bearbeitet und wie er sich für ihren Lebensgang interessiert. Sein Motiv ist hier der intensive Kontakt mit der ländlichen Bevölkerung. (28.09.1831) Er unterhält sich ohne Dolmetscher mit dem einfachen Volk und interessiert sich für lokale Dialekte der einfachen Söhne des Landes. (12.05.1832) 4. Reise nach Athen und Thermopylen Als britische und griechische Kapitäne ihn auf dem Rückweg wieder in Nauplia einladen wollen, lehnt er dies ab und zieht eine einfache Wohnung vor, so dass man nicht sagen kann, er sei in Griechenland von Festigkeit zu Festigkeit geeilt.

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Der Vorwurf, dass er nach der Ermordung Kapodistrias seine Einstellung geändert habe, ist aus dem Text nicht zu erkennen, denn er betont den Charakter der Privatrache der Tat und greift nur das unbestreitbare Unterdrückungssystem des ehemaligen Regierungschefs an. (9.10.1831, spät um zehn Uhr) Der Wunsch, möglichst einfach unter Griechen zu leben, zeigt sich auch in der Ablehnung des großzügigen Angebots einer herrschaftlichen Wohnung durch den Archimandriten. (31.01.1832) Seine Fahrt auf den griechischen Inseln gilt Patmos, der Insel, auf der der Evangelist Johannes gestorben sein soll, wo er antike Schriften wissenschaftlicher und theologischer Art entdeckt, was der tiefere Grund seiner Reise nach Patmos war. (28.02.1832) Er sucht und findet wertvolle antike Inschriften, von denen er auch eine auf eigene Kosten restauriert. (22.02.1832) Thiersch versucht, in seiner angekündigten Entwicklungsstudie nach Möglichkeit Kultur und Handel zu verbinden. (19.08.1832) Hauptgrund für die Rückständigkeit sieht er in dem immerwährenden Hadern und Streiten griechischer Stämme. 5. Die Wartezeit auf den Inseln bis zur Ankunft des Königs Thiersch wird als Didaskalos bezeichnet und freut sich über diese Benennung, da er die private und wissenschaftliche Natur seiner Reise damit unterstreichen will. (3.5.1832) Immer wieder betont er die paradiesische Natur Griechenlands, in der er seine kulturelle und naturgegebene Heimat erblickt. Bezeichnend für seine Bescheidenheit ist, dass er die Beilegung des Streites auf Hydra, der schon fast zum Kriegsausbruch sich entwickelt hatte, nur am Rande erwähnt. (26. und 31.10.1831) Immer wieder kommt der Altphilologe und -historiker zum Durchbruch, so wenn er auf homerische Erzählungen Bezug nimmt. Er beklagt sich darüber, dass man in Korfu ihm die Schuld an der Ermordung Kapodistrias in die Schuhe schieben will. (4.9.1832) Thiersch tritt für die Förderung von Handel und Wirtschaft nach englischem Vorbild auf den Inseln ein. (31.01.1832) Auch die Schulen oder die Wasserversorgung, die nach englischem Muster auf den Inseln erfolgreich eingerichtet waren, werden von ihm besonders hervorgehoben. (4.9.1832) In Triest erhält er den Brief Ludwig I., der ihn zum Rapport nach München zurück ruft und ihm die Ungnade des Königs ankündigt. Thiersch selbst beschuldigt die bayerische Politik, die Entsendung Ottos als künftigen König Griechenlands bewusst verzögert zu haben, um das Land durch Streit und Krieg zu schwächen. (15.09.1832)

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6. Reiseende und Aufenthalt in der Quarantäne in Triest Thierschs Kritik an der bayerischen Politik und allgemein an der westeuropäischen Politik schließt sich an die Worte eines englischen Experten (Sir Thomas Wise) an, der zwei Jahrzehnte später zum Ausdruck brachte: Man behandele Griechenland wie Madagaskar. (12.09.1852) An anderer Stelle beklagt sich Thiersch im selben Sinne, in dem er der bayerischen Regierung vorwirft, sie behandele Griechenland wie ein befreites Sibirien. (Friedrich von Thiersch: De la Régence en Grèce, Quellen der Griechischen Verfassungsgeschichte, hrsg. von S. Flogaitis und H. Scholler, Athen 1988) Thiersch fühlt, dass er als Störenfried behandelt wird und beklagt, dass man in ihm einen Aufwiegler zu sehen glaubt, der ähnlich wie Cola di Rienzo populistische, radikale Zwecke verfolge. Er sagt von sich selbst, dass er zu einem „homme perdue“ gemacht worden sei und dass er und seine Familie Bayern verlassen müssten. Für dieses Verhalten macht er die bayerische Reaktion auf die Französische Revolution von 1830 verantwortlich. Der aktive Philhellene kritisiert aufs Schärfste die bewusste Inaktivität der Regentschaft, Graf Armanspergs, von Maurers und von Heidecks, die nach ihm bewusst die Schwächung Griechenlands bezweckt habe. (15.09.1832) Immer wieder lobt er Klima und Ernten und ist von der Schönheit der Landschaft überwältigt. Seine Absicht der Kooperation mit den übrigen westlichen Befreiungsmächten zeigt sich in den gern gesuchten Kontakten mit Engländern und Franzosen (21.06.1832) Er erfährt viel Zuspruch und bemerkt, dass viele Griechen ihn an die Spitze wünschen. Auf dem Höhepunkt der Krise erreicht er es, dass die Rumelioten mit dem Friedenszeichen des Ölzweiges zu ihm kommen. (22.04.1832) Er freut sich über die Anerkennung seiner Friedensstiftung, die mit den Worten ausgedrückt wird: „Großväterchen hat geholfen.“ (22.04.1832) Seine Verbundenheit mit dem orthodoxen Christentum zeigt sich an der Freude, die er bei der Teilnahme an der griechischen Osterfeier empfindet. (22.04.1832) 7. Schlussbemerkung Im Zentrum der Ziele und Absichten des Philhellenen stand der Wunsch, Vorschläge für eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation Griechenlands zu machen. Die Reisebriefe zeigen immer wieder seine genaue Beobachtung von Boden, Wasser und Luft des Landes. Er hat auch dann tatsächlich seine Erfahrungen und Vorschläge in einem zweibändigen Werk in französischer Sprache zusammengefasst. Der Titel des Werkes lautet: „Frédéric

