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German Pages 748 Year 1997
Lehr- und Handbücher zur Ökologischen Unternehmensführung und Umweltökonomie Herausgegeben von
Dr. Carlo Burschel
Handbuch Umweltschutz und Organisation Ökologisierung · Organisationswandel Mikropolitik
Herausgegeben von
Dr. Martin Birke Institut zur Erforschung sozialer Chancen ISO, Köln
Dr. Carlo Burschel Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück Lehrbeauftragter der Universität Osnabrück
Dr. Michael Schwarz Institut zur Erforschung sozialer Chancen ISO, Köln
R. Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - CEP-Einheitsaufnahme Handbuch Umweltschutz und Organisation : Ökologisienmg Organisationswandel - Mikropolitik / hrsg. von Martin Birke... München ; Wien : Oldenbourg, 1997 (Lehr- und Handbücher zur ökologischen Unternehmensführung und Umweltökonomie) ISBN 3-486-24018-8
© 1997 R. Oldenbourg Verlag Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldaibourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, Münch« ISBN 3-486-24018-8
VORWORT
Der Topos "Ökologische Unternehmensfuhrung" ist unter den neuen umweltpolitischen Vorzeichen von "Deregulierung" und "Selbstverpflichtung" verstärkt in den Focus fachwissenschaftlicher und öffentlicher Diskussion gerückt. Umso mehr wurde deutlich, daß die wissenschaftlichen Diskurse bis dato primär unter naturwissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Gesichtspunkten gefuhrt werden. Der Ruf nach "Interdisziplinarität" wird zwar immer "lauter", doch sind die Probleme dieser Forschungsstrategie im hoch arbeitsteiligen Wissenschaftssystem nach wie vor nicht zu unterschätzen. Die Reihe "Lehr- und Handbücher zur ökologischen Unternehmensfuhrung und Umweltökonomie" des Oldenbourg Verlages unternimmt einen Schritt in Richtung Interdisziplinarität - besser "Intradisziplinarität" -, indem sie Wissenschaftlern und Studenten aus den Bereichen Umweltökonomie, Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften und Technik den aktuellen Stand der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Ökologiediskussion strukturiert darstellt und die fachwissenschaftliche Entwicklung fortschreibt. Praktikern stellt sie das in der komplexen "Umweltschutzwelt" immer notwendiger werdende Hintergrund- und Orientierungswissen zur Verfugung. "Nachhaltiger" betrieblicher Umweltschutz ist ohne kooperative ökonomische, technische und soziale Rationalität "vor Ort" nicht
effizient und vor allem auf Dauer in die Betriebsorganisationen zu implementieren. Neben der unmittelbaren Betriebsebene sind aber auch die umweltpolitischen Ebenen der Volkswirtschaft und die gesellschaftlich induzierten Leitbilder und Lebensstile fur eine nachhaltige Entwicklung von elementarer Bedeutung. Die Reihe "Lehr- und Handbücher zur ökologischen Unternehmensfuhrung und Umweltökonomie" schlägt eine Brücke zwischen Betrieb - Volkswirtschaft - Gesellschaft, indem sie aus der Perspektive von Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Möglichkeiten und Wege zu einer ökologischeren Wirtschaftsweise diskutiert. Der vorliegende Band widmet sich erstmals den bis dato kaum analysierten organisatorischen Prozessen, die durch die Implementierung des betrieblichen Umweltschutzes angestoßen bzw. verändert werden. Die thematische Spannweite der Beiträge reicht von organisationstheoretischen Arbeiten bis zu Berichten aus der Unternehmenspraxis. Das "Handbuch Umweltschutz und Organisation" fokussiert in diesem Umfang erstmals den Topos "Umweltschutz als Organisationsproblem" und stellt somit ein Fundament zur Verfügung, von dem aus weitere theoretische Analysen vorangetrieben werden und Anregungen für die aktuellen Normierungs- und Novellierungsdiskussionen (EMAS, ISO, 14001, 14031) ausgehen können.
Fulda/Osnabrück, 1997
Carlo Burschel
INHALT
Einfuhrung Martin Birke, Carlo Burschel, Michael Schwarz Umweltschutz jenseits der organisierten Unverantwortlichkeit?
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L Organisationswandel Günther Ortmann Das Kleist-Theorem. Über Ökologie, Organisation und Rekursivität
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Alexander Krafft und Günter Ulrich Akteure im System
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Raimund Hasse und Klaus Japp Dynamik symbolischer Organisationspolitik. Umwelt- und Selbstanpassung als Folgewirkung ökologischer Leistungserwartungen
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Helmut Wiesenthal Adaption und Innovation. Neun Thesen zum Verhältnis von Unternehmen und Gesellschaft
163
IL Mikropolitik Martin Birke und Michael Schwarz ökologisierung als Mikropolitik
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Inhalt
Uwe Schneidewind Ökologische Reorganisation von Branchen. Von der Mikropolitik in der Organisation zur Strukturpolitik der Organisation
226
Ulrich Steger Mikropolitik - strategisches Management - Organisationslernen. Welcher Weg aus dem Dilemma?
255
Carlo Bur schei Abschied von der Organisationsstruktur? Ökologisches Innovationsmanagement und mikropolitische Mitarbeiterkalküle
274
ΙΠ. Akteure Ralf Antes Präventives Entscheiden und Handeln in Unternehmen: das Beispiel Umweltschutz
319
Hartwig Heine und Rüdiger Mautz Aus der Sicht von Führungskräften der Großchemie: Felder und Spielräume ökologischen Berufshandelns
360
Andreas Homburg Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz
390
Wolf gang Föste Innovation und Kooperation: neue Herausforderungen an Umweltschutzbeauftragte in Unternehmen
412
Inhalt
9
Ralf Herbold, Eckhard Kämper, Wolfgang Krohn und Volker Vorwerk Innovation in partizipativen Akteurkonfigurationen. Abfallwirtschaft im Spannungsfeld von Technik, Normung und Akzeptanz
434
Wilfried Müller und Klaus Feseker Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen in Lohngalvaniken
465
Leo Baas, Jan Jaap Bouma, Wim Hafkamp Kritische Akteure des Umweltmanagements in den Niederlanden
497
IV. Praxis Carsten Gellrich, Alexandra Luig und Reinhard Pfriem ökologische Unternehmenspolitik: von der Implementation zur Fähigkeitsentwicklung
523
Jürgen Freimann Gehversuche. Betriebliche Umweltpolitik auf dem neuen Terrain von Eigeninitiative und Chancenorientierung . . . 563 Jürgen Hoffmann und Wolf gang Röhr Ökologische Betriebspolitik und neue Managementkonzepte als modernisierungspolitische Herausforderung unter Krisenbedingungen
590
Werner Wohlfahrth und Jeanette Signon Umweltmanagement als Prozeß ökologischer Reorganisation. . 626
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Inhalt
Frank Sprenger und Thomas Maier Die Einführung von Umweltmanagementsystemen als Prozeß der Unternehmensberatung
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Joachim Ganse Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich. Die Vorbereitung eines Dienstleisters auf die Zertifizierung nach ISO 14001 undEMAS VO
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Erika Maria Mink-Zaghloul Transfer umweltschonender Technologien. Ein unverzichtbarer Beitrag zur ökologischen Innovation der Industrie Lateinamerikas
694
Autorinnen und Autoren
737
Sachregister
741
EINFÜHRUNG
Martin Birke, Carlo Bur schei und Michael Schwarz
Umweltschutz jenseits der organisierten Unverantwortlichkeit?
Umweltschutz als Organisationswandel zu verstehen und zu praktizieren, ist keine Selbstverständlichkeit. Prävention und nachhaltige Entwicklung sind als Leitbilder und Erfolgsmaßstäbe fur industriellen Umweltschutz anerkannt, die damit aufgeworfene Frage nach Innovation und Reorganisation in Gesellschaft, Politik und Unternehmen wird jedoch erst über den Umweg der verkürzt geführten Globalisierungsdiskussion manifest. Herauszuarbeiten, wie diese neuen "Koordinaten eines unbekannten Terrains" (Wiesenthal 1996) zusammenwirken und das Handeln von Organisationen, ihre Reformfähigkeit und institutionelle Einbettung verändern, wird zur Zeit als Herausforderung für die originär
sozialwissenschaftliche Forschungs-
kompetenz wiederentdeckt. Noch steht die Thematisierung des Zusammenhangs von "nachhaltiger Entwicklung", "Globalisierung" und "zukunftsfahiger Demokratie" im Rahmen eines sozialwissenschaftlichen Konzeptes sozialen Wandels jedoch ganz am Anfang (Brand (Hrsg.) 1997). Wie Leitbilder einer zukunftsfahigen Entwicklung an die gesellschaftliche Praxis anschlußfähig gemacht werden können, wie eine Entkopplung von Wachstum, Ressourcenverbrauch und Materialintensität tatsächlich zu realisieren ist, wie die "Konfliktsemantiken der Modernisierung der Moderne" (Beck/Giddens/Lash 1996, 9) in Gesellschaftspolitik und Unternehmensorganisation zu übersetzen sind, ist dementsprechend weitgehend ungeklärt.
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Martin Birke/Carlo Burschel/Michael Schwarz
Der bisher randständigen Bedeutung der Sozial- und Geisteswissenschaften innerhalb der Umweltforschung entsprechend (Wissenschaftsrat (Hrsg.) 1994) werden erfolgreiche Problemlösungen primär von den hier dominierenden Natur- und Ingenieurwissenschaften erwartet. Zweifellos ist ohne das Expertenwissen von Naturwissenschaftlern die im Disput um "Klimawahn" (Heinson 1996) sowie im Medienrummel um "Ökooptimismus" und "Ökochondrie" (Maxeiner/Miersch 1996; Hug 1997) virulent werdende Frage "but is it true?" (Wildavsky 1995) nicht zu beantworten. Auch die Befunde der Risikosoziologie, daß vorwiegend personalisierbare Bedrohungen und sensationelle Katastrophen wahrgenommen werden und dies den Umgang mit diffiisen Risiken und schleichenden Schädigungen erschwert (Zürn/Take 1996), verweisen auf die große Bedeutung von Technologie und Technik fur eine nachhaltige Entwicklung. Ob deshalb künftig die Kompetenz der sozialwissenschaftlichen Umweltforschung zwischen "Gesellschaftsdiagnose und Handlungsappell" (Wiesenthal 1995) verriegelt bleibt, wird gerade auch davon abhängen, ob das technische Naturverhältnis intra- und interdisziplinär weiterhin fraglos als unproblematisch vorausgesetzt wird, oder ob statt dessen - wie 1993 innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Soziologie reklamiert1 - die Krise des gesellschaftlichen Naturverhältnisses ins Zentrum der Aufmerksamkeit und konzeptionellen, paradigmatischen Innovationsbereitschaft gerückt wird. Noch wirken die in dieser Hinsicht vollbrachten Leistungen der Sozialwissenschaften durchaus bescheiden (Wiesenthal 1995, 370). In der Soziologie werden vereinzelt, inhaltlich und methodisch weitgehend unkoordiniert, ökologisch relevante Fragestellungen und
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Protokoll der Arbeitsgruppe "Soziologie und Ökologie" in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 9./10.12.1993 am Institut für Soziologie der Universität München.
Umweltschutz jenseits der organisierten Unverantwortlichkeit?
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Gegenstandsbezüge behandelt, die auf der Makroebene angesiedelt sind (ökologische Modernisierung, globaler Wandel, Wertewandel, soziale Bewegungen, Umweltpolitik) (Diekmann/Jäger (Hrsg.) 1996). Seltener sind auf der Meso- und Mikroebene angesiedelte empirische Untersuchungen regionaler oder lokaler Umweltkonflikte, des Umweltbewußtseins und bestimmter Segmente umwelt(un-)freundlichen individuellen Verhaltens ausgewählter Bevölkerungsgruppen. Das Umwelthandeln industrieller Unternehmen ist nach lange dauernder Abstinenz bisher vor allem von der betriebswirtschaftlichen Forschung analysiert worden. Dabei stehen Instrumente umweltorientierter Unternehmensfuhrung, Methoden ihrer strategischen Umsetzung und Bilanzierung sowie darauf bezogene Handlungsvorschläge im Mittelpunkt des Interesses. Erst relativ spät hat die empirische Sozialforschung begonnen, sich mit der Frage zu befassen: "Wie und warum finden Unternehmensentscheidungen statt, welches sind die entscheidenden Faktoren und Akteure, die ein Unternehmen auf einen nachhaltigen Entwicklungsweg bringen?" (Dyllick, zit. in: LeitschuhFecht 1996, 10). Zahlreiche Beiträge im vorliegenden Buch verdeutlichen, daß in den letzten Jahren auf der Grundlage empirisch gehaltvoller Studien durchaus beachtliche Erkenntnisfortschritte in dieser Hinsicht erzielt werden konnten. Nach wie vor defizitär ist unseres Erachtens: • die empirische Untersuchung des mit Nachhaltigkeit implizierten Paradigmawechsels in Unternehmens- und Verwaltungsorganisationen, • die disziplinübergreifende Konzeption und Erklärung seiner intraund interorganisationalen Wandlungsprozesse, • die Diskussion der Standards und des Verhältnisses von theoretisch wie empirisch fundiertem Reflexionswissen einerseits und anwendungs- und beratungsorientiertem Erfahrungswissen andererseits.
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Martin Birke/Carlo Burschel/Michael Schwarz
Daß die Anworten, die eine am Anfang stehende und nur zögerlich interdisziplinär orientierte sozialwissenschaftliche Umweltforschung auf die zitierte Frage findet, vielfältig ausfallen, kann kaum verwundern. Dies kann, so hoffen wir, mit den in diesem Handbuch dokumentierten sozialwissenschaftlichen Ansätzen zeigen zu können, jedoch eher Chance als Nachteil sein. Gerade die im Umweltdiskurs vernachlässigte Aufmerksamkeit fur Management- und Organisationsprobleme ist angewiesen auf transdisziplinäre Befunde der Volks- und Betriebswirtschaft, der Organisations- und Politikforschung sowie der Industrie- und Umweltsoziologie, die in diesem Band noch um das Erfahrungswissen von Praktikern und Beratern ergänzt werden. Mit den hier versammelten Perspektiven wollen wir die Diskussion um eine Ökologisierung von Unternehmen so fortfuhren, daß sie an neuere Befunde der Umweltökonomie und -Soziologie sowie der Betriebswirtschaftslehre und Organisationsforschung anschlußfahig wird. Das in diesem Band repräsentierte Diskussionsangebot zu Funktion, Aufgaben, Verwendungskontext und Theoriefundierung sozialwissenschaftlicher Umweltforschung ist ein Forum der in diesem Spektrum zu erwartenden Meinungen und disziplinaren Perspektiven. Die im ersten Gliederungsabschnitt Organisationswandel zusammengestellten Beiträge untersuchen, wie Günther Ortmann es in seinem um "allmähliche" und grundlegende Klärung bemühten Essay formuliert, was Organisationstheorie zur Veränderung der Welt in Richtung auf ökologisch vertretbare Zustände beisteuern kann. Dabei steht die Frage im Vordergrund, warum organisationstheoretische Einsichten für die Reflexion und Diagnose organisationalen Umwelthandelns unverzichtbar sind und wie sie die in den letzten zehn Jahren interdisziplinär entdeckte Kontingenzbeziehung zwischen Technik, Ökonomie, Politik und Organisation aufzuklären helfen. Das auf der strategischen Organisationsanalyse von Crozier und Friedberg und auf Giddens' Struk-
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turationsmodell basierende Organisationsverständnis, demzufolge Organisationsstrukturen im und durch Akteurshandeln ständig neu konstituiert und (re-)produziert werden, öffnet die Analyse nicht nur fur die Feinheiten organisationalen Handelns, die spezifischen Vermittlungsprozesse und Regulierungsmechanismen; auch die meist ausgeblendeten, in ökologischen Fragen aber besonders virulenten "Irrationalitäten" und Disfunktionalitäten werden analysier- und erklärbar. Die Vorzüge einer akteur- und strukturübergreifenden Sichtweise werden von Krafft und Ulrich unter Rückgriff auf Giddens' Theorie der Strukturation und Luhmanns Analyse der Autopoiesis sozialer Systeme näher beleuchtet. Mit Blick auf organisationale Entscheidungsprozesse heben sie die Bedeutung informeller Hierarchie, interner sozialer Netzwerke und selbstorganisierter Lernprozesse hervor. Dem gegenüber stellen Hasse und Japp am Beispiel der gesellschaftlichen Sensibilisierung für ökologische Probleme Organisationswandel auf der Basis von Wandlungsimpulsen aus der gesellschaftlichen Umwelt in den Mittelpunkt und zeigen, wie ökologische Themen ungewollt Eingang in die Entscheidungsprogramme von Wirtschaftsorganisationen finden. In dem Bemühen, riskante Realitätsabstraktionen und überlieferte Interpretationsroutinen der mikroökonomischen wie der organisationssoziologischen Perspektive zu überwinden, konzentriert sich Wiesenthal bei der Suche nach Antworten auf die Frage, wie Unternehmen entscheiden, auf oft übersehene Aspekte der modernen Unternehmenswirtschaft. Dabei werden vielfältige Optionen und Mechanismen der gesellschaftlichen Einwirkung auf Unternehmen ebenso deutlich wie die "Steuerung" des multiplen Akteurs "Unternehmen" anhand subjektiver Szenarios. Wie der strukturationstheoretische Ansatz, der sich bei der Analyse technischer Innovationen und ihrer sozialen Konstitution bewährt hat, für die Beantwortung der "ökologischen Frage" nutzbar zu machen und
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Martin Birke/Carlo Burschel/Michael Scbnvarz
die Untersuchungsperspektive "Umweltschutz als sozialer Prozeß" (Burschel 1996; Birke/Schwarz 1994) weiterzuentwickeln ist, ist Fokus der Aufsätze im zweiten Gliederungsabschnitt Mikropolitik. Soll der mit der Chiffre "Ökologisierung" skizzierte Paradigmawechsel in und für Organisationen realanalytisch erschlossen werden, drängt sich das Konzept der reflexiven Strukturation inter- wie intraorganisationaler Felder und Arenen geradezu auf: nicht die Leitbilder und Leitziele (nachhaltiges Unternehmen, präventiv-integrierter Umweltschutz, "clean products" etc.) stehen analytisch im Vordergrund, sondern der komplexe, iterative und immer rückschlagsbedrohte Prozeß der allmählichen Veränderung von Praktiken und Routinen mit all seinen Innovationsblockaden, -potentialen und rekursiven Schleifen (Braczyk 1996, 299), die es kontextsensibel zu analysieren und zu handhaben gilt. Dafür den Blick zu schärfen und den analytischen Instrumentenkasten zu erweitem, zeichnet den Ansatz der Mikropolitik aus. Sein Spezifikum ist deshalb unserer Meinung nach keineswegs die Dekomposition der Machtstrategien von "Organisationsmacchiavellis", sondern die "Entdeckung" der je spezifischen Entscheidungs-, Aushandlungs-, Gestaltungs- und Lernprozesse, die mitbestimmen, wie in und zwischen Unternehmen technische, ökonomische und auch ökologische Entwicklungspfade verlaufen und sich miteinander verquicken. Diese in der Technik- und Industriesoziologie erprobte analytische Konzentration auf "politics in production", die - zumindest in sozialwissenschaftlicher Perspektive - als Substanz ökologischer Reorganisation angesehen werden können, ist explizit oder implizit auch in den zahlreichen Fallstudien, "surveys" und disziplinar unterschiedlich verorteten Analysekonzepten enthalten, die im dritten Gliederungsabschnitt Akteure zusammengestellt sind. Sie bestätigen, was auch der seinerzeitige Perspektivwechsel in der Technikforschung demonstrierte:
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Innovationen sind mehr als nur vom Management vollzogene, strategisch gemeisterte Reflexe auf externe Anreize und Ansprüche; sie gelingen - wenn überhaupt - dann nur endogen vermittels eines zwar machtdurchwirkten, aber auf Viabilität, Abstimmung und Organisationserhalt orientierten, organisationsinternen Politikprozesses individueller wie kollektiver Akteure mit unterschiedlichsten Interessen, Positionen und Durchsetzungschancen. Der letzte Gliederungsabschnitt Praxis fungiert gewissermaßen als Prüfstein für das theoretisch wie empirisch aufgeklärte Problemlösungspotential, das in den vorhergehenden Abschnitten der sozialwissenschaftlichen Umweltforschung anempfohlen wird. Damit soll keineswegs das teilweise in den Beiträgen angesprochene Spannungsverhältnis zwischen Anwendungs- und Grundlagenorientierung kaschiert werden. Gerade der nicht verstellte Blick auf die Tücken allzu einfacher Anwendungsmodelle und deduktiver Transferkonzepte, auf die Handlungsfallen wechselseitiger und ungebrochener Übernahme von Problemdefinitionen und Leitbildern sowie auf die unvermeidlichen Widersprüche und Rationalitätsbrüche zwischen "Theorie und Praxis" sind Voraussetzungen für ein realitätsfahiges Verständnis der gegenseitigen "Hol- und Bringschulden". Es ist mittlerweile zehn Jahre her, daß Ulrich Beck dem industriellen Umweltschutz treffsicher und mit großer Resonanz eine "organisierte Unverantwortlichkeit" diagnostizierte, welche als Nebenfolge industriegesellschaftlicher Modernisierung zwangsläufig sei (1988). Daß sozialwissenschaftliche Forschungsarbeit notwendig ist und dazu beitragen kann, diesen Zustand zu überwinden und Gesellschaft wie Unternehmen auf einen nachhaltigen Entwicklungsweg zu bringen, hoffen wir - auch mit den offen gebliebenen und neu aufgeworfenen Fragen -, in diesem Handbuch verdeutlichen zu können.
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Martin Birke/Carlo Burschel/Michael Schwarz Dieses Buch ist in einer außergewöhnlich angenehmen und
weitgehend reibungslosen Atmosphäre zustande gekommen. Von der Einladung der mitwirkenden Autorinnen und Autoren bis zur Übergabe des druckfertigen Manuskripts an den Verlag ist gerade mal ein Jahr ins Land gegangen. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Konzeption des Buches es den Autorinnen und Autoren in der Regel nicht erlaubte, auf "Schubladenprodukte" zurückzugreifen, sondern ihnen vielmehr neue, weiterführende Beiträge abverlangte. Wir bedanken uns bei den Mitwirkenden für das Interesse, das sie unserer Initiative entgegengebracht haben. Daß aus den einzelnen Beiträgen auch der Form nach ein "richtiges Buch" wurde, ist vor allem dem großzügigen Entgegenkommen des Instituts zur Erforschung sozialer Chancen (ISO), Köln, insbesondere dem tatkräftigen Engagement und der fachlichen Kompetenz von Lisgret Militzer-Schwenger und Renate Schneider bei Textverarbeitung und Endredaktion zu verdanken. Dr. Thomas Jäger danken wir für kritische Durchsicht der Beiträge, spannende Diskussionen und wertvolle Anregungen, Annette Schnabel für ihre Hilfe bei der Erstellung des Sachregisters. "Last but not least" bedanken wir uns - auch im Namen der Autorinnen und Autoren - beim OldenbourgVerlag, insbesondere bei Herrn Dipl.-Vw. Martin M. Weigert, der diese Publikation ermöglicht und unterstützt hat.
Köln und Osnabrück, im Februar 1997
Umweltschutz jenseits der organisierten Unverantwortlichkeit?
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Literatur Beck, Ulrich, Anthony Giddens, Scott Lash, 1996: Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse, Frankfurt a.M Beck, Ulrich, 1988: Gegengifte. Die organisierte Unverantwortlichkeit, Frankfurt a.M. Birke, Martin, Michael Schwarz, 1994: Umweltschutz im Betriebsalltag. Praxis und Perspektiven ökologischer Arbeitspolitik, Opladen Braczyk, Hans-Joachim, 1996: Die Gesellschaft (in) der Organisation, in: Soziologische Revue 19 (1996) 3, 293-300 Brand, Karl-Werner (Hrsg), 1997: Nachhaltige Entwicklung. Eine Herausforderung an die Soziologie, Opladen Burschel, Carlo, 1996: Umweltschutz als sozialer Prozeß. Die Organisation des Umweltschutzes und die Implementierung von Umwelttechnik im Betrieb, Opladen Diekmann, Andreas, Carlo C. Jäger (Hrsg.), 1996: Umweltsoziologie. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 36, Opladen Heinsen, Gunnar, 1996: Anfang und Ende des Klimawahns, in: Leviathan 24 (1996) 4, 447-455 Hug, Heinz, 1997: Der tägliche ökohorror. So werden wir manipuliert, Manchen Leitschuh-Fecht, Heike, 1996: Wissenschaft im Dienste einer zukunftsfähigen Wirtschaft. "Greening of Industry" setzt sich für kooperative Forschungsstruktur ein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 235 vom 4.12.1996, S. 10 Maxeiner, Dirk, Michael Miersch, 1996: Öko-Optimismus, Düsseldorf/München Wiesenthal, Helmut, 1995: Zwischen Gesellschaftsdiagnose und Handlungsappell: Das schwierige Projekt der Umweltsoziologie, in: Soziologische Revue 18 (1995), 369-378 Wiesenthal, Helmut, 1996: Globalisierung. Soziologische und politikwissenschaftliche Koordinaten eines unbekannten Terrains, in: Berliner Debatte INITIAL 5/1996, 37-53 Wildavsky, Azon, 1995: But Is It True? A Citizen's Guide to Environmental Health and Safety Issues, Cambridge, Mass. (London: Harvard University Press) Wissenschaftsrat (Hrsg.), 1994: Stellungnahme zur Umweltforschung in Deutschland, 2 Bde., Köln Züm, Michael, Ingo Take, 1996: Weltrisikogesellschaft und öffentliche Wahrnehmung globaler Gefährdungen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Β 24-25/96 (12. Juni 1996), 3-12
I. ORGANISATIONSWANDEL
Günther Ortmann
Das Kleist-Theorem Über Ökologie, Organisation und Rekursivität
1. Kontingenz und Verriegelung Wenn man sich fragt, was Politologie, Soziologie, Ökonomie und, die beiden letzteren zu einer durchaus ungeklärten Melange verbindend, Organisationstheorie zur Frage der Veränderbarkeit der Welt im allgemeinen und zu ihrer Veränderung in Richtung auf ökologisch vertretbare Zustände im besonderen beisteuern, dann kommen einem, zumal in diesen Zeiten, am Ausgang eines Jahrhunderts voller technologischer und sozialtechnologischer Blütenträume, zu allererst und mit deutlicher Dominanz Konzepte und Theorieversatzstücke in den Sinn, die Anlaß zu Tristesse, zumindest aber Skepsis geben. Systemtheorie, Politologie und politische Soziologie haben die Steuerbarkeit sozialer Systeme und unseres politischen Systems seit langem zum Problem erklärt. Dem entspricht auf Seiten der Organisationstheorie akkurat ein seit zwanzig Jahren wachsender Konsens, betreffend die eben noch ungeahnten Schwierigkeiten eines, wie es bis dahin noch so ungebrochen optimistisch hieß, "planned organizational change". Dieser Konsens ist übrigens innerhalb der Organisationsforschung auch von solchen Theoretikern systematisch begründet worden, die hierzulande eher als Handlungstheoretiker gelten: Michel Crozier und Erhard Friedberg, die sehr früh, 1977, aus den desillusionierenden Erfahrungen mit den großen Verwaltungsreformversuchen
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Günther Ortmann
in den USA und Europa in den fünfziger und sechziger Jahren - Stichwort: Scheitern des "Planning Programming Budgeting System" (PPBS), entwickelt in der Rand Corporation und von Robert McNamara im US-amerikanischen Verteidigungsministerium eingeführt - theoriestrategische Konsequenzen gezogen und sie zu einem schlüssigen organisationstheoretischen Ansatz verarbeitet haben (deutsch: Crozier/Friedberg 1979). Die Skepsis ist also keine Sache sei's system-, sei's handlungstheoretischer Voreingenommenheiten, auch keine seien es politologischer oder aber organisationstheoretischer Fachspezifika. Um es für die üblicherweise unterschiedenen Realitäts- oder Analyseebenen zusammenzufassen: Der Mensch sei ein Gewohnheitstier, lehren uns Piagets Entwicklungspsychologie, Vehlens boshafter Institutionalismus und unser mehr oder minder gesunder Menschenverstand gleichermaßen. Mit Blick auf Organisationen trägt das Phänomen den Namen "inertia", organisationale Trägheit oder organisationaler Konservatismus. Und auf der Ebene gesellschaftsweiter Institutionen und Systeme heißen die Konzepte institutionelle Trägheit oder gar "Sklerose" (Olson 1982), "ceremonial encapsulation"1, autopoietische Geschlossenheit gesellschaftlicher Teilsysteme. In der Politikwissenschaft verzweifelt man seit den Arbeiten von Murray Edelmann (1964, 1972) an einer Politik, die angesichts der immensen ihr sich darbietenden Schwierigkeiten bloß symbolisch bleibt, eine Denkbewegung, die heutzutage von Nils Brunsson (1989) für Organisationen aufgegriffen und zur Rede von der "Organisation der Scheinheiligkeit" zugespitzt wird. Zwischen Staaten, Regierungen, Unternehmen und anderen Organisationen, auch innerhalb ganzer Branchen und Regionen verfestigen sich systemische Blockaden und Verriegelungen, die wir mit
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Zu diesem Begriff aus dem älteren amerikanischen Institutionalismus siehe Reuter 1994,262 ff.
Das Kleist-Theorem
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Granovetter (1992) in Anlehnung an die ökonomischen und wirtschaftshistorischen Analysen von Brian Arthur (z.B. 1989, 1990) und Paul David (z.B. 1986) "Lock In" nennen. Die ökonomische Theorie steuert außerdem als paradigmatische, man ist geneigt zu sagen: traumatische Konstellation der Wirtschaft das Gefangenendilemma, als paradigmatische Strategien das "free riding", "rent seeking" und ganz allgemein die Externalisierung sozialer Kosten bei. Schöne neue Welt. Auf meinem Waschzettel steht noch mehr: Entscheidungskorridor, Myopia2, parasitäre Entscheidungen und Systeme, "capture theory", Opportunismus, Defektion, "moral hazard", "adverse selection", "holdup", Überweidung. Mich wundert, daß ich so fröhlich bin. Sollte das letzte Reservat des Optimismus ausgerechnet jener neoklassische Mainstream sein, der ungebrochen an die immanente Tendenz zum Gleichgewicht und zu optimalen Ressourcenallokationen glaubt? Kaum, wenn wir die Betonung auf "ungebrochen" legen. Kaum nämlich ist es eine Übertreibung, daß dieser Mainstream heute fast vollständig von der Arbeit absorbiert ist, die Brüche und Risse des eigenen Paradigmas zu kitten3. Und wir werden noch sehen, daß in mancher Hinsicht ausgerechnet aus dieser Perspektive die Aussichten besonders düster wirken. Bevor wir jedoch ins Apokalyptische abdriften, ist es ganz gut, sich zu erinnern, daß Trägheit - wir könnten ja auch sagen: Stabilität - per se nicht nur nichts Schlechtes, sondern sogar unverzichtbar ist, mehr 2
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Myopische - kurzsichtige - Strategien lassen sich als rational im Sinne der Rational-Choice-Theorie rekonstruieren, wenn man berücksichtigt, daß strategische Weitsicht nicht kostenlos zu haben ist (Krehbiel/Rivers 1990; Austen-Smith 1991 ; Green/Shapiro 1994). Externe Effekte, soziale Kosten, begrenzte Rationalität, asymmetrische Information und Informationskosten, Kosten der Markttransaktionen und die Transaktionsspezifität von Investitionen, Kontrollkosten, Einflußkosten sowie die Unvollständigkeit von Kontrakten bezeichnen die wichtigsten heute diskutierten Aspekte respektive Ursachen des Marktversagens.
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noch: daß Wandel ohne Stabilität, und ohne etwas, das im Wandel unverändert bleibt, gar nicht gedacht werden kann. Das Beharrungsvermögen organisationaler, ökonomischer, politischer Strukturen zumal ist nicht an sich des Teufels - es ist vielmehr ihr ganzer Sinn und ihre Funktion, Bewegliches auf Dauer zu stellen, Unerwartbares erwartbar zu machen, Balken in die Fluten der Möglichkeiten zu legen. Das ist vielleicht ein schwacher Trost, wenn erst einmal der Prozeß der Strukturierung, Verfestigung und Verriegelung in unerwünschte, gar gefährliche oder desaströse Zustände getrieben hat. Strukturen indes, so lehrt es moderne Theorie, determinieren nicht, sondern orientieren nur das Handeln der Akteure. Letztere können und müssen immer anders handeln als von ihnen erwartet wird, anders als gestern, anders als üblich, anders als "comme il faut", anders als die Nötigungen der Institutionen und die Zwänge der Systeme es vorschreiben. Ist das nicht ein stärkerer Trost? Alles ist anders möglich. Die Freiheit jedoch, die die Absage an Determinismen aller Art und die die Idee der Kontingenz mit der einen Hand gibt, scheint sie mit der anderen zu nehmen: Nicht ist unser Tun und Lassen determiniert durch "die" Ökonomie, "die" Technik, "die" Kultur, wohl aber verriegelt durch das Handeln der je anderen und seine systemische Verkettung, derart restringiert, daß es auf dasselbe hinausläuft: Alles ist anders möglich, und nichts kann ich ändern. Ohne diesem Wort Luhmanns seine Realitätsmächtigkeit zu bestreiten, möchte ich ihm doch in der Absicht näher auf den Grund gehen, ihm seine lähmende Wirkung - seine Wirkung als "self-fulfilling prophecy" - zu nehmen. Dafür sehe ich nur einen Weg: zu zeigen, daß dieser Grund nicht als ein erster oder letzter Grund, nicht als ein reiner Ursprung in Betracht kommt. Das ist die Idee der Strukturation. Soziale Strukturen und Systeme sind kein principium, sofern wir dabei an ein seinerseits grundloses Erstes denken.
Das Kleist-Theorem
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2. Strukturation Strukturation meint ja: Strukturen bedingen zwar das Handeln, das also insoweit aus ihnen erklärt werden kann; aber das Handeln und nur das Handeln bringt soziale Strukturen erst hervor, die sodann wieder das Handeln bedingen, nämlich restringieren und ermöglichen. In dieser Rekursivität - gemeint ist damit jene Zirkularität, in der das Produkt oder der "output" des Handelns, nämlich Strukturen, zum "input" weiteren Handelns wird - gibt es, wie man schnell sieht, alle möglichen Einfallstore für Wandel (weswegen die mathematische Figur der Rekursion hier zwar Pate stand, mathematische Determiniertheit und Berechenbarkeit aber keineswegs gemeint ist): Handeln rekurriert auf "bestehende" Strukturen (die übrigens genau deswegen und nur insoweit "Bestand haben", weil Handeln auf sie rekurriert), aber es kann, ja: muß die unvermeidliche Leere von Strukturen - nehmen wir als Beispiel zunächst Regeln im Sinne verallgemeinerbarer Verfahren in situ füllen, ergänzen und unter Umständen diese Regeln umgehen, unterlaufen, unterminieren, modifizieren und gar ersetzen, ganz im Sinne der Derridaschen Logik der Ergänzung (Ortmann 1995a, 105 ff, 235, 240 f., 353, 369): All das ist mit "Rekurrieren" gemeint. Wir können, handelnd, nicht nicht auf soziale Strukturen rekurrieren - etwa auf Regeln der Sinnkonstitution und der Rechtfertigung und Sanktionierung. Aber unser Rekurs kann eine Modifikation implizieren und tut es oft genug. Die Pünktlichkeitsregel an Universitäten bedeutete zunächst vielleicht "pünktlich auf die Minute", wurde aber sodann, vielleicht im praktischen Rekurs der handelnden Studenten und Professoren, dermaßen unterminiert, daß diese Bedeutung nunmehr nur durch eine eigens hinzugefügte Spezifikation, "sine tempore", reetabliert werden kann, während das "cum tempore" zum nicht spezifikationsbedürftigen Normalfall wurde. Wo also "existiert"
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die Regel? Nur im Handeln der Akteure - in dessen Regelmäßigkeit und nirgends sonst. Regeln, die nicht in den iterativen rekursiven Schleifen sozialer Praxis produziert und reproduziert (und vielleicht modifiziert) werden, verschwinden. (Natürlich setzt der Rekurs auf solche Regeln Erinnerung und Erwartung seitens der Akteure voraus: die Erinnerung an die Gültigkeit der Regeln gestern und die Erwartung ihrer Gültigkeit morgen.) "Bestand", "Stabilität", "Beharrung" erweist sich in einer solchen Sicht nicht als Stillstand, sondern als Bewegung, allerdings eine Bewegung in immergleichen Schleifen sozialer Praxis. Alles fließt? Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen? Wohl wahr, und, noch spitzfindiger: Man kann auch nicht einmal in denselben Fluß steigen. 'Έβ ist ebenso wahr, daß wir nie zweimal in dasselbe Unternehmen zur Arbeit gehen. Es ist auch ebenso falsch; denn die Wörter Tluß' und Unternehmen' bezeichnen nicht unwandelbare Substanzen, sondern fortbestehende Formen. Die Geschäfts- und Verwaltungssprache ist voll von solchen Wörtern. Kapital, Ertrag, Gewinn und Verlust; Bestände, Durchgangsleistung, Umsatz, Betrieb; Belegschaft, Abgang, Arbeitsbelastung, Kapazität, all diese und hundert andere Begriffe bezeichnen Beziehungen und Aspekte von Beziehungen zwischen Eingaben und Ausgaben, wie sie von den Administratoren in dem komplexen Prozeß, den zu regulieren ihre Aufgabe ist, unterschieden werden. Einige von diesen Wörtern definieren einen Gleichgewichtszustand zu einem gegebenen Zeitpunkt, wie der Kontostand bei einer Bank oder der Wasserstand in einem Reservoir. Andere definieren eine Fließgeschwindigkeit, wie der Output einer Produktionseinheit oder die Wassermenge, die in einer gegebenen Zeiteinheit über einen Damm fließt. Wieder andere definieren eine Beziehung zwischen zwei Fließgeschwindigkeiten, wie dies Gewinn und Verlust tun. Alle beschreiben Beziehungen. Daran ist nichts Ungewöhnliches. Die vertrauten Sprachformen verbergen das Ausmaß, in dem die Gegenstände unserer Aufmerksamkeit nicht Dinge, sondern zeitlich ausgedehnte Beziehungen sind. Ich betone dies, weil der größte Teil der Arbeit von Administratoren in jeder Organisation im Regulieren von
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zeitlich ausgedehnten Prozessen besteht." (Vickers 1967, 68, zit. in der Übersetzung bei Weick 1985, 64 f.) Wiederholung, die Annäherung an das Schützsche Ideal des "Immer wieder" in tätiger Bewegung, nicht Totenstille ist es, was wir im Inneren von "Organisation als Form" ausmachen, im Inneren von sozialer Stabilität, Verkrustung oder Verknöcherung. Es ist in diesem Sinne, daß Strukturen als reiner Ursprung4 und Grund des Handelns nicht gedacht werden können: weil wir diese Strukturen, ihre Stabilität und ihr Beharrungsvermögen in solcher tätigen Bewegung selbst erzeugen. Der Mensch ist das Tier, das selbst die Linien zieht, über die es stolpert.
3. Ressourcen Anthony Giddens' Strukturationstheorie (1984), auf die ich mich mit all dem beziehe, bestimmt als soziale, auch: organisationale5 Strukturen aber nicht nur Regeln - im Sinne verallgemeinerbarer Verfahren - , sondern auch ("allokative" und "autoritative") Ressourcen. Das scheint eine ihrer Stärken auszumachen, erfordert allerdings eine ganze Reihe von Klärungen. Mit Blick auf ökologische Fragen zumal könnte es sich als Vorzug erweisen, daß Giddens die Ressourcen des Handelns an zentraler Stelle seiner Sozialtheorie berücksichtigt.
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Für einen Begriff von "Ursprung, der weder nicht existent oder nicht faßbar noch ein letzter Grund oder eine absolute Bezüglichkeit ist", vgl. Dupuy/Varela (1991, hier S. 273) und Varela/Dupuy (1992). Zur Anwendung der Giddensschen Sozialtheorie auf Organisationen und Organisationstheorie vgl Ortmann (1995a) und Ortmann/Sydow/Windeler (1997), auf den Zusammenhang von Organisation und Ökologie den Beitrag von Schneidewind in diesem Band.
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Günther Ortmann Es ist jedoch Vorsicht geboten. Zunächst muß man sich klarmachen, daß Ressourcen nicht eigent-
lich etwas Materielles sind: "Allocative resources refer to capabilities - or, more accurately, to forms of transformative capacity - generating command over objects, goods or material phenomena. Authoritative resources refer to types of transformative capacity generating command over persons or actors. Some forms of allocative resources (such as raw materials, land, etc.) might seem to have a 'real existence' in a way which I have claimed that structural properties as a whole do not. In the sense of having a time-space 'presence', in a certain way such is obviously the case. But their 'materiality1 does not affect the fact that such phenomena become resources, in the manner in which I apply that term here, only when incorporated within processes of structuration." (Giddens 1984, 33) Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Zur Ressource wird sie erst gemacht - von Verliebten, Bräutigamen und anderen Rosenkavalieren, von Rosenzüchtern, Blumenhändlern, Gartenfreunden, Marzipanfabrikanten, Parfümerien. Dann heißt es vielleicht: 4.000 - 5.000 kg Blüten ergeben 1 kg Rosenöl. Dann zerlegt sich uns - zerlegen wir - die Rosenwelt in Mittel und Zweck, Produktion und Konsumtion, "input" und "output", Produkt und Abfall, Kosten und Leistung, private und soziale Kosten. Dann erst - Giddens würde sagen: wenn wir uns der Welt handelnd bemächtigen - wird die unbelebte und die belebte Natur zur Ressource, zur Form einer transformativen Kapazität. Dann erst - wenn sie in die rekursiven Schleifen sozialer Praxis einbegriffen werden und dieses Einbegriffensein wiederholt, daher erinnert, daher erwartet wird - werden Kohle und Öl, Wasser und Luft, Erz und Holz, Wind, Sand und Sterne zu Dimensionen sozialer Strukturen, zu "materiellen Ressourcen", die autoritativen wie allokativen Zwecken dienstbar gemacht werden und deren Allokation sodann zum Problem werden kann. In
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diese Praxis des Rekurses auf Dinge derart, daß sie als Ressourcen genutzt werden, geht immer der Rekurs auf Regeln der Sinnkonstitution und der Legitimation mit ein. Wissen - Produktions- respektive Herrschaftswissen - wird zu einer allokativen respektive autoritativen Ressource sui generis, und Normen, Rechte und Verpflichtungen, besonders, wie man heute sagt, Verfügungsrechte, "property rights", und Verfügungsrechtsstrukturen "regeln", was von wem wie genutzt werden darf. Erst wenn es soweit ist, können wir das Verhältnis zwischen natürlicher Umwelt und menschlicher Gesellschaft in das in Abbildung 1 wiedergegebene Schema bringen, das die Umwelt als Ressourcenlieferant für Produktion und Konsumtion, als "amenity" und als Halde fur die Abfälle von Produktion und Konsumtion namhaft macht. Und wir können sehen: "Though there may be economic activities that contribute to the preservation of nature, as a rule production and consumption activities make use of environmental services without simultaneously giving an 'equivalent' in return." (Berger 1994, 769) Der Ressourcenbegriff erweist sich dann als der Vermittlungsbegriff, die natürlichen Ressourcen als Ort der Vermittlung zwischen Natur und Gesellschaft, weil es die belebte und die unbelebte Natur ist, die im sozialen Handeln zur Ressource, zum Handlungsmittel im weitesten Sinne, zum Medium und Produkt des Handelns (gemacht) wird. Nach der Seite des Handelns haben wir es mit natürlichen Ressourcen, nach der Seite der Natur mit "gesellschaftlichen Naturverhältnissen" und näherhin mit der "Vergesellschaftung der Naturzerstörungen" (Beck 1986, 10) zu tun. Von hier aus ist es nur noch ein Schritt zur Bestimmung dessen, was man seit ungefähr zehn Jahren, seit dem Brundtlandt Report 1987 (vgl. aber bereits den "Blueprint for Survival", 1972), "sustainable development" nennt: Es erfordert erstens den Verbrauch erneuerbarer
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Ressourcen unterhalb ihrer Regenerationsrate, zweitens die Verwendung der Umwelt als Senke, als Abfallhalde unterhalb ihrer Absorptionskapazität und drittens die Beantwortung der Frage nach dem Umgang mit nicht-erneuerbaren natürlichen Ressourcen - zur Diskussion gestellt wurde (etwa von Daly 1991, 256) die Ausbeutung natürlicher Ressourcen höchstens in dem Maße, wie Substitute durch emeuerbare Ressourcen geschaffen werden (Berger 1994, 778). Das ist, wiewohl in aller Munde, unter den obwaltenden Umständen so unermeßlich gut und schwer, daß es einem schier den Verstand raubt. Bevor es soweit kommt, müssen wir uns sagen, daß wir "sustainable development", wie die Dinge nun mal liegen, als kontrafaktisches Ideal nehmen müssen. Als unerreichbaren Polarstern, der uns gleichwohl die Richtung angibt. Im praktischen Umweltschutz aber muß man einen Fuß vor den anderen setzen. Ab und zu sollten wir schon auf den Polarstern schauen - allzu leicht jedoch stolpern wir über die Linien, die direkt vor unserer Nase gezogen sind. Abbildung 1: Das ökonomische System und die Umwelt
Quelle: Pearce 1976, Umschlagbild, zit bei Berger 1994,770
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4. Realitätsebenen, Analyseeinheiten Dieser Band, dieser Aufsatz lenkt die Aufmerksamkeit auf Organisationen, organisational Handeln und deren Beitrag zur Beharrlichkeit von Umweltproblemen. Aus einem solchen Blickwinkel interessieren mich vier Ebenen der Strukturierung sozialen Handelns: 1. individuelle Akteure, 2. Organisationen, 3. organisational Felder, interorganisationale Netzwerke, Regionen, Governances und Branchen sowie 4. gesellschaftsweite institutionelle Ordnungen. Natürlich ließen sich andere Ebenen oder Analyseeinheiten ins Auge fassen, deren Relevanz für ökologische Fragen ebenfalls mehr oder weniger ins Auge springt: Familien, Haushalte, Schulen, Generationen, Geschlechter, soziale Bewegungen (zu letzteren z.B. Rucht 1987, Inglehart 1990, M. McCloskey 1991), um nur einige zu nennen. Davon sehe ich hier wegen meines organisationstheoretischen Interesses ab. Individuelle Akteure betrachte ich aus demselben Grund nur insoweit, als sie in oder gesteuert durch Organisationen handeln. Das bezieht "private" Handlungsfelder insoweit ein, als sie durch Organisationen mitbestimmt sind: das Wohnen, das private Autofahren, den Tourismus, das Einkaufen, die Freizeitgestaltung, die Konsumtion im weitesten Sinne - dies alles pflegt sich innerhalb dessen abzuspielen, was Paul DiMaggio und Walter Powell (1983, 113) "a recognized area of institutional life" genannt haben: auf organisationalen Feldern, mit Streckenführungen und Verkehrsregeln, über die sich der oder die einzelne kaum hinwegsetzen kann. (Zu "organizational fields" unten, im 8. Abschnitt, mehr.) Sowohl unsere Bedürfnisse als auch die Weisen ihrer Befriedigung werden durch die Produktion, die Standortentscheidungen, das Marketing etc. von Wirtschaftsorganisationen mit
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produziert und restringiert. Diesen Zusammenhang müssen wir im Auge behalten. Die Frage des Umweltbewußtseins6, so wichtig sie auch ist, werde ich nur aus einer solchen Perspektive gelegentlich berühren. Wohl aber möchte ich zum Ausdruck bringen, daß zwischen individuellen Akteuren und Organisationen und sodann organisationalen Feldern/Netzwerken/Governances und schließlich gesellschaftsweiten institutionellen Ordnungen rekursive Konstitutionsbeziehungen bestehen. Ich erläutere das anhand dreier Schemata, die sich auf das Verhältnis von personalen Akteuren zu Organisationen (Abbildung 2) und darüber hinaus zu Governances und gesellschaftsweiten Institutionen (Abbildung 3 und 4 weiter unten) beziehen. Abbildung 2: Individuum und Gesellschaft: Strukturation und Vermittlung soziale Struktur
Modalitäten M
'Gesellschaft", Organisation"
Individuum
Persönlichkeitsstruktur
Quelle: Ortmann 1995b, 257; Ortmann/Sydow/Windeler 1997, S. 340
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Dazu dai knappen Überblick bei Birke, Schwarz (1994,10 ff.) und Berger (1994, 788 f.) mit weiterer Literatur.
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Interaktion oder soziales Handein, so liest sich die Abbildung 2, ist immer zugleich individuelles Handeln. Es ist vom Standpunkt "der Gesellschaft" (sprich: anderer Akteure) Ereignis, vom Standpunkt des Handelnden aber Erlebnis. Es ist aus diesem Grunde der Ort der Vermittlung zwischen Individuum und Gesellschaft, und es hat in beide Richtungen Strukturierungswirkungen: in Richtung auf die Persönlichkeitsstruktur des Handelnden wie in Richtung auf die soziale Struktur der Gesellschaft. Gesellschaft ist konstitutiv fur das Individuum, Individuen sind konstitutiv für die Gesellschaft. Wenn wir an die Stelle von "Gesellschaft" "Organisation" (als einen Teil von Gesellschaft) setzen, gilt grosso modo das gleiche: Personale Akteure bringen handelnd Organisationen hervor, die aber ihrerseits, wenn auch meist nur in Maßen7, so etwas wie "Organisationspersönlichkeiten" hervorbringen, wie Chester Barnard es schon früh (1938) genannt hat*. Die sprachliche Kreativität des Werbetexters, das Gespür, der Riecher, die Nase der Verkäuferin für den Kundengeschmack, das Händchen des Wartungsarbeiters für seine Maschine, der vorauseilende Gehorsam der Untergebenen, der Machtinstinkt des Mikropolitikers, die Rücksichtslosigkeit des Sanierers, das dicke Fell der Bürokratin, die Intuition des Entscheiders, die Gewieftheit der Verhandlungsführerin, die diplomatische Ader der Diplomaten, das Helfersyndrom des Sozialarbeiters, die Empathie der Krankenschwester, die Blindheit der Produzierenden und auch der Konsumierenden für die destruktiven Seiten aller Produktion - all das mag als Talent, Begabung, Neigung mitgebracht werden und wird doch in den rekursiven Schleifen organisationaler Praxis mit 7 8
In Maßen, die aber manchmal auch überschritten werden - man denke an bestimmte Sekten wie Scientology oder die Moon-Sekte. In nur ein wenig anderer Perspektive Max Weber in der "Protestantischen Ethik" (1973,45): 'Oer heutige, zur Herrschaft im Wirtschaftsleben gelangte Kapitalismus also erzieht und schafft sich im Wege der ökonomischen Auslese die Wirtschafissubjekte - Unternehmer und Arbeiter - , deren er bedarf."
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produziert, reproduziert, entwickelt und ausgebaut - oder auch vernachlässigt, abgestumpft, abgebrüht und womöglich zerstört. Das Handeln all dieser Akteure aber konstituiert seinerseits die Organisation - und wird (nicht nur von ihren Persönlichkeitsstrukturen, sondern auch, und zwar im Sinne einer zusätzlichen, oft ausschlaggebenden Steuerung) durch organisationale Strukturen gesteuert, die auf eben diese Weise (re-)produziert werden. Das meint "Rekursivität von Struktur". Entsprechendes gilt im Verhältnis von Organisationen zu organisationalen Feldern/Netzwerken/Governances und im Verhältnis letzterer zu gesellschaftsweiten institutionellen Ordnungen. Ich führe das jetzt nicht im einzelnen aus (erst im 8. Abschnitt), sondern begnüge mich damit, die Verhältnisse mittels eines Schichtenmodells von Richard Scott anzudeuten, der die Sache aus Sicht des soziologischen NeoInstitutionalismus betrachtet (Abbildung 3). An Scotts Schema habe ich unter dem Gesichtspunkt der Rekursivität9 nur zwei Ergänzungen vorzuschlagen: nämlich (1.) die Ebene der Organisationen (als korporative Akteure) von der der "organizational fields/governance structures" eigens zu unterscheiden und rekursive Konstitutionsbeziehungen zwischen beiden vorzusehen, und (2.) auch mit Blick auf Scotts mittlere Ebene nicht nur Einflüsse auf diese, sondern auch ausgehend von dieser Ebene zu berücksichtigen: Organisationen und interorganisationale Netzwerke, wie immer gesteuert durch Governance Strukturen, steuern doch zweifellos ihrerseits das Handeln der Akteure (siehe oben), und sie nehmen auch
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In anderer Hinsicht hätte ich weiteren Modifikationsbededarf, auf den es mir aber im Moment nicht ankommt. Insbesondere fehlt mir im oberen Trapez in der Abbildung 3 die Ökonomie, die Scott denn audi erst auf der Ebene der Governances vorsieht ökonomische Institutionen aber gibt es auch gesellschaftsweit, wie ich im 5. Abschnitt noch ausführlicher diskutieren werde.
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Abbildung 3: Institutionen: Ein Schichtenmodell
Quelle: Scott 1994,57
Einfluß auf gesellschaftsweite Strukturen, Regeln und Regulationen, etwas, das ich unten unter dem Titel "rekursive Regulation" behandeln werde (Abschnitt 9). Damit komme ich zu der in Abbildung 4 wiedergegebenen schematischen Darstellung.
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Abbildung 4: Institutionen, Organisationsnetzwerke, Organisationen, Akteure: rekursive Konstitution
gesellschaftsweite institutionelle Ordnung Ordnung von Einzelhandlungen und von Systemen organisierter Einzelhandlungen und von Ordnungen von Einzelhandlungen und Systemen organisierter Einzelhandlungen Ψ
Ψ
organisational fields, interorganisationale Netzwerke, industrial orders, governances, Regionen, Branchen, Sektoren Ordnungen von Einzelhandlungen und Systemen organisierter Einzelhandlungen A
A
Organisationen Λ-
^
Systeme organisierter Einzelhandlungen
Akteure Einzelhandlung
Darin sollen die rekursiven Konstitutionsverhältnisse zwischen allen vier Ebenen des Sozialen - der Einzelhandlung, der Organisation, organisationaler Felder/Netzwerke etc. und gesellschaftsweiter institutioneller Ordnung - zum Ausdruck kommen. Wenn dort von Ordnung, "order", "field", Netzwerk u.ä. die Rede ist, dann sind jeweils institutionelle Ordnungen im Sinne gesellschaftlich auferlegter regelmäßiger Praktiken gemeint, die also nur in der Fülle der nicht-organisierten oder
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organisierten Einzelhandlungen, nicht etwa losgelöst von ihnen, existieren. Das Schema soll ferner andeuten, daß wir von Institutionen immer unter Angabe ihrer Reichweite - Luhmann würde sagen: der Systemreferenz - sprechen sollten: Es gibt organisationsweite, netzwerk-/branchenweite etc. und gesellschaftsweite Institutionen. Sodann wäre zu ergänzen, daß die gesellschaftsweite institutionelle Ordnung analytisch jederzeit zerlegt werden kann und praktisch jedenfalls in modernen Gesellschaften ausdifferenziert ist in symbolische, legitimatorische, politische und ökonomische Teilordnungen - ich zögere, mit Luhmann zu sagen: Teilsysteme. Man beachte schließlich, daß die Zuordenbarkeit eines "Akteurs" im Sinne eines Produzenten der jeweiligen Ordnung von Ebene zu Ebene rapide abnimmt. Der Akteur der Einzelhandlung kann vielleicht auf der Ebene der Organisation noch durch das Konzept des korporativen Akteurs gerettet werden. Bei organisationalen Netzwerken mag davon noch ein Rest bleiben, sofern es sich um strategische Netzwerke im Sinne Sydows (1992) handelt. Regionalen Netzwerken, organisationalen Feldern etc. und erst recht gesellschaftsweiten institutionellen Ordnungen sind in diesem Sinne Akteursbegriffe gar nicht mehr zuordenbar, sondern nur noch individuelle und korporative Akteure mit mehr oder mit minder großem Einfluß auf die jeweilige institutionelle Ordnung. Alle diese Ebenen, das natürlich möchte ich sodann zum Ausdruck bringen, erscheinen mir relevant unter ökologischen Gesichtspunkten. Es ist nicht damit getan, wie es meistens geschieht, entweder auf "die" Gesellschaft oder auf "den" Menschen zu schauen und entweder hier oder da oder auch an beiden "Enden" die Antwort auf ökologische Fragen zu suchen. Ich werde also im folgenden die Ebene individueller Akteure nur punktuell streifen und verweise ansonsten auf die wenigen Hinweise oben. Erwähnen möchte ich nur, daß in der Diskussion um Effizienz-
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versus Suffizienzrevolution bedacht sein will: erstens, daß Suffizienz, soweit sie als Genügsamkeit von Individuen zur Geltung zu bringen ist, in einem rekursiven Konstitutionsverhältnis zu den Formen und der Effizienz der Produktion steht, weil, wie schon Marx sah und die Mainstream-Ökonomie leider beharrlich ignoriert, nicht nur die Produktion durch die Bedürfnisse, sondern auch die Bedürfnisse durch die Produktion hervorgebracht werden; zweitens, daß sie - Genügsamkeit - zu den paradoxalen Zuständen zählt, die wesentlich Nebenprodukt sind und die Jon Elsters Analyse zufolge intendiert gerade nicht erreicht werden können (1987,141 fi). Mehr noch als anderswo gilt in puncto Genügsamkeit und, allgemein gesprochen, Wandel der Bedürfnisse oder Präferenzen, daß nicht am Anfang die fertige Idee, der fertige Plan stehen kann, der dann nur noch zu realisieren wäre. Die Evolution der Bedürfnisse ist zutiefst pfadabhängig und muß der Logik des KleistTheorems folgen, das ich später entwickle: muß allmähliche Veränderung der Bedürfhisse im und durch das Handeln sein. Das durch und durch rekursive Schema von Assimilation und Akkommodation der Piagetschen Entwicklungspsychologie wäre dazu ein möglicher gedanklicher Rahmen (Piaget 1975). Das kann ich hier nicht näher ausführen, obwohl im Wohlstand auf niedrigem Produktionsniveau - Marshall Sahlins' Zen-Weg zum Wohlstand (1978) - sicherlich eines der wichtigsten Desiderate der gesamten ökologischen Forschung und Praxis liegt (für den, wie erwähnt, die neoklassische Ökonomie wegen der darin implizierten Endogenisierung der Präferenzen nicht gut gerüstet ist.) Wohl aber werfe ich, im Abschnitt 5, einen Blick auf die Ebene der
Gesellschaft und gesellschaftsweiter Institutionen und die wichtigsten Erklärungen der Umweltzerstörung, die auf dieser Ebene ansetzen. Dann, in einem Abschnitt (6.) über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden, der mir während der allmählichen Verfertigung meiner Gedanken beim Schreiben dieses Beitrags in unvorhersehbarer
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Weise in die Feder geflossen ist, nehme ich eine rekursive Gegenposition zur neoklassischen MikroÖkonomie in der Frage des Verhältnisses von Denken und Handeln ein. Erst danach, in den Abschnitten 7, 8 und 9, konzentriere ich mich auf die organisa-
tionstheoretisch interessanten Analyseeinheiten·, die Organisation, organisational Felder, Netzwerke etc. und schließlich das Verhältnis von Regulation und Organisation. Regulation verstehe ich als Versuch der formalen Institutionalisierung durch Recht und Politik, der auf eine gewisse Kanalisierung (individuellen und) organisationalen Verhaltens zielt und der daher Abwehrversuche, Einflußnahme, Umgehungsversuche etc. der betroffenen Organisationen nach sich zieht: rekursive Regulation.
5. Die Verriegelung der Welt im Zustand der Überweidung Erklärungen aus gesellschaftstheoretischer Perspektive Johannes Berger (1994), auf dessen instruktiven Überblick ich mich schon mehrfach bezogen habe, unterscheidet objektive, auf materiellen oder physischen Zusammenhängen beruhende Ursachen von - der subjektiven Welt entstammenden - Gründen der Umweltzerstörung. Als Ursachen identifiziert er das ökonomische Wachstum in seiner industriellen Form und das Bevölkerungswachstum. Dann fragt er nach den Gründen, warum der Umwelt im Handeln und Entscheiden nicht genügend
Aufmerksamkeit
gewidmet
wird
und
nennt
vier
sozialwissenschaftliche Erklärungsansätze: (1.) Überweidung, "the tradegy of commons" (Hardin 1968), und ein "Lock In" der Akteure in einem sozialen Dilemma, das im Falle von öffentlichen Gütern den einzelnen rationalen Akteur in ein "free riding" nötigt, so sehr er auch die negativen Folgen sehen mag, die das für alle
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hat. Das ist mikroökonomische Lehrbuchweisheit, und die Frage nach der Remedur wird dabei für kleinere Gemeinschaften mit "Kooperation" beantwortet: Soziale Sanktionierung und/oder private Aushandlungen zwischen Schädigern und Geschädigten sorgen für kooperative Lösungen. In größeren Gruppen funktioniert das immer schlechter - unter anderem wegen prohibitiver Transaktionskosten - , und staatliche Intervention ist gefragt, die entweder öffentliche Güter teuer macht oder den Zugang zu ihnen sonstwie reguliert. Ich werde im 9. Abschnitt zeigen, daß dies, schwierig genug, nicht zuletzt deshalb so schlecht klappt, weil unsere trittbrettfahrenden Organisationen den Versuchen, der Trittbrettfahrerei auf dem Raumschiff Erde durch "pricing" oder Regulation den Garaus zu machen, nicht tatenlos zusehen - was wir alle wissen, was in der Theorie jedoch wenig Aufmerksamkeit erfahrt und auch von Berger nicht thematisiert wird. "Überweidung" steht hier natürlich als Metapher: die ganze Welt als Weide, obwohl etwa das Sahel-Syndrom - die Übemutzung von Erdflächen durch verarmte, ausgegrenzte Gruppen - diese Tragödie buchstäblich wiederholt und übrigens schon zeigt, wie voraussetzungsreich in Sachen institutioneller Struktur die vermeintlich so voraussetzungsarme orthodoxe Mikroökonomie ist: Sanktionen, Aushandlungen, geschädigte Eigentümer, Preise, ein Staat, der reguliert: all diese einschlägigen Fachbegriffe mögen an der Wirklichkeit der Sahel-Zonen dieser Welt irgendwie vorbeigehen. (2.) Funktionale Differenzierung der Gesellschaft in spezialisierte Teilsysteme, die expansive Tendenzen aufweisen, indifferent gegen Umweltprobleme sind und wegen ihrer - in Luhmanns Terminologie: autopoietischen - Geschlossenheit staatlicher Intervention schwer zugänglich sind. Das Subsystem Wirtschaft zumal "decides according to costs and returns and is blind to factors that have no price." (Berger 1994, 783) Auch hier ist die Kur nicht leicht zu sehen: Die Analyse
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erweist vielmehr ihre Unwahrscheinlichkeit. Luhmann scheint sich von einer wachsenden Selbstreflexivität der Wirtschaft jedenfalls mehr zu erwarten als von staatlichen Eingriffen. Das wird manchem als extrem schwache Hoflhung erscheinen, aber die Hofíhung auf unschuldige Regulationsinstanzen werden sich ihrerseits (im 8. Abschnitt) noch als naiv herausstellen. (3.) Zunehmende Riskanz der Moderne und Probleme in der Risikobearbeitung, wie sie Perrow (1984), und in der Risikowahrnehmung, wie sie Beck (1986) analysiert hat. (4.) Eine westliche Kultur, die mit ihrer Trennung von Subjekt und Objekt, ihrer "homo faber-Position", ihrem Faustischen Ideal der Menschen- und Naturbeherrschung, ihrem typischen Fehlen sei's ökonomischer, sei's wissenschaftlicher, sei's moralischer Begrenzungen und Bindungen die Naturzerstörung auf die Agenda der Geschichte gesetzt hat. Berger (1994, 785) hat diese homo faber-Einstellung zur Welt, Freyer (1955) paraphrasierend, so zusammengefaßt; "humans can make things; humans can plan societies; human kind can become civilized; and history can be brought to an end." Es ist nicht ganz ohne Ironie, wie diese Überzeugungen, die uns in die Bredouille geführt haben, ausgerechnet am Ausgang dieses Jahrhunderts zusammenbrechen, da das, was sie verheißen hatten, angesichts dessen, was sie uns eingebrockt haben, am bitternötigsten gebraucht würde: die Machbarkeit der Gesellschaft, nun im Sinne von "sustainable development". Wo Gefahr ist, weicht das Rettende auch? Berger (1994, 785) jedenfalls diskutiert gute Gründe, weshalb gerade dieser letzte Erklärungsansatz zu Hoflhung wenig Anlaß bietet, Gründe, die die bekannten Zweifel an der Machbarkeit - und an der Wünschbarkeit der Machbarkeit - von Kultur erneuern. Mit Blick auf Gesellschaft als Ganzes mündet das in die Diagnose einer institutionellen, ökonomischen, kognitiven und normativen Trägheit, die nicht dem unwilligen Geist und nicht dem
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schwachen Fleisch des Menschen, sondern einem "Lock In" der gesellschaftlichen Strukturen geschuldet ist. (Ich habe die Probleme nur sehr allgemein und manchmal exemplarisch umrissen. Andere Foci rücken anderes in den Mittelpunkt. Die rekursive Beziehung zwischen Staatsverschuldung, Produktpreisen und Zinsen wäre ein Beispiel, das unter ökologischen Gesichtspunkten erforscht zu werden verdiente.) Gleichwohl bietet Berger (1994, 785) eine Systematik denkbarer Mittel und Wege zum Umweltschutz: 1. Technische Lösungen (Effizienzsteigerung, Schadstoffreduktion, Nutzung erneuerbarer Ressourcen) 2. Verhaltensänderungen 2.1 Änderung der Verhaltensbeschränkungen 2.1.1 durch bindende Vorschriften (Regulation) 2.1.2 durch Anreizstrukturen 2.1.2.1 Preisstandards à la Baumol/Oates (1975) (Internalisierung von Emissionskosten) 2.1.2.2 Verkauf von Rechten zur Umweltbelastung 2.2 Verhaltensänderung durch steigendes Umweltbewußtsein Folgt ein Referat über die Meinungsforschung in Sachen Umwelt und über Fortschritte in ökologischer Ethik. Das ist alles sehr informativ, sehr empirisch, sehr nüchtern, sehr ernüchternd, folgt weitgehend einem orthodoxen Diskurs "Markt oder Regulation" und verfolgt die Konsequenzen überhaupt nicht bis ins Innere von Organisationen. Dazu müssen wir weiterreichende Überlegungen anstellen, betreffend selbsttragende und - in zu präzisierendem Sinne - selbstregulierte Entwicklungen innerhalb von Organisationen und organisationalen Feldern (s. Abschnitte 7, 8 und 9). Nun geht es mir keineswegs darum, Einwände gegen jene Ernüchterung zu erheben. Im Gegenteil werde ich selbst dazu noch beitragen - siehe unten - und finde im übrigen, daß Berger sein
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Instrumentarium viel zu wenig - eigentlich fast gar nicht - mit der zuvor präsentierten Theoriepalette konfrontiert, die ja, äußerst milde formuliert, größte Skepsis nahelegt, betreffend die Frage, ob jene Wege mit der gebotenen Energie beschritten werden dürften. Auch fehlt mir eine Diskussion der rekursiven Verstärkung der in diesen Theorieansätzen genannten Barrieren wider den Umweltschutz. Ökonomische Dilemmata, die Ausdifferenzierung der Wirtschaft, die Faustische Kultur und die Riskanz der Moderne aber sind, wie Berger natürlich weiß, nicht unabhängig voneinander. Wenn auch das Bewußtsein das gesellschaftliche Sein bestimmt, so müssen wir vom umgekehrten Zusammenhang nicht schon deswegen absehen, weil der Autor der einschlägigen Formulierung es sozusagen zum anerkannten Mitglied der "scientific community" nicht gebracht hat. Nein, wenn wir Ernst machen wollen mit der Idee der Rekursivität, dann müssen wir der Tatsache ins Auge sehen, daß sie die Möglichkeit einer zirkulären Dogmatik impliziert, nach dem Muster: Ich arbeite in einem Kernkraftwerk, weil ich für den Ausbau der Kernkraft bin, und ich bin für den Ausbau der Kernkraft, weil ich in einem Kernkraftwerk arbeite. Ich bin Fischer im Wattenmeer, also kämpfe ich gegen die '"Krake1 Nationalpark Wattenmeer". "Trau niemals einem Ökologen, sonst bist Du um dein Brot betrogen." (S. "Die Zeit" Nr. 43 vom 18.10.1996, S. 81) Das ist, was wir einen Teufelskreis zu nennen pflegen. Die Welt ist voll davon10.
10 Manchmal sind es "Zirkel des Anfangs": Die Solartechnik ist noch zu teuer, um massenhaft akzeptiert und gekauft zu werden, und sie wird nicht billiger, weil sie nicht massenhaft gekauft wird. Dann geht es vielleicht "nur" darum, kritische Schwellen zu überschreiten, kritische Massen zu erreichen. Farrell und Saloner (1987) analysieren einen solchen Zirkel mit den Mitteln der Spieltheorie als Pinguin-Effekt: Viele Pinguine stehen auf der Eisscholle, jeder hat Hunger auf Fische, aber jeder wartet ab und drängelt eher andere ins Wasser, weil dort ja Gefahr lauem könnte: "See and wait" nennt man diese Strategie, aus der erst die Idee der allmählichen Verfertigung von Kooperation, Organisation und Institutio-
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Zwischen Handeln und Bewußtsein - und auch Änderungen von Verhaltensbeschränkungen, die ja nicht mit Bewußtseinsänderungen rechnen, erfordern Bewußtseinsveränderungen, nämlich bei denen, die solche Beschränkungen etablieren - besteht genau diese rekursive Zirkularität. Nachdenken müssen wir daher nicht über beide getrennt, sondern über beide in ihrem rekursiven Konstitutionszusammenhang. Sonst bleibt es bei einer seltsamen Arbeitsteilung: Not tut mehr Umweltbewußtsein, und da sind vor allem die, wie es im Soziologenjargon heißt, sozialen Bewegungen gefragt und gefordert. Und not tut ein anderes Verhalten, und da sind Techniker und Ökonomen gefragt. (Und die Soziologen sind als Autoren dieser traurigen Geschichte gefragt.) Wenn also das Coase-Theorem das "Bargaining" zwischen Schädigern und Geschädigten, der "price standard approach" von Baumol and Oates Emissionsgebühren anempfiehlt, dann schlage ich als notwendige Ergänzung, ja: als diejenige Denkfigur, in der jene Konzepte als bloß partielle sichtbar werden, das Kleist-Theorem vor: entnommen seinem Text "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden".
6. "... Kunstgriffe, zur Fabrikation meiner Idee auf der Werkstätte der Vernunft, die nötige Zeit zu gewinnen" Kleists unerhört zarte Polemik wider die Vorstellung, "von nichts zu sprechen, als nur von Dingen, die du bereits verstehst", wider die Vorstellung also, erst müsse der Gedanke fertig sein, um dann in der
nalisiening herausführt Denn es ist eine ^Coopérations-, Organisations- und institutionelle Lücke, die verhindert, daß die einzelnen mit ihren Einzelrationalitäten in Gang kommen, wie Kubicek (1993) und Monse/Reimers (1994) in gänzlich anderem Zusammenhang gezeigt haben.
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Redefixund fertig nur noch ausgesprochen zu werden, ist ja auch eine, und vielleicht die schönste, Metapher dafür, daß das Denken und Handeln der Menschen sich in rekursiven Schleifen abspielt. Reden, so läßt sie sich lesen, steht darin für Handeln, und die rekursiven Schleifen fuhren vom wie immer vorläufigen Denken zum wie immer probenden, tastenden Handeln und zurück und so weiter. Vom Bewußtsein zum Verhalten zum Bewußtsein zum Verhalten zum .... Kostprobe gefällig, zur Erinnerung? (Die Erinnerung spielt in Kleists Schrift natürlich eine wichtige Rolle, weil wir uns an das stattgehabte Handeln ja erinnern müssen, um es zu bedenken ... ) "Oft sitze ich an meinem Geschäftstisch über den Akten, und erforsche, in einer verwickelten Streitsache, den Gesichtspunkt, aus welchem sie wohl zu beurteilen sein möchte. Ich pflege dann gewöhnlich ins Licht zu sehen, als in den hellsten Punkt, bei dem Bestreben, in welchem mein innerstes Wesen begriffen ist, sich aufzuklären. Oder ich suche, wenn mir eine algebraische Aufgabe vorkommt, den ersten Ansatz, die Gleichung, die die gegebenen Verhältnisse ausdrückt, und aus welcher sich die Auflösung nachher durch Rechnung leicht ergibt. Und siehe da, wenn ich mit meiner Schwester davon rede, welche hinter mir sitzt, und arbeitet, so erfahre ich, was ich durch ein vielleicht stundenlanges Brüten nicht herausgebracht haben würde. Nicht, als ob sie es mir im eigentlichen Sinne sagte-, denn sie kennt weder das Gesetzbuch, noch hat sie den Euler, oder den Kästner studiert. Auch nicht, als ob sie mich durch geschickte Fragen auf den Punkt hinführte, auf welchen es ankommt, wenn schon dies letzte häufig der Fall sein mag. Aber weil ich doch irgend eine dunkle Vorstellung habe, die mit dem, was ich suchte, von fern her in einiger Verbindung steht, so prägt, wenn ich nur dreist damit den Anfang mache, das Gemüt, während die Rede fortschreitet, in der Notwendigkeit, dem Anfang nun auch ein Ende zu finden, jene verworrene Vorstellung zur völligen Deutlichkeit aus, dergestalt, daß die Erkenntnis, zu meinem Erstaunen, mit der Periode fertig ist. Ich mische unartikulierte Töne ein, ziehe die Verbindungswörter in die Länge, gebrauche auch wohl eine Apposition, wo sie nicht nötig wäre, und bediene mich
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Günther Ortmann anderer, die Rede ausdehnender, Kunstgriffe, zur Fabrikation meiner Idee auf der Werkstätte der Vernunft, die gehörige Zeit zu gewinnen. Dabei ist mir nichts heilsamer, als eine Bewegung meiner Schwester, als ob sie mich unterbrechen wollte; denn mein ohnehin schon angestrengtes Gemüt wird durch diesen Versuch von außen, ihm die Rede, in deren Besitz es sich befindet, zu entreißen, nur noch mehr erregt, und in seiner Fähigkeit, wie ein großer General, wenn die Umstände drängen, noch um einen Grad höher gespannt. In diesem Sinne begreife ich, von welchem Nutzen Molière seine Magd sein konnte; denn wenn er derselben, wie er vorgibt, ein Urteil zutraute, das das seinige berichten konnte, so ist dies eine Bescheidenheit, an deren Dasein in seiner Brust ich nicht glaube. Es liegt ein sonderbarer Quell der Begeisterung für denjenigen, der spricht, in einem menschlichen Antlitz, das ihm gegenübersteht; und ein Blick, der uns einen halbausgedrückten Gedanken schon als begriffen ankündigt, schenkt uns oft den Ausdruck für die ganze andere Hälfte desselben. Ich glaube, daß mancher große Redner, in dem Augenblick, da er den Mund aufmachte, noch nicht wußte, was er sagen würde. Aber die Überzeugung, daß er die ihm nötige Gedankenfülle schon aus den Umständen, und der daraus resultierenden Erregung seines Gemüts schöpfen würde, machte ihn dreist genug, den Anfang, auf gutes Glück hin, zu setzen."
An diesem kleinen Text ist mir hier fünferlei wichtig: "Zur Fabrikation meiner Idee auf der Werkstätte der Vernunft" braucht es, erstens, Zeit, weil nämlich die Rekursivität von Handeln und Denken in die Zeit sich erstrecken können muß. Damit spreche ich natürlich nicht für Aufschub und Verzögerung in der Umweltpolitik, sondern im geraden Gegenteil dafür, überall so schnell es geht "den Anfang, auf gutes Glück hin, zu setzen" und so der Sache die Zeit zu gewähren, die sie nun einmal braucht. Wohl aber scheint mir, daß in Kleists Rekurs auf Zeit in Begriffen des Nicht-Fix-und-Fertigen, des Erst-noch-Kommenden, des gedanklichen Vor- und Zurückgreifens, des Aufschubs und Zögerns, einer Gegenwart, die sozusagen erst durch das In-die-Länge-Ziehen von Verbindungswörtern Präsenz gewinnt, Verbindungswörtern zwischen dem schon vergangenen Gedanken eben und dem noch durchaus dunk-
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len Gedanken, der mir erst noch kommen soll, - daß in all dem eine große Geistesverwandtschaft zu Derridas "différance" besteht (Derrida 1976, 1988a, 1988b). Kleists Schwester, Molières Magd - sie sind Mägde der "différance", Anwältinnen eines Zuhörens jenseits feststellenden, identifizierenden Denkens. "Unerträglich ist der Versuch, dem Entweder-Oder sich zu entwinden, das Mißtrauen gegen das abstrakte Prinzip, Unbeirrbarkeit ohne Doktrin", klagten Horkheimer und Adorno in der "Dialektik der Aufklärung" (1971, 213), und: "Nicht bloß das Wort, das die Macht treffen will, sondern auch das Wort, das tastend, experimentierend, mit der Möglichkeit des Irrtums spielend, sich bewegt, ist allein deshalb intolerabel. Aber: unfertig zu sein und es zu wissen, ist der Zug auch jenes Denkens noch und gerade jenes Denkens, mit dem es sich zu sterben lohnt." (218 f.) In Kleists "Werkstätte der Vernunft" hat es eine Produktionsstätte. Von dieser Fähigkeit, dem Entweder-Oder sich zu entwinden - entweder Effizienzoder Suffizienzrevolution, entweder Regulation oder Selbstverpflichtung, und wie die Scheinalternativen alle heißen - und Umweltpolitik als langfristige Angelegenheit zu betrachten, als Lernprozeß, der über "trial and error" verlaufen können muß (Jaenicke 1996), können wir etwas gebrauchen. (Man beachte übrigens, daß die "Werkstätte der Vernunft" die Praxis ist, hier: das praktische Reden, nicht etwa der Kopf, der Geist allein, sondern das Handeln, inklusive "reflexive monitoring of action", mit Giddens zu sprechen.) Zweitens ist in dem Text erstaunlich oft die Rede von der Gespanntheit des Gemüts, seiner Erregung, Begeisterung, die zum einen im eigenen Reden und Sich-Klarwerden, zum anderen im Zum-anderenSprechen und im "menschlichen Antlitz, das uns gegenübersteht", ihren Quell haben. "Gemüt" meint für Kleist, wie für Kant, so etwas wie den inneren Sinn. Daß er aber erregt und begeistert sein will, wenn er in Handeln münden soll, korrespondiert aufs Genaueste mit jüngeren
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Einsichten der Forschung zum Umweltbewußtsein, "daß weder eine ausgeprägte 'ökologische Werthaltung1 noch ein differenziertes und umfassendes Handlungswissen" ökologisch verantwortliches Handeln garantieren (Birke/Schwarz 1994, 12; s. auch Lantermann u.a. 1992, 90), sondern die "RessourceEmotion" (Lantermann u.a. 1992, 96) von ausschlaggebender Bedeutung sei. Und Kleist sagt, auf seine Weise: Diese Emotion müssen wir uns als rekursives Resultat eben jenes Handelns denken, zu dem sie motiviert - und nicht als ein sozialtechnologisch zu setzendes Erstes, "principium", aus dem dann alles weitere schon folgt. Beides zusammengenommen bedeutet, drittens, daß Kleist eine klare und konkrete Vorstellung von dem gehabt haben muß, was man heute in der Evolutionstheorie11, besonders in der evolutionären Ökonomie und der Technikgeneseforschung, Pfadabhängigkeit nennt: Die Schritte einer evolutionären Schrittfolge sind nicht von Anfang an determiniert - Kleists Reden nicht durch den fertigen Gedanken, unser Handeln nicht durch einen fertigen Plan, die ökonomische Entwicklung nicht durch ein ein für allemal feststehendes "principium" namens Effizienz - , sondern ein Schritt folgt eben auf den anderen, und der eine Schritt fuhrt vielleicht in Neuland, so daß der folgende Schritt sich unvermutet darin bewegen und neu orientieren muß. Dies ist es, was uns in jene "Lock Ins" treibt, die ich eben beklagt habe. Es läßt sich aber auch in umgekehrter Richtung nutzen - Kleist lehrt es uns. Das Bild, das er entwirft, ist so ganz und gar verschieden von dem der neoklassischen MikroÖkonomie, auf die Johannes Berger sich allzu sehr stützt. Die braucht am Anfang den fertigen Gedanken - das 11 Wunderbare Bücher darüber, die letzteren beiden übrigens mit explizitem Rekurs auf Evolution und Pfadabhängigkeit auf den Feldern der Technik, der Organisation und der Wirtschaft, haben Stephen Jay Gould (1994a, 1994b) und Stuart Kauffinan (1996) geschrieben.
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Nutzenkalkül - und dann die Tat - die Wahl der effizientesten Alternative. "Path dependency" ist ihr ein Greuel. Und so etwas wie ein gespanntes Gemüt, Begeisterung und Erregung geht ihr gänzlich ab. Daß wir, redend, handelnd, vielleicht erst entdecken, was wir wünschen, uns fur Neues begeistern, im Lichte womöglich neuentdeckter Möglichkeiten, ist ihr zuwider, weil es auf endogene Präferenzbildung hinausliefe, und das kann sie, wie Berger am Schluß seines Beitrages deutlich sagt, bekanntlich nicht zulassen, weil dann ihr ganzes Theoriegebäude einzustürzen droht. (Und was von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist nicht, wie Marx meinte, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut, sondern, daß er sie im Kopf baut und umbaut, noch während er sie in Wachs baut.) Soweit es dabei um die Suche nach etwas Neuem geht, bietet Kleists Selbstbeobachtung viertens eine ziemlich kluge Lösung des Platonischen Suchparadoxon, das ja besagt: Die Suche nach der Lösung eines Problems sei paradoxal, weil sie etwas Unbekanntem gelte, von dem man eben deshalb nicht wissen könne, wo und wie es zufindensei. Ich habe anderswo12 diese paradoxe Suche als rekursiven Prozeß des Tastern und Probierens beschrieben, in dem das Handeln - Tasten - in kurzen Zyklen des "reflexive monitoring" zum Denken und dann wieder zum Handeln fuhrt und merkwürdigerweise die Lösung eines Problems von konstitutiver, jedenfalls mitentscheidender Bedeutung für die ProblemStellung ist, die sich nämlich im Lichte neuer Lösungsmöglichkeiten erst vollends klärt und womöglich modifiziert.13 Zu-
12 S. den Beilrag "Das Alte und das Neue" in Ortmann (1995a, 393 fí), mit Rekurs auf Michael Polanyi (1985),Murata (1984), Waidenfels (1985,1991) und Oevermann (1991). 13 Die Kehrseite dieser Medaille: Erfinder erfinden nicht nur neue Lösungen, sondern oft genug auch geeignete Probleme (Carlson 1992).
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kunftswerkstätten, Planungszellen, Dialoge und Diskurse zwischen Unternehmungen, Umweltschutzorganisationen und Bürgerbewegungen (zu letzterem s. Krohn 1995; Behrens/Meyer-Stumborg/Simonis o.J.) verstehe ich als gesellschaftliche Orte solchen Tastens - als Orte der allmählichen Verfertigung und Konkretisierung von Konzepten nachhaltiger Entwicklung im kommunikativen und praktischen Handeln. In der sozialwissenschaftlichen Technikforschung ist die Idee der Rekursivität, Sequenzialität und Pfadabhängigkeit der Technikentwicklung und, in Konsequenz dessen, des frühzeitigen Dialogs mit denjenigen geläufig, die von einer technischen Innovation betroffen sind - man denke an Müllverbrennungsanlagen oder etwa die Transrapid-Bahn (Krohn 1995; Weyer u.a. 1997). Das dient der Vermeidung oder Lockerung von Innovationsblockaden und der Öffnung von Innovationskorridoren via Partizipation. An die Stelle einer langen Rückkopplungsschleife, die von der fix und fertigen Idee über deren Ausarbeitung und Implementation hinweg- und erst von dort zurückfuhrt, und die für gewöhnlich viel zu spät Implementationswiderstand und Praktikabilitätslücken offenbart, sieht dieser partizipative Weg viele kurze Rückkopplungsschleifen während des gesamten Innovationsprozesses vor - die allmähliche Verfertigung der Innovation im reflektierenden, reflektierten Handeln. Das können wir auf ökologische Innovationen, und dort nicht nur technologische, zwanglos übertragen. In der Innovationsökonomie gewinnen Konzepte des "learning by doing" und "learning by using" an Boden (Dosi 1988; Kowol/Krohn 1995), die von einem ähnlichen Bewußtsein zeugen: daß wir handelnd erst an Klarheit über unsere Handlungsmittel und -möglichkeiten gewinnen. Ich halte es daher mit einem Ökonomen, der den Gedanken, daß wir am Anfang nicht wissen, und er sagt: zum Glück nicht wissen, wohin die Reise geht, in eine überraschende Richtung weitergesponnen hat:
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Albert O. Hirschman. Wo für den Neoklassiker unvollkommene Information allenfalls als Übel in Betracht kommt, dem schleunigst durch optimale Suchaktivitäten beizukommen sei und das sodann durch das geringere Übel bekannter Wahrscheinlichkeiten scheinbar ersetzt wird, da erklärt Hirschman just jene Ignoranz und unsere durch und durch menschliche Unfähigkeit, uns diese Ignoranz klarzumachen - zu wissen, was wir nicht wissen - , zur Bedingung der Möglichkeit allen Handelnd*. Diese "ignorance of ignorance" schützt uns Handelnde vor der Einsicht in die Sisyphos-Qualen, die uns vielleicht bevorstehen, und nur so sind wir handlungsfähig. Wir handeln, sozusagen, drauflos, setzen den Anfang auf gutes Glück hin, beschirmt von Hirschmans "hiding hand" - und ernten dann die Früchte, die wir unterwegs finden: neue Ideen, neue Kreativität, neue Lösungen, und oft genug neue Ziele anstelle der alten. Hirschman ist Kleists Bruder im Geiste. Ich sollte daher vielleicht vom Kleist-Hirschman-Theorem sprechen. Für die Forschung war es Bateson, fur Organisationen Karl Weick (1985), die diesen Gedanken ausgearbeitet haben. "Ein Forscher kann nie wissen, was er erforscht, bis es erforscht ist." (Bateson 1972, VXI) Weicks Kleistischer Wahlspruch lautet: "How can I know what I think until I see what I say?" Zumal fur das Handeln in Organisationen, erst recht zwischen Organisationen, auf organisationalen Feldern, in interorganisationalen Netzwerken und in der Interaktion zwischen regulierten und regulierenden Organisationen gilt das Kleist-Hirschman-
14 Hirschman (1967). Wenn Niklas Luhmann (1992, 186) angesichts dessen fragt: "Aber wie kann man sein Handeln anderen damit plausibel machen, daß man nicht weiß, was dabei herauskommt?" und beklagt, daß wir angesichts der Ungewißheit der Folgen unseres Handelns vor die Alternative "entweder Nichthandeln... oder ins Ungewisse hinein" (183) gestellt seien, dann wird das, gerade weil er recht hat, der Radikalität der Hirschmanschen Einsicht nicht ganz gerecht - und das, obwohl Luhmann diese Radikalitat durchaus parat hat, wenn es ums Beobachten - und seine notwendigen blinden Flecke - geht
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Bateson-Weick-Theorem: Wie können wir wissen, was wir wollen sollen, bevor wir sehen, was wir tun? Das radikalisiert Poppers "piecemeal engineering", Lindbloms "muddling through". Kleist war sich fünftens auch darüber im Klaren, daß seine Denkfigur impliziert, was im Jargon der modernen Theorien der Pfadabhängigkeit "small events" genannt wird: das kleine, zufallige, aber vielleicht ausschlaggebende Ereignis am Anfang einer langen Entwicklung; der Schlag des Schmetterlingsflügels aus der ChaosTheorie; bei Kleist: das Zucken einer Oberlippe, wie aus der Fortsetzung seines Gedankens hervorgeht. Diese Fortsetzung sei deshalb hier zitiert - und aus einem zweiten Grunde: weil sie, die doch mit der Spontaneität eines Donnerkeils anhebt, in - ausgerechnet - Institutionalisierung und Organisation mündet, und darauf muß ich so langsam zu sprechen kommen. Beachten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, wie hier formale Institutionalisierung aus dem Geschehen hervorgeht - Mirabeau hatte in seiner Rede vom 23.6.1789 den Anstoß für die Unabhängigkeitserklärung der französischen Nationalversammlung gegeben, die so zum Organ der Gesetzgebung - zum Organ formaler Institutionalisierung - wurde: "Mir fällt jener Donnerkeil' des Mirabeau ein, mit welchem er den Zeremonienmeister abfertigte, der nach Aufhebung der letzten monarchischen Sitzung des Königs am 23. Juni, in welcher dieser den Ständen auseinanderzugehen anbefohlen hatte, in den Sitzungssaal, in welchem die Stände noch verweilten, zurückkehrte, und sie befragte, ob sie den Befehl des Königs vernommen hätten? 'Ja', antwortete Mirabeau, "wir haben des Königs Befehl vernommen' - ich bin gewiß, daß er bei diesem humanen Anfang noch nicht an die Bajonette dachte, mit welchen er Schloß: 'ja, mein Herr1, wiederholte er, 'wir haben ihn vernommen' - man sieht, daß er noch gar nicht recht weiß, was er will. Doch was berechtigt Sie' - fuhr er fort, und nun plötzlich geht ihm ein Quell ungeheurer Vorstellungen auf - 'uns hier Befehle anzudeuten? Wir sind die Repräsentanten der Nation.' - Das war es was er brauchte! Die
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Nation gibt Befehle und empfängt keine.' - um sich gleich auf den Gipfel der Vermessenheit zu schwingen. Und damit ich mich Ihnen ganz deutlich erkläre' - und erst jetzo findet er, was den ganzen Widerstand, zu welchem seine Seele gerüstet dasteht, ausdrückt: 'so sagen Sie Ihrem Könige, daß wir unsre Plätze anders nicht, als auf die Gewalt der Bajonette verlassen werden.' - Worauf er sich, selbstzufrieden, auf einen Stuhl niedersetzte. - Wenn man an den Zeremonienmeister denkt, so kann man sich ihn bei diesem Auftritt nicht anders als in einem völligen Geistesbankerott vorstellen; nach einem ähnlichen Gesetz, nach welchem in einem Körper, der von dem elektrischen Zustand Null ist, wenn er in eines elektrisierten Körpers Atmosphäre kommt, plötzlich die entgegengesetzte Elektrizität erweckt wird. Und wie in dem elektrisierten dadurch, nach einer Wechselwirkung, der ihm inwohnende Elektrizitätsgrad wieder verstärkt wird, so ging unseres Redners Mut, bei der Vernichtung seines Gegners zur verwegensten Begeisterung über. Vielleicht, daß es auf diese Art zuletzt das Zucken einer Oberlippe war, oder ein zweideutiges Spiel an der Manschette, was in Frankreich den Umsturz der Ordnung der Dinge bewirkte. Man liest, daß Mirabeau, sobald der Zeremonienmeister sich entfernt hatte, aufstand, und vorschlug: 1) sich sogleich als Nationalversammlung, und 2) als unverletzlich, zu konstituieren. Denn dadurch, daß er sich, einer Kleistischen Flasche15 gleich, entladen hatte, war er nun wieder neutral geworden, und gab, von der Verwegenheit zurückgekehrt, plötzlich der Furcht vor dem Chatelet, und der Vorsicht, Raum." Organisation und Institutionalisierung als Mittel der Vorsicht, der Angstabwehr, der Sicherung wider die Macht des Chatelet - auch dieser Gedanke verdient unsere Bewunderung16. Wir können direkt daran anknüpfen und wollen es in den folgenden Abschnitten sogleich tun. "Small events" aber plus Pfadabhängigkeit, das sei bis hier noch festgehalten, impliziert einen gänzlich anderen Beitrag der Theorie zum 15 In Kleists Familie gab es einen Erfinder, Ewald Jürgen von Kleist, der 1745 einen elektrischen Kondensator in der Form einer Flasche entwickelt hat 16 Zum Zusammenhang von Organisation und Angst - Angstabwehr oder reifen Formen der Angstbewältigung - s. Ortmann (1995b, 213 ff).
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Umweltproblem, als üblicherweise von ihr erwartet wird: In Sachen Prognose und fix und fertiger Planung ist dieses Denken skeptisch. Aber sie bietet statt dessen: Einsicht in die überraschenden Fähigkeiten der Menschen, ohne deren Gewißheiten zurechtzukommen.