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Thiersch: De l’état actuel de la Grèce et des moyens d’arriver à sa restauration. – 1. De l’état politique et de la pacification de la Grèce; 2. Des moyens d’arriver à la restauration de la Grèce”; F. A. Brockhaus, Leipzig, 1833.

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Ortsregister Adrianopel 26, 28, 29, 30 Aegina 239, 241, 242, 243, 244, 248, 251, 255, 260, 267 Ag. Andreas 195, 266, 274, 284 Ag. Elias 245, 250 Ag. Gallo 209 Ag. Georgios 226 Ag. Johannes 270, 276 Ag. Kyriaki 272 Ag. Minas 263 Ag. Nikolaus 250 Ag. Oros 236 Ag. Petros 266, 267 Ag. Spiridion 227 Ag. Stefanos 284 Ag. Stephanos 284 Ägina 88, 103, 108, 245 Ägion 36 Agladokampos 230 Ägypten 30, 42, 115, 123, 156, 201, 213, 219, 226, 243, 270 Aigythyra 150 Akragas 169 Akrokeraunien 207 Akrokorinth 51, 236 Akropolis 195, 244, 247, 311 Alexandria 89, 199, 219, 260 Alpheios 50, 225, 228, 281 Amerika 37, 102 Andros 252, 256 Antilalos 280 Antiparos 263 Aphaia 244, 245 Arachora 268 Araxes 29 Arcadien 75 Arethusa 281, 284 Argolis 147, 214 Argos 44, 47, 50, 52, 54, 55, 59, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 72, 73, 76, 87, 106, 150, 202, 212, 213, 214, 215, 216, 220, 221, 224,

228, 229, 230, 233, 234, 238, 239, 241, 250, 254, 266, 292, 295 Arkadien 39, 50, 51, 101, 225, 232, 234, 235, 266 Arkananien 31, 235 Armenien 29 Arta 28, 36, 88, 238 Artemisium 230 Asien 30, 35, 57, 151, 162, 243, 253, 257, 258, 259, 261 Astros 75, 235, 266, 274, 294 Athen 14, 15, 17, 18, 42, 54, 55, 90, 100, 102, 104, 108, 112, 116, 118, 119, 122, 125, 126, 127, 128, 129, 132, 133, 135, 138, 139, 140, 141, 142, 144, 146, 151, 167, 168, 169, 173, 178, 193, 195, 199, 217, 221, 241, 244, 245, 246, 247, 248, 250, 255, 288, 290, 309, 317, 321, 326, 327, 331, 332, 334 Ätolien 40 Attika 27, 96, 101 Augsburg 118, 191 Aulis 249 Axios 36 Bad Gastein 35, 140 Balkan 18, 26, 41, 125 Basiliko 236 Bathy 281 Bavaria 210 Bayern 11, 12, 13, 17, 23, 32, 33, 41, 43, 44, 46, 47, 56, 58, 62, 78, 106, 111, 114, 117, 123, 127, 134, 138, 141, 206, 222, 252, 264, 271, 288, 290 Bayreuth 13 Belgien 221 Belussa 261 Berlin 12, 38, 92, 157, 159, 165, 178, 246, 288, 315, 316 Böotien 51, 235, 241, 278 Bonn 104, 118

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Borgo Valsugana 197 Bosporus 100 Bozen 197 Brast 96 Bremen 178 Brenta 197 Brindisi 207 Briren 197 Brasara 274 Broulià 268 Bulgarien 125, 127 Burg Larissa 212, 213, 215 Busen von Vatica 209 Campanien 165 Chalkis 54, 249 Charon 40 Chäronea 54, 180, 249 Chios 43, 202, 222, 253 Corfu 86 Crissa 186 Cythe 204 Dalmatien 197, 203, 207 Daphni 250 Dardanellen 27 Daulis 249 Delos 57, 171, 195, 256 Delphi 54, 83, 169, 171, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 244, 248, 249, 270 Dervenenakia 292 Deutschland 18, 21, 23, 24, 25, 36, 39, 80, 84, 85, 139 Dublin 165 Durm 161 Elatea 54, 249 Elis 239, 277, 281 Eleusis 54, 70, 71, 171, 250 England 16, 26, 27, 28, 29, 30, 33, 36, 47, 49, 50, 51, 99, 130, 132, 133, 134, 136, 137, 138, 140, 154, 208, 221, 236, 241, 295 Epidaurus 53, 185, 215, 241, 242 Epirus 31, 40, 99, 127, 143, 146, 201, 276, 315