7. Ökologie und Organisation Zunächst aber, da Kleist ja allererst auf "die Verfertigung der Gedanken", also auf die Entwicklung gedanklicher Klarheit abzielt, liegt der Einwand nahe: "Wissen fuhrt nicht automatisch zum Handeln." Dieser Stoßseufzer von Birke und Schwarz (1994, 19) entspringt leidvoller Erfahrung mit dem "Umweltschutz im Betriebsalltag", so der Titel ihres einschlägigen Buches. Die politisch Verantwortlichen tun nicht, was sie wissen, so zitieren sie Robert Jungk. Die Entwicklung der Gedanken sei gar nicht das Problem. In der Tat: Wenn sich Dinge ändern sollen, ist das immer auch eine Frage des Wollens und, sagen wir, des Wollenkönnens. Und tatsächlich glaube ich, daß es daran vor allem hapert. Dieses Wollen hat für mich zwei Komponenten: Wünsche und Interessen. Mit Wünschen meine ich nicht jene folgenlose, konjunktivische Art des Wünschens, in der wir sagen oder singen: "Ich wollt', ich war ein Millionär", oder: "Ich möchte König von Deutschland sein", oder: "Schön wäre eine heile Umwelt", sondern eine konkrete, ins Handeln eingelassene, aus dem Handeln hervorgehende, indikativische, folgenreiche Art des Wünschens, in der wir uns morgens die Frühstückszeitung wünschen: Gestern haben wir handelnd, zeitunglesend, das Bedürfiiis von heute konstituiert. Darüber und wie es in iterativen Schleifen menschlicher Praxis befriedigt und immer wieder neu hervorgebracht wird, gibt ja Kleists Text Auskunft und daher, wie
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ich oben unter dem Stichwort "Suffizienz" gesagt habe, eine Idee davon, wie wir uns den Weg zu solcher Genügsamkeit vorstellen können. Er bietet daher auch eine Ahnung von der Entwicklung und Etablierung von Leitbildern - von deren allmählicher Verfertigung im Handeln, in rekursiven Schleifen sozialer Praxis. Den grassierenden Debatten um den Sinn und die Möglichkeit der Etablierung solcher Leitbilder - soll/kann man sie am grünen Tisch entwerfen? - wäre der Boden entzogen, wenn erst diese fundamentale Rekursivität voll in Rechnung gestellt würde; wenn die Sache nicht in der falsch gestellten Alternative: erst das Leitbild, dann die Praxis oder umgekehrt bedacht würde, sondern in ihrer Zirkularität, die die Frage des Anfangs zwar nicht gegenstandslos macht, aber, sozusagen, von der Last des Prinzipiellen befreit. Effizienz- versus Suffizienzrevolution, ökologische Modernisierung, "sustainable development", strukturelle Ökologisierung - sie alle kämen nicht als principium in Betracht, sondern gewönnen ihre Bewandtnis - vielleicht! - im Lauf der Zeit. Dem Entweder-Oder können wir uns entwinden. Von Wünschen möchte ich ohne viel Federlesens17 mehr oder minder wohl verstandene, wohl kalkulierte Interessen unterscheiden. Die mikropolitische Frage ist dann: Gibt es in Organisationen, besonders in Wirtschaftsorganisationen und ganz besonders in Unternehmungen hinlänglich mächtige Interessen an einem ökologischen Wandel? Nein, nein, dreifach nein, sagt der ungesunde Menschenverstand: Erstens gibt es, ganz allgemein, die schon erwähnte organisationale Trägheit: Mühsam zustandegebrachte Regelwerke zu ändern, ist schwierig. Mikropolitische Blockaden behindern den Wandel. Mächtigen Interessen liegt sehr am status quo, der dazu schließlich geworden 17 Das Federlesenfindetman in Hirschmans "Leidenschaften und Interessen" (1980).
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ist, weil er handfeste Vorteile bietet. Es fehlt vielleicht doch an technologischem, ökologischem Fachwissen und an organisatorischer Kompetenz zur Bewerkstelligung der erforderlichen Reorganisationen. Zweitens kostet Umweltschutz. Drittens aber: bringt er nichts. Nicht mir. Nicht mir allein. Das ist keine rosige Bilanz. Hannemann, geh' Du voran, Du hast die größ'ren Stiefel an. Überweidung, "free riding", Externalisierung, Myopia, die Kurzsichtigkeit oder Blindheit der Ökonomie fur alles, was nicht Kosten oder Erträge verursacht - solche Konzepte bringen die Sache dort auf den Punkt, wo es um organisationales Handeln entlang von Interessen geht. (Daß interessengeleitetes kollektives Handeln nicht unbedingt in so etwas wie einer organisational Gesamtrationalität zusammenschießt, weil die oft den Irrationalitäten mikropolitischer Machtkämpfe zum Opfer gebracht wird, ist dagegen kein Einwand, weil diese Machtkämpfe es jedenfalls nicht an sich haben, die Dinge in eine ökologisch sinnvolle Richtung zu treiben.) Es sei denn... Es sei denn, (1.) das Handeln in Organisationen, selbst Unternehmungen
ist
durch
die Ökonomie,
durch
Effizienz- und
Profitabilitätsimperative so strikt nicht determiniert, wie das jene Konzepte suggerieren, oder (2.) Umweltschutz ist im Lichte handfester ökonomischer Interessen doch von Vorteil oder (3.) die - ich fasse es unter diesem Titel zusammen: - institutionellen Bedingungen organisationalen Handelns sind derart, daß sie zu einer Berücksichtigung ökologischer Kriterien auch dort nötigen, wo (2.) ansonsten nicht gälte. Ad (1.): Selbst das "erwerbswirtschaftliche Prinzip" der kapitalistischen Unternehmung, verstanden als institutioneller Systemimperativ, bedarf der (Er-)Füllung in praxi, in situ, und diese (Er-)Füllung geht nicht ab, kann nicht abgehen ohne Rekurs auf wie immer geartete, wie immer erodierende Regeln der Sinnkonstitution und der
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Legitimation, die - je nach kulturellen und historischen Umständen Sklavenhandel, Kinderarbeit, Korruption, die Züchtung menschlicher Arbeitsbienen via Genmanipulation, das Verklappen radioaktiven Mülls oder das Verbuddeln dioxinhaltiger Abfälle in der Erde ein- oder ausschließt. Im Inneren von Organisationen zumal verlieren Wirtschaftlichkeits- und Gewinnprinzipien an determinierender Krañ und Eindeutigkeit. Ad (2.): Umweltschutz kann Ressourcen sparen, vielleicht auch die Produktqualität aus Sicht der Kunden verbessern, also die Produktionseffizienz erhöhen. Es mag sich als absatzfördernd qua Firmen- oder Markenimage erweisen. Es mag den "good will" eines Unternehmens steigern. Das ist der bekannte Bereich der Überschneidung ökonomischer und ökologischer Gesichtspunkte (Ulrich 1991; Pfriem 1995). Ersichtlich hängt seine Relevanz von den Konsumgewohnheiten der Konsumenten ab. Die daran knüpfbaren Hoffnungen mögen so groß nicht sein, aber die Erfindung des Öko-Kühlschranks oder die Umweltschutzpolitik des Konzerns 3M, von dem es heißt, daß er es durch Steigerung der Ressourcen-Effizienz zu Einsparungen in Höhe von Hunderten von Millionen gebracht hat, mögen als "small events" im Sinne der Theorie der Pfadabhängigkeit eine Wirkung entfalten, die wir heute nicht überschauen können. Eine vielleicht noch größere Hoffnung knüpft sich an die Probleme der Versicherungswirtschaft mit der Klimaveränderung: Dort sitzen wirklich mächtige Interessen. Ad (3.): Organisationen sind, wie wir seit den Arbeiten von Meyer/Rowan (1977) und Powell/DiMaggio (1991) wissen, in hohem Maße auf die Sicherung ihrer Legitimationsbasis angewiesen, um die allseits wichtige Unterstützung aus der Umwelt zu erhalten. Sie können sich den institutionellen Nötigungen ihrer Umwelt nicht ohne weiteres entziehen - den formell, via Regulation etablierten so wenig wie den "informellen". Auch hier ist zunächst, trotz Brent Spar und Shell,
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Skepsis angezeigt, weil zumal Unternehmungen großes Interesse und genügend Ressourcen haben, diesen normativen Anforderungen von außen nur zum Schein, nur symbolisch zu begegnen. Nils Brunsson hat daraus ein ganzes Buch gemacht. "Die Organisation der Scheinheiligkeit" (1989). Der Kunstgriff ist: lose Kopplung von "talk", "decision" und "action"; Umweltschutz in "talk" (und vielleicht "decision"), "business as usual" in der Produktionspraxis. "Wir haben verstanden." (Opel) "Wir werden uns ändern." (Shell) "Sustainable Development: Für eine neue Qualität des Wachstums." (Hoechst: "Das sind wir uns und unseren Kindern schuldig.") Mit dem Verhältnis von Vorwand und wahren Zwecken aber ist es so eine Sache. Vorwände können unter dem Druck gesellschaftlicher Anforderungen zu wahren Zwecken werden, zumal in Organisationen, wo wir es nicht mit einem monolithischen Subjekt zu tun haben, das den Fassadencharakter einer Fassade einheitlich aufrechterhalten könnte. Die Forschungen von Krohn (1995) und Behrens/Meyer-Stumborg/Simonis (o.J.) weisen in Richtung auf eine Bereitschaft zum Diskurs mit Kommunen und Umweltorganisationen bei großen Unternehmen, von der noch nicht ausgemacht ist, ob sie als bloß symbolische Politik gedacht und, wenn ja, ob sie als solche durchgehalten werden kann. Der Hoechst-Konzern ist inzwischen eine Kooperation mit dem Öko-Institut Darmstadt zur Entwicklung einer ökologischen Unternehmungsstrategie eingegangen. Und wieder gilt das Kleist-Theorem: Was daraus sich entwickelt, können wir am Anfang noch nicht wissen. Naiv wäre es, allzu große Hoffnungen daran zu knüpfen. Es gibt aber auch, was Wittgenstein (1993, 66) eine prüde Beweisführung nannte - eine, die die geringste logische Zweideutigkeit vermeidet, aber groben Unsinn duldet. So muß nicht, aber kann neoklassische MikroÖkonomie und "rational choice"-Theorie mit ihrer selbsterfullenden Misanthropie gehandhabt werden.
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Das Kleist-Theorem in meiner Lesart macht darauf aufmerksam, daß die Rationalität der rationalen Wahl - die Rationalität des "free riding", "rent seeking" (s.u.) etc. - , abgesehen davon, daß es sich dabei um extrem stilisierte Rationalitätsfiktionen der Theorie handelt, immer nur relativ zu bestehenden Strukturen und Institutionen inhaltlich gefüllt wird, und daß diese Strukturen sich aber nur im Handeln wiederfinden und daher eben darin ändern lassen: Strukturation18. Es lenkt daher den Blick auf diese Strukturen und Institutionen, und hier nicht zuletzt auf Organisationen und organisationale Felder, auf deren Regulation (durch Recht und Politik) und Selbstregulation, nicht im Sinne der Abwesenheit jeglicher Fremdbestimmung, wohl aber im Sinne einer Eigendynamik, eines Eigensinns, einer Eigenlogik und autopoietischen Geschlossenheit. Um es fur das Innere von Organisationen an einigen Beispielen zu illustrieren: Umweltschutz als Standortsicherungs- und Modernisierungsstrategie, als patriarchalische Chefsache, als profitable Restgröße, als Politik eines aufgeklärten Managements (zu alldem s. die Fallstudien bei Birke/Schwarz 1994), als Legitimationssicherung, als Existenzsicherungspolitik der Versicherungen, als absatzpolitisches Instrument, als Mittel der Effizienzsteigerung, das ist so wenig nicht, und es wirft
18 Man erinnere sich daran, daß ich Kleists "Reden" als Metapher fìlr Handeln genommen habe. Dann folgt: Die Struktur, die Kleists Handelnde, nämlich die Redenden, hervorbringen und die ihr Reden restringiert und ermöglicht, ist die der Sprache. Giddens (1993,12S ff.) hat denn auch dieselbe Analogie gewählt, um zu verdeutlichen, was er mit Strukturation meint: sprechend (re-)produzieren wir, nolens volens, die Sprache. Und Kleist hat wiederum klar gesehen, was fast zwei Jahrhunderte spater Giddens so unermüdlich betont hat: daß Strukturen uns nicht determinieren, nicht einmal nur restringieren, sondern unser Handeln allererst ermöglichen. In Kleists Worten, der nicht von Handeln und Struktur, wohl aber von Reden und Sprache spricht: "Ein solches Reden ist ein wahrhaft lautes Denken.... Die Sprache ist alsdann keine Fessel, etwa wie ein Hemmschuh an dem Rade des Geistes, sondern wie ein zweites, mit ihm parallel fortlaufendes, Rad an seiner Achse."
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genügend Probleme der Reorganisation auf: Umweltschutz als Mikropolitik, wie Birke/Schwarz (1994, 143 ff.) gezeigt haben. Ihr Buch und der hier vorgelegte Band ist voll nicht nur von Schwierigkeiten, auch von Möglichkeiten ökologischer Reorganisation, die erst in den Blick geraten, wenn man die Vogelperspektive der Volkswirtschaftslehre oder der Makrosoziologie aufgibt. Ich kann mich daher, was das Innere von Organisationen anbelangt, kurzfassen. Reorganisation habe ich als eine Art mikropolitischer Bricolage, Bastelei, analysiert, innerhalb derer das Kleist-Theorem an entscheidender Stelle zur Geltung kommt: als gelegenheitsabhängige, allmähliche Entdeckung und Modifikation organisationaler Ziele im organisational Handeln und sodann organisationaler Handlungsmöglichkeiten im Lichte solcher Ziele; als rekursives Voranschreiten von Mittel zu Zweck zu Mittel entlang einem Entscheidungskorridor, der als Metapher für Pfadabhängigkeit und "Lock In" steht; als rekursives Konzept organisationaler Rationalität, ganz im Geiste Hirschmans und Weicks (Ortmann u.a. 1990; Ortmann 1995a). Kleist kann uns dann ein Lehrmeister der Allmählichkeit sein. Nicht der Langsamkeit, denn so viel Zeit ist vielleicht nicht mehr, aber der Allmählichkeit: der allmählichen Verfertigung umweltfreundlicher Organisationsstrukturen im Handeln. Öko-Audit, Öko-Controlling und ähnliche formale Verfahren unterliegen dabei gewiß jener Gefahr, die Erhard Friedberg (1995) so eindringlich zu betonen pflegt: daß sie in der tatsächlichen betrieblichen Praxis unterlaufen, umgangen, unterminiert, pervertiert, dekonstruiert werden. Auch das aber ist kontingent: so und auch anders möglich. Mehr Hoönung als das Kleist-Theorem uns gibt, ist nicht zu haben: Ein Organisator kann nie wissen, was er organisiert, bevor es organisiert ist. Oder, in den Worten Albert Hirschmans (1979, 179): "The architect of social change can never have a reliable blueprint" - und sei es ein "Blueprint for Survival". Blaupausen sind hilfreich nicht, um uns
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Gewißheit zu verschaffen, sondern um trotz Ungewißheit handeln zu können.
8. Governance-Strukturen: Die reflexive Strukturation organisationaler Felder Als Resultat teils historischer Entwicklung, teils einer neuen Sicht der Dinge faßt man in Politologie, Industriesoziologie, Organisationstheorie, institutionalistischer Ökonomik und Betriebswirtschaftslehre schon seit einer Weile organisationsübergreifende Netzwerke, Felder, Strukturen oder Ordnungen stärker ins Auge - der Idee folgend, daß eher auf dieser Ebene als auf der des einzelnen Betriebes oder der Organisation die entscheidenden Weichenstellungen fur die Entwicklung der Formen der Produktion gestellt werden. In der Betriebswirtschaftslehre haben solche Entwicklungen gar die Frage: "Auflösung der Unternehmung?" evoziert, die einem Aufsatz von Picot und Reichwald in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft aus dem Jahre 1994 den Titel gegeben hat. Picot und Reichwald knüpfen ganz zu Recht an unserem Alltagsverständnis von der Identität und den Grenzen einer Unternehmung an und identifizieren sie in einer gewissen physischen, räumlichen und rechtlichen Integriertheit, die als solche bedroht scheint oder doch ihre Form ändert: Netzwerkorganisation, Teleheimarbeit, Kooperationsgeflechte, virtuelle Organisationsstrukturen, Telekooperationen verändern, forciert durch die Informations- und Kommunikationstechnik, die Bedingungen der Kopräsenz, die "AnwesenheitsVerfugbarkeit" in der Gesellschaft, die Zeit-Raum-Bindung von Interaktionen und ihre Regionalisierungsweisen, mit ökologischen Konsequenzen, deren Analyse mit den Mitteln einer strukturations-
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theoretisch aufgeklärten Zeitgeographie wichtige Aufschlüsse geben könnte (zu alledem Giddens 1984, 110 fí). Ich sichte nun einige Theorieansätze, die mit einer derartigen Auflösung traditioneller Grenzen der Unternehmung in organisationsüb ergreifende Kooperationen und Netzwerke befaßt sind, und werfe dann die Frage nach den ökologischen Aspekten einer solchen Entwicklung auf. Flexible Spezialisierung in industriellen Distrikten und kooperative Produktion: Michael Piare, Charles Säbel und Horst Kern Auf Michael Piore und Charles Säbel geht bekanntlich die Idee der flexiblen Spezialisierung kleinerer und mittlerer Unternehmungen in bestimmten Regionen zurück, sogenannten "industrial districts" wie dem Silicon Valley, der Emilia Romagna, Baden-Württemberg, Wuppertal-Solingen-Remscheid, der Boston area. Piore und Säbel hatten dieses Konzept Anfang der achtziger Jahre als Alternative zur standardisierten Massenproduktion postuliert, sich dafür allerlei Kritik - Tenor: Blauäugigkeit - eingehandelt, haben das Konzept modifiziert - und sind aber mit einer gewissen Hartnäckigkeit einer bestimmten Linie treu geblieben. Heute bestimmen sie das, was sie herausarbeiten wollen, als "kooperative Produktion", und Charles Säbel, Horst Kern und Gary Herrigel skizzieren es so: "Die Automobilfirmen bewegen sich ... in Richtung eines neuen, noch schwer zu erfassenden Systems, in dem die Entwicklung und Herstellung eines Autos die Zusammenarbeit einer Reihe hochspezialisierter Unternehmen erfordert, von denen keines mehr diese Aufgabe alleine durchführen könnte. Am Ende dieser Entwicklung ... wird sich der Autoproduzent zu einer Art übergeordneter Design- und Marketingagentur gewandelt haben.
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Seine Hauptaufgabe wird darin bestehen, die Arbeit der anderen Designhäuser zu koordinieren, die Subsysteme zu montieren und den Vertrieb zu organisieren" (1991, 204) Die Lösungen, die sie kommen sehen, heißen Systemintegration à la BMW oder Spezialisierungskonsortien à la GM, also interorganisationale oder konzerninterne Netzwerke. In einem außerordentlich ambitionierten Aufsatz mit dem Titel „ B o o t s t r a p p i n g Reform" hat Charles Säbel (1995) diese Entwicklung in einen sehr viel größeren Zusammenhang gestellt, markiert durch das im Untertitel zum Ausdruck gebrachte Programm: "Rebuilding Firms, the Welfare State, and Unions". "Bootstrapping" - sinngemäß: sich am eigenen Schöpf aus dem Sumpf ziehen - meint hier eine Strategie der schrittweisen Reform, in der ein Reformschritt den nächsten evoziert und ermöglicht, eine Unternehmung mit der anderen kooperiert, eine lokale Institution die andere Fördereinrichtung zu etablieren hilft, eine Politikebene die nächste herausfordert19. Ich hoffe, man sieht, daß diese Art, eine in gewissem Sinne selbsttragende, selbstregulierte Entwicklung zu denken, ziemlich genau dem Kleist-Theorem entspricht. Versuche mit "job rotation" etwa mögen zu informellen Problemlösungsgruppen fuhren, diese zu Teams, Teams zu Kooperationen mit Kunden, die Kooperation mit Kunden zu dem Bemühen, dafür Hilfe und Schutz bei regionalen Politikinstanzen, Technologiezentren o.ä. zu
19 Für eine formale Darstellung des "Bootstrapping" und Beispiele aus verschiedenen Anwendungsfeldem evolutionstheoretischen Denkens: Kauffinan (1996,421 ff.); zum "Bootstrapping" bei der Entwicklung von Programmiersprachen - Compiler, die zunächst in Assemblersprachen geschrieben wurden, dann aber Erweiterungen ihrer selbst kompilieren - s. Hofstadter (1985, 315 f). Hofstadter, in seinem Bemühen um Veranschaulichung, gibt (316) ein weiteres Beispiel für "Bootstrapping": "Das ist alles gar nicht so verschieden von der Situation eines Kindes, das einen kritischen Punkt in der Geläufigkeit seiner Muttersprache erreicht hat: Von diesem Punkt an können sein Wortschatz und seine Gewandtheit im Umgang mit der Sprache außerordentlich rasch anwachsen, da es nun mehr Sprache gebrauchen kann, um mehr Sprache zu erwerben." (Hervorh. i. Orig.)
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suchen - und so fort. Eine solche "Bocksprung-Strategie" - in der übrigens die Requalifizierung der Beschäftigten nicht zum Ausgangspunkt und Motor der Restrukturierung der Unternehmungen gemacht wird, sondern umgekehrt als zwanglos-zwangsläufiges Resultat des "Rebuilding" anfällt - wird von Säbel in Richtung auf weitreichende Konsequenzen weitergedacht, betreffend Ausbildungsinstitutionen, institutionelle Vorkehrungen etwa zur Qualitätssicherung, zur Überwachung technischer Normen, zur - möglicherweise regional organisierbaren - Sozialversicherung, um nur einige zu nennen. Tatsächlich geht Säbel so weit, nach den positiven Beschäftigungswirkungen einer solchen "bootstrapping reform" zu fragen und sie als mögliche Alternative zu gescheiterten keynesianischen Strategien der Nachfragestimulierung zur Debatte zu stellen. Auch ein Ökonom wie Bertram Schefold aber, der in der Tradition von Keynes und Joan Robinson an der Unterscheidung verschiedener "Wirtschaftsstile" arbeitet, plädiert für "eine schrittweise, parallel verlaufende Umformung der sozialen Werte, Technologien und der sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Verbesserung, die es ermöglichen würde, eine umweltverträgliche Lebensweise zu praktizieren." (1995, 212) Wo Schefold "parallel" sagt, da würde ich - in seinem Sinne, wie ich annehme "rekursiv" sagen, weil die sozialen Werte, das Recht, die Technologie und die wirtschaftliche Verfassung einander - eben im Wege des "Bootstrapping" - in Richtung auf einen umweltverträglichen Wirtschaftsstil voranbringen können: "Umweltpolitik schafft Beschäftigung" (Schefold) ist dann ein Sprung einer solchen Bocksprung-Strategie. Davon ist vieles Zukunftsmusik. Man sieht aber, wie weit die heute so dringliche reformerische Phantasie reichen kann - und wie offen es noch ist, ob die Ausbildung unternehmensübergreifender Netzwerke nicht noch Moment einer viel umfassenderen Entwicklung werden kann, deren Richtung wir heute nur ahnen können. Dann aber sieht man
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vielleicht auch schon, daß und wie in ein solches "Bootstrapping" ökologische Gesichtspunkte einfließen können, ohne daß dies im Sinne eines "ganz oder gar nicht" am Anfang fixiert werden müßte oder könnte. Dazu gleich mehr.
Organizational Fields: Paul DiMaggio, Walter Powell Auch in der Organisationsforschung dominieren mittlerweile Ansätze, die die institutionelle Einbettung und Bedingtheit organisationalen Handelns in den Mittelpunkt ihres Interesses rücken. Ich habe Scotts zusammenfassendes Schema der verschiedenen Schichten dieser Einbettung oben, in Abbildung 3, bereits zitiert. Die neo-institutionalistische Organisationssoziologie erklärt, wenig verwunderlich, nicht die einzelne Organisation, sondern sogenannte organisationale Felder zur relevanten Analyseeinheit: die Gesamtheit solcher Organisationen, die einen anerkannten Raum institutionellen Lebens konstituieren: "key suppliers, resource and product consumers, regulatory agencies, and other organizations that produce similar services or products." (DiMaggio/Powell 1983, 143) Diese emergenten "communities of organizations" haben teil an denselben kognitiven Ordnungen und ähnlichen symbolischen Prozessen, und sie unterliegen gemeinsamen Regulationen. Sie bilden Governance-Strukturen (s.u.) aus, die von marktformiger Steuerung über Selbstregulation bis zu hierarchischen und zentralistischen Steuerungsformen reichen können (Scott 1994).
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Governance-Strukturen, industrielle Ordnungen, diskursive Koordination: J. Rogers Hollingsworth, Gary Herrigel, Hans-Joachim Braczyk Der von Rogers Hollingsworth im Anschluß an Chandler und Williamson in die Debatte eingebrachte Begriff "governance" wird inzwischen mit "Steuerung" übersetzt - gemeint ist "der Prozeß ..., durch den Aktivitäten und Konflikte zwischen verschiedenen Akteuren koordiniert und bewältigt werden" (Hollingsworth 1991, 18). Gemeint sind mit governance structures wirtschaftliche Ordnungsformen ganzer Branchen oder Sektoren einschließlich industrieller Beziehungen und der Rolle des Staates, und Hollingsworth postuliert einen Übergang der Wirtschaft der USA - des verarbeitenden Gewerbes - von Hierarchien zu Netzwerken seit 1950! Kartellartige Mengen- und Preisabsprachen, formelle Arrangements in der Form von Handels- und Arbeitgeberverbänden, hierarchische Unternehmenszusammenschlüsse, horizontale und vertikale Integration, standardisierte Massenproduktion werden sukzessive abgelöst durch sogenannte (Verpflichtungs-) Netzwerke verschiedener Art - Subkontrahierungen, "joint ventures", strategische Allinanzen, "relational contracting", Franchising, Kooperationsverträge - und durchflexibleProduktionssysteme, die in eine institutionelle Ordnung eingebettet sind (sein müssen,) die insbesondere in der Form von Unterstützungsnetzwerken auftreten: Handelsvereinbarungen, F & Ε-Zusammenschlüsse, Ausbildungszentren, interorganisationale Kooperation. Beachtlich scheint mir besonders, daß Hollingsworth die Rolle des Staates bei alledem nicht aus den Augen verliert: "Der Staat bestimmt Eigentumsrechte und die weiteren Rahmenbedingungen, unter denen die ... Steuerungstypen existieren können." (21) Und, allgemeiner: "Um ihre Effektivität als Steuerungsmechanismus zu maximieren, müssen diese Netzwerke in ein
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reichhaltiges institutionelles Umfeld eingebettet sein" (41) - wofür in Japan und Deutschland bessere Voraussetzungen existierten als in den USA. Mit dem Verweis aber auf das institutionelle Umfeld befindet sich Hollingsworth in der Gesellschaft der Piore, Säbel und Kern. Solche Ansätze gibt es heutzutage in beträchtlicher Fülle, und sie gehen vielfach in durchaus ähnliche Richtung. Was Hollingsworth, Campbell und Lindberg eher mit Blick auf Branchen und Sektoren ausarbeiten, das thematisieren Autoren wie Gary Herrigel (z.B. 1991) einerseits, Storper und Salais (z.B. 1992) andererseits, mit stärkerer Aufmerksamkeit für Regionen und wirtschaftsgeographisch zu bestimmende Agglomerationen - unter Titeln wie "industrial orders", "Rückkehr der Ökonomie in die Region", "worlds of production" etc. In Deutschland - in der deutschsprachigen Industriesoziologie - ist es besonders Hans-Joachim Braczyk, der alle bisher genannten Ansätze unter dem Namen "diskursive Koordination " zusammenführt - und damit auf die Ablösung des fordistischen durch ein neues, nun also diskursiv genanntes Produktionsregime abstellt, und dies mit Blick auf die bisher betonten wterorganisationalen Zusammenhänge, aber auch und dazugehörig mit Blick auf /wie/Organisatorische Strukturen (Braczyk 1994 a,b; Braczyk/Ganter/Seltz 1995; Braczyk/Schienstock 1996). Systemische Rationalisierung: Die Sicht des industriesoziologischen "mainstreams" Braczyk fordert die Industriesoziologie zu einer Abkehr von einer verengten Perspektive auf den Betrieb als Untersuchungsgegenstand auf. Darauf ist die Industriesoziologie so schlecht gar nicht vorbereitet, weil sie mit ihrem Konzept der systemischen Rationalisierung den Blick
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über den Tellerrand der Betriebe längst gewagt hat - den Blick auf Unternehmungsstrategien, die auf flexible Massenproduktion und Formen überbetrieblicher Zusammenarbeit zumal in Zulieferketten und -systemen abzielen -gestützt auf moderne Informations- und Kommunikationstechnik: Wenn diese Richtung der Industriesoziologie so etwas wie "Zulieferer im Netz" (Mendius/Wendeling-Schröder 1991) oder "Vernetzte Produktion" (Deiß/Döhl 1992) thematisiert, dann bleibt sie allerdings enger als Autoren wie Säbel, Hollingsworth oder Braczyk auf Produktions- respektive Wertschöpfungsketten fokussiert. Leicht sieht man, daß Konzepte wie Governance-Strukturen oder "diskursive Koordination" darüber weit hinausgehen. Strategische Netzwerke und Netzwerkgesellschaft: Jörg Sydaw, Dirk Messner Was nun ist zu alledem aus betriebe-, aus einzelwirtschaftlicher Perspektive zu sagen? Die Betriebswirtschaftslehre kann nach effizienten Organisationsformen ökonomischer Aktivitäten fragen und ist für die neu aufkommenden Fragen insofern durchaus gerüstet, als Fertigungstiefenoptimierung, Vorwärts- und Rückwärtsintegration, Internalisierung und Externalisierung nachgerade zum traditionellen Problembestand, zu den klassischen betriebswirtschaftlichen Entscheidungsproblemen zählen: "make or buy". Ich gebe hier (Abbildung 5) nur einen Überblick von Jörg Sydow, dem hierzulande wohl wichtigsten Netzwerk-Experten unter den Betriebswirten, über jene "Organisations"formen, die ab nun in den Blick geraten, und merke nur an, daß man mit Sydow sehen muß: eine Reduktion der Problematik auf Ökonomie im engeren Sinne - auf Input-Output- oder Kosten-Leistung-
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Relationen - wäre angesichts der komplexen sozialen Problematik der Herstellung von Vertrauen, Kooperation und begrenzter Autonomie in Unternehmungsnetzwerken der Sache kaum angemessen, noch weniger eine Reduktion auf ein Kostenproblem, und am allerwenigsten eine Reduktion auf die Frage der Transaktionskosten - so sehr all dies eine wichtige Rolle spielt bei der betriebswirtschaftlichen Behandlung von interorganisationalen und insbesondere Unternehmungs-Netzwerken. Abbildung 5: Organisationsformen ökonomischer Aktivitäten
Quelle: Sydow 1992,104 Untemehmungsnetzwerke stellen für Sydow "eine intermediäre Organisationsform ökonomischer Aktivitäten zwischen Markt und Hierarchie dar, die sich durch komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbständigen, wirtschaftlich jedoch zumeist abhängigen Unternehmungen auszeichnet." (Sydow 1992, 82)
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Solche Netzwerke, industrielle Distrikte und Nationen bilden den Fokus des Konzepts "systemischer Wettbewerbsfähigkeit" in heutigen "Netzwerkgesellschaften", die Dirk Messner (1995) in einer ambitionierten Zusammenschau der gesellschaftlichen Steuerungsproblematik angesichts der Globalisierung der Ökonomie als aktive und kontinuierlich lernende Gesellschaften postuliert und entfesselten Marktwirtschaften gegenüberstellt. Die Frage ist nun, welche Implikationen Entwicklungen und Theorieansätze dieser Art - die Nuancen und Differenzen zwischen ihnen einmal beiseite gelassen - für die ökologischen Probleme dieser Welt haben. Das ist neben neuen Gefährdungen - man denke an Transport-, Verkehrs- und Energieprobleme im Zusammenhang mit Zuliefernetzwerken, "just-in-time"-Produktion und Globalisierung - und einem geschärften Blick dafür - ich nenne nur die Berechnungen der Transportwege und ökologischen Kosten eines Bechers Joghurt (Böge 1993) - der Zugewinn an Perspektiven, betreffend Institutionalisierungen und Strukturierungen mit nicht gesellschaftsweiter, sondern mittlerer Reichweite, beschränkt eben auf jene Felder, Netzwerke, Branchen, Regionen, die nun zur wichtigen Analyseeinheit erklärt werden. Diese Mesoebenen sind, wie Uwe Schneidewind in seinem Beitrag in diesem Band zeigt, die Orte, an denen so etwas wie die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens und seiner Politik konstituiert wird - ein selbst hervorgebrachtes Gegengift wider Brunssons Organisation der Scheinheiligkeit? Sie sind mögliche Orte, wie Schneidewind weiter zeigt, der interorganisationalen Kommunikation über Normen, in seinem Beispiel: der Textilmittelhilfen, und über Deutungsmuster, betreffend, um ein anderes Beispiel zu nennen, die Verpackungsindustrie. Sie sind insoweit Orte der Selbstregulation innerhalb organisationaler Felder, die so manche ökologisch hochrelevante
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Institutionalisierung hervorbringen kann. Und sie sind Felder für ein Sabelsches "Bootstrapping" in ökologischer Perspektive und Richtung, Orte der Hofíhung auf eine selbsttragende Entwicklung, darauf, daß wir uns am eigenen Schöpf aus dem Sumpf ziehen. Wenn Menschen die Tiere sind, die selbst die Linien ziehen, über die sie stolpern, warum sollten sie nicht gelegentlich selbst die Bretter hinlegen, auf denen sich gehen läßt? Allgemein, mit Blick auf ökologisch orientierter Kooperation innerhalb interorganisationaler Netzwerke, formuliert Schneidewind (1996) das so: - "Kooperationen sind eine Möglichkeit, Ressourcen zu mobilisieren und auf diese Weise strukturbeeinflussend zu wirken. Dies trifft sowohl auf allokative Ressourcen (z.B. gemeinsame Mittel zur Verbraucheraufklärung/höheren ökologischen Transparenz, Schaffen von Entsorgungsstrukturen) als auch auf autoritative Ressourcen (z.B. besondere Überzeugungskraft durch gemeinsame Positionen zu politischen Themen wie einer ökologischen Steuerreform) zu. - In Kooperationen werden Regeln im Sinne von Deutungsschemata und Normen zwischen den Beteiligten explizit und nicht - wie bei einer marktlichen Koordination - lediglich implizit reproduziert. Diese Explikation und kollektive Reflektion ist häufig Ausgangspunkt fur die Veränderung eben dieser Regeln." Denken wir aber auch daran, was industrielle Distrikte oder Ordnungen und Governance-Strukturen darüber hinaus bedeuten: daß ein organisationales Feld, eine Region, ein Netzwerk eine institutionelle Einbettung von Organisationen bezeichnen, zu der Schulen, Ausbildungs- und Forschungsstätten, ein System industrieller Beziehungen, Technologiezentren, Universitäten und vieles andere zählen kann, Institutionen und Organisationen, die ihrerseits keineswegs der Logik ökonomischer Rationalität gehorchen und aus denen ökologische Aspekte, Standards und Praktiken immer wieder neu in die Wirtschaftsorganisationen eingespeist werden. Deren "myopia" wird dadurch vielleicht nicht abgeholfen. Wenn sie aber mit der Nase auf
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Umweltprobleme gestoßen werden, können sie sich - siehe Meyer und Rowan - dem nicht ohne weiteres entziehen. Die Rolle innovativer regionaler Milieus wird daher auch im ökologischen Diskurs aufmerksam und hoflhungsvoll beobachtet (Jaeger 1993; 1996, 317 fi). Auf der anderen Seite gilt es zu bedenken, daß alles, was ich oben über Pfadabhängigkeit, soweit sie in Verriegelungen treibt, gesagt habe, auch und wahrscheinlich ganz besonders für die Einheiten dieser Mesoebene gilt. Schon ist die Rede vom Netzwerkversagen (Messner 1996, 214 fí). Mark Granovetter (1992) hat das für ganze Industrien gezeigt, die in hohem Maße verriegelt sind, und es gibt eine Vielzahl an Studien in diesem Geiste, etwa für die Chemieindustrie (Kenis 1992), die Energiewirtschaft (McGuire 1986), die Atomindustrie (Kitschelt 1980; David/Bunn 1988), das Ruhrgebiet mit seiner Kohle- und Stahlindustrie und seinem, wie Grabher (1993) es genannt hat, funktionalen, politischen und kognitiven "Lock In", um nur einige zu nennen, deren extreme ökologische Relevanz auf der Hand liegen. Auch in diese Richtung, in Richtung auf solche "Lock Ins", wirkt das Kleist-Theorem, und das stellt den mit Abstand wichtigsten Grund dafür dar, daß Umweltschutzpolitik - nicht nur, aber auch und ganz besonders - auf dieser Ebene ansetzen muß. Daß Dirk Messner mit Blick auf Netzwerkgesellschaften von einem "Entwicklungskorridor" (1996, 314), "einem kumulativen und interaktiven Prozeß des learning-by-doing, leaming-
by-using, learning-by-watchingand learning-by-interacting" (21) und von einer "pfadabhängigen, inkrementellen Modernisierung" (333), spricht, ähnlich wie Kowol und Krohn (1995) mit Blick speziell auf Innovationsnetzwerke, liegt auf dieser Linie, im Positiven wie im Negativen: "aus der 'aktiven Gesellschaft' kann eine "blockierte Gesellschaft' werden." (Messner 1996, 334). "Lock Ins" innerhalb von Regionen und industriellen Distrikten und die Allmählichkeit eines "regional development" (Storper/Scott 1992) sind Themen, an denen
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die gedankliche Bewegung des Kleist-Theorems - Temporalität, Zirkularität des Anfangs, Ungewißheit und "ignorance of ignorance", Sequenzialität20, Pfadabhängigkeit und Rekursivität von Denken und Handeln - in räumlicher, zeitlicher und institutioneller Hinsicht entfaltet und konkretisiert werden kann. Wegen solcher innerorganisatorischen und organisationsübergreifenden - in organisational Feldern, interorganisationalen Netzwerken, industriellen Distrikten und ganzen Branchen stattfindenden - Blockierungen, die kurzfristiges Umsteuern so außerordentlich erschweren, spricht viel fur Helmut Wiesenthals Plädoyer in diesem Band fur langfristig wirksame, auf langfristige Innovationen zielende Einflußnahme seitens des politischen Systems, eine Idee, die allerdings mit einer Kleistischen Schwierigkeit zu kämpfen hat, die bedacht sein will, nicht etwa gegen die Idee ausgespielt werden darf: Wir wissen am Anfang, und besonders, wenn es um lange Fristen geht, eben nicht sehr gut, wohin zu steuern sei. Von 1955 an schien es eine gute Idee, in Richtung Atomforschung zu steuern. Die daraus geborenen Forschungszentren trugen daher einschlägige Namen - und heißen heute fast alle anders: Aus der Gesellschaft fur Strahlenforschung wurde das GFS Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, das Kernforschungszentrum Karlsruhe heißt nur noch Forschungszentrum Karlsruhe, die Kernforschungsanlage Jülich KFA Forschungszentrum Jülich, "und daß das GKSSForschungszentrum Geesthacht einmal Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt hieß, wird heute schamhaft
20 "Eins nach dem anderen!" So ist Hirschman stets interpretiert worden, und so hat er es auch gemeint Heute aber ergänzt (sie!) der selbstsubversive Geist diese Devise durch die nötige Warnung ver der Gefahr, daß "eins das andere verhindert" (Hirschman 1996,64 ff., 85 ff.). Was Hirschman dabei "Stockungsrisiken" nennt, habe ich als "Lock In" analysiert, das mit Pfadabhängigkeiten immer droht. Auch das Kleist-Theorem ist Denidas Logik der Ergänzung unterworfen. Als prineipium - als Denkprinzip oder fertiges Rezept des Handelns - kommt es nicht in Betracht.
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verschwiegen. Schließlich werden in Geesthacht seit der Verschrottung des Atomschiffes Otto Hahn weder Schiffe noch Kernreaktoren gebaut." (Drösser 1996, 35) Das Beispiel ist ein Lehrstück in Sachen Verriegelung, weil die Umsteuerung angesichts getätigter Investitionen, aufgebauter "Human resources" und eingeschliffener Denkmuster so schwerfällt. Es ist zweitens ein Beispiel für die Aponen einer Planung und Steuerung, die am Reißbrett weitgehend fix und fertig entwickelt wird und sehr langfristig angelegt ist, also dem Kleist-Theorem kaum Rechnung trägt. Und es ist drittens dennoch ein Beispiel fur die - diesmal sehr langsame - Wirkung des Kleist-Theorems, nämlich ein Paradebeispiel für die situations-, gelegenheits- und pfadabhängige "Verfertigung", nämlich Spezifikation, Modifikation und sogar Auswechslung anfänglicher Ideen, Pläne und Ziele (und das Kleist-Theorem daher keine Alternative, sondern eine notwendige Ergänzung zu Wiesenthals Idee.) Nicht ohne Ironie ist es, wie der Wechsel ausgerechnet von der Kern- zur Umweltforschung fuhrt - nicht ohne Ironie und nicht ohne "Lock-In"-Effekte, denn: "Einen in der Wolle gefärbten Reaktorphysiker dazu zu kriegen, was anderes zu machen", und gar Umweltforschung, "ist natürlich schwierig", sagt Kernenergiegegner Joachim Treusch, seit 1990 Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich... (Drösser 1996, 35).
9. Rekursive Regulation Das Konzept der Governance-Strukturen impliziert, wie man sah, bereits die Koordination oder Steuerung von Organisationen und organisationaler Felder durch formale Strukturation seitens des Rechts und der Politik, das heißt: Regulation.
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Ich hatte im 4. Abschnitt bereits darauf aufmerksam gemacht, daß es auch in puncto Regulation nicht etwa, wie es die landläufigen Darstellungen, auch Scotts Schichtenmodell (Abbildung 3), suggerieren, eine Einbahnstraßen-Beziehung, diesmal von den Regulationsinstanzen zu den regulierten Organisationen, gibt, sondern wiederum ein Verhältnis rekursiver Konstitution (Abbildung 6). Damit ist zweierlei gemeint. Erstens werden Organisationen, die sich in der - je nachdem - Gefahr oder Hofinung der Regulation ihres organisationalen Feldes sehen, nicht tatenlos zuschauen und die Regulation wie gutes oder schlechtes Wetter hinnehmen. Sie werden versuchen, Einfluß zu nehmen und bedienen sich dabei aller Dimensionen des Sozialen - sie kommunizieren und nehmen so Einfluß auf die kognitive Ordnung der Welt, sie liefern Rechtfertigungen, fuhren Prozesse etc., treiben Lobbyismus und versuchen so, die legitime Ordnung einschließlich des Rechts und auch die Politik zu beeinflussen, und sie wuchern mit dem Pfund der Ökonomie, drohen mit Standortverlagerungen, forcieren oder bremsen die Produktion abgasarmer Autos etc. Sie sind zu all dem um so besser in der Lage, als sie eine gemeinsame Stärke aus der Kooperation innerhalb organisationaler Felder und Netzwerke entwickeln können. Diese Art Einfluß muß man sich keineswegs ausschließlich nach dem etwas anrüchigen Mechanismus des Lobbyismus vorstellen. Oft genug geht es um eine kooperative, diskursive Klärung eines Entwicklungskooperations- und Regulationsbedarfs zugleich, der a priori weder den beteiligten Unternehmen noch den staatlichen Stellen klar vor Augen steht, sondern Zug um Zug mit der wachsenden Einsicht in technische Innovationen, ökologische Gefährdungen etc. präzisierbar wird. Zweitens unterliegen formale Regulationen, wie alle formalen Strukturationen, einer konstitutiven, wie ich es mit Derrida genannt habe, Logik der Ergänzung (Ortmann 1995a), nämlich der Notwendigkeit, in praxi ge-/erfullt, ergänzt und
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womöglich ersetzt zu werden. Dort also erst, wo, wie wir auch sagen, das formale Regelwerk "mit Leben erfüllt" wird, entscheidet sich vollends sein Sinn und seine genaue Bedeutung. Die Regulateure wissen nicht, was sie regulieren, bevor es reguliert ist. Das impliziert auch auf dieser Ebene die oben erwähnte, von Erhard Friedberg so wunderbar analysierte Möglichkeit und Notwendigkeit, die formalen Regeln anzuwenden, sie dabei aber eben auch zu wenden, und sie - womöglich gegen die Intentionen ihrer Erfinder - zu umgehen, zu unterminieren, zu pervertieren, ins Leere laufen zu lassen, zu dekonstruieren. Dies beides zusammen nenne ich rekursive Regulation, weil es bedeutet, daß bei der Entwicklung, bei der Implementation und bei der tagtäglichen "Anwendung" einer implementierten Regulation die Regulierten unvermeidlich eine konstitutive Rolle spielen. (Übrigens zeichnet sich nicht nur die formale, Regulation genannte, sondern jedwede Institutionalisierung durch diese Rekursivität aus, und strategischer Einfluß läßt sich auch auf nicht-formale Institutionalisierungsprozesse nehmen. Der Einfluß von Organisationen auf Denkgewohnheiten, Konsumstandards oder Gerechtigkeitsempfinden, soweit sie institutionalisiert werden, sind wichtige Beispiele solcher strategischer Institutionalisierung.) Abbildung 6: Rekursive Regulation Regulation(sinstanz)
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Daß all das für die Umweltpolitik eine enorme Bedeutung hat, und daß es ein wahrhaft weites Feld ist, sieht man ja sofort. Es betrifft nicht nur die Gesetzgebung einschließlich des Verfahrensrechts, sondern auch die Exekutive und das Verordnungswesen, die Ausstattung der Administration mit den erforderlichen allokativen und autoritativen Ressourcen, mit alledem das politische System, die Rechtsprechung - ich breche die Aufzählung ab. Allgemein gesprochen, stellt es, wie er selbst sieht, ein Problem für Helmut Wiesenthals Hoffnung auf das politische System dar - ein Problem indes, das gelöst sein will, nicht eines, das in konservativ-liberaler Manier in eine Lizenz zum "laisserfaire" und zur Deregulation umgemünzt werden darf. Statt dieses weite Feld systematisch zu erschließen, nenne ich nur drei Theorieansätze, die mit dem Rückweg der Regulationsbeziehung - dem Weg von den regulierten Organisationen zu den Regulationsinstanzen - befaßt sind. (Von letzteren handle ich hier also nur, insoweit sie dieser Rückwirkung unterliegen.) Düstere Aussichten verheißen, wieder einmal, die Ökonomen. Die Theorie des "rent-seeking" macht uns als Resultat eines strikt ökonomischen Kalküls begreiflich, warum und wie Interessengruppen "gezielt in den politischen Prozeß investieren, um Veränderungen institutioneller Rahmenbedingungen herbeizufuhren, die zwar gemeinschädlich21 sind, die aber ihren Urhebern Sondervorteile (sog. Renten oder Quasi-Renten, wie sie im ökonomischen Jargon 21 Gemeinschädlich sagt Wenger (1995) aus einer strikt liberalen, neoklassischen Sicht heraus. Die "rent-seeking theory" unterscheidet zwischen legitimen Gewinnen und illegitimen, gemeinschädlichen Renten, die nur durch Einflußnahme auf Regulationen erwirtschaftet werden. Das übersieht, daß alle Regulationen auf diese Weise in die Welt gekommen sind und es in diesem Sinne keine "unschuldigen" Gewinne gibt - oder, umgekehrt, "rent-seeking" nicht per se des Teufels ist. Zu einer solchen Kritik an der "Rent-Seeking"-Theorie s. Samuels/Mercuro (1984). Diese Kritik läßt sich zu einer anderen Art neoinstitutionalistischer Ökonomik ausbauen, der Regulation weder als Ursünde noch als alleinige Rettung, sondern als unhintergehb are Konstitutionsbedingung von Marktwirtschaften gilt
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heißen; G.O.) verschaffen. Aus der Sicht von Interessengruppen, die auf Rent-Seeking bedacht sind, steigt die Wahrscheinlichkeit für die Erringung von Sondervorteilen • mit der Abnahme der Gruppengröße, • mit dem möglichen Ausmaß des Sondervorteils je Gruppenmitglied, • mit der Möglichkeit der Gruppenmitglieder, sich gegenseitig zu überwachen und Trittbrettfahrer zu disziplinieren, • mit der Verteilung der negativen Effekte auf eine möglichst große Zahl von Betroffenen, • mit der Undurchschaubarkeit des Umverteilungsmechanismus, • und schließlich mit der Schwierigkeit, Gegenkoalitionen zu organisieren." (Wenger 1995, 426) Ich kann und muß hier wohl nicht näher ausführen, daß sich diese Liste liest, als wäre sie für die Regulation des Umweltschutzes gemacht (was sie nicht ist). Die ökologisch negativen Effekte verteilen sich auf uns alle. Gegenkoalitionen in Form "der" Ökologiebewegung, einzelner Bürgerinitiativen etc. erweisen sich als nicht sehr stabil, die Materie ist schwer durchschaubar, die zu organisierende Interessengruppe - je Branche, organisationalem Feld etc. - relativ klein, die winkenden Sondervorteile erheblich. Auch die "capture theory" geht auf die "Public Choice School" zurück, ist eng mit der "Rent-Seeking"-Theorie verwandt und befaßt sich mit dem Spezialfall sogenannter "Regulatory Commissions", Kommissionen der Staatsaufsicht, für bestimmte Industriezweige, die aus irgendwelchen Gründen dem Wettbewerb nicht (voll) ausgesetzt sind: Versorgungsunternehmen, der Transportbereich, der Kommunikationssektor werden genannt. Man denke in Deutschland an die Energieversorgung, die Versicherungswirtschaft, die Telekommunikation. Es herrschen ähnlich unerfreuliche Praktiken wie im Falle des "Rent-Seeking". Ich fasse mich kurz: In den dürren Worten George J. Stiglers, des Begründers der Capture Theory: "Regulation is acquired
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by the industry and is designed and operated primarily for its benefit" (1971, 3). Die Aufsichtskommissionen sind nicht wirklich unabhängig, sondern "industry minded". Sie sind Gefangene der Industrie - daher der Name der Theorie (Schmidt/Kirschner 1987, die einen dreiseitigen, instruktiven Überblick bieten.) Die "progressive" Story der Ökonomen dazu erzählte sich zunächst so: Es waren einmal große, mächtige und böse Konzerne, dann kam ein selbstloser Regulator, der schützte den kleinen Mann - und die Umwelt? - vor dem Big Business. Der Held dieser Erzählung aber "has for two decades raised increasingly derisive laughter in the halls of economies departments. The economist asks with a smirk: Do you really expect United Van Lines to sit idly while the ICC gets its profit?"' Umgekehrt wird ein Schuh draus: "In the new story, the Interstate Commerce Commission, for example, is said to have been taken over by the very railroads it was supposed to regulate shortly after its formation in 1887 (and later by the big trucking firms)." (D. McCloskey 1990,151) Daher heutzutage die Neigung, das Kind der Regulation mit dem Bade auszuschütten und in - ungehemmter? das eben ist unmöglich - Deregulation das Heil zu suchen. Um sich von der (allzu) zwingenden Logik solcher Theorieansätze ein wenig freizumachen, ist es nützlich, sich zu erinnern, daß sie von strikt rational kalkulierenden Individuen als methodologischer Fiktion ausgehen, die ihren Interessen ohne Rücksicht auf andere und nachgerade verschwörerisch nachgehen. (Zu den Pathologien der "Rational-Choice"-Theorie: Green/Shapiro 1994.) Es gibt keinerlei Rekurs auf eine Systemlogik, aber auch keinen auf andere als ökonomische Maximen des handelnden Personals. Der dritte Ansatz, den ich kurz vorstellen möchte, zeigt entgegengesetzte Züge: die systemtheoretisch ausgelegte Theorie der Konversationskreise von Michael Hutter (1989). Das ist eine Theorie der "Produktion von Recht", so der Buchtitel, die hauptsächlich mit dem Problem der
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autopoietischen Geschlossenheit der gesellschaftlichen Teilsysteme Wirtschaft1 einerseits, "Recht1 und "Politik1 andererseits befaßt ist. Recht erscheint darin als Produktion sogenannter Konversationskreise, Arbeitsgemeinschaften, Verbände u.ä., deren Funktion es ist, die Blindheit der Systeme füreinander zu überwinden, anders gesagt: die Kommunikation zwischen den Systemen trotz unterschiedlicher Codes zu bewerkstelligen. Macht und Interessen kommen in Hutters vorzüglicher Studie - es geht darin um das Arzneimittelpatentrecht allenfalls implizit vor. Dafür bietet Hutters Art, die Dinge zu thematisieren,
bessere Anschlußmöglichkeiten
für
sozialwissen-
schaftliche Erweiterungen, zum Beispiel für die Einsicht, daß auch das Wirtschaftssystem und
daß jedenfalls Unternehmen,
bei aller
Geschlossenheit, von Kommunikationen aus anderen Bereichen der Gesellschaft am Ende doch irritierbar sind und sein müssen. Professionelle Deutungsmuster von Ingenieuren, Medizinern, Chemikern, Rechtsanwälten, manchmal auch: Umweltschützern müssen, in welchen Grenzen auch immer, verstanden werden können - "Wir haben verstanden" - und in wirtschaftliches Handeln überführbar sein. Die starre Systemlogik der Systemtheorie und die nicht minder starre Handlungslogik der "Rational Choice Theory" müssen in Bewegung gebracht werden, in die Bewegung rekursiver Zirkularität. Dann haben wir es mit Strukturation zu tun. Dann gilt, auch für die Sprachprobleme, wie sie die Systemtheorie namhaft gemacht hat: "Die Sprache ist alsdann keine Fessel, etwa wie ein Hemmschuh an dem Rade des Geistes, sondern wie ein zweites, mit ihm parallel fortlaufendes, Rad an seiner Achse." Dann gibt es zwischen dem Euphemismus für "muddling through", "laisser faire" und dem Masterplan der Regulation ein Drittes, das Kleist-Theorem - die allmähliche Verfertigung ökologisch verantwortbarer Strukturen, Regulationen und Selbstregulationen im Handeln,
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"one by one", wie Donald McCloskey, der große Neoklassiker und Neoklassik-Kritiker, es einmal gesagt hat. Ein Drittes, und zwar keinen Kompromiß, keinen Mittelweg - in Gefahr und größter Not ... sondern eben die Zirkularität rekursiver Konstitution, gibt es der hier vertretenen Ansicht zufolge auch in den scheinbaren Alternativen Akteur versus System, Analyse versus Ethik (auch dazu D. McCloskey, z.B. 1994), Konsum versus Produktion als Ort der Umweltzerstörung respektive der Remedur, Effizienz versus Suffizienz, Stabilität versus Wandel, und nun also: Markt versus Regulation. Donald McCloskey wollte zum Ausdruck bringen, daß das, was die ökonomische Zunft22 mittlerweile das Coase-Theorem zu nennen pflegt - in einer transaktionskostenfreien Welt erledigen sich die Probleme sozialer Kosten, also auch Umweltprobleme, von selbst, nämlich durch bargaining zwischen Schädigern und Geschädigten (Coase 1960) - eine Halbierung, Verdinglichung und geradezu Verkehrung der Coaseschen Intention darstellt: "It has therefore been misunderstood by modernist economists, who see in it a 'theorem' for their social engineering. The theorem, as it happens, is due to Adam Smith, some years in advance of Coase (namely, that exchange free of trammels works well; Coase's point was the opposite, that in a world of trammels the particular trammels need to be examined one by one to decide about things like air pollution and property rights.)" (D. McCloskey 1990, 147)
22 Selbst kritische Geister wie etwa Weise u.a. in ihrem so anregenden Lehrbuch (1993, 397 f). Coase selbst hat sich (1988) befremdet darüber gezeigt, daß sein Beitrag von 1960 zum "Theorem" geronnen ist und sich mit wünschenswerter Klarheit von der anti-interventionistischen, deregulierungsfixierten Weise seiner Inanspruchnahme distanziert Eine transaktionskostenfreie, also eine sogenannte Coase-Welt? "Nothing could be further from the truth." (Coase 1988,174) Eine instruktive Darstellung einschließlich einer Erörterung der Konsequenzen für die Frage der Regulation bieten Henseler und Matzner (1994).
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Günther Ortmann "One by one", "case-by-case" (147), eins nach dem anderen, die
allmähliche Verfertigung, das ist kaum das Programm der Moderne. "It does not seek universal principles to be applied by social engineers." (147) Solche universalen Prinzipien, wenn sie in Rezeptform gebracht sind, pflegt Donald McCloskey Schlangenöl zu nennen. In der Kleistischen Flasche ist ein anderer Stoff.
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Akteure im System
1. Einleitung Die Kontroverse über die Bedeutung des Akteurhandelns fur die Konstitution sozialer Ordnung ist so alt wie der neuzeitliche Individualismus selbst. Auf der einen Seite steht die Erwartung oder Hoffnung, daß es uns gelingt, die Naturkräfte unter unsere Kontrolle zu bringen und Geschichte und Gesellschaft nach unseren Wünschen zu gestalten; auf der anderen Seite werden wir permanent mit der Widerständigkeit materieller Gegenstände und sozialer Strukturen konfrontiert und sehen uns der überwältigenden Objektivität von Natur und Gesellschaft ausgeliefert. Diese intuitiven Erfahrungen von Macht und Ohnmacht haben sich auch in den zentralen theoretischen Konstruktionen der Sozialwissenschaften niedergeschlagen. Während das strukturtheoretische Gesellschaftsmodell die Bedeutung des Akteurhandelns herunterspielt und Akteure eher als Marionetten denn als autonome Herren (oder Damen) ihres Schicksals betrachtet, geht die Akteurtheorie umgekehrt davon aus, daß soziale Ordnung und Veränderungen dieser Ordnung auf das eigensinnige Handeln der Akteure zurückzufuhren sind. Obwohl die Lösung dieses theoretischen Basisproblems von einiger Relevanz wäre - immerhin orientieren sich die Vorschläge für die Bewältigung dringender gesellschaftlicher und ökologischer Probleme ganz wesentlich an diesen akteur- oder strukturtheoretischen Model-
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len -, ist eine Beendigung der Kontroverse zwischen Akteur- und Strukturtheorie nicht in Sicht. Stattdessen lassen sich theoretische Konjunkturen beobachten, bei denen einmal die eine und dann wieder die andere Seite die Oberhand gewinnt. So zeichnet sich seit einiger Zeit eine "Rückkehr des Akteurs" (Touraine 1984) ab - nicht nur in Gestalt einer auf dem interpretativen Paradigma aufbauenden Handlungstheorie, sondern auch als Ergebnis einer verstärkten Rezeption des ökonomischen Akteurmodells (homo oeconomicus). Dabei hat es nicht an Versuchen gefehlt, die Dichotomie von Akteur und Struktur zu überbrücken: so etwa die von Habermas formulierte Theorie kommunikativen Handelns (1981), Elias' Konzept der Figuration (1996), Giddens' Strukturationstheorie (1988), das Konzept des Neofunktionalismus (Alexander 1993) oder die von Luhmann entwickelte Theorie sozialer Systeme (1984). Anstatt jedoch die Kontroverse zwischen Akteur- und Strukturtheorie zu entschärfen, sind auf diese Weise weitere Paradigmen in die sozialwissenschaftliche Diskussion eingeführt worden, deren Gültigkeit wiederum von den Vertretern der Akteur- und Strukturtheorie angezweifelt wird. In dieser Situation bietet sich eine vergleichende Analyse sozialwissenschaftlicher Konzepte und Modelle an. Dabei ist allerdings zu bedenken, daß sich Vergleiche, die aus einer wissenschaftstheoretischen Metaperspektive argumentieren und auf eine "neutrale" Bewertung der von den Theorien verwendeten Prämissen abzielen, in der Vergangenheit als wenig sinnvoll erwiesen haben, weil die Bewertung nur vom Boden der eigenen Prämissen vorgenommen wurde und letztlich nur dazu diente, die eigene Theorie zu plausibilisieren (Schneider 1996). Deshalb werden wir uns im folgenden von einer konstruktivistischen
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Theorie der Beobachtung leiten lassen1, die ohne den Gestus theoretischer Überlegenheit auskommt und statt eliminatorischer Kritik um eine Analyse der jeweiligen Beobachtungsperspektive und des bei den Beobachtungen zugrundeliegenden Unterscheidungsgebrauchs bemüht ist. Aus der Sicht des "Radikalen Konstruktivismus" können sozialwissenschaftliche (oder im engeren Sinne soziologische) Theorien als Konstrukte verstanden werden, die sich auf differerierende beobachtungsleitende Unterscheidungen stützen und selbst wieder Differenz erzeugen, indem sie bestimmte Instrumente - Modelle, Begriffe, Methoden - für eine Analyse sozialer Prozesse und Gebilde bereitstellen. Das bedeutet zunächst, daß keine Theorie eine übergeordnete hierarchische Position fur sich beanspruchen kann. Es gibt keinen archimedischen Punkt mehr, um "unterschiedliche" Theorien (im strengen Sinne des Wortes) ineinander zu überfuhren oder vergleichend zu kritisieren. Kritik ist unter diesen Umständen nur noch als immanente Kritik sinnvoll. Zugleich gilt aber auch, daß sozialwissenschaftliche Theorien als "Beobachter erster Ordnung" für ihre beobachtungsleitenden Unterscheidungen blind sind. Sie können im Vollzug ihrer theoretischen und empirischen Operationen nicht sehen, wie die Unterscheidung aussieht, der sie ihre charakteristische Weltsicht verdanken. Dazu bedarf es nämlich - und das ist der "Witz" der konstruktivistischen Beobachtungstheorie - eines anderen Beobachters, der den Unterscheidungsgebrauch dieser Theorien unter die Lupe nimmt. Ein Beobachter "zweiter Ordnung" vermag zu sehen, was fur Beobachter "erster Ord-
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Wir beziehen uns im folgenden auf die Theorie der Beobachtung, wie sie vor allem von Spencer Brown (1977), Maturana (1985), Luhmann (1988a) und Foerster (1993) entwickelt worden ist
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nung" unbewußt oder unkommunikabel bleibt; er kann beobachten, welche Differenzen verwendet werden, was mit Hilfe dieser Differenzen gesehen wird bzw. aufgrund der verwendeten Unterscheidung verborgen bleibt. Eine hierarchisch übergeordnete Position ist damit freilich nicht verbunden, weil auch ein Beobachter "zweiter Ordnung" von Unterscheidungen ausgeht, die für ihn latent bleiben und in ihrer Latenz nicht von ihm durchschaut werden können. In den beiden folgenden Kapiteln (2 und 3) geht es zunächst um den Unterscheidungsgebrauch, die selektive Sichtweise und die blinden Flecken von Akteur- und Strukturtheorie. Im Zentrum stehen die Modelle des homo oeconomicus und des Strukturfunktionalismus, weil sie die Weltsicht des methodologischen Individualismus bzw. des Strukturdeterminismus in besonders reiner Form wiedergeben. Darüber hinaus wird aber auch gezeigt, wie die "starken" Prämissen beider Theorien durch immanente Kritik unter Druck geraten und allmählich ein Modell von Akteur und Struktur sichtbar wird, das heuristisch für eine weiterführende Analyse sozialer Prozesse genutzt werden kann. In den beiden anschließenden Kapiteln (4 und 5) stehen zwei der oben angesprochenen Lösungsansätze im Mittelpunkt: Giddens' Theorie der Strukturierung und Luhmanns Analyse der Autopoiesis sozialer Systeme. Dabei werden vor allem die Vorzüge einer Akteur und Struktur übergreifenden Betrachtungsweise sichtbar. Giddens und Luhmann stellen zwar keine ausgefeilte, auf Beobachtungen "zweiter Ordnung" zugeschnittene Methodologie bereit, liefern aber gleichwohl wertvolle Orientierungshypothesen fur die weitere sozialwissenschaftliche Forschung, weil sie Akteur und Struktur nicht mehr als ontologische Voraussetzungen sozialer Prozesse, sondern als deren Resultat begreifen.
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2. Primat des Akteurs... Die Erfahrung einer übermächtigen, unsere Wünsche und Hoffnungen ignorierenden Natur ist uralt; sie begegnet uns schon in den magischen Ritualen und Mythen der "Naturvölker" und findet sich unterschwellig selbst noch in einigen Varianten der ökologisch inspirierten Fortschrittsund Zivilisationskritik des 20. Jahrhunderts.2 Dabei handelt es sich ursprünglich nicht um individuelles, einzelnen Personen zurechenbares Wissen: die kollektive Erfahrung menschlicher Ohnmacht gegenüber den Kräften der Natur geht der Geburt des (bürgerlichen) Individuums voraus. Die Entdeckung von Individualität und Persönlichkeit zu Beginn der Neuzeit zeigt sich besonders sinnfällig an der Umstrukturierung des semantischen Apparats (Guijewitsch 1994, 117 f.). So wurde mit dem lateinischen "persona" ursprünglich eine Theatermaske bezeichnet - also das diametrale Gegenteil dessen, was seit dem 16. Jahrhundert unter "Person" verstanden wird. Verändert hat sich auch die Bedeutung des Wortes "Charakter", das in seinem griechischen Ursprung gerade auf die Prägung durch natürliche und soziale Gegebenheiten hinweist. Zugleich werden die Begriffe "Individuum" (eigentlich: das Unteilbare) und "Subjekt" (eigentlich: die dem Erkenntnisprozeß vorausgehende und ihm zugrundeliegende Realität) ihrer ursprünglichen Bedeutung entkleidet und fur eine genauere Fokussierung der selbst-bewußten und als unverwechselbar deklarierten Persönlichkeit genutzt. Subjekt und Objekt wechseln aber nicht nur die Seiten - sie fallen unvermittelt auseinander: auf dem einen Pol das über jeden erkenntnis-
2
Mit dem Unterschied, daß die ökologische Krise nicht mehr als schicksalhaftes Geschehen gedeutet wird, sondan als selbstverschuldete "Resurrektion der Natur", d.h. als Antwort auf das neuzeitliche Programm der Naturbeherrschung.
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kritischen Zweifel erhabene cartesianische Ich, auf dem anderen Pol die formbare, von mechanischen Gesetzen beherrschte Materie. Damit erscheint "der" Mensch nicht länger als Teil des göttlichen Heilsplans, sondern als organisierendes Zentrum einer Welt, die letztlich erst durch menschliche Aktivitäten Bedeutung erhält und deshalb auch durch zielgenaue Interventionen gestaltet und zugerichtet werden kann. Die Bedeutung dieser "kopernikanischen Wende" kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Von nun an ist politische Herrschaft nicht mehr durch göttliches Gebot legitimiert, sondern muß sich vor dem Richterstuhl der Vernunft rechtfertigen. Gleichzeitig wird die tragende Rolle der menschlichen Vernunft im Prozeß der (Natur-)Erkenntnis herausgearbeitet und gegen abbildtheoretische und empiristische Verkürzungen verteidigt. Wie aber läßt sich der Primat des Subjekts halten, wenn zugleich erkennbar ist, daß die Menschen bei ihren Handlungen stets an empirische, mehr oder weniger einschränkende Voraussetzungen gebunden sind? Hobbes (1966) löst dieses Problem, indem er bei der Beschreibung des Naturzustands von allen politischen und sozialen Institutionen absieht, die das Bild des neuzeitlichen Europa prägen. Als Ergebnis dieser Abstraktion entsteht schließlich ein Menschenbild, das sich nur durch ein einziges anthropologisches Prinzip auszeichnet: das zweckrationale, auf die Kumulation von Machtmitteln zielende Streben nach Selbsterhaltung. Bei Kant (1983) wird sogar von diesen für die frühe bürgerliche Philosophie zentralen anthropologischen Bestimmungen abstrahiert. Die dem Akt der Erkenntnis zugrundeliegende Autonomie des transzendentalen Subjekts gründet gerade darauf, daß es keinen äußeren Zwängen unterworfen, von allen empirischen Verunreinigungen befreit - also eben nicht selber Teil der Natur ist. Die abendländische Philosophie hat sich seither an dem hypostasierten Primat des Subjekts abgearbeitet und dessen Autonomie
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infragegestellt. Umso bemerkenswerter ist deshalb der Siegeszug des ontologischen und methodologischen Individualismus in weiten Bereichen der Sozialwissenschañen. Der unter dem Diktat der Selbsterhaltung stehende Akteur tritt an die Stelle des selbstbewußten, von den Gesetzen der Vernunft geleiteten Subjekts. Das ökonomische, in der Figur des homo oeconomicus kondensierte Verhaltensmodell ist für die moderne Akteurtheorie wegweisend geworden - auch für jene Varianten, in denen einzelne Aspekte dieses Menschenbildes problematisiert und kritisiert werden (Frey 1989; Kirchgässner 1991).3 Modelltheoretischer Ausgangspunkt ist dabei die Überzeugung, daß nur Menschen handeln können (methodologischer Individualismus).4 Gruppen, Organisationen oder die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit sind nicht als handlungsfähige Einheiten anzusehen, sondern erscheinen als Gebilde, die - zumindest nach Auffassung der Institutionenökonomik - durch ein Netz relationaler Verträge, d.h. durch menschliches Handeln erzeugt und zusammengehalten werden (Williamson 1990). Da sich alle ökonomischen und sozialen Tatsachen aus den Charakteristika der Individuen, aus ihren Handlungen und Präferenzen ableiten lassen, stellt Gesellschaft letztlich nur noch eine "Chiffre ohne Eigenexistenz" (Kirsch 1983, 15) dar. Befragt man nun die neoklassische Ökonomie nach den empirischen Bestimmungsgründen menschlichen Handelns, dann fällt auf, daß Verhaltensänderungen in aller Regel auf Änderungen der relativen Güter3
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Wir werden uns im folgenden vor allem mit dem Modell des homo oeconomicus und seinem soziologischen Pendant, dem Menschenbild der "Rational-Choice"Theorie, befassen, weil der ontologische und methodologische Primat des Akteurs in diesen beiden Modellen besonders gut zum Ausdruck kommt. Oder, wie Buchanan apodiktisch formuliert: "Only individuals choose and act. Collectivities, as such, neither choose nor act and analysis that proceeds as if they do is not within the accepted scientific canon. Social aggregates are considered only as the result of choices made and actions taken by individuals." (Buchanan 1987, 586)
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preise zurückgeführt werden. Es wird zwar eingeräumt, daß Verhaltensänderungen auch durch einen endogenen Wandel in der Bedürfnisstruktur der Akteure verursacht sein können; da sich solche Präferenzänderungen aber nicht mit hinreichender Präzision messen lassen, werden die individuellen Präferenzen in den "Pferch des ceteris paribus" (Buchanan 1971) eingesperrt und als wohlgeordnet und stabil vorausgesetzt (Kirchgässner 1991, 38 ff). Damit nimmt der Mensch tendenziell den Status einer Reiz-Reaktionsmaschine an, die durch äußere, nicht in seinem Einflußbereich liegende Einflüsse gesteuert wird.5 Wie aber kann die neoklassische Ökonomie noch am Postulat des methodologischen Individualismus festhalten, wenn sie sich über den Inhalt von Nutzenfunktionen ausschweigt und äußere Anreize und Restriktionen für das Verhalten der Akteure verantwortlich macht? Um dieses Problem zu lösen, greift die Neoklassik auf eine mehr oder minder ausgefeilte Theorie der Mittel und Zwecke zurück (Biervert/ Wieland/Held (Hrsg.) 1990). Triebfeder des Handelns ist demnach das (materielle) Eigeninteresse der Akteure. Sie werden nicht primär von altruistischen Erwägungen oder vom Interesse an der Erhaltung der Natur geleitet, sondern streben grundsätzlich nach einer Maximierung individueller Vorteile. Interesse am Wohlergehen anderer oder ökologisch orientierte Bestrebungen sind von ihnen nur zu erwarten, sofern
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Auf dieses dem Behaviorismus verwandte Verhaltensmodell gestatzt, gibt Kirchgässner der Umweltpolitik den Rat, auf eine Förderung des "Umweltbewußtseins" zu verzichten. Viel wirkungsvoller sei eine Änderung der Restriktionen, so daß "es auch im eigennützigen Interesse der Individuen ist, sich umweltkonform zu verhalten" (Kirchgässner 1991, 45). Wie sich auch anhand anderer Verhaltensannahmen der Neoklassik zeigen ließe, wird hier eine modelltheoretische Abstraktion (in diesem Fall: die methodologisch begründete Prämisse stabiler Präferenzen) als Manifestation der Wirklichkeit selbst interpretiert
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sie sich davon selbst einen Vorteil versprechen können.6 Vervollständigt wird dieses Modell durch die Annahme, daß sich die Menschen bei der Verfolgung ihrer Ziele vom Prinzip der Zweckrationalität leiten lassen, d.h. sich in jeder Situation darum bemühen, ihre Präferenzen, Ressourcen und Restriktionen richtig einzuschätzen und bei der Handlungsselektion zu berücksichtigen.7 Dabei bezieht sich das Prinzip der Zweckrationalität aber nicht allein auf die mit dem Handeln verbundenen Intentionen. Vielmehr unterstellt die Neoklassik, daß die Menschen auch über die erforderlichen kognitiven und evaluativen Fähigkeiten verfugen, um ihre individuellen Vorteile zu maximieren. So wird z. B. angenommen, daß alle Marktteilnehmer selbst in hochgradig kontingenten Handlungssituationen vollständig über die gegenwärtigen und zukünftigen Bedingungen ihres Handelns (Zukunftsmärkte) und über die optimale Relation von Mitteln und Zwecken informiert sind. Mit diesen Eigenschaften ausgestattet, wächst der homo oeconomicus in die Nachfolge des transzendentalen Subjekts der bürgerlichen Philosophie hinein. Seine Autonomie gründet nun freilich nicht mehr, wie Kant annahm, auf der Unabhängigkeit von allen empirischen Bestimmungen, sondern auf der Independenz der gegebenen individuellen Nutzenfunktionen. Folgt man den Aussagen der Neoklassik, dann hängt der Prozeß der Bildung individueller Präferenzen allein von
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Altruistische und ökologische Motive werden also nicht generell ausgeschlossen, sondern unter den Vorbehalt der individuellen Nutzenmaximierung gestellt (Alchian/Allen 1974, S. 20 f.). Max Weber definiert Zweckrationalität wie folgt: "Zweckrational handelt, wer sein Handeln nach Zwecken, Mitteln und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen die Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nebenfolgen, wie endlich auch die verschiedenen möglichen Zwecke gegeneinander rational abwägt..." (1980, 13) Dabei ist zu beachten, daß es sich aus der Sicht des homo oeconomicus bei der Abwägung von Zwecken nur um eine wohlQberlegte Ordnung individueller Präferenzen und nicht um die Wahl zwischen der Wahrung des Eigeninteresses und alternativen Zwecksetzungen handeln kann.
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den Gegebenheiten der (menschlichen) Natur ab und nicht von den sozialen Verhältnissen, in denen die Menschen leben.® Der homo oeconomicus läßt sich zwar in seinem Verhalten von den Preissignalen auf den verschiedenen Güter- und Kapitalmärkten leiten, aber doch nur im Rahmen der Regeln, die ihm von seiner eigenen menschlichen Natur auferlegt werden. Das ökonomische Handlungsmodell und das ihm zugrundeliegende Bild des homo oeconomicus sind in der wissenschaftlichen Diskussion häufig als wirklichkeitsfremd kritisiert worden. So gibt es z.B. Hinweise, daß sich Menschen nicht stets von Kosten-Nutzen-Erwägungen leiten lassen, sondern häufig irrational handeln (Etzioni 1996). Der rationalistische Kern des Modells wird davon freilich nicht berührt, weil "Eigeninteresse" und "Rationalität" auf dem hier angesetzten Abstraktionsniveau als differenzlose Begriffe gehandhabt werden. Jedes menschliche Handeln kann unter diesen Prämissen als Versuch zur Maximierung individueller Vorteile angesehen werden - selbst dann, wenn sich die Akteure explizit von ganz anderen (z.B. destruktiven und selbstdestruktiven) Zielsetzungen leiten lassen. Die Kritik an der Maximierungsannahme der ökonomischen Theorie läßt sich demgegenüber nicht so einfach abwehren. Wie Herbert Simon (1945) gezeigt hat, sind Menschen aufgrund begrenzter kognitiver Fähigkeiten nicht imstande, sämtliche Alternativen in einer gegebenen Situationen rational gegeneinander abzuwägen. Sie sind deshalb gezwungen, den Prozeß der Informationsbeschaffiing und -Verarbeitung an ei-
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Boulding nennt dies eine der "befremdlichsten Illusionen der Ökonomen", die weit hinter die Erkenntnisse der Psychologie und Sozialwissenschaften zurückfällt (1973,104). Gleichwohl hat die Neoklassik gute Gründe, an ihrer Doktrin von der Unabhängigkeit der Nutzenfunktionen festzuhalten, weil sie nur so ihre Behauptung begründen kann, daß der Wettbewerbsmechanismus zur Ausbildung markträumender Gleichgewichte führt, die der Bedingung der Paretooptimalität entsprechen (Vogt 1973, 192 ff.).
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nem bestimmten Punkt abzubrechen und sich mit einer "zufriedenstellenden" Lösung zu begnügen.9 Damit wird - wie bei allen Versuchen, das Bild des homo oeconomicus auf dem Wege abnehmender Abstraktion an die Wirklichkeit anzupassen - das Postulat des methodologischen Individualismus angekratzt. Der empirische Akteur ist eben nicht souverän in der Beurteilung und Bewertung einer Situation, sondern von vielen Faktoren abhängig, die sein Urteilsvermögen einschränken und eine umfassende Analyse der verfugbaren Handlungsoptionen verhindern. Während Simon ungeachtet des Konzepts der "bounded rationality" am individualistischen Rationalitätskern ökonomischen Handelns festhält, weist die soziologische Kritik auf dessen kulturelle und soziale Einbettung hin. Wie schon Max Weber deutlich macht, hängt das Handeln der Akteure ganz wesentlich davon ab, wie sie eine gegebene Situation subjektiv deuten - und nicht etwa davon, wie sie "wirklich" ist.10 Diese Situationsdeutungen jedoch sind niemals bloß subjektiv und individuell, sondern werden stets auf der Grundlage interpretativer, sozial und kulturell vorgegebener, Schemata vorgenommen (Berger/Luckmann 1987). Daraus resultiert die Notwendigkeit zu einer Präzisierung des Begriffs der "begrenzten Rationalität". Akteure werden bei der Beurteilung situativ verfügbarer Handlungsalternativen nicht nur mit den Grenzen ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit konfrontiert, sie müssen sich auch auf gesellschaftliche Regeln und 9
Aus neoklassischer Perspektive könnte der Verzicht auf vollständige Information selbst wieder als rationale Wahlhandlung und als Form des Maximierungshandelns interpretiert werden (so etwa Riker/Ordeshook 1973). Dabei wird jedoch nicht bedacht, daß Akteure gerade aufgrund fehlender Informationen gar nicht wissen können, ob die Suche nach weiteren Alternativen sinnvoll ist oder aus Kostengründen eingestellt werden sollte. 10 Hieraus ergibt sich Webers Definition der Soziologie als "Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklaren will" (1980,1).
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Interpretationsschemata einlassen, die die unfaßbare Komplexität der Situation reduzieren (filtern) und handhabbar machen. Mit der Zweckrationalität der Akteure und ihrer Fähigkeit zu individuell nutzenmaximierendem Handeln wird auch die von der Neoklassik behauptete Unabhängigkeit der Nutzenfunktionen infragegestellt. Wie Kenneth Galbraith in verschiedenen Studien gezeigt hat, sind soziale Prozesse ganz wesentlich für die Entstehung und Veränderung individueller Bedürfiiisse verantwortlich, vor allem Prozesse im Bereich der Produktion selbst (1972, 158 ff). Damit kehrt sich das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft tendenziell um, und der vom methodologischen Individualismus behauptete Primat des Akteurs macht einem Modell Platz, das von der sozialen Vermitteltheit individueller Fähigkeiten und Präferenzen ausgeht. Obwohl neuere Versionen der "Rational-Choice-Theorie" im Bereich der Soziologie auch die interpretative Dimension des Handelns einbeziehen, läßt sich keine Abkehr vom Postulat des methodologischen Individualismus feststellen. Es sind weiterhin die nutzenmaximierenden und zweckrational handelnden Akteure", die für die Konstruktion der Gesellschaft und ihrer Institutionen verantwortlich zeichnen. Dabei wird aus soziologischer Perspektive durchaus eingeräumt, daß sich die sozialen Makrostrukturen nicht direkt aus dem zweckgerichteten Handeln der Akteure ableiten lassen. Stattdessen sollten sie, so Hartmut Esser, eher als nichtintendierte Nebenfolge des Handelns angesehen werden, als Resultat eines Prozesses, der in wesentlichen Punkten "hinter dem Rücken" der Akteure abläuft: "Gesellschaft ist nach diesem Konzept nichts weiter als ein externer Effekt des interdependenten (...) Handelns
11 S. etwa das von Lindenberg und Esser aus dem und teilweise in Abgrenzung zum homo oeconomicus entwickelte RREEMM-Modell, in dem "der" Mensch ausdrücklich als "Resourceful, Restricted, Expecting, Evaluating, Maximizing Man" charakterisiert wird (Esser 1993,237 ff.).
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der Menschen ..." (1993, 339). Sie wissen es nicht, aber sie tun es. Umso dringlicher stellt sich die Frage, warum den Akteuren noch der Primat zugesprochen wird, wenn sich Gesellschaft und Akteure doch in einem ununterbrochenen Prozeß wechselseitig konstituieren und ermöglichen.12 Esser greift bei seiner Rechtfertigung des methodologischen Individualismus auf das von Gary S. Becker begründete Konzept der sozialen Produktionsfunktionen zurück (Esser 1996). Menschen, so die diesem Modell zugrundeliegende These, werden in ihren Präferenzen und Handlungszielen zutiefst durch die Gesellschaft geprägt und festgelegt. Es ist die Gesellschaft, die die dominanten kulturellen Ziele der darin lebenden Menschen definiert: seien es nun Ehre oder Land wie in Feudalgesellschaften oder das Geld und der materielle Wohlstand wie in kapitalistischen Gesellschaften. Zugleich darf jedoch - so Esser - nicht vergessen werden, daß das Streben nach kulturell definierten Gütern selbst wieder anthropologisch begründet ist. Geld und Ehre sind letztlich nur Zwischengüter, um die zentralen und gesellschaftsunabhängigen Bedürfhisse des Menschen zu befriedigen.13 Gesellschaft wird damit auf die innere und unveränderliche Natur des Menschen zurückgeführt; soziale Strukturen und Regeln erscheinen als Epiphänomene, die sich allein der konstituierenden Kraft individueller Akteure verdanken.
12 Dies wird von Esser ausdrücklich hervorgehoben: "Die Gesellschaft ist nichts weiter als eine Konstruktion, fortwährend neu konstruiert durch die unzähligen einzelnen Handlungen der miteinander in antagonistischer Kooperation stehenden Menschen. Und auch die Individuen sind wiederum nichts als die ebenfalls in ihrer Subjektivität simultan, immer wieder neu konstituierten Produkte des wechselseitig aufeinander bezogenen Handelns und dessen externer, gesellschaftlich objektivierter Folgen." (1993,469) 13 Esser nennt zwei allgemeine Funktionsbedingungen des menschlichen Organismus: "die Gewinnung von sozialer Wertschätzung und die Sicherung des physischen Wohlbefindens" (1996,7).
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Rückt man dagegen vom ontologisch oder methodologisch begründeten Primat des Akteurs ab, dann eröffnen sich akteurtheoretische Perspektiven, die das klassische "Rational-Choice"-Modell korrigieren und ein differenzierteres Bild strategisch handelnder ("global maximierender") und sozial eingebetteter Akteure nahelegen. Dazu zählt z.B. die Beobachtung, daß Akteure die Fähigkeit besitzen, sich als Handelnde selbst zu gestalten, etwa durch bewußte Beschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten (Selbstbindung) oder durch Umgestaltung ihrer Präferenzordnung (Elster 1987,211 ff). Dieser Prozeß des SelbstManagements läßt sich zwar mit einiger Anstrengung noch in das allgemeine Modell zweckrationalen Handelns einfügen, weil es den Akteuren auf diese Weise gelingt, Ungewißheit zu reduzieren und ihre Ziele mit den zur Verfügung stehenden Mitteln in Übereinstimmung zu bringen. Zugleich werden hier aber auch Aspekte thematisiert, die bei der Modellierung des homo oeconomicus zu kurz kommen: die Weltoffenheit und Plastizität der Akteure, ihre Fähigkeit zur Reflexion und ihre Lernfähigkeit - kurz: ihre Kreativität (Joas 1992).14 Menschen sind nach diesem Modell nicht etwa durch äußere Einflüsse auf eine bestimmte Reaktionsweise bzw. auf einen bestimmten Set von Handlungsalternativen festgelegt, sondern besitzen innovatorische Potentiale, die ihnen neuartige Situationsdeutungen und die Entdeckung ungeahnter Handlungsoptionen ermöglichen. Neuere "Rational-Choice"-Theorien haben zwar in letzter Zeit versucht, die Kreativität des Handelns post festum wieder in das Schema der Zweckrationalität zu integrieren15, müssen aber immerhin einräumen, daß die 14 An dieser Stelle greifen symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie in die Debatte ein; s. etwa die Studien von Goffinan oder den Sammelband der Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (1981). 15 Akteure - so Esser - sind bei der Erkundung der situativ gegebenen Handlungsoptionen überausfindigund phantasievoll ("resourceful"). Zugleich lassen sie sich aber in der Wahl ihrer Mittel vom Prinzip der Nutzenmaximierung leiten: Wenn sie
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Situationsdeutungen der Akteure "kontingent" sind, d.h. auch mit wissenschaftlichen Mitteln letztlich nicht antizipiert werden können.
3. ... oder Primat der Struktur? Die hier diskutierten Akteurtheorien geraten vor allem dann in Schwierigkeiten, wenn sie erklären sollen, wie sich die individuellen Handlungen zu einem kollektiven sozialen Aggregat zusammenfugen. Dies hängt u.a. damit zusammen, daß sie bei der Analyse der "Logik der Aggregation" (Esser) auf einen wichtigen Baustein des methodologischen Individualismus verzichten müssen. Denn die Schaffung sozialer Gebilde und Strukturen kann nicht als gewußter Zweck des auf individuelle Nutzenmaximierung gerichteten Handelns angesehen werden, sondern bestenfalls als transintentionaler Nebeneffekt (Schimank 1996, 211).
Parsons, der Begründer der strukturfunktionalistischen Systemtheorie, hat das von Hobbes aufgeworfene Problem der gesellschaftlichen Ordnungsbildung von Anfang an in den Mittelpunkt seiner Theorie gerückt. Wie, so seine Ausgangsfrage, ist eigentlich Gesellschaft möglich, wenn autonom handelnde Akteure mit unterschiedlichen, wenn nicht sogar konträren Handlungsmotiven aufeinandertreffen? Nach Parsons' Einschätzung ist eine selbsttragende Koordination individueller Handlungen wenig wahrscheinlich, vor allem deshalb, weil sich die Akteure unter utilitaristischen Prämissen nicht auf gesellschaftlich normierte Erwartungen und Situationsdeutungen verlassen können und
nämlich "bestimmte Alternativen - einschließlich einer ganz neuen - sehen, dann wählen sie eine davon immer nach der Regel des Maximierens (unter bounded rationality) aus. Findigkeit setzt die allgemeine Regel der Logik der Selektion nicht außer Kraft." (1993,228)
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deshalb in voller Härte mit dem Problem der doppelten Kontingenz16 konfrontiert werden. Hier setzt der von Parsons (1937) ausgearbeitete Lösungsvorschlag an. Akteure lassen sich demnach zwar in ihren Handlungen von der rationalen Wahl der Mittel leiten, orientieren sich aber bei der Selektion der zugrundeliegenden Zwecke und Ziele an den gegebenen Normen und Werten der Gesellschaft, die den individualistischen Rationalitätskern einhegen und so überhaupt erst zweckgerichtetes individuelles Handeln erlauben. Gesellschaft und die in ihr existierenden sozialen Gebilde sind letztlich nur möglich, weil die Akteure sozial legitimierten Normen und Werten folgen, komplementären Regeln und Rollenerwartungen, die die Konformität der Interaktionspartner hinsichtlich ihrer gegenseitigen Erwartungen garantieren. Parsons hat an der normativen Lösung des gesellschaftlichen Ordnungsproblems auch dann noch festgehalten, als er sich von der "voluntaristischen Handlungstheorie" abwandte und einer makrosoziologischen Systemtheorie verschrieb.17 Nach seiner Auffassung sind die Systeme einer Gesellschaft hierarchisch geordnet: "Das Persönlichkeitssystem (...) ist ein Steuerungssystem für den Verhaltensorganismus, das Sozialsystem steuert die Persönlichkeiten seiner beteiligten Mitglieder, und das kulturelle System ist ein Steuerungssystem für Sozialsysteme." (Parsons 1976, 171) Prozesse der Institutionalisierung (zwischen kulturellem und sozialem System), der Internalisierung bzw. Sozialisation (zwischen sozialem System und Persönlichkeitssystem)
16 "There is a double contingency inherent in interaction. On the one hand, ego's gratifications are contingent on his selection among available alternatives. But in turn, alters reaction will be contingent on ego's selection and will result from a complementary selection on alters part." (Parsons/Shils 1951,16) 17 Wir betrachten den Strukturfunktionalismus als Ausdruck einer strukturtheoretischen Soziologie, weil Parsons die Umstellung auf die Unterscheidung von System und Umwelt nicht zu einer qualitativ anderen Losung des sozialen Ordnungsproblems nutzt
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und des Lernens (zwischen Persönlichkeitssystem und Organismus) sorgen dafür, daß Gesellschaft als funktionale Einheit existieren und zu einem homöostatischen Gleichgewicht finden kann. Die Rollentheorie hat sich auf dieser Grundlage um die Formulierung eines spezifisch soziologischen Menschenbildes bemüht. Der homo sociologicus (Dahrendorf 1977) erscheint - in deutlicher Abgrenzung zum homo oeconomicus - als durch und durch sozialisiertes Wesen, vom dem erwartet wird, daß er sich in die ihm zugewiesenen Rolle fügt und sein Verhalten an den damit verbundenen Normen ausrichtet. Rationale Wahlhandlungen mit dem Ziel der Nutzenmaximierung verlieren aus dieser Perspektive ihre zentrale theoretische und empirische Bedeutung, weil die Gesellschaft mit der Zuweisung sozialer Rollen zugleich auch das Muster der individuellen Handlungsselektion festlegt. Hier haken fundamentalökologische Positionen ein, die fur eine strikte Reglementierung marktvermittelter ökonomischer Prozesse plädieren. Während das Modell des homo oeconomicus kaum Ansatzpunkte für eine ökologisch-ethische Grundlegung des Wirtschaftens bereitstellt18, weisen Strukturfunktionalismus wie auch Rollentheorie auf die normative Fundierung des Handelns hin und ebnen damit den Weg für ein ökologisches Ethikmodell, das ökonomische Aktivitäten von ihrer Verträglichkeit mit übergeordneten moralisch-ökologischen Zielsetzungen abhängig macht. Dabei stellt sichfreilichsofort die Frage, ob eine rigorose ethisch-ökologische Fundierung der Wirtschaft angesichts der Aushöhlung traditionaler Handlungszusammenhänge und
18 Die Rechtfertigung ökonomischen Handelns ergibt sich für die Neoklassik allein aus der (angeblichen) Effizienz und Paretooptimalität marktförmig organisierter Tauschprozesse. Negative externe Effekte - etwa hinsichtlich der Verschwendung natürlicher Ressourcen - werden erst wahrgenommen, wenn sich diese Effekte intemalisieren lassen, d.h. als ökonomisch relevante Kosten in Erscheinung treten.
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der gleichzeitigen Globalisierung ökonomischer Prozesse überhaupt noch im Bereich des Möglichen liegt.19 Denn wie kann sich eine machtvolle ökologische Ethik entwickeln und gegen den Imperativ der Ökonomie durchsetzen, wenn die Abweichung von Normen mittlerweile eher als Normalfall denn als Ausnahme angesehen werden muß (Beck 1986)? Das von Parsons entwickelte Modell gesellschaftlicher Integration ist sowohl unter mikro- als auch unter makrosoziologischen Gesichtspunkten kritisiert worden. Zum einen wird die rigorose Einschränkung der Autonomie des Akteurs moniert (Esser 1993, 232 ff.; Schmid 1995, 243). Die Kreativität des einzelnen erschöpft sich für die strukturfunktionalistisch argumentierende Rollentheorie20 offenbar darin, eben die Regeln oder Normen herauszufinden, die für eine bestimmte Situation maßgebend sind. Zum anderen bezieht sich die Kritik auf das zugrundeliegende Gleichgewichtsmodell ("Bestandsfünktionalismus"). Da die Akteure gar nicht anders können, als sich in den sozialen Zusammenhang zu integrieren und die Verbindlichkeit der geltenden Werte und Normen anzuerkennen, erscheint die soziale Wirklichkeit bei Parsons als ein im wesentlichen harmonisch organisiertes, zu Gleichgewicht und Regelkonsens tendierendes Ganzes (Gouldner 1974). Soziale Konflikte werden zwar nicht geleugnet, aber als pathologische Störung der sozialen Reproduktion betrachtet. Während Parsons den Prozeß der Institutionalisierung als Durchsetzung generalisierter Handlungsorientierungen begreift, die im Sinne sozialer Normen für ein Höchstmaß an Homogenität und Ver19 Auf einem anderen Blatt steht, ob sie wünschbar und erstrebenswert ist. Zur Einschätzung der verschiedenen Ethikmodelle, in denen das Verhältnis von Ökonomie und Ökologie thematisiert wird, s. Pfriem 1995,227 ff. 20 Die interaktionistische Rollentheorie hebt demgegenüber stärker auf den aktiven Umgang des Individuums mit seiner Rolle und den sozialen Rollenerwartungen ab (Bahrdt 1994,66 ff.).
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haltenssicherheit sorgen, weisen Vertreter des symbolischen Interaktionismus und des Neo-Institutionalismus darauf hin, daß Akteure - Individuen wie Organisationen - meist mit multiplen, wenn nicht sogar widersprüchlichen Erwartungsstrukturen konfrontiert werden. Soziales Handeln läßt sich deshalb nicht auf eine reflexartige Anwendung eindeutiger Normen und Regeln reduzieren, sondern schließt kognitive Prozesse der Auswahl, Interpretation und Anwendung institutionalisierter Vorgaben ein (DiMaggio/Powell 1991). Damit zeigt sich, daß das normative Modell sozialer Integration zu kurz greift. Das von Hobbes aufgeworfene Problem gesellschaftlicher Ordnung wird nicht durch die Existenz sozialer Normen aus der Welt geschafft, weil diese Normen selbst wieder von den Akteuren interpretiert und auf ihre jeweilige Situation angewandt werden müssen. Ob der "cognitive turn" der neueren Soziologie und Organisationsforschung zu einer Stärkung der Position des methodologischen Individualismus fuhrt, läßt sich gegenwärtig nicht absehen. Auf der einen Seite werden den Akteuren weitgehende Freiheiten bei der Interpretation und Gestaltung gesellschaftlicher Verhaltenserwartungen zugesprochen. Individuen und Organisationen sind keine Marionetten ökonomischer, politischer oder ökologisch-ethischer Normen, sondern haben - zumindest in gewissen Grenzen - die Möglichkeit, zwischen den angebotenen Normen zu wählen, Spielräume bei der Interpretation gewählter Normen auszunutzen oder sogar eigene Spielregeln aufzustellen: "In diesem Sinne schaffen Interpretationsspielräume Organisationsspielräume" (Sydow 1985, 21). Auf der anderen Seite können bei der Wahl und Interpretation nur Schemata, Leitbilder, "scripts" oder "frames" herangezogen werden, die in den kulturellen Kontext einer Gesellschaft oder einer Organisation hineinpassen und mit den gegebenen Restriktionen des Handelns vereinbar sind. Insofern ist der selektive Prozeß der Situationsdeutung kein rein "individueller" Vor-
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gang, sondern beruht auf soziostrukturellen, nicht weiter hintergehbaren Voraussetzungen. Die strukturfunktionalistische Theorie kann bei der Analyse dieser Voraussetzungen wichtige Hinweise liefern. So zeigt sie z.B. bei der Untersuchung der fundamentalen Orientierungsalternativen des Handelns ("pattern variables"), daß Zweckrationalität ein soziales Konstrukt darstellt - und gerade deshalb verhaltensprägende Bedeutung erlangt (s. etwa Meyer/Boli/Thomas 1994; Stichweh 1995). Während Parsons die Konstitution der Gesellschaft auf gemeinsame kulturelle Werte und Normen zurückfuhrt, weist Marx in seiner Kapitalismuskritik auf die tragende Rolle von materiellen und sozialen Faktoren für die gesellschaftliche Entwicklung und das Leben des einzelnen hin: "Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. £s ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt." (Marx 1971, 8 f.) Das Verhalten der Akteure - Individuen wie auch Kollektive (Klassen) - im historischen Prozeß läßt sich demnach aus dem Stand der Produktivkräfte und dem Verhältnis zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären. "Empfindungen, Illusionen, Denkweisen und Lebensanschauungen" gelten bloß als ideologischer "Überbau", in dem sich die wahren Triebkräfte der Gesellschaft mehr oder weniger verzerrt widerspiegeln (Marx 1969, 139). Dieses holistische Geschichts- und Gesellschaftsmodell wird in den verschiedenen Varianten der "Kritik der politischen Ökonomie" noch einmal kritisch gewendet und zugespitzt. Der Kapitalismus stützt sich nämlich, wie Marx betont, auf spezifische 'Naturgesetze der Produktion" (Marx 1972, 12), die sich unabhängig vom Denken und Wollen der Akteure durchsetzen. Deshalb tauchen Personen in der Marxschen Kapitalanalyse nur noch als "Personifikation ökonomischer Kategorien" (16), als Charaktermasken von Arbeit oder Kapital auf.
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Je größer aber die materielle Gewalt ökonomischer Strukturen, umso unwahrscheinlicher der revolutionäre Übergang vom "Reich der Notwendigkeit"
zum "Reich der Freiheit", wie
er von Marx
herbeigewünscht und prognostiziert wird. Denn wie kann sich Klassenbewußtsein entfalten, wenn alle Akteure, besonders aber die Arbeiter, demProzeß der Verdinglichung unterliegen und der Horizont der konkreten Utopie verstellt ist? Strukturtheoretische Kapitalanalyse und Revolutionstheorie fallen auseinander und werden auch durch teleologische Geschichtskonstruktionen (etwa in Form der Zusammenbruchstheorie) oder voluntaristische Organisationskonzepte (nach dem Vorbild der leninistischen Kaderpartei) nicht wieder zusammengebracht (Breuer 1977). Wie wir schon am Beispiel des Strukturfunktionalismus gesehen haben und nun auch bei Marx bestätigt finden, neigen strukturtheoretische Modelle zu einer Überschätzung der Stabilität bzw. Rigidität sozialer Strukturen. Prozesse sozialen Wandels können nicht mehr angemessen erfaßt und analysiert werden, weil alle Fragen nach der Genese und fortlaufenden Reproduktion sozialer Strukturen als irrelevant abgetan werden. Aus diesem Grunde hat die - ihrerseits ontologisch fundierte - Akteurtheorie leichtes Spiel, wenn sie daraufhinweist, daß sich der Strukturfunktionalismus über die "eigentlichen" Prozesse der Konstitution von Gesellschaft ausschweigt und insofern hinter seinen eigenen Ansprüchen zurückbleibt: "Woher kommen denn die Werte und Normen? Darauf hat die funktionalistische Soziologie eigentlich nur antworten können: Werte und Normen sind 'immer schon1 da, sofern es Gesellschaft gibt. (...) Das Talcott Parsons Project ist wohl auch deshalb gescheitert, weil es zu seiner zentralen Frage keine erklärende Antwort wußte..." (Esser 1993, 398) So fliegen die Bälle zwischen Akteur- und Strukturtheorie hin und her, ohne daß eine Seite einen entscheidenden Vorteil für sich verbuchen könnte. Eine Verstän-
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digung kommt nicht zustande, weil beide Seiten zwar die Schwachstellen im theoretischen Kerngehäuse ihres Widerparts aufdecken, aber nicht bereit sind, umgekehrt auch die eigenen Prämissen in Frage zu stellen und die relative (den eigenen Standpunkt relativierende) Berechtigung der jeweils anderen Position anzuerkennen. Aus der Distanz eines nicht direkt involvierten Beobachters zeigt sich, daß Akteur- und Strukturtheorien trotz aller Kontroversen eines gemeinsam haben: die für ihre Beobachtungen konstitutive Unterscheidung von Akteur und Struktur. Gleichwohl finden sie nicht zueinander, weil sie Gesellschaft nur unter der Bedingung sehen können, daß sie sich auf eine Seite dieser Zwei-Seiten-Form konzentrieren. So wie die Akteurtheorie soziale Strukturen nur als Derivate bzw. Restriktionen individuellen Handeln zu thematisieren vermag, geht die Strukturtheorie umgekehrt davon aus, daß Akteure bedingungslos von den übergreifenden Strukturen der Gesellschaft determiniert werden. Theoretische Revisionen (etwa hinsichtlich der Rationalität des homo oeconomicus oder des zwingenden Charakters sozialer Strukturen) sind damit nicht ausgeschlossen, stellen aber nicht das zugrundeliegende Akteur- oder Strukturschema infrage oder werden anderenfalls umgehend wieder in das durch die Unterscheidung markierte Feld reintegriert. Eine theoretische Lösung des Widerspruchs von Akteur und Struktur ist auf dieser Beobachtungsebene nicht zu erwarten, denn es ist für akteur- oder strukturtheoretisch orientierte Beobachter unmöglich, die von ihnen verwendete Unterscheidung im Moment der Beobachtung zu beobachtea21 Jede Beobachtung benutzt die eigene Unterscheidung als ihren blinden Fleck, ist also "naiv" in Bezug auf die eigene Referenz. Daraus folgt aber nicht, daß beobachtungsleitende Unterscheidungen
21 Dazu wäre nämlich eine weitere Unterscheidung notwendig, die dann ihrerseits wieder beobachtet werden müßte (Luhmann 1990,91).
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wie die von Akteur und Struktur überhaupt nicht beobachtet werden können. Akteur- und Strukturtheorien sind nicht zwangsläufig hinsichtlich der von ihnen verwendeten Unterscheidung blind, sondern verfugen wie jeder Beobachter über die Option, sich auf dem Wege der Selbstbeobachtung über die Form ihres operativen Unterscheidungsgebrauchs klarzuwerden. Damit stellt sich die Frage, warum Akteur- und Strukturtheorien so energisch an ihren "einseitigen", eine Seite der Unterscheidung präferierenden Konstruktionen festhalten und die Möglichkeit eines Ebenenwechsels zu einer Beobachtung zweiter Ordnung ungenutzt lassen. Als Erklärung kommen zunächst einmal institutionelle und wissenschaftssoziologische Faktoren in Betracht. Handlungs- und Strukturtheorie stehen in verschiedenen sozialwissenschaftlichen Lagern, und Wissenschaftler, die die Seiten wechseln oder gar eine dritte Position ausprobieren möchten, müssen die Konsequenzen bedenken, wenn sie der "Schule" untreu werden, der sie bisher zugerechnet worden sind.22 Sodann muß auf die tiefverankerte "alteuropäische" Tradition der Letztbegründung sozialer Tatbestände hingewiesen werden. Gesellschaftliche Phänomene können demnach erst dann als verstanden gelten, wenn sie sich auf das Wirken fundamentaler, nicht weiter ableitbarer Kräfte zurückfuhren lassen: Akteur - und nicht Struktur; Struktur - und nicht Akteur. Trotzdem reicht der Hinweis auf philosophisch-soziologische Traditionsbestände nicht aus, weil die Frage offenbleibt, warum so ungebrochen an diesen Traditionen festgehalten wird. Offenbar bietet eine
22 S. etwa Essers erhellende Danksagung im Vorwort zu seinem "Soziologie"-Buch: 'Besonders erwähnt sei Alphons Silbennann, der die Entstehung des Manuskriptes von Beginn an mit kritischem Interesse begleitet hat und - nicht ganz ohne Grund immer wieder darum besorgt war, daß der Geist der alten Kölner Schule (...) nicht in Vergessenheit gerät" (Esser 1993, ΧΠΙ)
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Beobachtungsposition erster Ordnung Vorteile, die - zumindest aus der Sicht der Akteur- und Strukturtheorie - nicht unbedingt von einer genaueren Analyse des eigenen Unterscheidungsgebrauchs aufgewogen werden. Zu diesen Vorteilen gehört vor allem die für Beobachtungen erster Ordnung charakteristische Nutzung komplexitätsreduzierender Mechanismen (Luhmann 1995, 103). So gehen Akteur- und Strukturtheorie ganz selbstverständlich von der Existenz einer beobachterunabhängigen Realität aus und setzen die für ihr jeweiliges Modell relevanten Unterscheidungen und Begriffe (Akteur, Bedürfnisse, Werte, Normen, Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse, etc.) als empirisch gegeben und theoretisch konsistent voraus. Während also Beobachter erster Ordnung scheinbar auf festem ontologischen Grund stehen, müssen sich Beobachter zweiter Ordnung in einer relativ unkomfortablen Position einrichten. Zum einen weisen sie mit Nachdruck auf die Kontingenz und Konstruiertheit beobachtungsleitender Unterscheidungen und Begriffe hin. Damit verwandelt sich die beobachterunabhängige Welt der Beobachtung erster Ordnung in eine aus ontologischer Sicht irritierende Vielzahl beobachtungskonstituierter Welten. Zum anderen verzichtet die Beobachtung zweiter Ordnung auch auf eine hierarchisch übergeordnete Position gegenüber den von ihr beobachteten Beobachtern, weil sie weiß, daß jede Beobachtung, also auch die eigene, an einen blinden Fleck gebunden ist, der auf der gegebenen Beobachtungsebene nicht mehr aufgehellt werden kann. So fallt dann auch die letzte Verbindung zur klassischen Ontologie, nämlich der die Relativität der Beobachtung dementierende Anspruch, mehr zu wissen als andere Beobachter bzw. über die einzig richtige Sicht der Dinge zu verfügen.
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4. Gesellschaft als Vermittlung von Akteur und Struktur Eine Auflösung der Dichotomie von Akteur und Struktur ist auf verschiedene Weise möglich. Wie wir gesehen haben, bemühen sich Akteur- und Strukturtheorie um die ontologische Fundierung der Gesellschaft in einem einzigen, allen sozialen Phänomenen zugrundeliegenden Prinzip - eine Konstruktion, die Luhmann in einem anderen Zusammenhang als "Emanationshierarchie" bezeichnet hat (Luhmann 1990, 488). Wir haben auch gesehen, daß diese Lösung keine theoretisch befriedigenden Resultate zeitigt, sondern zu einer Oszillation, einem unentscheidbaren Hin und Her zwischen den beiden Polen - Akteur und Struktur - fuhrt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Beobachtungen der Akteur- und Strukturtheorie selbst wieder zu beobachten und die Ergebnisse dieser Beobachtung für eine "passendere", im Moment besser funktionierende Beschreibung sozialer Phänomene zu nutzen. Dabei lassen sich wiederum zwei Strategien unterscheiden. Zum einen bietet sich, wie Luhmann in seiner Theorie sozialer Systeme vorführt, ein radikaler "Schemawechsel" von der Unterscheidung Akteur/Struktur zu einer anderen Unterscheidung (in diesem Falle: System/Umwelt) an. Zum anderen eröffnet eine Beobachtung zweiter Ordnung aber auch die Chance, am Akteur/StrukturSchema festzuhalten, ohne sich mit den jeweiligen ontologischen Implikationen herumschlagen zu müssen. Akteur und Struktur erscheinen dann nicht mehr als einander ausschließende Letztelemente von Gesellschaft, sondern können - so Giddens - in ihrer Wechselwirkung als bedingende und bedingte Momente sozialer Prozesse erfaßt werden. Giddens wendet sich in seiner "Theorie der Strukturierung" (1988) gegen den sowohl von der Akteur- als auch von der Strukturtheorie erhobenen Anspruch auf Letztbegründung. Akteure stellen nach seiner Auffassung keine ausfuhrenden Organe übermächtiger Strukturen dar, son-
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dem verfugen über soviel Kompetenz und Intelligenz, daß sie wenigstens bis zu einem gewissen Grade Herren ihres eigenen Schicksals sind (Giddens 1984, 18). Umgekehrt ist es aber auch falsch, wenn die Akteure als autonome Urheber sozialer Systeme und Strukturen präsentiert werden, weil dies, wie Giddens kritisiert, "die Implikation nahelegt, daß vorkonstituierte Akteure irgendwie zusammenkommen, um sie zu erzeugen" (1988, 79). Akteure sind auf vorgängige Strukturen angewiesen, weil diese überhaupt erst Handeln ermöglichen; Strukturen sind umgekehrt auf Akteure angewiesen, weil sie nicht unabhängig von deren Handlungen existieren können. Damit wird das für Akteur- und Strukturtheorie grundlegende Problem der Konstititution gesellschaftlicher Ordnung23 obsolet. Da sich Akteure und Strukturen wechselseitig bedingen, erübrigt sich die Frage, was isolierte Individuen zusammenfuhrt und wie es ihnen gelingt, sich ungeachtet opportunistischer Verhaltensweisen über die Regeln ihres Zusammenlebens zu verständigen. Stattdessen rückt eine andere Frage in den Vordergrund: welche Mechanismen und Prozesse dafür sorgen, daß sich soziale Praktiken über Raum und Zeit hinweg als identische reproduzieren und durchhalten (Giddens 1988, 68 f.). Wie Giddens in seiner Analyse der Rekursivität sozialer Prozesse zeigt, werden Strukturen als Bedingung der Möglichkeit sozialen Handelns zugleich durch das Handeln der Akteure aktualisiert und auf Dauer gestellt: "In ihrem Alltagshandeln beziehen sich die Akteure immer und notwendig auf die strukturellen Momente übergreifender sozialer Systeme, welche strukturellen Momente sie so zugleich reproduzieren." (1988, 76) Soziale Strukturen und die ihnen entsprechenden
23 Es ist merkwürdig, daß Giddens im Titel seines Buches immer noch an dieser durch seine Theorie der Strukturierung doch eigentlich überholten Fragestellung festhält
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institutionellen Ordnungen fuhren demnach kein Eigenleben - wie die holistische Sozialtheorie vermutet -, sondern sind vom Alltagswissen und Handeln der Akteure abhängig. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß sich diese Strukturen aus der Intentionalität des Handelns ableiten lassea Denn die Reflexivität der Akteure ist begrenzt und wird auch dadurch nicht größer, daß sich ihre Handlungsoptionen mit der "Entbettung der Moderne" (Giddens 1995) vervielfachen. Im Gegenteil: "Je mehr wir unsere Zukunft zu kolonisieren trachten, desto wahrscheinlicher wird es, daß sie uns überraschen wird." (1993, 446) Akteure sind also, wie das Problem der nichtintendierten Handlungsfolgen deutlich macht, mit der Kontrolle weit in Raum und Zeit ausgreifender Strukturen überfordert. Aus diesem Grunde liegt auch die Akteurtheorie falsch, wenn sie den Akteuren die schöpferische Kraft attestiert, solche Strukturen hervorzubringen und gegebenenfalls wieder abzuschaffen. Akteure - so Giddens - produzieren keine Strukturen und erst recht nicht die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, sondern leisten "nur" einen wichtigen Beitrag zu deren Reproduktion, indem sie rekursiv "immer wieder neu schaffen, was in der Kontinuität von Praxis bereits existiert" (1988, 224). Die Dichotomie von Akteur und Struktur wird von Giddens über die Zeitschiene, genauer: über die in Zeit und Raum sich entfaltende Rekursivität sozialer Prozesse aufgelöst. Der Begriff der "Reproduktion" fungiert dabei als vermittelnde Kategorie, um die Einbettung der Akteure und die komplementäre Bedingtheit sozialer Strukturen erfassen zu können. Dies macht zugleich eine weitreichende Revision der ontologisch fixierten Akteur- und Strukturmodelle erforderlich, weil sich rekursive Prozesse nur plausibilisieren lassen, wenn "Akteur" und "Struktur" näher aneinander heranrücken. Betrachten wir zunächst die Reformulierung des Akteurbegriffs. Im Gegensatz zu Parsons weist Giddens auf die fur rekursive Prozesse
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konstitutive Bewußtheit sozialer Akteure, auf den "aktiven und reflexiven Charakter menschlichen Verhaltens" (29) hin. Dazu gehört auch und vor allem die Kenntnis gesellschaftlicher Regeln: Menschen werden nicht durch die Übermacht normativer Kräfte zu einem quasi automatischen Nachvollzug geltender Regeln und Wertvorstellungen gezwungen, sondern machen bewußt, unter Einsatz ihrer kognitiven und interpretativen Fähigkeiten, von diesen Regeln Gebrauch (73 f.). Gleichzeitig warnt Giddens jedoch davor, diese Bewußtheit mit der permanenten Reflexion der eigenen Handlungsgründe gleichzusetzen - eine Fähigkeit, die sowohl von "RationaI-Choice"-Modellen als auch von der Theorie kommunikativen Handelns unterstellt wird. Was die Akteure über ihr Handeln wissen, ist ihnen vielmehr meist in der Form des "praktischen Bewußtseins" präsent, d.h. in einer Form, die ihnen eine Steuerung der eigenen Handlungen ermöglicht, ohne sich diskursiv mit den jeweiligen Handlungsgründen befassen zu müssen (36). Hierauf gründet Giddens zufolge die eminente - empirische wie theoretische Bedeutung routinisierter sozialer Praktiken: Persönlichkeitsstrukturen und soziale Institutionen können sich nur dadurch über Raum und Zeit hinweg stabilisieren, weil sich die Akteure bei ihren täglichen Handlungen auf typisierte Schemata stützen, die ihnen eine routinemäßige, in ihrem praktischen Bewußtsein verankerte Definition der Situation erlauben (111 f.). Parallel zur Revision des Aktairkonzepts bemüht sich Giddens auch um eine kritische Überprüfung des Modells struktureller Zwänge. Zum einen wird der Streit zwischen normativer und materialistischer Strukturtheorie geschlichtet. Kognitive, normative, politische und ökonomische Strukturen stehen nach seiner Auffassung gleichberechtigt nebeneinander und können letztlich nur analytisch voneinander getrennt
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werden (81 ff.).24 Zum anderen wendet er sich gegen die Vorstellung, daß Strukturen über zwingende, das Handeln der Akteure determinierende Kraft verfugen. Denn es sind die Akteure selbst, die durch die Anwendung von interpretativen Schemata, Normen und Machtmitteln überhaupt erst den Strukturen Geltung verschaffen. Giddens plädiert deshalb für eine Neufassung des Strukturmodells, um den Ermöglichungscharakter von Strukturen und nicht bloß deren restringierende Wirkung besser erfassen zu können (78). Mit der Analyse der kreis- oder spiralförmigen Bewegung der Rekursion gelingt es Giddens, so scheint es, sich aus den Fallstricken der Ontotogie zu befreien. Der fehlerhafte Zirkel von Akteur und Struktur wird gesprengt. Auf der einen Seite kann er so die Härte gesellschaftlicher Strukturen ernstnehmen, ohne deren Abhängigkeit von den sozialen Praktiken der Akteure zu vernachlässigen; auf der anderen Seite kann er an der Handlungsfähigkeit und Reflexivität der Akteure festhalten, ohne deren strukturellen Handlungsrestriktionen und die (oftmals) unbeabsichtigten Folgen ihres Handelns zu unterschlagen. Zugleich ist dieses Modell aber auch mit theoretischen Folgekosten verbunden, die bei dem hier angestrebten Theorienvergleich nicht unter den Teppich gekehrt werden dürfen. Da Giddens auf der basalen Unterscheidung von Akteur und Struktur besteht, kann er den Prozeß der Rekursion nur als Vermittlung vorausgesetzter Extreme fassen. Akteure und Strukturen sind aus dieser Perspektive immer schon da und werden im Prozeß der Rekursion lediglich reproduziert und auf Dauer gestellt.
24 Bei der Beschreibung der vier Strukturdimensionen orientiert sich Giddens weitgehend an Parsons, der entsprechend seinem AGIL-Schema zwischen Kultur, Recht, Ökonomie und Politik differenziert Nicht übernommen wird dagegen die von Parsons formulierte Kontrollhierarchie, die der Kultur eine besondere gesellschaftskonstituierende Kraft zuspricht
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Wenn man vom Alltagswissen und der Alltagspraxis sozialer Akteure ausgeht, besitzt diese Konzeption gewiß einige Plausibilität, denn die Existenz von Akteuren und Strukturen muß bei jeder Form sozialer Praxis stets als gegeben und selbstverständlich vorausgesetzt werden. Andererseits gerät damit aus dem Blick, daß Akteure und Strukturen mit den ihnen zugeschriebenen Merkmalen und Funktionen selbst das Ergebnis sozialer Prozesse, also soziale Konstrukte sind. Aus diesem Grunde schleichen sich bei der Analyse der Rekursivität sozialer Prozesse doch wieder ontologische Prämissen ein, die den eben noch kritisierten Akteur- und Strukturtheorien entnommen sein könnten. So setzt Giddens z.B. "Akteur" und "menschliches Wesen" identisch und betont, daß sich Akteure wesentlich durch die Zweckgerichtetheit ihres Handelns auszeichnen (53). Gegenüber der Akteurtheorie gewinnt der Akteur bei Giddens sogar noch an Kompaktheit, weil immer wieder auf die Bedeutung der Physikalität des Körpers und das damit verbundene Problem der räumlichen Situierung hingewiesen wird (162). Insofern ist es auch nur konsequent, wenn Giddens in einer Randbemerkung zu den Ursprüngen des methodologischen Individualismus zurückkehrt und Organisationen und anderen Körperschaften den Akteurstatus und damit die Fähigkeit zu handeln abspricht (278).
5. Gesellschaft als kommunizierendes System Da die mit der Unterscheidung von Akteur und Struktur arbeitende Sozialforschung theoretisch wie empirisch an ihre Grenzen stößt, muß überlegt werden, ob nicht ein radikaler Wechsel des Beobachtungsschemas bessere Resultate und befriedigendere Forschungsergebnisse (oder zumindest andere und innovative Orientierungshypothesen) zeitigen
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könnte. Die Systemtheorie schlägt in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von System und Umwelt vor. Während Parsons aber an den Voraussetzungen für die Bestandserhaltung sozialer Systeme interessiert war und deshalb an einer strukturtheoretischen Perspektive festhielt, stellt Luhmann die Leitdifferenz von System und Umwelt in den Mittelpunkt seiner Theorie. Oberster Bezugspunkt ist dabei für ihn die Frage nach der Operationsweise sozialer Systeme: wie sie entstehen, sich als soziale Einheit reproduzieren und gegen ihre Umwelt abgrenzen. Auf der Grundlage der von Maturana und Varela (Maturana 1985) entwickelten Theorie der Autopoiesis lebender Systeme geht Luhmann davon aus, daß psychische und soziale Systeme als getrennte und selbstreferentiell geschlossene Einheiten angesehen werden müssen.25 Es gibt keinen Einbau von Operationen des einen Systems in das andere. Psychische Systeme haben in ihrer Form als sinnhaft geschlossener Bewußtseinszusammenhang nichts mit der Autopoiese sozialer Systeme zu
schaffen; ebenso finden soziale Systeme bei ihren basalen
Operationen keine Verwendung für Bewußtsein oder - noch tiefer angesetzt - für neuronale oder physiologische Vorgänge im Menschen (Luhmann 1985). Diese radikale Trennung von Psyche und Gesellschaft ermöglicht einen subjektfreien, von allen Bindungen an das Akteurmodell gesäuberten Begriff der Kommunikation: "Der Mensch kann nicht kommunizieren; nur die Kommunikation kann kommunizieren." (1990, 31) Damit wird auch die Vorstellung revidiert, daß sich die Gesellschaft aus
25 Luhmann definiert den Begriff der Selbstreferenz wie folgt: "Ein System kann man als selbstreferentiell bezeichnen, wenn es die Elemente, aus denen es besteht, als Funktionseinheiten selbst konstituiert und in allen Beziehungen zwischen diesen Elementen eine Verweisung auf diese Selbstkonstitution mitlaufen läßt, auf diese Weise die Selbstkonstitution also laufend reproduziert." (1984,59)
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Menschen zusammensetzt.26 Soziale Systeme, also auch die Gesellschaft, bestehen nicht aus Menschen, sondern aus kommunikativen Ereignissen, die vom System selbst hervorgebracht werden; sie operieren sinnhaft in Form eines geschlossenen Kommunikationszusammenhangs und nicht aufgrund des Sinns, der ihnen von den psychischen Systemen in ihrer Umwelt beigelegt wird. Mit dem Ausschluß der Menschen aus der Gesellschaft ist aber noch nicht die Frage geklärt, wie soziale Systeme entstehen und sich im Medium der Kommunikation reproduzieren. Die Kommunikation - als komplexe Einheit von Information, Mitteilung und Verstehen - bietet nämlich so viele Selektionsmöglichkeiten, daß die Anschlußfähigkeit kommunikativer Ereignisse nicht einfach als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Deshalb sind soziale Systeme auf Identifikationspunkte angewiesen, die eine Reduktion der Selektivität und eine Fortsetzung des Kommunikationsprozesses ermöglichen. An erster Stelle nennt Luhmann die systemisch produzierte Verkürzung von Kommunikation auf Handlung. Handlungen sind sehr viel einfacher zu erkennen als Kommunikationen, weil sie von allen dem kommunikativen Akt zugrundeliegenden Selektionen nur den Aspekt der Mitteilung thematisieren. Für die handlungsförmige Abgrenzung und Attribution kommunikativer Akte genügt es meist zu wissen, nach welchen Regeln in einem sozialen System beobachtet, gewichtet und zugerechnet wird (1984, 232). Damit werden Handlungen zwar nicht mehr als unhintergehbare Grundlage der Gesellschaft vorausgesetzt, aber doch in ihrer Bedeutung für die Autopoiesis sozialer Systeme
26 "Es ist völlig klar, daß Menschen nicht Teile oder Elemente sozialer Systeme sein können. Das maßte ja heißen, jeden Austausch von Makromolekülen in Zellen, jede Replikation des biologischen Materials, jede Frequenzänderung im Nervensystem, jede Wahrnehmung zu einem sozialen Ereignis zu erklären." (Luhmann 1992,122)
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anerkannt: "Kommunikation ist die elementare Einheit der Selbstkonstitution, Handlung ist die elementare Einheit der Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung sozialer Systeme." (1984, 241) Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, daß die neuere Systemtheorie den Handlungsbegriff eliminiert. Im Gegenteil: Kommunikation muß - so Luhmann - stets als Handlung "ausgeflaggt" werden, damit sich soziale Systeme reproduzieren können. Mit dem Begriff der Handlung gerät auch die (natürliche und juristische) Person in das Blickfeld der neueren Systemtheorie, denn die Reduktion der Kommunikation auf Handlung funktioniert nur, wenn bestimmte, namentlich bezeichnete Akteure als Urheber dieser Handlungen ausgemacht werden können. Handlungen erscheinen aus dieser Perspektive als objektives Resultat subjektiver Absichten, Intentionen und Motive. Auch hier sehen wir wieder den Mechanismus der Komplexitätsreduktion am Werk: An die Stelle der letztlich nicht beobachtbaren Kommunikation treten physisch oder juristisch faßbare "Personen", die als Subjekte ihres Handelns fur die Annahme oder Ablehnung von Sinnofferten, also fur die Fortsetzung der Kommunikation verantwortlich gemacht werden können. Diese "Personen" sind nun freilich nicht mit leibhaft und psychisch präsenten Akteuren gleichzusetzen, sondern das Ergebnis sozialer Prozesse, die eine Einschränkung von Verhaltensmöglichkeiten erzwingen. Da die an der Kommunikation beteiligten Einheiten füreinander intransparent bleiben, hängt die Autopoiesis sozialer Systeme u.a. davon ab, inwieweit es den Teilnehmern gelingt, sich als "Personen" zu präsentieren, d.h. das Spektrum ihrer Verhaltensmöglichkeiten auf ein sozial berechenbares Maß zu reduzieren: "Es ist diese instabile, zirkuläre Notlage der doppelten Kontingenz, die die Entstehung von Personen provoziert: oder genauer: die die Beteiligten, was immer psychisch in ihnen abläuft, dazu bringt, sich im Sozialsystem, also kommunikativ,
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als Person zu geben und die Überraschungsqualitäten ihres Verhaltens vorsichtig zu dosieren ..." (1991a, 171) Damit wird die Konstitution von Personen (Akteuren) zu einem Angelpunkt im Prozeß der Herausbildung und Reproduktion sozialer Systeme. Der Mechanismus der Personalisierung reicht allerdings auf der Ebene gesellschaftlicher Teilsysteme meist nicht mehr aus, um für ein hinlängliches Maß an Verhaltenssicherheit zu sorgen. Deshalb kommt es zu der für den Strukturfunktionalismus zentralen Herausbildung von Erwartungsstrukturen - unpersönlichen Regeln und Normen, die routinisierte und schematisch ablaufende Kommunikationsprozesse möglich machen (1989,254 f.). Sie sagen zwar nichts über die "wahren" Motive und Interessen der Akteure aus, steigern aber die Erwartbarkeit von Handlungen, weil sich die Teilnehmer im Regelfall an diesen Strukturen orientieren und messen lassen. Der Begriff der Struktur wird also von der Systemtheorie nicht etwa als irrelevant zur Seite geschoben, sondern umgekehrt an einer wichtigen Stelle der Systembildung piaziert: ohne Strukturbildung, ohne Einschränkung der im System zugelassenen Anschlußmöglichkeiten keine Autopoiesis. Damit wird zugleich der naiven Entgegensetzung von Akteur und Struktur widersprochen. Entgegen dem ersten Anschein handelt es sich bei diesen soziologischen Basiskategorien um komplementäre Mechanismen zur Einschränkung von kommunikativen Anschlußmöglichkeiten und Verhaltensoptionen, die auf der Grundlage kommunikativer Prozesse von den sozialen Systemen selbst erzeugt und reproduziert werden. Welche forschungsstrategischen Konsequenzen können sich aus einer systemtheoretisch fundierten Beobachtungsposition zweiter Ordnung abgeleitet werden? Auf der einen Seite hält sich die Systemtheorie in kritischer Distanz zur empirischen Sozialforschung - ungeachtet aller Bemühungen, handlungs- und strukturtheoretische
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Begriffe in den selbstreferentiellen Bezugsrahmen einzubauen. Beobachtungen zweiter Ordnung schließen - so Luhmann - eine durchgehende Korrespondenz zwischen Begriff und empirisch faßbarer Realität aus. Es mag zwar im Einzelfall empirische Belege für die Angemessenheit systemtheoretischer Begriffe geben (1984, 13); die "selbsttragende" Theoriekonstruktion in ihrer Gesamtheit entzieht sich hingegen den fachüblichen Kriterien der Kontrolle, Bestätigung und Bewährung (s. dazu die kritischen Anmerkungen bei Haferkamp 1987, 57 ff). Auf der anderen Seite gibt es eine ganze Reihe systemtheoretischer Instrumente und Orientierungshypothesen, die zum Zwecke der empirischen Sozialforschung genutzt werden können. Als "gesellschaftliche Reflexionswissenschaft" (Luhmann 1993, 254) stellt die Systemtheorie zunächst einmal das Werkzeug für eine kritische Überprüfung der Begriffe bereit, die bei empirischen Untersuchungen meist unbefragt zugrundegelegt werden. Kategorien wie "Akteur", "Interesse", "Struktur", "Institution" oder "Macht" lassen sich so als historisch entstandene Konstrukte dechiffrieren und werden nicht einfach als gegeben vorausgesetzt. Auf diese Weise wird eine Revision des von der Neoklassik und der "Rational-Choice"-Theorie favorisierten Rationalitätsmodells möglich. Aus systemischer Sicht ist das Handeln individueller und kollektiver Akteure nicht generell auf die der Nutzenmaximierung und das Prinzip der Zweckrationalität zurückzufuhren, sondern beruht auf handlungsleitenden Unterscheidungen, die in sozialen Systemen produziert werden, also entsprechend der Systemzugehörigkeit der Akteure auch anders ausfallen können. "Rationalität" ist deshalb nur als differenzloser Begriff, als heuristische Grundlage für eine Hermeneutik des Entscheidungsverhaltens akzeptabel. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die Analyse der Funktionsweise von Organisationen und Unternehmungen. Während die
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klassische Betriebswirtschaftslehre Unternehmungen als optimierende Trivialmaschinen betrachtet, die ihren Input und Output entsprechend den Kriterien der Zweckrationalität organisieren (Gutenberg 1983), erscheinen sie aus systemtheoretischer Perspektive als sinnhaft operierende Systeme, die gerade aufgrund ihrer selbstreferentiellen Operationsweise nicht "ausgerechnet" und trivialisiert werden können. Damit wird nicht geleugnet, daß Organisationen auf einen kontinuierlichen Zufluß von Ressourcen (Geld, Materialien, Arbeitskräfte, Legitimation) angewiesen sind, um sich am Leben zu erhalten.27 Gleichwohl richten sie sich bei der Gestaltung ihrer internen Strukturen und Prozesse nicht einfach nach den Kriterien der Effizienz, sondern operieren auf der Basis eigener Sinn- und Erwartungsstrukturen, die sie im Prozeß der Kommunikation selbst erzeugen und reproduzieren. Sie folgen also ihrer eigenen systemischen Rationalität.2® Daraus ergibt sich für die empirische Organisationsforschung, daß sie sich verstärkt mit der Analyse organisatorischer Sinnstrukturen befassen muß, weil diese Sinnstrukturen darüber entscheiden, wie Veränderungen in der äußeren und inneren Umwelt der Unternehmungen also etwa Gesetzesänderungen, Wertewandel bei den Kunden und in der eigenen Belegschaft, Proteste von Bürgerinitiativen usw. - wahrgenommen und verarbeitet werden. Letztlich sind es diese in der Unternehmenskultur verankerten normativen, kognitiven und evaluativen Orien-
27 Daher ist es keine Überraschung, "daß Organisationen bestimmte Ziele und bestimmte Regeln der Zuordnung von Mitteln zu Zielen (zum Beispiel Kostengesichtspunkte) benutzen, um sich selbst zu identifizieren" (Luhmann 1988b, 167). 28 Luhmann hat dafür schon früh, lange vor seiner autopoietischen Wende, den Begriff der "Systemrationalität" eingefilhrt (Luhmann 1973).
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tierungsmuster, die überhaupt erst die bei rationalen Wahlhandlungen unterstellten "choices" limitieren und ermöglichen.29 In diesem Zusammenhang warnt die Systemtheorie vor einer Überschätzung der Bedeutung individuellen Handelns in Organisationen. Da sich Akteure erst als Ergebnis sozialer Attributionen herausbilden und nicht etwa "von Natur aus" da sind, reichen (individuelle) "Interessen", "Motive" und "Ressourcen" nicht mehr als Erklärungsgrundlage für die Analyse innerorganisatorischer Entscheidungsvorgänge aus. Stattdessen rücken jene kommunikativen Prozesse in den Vordergrund, die darüber entscheiden, welche Handlungen, Interessen, Motive und Ressourcen den einzelnen Mitgliedern zugeschrieben werden.30 Dabei ist zu berücksichtigen, daß Entscheidungsprozesse häufig weniger von der Formalstruktur der Organisation als von dem informellen Gefuge sozialer Beziehungen und Netzwerke abhängen (Krafít/Ulrich 1995). Die Umstellung von der Unterscheidung Akteur/Struktur auf System/Umwelt erööhet auch weiterfuhrende Einsichten in die für Theorie und Praxis gleichermaßen relevante Logik der Steuerung sozialer Prozesse (Ulrich 1994). Wenn Organisationen hinsichtlich der autopoietischen Reproduktion ihrer Elemente und Strukturen autonom sind, dann kann auch die Wirkung von Steuerung auf Organisationen nicht mehr mit Kausalmodellen abgebildet werden. Wie die systemtheoretische Interventionsforschung nachweist, arbeiten Organisationen
29 Der vieldiskutierte Begriff der "Untemehmenskultur" ist im Gefolge rasch wechselnder Managementmoden schnell wieder in den Hintergrund getreten, weil sich Untemehmenskulturen dem strategischen Zugriff des Managements und seiner externen Berater entziehen. Siehe dazu aus systemtheoretischer Perspektive Drepper (1992) und Kolbeck/Nicolai (1996). 30 Um den Prozeß der Zuschreibung empirisch zu erfassen, hat die systemische Familientherapie die Methode des zirkulären Fragens perfektioniert. Damit lassen sich "Systeme von Aussagen über die Welt einerseits, Systeme von Handlungen und Verhaltensweisen, denen solche Bedeutung zugewiesen wird, andererseits in ihrer impliziten logischen Struktur rekonstruieren" (Simon 1993:274).
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nicht nach dem Reiz-Reaktions-Schema; sie ändern sich nur in dem Maße, wie es ihnen gelingt, vorhandene Selbst- und Fremdbilder zu überprüfen und rekursiv zu verändern (Willke 1994). Damit erledigt sich die Hoffnung, gezielt "von außen" in die Organisation hineinwirken zu können. Stattdessen rücken immer stärker theoretische und praktische Konzepte in den Vordergrund, die - auch ohne direkten systemtheoretischen Bezug - auf die Initialisierung und Förderung selbstorganisierter Lernprozesse abzielen (Probst/Büchel 1994; Willke 1995; Schmitz/Zucker 1996).
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Raimund Hasse und Klaus P. Japp
Dynamik symbolischer Organisationspolitik Umwelt- und Selbstanpassung als Folgewirkung ökologischer Leistungserwartungen
Aus einer sozialwissenschaftlichen Sichtweise mag man über die Bewertung von Beobachtungen hinsichtlich einer Veränderung der natürlichen Lebensgrundlagen streiten; unbestreitbar ist, daß Umweltthemen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts und insbesondere in den entwickelten Gesellschaften alle Charakteristika einer gesellschaftlich folgenreichen "Problematisierung" aufweisen (Hannigan 1995; Stallings 1995): Darauf spezialisierte Forschungsgebiete und ansätze, Neue soziale Bewegungen, Medienberichterstattungen, politische Aktivitäten, persönliche Betroffenheiten, rechtliche und moralische Normen und damit einhergehende Zuschreibungen von Schuld und Abweichung - all dies sind soziale Indikatoren eines gesellschaftlichen Wandlungsprozesses, der sich auf die Betroffenen dieser Thematisierungen überaus folgenreich auswirken kann. Das gilt insbesondere für Wirtschaftsunternehmen, die in diesem Zusammenhang mit neuartigen und für sie ungewohnten Leistungserwartungen konfrontiert werden. Vor dem Hintergrund dieser - empirisch evidenten - Ansprüche interessieren wir uns für eine Form ökologisch relevanten Wandels von Wirtschaftsorganisationen, die zwar in der neueren Organisationstheorie Beachtung findet (Japp 1996, 163 ff), deren steuerungstheoretische Implikationen bislang aber kaum berücksichtigt worden sind. Das ist aber eine lohnenswerte Fragestellung, weil die Probleme der
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Umsetzung dieser Ansprüche auf der Hand liegen: Normative Steuerungstheorien intendieren sozialen Wandel, z.B. in der Form ethischer oder partizipatorischer Empfehlungen (Wiesenthal 1990). Diese Theorien belasten sich mit dem Problem, was mit den gemeinten Intentionen im Netzwerk gesellschaftlicher Kommunikation effektiv passiert. Diese wird ja durch Anschlußkriterien dessen dirigiert, was als möglich erscheint und nicht durch Kriterien dessen, was möglich sein sollte. Strategische Steuerungstheorien (Teubner/Willke 1984; Mayntz/Scharpf 1995) sind in dieser Hinsicht vorsichtiger, erwarten aber ein Mindestmaß an Kontrollierbarkeit sozialer Strukturänderungen. Diese Theorien belasten sich mit dem Problem, wer der Kontrolleur ist. Dieser müßte sehen können, was im Normalfall immer erst post festum gesehen werden kann: Welche Bedingungen einen Strukturwandel limitiert haben (Weick 1979; March 1981).1 Die erwähnten steuerungstheoretischen Ansätze sind von vornherein auf substantielle Handlungseffekte der gesellschaftlichen Kommunikation gerichtet. Diese Effekte, bzw. deren funktionale Defizienz, werden dann zum Anlaß fur steuerungsbezogene Kommunikation genommen: Man konstatiert "Implementationsdefizite" oder gar "Grenzen der Steuerung". Was bei dieser Vorgehensweise übersehen wird, ist die funktionale Relevanz von Kommunikationen, die gleichwohl keine unmittelbare Handlungseflfektivität aufweisen. Man könnte auch zwischen lose und fest gekoppelten Kommunikationen unterscheiden. In einem basalen Sinne ist diese kommunikative Sinnverzweigung in Bedeutung und Handlung, sowie deren wechselseitige Konstitution in
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Grundlegend hierzu: Glanville (1988), demzufolge immer das System selbst und nicht irgendein interner oder externer, in jedem Fall aber hoch selektiver Beobachter kontrolliert Dasselbe ist gemeint, wenn man im Anschluß an Luhmann (1991) von der unaufhebbaren Differenz von gegenwartiger Zukunft und zukünftiger Gegenwart ausgeht, denn steuern kann man immer nur in der Gegenwart
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der neoinstitutionalistischen Organisationsforschung hervorgehoben worden (March/Olsen 1989; Powell/DiMaggio 1991; Scott/Meyer (eds.) 1994).2 In einem spezifischeren Sinne, den wir hier im Auge haben, geht diese Differenz zwischen diffuser und konzentrierter Kommunikation etwa auf die Theorie "symbolischer Politik" von Murray Edelman (1970) zurück. In dieser Tradition wird "bloß" symbolische Kommunikation (gemäß ihrer verschleiernden, manipulativen Wirkungen) nachgerade zum Hemmschuh für sozialen Wandel. Das liegt an dem symbolischer Politik zugerechneten "Besänftigungseffekt". Im Rahmen der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie wird oftmals nicht unähnlich argumentiert, wenn symbolische Kommunikation (etwa als Versprechen ökologischer Produktionsformen in der Zukunft) als Puffer für stabil zu haltende Organisationskerne (eben nicht-ökologische Produktionsformen in der Gegenwart) ausgewiesen wird (Brunsson 1989; Baier/March/Saetren 1988). Andererseits setzt diese Theorie die Wen, die eine solche Argumentation destabilisieren, selbst aus, wenn sie von der unauflöslichen Rekursivität symbolischer und handlungsprägender Kommunikation ausgeht. Man kann im Rahmen solcher Prämissen eigentlich nicht sicher sein, ob sich die lose Kopplung von symbolischer und substantieller Kommunikation: also die Pufferung von stabil zu haltenden Organisationssegmenten gegenüber einer turbulenten Umwelt durch symbolische Kommunikation aufrechterhalten läßt. An dieser Stelle wollen wir einhaken, indem wir die Differenz von diffuser (symbolischer) und konzentrierter (funktionaler) Kommunikation nutzen, um eine Form sozialen Wandels zu skizzieren, die als
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Im Hinblick auf Affinitäten zur soziologischen Systemtheorie bietet der NeoInstitutionalismus den Vorteil des "defocalizing intentions and actors" (vgl. Powell/DiMaggio 1991; DiMaggio 1988), ohne deshalb die Differenz von Bedeutung und Handlung nicht mehr zentral stellen zu können.
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Ganze weder intendiert noch irgend effektiv kontrolliert werden, gleichwohl aber substantielle Effekte hervorbringen kann. Für diesen Zweck benötigen wir eine Unterscheidung, die funktionale Rückwirkungen difíuser Kommunikation auf konzentrierte Kommunikation (im Kernbereich von Organisationen) wahrscheinlich macht.3 Es handelt sich um die Differenz von Selbst- und Umweltanpassung, die Umweltanpasssung durch difíuse Kommunikation dadurch kompliziert, daß die andere Seite der Differenz: Selbstanpassung des Systems immer mitvollzogen wird. Anders gesagt: Es ist keineswegs sicher, daß Umweltanpasssung mit den Mitteln symbolischer Politik nicht zu organisationsintemen Rückanpassungen fuhrt, die so niemand erwartet hat. Im Gegensatz dazu sieht die Organisationstheorie von Nils Brunsson (1989) in der "Organization of Hypocrisy" noch eine Dauereinrichtung zur Anpassung an turbulente "politische" Organisationsumwelten durch symbolische Kommunikation. Dieses zu einfache Konzept von Umweltanpassung, das u.E. auf Thompson (1967) zurückgeht, vernachlässigt den Aspekt, der generell aus der Perspektive sowohl der kontingenztheoretischen als auch der neoinstitutionalistischen Organisationsforschung nicht zureichend erfaßt wird, nämlich daß Organisationen sich nicht nur in Reaktion auf Umweltänderungen verändern, sondern Umweltanpassungen selbst noch einmal zu internen Anpassungen gewissermaßen zweiter Ordnung nutzen. Aus der Kritik dieses zu einfachen Konzepts folgen Argumente fur ein Modell organisatorischen Wandels, das zunächst mit Bezug auf ökologische Leistungserwartungen und daran anschließende Reaktionen der betroffenen Wirtschaftsunternehmen skizziert (1) und dann anhand einer
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Im Anschluß an Brunsson (1989) meinen wir mit 'Kembereich' das koordinationsbedürftige "action"-Element von Organisationen (insbesondere deren Produktion) und grenzen dies von vergleichsweise unverbindlichen, eher diffusen symbolischen Dimensionen (z.B. Öffentlichkeitsarbeit) ab.
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allgemeinen theoretischen Argumentation organisatorischen Strukturwandels vertieft wird (2).
1. Umweltschutz als Effekt von Unternehmenswandel Welches in ökologischer Hinsicht bedeutsame Wandlungspotential besitzen Wirtschaftsorganisationen, die den Sachzwängen des (internationalen) Wettbewerbs unterworfen sind und denen man unterstellt, daß ihr Selbstverständnis darauf ausgerichtet ist, sich diesem Wettbewerb mit unternehmerischen Mitteln zu stellen? Zur Behandlung dieser Frage beziehen wir uns auf die klassische, im Rahmen des Neuen Institutionalismus von Meyer/Rowan (1977) eingeführte und von Brunsson (1989) vertiefte These einer Abpufferung organisational Kernbereiche von Umweltirritationen (Thompson 1967) mit Hilfe symbolischer Praktiken. Wir werden an dieser Stelle zeigen, daß Brunssons Konzept einer "Organization of Hypocrisy" (1989) Unternehmensstrategien erklären hilft, die auf die ökologische Herausforderung bezogen sind. Diese ökologische Herausforderung bedeutet fur die sozialen Gebilde des Typs Wirtschaftsorganisation, daß diese ihre Legitimität nicht allein durch unmittelbar unternehmerischen Erfolg aufrechterhalten, insofern auf ökologische Konsequenzen bezogene Leistungserwartungen wirtschaftsspezifische Funktion(serwartung)en ergänzen. Diese Leistungserwartungen stellen in vielen Bereichen des Wirtschaftslebens ein grundsätzlich neuartiges Problem dar, weil durch sie die Berücksichtigung zusätzlicher, nicht unmittelbar wirtschaftlicher Kriterien eingefordert wird. Oftmals sind ökologische Orientierungen nicht mit einer Konzentration auf die institutionalisierten Funktionen wirtschaftlichen Handelns zu vereinbaren; und Brunsson (1989) zeigt auÇ welche
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Möglichkeiten des Umgangs mit diesen Umweltirratationen sich Organisationen bieten. Dabei entsteht das Bild eines kontrollierten und strategischen Gebrauchs symbolischer Präsentationsweisen, die als eine problemadäquate Reaktion auf drohende Legitimationseinbußen in Erscheinung treten, ohne die fokalen Selbstverständnisse und Präferenzen der betroffenen Einrichtungen zu verändern. Ebenfalls läßt sich jedoch aufzeigen, daß hieran weiterreichende Dynamiken anschließen können, die auf einen tiefgreifenden - weder antizipierbaren noch kontrollierbaren - Wandel hinauslaufen. Durch die explizite Bezugnahme auf den Ansatz Brunssons (1989) wollen wir verdeutlichen, daß die gemeinsame Basis von Ansätzen, die im Anschluß an Meyer/Rowan (1977) einen in struktureller Hinsicht weitgehend folgenlosen Gebrauch symbolischer Praktiken postulieren, darin besteht, einen für den Wandel von Organisationen wichtigen Aspekt zu vernachlässigen: den der begrenzten Kontrollierbarkeit organisationaler Reaktionsmuster, die zwar umweltinduziert sein mögen, gleichwohl aber organisationale Eigendynamiken auslösen, die bis in den Kernbereich durchschlagen und dort Selbstverständnisse und Aktionsfelder der Unternehmen nachhaltig beeinflussen. Wenngleich also seitens der Unternehmen zunächst auf veränderte Umwelterwartungen im Rahmen klassischen Problemlösungs-Verhaltens reagiert wird, basieren darüber hinausreichende Wandlungsprozesse auf internen Dynamiken, auf Selbstanpassungen, durch die Intensität und Richtung der Strukturänderung erst verständlich werden. 1.1 Brunssons Konzept und die ökologische Herausforderung Gegenwärtig gilt für zahlreiche Wirtschaftsbereiche, daß einzelne Unternehmen (mitsamt ihren traditionellen Umwelten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft) mit neuartigen Problemen konfrontiert wer-
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den: nämlich mit Protesten, die fur die Auseinandersetzung um ökologische und risikobezogene Bewertungen wirtschaftlicher Aktivitäten charakteristisch sind. Beispiele für diese Situation finden sich in weiten Teilen der chemischen Industrie; im Energiesektor (Atomenergie; Tageförderung); bei abfallwirtschaftliche Kontroversen (Standortfragen; Sondermüll); im Verkehrssektor (Rohstofíverbrauch und Recycling) usw. Kritische Berichterstattungen seitens der Medien, teilweise spektakuläre Aktionen durch Vertreter Neuer sozialer Bewegungen und sogar organisationsinterne Loyalitätseinbußen verunsichern eingeübte Selbstverständnisse, weil sie die Legitimität der betroffenen Unternehmen als Einrichtung, die auf die Entwicklung und Vertreibung marktfähiger Produkte und Verfahren spezialisiert ist, in Frage stellen. Diese neuartigen Umwelten adressieren Erwartungen an die betroffenen Unternehmen, die die Berücksichtigung zusätzlicher Kriterien und neuartige Rücksichtnahmen einfordern. So wird z.B. eingeklagt, Chancen der Vermarktung zugunsten technischer Sicherheit ungenutzt zu lassen, ethische Erwägungen mitzuberücksichtigen sowie gesamtgesellschaftliche und ökologische Folgen nicht außer Acht zu lassen. Die davon betroffenen Unternehmen nehmen diese Phänomene als hochgradig problematisch wahr. Insbesondere werden zwei Dinge befürchtet: (1) daß Absatzmärkte Wandlungsprozessen unterliegen, die den Erfolg der gegenwärtig verfolgten langfristigen Strategien gefährden, und (2) daß die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen turbulente Veränderungspotentiale beinhalten, die eine adäquate Antizipation verunmöglichen und die Nutzung erfolgversprechender Marktchancen zukünftig drastisch behindern bzw. ganz verunmöglichen. Derartige Befürchtungen erklären, weshalb es für Wirtschaftsorganisationen naheliegend ist, sich der Legitimitäts- und Akzeptanzproblematik bzw. der ökologischen Herausforderung zu stellen. Eine unmittelbare Reaktion von Wirtschaftsunternehmen auf neuartige und
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als folgenreich beurteilte ökologische Leistungserwartungen stellt die allgemeine und noch unverbindliche Auseinandersetzung mit kritischen Öfentlichkeiten dar. Sie ist auf Aspekte des Informationsaustausches konzentriert. Hierbei läßt sich analytisch unterscheiden zwischen der Generierung und Dokumentation von Informationen, durch die die kritische Öffentlichkeit und ihre Standpunkte organisationsintern abgebildet werden, und der Vermittlung eigener Standpunkte nach außen, durch die die Aktivitäten und Absichten der Unternehmen erläutert werden.4 Hinsichtlich der Frage nach der Tiefenwirkung eines auf neuartige Leistungserwartungen bezogenen organisatorischen Wandels ist wichtig, daß die übrigen Strukturen des Unternehmens und deren Handlungsmuster - also die Entwicklung, Produktion und Vermarktung neuer Produkte und Verfahren - von derartigen Thematisierungen (zunächst) unbeeinflußt bleiben. Über das "action-portfolio" wird an anderer Stelle und unabhängig von der nach außen gerichteten Präsentation des Unternehmens entschieden. Aufgrund einer derartigen Entkopplung kann bereitwillig über technologische Risiken, über moralische Verantwortung oder auch über soziale und ökologische Konsequenzen geredet und das eigene Handlungsportfolio soweit wie möglich - aber lediglich "talk-förmig" - auf diese Aspekte bezogen werden. Weil sich fur den Umgang mit der Öffentlichkeit andere als den internen Kursbestimmungen zu Grunde liegende Orientierungen und Begründungen herausstellen lassen, bleibt das unternehmerische Han-
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Mit letztgenanntem ist im Idealfall das Ziel verbunden, aktiv auf relevante Umweltsegmente - hier also die kritische Öffentlichkeit, Medien - einzuwirken. In Ähnlicher Weise funktionieren mit Sicherheits- und Rechtsfragen befaßte Einrichtungen. Zu deren Aufgaben zählt z.B. nicht nur die Berücksichtigung rechtlicher Standards, sondern auch durch Gutachtertätigkeiten die Gesetzgebung als relevante Umwelt zu beeinflussen - d.h. (mit) zu gestalten. Auch das weite Feld des Lobbyismus gehört hierzu.
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dein von der Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit weitestgehend entkoppelt. Der Informationsaustausch mit der Umwelt dient dem Abpuffern des technologischen Kerns im Sinne von Thompson (1967): Ziel ist die Sicherstellung von Legitimität oder gar die intern folgenlose Anpassung der Umwelt an organisational Orientierungen, so daß es sich um das Verhältnis von "talk" und "action" handelt, das bei Brunsson als "hypocrisy" eingeführt wird: "Talk, decisions and products are mutually independent instruments ... in winning legitimacy and support from the environment" (1989, 27). Die Institutionalisierung von Öffentlichkeitsabteilungen, die auf derartige Aufgaben spezialisiert sind, bedeutet vor diesem Hintergrund nicht nur eine Form organisatorischer Spezialisierung, die die intern zugeschriebene Relevanz der Aufgabe dokumentiert, sondern auch, daß derartige Schnittstellentätigkeiten aus dem Produktionsprozeß ausgelagert bleiben. Eineflexibleund auf die Belange der Adressaten abgestimmte Öffentlichkeitsarbeit ist demnach möglich, ohne zwangsläufig interne Irritationen heraufzubeschwören. Öfifentlichkeitsabteilungen können sich ganz auf das Abtasten ihres Umweltsegments konzentrieren, Informationen sammeln und versuchen, Interessen und Standpunkte des Unternehmens nach außen zu vertreten. Der Verzicht auf eine Integration von Öffentlichkeitsabteilungen in den Marketingbereich des Unternehmens ermöglicht darüber hinaus, ökologische Argumentationen mit minimaler Rücksicht auf Verkaufsargumente zu entwickeln.5 Damit kommt es zu einer organisationsstrukturell abgesicherten Entkoppelung unternehmerischer Darstellungsweisen, die weitestgehend 5
Dies führt beispielsweise bei der Präsentation gentechnischer Innovationen zu sich widersprechenden, aba-jeweils adressatengerechten Darstellungsweisen: Einerseits wird der revolutionäre Charakter der Gentechnik angepriesen, um die Nachfrage im Sinne eines "technology push" zu sichern; andererseits wird die Gentechnik als lediglich graduelle Variation evolutionärer Entwicklungsoptionen heruntergespielt, s. hierzu: Levidow/Tait (1991).
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dem "double taW von Organisationen entspricht: "The ... organization reflects a variety of ideas and demands and satisfies the expectations of diverse groups in its environment (via talk, d.V.)" (Brunsson 1989, 19). Zusammengefaßt läßt sich bis hierher festhalten, daß die mit der ökologischen Herausforderung einhergehenden Leistungserwartungen sensibel wahrgenommen und als gravierend eingeschätzt werden. Als quasi-strategische Reaktion findet sich eine systematische Beschäftigung mit neuartigen relevanten Umwelten: Informationen werden gesammelt und dokumentiert, so daß ein internes Abbild der Öffentlichkeit entsteht. Es wird versucht, durch Kommunikation eigene Standpunkte verständlich und überzeugend zu gestalten, ohne interne Entscheidungsprozesse und Produktionsverfahren durch eine Überlastung mit zusätzlichen, außer(b etrieb s-)wirtschaftlichen Relevanzkriterien zu gefährden. Die Institutionalisierung von Öffentlichkeitsabteilungen am Rande der Unternehmen ermöglicht also einerseits eine Konzentration auf den Umgang mit Akzeptanzproblemen. Andererseits ist garantiert, daß Umweltirritationen abgefedert werden und nicht nach innen durchschlagen. Eine wechselseitige Anpassung von Organisation und Umwelt ist an der Schnittstelle möglich, weil der technologische Kern der Organisationen geschützt ist. Da zugleich Öffentlichkeitsabteilungen relativ eigenständige Einrichtungen darstellen, die insbesondere vom Marketing getrennt bleiben, ist eine vielfältige adressatengerechte Darstellung der Unternehmen nach außen gewährleistet. Damit sind die organisationsstrukturellen Voraussetzungen für eine "Organization of Hypocrisy" geschaffen: "talk" und "action" lassen sich weitestgehend voneinander entkoppeln, so daß sich Möglichkeiten eines "double talk" eröffnen - d.h. die gleichzeitige Verwendung verschiedener, entgegengesetzter Darstellungsweisen unternehmerischer Aktivitäten im Modus loser Kopplung.
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1.2 Nicht-intendierte Effekte symbolischer Präsentationsweisen In diesem Teil der Argumentation werden wir die Stabilisierbarkeit der genannten Entkoppelungen hinterfragen. Wir interessieren uns damit für organisationsinterne Dynamiken, die auf einen Wandel von Organisationen hinweisen, der sich strategischer Kontrolle entzieht, ohne unmittelbare Umweltanpassung zu sein. Die Frage lautet also, ob die "Organization of Hypocrisy" einen Prozeß evolutionärer Selbstanpassung initiiert, der direkt auf die Identität und den "technologischen Kern" der Unternehmen durchschlägt - im Modus fester Kopplung also. Um diese Rückwirkungen der unternehmerischen Öffentlichkeitsarbeit zu erfassen, konzentrieren wir uns auf eine Funktion dieser Abteilungen: die Projektion der Öffentlichkeit inklusive ihrer Werte, Normen und Beurteilungskriterien nach innen - also in andere Abteilungen und zur Unternehmensleitung. Wenig verwunderlich erscheint zunächst, daß für die mit Anliegen der Öffentlichkeit betrauten Mitglieder einer Organisation im Vordergrund steht, die Relevanz ihrer Tätigkeit für das Gesamtunternehmen herauszustellen. Entsprechend wird die Problematik der mit ökologischen Herausforderungen einhergehenden neuartigen Leistungserwartungen drastisch dargestellt, und zwar nicht ohne Vorschläge zu unterbreiten, wie sich diese Erwartungen durch die betroffenen Unternehmen berücksichtigen lassen. Man denke in diesem Zusammenhang beispielsweise auch an das weite Feld der Umweltberichterstattung, durch die "ökologische Schwachstellen" von Unternehmen aufgedeckt und darauf bezogene Produktionsänderungen nahegelegt werden. Weil es insbesondere fur neu eingerichtete Abteilungen wichtig ist, sich aktiv neue Tätigkeitsfelder zu erschließen und dauerhaft abzusichern, können darüber hinaus beispielsweise externe Experten oder - wie im Fall der Öffentlichkeitsarbeit - Laien (z.B.
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Schulklassen) eingeladen werden. Oder Medienvertretern wird bereitwillig Auskunft und Zutritt gewährt. Es geht also insgesamt nicht nur um den Aspekt, daß die Unternehmen für die Belange der "kritischen Öffentlichkeit" sensibilisiert werden, indem seitens der entsprechenden Abteilung Abbilder präsentiert werden, sondern auch um die faktisch verstärkte Präsenz der Öffentlichkeit und ihrer Anliegen im Unternehmen. Der sukzessive Abbau von Zugangsbarrieren sichert einerseits neu entstandene Aufgabengebiete ab - immer mehr Auseinandersetzung ist notwendig. Andererseits verkehrt sich die ursprüngliche Funktion der mit Anliegen der Öffentlichkeit betrauten Einrichtungen des Unternehmens in ihr Gegenteil: Nicht mehr die Abschottung der übrigen Organisationssegmente steht im Vordergrund, sondern die Konfrontation des Unternehmens mit Belangen der Umwelt. So werden interne Kommunikationsforen etabliert, in denen z.B. "Öko-Auditors", Technikfolgenforscher, Ökologen, Ethiker und Theologen als externe Experten eingeladen werden, Organisationsmitglieder zu informieren.6 Sobald die Inkorporierung gesellschaftlicher Wertvorstellungen, die aus der Auseinandersetzung mit neuartigen ökologischen Leistungserwartungen resultiert, die Unterbrechung nach Maßgabe wirtschaftlicher und technischer Kriterien erfolgversprechender Trajektorien 6
Zusätzlich zur Präsentation der Öffentlichkeit wäre ein zweiter Inkorporierungsmodus denkbar, der direkt auf unternehmerische Strategien einwirkt. So gilt für Rechts- und Marketingabteilungen, daß diese unternehmerische Strategien derartig prägen, daß sie etablierte technische Trajektorien zu stoppen und Alternativen anzuregen vermögen. Derartige Einflußnahmen können sich aus Gründen des Projektmanagements bereits auf die Frühphase der Entwicklung technologischer Innovationen auswirken. Auf ökologische Kriterien bezogene Akzeptanzerwägungen und die darauf konzentrierten Suborganisationen sind allerdings zumeist (nodi?) an die Peripherie der Unternehmen verwiesen. Für einen Versuch, am Beispiel des "Sustainable Development" das unternehmensstrategische (auf substantielle Entscheidungen bezogene) Potential ökologischer Orientierungen zu diskutieren, s. Hasse (1996).
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bewirkt, handelt es sich um eine Form unternehmerischen Wandels, die weit über das von Brunsson (1989) entwickelte Modell der kontrollierten und strategischen Anpassung an heterogene Umwelterwartungen hinausreicht. Die Unterbrechung technischer Trajektorien durch Erwägungen, die aus der Auseinandersetzung mit neuartigen Umwelten resultieren, wird hier als Kriterium dafür eingeführt, inwiefern unternehmerisches Handeln (als "action") maßgeblich auf die Berücksichtigung systematisch gesammelter, zusätzlicher Informationen (als unmittelbare Folge von "talk") zurückzuführen ist. Diese restriktive Wirkung könnte in Anlehnung an Thompsons Terminologie vom Organisationskern (Thompson 1967) als "Kernschmelze" bezeichnet werden und ist ein zentraler Einwand gegen die These einer dauerhaften und kontrollierbaren Entkoppelung von "talk" und "action". Allerdings ist ein Modell organisatorischen Wandels unvollständig, wenn es nur den Abbau vorhandener Tätigkeitsfelder abbildet. Ein vollständiges Modell organisatorischen Wandels durch den Mechanismus der Selbstanpassung geleisteter Umweltanpassung hat auch eine Variation von Handlungsaltemativen mit einzubeziehen. Analytisch betrachtet, lassen sich demnach zwei Tiefengrade organisatorischen Wandels voneinander unterscheiden: Der erste entspricht dem Modell Brunssons (1989) und beinhaltet eine "organization of hypocrisy", die sich sowohl durch eine Entkoppelung von "talk" und "action" als auch durch eine sich widersprechende Verwendung jeweils adressatengerechter Selbstdarstellungen auszeichnet. Weiterreichende Folgen einer aktiven Auseinandersetzung mit neuartigen gesellschaftlichen Leistungserwartungen beeinflussen im Anschluß daran auch den technologischen Kern der betroffenen Unternehmen: entweder, indem auf Vorhaben verzichtet wird oder wegen der Erweiterung des "actionportfolios". Während die "organization of hypocrisy" als Resultat strategischer Überlegungen anzusehen ist, gilt für daran anschließende
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Wandlungen, daß sie sich einer evolutionären Dynamik verdanken, die sich strategischer Kontrolle weitestgehend entzieht. Für diese Dynamik organisatorischen Wandels lassen sich verschieden gelagerte Ursachen angeben: Einerseits ist sie einer generellen organisational Logik zu verdanken, der zufolge der eigene Tätigkeitsbereich von den zuständigen Stelleninhabern als wichtig erachtet wird, so daß die Probleme, mit deren Lösung man betraut ist, als besonders schwerwiegend wahrgenommen und dargestellt werden. Es wird versucht, diese Position intern durchzusetzen, um Macht- und Einflußchancen auf die Gesamtorganisation nutzen zu können (vgl. Crozier/Friedberg 1979; Küpper/ Ortmann 1988). Eine Folge davon ist es, sich weitgehend der ökologischen Herausforderung zu stellen. Andererseits wirken darauf bezogene Maßnahmen auf die Zielsetzungen der Gesamtorganisation und ihre Identität zurück. Dies ist der von Feldman und March (1981) hervorgehobene Aspekt der Rückkoppelung zwischen gesatzten Zielen und damit zusammenhängenden Strategien. Demnach wirken Auseinandersetzungen mit der gesellschaftlichen Umwelt auf Organisationen zurück und vermögen Präferenzen derartig zu verändern, daß die eingesetzten Mittel nicht nur zum Selbstzweck aufgewertet werden, sondern auch eine Suche nach neuen Zwecken aktivieren. Der geschilderte Mechanismus dürfte schließlich noch unterstützt werden, sobald mit der Ausdifferenzierung von Sub-Organisationen neue Tätigkeitsfelder - und langfristig neue Professionen - entstehen. Professionalisierungen der Bearbeitung von Fragen der Risikobeurteilung und -bewertung in Form von "Risk Assessment-Communities" oder Professionalisierungen im Bereich des Öko-Audit haben beispielsweise immer dann weitere Kontrollverluste für die Organisation zur Folge, wenn sich die Qualitätskriterien dem Einfluß der Organisation entziehen. Eine aus symbolischen und legitimatorischen
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Gründen naheliegende oder gar erforderliche Inkorporierung professionaler Expertise kann für die Unternehmen daher über einen "clash of cultures" (Raelin 1986) hinaus - und nach Maßgabe vorab gesetzter Kriterien - durchaus mit Rationalitätseinbußen im Sinne von Meyer (1983) verbunden sein und denProzeß evolutionärer Selbstanpassung nachhaltig unterstützen: Organisationen ändern sich in eine ex ante weder intendierte noch antizipierte Richtung. Im zweiten Teil unserer Argumentation wollen wir diesen Befund mit Hilfe allgemeiner theoretischer Argumente stützen.
2. Ein allgemeines Theoriemodell organisatorischen Wandels Wir gehen davon aus, daß Organisationswandel - in Bezug auf strukturdeterminierte Systeme - niemals unmittelbar Umweltanpassung ist. Organisationen wandeln sich wie alle sozialen Systeme immer und nur unter £inschluß eigener Aktivitäten. Ändern kann sich darüber hinaus nur etwas, was relative Dauer hat, also nicht Ereignisse, sondern Strukturen. Wandlungsaktivitäten beziehen sich also immer auf die (Erwartungs-)Strukturen eines Systems. Mit Luhmann (1984, 470fF.) läßt sich zwischen Selbst- und Umweltanpassung unterscheiden. Wegen der Strukturdeterminiertheit des Systems ist Selbstanpassung primär, auch wenn sie als Folge von Umweltanpassung wahrgenommen wird. Man kann sich das einfach so vorstellen, daß Systeme, die Umweltanpassung vollziehen, interne Ungleichgewichte produzieren - an denen sie gleichsam erkennen, daß sich etwas im System-Umwelt-Verhältnis geändert hat - und mit Selbstanpassung auf diese Ungleichgewichte reagieren. Diese Perspektive läßt sich aus der Sicht von March/Olsen (1989) und Weick (1979, 1995) auch als Interaktionsdynamik beschreiben, die
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aus dem "enactment of environments" resultiert: Wenn Organisationen sich an (intern pendpierte) Umweltveränderungen anpassen, generieren sie für externe und interne Organisationssegmente immer zugleich neue Umweltzustände, an die diese Organisatiossegmente sich ihrerseits anpassen, mit der Folge neuer Umweltzustände usw. usf. Aus dieser Strukturänderungsdynamik resultiert u.a. - fur die hier verfolgten Zwecke besonders wichtig - ein AufschaukelungsefFekt, der "small signals" (wie Aufmerksamkeit gegenüber neuen Themen) in "large effects" (Strukturänderungen) transformiert (Weick 1979). Bei Nils Brunsson (1989) sieht es so aus, als ob mit dem "talk"Instrument eine Umweltanpassung vollzogen wird, die den "technical core" (Thompson 1967) der Organisation gegen Umweltturbulenzen abpuffert. Brunsson (1989) geht davon aus, daß komplexe Organisationen sich zunehmend gegen Ansprüche aus der in legitimatorischer Hinsicht relevanten Umwelt wehren müssen. Sie tun das, indem sie Organisationssegmente "politisieren": Inkonsistente und heterogene Umweltansprüche werden durch die Organisation inkonsistent und heterogen reflektiert. Das auf Koordination und Konsistenz angewiesene effektive Handlungsprogramm der Organisation wird auf diese Weise gegen eben jene Umweltansprüche abgepuffert, so wie eine politische Partei Umweltheterogenität intern reflektiert, um ihre effektiven Handlungsprogramme dennoch durchbringen zu können.7 In dieser organisationsinternen Reflektion von Umweltheterogenität ("talk") sieht Brunsson das politische Element komplexer Organisationen, ohne deshalb nur politische Organisationen zu meinen.
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S. etwa den Fall der schwedischen Kemenergiepolitik, die einen Ausstieg in 25 Jahren in Aussicht stellt, in der Gegenwart und nahen Zukunft aber auf Ausbau setzt (Brunsson 1985).
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Daß Organisationen so einfach nicht davonkommen, sondern sich unkontrolliertem Strukturwandel aussetzen, wenn sie sich an Umwelten anpassen, werden wir im Folgenden noch weiter begründen. Insbesondere geht es dabei darum, daß "talk" - oder symbolische Kommunikation - externe Erwartungen gerade steigern und organisationsintern sich selbst verstärkende Änderungsprozesse auslösen kann, so daß der "Organisationskern" gerade nicht abgepuffert wird. M t diesem Modell eines nicht-intendierten Wandels wird eine überkommene Argumentation aus der Organisationstheorie angegriffen, die Unsicherheitsabsorption immer nur auf einen "Organisationskern" bezieht, dessen Stabilisierbarkeit außer Frage steht. Demgegenüber gehen wir davon aus, daß solche 'Organisationskerne" auch ("nur") Resultate vergangener Ungewißheitsabsorption sind und daß in dem Maße, wie dies der Fall ist, höchstens von relativer Stabilisierbarkeit gesprochen werden kann. Das heißt: Wenn die Form der Ungewißheitsabsorption umkonditioniert wird, kann sich auch die Kernstruktur ändern. 2.1 Organisationswandel als kontinuierlicher FrozeO Unter Organisationswandel verstehen wir - wie bereits angedeutet - vor allem Strukturänderung, d.h. Änderungen von Erwartungszusammenhängen im Wechselbezug von Umwelt- und Selbstanpassung. Komplexe Organisationssysteme haben nur wenig interne Kontrolle über ihren eigenen Wandel, so daß sie bei wie auch immer gut geplanten Anpassungsoperationen mit ungeplanten Folgewirkungen rechnen müssen.® Dies ist der wesentliche Grund dafür, daß Rationalität
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"Post decision surprise", denn Anpassungsoperationen sind auch nur Entscheidungen in eine wenig bekannte und schnell sich ändernde Welt hinein: Harrison/March (1984).
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allein für Anpassungsprozesse nicht ausreicht und eigendynamische Änderungsprozesse an die Stelle von Rationalität treten. Um Überraschungen entdramatisieren zu können, benötigen Organisationen über strikte Rationalitätskriterien hinaus von etablierten Zielen unabhängige Beurteilungskriterien und Präferenzordnungen, die sich in dem Maße als vernünftig erweisen können, wie sie auf die Möglichkeit eines nicht antizipierbaren Wandels von Werten und Selektionskriterien vorbereiten.9 Die Funktion dieser Eigenschaft ist von March (1981) als "sensible foolishness" (in deutscher Übersetzung: Torheit) herausgearbeitet worden. Torheit ergibt sich, wenn in Organisationen "slack", symbolische Handlungen, Ambiguität und lose Kopplungen vorkommen. Überraschungen, die sich aus Anpassungsoperationen ergeben, werden auf diese Weise zwar nicht neutralisiert, aber in ungeplanten Wandel umgesetzt. Dabei soll "ungeplant" nicht etwa konfus oder gar chaotisch heißen, sondern nur auf eine intentional unkontrollierbare, gleichwohl aber relativ stabile Eigendynamik von Wandlungsprozessen verweisen. Weil Wandel aber riskant ist, tendieren Änderungsprozesse zur Selbstverstärkung (Japp 1992), insofern einmal eingegangene Selbstbindungen unter Ungewißheit weitere Bestätigungen begünstigen, also im Prozeßverlauf immer weniger reversibel werden. Dies ist ein Argument, das wir für unsere allgemeine Diskussion der Frage benötigen, wie Organisationswandel ohne ein intentionales Fundament und ohne Kontrolle trotzdem gerichtet sein kann und sich darüber hinaus selbst tragen kann, d.h. stabil ist.
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Mit Rationalität ist an dieser Stelle nicht mehr als wie immer raffinierte ZweckMittel-Rationalität gemeint. Wenn nur rational gehandelt würde, könnten Oberraschungen nicht gedeutet werden. Welche Deutungen auch immer eingesetzt werden: Die Organisation würde nicht lernen, denn sie hat sich ja nichts vorzuwerfen - außer, rational gehandelt zu haben. Ein Fall, der im Rahmen durchzuhaltender Rationalitätsmythen nicht gerade selten ist (Japp 1992).
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Ein zweites Argument gewinnen wir hinzu, wenn wir uns fragen, welches die Selektionsfaktoren sein mögen, die unkontrollierte, aber stabile Wandlungsprozesse aus der Menge möglichen Wandels herausziehen. Ein fur den hier interessierenden Zusammenhang besonders erklärungsträchtiger Selektionsfaktor kann der Theorie vom "Wirtschaftsunternehmen als politische Koalition" (March 1988) entnommen werden. Dieser zufolge werden basale Präferenzen und Organisationsziele im Rahmen einer selbst wieder Änderungen unterworfenen Koalition ausgehandelt. Eine "basic unit", also ein Segment solcher Koalitionen, das einerseits genügend "slack" aktivieren und andererseits anschlußfahig kommunizieren kann, könnte ein solcher Selektionsfaktor sein.10 Für den Fall, daß eine entsprechende Selektion sich durchsetzt, verschieben sich Ziele und "commitments" in dem Maße, wie sich die Struktur der Koalition verschiebt. All dies geschieht nicht simultan, sondern sequentiell und fuhrt keineswegs zu einer Homogenisierung der Erwartungsstrukturen innerhalb einer Koalition (March 1988). Ein weiterer Aspekt, auf den diese Einsicht hinweist, betrifft das Verhältnis von Stabilität und Wandel. Durch den sequentiellen Charakter der Variation der Koalitionsstrukur ergibt sich das Bild eines permanenten Wandels (Zucker 1988). Der Prozeß ist also stabil, nicht aber die Präferenzen, Selbstverständnisse und darauf bezogenen Handlungen. Diese Sicht lenkt die Aufmerksamkeit auf Faktoren und Bedingungen, die einen Änderungsprozeß in Richtung Selbstverstärkung forcieren. Der tiefere Grund fiir diese Prozeßdynamik liegt in
10 Als "slack" bezeichnet March (1988) nicht nur überschüssige Ressourcen, sondern auch einen hohen Grad an Professionalität, der - so dürfte das Argument wohl gemeint sein - mit generalisierten Orientierungen verbunden ist. Anschlußfähig soll an dieser Stelle heißen: mit sich neu herausbildenden Erwartungen kompatibel, also innovativ abweichend. Wir gehen davon aus, daß "slack" und kommunikative Anschlußfähigkeit den Prozeß steuern, ein expliziter Bezug auf die Intentionen beteiligter Personen also entfallen kann.
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der sich selbst verfestigenden Bindungsbereitschaft bei ungewißheitsbelasteten - eben auf Strukturänderung bezogenen - Entscheidungen (Brunsson 1985; Japp 1992). Deshalb tendieren Entscheidungen, die ungewißheitsbelastete Änderungsprozesse vorantreiben, ganz generell zur Selbstverstärkung ihrer kumulativen Folgen. Es ist der Änderungsprozeß selbst, der dann von sich aus prozeßverstärkende Entscheidungen selegiert, so daß eine Unterbrechung dieses Prozesses - und zwar auch bei auftauchenden Schwierigkeiten zunehmend unwahrscheinlich wird. Nun gibt es über diese generelle Tendenz hinaus zusätzliche Mechanismen, die eine sich selbst verstärkende Strukturänderung der Koalition als Selbstanpassung in Folge von Umweltanpassung verständlich machen. Solche Mechanismen sind etwa Kooptation, die das ursprüngliche Problem (des Umwelteinspruchs gewissermaßen) internalisiert und damit weiter verschärft. Kompetenzmultiplikatoren (durch umweltrelevante Spezialisierung, die auf Ungwißheitskontrolle abzielt) fuhren auf direktem Wege und ebenfalls qua Selbstverstärkung zu Änderungen der Koalitionsstruktur. Professionalität mit der ihr eigenen Erwartungsresistenz kann in diesem Zusammenhang als ein eigenständiger und dynamischer Faktor gesehen werden, der sich organisationaler Kontrolle bis zu einem gewissen Grad entzieht (Knie/ Helmers 1991). Schließlich tendieren Organisationen, die sich in Schwierigkeiten befinden, zu "risk-seeking": Sie konstruieren dabei Umwelten und lösen sich selbstverstärkende Abweichungen aus in dem Maße, wie sie sich an eben diese Umwelten anpassen (March 1981). Solche Selbständerungsprozesse werden auf einer elementaren Ebene möglich, weil Handlungen die Präferenzen ändern können, um deretwillen sie getätigt wurden und weil durch vollzogene Handlungen neue und andere Handlungen sowie neue und andere Ziele entdeckt werden können (March 1989). In diesen Zusammenhang loser Kopplung von
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Handlungen, Präferenzen und Zielen und sich dabei verschiebenden Zielen und "commitments" gehört schließlich auch organisatorischer "slack": Dieser schützt Personen und/oder Gruppen, die Wandel forcieren, vor den normalen organisatorischen Kontrollen gegen Abweichungen von dem, was als bewährt retendiert wird. Alle hier beschriebenen Faktoren begünstigen die Tendenz eines einmal angestoßenen Organisationswandels, sich in einen selbsttragenden Wandel zu transformieren, der ohne Verankerung in Intentionen und/oder wiederum organisierten Kontrollen auskommt. 2.2 "Talk" und die Dynamik symbolischer Organisationspolitik Brunsson arbeitet in seinem Buch über "The Organization of Hypocrisy" (1989) mit der grundsätzlichen Unterscheidung von Organisation und Umwelt. Weitere Unterscheidungen werden an diese angehängt und zwar immer unter dem zentralen Gesichtspunkt, wie Organisationen in ihrer Umwelt Legitimität und Akzeptanz finden bzw. produzieren können.11 Die wichtigste Sekundärunterscheidung ist wohl die zwischen "politics/talk" und "action". Während die traditionelle Organisationstheorie gemäß Brunsson (1989) im wesentlichen die Perspektive der Koordination von Aktionsprogrammen eingenommen hat, kommt es zunehmend darauf an, die Perspektive auf "politics/talk", also auf die Unterscheidung von technischen und institutionellen Umwelten im Sinne von Scott (1983) umzustellen. Die meisten Organisationen, insbesondere große Wirtschaftsorganisationen haben es mit
11 Dieser Gesichtspunkt hängt natürlich eng mit Glaubwürdigkeitsproblemen im ökologischen Risikokontext zusammen und ist insbesondere in Erörterungen zum Verhältnis von Risikokommunikation/Akzeptanzbeschaffung und Risikomanagement/Regulierung vertieft worden, vgl. grundsätzlich: Wynne (1987); Otway/ Wynne (1993).
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einem je spezifischen Mix aus "politics" und "action" zu tun. Manche Organisationen betreiben vorwiegend Politik, wie z.B. Parlamente, und manche spezialisieren sich so stark in eine Nische hinein, daß sie sich nahezu ausschließlich auf "action" und die dafür maßgeblichen technischen Umwelten konzentrieren können. Organisationen, die sowohl den Pressionen von institutionellen als auch denen von technischen Umwelten ausgesetzt sind, nehmen Züge von "multiple selves" (Elster 1987) an: Sie betreiben Politik und Handlungskoordination. Sie setzen auf Inkonsistenz von symbolischen Anspruchsbefriedigungen und auf Konsistenz von Handlungsprogrammen; sie tun nicht das, worüber sie reden; sie demonstrieren Entscheidungsrationalität in institutioneller Hinsicht und operieren mit Handlungsrationalität in technischer Hinsicht; sie benutzen schwache Ideologien fur Politik und starke fur Handlungskoordination; und sie setzen auf Konflikt in der Politik und auf Einheit in Handlungsprogrammen. Damit solche Diskontinuitäten nicht zum Bestandsrisiko für die Organisation selbst werden, entkoppeln sie "politics" und "action" (Brunsson 1989). Man kann von einem Strukturbruch sprechen, insofern sich eine zweite Risikofront bildet. Neben der Möglichkeit ineffektiver Handlungsprogramme besteht jetzt die Möglichkeit ineffektiver Wahrnehmung von Umweltansprüchen. Insofern diese, wie oftmals im Fall ökologischer und ökonomischer Anforderungen, inkonsistent sind, wird die Organisation genötigt, neben jener Handlungsorientierung eine "politische" Orientierung zu etablieren - wenn man die Bearbeitung inkonsistenter und zeitlich instabiler Umweltanforderungen als politikspezifisch gelten lassen will. Die Organisationsleitung steht jetzt vor dem Dilemma, Verantwortung fur zwei Bereiche übernehmen zu müssen: Für Handlungprogramme und für die Pflege von inkonsistenten Umweltanforderungen. Offensichtlich ist beides zugleich nicht gut
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möglich. Die Lösung dieses Dilemmas besteht darin, daß die Organisationsleitung Rhetorik - und dazu zählen auch demonstrative Entscheidungen - fur die Bearbeitung von Umweltansprüchen rekrutiert und damit zugleich Verantwortung für die Handlungsdimension signalisiert. Diese kommt dann in den Genuß von Risikoentlastung, allerdings ohne effektive hierarchische Kontrolle. Diese auch noch ausüben zu wollen, käme dem Risiko gleich, inkonsistente Anforderungen seitens der institutionellen Umwelt mit einer gewissen Verläßlichkeit verletzen zu müssen, denn man ist ja andererseits auch noch konsistenten Handlungsanforderungen verpflichtet. Risikoübernahme seitens der Organisationsleitung bezieht sich auf Handlungsprogramme wesentlich im Hinblick auf inkonsistente Umweltanforderungen. Verantwortung korreliert dann mit Legitimation, nicht mit Kontrolle von Handlungsprogrammen. Es besteht lose Kopplung zwischen Risiko, Verantwortung und Kontrolle. Ein Beispiel für diese Konstellation ist ein x-beliebiger Großkonzern, dessen TopManagement oder Vorstand Entscheidungen und Absichtserklärungen produziert, die Unterstützung von inkonsistenten Umweltsegmenten bewirken sollen. Entscheidungen wird Verantwortlichkeit zugerechnet, obwohl die effektiven Handlungsprogramme in ganz anderen Organisationssegmenten abgewickelt werden und - u.a. deshalb - nur wenig Kontrolle ausgeübt werden kann. Es ergibt sich also die Paradoxie, daß die Übernahme von Verantwortung, signalisiert durch Entscheidungen, dort stattfindet, wo Einfluß und Kontrolle auf die Handlungskomponente der Organisation eher gering sind. Diese Strategie des "decoupling of politics and action" schützt den technischen Organisai ionskera vor institutionellen Umweltfluktuationen.12 Daß es fur
12 Umgekehrt könnte man auch sagen, daß stark politisierte Organisationen bemüht sind, ihre "politics" durch Abkopplung des technischen Kerns abzuschirmen.
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diesen Schutz jedoch keine funktionale Gewähr gibt, läßt sich unter Rekurs aufbereite vorgetragene Argumente zu organisatorischem Wandel zeigen (s. auch Japp 1996, 140-177). Ausgangspunkt ist das Standardmodell rationalen Entscheidens, das Informationsbedarf für zukünftige Entscheidungsfolgen und für zukünftige Präferenzen impliziert. Gegenüber dieser Implikation weisen diverse Befunde darauf hin, daß Organisationen dazu tendieren, Informationen eher unter den Gesichtspunkten genereller Umweltüberwachung und strategischer Fehlrepräsentation in konfliktorischen Koalitionen sammeln. Ein übergreifender Gesichtspunkt ist darin zu sehen, daß Organisationen Informationen einfach deshalb sammeln, weil sie auf diese Weise sich selbst und ihrer Umwelt rationalen Umgang mit Entscheidungen dokumentieren können. Alles zusammengenommen, produzieren Organisationen zuviel Informationen - jedenfalls im Hinblick auf den operativen Bedarf des laufenden Entscheidens. Die Folge ist dann die, daß Organisationen Informationen anhäufen, die sie nicht benutzen. Informationsaktivitäten werden von Entscheidungaktivitäten abgekoppelt, die Beziehung zwischen Information und Entscheidung ist schwach. "Information gathering" ist ein Vergewisserungsritual und dient eher der Legitimation von Entscheidungen in Situationen mit hoher Ambiguität als der Auswahl von Alternativen nach Maßgabe feststehender Präferenzen.13 Symbolische Informationsbeschaffiing und -Verwendung ist jedoch nicht folgenlos, weil Organisationen, die symbolische Informationen beschaffen, zugleich neue Handlungsmöglichkeiten und neue Präferenzen «ltdecken. Daraus kann ein Zyklus entstehen, der Symbole in
13 Feldman/March (1981). Umgekehrt gilt im übrigen, daß symbolische Informationsbeschaffung weniger wichtig ist, wenn Situationen zeitlich, sachlich und sozial als nicht-ambiguös wahrgenommen werden.
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funktionale Anforderungen umsetzt. Informationen über ökologische Ansprüche der gesellschaftlichen Umwelt können z.B. die Schaffung neuer Stellen für Umweltschutz oder Öko-Auditing begünstigen, die als symbolische Alternative zu substantiellen Handlungsprogrammen gedacht sind. Feldman und March (1981, 422) argumentieren: "New offices, however, are not passive. They affect their own functions". Die Autoren demonstrieren das am Beispiel des "flak-catching", also der AbpufFerung der Organisation gegen Kritik, Pressionen aus institutionellen Umwelten. Ganz im Sinne der bereits diskutierten Faktoren fur Abweichungsdynamiken entdecken die "flak-catcher" Möglichkeiten, ihre eigene Bedeutung für die Organisation zu erweitern, Möglichkeiten, die Präferenzen anderer "basic units" der Koalition zu beeinflussen und vor allem: Sie lernen, daß ihre eigene Bedeutung für die Organisation von der Bedeutung des "flak" selbst abhängt. Mithilfe dieser sich selbst verstärkenden Handlungen und Präferenzen rücken die "flak-catcher" allmählich in die sich ändernde Organisationskoalition ein und tragen so zur Verschiebung von substantiellen Zielen und commitments bei. "Like other behavior, symbolic behavior explores possible alternative interpretations of itself and creates its own necessity" (425). Die Crux aller Anpassung: Wie kann ein System sich an etwas anpassen, ohne sich selbst folgenreich zu ändern, reproduziert sich in der Differenz von Umwelt- und Selbstanpassung. Auf diese Weise verwickeln sich Organisationen in einen Strukturwandel, der seine eigenen Fortsetzungsbedingungen generiert. Wir gehen davon aus, daß solche Dynamiken besondere Bedeutung für ansonsten aus Gründen selektiver Rationalitätskriterien anschlußschwache Themen - wie im Bereich wirtschaftlichen Handelns das der ökologischen Herausforderung - erlangen können.
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3. SchluQbemerkung Der im Rahmen dieses Beitrages hergeleitete Mechanismus des Wandels von Organisationen basiert auf Wandlungsimpulsen aus der gesellschaftlichen Umwelt. Auf solche Veränderungen (in unserem Fall die der gesellschaftlichen Sensibilisierung für ökologische Probleme) wird seitens der betroffenen Organisationen mit Umwelt- und mit Selbstanpassung reagiert. Daraus ergibt sich folgender Befund für einen in ökologischer Hinsicht bedeutsamen Strukturwandel: In dem (für die Organisationstheorie vorgegebenen) gesamtgesellschaftlichen Kontext heterogener und teilweise widersprüchlicher Erwartungen kommt es zu einer Evolution politisierter Organisationen, die mit der Unterscheidung von Rhetorik und organisatorischer Festlegung operiert.14 Diese Konstellation führt zu sich selbst verstärkenden Abweichungen (von einem jeweiligen status quo), und es ist keineswegs ausgemacht, daß dies automatisch zu einer Minderung der spezifisch wirtschaftlichen Funktions- und Leistungserfüllung der Adressaten ökologischer Ansprüche führt. Insofern soziale Kontexte durch organisationales Handeln maßgeblich beeinflußt werden, so sei abschließend herausgestellt, sind die Auswirkungen dieses Wandels zudem keinesfalls auf Organisationsstrukturen und -prozesse beschränkt. Organisationen sind vielmehr eine herausragende Verstärkungsinstanz für gesamtgesellschaftlichen Wandel, ohne daß dieser im engen Rahmen der Organisationsforschung hinreichend erörtert werden könnte (Hasse/Krücken 1996). Dafür kann man vor allem die Differenz von Funktionsanforderungen der Wirt14 Luhmann 1993, Kap. S. Um es noch einmal herauszustellen: das Argument gilt unser«- These zufolge generell für politisierte Organisationen im Sinne starker politischer Komponenten (Brunsscsi 1989), also keineswegs nur für Organisationen der Politik.