Eretria 54, 249 Erythrä 162 Euböa 27, 100, 220, 248, 315 Euphrat 29 Europa 15, 23, 24, 25, 26, 28, 29, 31, 35, 36, 43, 45, 52, 73, 101, 104, 106, 124, 127, 128, 144, 145, 206, 222, 231, 236, 237, 239, 241, 243, 254, 255, 287 Fanar 122 Frankreich 12, 16, 23, 26, 27, 28, 33, 36, 46, 47, 49, 50, 51, 69, 84, 89, 99, 113, 127, 208, 236, 241, 295 Gastuni 239, 275, 277 Gea 215 Genua 24 Gibraltar 33 Göttingen 14, 165, 246 Griechenland 12, 13, 14, 15, 16, 18, 19, 23, 24, 25, 26, 27, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 38, 41, 42, 43, 45, 46, 47, 48, 50, 51, 52, 53, 55, 56, 62, 63, 65, 68, 69, 75, 76, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 88, 89, 90, 92, 94, 96, 97, 98, 100, 101, 102, 103, 104, 106, 107, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 123, 124, 126, 127, 128, 129, 131, 132, 133, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 145, 146, 147, 150, 178, 184, 187, 201, 206, 207, 208, 211, 212, 214, 217, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 228, 229, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 243, 245, 247, 248, 252, 253, 254, 255, 257, 264, 265, 266, 268, 270, 271, 272, 278, 280, 283, 287, 288, 289, 290, 291, 292, 293, 295, 296 Gythion 149 Hagen 229, 233 Haraion 48 Harpokration 167

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Harpyien 208 Heidelberg 11, 15 Helikon 51, 97, 235 Heraion 217 Hermopouli 251 Hydra 43, 48, 49, 51, 52, 53, 54, 67, 74, 85, 96, 208, 209, 210, 211, 212, 224, 227, 235, 236, 237, 238, 239, 241, 251, 264, 265, 298, 333 Ikaria 57, 256, 257 Ilissus 247 Imbros 157 Ingolstadt 13 Innsbruck 191, 197, 198, 294 Ioannina 246 Italien 11, 80, 157, 162, 163, 166, 197, 204, 207, 287 Ithaka 43, 79, 202, 208, 275, 281, 283, 284, 286 Janina 251 Jerusalem 200 Jonische Inseln 30, 33, 99, 139, 143, 146, 290 Kakuri 232 Kalagonia 273 Kalamaki 59 Kalamata 59, 78, 304 Kalandruzzi 301 Kalavrita 277 Kalavryta 235, 290 Kalpaki 233 Kalybien 271 Kandia 253 Kandyla 234 Kap Malea 247 Kap Matapan 209 Karbali 215 Karbothi 224 Karistos 252 Karitena 277, 280 Karlsbad 23 Karpenissi 201 Karytena 87 Kasos 202

Kastalia 249, 250 Kastanitsa 76, 148, 150, 274 Kasti 183 Katakolo 78, 275, 276 Katokatzy 105 Kauka 234 Kaukasus 223, 229 Kephallinia 208 Kephalonia 43, 284, 310 Kephalonien 202 Kesara 235 Kisa 156 Kleinasien 57, 146, 164, 166, 290 Kleoböa 171 Kolonos 54, 247 Konstantinopel 26, 27, 28, 35, 55, 56, 67, 75, 77, 86, 100, 104, 124, 125, 131, 133, 139, 141, 144, 145, 146, 170, 212, 219, 223, 229, 236, 323 Kopaissee 54 Korfu 33, 34, 43, 67, 79, 80, 201, 207, 208, 209, 275, 286, 287 Korinth 49, 51, 54, 59, 60, 64, 87, 102, 219, 224, 235, 236, 244, 250, 268, 273 Koron 78 Koroni 301, 304 Kreta 28, 30, 36, 89, 99, 127, 170, 221, 253 Kronion 279 Kykladen 28, 32, 251 Kyllene 51, 236 Kynthos 256 Kypros 251 Kythira 210 Kythnos 251 Lagosta 204 Lakonien 147, 150, 211, 274 Lefkas 208 Leipzig 11, 12, 153, 156, 191, 192, 248, 315, 335 Lemnos 157, 165 Leonidi 149

340

Lerna 214 Leros 257 Levante 253 Levkae 171 Levki 285 Ligurio 242 Limeni 274 Leuktra 54 Lindos 213 Litorale 197 Livadien 54, 63, 88, 101, 248, 249, 254 Lokris 241 Lombardei 197 London 24, 26, 28, 32, 56, 58, 81, 90, 91, 97, 112, 135, 208, 238, 283 Lydien 159, 161, 162, 166 Lydos 162, 163 Lykuria 235 Lyons 108, 119, 122, 130, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 141 Mänalon 230 Magula 269, 273 Maina 222 Makedonien 30, 125, 127 Makrisia 278, 280 Malea 209 Malta 33, 58, 244 Mani 209, 210, 246, 276 Mantinea 50, 228, 230, 231, 232 Marathon 248 Marseille 220, 223, 304, 332 Megara 54, 60, 61, 63, 64, 65, 71, 85, 92, 93, 250 Mekka 30 Melo 210 Messenien 50, 78, 209, 211, 219, 246, 278, 294 Messinien 228 Methoni 208, 242 Milet 57, 258 Milos 251 Miraka 280