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schaft und besonderen gesellschaftlichen Leistungserwartungen an ihre Organisationen verantwortlich machen (Japp/Krohn 1996). Für die Absender gesellschaftlicher Steuerung ist es deshalb kein abwegiger Gedanke, den hier behandelten Wandlungsdynamiken mehr Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Gegenüber Intentionalitäts- und Kontrollansprüchen sind die damit einhergehenden Steuerungsambitionen jedoch deutlich abzusenken - etwa auf "gezielte Irritationen" durch aufmerksame Beobachter der beschriebenen Prozesse, wer auch immer diese Beobachter in der gesellschaftlichen Praxis sein mögen.15
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15 Für die Einordnung des hier erörteten Vorgangs organisational Lernens vgl. Wiesenthal (1995), der in Anlehnung an Argyris/Schön (1978) verdeutlicht, daß es sich bei Irritationen durch thematischen Import um eine "höhere" - weil auf Strukturwandel bezogene - Form organisational Lernens handelt, die sich von "einfachen" - auf Strukturerhalt bezogenen - Formen unterscheidet
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Helmut Wiesenthal
Adaption und Innovation Neun Thesen zum Verhältnis von Unternehmen und Gesellschaft
Unternehmen stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit, wenn es um die Beziehung von Gesellschaft und Natur geht. Die auf Gewinnerzielung unter Wettbewerbsbedingungen angelegten Erwerbsorganisationen sind die wichtigsten Adressaten für ökologische Reformkonzepte. Sie, und in zweiter Linie die Konsumenten, bestimmen Inhalt und Umfang des Stoffwechsels mit der Natur. Sie regeln die Nutzung von Energie und Ressourcen, verbrauchen Wasser, Luft und Boden und bewirken durch ständigen Wandel der Produkte und Verfahren, daß die Beziehung von Natur und Zivilisation immer wieder andere Formen annimmt und neue Probleme aufwirft, bevor die älteren gelöst sind. Damit ist aber nur ein Teil der gesellschaftlichen Wirkung von Marktakteuren beschrieben. Unternehmen sind auch Veranstalter eines stürmischen und faszinierenden Kulturwandels. Produktinnovation und Marketing haben alle traditionellen Sinnstifter abgelöst. Die im Wettbewerb um Absatzchancen entstehenden Sinnbilder von zeitgemäßen Bedürfnissen und Lebensstilen erweisen sich den Überredungskünsten aller weltlichen und religiösen Autoritäten überlegen. Doch auch das ist noch nicht alles. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen, insbesondere ihre Investitions- und Organisationsstrategien im mittlerweile globalisierten Handlungsfeld, entscheiden über regionale Beschäftigungsniveaus und staatliche Steuereinnahmen. Der gegenwärtige Konflikt über Lohnkosten und Sozialbeiträge, Standortnachteile und Standortalternativen
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stellt uns nachdrücklich den einzigartigen Status der Unternehmen als Erzeuger und Verteiler sozialer Chancen vor Augen. Arbeitseinkommen und Arbeitsbefriedigung, Sozialeinkommen und gesellschaftlicher Status, Konsumchancen und soziale Integration - alle Qualitäts- und Niveauaspekte des individuellen Lebens verweisen auf die Multifunktionalität der Marktakteure. Die moderne Industriegesellschaft ist weitaus mehr 'Organisationsgesellschaft" als "Marktgesellschaft" (Perrow 1989; Simon 1991). Gemessen an der gleichermaßen zentralen wie universalen Bedeutung der Unternehmen für die moderne Gesellschaft scheint das öffentliche Interesse an ihren Charakteristika, ihren Funktionsbedingungen und ihrer Verschiedenartigkeit eher gering. Wer wissen will, wie Unternehmen entscheiden, welche Probleme ihnen zu schaffen machen, oder was man als Konsument, Sparer oder Erwerbstätiger von ihnen erwarten darÇ erhält zwar täglich neue und hochspezifische Informationen auf den Seiten der Wirtschaftspresse. Aber die Neugier auf weitergehende Antworten, etwa zu den realen Möglichkeiten und Risiken einer raschen Reduzierung des Energieverbrauchs oder der konsequenten Umweltanpassung von Produkten, prallt an einer Wand aus Schutzbehauptungen und Problemverleugnung ab. Nach eigenen Bekundungen scheinen Unternehmen nur den Zwängen der Konkurrenz zu gehorchen, den Anreizwirkungen relativer Preise zu folgen, die Logik der Technikentwicklung widerzuspiegeln und durch widersprüchliche Herausforderungen von Marktwettbewerb und sozialstaatlichen Belastungen überstrapaziert. Selbst die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften tun sich regelmäßig schwer, ein zutreffendes, d.h. multiperspektivisches Verständnis von Unternehmen als gesellschaftlichen Subjekten zu entwickeln. In der Marxschen Ausbeutungs- und Akkumulationstheorie wurde das Positivsummenspiel um Werte und Lebensqualität ignoriert, das die
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Marktakteure der Gesellschaft zwar nicht uneigennützig bescheren, aber nachweislich ermöglichen. Die am Weberschen Bürokratiemodell orientierte Organisationstheorie ließ die kommunikativen und innovativen Aspekte des Organisationshandelns unbeachtet, während Möglichkeiten der zweckrationalen Organisationsgestaltung überschätzt wurden. Die mikroökonomische Perspektive blendet mit dem Beharren auf Rational- und Maximierungsmodellen ein Zentralproblem der Organisationssteuerung aus, nämlich den Umgang mit Unsicherheit und Informationsüberschuß. Und die Organisationssoziologie oszilliert zwischen menschenleeren Systemmodellen und menschelnden Partizipationsrezepten. Wo immer man nach einem unverkürzten Verständnis von Unternehmen, dem Zentralphänomen der "Wirtschaft der Gesellschaft" (Luhmann) fahndet, stößt man auf riskante Realitätsabstraktionen. Die folgenden Thesen zielen auf ihre Korrektur. Indem versucht wird, oft übersehene Aspekte der modernen Unternehmenswirtschaft herauszustreichen, gilt es gleichzeitig, überlieferten Interpretationsroutinen die Glaubwürdigkeit zu bestreiten. Pauschalierung und Zuspitzung, derer ein solcher Perspektivenwechsel bedarf, sind gewiß nicht ohne eigene Risiken. Doch scheinen sie angesichts des im Dreiecksverhältnis von Wirtschaft, Natur und Gesellschaft bestehenden Klärungsbedarfs vertretbar.1
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Die hier entwickelte Perspektive ist Arbeiten entnommen, die durch den "bounded rationality"-Ansatz inspiriert sind Die Arbeiten der organisations- und entscheidungswissenschafilichen "Carnegie School" bieten Sozialwissenschaftlern wesentlich fruchtbarere Anknüpfungsmöglichkeiten als der neoklassische Zweig der Wirtschaftswissenschaft Im folgenden wird v.a. auf Cyert/March (1963), Simon (1976), Nelson/Winter (1982), Hannan/Freeman (1977, 1984), Elster (1983, 1987), Dosi (1988), March/Olsen (1989) sowie verschiedene Artikel im New Palgrave, einem Lexikon der modernen Wirtschaftswissenschaften (Eatwell/ Milgate/Newman 1987), Bezug genommen. An deutschsprachigen Texten seien Klimecki/Probst/Eberl (1991), Schreyögg (1991) und Berger/Bernhard-Mehlich (1992) sowie Wiesenthal (1990,1991,1994) genannt
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These 1: Die zwischen Unternehmen bestehenden Unterschiede werden regelmäßig unterschätzt. Sie sind ebenso signifikant wie der Unterschied zwischen Unternehmen und anderen Typen von Organisation. Die verständliche Neigung, einen umfassenden Oberbegriff für alle existierenden Unternehmen zu besitzen, hat ganze Generationen von Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern zu vorschnellen Verallgemeinerungen verleitet. Tatsächlich sind Unternehmen nicht nur so verschieden wie auch Menschen verschieden sind, sondern sie unterscheiden sich mit gravierenderen Folgen. Ihre Ähnlichkeit in manchen Dimensionen erleichtert es zwar u.a. Arbeitnehmern, Organisationserfahrungen zu transferieren, wenn sie den Arbeitgeber wechseln. Aber die formale Isomorphie verschleiert die (nicht selten extremen) Unterschiede der Bestandsbedingungen und Überlebenschancen in einer kompetitiven Marktumwelt. Zur Verdeutlichung bedienen wir uns einer simplen Unterscheidung: zwischen den Methoden der Gewinnerzielung (respektive Strategien der Rentabilitätssicherung) einerseits und den Mustern der Gewinnverwendung (respektive Profitallokation) andererseits. Es dürfte kaum zwei Firmen im selben Marktsegment geben, die ihren Gewinn mit exakt derselben Faktorkombination erzielen, um ihn dann auf exakt dieselbe Weise zu verteilen. Zu den Unterschieden auf der einen Seite zählen die Zusammensetzung der Produktionspalette mit Gütern unterschiedlicher Profitabilität und Marktchancen, aber auch die Art und Weise der Mitarbeitermotivation (durch hierarchische Kontrolle, durch Teamstrukturen oder Effizienzlöhne). Auf der anderen Seite mag der Gewinn entweder vor allem den Kapitaleigentümern, dem Management, der Belegschaft, der Forschungs- und Entwicklungsabteilung (F&E) oder den Repräsentanten anderer strategischer Teilfunktionen zugute kommen. Und selbst wenn wir zwei Firmen fänden, die sich hinsichtlich
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des Musters von Gewinnerzielung und -Verwendung wie eineiige Zwillinge glichen, ist es unwahrscheinlich, daß sie auf künftige Marktveränderungen in gleicher Weise und Reihenfolge reagieren. Mögen sich vergangene Unternehmenserfolge mit einem günstigen Entsprechungsverhältnis von Unternehmensverhalten und Marktbedingungen plausibel erklären lassen, so ist ihr künftiges Abschneiden doch prinzipiell offen. In einer kompetitiven Marktumwelt hängt der zukünftige Unternehmensbestand offensichtlich nicht nur von der Bereitschaft ab, den in der vergangenen Periode erzielten Gewinn zur Verbesserung weiterer Gewinnchancen zu verwenden, sondern auch davon, ob zutreffende Annahmen über die Entwicklung der Nachfrage und das Verhalten der Wettbewerber gemacht werden. These 2: Unternehmen sind weder unitarische Akteure noch willenlose Systeme. Im Bemühen, sich trotz unhintergehbarer Unsicherheit Marktanteile und Zukunftschancen zu erhalten, sind Unternehmen in vieler Hinsicht "gespalten": nicht nur zwischen Beschäftigten, die bessere Entlohnung erwarten, und Managern, die Kosteneinsparung für die sicherste Profitquelle halten; sondern auch zwischen den Repräsentanten der vielen Teilfunktionen des Unternehmens (z.B. F&E, Produktion, Marketing, Verkauf Controlling) auf der einen Seite und den Anhängern bestimmter Konzepte ("Philosophien") der Unternehmensentwicklung auf der anderen. Zuverlässiges Wissen über die künftigen Situationsparameter ist prinzipiell ausgeschlossen, da die Situation durch (spätere) Entscheidungen Dritter (vor allem der Wettbewerber) gestaltet wird. Tatsächlich erzwingt die Unsicherheit über die künftigen Erfolgsbedingungen eine Orientierung an Partikularzielen und gegenwartsnahen "Lokalrationalitäten". Verbreitet ist die unvermittelte
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Koexistenz von Streß und Verschwendung, Konservatismus und Zukunftsorientierung, ja selbst von widerstreitenden Langfriststrategien. Diesen Zustand latenter Desintegration zu moderieren und die Vertreter der Teilfunktionen zur Zusammenarbeit und Koordination ihrer Aktivitäten anzuhalten, ist eine der wichtigsten Managementaufgaben. Als Merkposten festzuhalten ist noch zweierlei. Zum einen resultiert die Fragmentierung der Unternehmensfunktionen aus der Unterschiedlichkeit der Teilumwelten, mit denen das Unternehmen im Austausch steht: den Kapital- und Arbeitsmärkten sowie den Absatzmärkten mit ihren je eigenen Chancen, Unsicherheiten und Dynamiken. Je stärker die Integration in die diversen Teilumwelten ist, desto komplexer - und auf den ersten Blick disparater - wirkt das Unternehmen als soziales System. Als ein "Ganzes" ist es kaum steuerbar. Zum zweiten ist das Vorhandensein divergierender oder sich widersprechender Problemund Chancenwahrnehmungen nichts Ungewöhnliches. Bis zu einem gewissen Grade steigen sogar die Selbstbehauptungschancen des Unternehmens, wenn divergierende, aber je für sich realitätsbezogene Orientierungen toleriert werden. Das bedeutet: Prinzipiell besteht "Spielraum" auch für Orientierungen und soziale Werte, die in der gesellschaftlichen Umwelt beheimatet sind. Aber sie werden sich im Regelfall dort ebensowenig gegen alle anderen Orientierungen durchsetzen können, wie es eine radikale Kostensenkungsorientierung (die zu Lasten der Zukunftschancen ginge) oder ein spekulatives Langfristkonzept (das die Gegenwartssituation ignorierte) vermögen. Wenn die Unternehmensspitze solche Differenzen nicht zur Schau stellt, sondern Einmütigkeit demonstriert, praktiziert sie zumeist einen mühsam ausgehandelten Burgfrieden, aber nur höchst selten die Realisierung eines verbindlichen Langfristplans. In aller Regel muß die Organisationsspitze auf eine integrierte Gesamtschau aller relevanten Teilumwelten verzichten, so daß auch bestinformierte Topmanager
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nicht ohne Rückgriff auf subjektive Einschätzungen und Risikoannahmen auskommen. Zu den Konsequenzen ist folgendes zu bemerken: Wenn strategisch ambitionierte Akteure des Typs Unternehmen letztendlich anhand subjektiver Szenarios "gesteuert" werden, ist das nicht bloß eine Reaktion auf den mehr oder weniger hohen Grad von Unsicherheit, sondern diese Reaktionen summieren sich, wenn ihre Folgen aus dem Blickwinkel von Konkurrenten und Politik betrachtet werden, zur wichtigsten Unsicherheits£ne//e. Gleichzeitig eröffiiet sich eine interessante Perspektive auf die "Lernchancen" des multiplen Akteurs "Unternehmen". Weil er weniger integriert ist, als er (nach innen wie nach außen) vorgibt, sind seine Lernprozesse nicht notwendig dadurch erschwert, daß neues Wissen von einer zentralen Stelle bewertet und ausgewählt werden müßte, um an anderen Stellen einen Informationsgew/'wj zu bewirken. Die Schwelle, die neue Umweltinterpretationen zu überwinden haben, ist niedriger, als im Bürokratiemodell der Organisation unterstellt. Der Entscheidungskonservatismus einer Abteilung schließt Innovationsfahigkeit in anderen Abteilungen oder Teilfunktionen nicht aus. Einigermaßen unwahrscheinlich ist aber eine Harmonisierung aller funktionsorientierten Teilansichten der Umwelt, z.B. in Gestalt einer "Von-Kopfbis-Fuß"-Ökologisierung des Unternehmens.
These 3: Unternehmen sind keine geschlossenen Systeme. Die Gesellschaft ist in ihnen auf mehrere Weisen präsent} Unternehmen sind intern differenzierte, durch eine Menge vertikaler und horizontaler Kommunikationsordnungen lose integrierte Systeme. Zur selben Zeit sind sie auch formale Organisationen mit einer scharfen 2
Zur Vertiefimg der angeführten Argumente vgl. Luhmann (1971, 1988) und Wiesenthal (1995).
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Grenze zur Umwelt. Letztere ist durch eindeutige Mitgliedschaftsregeln definiert. Wer den Pförtner oder die Empfangsdame passieren durfte, hat deswegen noch keine Aussicht, "Eindrücke" zu erzielen und Spuren zu hinterlassen. Wer oder was Gehör findet, bestimmt sich allerdings nicht nur nach den Formalregeln des Dienstablaufs; aktuelle Informationsbedarfe und die von Organisationsabteilungen tatsächlich zu gewährleistenden Funktionen sind gleichfalls für die Interaktion mit der Umwelt maßgebend. Theorien des Organisationslernens betrachten darum die in der Organisation artikulierten Informations-, Anpassungsund Lernbedarfe als die entscheidenden Selektoren neuen Wissens. Umweltwandel schlägt sich vor allem dann in Gestalt modifizierten Organisationswissens nieder, wenn dieses verspricht, bei der Wahrnehmung von Chancen, der Bearbeitung von Problemen oder der Behebung von Widersprüchen im Orientierungsrahmen zu helfen. Wie die Theorie selbstreferentieller sozialer Systeme überzeugend darlegt, errichtet und kontrolliert das System Organisation nicht nur eine Mitgliedschafts-, sondern auch eine "Sinngrenze" gegenüber der Umwelt. Was zur relevanten Umwelt zählt und was Umweltwandel organisationsintern bedeutet, bestimmt sich innerhalb der internen Sinnhorizonte. Die von der Außenwelt an das Unternehmen adressierten Erwartungen und Ansprüche haben nur dann Rezeptionschancen, wenn sie Anschlußstellen im Kommunikationsgeschehen der Organisation finden. Neben den schmalen Pfaden des intern gesteuerten Organisationslernens existieren aber auch Mechanismen eines eher unfreiwilligen außengesteuerten Wandels, die als "unkonventionelles" Lernen beschrieben werden. Sinntransfer über die wohlbehütete Organisationsgrenze hinweg und damit der Import von Entscheidungskriterien, die weder gewählt noch das Ergebnis einer absichtsvollen Selbstgestaltung sind, können auch in der Form von "Ansteckungsprozessen"
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stattfinden. Dabei ist zum einen an den Einfluß von Professionen (und professionellem Berufsethos) auf das Handeln von Organisationsmitgliedern zu denken. Wenn Beschäftigte qua Professionszugehörigkeit an einem die Organisationsgrenzen überschneidenden Wissenssystem teilhaben und darüber hinaus über alternative Beschäftigungschancen verfugen, ist der grenzüberschreitende Transfer professioneller Orientierungen schwerlich zu unterbinden. Unter solchen Bedingungen mag das Berufsverständnis der Ärzteschaft den Aufgabenkatalog und die Organisationsidentität von Krankenhäusern konditionieren und das Weltbild der Ingenieure deutliche Spuren im Muster von Produkten und Verfahren hinterlassen. Je mehr ein Unternehmen auf Professionswissen angewiesen ist und je wirksamer die Profession ihren Zusammenhalt (und ihre "eigenlogische" Reproduktion) gewährleistet, desto durchlässiger ist die Grenze zwischen Unternehmen und Umwelt. Auf analoge Weise, aber mit höherem Risiko und geringeren Erfolgsaussichten wirken die sogenannten Organisationsdissidenten,3 Da Individuen ihre Privatansichten nicht streng getrennt von ihrem Denken in der Rolle des Organisationsmitglieds halten können (bzw. nicht wollen), werden formelle Entscheidungsprozesse unter Umständen zum informellen Wirkungsraum für "externe" Gesichtspunkte. In anderen Fällen mögen Organisationen dadurch zur Anpassung ihres Orientierungssystems an externe Deutungsmuster genötigt sein, daß es Mitglieder unter Inkaufnahme persönlichen Risikos wagen, einem gesellschaftlichen Rationalitätskalkül Vorrang vor dem Organisationszweck zu geben, d.h. ihre Loyalitätspflicht zu verletzen. Das ist 3
Organisationssoziologisch werden sie unter den Stichworten Faktionalismus und (interne) soziale Bewegung gehandelt, phänomenologisch als "insurgency" (Zald/ Berger 1978), "principled organizational dissent" (Graham 1986) oder "whistleblowing" (Miceli/Near 1991) kategorisiert.
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umso leichter möglich, je weniger strikt formale Kompetenzen gehandhabt werden und je größer die funktionale Bedeutung von fluktuierenden und immer wieder neu auszuhandelnden Kommunikationsordnungen für die Organisation ist. Eine weiteres Einfallstor "externer" Wirklichkeitsdeutungen bildet die allemal begrenzte und darum gelegentlich überbeanspruchte Ambiguitätstoleranz von Entscheidungsbeteiligten. Das Bemühen um persönliche Identität kollidiert unter Umständen mit der Verpflichtung auf enge organisationsbezogene Entscheidungskalküle. So haben Manager nach eigenem Bekunden gelegentlich versagt, strikt "umweltignorate" Entscheidungen zu treffen, wenn sie befürchteten, diese nicht nur als Repräsentant ihres Unternehmens, sondern auch in der Rolle eines treusorgenden Familienoberhauptes vertreten zu müssen. Ein Gutteil der über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus erfolgenden Umweltaktivitäten ist in diesem Sinne als "außenbedingt" zu charakterisieren (Birke/Schwarz 1996).
These 4: Unternehmen sind sowohl rastlose Veranstalter als auch unsichere Gewinner der ökonomischen Evolution. Evolutionsprozesse nach dem Muster der natürlichen Evolution sind im Bereich sozialer Phänomene ausgesprochen rar. Allerdings besteht weitgehend Einigkeit, daß sich die Vorgänge an kompetitiven Märkten recht gut mit den Begriffen der Evolutionstheorie beschreiben lassen. Firmengründungen "passieren" aufgrund einer Vielzahl von Stimuli und Opportunitäten. Sodann durchlaufen Unternehmen fortwährend den Selektionsprozeß des Marktwettbewerbs. Unternehmen, deren Funktionsroutinen den wechselnden Umweltherausforderungen (und den dabei evolvierenden "Nischen") nicht gerecht werden, verschwinden von der Bildfläche. Diejenigen, deren Funktionweise (absichtlich oder
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unabsichtlich) mit den Umweltbedingungen harmoniert, bleiben "Sieger auf Zeit". Oft versuchen sie, "bewährte" Strukturen und Routinen auf Dauer zu stellen, d.h. zu institutionalisieren. Das mag ihnen unter stabilen Randbedingungen das Überleben ermöglichen, im anderen Fall jedoch, wenn sich die Umwelt auf unerwartete Weise wandelt, den sicheren Untergang bescheren. Kluge Unternehmer wissen das und vermeiden es, auf "business as usual" und die Wiederkehr vergangener Erfolge zu setzen. Beobachter in der Umwelt der Unternehmen glauben etwas anderes zu erkennen: Weil untergegangene Firmen und Branchen nicht mehr Teil der Wirklichkeit sind, sehen sie nur die von der Marktselektion prämierten "Sieger auf Zeit". Da sich diese samt und sonders durch eine "erfolgreiche" Vergangenheit auszeichnen, scheint auch ihr Fortbestand gesichert. Paradoxerweise ist er das aber nur dann, wenn in den Unternehmen die gegenteilige Auffassung herrscht. Teilt die Unternehmensspitze die optimistische Sicht der Außenwelt, hat niemand Grund, optimistisch zu sein. Mit anderen Worten: Unternehmenserfolg in unsicherer Umwelt und Risikobewußtsein des Managements sind die Kehrseiten ein und derselben Medaille. Indem es Marktuntemehmen mit einer je spezifischen Mischung von konservativen und innovativen Strategien gelingt, ihr Überleben zu sichern, werden sie zu Mitveranstaltern der ökonomischen Evolution. Wer die Selektion des Wettbewerbs besteht, wird zur Selektionsbedingung für seine Konkurrenten. Die Überlebensstrategien eines jeden strukturieren das Handlungsfeld aller; Flexibilität und Innovationsvermögen regulieren das zu meisternde Anpassungstempo und die zu bewältigende Sprunghöhe (bzw. Falltiefe). Unter diesen Bedingungen erlangt eine Organisationseigenschaft Bedeutung, von der sich die Außenwelt regelmäßig irritiert zeigt: Redundanz bzw. "slack". Slack bedeutet zweierlei, zum einen freie, d.h. für die Sicherung des Alltagsbetriebs überzählige Ressourcen, zum anderen Handlungsspielräume
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jenseits bürokratischer Regulierung und rigider Erwartungen. Denn die über Innovation laufenden Anpassungsprozesse an die sich wandelnde Umwelt gelingen nicht in jedem Fall; vielleicht ist nur jeder fünfte Versuch einer Produktinnovation von Erfolg gekrönt und nur jeder dritte Innovations- auch ein kommerzieller Erfolg. "Slack" ist die unverzichtbare Voraussetzung sowohl für hinreichendes Innovationsvermögen als auch fur die Abpufferung der unvermeidbaren Mißerfolge. Unterschiedliche Innen- und Außenperspektiven auf "slack" begründen ein Paradox: Zeichnet sich ein Unternehmen durch ein sichtbares Übermaß an "slack", z.B. in Gestalt liquider Geldmittel, aus, so indiziert das womöglich dreierlei: (1) Profitabilität in der Vergangenheit, (2) Unsicherheit über aussichtsreiche Verwendungsmöglichkeiten in der Gegenwart (jenseits der Anlage am Finanzmarkt) und (3) Ängstlichkeit gegenüber der Zukunft. Denn wäre der verfugbare "slack" in explorative und innovative Strategien investiert worden, wäre er für Außenstehende unsichtbar. In der Außenwelt mag sich demgegenüber eine ganz andere Sichtweise ausbilden. Unternehmen, die ein Übermaß finanzieller Reserven zur Schau stellen, erscheinen als Kandidaten einer höheren Besteuerung, während kluge "Slack"-Investoren vergleichsweise hilfebedürftig scheinen. Die Wahrnehmungen von Wirtschaft und Politik hinsichtlich der Zukunftsfahigkeit von Unternehmen gehen unter Umständen sehr weit auseinander; Mißverstehen und die Enttäuschung mancher wohlgemeinten Intervention des Staates sind vorprogrammiert.
These 5: Innovation ist die wichtigste Daseinsbedingung von Unternehmen in kompetitiver Umwelt. Wettbewerb herrscht bekanntlich in allen Dimensionen der Umweltabhängigkeit von Unternehmen: in den Segmenten des Absatz-
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marktes, am Kapitalmarkt, am Arbeitsmarkt und nicht zuletzt an den Beschaffungsmärkten fur Vorprodukte und Vorleistungen. Erwartungsgemäß erweist sich der Absatzmarkt oft als entscheidend. Allerdings scheint die Bedeutung des stets gut sichtbaren Preiswettbewerbs gegenüber dem Innovationswettbewerb überschätzt. Zumindest im internationalen Rahmen verdankt sich die Dynamik des Marktgeschehens vor allem dem von Schumpeter beschriebenen Wettbewerbstyp (Freeman 1987). In diesem Innovationswettbewerb sind nicht Erfindungen das kritische, weil knappe und überlebenswichtige Gut, sondern gelungene, d.h. in den Markt eingeführte und dort "durchgesetzte" Innovationen. Die wirtschaftliche Realisierung technischer Innovationen ist das kritische Glied in der Kette aus Erfindungen, Innovationen und Diffusionsprozessen. Während auch kleinere Unternehmen aussichtsreiche Erfindungen zu machen fähig sind, ist es regelmäßig der in größeren Firmen mobilisierbare "slack", der über den Erfolg einer Erfindung als ökonomische Innovation entscheidet. Aufgrund der hohen Erfolgsschwellen und Risiken kapitalintensiver Innovationen sind einerseits Großunternehmen, andererseits wagnisorientierte Unternehmensneugründungen die Bannerträger des Innovationswettbewerbs. Ausgehend von diesen Beobachtungen ist ein weiterer Aspekt von Unternehmen als "multiple Subjekte" erkennbar. Unternehmen agieren zur selben Zeit als Anpasser und Strategen. In der Rolle des Strategen bemühen sie sich, mit den gegebenen Produktionsanlagen und Vermarktungsstrategien ihre aktuellen Gewinn- und Absatzchancen zu nutzen. Gleichzeitig agieren sie als Anpasser (sie), wenn sie unter den durch F&E eröffneten Optionen ihr zukünftiges Angebotspotential wählen. Während sie bei ihren Anstrengungen, aus den in der Vergangenheit getroffenen (Investitions-)Entscheidungen Gewinn zu ziehen, vergleichsweise wenig Gestaltungsspielraum besitzen - sie unterliegen
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den "constraints" der Ausstattung an fixem Kapital, der aktuellen Nachfrage und des Wettbewerberverhaltens -, erscheinen die in einem größeren Zeithorizont angesiedelten Innovationsentscheidungen als weniger restringiert. Allerdings gilt es auch und gerade im Hinblick auf eine ferne Zukunft, die Verwertungsbedingungen von Innovationen richtig einzuschätzen. Die Innovatoren sehen sich genötigt, künftige Zustände möglichst korrekt zu antizipieren, um sich ihnen präventiv anzupassen. Dazu zählen die in der Zukunft vermuteten Trends, d.h. Marktentwicklungen, Konsumentenpräferenzen sowie der Wandel des legalen und institutionellen Rahmens. Im Bestreben, sich der Zukunft als einem "moving target" zu bemächtigen, werden somit Innovatoren zu Anpassern an eine von ihnen mit-erdachte Wirklichkeit. Ihrem bestimmenden, weil sowohl Bedürfiiisse (Nachfrage) als auch Optionen (Angebote) strukturierenden Einfluß auf die Gestalt der künftigen Welt unterliegen Präferenzen der Risikobegrenzung wie das Ethos des Eroberers. Beim Blick auf die in der Zeitdimension so unterschiedlichen Anpassungsoptionen der Unternehmen wird klar: Die eigeninteressierte Umweltsensibilität ist begrenzt durch "vested interests", die durch die Bindung an einst als erfolgsverbürgend eingeschätzte Muster des Kapitaleinsatzes definiert sind. Marktabhängige Unternehmen demonstrieren extreme Ignoranz gegenüber ihrer (hier: sozialen) Umwelt, wenn sie in Erträge umzumünzen versuchen, was als ertragsversprechend ausgewählt und durch irreversible Entscheidungen materialisiert worden ist. Ist die Zukunft erst einmal zur Gegenwart geworden, läßt sich die Bindungswirkung früherer Entscheidungen nur mehr um den Preis der Selbstbeschädigung aufheben. Deshalb ist es alles andere als paradox, wenn sich "die Wirtschaft" einerseits jedem Versuch einer politischen "Verschlimmbesserung" ihrer Rahmenbedingungen entgegenstemmt und sich zur selben Zeit und aus demselben
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Selbsterhaltungsinteresse umweltsensibel gibt, um die in der Zukunft liegenden Umstände zutreffend einzuschätzen und dem Kranz der entscheidungsrelevanten Daten zuzufügen.
These 6: Die Signale der Marktumwelt, dh. veränderte relative Preise, sowie Gebote und Verbote, dh. die Signale der Politik, erreichen das Unternehmen in einem Handlungsfeld mit reduzierten Optionen. Das umweltpolitische Instrumentarium, vom Katalog der Emissionsnormen bis zu den sogenannten Ökosteuern, zielt auf Veränderungen der betriebswirtschaftlichen Rahmendaten. Umweltangepaßte Praktiken sollen im Lichte der veränderten Umstände als wirtschaftlich lohnend oder zwingend geboten erscheinen. Aufgrund von höheren Energiepreisen, die durch niedrigere Arbeitskosten kompensiert werden, oder von Vorschriften, deren Übertretung mit empfindlichen Nachteilen (in Genehmigungsverfahren oder bei der Vergabe öffentlicher Aufträge) geahndet wird, werden die Unternehmen, so die "politische" Wirkungsannahme, eine andere Kombination von Produktionsfaktoren wählen und sich notfalls auch zu kostspieligen Modifikationen am Katalog ihrer Produkte und Verfahren bequemen. Weil aber bereits jede ernsthafte Erwägung solcher Eingriffe in den betriebswirtschaftlichen Datenkranz als Eintrübung des Wirtschaftsklimas registriert und leicht zur Ursache eines unbefriedigenden Konjunkturverlaufs stilisiert wird, verzichten Regierungen regelmäßig auf Vorbereitungen zur Durchsetzung der skizzierten Maßnahmen. Betrachten wir diesen Eingriffsmodus und die zu seiner Verteidigung angeführten Gründe genauer, so kommen wir nicht umhin, ein gewisses Verständnis für die Verteidiger des Status quo zu entwickeln. Sie haben sich in der Wahl ihrer Produktpalette auf bestimmte Nachfragestrukturen und Wettbewerbsbedingungen eingerichtet und dafür
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eine bestimmte, kurzfristig nicht revidierbare Ausstattung an Sachkapital erworben, d.h. Kapital gebunden, das nur unter Inkaufnahme von spürbaren Rendite- und/oder Sicherheitseinbußen liquidiert und anderen Verwendungen zugeführt werden kann. Womöglich hing ein heute im Realisierungsstadium befindliches Projekt schon bei der ursprünglichen Entscheidung am "seidenen Faden" und scheint den gegebenen Alternativen nur mehr wenig oder gar nicht überlegen. Geringfügigen Änderungen im Datenkranz mag dann "vorsichtshalber" mit einem abrupten Strategiewechsel begegnet werden. Da kein stofflich wirksamer Eingriff wettbewerbsneutral zu bleiben verspricht - das ergibt sich allein schon aufgrund der Einbettung in transnationale bzw. globale Wettbewerbsstrukturen sowie angesichts des in These 1 dargelegten Sachverhalts - beanspruchen und beeinträchtigen politische Interventionen notwendig das betriebliche Anpassungsvermögen. Auch wenn es immer einzelne Unternehmen und Branchen geben mag, die dafür geeigneter als andere zu sein scheinen, sind die mit kurzfristigen Wirkungserwartungen befrachteten Maßnahmen ein systematisch unzulänglicher Ersatz für eine frühzeitige Präzisierung der in Innovationsprozesse eingehenden Annahmen. Der Umstand, daß sie entweder nur in entschärfter, allenfalls auf symbolische Wirkungen zielender Form oder gar nicht implementiert werden, macht sie zu einem politischen Fetisch, dessen wichtigste Funktion im Parteienwettbewerb, aber nicht in der gesellschaftlichen Regulation des Naturverhältnisses zu suchen ist. Mehr noch: Das vorhersebare Ungenügen (oder Scheitern) droht, die eigentlichen Ziele zu diskreditieren. Sie gelten zunehmend als unerreichbar und damit wertlos.
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These 7: Die für langfristige Innovationen maßgeblichen Orientierungen versprechen ein wirksamerer Bezugspunkt gesellschaftlicher Einflußnahme zu sein als bereits materialisierte Verwertungsstrategien. Komplexe Organisationen sind sowohl von ihrer Umwelt abhängig als auch zu deren Gestaltung befähigt. Einerseits müssen sie sich der Umweltflexibelanpassen, andererseits (und zur selben Zeit) nehmen sie erheblichen Einfluß auf die künftigen Umweltbedingungen. Bei ihren Bemühungen um Umweltgestaltung sind sie jedoch nicht frei, sondern von verschiedenen "äußeren" Erfolgsbedingungen abhängig. Wie schon erwähnt, sind sie auf Informationen über wichtige Parameter der künftigen Nachfrage- und Produktionsbedingungen angewiesen. Der Vorstand eines Automobilkonzerns mag mit guten Gründen davon ausgehen, daß der Gewinn (neben Geschäftsvolumen, Liquidität und Marktposition) unter den künftigen Unternehmenszielen einen hohen Rang einnehmen wird. Aber mit welchen Mitteln in, sagen wir, 15 Jahren ein befriedigender Gewinn zu erzielen sein wird, liegt derzeit im Dunkeln. In derartige Zukunftsannahmen fließen finanzwirtschaftliche Parameter, wie ökologisch kodierte Steuern und Anreize, sowie konkrete (materiale) Normen der Umweltpolitik nur in dem Maße ein, wie ihre künftige Geltung oder Nichtgeltung einen Unterschied zu machen verspricht. Das Faktum ihrer Revozierbarkeit (z.B. beim Regierungswechsel) und ihre Eignung als Profilierungsthema im Parteienwettbewerb verringern die ihnen zugeschriebenen Steuerungswirkungen erheblich. Stimmungskampagnen und Negativkoalitionen der Wirtschaft mit Beschäftigten und Konsumenten bieten sich geradezu an. Des weiteren wird die Steuerungswirkung durch die Unwägbarkeiten des Wettbewerbs und der Preisentwicklung gemindert. Selbst viele der
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als Vorsorgepolitik deklarierten Interventionen berühren kaum den Kalkulationsrahmen fur langfristige Innovationsstrategien. Somit bleibt exakt jene Sphäre des gesellschaftlichen Handelns unbeeindruckt, die aufgrund der langfristig herrschenden Unsicherheit nicht ökonomisch determiniert ist, aber zur wichtigsten Bedingung der späteren Konkretion positionaler ökonomischer Interessen wird (Ladeur 1987). Die hier, d.h. im für Innovationsentscheidungen maßgeblichen Orientierungsrahmen, erfolgenden Festlegungen sind gewiß vielfaltig konditioniert, jedoch in keiner Weise determiniert. Bei hinreichender Klarheit des gesellschaftlich Erwartbaren erlangt dieses den Status eines Wegweisers und Selektors zukunftsträchtiger Innovationen. Haben sich die Innovationen erst einmal "materialisiert", so geraten sie unter den Schutzschirm des kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Erfolgsinteresses, da eingeschlagene Investitions- und Verwertungsstrategien nicht ohne empfindliche Nachteile zu korrigieren sind. These 8: Die funktionale Differenzierung der modernen Gesellschaft ist kein prinzipielles Hindernis, aber eine unhintergehbare Randbedingung ökologischer Adaption. Nach dem Kollaps der sozialistischen Wirtschaftssysteme und angesichts der zögerlichen Entwicklung einer "westanalogen" Zivilgesellschaft erscheint die institutionelle Verfaßtheit kapitalistischer Gesellschaften in unerwartet günstigem Licht. Ihre Überlegenheit läßt sich u.a. auf zwei Faktoren zurückfuhren, die endogene Modernisierungsprozesse erleichtern. Es handelt sich zum einen um den von der marxistischen Kapitalismuskritik herausgearbeiteten Sachverhalt der Delegation ökonomischer Grundfunktionen an dezentrale, in der Regel als selbstinteressierte und selbstverantwortliche Privatsubjekte konstituierte Einheiten. Erblickte man darin einst die Ursache eines genuin
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krisenhaften, weil der politischen Steuerung entzogenen Wirtschaftsprozesses (sowie einer schwierig zu revidierenden Güterverteilung), so tritt im Vergleich zum realen Sozialismus ein deutlicher Vorzug ans Licht. Privatwirtschaftliche Verhältnisse implizieren nicht nur die Entlastung des Staates von betriebswirtschaftlichen Risiken und einem in Zeiten des forcierten sozioökonomischen Wandels gesteigerten Innovationsdruck. Sie ermöglichen vielmehr auch die explizite Formulierung "politischer" Regulationskriterien und Steuerungsziele unabhängig von den ökonomischen Funktions- und Partikularinteressen. Die Verantwortlichen fur das vergesellschaftete Produktionssystem des Sozialismus waren weitaus nachdrücklicher als Politiker in der Marktwirtschaft genötigt, einem grob vereinfachten (hierarchischen) Zielsystem zu folgen und langfristigen Rationalitätserwägungen zu entsagen, weil das die geltenden Institutionen in Frage gestellt hätte. War der sozialistische Staat in der Funktion eines integrierten Produktions- und Personalbüros zur rigiden Vereinfachung seiner Steuerungsaufgabe gezwungen, so ermöglichen die verselbständigten Sphären von Politik, Wirtschaft, Recht usw. prinzipiell das parallele Prozessieren mehrerer gleichzeitig relevanter gesellschaftlicher Rationalitätskriterien. Zum zweiten manifestiert sich eine gewisse Überlegenheit der "kapitalistischen" Gesellschaft in dem Sachverhalt, daß Interessendifferenzen nicht nur möglich, sondern auch darstellbar, organisierbar und im Hinblick auf gesellschaftliche Innovationen "hantierbar" sind. Mit großer Selbstverständlichkeit wird hierzulande "gewußt" und in Rechnung gestellt, daß Unternehmen partikuläre Ziele verfolgen und die Umweltproblematik nur im Lichte enger Eigeninteressen zu traktieren pflegen. Deshalb ist die Zuständigkeit der Politik für die Umweltthematik unbestritten; Regelungs- wie Vollzugsdefizite lassen sich unschwer politischen Entscheidungen zuschreiben. In welchem Maße dagegen das sozialistische Prinzip der institutionellen Integration
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differenter gesellschaftlicher Funktionen und Interessen die Wahrnehmung von Problemen und Handlungsbedarfen erschwert, ist an einer Reihe von akuten "Transformationsproblemen" abzulesen. Zu ihnen zählen nicht nur die (immer noch) verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber langfristigen und Umweltproblemen, sondern auch das geringe Interessenbewußtsein der Bürger angesichts der Selbstbedienung des Managements bei der Unternehmensprivatisierung und die Unfähigkeit sozialer Gruppen, z.B. der am Arbeitsmarkt benachteiligten Frauen, aus einer Position der Diskriminierung heraus ihre legitimen Partikularinteressen zu formulieren. Die fortwirkende Überzeugung, Partikularinteressen seien entweder illegitim oder "automatisch" im staatlich verwalteten Allgemeininteresse aufgehoben, behindert die Bildung einer lebendigen Zivilgesellschaft. Nach diesem Blick auf Verhältnisse, in denen es funktionalen Partikularinteressen (noch) verwehrt ist, an der gesellschaftlichen Steuerung teilzunehmen, können wir das Steuerungsproblem, das konsolidierte Demokratien im Umgang mit der Wirtschaft zu bearbeiten haben, genauer identifizieren. Läßt sich die Ignoranz der Unternehmen gegenüber staatlichen Ad hoc-Interventionen als Preis einer "verselbständigten" Wirtschaftssphäre begreifen, so scheint die Ignoranz der Gesellschaft (bzw. der Politik) gegenüber der prinzipiell wirksamen, aber mit einem langen Zeitkorridor ausgestatteten Kommunikationsschnittstelle zwischen Gesellschaft und Wirtschaft schwieriger zu erklären. Ein Versuch der Erklärung kann auf drei komplementäre Ursachen verweisen. Zunächst läßt sich von individualpsychologischen Befunden auf eine verbreitete Neigung zur Diskontierung der Zukunft gegenüber der Gegenwart schließen und ein unzureichendes Vermögen für den Umgang mit komplexen "Zeitgestalten" (Dörner 1991: 158) konstatieren. Zweitens sind institutionelle Besonderheiten der zuständigen Entscheidungsgremien des Regierungs- und Parlaments-
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betriebs zu erwähnen, u.a. die Tatsache, daß der Zeitrahmen der Problemperzeption oft auf die Dauer der Legislaturperiode beschränkt ist. Drittens scheinen politische Akteure den Aufwand für Konsensbildungsprozesse und langfristige Festlegungen zu scheuen, wenn sie nicht zugleich ihre Wettbewerbsposition verbessern können. Nicht das Prinzip der repräsentativen Demokratie an sich, aber die Funktionsweise einiger institutioneller Konkretionen erscheinen als prominenteste Kandidaten für eine Erklärung, warum der langfristige Einflußkanal von der Gesellschaft zur Wirtschaft nicht für ausbaufähig gehalten wird. These 9: Die Optionen der Einwirkung der Gesellschaft auf die Unternehmen sind vielfältig und wert, sorgfältiger erkundet zu werden. Sie liegen vor allem außerhalb der Wirtschaftssphäre. Eine Delegation der Verantwortung für die Ökologisierung der Wirtschaft von dieser an das politische System mag zunächst als Taschenspielertrick erscheinen. Tatsächlich sind die Probleme kooperativer Politikentscheidungen vor dem Hintergrund des Parteienwettbewerbs - die Konkurrenz um Wählerstimmen stellt ein Nullsummenspiel par excellence dar - gravierend und aus der "Public Choice"-Literatur (Mueller 1989) wohlvertraut. So ist das Plädoyer, im Interesse einer umweltangepaßten Wirtschaft über die Rationalisierung der Politik nachzudenken, nicht gänzlich vor dem Vorwurf der Naivität sicher. Gleichwohl ist "die Politik" der geeignetere Ort sowohl für institutionelle Experimente als auch für thematische Innovationen. Es dürfte entschieden einfacher und effektiver sein, einen politischen Konsens über die Ausklammerung bestimmter Themen aus dem politischen Wettbewerb bzw. über die Selbstbindung der Politik an einen reformierten Set von Entscheidungskriterien zu erzielen, als von konkurrierenden und um ihren je eigenen Fortbestand besorgten
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Wirtschaftsakteuren zu erwarten, daß ihre Strategien zwanglos in einer signifikanten Umweltentlastung konvergieren. Mit der Überweisung des Themas an die Politik werden Optionen zugänglich, die dem Ursprungskontext fremd sind. So unrealistisch es ist, auf spontan konvergierende Anpassungsprozesse oder erwartungskonforme Reaktionen auf staatliche Intervention zu setzen, so selbstverständlich scheint die Politik für die Behandlung einer so schwierigen Aufgabe gerüstet. Die Nutzung der gegenwartsfernen "Kommunikationsschnittstelle" zwischen Unternehmen und Gesellschaft, d.h. die Einwirkung auf den Orientierungsrahmen der Innovation, setzt eine Klärung gesellschaftlicher Prioritäten voraus. Dieses ist eine unabweisbare Aufgabe der Politik. Um wirksam zu werden, muß die Geltung der Prioritäten über den Tag hinaus außer Zweifel stehen. Die Akteure der Politik müssen sich folglich für alle sichtbar an eine solche Prioritätensetzung binden. Die dafür prinzipiell geeigneten Institutionen sind Teil der Verfassungsordnung. Auch wenn dies nicht der Ort einer Staatsrechtsdiskussion ist, liegt doch die Schlußfolgerung nahe, daß die Institutionalisierung der Umweltverantwortung von Wirtschaft (z.B. im Haftungsrecht) und Politik (z.B. im Parteienwettbewerb) keineswegs mit der Aufnahme des Artikels 20a in das Grundgesetz als abgeschlossen anzusehen ist. Ein langfristig verläßliches politisches Zielsystem steht noch aus. Es würde nicht nur einen angemessenen Orientierungsrahmen für Innovationen, sondern auch für Fortschritte an den "zeitnahen" (in These 3 beschriebenen) Schnittstellen ermöglichen.
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II. MIKROPOLITDC
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Ökologisierung als Mikropolitik
Produkte und Produktionsverfahren bestimmen "mit weitreichenden, häufig zunächst verdeckten und deshalb übersehenen Konsequenzen" (Wiesenthal 1994, 144) ganz wesentlich die Risikosituation der Gesellschaft, vergrößern permanent das "Ungleichgewicht zwischen Zerstörung und Produktion" (Pfriem 1996, 33). Die lange Zeit "erfolgreich" verdrängte Konfrontation der Industriegesellschaft mit ihren (nicht intendierten) Folgen (Beck 1991, 187) erhöht nun den Druck auf die Unternehmen, ökologische Kriterien zu integrieren. In dem 1992 in Rio de Janeiro von mehr als 170 Staaten verabschiedeten Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert (Agenda 21) wird "die Privatwirtschaft einschließlich transnationaler Unternehmen" aufgefordert, "die Rolle des Umweltmanagements als eine der höchsten unternehmerischen Prioritäten und als Schlüsseldeterminante fur eine nachhaltige Entwicklung an(zu)erkennen" (BMU o.J., 235). Die meisten Manager "wissen, daß ihr Betrieb die Umwelt unnötig belastet, gut die Hälfte ist sogar bereit, mehr zu tun, als der Staat vorschreibt." Mit Blick auf staatliches Handeln wie auch auf die Unternehmen und ihre "Umwelt" ist jedoch weitgehend unklar und umstritten, "wer, wo, wie anpacken muß" (Steger, zit. aus: Kösters 1996, 31). Ohne eine "microfoundation" des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung ist diese Frage nicht zu klären. "Ökologisierung" ist auch in Unternehmen ein sozialer und nicht-linearer Entwicklungsprozeß, den analytisch wie
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anwendungsorientiert zu entschlüsseln, der Umweltforschung nicht ohne originär sozialwissenschaftliche Beiträge gelingen kann.
1. Global denken - lokal handeln: Nachhaltige Entwicklung und Unternehmenspraxis Das Leitbild der Nachhaltigkeit hat ungeachtet seiner Konkretisierungsdefizite und Interessenoffenheit zumindest programmatisch Vorsorge und Entwicklung als Maßstab für Umweltpolitik etabliert. Nicht mehr umweltmediale Schäden, sondern ökologische, soziale wie ökonomische Entwicklungskriterien stecken den Definitionsrahmen fur eine Ökologisierung der Gesellschaft ab: Die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen darf ihre Regenerationsrate nicht überschreiten; StofFeinträge in die Umweltmedien müssen ökologische Belastungsgrenzen und die Regelungsfunktionen der Naturkreisläufe beachten; nicht erneuerbare Ressourcen dürfen nur insoweit genutzt werden, wie gleichwertiger Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen und/oder höherer ökologischer Effizienz bereitgestellt wird; nachhaltige Entwicklung hat das Prinzip der Gerechtigkeit nicht nur intergenerationell, sondern auch intragenerationell herzustellen (Harborth 1991; EnquêteKommission 1994). "Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfhisse nicht befriedigen können" (Hauff (Hrsg.) 1987, 46). "Für eine Operationalisierung des Leitbildes 'sustainable development' ist zu berücksichtigen, daß nachhaltige Entwicklung kein auf ein klar definiertes Ziel gerichteter Prozeß ist, sondern neue wissenschaftliche Erkenntnisse, veränderte gesellschaftliche Bewertungen und Rahmenbedingungen immer wieder in einem offenen Prozeß der
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Zielformulierung einschließen muß" (Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag 1996, 28). Wie sehr die realanalytische Präzisierung von Nachhaltigkeitsleitbildern auf einen "Makro-Mikro-Link" angewiesen ist, verdeutlichen gerade die in den letzten zehn Jahren erzielten Fortschritte, Nachhaltigkeit zu konkretisieren. Mit der modelltheoretischen Unterscheidung der Nachhaltigkeitsstrategien Effizienz, Konsistenz und Suffizienz (Huber 1994, 1995) offeriert das Konzept der ökologischen Modernisierung Möglichkeiten, die bislang disziplinär separierten, umwelttechnischen, umweltökonomischen und umweltpolitischen Modellkonstruktionen nachhaltiger Entwicklung aufeinander zu beziehen und modernisierungspolitisch zu operationalisieren. Die auf systematische Steigerung der Ressourcenproduktivität zielende Effizienzstrategie, die auf umweltverträgliche Stoff- und Energieströme zielende Konsistenzstrategie und die auf ökonomische Selbstbegrenzung zielende Suffizienzstrategie sind auf je unterschiedliche Weise operationalisiert, gesellschaftlich akzeptiert und realitätsfahig. Wegen ihres gleichermaßen ökonomischen wie ökologischen Nutzens wird die Effizienzstrategie als Einstieg in eine ökologische Unternehmensmodernisierung gesehen. Ökologische Ökonomie-Effekte sollen durch innovative industrielle Verfahrenstechnik, Produktentwicklung und Recyclingtechnik realisiert und ergänzt werden lim die Innovation industrieller Dienstleistung in Form von Ökoleasing, Ökocontracting und "Least-Cost-Planning". Auch die Ökokonsistenzstrategie ist zur Entwicklung umweltverträglicher Stoff- und Energieströme auf technisch-stoffliche Innovationen der Materialien, Produkte und Produktionsprozesse angewiesen. Das primär auf technologische Innovationen setzende Modell stößt allerdings bei der durch die Öko-Suffizienz aufgeworfenen Frage, wie und ob ökologisch notwendige Sättigungsgrenzen definiert und eingehalten werden können, an Grenzen.
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Nicht nur die Erfindung und Erforschung technisch-stofflicher, ökonomischer und sozialer Innovationen und ihres Praxistransfers sind defizitär, sondern insbesondere auch die transdisziplinäre Analyse, ob und wie sich die Nachhaltigkeitsstrategien wechselseitig ergänzen oder blockieren, wie sie in und zwischen den gesellschaftlichen Makro-, Meso- und Mikroebenen wirksam werden können. Selbst die Nebenfolgen und Risiken der weitgehend ausgearbeiteten und aufgrund ihrer industriegesellschaftlichen Kompatibilität akzeptierten Effizienzstrategie sind erst ansatzweise erforscht. "Drehbuchartige Wendeszenarien" und "ökologische Entwicklungspfade" überfordern Praxis und Wissenschaft: zu differenziert und variantenreich sind die Umweltrisikoprofile, zu spezifisch die technisch-stofflichen, die produktions- und marktökonomischen Gegebenheiten, zu kurzfristig die Planungshorizonte, zu turbulent die regionalen wie globalen Konkurrenzbedingungen. Die Komplexität, Kontingenz und Brisanz dieser unterschiedlichen Handlungszwänge und Eigendynamiken verhindern, daß Nachhaltigkeitsparameter als Makroindikatoren, hochgerechnete Umweltqualitäts- und Reduktionsziele oder als technische, ökonomische und organisatorische Leitbilder in den Unternehmen handlungsrelevant werden können. Nachhaltigkeit scheint ein "moving target" zu sein, das immer nur approximativ zu erreichen ist und - im optimalen Fall - als Anreiz fungiert fur die Suche nach kontextbezogenen Möglichkeiten, es zu realisieren. Nachhaltigkeitsleitbilder nicht als lineare Strategievorgabe, sondern als Möglichkeitsbedingung für die Ökologisierung von Unternehmen zu verstehen, konfligiert mit umweltwissenschaftlichen Modellkonstruktionen wie mit umweltpolitischen Umbauszenarien, in denen das Bild vom unbegrenzt innovations- und strategiefähigen Unternehmen vorherrscht. Insbesondere in den ansonsten separierten Diskursen der Umwelttechnik, Umweltpolitik und Umweltökonomie wird den Unter-
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nehmen eine nur in Ausnahmefällen anzutreffende Reorganisations- und Transformationsfähigkeit unhinterfragt unterstellt. • Das inzwischen konsensuale Technikleitbild des "produktionsintegrierten Umweltschutzes", das den reparativen und nachsorgenden "End-of-the-pipe"-Umweltschutz ablösen soll, setzt, um sein hohes und ambitioniertes Technikniveau realisieren zu können, ein nicht minder hohes Organisationsniveau voraus. Wie die Forschung zu "cleaner production" zeigt, sind solche Maximalanforderungen an Forschung und Entwicklung, an interdisziplinäres und funktionsübergreifendes Management nur durch eine in der Praxis noch nicht gelungene systematische Verknüpfung von "technical", "structural" und "behavioral strategy" zu erreichen (Baas 1995). • Die Prämisse des effizient und friktionsfrei zu reorganisierenden Unternehmens wird auch in der aktuellen Diskussion der Umweltpolitik nicht hinterfragt. Aus der Einsicht, daß produktionsintegrierter Umweltschutz durch Grenzwerte, Ver- und Gebote sowie technische Anleitungen nicht zu verordnen, sondern auf nichtdirigistische Umweltpolitik und marktwirtschaftliche Anreize angewiesen ist, wird auf eine eigeninteressierte und eigenverantwortliche ökologische Modernisierung der Unternehmen gesetzt. Da Selbstorganisation und Selbstverpflichtung in den Unternehmen sich jedoch nicht im Selbstlauf herstellen, fehlt dem neuen umweltpolitischen Paradigma unternehmensintem ein Resonanzboden. Die innovative Selbstorganisation und funktionierende Selbstverpflichtung, die erreicht werden soll, wird vorausgesetzt. • Dieses Reformparadox ist auch in der umweltökonomischen Modellkonstruktion des "nachhaltigen Unternehmens" enthalten. Da der Zusammenhang von Ökologie und Wettbewerbsfähigkeit in und zwischen Unternehmen und Branchen unterschiedlich konstelliert
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und nur unternehmensspezifisch zu bewältigen ist, ist die systemorientierte betriebswirtschaftliche Umweltforschung ebenfalls fur Konzepte der Selbstorganisation sensibilisiert. Sie unterstellt im Unterschied zur konventionellen Umweltökonomie nicht, daß Strategiefähigkeit sich umstandslos herstellt und ökologisch zu erweitern ist ("strategy follows ecology"), sondern definiert die dafür notwendigen Bedingungen: Unternehmen müssen, um wettbewerbsgerecht und ökologisch zugleich zu sein, einen unternehmensangepaßten Mix der Strategien entwickeln, die in dem Phasenkonzept der "company oriented sustainability (Cosy)" lediglich deduktiv-analytisch operationalisiert sind, was inter- und intraorganisational "Strategie- und Netzwerkinnovationen" voraussetzt, die sich wiederum "nur realisieren lassen, wenn das betroffene Unternehmen über ein hohes Maß an interner Wandlungsfähigkeit verfügt" (Schneidewind 1995, 274).
2. Ökologisierung als Organisationswandel und Paradigmawechsel Daß ein Junktim zwischen ökologisierung und Organisationswandel besteht, ist keine umweltsoziologische Modellkonstruktion. Unsere Untersuchungen zum "Umweltschutz im Betriebsalltag" (Birke/ Schwarz 1994) haben mit Blick auf die "Normalfälle" der Klein- und Mittelbetriebe gezeigt, daß weniger ökonomische und technische Sachzwänge als vielmehr personelle Überforderungen, interne Widerstände und Interessenkonflikte Verlauf und Erfolg ökologischer Reorganisationsprozesse bestimmen. Konsistente und einfach übertragbare "ökologische Produktionskonzepte" für die aufeinander abzustimmende Neugestaltung von Stoffkreisläufen, Produktionstechnik und Pro-
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duktentwicklung kann es dementsprechend genauso wenig geben wie Funktionsgarantien für die neuentwickelten Instrumente umweltorientierter Unternehmensführung: Ökobilanzen, Öko-Marketing, ÖkoControlling und Öko-Portfolioanalyse. Zwar läßt sich das "Sustainabledevelopment"-Konzept für die Unternehmens- und Branchenebene operationalisieren und mit Hilfe konkreter Zielkriterien und Strategieansätze auf dem Papier "zu einem vollständigen ökologisch orientierten Managementsystem ausbauen" (Schneidewind 1995, 29). Doch ebenso wie die in der Öko-Audit-Verordnung definierten "umweltbezogenen Gesamtziele und Handlungsgrundsätze eines Unternehmens", die sogenannten "guten Managementpraktiken", ist ein solches Managementsystem nicht nur hochgradig "interpretationsfähig und -bedürftig" (Antes/Clausen/Fichter 1995, 685); vor allem erfolgen seine Implementierung und die Realisierung der darin enthaltenen "ökologischen Optimierungspotentiale" (Schneidewind 1995, 28) nicht im Selbstlauf. Nicht nur bei einem Weltkonzern wie Hoechst wird sich erst bei der Umsetzung, bei der konkreten Konfrontation mit organisationsinternen Widersprüchen und Konflikten erweisen, inwieweit sich das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung in das strategische Management "einbauen und praxisverändernd entfalten läßt" (Ewen 1996, 6). Die Unternehmen müssen sich "dieses neue Arbeitsfeld aktiv und innovativ erschließen, müssen sich auf langfristige Veränderungsprozesse in kleinen, kontinuierlichen und strategischen Schritten einstellen" (Brüggemann/Riehle 1995, 9). Umweltmanagement ist mehrfach kontingent, weil technisch, stofflich, ökonomisch und organisatorisch immer mehrere Entwicklungsvarianten offenstehen, deren Auswahl und Bewertung immer konfliktträchtig, politikhaltig und damit ergebnisoffen sind (Birke/Schwarz 1994). "Die Implementierung betrieblicher Umweltschutzmaßnahmen folgt somit keineswegs quasi zwangsläufig einer
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sachrationalen Logik, die an umwelttechnisch bzw. ökonomisch optimierten Konzepten orientiert ist." Sie wird vielmehr "durch die unterschiedlichen sozialen Strategien der Akteure überlagert und von diesen über weite Strecken beherrscht" (Burschel 1996, 17). Umweltorientierte Reformprozesse haben sich als begrenzt rational, strategiefahig und vor allem machtabhängig erwiesen (Zimpelmann/ Gerhardt/Hildebrandt 1992). Um einen "geplanten organisatorischen Wandel" überhaupt initiieren und das vorhandene Wissen und Erfahrungspotential so planmäßig wie möglich für mittel- und langfristig wirksame Veränderungen von Organisationsstrukturen und Akteurseinstellungen nutzen zu können (Staehle 1991, 841), sind deshalb mikropolitische Strategien des Umgangs mit nicht vorhersehbaren Widerständen erfolgsentscheidend. Gerade der immer noch ausstehende Entwicklungssprung zum planerisch-präventiven Umweltschutz in Unternehmen ist Indiz für die Korrekturbedürftigkeit der umweltökonomischen These von der Strategiefahigkeit der Unternehmen ("structure follows strategy") und ihrer ökologischen Erweiterung ("strategy follows ecology") (Meffert/Kirchgeorg 1992, Kreikebaum 1995; siehe hierzu auch Steger in diesem Band). Ökologische Innovationen werden realitätstüchtig nur mit einem Wandel der Kräfteverhältnisse und Organisationsstrukturen, der endogen in und aus Akteursinteraktionen entsteht und erklärbar ist. Veränderungsmanagement und Organisationsentwicklung werden somit • auch für die Implementation von Umweltmanagementsystemen zum kritischen Erfolgsfaktor. Angesichts der praktischen Relevanz "organisationaler Innenpolitik" (Ortmann 199S, 32), damit zusammenhängender organisationaler Lernschwächen und Modernisierungsblockaden, verkrusteter Entscheidungsverfahren und Organisationsstrukturen kann sich ein auf Ökologisierung zielendes Veränderungsmanagement (Allinger 1993)
197 nicht auf das Instrumentarium ökologischer Unternehmensfuhrung beschränken (Meffert/Kirchgeorg 1992). Mit der gemeinhin praktizierten Beschränkung auf nachsorgende Umweltreparatur, Einhaltung von ordnungsrechtlichen Auflagen und dementsprechenden Einsatz von Umwelttechnik ist es zukünftig nicht mehr getan. Probleme des Ressourcenverbrauchs, der Emission und Abfälle, der Fertigungstiefe, Produktqualität und Produktentsorgung müssen integriert und präventiv unternehmensintern und -übergreifend gelöst werden. Quer durch alle Branchen und Betriebstypen, auch bei den sogenannten Ökopionieren, sind die damit verbundenen Reorganisations- und Gestaltungsanforderungen bisher ungelöst. Nach wie vor ist unklar, wie die Varianz der technischen Umweltschutzmaßnahmen zu koordinieren ist und in einen Prozeß ökologischer Reorganisation überfuhrt werden kann. Da Unternehmen nicht rein zweckrational, strategisch, gemäß ökonomisch-technischer oder auch ökologischer Effizienzkriterien steueibar sind, handelt es sich bei ihrer Ökologisierung um einen höchst prekären Doppelprozeß der Reorganisation betrieblicher Ökonomie, Technik und StoSkreisläufe einerseits und betrieblicher Organisation, Sozialbeziehungen und Arbeitspolitik andererseits. Externe Innovationsanstöße (wie z.B. die Öko-Audit-Verordnung) sind zwar notwendig, aber nicht hinreichend fur eine ökologische Reorganisation der Unternehmen. Eine Ökologisierung ohne Nutzung endogener Entwicklungspotentiale bleibt im "business as usual" stecken und wird kaum die unternehmensinternen Abschottungstendenzen, Innovationswiderstände und -blockaden überwinden können. Angesichts der Heterogenität von Anlässen und Potentialen ökologischer Reorganisation, ihres hochgradig politikhaltigen und ergebnisoffenen Verlaufs besteht die Implementation von Umweltmanagement substanziell in der Unternehmens- bzw. betriebsspezifischen Bewältigung komplexer Entscheidungs-, Organisations- und Lernanfor-
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derungen, welche geprägt wird vom spannungsreichen Nebeneinander organisational Routine und Innovation. Im Unterschied zur (wirtschaftlichen) Betrachtung und Praxis umweltorientierter Unternehmenspolitik als möglichst "effizienzrevolutionäres" (von Weizsäcker) Innovationsmanagement thematisiert Ökologisierung als "sozialer Prozeß" (Burschel 1996, Birke/Schwarz 1994) Aspekte von und Anforderungen an Organisationswandel in einem umfassenden Sinne. In "praktischer" Hinsicht ist die Ökologisierung der Unternehmen sowohl eine unternehmerische Herausforderung als auch ein ungelöstes Managementproblem (Birke/Schwarz 1996). Sie läßt sich ganz offensichtlich nicht entlang eines bestimmten Entwicklungsmodells planen und strategisch umsetzen und macht eine sorgfältig aufeinander abgestimmte Umgestaltung von Produktentwicklung, Verfahrenstechnik, Unternehmens- und Arbeitsorganisation erforderlich. Die Integration aller Teilprozesse und Abteilungen ist eines ihrer Hauptprobleme. Dabei gerät sie mit herkömmlichen Rationalisierungs- und Produktivitätsvorstellungen in Konflikt und erfordert eine grundlegende Veränderung der unternehmensinternen Sozialbeziehungen. Uneindeutigkeiten, latente Konflikte, unterschiedliche Interessen und Problemwahrnehmungen, die ohnehin das Innenleben der Betriebe prägen, spielen eine ganz besonders wichtige Rolle. Bislang verläßliche Praktiken und Routinen stoßen für alle Akteure erfahrbar an Grenzen. Um eingefahrene Organisationsstrukturen und Orientierungsmuster zu verändern, ist der geplante Organisationswandel in Kenntnis betrieblicher Handlungsbedingungen und Konfliktkonstellationen so zu gestalten, daß für alle Beteiligten ein offener Lernprozeß entsteht. "In anderen Worten geht es um die komplizierte Geschichte eines Paradigmawechsels in der Praxis der Organisation", was die Akteure mit dem Problem konfrontiert, sich allmählich "von bisherigen sozialen Maßstäben des Handelns" abzulösen
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bzw. "aus dem einen Pfad auf den anderen zu kommen, den sie aber selbst erst noch herstellen müssen" (Braczyk 1996, 299). In (organisations-)wissenschaftlicher Hinsicht lenkt ökologisierung den Blick auf politisches Handeln und Macht in Organisationen (Ortmann 1988, 217) bzw. auf "ein System individueller oder kollektiver, institutionalisierter und nicht institutionalisierter Akteure, das einen Teil oder die Gesamtheit einer Organisation mitsamt den relevanten Handlungspartnern im Umfeld umfaßt und für das ein Teil der Organisation selbst zum Umfeld werden kann" (Friedberg 1995, 90). In "on-going systems of negotiation" (Joas 1992, 54) erscheint Organisationswandel nicht nur in der Perspektive auf Zwänge und Einflüsse des Umfeldes (Friedberg 1995, 90), sondern auch und vor allem als ein mikropolitisches Unterfangen relativ autonomer, wechselseitig voneinander abhängiger Akteure, als ein "ständig in Fluß befindlicher (instabiler und kontingenter) Prozeß stillschweigender Übereinkünfte, inoffizieller Arrangements und offizieller Beschlüsse" (Joas 1992,54). Der Blick "hinter die Kulissen" macht nachvollziehbar, warum in technischen wie in ökologischen Reorganisationskonflikten weniger das allgegenwärtige Kostenargument als vielmehr Interessen, Leitbilder, Fachkompetenzen, Durchsetzungsvermögen und Koalitionen der "Verantwortlichen" entscheiden, welche Innovationen Erfolg haben (Zimpelmann/Gerhardt/Hildebrandt 1992; Birke/Schwarz 1994). Mikropolitik, "das Arsenal jener alltäglichen kleinen (Mikro-)Techniken, mit denen Macht aufgebaut und eingesetzt wird, um den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und sich fremder Kontrolle zu entziehen" (Neuberger 1995, 14), ist sowohl Nadelöhr wie auch Transmissionsriemen für jegliche Organisationsreform. Die nicht nur in Umwelttechnik und Umweltökonomie, sondern auch in Konzepten der Organisationsentwicklung der Unternehmensrealität unterstellte Sachund Effizienzrationalität wird "durch die unterschiedlichen sozialen
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Strategien der Akteure überlagert und von diesen über weite Strecken beherrscht" (Burschel 1996,17). Die sogenannten "weichen" Faktoren innerorganisatorischer Sozialbeziehungen werden zwar nicht in neuartiger Weise virulent und "organisationsmächtig", aber sie sind, und das ist das Besondere der aktuellen technischen wie ausstehenden ökologischen Reorganisation der Unternehmen, für die Bewältigung der Optionalität und Kontingenz ihrer Technik, Ökonomie und Organisation ein kritischer Erfolgsfaktor geworden. Weder in ökonomischer noch in ökologischer Hinsicht kann der "richtige" Kurs errechnet und 1:1 umgesetzt werden. An die Stelle ökonomischer und/oder ökologischer Optimierung von Unternehmen treten "politische" Kompromisse zwischen Vertretern divergierender Weltbilder bzw. subjektiver Einschätzungen und Präferenzen bei großer Zukunftsunsicherheit" (Wiesenthal 1994, 145). In ökologischer Perspektive auf das mikropolitische Handeln von Akteuren, auf die Aushandelungsprozesse und Macht in Unternehmen zu fokussieren, ermöglicht, die wechselseitige Bezogenheit von globalen Gefährdungen, 'Tormén der Produktion" (Ortmann 1995) und sozialem Handeln zu dechiffrieren und für Prozesse der Ökologisierung und des Organisationslernens nutzbar zu machen. Das Leitmotiv der internationalen Ökologiebewegung: Global denken und lokal handeln, bedeutet nicht nur, die Mikroebene organisationalen Handelns als entscheidenden Ort des ökologischen Strukturwandels zu identifizieren, sondern verweist auch auf die theoretisch wie politisch-praktisch konsequenzenreiche wechselseitige Verknüpfung von Strukturen und Handeln: Strukturen ermöglichen oder restringieren, daß ökologisch gehandelt werden kann. Zugleich existieren Strukturen aber nur im Handeln. "Durch das Handeln entstehen sie und werden sie gegebenenfalls verändert" (Braczyk 1996, 294). Auf die Ökologisierung der Unternehmen bezogen bedeutet dies, daß sie in Verlauf und
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Ergebnis wesentlich durch die jeweilige Konstellation von entscheidungsrelevanten Akteuren im Betrieb, ihren Interessen, Leitbildern, Fachkompetenzen und ihrem betriebspolitischen Durchsetzungsvermögen geprägt wird. Dabei spielen - wie unsere Untersuchungsergebnisse zeigen (Birke/Schwarz 1994) - weniger offen ausgetragene Interessenkonflikte zwischen ökologischen Promotoren und ihren Gegenspielern als informelle und latente Konflikte eine maßgebliche Rolle. Wie die Diskussion um die Öko-Audit-Verordnung, gestiegene Umwelt-, Haftungs- und Produktansprüche sowie eine ökologische Steuerreform signalisieren, wächst der Druck auf die Unternehmen, sich einer ökologischen Modernisierung zu unterziehen. Diese unternehmerische Herausforderung und das damit aufgeworfenene Managementproblem läßt sich als "Prozeß der gegenseitigen Strukturierung" von Organisation und Umwelt, der eine je spezifische Dynamik entfaltet, analysieren. Eine Organisation wird von (externen) Problemen bzw. Herausforderungen beeinflußt, weil und insoweit sie sie wahrnimmt und auf sie reagiert. Und durch ihren Versuch, auf die in ihrem Umfeld wahrgenommenen Probleme zu reagieren, strukturiert sie es und "richtet es ein" (Friedberg 1995, 89f.). Ob das "nachhaltige Unternehmen" eine Modellkonstruktion bleibt, ist mithin eine Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen eines Organisationswandels jenseits von "Strategie und Illusion". In einem "Kontext von erlebtem Handlungsbedarf, wachsendem Komplexitätsbewußtsein und entschwundener Trendgewißheit gewinnen solche Theorieangebote Bedeutung, die Entmystifizierung und Kontingenzaufklärung versprechen" (Wiesenthal 1987, 20). Obwohl fur die Mikrofundierung von und die Makroorientierung an Leitbildern der Nachhaltigkeit, für Erfolge und Probleme der Ökologisierung von ausschlaggebender Bedeutung, ist die innerorganisatorische Realität im Nachhaltigkeitsdiskurs eine "black box". In der Regel wird lediglich
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danach gefragt, welcher Input an Technik, Ökonomie und Organisationsplänen welchen Output an ökologischer Leistungsfähigkeit bringt. Dies reicht jedoch nicht, um das Leitmotiv "global denken - lokal handeln" unternehmenspolitisch zu aktualisieren und erweist sich angesicht der (im folgenden dargestellten) Praxisprobleme als anachronistisch.
3. Umweltmanagement als Heraus- und Überforderung Vermittelt über Politik und Recht, über Ökologiebewegung, ökologische "Bewußtseinsdämmerung" und verändertes Konsumentenverhalten kommt in der Organisations-Umwelt-Dynamik der Unternehmen die natürliche Umwelt verstärkt zur Geltung. Dementsprechend vollzog sich in den letzten Jahren "allmählich ein Perspektivenwandel in eine Richtung, in der auch die natürliche Umwelt als bedeutsam fur innerorganisatorische Kalküle eingeschätzt" (Burschel 1996, 43) und (vorrangig) unter wettbewerbsstrategischen Gesichtspunkten thematisiert wird. Den meisten Managern ist ihre Verantwortung für den Umweltschutz inzwischen bewußt (Baas 1995). Doch in den Betrieben geht es überwiegend weiter so wie bisher. Wie weit die gegenwärtige Unternehmenspraxis von nachhaltigem Umweltschutz und Umweltmanagement entfernt ist, verdeutlichen repräsentative Unternehmensbefragungen, Unternehmensfallstudien und nicht zuletzt die Expertisen von Unternehmensberatungen (Umweltbundesamt 1991; Wieselhuber/Stadelbauer 1992; Freimann/Hildebrandt (Hrsg.) 1995; Birke/Schwarz 1994; Föste 1994). Von einigen ökologischen Pionierbetrieben abgesehen, ist Umweltschutz in den Unternehmen trotz hoher Qualitätsstandards im Emissions- und Immissionsschutz und in der Anlagensicherheit ganz überwiegend reaktiv und reparaturorientiert.
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Insbesondere in klein- und mittelständischen Unternehmen stehen Umweltprobleme im Vordergrund, bei denen aus haftungs- und ordnungsrechtlichen Gründen akuter Handlungsbedarf besteht, deren Bearbeitung sich schnell amortisiert oder die Erschließung neuer Marktsegmente erwarten läßt. Die vorliegenden Untersuchungen zeigen, daß der praktizierte betriebliche Umweltschutz im Normalfall auf das Nötigste beschränkt und auf unumstrittene Bereiche konzentriert ist, nur insoweit praktiziert wird, wie dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen und keine größeren technischen oder organisatorischen Umstellungen erforderlich sind (Birke/Schwarz 1996). Im Zusammenhang mit Umweltmanagement konzentriert sich die betriebswirtschaftliche Forschung sehr weitgehend auf das Problem der einzelwirtschaftlich effektiven Umsetzung umweltrechtlicher Regelungen und das "Ableiten von Handlungsvorschlägen" (Burschel 1996, 36). Akteure und soziales Handeln kommen in dieser Perspektive primär als "Managementparameter" oder als "Hemmnisse" in den Blick (Bartscher 1994, 10). Zweifellos ist Umweltschutz fur Unternehmen kein Selbstzweck (Brüggemann/Riehle 1995, 28). Aus unternehmerischer Sicht muß sich "Umweltschutz rechnen", dürfen sich Ökologisierung und Wettbewerbsfähigkeit nicht wechselseitig ausschließen. Und in der Tat wurde bereits an vielen Einzelbeispielen gezeigt, daß "mit umweltschützenden Maßnahmen auch erhebliche Kosteneinsparungen realisiert werden können" (Burschel u.a. 1995, 62). Eine auf Kostenfaktoren bzw. Umweltkostenmanagement reduzierte Wettbewerbskonzeption vernachlässigt jedoch die mit ökologischer Unternehmenspolitik verbundenen Innovations- und Differenzierungspotentiale. Auch unter unsicher gewordenen Konjunkturbedingungen einen Anreiz für den Innovationssprung zum präventiv-integrierten Umweltschutz zu schaffen, war die an den "umweltpolitischen Glücksfall" der
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Öko-Audit-Verordnung geknüpfte Hofíhung. Ihr relativ offen gehaltenes, auf unternehmerische Selbstorganisation setzendes Verfahren der Umweltbetriebsprüfung mit derfreiwilligen,aber zyklisch kontrollierten Verpflichtung zum Aufbau eines Managementsystems soll nicht nur die Einhaltung umweltgesetzlicher Vorschriften gewährleisten, sondern auch eine ökologische Reorganisation initiieren und effektivieren. Auditverfahren sind ihrer Anlage nach Innovationsanreiz und Statusquo-Festschreibung zugleich. Die standardisierten Managementmodule des Öko-Audits können insbesondere wegen der darin angelegten Möglichkeit, Qualitäts- und Umweltmanagement zu verknüpfen, eine abteilungs- und funktionsübergreifende Reorganisation initiieren, aber auch die ohnehin dominierende Checklistenkultur verstärken und damit die qualitativ neuen Herausforderungen des integrierten Umweltschutzes verfehlen: die Umweltverträglichkeit von Produktion und Produkten als Querschnittsaufgabe aller betroffenen Untemehmensbereiche mit funktionsübergreifendem Schnittstellenmanagement, interdisziplinärer Kooperation und Qualifikation organisatorisch sicherzustellen. Dieser Reform der Unternehmensorganisation, die auch für die ökonomische Leistungsfähigkeit der Unternehmen langfristig entscheidend ist, unternehmensadäquate Formen, Mittel und Wege zu eröffnen, steht, wie die wissenschaftliche Begleitforschung der bisherigen Öko-Auditing-Verfahren zeigt, noch immer aus. Die "Umweltprogramme" in den Pilotuntemehmen orientieren sich stark an "Maßnahmenkatalogen", bleiben ohne Verbindung zu den "installierten bzw. geplanten Qualitätsmanagementsystemen" und ohne Anstöße zur "unternehmenskulturell angepaßten Organisationsentwicklung" (Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung 1995, 17). Zwar sehen die zertifizierten Unternehmen den Nutzen des Öko-Auditing-Verfahrens nicht allein in kurzfristigen Kostenre-
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duzierungen und Rationalisierungspotentialen (Einsparung an Rohstoffen, Energie- und Entsorgungskosten), sondern auch in der langfristigen Sicherung der Unternehmensexistenz und seiner Marktposition, zu der das Auditing-Verfahren durch verbesserte Unternehmensorganisation, Behördenverhältnisse, Kontakt zu Marktpartnern, Banken und Versicherungen und Öffentlichkeit beiträgt (Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (Hrsg.) 1995, 54). Dessenungeachtet existiert in der Praxis das übliche Innovationsranking von Technik, Ökonomie und Organisation: Schwachstellenanalysen zur Aufdeckung von direkten Kosteneinsparungsmöglichkeiten rangieren vor technisch-stofflichen Verfahrens- und Produktinnovationen, welche jedoch schneller eingeführt werden als die betriebswirtschaftlichen Innovationen der Öko-Bilanzen, des ÖkoControllings und des Öko-Portfolios, obwohl diese fur die kostenkalkulatorische und investive Bewältigung von Technikinnovationen erforderlich sind. Werden die neuen umweltorientierten Betriebswirtschaftsinstrumente angewandt, so geschieht dies meist ohne das dafür notwendige Konflikt- und Veränderungsmanagement. Die Einführung und Funktionsfahigkeit von Umweltmanagementsystemen ist folglich gekennzeichnet von einer erstaunlichen "Unfähigkeit zu Veränderung bei einem durchaus verbreiteten Bewußtsein der Notwendigkeit einer Neuorientierung", die schon die Einführung von Informations- und Kommunikationstechniken in den Unternehmen gekennzeichnet und behindert hat (Weltz u.a. 1990, 127). Es sind gerade die organisationsinnovativen Implikationen des ÖkoAudits, die die Arbeitsverfahren und Qualifikationen verändern, neue Anforderungen an Fach- und Erfahrungskompetenzen stellen und damit Ängste und Widerstände aktivieren. Umweltaufgaben im Unterschied zur konventionellen Umweltschutzorganisation mit Umweltbeauftragten und -Experten in die Unternehmensabläufe zu reintegrieren und nicht zu
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separieren, ist zwangsläufig mit einer Mikropolitik verbunden, in der der Kampf um alte und neue Qualifikationsmöglichkeiten, Karrierepfade und Profilierungschancen so verquickt ist mit fachlich-disziplinären Interessen, Kompetenzen und Problemwahrnehmungen, daß Umweltmanagement zu einem langwierigen, höchst konfliktorischen Abstimmungs- und Suchprozeß wird. Konflikte entzünden sich insbesondere in der Anfangsphase an Kostenfragen: Ob die Kosten des Audit-Verfahrens im Vergleich zum unübersichtlichen Nutzen und Aufwand zu hoch sind? Ob Umweltkosten in die Gesamtkostenblöcke oder an den Ort ihrer Entstehung zu verlagern sind? Wie groß ihre Einsparungsmöglichkeiten sind und sein werden? Welche Einkommensveränderungen oder Weiterbildungsanforderungen möglich sind? Da Kostenargumente die Auseinandersetzung um die spürbar werdenden Grenzen bislang verläßlicher Praktiken auszuklammern erlauben, kommen die mit der Praxologie des Anfangens notwendig einhergehenden Verständnisprobleme nicht zur Sprache. Der immense Arbeitsaufwand der ökologischen Datenerfassung und Datenbewertung verstärkt dann die Interpretation, das Auditing sei ein "Experimentieren im Dauerzustand", seine Verfahrensschritte eine "Problemlawine". Wie bei der Einfuhrung der Informations- und Kommunikationstechnologie dominieren in der Anfangsphase Lernblockaden, Überbelastung, Überforderung und Akzeptanzprobleme. Ambitioniert begonnene Projekte scheitern in dieser Phase, weil die Öko-Audit-Verordnung die Unternehmen nicht unter einen klar strukturierten Reformdruck stellt oder die durch sie induzierten Reorganisationsmaßnahmen nur selten mit der Planung von Ersatz- und Neuinvestitionen abgestimmt werden. Gerade diese Akkumulation von unübersichtlichen Entscheidungs-, Evaluierungs- und Reformproblemen wirft unter Umständen existentielle Fragen der Reformüberforderung auf und dies gleich mehrfach: Reichen die kurz- und mittelfristig erwartbaren Kosten-, Markt- und
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Zukunftschancen aus, um das Experiment einer gleichermaßen umweltwie wettbewerbsgerechten Unternehmenspolitik unter zum Teil global verschärften Konkurrenzrestriktionen durchzuhalten? Wird das Umweltmanagementsystem nicht die "Systembürokratie" verstärken, die sich im Gefolge des Qualitäts-Audits insbesondere in Klein- und mittelständischen Unternehmen etabliert, ohne Produktqualität und Verfahrensabläufe zu verbessern? Lassen sich die Unternehmen mit dem Umweltmanagementsystem nicht auch auf eine Reorganisation ein, deren Komplexität und Kontingenz die des Qualitäts-Audits übertreffen und deshalb ihr Innovations- und Lernvermögen übersteigen - sei es wegen knapper Ressourcen, sich potenzierender Reformkonflikte oder nicht vorhersehbarer (Neben-)Folgen der Unternehmensreform? Als Ergebnis des Versuchs, Umweltmanagement als System aufzubauen, in strategischen Schritten zu implementieren und gleichzeitig viabel zu gestalten, entspricht die Umweltmanagementpraxis einem Hinund Herpendeln zwischen "Masterplan"- und "Garbage-Can"-Logik (Cohen/March/Olson 1972; Lindblom 1959). Umweltmanagement konkurriert mit anderen Unternehmenszielen und parallel stattfindenden Organisationsreformen; zentralistische Organisationsstrukturen und ihr additiv-funktionales Zusammenspiel - "Umweltschutz als Chef- und Expertensache" - sind mit den Anforderungen an Strategiefahigkeit, Querschnittsorientierung und Organisationsentwicklung überfordert. Daß es weder technisch-stofflich, ökonomisch noch organisatorisch Königswege oder eindeutig konsistente ökologische Produktionskonzepte gibt, erschwert oder blockiert die systematische Suche nach Verbesserung und Optimierung. Bestehende Praktiken mit neu einzuführenden Formen und Lösungen des Umweltmanagements zu ergänzen, vollzieht sich deshalb als prekärer Politikprozeß: Es wechseln nicht nur die Konstellationen der beteiligten Akteure, sondern ebenso deren Präferenzen, Problemwahrnehmung und Rationalitäten; es
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dominiert die Entwicklungslogik des "tinkering" in seinen verschiedenen Erscheinungsformen des "trial and error", "muddling through" und der strategischen "bricolage" (Birke/Schwarz 1994, 157). Gerade weil Umweltmanagement auf ein Redesign der Unternehmensorganisation und Arbeitsprozesse hinausläuft, werden Grenzen der Steuerbarkeit und Machbarkeit spürbar. "Wie geht ein kognitives System mit Sachverhalten um, die es nicht durchschauen kann?" (Luhmann 1995), ist analytisch wie praktisch eine Schlüsselfrage, die weder in der "Masterplan"- noch in der "Garbage-Can"-Logik zu beantworten ist und kontextbezogene, in und mit den Unternehmensorganisationen entwickelte Antworten voraussetzt. Ungewißheit und Kontingenz sind deshalb in Umweltfragen nicht, wie von Luhmann unterstellt, darauf zu reduzieren, ob Unternehmen von der Öffentlichkeit lernen können. Am Brent-Spar-Exempel dechiffriert Luhman das "Wir haben gelernt" des transnationalen Shell-Konzerns als eine "Konzeptkunst", zu der das Unternehmen in seiner selbstreferentiellen Not Zuflucht nehmen mußte; es galt, eine neue Form ökologischer Symbolpolitik zu entwickeln, die herkömmliche Lippenbekenntnisse abzulösen in der Lage ist. Die präsentierte "ökologisch-korrekte" Orientierung konnte und sollte die in diesem Umweltkonflikt manifest gewordenen Umweltmanagementdefizite weder thematisieren noch lösen, " . . . gerade wenn niemand wissen kann, wie sich die endlose Menge von Kausalfaktoren zu Ursachen und Wirkungen verkettet" (Luhmann 1995). Ob sie weiterhin zu externalisieren oder mit "Konzeptkunst" auch zu internalisieren ist, ist jedoch keine ausschließlich (system-)theoretisch zu beantwortende Frage. Selbstreferentiell Interessen an Innovation zu entwickeln, dafür nicht nur symbolisch Ressourcen zu aktivieren und externe Innovationsanstöße zu nutzen, stellt Unternehmen vor nicht minder hohe Anforderungen einer Konzeptkunst des Organisationslernens, die sich aufgrund ihrer
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endogenen Entwicklungspotentiale inter- wie intraorganisational als "nachhaltiger" herausstellen könnte.
4. Ökologisierung durch Organisationslernen? Daß weder die Sensibilisierung des Umweltbewußtseins und die Vermittlung von Umweltwissen (siehe z.B. Schwarz 1992; Lange 1995) noch die "normalen organisatorischen Lernprozesse, mit denen Unternehmen auf Veränderungen ihrer Erfolgsindikatoren reagieren" (Prognos, at. nach Frankfurter Rundschau vom 17.2.1995), ausreichen, um ökologisches Verhalten bzw. eine Ökologisierung der Betriebe zu stimulieren, ist mittlerweile bekannt und gemeinhin akzeptiert. In einer auf umweltverträgliches Entscheiden und Handeln der einzelnen als der kleinsten Einheit einer Organisation fokussierten vergleichenden Überprüfung von Theorien und Konzepten über die Einflüsse auf das Verhalten und seine Umweltverträglichkeit kommt Antes (1996) zu dem Ergebnis, daß kein Ansatz so weit ausgebaut ist, "daß er umweltverträgliches Verhalten in Organisationen hinreichend erklärt" (109). Möglich sei allenfalls das Aufdecken potentieller Verhaltenseinflüsse. Den persönlichen Merkmalen Qualifikation und Motivation stehen situative Verhaltenseinflüsse gegenüber, die sich aus der Art des Umweltproblems, dem organisatorisch-normativen Rahmen sowie der je spezifischen Verfügbarkeit von Handlungsalternativen ergeben (222 fl). Mit Blick auf die Verhaltenswirkungen läßt sich allerdings "weder ein zentraler Einfluß, auf den sich alles reduzieren ließe", "noch die Notwendigkeit, daß alle Bedingungen gleichzeitig in bestimmter Weise erfüllt sein müßten" (223), feststellen. Wird die auf das einzelne Organisationsmitglied konzentrierte Perspektive erweitert und auf die (oben beschriebene) Notwendigkeit
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eines - mehr oder minder - zu planenden und zu steuernden organisatorischen Wandels gelenkt, ist danach zu fragen, wie auf Seiten der Organisation und ihrer Mitglieder Bereitschaft, Möglichkeit und Fähigkeit zur aktiven Veränderung zu fördern sind. Diese Frage wird im Anschluß an Personal- und Organisationsentwicklung einerseits, "leanmanagement" und "reengineering" andererseits zunehmend in Konzepten des organisationalen Lernens diskutiert (siehe z.B. Senge 1996). Dafür ist neben der Erkenntnis, daß Organisationen nur sehr begrenzt steuerbar sind und dementsprechend ihr Netzwerk von Selbstorganisationsprozessen (Ladeur 1987) große Bedeutung hat, die Erfolgserwartung ausschlaggebend, daß "lernende Organisationen" (Garvin 1994) "zur bewußten und erfolgreichen Veränderung der unternehmenseigenen operativen Programme" und zur erfolgreichen "Anpassung und Weiterentwicklung" der Organisation in der Lage sind (Wengelowski/Breisig 1994, 9). "Die im Umkreis des Themas Organisationslernen entstandenen Konzepte versprechen Antworten vor allem auf Fragen nach Möglichkeitsbedingungen und Dimensionen der Akteurskompetenz von Organisationen" (Wiesenthal 1995b, 138). Obwohl nicht im Hinblick auf die Ökologisierung von Unternehmen entwickelt, lassen sich Konzepte des organisationalen Lernens dafür nutzen (Ridder 1994, 15). Fichter und Pfriem (1994, 1) halten die "Frage nach der ökologischen Lernfähigkeit ... für einen zentralen Erklärungsansatz, um die ökologischen Handlungspotentiale und Handlungsrestriktionen von Unternehmen aufzuzeigen." Setzt man die unterschiedlichen Lernniveaus (Agyris/Schön 1978) mit Ansatz und Reichweite der Ökologisierung in Beziehung, ergibt sich folgende - idealtypische - Unterscheidung (siehe Ridder 1994): • Dem Anpassungslernen entspricht die "Restrukturierung" (Kimberley/Quinn 1984), eine Reaktion auf umweltpolitische Herausforderungen, die im Rahmen der organisationalen Routinen
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und grundsätzlichen Orientierungen verbleibt. Das Unternehmen reagiert ebenso wie auf andere externe Herausforderungen, d.h. im wesentlichen operativ mit einer additiv-funktionalen Organisation des betrieblichen Umweltschutzes, mit technischen Lösungen und adaptiven Umweltschutzvorkehrungen. • Dem
Veränderungslernen
entspricht
die
"Revitalisierung"
(Kimberley/Quinn 1984), das Zulassen neuer Lösungsansätze aufgrund der Erkenntnis oder Erfahrung, "daß mit den bestehenden (technisch-operativen)
Problemlösungsmustern
eine
adäquate
Berücksichtigung der Probleme nicht erreicht werden kann" (Harde 1994, 8). Die Einfuhrung von Umweltmanagementsystemen, die Bildung von Projektgruppen unter Einbeziehung der Beschäftigten oder der offene Dialog mit externen Anspruchgruppen sind beispielsweise diesem Lernniveau zuzuordnende Ansätze zur "Etablierung von neuen Problemlösungsmechanismen" (Ridder 1994, 15). • Zwischen Restrukturierung und Revitalisierung liegt der Prozeß einer "Repositionierung" (Kimberley/Quinn 1984), der auf Veränderung der Marktposition z.B. durch die Einfuhrung eines "ökodesignten Produktes" abzielt (Fichter 1994, 17). • Werden gezielt Fähigkeiten zur Antizipation und Bewältigung umweltschutzbezogener Anforderungen sowie zur Entwicklung und Operationalisierung einer nachhaltigen und zukunftsfahigen Unternehmenspolitik gefordert und gefordert, ist dies dem reflexiven Lemniveau bzw. dem "Reviewing" (Kimberley/Quinn 1984) oder "Reinvention" (Kreikebaum 1994) zuzuordnen. Wie jede erfolgreiche Umstrukturierung setzt die Ökologisierung von Unternehmen die Überprüfung und Fähigkeit zur Veränderung bisheriger Handlungsmuster, organisatorischer Interpretationsschemata und Weltbilder voraus, ohne damit zugleich die Identität des Unternehmens
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infrage zu stellen (Satteiberger 1991, Geißler 1995b). Eine endogene und deshalb erfolgversprechende ökologische Reorganisation ist auf Aktivierung der organisatorischen Wissensbasis (Wiesenthal 1995b), auf selbstreflexive, sich selbst befähigende Lernprozesse angewiesen. Mit dem Einbruch der Ökologie in die Ökonomie ist ökonomisches Handeln nach außen und nach innen begründungspflichtig und verhandlungsabhängig geworden (Beck 1993, 197f). Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für eine erfolgreiche Ökologisierung ist der Übergang von isolierten Einzelmaßnahmen zu einem integrierten Ökologiekonzept. "Sollen die ökologischen Lern- und Entwicklungsprozesse die gesamte Unternehmung erfassen, dann bedarf es einer umfassenden Einbindung der Mitarbeiter im Sinne der (partizipatorischen) Organisationsentwicklung" und des Übergangs von der internen zur externen Orientierung auf die Akteure entlang des gesamten Produktlebenszyklus (Dyllick/Belz 1994, 11). Es sind dementsprechend organisationale Lernprozesse erforderlich, "die sowohl die Organisationsmitglieder mit ihren (mikropolitischen) Ambitionen als auch externe, in Hinblick auf die Gegebenheiten und Erfordernisse einer Risikogesellschaft sensibilisierten Anspruchsgruppen bzw. stakeholders umfassen und thematisieren" (Petersen 1995, 409). Doch weder eine Ausweitung von Betroffenenpartizipation und Entscheidungsteilnehmern noch die Etablierung verschiedener Verhandlungsarrangements garantieren per se "Rationalitätsgewinne beim Umgang mit Risiken" (Wiesenthal 1994, 142). In der Tradition der Gleichsetzung von Sozialverträglichkeit mit Betroffenenpartizipation (Wiesenthal 1990) werden die Möglichkeiten, die nicht nur bei ökologischer Reorganisation entstehenden Konflikte zu "managen", überschätzt und die Probleme organisational Dezentralisierung und damit verbundener Kontextsteuerung unterschätzt.
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Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse stimmen darin weitgehend überein, daß Beteiligung im betrieblichen Umweltschutz eine "conditio sine qua non" ist, daß die betrieblichen Interessenvertreter in dieser Hinsicht nicht besonders aufgeschlossen sind, daß das Management zwar an punktueller und selektiver Beteiligung von Mitarbeitern auf informeller Basis interessiert ist, sich aber gegen eine formell abgesicherte Partizipation (meist mit Erfolg) zur Wehr setzt. Ausgeklammert aber bleibt meist, daß "die Übersetzung" von betrieblichem Umweltschutz "in ein Partizipationsangebot... sich auch der Entscheidungsproblematik angesichts multipler und in der Regel widerstreitender Interessen und Rationalitäten stellen (muß). Als Ergänzung bedarf es daher institutioneller Innovationen (u.a. neuer Steuerungsmechanismen und Entscheidungsstrukturen) sowie neuartiger Suchstrategien zur inhaltlichen Erweiterung von Handlungsoptionen" (Aichholzer/Torgersen 1994,4). Die Möglichkeiten, über konsens- und diskursförmige Arrangements (Fietkau/Weidner 1992, 26 f.) Innovationsimpulse zu realisieren, sind sehr voraussetzungsvoll: alle Beteiligten können Einigungsvorteile erwarten, sind in hohem Maße voneinander abhängig und gleichzeitig in ihren Entscheidungen autonom sowie nicht durch verbindlich vorgegebene Verfahrensregeln beschränkt. Sind derartige Ausgangsbedingungen nicht gegeben, erweisen sich Verhandlungssysteme unter Umständen als "ausgesprochen blockadeanfallig" (Wiesenthal 1994, 149). Daß das Konzept der (ökologisch) lernenden Organisation noch eher "Wunschtraum" und "verheißungsvolle Proklamation" als Realität ist (Wengelowski/Breisig 1994, 10), ist im wesentlichen darauf zurückzufuhren, daß bisher weitgehend unklar bleibt, worin der qualitative Unterschied von individuellem und organisationalem Lernen besteht (Probst 1995, 167ff). Eine Klärung deutet sich im Kontext der
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Bemühungen an, Organisationslernen als Prozeßtheorie anzulegen und als einen sozialen und nicht nur psychischen Prozeß, als einen "Sonderfall von sozialem Lernen" zu verstehen (Geißler 1995b, 375ff; Tolksdorf 1996). Damit wird es möglich, die Mikropolitik im Unternehmen nicht nur als Restriktion für das Bildungsmanagement lernender Organisationen (Geißler 1995a) zu thematisieren, sondern ihre Gestaltung als Herausforderung und Aufgabenfeld kollektiver Lernprozesse wahrzunehmen (Petersen 1995). Mikropolitik kann die Problemlösekompetenz eines Unternehmens nicht nur stark beeinträchtigen, sondern im positiven Fall auch fördern (391). Dies setzt voraus, mikropolitische Prozesse über das Organisationslernen zu kanalisieren (395), "um auf diese Weise die kollektive Handlungsfähigkeit zu stärken" (399). Die in jedem Unternehmen existente informell-hintergründige Mikropolitik zu verändern oder gar zu steuern, ist in und an der Alltagspraxis jedoch bislang größtenteils gescheitert (Weltz 1993). Insbesondere wenn technische Rationalisierung, ökonomische Umstrukturierung und Ökologisierung der Unternehmen synchronisiert und Organisationsentwicklung darauf abgestimmt werden soll, ist Organisationslernen notwendigerweise ein "offener Prozeß", in dem "ohne jede Erfolgsgewähr" auf die Entwicklungsmöglichkeiten und Lernfähigkeit des Akteursystems gesetzt wird (Friedberg 1995, 366), ein Prozeß des iterativen Korrigierens - Blankpolierens - von Modellen, "das so lange weitergeht, bis die Modelle viabel (gangbar, lebensfähig) und stabil bleiben" (Ortmann 1995, 311, Fußnote 16). Für eine Unternehmensorganisation ist Lebensfähigkeit gleichbedeutend mit Lernfähigkeit (Ladeur 1987, 14). Verlauf und Ergebnis des Ökologisierungsprozesses indizieren und konturieren gesellschaftliche Innovationspotentiale und (ungenutzte) Lernchancen der Risikogesellschaft (Wiesenthal 1994). Er vollzieht sich keineswegs nur auf "insti-
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tutionalisierten Pfaden" und organisationsintern, sondern schließt insbesondere in Umweltfragen unterschiedliche "Modi des Imports fremder Entscheidungskriterien" (150) mit ein. Dabei sind neben der Einbindung in interorganisationale Netzwerke, industrielle Distrikte, organisationale Felder und Regionen und den sich darauf beziehenden "Governance-Strukturen" (s. Ortmann in diesem Band), "diskursiven Koordinationen" (Braczyk 1997) und Konfliktregulierungen (s. Herbold u.a. in diesem Band), "dynamischen Verhandlungsbeziehungen" (Wiesenthal 1994, 148) und organisationsübergreifenden Akteursbeziehungen auch Prozesse der "unfreiwilligen Übernahme externer Sinnelemente" (148) in den Orientierungsrahmen der Organisationsmitglieder von Bedeutung. "Without invitation, permission or welcome" (150), fungieren z.B. in ökologischen Fragen sensibilisierte oder engagierte Unternehmensakteure als "mikrosoziale Sinnschmuggler", die "ihre 'Privatansicht' nicht immer abgesondert von ihrer Organisationsrolle unterhalten wollen oder können"
(151).
Selbst
Chemiemanager sind, wie an ihrem Umgang mit öffentlicher Kritik deutlich wird (s. Heine/Mautz in diesem Band), vor einem derartig "unfreiwilligen Organisationslernen" nicht gefeit. Die damit verbundenen Innovations- und Lernoptionen werden bislang weder analytisch noch praktisch ihrer Relevanz fur eine Ökologisierung der Unternehmen entsprechend gewürdigt und genutzt. Um die Akteure eines bestimmten Handlungsfeldes individuell und kollektiv zu befähigen, ihre Interaktion anders zu strukturieren und "das Spiel ihrer konfliktträchtigen Kooperation anders - und hoffentlich besser - spielen" zu können, benötigen sie zuallererst "konkretes Wissen über die Eigenschaften, die Machtstrukturen und die Regulierungsweise des betroffenen Akteursystems" (Friedberg 1995, 300). Unter den Bedingungen der Risikogesellschaft zielt handlungsorientierendes Wissen darüberhinaus notwendigerweise auf Lernen und Operieren mit
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Ungewißheit (Ladeur 1987, 22). In der Regel reichen die internen Reflexionsmöglichkeiten und Lernvoraussetzungen nicht aus, um dieses Wissen zu entwickeln und verfügbar zu machen. Daraus ergeben sich Anforderungen an externe (ökologische Unternehmens-)Beratung wie an sozialwissenschaftliche Umweltforschung auf einer anderen Dimension als der Vermittlung von Patentrezepten, die in technischer, ökologischer, ökonomischer und organisatorischer Hinsicht als ausgereift bzw. problemangemessen gelten. Angesichts der "Abwesenheit erfolgssicherer Strategien" ist primär die (risikosoziologische) "Blindheit für soziale Kreativitätspotentiale" (Wiesenthal 1994, 156) einschließlich der Formen unfreiwilligen Organisationslernens (s.o.) zu überwinden.
5. Umweltberatung und soziologische Organisationsanalyse Einem Boom der Umweltberatung und der in Sachen Umweltmanagement ratgebenden Literatur steht eine erstaunlich unterentwickelte Beschäftigung mit den Folgen bzw. Gestaltungschancen von Beratung in diesem Kontext gegenüber. In Ansätzen wird versucht, das Anbieterspektrum zu erfassen (Hopfenbeck 1992), Beratungsmethoden zu beschreiben (Particip GmbH (Hrsg.) 1992), das Tätigkeitsfeld und die Qualifikationsanforderung zu dokumentieren (Günther 1991). Ob und inwieweit Beratung im Hinblick auf die Ökologisierung von Unternehmen verändernd wirksam wird bzw. werden kann, wodurch der Aktionsradius von Beratern als change agents limitiert wird, inwieweit wissenschaftliches Wissen über ökologische, organisatorische und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge über Unternehmensberatung in die unternehmerische Praxis einfließt bzw. einfließen kann, ist hingegen weitestgehend unerforscht.
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Man weiß zwar, daß beraten wird, aber nicht, was daraus wird (Beck/Bonß 1989, 36). Eine gezielte Beratungsforschung mit der zentralen Fragestellung, "wie kann man als Externer überhaupt Einfluß nehmen auf eine Organisation, wie dafür sorgen, daß sich dort nachhaltig etwas bewegt?" (Wimmer 1992, 60), beginnt sich erst langsam zu etablieren. Außer der sicherlich zutreffenden Erkenntnis, daß externe Berater keine direkten Einflußmöglichkeiten auf das Klientensystem haben (können), hat die diesbezügliche Debatte bislang wenig Erhellendes zur Klärung dieser Frage beigetragen. Insbesondere die Methoden und Wirkungsweisen ökologischer Unternehmensberatung scheinen in hohem Maße von den Zielen, Strategien und Beratungserwartungen der Unternehmen und auf Seiten der Berater von ihrer Einbindung und ihrem Handling der betrieblichen Handlungskonstellationen und Mikropolitiken abhängig zu sein (Schwaderlapp 1989). Die Rolle des Externen bringt nicht nur Expertenwissen und darauf gestützte Problemlösungsvorschläge ins Spiel, sondern vor allem die Fähigkeit, ohne "politische Scheuklappen" bzw. nicht in die innenpolitische Konstellation des Unternehmens eingebunden an die Arbeit zu gehen und deshalb auch eher integral und systematisch zu beobachten, als es den Akteuren im Unternehmen möglich wäre (Bollinger/Weltz 1989). In dem Maße, wie Beratung konzeptionelle Vorgaben (z.B. zur ökologischen Reorganisation) ins Spiel bringt, wird - soziologisch betrachtet - ein Prozeß des induktiven Umgangs mit handlungsentlastet produzierten Deutungsangeboten in Gang gesetzt (siehe auch Dewe 1996, 39f). Ein Berater hat folglich die Chance und die Verpflichtung, unternehmensspezifische Strukturen und Problemfelder zu identifizieren, die jeglicher Art von Organisationsänderungen im Wege stehen. "Beratende Rekonstruktion" (Dewe 1985; 1996) stellt Anforderungen an den Beratungsansatz und an die
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kommunikative Kompetenz eines Beraters, die weit über die Vermittlung technokratischen Expertenwissens hinausgehen. Die damit verbundenen Folgen lassen sich nur empirisch im Einzelfall ermitteln. Es ist davon auszugehen, daß ein jeder Beratungsprozeß weder unmittelbar der Rationalität der Wissenschaft noch der der beteiligten Institutionen und Akteure folgt, sondern ein "Spiel sui generis" ist (Lau 1989, 413). Als komplexe Innovations- und Organisationsberatung geht Umweltberatung über die übliche Partialberatung mit Feuerwehrfunktion und über Informationsvermittlung weit hinaus. Sie muß an den spezifischen Gegebenheiten der Betriebe anknüpfen und auf die Initiierung darauf abgestimmter, weitgehend selbstorganisierter Lernund
Veränderungsprozesse
abzielen.
Die
Ökologisierung
von
Unternehmen und Betrieben ist von ihrer jeweils spezifischen "sozialen Logik" abhängig und muß sich an ihr orientieren. "Jeder Betrieb ist anders, also gibt es kein allgemeingültiges, in sich geschlossenes Konzept" (Brüggemann/Riehle 1995, 166). Dementsprechend sind Informationen über Sinn und Zweck, Risiken und Folgen möglicher Innovationen zu verknüpfen mit dem "konkreten Wissen" (siehe oben) "über die betrieblichen Gegebenheiten und Gewohnheiten" (Brüggemann/Riehle 1995, 166). Eine darauf abgestimmte Innovationsberatung ist auf die Methodik und Resultate
soziologischer
Organisationsanalyse angewiesen (siehe auch Schröter 1996). Die Akteure ziehen daraus Nutzen, indem sie sich die Erkenntnisse zu eigen machen und verändern (Friedberg 1995, 326, Fußnote 26), indem sie "daraus auf ihrem eigenen Niveau lernen können" (327). Die Auslösung eines derartigen konkreten Lernprozesses (385) wird zu einem "Herd sozialer Innovation" (389) und Kern der Veränderungsstrategie. Ob Entwicklungsmöglichkeiten und Lernfähigkeiten der Organisation und ihrer Akteure zu realisieren sind, ist auch eine Frage unvorhergesehener Handlungsfolgen und -dynamiken, die jedoch nicht
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nur in Lern- und Beratungsmodellen, sondern auch in Umweltmanagementkonzepten ausgeklammert werden. Daß Unternehmen zu ökologisieren und zu einem entsprechend grundlegenden Organisationswandel fähig sind, ist eine zu Beginn des Reform- und Beratungsprozesses höchst unsichere und trügerische Unterstellung, die jedoch, da sie ein neues Verhalten hervorrufen kann, reale Folgen hat. Laut "Thomas-Theorem" kann "die öffentliche Definition einer Situation (Prophezeiung oder Prognosen) zum integralen Bestandteil der Situation werden und damit auch Auswirkungen auf ihre weitere Entwicklung haben. Dies ist ein den Menschendingen eigentümliches Phänomen. In der von der Hand des Menschen unberührten, natürlichen Welt kommt es nicht vor. Vorausberechnungen der Wiederkehr des Halleyschen Kometen beeinflussen nicht seine Umlaufbahn" (Merton 1995, 400). Für eine anwendungsorientierte Umweltsoziologie ergibt sich daraus weniger die Notwendigkeit, Leitbilder sozialökologischer Modernisierung bzw. eines zukunftsfähigen Deutschlands (BUND/ Misereor (Hrsg.) 1996) zu entwickeln, sondern vielmehr das Verhältnis von "Sustainability"-Leitbildern und sozialer Realität bzw. die Konkretisierung und Implementation von Nachhaltigkeitsstrategien (Huber 1995) in relevanten Praxisfeldern zu analysieren. Verknüpft mit der Erforschung der sozialen Wahrnehmung und Integration ökologischer Probleme, der akteurs- und organisationsspezifischen Problembearbeitung unter Bedingungen komplexer Verursachung und konkurrierender Ziele, sind Beiträge zur Initiierung bzw. Steuerung des notwendigen Organisations- und institutionellen Wandels gefragt (Wiesenthal 1995a, 370).
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Martin Birke/Michael Schwarz
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ökologisierung als Mikropolitik
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Uwe Schneidewind
Ökologische Reorganisation von Branchen Von der Mikropolitik in der Organisation zur Strukturpolitik der Organisation1
Die klassische mikropolitische Betrachtung sensibilisiert dafür, daß das Handeln von Akteuren in Unternehmen nicht durch Kontextvariablen und sich daraus ergebende Organisationsstrukturen determiniert ist. Es ergibt sich vielmehr aus machtbasierten Aushandlungsprozessen von Organisationsmitgliedern. Durch eine solche Betrachtung eröffiien sich neue Erklärungsperspektiven für die ökologische Reorganisation innerhalb von Unternehmen. Dennoch bleibt anzuerkennen, daß Unternehmen in marktliche, politische und gesellschaftliche Strukturen eingebettet sind, die den absoluten Handlungsfreiraum auf einer außerbetrieblichen Ebene begrenzen. Betrachtet man die Unternehmung selbst als Akteur und ihre marktliche, politische und gesellschaftliche Umwelt als "Organisation", so kann die mikropolitische Analyse auf einer übergeordneten Ebene fortgesetzt werden ("Mikropolitik zweiter Ordnung" bzw. "Strukturpolitik der Unternehmung"). Unter Rückgriff auf die Theorie der Strukturierung von Anthony Giddens (1988) läßt sich zeigen, daß ein "strukturpolitisches Handeln" von Unternehmen durchaus möglich ist2 und Gestaltungspotentiale auf der Branchenebene eröff-
1 2
Für hilfreiche Kommentare zu einer ersten Fassung des Manuskriptes danke ich Bernhard Meier, Marc Mogalle, Tobias Schulz, Simone Will und Rolf Wüstenhagen. Der Begriff der "Unternehmung als strukturpolitischer Akteur" geht dabei auf Pfriem 1995,31, zurück.
ökologische Reorganisation von Branchen
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net, die weit über unternehmensindividuelle ökologische Reorganisationsmöglichkeiten hinausgehen. Der Beitrag illustriert dies an einem "Spielfeld" strukturpolitischen Handelns in der Textilbranche.
1. Erweiterung der mikropolitischen Betrachtung in konzeptioneller und ökologischer Hinsicht Mikropolitik kann als Interessensdurchsetzung in sozialen Kontexten unter Rückgriff auf Macht - insbesondere in Form von materiellen und menschlichen Ressourcen - verstanden werden (zum Begriff: Küpper/ Ortmann 1986, 591 ff, und die dort angegebene Literatur). Die mikropolitische Betrachtung ist u.a. eine Antwort auf kontingenztheoretische Ansätze der Organisationslehre. Diese erklären das Handeln in Organisationen durch ein Set an Bedingungsfaktoren innerhalb und außerhalb der Organisatioa Im Kontinuum von Individuum und Organisation bzw. von Handlung und Struktur kommt der Strukturkomponente bei der Erklärung die Schlüsselbedeutung zu (598). Daraus ergeben sich entsprechende Konsequenzen für die Gestaltung des Umweltschutzes in Unternehmen: Die Umsetzung beschränkt sich im wesentlichen auf die Festlegung geeigneter Aufbau- und Ablaufstrukturen, die das Handeln der Organisationsmitglieder vorstrukturieren und selber in erheblichem Maße durch "Außenstrukturen" vorgegeben sind. Die Praxis zeigt nun, daß die Umsetzung von Umweltschutz in Unternehmen ein weitaus komplexerer und differenzierter Prozeß ist, für den mikropolitische Ansätze eine adäquate Erklärung anbieten: Für die Akteure in Unternehmen bilden die Organisationsstrukturen lediglich ein "Spielfeld" für die Durchsetzung eigener Interessen. Eine erfolgversprechende ökologische Reorganisation in Unternehmen kann daher nur stattfinden, wenn das Wesen und die Dynamik dieser Spiele berücksichtigt wird.
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Die erheblich ausdifferenzierte Betrachtung von Intraorganisationsbeziehungen hat bisher kaum eine Parallele in der Beschreibung der Unternehmung-Umwelt-Beziehungen gefunden. Die marktliche, politische und gesellschaftliche Umwelt wird in der Betriebswirtschaftslehre in der Regel immer noch als ein exogen gegebenes Variablenset gehandelt, das Handlungskorridore für Unternehmen definiert. Ausnahmen dazu finden sich bisher hauptsächlich in der auf Unternehmensnetzwerke fokussierten Interorganisationstheorie (zum Überblick: Sydow 1992). Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß das Handeln von Unternehmungen in ihrer marktlichen, politischen und gesellschaftlichen Umwelt durchaus dem Handeln einzelner Organisationsmitglieder innerhalb einer Organisation ähnelt: Auch hier wird machtbasierte Interessendurchsetzung betrieben, werden Strukturen aktiv mitgestaltet beziehungsweise als Spielfeld benutzt. Vehikel solcher "Mikro"politik (im folgenden als Mikropolitik zweiter Ordnung bzw. als Strukturpolitik von Unternehmen bezeichnet) sind bestehende Machtpotentiale von (Großunternehmen, von "Gatekeepern" wie dem Handel, von Unternehmensverbänden oder von Kooperationen, die Unternehmen mit externen Partnern eingehen. Es wird sich zeigen, daß diese mikropolitischen Phänomene zweiter Ordnung mit den gleichen Theorieansätzen wie herkömmliche mikropolitische Phänomene erklärt werden können. Dabei ist ein solcher Transfer nicht nur von theoretischem Interesse. Er ist im ökologischen Kontext auch praktisch relevant: Zwar sind die ökologischen Reorganisationspotentiale innerhalb von Organisationen heute bei weitem noch nicht ausgeschöpft (Minsch u.a. 1996, 65 ff., 179 ff.). Es deutet sich aber an, daß selbst bei einer vollständigen Nutzung die damit mögliche ökologische Umorientierung in den meisten Branchen nicht ausreichen wird, um die Forderungen einer "Nach-
ökologische Reorganisation von Branchen
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haltigen Entwicklung" einzulösen (Minsch u.a. 1996). Eine erfolgreiche ökologische Mikropolitik in Unternehmen scheint durch vorgegebene marktliche, politische und gesellschaftliche Barrieren in ihrer ökologischen Reichweite begrenzt zu sein. Dies zeigt z.B. der meist begrenzte Erfolg ökologischer Pioniere, die sich zwar in Marktnischen durchsetzen können, den Massenmarkt aber selten erreichen (für die Textilbranche: Schneidewind/Hummel 1996). Damit fällt der Blick automatisch auf eine Mikropolitik zweiter Ordnung, die die Erweiterung der Handlungsfreiräume der Unternehmung anstrebt, um größere Handlungsspielräume in der Unternehmung überhaupt zur Geltung kommen zu lassen. Im folgenden wird sich zeigen, daß die in klassischen mikropolitischen Analysen schon bewährte Theorie der Strukturierung von Anthony Giddens auch geeignet ist, Ansatzpunkte für eine Mikropolitik zweiter Ordnung aufzuzeigen. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Giddens'schen "Modalitäten" (interpretative Schemata, Normen, autoritative Ressourcen, allokative Ressourcen), die zwischen dem Handeln der Akteure und den das Handeln beeinflussenden Strukturen vermitteln. Sie erweisen sich als ein konkreter Ansatzpunkt für eine Strukturpolitik von Unternehmen. An einem Anwendungsbeispiel aus der Textilindustrie (Festlegung von Textilhilfsmittelklassifikationen) illustriert der Beitrag, wie die Einflußnahme auf Interpretationsschemata (als einer konkreten Modalität) Ausgangspunkt für eine ökologische Branchenreorganisation sein kann.
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230 Abbildung 1: Aufbau des Beitrages
Die Theorie der Strukturierung (Giddens) als theoretischer Rahmen f ü r eine "Mikropolitik zweiter Ordnung" Handeln
->
Modalitäten
< -- >
Struktur
Modalitäten als Mittler zwischen Handeln und Struktur sowie als Ansatzpunkt für eine "Strukturpolitik" von Unternehmen Allokative Autoritative InterpretationsNormen Ressourcen Ressourcen schemata
Anwendungsbeispiel Textilhilfsmittelklassifikation: Ökologische Branchenreorganisation über die (Mit)gestaltung von Interpretationsschemata
2. Die Theorie der Strukturierung als konzeptioneller Rahmen fur eine Rekonstruktion von ökologischer Branchenreorganisation Die von Anthony Giddens (1988) Anfang der achtziger Jahre formulierte Theorie der Strukturierung (oder im folgenden auch: Strukturationstheorie) ist ein für mikropolitische Analysen geeigneter theoretischer Rahmen. Dies hängt damit zusammen, daß sie in den Sozialwissenschaften als eine überzeugende Antwort auf die Polarisierung von voluntaristischen und deterministischen Sozialtheorien verstanden wird (Joas 1988, 14). Aufgrund ihrer Erklärungskraft hat die Strukturationstheorie von Giddens seit Mitte der achtziger Jahre als Theoriegrundlage Einzug in zahlreiche sozialwissenschaftliche Disziplinen
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gefunden. Seit Anfang der neunziger Jahre gibt es auch eine zunehmende Beachtung der Giddens'schen Theorie in der (deutschsprachigen) Betriebswirtschaftslehre (Becker 1994; Walgenbach 1994; Schwabe 1995; Sydow u.a. 1996; zum Überblick: Walgenbach 1995). Die Theorie der Strukturierung hat sich in klassischen mikropolitischen Analysen z.B. zum Handeln von Mittelmanagern (Walgenbach 1994) oder bei der Analyse von Gruppenarbeit (Schwabe 1995) bewährt. Ahnlich gewinnbringend ließ sie sich für die Analyse von Branchenkontexten -verstanden als Wettbewerber-Kunden-LieferantenNetzwerke- einsetzen (Ortmann 1995; Smith 1983). Die Übertragung auf einen umfassenden Unternehmungs-Umweltkontext, in den neben dem unmittelbaren Marktumfeld (Kunden, Wettbewerber, Lieferanten) auch die politische und gesellschaftliche Umwelt (öffentliche Anspruchsgruppen, Medien etc.) der Unternehmung einbezogen werden, steht bisher noch aus.3 Aufgrund des allgemeinen Charakters der Giddens'schen Sozialtheorie ist dies aber durchaus möglich. Im folgenden werden die Grundzüge der Strukturationstheorie kurz dargestellt und aufgezeigt, wie sich aus ihr eine mikropolitische Analyse der zweiten Ordnung bzw. eine "Theorie der Unternehmung als strukturpolitischer Akteur" ableiten lassen. 2.1 Grundelemente der Strukturationstheorie4 Die Strukturationstheorie fragt danach, inwieweit das Handeln von Akteuren strukturell bedingt ist, und welche Rolle das Handeln von 3 4
Diese Ausweitung ist Gegenstand meines Habilitationsprojektes an der Universität St. Gallen (Schneidewind 1996). Ein Dissertationsprqjekt mit ähnlicher Stoßrichtung wird von Simone Will an der Universität Potsdam bearbeitet: Will 1996. Die folgende Darstellung der Giddens'schen Strukturationstheorie ist nicht umfassend. Sie beschrankt sich auf die Theorielemente, die für die weitere Argumentation unbedingt benötigt werden.
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Akteuren für die Entstehung und Veränderung von sozialen Strukturen hat. Im Mittelpunkt der Theorie stehen daher der Handelnde und sein individuelles Handeln (Handlungsebene) und Strukturen (Strukturebene) sowie insbesondere das Phänomen der "Dualität der Struktur" (Vermittlung über Modalitäten). Abbildung 2: Die Dimensionen der Dualität von Struktur Strukturebene
Signifikation o A ;
Modalitäten
Interoretative Schemata
; A
Handlungs- Kommunikatives Handeln ebene
Legitimation
O
A
Normen
; Α
A
* o
Herrschaft
* o
; A
o Sanktioniereno des Handeln
Autoritative Ressourcen
o
Allokative Ressourcen
A
I
A
*
AutoritativWirtschaftadministratives •Θ- liches und techHandeln nisches Handeln
Quelle: Eigene, in Anlehnung an Giddens 1988,81, und Ortmann 1 9 9 5 , 6 0 .
Die Idee der "Dualität von Struktur" ist eines der Kernelemente der Giddens'schen Strukturationstheorie: "In und durch ihre Handlungen reproduzieren die Handelnden die Bedingungen, die ihr Handeln ermöglichen" (1988, 52). "Strukturen sind Medium und Resultat des Handelns" (Ortmann/Sydow/Windeler 1997, 315). Demnach sind Strukturen nichts, was handelnden Akteuren als etwas von außen Vorgegebenes und nicht Beeinflußbares gegenübertritt. Strukturen werden vielmehr durch das Handeln der Akteure überhaupt erst erzeugt.
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Struktur existiert nämlich nach Giddens "nur in der Form von Erinnerungsspuren der organischen Basis der menschlichen Bewußtheit, und als im Handeln exemplifiziert" (1988, 432). Die Dualität der Struktur läßt sich z.B. am Sprechen der deutschen Sprache illustrieren (in Anlehnung an Giddens 1988, 58): So ist z.B. das Bemühen eines jeden einzelnen, die deutsche Sprache korrekt zu sprechen und zu schreiben, immer auch ein Beitrag zur Reproduktion der gesamten deutschen Sprache: Ohne Bezug auf die Struktur (hier die Regeln der deutschen Sprache) ist Sprechen für den einzelnen nicht möglich. Gleichzeitig aktualisiert sich die Struktur immer nur durch das Handeln (Sprechen) der Akteure. Dieser rekursive Charakter macht die Dualität von Struktur aus (77 f.). Zur Vermittlung zwischen Struktur und Handeln dienen in der Giddens'schen Theorie die sogenannten "Modalitäten" oder "Vermittlungsmodalitäten" (Walgenbach 1995, 768). Indem Akteure in ihrem Handeln Modalitäten - d.h. Interpretationsschemata, Normen, autoritative und allokative Ressourcen - anwenden, beziehen sie sich auf die oben genannten "Erinnerungsspuren" von Struktur und reproduzieren zugleich die Struktur (Ortmann 1995, 58). Die vier Modalitäten ergeben sich unmittelbar aus der Strukturdefinition von Giddens. Giddens definiert Struktur als "Regeln und Ressourcen, die in rekursiver Weise in die Reproduktion sozialer Systeme einbezogen sind" (1988, 432). Er differenziert sowohl Regeln als auch Ressourcen nochmals in zwei Unterkategorien. Er unterscheidet Regeln der Sinnkonstitution (Interpretationsschemata) und Regeln der normativen Sanktion (Normen). Ressourcen werden in allokative und autoritative Ressourcen differenziert. Die Unterscheidung von vier Handlungs- bzw. Strukturdimensionen ist ein weiteres Schlüsselelement der Giddens'schen Strukturationstheorie. Sie verdeutlicht, daß Strukturen im gesellschaftlichen Kontext nicht ausschließlich nur Herrschaftsphänomene oder nur
Uwe Schneidewind
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Sinnphänomene sind. Vielmehr fließen immer gleichzeitig Sinn-, Legitimations- und Herrschaftsaspekte in jedes soziale Handeln ein. Die Interdependenz sowohl der drei Betrachtungsebenen (Handlung, Modalität, Struktur) als auch der Handlungs-/Strukturdimensionen wird in Abbildung 2 durch die Pfeile wiedergegeben. Da die Modalitäten im weiteren Gang der Argumentation den zentralen Ansatzpunkt für eine unternehmerische Strukturpolitik bieten, sollen sie etwas näher gekennzeichnet werden: Bei ihrem Handeln greifen Akteure einmal auf Regeln im Sinne von interpretativen Schemata (zur Sinnkonstitution) zurück. Solche Schemata dienen der Verständigung, Interpretation und Rationalisierung von Handlungen (Sydowu.a. 1996,26). Sowohl innerhalb von Unternehmen als auch in der Interaktion von Unternehmen mit Marktpartnern oder öffentlichen Anspruchsgruppen spielen solche Interpretationsschemata eine wichtige Rolle. Sie können sich in einem gemeinsamen Geschäftsverständnis, einem geteilten Verständnis von Produktqualität oder (was im vorliegenden Kontext bedeutend ist) in der gleichen Interpretation ökologischer Schlüsselprobleme äußern. Neben Interpretationsschemata spielen Normen als zweite Regelform (zur Legitimation) eine zentrale Rolle im Handeln von Akteuren. Normen dienen dazu, Handlungen sowie Ereignisse als positiv oder negativ bzw. als gerechtfertigt oder ungerechtfertigt zu beurteilen und mit entsprechenden Sanktionen zu belegen (Sydow u.a. 1996, 26 f.). Qualitätsverständnisse oder das Verständnis von "guten Geschäftspraktiken" haben im ökonomischen Kontext eine solche Funktion. Allokative Ressourcen vermitteln Macht über Sachen - sei es z.B. durch Technik in unmittelbar physischer Form über Produktionsmittel, Rohstoffe und Waren bzw. in monetärer Form über Geld und Budgets. Die Bedeutung allokativer Ressourcen ist in Marktbeziehungen und in abgeschwächter Form auch in anderen Umfeldbeziehungen von
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Unternehmungen ständig präsent. Allokative Ressourcen bestimmen, welche ökonomischen Handlungsmöglichkeiten Unternehmungen offenstehen und z.B. mit welchem Aufwand Öffentlichkeitsarbeit oder politische Lobbyarbeit betrieben werden kann. Autoritative Ressourcen vermitteln dagegen Macht über Menschen z.B. durch Organisations- oder Verwaltungsregeln, Planungsinstrumente, aber auch durch psychologisches Vermögen. In den Unternehmungs-Umfeld-Beziehungen stellen mit Sanktionsmacht versehene Gesetze und Verordnungen vermutlich die bedeutendste autoritative Ressource dar. Jedoch können autoritative Ressourcen auch aus einer besonders hohen öffentlichen Glaubwürdigkeit (z.B. Greenpeace) oder persönlichen Integrität von Akteuren erwachsen. Es sei an dieser Stelle nochmals betont, daß Giddens die vier Strukturdimensionen zwar analytisch trennt, jedoch gleichzeitig ihre enge Verknüpfung im Handeln von Akteuren betont (1988, 69 f.; Walgenbach 1995, 766). Ortmann (1995, 56 f.) illustriert das Zusammenspiel der Dimensionen an einem Beispiel aus der Organisationspraxis: So benutzen in einer Unternehmung alle Organisationsmitglieder in der Regel ein gemeinsames Organisationsvokabular z.B. im Form eines Sets an Fachtermini (Interpretative Schemata), wenden bestimmte, sanktionierte Verfahren der Investitionsrechnung an (Normen), stützen sich auf festgelegte Formen der Arbeitsorganisation (autoritative Ressourcen) sowie der Budgetverteilung (allokative Ressourcen). Durch die Stützung auf diese Struktur, d.h. die angedeuteten Signifikations- (gemeinsames Vokabular), Legitimations(Investitionsrechnungsmethoden) und Herrschaftsmuster (Arbeitsorganisation, Budgetverteilung) wird regelmäßiges und verläßliches Handeln in einer Unternehmung überhaupt erst möglich. Doch existiert diese Struktur nicht unabhängig von den Organisationsmitgliedern. Nur dadurch, daß sich die Akteure in ihrem Handeln auf die Interpreta-
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tionsschemata, Normen sowie Ressourcen beziehen, wird die Struktur immer wieder reproduziert. 2.2 Die "Unternehmung als strukturpolitischer Akteur" oder "Mikropolitik zweiter Ordnung" aus Sicht der Strukturationstheorie Inwiefern läßt sich der gerade skizzierte strukturationstheoretische Rahmen auf eine ökologische Strukturpolitik von Unternehmen übertragen? Auf welche Weise findet die interessensgeleitete und machtgestützte unternehmerische Einflußnahme auf marktliche, politische und gesellschaftliche Strukturen statt? Welche Bedeutung hat ein solches Handeln auf die ökologische Reorganisation von Branchen? Grundsätzlich bietet Giddens die Bausteine für eine entsprechende Erklärung an. Dabei sind jedoch mehrere Aspekte zu berücksichtigen, auf die im folgenden kurz eingegangen werden soll: Die Rückwirkungen von marktlichen, politischen sowie gesellschaftlichen Strukturen sind erheblich komplexer als die Rückwirkungen organisatorischer Strukturen innerhalb von Unternehmungen. Unerkannte Handlungsbedingungen sowie unbeabsichtigte Handlungsfolgen treten in noch größerem Maße als innerhalb von Organisationen auf. Die Reichweite absichtsvoller Gestaltung und gezielter ökologisch orientierter Mikropolitik zweiter Ordnung sind daher von vorneherein erheblich beschränkt. Auch wenn der im folgenden skizzierte Rahmen einzelne Ansatzpunkte dazu aufzeigen kann, so ist er doch in erster Linie ein Reflexionsinstrument für Akteure und kein gestaltungsorientierter Werkzeugkasten. Giddens Theorie basiert auf dem individuellen Akteur: "Akteure sind mit Reflexionsmächtigkeit und Intentionalität ausgestattete menschliche Wesen" (Walgenbach 1995, 764). Im vorliegenden Fall werden als
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Akteure jedoch kollektive Akteure wie Unternehmen betrachtet. Trotz der Begründung der Theorie auf individuellen Akteuren hält Giddens die Übertragung auf kollektive Akteure durchaus für möglich. Er argumentiert mit dem allgemeinen Sprachgebrauch, bei dem es üblich ist, davon zu sprechen, daß "die Unternehmung XY" gehandelt habe (1988, 278 f.). Zwar können allein "Individuen, Wesen, denen eine körperliche Existenz zukommt", Handelnde sein. Dennoch sei es sinnvoll, dann von Kollektiven als Akteuren zu sprechen, "wenn ein bedeutsames Maß an reflexiver Steuerung der Bedingungen der sozialen Reproduktion (in dem jeweiligen Kollektiv, U.S.) gegeben ist" (278). Wenn in Organisationen Beratungen und Austausch über Entscheidungen und Handlungen stattfinden und ein explizites Wissen über die normative Verbindlichkeit in diesem Kontext getroffener Entscheidungen vorhanden ist, sei es zulässig in verkürzter Form von einem Kollektiv als Akteur zu sprechen. Diese Bedingungen sind in der Regel in Unternehmungen gegeben.5 Die Giddens'sche Theorie der Strukturierung ist eine sozialwissenschafUiche Metatheorie. Im vorliegenden Fall soll sie auf sehr konkrete Fragestellungen, nämlich die ökologische Reorganisation von Branchen, angewendet werden. Eine solche empirisch geleitete Spezifizierung ist nicht möglich, ohne ergänzende, konkretisierende Bausteine anderer Theorien hinzuzuziehen. Giddens selbst sieht dies nicht kritisch. Er hält sogar explizit dazu an, seine Theorie in der empirischen Arbeit bewußt selektiv anzuwenden und nicht "en bloc" zu übertragen (1989, 294). Vor dem Hintergrund dieser Vorbemerkungen ist es nun möglich zu bestimmen, in welchen Arenen sich strukturpolitisches Handeln von
S
Im Ausblick dieses Artikels wird auf mögliche Verbindungen mikropolitisch gestützter Intra- und Interorganisationstheorie noch eingegangen.
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Unternehmen entfaltet und welche konkreten Ansatzpunkte einer Mikropolitik zweiter Ordnung sich beobachten lassen. 2.3 Arenen unternehmerischer Strukturpolitik Mit den "Arenen" unternehmerischer Strukturpolitik im gesellschaftlichen Kontext setzt sich insbesondere die gesellschaftsorientierte Managementlehre auseinander. Weite Verbreitung hat dabei die Differenzierung der drei "externen Lenkungsysteme" Markt, Politik und Moral von Dyllick gefunden (1989), wobei das Lenkungssystem "Moral" in jüngeren Arbeiten als "Öffentlichkeit" bezeichnet wird (Dyllick/Belz 1994, 19). Ahnliche Abgrenzungen der Unternehmungsumwelt finden sich aber auch bei anderen Autoren (z.B. Steinmann/Schreyögg 1990, 138 ff). Anlehnend an diese Klassifizierung rekonstruiert der Beitrag im folgenden diese drei Arenen strukturpolitischen Handelns aus der Sicht der Strukturationstheorie. Dabei wird sowohl auf die wichtigsten Akteure als auch die zentralen Modalitäten eingegangen, die die jeweilige Arena bilden. 2.3.1 Markt Märkte werden konstituiert durch die Anbieter (d.h. die betrachtete Unternehmung und ihre Wettbewerber) und die Nachfrager von Produkten. Daneben zählen auch potentielle Wettbewerber und Substitutionsprodukte zur relevanten Marktarena, da ihre Möglichkeiten zum Markteintritt die Prozesse in Märkten erheblich beeinflussen. Was sind nun Marktstrukturen im Lichte der Strukturationstheorie? Es sind alle diejenigen allokativen und autoritativen Ressourcenkomplexe sowie Interpretationsmuster und Normen, die in marktliches Handeln eingebettet sind und durch dieses (re-)produziert werden. Allokative Ressourcen haben dabei eine dominante Stellung: Unternehmen beziehen
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239
sich in ihrem Handeln auf allokative Ressouren in Form von Anlagen, Betriebsmitteln oder Personalkapazitäten bzw. Finanzmitteln zur Anschaffung dieser Einsatzgüter und setzen sie zur Reproduktion eben dieser Ressourcen ein. Alles, was diese Reproduktionsbedingungen beeinflußt, kann als marktliche Strukturpolitik aufgefaßt werden. Dazu gehört die Einfuhrung neuer Technologien, die grundsätzliche Verschiebung von Preisverhältnissen fur Einsatzgüter, aber auch die Veränderungen der Transaktionskosten für das wirtschaftliche Handeln selbst (zur Verbindung von mikropolitischer Analyse und Transaktionskostentheorie: Müller 1996). Marktliche Handlungen werden jedoch nicht nur durch allokative Ressourcen strukturiert. Es fließen hier genauso autoritative Ressourcen (z.B. Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Großabnehmern und kleinen Lieferanten),
Interpretations-
schemata (z.B. branchenweit geteilte Geschäftsverständnisse) und Normen (z.B. Qualitätsstandards) ein. Ortmann zeigt das Zusammenspiel dieser Dimensionen eindrucksvoll am Beispiel von Lean ProductionKonzepten in der Automobilindustrie auf (1995).
2.3.2 Politik Dyllick unterscheidet in seiner Klassifizierung nur allgemein das Lenkungssystem Politik. Es dient bei ihm der "kollektive(n) Entscheidungsfindung" sowie der "Wahrung politischer Rechte des Bürgers", ihm liegt der Lenkungsmechanismus "Abstimmung und Wahl" zugrunde und es wirkt über hoheitlichen "Zwangsabtausch gegenüber Adressaten" mit Einfluß als Medium (1989, 15S). Anders als im Markt, wo der freie Tausch zwischen Marktteilnehmern immer zeitsymmetrisch ist, gilt dies für die Politik nicht. Die Politikfindung und -Verabschiedung ist sowohl zeitlich als auch häufig von den beteiligten Akteuren her erheblich vom Politikvollzug entkoppelt. Politikfindung und Politikvollzug müssen daher eigentlich als zwei unterschiedliche Arenen der
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Mikropolitik zweiter Ordnung unterschieden werden. Der Beitrag konzentriert sich im folgenden jedoch nur auf die Politikfindung. Sie spielt sich in einer großen Anzahl von Arenen ab, an denen verschiedene Akteurskonstellationen beteiligt sind. Diese politischen Akteur-Sets oder "Policy"-Netze können weitgehend offene oder kleine geschlossene Zirkel sein, sich auf einzelne politische "Issues" besehen oder ganze Politikbereiche (wie z.B. die Chemikalienkontrolle) abdecken (WindhoffHéritier 1987, 45 f.). Der Prozeß der Politikfindung vollzieht sich in einem "argumentativen Kosmos" und wird daher insbesondere durch Normen und interpretative Schemata bestimmt. Was von den Akteuren überhaupt als ein Problem wahrgenommen wird, wie diese Probleme wahrgenommen werden, was als wichtig und "Agenda"-würdig angesehen wird, ergibt sich aus bestehenden Interpretationsschemata und Normen im jeweiligen Akteurset. Jedoch spielen immer auch Ressourcen in den Prozeß der Politikfindung hinein. Im ökologischen Kontext kommt Fachwissen eine Schlüsselstellung als (allokative und autoritative) Ressource hinzu. Schneider illustriert dies am Beispiel der Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) in der (deutschen) chemiepolitischen Diskussion (Schneider 1988,109): "Der gute Zugang und die starke Präsenz des VCI im Netz der institutionalisierten Beteiligung und seine engen Beziehungen zu Ministerien lassen sich nicht ohne die spezifische Ressource erklären, über die kein anderer Akteur im Politikfeld verfugt: das praxisnahe, detaillierte und fundierte Expertenwissen." Fachwissen vermittelt in diesem Fall unmittelbare Einflußmöglichkeiten auf Personen und Institutionen. In sehr wissensintensiven Themengebieten - wie dies gerade viele ökologische Fragestellungen sind - ist die Erlangung eines Expertenwissens zwangsläufig an die Verfügungsgewalt über allokative Ressourcen verbunden. In der politologischen Forschung werden neben dem Expertenwissen weitere "Ressourcen", die für politische Prozesse Bedeutung haben, erwähnt.
ökologische Reorganisation von Branchen
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Dazu gehören finanzielle Ressourcen, Personal und technische Einrichtungen, gute Beziehungen zu einflußreichen Organisationen, ein hoher Organisationsgrad oder ein gutes Image in der Öffentlichkeit (1988,160).
2.3.3 Öffentlichkeit Märkte sind durch eine bestimmte Handlungsform - nämlich den Austausch spezifischer Waren und Dienstleistungen gegen Geld - abzugrenzen. Kollektive Entscheidungsfindung
stellt den Bezugspunkt
politischen Handelns dar. Das Phänomen "Öffentlichkeit" ist dagegen sehr viel schwerer zu fassen. Die unterschiedlichen Öffentlichkeitskonzeptionen von Habermas (Öffentlichkeit als Ort des Diskurses) und Luhmann (Reduzierung von Öffentlichkeit auf die "thematische Struktur öffentlicher Kommunikation") deuten schon daraufhin. Die Medienwissenschaften helfen, die Arena "Öffentlichkeit" konkreter zu fassen. Demnach nehmen Agenda-Setting-Systeme eine Schlüsselbedeutung in öffentlichen Meinungsbildungsprozessen ein. AgendaSetting-Systeme sind soziale Systeme, die bestimmen, welche Themen überhaupt auf die Agenda der öffentlichen Meinungsbildung gelangen (Kleebinder 1995,77 ff.). Ahnlich wie der "Markt" in eine große Anzahl Einzelmärkte und Politik in zahlreiche politische Arenen zerfallt, präsentiert sich mithin auch Öffentlichkeit als eine Menge von AgendaSetting-Systemen im Sinne von Teilöfifentlichkeiten. Eine solche Spezifizierung scheint notwendig, um die Idee von Öffentlichkeit für eine Theorie der Unternehmung als strukturpolitischer Akteur handhabbar zu machen. Aus der Perspektive der Strukturationstheorie ist es von Bedeutung, Öffentlichkeit nicht lediglich als "Diskursuniversum", d.h. als einen von konkreten Akteuren losgelösten Raum von Normen und Interpretationsschemata, zu betrachten. Die Wahrnehmung von Öffentlichkeit als Summe zahlreicher Agenda-Setting-Systeme sensibilisiert da-
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Uwe Schneidewind
fur, daß in den Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung neben Regeln auch Ressourcen involviert sind. Öffentliche Meinungsbildung vollzieht sich heute über Massenmedien. Technische undfinanzielleRessourcen beeinflussen entscheidend, welche Themen Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung werden. Auch autoritative Ressourcen sind in den Prozeß öffentlicher Meinungsbildung involviert: Ob ein Argument Teil öffentlicher Diskussion wird, hängt entscheidend davon ab, wer es vorträgt und welche (allokativen) und autoritativen Ressourcen sie/er besitzt, gehört zu werden. Quelle solcher autoritativen Ressurcen können Rang, Stellung, öffentliches Ansehen aber auch Charisma oder andere persönliche Attribute sein. 2.4 Ansatzpunkte unternehmerischer Strukturpolitik
Der vorangegangene Abschnitt hat drei Arenen (Markt, Politik, Öffentlichkeit) nachgezeichnet, die die strukturelle Umwelt der Unternehmung darstellen. Inwiefern können Unternehmen auf diese Strukturen Einfluß nehmen, um ihren (ökologischen) Handlungsspielraum zu verändern? Ausgehend von der Giddens'schen Konzeption haben die (Vermittlungs-)Modalitäten hierfür eine Schlüsselbedeutung, weil sie das Bindeglied zwischen individuellem Handeln und Struktur darstellen und die (Re-)Produktion von Struktur(en) leiten. Die Beeinflußung der Modalitäten ist daher ein direkter Ansatzpunkt einer Mikropolitik zweiter Ordnung.6 Eine solche Einflußnahme bedeutet in
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Daneben sind aus der Strukturationstheorie weitere (indirekte) Ansatzpunkte für eine Mikropolitik zweiter Ordnung ableitbar, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Dazu gehören die Beeinflußung von Akteur-Sets (Strukturpolitik durch Einbeziehung oder Ausschluß von Akteuren in/aus Arenen) sowie die Veränderung der Diskursivität und der Reflexivität des (unternehmerischen) Handelns.
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der Regel, daß eine Vermittlungsmodalität in ihrer inhaltlichen Ausprägung bewußt verändert wird. Dies kann die Reformulierung einer Norm oder eines Interpretationsschemas sein oder sich in der Veränderung einer autoritativen Ressource (z.B. Veränderung einer Verwaltungsvorschrift oder eines Lieferantenvertrages) bzw. einer allokativen Ressource (vermehrter Einsatz von Finanzmitteln oder von neuen Technologien) niederschlagen. Ein einzelner Akteur (wie eine Unternehmung oder ein Verband) kann jedoch eine Vermittlungsmodalität nicht beliebig nach seinen Vorstellungen gestalten. Sein Gestaltungsfreiraum wird vielmehr selbst wieder durch die Strukturen bestimmt, in die er eingebettet ist. Die Beeinflußung einer Vermittlungsmodalität verläuft daher nicht linear, sondern rekursiv: Durch den Eingriff in Strukturierungsprozesse gilt es überhaupt erst, die Handlungsspielräume zu schaffen, die das konkrete "Spielfeld" bereiten, um auf eine Modalität Einfluß nehmen zu können.
3. Von der Öko-Nische zum ökologischen Massenmarkt: Ein praktischer Fall ökologischer Branchenreorganisation 3.1 Umsetzung von ökologischen Massenmärkten als strukturelle Herausforderung Der im vorangegangen Kapitel skizzierte theoretische Rahmen wird im folgenden an einem konkreten Beispiel illustriert: der Ökologisierung von Massenmärkten bei Textilien. Die Ökologisierung von Massenmärkten ist Synonym für einen grundsätzlichen ökologischen Strukturwandel in den heutigen Industriegesellschaften: Um die ökologischen Postulate einer Nachhaltigen Entwicklung zu erfüllen, werden in der Regel ökologische Belastungsreduktionen um den "Faktor 4" (Weiz-
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säcker/Lovins/Lovins 1995) oder "Faktor 10" (Schmidt-Bleek 1993) gefordert. Hierfür sind grundsätzliche ökologische Umorientierungen in den meisten Branchen notwendig (s. auch Minsch u.a. 1996). Dies können neuartige Produktgenerationen sein, neue Formen von Dienstleistungen und Funktionsangeboten (wie z.B. Car-Sharing oder die gemeinsame Nutzung anderer Gebrauchsgüter) oder auch Anpassungen im Verbraucherhandeln (z.B. Umstellung von Ernährungs-, Kleidungs- und Mobilitätsgewohnheiten). Solche Veränderungen stehen in den meisten Branchen noch aus. In vielen Märkten spielen ökologische Produktvarianten und neue, ökologisch motivierte Funktionsund Dienstleistungsangebote durchaus eine Rolle. In bestimmten Bevölkerungskreisen läßt sich auch eine grundsätzliche Umorientierung des Verbraucherverhaltens beobachten. Dennoch bleiben alle diese Phänomene in der Regel Nischenphänomene. Es dominieren weiterhin Produkte, Dienstleistungen und Verbraucherverhalten, die den Nachhaltigkeitsforderungen nicht gerecht werden. Als Gründe für die ausbleibende Ökologisierung des Massenmarktes werden in der Regel markt-, politik- und öffentlichkeitsbezogene strukturelle Barrieren angeführt: • Marktunvollkommenheiten wie Informations- und Vertrauensprobleme bei Produkten mit ökologischen Eigenschaften (Marktstrukturen, Kaas 1993), • ein gesetzlicher Ordnungsrahmen, der externe ökologische Effekte nicht ins Preissystem intemalisiert (Politische Strukturen, Weizsäcker 1990), • sowie eine unzureichende Kopplung von ökologischer Wahrnehmung und ökologischem Handeln in der Öffentlichkeit (Öffentliche Strukturen), die zwar zu einer grundsätzlichen ökologischen Sensibilisierung, aber nicht zu einer entsprechenden Veränderung des Einkaufs- und politischen Wahlverhaltens fuhrt.
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Die Ökologisierung von Massenmärkten bietet sich daher für die Analyse ökologischer Branchenreorganisation durch unternehmerische Strukturpolitik an. Ökologische Massenmärkte ergeben sich heute nicht quasi automatisch durch irgendwelche Systemlogiken, sie müssen in mikropolitischen Arenen der zweiten Ordnung erfochten werden. 3.2
Textilhilfsmittel/TextilfarbstofTe: Ökologische Branchenreorganisation durch Stoffldassifizierung
3.2.1 ökologische Herausforderungen in der textilen Kette und der strukturelle Zwang zur Öko-Nische Die Textilveredelung und -färbung ist eine zentrale ökologische Belastungsquelle in der textilen Kette (zu den folgenden Angaben: Enquête-Kommission 1994, 153 f.). Sie verursacht einmal erhebliche Abwasserbelastungen, da ein Großteil der eingesetzten Chemikalien nicht auf dem Textil verbleibt, sondern ins Abwasser gelangt. Zum anderen treten gelegentlich gesundheitliche Komplikationen auf, wenn im oder auf dem Textil verbliebene Stoffe Kontaktallergien auslösen oder über die Haut in den Organismus eindringen. Aus stofipolitischer Sicht haben diese Veraibeitungsschritte eine besondere Bedeutung, weil in der Textilveredlung und -färbung mehrere Tausend unterschiedliche Produkte (auf der Basis von mehreren Hundert Wirkstoffen: Lepper/ Schönberger 1996,1) zur Anwendung kommen. Aufgrund der (sich zudem ständig verändernden) Stofívielfalt ist es Akteuren in der textilen Kette kaum möglich, einen ökologisch verantwortlichen Umgang mit den eingesetzten Stoffen zu gewährleisten: Die Hersteller der Textilchemikalien in Industrieländern erheben zwar in der Regel (gesetzlich geforderte) Grunddatensätze zu den ökologisch relevanten Wirkungen der einzelnen Substanzen. Zuverlässige Aussagen zu allen wichtigsten potentiellen Umweltwirkungen und insbesondere zu denkbaren
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Kombinationswirkungen mit anderen Stoffen sind damit aber nicht möglich. Da ein Großteil der heute eingesetzten Textilchemikalien zudem aus Drittweltstaaten und Schwellenländern (z.B. Indien) kommt, sind selbst diese Basisinformationen häufig nicht vorhanden. Textilveredlungsunternehmen als Anwender der Stoffe sind daher in einer konsequenten ökologischen Auswahl der Einsatzstoffe überfordert und konzentrieren sich im wesentlichen auf eine - behördlich flankierte Schadensbegrenzung. In noch stärkeren Maße gilt diese Überforderung fur die Textilunternehmen, Textilhandel und Verbraucher, die in der Regel kaum über notwendiges stoffbezogenes Wissen verfugen, um eine unter ökologischen Gesichtspunkten optimierte Textilveredlung und -färbung von ihren Vorlieferanten einzufordern und zu kontrollieren. Textilien,
die
eine
ökologisch
optimierte
Textilveredlung
gewährleisten, finden sich daher heute ausschließlich in Nischen - einerseits in Form von Naturtextilien, bei denen vollständig aufjede Art der chemischen Behandlung und Färbung verzichtet wird, andererseits bei Herstellern von Öko-Textilien, die unter Inkaufnahme eines erheblichen Aufwandes bereit sind, den Stoffeinsatz bei der Veredlung und Färbung auf bestimmte Substanzen zu beschränken und die Verwendung zu kontrollieren. In beiden Fällen bleiben die Angebote auf kleine Kundengruppen beschränkt, da sie nur den modischen Geschmack einzelner treffen (Naturtextilien) oder aufgrund der hohen Informations- und Kontrollkosten teuer im Markt angeboten werden (klassische ÖkoTextilien-Anbieter).
3.2.2 Textilhilfsmittelklassifikation - ein Interpretationsschema als Ausweg aus der Öko-Nische Eine Überwindung dieser strukturellen Blockade ist durch die Definition und Umsetzung einer geeigneten Textilhilfsmittel-/-farbstoflf-Klassifikation möglich. Ein solches Interpretationsschema klassifiziert die
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Vielzahl der Stoffe in eine überschaubare Anzahl von Kategorien, die Aussagen zum Grad der ökologischen Bedenklichkeit eines Stoffes machen. Es reduziert die Komplexität für alle Beteiligten erheblich: ÖkoLabels können auf einer solchen Klassifizierung aufbauen und ökologisch bewußte Verbraucherentscheidungen erleichtern. Durch das Vorschreiben der ausschließlichen Verwendung von Stoffen aus unbedenklichen Kategorien oder den Ausschluß bedenklicher Kategorien können Textil(handels)untemehmen klare ökologische Anforderungen an ihre Vorlieferanten definieren, ohne sich über die ökologische Qualität eines Einzelstoffes informieren zu müssen. Durch diese marktlichen Impulse entstehen für die Hersteller der Hilfsmittel oder Farbstoffe (auch in Drittweltländern) erhebliche Anreize zur Entwicklung ökologischer Produktvarianten, da unklassifizierten Stoffen eine Verbannung vom Markt droht. Die Auswirkungen eines solchen Klassifikationsschemas sind dabei nicht nur auf den Markt beschränkt. Es fördert auch eine ökologische Reorganisation über Politik und Öffentlichkeit: Dem Gesetzgeber ist die stoffpolitische Regulierung der entsprechenden Stoffklassen erheblich erleichtert (z.B. Stoffverbote nach Kategorien, nur noch Kontrolle der Einstufungsverfahren bei Zurückdrängung unmittelbarer Kontrollen). Öffentliche Anspruchsgruppen wie Umweltschutzorganisationen können ihre ökologischen Forderungen durch Verweis auf ein solches Schema einfacher kommunizieren. Eine Textilhilfsmittelklassifikation - aus der Perspektive der Strukturationstheorie ein Interpretationsschema - ist mithin ein vielversprechender Ansatzpunkt zur ökologischen Reorganisation der Textilbranche. Doch wie entsteht ein solches Interpretationsschema? Bei der Beantwortung der Frage zeigt sich, daß eine solche Struktur(dimension) nicht einfach von außen gesetzt wird, sondern sich vielmehr in einem (mikro-)politischen Prozeß unterschiedlicher Akteure ergibt. An diesen
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sind u.a. Unternehmen der textilen Kette sowie ihre Verbände beteiligt, zudem sind alle vier Modalitäten involviert. 3.2.3 (Mit-)Gestaltung einer Textilhilfsmittelklassifikation Skizze eines rekursiven Spielfeldes Eine Textilhilfsmittelklassifikation beruht auf zahlreichen normativen Grundurteilen. Chemische Substanzen zeichnen sich dadurch aus, daß ihre ökologische Unbedenklichkeit nie mit Sicherheit vorausgesagt werden kann. So wurde bei den FCKW erst nach Jahrzehnten ihre ozonschichtschädigende Wirkung entdeckt. Vorher galten sie als ökologische Musterstoffe. Wie stark der Ausschluß solcher Gefahren gegenüber den ökonomischen Chancen von Produkten gewertet wird, hängt von normativen Entscheidungen ab. Sie bestimmen darüber, welche Sicherheitsmargen bei der Grenzwertfestlegung gelten oder ob überhaupt Grenzwerte (statt eines Totalverbots) akzeptiert werden (z.B. bei krebserzeugenden Substanzen). Ein Interpretationsschema wie eine Stofíklassifizierung muß weiterhin selbst wieder auf Interpretationsschemata aufbauen. Es müssen im vorliegenden Fall etablierte Testmethoden vorliegen, um ökologische Effekte nachweisen zu können. Welche Testmethoden dabei z.B. als geeignet angesehen werden, die Kanzerogenität, Mutagenität oder Aquatoxizität eines Stoffes bestimmen, ergibt sich aus Interpretationsschemata, die z.T. über Jahre und Jahrzehnte in der "Scientific Community" von Toxikologen, Medizinern und Biologen (re-)produziert wurden. Weiterhin fließen in das Spiel um die Festlegung
einer
Textilhilfsmittelklassifikation zahlreiche allokative und autoritative Ressourcen ein. Die Erhebung der für eine Klassifikation notwendigen Grunddaten pro Stoff ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die für eine Messung notwendige Analytik ist an viele technische Voraussetzungen
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gebunden. Neben der eigentlichen Einordnung der Stoffe ist es zudem notwendig, ein Kontrollsystem zu etablieren, das gewährleistet, daß Einstufungen richtig erfolgen und daß Textilprodukte nur mit Stoffen der angegebenen Klassen veredelt und gefärbt wurden. Je nach Organisationsmodell fallen die entsprechenden Kosten bei unterschiedlichen Akteuren an. Es ist vorstellbar, entsprechende Kontrollen völlig in privater Regie durchzuführen, aber auch, sie weitgehend staatlich zu monopolisieren. Als autoritative Ressourcen fließen in das Ringen um eine Textilhilfsmittelklassifikation die Gesetzgebungsmacht des Staates sowie die Anordnungskompetenzen der Vollzugsbehörden ein. Beide sind jedoch beschränkt, da durch die hohe wirtschaftliche Bedeutung und den guten Organisationsgrad der Chemischen Industrie in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesetzliche Regulierungen, die die Tätigkeit dieses Wirtschaftszweiges umfassend beeinträchtigen, politisch kaum opportun erscheinen. Aufgrund der Komplexität der Materie sind zudem dem Vollzug äußerst restriktiver RegelungenfinanzielleGrenzen gesetzt. Die staatlichen Akteure sind darauf angewiesen, Regelungen zu finden, die sowohl dem ökologischen Problem als auch den ökonomischen Bedingungen der betroffenen Branchen gerecht werden. Dies können sie nicht ohne Rückgriff auf das umfassende Fachwissen in der Industrie selbst. Expertenwissen kommt daher gerade in den entsprechenden politischen Prozessen ebenfalls der Charakter einer autoritativen Ressource zu. Die vorangegangen Abschnitte haben den grundsätzlichen Aufbau eines "Spielfeldes" für das Ringen um eine Textilhilfsmittelklassifikation nachgezeichnet. Solche derart gestalteten Arenen waren bzw. sind seit Mitte der achtziger Jahre sowohl in Holland, Dänemark, Österreich, der Schweiz und seit Mitte der neunziger Jahre in Deutschland zu beobachten (gewesen). Sie haben zu institutionell sowie inhaltlich jeweils
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unterschiedlichen Systemen der Textilhilfsmittelbewertung gefuhrt (zu den Systemen: Lepper/Schönberger 1996; in Deutschland war der Prozeß 1996 noch nicht abgeschlossen). Dies hängt damit zusammen, daß die Ausprägung von Interpretationsschemata und Normen in den Ländern unterschiedlich war, sich die Ressourcenausstattung der Akteure unterschied und die Akteure unterschiedliche Strategien (z.B. unterschiedliche Kooperationsintensität) wählten, um ihre Interessen bei der Festlegung einer Textilhilfsmittelklassifikation durchzusetzen. Im Rahmen des vorliegenden Beitrages ist es nicht möglich, die Entstehung der einzelnen Systeme ausfuhrlich zu rekonstruieren. Das gewählte Beispiel illustriert jedoch einige zentrale Aspekte unternehmerischer Strukturpolitik: • Es zeigt, daß eine Mikropolitik zweiter Ordnung ein komplexer und rekursiver Prozeß ist: Marktliche, politische und öffentliche Strukturen lassen sich nicht nach einfachen Managementregeln durch einzelne Akteure gestalten. Es tun sich vielmehr lediglich "Gestaltungskorridore" auf, die Akteure bei guter Kenntnis des Spielfeldes und bei Rückgriff auf ein weites Repertoire an Spielzügen nutzen können. Durch die Rekursivität sind dabei Handlungsnebenfolgen nie umfassend zu berücksichtigen. Dies erschwert eine zielgerichte Steuerung zusätzlich. • Konkret wird im Beispiel deutlich, wie eng die einzelnen Modalitäten miteinander verknüpft sind: In das Ringen um gemeinsame Interpretationsschemata sind Normen sowie allokative und autoritative Ressourcen umfassend eingebunden. • Modalitäten (im vorliegenden Fall Interpretationsschemata) erweisen sich weiterhin als Nahtstellen zwischen den unterschiedlichen Arenen unternehmerischer Strukturpolitik: Sie beeinflussen nicht nur Marktprozesse, sondern auch Politik und Öffentlichkeit. Dies erklärt die enge Vernetzung der diversen Unternehmungsumwelten.
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4. Fazit und Ausblick Das Beispiel der Textilhilfsmittelklassifizierung illustriert, wie sich mikropolitische Arenen im Branchenkontext präsentieren. Sie eröffnen Unternehmen und Wirtschaftsverbänden ein umfassendes Spielfeld zur Mitgestaltung der marktlichen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihres Handelns. Diese Form der mikropolitischen Analyse sensibilisiert dafür, daß das Postulat der "ordnungspolitischen Mitverantwortung" (Ulrich 1994, 92) nicht ausschließlich eine regulative Idee für den "republikanischen Unternehmer" darstellt. Mit dem Giddens'schen Theorierahmen läßt sich zeigen, wie sich dieses Postulat durch Unternehmen und Wirtschaftsverbände einlösen läßt. Die entsprechende Forschung steht jedoch erst am Anfang. Es stellen sich folgende Herausforderungen für die zukünftige Forschung: (1) Im Beitrag wurde lediglich eine Form unternehmerischer Strukturpolitik dargestellt: die Einflußnahme auf einzelne Strukturdimensionen. Darüberhinaus gibt es weitere Ansatzpunkte, wie dies in Fußnote 5 schon kurz skizziert wurde. Alle diese Ansatzpunkte gilt es, differenziert zu entwickeln und in Gestaltungsansätze für Unternehmen zu übersetzen. (2) Im vorliegenden Beitrag wurde lediglich die Arena unternehmerischer Strukturpolitik empirisch gefüllt. Auf die Rekonstruktion des konkreten Handelns der einzelnen Akteure in der Arena mußte aus Platzgründen verzichtet werden. In zukünftigen Arbeiten muß der theoretische Rahmen mit möglichst zahlreichen empirischen Fällen gefüllt werden. (3) Schließlich ist es bei zukünftigen Forschungsarbeiten notwendig, die klassische mikropolitische Analyse mit der hier vorgestellten Mikropolitik der zweiten Ordnung zu verknüpfen. Denn oft sind es einzelne Personen in Unternehmen, die durch ihr Aktivwerden auf Branchenebene
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Prozesse der Branchenreorganisation vorantreiben. Zwar können sie sich bei diesem Tun auf die Ressourcen "ihrer" Organisation bzw. "ihres" Verbandes stützen, dennoch bleibt das Individuum bedeutend. Das Tätigwerden auf der Ebene der ökologischen Branchenreorganisation hat andererseits Rückwirkungen auf die mikropolitischen Gestaltungsmöglichkeiten des Akteurs in der eigenen Organisationen. Die Analyse dieses Wechselspiels eröffnet ein interessantes Untersuchungsfeld für eine erweiterte und vernetzte "Mikropolitik" der und in der Organisation.
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Ulrich Sieger
Mikropolitik - strategisches Management Organisationslernen Welcher Weg aus dem Dilemma?
1. Globaler Restrukturierungsdruck und betriebliche Umweltpolitik Spötter behaupteten, schon 1993 wäre mehr über Umweltschutz geschrieben worden, als gelesen wurde. 1997 läßt sich diese Aussage ausdehnen: es gibt vermutlich mehr Forscher (und Berater) im Umweltmanagement als Umweltmanager. Allein zum Mode-Thema ÖkoAudit sind zur Zeit etwa 70-80 Dissertationen an deutschen Hochschulen in Arbeit und ein Vielfaches an Diplom-Arbeiten verfaßt worden. Wie die letzte "Greening of Industry Conference" in Heidelberg zeigte, läßt sich Vergleichbares auch für andere nord- und westeuropäische Länder konstatieren. Ein Blick in die Unternehmen zeigt ein anderes Bild. Zwar gibt es keine aktuellen und verläßlichen empirischen Untersuchungen, aber in groben Strichen läßt sich etwa das folgende Bild zeichnen: • Es gibt einen stabilen Kern von mittelständischen "Öko-Pionieren" und fortschrittlichen Großunternehmen, die relativ konsequent Umweltschutz als Unternehmensziel umsetzen. Dies macht sich in Produkten wie Produktionsprozessen langsam bemerkbar, aber ihr Anteil an der Gesamtheit bleibt relativ konstant. Wie eine Durchsicht der Literatur zeigt, werden immer wieder die gleichen Beispiele zitiert - "es wächst nichts nach", wie Umweltpreisträger
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Ulrich Steger
Klaus Günther feststellte. Ich würde den Anteil dieser Unternehmen auf etwa 5-10% in den "umweltsensibleren" Ländern (Skandinavien, deutschsprachiger Raum und Benelux-Staaten) schätzen, auf weniger als 2% in den übrigen europäischen Ländern und den USA. Im Rest der Welt sind nur einzelne Innovatoren in dieser Kategorie zu finden. • Etwa ein Viertel der Unternehmen kann man in Nordeuropa als "Öko-Rationalisten" bezeichnen, also die Unternehmen, die systematischer den Umweltschutz managen (die ISO 1400- oder EMASAnwender) und die Kostensenkungspotentiale oder situativ auch Marktchancen nutzen. Im Rest der Welt ist dieser Anteil wieder signifikant geringer. Als grober Indikator kann dafür die Mitgliedschaft in unternehmerischen Umweltschutzorganisationen wie etwa WBCSD1, GEMÎ usw. dienen: schätzungsweise 250 von etwa 7000 multinationalen Unternehmen weltweit sind hier Mitglieder. • den Rest schätze ich als "Öko-Minimalisten" ein, die sich im wesentlichen auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften beschränken, "Greening of Industry" scheint eher ein schleichender Prozeß zu sein. Jenseits vordergründiger Schuldzuweisungen oder Weltuntergangs-Klagen sind dabei vier Gründe zu identifizieren (wobei ich mich im folgenden im wesentlichen auf Westeuropa und Nordamerika beschränke; insbesondere die Probleme in den Entwicklungs- und Schwellenländern bedürfen einer gesonderten Analyse, die hier nicht zu leisten ist) (Steger 1996):
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World Business Council for Sustainable Development Global Environmental Management Initiative.
Mikropolitik - strategisches Management - Organisationslernen 257 • Die sichtbaren und direkt gesundheitsbelastenden Umweltprobleme sind weitgehend gelöst. Die z.T. globalen Risiken, die daraus resultieren, daß wir "sauber, aber nicht nachhaltig" geworden sind, erscheinen als unsicher, diffus, kontrovers und vor allem: eine Generation weit weg zu sein. Daher hat sich auch der politische Druck für mehr Umweltschutz vermindert. • Zugleich hat sich der "Globalisierungsdruck" erhöht. Dies steht symbolisch für den z.T. dramatischen Strukturwandel, der durch neue Technologien und Wettbewerber sowie institutionelle Veränderungen auf sich globalisierenden Märkten induziert wird. Seine unzureichende Bewältigung fuhrt zu flachem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit in Europa und dies wieder zur Destabilisierung des traditionellen Wohlfahrtsstaates. Platt gesagt: die Ökonomie wird wieder wichtiger als Ökologie und Sozialstaat, die Zeithorizonte werden kürzer (wie nicht nur Meinungsumfragen zeigen). • Aber nicht nur der Vorrang der Ökonomie und die Abstraktheit weit entfernter Umweltrisiken erschweren die Umweltpolitik, sondern auch das "altmodische" Instrumentarium - es ist immer noch weitgehend auf die Emission eines Schadstoffes aus einer Quelle in einem Medium zugeschnitten. So angemessen dies vor 25-30 Jahren am Beginn der Umweltpolitik gewesen sein mag, auf die heutigen Probleme diffuser Emissionen, die aber über die gesamte Prozeßkette und im Zeitablauf die "critical load" überschreiten, auf den Aufbau von Kreisläufen oder die Stimulierung von Innovation - kurz: auf die Probleme heute und in der Zukunft - ist es nicht zugeschnitten. Eher hat es zur Entwicklung eines "ökologischbürokratischen Komplexes" geführt, der dann auf Unternehmensebene seine Entsprechung findet. • "Last but not least" kann man den Verbrauchern in den westlichen Wohlstandsländern nicht bescheinigen, durch ihre Kaufentschei-
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Ulrich Steger
düngen oder ihre Konsummuster Nachfragedruck auf die Anbieter auszuüben. Ein Mehr in Richtung "Sustainability" findet immer da seine Grenzen, wo materielle Verzichte oder eine Verhaltensänderung erwartet wird. Einige Bestrafungsaktionen der Verbraucher bei persönlicher oder gesundheitlicher Betroffenheit haben die Unternehmen eher davon überzeugt, daß bestenfalls "Genuß ohne Reue" das Leitmotiv der meisten Kunden zu sein scheint. In dieser Situation stehen auch die Konzepte auf dem Prüfstand, die sich mit Unternehmen und ihren Tätigkeiten im Umweltschutz befassen. Weniger geht es dabei um die Frage, ob sie "richtig" oder "falsch" sind, und auch nicht um normative oder ideologische Kontroversen, die die Umweltdebatte begleiten, da es hier ja um Wertkonflikte, Lebensstile und Konsummuster, Verantwortlichkeiten und (Macht-)Verteilungen geht. Dies ist eine interessante politische Diskussion, die jedoch die Frage nach der Leistungsfähigkeit unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher oder mikro-soziologischer Ansätze überfrachten würde. Daher werden auch Konzeptionen, die eher in den Traditionen einer normativen Betriebswirtschaftslehre stehen, hier nicht weiter analysiert (dazu rechne ich vor allem Pfriem 1995 oder Ulrich 1991). Vielmehr sollten drei verschiedene Ansätze miteinander verglichen werden, die auf die Umweltpolitik auf Unternehmensebene angewandt werden: • das strategische Management als "traditioneller" betriebswirtschaftlicher Ansatz, • die eher soziologische Konzeption der Mikropolitik und • neuere Theorien des Organisationslernens. Die sehr pluralistische Diskussion zum Thema "Umweltschutz und Unternehmen" auf diese drei Ansätze zu reduzieren, ist natürlich ein "Prokrustesbett". Beispielsweise würden sich die Vertreter des
Mikropolitik - strategisches Management - Organisationslernen 259 St. Gallener Management-Ansatzes (etwa Bleicher 1992; Dyllick 1992), die sehr intensiv dieses Thema bearbeitet haben, vermutlich heftig dagegen wehren, unter die Ansätze vom strategischen Management subsumiert zu werden. Auch gibt es fließende Übergänge (etwa vom Konzept der kontinuierlichen Verbesserung zum Organisationslernen). Aber eine Reduktion von Komplexität ist - wie meistens in der Wissenschaft - unvermeidbar, um überhaupt zu Ergebnissen zu kommen. Alle drei Ansätze werden dabei als wissenschaftlich hinreichend fundierte Konzeptionen betrachtet, eine methologische oder wissenschaftstheoretische Kritik ist hier nicht beabsichtigt. Vielmehr soll unter einer pragmatischen Wissenschaftszielsetzung analysiert werden, inwieweit sie • das Verhalten von Unternehmen im Umweltschutz erklären können und • ob und welches Handlungswissen sie für Unternehmen bereitstellen können (und damit ihre Entscheidungen beeinflussen). Davon erhoffen wir uns mehr Transparenz und Kriterien für die Frage, wann welcher Ansatz fruchtbar ist und wie "weit" die Aussagen unter den jeweiligen Prämissen des Ansatzes reichen können. Gerade weil der Autor in die Entwicklung des betriebswirtschaftlichen Ansatzes involviert war, kann eine solche Analyse geleistet werden, ohne der Versuchung "right or wrong - my theory" zu verfallen.
2. Wirksamkeit und Grenzen des strategischen Management-Ansatzes Bis etwa Mitte der achtziger Jahre galt nicht nur in Westeuropa Umweltpolitik als Aufgabe des Staates, ging es doch darum, öko-
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logische externe Effekte durch entsprechende Regulierungen zu internalisieren. Mit zunehmender Breite und Tiefe der Regulierung und einem wachsenden Umweltbewußtsein (was allerdings nur begrenzt bei Kaufentscheidungen verhaltenswirksam wurde) wuchs jedoch die Relevanz des Themas für die Unternehmen, so daß etwa ab Mitte der achtziger Jahre es sich von einem mehr technisch-rechtlichen zu einem eher strategischen Thema entwickelte. Die Betriebswirtschaft reagierte auf diesen Trend mit der Entwicklung von Konzepten und Instrumenten, die vorwiegend auf dem Ansatz des strategischen Managements beruhten (s. aus der Fülle der Literatur beispielhaft Kreikebaum 1992, 1993; Meffert/Kirchgeorg 1993; Steger 1993; allerdings sollten auch frühe Pioniere, wie etwa Strebel 1980, nicht vergessen werden). Zentrale Aufgabe war die Anpassung von Konzepten und Instrumenten wie etwa Strategie-Portfolios, Wertschöpfungsketten oder Markt- und Wettbewerbsanalysen auf Fragestellungen des unternehmensbezogenen Umweltschutzes. Dies sollte es den Unternehmen erlauben, Umweltschutz in das Zielsystem und die daraus abgeleiteten (Unternehmens-)Strategien zu integrieren. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Umsetzung in eine entsprechende Organisation (als Überblick: Antes 1996) und die entsprechenden funktionalen Strategien (etwa dokumentiert in Steger 1992). Mit einiger Zeitverzögerung wurde diese Entwicklung auch im angelsächsischen Sprachraum nachvollzogen (vgl. etwa Shrivastava 1996; Vietor/ Reinhardt 1996). Auch die meisten Beratungsgesellschaften griffen auf diese Konzeption bei der Entwicklung ihrer "Consultingtools" zurück. Wer die Umweltberichte von Unternehmen liest, wird unschwer feststellen können, daß dieser Ansatz des strategischen Managements dominiert (jedenfalls bei den Unternehmen, die ich oben in die Kategorie der "Öko-Pioniere" oder "Öko-Rationalisten" eingestuft habe, andere kommunizieren Umweltschutz ja nicht in einer nach-
Mikropolitik - strategisches Management - Organisationslernen 261 vollziehbaren Weise). Auf der Begründungsebene für ihre Umweltschutzaktivitäten heben die Unternehmen auf die Umfeldveränderung ab. Bei besonders risiko-exponierten Branchen (z.B. Chemie, Automobilindustrie, Energiewirtschaft) steht dabei der Erhalt der "licenceto-operate" im Vordergrund, andere begründen ihr Engagement mit spezifischen Organisationsinteressen, etwa Markt- und Innovationschancen, höhere Mitarbeitermotivation, Kostensenkungspotentiale usw. Immer geht es dabei aber um die - mehr oder weniger - vorausschauenden Anpassungen an oder Einflußnahmen auf das Umfeld, um die langfristige Existenz des Unternehmens zu sichern. Diese rationale Argumentation von den eigenen Organisationsinteressen her fallt den Unternehmen sichtbar leichter als politische oder ethische Argumentationen (mit wenigen Ausnahmen wie z.B. Body Shop oder Wilkahn). Gleiches gilt für die Argumentationsmuster auf der strategischen Ebene, die Organisation (einschließlich der Parallelen zwischen Qualitäts- und Umweltmanagement) oder die Integration in Management-Prozesse (etwa der Produktentwicklung oder der Budget- und Business-Planung). Auf die (wieder erstarkte) Dominanz von finanzwirtschaftlichen Zielen ("shareholder value") wird mit finanzwirtschaftlichen Tools und Kennziffer-Systemen reagiert ("Environmental Accounting", "Environmental Performance Indicators", s. etwa Fussler/James 1996). Zugespitzt: der betriebswirtschaftliche Ansatz, der strategisches Management um die Umweltdimension erweiterte, war praktisch erfolgreich, weil er der Sprache und "Denke" des Managements entsprach, damit die Konzepte und Instrumente vertraut und leichter anwendbar erschienen - und daher auch vorzugsweise angewendet wurden. Management mußte nicht neu erfunden werden, Grund-
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prämissen der Unternehmensführung und -organisation wurden nicht in Frage gestellt, Aktionen begründbar und handhabbar gemacht. Genau an dieser Stelle - der "Harmonisierung" des Umweltschutzes mit dem traditionellen Management-Paradigma - setzt aber auch die Kritik an. Dabei geht es einmal - auf der normativen Ebene - um die "ökologische Blindheit" der Ökonomie generell und der Betriebswirtschaftslehre im besonderen. Dies ist dann Ansatzpunkt für mehr normative Konzepte, die aber hier - wie oben dargelegt - nicht weiter verfolgt werden sollen (und die letztlich auf die Entwicklung einer komplett "neuen" Ökonomie hinauslaufen, etwa wenn die Diskontierung zukünftiger ökonomischer Kosten und Erträge abgelehnt wird, was aber gleichbedeutend mit der Ablehnung von (Knappheits-) Preisen für Kapital ist). Auf der mehr fachlichen Ebene wurde argumentiert, daß die Veränderungen im ökonomischen wie sozialen Umfeld der Unternehmen zu groß geworden seien und daß dadurch spezifische Defizite des strategischen Managements immer stärker kontraproduktiv würden (am ausführlichsten Mintzberg 1994). Vor allem geht es dabei um die folgenden Kritikpunkte, die auch für die Anwendung im Umweltschutzbereich relevant sind: • Strategisches Management beruht auf einer (ökonomischen) Rationalitätsprämisse, die empirisch nicht haltbar ist. Intuition und wertgebundene Wahrnehmungen auf der individuellen Ebene und Interessenkonflikte auf der sozialen Ebene sind viel zu bedeutsam, als daß sie aus einem Managementparadigma ausgeblendet werden dürfen - zumal sonst auch der Zugang zu neuen Phänomenen und der gesellschaftlichen Entwicklung verstellt wird. • Im klassischen Management-Verständnis sind nur die (Top-) Manager relevante Akteure, alle anderen müssen durch "Zucker-
Mikropolitik - strategisches Management - Organisationslernen 263 brot und Peitsche" - in unterschiedlichen Variationen in unterschiedlichen Konzepten - dazu gebracht werden, die gesetzten Ziele und angeordneten Maßnahmen auch zu befolgen. Je komplexer jedoch die interne Struktur durch Dezentralisierung und Spezialisierung und je interaktiver die Beziehungen zum Umfeld der Unternehmung werden, um so mehr wird aus einer zulässigen Vereinfachung ein Mythos. • Zwischen Strategie und Maßnahmen einerseits und den gewünschten Ergebnissen andererseits besteht ein identifizierbarer, durch das Management herstellbarer Zusammenhang - dies ist die nächste Prämisse, die in einem komplexer und dynamischer gewordenen Umfeld fragwürdig geworden ist. Komplexität ist dabei nur eine diplomatische Umschreibung für Kontrollverlust, weil weder ein linearer noch (mono-)kausaler Zusammenhang zwischen Aktion und Ergebnis besteht. Wenn sich zudem das Umfeld noch rasch ändert, wird der Zusammenhang noch unüberschaubarer. Dies stellt ein fundamentales Problem für die Hierarchie im Unternehmen dar, die ja auf der prinzipiellen Zuordnung von Kompetenz und Verantwortung für Ergebnisse beruht. • Schließlich kann deshalb das strategische Management auch nicht erklären, warum Unternehmen selbst bei gleichen Umfeldbedingungen zu unterschiedlichen Strategien kommen - und damit auch noch erfolgreich sind. (Dies gilt übrigens auch für den Umweltschutz, als alleinige Variable reicht es für den Unternehmenserfolg nicht aus, Hart/Ahuja 1996). Als vorläufiges Fazit kann hier festgehalten werden, daß der strategische Management-Ansatz zwar praktisch weitverbreitet ist, weil er der Sprache und "Denke" des Managements am meisten entspricht, jedoch erhebliche konzeptionelle Schwächen aufweist.
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3. Mikropolitik - von der Analyse zum Handlungswissen? Einen völlig anderen Ansatz zur Analyse von Organisationen wie Unternehmen verfolgt dagegen die eher soziologisch orientierte "Mikropolitik" (s. etwa Pfeffer 1981; Sandner 1992). Hier steht der politische Charakter von Organisationen im Vordergrund und damit die Macht wie die Machtspiele der verschiedenen Akteure (allerdings wird Macht gelegentlich auch im Rahmen betriebswirtschaftlicher Organisationstheorien analysiert, s. etwa Mintzberg 1989). In der betrieblichen Arena gibt es die verschiedensten Akteure, die ihre spezifischen Ziele mit unterschiedlichsten Mitteln - von Ausdehnung des Kompetenzbereiches durch Wachstum bis zu "Seilschaften" mittels angehäufter Macht versuchen durchzusetzen, auch wenn es zwar den partiellen, aber keineswegs den Interessen der Gesamtorganisation entspricht (was in der Regel versucht wird zu verschleiern). Selbst wenn es eine dominante Koalition gibt (in Unternehmen meistens das Management oder die Eigentümer), so müssen sie doch permanent versuchen, ihre Macht zu behaupten und soweit Akzeptanz für ihre Macht zu sichern, daß sie nicht gestürzt oder zentrale Organisationsziele (etwa Rentabilität des Unternehmens) gefährdet werden. In jüngster Zeit ist dieser Ansatz auch auf Fragen des betrieblichen Umweltschutzes angewandt worden (Birke/Schwarz 1994; Burschel 1996). Die Dominanz eines rechtlich-technisch orientierten, nachsorgenden Umweltschutzes erklärt sich so daraus, daß - obwohl ökonomisch ineffizient - die neue Aufgabe am einfachsten abgearbeitet werden kann, ohne bestehende Machtverhältnisse und Strukturen zu ändern. Wo möglich, wird der Umweltschutz sogar in die dominante Strategie (z.B. Rationalisierung, verdichtete Arbeitskontrolle) "eingespannt" und stößt damit auf die Ablehnung der negativ Betroffenen.
Mikropolitik - strategisches Management - Organisationslernen 265 Es kann nach den vorliegenden (Fall-)Studien kein Zweifel daran bestehen, daß der mikropolitische Ansatz interessante Analysen hervorbringt. Dadurch können Abläufe und Wirkmechanismen transparent gemacht werden, die man als Beobachter oder Betroffener intuitiv geahnt haben mag. Aber diese bleiben auf den Einzelfall beschränkt. So können sie beispielsweise konstatieren, daß im untersuchten Fall ein Eigentümer eine retardierende Rolle im betrieblichen Umweltschutz spielt, aber nicht erklären, warum es sich im anderen Fall genau umgekehrt verhält. Oder: obwohl zwei Unternehmen den gleichen Umweltschutzvorschriften unterliegen, reagieren sie sehr unterschiedlich darauf - obwohl die gleiche dominante (Management-)Koalition "regiert" und gleiche dominante (erwerbswirtschaftliche) Ziele die Organisation steuern. Da die mikropolitische Analyse in der Regel zeitpunktbezogen vorgenommen wird, kann sie bestenfalls rekonstruieren, wie der Status quo entstanden ist (Absichten und Strategien der Akteure, Außeneinflüsse) und prognostizieren, zu welchen Ergebnissen die Machtspiele im Einzelfall fuhren werden. Handlungswissen ergibt sich nur dann, wenn - ähnlich wie bei Fallstudien - "bestpractice"-Beispiele analysiert, diese damit transparent in den Erfolgsursachen werden und dadurch zur Nachahmung angeregt wird. Jenseits der spätestens seit Max Weber intensiv geführten (soziologischen) Diskussion, was denn nun das Phänomen "Macht" eigentlich sei, wie es sich legitimiere und auswirke, so stößt der mikropolitische Ansatz auf zwei grundlegende Probleme: Zum einen ist "Mikropolitik" - ähnlich wie die Systemtheorie inhaltlich leer, d.h. sie postuliert keine validierten Wenn-dann-Beziehungen oder Ziel-Mittel-Relationen. Damit muß das Raster der Machtanalyse im Einzelfall inhaltlich gefüllt werden und es sieht nach der bisherigen Diskussion innerhalb wie außerhalb des Umweltschutzes nicht so aus, als wenn sich quasi induktiv daraus allge-
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meingültige Hypothesen ergeben würden. Die gefundenen Ergebnisse gelten für den Einzelfall, wie symptomatisch er auch immer sein mag. Zum anderen kann deshalb die Mikropolitik jenseits von sehr generellen Statements auch keine Handlungsempfehlungen geben - weder für die Umweltpolitiker noch für die Manager -, die verallgemeinerungsfähig wären. Sie analysiert, kann aber keine Empfehlungen geben, wie angestrebte Ziele zu erreichen sind. Sie bleibt wie die Fallstudie ein Lernbeispiel. Oder sie entwickelt sich sehr schnell zu einer normativen Konzeption, die nicht nur sagt, "was ist", sondern auch, was "sein soll" (und bekanntlich haben Wissenschaftler auf der letzteren Ebene in demokratischen Systemen nicht mehr Kompetenz als jeder andere Staatsbürger auch). Als vorläufiges Fazit kann daher festgehalten werden, daß Mikropolitik zwar - komplementär zu anderen empirischen Erhebungsmethoden - ein fruchtbares Analyseraster für die einzelne Organisation (und deren Umweltschutzaktivitäten) darstellt, es jedoch als einzelfallbezogene "Bestandsaufnahme" zumindest direkt kein verallgemeinerungsfähiges, d.h. theoretisch fundiertes Handlungswissen zur Verfügung stellt.
4. Organisationslernen - ein Königsweg für den betrieblichen Umweltschutz? Konnte die Diskussion im strategischen Management noch als pluralistisch bezeichnet werden, so bietet sich für die Diskussion um das Organisationslernen der Begriff "chaotisch" an (Chaos im Sinne der Systemtheorie ist bekanntlich eine Struktur höherer Ordnung, die wir - noch - nicht erkennen ...). Aus psychologischer, anthropologischer, soziologischer oder ökonomischer Sicht werden System-
Mikropolitik - strategisches Management - Organisationslernen 267 ebenen (z.B. individuell versus organisatorisch), Formen (z.B. kognitiv, kulturspezifisch, verhaltensrelevant) und Typen (z.B. aus Anpassung, Erfahrung, als Veränderung der Weltsicht oder der organisationalen Wissensbasis) analysiert (zu einer Übersicht und Systematisierung Pawlowsky 1994; Winter 1997). Fast alles ist strittig: • ob es ein Organisationlernen jenseits des individuellen Lernens gibt und wie dies gegebenenfalls abläuft, • ob es eine organisational Wissensbasis gibt und wie sie zu lokalisieren ist, • welchen Einfluß die Veränderungen der internen oder externen Umwelt auf das Organisationslernen wie ausüben, welche Handlungstheorien ("expoused" versus "in use") dadurch wie verändert werden oder • ob Organisationslernen nur zur Anpassung oder auch erhöhter Problemlösungsfähigkeit (Evolution) fuhrt. Ein großer Teil dieser Konfusion ist nicht nur auf die verschiedenen disziplinären Ansatzpunkte oder erkenntnisleitenden Fragestellungen zurückzufuhren, sondern auch darauf, daß außer der Wissensakquisition und -distribution sich empirisch kaum ein Konzept des Organisationslernens operationalisieren läßt (Winter 1997). Auch die häufig gebrauchte Unterscheidung zwischen "single-loop-", "double-loop-" und "deutero-learning" muß dazu gerechnet werden. Trotzdem gehören Bücher zum Thema "Organisationslernen" - vielleicht gerade wegen der Unbestimmtheit, aber Plausibilität - zu den Bestsellern der Management-Literatur (Senge 1995; Satteiberger 1996), von der Flut der "Schlicht-Version" des Organisationslernens, dem Change-Management, ganz zu schweigen. Es ist daher nicht erstaunlich, daß diese weite Konzeption auch auf den Umweltschutz in Unternehmen angewandt wird (Winter 1997; Dyllick 1991; Gladwin
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268 1993;
Kreikebaum
1996;
Pfriem/Schwarzer
1996;
Hammerl/
Rosenstiel 1996; Finger/Bürgin/Haldimann 1996; Teichert 1996). Könnten sie doch genau die Defizite des strategischen Managements beheben, indem sie Umfeldveränderungen, Interaktionen, aber auch Barrieren und Widerstände wie Erfolgsfaktoren identifizieren und Gründe fur Verhaltensänderungen und ihre Formen (etwa als kontinuierliche Verbesserung) präziser beschreiben. Obwohl man dazu vermutlich für empirische Untersuchungen auf einzelne Lernfelder des Unternehmens gehen muß (Winter 1997 unterscheidet z.B. die Lernfelder Betrieb, Produkt, Kommunikation und Mitarbeiter), so bildet sich doch langsam trotz aller theoretischen Kontroversen ein Konsens darüber, was die Merkmale einer "lernenden" Organisation sind (Ramus/Steger 1997): • über den Status quo hinausgehende Zielsetzungen ("Vision") und umfassender Veränderungsansatz, • Innovationsorientierung und Lernbereitschaft, • offene Kommunikation und Informationssysteme, • rasche und flexible Entscheidungsmöglichkeiten, was in der Regel dezentrale Strukturen und flache Hierarchien voraussetzt, • Bereitschaft zur Fehlerkorrektur (ohne Suche nach Schuldigen) als Ergebnis der Erfolgskontrollen und • darauf orientierte Anerkennungs- und Belohnungssysteme. Im Rahmen von "Behavioral Anchored Rating Systems" (BARS) lassen sich diese Merkmale als Verhalten von Organisationsmitgliedern messen, wenn sie zuvor durch einen (relativ komplizierten und aufwendigen) Operationalisierungs- und Selektionsprozeß gegangen sind. Damit ist jedoch unvermeidlich ein Verlust an konzeptioneller Reichweite der kreativeren Organisationslerntheorien verbunden. Dafür gibt es aber - gerade wenn die BARS in einem "Benchmarking-Process" eingesetzt werden - Anhaltspunkte und aus "best-practice"-Fällen
Mikropolitik - strategisches Management - Organisationslernen 269 abgeleitete Maßnahmen zur Verminderung des verhaltensbedingten Lerndefizits. Allerdings stehen solche Forschungen noch ganz am Anfang. Und die Gefahr, daß sie - wie im Bereich Organisationsentwicklung schon einmal geschehen - mit zu hohen Erwartungen überfrachtet oder normativ überladen werden, ist nicht gering einzuschätzen. Das vorläufige Fazit dieser Erörterungen ist also, daß die Konzepte des Organisationslernens einige Defizite des strategischen Managements ausgleichen können, ohne jedoch die "analytische Tiefenschärfe" der Mikropolitik zu erreichen. Zudem steht eine theoretisch gestützte, praktische Anwendung des Organisationslernens erst ganz am Anfang.
5. Die Konzeptionen im Vergleich - welche leistet was für den Umweltschutz? Die Prüfung der drei Konzepte Strategisches Management, Mikropolitik und Organisationslernen in ihrer Anwendung auf die Umweltpolitik auf Unternehmensebene hat unter den Kriterien der Erklärungsfahigkeit und der Generierung von Handlungswissen - pointiert zusammengefaßt - die folgenden Ergebnisse erbracht: • Die Konzeption des strategischen Managements ist zwar praktisch relevant (nützlich wie nutzbar), hat aber - gerade unter den absehbaren Handlungs- und Umfeldbedingungen für Unternehmen (Komplexität und Dynamik) - konzeptionelle Mängel, insbesondere einige zentrale Annahmen sind empirisch fragwürdig. • Der mikropolitische Ansatz hat analytische Fruchtbarkeit für die konkrete Umweltpolitik im Unternehmen, jedoch lassen sich die Analysen ähnlich wie Fallstudien nur schwer verallgemeinern und
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damit kaum ein generelles, praktisch anwendbares Handlungswissen erzeugen. • Das Konzept des Organisationsiemens steht "dazwischen" - es vermeidet einige Defizite des strategischen Managements und erlaubt die Analyse von Interaktionen, Barrieren oder Veränderungsprozessen, ohne jedoch die "analytische Tiefenschärfe" der Mikropolitik oder - zumindest in der jetzigen Phase - die Handlungsrelevanz des strategischen Management-Ansatzes zu erreichen. In einem Portfolio - Ansatz ergäben sich daraus die folgenden Positionierungen: Abbildung:
Portfolio-Positionierung der Konzepte des Strategischen Managements, der Mikropolitik und des Organisationslernens
A anwendbares Handlungswissen (im Unternehmen)
Erklärungskraft
>
Mikropolitik - strategisches Management - Organisationslernen 271 Nun mag es frustrierend erscheinen, daß nach etwa zehnjährigen, intensiven Forschungen keine Konzeption vorliegt, die von der theoretischen Fundierung der Analyse und damit Erklärungskraft einer Konzeption her überzeugend ist und zugleich unter dem pragmatischen Wissenschaftsziel Handlungswissen zur Verfügung stellt. Daher läge die Versuchung nahe, die drei Konzeptionen zu "integrieren" - etwa nach dem Motto: die Mikropolitik fur die Analyse, das Organisationslernen für die Strategieentwicklung und das strategische Management für die Implementierung des betrieblichen Umweltschutzes. Dies würde jedoch kaum die gewünschten Ergebnisse bringen. Die Prämissen, Begriffe, Betrachtungsperspektiven und Anwendungsvoraussetzungen sind zu unterschiedlich, als daß sich die Ergebnisse eines Ansatzes auf einen anderen übertragen ließe. Das Ergebnis wäre eher (Sprach-)Verwirrung als eine empirisch belastbare Theorie mit praktischer Anwendung. Vermutlich müssen wir mit dem Dilemma leben, daß je nach Untersuchungszweck auch unterschiedliche Konzeptionen zum Einsatz kommen, mit der Folge, daß die ohnehin spärlichen empirischen Untersuchungen nicht vergleichbar sind. Vielleicht tröstet da die alte amerikanische Manager-Weisheit: "dilemmas cannot be solved, only resolved". Und für die Praxis in den Unternehmen ist es ohnehin egal, mit welchen Konzepten die Wissenschaft arbeitet. Wenn sie nutzbar sind - siehe Strategisches Management - werden sie genutzt, notfalls aber auch eigene Konzepte und Instrumente für das Management entwickelt. Wissenschaft hat hier eher eine Unterstützungsfunktion. Die entscheidende Frage nach der Priorität des Umweltschutzes wird nicht durch die Verfügbarkeit von wissenschaftlichen Ansätzen beeinflußt, sondern durch den Regulierungs- oder Marktdruck. Und wenn dieser - wie gegenwärtig - aus den oben erklärten Gründen schwach ist, wird
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Ulrich Steger
dies auch nicht durch die analytisch brillantesten und praktikabelsten Konzepte geändert.