Missolunghi 25, 248, 291, 295 Mistra 76, 265, 268, 269, 273 Mittelmeer 33, 137 Mitylene 251 Modon 78, 304 Monaco 43, 210 Monembasia 211 Monemvassia 252 Montefalcone 197 Montenegro 36, 144 Morea 15, 26, 28, 32, 37, 50, 52, 97, 147 München 7, 11, 12, 13, 14, 15, 18, 21, 32, 41, 42, 44, 45, 46, 65, 71, 76, 78, 81, 82, 85, 93, 118, 146, 157, 170, 191, 192, 194, 197, 199, 202, 204, 210, 212, 215, 219, 221, 222, 238, 243, 244, 248, 252, 271, 281, 288, 289, 291, 293, 294, 298, 302, 303, 309, 315, 316, 319, 320, 322, 324, 325, 327, 332, 333 Munychia 246 Myconos 57 Mykenä 44, 48, 213, 215, 217, 220, 224, 251 Mykonos 256 Nauplia 24, 42, 44, 45, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 55, 56, 58, 59, 61, 63, 65, 66, 67, 69, 70, 71, 72, 73, 76, 78, 81, 82, 83, 85, 87, 90, 91, 93, 95, 103, 110, 113, 142, 147, 149, 192, 199, 200, 202, 208, 211, 212, 213, 217, 218, 219, 220, 221, 223, 224, 226, 227,⩆228, 231, 234, 235, 236, 237, 240, 241, 244, 246, 248, 251, 253, 254, 264, 266, 267, 274, 275, 286, 292, 294, 295, 296, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 309, 315, 316, 317, 318, 327, 332 Nausa 264 Naussa 170, 171 Navarin 26, 27, 28, 43, 78, 208

341

Navarino 210, 219, 220, 226, 265, 332 Naxos 57, 97, 252, 261, 262 Neapel 42, 58, 77, 79, 200, 244 Negropont (Chalkis) 249 Nemea 48, 220, 223, 224, 225, 227 Olymp 39 Olympia 50, 51, 219, 220, 228, 235, 275, 277, 278, 279, 280 Orchomenos 50, 232, 233 Oropos 221, 249 Österreich 23, 26, 36, 100, 126, 134 Ostindien 37 Otranto 207 Pachora 73 Palamidi 88 Palamidio 46 Palästina 201 Parapotamia 249 Paris 23, 24, 32, 33, 89, 112, 122, 127, 161, 164, 222, 290, 315, 317, 323 Parnassus 51, 235, 250 Patmos 57, 257, 259 Patras 24, 76, 208, 219, 235, 236, 277, 290, 295, 301 Paros 57, 97, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 208, 252, 262, 264 Parthenion 229 Pelagosa 204 Peloponnes 24, 27, 32, 34, 48, 53, 59, 63, 66, 67, 68, 75, 76, 77, 78, 96, 110, 111, 149, 208, 215, 216, 218, 219, 227, 230, 231, 235, 240, 266, 275, 293 Perachora 55, 59, 60, 61, 62, 65, 84, 85, 92, 309 Perachorion 282 Pheneä 50, 51 Phigalia 50, 228 Phineä (Phonea) 235 Phokis 51, 180, 235 Phychti 217 Piali 231

Piräus 54, 141, 144, 146, 244, 245, 247 Platéä 54 Pola 203 Polen 85 Poros 28, 48, 70, 211 Prasia 149 Prasto 148 Prastos 149, 150, 274 Pronoia 70, 71, 73, 86, 88, 95, 106 Proti 208 Psara 199, 253 Psychiko 273 Pylos 208, 209 Pyrgos 78, 88, 275, 276, 277, 280 Rhodos 213 Rom 155, 156, 162, 166, 194, 215, 221 Rovigo 201 Rumelien 53 Russland 16, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 33, 34, 36, 54, 81, 87, 99, 113, 123, 128, 130, 208, 243, 295 Salamis 245 Salona 54, 181, 250, 251 Samos 28, 57, 221, 255, 257, 258 Santa Croce 197, 198 Schottland 229 Serbien 144 Seriphos 251 Shkodra 207 Sibirien 15 Sicyon 235, 236 Sidinia 148 Sitinia 149 Sizilien 207 Slavochori 272, 273 Smyrna 35, 146, 159, 248, 253 Sparta 50, 76, 96, 147, 150, 219, 220, 228, 265, 266, 268, 269, 272, 273 Spezia 77, 96, 147, 208, 251, 266 St. Petersburg 26, 112, 201 Strophaden 208

342

Stuttgart 24, 85, 90 Suli 201 Sunion 236 Sykion 51 Syra 35, 36, 57, 58, 61, 67, 83, 88, 212, 244, 251, 252, 253, 255, 263, 264, 265, 274 Syrakus 281 Tainairon 209 Tauris 273 Taygetos 209 Tegea 230, 231, 268 Tepelene 246 Thasos 43, 171 Theben 54, 169, 248, 249 Thermia 251 Thermopylen 54, 241, 248, 249, 273 Theron 169 Thessalien 30, 31, 36, 40, 99, 125, 127, 145, 170, 202, 207 Thessaloniki 18 Thrazien 259 Thyrea 149, 266, 274 Tigris 29 Tinos 57, 252, 255, 256, 295 Tiryns 213, 217, 219, 220, 223, 256 Tithorea 249 Tmolus 159

Toulon 220 Treviso 197 Trient 197 Triest 23, 35, 42, 47, 80, 112, 115, 122, 191, 194, 197, 198, 199, 200, 201, 212, 221, 223, 275, 286, 287, 288, 290, 292, 294, 296, 333, 334 Tripolizza 50, 59, 219, 220, 228, 229, 230, 231, 268, 269, 292 Trözene 106, 210, 239 Tschesme 268 Türkei 26, 27, 29, 33, 36, 100, 115, 116, 124, 125, 126, 127, 128, 133, 139, 144, 145, 146, 290 Tyrins 44, 212 Udine 197 Ungarn 85 Veria 76, 274 Verona 26, 294 Volos 18, 28, 127 Venedig 86, 197, 294 Wallachei 238 Weilheim 197 Wien 23, 35, 125, 139, 202, 203 Zagora 43, 202 Zakynthos 39, 79, 280 Zia 251 Zürich 165