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im
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Mikropolitik - strategisches Management - Organisationslernen 273 Meffert, Heribert, Manfred Kirchgeorg, 1993: Marktorientiertes Umweltmanagement, 2. Aufl. Stuttgart Mintzberg, Henry, 1989: Mintzberg on Management: Inside Our Strange World of Organizations, New York Mintzberg, Heniy, 1994: The Rise and Fall of Strategie Planning, New York Pawlowsky, Peter, 1994: Wissensmanagement in der lernenden Organisation, noch unveröffentlichte Habilitationsschrift, Eigendruck Pfeffer, Jeremy, 1981 : Power in organizations, Marshfìeld, Mass. Pfriem, Reinhard, 1993: Unternehmenspolitik in sozialökologischen Perspektiven, Marburg Pfriem, Reinhard, Christoph Schwarzer, 1996: ökologiebezogenes organisationales Lernen, in: ufw - Umweltwirtschaftsforum 4 (1996) 3,10-16 Ramus, Cathy, Ulrich Steger, 1997: Green Standard Bearer Research, noch unveröffentlichtes Arbeitspapier, Lausanne Sandner, Karl, 1992: Prozesse der Macht, 2. Aufl., Heidelberg Satteiberger, Thomas (Hrsg.): 1996, Die lernende Organisation, 3. Aufl., Wiesbaden Senge, Peter, 1995: The Fifth Discipline, 5. Aufl., New York Shrivastava, Paul, 1996: Greening Business, Cincinnati, Ohio Steger, Ulrich, 1992: Handbuch des Umweltmanagement, München Steger, Ulrich, 1993: Umweltmanagement, 2. Aufl., Wiesbaden Steger, Ulrich, 1996: A place for ecology? Ecological progress and global restructuring, in: Environmental Excellence (1996), 16-18 Strebel, Heinz, 1980: Umwelt und Betriebswirtschaft, Berlin Teichert, Volker, 1996: Das Umwelt-Audit muß erlernt werden. Erfahrungen aus einem Modellprojekt in einem mittelständischen Unternehmen der Metallindustrie, in: uwf - Umweltwirtschaftsforum 4 (1996) 3, 54-60 Ulrich, Peter, 1991: ökologische Unternehmenspolitik im Spannungsfeld von Ethik und Erfolg, St Gallen Vietor, Reinhardt, F. Reinhardt, 1996: Business Management and the Natural Environment London Winter, Matthias, 1997: ökologisch motiviertes Organisationslernen, Wiesbaden (erscheint demnächst)
Carlo Bur schei
Abschied von der Organisationsstruktur? Ökologisches Innovationsmanagement und mikropolitische Mitarbeiterkalküle
1. Einführung Unternehmen agieren nicht unabhängig von ihrer Umwelt. Diese Umweltabhängigkeit bezog sich in der Organisationstheorie bis dato vor allem auf eine Organisationsumwelt im Sinne von externen Anspruchsgruppen, wie Kunden, Konkurrenten, Lieferanten, Politik und interessierter Öffentlichkeit. In den letzten Jahren vollzog sich ein Perspektivenwandel in eine Richtung, in der auch die natürliche Umwelt als bedeutsam für innerorganisatorische Kalküle eingeschätzt wird. Verantwortlich fur diesen Perspektivenwechsel ist aber primär das neu entstandene politische und gesellschaftliche Engagement fur die natürliche Umwelt aus der Organisationsumwelt1 und nicht interner Strategiewandel. Mehr und mehr ist zum Alltagswissen geworden, daß der Betrieb als Spiegelbild gesellschaftlicher Organisation von Arbeit und Arbeitsteilung der organisierte Ort der Produktion von Gütern und Dienstleistungen zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse und damit aber auch gleichzeitig die Quelle von Schadstoffen und Abfällen ist, die in die Ökosphäre emittiert werden. Dies geschieht in zweifacher Hinsicht:
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Etwa durch die Formierung "neuer sozialer Bewegungen" (Projektgruppe Grüner Morgentau (Hrsg.) 1986).
Abschied von der Organisationsstruktur?
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a) direkt, im Verlauf des Produktionsprozesses durch dessen Emissionen, b) indirekt, über die Produktionsresultate, die produzierten Güter, die sich anschließende Konsumtion und Transformation in recycelbare "Wertstoffe" oder aber "Abfall" (Matthies 1992, 69). Diese Erkenntnis ist natürlich nicht "neu", aber das wachsende Ausmaß an Umweltverschmutzung wird zunehmend als kritisch empfunden. Neben diesem quantitativen Aspekt kommt ein wichtiger qualitativer Aspekt hinzu: die Toxizität der emittierten Stoffe2 erreicht einen bisher nicht gekannten Gefährdungsgrad. Hinzu kommt die sinkende Bereitschaft, die "externen Kosten und Effekte" der Betriebstätigkeit zu tragen, d.h. neben einem gestiegenen Risikobewußtsein (Renn 1984, 54ff.) entwickelt sich Widerstand gegen die externen Kosten (etwa Wasserverschmutzung, Zerstörung von Natur, etc.) der Produktionstätigkeit.3 Der bis hierher geschilderte Sachverhalt kann auch als Muster für den grundsätzlichen Wahrnehmungsmechanismus von Unternehmen bzw. Betrieben ("Wirtschaftssubjekte" (sie!)) in der ökologischen Krise eingestuft werden. Es sind zuallererst Vorgänge aus der unternehmensspezifischen (Organisations-)Umwelt, die die Betriebe (d.h. deren "Entscheider") reaktiv oder aktiv dazu bringen, die vordergründig weiter entfernt liegende natürliche Umwelt4 in ihr internes Kalkül
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Neben wahrnehmbaren Erscheinungen der Umweltkrise haben insbesondere auch die nicht wahrnehmbaren Risiken eine wichtige Rolle bei der Herausbildung des neuen Umweltbewußtseins gespielt Man denke hierbei nur an die emorm hohe Halbwertszeit von Plutonium und dessen Toxizität (Renn 1985). Zur "Intemalisierung externer Effekte" s. Wicke 1989,43ff. Diese Entfernung ist vor allem durch die Abwesenheit eines Geldwertes, d.h. einer monetären Bewertung für sogenannte "freie Güter" (Blum 1987,3ff.) zu erklären, die so aus dem industriegesellschaftlichen Kalkül herausfallen. Die Wahrnehmung der Unternehmen beschränkt sich aber nur auf geldwerte Sachverhalte, ohne die Relevanz etwa kultureller Einflüsse leugnen zu wollen.
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Cario BurscheI
einzubauen. (Diesen Vorgängen muß allerdings seitens der Entscheidungsträger ein Minimum an Relevanz für die unternehmensinternen Rentabilitätskalküle zugesprochen werden können, da sie sonst nicht in die unternehmerischen Entscheidungsparameter einfließen.) Damit ist eine wichtige gesellschaftliche Ursache für die ökologische Krise angesprochen. Durch die Ausdifferenzierung der Moderne in hochrationalisierte Teilsysteme (etwa die Wirtschaft) wurde es erst möglich, daß ihre Elemente (hier: Betriebe) mit "ökologischer Blindheit geschlagen" werden konnten. Die nach wie vor zugrunde gelegte industriegesellschaftliche Wirtschaftsweise kann so nur schwerlich den betrieblichen Anforderungen der ökologischen Krise gerecht werden. Auch nur so ist es zu verstehen, daß die "Modernisierungsapologeten" des industriegesellschaftlichen Systems nicht als eigentliche Verursacher der ökologischen Krise diskreditiert sind und auch selbst mit ihrer Vergangenheit wenig Probleme zu haben scheinen. Modernität beinhaltet eben schon immer den Irrtum aus der Perspektive antizipierter Zukunft. Zukunft wird so zum Synonym des jeweils überwundenen "trial and error". Damit ist deutlich geworden, daß eine Analyse der Betriebstätigkeit im ökologischen Problemkontext sowohl auf betriebswirtschaftliche Betriebs- und Managementvorstellungen als Konsequenz der (noch) vorherrschenden industriegesellschaftlichen Wirtschaftsweise wie auf die entsprechenden sozialwissenschaftlichen Begrifflichkeiten Bezug nehmen muß. Damit ist auch gemeint (s.o.), daß viele Disziplinen ihre Fähigkeit zur Selbstkritik und Selbstkorrektur verloren haben, nicht zuletzt auch durch die Prozesse "reflexiver Modernisierung und Verwissenschaftlichung" (Beck 1986). Für die sozialwissenschaftliche Analyse eines umweltverträglichen Managementprozesses ist der Aspekt der Institutionalisierung von zentraler Bedeutung. Es geht darum herauszufinden, mit Hilfe welcher
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Mechanismen, Prozesse und institutionellen Vorkehrungen der Managementprozeß, hier vorrangig die Implementierung von Umweltschutzmaßnahmen und -technik, in der betrieblichen Realität konkret umgesetzt werden. Es ist evident, daß die Konzentration auf Organisationsstrukturen in instrumenteller Perspektive ein wichtiges "Variablenset" der betrieblichen Realität ausblendet, die Handlungsoptionen und -grenzen der Akteure. Anstatt der in der Betriebswirtschaftslehre üblichen Vorgehensweise, Management als akzeptierten Katalog verschiedener Funktionen in definierten Organisationsstrukturen aufzufassen5, wird Management hier als spezifischer - grundsätzlich offener - sozialer Prozeß verstanden. Nach der Theorie der offenen Systeme (Litterer 1973) können drei zentrale Prozesse unterschieden werden, deren Ausübung für die Funktionsfahigkeit eines Systems in seiner Umwelt konstituierend ist: • der Prozeß der Transformation von Input in Output (Produktionsarbeit), • der Prozeß der Ressourcenallokation zur Sicherung des Transformationsprozesses (produktionsbezogene Dienstleistungsarbeit) und der • Prozeß der Regulierung von Transformations- und Allokationsprozessen (Management) (Schienstock 1993, 9). Bereits Fayol (1949) unterschied in "technical function", "commercial function", "financial function", "security function", "accounting" und "management". Management in dem hier verwendeten Sinne ist folglich ein eigenständiger sozialer Prozeß, der sich inhaltlich als Regulierung von Produktions- und Dienstleistungsarbeit und als Verwaltung implementierter Regelungen bestimmen läßt. Mit Schienstock (1982) ist festzuhalten, daß diese Auffassung von Manage-
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Etwa Planung, Organisation, Führung, Koordination und Kontrolle als zentrale Managementfunktionen (Staehle 1991).
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ment eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Untersuchungsobjekt der "industriellen Beziehungen" aufweist. Mit dem Rückgriff auf die Abhängigkeit der spezifischen Organisationsumwelt von den industriellen Beziehungen stellt dieser Managementbegriff nicht ausschließlich auf bereits bestehende (Organisations-)Strukturen ab, sondern läßt den Managementprozeß als kontinuierliche und grundsätzlich "offene Veranstaltung" (d.h. akteurabhängig) erscheinen. Lange Zeit stand das Vorherrschen einer (teils "immunisierenden") systemkritischen Perspektive, die das Management als "Advocatus Diaboli" einer abstrakten Kapitallogik versteht, der Entwicklung einer prozeßbezogenen sozialwissenschaftlichen Betrachtung des Managements entgegen. Vor allem im englischen Sprachraum ist zwischenzeitlich eine Vielzahl von Beiträgen erschienen, die das Management als sozialen Prozeß apostrophieren.6 Damit geht diese Perspektive über die institutionelle betriebswirtschaftliche Sicht etwa einer "ökologischen Untemehmensfuhrung" hinaus7 und greift damit auch die "Struktur versus Akteur-Debatte" auf (Hyman 1987, 25flf). Für die strukturorientierte Position wird im folgenden exemplarisch u.a. der Kontrollansatz und für die akteurzentrierte Position der mikropolitische Ansatz diskutiert. Dahinter steht die These, daß der zunehmende Einsatz von Umwelttechnik zu einer verdichteten nichtintendierten Arbeitskontrolle und Rationalisierung im Betrieb führt. Der Beginn der Institutionalisierung ökologischen Managements wird in der Regel durch die Implementierung von ("additiver") Umwelttechnik markiert. Die Implementierung von Umwelttechnik wiederum unterliegt dem Einfluß der mikropolitischen Aktivitäten der ver6 7
Auch in Deutschland beginnen Industriesoziologen, sich verstärkt mit dem Topos des industriellen Managements auseinanderzusetzen, vgl. Müller-Jentsch/Stahlmann 1988; Deutschmann 1989 und Eberwein/Tholen 1990. Für die Betriebswirtschaftslehre hatte dies insbesondere Staehle (1988) erkannt
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schiedenen betrieblichen Akteure (nicht nur des Managements!), die versuchen, primär ihren betrieblichen Einfluß zu sichern bzw. zu vergrößern und damit relativ sekundär die ökologische Problemstellung zu bearbeiten. Damit ist die Implementierung von Umwelttechnik als "mikropolitische Veranstaltung" zu beschreiben, in der Macht und Einfluß neu verteilt werden und in der gerade nicht (ausschließlich) ökologisch-technische Sachargumente im Vordergrund stehen. Denn gerade weil umweltrechtliches und umwelttechnisches Wissen in der Unternehmung "rar ist" und in der Regel auf einige wenige Personen konzentriert, kommt mikropolitischen Prozessen in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Jede Analyse und Darstellung von Management als sozialem Prozeß vollzieht sich in einem Spannungsfeld von Handlung und Struktur. Als Extrema lassen sich hierbei strukturdeterministische Positionen und individualistische Ansätze unterscheiden. Strukturdeterministische Positionen erklären die Institutionalisierung sozialer Prozesse durch ökonomische oder funktionale Dimensionen, während individualistische Ansätze Institutionen als Ergebnis intentionalen Handelns begreifen. Damit ist die aus der Allgemeinen Soziologie bekannte "Akteur versus Struktur"-Diskussion auch für die sozialwissenschaftliche Managementforschung virulent (Hymann 1987, 26f.). Das größte Defizit, welches die strukturdeterministische Position intendiert, ist die Vernachlässigung der Mikroebene, da das Management aufgrund des Drucks externer Faktoren zu bestimmten Regulierungshandlungen quasi gezwungen wird. Die Mikroebene steht ihrerseits im Mittelpunkt individualistischer Theorien und ist im ökologischen Problemkontext von besonderer Bedeutung, da Maßnahmen und Instrumente des betrieblichen Umweltschutzes Innovationen darstellen.
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280 2. Die Dominanz der (Organisations-)Struktur: Management aus instrumenteller Perspektive
Das Ausgangsproblem des instrumenteilen Ansatzes ist das Problem der "Effizienz", mit anderen Worten die Frage, warum bestimmte Unternehmen ihre Zielsetzungen erreichen und andere nicht. Es wird eine Disparität zwischen Mitarbeiterzielen und Unternehmenszielen unterstellt (Zaleznik/Moment 1964, 6fF.). Die Unternehmensziele orientieren sich hierbei an der Existenzsicherung unter den Bedingungen der Marktkonkurrenz und der damit angestrebten Steigerung der Arbeitsproduktivität. Die Funktion des Managements leitet sich aus dem Erfordernis ab, daß die betrieblichen Akteure in ihrem Arbeitshandeln wechselseitig voneinander abhängig sind. Eine effiziente Zielerreichung aus der Sicht der Unternehmung läßt sich deshalb nur aufgrund einer systematischen und auf Dauer angelegten strukturellen Koordination und Kontrolle sicherstellen. Diese Sichtweise reduziert den Rationalitätsbegriffauf die Mittelebene (Mittel zur Zielerreichung), d.h., daß er keine Anwendung auf die Ebene der Ziele selbst findet. Nicht nur im ökologischen Problemkontext eine geradezu fatale Konstellation. "Man kann von Management auch als Prozeß der Übersetzung eines vorgegebenen Zwecks in Strukturen betrieblicher Arbeitsorganisation sprechen" (Schienstock 1993, 15). Zentrale Gestaltungsparameter einer effizienten Arbeitsorganisation sind demnach Standardisierung, Formalisierung und Zentralisierung. Ersteres meint die Festlegung von Handlungsroutinen für den Vollzug des Arbeitsprozesses. Ein hoher Standardisierungsgrad ist erreicht, wenn Regeln existieren, die unabhängig von der konkreten Arbeitsaufgabe zur Anwendung kommen können (Pugh/Hickson 1976, 3Off.). In unmittelbarer Beziehung zur Standardisierung steht die Formalisierung, d.h. die schriftliche Fixierung von Regeln, die das Arbeitshandeln steuern und
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vorhersehbar machen und damit wichtige Prämissen für eine effiziente Handlungskoordination darstellen (Simon 1957, 98ff). Das tatsächliche Verhalten der betrieblichen Akteure orientiert sich in der Praxis aber nur mehr oder weniger an den formalisierten und standardisierten Regeln und somit wird eine Überwachung des Arbeitsvollzugs vonnöten, die am effizientesten durch eine Zentralisierung (hierarchische Kontrolle) gegeben ist, da sich sonst die Beschäftigten in Abgrenzungs- und Statuskämpfe verstricken würden (Merton 1961, 195). Gegen die instrumenteile Perspektive des Managements ist wiederholt Kritik geübt worden. So reagiert dieses Managementmodell auf Veränderungen in der Unternehmensumwelt relativ unelastisch. Es ist evident, daß sich das hier vorgetragene Modell nur in einer "ruhigen und einfachen" Unternehmensumwelt aufrecht erhalten läßt, welche aber heute meines Erachtens kaum mehr vorzufinden ist; das Modell ist somit für eine problemadäquate Deutung und Problemlösung der ökologischen Fragestellungen höchst ungeeignet. "Hingegen ist ein hoher Grad an Standardisierung, Formalisierung und Zentralisierung unter den Bedingungen eines dynamischen Feldes dysfunktional, schränkt ein solches Strukturmuster doch die erforderliche Anpassungsfähigkeit einer Organisation an den sich in der Umwelt ständig mit hoher Dynamik vollziehenden Wandel ein. Es fehlt an der für den Austausch laufend neuer Informationen erforderlichen organisatorischen Flexibilität" (Schienstock 1993, 17).
3. Management und Kontrolle Die Vielfalt umweltrechtlicher Regelungen und das Rationalisierungspotential von (additiver wie integrierter) Umwelttechnik führt zu einem
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Bedeutungswandel betrieblicher Kontrolle; dieser könnte eine Renaissance der funktionalistischen Kontrollperspektive bedeuten. Marx hat bei der Analyse industrieller Leitungstätigkeiten zwischen formationsbezogenen (kapitalistischen) und formationsübergreifenden (gesellschaftlich unspezifischen) Formen der Leitung und Kontrolle differenziert. Für die formationsbezogene Leitung und Kontrolle ist der Besitz oder Nichtbesitz von Produktionsmitteln und die damit verbundene Chance, Arbeitsbedingungen vorzustrukturieren und Arbeitskontrolle durchsetzen zu können, konstitutiv, weil dadurch letztlich eine profitable Verwertung der Arbeitskraft durchgesetzt werden kann. Die gesellschaftlich unspezifische Form der Leitung und Kontrolle beruht auf dem "unmittelbar gesellschaftlichen Charakter der Tätigkeit", welche die Existenz einer koordinierenden Instanz erforderlich macht (Beckenbach 1991, 163). Der marxistisch orientierten (Industrie-) Soziologie ist aber wiederholt die Vernachlässigung des Aspektes des Managements betrieblicher Arbeitsprozesse vorgeworfen worden. Der zunehmende Vergesellschaftungsprozeß von Arbeit bewirkt nach Marx (1975,351ft·.) nicht nur die Herausbildung der Koordinations- und Kontrollfunktion als einer Funktion des Kapitals, er fuhrt auch zu Übertragung dieser Funktion auf einen speziellen Leitungs- und Kontrollapparat. Mit anderen Worten, das Kapital tritt die elementare Koordinations- und Kontrollaufgabe an eine "besondere Sorte von Lohnarbeit" ab. Marx sieht darin keine Gefahrdung des vom Kapital verfolgten Akkumulationsziels. Mit anderen Worten, bei Marx kommt, modern gesprochen, dem Management keine eigene (gegen das Kapital gerichtete) Handlungsrationalität zu, da diese gänzlich in "kapitalistischer Rationalität" aufgeht (Braun/ Eberwein/Tholen 1989, 3f.). Auch Braverman geht in seiner Arbeit "Labor and Monopoly Capital" (1974), die als Beitrag des marxistischen Ansatzes zu einer Theorie des Managements begriffen werden kann, von dieser marxschen
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Argumentation aus.8 Der Untertitel "The Degradation of Work in the Twentieth Century" gibt den Zentralgedanken Bravermans pointiert wieder. Der Begriff des "Managements" umschreibt nach Braverman die Disziplinierungsleistung und gesellschaftliche Verfugbarmachung eines Über- und Unterordnungsverhältnisses. Wichtigstes Instrument des kapitalistischen Managements ist die tayloristische Arbeitsteilung (Trennung von Entscheidung und Ausführung). Das wichtigste Ergebnis des tayloristischen Kontrollkonzeptes ist die Zerstückelung der ausführenden Arbeit. "Das bis dahin unbewußt gebliebene Motiv kapitalistischer Produktion, die Degradierung lebendiger Arbeit, werde im Taylorismus explizit und zugleich operativ, am Ende werde auch die Kopfarbeit (clerical work) dem tayloristischen Prinzip der Aufspaltung und Kontrolle lebendiger Arbeit unterworfen" (Beckenbach 1991, 166). Begründet wird die Notwendigkeit der Arbeitskontrolle und die Steuerung des Arbeitsverhaltens mit der Besonderheit des Arbeitsvertrages. Der Arbeitsvertrag kann gegenüber anderen Verträgen durch die Unbestimmtheit des Tauschobjektes auf Seiten des "Verkäufers" gekennzeichnet werden. Zwar enthält auch der Arbeitsvertrag wie jeder andere Vertrag prinzipiell zwei Elemente: • eine Vereinbarung über die Entlohnung und • eine Vereinbarung über die zu leistende Arbeit (Behrend 1963, 505). Die Arbeitsleistung, zu der sich der Arbeitnehmer" verpflichtet, bleibt aber letztlich unbestimmt, da der Arbeitsvertrag nur allgemeine Rahmenregelungen enthält, zu denen die Arbeitskraft gegen Entlohnung in Anspruch genommen bzw. zu bestimmten Zwecken eingesetzt werden kann (Offe/Hinrichs 1977, 20). Damit ist der Arbeitsvertrag kein
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Zur Rezeption der "Labour Process Debate" in der deutschen Industriesoziologie s. Lappe 1986.
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Mittel, die de facto-Bedingungen des Austausches von Kapital und Arbeit zu fixieren; dies bleibt dem Arbeitsprozeß selbst überlassen, und damit besteht die Notwendigkeit seitens des Managements, als Vertreter des Kapitals die interne Durchsetzung des vertraglichen Anspruchs zu sichern (Schienstock 1993, 12). Des weiteren ist das prinzipiell unbegrenzte Einsatzpotential von Arbeitskraft in seiner betrieblichen Nutzungsmöglichkeit durch die Tatsache, daß dieses unauflösbar mit dem "Verkäufer" verbunden ist, für das Management eingeschränkt. Um diese "natürliche Grenze" zu überwinden, muß das Kapital die Kontrolle über den Arbeitsprozeß erlangen. Nur durch die zwangsweise Anpassung des Verkäufers an einen technisch organisatorischen Produktionsprozeß läßt sich ein bestimmtes Arbeits- und Leistungsverhalten und die Erlangung des Mehrwerts sicherstellen (Schienstock 1991, 34). Braverman sieht die Transformation von Arbeitskraft in Arbeit am effizientesten durch die Anwendung tayloristisch-fordistischer Organisationsprinzipien realisiert. Er leitet aus diesem Kontrollimperativ eine gesetzmäßige Entwicklung des Managements von Arbeitsprozessen ab, indem er die strukturelle Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise und die managerielle Kontrollstruktur im Betrieb auf funktionalistische Weise verbindet. In der "labor process debate" wurde massive Kritik gegenüber Bravermans Kontrollansatz vorgebracht (vgl. Wood 1986; Lappe 1986). Der schwerwiegendste Einwand ist, daß Braverman eine spezifische Kontrollform zu einem allgemeingültigen Prinzip erklärt habe. Der Taylorismus stelle aber nur eine spezifische Ausprägung von Arbeitskontrolle dar, die sich nur unter ganz speziellen betrieblichen Rahmenbedingungen als effizient erweist. So unterscheidet bereits Friedmann (1977) zwei Typen managerieller Kontrolle: "direkte Kontrolle" und "verantwortliche Autonomie". "Direkte Kontrolle" zeichnet sich durch detaillierte Vorstrukturierung der Arbeitsaufgaben, unmittelbare
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Überwachung des Arbeitshandelns und durch Anwendung von Zwang zur Sicherung der Einhaltung von Arbeitsnormen aus und ist damit weitestgehend mit dem Kontrolltyp, der durch den Taylorismus repräsentiert wird, identisch. "Verantwortliche Autonomie" hingegen weist den Beschäftigten Handlungs- und Entscheidungsspielräume zu. Der erste Kontrolltyp stellt den Versuch dar, die der Arbeitskraft innewohnende Variabilität zu unterdrücken, während der zweite Kontrolltypus diese Variabilität im Interesse des Kapitals zu nutzen sucht (Schienstock 1993, 13). Diese zwei Kontrollstrategien sind nach Friedmann Ausdruck spezieller Rahmenbedingungen wie Industriesektor, Wettbewerbssituation und die Zugehörigkeit der Beschäftigten zur Kern- oder Randbelegschaft. Während Friedmann auf die Kontextbedingungen betrieblicher Kontrollstrukturen verweist, setzt Edwards (1979, 52ff.) bei der historischen Rekonstruktion betrieblicher Kontrollstrukturen an. In historischer Abfolge bilden sich: •
einfache Kontrolle,
•
hierarchische Kontrolle,
•
technische Kontrolle und
•
bürokratische Kontrolle heraus. Für den Wandel von einem Kontrolltypus zu einem anderen sind ver-
änderte Rahmenbedingungen verantwortlich, wie etwa eine wachsende Unternehmensgröße, für die die "einfache Kontrolle" nicht mehr adäquat ist. Die darauffolgende hierarchische Kontrolle brachte das Problem des loyalen Verhaltens seitens der Vorarbeiter mit sich. Die Lösung hier war die Einführung technischer Systeme ("technische Kontrolle"), die allerdings ein Erstarken der Gewerkschaften zur Folge hatte. Die Antwort des Kapitals auf den gewerkschaftlich induzierten Machtzuwachs verankert Edwards in der Implementation "bürokratischer Kontrollstrukturen". Dieser Kontrolltypus sieht die Ein-
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bindung der Gewerkschaften in den Arbeitsprozeß vor, ohne aber die Ungleichverteilung der Macht im Betrieb wirklich in Frage zu stellen (Edwards 1979, 13 lf.). "Bürokratische Kontrolle" wirft für das Management das Problem auf, den Beschäftigten Entscheidungskompetenzen und Karriereperspektiven einzuräumen. So wird eine Anspruchsdynamik bei den Beschäftigten in Kraft gesetzt, die letztlich nach Edwards zur "industriellen Demokratie" fuhrt.
4. Management als betriebliche Politik Verschiedene Autoren bezweifeln, daß die Regulierung betrieblicher Arbeitsprozesse überhaupt auf eine strukturierte Abfolge von Entscheidungen zurückzuführen ist (Chandler 1977, 1 Iff.). Diese vollziehe sich vielmehr schrittweise, unkoordiniert und jeweils an unmittelbaren Problemstellungen und Krisensituationen orientiert ( Rose/Jones 1985, 94ff.). Die Gestaltung betrieblicher Arbeitsstrukturen erfolgt aufgrund politischer Überlegungen. Im Mittelpunkt betrieblicher Arbeitsprozesse stehen demnach weniger formale Effizienzkriterien, als die Machtkalküle der beteiligten Akteure (Wilkinson 1983, 84). An dieser Stelle setzen pluralistische Konzepte der Regulierung von betrieblich organisierter Arbeit an (Pfeffer 1978), die von der Annahme ausgehen, daß sich im betrieblichen Management Gruppen und Koalitionen mit teilweise entgegengesetzten Interessen bilden, die deshalb über Koordinierung und Kontrolle der betrieblichen Arbeitsprozesse in Konflikte geraten und diese über die Anwendung von Macht austragen. Konfliktlösungen besitzen hier nur temporär begrenzten Charakter, weil sie erstens auf Machtanwendung basieren und sich zweitens die Interessenlagen der betrieblichen Akteure ständig verändern (38).
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Im Rahmen managementpolitischer Analysen wird zwischen Herrschaft und Macht differenziert. Herrschaft ist hier das Recht, aufgrund einer bestimmten hierarchischen Position in der Formalorganisation Kontrolle auszuüben und Gehorsam zu beanspruchen, während Macht jede Form von Einflußnahme auf das Organisationsgeschehen erfaßt, unabhängig davon, worauf diese beruht. Somit ist Macht bezüglich Ausmaß und Legitimationsbasis im Gegensatz zur Herrschaft unbestimmt (Bacharach/Lawler 1980,34ff). Damit tritt die formale Struktur aus dem Blickwinkel des Erkenntnisinteresses, da sie als gegeben angesehen wird. Mehr noch, sie stellt einen gleichgewichtigen Fixpunkt dar, von dem aus die auf Machtanwendung basierenden Abweichungen in den sozialen Beziehungen der betrieblichen Akteure "sichtbar" gemacht werden können (Clegg/Dunkerly 1987, 434). Politische Aktivitäten werden aus diesem Blickwinkel zu illegitimen Machtanwendung bei der Gestaltung von Arbeitsprozessen. Allerdings hat bereits Etzioni herausgestellt, daß die Durchsetzung des betrieblichen Herrschaftsanspruches nur durch die Anwendung von Macht möglich ist (1961). Etzioni sieht als Grundlage für hierarchische Positionen im Herrschaftsgefüge die Verfügbarkeit über physische, ökonomische und symbolische Ressourcen als konstitutiv an. Dem Management steht dabei: "coercive power", "utilitarin power" und "normative power" zur Durchsetzung des Herrschaftsanspruchs zur Verfügung. Auf Zwang basierende Macht korrespondiert hierbei mit entfremdeter Folgebereitschaft, ökonomische Macht mit kalkulierter Folgebereitschaft und normative Macht mit moralisch motivierter Folgebereitschaft. Nach Etzionis Vorstellung wird Macht aber nur von "oben nach unten" ausgeübt, die Belegschaft wird als "Objekt" der Machtanwendung begriffen, der nur ein mehr oder weniger "mechanistisches" Unterwerfungsverhalten zugestanden wird.
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5. Management in mikropolitischen Arenen9 Demgegenüber stehen die Vertreter10 der mikropolitischen Analyse (Pfeffer/Salacnik 1978) für einen multidimensionalen Ansatz, der von den letztlich doch wohlgeordneten "Über- und Unterordnungsverhältnissen" Abschied nimmt. Managerielle Akteure, Interessenvertreter und Belegschaftsmitglieder bilden Gruppen oder Koalitionen aus oft gegensätzlichen Interessenlagen, die deshalb bei Entscheidungen über Koordinierung und Kontrolle betrieblicher Arbeitsprozesse konfliktär gegenüberstehen und diese Konflikte über die Anwendung von Macht austragen. Mit Bosetzky ist Mikropolitik "der Versuch von Organisationsmitgliedern, durch Koalitionsbildung in der und gegen die Organisation die eigenen wie die gruppenspezifisch-partikularistischen Ziele zu erreichen und die Verteilung der organisationalen Belohnungen zu eigenen Gunsten bzw. zu Ungunsten anderer zu verändern". (1987, Sp.133)11 Wichtigste Implikation bzw. Impuls des mikropolitischen Ansatzes ist, daß nicht nur managerielle Akteure als Mikropolitiker auftreten, sondern im Prinzip alle Organisationsmitglieder, wie Interessenvertreter und Belegschaftsmitglieder. Alle diese Akteure versuchen ihre eigenen Interessen in der Organisation durchzusetzen, auch wenn sie auf den ersten Blick organisationskonform handeln. Die spezifische Gestalt von Organisationen wird als durch und durch von Politik durchwirkt definiert. Der Politikhaltigkeit des Betriebes wird deutlich durch Begriffe wie "Mikropolitik" (Burns/Bosetzky), "Mikrophysik der Macht"
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In Anlehnung an Kasper 1990, 296£f. Zum ersten Mal wurde der Begriff "Mikropolitik" von Burns (Bums/Stalker 1961) in den USA verwendet. 10 Vgl. Narr 1984, Crozier/Friedberg 1979, Weltz/Lullies 1984, Küpper/Ortmann 1986. 11 Der Terminus "Mikropolitik" bezeichnet Politik "im kleinen Rahmen" und wird so von der Politik des Staates oder bisher gebräuchlichen Politikformen (etwa Unternehmenspolitik) abgegrenzt (Kaspar 1990,296f.).
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(Foucault), "Spielstrategie" (Crozier/Friedberg) und "Arbeitspolitik" (Narr/Naschold). Dem entsprechen auch "Arenen der Arbeitspolitik" (Narr/Naschold), "Ungewißheitszonen" (Crozier/Friedberg) oder "innerbetriebliche Handlungskonstellationen" (Weltz/Lullies) als Orte der "organisierten Freiheit". Entscheidungen sind jetzt nicht mehr Reflex einer "geronnen Organisationsstruktur", sondern Ergebnis von (mikro-)politischen Handlungen, von "Gewinnern und Verlieren" beim Kampf um die Herrschaft. Sie resultieren aus komplexen BargainingProzessen, Kompromissen und Taktiken, sie sind Prozesse der Machtausübung (Küpper/Ortmann 1988a, 99). Besonders anschaulich hat Neuberger (1984) geschildert, was unter Mikropolitik zu verstehen ist. Exemplarisch können als mikropolitische Aktivitäten genannt werden: • Intrigen, • Günstlingswirtschaft, • Machtkämpfe und • Korruption; soziale Prozesse, die in den Lehrbüchern der Managementliteratur bis dato kaum Erwähnung fanden und mit dem Blick auf eine zweckgerichtete Organisation, auf Arbeitskontrolle und Management auch irritieren mögen. Für Neuberger (1984, 144) sind mikropolitische Phänomene hingegen ein Zeichen für eineflexibleund vitale Organisation. Mikropolitiker erreichen ihre Ziele, indem sie: • Verpflichtungen erreichen, • sich Loyalität sichern, • Bündnisse schließen und auflieben und • Beziehungen pflegen (Neuberger 1984, 145). "Das Agieren von Mikropolitikern kann taktische und expressive Formen annehmen. Beziehungen können - exemplarisch - auf folgende Weise "hergestellt" werden: durch Jasagerei, Loyalitätsadressen, Radfahren, Kriechen, Höflinge um sich scharen, dem Chef persönliche Wünsche von den Lippen ablesen und erfüllen,
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Carlo Burschel Koalitionen bilden, sich mit Mitarbeitern (mit Kollegen, nächsthöheren Vorgesetzten, Stäben, Assistenten, Sekretärinnen) solidarisieren bzw. Allianzen, Kampfbündnisse eingehen, dem "Don Corleone-Prinzip" (Gefälligkeiten erweisen und später zurückfordern/einklagen) folgen, Promotionsbündnisse, Seilschaften und Gönner-Günstlinge-Beziehungen etablieren." (Kasper 1990, 298).
Gefragt wird bei dem mikropolitischen Konzept nicht nur nach Spielräumen innerhalb systematischer oder struktureller Grenzen, sondern auch nach der Konstitution, Lockerung, Verschiebung, Überschreitung, Aufhebung dieser Grenzen durch das Agieren von Individuen und Gruppen in Organisationen (Küpper/Ortmann, 1988a, 8). Die Metapher von Organisationen als einem System von mikropolitischen Arenen ermöglicht das Verständnis und die Analyse sozialer Aspekte in Organisationen, die durch die Dichotomie "formelle versus informelle Organisation" nur "halbherzig" angedeutet werden12. Organisationen werden aus diesem Blickwinkel zu sozialen Konstruktionen der beteiligten Akteure. Dies hat auch Auswirkungen auf organisationale Konflikte,13 die bis dato auf zwei Ebenen ausgemacht wurden und jetzt um eine dritte Ebene ergänzt werden müssen (Kieser 1983)": 1. Konflikte zwischen Individuum und Organisation Bürokratische Hierarchie und Programme begrenzen den Handlungsspielraum des Individuums und damit seine Bedürfnisbefriedigung; es
12 Für die stark an formalen Entscheidungsstrukturen orientierte betriebswirtschaftliche Organisationslehre, s. Laux/Liermann 1993,93ff. 13 In den siebziger Jahren gab es den Versuch der konflikttheoretischen Fassung der Betriebswirtschaftslehre, insbesondere der Personalwirtschaft. Hintergrund der konflikttheoretischen Erfassung der Organisation war das Bestreben, ökonomische und soziale Effizienz in Unternehmensorganisationen sicherstellen zu können (Marr/ Stitzel 1979, 87ff.). Zu einem konflikttheoretischen Ansatz für die öffentliche Verwaltung s. Koch 1975. 14 In der Terminologie von Scott sogenannte "organisationeile Pathologien" ( Scott 1986,389).
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kommt zu einem grundlegenden Konflikt zwischen Individuum und Organisation.
2. Konflikte zwischen organisatorischen Einheiten Durch die arbeitsteilig ausgelegte Betriebsorganisation kann es zu einer Verselbständigung ("Ressortegoismus") organisatorischer Einheiten (Abteilungen, Gruppen) kommen. Konflikte treten auf, wenn etwa abteilungsübergreifende Probleme doch zu einer Zielabstimmung zwingen.
3. Konflikte zwischen Individuen in Organisationen Im Zusammenhang mit politischen Prozessen im Betrieb umfaßt diese Kategorie organisationale Spiele, die von der Kompensation von Langeweile bis zur Rivalität um diverse Positionen reichen (Kasper/ Heimerl-Wagner 1993, 112). Die Anlässe mikropolitischer Spiele sind vielfältiger Natur: Verhandlungen um das jährliche Budget einer Abteilung, Reorganisationsund Rationalisierungsprozesse, aber auch "klassische" soziale Konflikte wie Verhandlungen um Betriebsvereinbarungen und andere arbeits- und sozialrechtliche Problemlagen. Typisch fur die agierenden Mikropolitiker ist, daß sie Lücken und Widersprüche in "gesatzten" und eingefahrenen Ordnungssystemen für ihre Zwecke ausnützen (Kasper 1990, 298). Küpper/Ortmann (1986, 598ff.) benennen mehrere Quellen der mikropolitischen Theorie, insbesondere die "strategische Organisationsanalyse" von Crozier/Friedberg (1979). Strategie bezeichnet hierbei den Sachverhalt, daß die Auswahl von Verhaltensweisen stets einer subjektiv begrenzten Rationalität des handelnden Akteurs folgt. "Diese Begrenzung der Rationalität erfolgt primär durch Machtbeziehungen, und nicht - wie bei Simon/March - aufgrund kognitiver Beschränkungen des Menschen" (Kasper 1990, 299). Weitere Quellen des mikropolitischen Ansatzes sehen Küpper/Ortmann in der Machttheorie von Foucault (1976, 1979), in den machtund kontrolltheoretischen Arbeiten der Vertreter der "radical political
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economy" (vgl. Braverman 1974; Edwards 1981), in dem arbeitspolitischen Ansatz des Wissenschaftszentrums Berlin (vgl. Jürgens/ Naschold 1984; Narr 1984) und in den kritischen Arbeiten zum kontingenztheoretischen Ansatz (vgl. Starbuck 1982; Kieser/Kubicek 1992). Nachdem der allmähliche Wandel der (theoretischen) Vorstellung über das soziale Gebilde "Betrieb" von einer Strukturdominanz zu einer akteurszentrierterenPerspektive hin beschrieben wurde, stellt sich die Frage, was dies für die Situation der Implementierung von ökologischen Innovationen in die Betriebsorganisation bedeutet.
6. Umwelttechnik und Rationalisierung: Taylorismus oder Neue Produktionskonzepte? Die technologische und organisatorische Entwicklung der industriellen Produktion wird seit Jahrzehnten in der Industriesoziologie unter dem Vorzeichen und der prägenden Kraft der Argumentationsfolie des "Taylorismus" diskutiert. Dazu gehören u.a. Probleme der Veränderung der Arbeitsplatzanforderungen, der Qualifikationsstruktur, der Freisetzungspotentiale durch innerbetriebliche Rationalisierungsformen und letztlich der gesamten Sozial- und Arbeitsmarktstruktur im Kontext der sozio-ökonomischen Entwicklungsdynamik. "In arbeitspolitischer Perspektive geht es vor allem um gesellschaftliche Beherrschung, um politische Alternativen sowie um unterschiedliche Interessen beim Einsatz neuer Informationsverarbeitungs-, Kommunikations- und Steuerungstechniken" (Keller 1991, 159). Damit ist auch gleichzeitig das Ende des "Technikdeterminismus" angesprochen. Tayloristische
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Produktionskonzepte15 sind insbesondere durch die rigide Zerlegung von Arbeit, repetitive Teilarbeit, Dequalifizierung der Arbeitnehmer und strikte Trennung von ausführender und dispositiver Arbeit gekennzeichnet. Ziel dieses Rationalisierungskonzeptes ist eine möglichst umfassende Technisierung des Arbeitsprozesses und damit eine weitgehende Eliminierung des "kostenträchtigen und inflexiblen Produktionsfaktors Arbeit". Auf den ersten Blick spielen tayloristische Rationalisierungsmuster allerdings nur in "Massenproduktions-Branchen" eine weit- und tiefgreifende Rolle. Industriebranchen mit weniger standardisierten Produkten und kleineren Serien als in der Massenproduktion erscheinen auf den ersten Blick weniger "anfällig" für tayloristische Produktionskonzepte zu sein. Dies umso mehr, als in den achtziger Jahren zunehmend die "enttaylorisierende Wirkung" Neuer Produktionskonzepte (vgl. Kern/Schumann 1986; Manske 1987) in den Kernbranchen der deutschen Industrie diskutiert wird. "Nicht ohne Grund gilt daher die Arbeitssituation der überwiegenden Zahl der Arbeitskräfte in den Werkstätten von Maschinenbaubetrieben bis heute als relativ qualifiziert und vergleichsweise autonom. Bei näherer Analyse ist jedoch der Einfluß tayloristischer Gestaltungsprinzipien auch in Branchen wie dem Maschinenbau unübersehbar. Über Jahrzehnte hinweg dominieren sie die Rationalisierungskonzepte des betrieblichen Managements, für das die Effizienz und Produktivität einer taylorisierten Großserienfertigung erstrebenswertes Vorbild war" (Hirsch-Kreinsen u.a. 1990, 9). Die Auswirkungen des Einsatzes von Umwelttechnik wurden in der industriesoziologischen "Rationalisierungsliteratur" bis dato kaum thematisiert. Die Ursache hierfür liegt wohl in den oft nur schwer zu
15 Vgl. hierzu Taylor 1919 und später Ford (auch sog. 'Tordismus") 1928. Zum zentralen Werk Taylors ist anzumerken, daß es wohl auf ein unveröffentliches Manuskript seines Mitarbeiters ML. Cooke zurückgeht (Staehle 1989,22).
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identifizierenden Abgrenzungskriterien bzw. Besonderheiten der Umwelttechnik. Diese liegen weniger in Technik als Artefakt bzw. in der Technik selbst, als in den Implementierungsanlässen und betrieblichen Verhandlungsmustern um den Einsatz der Umwelttechnik. Umwelttechnik ist zum großen Teil als Steuerungs-, Informations- und Kommunikationstechnik zu subsumieren. Das Präfix "Umwelt" weist lediglich auf den spezifischen betrieblichen Verhandlungs- und Verwertungskontext hin, der aber summa summarum zu erheblichen Rationalisierungsschüben im Betrieb fuhrt. Umwelttechnik ist des weiteren ein einschlägiges Beispiel für "reflexive Technik", d.h. Technik, die zur Technisierung bereits technisierter Betriebsbereiche implementiert wird und so zu erheblichen Rationalisierungsschüben mit den durchaus "üblichen" arbeitsorganisatorischen Konsequenzen fuhrt. Dies fuhrt zu einem "umwelttechnischen Paradox", d.h. Umwelttechnik soll einerseits umweltverträglichen Technikeinsatz sicherstellen, andererseits fuhrt ihr Einsatz zu erheblichen, in den innerbetrieblichen Verhandlungsarenen managementseitig als "nichtintendierte" Technikfolgen apostrophierten (kaum sozialverträglichen) Rationalisierungsschüben im Betrieb. Diese werden von der Betriebsratsseite zur Zeit kaum erkannt und konterkariert. Umwelttechnik stellt für den Betrieb aus der Perspektive strukturorientierten Managements in erster Linie einen Gegenstand des "Innovationsmanagements" dar, wenn auch diese Thematik im ökologischen Kontext nur zögerlich problematisiert wird (Kreikebaum 1990, 113fF.). Die zentrale Fragestellung des Innovationsmanagements16 besteht darin, eine effiziente Form der Arbeitsteilung und der funktionsübergreifenden Steuerung des Innovationsprozesses zu finden.
16 Vgl. hierzu insbesondere im Kontext mittelständischer Betrieb: Trommsdorf 1990 sowie Aregger 1976; Uhlmann 1979 und Thom 1980.
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Dabei geht es um die Verbesserung des betrieblichen "Innovationsklimas" durch Abbau von Innovationswiderständen, die Ausschöpfung des Innovationspotentials und die interdisziplinäre Kooperation der einzelnen Betriebsbereiche (vgl. Grochla 1980, 36ff., und Hausschild 1992). 6.1 Innovationsmanagement und Implementierung Die Innovationsproblematik wird bislang vor allem in der Volks- und Betriebswirtschaftslehre thematisiert (Bieber/Möll 1993, 79). Der Bogen der Arbeiten spannt sich von den frühen Arbeiten Schumpeters (1911) bis zu den jüngsten Versuchen der Betriebswirtschaftslehre, auch den Bereich der Forschung und Entwicklung (Brockhoff 1988) mit ihren Methoden zu duchdringen. In der Volkswirtschaftslehre werden verstärkt Zusammenhänge von Innovationsökonomie und Technologiepolitik (exemplarisch: Meyer-Krahmer (Hrsg.) 1993) diskutiert. Der Begriff "Innovation"17 kommt aus dem Lateinischen ("novus", neu) und bezeichnet Neuerungen, Erneuerungen oder auch die Neuheit selbst (Staudt 1985, 486). In enger Anknüpfung an Schumpeter definiert Witte Innovation als "die erstmalige (ökonomische) Nutzung einer Erfindung. Das Erfundene (Invention) muß nicht unbedingt aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich der Naturwissenschaften hervorgegangen sein, sondern schließt auch neuartige Objekte und Verfahren der BWL und der Sozialwissenschaften im weitesten Sinne ein" (1973, 17).
17 Der Begriff der Innovation stammt ursprünglich axis der Soziologie und ist zu einem "ausgesprochenen Modewort innerhalb der Betriebswirtschaftslehre" geworden, die ihn als Managementhegriff "okkupiert" hat (so eine Betriebswirtin, s. Wessels 1992, 58).
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Der betriebswirtschaftliche Innovationsbegriff18 wird einerseits für solche Neuerungen gebraucht, die für die betrachtete Organisation (subjektiv) neuartig sind (Witte 1973, 24), andererseits verbindet sich damit die "einseitige" Assoziation einer "Verbesserung" für die betrachtete Organisation (Trux/Müller/Kirsch 1984, 21ff.). "Es herrscht somit in der betriebswirtschaftlichen Literatur zumeist nur ein Bezugspunkt vor, nämlich der des Managements" (Kasper 1990, 371). Dies wird auch deutlich, wenn man kritisch die Folgen der vielfaltigen unternehmerischen Innovationstätigkeit betrachtet. Die heftig geführten Diskurse um Technikfolgen, die zunehmende Umweltverschmutzung im weitesten Sinne, Arbeitslosigkeit und das sich verschärfende "NordSüd-Gefälle" zeigen deutlich, daß eine am einzelnen Unternehmen orientierte, einseitig positive Bewertung von Innovationen zu einer "Harmonie-Illusion" (Staudt 1985, 487) stilisiert wird. Dies wird erst recht deutlich, wenn man sich vor Augen führt, daß die Implementierung von Innovationen zu weitreichenden intendierten und nichtintendierten organisatorischen Veränderungen führt, die inner- und außerhalb der innovierenden Organisation dann auch zu erheblichen Innovationswiderständen führen kann. Die meisten organisationstheoretischen Arbeiten, die sich auf betriebliches Innovationshandeln beziehen, enstammen aus dem problematischen Paradigma19 des kontingenztheoretischen Ansatzes (auch si-
18 Zur weitverbreiteten begrifflichen Differenzierung in Produkt-, Verfahrens- und Sozialinnovation vgl. Kasper 1990,372f., und Wessels 1992,58ff. 19 Unter Paradigma wird mit Kuhn (1976, 193ff.) die Vielzahl von Meinungen, Methoden und normativen Entscheidungen verstanden, die von einer wissenschaftlichen Gemeinschaft geteilt werden. Ein Paradigma läßt sich in vier Dimensionen zergliedern: ein organisatorisches Grundkonzept, Methoden, Wahrheitskriterien und inhaltliche Theorien (Moser 1977,14).
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tuativer Ansatz), der mittlerweile jedoch heftiger Kritik ausgesetzt ist (Bieber/Möll 1993, 79f.). Mit dem Begriff der Implementierung wird aus der strukturorientierten Managementperspektive der Betriebswirtschaftslehre der Prozeß der Verwirklichung eines umwelttechnischen Konzepts bezeichnet (Marr/Kötting 1992, Sp.827). "Der Implementationsprozeß umfaßt Umstellungsentscheidungen, Planung, Realisierung und Planfortschreibung in technischer und organisatorischer Hinsicht, wobei sich die Art und Weise der Entwicklung eines Systemkonzepts und eine Reihe weiterer primär innerbetrieblicher Bedingungen und Faktoren zu spezifischen Implementationstypen verschränken" (Hirsch-Kreinsen u.a. 1990, 133). In der Industriesoziologie wird der Implementierungsprozeß neuer Techniken unter anderem als Form "systemischer Rationalisierung" im Rahmen des Einstiegs in die rechnerintegrierte Produktion (HirschKreinsen u.a. 1990) analysiert. Durch diesen "systemischen Charakter" werden bereits die Grenzen des strukturorientierten Managements deutlich, das die Einflußsphäre der Belegschaft weitgehend ausblendet. Daß diese dennoch von erheblicher Bedeutung ist, zeigen die Ausführungen in Kapitel 7, deren Grundlage eine Erhebung in einem mittelständischen Metallbetrieb ist. Zuvor wird aber anhand der empirischen Studie von Hirsch-Kreinsen u.a. (1990) ein Überblick über die verschiedenen betrieblichen Implementierungsformen gegeben. 6.2 Implementierungsformen Die empirische Untersuchung von Hirsch-Kreinsen u.a. faßt die betrieblichen Implementierungsstrategien in folgender Typologie zusammen (1990, 139ff.):
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a) Technikzentrierter Implementationsprozeß (tayloristische Rationalisierungsstrategie) Diese als tayloristische Rationalisierungsstrategie subsumierte Implementation zeichnet sich durch ihre ausgeprägte und fast ausschließliche Orientierung an technischen Fragen und Innovationsproblemen aus. Die Akteure stammen hauptsächlich aus dem mittleren technischen Managment. Das "Top-Management" beschränkt sich lediglich nach der grundlegenden Investitionsentscheidung auf die Vorgabe grober Eckdaten. Typisch ist eine reaktive Betriebsratspolitik. b) Offener Implementationsprozeß (struktursuchende Rationalisierungsstrategie) Die Implementierungsprozeduren sind hier nicht rein technisch orientiert, sondern umfassen darüber hinausgehend auch betriebsund arbeitsorganisatorische Aspekte (auch technisch-organisatorischer Implementationsprozeß). Die Akteure stammen aus dem mittleren technischen Management, sind aber deutlich in einen kooperativen Entscheidungsprozeß eingebunden, so daß das "TopManagement", bereichsübergreifende Entscheidungsgremien einrichtet. Der Betriebsrat spielt in diesem Kontext eine differenziertere Rolle als beim technikzentrierten Implementationsprozeß. c) Arbeitszentrierter Implementationsprozeß (strukturinnovative Rationalisierungsstrategie) Im Rahmen strukturinnovativer Rationalisierungsstrategien kommt es zu arbeitszentrierten Implementationsprozessen, die in einer Situation akuter Existenzbedrohung, d.h. auch unter hohem Zeitdruck durchgeführt werden. Reorganisationsmaßnahmen werden in einer "Crash-Aktion" durchgeführt. Die Beteiligung des Managements läßt sich auf einer Skala von "patriarchalisch bis Verhandlungsprozeß" kennzeichnen. Der Betriebsrat partizipiert aber in allen Fällen an den Reorganisationsmaßnahmen.
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Die Implementierung von Umwelttechnik ist einerseits nur eingeschränkt mit der Implementierung von CIM-Technologien vergleichbar; andererseits stellt diese Typologie von Hirsch-Kreinsen u.a. eine brauchbare Heuristik fur die verschiedenen Implementierungsoptionen bei der Einführung neuer Techniken (hier: Umwelttechnik) dar, da man gegen diese sicherlich nicht den Vorwurf einer einseitigen Managementorientierung (wie gegenüber den Konzepten des Innovationsmanagements der Betriebswirtschaftslehre) vorbringen kann. Damit wird aber auch deutlich, daß das strukturorientierte Konzept des "Innovationsmanagements" den mikropolitischen Aktivitäten der betrieblichen Akteure nicht gerecht werden kann, weil es von den Einflußmöglichkeiten der Belegschaft abstrahiert. Wie groß der mikropolitische Einfluß der Akteure schließlich sein kann, zeigen die Ausführungen des nächsten Abschnitts. Im folgenden wird auf die Ergebnisse einer von der DFG geförderten empirischen Untersuchung zurückgegriffen (Burschel 1996). Die Untersuchung wurde in einem mittelständischen Betrieb der Metallindustrie durchgeführt (1.600 Mitarbeiter), der im folgenden als W-KG bezeichnet wird. Das Unternehmen wurde ein Jahr bei der Implementierung betrieblicher Umweltschutzmaßnahmen vor Ort begleitet. Die Informationen wurden anhand von mehrstündigen Interviews und eines standardisierten Fragebogens erhoben. Entgegen der bis dato üblichen Vorgehensweise wurden alle Mitarbeitergruppen im Betrieb in die Untersuchung einbezogen. Im Zeitraum der Erhebung war die Belegschaft von Massenentlassungen bedroht, die nach Abschluß der Erhebungen durchgeführt wurden.
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7. Betrieblicher Umweltschutz auf Mitarbeiterebene 7.1 Der Umweltschutzmeister als ökologischer "Sozialarbeiter" vor Ort Mit dem betrieblichen Umweltschutz werden die Mitarbeiter in den Produktionsbereichen der W-KG (Metallverarbeitung, Farben, Holz und Instandhaltung) über ihren Linienvorgesetzen (Abteilungsmeister), vor allem aber über den meist kontrollierend-kritisierend "in Erscheinung tretenden" Umweltschutzmeister20 konfrontiert. Die neuen Anforderungen des betrieblichen Umweltschutzes bedeuten für rund 33% der Befragten (n = 237) "Mehrarbeit" und "Höheren Zeitaufwand für die Arbeitsaufgabe".21 Dies bedeutet - ceteris paribus (etwa Vorgaben der Arbeitsbewertung, konstante Entgelthöhe) - aber auch, daß durch ihren additiven Charakter die einzelnen Umweltschutzaufgaben von den ausfuhrenden Mitarbeitern im wesentlichen als Zunahme der Arbeitskontrolle bzw. noch weitergehender Reduzierung des gewohnten, in der Regel bereits sehr niedrigen Handlungsspielraums erfahren werden. In der ökonomischen Situation akuter Existenzbedrohung und daraus folgender Massenentlassungen wird die Zunahme der Arbeitskontrolle als besonders kritisch empfunden. Der Umweltschutzmeister (38 Jahre Betriebszugehörigkeit, 53 Jahre alt) war zuvor als Meister im Vorrichtungsbaulager tätig und hatte zum 20 Die Bearbeitung des "Meisterthemas" bat in den Sozialwissenschaften eine lange Tradition. Vgl. hierzu die umfangreichen Bibliographien bei Patten 1968, Wiedemann 1974, Durant/Touraine 1979 sowie weitere Angaben insbesondere zur Aktualität des "Meisterthemas" bei Springer 1984 und Antoni 1992. 21 Auf die geschlossene Frage (Mehrfachmitworten), ob sich bei der Durchführung der Arbeitsaufgabe durch den betrieblichen Umweltschutz etwas geändert habe, antworteten rund 50% mit dem "Einsatz neuer Arbeitsmittel", 18% gaben einen "komplizierteren Arbeitsablauf' an und nur 3,8% der Befragten sahen den "Wegfall eines Teils der Arbeitsaufgabe".
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Zeitpunkt seines Positionswechsels zur Umweltschutzabteilung keinerlei fachliche Qualifikation für den betrieblichen Umweltschutz. Wie er zu seiner Position im Umweltschutz kam, schildert er wie folgt: "Ja, man ist dann hochgerufen worden zum Personalchef, dann ist gesagt worden, daß ein Umweltschutzingenieur kommt, ich nehme an wegen der Auflagen vom Gesetzgeber, und da er die Sache nicht alleine bewältigen kann, daß ich dann mit ihm zusammenarbeiten soll" (IVW.15, S.2). Auf die Frage, warum er wohl für diese Position ausgewählt worden ist, führt er aus: "Das ist eine Sache, da muß schon ein Mann mit hin, der sich auch im Betrieb durchsetzen kann. Es ist ja letztendlich eine undankbare Aufgabe. Vom Sinn her für den Umweltschutz schon, daß hier etwas getan wird, nur, und das ist dann der Selbsterhaltungstrieb, daß man für die Sache eintreten muß, aber dann nicht begeistert ist, weil ich im Hinterkopf schon hatte, mein Gott, Du eckst da überall an, denn es ist mit Schwierigkeiten verbunden. Dann sagte dann auch Herr (...) (der Personalleiter, CB.) klipp und klar zu mir, Herr (...), ich habe Sie bewußt ausgesucht, weil da muß ein Mann hin, der sich durchsetzen kann." (IVW.15, S.2) In einer Situation allgemeiner Arbeitsplatzunsicherheit schützt auch die lange Betriebszugehörigkeit nicht mehr vor einer möglichen betriebsbedingten Kündigung, dies gilt für das Management und die Belegschaft gleichermaßen. Die verdichtete Arbeitskontrolle kann plausiblerweise zu einer innerbetrieblichen Abwehrhaltung der betroffenen Mitarbeiter gegenüber dem Umweltschutz führen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber, daß diese ablehnende Haltung zu großen Teilen durch die betriebsintem induzierte Verdichtung der Arbeitskontrolle entsteht und (meines Erachtens) nicht etwa auf mangelndes "Umweltbewußtsein" der Mitarbeiter zurückzuführen ist. Mit anderen Worten, der betriebliche Umweltschutz trifft insoweit auf innerbetriebliche Schranken ("Implementierungsprobleme"), als er den Handlungsspielraum der Mitarbeiter entscheidend verringert und/oder eine Steigerung
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der Arbeitsbelastung ohne adäquate arbeitsorganisatorische Entlastung bzw. Entlohnung bedeutet. Darüber können auch die Antworttendenzen über die Relevanz des betrieblichen Umweltschutzes im Rahmen der Fragebogenerhebung nicht hinwegtäuschen. Denn wie es der Umweltschutzmeister ausdrückte, "Umweltschutz ist wichtig, das ist auch dem Dümmsten klar"; "zur Bewährung ausgesetzt" wird diese Einstellung aber erst im operativen Arbeitsbereich, d.h. inwieweit der Mitarbeiter im konkreten Arbeitsvollzug mit "ökologischer Mehrarbeit" konfrontiert wird, die regelmäßig nur eine Seite der Medaille für ihn mit sich bringt, nämlich die einer zusätzlichen Arbeitsbelastung, ohne äquivalente Entlastung bzw. arbeitsorganisatorische Anpassung. Diese Konstellation fuhrt zu einer "inneren Abwehrhaltung" bei der Belegschaft, die sich letztlich in "Implementierungsproblemen" gegenüber dem betrieblichen Umweltschutz niederschlagen kann. Diese Implementierungsprobleme treten aber nur zum Teil "betriebsöffentlich" in Erscheinung. Sie artikulieren sich vielmehr in einer Ebene unterhalb der Oberfläche des "offiziellen" Betriebsgeschehens, d.h. in den mikropolitischen Arenen der Abteilungen bzw. quer zu den "offiziell" definierten (organisatorischen) Betriebsbereichen. Eine effiziente Informationspolitik mag als Einstieg angebracht erscheinen; zur Vermeidung dieser selbstgeschaffenen Implementierungsprobleme kann es aber erst kommen, wenn umweltverträgliche Technik sozialverträglich eingeführt wird, d.h. unter Einbeziehung adäquater arbeitsorganisatorischer Anpassungsmaßnahmen. Dies gilt umso mehr, als das Sanktionsspektrum gegenüber den Mitarbeitern recht drastisch ausfällt und auf zweierlei Art und Weise angewendet wird. Die erste Vorgehensweise wird wie folgt beschrieben: "Wenn es ein sturer Kandidat ist, dann wird ihm eben gesagt, daß, wenn er weiter so macht, dann steht er eben beim Personalchef auf
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der Matte. Dann müssen andere Sachen ziehen. Das ist ja gleichzusetzen mit einer Anordnung, die gegeben und nicht befolgt wird. Man muß den Leuten immer erst den Sinn der Sache erklären. Also, wenn der von der Materie nichts versteht, der sagt, mein Gott, ob ich die Sache so mache, (...), man muß dann eben versuchen mit klaren Argumenten den Leuten zu sagen, halt! Man muß die Sachen dann entkräften, wenn einer sagt, mein Gott, wir haben das 50 Jahre so gemacht oder 30 Jahre gemacht, warum soll das nicht weiter so gehen und dann muß man den Leuten eben den Sinn der Sache erklären oder man muß sich so verkaufen, daß es eben der Dümmste versteht." (IVW.15, S.10) Probleme bei der Abfallentsorgung, im wesentlichen die Befüllung von Behältnissen durch "falsches" Abfallmaterial, werden durch ein Sanktionsmuster des "konditionierten Lernens" beseitigt: "Und dann gehe ich hin und spreche mit den Meistern oder mit dem Meister aus der Halle, aus der die Sache abgefahren werden wird, und sage dann, hör mal Kollege, so geht das nicht mehr, sollte das noch einmal vorkommen, der Mann, der diese Sachen abfährt (mit einem Gabelstabier, CB.), hat von mir die klare Anweisung, im Wiederholungsfalle hier diese Behältnisse da stehen zu lassen. Und dann kann das stehen bleiben, bis es überquillt oder unangenehme Gerüche entstehen. Ich betrachte diese Methode als reine erzieherische Maßnahme (...). Jeder geht den Weg des geringsten Widerstands. Es ist klipp und klar gesagt worden von mir, die haben die Anweisung, im Wiederholungsfalle bleiben die Behältnisse in dieser Halle stehen." (IVW.15, S.14) Es ist deutlich geworden, daß es gerade nicht nur die mit dem betrieblichen Umweltschutz beauftragten Akteure sind, denen ein erheblicher Einfluß auf die Implementierung betrieblicher Umweltschutzmaßnahmen bzw. -technik zukommt. Im folgenden Abschnitt wird der Einfluß der Meister aus den Betriebsabteilungen auf die Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes dargestellt.
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7.2 Industriemeister: mikropolitischer Sand im Getriebe des betrieblichen Umweltschutzes? Kennzeichnend für die Managementperspektive der Betriebswirtschaftslehre ist, daß Personal in niedrigeren Hierarchiestufen der Betriebsorganisation entweder nur als "homogene (Anspruchs-) Gruppe" oder aber als managementseitiges Problem mit "strukturinduzierten Verkürzungen" thematisiert wird.22 Dem Meister vor Ort wird nur selten betriebswirtschaftliche Aufmerksamkeit geschenkt (Freimuth 1988). Im Gegensatz hierzu kommt dem "Meisterthema" - allerdings mit in letzter Zeit abnehmender Tendenz - in der industriesoziologischen Literatur ein größerer Stellenwert zu.23 Quintessenz des "Meisterthemas" ist die Feststellung eines erheblichen Wandels der klassischen Meisterrolle im Betrieb. Unabhängig davon, welche Funktionen die Meister im Detail verloren oder hinzugewonnen haben, über eine Tatsache herrscht Konsens: die Meister haben im Zuge des technischen Wandels bedeutende Teile ihrer formalen Sanktionsmacht abgeben müssen (Bargmann 1984, 51), eine Tatsache, die insbesondere bei der Implementierung der konfliktträchtigen Umwelttechnik zu berücksichtigen ist. Je geringer die formellen Einflußmöglichkeiten der Meister einzuschätzen sind, umso bedeutender werden die mikropolitischen Arenen im Betrieb.
22 Darüber tauscht auch nicht der in den letzten Jahren heftig diskutierte "Human Resource Managemenf'-Ansatz hinweg, dem letztlich ein "sozialtechnokratischer Impetus" ("Mensch als Wettbewerbsfaktor") anhaftet und der die intensivierte Inanspruchnahme des "Mitarbeiters" zum erklärten Ziel hat Zum zugrundeliegenden "Michigan- und Harvard-Konzept" vgl. Staehle 1988 und Conrad 1991. 23 Als Überblick über das sozialwissenschaftliche "Meisterthema" s. Bargmann 1984.
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Der Umweltschutzmeister steht zwischen den Anforderungen des Managements und den mikropolitischen Abwehrstrategien24 der Mitarbeiter. Diese Situation wird verschärft durch die Tatsache, daß der Umweltschutzmeister gegenüber den einzelnen Mitarbeitern kein Weisungsrecht besitzt, sondern immer nur auf den "good will" der Abteilungsmeister angewiesen ist. In diesem Zusammenhang waren in Anlehnung an Bargmann (1984, 48) folgende Reaktionsweisen festzustellen: • Die Abteilungsmeister stellten keine Mitarbeiter fur die Arbeiten des betrieblichen Umweltschutzes frei, "sie vergaßen" des öfteren, die von der Umweltschutzabteilung geforderten Maßnahmen durchzufuhren. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Problem der Abfallentsorgung zu nennen, da das Trennen der Abfallchargen einen erheblichen Arbeitszeitaufwand bedeutet. Da eine fehlerhafte Abfallsortierung zu erheblichen meßbaren Kosten ("Zusatzrechnung von der Deponie") fuhrt und vor allem durch die Rechnungsstellung sehr schnell in der Verwaltung bekannt wird, bedeutet dies auch immer Konflikte der Umweltschutzabteilung mit dem Management. Der "autoritäre Führungsstil" des Umweltschutzmeisters ist vor dem Hintergrund mehrerer "unerfreulicher" Mitarbeitergespräche in dieser Angelegenheit zu sehen. • Die Abteilungsmeister qualifizierten die betrieblichen Umweltschutzaktivitäten als nicht machbar, zu teuer oder als zu ineffizient, im Sinne der Relation von Aufwand und Ertrag, ab. Insbesondere bei der Betriebsbegehung im Produktionsbereich Holz kam diese Verhaltensstrategie zum Vorschein. Hintergrund ist, daß der zuständige
24 An dieser Stelle ist zu bemerken, daß die mikropolitische Einflußnahme natürlich auch für die Durchsetzung des betrieblichen Umweltschutzes denkbar ist Da eine proaktive Einstellung und Handlungsweise im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz in der W-KG nur als vereinzelte Ausnahme erhoben werden konnte, wird diese Alternative nicht weiter verfolgt
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Abteilungsmeister mit dem Meister der Arbeitssicherheit eine mikropolitische Allianz bildetet und dieser sehr gute Kontakte zum Management pflegt. Konflikte werden durch diese Konstellation nicht direkt mit der Umweltschutzabteilung ausgetragen, sondern direkt mit dem Geschäftsleiter Personal diskutiert. Da der Meister Arbeitssicherheit als der "Vertreter des Managements im Betriebsrat gefuhrt" wird, genauer, den infomellen Kontrollkanal des Managements zum Betriebsrat darstellt, kommt dieser "Allianz" besondere Bedeutung zu. Sie gipfelte letztendlich in dem bereits angesprochenen Bemühen des Meisters Arbeitssicherheit, dem Umweltschutzmeister "wegen Unfähigkeit" vom Management kündigen zu lassen. Die gleiche Strategie verfolgte er gegenüber dem Umweltschutzingenieur. • Die Abteilungsmeister zögern Stellungnahmen zum betrieblichen Umweltschutz hinaus oder verweigeren sie völlig, um so die als "Einmischung" empfundende Tätigkeit des betrieblichen Umweltschutzmeisters bzw. -ingénieurs abzuwehren. Dies geschieht auch in Absprache der Abteilungsmeister untereinander. • Gewohnte Betriebsabläufe wurden gar nicht, zögernd oder nur "modifiziert" umgestellt, wie bereits die relativ einfachen Probleme der betrieblichen Abfallentsorgung zeigen. So wurde beispielsweise versucht, den Standort der Abfallcontainer von einer Abteilung zur anderen zu verschieben, um die damit verbundene Kontrolle umgehen zu können. • Durch eine Vielzahl von "symbolischen Sanktionen" versuchten die Abteilungsmeister, den betrieblichen Umweltschutz vor ihren Mitarbeitern lächerlich zu machen. Die mitarbeiterseitigen Implementierungsprobleme gegenüber dem betrieblichen Umweltschutz werden zudem vom Management der WKG ausschließlich durch den Filter der "Meisterebene" wahrgenommen.
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Die Rolle der Meister aus den verschiedenen Produktionsbereichen ist aber im Rahmen von betriebsweiten Planungs- und Entscheidungsprozessen, wie dem Bau des Lackierzentrums, als relativ unbedeutend einzuschätzen. Sie haben so auf den ersten Blick so gut wie keinen Einfluß auf die Entscheidungen der Betriebsleitung bzw. des Managements. So war die Rolle der Abteilungsmeister25 des Produktionsbereichs Farben beim Bau des Lackierzentrums auf die Teilnahme in einem technischen Ausschuß beschränkt. Nachdem über den Bau des Lackierzentrums seit circa acht Wochen entschieden war, antwortete der Meister der weitaus größten Lackiererei auf die Frage nach seinem Kenntnisstand über den Fortgang des Projekts: "Mein letzter Informationsstand, der ist von heute morgen. Es wird noch darüber verhandelt. Definitiv ist mir noch nicht bekannt, daß gebaut (das Lackierzentrum, CB.) wird. Ich weiß nur, daß Mittel freigegeben worden sind, aber wieviel, das weiß ich nicht." (IVW.7, S.ll) Diese formale Einflußlosigkeit fuhrt dazu, daß die mikropolitischen Arenen fur die Meister selbst an Bedeutung gewinnen, da diese letztlich die einzige Einflußmöglichkeit auf das abteilungsübergreifende Betriebsgeschehen darstellen. Im Investitionsprogramm der W-KG fur die Jahre 1993 und 1994 sind zwei Vorschläge für den Bau des Lackierzentrums eingestellt worden. Von der ursprünglichen Planung, dem Bau von drei neuen Lackierkabinen, wurde hier bereits abgesehen. Der erste Vorschlag stellt eine absolute Minimallösung dar (Investitionsvolumen 1,5 Mio DM). Der zweite Vorschlag stellt die minimalisierte Version des ursprünglich geplanten Lackierzentrums dar. Anstelle der ursprünglich geplanten drei Lackierkabinen sieht dieser Vorschlag nur den Bau einer
25 Im einzelnen sind dies die Meister der Lackierereien für Personenwagen, Güterwaggons und Kleinteile.
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Lackierkabine vor (Investitionsvolumen: 9,5 Mio DM). Die übrigen zwei Lackierkabinen können aber in weiteren Ausbauphasen realisiert werden, soweit sich die ökonomische Situation entspannt bzw. ein potentieller Käufer der W-KG diese Investitionen vornehmen will. Der zweite Vorschlag wurde von der Geschäftsleitung genehmigt. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß betriebsökonomische Gründe fur den Bau des Lackierzentrums entscheidend waren und Aspekte des betrieblichen Umweltschutzes nicht weiter problematisiert und thematisiert wurden. Im Gegenteil, der Bau des Lackierzentrums folgte der bis dato bei der W-KG gepflegten "Implementierungstradition" und war 'damit vor allem von technischen Akteuren entschieden worden. Dennoch wird am Bau des Lackierzentrums folgendes deutlich: das Zurückdrängen der technisch geprägten Entscheidungsdominanz gegenüber kaufmännischer Entscheidungsbefugnis. Die Beschneidung eines komplexen technischen Investitionsobjekts durch die Restriktionen der "Kaufleute" stellt ein Novum im Rahmen der traditionellen Entscheidungsmuster der W-KG dar und ist nicht allein durch die ökonomische Krisensituation erklärbar. Vielmehr deutet eine Vielzahl von Reorganisationsmaßnahmen auf die Erhöhung und Aufdauerstellung des kaufmännischen Einflusses auf ursprünglich technisch gefaßte Arbeitsvollzüge in der W-KG hin. So wurde eine Vielzahl von technischen Abteilungen schlicht aufgelöst oder aber mit einer "gemischten" Abteilungsleitung versehen, wie etwa im Rahmen des Einkaufs, wo ein Ingenieur (vormals Abteilungsleiter) und eine kaufmännische Gruppenleiterin den Einkauf technischer Güter leiten. Dies wird gerade auch im Rahmen des betrieblichen Umweltschutzes deutlich, der in einem Betrieb wie der W-KG üblicherweise als technische Domäne aufgefaßt wird, zu der sich der Geschäftsleiter Personal wie folgt äußerte:
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"Es gibt drei Hauptaufgabenbereiche für den Umweltbereich. Das erste ist die Verwaltung, das zweite ist die Wiederaufbereitung, also Recycling, und das dritte ist erst die Abfallentsorgung. Der Hauptschwerpunkt muß eigentlich in Richtung Verwaltung gelegt werden." (IVW.10, S.15) Hintergrund dürfte unter anderem sein, daß ein Mitglied der Unternehmerfamilie in die Geschäftsleitung eintrat, das vorher in einer Unternehmensberatung tätig war und im Auftrag der W-KG erste Analysen im Betrieb durchführte. Somit beginnt sich eine stark dem "Controlling-Gedanken" verpflichtete Geschäftsleitung durchzusetzen. Die vorher funktionierende mikropolitische Arena der Prokuristen, die stark technisch dominiert war, wurde durch Kündigungen und Zurücksetzungen aufgebrochen. In einer Vielzahl von Interviews ist deutlich geworden, daß die W-KG von der Prokuristenebene aus geführt wurde, und solange die W-KG ökonomisch prosperierte, kaum Beschränkungen seitens der Geschäftsleitung (einem Mitglied der Eigentümerfamilie) auferlegt wurden. "Ja doch. Es hat mit Sicherheit Versäumnisse gegeben. (...) Solange sie Gewinne machen, ist dem (dem geschäftsführenden Mitglied der Unternehmerfamilie, CB.) gar nicht bewußt gewesen, daß er hätte mehr Gewinne machen könnten." (IVW.13, S.29) Die dargestellen empirischen Untersuchungsergebnisse machen deutlich, daß die konventionelle Perspektive der Implementierung von Innovationen, insbesondere im Bereich des betrieblichen Umweltschutzes, zu kurz greift. Wenn auch den Untersuchungsergebnissen als Intensivfallstudie kein Anspruch auf Repräsentativität zugesprochen werden kann, so sind sie doch als deutlicher Beleg zu werten, daß es sozialwissenschaftlich gestützter Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung bedarf, um erfolgreich betriebliche Umweltschutzmaßnahmen implementieren zu können. Die personellen Anforderungen werden durch Methodenentwicklung (etwa Umweltkostenmanagement,
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FischerAVucherer/Wagner/Burschel 1997) und integrierte Umweltschutzkonzepte weiterhin steigen und die Sozialwissenschaften sind damit als intradisziplinärer Kooperationspartner gefordert. Die Ausführungen haben die Grenzen des "Struktur lenkt Verhalten-Paradigmas" gezeigt. Um Mißverständnissen vorzubeugen: nicht die Abschaffung oder Vernachlässigung struktureller Regularien oder Wirkungen ist damit gemeint, vielmehr eine Neuorientierung bezüglich des Stellenwertes im Rahmen eines als sozialer Prozeß verstandenen Managementprozesses, der am Beispiel der Implementierung betrieblicher Umweltschutzmaßnahmen beschrieben wurde. Strukturen sind für eine theoretische Organisationsanalyse ein wichtiger Ausgangs- und Orientierungspunkt. Die relevanten dynamischen Prozesse in Organisationen lassen sich damit aber nicht mehr erschöpfend beschreiben oder gar steuern. Dies gilt um so mehr für die Unternehmens- bzw. Betriebsorganisation, die sich in einer vielfältig turbulenten Umwelt behaupten (lernen) muß.
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III. AKTEURE
Ralf Antes
Präventives Entscheiden und Handeln in Unternehmen: das Beispiel Umweltschutz
Prävention (synonym hier verwendet: Vorsorge) ist ein allgemeines Prinzip der Aufgabengestaltung. Stellvertretend für ähnlich gelagerte Aufgabengebiete, wie der Qualitätssicherung oder dem Arbeitsumwelt-/Gesundheitsschutz) (Antes 1996, 48-58, 289-291), sollen im folgenden fur den betrieblichen Umweltschutz die Erfolgsbedingungen von Prävention untersucht werden. Dazu gilt es, einige wesentliche Bedingungen und Entwicklungen zu beachten: 1. Prävention zieht ihre Legitimation aus der ökologisch (u.a. Übernutzung von Ressourcen, irreversible Schäden) und ökonomisch (vor allem exponentiell steigende Grenzkosten von Nachsorge, ökologiegerichtete Ansprüche von "Stakeholdern") begründeten Erkenntnis, daß ein Übergang vom nach wie vor dominierenden nachsorgenden1 1
Dazu nur zwei Indizien: 1. Die Struktur der Umweltschutzinvestitionen im produzierenden Gewerbe, die das Statistische Bundesamt jährlich ermittelt, hat sich seit Beginn der Erhebung kaum verändert: Additive, nachsorgende Umweltschutztechnik dominiert trotz anderslautender und schon ritualisiert anmutender Statements klar (geringster Anteil 1978: 70,0%; höchster Anteil 1987: 86,2%; Anteil 1992: 83,3%) gegenüber integrierter Verfahrenstechnik (geringster Anteül987:12,7%; höchster Anteil 1980:23,8%; Anteil 1992:14,7%); gegenüber dem Basisjahr 1975 war ihr Anteil sogar um 12,8 Prozentpunkte höher als 1992 (Statistisches Bundesamt 1979-1992, jeweils Abschn. 1.4.1)! 2. Als Gegenstück hat dies einen Markt für Umweltschutztechnik und -dienstleistungen entstehen lassen, dem verschiedene Studien allein in Deutschland ein Volumen von rund 65 Mrd. DM zurechnen (Halstrick-Schwenk u.a. 1994) und der nahezu ausschließlich aus einem nachsorgenden Leistungsangebot besteht
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zum vorsorgenden Umweltschutz dringend geboten ist. 2. Durch Eingriffe in die Unternehmenshoheit strukturiert der Gesetzgeber, wozu zunehmend die Europäische Union zählt, die Definition von Umweltschutzaufgaben und ihre Organisation vor. 3. Dennoch sind negative externe Effekte den Verursachern nur teilweise internalisiert, was deren Anreiz zu einem präventiven Verhalten mindert. Dies gilt sowohl für die Internalisierung durch Umweltpolitik in die verursachenden Unternehmen, als auch innerhalb der Unternehmen für die Internalisierung durch die Unternehmen selbst an ihre internen Verursacher (z.B. hohe Gemeinkostenschlüsselung statt Weiterverrechnung auf Stellen und Produkte). Abbildung 1 stellt diese Internalisierungs-Verlustkaskade für Organisationseinheiten schematisch vereinfacht dar. 4. Eine hochgradige und teilweise weiter zunehmende horizontale und vertikale Arbeitsteilung zwischen Unternehmen erhöht die Zahl der Akteure, die zu einer guten, in diesem Fall ökologieverträglichen, Lösung beitragen (müssen) oder diese umgekehrt blockieren können, und erhöht damit ceteris paribus die Transaktionskosten. Dieser Effekt trifft vor allem präventive Ansätze, denn deren Ziel besteht unter anderem in einer umfassenden Optimierung über die ganze Akteurskette hinweg (Produktlinien-, Stoffstrommanagement), während Nachsorge diese Sicht explizit ausblendet, dadurch die Zahl der Akteure reduziert und nur partiell optimiert. Die genannten Entwicklungen sind für die weiteren Ausführungen grundlegend und kommen dort wiederholt zum Vorschein. So führt die allgemeine Anerkennung von Prävention wegen der damit verbundenen Imagegewinne und Legitimitätswirkung häufig dazu, eigenes Verhalten möglichst weitgehend als präventiv zu etikettieren. Deshalb ist es zunächst einmal notwendig, Prävention zu definieren und abzugrenzen
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Abbildung 1: Kaskade der Verursachung und Internalisierung ökologisch negativer externer Effekte G l o b a l e Ö k o l o g i e / Supranational
Staat
Unternehmen
Interne Organisationseinheit
Einzelne Tätigkeit
negative e x t e r n e E f f e k t e internalisierte negative externe E f f e k t e
Die Differenz zwischen beiden Pfeilen einer Ebene (negative externe Effekte, internalisierte negative externe Effekte) markiert jeweils das Ausmaß der nicht verursachungsgemäßen Internalisierung in gleich- oder nachgelagerte Systemteile (z.B.in andere Unternehmen/Akteure, Organisationseinheiten oder Tätigkeiten).
sowie die Akteure zu benennen (Kapitel 1). Dabei wird deutlich, daß die kleinste Organisationseinheit, das einzelne Organisationsmitglied, Dreh- und Angelpunkt einer präventiven Aufgabenerfullung ist. Kapitel 2 fragt deshalb nach den neuralgischen Punkten präventiven Entscheiden und Handelns des Einzelnen; hier wirken sich die unter den Punkten 2. bis 4. genannten Entwicklungen erheblich aus. Wird in den Kapiteln 1 und 2 bereits mikropolitisches Verhalten thematisiert, so fuhrt Kapitel 3 diese Betrachtungen explizit zusammen und fragt
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abschließend nach der Reichweite mikropolitischer Modelle zur Deskription und Präskription präventiven Verhaltens in Unternehmen.
1. Skizze präventiven Entscheidens und Handelns 1.1 Was bedeutet Prävention? Umweltschutz ist nicht gleich Umweltschutz. Schon angedeutet wurde, daß aufgrund der hohen Legitimation von Prävention ein allgemeines Bestreben beobachtet werden kann, nahezu sämtlichen Umweltschutz als präventiv darzustellen.2 Deshalb ist es notwendig, eine klare Trennlinie zwischen präventivem und nicht präventivem - unter Umständen aber durchaus notwendigem - Verhalten einzuziehen, ggf. noch weiter zu differenzieren. Um wesentliche mißverständliche Interpretationen zu verstehen, ist ein kurzer Blick auf die deutsche Umweltpolitik und das deutsche Umweltrecht notwendig (Antes 1996, 31-41 in Verbindung mit 68-70). Die Forderung nach vorsorgendem Umweltschutz hat in der bundesdeutschen Umweltpolitik eine (relativ) lange Tradition, sie taucht bereits im Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971 und im 1974 in Kraft getretenen Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), explizit in § 5, auf - also dem bisherigen Leitgesetz deutscher Umweltpolitik schlechthin. Paradoxerweise - so scheint es auf den ersten Blick - haben genau dieses Gesetz und seine Rechtsverordnungen die Verbreitung nachsorgernder, additiver Technik erheblich begünstigt. Die entscheidende Begrifflichkeit ist die Gleichsetzung von Vorsorge 2
So z.B. Salzwedel (1988, 17) für die Entsorgung oder Jarass (1993, 157, Rdnr. 48) und Coenen u.a. (1995, 24f.) für nachgeschaltete Technik!
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mit Umweltschutz "an der Quelle". Das wiederum hat seinen Ausgangspunkt im Grundgesetz, aus dem zwar einerseits (auch vor Einführung des Staatsziels Umweltschutz in Artikel 20a) Schutzpflichten der natürlichen Umwelt abgeleitet werden. Andererseits gelten aber auch Eingriffe in die Unternehmenshoheit - dazu zählen konkrete organisatorische Vorgaben - nur ganz eingeschränkt als zulässig: immer dann, wenn eine Gefahr droht (hohe Schadenwahrscheinlichkeit und/oder hohes Schadenpotential), dagegen nur noch in Maßen für ein darüber hinausgehendes "Besorgnispotential".3 Die ursprünglich herrschende Meinung hatte diesen Bereich der Vorsorge sehr restriktiv ausgelegt, hat in der jüngeren Diskussion aber an Terrain verloren. "An der Quelle" umgeht diese Schwierigkeit, indem es genau die Quelle selbst nicht einbezieht! Die Normen des bundesdeutschen Umwelt-Verwaltungsrechts setzen demzufolge überwiegend auf der Outputseite an; die unter Vorsorgegesichtspunkten so wichtige Inputseite und die Transformationsprozesse bleiben weitgehend außer Ansatz (Umweltbundesamt 1995, 43-46). Diese Vorgaben aber sind ideal mit additiver Technik zu erfüllen. Jedoch bleiben bei einer solchen Betrachtungs- und Gestaltungsweise nicht nur genau die Ursachen ökologischer Wirkungen unangetastet, sie werden auch, indem die bestehenden Strukturen gestärkt werden, noch zementiert. "An der Quelle" bezeichnet lediglich die zeitlich vorgelagertste Form von Nachsorge. Die hier vertretene Auffassung von Prävention ist enger und geht davon aus, daß für die Definition einer ökologischen Anforderung vor allem der ökologische Entlastungseffekt maßgebend ist. Darauf 3
Die Vorgabe an Unternehmen, unter bestimmten Bedingungen Betriebsbeauftragte zu ernennen, war in der Anfangsphase der Umweltpolitik genau deshalb äußerst umstritten.
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aufbauend lassen sich vier Typen betrieblichen Umweltschutzes unterscheiden: 1. Prävention als die Vermeidung, Verminderung oder Verbesserung der die ökologischen Wirkungen (Ressourcenverzehre, negative externe Effekte) verursachenden Aktivität; 2. Reparatur als die Verminderung und Behandlung entstandener ökologischer Wirkungen; 3. Kompensation als der Ausgleich beibehaltener ökologischer Wirkungen, 4. Duldung als alternativlose Inkaufnahme von ökologischen Wirkungen. Während Prävention demnach die Ursache selbst verändert, behalten alle anderen Typen die Ursachen bei. Reparatur behandelt die Wirkungen, während Kompensation auch die Wirkungen unverändert läßt. Duldung ist keine umweltschützende Verhaltensweise, sondern eine Verhaltensweise, der Anforderung nach Umweltschutz in bestimmter Weise zu begegnen, nämlich durch Unterlassung. Die ökologische Prioritätenfolge lautet 1 > 2 > 3 > 4, wobei auch aus ökologischer Sicht keine Verhaltensweise generell ausgeschlossen werden kann. So gibt es eine Reihe von Situationen, die Reparatur notwendig machen (u.a. Altlasten oder eine kurze Reaktionszeit) oder Duldung erlauben (z.B. ökologische Wirkung im Rahmen der Regenerationsfähigkeit einer Ressource). Entscheidend für die weiteren Betrachtungen sind die unterschiedlichen Eingriffstiefen in das betriebliche Geschehen, die die vier Typen beschreiben und die zu erheblich unterschiedlichen organisatorischen und mikropolitischen Konsequenzen des betrieblichen Umweltschutzes führen.
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1.2 Wer sind die Akteure im präventiven Umweltschutz? Als potentielle unternehmensinterne Akteure kommen in Betracht: die Geschäftsleitung, Umweltschutzexperten, Organisationsmitglieder allgemein (d.h. unterhalb der Geschäftsleitung), Gruppen und die betriebliche Interessenvertretung (Betriebs-ZPersonalrat). Welche Rolle diesen Akteuren zukommt, hängt unmittelbar davon ab, in welcher Form ein Unternehmen seinen Umweltschutz organisiert. Hier gibt es zwei grundsätzliche Optionen, die als entgegengesetzte Pole eines Kontinuums unterschiedlichster Mischformen verstanden werden können: die funktional-additive Organisation und die Integration; zur besseren Unterscheidung sind im folgenden die beiden extremen Varianten betrachtet (Antes 1992, 500-504, und 1996, 232-237). Bei der funktional-additiven Organisation (auch: Konzentration von Umweltschutzaufgaben) werden neben der bestehenden Struktur separate Organisationseinheiten geschaffen. Das ist prinzipiell auf allen Hierarchieebenen und in allen Bereichen möglich, in Linien- wie in Stabsfunktionen.4 Eine funktional-additive Organisation erlaubt, eine neue Aufgabe ohne große Veränderungen bestehender Strukturen zu implementieren. Schnittstellen zu anderen Organisationseinheiten werden demnach minimiert. Der Grundgedanke der Integration (auch: Diffusion von Umweltschutzaufgaben) ist es dagegen, den Aufgabenbereich der vorhandenen Organisationseinheiten zu erweitern, indem die Ökologieverträglichkeit nunmehr als zusätzliches Kriterium der Aufgabenerfiillung eingeführt wird. Im Extremfall geschieht dies im Ausmaß des Verursachungspotentials ökologischer Folgen der jeweiligen Organisationseinheit. 4
Deshalb ist die hierfür auch gebräuchliche Bezeichnung "Zentralisation" in Unterscheidung zu "Dezentralisation" ftlr die Integration mißverständlich.
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Funktional-additive und integrative Organisation bringen einen qualitativ höchst unterschiedlichen Umweltschutz hervor. Warum das so ist, läßt sich an den in der Organisationsforschung üblichen Effektivitäts- und Efimenzkriterien demonstrieren (bezeichnenderweise werden in der umweltschutzspezifischen Organisationsliteratur häufig die Effektivitätskriterien ausgeblendet). Die Effektivität mißt sich am ökologischen Entlastungseffekt. Als Meßlatte wurde hier die Prävention angelegt. Prävention läßt sich selbst wieder durch verschiedene Gestaltungsmerkmale definieren: • Ursachenreduktion, • umfassende Minimierung (über den gesamten Produktlebenszyklus sowie die verschiedenen Wirkungen), • Unsicherheit und Veränderlichkeit ökologischen Wissens und • umfassende ökologische Betroffenheit (d.h. der gesamten Horizontale und Vertikale eines Unternehmens). Es läßt sich zeigen, daß die funktional-additive Organisation tendenziell weder der Ursachenreduktion (stattdessen: Wirkungsbehandlung), noch der umfassenden (stattdessen: partielle) Minimierung, noch der umfassenden ökologischen Betroffenheit (stattdessen: Konzentration bei Minimierung der Schnittstellen) gerecht wird. Allerdings wird notwendiges Umweltschutz-Expertenwissen aufgebaut. Darüber hinaus weist sie eine Präferenz fur Symptombehandlung auf, und Umweltschutzinterdependenzen werden nur innerhalb der separierten Umweltschutzaufgaben berücksichtigt. Leistungsverflechtungen zwischen einzelnen Organisationseinheiten werden kaum beachtet. Das genau wäre aber notwendig, um Prävention, etwa in Gestalt eines Produktlinienoder eines Stoffstrommanagements, zu gewährleisten (Antes 1996, 239-254 in Verbindung mit 72-88). Welche Rolle den eingangs genannten Akteuren in den beiden Organisationskonzepten zukommt, veranschaulicht Abbildung 2.
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Nachsorge: Für einen nachsorgenden Umweltschutz ist eine funktionaladditive Organisation völlig ausreichend. Da die ökologischen Folgen erst im Nachhinein behandelt werden, können für die Organisationsmitglieder ökologische Aufgabeninhalte auf ein Minimum reduziert werden. Solche Aufgabeninhalte werden mittels Arbeitsteilung von den verursachenden Stellen wegverlagert und zu eigenen Umweltschutzstellen konzentriert. Nachsorge wird sich somit vorrangig auf Experten stützen, die - das ist der entscheidende Punkt - für nahezu alle anfallenden Umweltschutzaufgaben zuständig sind. Gruppenarbeit tritt dann auf, wenn verschiedene Schutzbereiche (z.B. Luftreinhaltung, Abfall, Abwasser) koordiniert werden müssen und diese verschiedenen Experten, mit zunehmender Organisationsgröße auch eigenen Umweltschutzeinheiten, zugewiesen sind. Prävention: Prävention setzt grundsätzlich bei allen Organisationsmitgliedern an. Im Gegensatz zur funktional-additiven Organisation, die nahezu alle Umweltschutzaufgaben in Umweltschutzstellen vereint, sind den Organisationsmitgliedern hier wesentliche Aufgaben selbst übertragen. Der Bedarf an Umweltschutzspezialisten ist geringer, aber dennoch vorhanden - aus zwei Gründen: 1. Auch in einem präventiven Umweltschutz verbleiben Aufgaben, für die spezialisierte Stellen besser geeignet sind. Dazu zählen Repräsentationsaufgaben (ein Ansprechpartner) und die prozeßunabhängige Kontrolle (hierfür kommt, sofern vorhanden, aber auch die unternehmensinterne Revision in Frage). 2. Prävention plant im voraus, legt damit also einen deutlich längeren Zeithorizont zugrunde als Nachsorge, die das Eintreten oder zumindest das unmittelbare Bevorstehen eines Schadens abwartet. Die Berücksichtigung längerer Zeithorizonte - und damit einhergehend
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Abbildung 2: Konsequenzen einer funktional-additiven Organisation und einer Integration für die Einbindung verschiedener Akteure in den betrieblichen Umweltschutz
Akteur Geschäftsleitung
Experten
Funktional-additive Organisation
Integration
+
+
- Sicherheitsmanagement - Haftung (eigene, des Unternehmens)
- wie funktional-additiv - zusätzlich: Machtpromotor für Strukturwandel
++
fìlr alle Aufgaben nahezu allein zuständig: - Initiative/Innovation - prozeßabhängige und -unabhängige Kontrolle - Infonnationsbeschafiung und -Versorgung
- Qualifizierung - Repräsentation
+ dominierend: - prozeßunabhängige Kontrolle - Repräsentation in Zusammenarbeit mit anderen Einheiten: - Informationsversorgung - Qualifizierung bedingt: - Infonnationsbeschafiung - Initiative/Innovation insgesamt verstärkt: Serviceleister gegenüber anderen Einheiten
Organisationsmitglieder allgemein
Gruppen
+
auf das Notwendigste beschränkt (v.a. Schnittstelle Produktion) + Expertengruppen zur Gewährleistung des Sicherheitsmanagements (interne Kontrollaufgaben)
Betriebsrat/ Personalrat
Ober gesamte Horizontale und Vertikale des Unternehmens gemäß ökologischer Betroffenheit ++
Kooperation über die gesamte ProdukÜinie (= umfassende Minimierung von ökologischen Wirkungen) +
Minimierung der Beteiligung (restriktive Auslegung von Beteiligungsrechten)
Beteiligung wegen sozialer Kompetenz
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tendenziell zunehmende Wechselwirkungen - stellt aber deutlich höhere Ansprüche an das ökologische Wirkungs- und Prognosewissen. Gerade Prävention braucht deshalb das UmweltschutzExpertenwissen. Es ist jedoch finanziell nicht tragbar, jedes Organisationsmitglied mit einem solchen Umweltschutzwissen auszustatten. Das ist organisationsstrukturell aber auch nicht notwendig, wenn eine dialogorientierte Kommunikation zwischen den allgemeinen Stellen und den Umweltschutzstellen möglich ist und stattfindet. Dazu bedarf es unter anderem bei den Umweltschutzexperten eines Selbstverständnisses, Serviceleister (in Form von beratender Unterstützung) für grundsätzlich alle anderen Organisationseinheiten zu sein. Je tiefer und breiter jedoch eine Absicht ein Unternehmen durchdringt, desto weniger läßt sich eine solche Absicht durch eine funktional-additive Organisation erfolgreich umsetzen.5 Denn es ist ebensofinanzielluntragbar - und würde strukturell zu einer kompletten Parallelorganisation fuhren -, Umweltschutzexperten für die herkömmlichen Aufgaben der anderen Organisationseinheiten zu qualifzieren. Eine solches Vorhaben verlangte weiterhin den Übermenschen - nicht etwa (wenigstens) als Ausnahme, sondern als Normalfall.6 Die Mitarbeiterorientierung wird auch an der anderen Zusammensetzung der Gruppen deutlich. Aus den genannten Gründen sind Umweltschutzexperten hier vertreten, aber nicht allein unter sich, sondern unter anderen und diese beratend, durchaus auch koordinierend. Die Gruppen 5
6
Genau hier liegt auch das Manko eines bloß funktional-additiv organisierten Qualitätsmanagements (Abteilung Qualitätssicherheit) und eines bloß funktional-additiv organisierten Arbeits-/Gesundheitsschutzes (Arbeitsschutzbeauftragte). S. hierzu auch das Qualifikationsprofil eines Immissionsschutzbeauftragten zur Wahrnehmung seiner gesetzlich definierten (!) Aufgaben bei Gebhard 1987, 54. Es erinnert stark an die Metapher von der eierlegenden Wollmilchsau.
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dienen vor allem der Koordination von quer zu vertikalen Unternehmensstrukuren liegenden Aufgaben, wie sie typischerweise im präventiven Umweltschutz auftreten. Aus der verstärkten Mitarbeiterorientierung und Partizipation folgt auch die Kooperation mit dem Betriebs-ZPersonalrat. Das Konzept der funktional-additiven Organisation schließt Beteiligung dagegen tendenziell aus (Antes 1994). Anders stellt sich auch die Funktion der Geschäftsleitung dar. Bei Nachsorge ist sie vor allem an einem funktionierenden Sicherheitsmanagement zur Reduzierung der Umwelthaftung - der des Unternehmens und insbesondere der eigenen, persönlichen - interessiert. Dieses Interesse bleibt auch bei Prävention bestehen. Da Prävention jedoch, wie beschrieben, Organisationsstrukturen verändert, erwächst ihr erhebliche Bedeutung als Machtpromotor eines solchen Organisationswandels.7 Staatliche Minimalauslage·. Unternehmen sind in ihren Möglichkeiten, Umweltschutzaufgaben zu organisieren, nicht völlig frei. Unter anderem macht das Verwaltungsrecht (auch: Ordnungsrecht) institutionelle Vorgaben in Form der verschiedenen Betriebsbeauftragten. Im Zusammenwirken von Verwaltungsrecht
(staatliche Normen,
Mittei-
lungspflichten), Zivilrecht (Haftung) und Strafrecht wird juristischen (das Unternehmen) und natürlichen Personen (das Organisationsmitglied) weiterhin Verantwortung zugewiesen. Chronologisch der früheste und bis heute nachhaltigste umweltschutzbezogene Eingriff in die Unternehmensorganisation stellt das Institut des Betriebsbeauftragten dar. Durch die Art ihrer gesetzlichen Konstruktion liefern sie das Paradebeispiel für die dominierend nachsorgende Wirkung einer funktional-additiven Organisation. Ungeachtet unterschiedlicher Anfor7
Zum Promotorenmodell: Witte 1973; zu umweltschutzspezifischen Befunden vgl. Ostmeier 1990, 220-224, für Produkte sowie Kreikebaum 1988, 1990 und Schmidt 1991,132,201, für Produkte und Verfahren.
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derungen, die unterschiedliche Aufgaben an den Aufgabenträger stellen, ist den Betriebsbeauftragten das ganze Spektrum an Umweltschutzaufgaben übertragen;* teilweise haben sich die Beauftragten durch Ausschüsse zu koordinieren (§ 55 (3) BImSchG und § 21c (3) Wasserhaushaltsgesetz (WHG)). Seit ihrem Bestehen wurden zahlreiche Untersuchungen über die Arbeit der Betriebsbeauftragten durchgeführt. Sämtliche Studien kommen zu dem Ergebnis, daß die große Mehrheit der Betriebsbeauftragten eklatante Defizite bei der Wahrnehmung der präventiven Aufgaben (Initiative/Innovation, Qualifikation) aufweist; unter anderem scheint auch das Selbstverständnis eines Serviceleisters für grundsätzlich alle Unternehmensbereiche und Organisationsmitglieder eher gering ausgeprägt zu sein.9 Die theoretisch ableitbaren präventiven Defizite einer weitgehend funktional-additiven Umweltschutzorganisation bestätigen sich empirisch.10 Aufgrund der grundgesetzlich garantierten Organisationsfreiheit verbleibt den Unternehmen allerdings trotz dieser Vorgabe ein ausreichender Gestaltungsspielraum in Richtung eines präventiven Umweltschutzes: Zum einen sind integrative Ansätze, d.h. Mischorganisationen, nicht ausgeschlossen. Zum andern ist selbst die Einordnung der Betriebsbeauftragten in die Unternehmensstruktur interpretationsfähig und -bedürftig formuliert. 8
Vgl. hierzu das entsprechende Matrixfeld in Abb. 2 oder auch Matzel 1994,53-63, mit den in §§ 54, 56 BImSchG, § 53 Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetz und § 21 b, d Wasserhaushaltsgesetz definierten Aufgaben. 9 S. die diesbezügliche Auswertung der Studien bei Antes 1996, 240-246. Das Ergebnis scheint paradox, widerspricht es doch der in denselben Gesetzen teilweise enthaltenen expliziten Festlegung der Unternehmen auf Vorsorge (etwa in § 5 BImSchG). Es wird verständlich, wenn man sich das gesetzliche Verständnis von Vorsorge mit Umweltschutz "an der Quelle" vergegenwärtigt ( s.o. Kapitel 1.1). 10 Dem widerspricht nicht, daß bei einer rein funktional-additiven Umweltschutzorganisation durchaus Prävention möglich, wenn auch eher unwahrscheinlich ist Da ihre Konzeption einer Prävention entgegensteht, setzt dies jedoch - s.o. - außergewöhnliche persönliche Eigenschaften des Betriebsbeauftragten (Motivation, Qualifikation) voraus.
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Erheblich stärkere präventive Effekte dürften von der zweiten genannten staatlichen Vorgabe ausgehen: Die Zuweisung von Verantwortung an Unternehmen, vor allem aber auch an einzelne Entscheider, stärkt deren Eigeninteresse an Prävention. Allerdings beschränkt sich die Zuweisung auf Sicherheitsziele und klammert Ressourcenziele aus. Zwischenfarìt: Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden geben Unternehmen unter bestimmten Bedingungen eine Minimalauslage betrieblicher Umweltschutzorganisation vor. Diese Minimalauslage befördert eher einen nachsorgenden als einen präventiven Umweltschutz, wie er hier verstanden wird. Aufgrund grundrechtlich gesicherter Organisationsfreiheiten ist Unternehmen dennoch eine präventiv orientierte Organisationsentwicklung möglich. Im Gegensatz zur Nachsorge, die im wesentlichen spezialisierte Umweltschutzstellen einrichtet und selektiv die Geschäftsleitung einbezieht (Sicherheitsmanagement), setzt Prävention die Beteiligung der Organisationsmitglieder in allen Bereichen und auf allen Hierarchieebenen eines Unternehmens voraus. Insgesamt kommt bei Prävention allen Akteuren - und durch die Verschiebungen eine veränderte - Bedeutung zu. Deshalb ist zunächst nach den Bedingungen und Einflüssen ökologieverträglichen Verhaltens des einzelnen Organisationsmitglieds zu fragen.
2. Neuralgische Punkte präventiven Entscheidens und Handelns Im folgenden wird ein auf die Feldtheorie von Lewin zurückgehendes einfaches Verhaltensmodell unterstellt, nach dem das Verhalten das Ergebnis je zweier in der Person selbst liegender und durch die Situation gegebener Einflüsse ist: 1. individuelles Können (Qualifikation),
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2. persönliches Wollen (Motivation), 3. soziales Dürfen und Sollen (formale und informale Strukturen), 4. objektive Ermöglichung (äußere Gegebenheiten) (1935 und 1946, 271 f., sowie Rosenstiel 1987, 45-47). Eine alle Einflüsse umfassende Diskussion muß hier unterbleiben (Antes 1996, Kap. 3., 111-225 u. 303-313); die Ausführungen beschränken sich auf die Verstärker und Bremser eines ökologieverträglichen Verhaltens, die sich in theoretischen und/oder empirischen Analysen als markant herauskristallisiert haben.11 Hervorzuheben ist noch, daß in der Person und in der Situation liegende Einflüsse nicht isoliert, sondern wechselseitig wirken. So wird bei unterschiedlicher Motivation und Qualifikation ein gegebener Verhaltensrahmen unterschiedlich wahrgenommen und ausgeschöpft. Zu betonen ist weiterhin, daß nur wenige, dazu noch systematische Studien den Arbeitsbereich untersuchen, sondern überwiegend privates Verhalten den Untersuchungsgegenstand bildet. Eine einfache Übertragung der Ergebnisse auf andere Lebensbereiche ist aber nicht möglich. 2.1
Individuelles Ausschöpfen des Verhaltensspielraums
2.1.1 Qualifikation Drei Bestandteile machen eine ökologische Qualifikation aus: ein allgemeines ökologisches Wissen, eine ökologiegerichtete technischfachliche Qualifikation und Schlüsselqualifikationen. In Studien zur Verhaltensrelevanz von Umweltbewußtsein wird immer wieder eine geringe Verhaltenswirkung ökologischen Wissens festgestellt. Bei 11 Dadurch entfallen z.B. auch alle sozio-demographischen Eigenschaften (Alter, Geschlecht, formaler Bildungsstand); empirische Studien kommen hier zu völlig gegensätzlichen Befunden Ihre Beliebtheit vor allem in empirischen Studien dürfte in erster Linie auf ihre einfache Erhebbarkeit zurückzuführen sein.
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genauerem Hinsehen überraschen die Befunde nicht: In der Regel wird Faktenwissen erfragt, das häufig noch nicht einmal in einem sinnvollen Bezug zum erhobenen Verhaltensbereich steht (mangelnde Spezifität von Meßskalen). Als sehr viel bedeutsamer ist dagegen Handlungswissen (Kenntnis und Beherrschen ökologieverträglicher Methoden) und Folgewissen (Wissen über die ökologischen Konsequenzen des eigenen Verhaltens) anzusehen. Beide versetzen das Individuum überhaupt erst in die Lage, sich gezielt ökologieverträglich zu verhalten. Ohne diese beiden Voraussetzungen ist ökologieverträgliches Entscheiden und Handeln zwar möglich, aber weniger wahrscheinlich und zufallig. Zwei Fragen sind an dieser Stelle aufzuwerfen: die nach der Verteilung des Wissens innerhalb des Unternehmens und die grundsätzliche nach Grenzen des Wissens und damit möglicherweise auch von Prävention. Die erste wurde in den wesentlichen Punkten bereits diskutiert: Gerade Prävention erfordert Expertenwissen. Im Gegensatz zur Nachsorge kann sich Prävention jedoch nicht ausschließlich auf Expertenwissen stützen. Handlungs- und Folgewissen müssen bis zu bestimmten Graden auch vor Ort entwickelt werden. Vor einem grundsätzlichen Problem steht aber auch Expertenwissen: der mit einer präventiven Ausrichtung zunehmende Bedarf an Wirkungs- und Prognosewissen (s.o.), dem objektiv ein in vielen Bereichen eher gering oder zumindest unscharf entwickeltes Wissen über ökologische Folgen, insbesondere über Wechselwirkungen, gegenübersteht. Mangelndes Folgewissen schränkt jedoch die Bewertbarkeit von Handlungsalternativen ein. Es ist dann die Frage, wie weit unvollkommene Information präventives Handeln noch zuläßt und ob die Wahrscheinlichkeit nicht intendierter negativer Folgen nicht zu groß wird. Ist also doch Reparatur angeraten oder sogar zwingend - eine Strategie, die durch das Abwarten von Gefahren die Prognosezeiträume verkürzt und so die Prognoseunsicherheit verringert oder - im Extremum - durch
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das Abwarten von (Schadensereignissen Ergebnissicherheit erreicht? Kirsch etwa bejaht die Frage pauschal und entschieden (1988, 1989). Abbildung 3: Informationsgrade für Prävention
Informationskategonen
Ökologische Wirkungen Ressourcennutzung
Erfassung der stofflichenergetischen In-/Outputs
+
Beurteilung der Wirkungen
+
Kenntnis und Beherrschen + robuste Verhaltensvon Handlungsaltemativen regeln (Verringerung/Verlangsamung der Stoff-ZEnergieströme + Entlastungspotential bereits bekannter Alternativen - neu zu entwickelnde Substitute + -
Negative externe Effekte +/- bekannte/nicht bekannte Zielgroßen (Wirkungen) Wechselwirkungen + robuste Verhaltensregeln bei bekannten Zielgrößen - bei nicht bekannten Zielgroßen
tendenziell ausreichender Informationsgrad tendenziell nicht ausreichender Informationsgrad
Im Gegensatz dazu zeigt Abbildung 3 die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung. Die größten Lücken ökologischen Wissens treten bei negativen externen Effekten auf. Erhebliche Defizite bestehen bei der Beurteilung von Wechselwirkungen. Teilweise sind schon Zielgrößen (potentielle Wirkung) nicht bekannt. Die Notwendigkeit zur Entwicklung neuer Handlungsalternativen ist kein prinzipielles Problem (zumal schon durch den Einsatz der bekannten ökologieverträglichsten
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Alternativen erhebliche Entlastungen erreicht werden könnten12). Dagegen kann beispielsweise für den gesamten Bereich des Ressourcenschutzes tendenziell von einem ausreichenden Wissensstand ausgegangen werden. Der entscheidende Punkt ist, ob in der bestimmmten Situation zumindest ausreichend robuste präventive Verhaltensregeln bekannt sind und verfolgt werden können. Dies ist für die Mehrzahl der Entscheidungssituationen zu bejahen. Als dritter Qualifikationsbestandteil wurden Schlüsselqualifikationen genannt. Schlüsselqualifikationen sind von einer speziellen Aufgabe unabhängige, kognitive und soziale Fähigkeiten. Sie ergänzen die fachliche Kompetenz, sie können sie nicht ersetzen. Gerade aufgrund der Anforderung an Prävention, eine umfassende, d.h. den einzelnen Tätigkeitsbereich entlang der Produktlinie übergreifende Minimierung anzustreben, sind solche Schlüsselqualifikationen erforderlich. Denn es müssen Organisationsmitglieder der verschiedensten Bereiche und aus verschiedensten Disziplinen kooperieren. Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit sind deshalb solche Schlüsselqualifikationen. Auch die Fähigkeit zum Umgang mit Komplexität zählt dazu. Zwei typische Verhaltensmuster stehen dem entgegen: Zum einen wird die eigene Fähigkeit zum Umgang mit Komplexität tendenziell überschätzt (instruktiv Dörner 1993, u.a. die Experimente 22-57). Zum andern besteht das Bedürfiiis nach Komplexitätsreduktion. Nachsorgender Umweltschutz kommt diesem Bedürfnis entgegen, indem er partielle Aufgaben definiert und diese nacheinander angeht (z.B. Einsatz von 12 Beispielhaft die von der Enquête-Kommission "Schutz der Erde" erhobenen, mit verfügbarer Technik erreichbaren Energieeinsparpotentiale; Deutscher Bundestag 1990, 158-180, insbes. 162 f. Die 1990 bekannten technischen Potentiale der C02-Reduktion wurden in der Summe der Anwendungsfelder auf 35-45% geschätzt (165).
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Luftfiltern - Ausweis und Erstellen einer Deponie - Deponierung Abdichtung der Deponie gegen Sickerwasser). 2.1.2 Motivation Qualifikation ist notwendig, ein bestimmtes Verhalten auszuführen, aber nicht hinreichend, es auszulösen. Hinzutreten zu dem durch Qualifikation ermöglichten Verhalten muß die Bereitschaft, bisheriges, weniger ökologieverträgliches, möglicherweise sogar bereits habitualisiertes und/oder an Normen orientiertes Verhalten zu ändern oder aufzugeben. Bereitschaften sind zunächst latent vorhanden (Motiv, Motivstruktur). Erst durch Anreize, die in der Person selbst oder extern begründet sein können, werden sie aktiviert und aufrechterhalten (Motivation). Aktiviert werden Bereitschaften dann, wenn das Organisationsmitglied erwartet, durch sein Verhalten bestimmte Ziele erreichen und damit Bedürfnisse befriedigen oder Werte verwirklichen zu können. Für die (Arbeits-)Motivation grundlegend sind damit vier Kategorien: die Art und Stärke der Bedürfnisse, Werte und Einstellungen, Erwartungen und der Ausgleich von Spannungen.13 Die Motivation für ökologieverträgliches Verhalten wird in der Umweltforschung häufig durch das Umweltbewußtsein erklärt. Allerdings hat sich die Forschergemeinde keineswegs auf ein homogenes Konstrukt geeinigt (zum Überblick über die Ansätze: Antes 1996, 106-109). Auch werden die genannten Kategorien von Motivation in der Regel nur ansatzweise erfaßt. Mit diesen Einschränkungen lassen sich als wesentlich für die Motivation zu ökologieverträglichem, aber 13 Die Kategorien spiegeln die herkömmliche Unterscheidung der Theorien der Arbeitsmotivation in Inhaltstheorien (z.B. Maslow, Alderfer, Heizberg, McLelland) und Prozeßtheorien (Erwartungstheorien, z.B. Vroom, Porter/Lawler, Gleichheits-ZBalancetheorien und Attributionstheorien, z.B. Weiner) wider.
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auch zu einem bewußt nicht verträglichem (!) Verhalten erkennen: (1.) Werthaltung, (2.) Wahrnehmung und (3.) andere Verhaltensmotive.14 (1.) Neben genetischen Prägungen sind Werte die am tiefsten verwurzelten Orientierungen und Verhaltensmaßstäbe. Sie sind dadurch relativ resistent gegenüber Veränderungen - in beide Richtungen. Auch unbewußt wirken Werte als Wahrnehmungsfilter, beeinflussen die Wahl des Zeithorizonts, die Informationssuche und -Verarbeitung und dienen, gerade in Konfliktsituationen zwischen Ökologie und Ökonomie, als Bewertungsstandards (Lantermann/Döring-Seipel 1990, 636). Solche Funktionen werden mit zunehmendem Verhaltensspielraum (Freiheitsgrade der Organisationsmitglieder), zunehmender Unsicherheit und bei hohem Konfliktpotential der Entscheidungssituation bedeutsam. Das von Gutenberg postulierte Wirtschaftlichkeitsprinzip (Rationalprinzip im Hinblick auf das eingesetzte Material), daß ein systemindifferenter Tatbestand und damit selbst für die Geschäftsleitung nicht disponibel sei, kann deshalb in dieser Stringenz nicht aufrechterhalten werden (1929, 30-42 oder 1983, 457-460). Dabei sind nicht nur ökologiespezifische, sondern auch allgemeine Werte (z.B. Sparsamkeit, Selbstbeschränkung, Gütergebundenheit, Positionalität, Sozialverträglichkeit, Offenheit gegenüber Neuem) relevant für die Ökologieverträglichkeit des Verhaltens; teilweise waren diese sogar einflußreicher als die gemessenen ökologiespezifischen. (2.) Wahrnehmung beeinflußt Verhalten in allen Phasen eines Problemlösungsprozesses, von der Problemdefinition bis zur Beurteilung von Handlungsalternativen. Wahrnehmungsbarrieren betreffen nicht alle Arten von Umweltschutz gleichermaßen, sondern bewirken 14 Neben der theoretischen Analyse bildet die Grundlage hierfür eine umfassende und ausführliche Auswertung der empirischen Studien; s. die bei Antes 1996, S. 106-108, in den Fn. 78-87 angegebenen Quellen.
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einseitig eine Bevorzugung von Reparatur und Kompensation gegenüber Prävention sowie von technischen gegenüber sozial-organisatorischen Strategien und Maßnahmen. Als wesentlich können gelten: (a.) Sinnlich unmögliche oder erschwerte Wahrnehmbarkeit von Ursachen und ökologischen Wirkungen. Entstandene Schäden sind eher wahrnehmbar als entstandene Wirkungen15 und diese wiederum eher als ihre bestehenden oder gar potentiellen Ursachen. Die ersichtliche Notwendigkeit von Umweltschutz wächst mit der Ausbreitung von Wirkungen; sie ist bei Störfallen am ehesten gegeben, bei schleichenden Verschlechterungen am wenigsten. Durch Hilfsmittel (Dokumentation von Meßreihen, Bildung von Kennzahlen etc.) läßt sich Anschaulichkeit herstellen. Die unmittelbare Erfahrbarkeit entfallt jedoch. (b.) Sichtbarkeit von Reparaturerfolgen. Ähnlich abgestuft ist die Wahrnehmbarkeit von Erfolgen der verschiedenen Umweltschutztypen. Vermiedene Ursachen sind schwerer sichtbar und darstellbar als behandelte Wirkungen und diese wiederum als behandelte Schäden. Anfangserfolge sind gerade bei Reparatur erkennbar, die Erfolge von Prävention erst im Laufe der Zeit. Die Rückkopplung der partiellen Erfolge von Reparatur erfolgt sofort. Dagegen werden ihre negativen Verlagerungseffekte und ihre selbst partiell begrenzte Reichweite (Überkompensation bei anhaltendem Wachstum der Problemursache) erst zeitvenzögert sichtbar. Durch die Übertragung von Anfangserfolgen kann sich die Präferenz für Reparatur verfestigen. (c.) Bessere Demonstrierbarkeit technischer gegenüber sozial-organisatorischen und additiver gegenüber integrierten UmweltschutzIS Wirkung und Schaden sind zeitlich zu trennen. Erst wenn über Anreicherungsprozesse die Au&ahme- und Regenerationsfähigkeit einer Senke erschöpft ist, entsteht der Schaden. Eine Wirkung kann demnach, muß aber nicht sofort einen Schaden nach sich ziehen.
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maßnahmen. Vor allen anderen Maßnahmen bestätigen technischadditive - sich selbst und anderen - die eigenen Umweltschutzaktivitäten. Am Ende der "Wahrnehmbarkeitsskala" stehen integrierte sozial-organisatorische Maßnahmen. Aber auch unter den sozialorganisatorischen Maßnahmen ist zu unterscheiden, sind zwei Formen besser darstellbar und wahrnehmbar als andere: funktional-additive, insbesondere Beauftragte oder ganze Umweltschutzabteilungen (einschließlich Werkschutz) sowie Formalisierungen durch ihre Dokumentation, insbesondere Handbücher. Als wichtiger Aspekt tritt hier die Imagewirkung auf externe Anspruchsgruppen hinzu. Additive Umwelttechnik, eine funktional-additive Organisation, Umwelthandbücher, selbst vom Betriebsgeschehen weitgehend losgelöste Umweltleitlinien signalisieren besonders gut: "Wir tun etwas." Entsprechend dominiert auch diese Art des Umweltschutzes die Außendarstellung. (d.) Verdrängungsmechanismen subjektiver Wahrnehmung. Wahrnehmung ist subjektiv. Wie ökologiegerichtete Informationen über Ursachen, Wirkungen oder Erfolge aufgenommen und bewertet werden, hängt von der Einstellung zum Umweltschutz ab. Das theoretische Konstrukt "Einstellung" wird selbst wieder durch verschiedene Komponenten beschrieben. Bedeutende Verdrängungsmechanismen wurden beobachtet hinsichtlich • der wahrgenommenen Ernsthaftigkeit eines Problems (Leugnen, Relativieren); • der emotionalen ökologischen Betroffenheit: Die "distante Problemwahrnehmung" kennzeichnet ein Phänomen, bei der die Sensibilisierung gegenüber einem Umweltproblem um so geringer wird, je näher dieses auf den eigenen Verantwortungsbereich - das eigene Unternehmen oder sogar die eigene Tätigkeit - bezogen
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wird.16 Durch den Ausschluß der Mehrzahl der Organisationsmitglieder vom Umweltschutz kommen Reparatur und Kompensation diesem Phänomen entgegen und fördern es; • der wahrgenommenen Kontrolle (Kausalitätsorientierung): Bei externaler Kontrollorientierung werden Erfolg oder Mißerfolg anderen Ursachen als sich selbst zugeschrieben. Es werden andere in der Verantwortung gesehen (der Staat, das Management, der Betriebsbeauftragte etc.). Bei internaler Kontrollorientierung wird die Verantwortung dagegen auch sich selbst zugeschrieben ("wahrgenommene Eigenverantwortlichkeit") und die Einflußmöglichkeiten des eigenen Verhaltens gesehen ("erlebte und erwartete Verhaltenseffektivität"). Internale und externale Kontrollorientierung sind in jedem Menschen wirksam, aber in unterschiedlicher Kombination und selbst bei derselben Person je nach Situation durchaus verschieden. Zur distanten Problemwahrnehmung besteht ein direkter Zusammenhang, denn bei internaler Kontrollorientierung wird - zumindest implizit - eingestanden, selbst (Mit-)Ursache des Problems zu sein. Hier dürfte ein wesentlicher Grund liegen fur die immer wieder erhobene und in umweltpolitischen Diskussionen zu beobachtende eindeutige Präferenz von Entscheidungsträgern für technische Alternativen gegenüber Verhaltensänderungen.17 16 Vgl. die Studien zum Umweltbewußtsein von Industriefacharbeitern (Bogun/Warsewa 1989,47f;Bogun/Osterland/Warsewa 1990,178£; Heine/Mautz 1989, 152, 159-163, 209; allgemein Schwarz 1993, 107) oder von Managern (Gessenharter u.a. 1990, 9-11; Birke/Schwarz 1994, 21f.); mit weiteren Nachweisen bei Antes 1996,139f. 17 Eine solche Orientierung ist allerdings nicht auf diesen Personenkreis beschränkt, sondern ist z.B. im Alltagshandeln bei der Mehrzahl ganz allgemein festzustellen, etwa bezüglich der Mobilität
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(3.) Zwei Forschungsstränge haben die Aufmerksamkeit wieder1® auf andere Verhaltensmotive, insbesondere materielle und anreizbezogene (Opportunitätsstrukturen, Kosten und Nutzen des Verhaltens) gelenkt: die empirischen Studien von Diekmann/Preisendörfer (1992, 1994) und ihre "Low-Cost"-Hypothese und die im Sog ausgelöste "RationalChoice"-Debatte sowie die Übertragung sozialer DilemmataSituationen auf kollektive Umweltgüter. Ein erhebliches Forschungsdefizit bestand darin, mit dem Umweltbewußtsein einseitig kognitive Verhaltenserklärungen zu suchen trotz der äußerst eingeschränkten Erklärungskraft solcher Modelle - die oft konstatierte Lücke zwischen Umweltbewußtsein und entsprechendem Verhalten ist unter anderem diesem Défiât geschuldet - und trotz der (Einzel-)Ergebnisse der behavioristischen Forschung (s. Fußnote 19). Im Gegensatz dazu ist davon auszugehen, daß Ökologieverträglichkeit nur ein Verhaltensmotiv unter anderen darstellt. Sofern nicht dominant, wird selbst ein Organisationsmitglied, das zu ökologieverträgliche(re)m Verhalten bereit ist, mit anderen Motiven abwägen. Diese anderen Motive können in konkurrierender, komplementärer oder neutraler Beziehung stehen. "Low-Cost"-Verhalten bedeutet dann, sich vor allem oder zunächst in den Bereichen, Rollen und selbst einzelnen Situationen des eigenen Lebens ökologieverträglich zu verhalten, wo eine hohe Komplementarität gegeben ist (positiv z.B. Motivation durch anspruchsvolle Arbeit und Aufgabenbereicherung durch Ökologie- und sozialverträgliche(re) Aufgabeninhalte; negativ z.B., wenn dies zur übermäßigen Leistungsverdichtung fuhrt); nach Diekmann/Preisendörfer in Situationen, "die keine einschneidenden Verhaltensänderungen 18 Die behavioristisch orientierte Umweltverhaltensforschung hatte dies schon sehr vielfrüher,war aber trotz in Experimentalstudien nachgewiesenen Einzeleffekten aufgrund ihrer Theorielosigkeit außerhalb dieses Forschungsstrangs nicht weiter beachtet worden; als Oberblick: Herr 1988,8-30.
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erfordern, keine größeren Unbequemlichkeiten verursachen und keinen besonderen Zusatzaufwand verlangen" (1992, 240). Die These ist dahingehend zu relativieren, daß es nicht um Unbequemlichkeiten an sich, sondern um übermäßige Unbequemlichkeiten geht (Scherhorn 1994,259-267). Versuche, ökologieverträgliches Verhalten einseitig als Ergebnis eines rational-ökonomischen Kalküls zu sehen, sind zurückzuweisen; der Mensch ist kein eindimensionales Wesen. Das zeigt auch eindrücklich die Forschung zu ökologischen DilemmataSituationen (Allmende-Klemme). So ist in bestimmten Situationen (z.B. Gefangenen-Dilemma) zwar theoretisch ein Verhalten zweier Kontrahenten rational, das für beide zu suboptimalen Ergebnissen fuhrt. Laborexperimente (z.B. Fischereikonflikt) zeigen jedoch, daß dieses Verhalten nur von einem Teil der Probanden praktiziert wird (Weimann 1991, 274-278; Spada/Ernst 1990, 15f.; Ernst/Spada 1991, 64; Scherhorn 1994, 262-266). Selbst Gruppen, in denen ein solches Verhalten auftaucht, gelingt es, ein der Regenerationsfähigkeit der Ressource angemessenes und nicht den kurzen Erfolg suchendes Verhalten bei allen Gruppenmitgliedern zu stabilisieren (Spada/Ernst 1990). Da bei jedem Organisationsmitglied solche "Low-Cost"-Bereiche identifiziert werden können, dürfte auch die Mehrzahl der Organisationsmitglieder über ökologieverträgliches Verhalten berichten können. Umgekehrt dürfte es angesichts der Vielzahl ökologischer Folgen selbst dem Umweltbewußtesten schwerfallen, in allen seinen Aufgabenbereichen sich ökologisch optimal zu verhalten. Zwei weitere wesentliche Forschungsergebnisse bleiben festzuhalten: Es gibt erstens "weder den durchgängigen Umweltsünder noch den konsistenten Umweltschützer" (Diekmann/Preisendörfer 1994, 23; auch die empirischen Befunde 1992, 235-239). Zweitens können infolge der Wirkung ökologieverträglichen und ökologieunverträglichen Verhaltens auf
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andere Verhaltensmotive selbst dem Umweltschutz gegenüber positiv eingestellte Organisationsmitglieder demotiviert und negativ eingestellte motiviert werden; für neutral eingestellte gilt beides. Situative Einflüsse werden mitbestimmend. Demnach ist der Grad der Internalisierung individueller, durch die Art der Aufgabenerfullung verursachter Umweltwirkungen ausschlaggebend für das individuelle Kosten-NutzenVerhältnis ökologieverträglichen Verhaltens. 2.2
Situative Verhaltensmöglichkeiten und -begrenzungen
In der Situation liegende Verstärker und Bremser ökologieverträglichen Verhaltens können dem Verhaltensrahmen, d.h. den formalen und informalen Strukturen, oder den äußeren Gegebenheiten entstammen. 2.2.1 Formaler und informaler Verhaltensrahmen Der formale und informale Verhaltensrahmen der Mitglieder eines Unternehmens wird zum einen durch die Form(en) der Arbeitsteilung und (der daraus sich ergebenden) Konfiguration und zum andern durch die Form(en) der Verhaltenssteuerung und -koordination strukturiert. Die Entscheidungshoheit hierüber liegt - da grundgesetzlich garantiert - vornehmlich beim Unternehmen. Weiteren Einfluß auf die ökologische Ausrichtung des Verhaltensrahmens können vor allem die staatlichen Organe nehmen (Gesetzgebung, Genehmigungs-/Kontrollbehörden, Rechtsprechung; s.o.), weiterhin halbstaatliche und private Normungsinstanzen (u.a. Umsetzung EU-Umwelt-Audit, DIN- oder VDINormen) sowie die Tarifparteien (vor allem Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen), nur in Einzelfallen dagegen die Öffentlichkeit (u.a. Anrainerbeschwerden, Medienereignisse, Kooperation mit Natur-/ Umweltschutzverbänden). Zunächst soll der formale Verhaltensrahmen eines Organisationsmitglieds betrachtet werden, d.h.:
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(1.) der Zuschnitt der Stelle selbst (Sachaufgabe, Kompetenzen, Verantwortung); (2.) die Ausstattung der Stelle mit Ressourcen; (3.) die Vorgabe von Verhaltensnormen; (4.) ergänzende verhaltenssteuernde und -koordinierende Instrumente. (1.) Die wesentlichen Aspekte zum Zuschnitt der Stelle eines Organisationsmitglieds wurden bereits in Kapitel 1 genannt: Mit der Definition der Sachaufgabe(n) einer Stelle werden auch implizit deren potentielle ökologische Wirkungen festgelegt. Für die Bewältigung dieser Wirkungen ist der Stelleninhaber jedoch nicht zwangsläufig zuständig, kompetent und verantwortlich. Durch das zeitliche Auseinanderfallen von Ursache, Wirkung und unter Umständen Schaden wird Arbeitsteilung zwischen der Erfüllung der Aufgabe und der Behandlung der dabei entstehenden Wirkungen möglich. Die Behandlung kann organisationsintern anderen Stellen, Beauftragten oder Zentralbereichen, übertragen sein oder auch externen Dienstleistern. Vollzieht das Unternehmen bezüglich des Umweltschutzes durchgängig eine interne Arbeitsteilung, entsteht eine funktional-additive Organisation. Die formale Aufbauorganisation steht dann dem ökologieverträglichen Entscheiden und Handeln des einzelnen Organisationsmitglieds entgegen. Nicht nur begünstigt, sondern sogar eingefordert wird dagegen ein solches Verhalten, wenn genau umgekehrt die formalen Zuschnitte der Stellen die einzelnen Stelleninhaber weithin zuständig, kompetent und verantwortlich für die von ihnen (potentiell) verursachten ökologischen Wirkungen belassen (Integration). Der Zuschnitt der Stelle(n) ist grundlegend für das Ausmaß der ökologiegerichtetheit des formalen Verhaltensrahmens, denn aus ihm leitet sich die Notwendigkeit und der Bedarf an den weiteren Maßnahmen ab. Nur im Falle der Integration wird für die einzelnen Stellen
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ein ökologiegerichteter Verhaltensrahmen überhaupt angestrebt und besteht ein logisches Interesse an weiteren stellenbezogenen ökologiegerichteten Maßnahmen. Daß dem in der Unternehmensrealität weitgehend nicht so ist, wie empirische Studien immer wieder belegen (zum Überblick: Antes 1995), ist deshalb kein Zufall, der bald und so ohne weiteres überwunden sein dürfte. Dieser Zustand ist vielmehr die logische Folge der dominierend funktional-additiven Organisation des betrieblichen Umweltschutzes, der ökologieverträgliches Verhalten der Stelleninhaber systematisch ausschließt und deshalb auch keine entsprechenden Ressourcen und Instrumentarien bereitstellt. (2.) Die Verfügungsmöglichkeiten über Ressourcen bestimmen objektiv die Aktionsmöglichkeiten eines Organisationsmitglieds. Eine Beschränkung wirkt als absolute Verhaltensrestriktion. Ressourcen können Betriebsmittel, aber auch Zeit- oder Kostenbudgets sein. Für eine ökologieverträgliche Aufgabenerfullung besonders relevant sind ausreichende Möglichkeiten der Information und Kommunikation mit Kollegen, anderen Bereichen, Umweltschutzexperten oder Unternehmensexternen. (3.) Soll ein Organisationsmitglied seine Aufgabe ökologieverträglich erfüllen, müssen seine Verhaltensnormen im Einklang damit stehen. Verhaltensnormen können ex- oder implizit, ein- oder mehrdeutig und fallweise oder generell formuliert sein; ökologierelevant sind vor allem die ersten beiden Unterscheidungen. Die spezifische Wirkung einer Norm auf die Ökologieverträglichkeit des Verhaltens hängt schließlich von vier Festlegungen und Konstellationen ab: 1. ob Umweltschutz expliziter und umfassender Bestandteil der Norm ist - oder nicht; 2. der wahrgenommenen Wirkung (Richtung, Stärke) der Beziehung zwischen Umweltschutz und den anderen Norminhalten;
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3. der Wichtung (Präferenzordnung) a. zwischen Umweltschutz und den anderen Norminhalten und b. der anderen Norminhalte untereinander; 4. den Optimierungskriterien für Umweltschutz und allen anderen Normen. Die Spannbreite möglicher Verhaltenssignale reicht somit von einer expliziten, umfassenden und vorrangigen Berücksichtigung des Umweltschutzes bei gleichzeitiger Komplementarität mit den anderen wichtigen Norminhalten und jeweils hohen Zielerreichungsgraden (positives Extremum) bis zu einer Nichtberücksichtigung bei gleichzeitiger Dominanz konkurrierender, ebenfalls mit hohen Zielerreichungsgraden versehener Norminhalte (negatives Extremum). Die Wahrscheinlichkeit intendierter und nicht-intendierter negativer ökologischer Handlungsfolgen ist im ersten Fall am geringsten, im zweiten am höchsten. Explizit und eindeutig formulierte Verhaltensnormen gewähren keinen formalen Ermessensspielraum. Deshalb muß in ihnen das Ausmaß der ökologieverträglichen Aufgabenerfüllung festgelegt sein, ansonsten bleibt dem Organisationsmitglied nur der Normenverstoß zugunsten ökologieverträglichen Verhaltens. Bei impliziten und mehrdeutigen Verhaltensnormen steigt die Wahrscheinlichkeit ökologieverträglicher Aufgabenerfüllung mit der Berücksichtigung ökologischer Anforderungen, der Breite ihrer Berücksichtigung und ihrer Gewichtung gegenüber anderen Kriterien. Eine Nichtberücksichtigung schließt ökologieverträgliches Verhalten nicht aus. Im Rahmen seines verbleibenden Verhaltensspielraums kann das Organisationsmitglied ökologieverträgliche Alternativen suchen und auswählen, sofern sie komplementär oder mindestens neutral zu den Norminhalten sind. Solches bedarf dann aber schon einer besonderen Motivation, denn die Aufgabenerfüllung wird anspruchsvoller; da die Instanz aber genau dies
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nicht beabsichtigte, wird sie weder zusätzliche Ressourcen zur Verfugung stellen (und aus anderen Verwendungen abziehen) noch wird sie die Ökologieverträglichkeit als besonderen Erfolgsmaßstab honorieren, zumal es auch nicht ihr eigener Erfolgsmaßstab gegenüber der ihr vorgesetzten Instanz ist. Verhaltensinterdependenzen mit Organisationsmitgliedern und eine kulturelle Einbindung in eine Gemeinschaft von Organisationsmitgliedern (s.u.), deren Verhaltensnormen ebenso keine ökologischen Anforderungen berücksichtigen, erschweren zusätzlich die Umsetzung. Andererseits sind auch einer ausschließlich formalen Koordination Grenzen gesetzt. Implizite und mehrdeutige Normen sind aus obengenannten Gründen nicht zu umgehen. Dadurch entsteht zwischen Instanz und nachgeordneter Stelle Raum fur unterschiedliche Interpretationen. Mikropolitisches und wertorientiertes Verhalten sind empirische Belege dafür. Auch kann eine ausschließlich mittels expliziter und eindeutiger Verhaltensnormen steuernde Instanz auf Kommunikationsentscheidungen des nachgeordneten Organisationsmitglieds angewiesen oder davon beeinflußbar sein. Operative Tätigkeiten können mehr oder minder sorgfältig ausgeführt werden. Schließlich sind Kalküle, also auch Verhaltensnormen, ein Mittel zur Verringerung von Komplexität. Weil die Aufnahme von Umweltschutzkriterien dem schon an sich zuwiderläuft, können unter Umständen nur einige, die im Moment der Normformulierung am wichtigsten erscheinenden, berücksichtigt werden. Daraus entstehen weitere Verhaltensspielräume. Dennoch bleibt die Notwendigkeit einer ökologieverträglichen Koordination. Ergänzende Maßnahmen können darauf hinwirken. Die Notwendigkeit aber bleibt bestehen, denn diese Maßnahmen sind selbst das Ergebnis des Verhaltens von Organisationsmitgliedern.
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(4.) Die Verhaltensnormen ergänzenden Instrumente sollen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, daß die Organisationsmitglieder im Sinne der Organisationsziele entscheiden und handeln können. Ergänzende Instrumente in diesem Sinne sind: die Aus- und Weiterbildung, das Informations- und Kommunikationssystem, Planungsinstrumente und Entscheidungshilfen, Anreize und Sanktionen. Präventiver Umweltschutz als Unternehmensziel unterstellt, ist es deshalb, wie schon bei den Verhaltensnormen selbst, notwendig, daß diese ergänzenden Maßnahmen ebenfalls ökologiegerichtet sind. Das kann auf zweierlei Art erfolgen: • durch ökologiespezifische Instrumente, etwa Umweltbildung, Ökobilanzen oder ein Vorschlagswesen "Umweltschutz"; • durch die ökologiegerichtete Erweiterung des herkömmlichen, bereits eingesetzten Instrumentariums. Die Literatur setzt sich vorwiegend mit ökologiespezifischen Instrumenten auseinander. Demgegenüber dürften von den herkömmlichen Instrumenten ökologisch erhebliche Folgen ausgehen, denn diese sind es, die in aller Regel den Verhaltensrahmen prägen. Jedoch sind ökologische Kriterien darin kaum integriert. Die empirischen Befunde lassen vielmehr - und wiederum in Übereinstimmung mit einer dominierend funktional-additiven Organisation - das Bild einer ökologischen Blindheit der verhaltenssteuernden und -koordinierenden Instrumente entstehen. Das läßt ökologieverträgliches Verhalten allenfalls als Zufallsprodukt zu. Weit häufiger dürfte es bereits im Ansatz ausgebremst werden. Oft wird auch ökologieverträgliches Verhalten direkt konterkariert. Das zeigt sich besonders deutlich bei monetären Anreizen und zwar unabhängig von der Position - ob als Akkordlohn eines Arbeiters oder als Erfolgsprämie eines Bereichsleiters: Die variablen Bestandteile von Gehältern sind oft an rein quantitativen Ergebnissen und an sehr kurzen Zeiträumen orientiert. In so kurzen Zeiträumen
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werden nur selten die ökologisch negativen Folgen von Verhalten sichtbar und ebenso wenig die positiven Effekte ökologisch verträglichen Verhaltens. Auch blenden quantitative Bemessungsgrundlagen die oft qualitativen ökologischen Kriterien aus. Allerdings bestünde in dem begrenzten Umfang, in dem einem Unternehmen seine externen Kosten internalisiert werden - und die dadurch als Preissignal auf das Unternehmen rückwirken - die kostenrechnerische Möglichkeit
der
verursachergemäßen Zurechnung. Es gibt jedoch kaum ein Unternehmen, in dem dies umgesetzt ist (mit weiteren Nachweisen bei Antes 1996, 80-282; als Pilotprojekte Kunert AG u.a. 1995; Fichter u.a. 1997). Neben diesem formalen Verhaltensrahmen sind es informale Normen, die auf das Verhalten eines Organisationsmitglieds Einfluß nehmen können. In welchem Ausmaß dies geschieht, hängt auch wieder von den persönlichen Merkmalen des Organisationsmitglieds ab, unter anderem von der Kausaltitätsorientierung (s.o.): Besonders bei starker externaler Kontrollwahrnehmung dürften soziale Normen - egal ob pro oder contra Ökologieverträglichkeit - einen starken Verhaltensdruck ausüben. In Studien zum privaten Lebensbereich (Familie, Freunde, Nachbarschaft) oder Kleingruppenstudien (ökologische Dilemmata) ergaben sich für ökologiegerichtete soziale Normen signifikante Einflüsse. Aus Unternehmen sind auch Verhaltenseffekte in Richtung keiner oder nur begrenzter Ökologieverträglichkeit bekannt (für Arbeiter Leisewitz/Pickshaus 1992, 32; fur Manager Seidl 1993, u.a. 217, 252, 256). Informale Normen können von verschiedenen Untemehmensebenen, aber auch von außerhalb auf ein Organisationsmitglied einwirken: • als Unternehmenskultur, d.h. als gemeinsames Wert- und Normengefuge der Organisationsmitglieder;
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• als Bereichskultur, d.h. als Subkultur des engeren Arbeitsbereichs (z.B. Forschung und Entwicklung (FuE), Buchhaltung, Marketing); • als Gruppennorm, vor allem durch die Gruppenkohäsion, mit verschiedenen beobachteten Effekten ("Risk shift"; Gruppendenken, gerade auch bei Expertengruppen); • als unternehmensübergreifende Berufskulturen (Berufsethos). Ein gleichzeitiges Einwirken fuhrt bei unterschiedlichen Erwartungshaltungen zu Verhaltenskonflikten. Das kann u.a. bei der Konstellation Unternehmenskultur - Subkultur (Bereichskultur, Gruppennorm) oder der Konstellation Unternehmens-/Bereichskultur - Berufskultur der Fall sein. Erinnert sei auch daran, daß Prävention die Gruppenarbeit stärkt (s.o. S. 328, Abbildung 2), und zwar gerade zur horizontalen, d.h. bereichsübergreifenden Koordination. Demnach nimmt bei Prävention der Einfluß informaler Normen zu. Eine generelle Aussage, welche informale Norm sich in solchen Fällen durchsetzt, ist nicht möglich. Ebensowenig läßt sich eine eindeutig auf oder gegen Ökologieverträglichkeit gerichtete Tendenz festmachen. 2.2.2 Äußere Gegebenheiten Mit den äußeren Gegebenheiten ist die Verfügbarkeit ökologieverträglicher Alternativen angesprochen. Ökologieverträgliches Verhalten kann gewollt sein, es muß gekonnt sein und es kann sozial normiert sein. All dies kann sich jedoch nur im Rahmen dessen ergeben, was in der Situation an Handlungsalternativen möglich ist. Ein Betriebsmittel, ein Werkstoff oder eine Dienstleistung sind nur substituierbar, sofern eine ökologieverträglichere Alternative (1) entwickelt und (2) verfugbar ist oder (3) verfügbar gemacht werden kann. (1) stellt, organisationsübergreifend, auf die objektive, (2) entscheidungsbezogen auf die situative oder subjektive Verfügbarkeit ab. Im günstigsten Fall entspricht die situative der objektiven Verfügbarkeit, häufig wird sie
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geringer sein: bewußt - dann fehlen bislang die Zugriffsmöglichkeiten auf die Handlungsalternative - oder infolge von Informationsdefiziten unbewußt. Lassen die situativ verfügbaren Handlungsalternativen nicht den angestrebten Erfolg erwarten, liegt es ceteris paribus (vor allem Beibehaltung des Anspruchs auf Prävention) nahe, den Alternativenraum auszuweiten (3): durch die Suche nach und den Zugriff auf objektiv bereits verfugbare oder die Neuentwicklung von Handlungsalternativen. Die Anstrengungen, die ein Organisationsmitglied hierzu unternimmt, hängen von der Konstellation seiner Motivation und Qualifikation mit dem Verhaltensrahmen ab. Doch selbst bei besten persönlichen Voraussetzungen ist der Alternativenraum nicht beliebig ausdehnbar. Es kann deshalb notwendig sein, die Ansprüche auf Prävention abzusenken oder sogar - die Legitimation von Reparatur in bestimmten Fällen zeigt dies - ganz aufzugeben.
3. Bedeutung und Grenzen mikropolitischer Erklärungsansätze Nach normativen Annahmen über ein (erzwungenes) rationales Wahlverhalten (z.B. systemindifferente Tatbestände) oder nach dem deterministischen klassischen Kontingenzansatz ist Mikropolitik nicht möglich: Immer existiert eine, für andere erkennbare, optimale Alternative. Auch die Umsetzung einer bestimmten Strategie ist gemäß des normativen Postulats "structure follows strategy"19 unproblematisch. Es ist auch ein Verdienst der mikropolitischen Forschung, daß solch enge Sichtweisen heute nicht mehr ernsthaft haltbar sind. Fraglich 19 Das Postulat geht zurück auf eine Untersuchung von Chandler im Jahre 1962; zur Entwicklung wie zur Relativierung durch Folgeuntersuchungen vgl. Kreikebaum 1993,113-115.
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sind allerdings auch Gegenreaktionen, die Verhalten in Organisationen nunmehr ausschließlich mikropolitisch begründet sehen. Bezogen auf den Umweltschutz wurde im vorangegangenen Kapitel versucht aufzuzeigen, daß präventives Entscheiden und Handeln das Ergebnis des Zusammenwirkens unterschiedlichster Einflüsse ist. Diese Vielschichtigkeit ist das genaue Gegenteil eines alles dominierenden Verhaltensantriebs. Von daher verbieten sich neuerliche monokausale Erklärungsversuche ökologieverträglichen Verhaltens. Ahnliche Reduktionsversuche der Psychologie auf Umweltbewußtsein oder der Ökonomie auf rationales Wahlverhalten ("rational choice") müssen als gescheitert angesehen werden. Der Stand der Forschung legt vielmehr nahe, Mikropolitik als Teil eines Theorie- und Forschungssets zur Analyse ökologieverträglichen Verhaltens und seiner Bedingungen und Restriktionen zu sehen. Dann trägt sie allerdings deutlich weiter als bisherige Erklärungsansätze. Die Gründe wurden schon angerissen: Aus der Perspektive des einzelnen Organisationsmitglieds, wie sie Gegenstand des vorangegangenen zweiten Kapitels war, befördern vor allem folgende Einflüsse mikropolitisches Verhalten bzw. lassen es unter den mikropolitischen Einfluß anderer Organisationsmitglieder geraten: • die Existenz anderer Verhaltensmotive, d.h. Ökologieverträglichkeit ist nicht der einzige Zweck, den ein Organisationsmitglied verfolgt, sie kann bei Komplementarität Mittel zum Zweck sein, bei zu starker Konkurrenz aber auch (u.a. mikropolitisches) Abwehrverhalten hervorrufen; • der formale Verhaltensrahmen. Bei statischer Betrachtung, d.h. gegebenem Verhaltensrahmen, sind es vor allem die durch den Zuschnitt der Stellen (Arbeitsteilung und Konfiguration) in zweierlei Form entstandenen Verhaltensinterdependenzen: Durch Leistungsverflechtungen sind anderen Organisationsmitgliedern Einfluß-
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möglichkeiten auf die Art der Aufgabendurchfuhrung gegeben. Hinsichtlich der Ressourcen (Zugriff auf den selben Engpaßfaktor) und der Märkte (Bedienung des selben Marktes) können sich auch ganze Entscheidungsfelder überschneiden. Bei dynamischer Betrachtung ist der gesamte formale Verhaltensrahmen das Ergebnis fortwährender Einflußnahmen anderer
Organisationsmitglieder.
Damit geraten auch solche Funktionen in den Blick, denen im allgemeinen keine oder nur eine sehr geringe ökologische Relevanz beigemessen wird (vor allem Rechnungswesen, Personal, Organisation), die aber durch ihre strukturbestimmenden Vorgaben die Möglichkeiten ökologieverträglichen Verhaltens des betreffenden Organisationsmitglieds dennoch in erheblichem Ausmaß beeinflussen (mittelbare ökologische Betroffenheit); • der gesamte informale Verhaltensrahmen der kulturellen Gemeinschaft des betreffenden Organisationsmitglieds sowie - bei Interdependenzen - auch die (Sub-)Kultur anderer Bereiche. Auch eine gesamtorganisatorische Perspektive belegt die hohe Relevanz mikropolitischer Prozesse für die Gestaltung präventiven Umweltschutzes: Zum einen ist ökologische Betroffenheit umfassend, d.h. von jeder Tätigkeit gehen ökologische Wirkungen aus (dem widerspricht nicht, daß die Tragweite von Wirkungen sehr unterschiedlich sein kann). Prävention greift diese umfassende ökologische Betroffenheit auf. Dadurch geraten mehr Akteure als bei jeder anderen Strategie (Reparatur, Kompensation, Duldung) ins Spiel. Einen Prozeß, etwa eine Produktlinie, zu optimieren heißt, alle Akteure, die zu diesem Prozeß beitragen, auf Ökologieverträglichkeit auszurichten. Das kann im Unternehmen die gesamte "ökologische Wertschöpfungskette" vom Einkauf und der FuE/Konstruktion bis zum Vertrieb und Wartungsdienst sowie die gesamten internen Servicefunktionen (z.B. Versorgung mit Rückkopplungsinformationen durch das Controlling) umfassen.
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Jeder Akteur hat dadurch Blockademacht einer präventiven Ausrichtung des Prozesses (positiv betrachtet heißt das, daß jedem Akteur Erfolgserlebnisse möglich sind, wenn er seinen Beitrag leistet und die anderen - das ist der "Knackpunkt" in der Erwartungshaltung des einzelnen Organisationsmitglieds - jeweils ihren). Zum andern verlangt Prävention zwingend Strukturänderungen. Generell treffen neue Anforderungen, so auch die nach ökologieverträglicher Leistungserstellung und Aufgabenerfullung, auf bestehende Strukturen: auf anerkannte Paradigmen, auf eine technische Infrastruktur, auf eine bereits vorhandene Konfiguration, auf ein bestimmtes
Steuerungs- und Koordinationsinstrumentarium,
auf
standardisierte Arbeitsabläufe, auf habitualisierte Verhaltensweisen und verfestigte Rollenerwartungen, auf eine in bestimmter Richtung entwickelte Arbeitsmotivation und -qualifikation. Strukturen sind zwar ein notwendiges Mittel, Komplexität zu verringern, sind aber auf herkömmliche persönliche und Organisationsziele ausgerichtet. Solche Strukturen können neuen Anforderungen entsprechen. Häufig tun sie das aber gerade nicht, vor allem dann, wenn sich die neue Anforderung nicht punktuell, sondern auf ganzer Breite und Tiefe stellt. Prävention stellt Paradigmen in Frage (Wachstum versus Verzicht, Produkt- versus Funktionsorientierung) und greift in vorhandene Strukturen ein, um Ursachen zu vermeiden, zu vermindern, zu verbessern. Entscheidungen über Prävention sind auch Entscheidungen über eine Andersverteilung von Macht und Status. Ganz im Gegenteil dazu lassen Reparatur, Kompensation und Duldung erstens die Prozesse und Produkte weitgehend unverändert und stärken zweitens die durch die gesetzliche Minimalauslage überwiegend bereits praktizierte funktional-additive Struktur des Umweltschutzes. Deren Träger haben dann tendenziell auch eine Präferenz für die Symptombekämpfung. Mikropolitik findet hier weitgehend darüber statt, ob Umweltschutzaufgaben an andere
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funktional-additive Machtbasen (Qualitätssicherung, Arbeitssicherheit) abgetreten werden (müssen). Sollen solche Entwicklungen aufgebrochen werden, muß das mikropolitische Verhalten der bisherigen Strukturträger ein Ansatzpunkt des organisatorischen Wandels sein. D i e Beziehung zwischen Strategie und Struktur muß demnach in beide Richtungen gesehen werden. Keinesfalls kann angenommen werden, daß sich ein organisatorischer Wandel hin zu Prävention im allgemeinen und einem präventiven betrieblichen Umweltschutz im besonderen ohne mikropolitische Konflikte befördern läßt oder dabei zumindest immer sich die Struktur letztendlich an der Strategie orientiert. Strategien reifen in Strukturen, die des Umweltschutzes bislang vornehmlich in funktional-additiven.
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Ralf Antes
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Hartwig Heine und Rüdiger Mautz
Aus der Sicht von Führungskräften der Großchemie: Felder und Spielräume ökologischen Berufshandelns
Vorbemerkung: Im Jahre 1990 führten wir mit Vertretern des unteren und mittleren Managements in zwei Unternehmen der deutschen Großchemie 80 qualitative Interviews durch, in denen sie über ihre Wahrnehmung der ökologisch motivierten Chemiekritik, ihre zugehörige berufliche Selbstwahrnehmung und ihre Kommunikation mit den Kritikern befragt wurden.1 Wenn die folgenden Ausführungen den Anspruch erheben, einen Beitrag zur Mikropolitik im Umweltschutz zu leisten, so ist zunächst hervorzuheben: Ihre Ergebnisse stützen sich allein auf die Mitteilungen, die die Führungskräfte in diesen Interviews über ihre Verhaltensweisen, ihre Einstellungen und Problemwahrnehmungen machten; sie konnten durch keine separaten Beobachtungen über das Verhalten der befragten Führungskräfte überprüft werden. Die folgenden Befunde handeln also von Sichtweisen, nicht von Verhalten, auch wenn wir dies aus stilistischen Gründen nicht ständig wiederholen. Die Führungskräfte der Großchemie sehen sich vom Umweltschutz in drei beruflichen oder berufsbezogenen Handlungsfeldern herausgefordert: im Berufsalltag selbst, in dem der Umweltschutz einen im Vergleich zu früher relativ großen Raum einnimmt; im Umgang mit Politik und Behörden, die der Chemieindustrie entsprechende Auflagen machen, ihre Durchführung kontrollieren und bei Androhung von
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Die Ergebnisse wurden in Heine/Mautz 1995 veröffentlicht
Aus der Sicht von Führungskräften der Großchemie .
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Sanktionen durchsetzen; und in Auseinandersetzung mit einer sozialen Außenwelt, die der Chemieindustrie seit fast zwei Jahrzehnten eine hohe kritische Aufmerksamkeit entgegenbringt. Auf den ersten Blick handelt es sich hier um drei ganz unterschiedliche, um nicht zu sagen disparate Handlungsfelder: um technisches Handeln im einen Fall, in dem Naturprozesse genutzt und bearbeitet werden; um die Befolgung politisch gesetzter Regeln, Grenzwerte usw. bzw. den Versuch ihrer Beeinflussung im zweiten, um sozialkommunikatives Handeln im letzten Fall. Aber schon das gegenwärtig wohl wichtigste sozialkommunikative Handlungsziel - die Absicherung der sozialen Legitimation des eigenen Berufshandelns - macht deutlich, daß es hier Querverbindungen gibt. Das Geflecht der Wechselwirkungen ist dicht: Einerseits wirkt sich der Spielraum fur ökologisch verantwortliches Handeln, den die Führungskräfte in ihrem Beruf sehen, auf ihr Verhalten gegenüber behördlichen und politischen Instanzen, auf ihre inhaltliche Auseinandersetzung mit der Chemiekritik, auf ihre Dialogbereitschaft mit ihr, auf ihre kommunikative "Politik" aus; andererseits bleibt ihre berufliche Selbstwahrnehmung nicht unbeeinflußt davon, daß diese sich seit einigen Jahrzehnten in der Auseinandersetzung mit den behördlichen und politischen Instanzen und der öffentlichen Chemiekritik noch einmal bewähren und profilieren muß. Und schließlich sehen sie auch eine Rückwirkung der gesellschaftlichen Thematisierung des Umweltschutzes auf ihr berufliches Handeln, und zwar in doppelter Hinsicht: einerseits auf den "objektiv" vorhandenen Spielraum für ökologisch verantwortliches Berufshandeln, andererseits auf ihre persönliche ("subjektive") Bereitschaft, diesen Spielraum auch zu nutzen. Wobei sie die Maximen ihres beruflichen Umweltschutzhandelns nicht im sozial luftleeren Raum definieren, sondern vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Diskussion über das Umweltproblem und dessen industrielle Verursachung, auf die sie sich sowohl positiv wie negativ beziehen.
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Hartwig Heine/Rüdiger Mautz
Im Lichte dieser Wechselwirkungen sollen im folgenden die wahrgenommenen Verhaltensspielräume und deklarierten Handlungsmaximen in den drei genannten Handlungsfeldern dargestellt werden.
1. Das Umweltschutzhandeln im Beruf Die Führungskräfte der Großchemie sehen sich als Mitakteure von Unternehmen, deren Potential zur Umweltgefahrdung hoch ist und die in der Vergangenheit erheblich zur Umweltgefährdung beigetragen haben, die aber in den letzten Jahrzehnten gewaltige Schritte zu ihrer Verminderung taten und sich weiterhin "in die richtige Richtung bewegen". Insbesondere diese positiv bewertete Entwicklungsrichtung ist für ihre Sicht so dominant, daß demgegenüber keineswegs geleugnete Schwachpunkte des Status quo - z.B. noch nicht stillgelegte Altbetriebe, deren Emissionen weiter über dem heute technisch Möglichen liegen von untergeordneter Relevanz erscheinen. Die große Mehrheit von ihnen sieht realistisch, daß diese positive Entwicklung nicht gänzlich aus freien Stücken zustande gekommen ist. Die aufkommende Umweltbewegung und ihre Hegemonie der öffentlichen Meinung, für die spätestens zu Beginn der achtziger Jahre die Chemieindustrie zu einem Fokus kritischer Aufmerksamkeit wurde, sowie der immer spürbarer werdende Zugriff staatlicher Regulierung und gerichtlicher Sanktionen haben gerade in der Chemie die Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns gründlich verändert. Aber in der Heteronomie wird auch Autonomie erfahren: Die Unternehmen haben sich einen Raum geschaffen, in dem sie aktiv und autonom Umweltschutzmaßnahmen gestalten, auch wenn sie damit in intelligenter Weise der Tatsache Rechnung tragen, daß sich die vorgegebenen Rahmenbedingungen verändert haben. Zumindest partiell kommt es zur
Aus der Sicht von Führungskräften der Großchemie.
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Konvergenz von Umweltschutz und ökonomischem Unternehmensinteresse. Es gibt eine nicht unerhebliche Marge dafür, daß sich Umweltschutz "rechnet", zumindest auf längere Sicht, was nicht ausschließt, daß andererseits auch die "Wirtschaftlichkeit" dem Ausmaß des Umweltschutzes Grenzen setzt. Die partielle Internalisierung des Umweltschutzes in die Handlungslogik des Unternehmens beschränkt sich nicht auf das ökonomische Kalkül, sondern verfestigt sich auch institutionell: in einer unternehmenseigenen Umweltschutzabteilung, deren personelle Stärke und Qualifikation, erweiterte Kontrollkompetenz und Weisungsbefugnis sowie hierarchische "Aufhängung" die internen Machtverhältnisse verschiebt; in neuen internen und externen Kooperationen; in neuen beruflichen Aufgabenprofilen usw. Vor allem führt diese Internalisierung des Umweltschutzes zu einem neuen Prinzip, dem präventiven Umweltschutz. Seine primäre Absicht ist die Vermeidung: von öffentlichkeitswirksamen Störfällen und chemie- oder unternehmenskritischen Kampagnen, von kostspieligen Umrüstungen der Anlagen, von steigenden Entsorgungskosten für Abfalle, von unerwarteten Absatzproblemen, weil ein Produkt ins öffentliche Gerede gekommen ist. Das Hauptinstrument ist die Antizipation: von Schwankungen der Schadstoff-Emissionen, von verschärften behördlichen Auflagen, von öffentlicher Problematisierung. Und in dem Maß, wie dieses Prinzip tatsächlich angewandt wird, lauten die Ergebnisse: Emissionen, die teilweise erheblich unter den staatlich verordneten Grenzwerten liegen; ständige Suche nach noch vorhandenen Gefahrenquellen und Verfahrensverbesserungen, die z.B. das Abfallaufkommen verringern, auch wenn es dafür noch keine behördliche Auflage gibt; bei Neuentwicklungen die Tendenz zur ökologischen Gesamtabschätzung "von der Wiege bis zur Bahre". Damit nähern wir uns dem Berufshandeln der einzelnen Führungskraft, dessen (wahrgenommenen) Spielräumen und hand-
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lungsleitenden Maximen. Heute nimmt der Umweltschutz im Berufsalltag der großchemischen Betriebsleiter und -ingenieure, der Forscher, Entwickler und Anlagenbauer und selbst der Vertriebsmanager und -techniker breiten Raum ein. Im Hinblick auf die von ihnen wahrgenommenen HandlungsSpielräume besagt dies noch nicht viel - auch bei den Chemiefacharbeitern gehört der Umweltschutz inzwischen zur Ausbildung und zum beruflichen Alltag, ohne daß auf diesem Gebiet nennenswerte Spielräume fur selbstbestimmtes Handeln gegeben wären (Heine/Mautz 1989, 171, 177). Bei den Führungkräften ist dies anders: Subjektiv sowieso davon überzeugt, beruflich über erhebliche Margen selbstbestimmten Handelns zu verfugen (Kossbiel/Bammé/ Martens 1987, 165 ff.), bemächtigt sich ihr "Kontrollbewußtsein" nun auch des industriellen Umweltschutzes, obwohl er stark verregelt ist. Sie sehen sich nicht nur als Repräsentanten eines Unternehmens, das seine Hausaufgaben im Umweltschutz im großen und ganzen erledigt, sondern als dessen eigentliche Gestalter und Protagonisten, und münzen dies - gegen die Chemiekritiker - in ein Moment heraushebender Selbstidentifikation um: "Die anderen reden vom Umweltschutz, wir machen ihn!". Und es ist die Hinwendung zum präventiven Umweltschutz, welches diesem Kontrollbewußtsein eine zusätzliche Stütze bietet. Denn in den Situationen, in denen umweltrelevante Entscheidungen zu treffen sind, reicht z.B. das ökonomische Kosten-Nutzen-Kalkül, das den Führungskräften die Entscheidungsspielräume nehmen könnte, zur Bestimmung des "one best way" nicht aus. Schon allein in der Gegenüberstellung von kurz- und längerfristigem Unternehmensinteresse wird dehnbar bis ungewiß, welche Entscheidung ökonomisch rational ist - oder besser: es wird rational, hier Ungewißheit in Rechnung zu stellen. Zwar setzt das ökonomische Kalkül der Ökologisierung der Chemieindustrie auch weiterhin Grenzen: Daß sich präventiver Umweltschutz "rechnet", heißt
Aus der Sicht von Führungskräften der
Großchemie.
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zugleich, daß er sich "rechnen muß"; ökologisch veredelte Unternehmensprodukte müssen "noch verkäuflich" sein; es gibt einen Punkt, wo die kurzfristige Kostenbelastung nicht mehr durch den erhofften langfristigen Nutzen zu kompensieren ist. Aber innerhalb dieser Grenzen ergeben sich für das Handeln der Führungskräfte Räume des individuellen Ermessens, in denen viele Impulse die Entscheidungen beeinflussen können, u.a. Annahmen und Vermutungen über die Entwicklung der öffentlichen Kritik, der staatlichen Gesetzgebung, der behördlichen Auflagen und schließlich auch das persönliche ökologische Verantwortungsbewußtsein.2 An dieser Stelle ist es allerdings erforderlich, das Profil des "ökologischen Verantwortungsbewußtseins", soweit es in den Selbstdarstellungen der Führungskräfte erkennbar wird und offenbar ihr berufliches Handeln beeinflußt, gerade dort etwas genauer nachzuzeichnen, wo es offenbar von der öffentlichen Problemwahrnehmung abweicht. Denn es sieht sich nicht nur durch die Imperative ökonomischer Kosten-Nutzen-Abwägungen beschränkt, sondern es folgt auch
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Wir sehen uns hier in weitgehender Übereinstimmung mit Helmut Wiesenthal, der in Auseinandersetzung mit dem Konzept der "rational choice" nachdrücklich auf die situative Unsicherheit hinweist, in der solche Entscheidungen stattfinden. Allerdings scheint er für das managerielle Handeln die Möglichkeit ökologisch motivierter Gewissensentscheidungen eher zurückzuweisen, wenn er ausführt: "In aller Regel erfolgt die Adaption an wahrscheinliche Zukünfte ohne einfühlendes 'Sinnverstehen', d.h. ohne sich die Prämissen derjenigen zu eigen zu machen, deren Handeln die neuen Orientierungsdaten hervorbringt" (1991, 290). Dies ist eine Annahme über die innere Einstellung, mit der Manager in situativer Unsicherheit umweltrelevante Entscheidungen treffen - in unseren Interviews mit den großchemischen Führungskräften fanden wir einiges Material dafür, daß diese Einstellung keineswegs so lupenrein instrumenten ist, wie Wiesenthal unterstellt (Heine/Mautz 1995,69 - 78). Warum sollten sich in den Nischen der Unsicherheit nicht auch Spielräume für Gewissensentscheidungen öffnen, die es den Führungskräften erlauben, sich den Werthorizonten ihrer sozialen Umwelt anzunähern oder sich ihnen bei teilweise unterschiedlichen Wertehierarchien zumindest "gewachsen" zu zeigen?
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Hartwig Heine/Rüdiger Mautz
einigen Handlungsmaximen, die gegenüber der gesellschaftlichen Umweltdiskussion einen dezidierten Eigensinn entwickeln: • Gefahrdungen beginnen dort, wo sie wissenschaftlich, z.B. toxikologisch, nachweisbar sind - Handlungsbedarf fur die Industrie gibt es deshalb erst, wenn ihre Verfahren oder Produkte zu nachweisbaren Gefahrdungen fuhren. Die alltagsweltliche Daumenregel Je weniger Chemie (in der Nahrung, im Boden, im Wasser, in der Luft), desto besser verletzt in ihrer prinzipiellen Unersättlichkeit dieses Prinzip; beispielsweise eine (auf EG-Ebene inzwischen gefallene, in Deutschland weitergeltende) Richtlinie über den Grenzwert bei Pflanzenschutzmittelrückständen im Trinkwasser, die diese Daumenregel in "Politik" umsetzte, wird von ihnen fast einhellig heftig kritisiert.3 • In eine ähnliche Richtung weist die Überzeugung, daß es von vornherein unmöglich sei, die mit der Industrie verbundenen Emissionen und Risiken auf "Null" zu drücken, und daß es bei ihrer Minimierung eine Grenze gibt, wo weitere Anstrengungen zur Verbesserung des technischen Umweltschutzes unvernünftig werden ('Optimierungsprinzip": ökonomischer Einsatz begrenzter Ressourcen). • Im Gegensatz zu einer breiten Strömung in der gesellschaftlichen Umweltdiskussion ist die Zweckbestimmung der Technik anthropozentrisch, und es ist auch nur der Schutz der menschlichen Person, der dem zurichtenden Omnipotenzanspruch der Technik ethische Grenzen setzt. Die gentechnische Manipulation lebender Organismen ist gerechtfertigt, wenn dies z.B. der Produktion von
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Daß der Staat verpflichtet sein könnte, auch gegen potentielle, (noch) nicht erkannte Gefahren Sicherungen zu errichten (van den Daele 1990,20), ist aus dieser Sicht irrational und öffiiet die Schleusen für Beliebigkeit und Willkür.
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Arzneimitteln zur Rettung menschlichen Lebens dient; nur die menschliche Keimbahn ist für solche Manipulationen tabu. • Bei allen Eingriffen in die technische Entwicklung, auch wenn sie ökologisch begründet sind, ist darauf zu achten, daß erreichte zivilisatorische Standards nicht zurückgenommen werden müssen. Dem vorherrschenden ökologischen Selbstverständnis, daß der Reduktion der anthropogenen Umweltgefahrdung konkurrenzlos die höchste Priorität zukomme, setzen die Führungskräfte eine andere Wertehierarchie entgegen, in der Umwelt und Zivilisation gleichermaßen schützenswerte Güter sind. Sie sind zu sehr Technikoptimisten, um in dieser Maxime eine Blockade ökologischer Verbesserungen zu sehen; im Grunde sind sie davon überzeugt, für jedes chemische Produkt, das sich als ökologisch problematisch erweist, früher oder später ein technisch äquivalentes Substitut finden zu können. Die praktische Tragweite dieses Vorbehalts zeigte sich 1990 in der überwiegenden Option für einen zeitlich verzögerten Ausstieg aus den FluorchlorkohlenwasserstofFen (FCKWs), obwohl sie deren zerstörerische Wirkung auf die Ozonschicht anerkannten. • Neben dem Erhalt des zivilisatorischen Standards gibt es einen weiteren Parameter, der bei umweltpolitischen Entscheidungen gleichberechtigt zu beachten ist: ihre Auswirkungen auf die Länder der "Dritten Welt". Die Primärerfahrungen, die die Führungskräfte transnationaler Chemiekonzerne in den Ländern des Südens (und inzwischen auch: des Ostens) gesammelt haben, können aus ihrer Sicht z.B. Produktion und Einsatz von Pflanzenschutzmitteln rechtfertigen, die in der bundesrepublikanischen Diskussion en bloque und en détail unter ökologischen Verdacht gestellt wurden. Dieser Vorbehalt koexistiert damit, daß die Führungskräfte die Entscheidung ihrer Unternehmen begrüßen, ihre in den deutschen Werken gel-
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Hartwig Heine/Rüdiger Mautz
tenden hohen Umweltstandards auch dann auf die ausländischen Töchter zu übertragen, wenn dies dort nicht gesetzlich verlangt wird. Insbesondere die beiden zuletzt genannten Gesichtspunkte, die die umweltpolitischen Entscheidungen mit ihren Rückwirkungen auf Zivilisation und Dritte Welt rückkoppeln wollen, verbinden sich zu dem Gesamtvorbehalt gegenüber dem gesellschaftlich vorherrschenden Umweltdiskurs, daß er unterkomplex und nicht auf der Höhe seiner eigentlichen Verantwortung sei. Die Würze dieses Gesamturteils liegt in der Wahrnehmung, daß die Chemie von den tragenden Akteuren dieses Diskurses, Laien Inbegriffen, unter Anklage und die Kuratel einer permanenten kritischen Aufmerksamkeit gestellt wird, die sie auf sich selbst nicht anwenden. Gegen den vorherrschenden Umweltdiskurs stellen die eben genannten Vorbehalte keine absolute Kontraposition dar. Die gemeinsame Schnittmenge des eigenen beruflichen Umweltschutzhandelns nicht nur mit den staatlichen und behördlichen Anforderungen, sondern auch mit den öffentlichen Erwartungen ist aus Sicht der Führungskräfte viel zu groß, um nicht immer wieder in die Klage über eine Öffentlichkeit auszubrechen, die nur unzureichend oder verzerrt zur Kenntnis nehme, "was wir alles für den Umweltschutz tun". Beim berufsalltäglichen Umgang mit dem Umweltschutz geht es für die meisten von ihnen teils um Sicherungen, teils um inkrementelle Verbesserungen, die auch der Öffentlichkeit als solche präsentiert werden können (wenn diese nur bereit wäre, sie entsprechend zur Kenntnis zu nehmen!): in der laufenden Produktion um die möglichst lückenlose Dokumentation der austretenden Schadstoffe und Abfälle (für die Behörden und für die unternehmenseigene Umweltschutz-Abteilung), um ihr Geringhalten oder weiteres Absenken und um das Verhindern von Störfällen, z.B. durch weitere Verfahrensoptimierung; in Forschung und Entwicklung um die Erfüllung der behördlichen Auflagen und um umweltver-
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träglichere Produkte und Verfahren; im Vertrieb um möglichst sichere Transporte und die Einweisung der Kunden in eine möglichst umweltschonende Nutzung der Chemieprodukte usw. Die aufgeführten Vorbehalte scheinen vor allem in Bereichen handlungsrelevant zu werden, die außerhalb des "normalen" Berufsalltags liegen und bei denen es um dessen Rahmenbedingungen geht: im Lobbyismus gegenüber Gesetzgeber und Behörden und in der Auseinandersetzung mit der öffentlichen Meinung. So konzentriert sich die Konfliktaustragung bei der Produktion gentechnisch manipulierter Produkte auf die Genehmigungsverfahren (und deren Rahmenbedingungen, z.B. die öffentlichen Einspruchsrechte); und auch bei der (inzwischen eingestellten) Produktion der FCKW ging es, wie schon gesagt, in der Auseinandersetzung mit Staat, Öffentlichkeit und Greenpeace in erster Linie um die Frage, wie lange sie noch fortzusetzen sei. Demgegenüber ist etwa die Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Pflanzenschutzbereich viel zu verregelt und behördlich kontrolliert, als daß sich hier der (politisch artikulierte) Dissens zur erwähnten EG-Richtlinie praktisch auswirken könnte; behördlich auferlegte Grenzwerte für Schadstoff-Emissionen müssen, wenn sie erlassen sind, zunächst einmal befolgt werden, auch wenn sie von den betroffenen Führungskräften für überzogen oder unsinnig gehalten werden. Allerdings: Wo es sich um von den Unternehmen selbst gesetzte Umweltstandards handelt, die staatlich nicht kontrolliert werden und leicht der öffentlichen Aufmerksamkeit entgehen, wie z.B. den weltweiten Verzicht auf den Vertrieb von in Deutschland verbotenen Pflanzenschutzmitteln, scheint es in der beruflichen Praxis zu gelegentlichen Regelbrüchen zu kommen, die mit der Komplexität der zu berücksichtigenden Interessenlagen begründet werden und offenbar auch Anlaß zu unternehmens/wferwew Auseinandersetzungen bieten.
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Das berufliche Umweltschutzhandeln der großchemischen Führungskräfte und die dahinter stehenden Einstellungen und Wertorientierungen zeigen ein Profil, das aus der Sicht der Führungskräfte selbst einerseits anschlußfähig an die allgemein gestiegene Sensibilität für das Umweltproblem ist, andererseits zur gesellschaftlich vorherrschenden Problemwahrnehmung aber auch Distanz hält. So können sie sich als Praktiker und Protagonisten eines ökologischen Fortschritts sehen, der der öffentlichen Modernisierungsforderung gerecht wird und die gesellschaftlich vorherrschende Bereitschaft zur ökogischen Umsteuerung in mancherlei Hinsicht deutlich übertrifft - ein Lieblingsthema der Führungskräfte ist nicht umsonst die Doppelmoral der Chemiekritiker (Heine/Mautz 1995, 143 ff.). Gleichzeitig eröffnet die verbleibende Distanz auch Spielräume und Legitimationsmöglichkeiten für divergente Prioritäten-Setzungen - der Widerstand gegen eine Reihe öffentlich erhobener Verbotsforderungen (der Gentechnik, von Pflanzenschutzmitteln, des PVC, für den sofortigen Ausstieg aus der FCKWProduktion) legitimiert sich aus dem Anspruch auf das komplexere Problembewußtsein.
2. Das Verhalten gegenüber staatlicher Regulierung
Eine wichtige Rahmenbedingung für das Umweltschutzhandeln der großchemischen Führungskräfte ist dessen staatliche Regulierung in Gestalt von Genehmigungsverfahren, Auflagen, Kontrollen und Sanktionen, die sich in den letzten Jahrzehnten erheblich ausgeweitet und verschärft haben. Mit ihnen werden dem industriellen Handeln Regeln auferlegt, die - das begründet gerade den Zugriff von außen - aus seinen eigenen Imperativen nicht ableitbar sind. Im Unterschied zur öffentlichen Kritik, die auch von außen kommt, beanspruchen sie
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Verbindlichkeit und unmittelbaren Durchgriff auf das industrielle Handeln; ihre Sprache ist direkt auf industrielle Vollzüge (z.B. auf einzuhaltende Grenzwerte, technische oder analytische Verfahren, Produkteigenschaften, die Sicherung von Transporten usw.) bezogen. In dem Maße, wie sich in den letzten Jahrzehnten der staatliche Regulierungsanspruch gegenüber der Chemieindustrie ausgeweitet hat, scheint sich allerdings auch ihr Wirkungsmechanismus zu modifizieren. Denn zumindest aus der Sicht der Führungskräfte brachte es die Dynamik der sich ständig verschärfenden Umweltschutzauflagen und erweiternden Dokumentationspflichten mit sich, daß die Kluft zwischen dem, was staatlich auferlegt ist, und dem, was die Behörden jederzeit realiter unter Kontrolle haben, zunehmend tiefer geworden ist. So hat z.B. die für die Chemieindustrie wichtige Störfallverordnung den Unternehmen einen Dokumentationsaufwand aufgezwungen, den die Behörden nach Einschätzung der Betriebsleiter und -ingenieure gar nicht mehr verarbeiten können. Trotz dieses Defizits bleibt aber eine entscheidende Funktion der Außenkontrolle, ihre Bedrohlichkeit, intakt, denn "wenn mal was passiert, dann werden die Leute von der Staatsanwaltschaft kommen und sich die Unterlagen geben lassen. Und wenn dann ein Ventil fehlt, d.h. nicht richtig in den Unterlagen vermerkt ist, dann bekommen wir Ärger. Was uns antreibt, ist also die Furcht, daß mal was passiert, z.B. mal ein Druckbehälter auseinanderfliegt, und dann die Behörde fragt: Was habt ihr vorher gemacht, welche Gedanken habt ihr euch vorher gemacht. Das wird bei uns sehr ernst genommen" (Betriebsingenieur). Das Verhältnis der Führungskräfte zur staatlichen Regulierung des industriellen Umweltschutzes ist zwiespältig. Im Prinzip wird sie akzeptiert - man sieht realistisch, daß ohne sie die Branche und auch das eigene Unternehmen weniger für den Umweltschutz tun würde und daß sie überdies den Vorteil hat, zumindest auf nationaler Ebene beim
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Hartwig Heine/Rüdiger Mautz
Umweltschutz gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen (umso größer ist die Klage, daß sie auf internationaler Ebene wegen der Unterschiedlichkeit der hier geltenden Anforderungen nicht gegeben sind). Insofern kann auch zugestanden werden, daß die betonte Eigenverantwortung für den Umweltschutz nicht im Widerspruch zur staatlichen Regulierung steht, sondern sie vielmehr voraussetzt, und daß sogar die gerichtliche Suche nach Verantwortlichen bei Störfallen vernünftig ist. Im Hinblick auf das öffentliche Mißtrauen gegenüber der Chemieindustrie wird auch auf ihre legitimatorische Wirkung hingewiesen: ohne sie wäre das Mißtrauen noch größer. Was im Prinzip gilt, gilt deshalb noch lange nicht im besonderen. Man verweist ganz allgemein auf den ausufernden Bürokratismus, den die auferlegten Dokumentationspflichten mit sich bringen; man kritisiert die Irrationalität einzelner Auflagen, weil sie technisch nicht umsetzbar seien bzw. jede vernünftige Kosten-Nutzen-Relation sprengen oder ökologisch gesehen - am falschen Punkt ansetzen; man bedauert die mangelnde Kompetenz behördlicher Kontrolleure, beklagt die häufige Ungerechtigkeit individueller Schuldzuweisungen durch die Gerichte usw. Es würde jedoch zu kurz greifen, den Umgang der Führungskräfte mit der staatlichen Regulierung nur auf der Einstellungsebene zu untersuchen und auf die Akzeptanzfrage zu reduzieren.4 Denn damit würde übersehen, daß die Chemieunternehmen über vielerlei Ansatzpunkte verfugen, um den exogenen Charakter staatlicher Regulierung dadurch zu entschärfen, daß sie diese zumindest teilweise unter Kontrolle
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Eine solche Problemverkürzungfindetsich z.B. bei Baethge/Denkinger/Kadritzke 1995,242 ff, die aufgrund einiger Einstellungsfragen zu dem Ergebnis kommen, in der Chemieindustrie bestehe "eine starke Schlagseite zur staatlichen Lösungsstrategie".
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bringen, und zwar durch ihre (teilweise) Substitution, Antizipation und schließlich auch direkte Beeinflussung. Man kann es für bloße Rhetorik halten, daß die großchemischen Unternehmen in Deutschland "Leitlinien" beschlossen haben,, in denen fur das Unternehmenshandeln ausdrücklich die Gleichrangigkeit von Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit postuliert wird. Dieses Interpretationsmuster versagt jedoch angesichts der schon erwähnten institutionellen Aufwertung unternehmensinterner Umweltschutz-Instanzen, die einerseits vom Gesetzgeber gewollt ist, andererseits aber auch aus Management-Sicht den guten Sinn hat, das jeweilige Unternehmen von den Risiken behördlicher Überwachung so weit wie möglich unabhängig zu machen. Es gibt wenig Grund, an der Wahrnehmung der Manager zu zweifeln, daß die von der eigenen Umweltschutz-Abteilung ausgehende Kontrolle inzwischen erheblich feinmaschiger, kompetenter und effektiver ist, als es die behördliche Außenkontrolle jemals sein kann, obwohl nur eine Minderheit daraus auf die Überflüssigkeit der Außenkontrolle schließt. Mehrheitlich ist ihnen durchaus bewußt, daß für die Unternehmen der Impuls zu einer derartigen partiellen Substitution staatlicher Überwachung eben doch an die Existenz dieser Überwachung gebunden bleibt. Wobei auch in Kauf genommen wird, daß damit nicht nur der Umweltschutz, sondern auch ein guter Teil seines Konfliktpotentials mit konkurrierenden Unternehmenszielen in das Unternehmen selbst verlagert und somit "verinnerlicht" wird. Auch das relativ neue Unternehmensprinzip des "präventiven Umweltschutzes" verfolgt neben seiner unmittelbar ökologischen Zweckbestimmung unübersehbar das Ziel, das unternehmerische Handeln beim Umweltschutz aus seiner passiven - und kostspieligen Abhängigkeit von den Wechselfällen staatlicher Regulierung (und übrigens auch öffentlicher Kritik, s.u.) durch deren Antizipation zu befreien und wieder agieren zu können, wo man allzulange nur reagiert
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hat. Wie wichtig es fur die Chemieindustrie ist, hier - auch optisch - das "Gesetz des Handelns" wieder in die Hand zu bekommen, zeigt ihr sonst kaum erklärliches Insistieren auf Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung bei der Übernahme ökologischer Handlungsziele und ihr ständiger Kleinkrieg gegen deren gesetzliche Fixierung (Longolius 1993, 90 ff. und 96 ff). Aber auch wenn es ein Beweggrund der partiellen Substitution und Antizipation staatlicher Regulierung ist, so weit wie unter den gegebenen Bedingungen möglich den industriellen Umweltschutz wieder unter eigene Kontrolle zu bringen, ist das Resultat doch pro-ökologisch: Der Umweltschutz verbessert sich; die Unternehmen werden zu aktiven Mitgestaltern ökologischer Modernisierung; das Gewicht des Umweltschutzes in ihnen vergrößert sich auch institutionell; ein Teil der Interessen-Konflikte, die unausweichlich mit dieser Modernisierung verbunden sind, wird "intemalisiert". Aber um die staatliche Regulierung des industriellen Umweltschutzes unter Kontrolle zu bringen, gibt es für die Führungskräfte noch einen dritten Ansatzpunkt, dessen Wirkung auf den industriellen Umweltschutz zumindest auf den ersten Blick eher kontraproduktiv erscheint: die unmittelbare Einflußnahme. Diese ist in der Industrie, insbesondere in der Chemieindustrie längst institutionalisierte Praxis, und zwar sowohl auf zentraler wie auch auf dezentraler Ebene. So gibt es eine Mitsprache der Industrie und ihrer Branchenverbände bei der Formulierung der zentralen Abluft- und Abwasservorschriften5, und auch die unternehmensspezifischen Umweltschutzauflagen sind fast immer Ergebnis von Aushandlungsprozessen mit den zuständigen
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Allein bei der Ausarbeitung der Vervvaltungsvorschriften iilr die Abwasserreinigung richtete die Bundesregierung Ende der siebziger Jahre 60 Arbeitsgruppen ein; in 20 von ihnen arbeiteten Vertreter des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) mit (Longolius 1993,139).
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Behörden. Bei unseren Interviews wurde deutlich, daß viele unserer Gesprächspartner in der Großchemie in solche Abstimmungs- und Aushandlungsprozesse mit staatlichen Instanzen involviert waren, sei es durch Mitarbeit in Fachausschüssen des VCI, sei es durch Teilnahme an den Verhandlungen zwischen Einzelunternehmen und Behörden. Den Zweck der eigenen Mitarbeit sehen die Führungskräfte zunächst in einem "PraktikabeP'-Machen der staatlichen Vorgaben, das sich - aus ihrer Sicht - jedoch ambivalent auswirkt: Einerseits wird verhindert, daß die Vorgaben "überzogen" sind; andererseits wird dadurch aber auch erreicht, daß sie auf die industrielle Produktion überhaupt anwendbar sind, also greifen. Wir können nicht entscheiden, inwieweit der naheliegende Verdacht, daß die letztgenannte Funktion eher ins Reich der "Ideologie" gehört, berechtigt ist - nach Darstellung unserer Interviewpartner scheint es bei den Verhandlungen mit den Behörden in der Regel zum Tausch Information über verfügbares Know-how seitens der Industrie gegen behördliche Auflagen, die den damit eröffneten Spielraum nicht voll ausschöpfen, zu kommen, der letztlich beide Seiten bindet, da es eine gemeinsam akzeptierte Spielregel ist, daß sich die Auflagen mit dem progredierenden "Stand der Technik" verschärfen können. Daß die Industrievertreter mit solchen Informationen auch "Politik" machen (d.h. sie zurückhalten) können, wurde uns gelegentlich angedeutet (Heine/Mautz 1995,102), zumal sich auch die Behörden, die unter dem Druck stehen, der Öffentlichkeit Tätigkeitsnachweise zu liefern, gerade auf diesem Handlungsfeld "politisch" verhalten. Für die Führungskräfte erhöht die Eigenbeteiligung an der Formulierung der behördlichen Auflagen aber auch deren Legitimation - ein Betriebsleiter erklärte uns, daß man die Grenzwerte nehmen müsse, wie sie sind, weil "der VCI ja auch an der Diskussion und am Zustandekommen der Grenzwerte beteiligt ist".
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Hartwig Heine/Rüdiger Mautz Andererseits eröffnet der behördliche Kontrollanspruch aus der
Sicht der Führungskräfte die Chance, wiederum Einfluß auf die staatliche Auflagenpolitik zu nehmen. Die Einstellung der Führungskräfte zu den behördlichen Kontrollen ändert sich: Sie treten ihnen nicht mehr (wie offenbar früher) mit einer Mischung von Herablassung und kaum verhohlenem Widerwillen entgegen, sondern erbitten sie geradezu, weil durch die "Einsicht in die Praxis" sich Staat und Behörden mit ihrem ganzen Apparat von Auflagen und Verordnungen dem Realitätsprinzip aussetzen müßten. Gewohnte Frontstellungen kehren sich um: Nun sind es die Managements, die sich aktiv darum bemühen, Behördenvertreter in das eigene Unternehmen zu holen, und es sind die Behördenvertreter, die "Berührungsängste" entwickeln (weil sie - wohl nicht ganz zu Unrecht - den öffentlichen Verdacht furchten, sich durch allzuviel "Tuchfühlung" korrumpieren zu lassen). Es ist ein in der Öffentlichkeit verbreiteter Verdacht, daß das Verhalten der Chemieindustrie zur staatlichen Regulierung keineswegs so passiv-erleidend ist, wie es die Branche manchmal selbst erscheinen lassen möchte. Und in der Tat: Unterhalb ihrer prinzipiellen Akzeptanz und auch unterhalb vieler Einzelkritik an ihr verfugen die Führungskräfte über ein ganzes Spektrum von Möglichkeiten zur Vorwegnahme, aktiven Anverwandlung und direkten oder indirekten Beeinflussung staatlicher Regulierung. Daraus nun aber die These abzuleiten, in Wahrheit sei es die Chemieindustrie, die alles unter Kontrolle habe, scheint kaum mehr Realitätsgehalt zu haben. Zumindest aus der Sicht der Managementvertreter handelt es sich um ein kompliziertes "Wechselspiel" von Kontrolle und Gegenkontrolle, Bindung und Gegenbindung, in dem sich jede Seite - also auch die Chemieindustrie - mehr oder weniger intelligent bewegen kann, ohne allerdings die Gegenseite jemals ganz unter die eigene Kontrolle bringen zu können.