343

Personenregister Aaron v. Eichthal, Simon 288 Abdul Medschid 128 Aberdeen, Lord 134 About, Edmond 97 Achill 27 Aeneas 206 Aeskulap 53, 171, 241, 242 Agamemnon 44, 217 Aiakus 245 Albano 161 Alcestis 40 Alexander, Patriarch 57 Alexander, Zar 28, 33 Ali Pascha 246 Alkibiades 85 Alyattes 157, 158, 159, 161, 162, 164, 195 Amalie 208 Amyklia 271 Androutsos, Odysseus 247 Anthimos, Bischof von Athen 321 Antonius 171, 172 Äolus 138 Apollo 43, 57, 169, 171, 172, 182, 185, 258 Apostel Petrus 45, 215 Apostolidis, Onoufrios 252 Apostolopulos, Hr. 202 Archilochus 172 Aristophanes 39, 147, 168, 173, 174, 175, 176, 177 Armansperg, Graf von 15, 76, 82, 104, 112, 118, 119, 121, 122, 334 Arnold 37 Artemis 245, 258, 270 Artemis Orthia 270 Äschylus 175, 176 Asklepios 167, 172, 173 Athanassiadis, Georgios 323 Atreus 44, 217 Babulos 218 Bähr 162

Bassano 197 Beer 27, 29, 100 Benthylos, Ioannis 248 Bessarion 37 Bètant 34, 88 Bignon 113 Blumner, Hugo 155 Bocca di Cataro 207 Böckh, August 148, 166, 167, 169, 248 Boß 148 Botzaris, M. 42, 43, 201, 203, 292, 294 Botzaris, Kostas 290, 293 Bouros, Ioannis 255 Brandis 104, 118 Brisalchis, Theodor 244, 252 Broglie 113 Brougham, Lord 124 Brülloff, Karl Pawlowitsch 290 Buchler, David 199, 200, 204 Bulgaris 52 Busolt 152 Buttmann, Philipp 152 Buttmann, Wolf 152 Canning, George 26 Canning, Stratford 54, 67, 75, 95 Carciotti, Demetrio 199 Carrerio 169 Castelfranco 197 Castlereagh 28, 34 Chandler, Richard 159, 181 Cheop 159 Chonikas 217 Chrippier, Perrot 162 Christ, Joh. Friedrich 153 Christides 83, 84, 93 Chrysogelos 222 Chrysoloras 37 Church, Richard 110 Cicero 174, 284 Cirrha 186

344

Clark, Edward Daniel 181, 260 Combaretti 148 Corbet, General 303 Cotta, Johann Friedrich von 24, 41, 82, 191 Cowley, Lord 139 Cromwell 91 Crusius, Martin 149 Curtius, Ernst 148, 152, 184, 186, 187, 188 Czernowitz 26 Danaos 213 Davidoff, Wladimir 290 Dawkins, Edward Jacob 56, 65, 67, 68, 74, 80, 90, 288 Deecke, Wilhelm 165 Deffner, Michael 148, 151, 152 Deligiannis, Charalambis 231 Deligiannis, Petros 231 Delijannis, Kanellos 220, 321 Demeter 171, 172 Demosthenes 143, 174 Deukalion 97 Deville 148 Dexiochos 168 Diana 182 Dieterich, Karl 37, 89 Dimitrakis 85 Diodorus Siculus 260 Dionysius von Holykarnaß 162 Dioysius Skythobrchion 162 Dodwell, Edward 181 Dramali Mahmud, Pascha 45, 215, 224, 235, 290, 292 Eichtal, Simon Baruch v. 200 Elektra 44, 217 Erasinos 44, 214, 230 Eugenianos 39 Eugenidas 273 Eumäus 202, 204, 281, 282, 284 Euripides 40, 169, 175, 176, 184 Eynard, Jean Gabriel 25, 32, 34, 57, 89, 254, 291

Fabricius, Christoph Heinrich Detlev 220 Fabvier 286 Fallmerayer Fallmerayer, Jacob Philipp 15, 42, 96, 97, 124, 128, 129, 191, 200, 201 Fauriel 37, 39, 40 Ferdinand, Erzherzog 29 Finlay, George 91 Fior di Levante 280 Fischer, Dr. 42 Flogaitis, S. 15, 17, 334 Fourmont, Claude Louis 272 Frey 104, 118, 122 Friedrich, Karl 25 Fürst Wrede 222 Furtwängler, Adolf 166 Gagern 25 Gärtner, Friedrich 199 Gell, William 181, 283, 285 Gematas 83 Gennadios, Georgios 54, 103, 242 Gentz 27, 90 Gerlach, Albert 149 Gerlach, Stephan 150 Gervinus 92, 94 Giouras, Giannis 247 Gise, Baron v. 294 Glarakys, Georgios 25, 45, 222 Godma 272 Goethe 17, 21, 24, 36, 37, 40, 89 Gollwitzer, Heinz 315 Gordon, Thomas 224 Gorgias 248 Gregoras, Nikephoros 149 Gregorovius 148 Griffits 133 Grimm, Gerhard 18, 315 Grivas, Theodorakis 139, 292, 295, 323 Gropius, Christian Georg 199, 219, 222, 223, 224, 235, 245, 246 Guizot 127

345

Gura 225 Hadrian 168 Hadschi Petros 275, 276 Hadschi-Christos 71, 277 Harthausen, von 37 Hartwig, Alexander 195 Hatzidakis 38, 152 Headley Parish, Henry 90 Heideck Karl Wilhelm v. 15, 24, 25, 27, 44, 80, 81, 110, 221,241, 246, 292 Heigel 23, 25, 41, 107, 119, 121, 122 Heilmeier 148 Heisenberg 38, 146 Heliodor 181 Hera 215, 217, 257 Herakles 40, 171, 173 Herbi, Gustav 165 Herbig, Gustav 157, 165, 166 Herkules 214 Hermanns, Gottfried 166, 175, 248 Herodot 150, 158, 160, 162, 163, 164, 165, 180, 234 Herodot Attikus 181 Hertzberg 35, 74, 93, 105, 107, 108, 110, 115, 122, 126, 127, 128, 129, 131, 137, 141, 143, 144, 146, 148 Hesiod 99, 215 Hesperiden 215 Heyne 162 Hirth 161 Hofvyl 24 Holstein 244 Homer 79, 158, 177, 208, 282, 285 Hopf 148 Horatius 207 Horaz 207 Hotham, Admiral Sir Henry 295 Hugon, Admiral Hugon, Gaud Amable 59, 69, 265 Humboldt, Wilhelm von 89, 96, 146 Hygieia 171 Ibrahim Pascha 150, 226, 271, 274

Idomeneus 233 Iokaste 249 Iphigenia 44, 217 Isokrates 170 Jakobaky Rizos 239, 245 Johannes der Theologe 57 Julius Capitolinus 153 Kalbos 37 Kalergis, Dimitrios 70, 71, 286 Kallirrhoe 247 Kallistos, Kapitän 64 Kanaris, Konstantinos 252 Kapodistrias Ioannis 24, 25, 27, 30, 33, 34, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 52, 53, 55, 57, 58, 59, 60, 74, 79, 80, 83, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 100, 102, 108, 130, 191, 193, 209, 210, 213, 220, 221, 222, 223, 225, 230, 235, 238, 239, 240, 246, 248, 265, 272, 275, 286, 287, 290, 291, 294, 298, 331, 333 Kapodistrias, Augustin 45, 46, 50, 51, 54, 56, 58, 59, 62, 64, 65, 66, 67, 72, 86, 95, 209, 222, 228, 241, 286, 297, 315, 323 Kapodistrias, Viaro 83 Kassimatis, G. 15 Kg. Ludwig 12, 14, 15, 23, 24, 25, 32, 41, 46, 55, 58, 59, 61, 72, 74, 77, 78, 79, 81, 83, 91, 107, 108, 119, 121, 191, 192, 221, 244, 315, 320, 321, 333 Kg. Max I. 221 Kg. Otto 7, 12, 14, 23, 32, 33, 41, 43, 46, 47, 56, 58, 61, 66, 77, 80, 81, 82, 90, 91, 97, 104, 105, 107, 108, 117, 118, 119, 120, 122, 123, 128, 129, 134, 138, 139, 141, 144, 178, 188, 210, 228, 235, 238, 252, 255, 271, 275, 294, 295, 310, 318, 319, 326 Killos 167, 168, 169 Kirchner, Hans Martin 11, 192, 315, 316, 320

346

Kleanthis, Stamatis 248 Klenze, Leo v. 23, 103, 111, 199 Kleon 85 Klonaras 88 Klüber, Ludwig 53, 77, 92 Klytämnestra 44, 217 Kobell 119 Koch, Friedrich August Frh. v. Giese 294 Kolb 113, 116, 117, 118, 123 Kolettis, Ioannis 18, 49, 50, 54, 56, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 77, 80, 83, 84, 85, 91, 92, 93, 95, 111, 112, 126, 130, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 313, 315 Koliopoulos, Dimitrios 292, 323 Koliopoulos, Dimitrios (Plapoutas) 292 Koliopulos, Dimitrios 292 Kolokotronis, Theodoros 43, 49, 50, 56, 67, 209, 228, 231, 241, 280, 286, 290, 292, 293, 294, 295, 317, 323 Kolokotronis, Gennäos 294, 323 Konduriotis, Georg 55, 74 Konduriotis, Lazaros 52, 238 Konstantinou, E. Konstantinou, Evangelos 18, 19, 193 Korais, Adamantios 24 Kotsowilis, Konstantin 271 Kretschmer, Paul 165 Kreuzer 41, 101, 162 Kriegk 148 Kriezotis 323 Kyriacus aus Ankona 181 Kyrillos von Samos 257 Kyrillos, Bischof von Korinth 321 Kyrus 163 Ladon 50, 225, 228 Laios 249 Lakedämon 209

Larcher 153, 162 Larfeld 167 Lascaris 37 Le Blond 153 Leake, William Martin 147, 270, 272 Lenormant 155 Leonidas 249, 270 Leopold, Prinz 33, 34, 45 Lerchenfeld, Maximilian, Freiherrn von 122 Lessing 153 Lindner, Dr. 42 Loewe, Ferdinand 14 Loewe, Hans 9, 11, 12, 13, 14, 16, 17, 18, 21, , 23, 24, 26, 33, 60, 86, 112, 192, 194 Logothetis, Lykurgos 257 Londos, Anastassios 321 Ludwig Philipp, König 46 Lukian 37, 174 Lützow, von 25 Maffei 199 Makrijanis 73 Malakassis, John 315 Mamouris, Ioannis 286 Manassis 39 Manetas 232 Manetas, Konstantinos 231 Martialis 172 Masson, Edward 71, 87, 229, 231 Maurer 103, 291 Maurer, Georg Ludwig von 15, 76, 80, 82, 85, 103, 104, 105, 106, 107, 109, 112, 116, 117, 334 Mauromichalis, Georg 229 Mauromichalis, Petrobei 46, 49 Mavrokordatos, A. 52, 74, 78, 88, 128, 130, 131, 132, 238, 324 Mavromichalis, Konstantin 211, 227 Mavromichalis, P. 321 Mavrovouniotis, Bassos 247 Mayer, Gustav 38

347

Me(t)zger, Eduard Friedrich 199 Mehemed Ali 84, 100, 127 Mendelssohn-Bartholdy 35, 59, 61, 64, 66, 67, 80, 81, 82, 83, 92, 93, 95, 98, 105, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 120 Merkur 175 Mestre 197 Metaxas 64, 67, 74, 130, 132 Metternich 23, 26, 27, 81, 90, 100, 119, 125, 127, 129, 132, 134, 140 Metzger , Edmund 75, 191, 194, 202, 203, 205, 206, 212, 213, 219, 222, 223, 229, 244, 246, 251, 265, 275, 280, 290, 294 Metzger, Eduard 42, 178 Meyer, Eduard 152 Miaulis, Andreas 43, 50, 52, 53, 82, 210, 235, 237, 241, 290, 292, 293, 294, 310 Miaulis, Antonios 237 Milianos 87 Milios, Spyros 323 Miltiades 171 Minerva 182 Mionnet, Theodor Edme 171 Mithradates 155 Moltke 124, 125 Mommsen, Marquardt 155 Moore, Charles 286 Morandis 70 Moustoxidis, Andreas 248 Muchthar 247 Mullech 148 Müller, K. O. 6, 157, 160, 164, 180, 186, 177, 188, 270 Murnau 223 Murtoxidis 83 Musurus 37 Napoleon 15, 200 Nausikaa 287 Neigebauer, Joh. Daniel 85 Neoptolemos 177 Nesselrode 30

Niebuhr 37, 162 Niethammer, Friedrich Philipp Immanuel 289 Nikitas 39 Nikolaou, Theodor 18 Nikolaus I. 29 Nikolaus V., Papst 181 Ödipus 249 Odyssee 207 Odysseus 247, 282, 284, 285, 287 Oken, Lorenz 289 Olfer 159 Omer Vrioni 247 Orestes 44, 217 Orloff, Alexej Grigorjevitch 268 Ostermann-Tolstoi, Alexander Iwanowitsch Graf 42, 191, 201, 219 Otto, Prinz 208, 270, 286 Pachimeris, Georgios 149 Palamidis, Rhigas 130, 321 Palmerston, Lord 80, 94, 138, 135, 138, 139, 140, 141, 142 Patrik, Kirk 286 Paulus Aegineta 260 Pausanias 43, 44, 48, 53, 101, 149, 150, 153, 169, 178, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 187, 206, 213, 217, 224, 242, 243, 245, 250, 270, 276, 279 Peel 133 Perhävos 54 Perikles 85 Pertsch, Matteo 199 Petrobay Mavromichalis 211 Phäaken 207 Phanos 207 Pharioten 201, 202 Pheneos 225, 228 Phidias 97 Philippson, Alfred 145, 148 Phylius 225, 226 Pindar 53, 82, 169, 177, 180, 240, 243, 245, 271, 278

348

Piscatory 130 Pittakis, Kiriakos 248 Platon 248, 260 Plinius 153, 154, 156, 160, 161, 163, 164, 170 Plistus 250 Plotamara 221 Plutarch 37, 181, 184 Polykletus 242 Polykrates 57, 257 Polyphengos 225 Polyzoidis, A. 321 Pompeius 155 Pomptow, H. 178, 179, 182, 183, 184, 185 Praxiteles 97 Prevelakis, E. 246 Prinz Leopold von Sachsen-Coburg und Gotha 221, 291 Prinz Otto 264, 271, 288 Prokesch-Osten 27, 31, 60, 64, 89, 90, 94, 100, 112, 119, 120, 125, 127, 128, 129, 130, 132, 134, 135, 139, 140, 159 Properz 153, 154 Psyllas, Georgios 246 Pückler Muskau, Hermann L.B. von 83 Purkart, Oberstleutnant v. 122 Quatremére de Quincy, Antoine 164 Ranke, Leopold von 97 Redcliffe, Lord 145 Rehm, Albert 12 Reschid 124 Rhankos 63, 65, 67, 70, 72 Rhisos 37, 54, 88 Rhodios 45 Rickius 162 Ricord 222, 264, 294 Ricord, Pyotr Ivanovich 45, 65, 66, 74, 222 Rigas 19, 23 Ringseis 42 Risos-Neroulos, Iakovakis 213, 223

Rodios, Panajiotis 222 Roloff 152 Roloff, G. H. 152, 153 Roß, A. 103, 225, 229, 235, 248, 253 Roß, Ludwig 52, 78, 104, 118, 167, 178, 188, 245 Rouen, Baron 56, 59, 65, 66, 67, 68, 69, 72, 74, 265, 303, 304 Rougis 323 Rubensohn, O. 167 Rudhart 119, 121, 122, 123, 325, 326 Rußmann, Baron 107 Sachen-Hildburghausen, Therese von 23 Sanudo Sommariga 169 Sardes 157, 159, 160, 163 Savigny 121 Schafarik 148 Schaubert, E. 248 Schelling 244 Schinas Schinas, K. 131, 213, 219, 321 Schinkel 248 Schmeidler, W. F. C., 139 Schnabel, Franz 11 Schultheiss 11 Schulze, Wilhelm 165 Scouloudis, Paulos 212 Seaton, Lord 139 Seeger, Ludwig 174, 177 Semper, Gottfried 244 Seneca 153 Sergeant, Lewis 97 Serro, Kapitän 228 Sessini 78 Sfyroeras, Vassilios 331 Sibylle 162 Silenus 233 Simonides 175, 176, 184 Sisinis, Chrysanthos 239, 277 Sisinis, Georgios 239 Skouloudis, Pavlos 212

349

Skouloudis, Theodoros 212 Skutsch 165 Sokrates 173, 174, 175, 176 Spon, Jakob 181 Statius 153 Stein 25, 154, 160, 178, 181 Stenart, I. R. 159 Stephanus von Byzanz 183, 185 Stern 27, 46, 49, 55, 58, 60, 74, 82, 93, 94, 97, 105, 108, 110, 122, 123, 127, 129, 130 Stourdza 88 Strabon 149, 150, 164, 182 , 263, 276 Stratford 28 Strepsiades 173, 174, 175, 176 Strickland, Hamilton 159 Stymphalos 50, 214, 225, 228, 231, 234, 235 Sulzo, Panajotis 139 Sutzos, Demetrius 71 Sutzos, Skarlatos 219 Tacitus 37, 153, 157, 163 Telemachos 3, 208, 284 Theophrast 167, 243 Theopompos 162 Theseus 246 Thiersch, Friedrich Wilhelm 9, 11, 12, 13, 14, 17, 18, 19, 23, 44, 46, 51, 56, 59, 61, 62, 63, 64, 66, 68, 69, 70, 72, 73, 75, 78, 80, 83, 84, 86, 87, 93, 96 Thiersch, Heinrich 11, 24, 55, 56, 59, 64, 66, 67, 74, 76, 77, 78, 79, 80, 82, 89, 92, 93, 94, 105, 106, 110, 117, 119, 141, 142, 143, 146 Thiersch, Ludwig 14 Thokos 251 Thukydides 150 Thumb, Albert 148, 151 Thyestes 217 Timocrates 174 Torrhebos 162, 163 Trentini 290, 296

Trikoupis 221 Trikupis Spyridon 50, 52, 88, 133, 237, 235, 238 Tsapogas, Michael 18 Turner, John 181 Tzavellas, Kitsos 275, 286, 290, 323 Tzetzes, Johannes 39 Ulrichs, Dr. 103, 178, 180 Ulrichs, N. 178, 179, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188 Ulysses 284 Vaillant, Kapitän 58 Valekenar 162 Varro 154, 160, 161, 162, 164 Vergi-Tzivakos, Konstantina 320 Virgil 197 Vitruv 174 Voulgaris, Dimitrios 238 Wallerstein, Fürst 117 Washington, George 91 Wellington 28, 33 Wido 287 Winkelmann 153 Wise, Sir Thomas 309, 311, 334 Wissova, Pauli 165 Wrede, Fürst 41, 46, 47, 49, 55, 191, 192, 301 Xanthos 157, 162, 163 Ypsilanti, Demetrios 45, 46, 59, 61, 64, 65, 74, 222, 292 Ypsilantis, Alexandros 215 Zacharitsas 248 Zaimis, Andreas 50, 52, 55, 64, 67, 74, 235, 237, 238, 290, 292 Zakais 233 Zavellas 67, 76 Zenios, Demetrios 39 Zephyrus 204 Zervas, Diamantis 276, 277 Zeus 49, 53, 171, 173, 182, 187, 225, 243, 244, 245, 250, 251, 279 Zographos 129

Philhellenische Studien herausgegeben von Evangelos Konstantinou Band

1 Evangelos Konstantinou / Ursula Wiedenmann (Hrsg.): Europäischer Philhellenismus. Ursachen und Wirkungen. Erschienen im Verlag Hieronymus, Neuried.

Band

2 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Europäischer Philhellenismus. Die europäische philhellenische Literatur bis zur 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1992.

Band

3 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Europäischer Philhellenismus. Die europäische philhellenische Presse bis zur 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1994.

Band

4 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Europäischer Philhellenismus. Antike griechische Motive in der heutigen europäischen Literatur. 1995.

Band

5 Marion Maria Ruisinger: Das griechische Gesundheitswesen unter König Otto (1833– 1862). 1997.

Band

6 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Byzantinische Stoffe und Motive in der europäischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. 1998.

Band

7 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Die Rezeption der Antike und der europäische Philhellenismus. 1998.

Band

8 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Griechische Migration in Europa. Geschichte und Gegenwart. 2000.

Band

9 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Nürnberg und das Griechentum. Geschichte und Gegenwart. 2003.

Band 10 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Methodios und Kyrillos in ihrer europäischen Dimension. 2005. Band 11 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Ägäis und Europa. 2005. Band 12 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Der Beitrag der byzantinischen Gelehrten zur abendländischen Renaissance des 14. und 15. Jahrhunderts. 2006. Band 13 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Ausdrucksformen des europäischen und internationalen Philhellenismus vom 17.–19. Jahrhundert. 2007. Band 14 Evangelos Konstantinou (Hrsg.): Das Bild Griechenlands im Spiegel der Völker (17. bis 20. Jahrhundert). 2008. Band 15 Evangelos Konstantinou / Konstandinos Maras / Heinrich Scholler (Hrsg.): Hans Loewe: Friedrich Thiersch. Ein Humanistenleben im Rahmen der Geistesgeschichte seiner Zeit. Friedrich Thiersch: Reisebriefe aus Griechenland 2010. www.peterlang.de