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Zumal den Führungskräften durchaus bewußt ist, daß sie bei der staatlichen Regulierung nicht nur den politischen und behördlichen Akteuren gegenüberstehen, welche über die Auflagen, Kontrollen und Sanktionen zu beschließen haben, sondern daß diese durch einen Faktor mitkonditioniert werden, der noch schwerer zu beeinflussen ist: die öffentliche Chemiekritik. So akzeptieren die Führungskräfte die staatliche Kontrolle auch deshalb, weil sie hoffen, damit den Faktor Öffentlichkeit mit beeinflussen zu können - oder besser: sie wissen, daß sie sonst in der Öffentlichkeit einen noch schwereren Stand haben würden.
3. Das Verhalten gegenüber den Chemiekritikern Daß die "öffentliche Meinung" eine Rahmenbedingung darstellt, die eine ganze Branche in Turbulenzen
stürzen kann, und
daß
die
Kommunikation mit ihr bewußter Bearbeitung bedarf, ist eine Erfahrung, die die Chemieindustrie erst in den letzten zwei Jahrzehnten gemacht hat. Das Problem kompliziert sich dadurch, daß der Begriff "Rahmenbedingung" nur unzureichend die ganze Tragweite der Veränderungen erfaßt, die in dieser Zeit auch persönlich über die Führungskräfte zumindest der Großchemie hereingebrochen sind (zum folgenden s. Heine/Mautz 1995,11 ff, 132 ff, 279 ff): Die ökologisch begründete Kritik an der Chemieindustrie wurde so sehr zum Bestandteil eines gesellschaftlichen "common sense", der sowohl Experten (sofern sie nicht aus der Industrie selbst kamen) als auch Laien erfaßte, daß die großchemischen Führungskräfte auch in ihrer außerberuflichen sozialen Umgebung bis hin zur eigenen Familie mit ihr konfrontiert werdea So ist für sie kaum unterscheidbar, ob es bei dieser Kritik "nur" um ihre Branche und ihr Unternehmen geht oder auch um sie selbst, d.h.
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um ihre soziale Identität in einer Gesellschaft, in der sie bis vor kurzem noch zu einer anerkannten Elite gehörten, in der sie nun jedoch in einen schmerzhaften Spagat zwischen fortdauernder relativer Privilegiertheit einerseits und radikal gesunkenem Sozialprestige andererseits geraten sind. Daß unter diesen Bedingungen das kommunikative Verhalten der großchemischen Führungskräfte gegenüber Chemiekritikern und Öffentlichkeit unter dem Imperativ steht, die soziale Legitimation des eigenen Berufs zu verbessern und möglichst abzusichern, ist eine richtige Feststellung, die trotzdem noch nicht ausreicht, um ihr reales Kommunikationsverhalten zu entschlüsseln. Denn dieses ist nicht nur das Ergebnis rationaler Abwägungen darüber, wie am wirkungsvollsten eine wichtige Rahmenbedingung des eigenen Berufshandelns beeinflußt werden kann, sondern es steht unter dem Druck einer Bedrohung, die sich gegen die eigene soziale Identität richtet - und somit unter dem Druck sozialer Selbstbehauptung. Es sind also zwei Motive, die die kommunikative Reaktion auf die Chemiekritiker bestimmen und die mit unterschiedlichen kommunikativen Vorgehensweisen (oder "Logiken") verbunden sind. Wenn es einerseits darum geht, die soziale Umwelt und die öffentliche Meinung fur das eigene Berufshandeln günstig zu stimmen, bindet sich das Kommunikationsverhalten notwendigerweise an eine äußere Erfolgskontrolle: Es ist die Reaktion der sozialen Umwelt, die über Erfolg oder Mißeifolg der eigenen Kommunikationsbemühungen entscheidet. Wenn es andererseits um Behauptung und Verteidigung des eigenen Selbstwerts geht, so wird darüber zwar (insofern Selbstwert eine Funktion sozialer Anerkennung ist) in der sozialen Umwelt w/Yentschieden, aber auch in Auseinandersetzung mit ihr, notfalls gegen sie, da es hier das Subjekt ist, welches sich die letztinstanzliche Bewertung vorbehält.
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Ahnlich zweideutig ist die Ressource, auf die hier die Führungskräfte fast zwangsläufig gegenüber der Chemiekritik zurückgreifen: ihren technisch-industriellen Sachverstand. Zumindest dann, wenn sie ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium hinter sich haben - was bei den meisten Führungskräften der Großchemie der Fall ist -, sind sie dahingehend sozialisiert, diesem Sachverstand die überlegene, weil "wissenschaftliche" Rationalität zuzubilligen. Ein solcher Überlegenheitsanspruch wird zwar gesellschaftlich nicht mehr unbedingt anerkannt - es charakterisiert geradezu die Umweltbewegung, daß ihm selbstbewußt gewordene "Laien" ein fast prinzipielles Mißtrauen entgegenbringen -, aber solange auf dem Feld der Ökologie jede seriöse Risikodefinition der wissenschaftlichen Form und jeder ernsthafte Versuch der Risikominderung industrieller Praktiker bedarf, wird auch ihm noch einiger gesellschaftlicher Tribut gezollt. So prägen zwei gegenläufige Tendenzen das individuelle Kommunikationsverhalten der Führungskräfte: einerseits die Neigung, sich gegenüber der Chemiekritik zu verschließen und so weit wie möglich die Karte der eigenen spezifischen Rationalität auszureizen; andererseits die Neigung, im Bewußtsein der Abhängigkeit von der öffentlichen Meinung und mit dem Ziel ihrer Beeinflussung den eigenen Überlegenheitsanspruch zu relativieren und sich mit ihr zu arrangieren, d.h. sich ihr gegenüber zu öffnen. Die Tendenz zu kommunikativer Selbstabschottung äußert sich entweder in der Blockierung von Gesprächen mit Chemiekritikern, insbesondere wenn sie sich als Laien erweisen, oder in einer Zurichtung der Gesprächssituation, die diese den eigenen Rationalitätsstandards unterwirft und das Verhalten des Gesprächspartners scharf zu reglementieren sucht6 - das "Gespräch" wird darauf
6
Zitat eines in der Forschung arbeitenden Biologen: "Bei meinen Gesprächspartnern lasse ich nichts weiter gelten als den klaren wissenschaftlichen Beweis".
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beschränkt, den Partner "aufzuklären". Die Tendenz zu kommunikativer Öffnung beginnt mit dem Bestreben, das eigene Gesprächsverhalten zumindest der Form nach weniger monologisch und somit dialogbereiter erscheinen zu lassen, und sie gewinnt in dem Maße an Substanz, in dem sie sich mit der Wahrnehmung verbindet, daß die ökologisch motivierte Kritik für die Chemieindustrie trotz allem eine positive Wirkung bzw. einen richtigen Kern habe, daß auch die eigene Sichtweise spezifische Grenzen habe oder daß Laien sogar über einen Realitätszugang verfugen, der mit dem wissenschaftlichen Zugang gleichberechtigt ist. Das reale Gesprächsverhalten der Führungskräfte gegenüber Chemiekritikern scheint meist aus einem Gemenge von Aufklärungsund Dialogversuchen einerseits und Blockierungen andererseits zu bestehen. Wobei auch diejenigen, die letztlich nicht vom Alleinbesitz des Rationalitätsmonopol überzeugt sind, eingestehen, bei ihren Dialogversuchen mit Chemiekritikern oft wider bessere Absicht (und Einsicht) in Ungeduld, Gefuhlsausbrüche und Blockierungen zurückzufallen. Was belegt, welch unaufhebbaren Rest von Fremdheit die Laien-Kritik für die technisch oder naturwissenschaftlich sozialisierten Führungskräfte selbst dann behält, wenn sie dieser Außenkritik grundsätzlich das Eigenrecht und den Eigensinn einer anderen Rationalität zubilligen. Was die kommunikative Öffnung begünstigt, ist die Erfahrung, daß die Chemiekritik nicht durch ein paar gezielte Belehrungen oder gar durch Gesprächsverweigerung aus der Welt zu schaffen ist - eine Erfolgskontrolle bedeutet hier, das eigene Kommunikationsverhalten auch von außen zu beurteilen zu lassen, wodurch es notwendigerweise reflexiver werden muß. Unter Rückgriff auf neuere Untersuchungen über das Kontrollbewußtsein (HoffZLempert 1990, 125 ff.; Hofi/Lecher 1994) beinhaltet dies nichts geringeres als einen Wechsel im Typus der Kontrolle und des zugehörigen KonXToWbewußtseins: nämlich den Übergang von internaler Kontrolle, bei der das Subjekt bestrebt ist,
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alles zu steuern, zu interaktionistischer Kontrolle, bei der das Subjekt diesen umfassenden Steuerungsanspruch aufgibt und sich auf Situationen und Prozesse einläßt, die - weil auch fremdgesteuert - offener und riskanter sind. Der Impuls, der zu diesem Wechsel drängt, ist die Erfahrung, daß der Anspruch auf umfassende Kontrolle gerade zum Kontrollver/wsf fuhrt, und daß nur zugestandene Fremdkontrolle auch eine Chance effektiver Eigenkontrolle offenhält. Ansätzen zu einer solchen interaktionistischen Kontrolle begegneten wir bereits beim Umgang der Führungskräfte mit staatlicher Regulierung - bei der Konfrontation mit der öffentlichen Chemiekritik ist der eigene Schatten, über den sie springen müssen, noch größer, weil es hier besonders naheliegend ist, sich in die Wagenburg des Anspruchs auf das Rationalitätsmonopol zurückzuziehen. Unser empirisches Material reicht nicht aus, um die Frage zu beantworten, welche (vielleicht typischen) Entwicklungsverläufe es im persönlichen Kommunikationsverhalten der Führungskräfte gegenüber den Chemiekritikern gibt. Wir können nur als Befund festhalten, daß es sich offenbar in einem realen "Kraftfeld" befindet, welches unter dem Druck der Chemiekritik aus den beiden gegenläufigen Tendenzen zu kommunikativer Abschottung und kommunikativer Öffnung aufgebaut wird. Der These, es gebe einen allgemeinen Entwicklungstrend zu mehr Reflexivität und Öfinung, stehen auch in unserem empirischen Material Beispiele gegenüber, in denen sich biographisch genau die entgegengesetzte Entwicklung - zu mehr Selbstabschottung - vollzog (Heine/Mautz 1995, 135). Der Druck der Chemiekritik kann offenbar beiden Tendenzen Auftrieb geben. Es gibt jedoch einen kommunikativen Bereich, im Hinblick auf den sich bei den Führungskräften die Umrisse eines gerichteten Lernprozesses ausmachen lassen: die Öffentlichkeitsarbeit der Unternehmen. Da wir in den beiden von uns untersuchten Unternehmen, in denen wir
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unsere Befragungen durchführten, auf zwei unterschiedliche Phasen der Öffentlichkeitsarbeit stießen, ergab sich der empirische "Glücksfall", ihre unterschiedliche Verarbeitung durch die Führungskräfte erheben zu können. Idealtypisch lassen sich die Phasen des Lernprozesses wie folgt skizzieren: • Eine erste Phase der Öffentlichkeitsarbeit, die in beiden Unternehmen den "vergangenen Zeiten" zugerechnet wird und offenbar vor etwa zwei Jahrzehnten endete, bildet die Negativ-Folie fur alle späteren Anforderungen an die Selbstdarstellung der Unternehmen: Im Vertrauen auf einen selbstverständlichen Grundkonsens mit der sozialen Umgebung und der Öffentlichkeit bemühte sich die Öffentlichkeitsarbeit nicht gezielt um öffentliche Akzeptanz; kam es ζ. B. zu einem Zwischenfall, der Besorgnisse in der betroffenen Bevölkerung auszulösen drohte, so "konnte man... noch ex cathedra reden; das Dementi eines honorigen Vertreters der Chemieindustrie reichte aus" (Chemiker im unternehmensinternen Umweltschutz). Diese Art der Öffentlichkeitsarbeit wurde obsolet, als sich die aufkommende Umweltbewegung der Chemieindustrie zuzuwenden begann; den eigentlichen Umschlagspunkt bildete der symbolträchtige SevesoUnfall von 1976 und seine publizistische Verarbeitung in dem 1978 erschienenen Buch "Seveso ist überall" von Koch/Vahrenholt (Longolius 1993, 69 und 93). • Für die zweite Phase stand zur Zeit unserer Befragungen (1990) der Chemiekonzern B, dessen Öffentlichkeitsarbeit von den eigenen Führungskräften damals etwa so charakterisiert wurde: Das Problem der öffentlichen Akzeptanz ist erkannt, aber die Öffentlichkeitsarbeit bleibt eher vornehm zurückhaltend bzw. wird an den VCI delegiert; man beschränkt sich in den öffentlichen Verlautbarungen darauf, gezielter öffentlicher Kritik reaktiv - mit Richtigstellungen - zu begegnen, und grenzt sich von der erheblich offensiveren Öffent-
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lichkeitsarbeit anderer Chemieunternehmen dadurch ab, daß man es vorziehe, nicht alles "an die große Glocke zu hängen". • Für die dritte Phase stand der Chemiekonzern A, der schon relativ frühzeitig - zu Beginn der achtziger Jahre - zu jener offensiveren Öffentlichkeitsarbeit übergegangen war, von der sich der eben zitierte Konzern gerade abgrenzte: Er stellte die erzielten Erfolge auf dem Gebiet des Umweltschutzes breit dar und versuchte, sich gezielt das Image eines ganz auf den ökologischen Fortschritt ausgerichteten "grünen" Unternehmens zu geben. Interessant ist nun der Vergleich der Kritik, mit der die Führungskräfte der jeweiligen Öffentlichkeitsarbeit ihres Unternehmens begegneten. Gemeinsamer Ausgangspunkt der Kritik ist das Mißtrauen, das ihnen persönlich und ihrem Unternehmen aus ihrer sozialen Umgebung und aus der Öffentlichkeit entgegenschlägt - das Kriterium Erfolg fuhrt in beiden Fällen zu dem Ergebnis: negativ. Im Unternehmen Β gibt es noch Raum für die Annahme, daß die Ursache des Mißtrauens in der unzureichenden Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Fortschritte, die das Unternehmen beim Umweltschutz gemacht habe, zu suchen sei, weshalb dem eigenen Unternehmen für die Zukunft eine erheblich offensivere Öffentlichkeitsarbeit abverlangt wird. Und zwar mit der mehrheitlichen Maßgabe, sie solle sich auf die verstärkte Darstellung der erzielten Erfolge beschränken, da die Öffentlichkeit auf eine Offenlegung der noch ungelösten Umweltprobleme nur "irrational" reagieren werde - hier kann der Irrationalitäts-Vorbehalt noch durchschlagen. Als Vorbild dessen, was anzustreben ist, gilt den Führungskräften von Β die Öffentlichkeitsarbeit von A. Auch die Führungskräfte von A sind von der offensiveren Öffentlichkeitsarbeit ihres Unternehmens überzeugt. Aber die Frage nach ihrem Erfolg - der Abbau öffentlichen Mißtrauens - führt zu einer ebenfalls desillusionierenden Bilanz. Da hier jedoch die Ursache gerade nicht mehr in der mangelnden
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Quantität und Offensivität der eigenen Öffentlichkeitsarbeit gesucht werden kann, gewinnt der Zweifel an Boden, ob es nicht gerade die Beschränkung auf die Darstellung der Erfolge sei, die die "Vertrauensbildung" beschränkt. Denn sie erwecke den nicht besonders glaubhaften Eindruck beanspruchter Omnipotenz und werde nach aller Erfahrung spätestens dann kontraproduktiv, "wenn doch etwas passiert". Für die Vertrauensbildung sei es intelligenter, Problembewußtsein zu zeigen und noch bestehende Gefahrenpotentiale zuzugeben. Was sich hier abzeichnet, ist der - zögernde und aus der Sicht der Führungskräfte riskante - Übergang zu einer vierten Phase der Öffentlichkeitsarbeit, die auf Unternehmensebene den Schritt von der internalen zur interaktionistischen Kontrolle vollzieht. Die "offensive" Stilisierung des unternehmerischen Umweltschutzhandelns als stromlinienförmige Erfolgsstory auf Glanzpapier ist gewissermaßen der letzte Versuch, aus dem kommunikativen Austausch zwischen Unternehmen und mißtrauischer Öffentlichkeit alle Faktoren, die ihn außer Kontrolle geraten lassen könnten, herauszuhalten. Während diefreiwilligeOffenlegung "kritischer" Informationen, das Eingeständnis eigener Versäumnisse und Fehler sowie noch nicht gelöster UmweltschutzProbleme und die Einbeziehung von Umweltschützern in die Problemlösung einen Prozeß eröffnet, dessen Ausgang ungewiß ist, da er von den Gegenspielern mitkontrolliert wird - der aber auch die Chance bietet, Einfluß auf diese Gegenspieler und auf den gesellschaftlichen Umweltdiskurs insgesamt zurückzugewinnen.
4. Zusammenfassung und Ausblick Das umweltschutzbezogene Berufshandeln der Führungskräfte in der Großchemie vollzieht sich auf mehreren Ebenen und in einem inter-
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dependenten Geflecht von Eigensinn und Anpassung, von Autonomie und Abhängigkeit. Ihre Unternehmen sehen sie auf dem richtigen Weg in die ökologische Modernisierung, und im eigenen Berufsalltag verfugen sie über Verhaltensspielräume, die es ihnen erlauben, aktive Mitgestalter dieser Modernisierung zu sein. Zwischen ihren handlungsleitenden Maximen und den öffentlich an die Chemieindustrie herangetragenen Forderungen sehen sie teils Übereinstimmung, teils Differenz: Die Übereinstimmung ist groß genug, um der gängigen Chemiekritik mit dem empörten Selbstbewußtsein zu Unrecht Beschuldigter entgegentreten zu können; es gibt aber auch genügend Differenz, um den Gegenvorwurf kognitiver und moralischer Unterkomplexität zu erheben. Dabei ist ihnen bewußt, daß die eigenen Spielräume für die aktive Mitgestaltung des industriellen Umweltschutzes zu einem guten Teil dem Druck geschuldet ist, der von der Chemiekritik, den öffentlichen Skandalen und in ihrem Gefolge von den staatlichen Auflagen, Kontrollen und Sanktionen ausgeht. Die bedingte Akzeptanz dieser politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen schließt die Bemühung ein, ihnen gegenüber die eigenen Handlungspielräume zu erweitern und sie selbst zu "bearbeiten". Dem ersten Ziel dienen die Erweiterung und institutionelle Stärkung des unternehmens/Hterae« Umweltschutzes und der Übergang zum präventiven Umweltschutz. Das zweite Ziel scheint durch die institutionalisierte Beteiligung von Unternehmens- und Branchenvertretern an der Formulierung der staatlichen Vorgaben mit ihrem Wechselspiel von Bindung und Kontrolle bereits weitgehend erfüllt zu sein. Aber schon die "politische" Rücksicht, die Gesetzgeber und Behörden und schließlich auch die Unternehmen selbst auf eine mißtrauische Öffentlichkeit nehmen müssen, machen deutlich, daß dieser Hebel allein nicht ausreicht - die Rahmenbedingung öffentliche Meinung bedarf einer gesonderten Bemühung, d.h. einer Öffentlichkeitsarbeit, die nicht nur die eigenen
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Erfolge "verkauft". Der insgesamt zu zahlende Preis ist nicht gering: Die Unternehmen stärken inhaltlich und institutionell den Umweltschutz und öffnen die Werke für Chemiekritiker und staatliche Kontrolleure; ihre fuhrenden Repräsentanten stellen zumindest der Form nach ihren Anspruch auf überlegene Rationalität zurück und lassen sich - tendenziell - auf einen "Dialog" mit offenem Ausgang ein. Die eingangs aufgeworfene Frage, inwieweit die hier vorgestellten Ergebnisse angesichts des gegenwärtigen raschen Wandels heute noch Gültigkeit besitzen bzw. morgen noch gelten werden, ist nicht einfach zu beantworten. Das institutionelle Eigengewicht, das der Umweltschutz inzwischen in den großchemischen Unternehmen erlangt hat, spricht zunächst dagegen, daß sich die Bedeutung des Umweltschutzes im beruflichen Alltag wieder drastisch verringern könne. Aber schon die weitere unternehmensinterne Umsetzung des Präventions-Piiimps dürfte zu einem guten Teil davon abhängen, wie die Führungskräfte die Entwicklung der Rahmenbedingungen, d.h. die zukünftige Relevanz des Umweltschutzes für das Verhalten von Staat und Öffentlichkeit und für die Marktentwicklung einschätzen. Wenn aber die letztlich entscheidende Triebkraft für ökologische Fortschritte in der Chemieindustrie die kritische Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist, dann ist zunächst festzustellen, daß der von ihr ausgehende Druck Konjunkturen unterworfen ist - und es gibt Anzeichen dafür, daß er sich im Zeitalter von Globalisierung, Standortkonkurrenz und wachsender Angst um die Arbeitsplätze abschwächt. Dies könnte in den Augen der Unternehmensvorstände z.B. den riskanten Übergang in die vierte Phase der Öffentlichkeitsarbeit überflüssig erscheinen lassen, wofür vielleicht der kürzlich erfolgte
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Gesprächsabbaich zwischen Umweltverbänden und VCI7 ein erstes Indiz wäre. Aber noch ist das Gesamtbild widersprüchlich: Der Lagerübergreifende Siegeszug des Topos "sustainable development" hat zu einer neuen thematischen Bündelung des Umweltdiskurses geführt, die gewissermaßen schon selbst eine Gegenströmung konstituiert.® Ebenso beinhaltet die Reaktion von Politik und Öffentlichkeit auf die Hoechster Störfallserie und die sie begleitende Informationspolitik mitten im "Krisenjahr" 1993 ein deutliches - auch auf anderen Vorstandsetagen wahrgenommenes - Signal dafür, daß der Rückschlag des Pendels in der öffentlichen Prioritätensetzung nicht überschätzt werden sollte; immerhin ist Hoechst seitdem in das tiefste Image-Loch gefallen, in das jemals ein deutsches Chemieunternehmen geraten ist. So hat Hoechst kürzlich einen wichtigen Schritt zu einer offenen, dialogorientierten Kommunikation mit seinen Kritikern getan.9 Nachdem das Unternehmen sehr lange eine eher "konservative" Öffentlichkeitsarbeit betrieb (weshalb es sich in unserer Untersuchung noch hinter dem Pseudonym "Unternehmen B" verbirgt), hat es sich damit an die Spitze einer Bewegung katapultiert, der andere Chemiekonzerne bislang nur zögernd folgen welche Sogwirkung von dieser Entscheidung ausgeht, wird sich noch erweisen müssen. Schwer abschätzbar ist zur Zeit auch, welche industrielle Umweltschutz-Politik zukünftig von Seiten des Staates zu erwarten ist.
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Frankfurter Rundschau vom 1. 10. 1996: "Keine Begegnung auf den 'Konsensinseln' der bundesdeutschen Chemiepolitik" In diesen Zusammenhang gehört auch der ungewöhnliche Erfolg der Studie "Zukunftsfthiges Deutschland" (BUND/MISEREOR 1996). Frankfurter Rundschau vom 20. 9. 1996: "Der Hoechster Wind of Change". Das vox Hoechst herausgegebene neue Umweltmagazin "change" dokumentiert diese Wende durch den in der industriellen Öffentlichkeitsarbeit bisher wohl einmaligen Vorgang, daß in ihm ein ungeschminkter Bericht über das schlechte Image von Hoechst erscheinen kann und auch Chemiekritiker wie Ernst Ulrich von Weizsäcker und Joschka Fischer zu Wort kommen.
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Die Politik reagiert empfindlich auf (reale oder unterstellte) Veränderungen der Prioritäten im öffentlichen Bewußtsein: Die Chemiekonzerne werden angefleht, störfallträchtige Werke in den Städten sicherer zu machen, aber sie nicht zu schließen; die Automobilindustrie wird fur ökologische Zumutungen zum Tabugebiet erklärt; und in Gestalt des sogenannten "Beschleunigungsgesetzes" wurde der Deregulierung bereits ein erstes Opfer gebracht.10 Mit dem StandortArgument, das hier stets herangezogen wird, ließe sich im Prinzip die Rücknahme aller über dem Welt-Durchschnitt liegenden politischen Umweltauflagen für die Industrie begründen - so weit scheinen die Deregulierungsabsichten zur Zeit noch nicht zu gehen. Insgesamt dürften die Chemie-Vorstände dem Faktor Umweltschutz immer noch genügend Überraschungspotential unterstellen, um an der strategischen Handlungsmaxime Prävention festzuhalten. Wenn kürzlich große Versandhäuser dazu übergingen, ihren Zulieferern für deren Produkte umfassende "Öko-Pässe" abzuverlangen11, so wird dies auch in der Chemieindustrie aufmerksam registriert worden sein. Es ist ein Anzeichen dafür, daß sich die Diffusion ökologisch motivierter Anforderungen auch in einer Phase fortsetzt, in der das Umweltthema auf den zweiten oder dritten Platz der gesellschaftlichen Prioritätenliste zurückgestuft ist - und der Absatzmarkt stellt für die Unternehmen eine Rahmenbedingung dar, welche gegenüber dem Standort-Argument resistent ist.
10 Für die Unternehmen wird es zukünftig wieder leichter sein, umweltrelevante Investitionen auch gegen Behörden und Öffentlichkeit durchzusetzen: Süddeutsche Zeitung vom 8. 5. 1996: "Signale an die Wirtschaft - auf Kosten der Umwelt". 11 WirtschaftsWoche 10/1995: "Horrende Beiträge - die Einkäufer von Industrie und Handel sind zu Verbündeten der Grünen geworden. Sie setzen knallharte Umweltvorgaben durch".
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Literatur Baethge, Martin, Jochen Denkinger, Ulf Kadritzke, 1995: Das Führungskräfte-Dilemma. Manager und industrielle Experten zwischen Unternehmen und Lebenswelt, Frankfurt a.M/New York BUND/MISEREOR (Hrsg.), 1996: Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung, Studie des Wuppertal Instituts für Klima Umwelt - Energie GmbH, Basel Heine, Hartwig, Rüdiger Mautz, 1989: Industriearbeiter contra Umweltschutz? Frankfurt a.M/New York Heine, Hartwig, Rüdiger Mautz, unter Mitarbeit von Wolf Rosenbaum, 1995: öflhung der Wagenburg? Antworten von Chemiemanagem auf ökologische Kritik, Berlin Hoechst-Untemehmenskommunikation, 1996: change. Das Umweltmagazin von Hoechst Hoff, Ernst-Η, Thomas Lecher, 1994: ökologisches Verantwortungsbewußtsein, Vortragsmanuskript, Berlin Hoff, Emst-Η, Wolfgang Lempert, 1990: Kontroll- und Moralbewußtsein im beruflichen und privaten Lebensstrang von Facharbeitern, in: Emst-Η. Hoff (Hrsg.): Die doppelte Sozialisation Erwachsener. Zum Verhältnis von beruflichem und privatem Lebensstrang, München, S. 125-154 Koch, Egmont R., Fritz Vahrenholt, 1978, Seveso ist überall. Die tödlichen Risiken der Chemie, Köln Kossbiel, Hugo, Amo Bammé, Bernd Martens, 1987: Ingenieure und Naturwissenschaftler in der industriellen Forschung und Entwicklung, Frankfurt a.M./New York Longolius, Stefan, 1993: Eine Branche lernt Umweltschutz. Motive und Verhaltensmuster der deutschen chemischen Industrie, Berlin van den Daele, Wolfgang, 1990: Risikokommunikation: Gentechnologie, in: Helmut Jungermann, Bernd Rohrmann, Peter M. Wiedemann (Hrsg.): Risiko-Konzepte, Risiko-Konflikte, Risiko-Kommunikation, Monographien des Forschungszentrums Jülich, Bd. 3, Jülich, S. 11-58 Wiesenthal, Helmut, 1991 : 'Rational choice', Unsicherheit und ökologische Rationalität, in: Frank Beckenbach (Hrsg.): Die ökologische Herausforderung für die ökonomische Theorie, Marburg, S. 281-298
Andreas Homburg
Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz
Zum Konfliktfeld Ökologie/Ökonomie werden in jüngster Zeit zunehmend Problemlösungsstrategien vorgestellt. Hier ist etwa auf das Leitbild des "sustainable development" oder auf konkrete Anforderungen, wie sie im Rahmen des Öko-Audit geprüft werden, zu verweisen. Diese Konzepte konfrontieren Akteure (und die immer mit angesprochenen Akteurinnen) mit der Frage, ob es fur sie sinnvoll ist, Umweltschutzstrategien in die Praxis umzusetzen. Überlegungen wie: "Welche Maßnahmen halte ich fur sinnvoll?" oder "Welche Maßnahmen sind überhaupt umsetzbar?" werden in Gang gesetzt, Akzeptanzfragen entstehen. Die Akzeptanz von Umweltschutzansätzen wird zum einen von der Wahrnehmung konkreter Risiken "vor Ort" abhängen. Für die Bewertung von Umweltschutzmaßnahmen spielen aber zudem die Sichtweisen der Beteiligten zur Umweltthematik selbst eine wesentliche Rolle. Aufgabe des Beitrages ist es, diese Einstellungen, Sichtweisen oder Wahrnehmungen zur Umweltthematik - kurz das "Umweltbewußtsein" - vorzustellen. Über die Beschreibung des Umweltbewußtseins von Akteuren im Umweltschutz wird der Bewertungs- und Bedeutungshintergrund umrissen, vor dem sich der Umgang mit dem Umweltschutz im konkreten Fall entfaltet.
Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz
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Hierdurch sollen Studien in bestimmten Settings nicht überflüssig gemacht werden. Es geht vielmehr darum, einen Überblick zu Anliegen, Inhalten, Zugängen und Akteuren sowie zu exemplarischen Ergebnissen von Studien zum Umweltbewußtsein zu vermitteln.
1. Inhalte und Anliegen von Studien zum Umweltbewußtsein Unter dem Stichwort "Umweltthematik" ist eine nahezu unbegrenzte Fülle verschiedener Einzelaspekte zu fassen. Übersicht 1 stellt eine Auswahl von Fragen vor, zu denen die empirische Sozialforschung Aussagen verschiedener Akteure erfaßt hat. Übersicht 1
Inhaltliche Fragen von Studien zum Umweltbewußtsein >• Wie wird die Umweltsituation allgemein bewertet? >- Welche Bedeutung wird der Umweltkrise zugeschrieben? >- Wie wird die Umweltkrise im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Problemen bewertet? >• Welches umweltrelevante Wissen liegt vor? >- Welche Ursachen und Folgen der Umweltthematik werden gesehen? >· Wie werden Lösungsmöglichkeiten bewertet? > · Von welchen umweltschonenden Verhaltensweisen wird berichtet? Warum werden diese Fragen gestellt? Hier lassen sich vier Anliegen differenzieren:
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Andreas Homburg
1. Als ein Motiv zur Erfassung des Umweltbewußtseins kann dessen grundsätzliche soziale Relevanz angeführt werde. Diese Relevanz wird deutlich, wenn man bedenkt, daß die Umweltthematik erst über die im Umweltbewußtsein transportierten Bewertungen und Interpretationen ihre soziale Bedeutung bekommt. So werden hier etwa kollektive und individuelle Zukunftssorgen manifest, Risikokonflikte konstituieren sich, und die Akzeptanz bzw. Reaktanz gegenüber Lösungs- und Steuerungsansätzen wird beeinflußt. Dieses Anliegen steht einer soziologischen Perspektive nahe. In ihr wird Umweltbewußtsein als nachtraditioneller Sinn- und Erwartungshorizont betrachtet (Beck 1991). 2. Ein weiteres Motiv zur Untersuchung der Wahrnehmung der Umweltthematik ergibt sich aus dem Anspruch, Aussagen über kognitive Strukturen und den Zusammenhang dieser Strukturen mit konkretem Verhalten zu machen. Diese primär psychologische Perspektive betrachtet Umweltbewußtsein als Verhaltensgrundlage, die sich u.a. aus Einstellungen, Wissen und Verhaltensbereitschaften zusammensetzt. Dabei werden Verhaltensrelevanz sowie individuelle und soziale Determinanten nicht vorausgesetzt, sondern empirisch geprüft (s. etwa Spada 1990). 3. Aus einer normativen Perspektive heraus ist die Erfassung des Umweltbewußtseins von Interesse, weil es Auskunft darüber geben kann, wie Menschen ihre individuelle und kollektive Rolle im Verursachungs- und Lösungsgeschehen der Umweltkrise sehen. Das Konstrukt liefert Hinweise über das Ausmaß, in dem einzelne Menschen, Gruppen oder eine Gesellschaft Verantwortung für die Lösung der Umweltprobleme übernehmen. 4. Letztlich werden Sichtweisen zur Umweltthematik aus praxis- und interventionsorientierten Motiven heraus erfaßt. Ziel ist es, Zustimmungsbereitschaften oder Protestpotentiale bei der Implementierung bestimmter Umweltschutzmaßnahmen auszuloten. Hier steht die Ver-
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meidung vonfinanziellenoder zeitlichen "Reibungsverlusten" bei Interventionen in bestehende soziale Zusammenhänge im Mittelpunkt.
2. Zugänge Empirische Studien zum Umweltbewußtsein greifen auf verschiedene Konstrukte respektive Forschungstraditionen zurück. Eine möglichst trennscharfe Einteilung umfaßt vier aktuelle Zugänge: Übersicht 2
Zugänge zur Erfassung des Umweltbewußtseins >· Erfassung von Meinungen zur Umweltthematik >- Erfassung Umwelteinstellungen, -wissen und -verhalten >• Erfassung von Risikobewertungen >• Erfassung individueller Sichtweisen und sozialer Repräsentationen Diese Zugänge sind jeweils (mehr oder weniger) in theoretische Hintergrundannahmen eingebettet und mit einem bestimmten Erhebungsvorgehen verbunden. Jeder dieser Zugänge erkundet sehr unterschiedliche Themenfacetten. Im folgenden werden die einzelnen empirischen Zugänge zum Umweltbewußtsein genauer betrachtet. 1. Erfassung von Meinungen·. Wenn in der Presse von gestiegenem oder gesunkenem Umweltbewußtsein die Rede ist, beziehen sich die Autoren zumeist auf repräsentative Meinungsumfragen. Diese von privater oder amtlicher Seite in Auftrag gegebenen Studien variieren in ihrer theoretischen und empirischen Fundierung sehr stark. So reicht die
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Spannbreite bei der Erfassung von Meinungen zur Umweltthematik über ein "Einzel-Item-Rating" bis hin zur Verwendung von kurzen Skalen. Einige Ergebnisse aus diesem Forschungsfeld werden im weiteren Verlauf des Beitrags vorgestellt. 2. Erfassung von Umwelteinstellungen, -wissen und -verhalten: Dieser zweite Zugang zum Umweltbewußtsein erfaßt affektive und kognitive Umwelteinstellungen, Wissen, Werthaltungen und (selbstberichtete) Verhaltensweisen respektive Verhaltesintentionen im Kontext der Umweltthematik. Im Rahmen dieses primär psychologischen Zugangs werden "Umweltbewußtseinselemente" (wie eben Einstellungen, Wissen und Verhalten) testtheoretisch fundiert und in differenzierterer Weise als im (inhaltlich ähnlichen) demoskopischen Ansatz erfaßt. Dieses aufwendigere Vorgehen erlaubt allerdings kaum repräsentative Studien fur große Populationen. In der Forschung zu Umwelteinstellungen, -wissen und -verhalten werden insbesondere Elemente der klassischen Einstellungsforschung aufgegriffen, um kognitive Strukturen und deren Handlungsrelevanz zu erkunden. Dabei lassen sich zwei forschungspraktische Entwicklungsstrategien für Strukturmodelle desUmweltbewußtseins aufzeigen: Einerseits kann ein faktorenanalytisches Vorgehen zur Exploration relevanter Dimensionen gewählt werden. Eine andere Strategie versucht, auf der Grundlage theoretischer Vorüberlegungen Skalen zu verschiedenen Dimensionen des Umweltbewußtseins zu konstruieren. Schahn (1996) stellt in diesem Zusammenhang ein umfangreiches Konzept vor, das Inhaltsskalen ("Littering'TUmweltästhetik, Energiesparen im Haushalt, Sport und Freizeit, umweltschonender Verkehr, umweltbewußtes Einkaufen etc.) und Konzeptskalen (affektives Reagieren, Einstellungen, Verhaltensbereitschaft, selbstberichtetes Verhalten) umfaßt. Bei der Erfassung von Umwelteinstellungen geht es auch darum, die Verhaltensrelevanz dieses Konstruktes empirisch zu prüfen. Preisendörfer/Franzen halten
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hierzu fest: "Wenn es eine 'Quintessenz der bisherigen Debatte' zum Zusammenhang von Umweltbewußtsein und Umwelthandeln gibt, dann die, daß umweltorientierte Einstellungen und Werthaltungen nur einen begrenzten Einfluß auf das tatsächliche Umweltverhalten haben" (1996, 233). 3. Erfassung der Risikobewertung·. In jüngster Zeit beschäftigt sich auch die psychometrisch orientierte Risikoforschung mit der Wahrnehmung der Umweltthematik. Dies geschieht über die Erfassung der Bewertung von sogenannten Umweltrisiken (McDaniels/Axelrod/ Slovic 1995; KargerAViedemann 1996). Im Rahmen der Forschung zur intuitiven Risikobewertung interessieren u.a. die Risikomerkmale, auf die "Laien" im Zuge der Risikobewertung zurückgreifen. Für Laien resultiert das Risiko einer Handlung, einer Technik oder eines Umweltzustandes nicht nur aus den Angaben zu Wahrscheinlichkeit und Anzahl der Toten oder Kranken. In die Urteilsbildung fließen noch andere Parameter, wie "Persönliche Beeinflußbarkeit" oder "Vertrautheit des Risikos" ein. So können sich zwischen Experten und Laien sehr unterschiedliche Risikobewertungen ergeben. 4. Erfassung individueller Sichtweisen und sozialer Repräsentationen: Ziel der Erfassung individueller Sichtweisen und sozialer Repräsentationen oder auch des "Alltagsdenkens" ist es, Verstehen und Erklären der Umweltthematik zu beschreiben bzw. die Prozesse sozialer Wirklichkeitskonstruktion nachzuvollziehen. Dies kann über die Verwendung verschiedener Konstrukte geschehen. Individuelles Verstehen kann etwa über kognitive Konstrukte (Kelly 1986) oder subjektive Theorien (Groeben u.a. 1988) erfaßt werden. Sozial geteilte Vorstellungen können etwa in Form von kulturellen Modellen oder Deutungsmustern beschrieben werden (Flick (Hrsg.) 1995; Lüders 1991). In diesem vierten Zugang zum Umweltbewußtsein wird das Denken über die Umweltthematik durch Interviews sehr differenziert erfaßt, ohne
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Andreas Homburg
über vorgegebene Antwortoptionen zu viele "Denkinhalte" vorzugeben. Exemplarische Ergebnisse zu diesem Zugang werden im weiteren Verlauf des Beitrags noch vorgestellt.
3. Akteure Eine dritte wichtige Differenzierungsmöglichkeit des Umweltbewußtseins sind die Akteure, die als Merkmalsträger befragt werden. Solche Akteurgruppen können z.B. allgemein die Bevölkerung respektive die Bevölkerungen verschiedener Länder (Dunlap/Mertig 1996) oder Wähler verschiedener Parteien (IPOS 1994) sowie Frauen und Männer (Arcury/Sollay/Johnson 1987; Schahn/Holzer 1990) sein. Im Kontext der Arbeitswelt lassen sich konkreter etwa Führungskräfte (Hammerl 1994; Schülein, Brunner/Reiger 1994) oder Arbeitnehmer (Burschel 1996; Heine/Mautz 1988; Bogun/OsterlandAVarsewa 1992) differenzieren. Zudem werden Experten (aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung) und Laien als Akteure befragt (Herbert/Häberle o.J.). Über eine Metaanalyse von 99 Studien zum Umweltbewußtsein kommen de Haan und Kuckartz (1996, 56) zu dem Ergebnis: "Umweltbewußtseinsforschung fokussiert unterschiedliche Teilgruppen der Bevölkerung. Selektionskriterium ist zumeist die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufs- oder Berufsausbildungsgruppen; der Bildungssektor (Schüler, Studenten, Lehrer) ist stark überrepräsentiert". Aus den verschiedenen Differenzierungsdimensionen, die das Umweltbewußtsein hat (Inhalte, Anliegen, Zugänge und Akteure), ergibt sich eine Fülle von Forschungsmöglichkeiten, die allerdings bislang noch nicht alle systematisch bearbeitet wurden. Übersicht 3 zeigt diesen Möglichkeitsraum auf.
Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz
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Übersicht 3
Dimensionen des Umweltbewußtseins >- Dimension 1: Inhalte - Wie wird die Umweltsituation allgemein bewertet? - Welche Bedeutung wird der Umweltkrise zugeschrieben? - Wie wird die Umweltkrise im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Problemen bewertet?
>• Dimension 2: Anliegen - Beschreibung eines nachtraditionellen Sinn- und Erwartungshorizontes - Beschreibung kognitiver Strukturen und deren Handlungsrelevanz - Beschreibung des Ausmaßes der Verantwortungsübernahme für die Lösung der Umweltprobleme - Beschreibung der Zustimmungsbereitschaften oder von Protestpotentialen bei der Implementierung von Umweltschutzmaßnahmen >· Dimension 3: Zugänge - Erfassung von Meinungen zur Umweltthematik - Erfassung Umwelteinstellungen- wissen und -verhalten - Erfassung von Risikobewertungen - Erfassung individueller Sichtweisen und sozialer Repräsentationen >• Dimension 4: Akteure/Kontexte - die Bevölkerung - Frauen und Männer - Führungskräfte und Arbeitnehmer - Experten und Laien - Schüler und Lehrer
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4. Exemplarische Ergebnisse zum UmweltbewuDtsein von Akteuren im Umweltschutz Im folgenden werden Ergebnisse vorgestellt, die das Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz auf einer allgemeinen Ebene umreißen. Bezüglich der Akteure konzentrieren sich die weiteren Ausführungen auf "die Bevölkerung" respektive auf Arbeitnehmer. Hierbei werden die Zugänge zum Umweltbewußtsein auf die Erfassung von Meinungen und individuellen Sichtweisen begrenzt. Relevante Themen sind Bewertungen der Umweltsituation, Bedeutungen der Umweltkrise und Sichtweisen zum Umweltschutz. Tabelle 1 :
Einschätzung der Umweltverhältnisse in Ost- und Westdeutschland 1991 bis 1996 1991
1992
1993
1994
1996
Befragte Ost Umweltverhältoisse Ost (sehr) gut (sehr) schlecht
4 96
13 87
27 73
26 74
51
Befragte West Umweltverhältnisse West (sehr) gut (sehr) schlecht
49 48
45 53
46 53
51 47
52
Quelle: Daten zusammengestellt aus IPOS 1994,4, und Preisendörfer 1996, 3. Repräsentative Studien für Ost- und Westdeutschland
Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz 4.1
399
Umweltbewußtsein aus der Perspektive der Erfassung von Meinungen
4.1.1 Meinungen zur Umweltsituation Aktuelle Studien weisen darauf hin (Tabelle 1), daß sich die Umweltverhältnisse in Ostdeutschland aus der Perspektive der dortigen Bevölkerung verbessert haben. Dieser Trend trifft für die Bevölkerung der alten Bundesländer nur in geringem Maße zu. Die dortige Einschätzung der Umweltsituation lag allerdings bereits vorher auf einem positiveren Niveau. Unabhängig davon, vor welchem Hintergrund sich diese Bewertungsveränderung vollzieht (entweder durch "objektive" Veränderungen der Umweltsituation und/oder aufgrund veränderter Bewertungsmaßstäbe), ist festzuhalten, daß die Umweltverhältnisse nach wie vor ein Thema sind, für das ein großer Teil der Bevölkerung sensibilisiert ist. Den allgemeinen Trend, der in demoskopischen Längsschnittstudien zur Umweltthematik erkennbar wird, faßt Katzenstein wie folgt zusammen: "Die in den 70er Jahren in zunehmendem Maße wahrgenommene Bedrohlichkeit der Umweltkrise nahm in den 80er Jahren ab. Sie war in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts einer gewissen Zuversicht gewichen, daß Umweltprobleme bewältigt werden können. Seit Anfang der 90er Jahre geht diese Zuversicht wieder zurück1' (1995, 53). Wie wird nun diese bedrohliche Situation im Kontext anderer Lebensbereiche bewertet? In einer vergleichenden Beurteilung aus dem Jahre 1991/1992 zur Frage, wie wichtig einzelne Lebensbereiche sind, liegt die Umweltsituation hinter den Bereichen "Familie", "Freunde und Bekannte", "Beruf und Arbeit" und "Freizeit" und überraschenderweise vor den Bereichen "Religion und Kirche" sowie "Politik" (Herbert/ Häberle o.J., 88).
Andreas Homburg
400
4.1.2 Meinungen zum Umweltschutz Der Umweltschutz steht nicht auf Platz eins der politischen Agenda der Bevölkerung. In den gesellschaftspolitischen Problemfeldern Arbeitslosigkeit und Verbrechensbekämpfung werden politische Maßnahmen als dringlicher erachtet (Preisendörfer 1996, 7). Betrachten wir die Bewertung verschiedener Akteure im Umweltschutz durch die Bevölkerung: Bürgerinitiativen werden durchgängig am positivsten bewertet, wohingegen Handel und Industrie als Umweltschutzakteure schlechter abschneiden. Gemeinden, Staat und Bürger liegen in ihrer Bewertung im Mittelfeld. Auch 1996 setzt sich dieser Trend fort; sinnvolle Lösungen für die Probleme im Bereich des Umweltschutzes werden am ehesten Umweltbürgerinitiativen und am wenigsten der Industrie zugesprochen (Preisendörfer 1996, 76). Tabelle 2: Bewertung verschiedener Akteure im Umweltschutz West
Ost
1991
1992
1993
1994
1991
1992
1993
1994
Bürgerinitiativen
6.8
6.5
6.8
6.7
5.3
5.3
5.8
6.0
Die Gemeinden
5.5
5.5
5.5
5.5
3.9
4.4
5.0
4.9
Die Bürger
4.9
5.2
5.5
5.3
4.2
4.4
5.0
5.1
Der Staat
5.4
5.1
5.0
5.0
4.8
4.8
5.3
5.1
Die Industrie
3.9
4.2
3.9
4.1
2.8
3.3
3.5
3.5
Der Handel
3.5
3.9
3.8
3.9
2.3
3.4
3.4
3.6
Quelle: IPOS 1994, 18. Es konnten Punktwerte von 0 (überhaupt nichts für den Umweltschutz getan) bis 10 (sehr viel für den Umweltschutz getan) vergeben werden.
401
Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz
Nach der Bewertung von Umweltschutzakteuren stellt sich die Frage, wie verschiedene Umweltschutzkonzepte bewertet werden: Der Zugriff auf industrielle Umweltsünder wird am unerläßlichsten, die Einschränkung individueller Freiheiten hingegen am unwichtigsten erachtet.
Tabelle 3:
Bewertung verschiedener Umweltschutzkonzepte
Der Lösungsvorschlag ist unerläßlich wichtig unwichtig Höhere Strafen für industrielle UmweltsOnder
61%
36%
3%
Grenzübergreifende politische Zusammenarbeit im Umweltbereich
53%
36%
2%
Erziehung der jungen Generation zu umweltbewußtem Verhalten
52%
36%
2%
Grundlegendes radikales Umdenken jedes einzelnen Menschen
40%
52%
8%
Eine Preis- und Steuerpolitik, die umweltfreundliche Produkte verbilligt, umweltschädliche Produkte aber verteuert
36%
57%
7%
Verankerung des Umweltschutzes im Grundgesetz
36%
50%
13%
Änderung unseres Lebensstils und unserer Konsumgewohnheiten
34%
58%
8%
Fortschritte in Wissenschaft und Technik
28%
61%
11%
Einschränkung individueller Freiheiten, z.B. Tempolimit, Fahrverbote o.ä.
21%
51%
28%
Quelle: Herbert & Haberle o.J., 109. Repräsentative Befragung für Baden-Württemberg 1992.
402
Andreas Homburg
4.2 Umweltbewußtsein aus der Perspektive der Erfassung individueller Sichtweisen Individuelle Sichtweisen zur Umweltthematik werden hier anhand der Studie "Subjektive Vorstellungen zur Umweltkrise" (Homburg 1995) beschrieben. In der Studie wurden Vorstellungen respektive Vorstellungsmuster mit Hilfe problemzentrierter Interviews (Witzel 1989), die zudem narrative Sequenzen umfaßten, exploriert. Zur Auswertung der Interviews wurden Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse (thematisch-strukturierende Inhaltsanalyse: Mayring 1990) herangezogen. Der Auswertung lagen 23 (jeweils ca. zweistündige) Interviews, die mit Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in den Jahren 1993/1994 gefuhrt wurden, zugrunde. Im folgenden werden Teilergebnisse dieser Erhebung vorgestellt. Subjektive Krisenvorstellungen werden kurz allgemein geschildert, um dann vertiefend auf die Fragen einzugehen, welche Umweltschutzakteure bzw. welche individuellen Handlungsmöglichkeiten in diesen Vorstellungen auftauchen und wie ein möglicher Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie thematisiert wird. Individuelle Sichtweisen der befragten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen lassen sich in folgender Weise zusammenfassend kennzeichnen: subjektive Vorstellungen formen die Umweltkrise als ein Phänomen, das sich vorwiegend über Ursachen-Wirkungszyklen (z.B. Schadstoffausstoß - Waldsterben) und über die Benennung zweier Konfliktgegner (Mensch versus Natur etc.) manifestiert. Der Bezug der Umweltkrise zur eigenen Person wird doppelgesichtig als konkret erfahrbar oder aber schwer erkennbar beschrieben. Auffällig ist insbesondere die Wahrnehmung der Krisensymptome über (irritierende, enttäuschende) Urlaubserfahrungen. Vorherrschend sind pessimistische Prognosen mit negativer, aber auch positiver Konnotation ("Es ist viel-
Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz
403
leicht ein Glück, wenn's dann irgendwann einmal mit der Menschheit vorbei ist", Interview 6), die von Hilflosigkeitsaussagen begleitet werden. Betrachten wir nun vertiefend die für den Umweltschutz relevante Frage, wer zur Lösung der Problematik etwas tun soll. Übersicht 4 zeigt die aus dem Interviewmaterial extrahierten Adressaten fur eine Verantwortungszuweisung. Übersicht 4
Verantwortungszuweisungen an potentielle Akteure im Umweltschutz ("Wer soll bezüglich der Umweltzerstörung etwas tun?") •
"Jeder Einzelne als Akteur": Als Verantwortungsträger für Interventionen wird aus dieser Perspektive das Individuum, zum Beispiel in seiner Rolle als Verbraucher, aufgeführt.
•
"Der Staat als Akteur": In dieser Ausprägung richten sich Handlungsaufforderungen in erster Linie an den Staat als Akteur. Legislative und Exekutive sowie kommunal-, landes- und bundespolitische Ebenen werden dabei angesprochen.
•
"Industrie & Handel als Akteur": Hier werden Industrie und Handel als verantwortliche Akteure benannt.
•
"Niemand als Akteur": Aus dieser Betrachtungsperspektive läßt die Kontrollüberzeugung keine Nennung konkreter Akteure zu, da kein Sinn bzw. kein Nutzen in einer Zuweisung gesehen wird.
•
"Internationale Gemeinschaft als Akteur": Handeln wird hier primär auf globaler Ebene gefordert.
404
Andreas Homburg
Insgesamt lassen sich fünf Akteurgruppen differenzieren. Eine Delegation der Verantwortung ist bei den Befragten kaum zu beobachten. Die starke Verantwortungszuschreibung auf "jeden einzelnen" basierte allerdings eher auf einem wahrgenommenen Versagen anderer Akteure, als auf einem optimistischen Annehmen der Akteurrolle. Insbesondere fallt auf, daß die Industrie bzw. der Handel in geringem Maße als "Ansprechpartner" gesehen werden. Wissenschaft oder Umweltschutzinitiativen wurde im Rahmen dieser offenen Befragung erst gar nicht benannt. Allgemein scheint es, daß auf der einen Seite ein Vertrauensschwund gegenüber Autoritäten verzeichnet werden muß: "Grundsätzlich sehe ich die Sache so, daß die Hauptverantwortlichen in Politik und Verwaltung, hier zum Beispiel in E., alles herunterspielen. Daß doch in erster Linie auf die Finanzen der nächsten S Jahre geguckt wird" (Interview 3). Auf der andern Seite wird staatliches Eingreifen, bis hin zu recht massiven Formen, gefordert: "Da müßte also entweder Bewußtseinswandel, oder ganz kraß ausgedrückt, von oben aufgedrückt, von oben aufdoktriniert, so, sprich durch Gesetzgebung ganz klar festlegen" (Interview 21). Es kristallisieren zwei divergierende Sichtweisen heraus: Einerseits ein resignatives, auf Vertrauensmangel fußendes Benennen des "Einzelnen", andererseits ein Rufen nach staatlicher Regelung. Schuldzuweisungen oder eine Feindbildgenerierung fallen sehr zurückhaltend aus, da in Ermangelung von Handlungsalternativen jeder Akteur zum Mittäter wird. Zur Frage "Was tun sie konkret bezüglich der Umweltkrise?" lassen sich die fünf Handlungsfelder extrahieren:
Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz
405
Übersicht 5
Individuelle Handlungsweisen im Bereich Umweltschutz ("Was tun Sie konkret bezüglich der Umweltkrise?") •
"Alltagspraktisches Handeln": In dieser Ausprägung werden in verschiedenen Handlungsfeldern, wie etwa Fortbewegung, Mülltrennung, Einkauf, Energie- und Wassereinsparung, konkrete Handlungsweisen umgesetzt.
•
"Bewußtseinsbezogenes Handeln": Handlungsfelder liegen hier im Bereich der „Bewußtseinsbildung". Diese kann selbst- oder fremdbezogen sein. Letzteres steht insbesondere im Rahmen von erzieherischem Handeln im Mittelpunkt. Weitergehend gehören aber auch politische Aufklärung und Informationssuche zu dieser Ausprägung der individuellen Handlungsmöglichkeiten.
•
"Selbstbezogenes Handeln": Hier werden primär Handlungen ergriffen, die als „Selbstschutzmaßnahmen" bzw. als „persönliche Schutzmaßnahmen" charakterisiert werden können.
•
"Berufsbezogenes Handeln": In dieser Ausprägung individueller Handlungsweisen wird der Arbeitsplatzwechsel, oder noch weitergehend, ein „Aussteigen" als Handlungsweise benannt. Im Gegensatz zu den oben schon aufgeführten Handlungen ist diese Handlungsweise nicht als „Alltagsroutine" zu betrachten.
•
"Keine Handlungsmöglichkeiten": Hier werden Handlungsmöglichkeiten, die auf individueller Seite zu einer Problemlösung beitragen können, nicht gesehen bzw. nicht als effektiv erachtet.
Von zentraler Bedeutung ist der Bereich des "Alltagspraktischen Handelns". Umweltschutz im Alltag hat also seinen Platz in individuellen Vorstellungen. "Aussteigen" dagegen wird selten in Erwägung gezogen. Ein "Handeln unter veränderten Bedingungen" ("Wenn..., dann werde ich ...") wurde kaum genannt. Auffallend ist, daß als
Andreas Homburg
406
zentrales Handlungsmotiv fur umweltverträgliches Handeln von den Befragten selbst eine Form der "Gewissensberuhigung" angeführt wird: "Ich versuch's halt so in der Art zu machen, daß, wenn du dich noch im Spiegel angucken kannst, dann ist es O.K., das beschränkt so meinen persönlichen Raum... Halt so das Nötigste versuchen mit dem Müll da, nicht zu viel und nicht zu wenig, mehr kann man, glaube ich, auch nicht unbedingt machen" (Interview 15). Andere Handlungsmotive erscheinen zu brüchig, sinnlos oder unzureichend. Der/die Handelnde findet keine Sicherheit gebenden (tradierten) Normen und Werte, die Alltagshandeln lenken können. Kollektives und individuelles "Nichthandeln" wird in vielfältiger Weise begründet. Hier ist etwa zu nennen: Enttäuschung über unproduktives Umweltverhalten anderer, soziale Isolation durch umweltgerechtes Verhalten, Mißtrauen gegenüber Umweltschutzmaßnahmen, hohe Entscheidungsunsicherheit, Unsensibilität, Gewöhnung an den "Status Quo". Menschen scheinen sich häufig durch Umdeutungsprozesse von problematischen Handlungsweisen zu distanzieren. Umweltunverträgliches Handeln kann zu "relativ verträglichem" oder "unbedingt nötigem" Handeln werden. Widerspriichlichkeiten zwischen individuellem Anspruch und "Handlungswirklichkeit" werden in diesem Zusammenhang besonders im Bereich der A u s nutzung deutlich. Hier scheint ein "Mißbrauch" noch am ehesten als Kavaliersdelikt gewertet zu werden. In unserer dritten Vertiefung der Darstellung subjektiver Vorstellungen zur Umweltkrise wird auf Vorstellungen zum Verhältnis von Ökonomie und Ökologie eingegangen.
Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz
407
Übersicht 6
Verhältnis von Ökonomie und Ökologie ("Wie sehen Sie das Verhältnis von Arbeit und Umwelt?") •
"Beziehung neutral oder verträglich": Hier werden beide Bereiche als in einem unproblematischen Verhältnis stehend betrachtet.
•
"Beziehung unverträglich": Hier wird zwischen beiden Bereichen ein unauflösbarer Konflikt beschrieben, der letztlich nur die Umsetzung der Ziele des Ökonomiebereichs zuläßt.
•
"Beziehung langfristig verträglich": Diese Perspektive bringt zum Ausdruck, daß beide Bereiche über langfristige Entwicklungen und Kompromisse „koexistieren" können.
•
"Beziehungsart variiert zwischen verträglich und unverträglich": Diese Ausprägung verhält sich gegenüber der Verträglichkeitseinschätzung unentschieden.
Es lassen sich vier Sichtweisen zum Ökologie/Ökonomiekonflikt aufzeigen: "Beziehung neutral oder verträglich", "unverträglich", "langfristig verträglich" oder "Beziehungsart variiert zwischen verträglich und unverträglich". Eine Verträglichkeit beider Bereiche wurde nur aus konkreten Arbeitsplatzerfahrungen heraus gesehen. Ansonsten steht eine pessimistische bzw. verunsicherte Sichtweise im Mittelpunkt.
5. Abschließende Bemerkungen Im vorangehenden Kapitel wurde das Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz aus zwei Perspektiven heraus geschildert: einerseits wurden mit Hilfe quantitativer Verfahren gewonnene Meinungsbilder
Andreas Homburg
408
vorgestellt, andererseits mit Hilfe qualitativer Verfahren erkundete individuelle Sichtweisen. Ausgehend von den Meinungsumfragen lassen sich die Akteursichtweisen dahingehend charakterisieren, daß die an sich bedenkliche Umweltsituation im Handlungsalltag eine sekundäre Rolle einnimmt. Im Bereich des Umweltschutzes sieht es so aus, daß etablierten Machtträgern wenig Lösungskompetenz zugesprochen wird und sich die Akteure ungern eigene Handlungsoptionen einschränken lassen. Vor dem Hintergrund der qualitativen Studie wird zudem deutlich, daß es "die" Umweltkrise nicht gibt. Wir stehen vielmehr einem mehrdeutigen Phänomen gegenüber, das sehr ambivalent bewertet wird. Zudem zeigt sich, daß Umweltschutzinterventionen sich auf der einen Seite mit dem massiven Vertrauensschwund gegenüber Autoritäten und auf der anderen Seite mit der Sehnsucht nach der Erstarkung derselben auseinandersetzen müssen. Weitergehend kann nicht davon ausgegangen werden, daß Konsens bezüglich der zu schützenden Güter besteht. Je nach Krisenverständnis werden diese sehr unterschiedlich gefaßt. Erhaltenswerte Güter können etwa die Natur, die Lebensweise oder einfach Zufriedenheit sein. Die
exemplarischen
Ausführungen zum
Umweltbewußtsein
respektive zum Bewertungs- und Bedeutungshintergrund, vor dem sich der Umgang mit dem Umweltschutz im konkreten Fall entfaltet, haben einige Probleme gezeigt, mit der eine ökologische Reorganisation beruflicher und privater Handlungsfelder umzugehen hat. Diese Erkenntnisse sollten allerdings nicht zu einer Entmutigung beitragen, sondern eher Herausforderungen kennzeichnen, vor denen der Umweltschutz steht. Ein Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen liegt darin, das Phänomen Umweltbewußtsein in der hier vorgestellten Bedeutungsvielfalt von "außen" - in seiner sozialen Funktionalisierung und Einbettung - zu betrachten:
Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz
409
1. Eine Analyse möglicher Funktionalisierungsformen des Umweltbewußtseins in verschiedenen Handlungskontexten ist geboten, um diese kritisch hinterfragen zu können. Umweltbewußtsein als normativer Handlungshintergrund kann nicht nur zur Förderung des Umweltschutzes eingesetzt werden. Es besteht insbesondere im betrieblichen Kontext die Gefahr, daß es zur Demoralisierung oder zur bloßen Arbeitsmotivierung herangezogen wird. 2. Die vertiefende Untersuchung der Frage, welchen Einfluß verschiedene soziale Kontexte auf die Entwicklung des Umweltbewußtseins haben, kann neue - und da sozial eingebettet - effektivere Fördermöglichkeiten zur Übernahme einer Rolle im Lösungsgeschehen der Umweltkrise eröffnen. Im Gegenzug muß untersucht werden, über welche Prozesse der Wunsch nach Übernahme einer Rolle im Lösungsgeschehen eine umweltverträgliche Entwicklung von Handlungskontexten anregen kann.
Literatur Arcury, Thomas Α., Susan J. Scollay, Timothy P. Johnson, 1987: Sex Differences in Environmental Concern and Knowledge: The Case of Acid Rain, in: Sex Roles 16 (1987), 493-472 Bedc, Ulrich, 1991 : Die Soziologie und die ökologische Frage, in: Berliner Journal für Soziologie 3 (1991), 331-341 Bogun, Roland, Martin Osterland, Günter Warsewa, 1992: Arbeit und Umwelt im Risikobewußtsein von Industriearbeitern, in: Soziale Welt 43 (1992) 2,237-245 Burschel, Carlo, 1996: Umweltschutz als sozialer Prozeß. Die Organisation des Umweltschutzes und die Implementierung von Umwelttechnik im Betrieb, Opladen Dunlap, Riley E., Angela G. Mertig, 1996: Weltweites Umweltbewußtsein. Eine Herausforderung für die sozialwissenschaftliche Theorie, in: Andreas Diekmann, Carlo C. Jaeger (Hrsg.): Umweltsoziologie, Kölner Zeitschrift für Soziologie, Sonderheft 36/1996, Opladen, S. 193-218 Flick, Uwe (Hrsg.), 1995: Psychologie des Sozialen. Repräsentation in Wissen und Sprache, Reinbek bei Hamburg
410
Andreas Homburg
Groeben, Norbert, u.a., 1988: Forschungsprogramm Subjektive Theorien: Eine Einführung in die Psychologie des reflexiven Subjekts, Tübingen Haan, Gerhard de, Udo Kuckartz, 1996: Umweltbewußtsein. Denken und Handeln in Umweltkrisen, Opladen Hammerl, Barbara Maria, 1994: Umweltbewußtsein in Unternehmen. Eine empirische Analyse des Umweltbewußtseins im Rahmen der Untemehmenskultur, Frankfurt a.M. Heine, Hartwig, Rüdiger Mautz, 1988: Haben Industriearbeiter besondere Probleme mit dem Umweltthema?, in: Soziale Welt 39 (1988) 2,123-143 Herbert, Willi, Tanja Häberle, o.J.: Abschlußbericht zum Projekt "Umweltbewußtsein bei Experten und Bevölkerung". Forschungsstelle für gesellschaftliche Entwicklung (FGE), Universität Mannheim Homburg, Andreas, 1995: Subjektive Vorstellungen zur UmWeltkrise. Eine empirische Studie zum Umweltbewußtsein. Berichte des Forschungszentrums Jülich, Jülich IPOS, 1994: Einstellungen zu Fragen des Umweltschutzes 1994. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage in den alten und neuen Bundesländern, Mannheim Karger, Cornelia R , Peter M Wiedemann, 1996: Wahrnehmung und Bewertung von Umweltrisiken, Forschungszentrum Jülich, Programmgruppe Mensch-UmweltTechnik, Arbeiten zur Risikokommunikation, Heft 59, Jühch Katzenstein, Henriette, 1995: Kurseinheit Umweltbewußtsein und Umweltverhalten, FemUniversität Hagen, Hagen Kelly, Georg Α., 1986: Die Psychologie der persönlichen Konstrukte, Paderborn Lüders, Christian, 1991: Deutungsmusteranalyse. Annäherung an ein risikoreiches Konzept, in: D. Garz, K. Kraimer (Hrsg.): Qualitativ-empirische Sozialforschung, Opladen, S. 377-408 Mayring, Philipp, 1990: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, 2. Auflage, Weinheim McDaniels, Timothy, Lawrence J. Axelrod, Paul Slovic, 1995: Characterizing perception of ecological risk, in: Risk Analysis 15 (1995) 5,575-588 Preisendörfer, Peter, 1996: Umweltbewußtsein in Deutschland. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage 1996, Berlin Preisendörfer, Peter, Axel Franzen, 1996: Der schöne Schein des Umweltbewußtseins. Zu den Ursachen und Konsequenzen von Umwelteinstellungen in der Bevölkerung, in: Andreas Diekmann, Carlo C. Jaeger (Hrsg.): Umweltsoziologie, Kölner Zeitschrift für Soziologie, Sonderheft 36/1996, Opladen, S. 219-244
Umweltbewußtsein von Akteuren im Umweltschutz
411
Schahn, Joachim, 1996: Die Erfassung und Veränderung des Umweltbewußtseins. Eine Untersuchung zu verschiedenen Aspekten des Umweltbewußtseins und zur Einführung der Wertstofftrennung beim Hausmüll in zwei süddeutschen Kommunen, Frankfurt a.M. u.a. Schahn, Joachim, Erwin Holzer 1990: Studies of Individual Environmental Concern. The Role of Knowledge, Gender and Background Variables, in: Environment and Behavior 22 (1990) 6,767-787 Schülein, Johann August, Karl-Michael Brunner, Horst Reiger, 1994: Manager und Ökologie. Zum Umweltbewußtsein von Industriemanagem, Opladen Spada, Hans, 1990: Umweltbewußtsein: Einstellung und Verhalten, in: L. Kruse, C.F. Graumann, Ε-D. Lantermann (Hrsg.): ökologische Psychologie, S. 623-631 Witzel, Andreas 1989: Das problemzentrierte Interview, in: G. Jüttemann (Hrsg.): Qualitative Forschung in der Psychologie, 2. Aufl., Heidelberg, S. 227-256
Wolfgang Föste
Innovation und Kooperation: neue Herausforderungen an Umweltschutzbeauftragte in Unternehmen
Eine nachhaltige Entwicklung der Erde setzt nachhaltiges Wirtschaften voraus. Dabei fällt in einer marktwirtschaftlich ausgerichteten Ökonomie den Unternehmen eine Schlüsselrolle zu. Ohne einen präventiven Umweltschutz in Industriebetrieben werden sich die globalen Umweltprobleme nicht so minimieren lassen, daß die Ressourcen der Erde den Bedarf künftiger Menschen decken können und die natürliche Umwelt erhalten bleibt. Mit der ökologischen Krise entsteht für das industrielle System ein neues Regulierungsfeld. Praktisch und analytisch ist interessant, wie die Akteure im Industriebetrieb einen innovativen Umweltschutz zu gestalten beginnen. Einer der Betriebsakteure ist der Umweltschutzbeauftragte. Durch Umweltrecht wurde er als Betriebsbeauftragter für Immissionsschutz, für Gewässerschutz und für Abfall Mitte der siebziger Jahre in besonders umweltbelastenden Industriebetrieben installiert1.
1
Inzwischen gibt es in der Industrie eine Vielzahl von Beauftragten, die auch zur Gruppe der Umweltschutzbeauftragten gezählt werden: Strahlenschutzbeauflragter, GefahrstoSbeauftragter, Störfallbeauftragter, Qualitätsbeauftragter, Beauftragter für biologische Sicherheit. Der Beitrag beschäftigt sich nur mit den drei klassischen Umweltschulzbeauftragten, bei denen rechtlich das Potential zu einem innovativen Umweltschutz in der Industrie angelegt ist. Die übrigen Beauftragten sollen ihrer Ausrichtung nach lediglich industrielle Stör- und Unfälle verhindern, aber keine ökologische Veränderung der industriellen Produktion einleiten helfen.
Innovation und Kooperation
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1. Der Umweltschutzbeauftragte als "Mann des Betriebes" - ein neues Verständnis Seit es die Institution des Umweltschutzbeauftragten in der Industrie gibt, mangelt es zwar nicht an rechtlichen und technischen Ratgebern zum Arbeitsfeld des Umweltschutzbeauftragten, aber es liegen nur sehr wenige empirische Untersuchungen zum tatsächlichen Arbeitsalltag des Umweltschutzbeauftragten in Unternehmen vor (Hansmann 1979; Roth 1979; Ullmann 1981; BP 1986; Theißen 1990; Antes/ Steger/Tiebler 1992; Föste 1994). Eine theoretische Reflexion der ökologischen Reichweite der Arbeit des Umweltschutzbeauftragten gibt es so gut wie gar nicht. So scheint die frühe Festschreibung, daß der Umweltschutzbeauftragte "weitgehend im eher Routinemäßigen seinen Arbeitsschwerpunkt" (Ullmann 1981,1011) habe, in einem kontrollierenden und nicht innovativen Umweltschutzhandeln verhaftet sei, auch heute das theoretische und praktische Verständnis der Beauftragtenarbeit zu bestimmen. Da in den meisten Unternehmen, besonders in kleinen und mittleren, der Umweltschutzbeauftragte der einzige hauptberuflich für den Umweltschutz arbeitende Mitarbeiter ist, engt eine solche Sicht die betrieblichen Handlungsmöglichkeiten für einen innovativen und präventiven Umweltschutz im Industriebetrieb erheblich ein. Spricht man ihm die Arbeitsmöglichkeit für einen vorbeugenden und permanent innovativ wirkenden Umweltschutz ab, mindert man die Chancen einer ökologischen Erneuerung in der Industrie. Denn in ökologischen Vorreiterunternehmen ist der Umweltschutzbeauftragte heute schon, oft als Einzelkämpfer, Katalysator und Promotor einer Betriebsökologie. Nicht nur in der wissenschaftlichen Literatur wird der Umweltschutzbeauftragte in seiner Kontrollfunktion festgeschrieben, sondern diese Festschreibung ist Bestandteil der Beauftragtenrolle im Indu-
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striealltag selbst. Sie reflektiert das Interesse von Industrie, Interessenverbänden und Gesetzgeber an einer bestimmten Ausprägung der Beauftragtenarbeit. Die betriebliche Institution des Umweltschutzbeauftragten ist seit ihrer Schaffimg eng mit den ökologischen Intentionen des Unternehmensmanagement verknüpft. Schon seit den siebziger Jahren wird diese Verzahnung des Umweltschutzbeauftragten mit dem Management mit dem Begriff "Mann des Betriebes" beschrieben. Die Festlegung des Umweltschutzbeauftragten auf eine kontrollierende Arbeit und eine enge Zusammenarbeit mit dem Management ist historisch und interessengebunden gewachsen und erweist sich bei genauem Hinsehen als ein Hindernis zur Nutzung der innovativen betriebsökologischen Potenz des Umweltschutzbeauftragten. Im vorliegenden Beitrag wird argumentiert, daß nur eine Ausweitung der Umweltschutzkompetenz des Umweltschutzbeauftragten hin zu einem innovativem Umweltschutz und eine Lösung der zu engen Bindung an das Management hin zu mehr Kooperation mit allen Betriebsakteuren das Umweltschutzpotential des Umweltschutzbeauftragten besser ausschöpfen können; beide Änderungsrichtungen hängen zusammen. Innovative Umweltschutzarbeit des Umweltschutzbeauftragten hängt von der Kooperation mit den Beschäftigten ab, von den Umweltschutzimpulsen, die der Umweltschutzbeauftragte an sie gibt, aber auch von ihnen erhält, von der Art der Umweltschutzkommunikation im Unternehmen. Der Umweltschutzbeauftragte wurde in den siebziger Jahren als Reaktion sowohl auf die Initiative der Unternehmen, die schon einen Umweltschutzbeauftragten geschaffen hatten, als auch auf die im Bereich des Umweltschutzes wenig erfolgreiche regulative Politik des Staates als eine Institution reflexiven Rechts konzipiert. In "Ergänzung des traditionellen interventionistischen Regelungsinstrumentariums" sollte eine "neue, als TCooperationsmodelT konzipierte Institu-
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tion" geschaffen werden, "um eine Verhaltensänderung der Unternehmen" (Rehbinder 1988, 118) zu initiieren. Die damalige Vorstellung war, daß der Umweltschutzbeauftragte als Akteur im Industriebetrieb die Interessen der Gesellschaft am Umweltschutz in das Handeln der Betriebe einbringen solle. Schon früh zeigte sich, daß das Prinzip des reflexiven Rechts, externe Interessen steuernd in bestehende Teilsysteme der Gesellschaft einzubringen, bei der Institution des Umweltschutzbeauftragten in der Praxis auf Schwierigkeiten stößt. Rehbinder/Burgbacher/Knieper (1972, 26) waren bei ihrer Konzeption des Umweltschutzbeauftragten noch von einer Auskunftspflicht des Umweltschutzbeauftragten an die Kontrollbehörden ausgegangen. Modellfall für eine solche Zusammenarbeit mit den Behörden war der Strahlenschutzbeauftragte im Atomrecht, der eigenverantwortlich, unabhängig vom Betreiber von Atomkraftwerken, gegenüber den Behörden agiert. In der Folgezeit wurde in der rechtswissenschaftlichen Literatur der Umweltschutzbeauftragte als "Mann des Betriebes" beschrieben, der nur dem Unternehmen verpflichtet ist und keine nach außen eigenverantwortliche Tätigkeit ausübt. Diese Ansicht wurde in der Debatte um die These vom "Mann des Betriebes" von der überwiegenden Mehrheit der Umweltrechtskommentatoren vertreten (stellvertretend für eine Reihe von Autoren: Tettinger 1976, 758Í). In dieser Debatte der siebziger Jahre wurde der Begriff des "Mann des Betriebes" als ein Synonym für "Mann der Unternehmensleitung" verstanden. Der Umweltschutzbeauftragte sollte nur der Unternehmensleitung verpflichtet sein, nicht der Außenwelt des Unternehmens oder gar den staatlichen Umweltbehörden. Mit den Ergebnissen der "BP Umweltschutz-Enquête 1986 über die Arbeit deutscher Umweltschutzbeauftragter" und dem parlamentarischen Scheitern von Gesetzesinitiativen der Fraktionen von SPD und
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Grünen zum Umweltschutzbeauftragten im Bundestag (Deutscher Bundestag 1989, 1990 u.1991), in denen eine Zusammenarbeit des Umweltschutzbeauftragten mit Beschäftigten und Betriebsräten gesetzlich festgeschrieben werden sollte, stabilisiert sich der Umweltschutzbeauftragte als "Mann der Unternehmensleitung" auch im Innenverhältnis der Industriebetriebe. Heute noch spricht sich der Verband der Betriebsbeauftragten für Umweltschutz VBU e.V., der die Interessen von Umweltschutzbeauftragten vertritt, gegen eine Mitbestimmung von Betriebsräten bei betrieblichen Belangen des Umweltschutzbeauftragten aus (Umweltmagazin 5/1993, 160, und 3/1994, 75). Bis in die neunziger Jahre stellte nur eine empirische Studie (Theißen 1990) die Frage nach den Möglichkeiten einer ökologisch effektiveren Gestaltung der Arbeit des Umweltschutzbeauftragten und sieht besonders in der Motivation des Umweltschutzbeauftragten, die er von vornherein als Persönlichkeitsmerkmal besitzen muß, einen entscheidenden Faktor für innovativen Umweltschutz im Industriebetrieb. In den letzten Jahren wird darüber hinaus auch die kommunikative Kompetenz der Beauftragten bei der Zusammenarbeit mit Beschäftigten, Management und Außenwelt zur Inititierung eines Innovativen Umweltschutzes in der Industrie immer stärker gewichtet (future-forum 1993, 3. future-Expertentagung 1994, Hopfenbeck/Willig 1995, 183ff.). Erste Ansätze zu einem neuen Verständnis des Umweltschutzbeauftragten, weg von einem/einer reagierenden und hin zu einem/ einer innovativ und kommunikativ agierenden Umweltschutzfachmann/-frau werden in Theorie und Praxis sichtbar.
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2. Kooperation als Chance fur eine präventive Umweltschutzarbeit der Umweltbeauftragten - eine mikropolitische Fallstudie Methodisch kann nur eine mikropolitische Untersuchung in der industriesoziologischen Tradition der Beobachtung von Akteurshandeln, gestützt auf die Theorie der Strukturierung nach Giddens (1984 und 1988; Küpper/Ortmann 1986), einen Blick in das Innenleben von Industriebetrieben werfen und die (Zusammen-)Arbeit des Umweltschutzbeauftragten mit den anderen betrieblichen Akteuren in das Zentrum der Umweltschutzbeauftragtenforschung stellen. Zentrale Frage einer solchen mikropolitischen Untersuchung (Foste 1994) war, ob der Umweltschutzbeauftragte in der Arbeit im Industriebetrieb, in der Interaktion in Konsens und Konflikt mit den Betriebsakteuren seine Gestaltungsmöglichkeiten für einen präventiven Umweltschutz entwickeln kann. Erfährt der Umweltschutzbeauftragte in ökologisch orientierten Unternehmen nicht nur von einem ökologisch aufgeschlossenem Management, sondern auch von Beschäftigten und Betriebsrat umweltschutzinnovative Impulse, so daß heute eine Interpretation des Begriffes "Mann des Betriebes" möglich ist, die diese Akteure einschließt? Die Ergebnisse der Studie sollen als ein Beispiel dafür angeführt werden, wie Umweltschutzbeauftragte ihre Arbeit im Arbeitsalltag von einer kontrollierenden zu einer innovativen Umweltschutzarbeit Schritt für Schritt umgestalten lemen. Untersucht wurde die Interaktion des Umweltschutzbeauftragten mit dem Management, den Beschäftigten und Betriebsräten sowie für den Umweltschutz relevanten Akteuren der betrieblichen Außenwelt. Dazu wurden in zwei Fallstudien in mittleren Industriebetrieben der metallverarbeitenden und pharmazeutischen Industrie die Umweltschutzbeauftragten, die Firmenleiter und die für das Feld des betriebli-
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chen Umweltschutzes zuständigen Betriebsratsmitglieder in qualitativen Interviews zum Stellenwert des Umweltschutzes in ihrem Betrieb, zur Interaktion der betrieblichen Akteure beim betrieblichen Umweltschutz und zur Arbeit des Umweltschutzbeauftragten befragt. Das pharmazeutische Unternehmen stellt seit fünfundsiebzig Jahren Arzneimittel aus Naturstoffen her. An seinem Hauptsitz in der Bundesrepublik Deutschland, an dem auch die Untersuchung stattfand, beschäftigt es derzeit 1160 Mitarbeiter/-innen. Das Unternehmen, eine Familienaktiengesellschaft, wurde bis in die jüngere Vergangenheit als Familienunternehmen geführt. Das Unternehmen hat sich Leitlinien zum betrieblichen Umweltschutz gegeben. Das metallverarbeitende Unternehmen stellt, hochgradig spezialisiert, Kreuzgelenkwellen für Nutzfahrzeuge und für den Anlagenbau her. Das Zulieferunternehmen ist rechtlich selbständiges Unternehmen eines britischen Konzerns und beschäftigt 1200 Mitarbeiter/-innen. Leitlinien zum betrieblichen Umweltschutz hatte sich das Unternehmen zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht gesetzt. Forschungsleitend für die mikropolitische Untersuchung waren die Ideen einer ökologischen Prävention und die Mitwirkung und Mitbestimmung der Beschäftigten beim Umweltschutz in Industriebetrieben. Der Gedanke der Prävention - zunächst als technikgestütztes Handeln zur Verhinderung von Umweltbelastungen zu verstehen - enthält immer auch eine Utopie, eine Hoffnung auf ein Leben der Menschen ohne Naturzerstörung (Altner 1989). Mit dem Begriff der "strukturellen Ökologisierung" der Gesellschaft (Prittwitz 1990) liegt eine erste praktische Annäherung an diese Utopie, eine soziologische Ausdeutung des Ökologischen vor. Deutlich wird, daß eine Umweltschutzprävention nur durch ein umweltgerechtes Verhalten von Menschen realisiert werden kann, daß bei der Untersuchung der Umsetzungmöglichkeiten eines industriellen Umweltschutzes durch den Umwelt-
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schutzbeauftragten sowohl nach den Chancen eines präventiven, als auch eines beteiligungsorientierten oder personengetragenen Umweltschutzes (Hildebrandt 1992) gefragt werden muß. 2.1 Funktionen des Umweltschutzbeauftragten nach dem Umweltrecht Ausgangspunkt der Untersuchung sind die dem Umweltschutzbeauftragten durch das Umweltrecht zugeschriebenen Funktionen seines Handelns in der Industrie. Die Funktionen des Umweltschutzbeauftragten sind: 1. Kontrollfunktion - die betrieblichen Anlagen sind zu überwachen, Messungen durchzufuhren und die Umweltvorschriften einzuhalten (§ 54, Abs.l Nr.3 Bundes-Immissionsschutzgesetz; § 21b Abs.l Nr.l und 2 Wasserhaushaltsgesetz; § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz), 2. Innovationsfunktion - umweltfreundliche Verfahren und Produkte im Betrieb sind zu fördern (§ 54 Abs.l Nr.l und 2 Bundes-Immissionsschutzgesetz; § 21b Abs.l Nr.3 Wasserhaushaltsgesetz; § 55 Abs. 1 Nr. 4 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz), 3. Informationsßinktion
- die Belegschaft ist über betriebliche Um-
welteinwirkungen und ihre Verringerung zu informieren (§ 54 Abs. 1 Nr.4 Bundes-Immissionsschutzgesetz; § 21b Abs.l Nr.4 Wasserhaushaltsgesetz; § 55 Abs. 1 Nr. 3 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz)2.
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Zur Zeit der Untersuchung fanden sich die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zur Funktion des Betriebsbeauftragten für Abfall im § IIb des damals gültigen Abfallgesetzes. Das noie Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, das am 7. Oktober
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Neben diesen drei Hauptaufgaben der Umweltschutzbeauftragten ist den meisten Umweltschutzbeauftragten heute auch die Zusammenarbeit mit den Behörden und die Repräsentation des Unternehmens zu Umweltfragen in der Öffentlichkeit übertragen, so daß von einer Repräsentationsfunktion des Umweltschutzbeauftragten gesprochen werden kann, auch wenn sie explizit in den drei Gesetzen nicht verankert ist. (Die Repräsentationsfunktion ist allerdings im Bundes-Immissionsschutzgesetz § 52 Abs.2 und im Wasserhaushaltsgesetz § 21 Abs. 1 angelegt, die die Hinzuziehung der Umweltschutzbeauftragten bei der behördlichen Überwachungstätigkeit auf Verlangen der Behörden vorsehen.) 2.2 Motivation des Umweltschutzbeauftragten Die Umweltschutzbeauftragten der beiden untersuchten Firmen ziehen ihre Motivation für präventive und personengetragene Umweltschutzarbeit aus dem Erfolg ihrer betrieblichen Arbeit. Sie entwickeln in Interaktion mit den betrieblichen Akteuren Umweltschutzaktivitäten, die sowohl mit technischen Mitteln als auch durch die aktive Mitarbeit der Beschäftigten einen präventiven Umweltschutz initiieren. In durchstandenen Konflikten stärken sie ihre Position im Unternehmen. Ausgangpunkt der Arbeit der Umweltschutzbeauftragten in den untersuchten Unternehmen sind konkrete Umweltschutzprobleme des eigenen Betriebes. Systematisch werden die ökologischen Schwachstellen des Betriebes analysiert und eine Rangordnung der zu behebenden Umweltprobleme aufgestellt. Die Belastung der Umweltmedien
1996 in Kraft trat, hat zu den Funktionen dieses Beauftragtentyps keine wesentlichen Neuerungen gebracht; es bestärkt aber im Rahmen der Innovationsfunktion den Gedanken der Wiederverwertung von Abfällen (§55 Abs. 1 Nr. 4b).
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Wasser, Luft und Boden werden in Arbeitsaufwand und Zielsetzung über eine Kontrollarbeit hinausgehend untersucht. Im pharmazeutischen Unternehmen stehen dabei die Problemfelder Abwasserreinigung, Verpackung und Energieverbrauch, im metallverarbeitenden Unternehmen der Umgang und die Lagerung von Gefahrstoffen und die Abwasserreinigung im Mittelpunkt des Arbeitsinteresses der Umweltschutzbeauftragten. Die Arbeit der Umweltschutzbeauftragten hat in den untersuchten Unternehmen mit dem Bereich der Abfallentsorgung auch heute noch einen Schwerpunkt im Kontrollbereich, sie orientiert sich aber langfristig schon an einem innovativen und präventiven Umweltschutz unter Einbeziehung der Beschäftigten. Die These, die Motivation des Umweltschutzbeauftragten im wesentlichen bereits bei seiner Bestellung festgelegt sei (Theißen 1990, 219), reicht zur Erklärung umweltvorbeugenden Handelns des Umweltschutzbeauftragten nicht aus. Die Motivation des Umweltschutzbeauftragten entsteht besonders in der Interaktion mit den Betriebsakteuren bei der betrieblichen Umweltschutzarbeit. 2.3 Kooperation des Umweltschutzbeauftragten mit dem Management In den untersuchten Unternehmen entwickelt sich schrittweise eine betriebliche Umweltpolitik. Ein regelmäßiges Finanzbudget für Umweltschutzmaßnahmen, die gesetzlichen Vorgaben durch das Umweltrecht, das ökologische Firmenimage, technische Lösungen der Umweltprobleme und die Motivation der Beschäftigten zu einem aktiven Umweltschutzhandeln bilden die Rahmenbedingungen des betrieblichen Umweltschutzes.
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Die Umweltschutzziele des Unternehmensmanagements prägen die Arbeit der Umweltschutzbeauftragten. Im pharmazeutischen Unternehmen ist der Umweltschutz Firmenziel und in die Leitlinien des Unternehmens aufgenommen (Chancenorientierung), im metallverarbeitenden Unternehmen wird der Umweltschutz unter ökonomischen und rechtlichen Gesichtspunkten betrachtet (Risikoorientierung). Risikoorientierung oder Chancenorientierung sind die beiden Grundhaltungen, die heute bei Unternehmen zum betrieblichen Umweltschutz diagnostiziert werden (Steger 1992). Unternehmen orientieren sich beim Umweltschutz entweder am Ziel der Minimierung eines Unternehmensrisikos durch Umweltschutzaktivitäten oder am Ziel der Chancenwahrnehmung durch einen präventiven betrieblichen Umweltschutz und die Vermarktung von ökologischen Produkten. Chancenorientierte Unternehmen bilanzieren ihre Umweltsituation eher mit Hilfe moderner Instrumente eines Öko-Controllings - im Arzneimittelunternehmen spielte der Umweltschutzbeauftragte bei der Datenbeschaffung einer ersten Öko-Bilanz eine zentrale Rolle - und bauen eine integrative Umweltschutzorganisation auf (Föste 1993). Durch die Steuerung und Kontrolle des Einsatzes der Instrumente eines Öko-Controllings kann die Kontrollfunktion des Umweltschutzbeauftragten in eine zukunftsgerichtete, präventive Controllerfunktion entwickelt werden. Ohne Konflikte mit Management und Abteilungsleitern scheint eine innovative Umweltschutzarbeit des Umweltschutzbeauftragten aber nicht realisierbar zu sein. Schlüsselerlebnis für den Umweltschutzbeauftragten des Metallbetriebes war die Einrichtung einer Waschanlage auf Chlorkohlenwasserstofï(CKW)-Basis in den achtziger Jahren, als man ihn nach einjähriger Vorplanung gleichsam in letzter Minute zu Planungen hinzuzog. Der Umweltschutzbeauftragte legte sich quer, verweigerte zunächst seine Zustimmung zur Planung,
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und nahm sich Zeit für die Formulierung seiner Anforderungen an die neue Anlage. Die Anlage wurde zwar gebaut, aber er hatte sich durch seine Intervention Respekt bei den Kollegen der Planungsabteilung und beim Vertreter des Anlagenherstellers verschafft. Nicht ohne Stolz sagt er heute, daß er die Anlage schon fünf Jahre später wieder verschrotten und durch eine Waschanlage, die auf Wasserbasis arbeitet, ersetzen konnte. Sein gesetzlich verankertes Recht, bei Investitionen auch gehört und so für den betrieblichen Umweltschutz initiativ zu werden, das heute im Betrieb nicht mehr umstritten ist, mußte sich der Umweltschutzbeauftragte erkämpfen. Auch bei der Eingliederung des Umweltschutzbeauftragten in die Firmenhierarchie unterscheiden sich die Unternehmen. Obwohl der Umweltschutzbeauftragte des metallverarbeitenden Unternehmens seine Arbeit als Stabsstellentätigkeit und sich als Umweltfachmann des Unternehmens sieht, ist er in einer Linienfunktion im Unternehmen eingeordnet. Die Diskussion um den Stellenwert des Umweltschutzbeauftragten ist im Unternehmen noch nicht beendet. Der Geschäftsleiter sieht neben dem Umweltschutzbeauftragten auch den Leiter der Arbeitssicherheit als Umweltfachmann des Unternehmens an. Im pharmazeutischen Unternehmen hat der Umweltschutzbeauftragte zwar nicht formal, aber de facto eine Stabstelle inne. Im Unternehmen wird keine Diskussion um die Stellung des Umweltschutzbeauftragten geführt. Viele wissenschaftlich ausgebildete Kräfte des Unternehmens können zu Umweltschutzfragen qualifiziert Stellung nehmen, Teams wurden zur Lösung von Umweltschutzproblemen gebildet. Der Umweltschutzbeauftragte ist aber als Fachmann für den Umweltschutz im Unternehmen anerkannt.
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2.4 Kooperation des Umweltschutzbeauftragten mit den Beschäftigten Neben die technische Optimierung des betrieblichen Umweltschutzes tritt für die Umweltschutzbeauftragten heute die Erarbeitung einer Umweltschutzkompetenz der Beschäftigen. Die Motivation und Qualifikation aller Mitarbeiter vom Arbeiter an der Maschine über die Meister und Vorgesetzten bis zu den Abteilungsleitern und der Geschäftsführung hat sich der Umweltschutzbeauftragte des metallverarbeitenden Unternehmens zum Ziel gesetzt. Im Interview formuliert er: "Wir sollten davon Abstand nehmen, daß irgendwo eine Lampe angemacht wird für eine Umweltschutzsituation und danach wieder ausgemacht wird, dann ist Umweltschutz vorbei. Ich möchte gerne, daß der Umweltschutz quasi als Grundbeleuchtung für die klare Sicht ständig vorhanden ist. Vorhanden ist und nicht erst kommen muß und wieder gehen muß oder da sein muß. So daß einer umweltbewußt handelt, wie atmen." Bis dahin ist es in den untersuchten Unternehmen aber noch ein langer Weg. Die Kommunikation mit den Beschäftigten beschränkt sich noch weitgehend auf die Weitergabe von Informationen (Beantwortung von Anfragen, Umweltschutzanweisungen, Informationsmedien, Vorschlagswesen) zum betrieblichen Umweltschutz. Ein grundlegender Diskurs der Beschäftigten zum Umweltschutz wurde bisher in keinem der Unternehmen initiiert. Umweltausschüsse gibt es nur in rudimentärer Form. Ein Grund für die trotz dezidierten Willens der Umweltschutzbeauftragten nur schwer anlaufende Informations- und Motivationsarbeit mit den Beschäftigten liegt darin, daß die Umweltschutzbeauftragten über zu wenig psychologisches, soziologisches und medienkundliches Wissen verfügen, um in den Finnen eine kontinuierliche Motivation und Qualifikation der Beschäftigten zum Umweltschutz zu entwickeln.
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Hier eröffnen sich neue Arbeitsfelder stärker soziologisch und pädagogisch ausgebildeter Fachkräfte. Umweltschutzbeauftragte mit erweitertem Fachwissen können dann eine Qualifikationsfunktion im Industriebetrieb übernehmen. Denn zur Sensibilisierung der betrieblichen Akteure für die Dimensionen des (betrieblichen) Umweltschutzproblems wird eine umfassende "Umweltqualifikation" der Beschäftigten notwendig. Umwelttechnisches Fachwissen allein reicht nicht aus. Eine Steigerung des Umweltbewußtseins, der Umweltschutzmotivation und der Handlungskompetenz der Beschäftigten sind erforderlich. Erst ein Zusammenwirken dieser vier Komponenten verspricht einen verbesserten, personengetragenen Umweltschutz in Unternehmen. Von entscheidender Bedeutung dürfte die Stärkung der Handlungskompetenz der Beschäftigten sein. So kann sich der Betriebsratsvorsitzende des metallverarbeitenden Unternehmens die Schaffung von mehr Qualifikation zum betrieblichen Umweltschutz im Zuge einer generellen Anreicherung der Arbeitsplätze vorstellen. Mehr Umweltqualifikation könnte beispielsweise bedeuten, daß jeder Arbeiter an seiner Maschine über die EinsatzstofFe, ihre Entsorgung und über ihre Umwelt- und Gesundheitsschädigung Bescheid weiß. Besonders bei den sehr motivierten, in Fertigungszellen arbeitenden Facharbeitern kann seiner Ansicht nach auch mehr Verantwortung für den gesamten Prozeß im Bereich ihrer Fertigungszelle und mithin auch für die Umweltschutzbelange erwarten. Hier können Management und Umweltschutzbeauftragter mit einer Umweltschutzqualifizierung der Beschäftigten ansetzen.
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2.5 Kooperation des Umweltschutzbeauftragten mit Betriebsräten Den Betriebsräten in den untersuchten Unternehmen fehlt bisher ein eigenes Konzept zum betrieblichen Umweltschutz, mit dem sie fachkundig die Arbeit des Umweltschutzbeauftragten mitgestalten könnten (Co-Management). Sie sind im Bereich des betrieblichen Umweltschutzes noch zu inaktiv. Von den Gewerkschaften wird keine Unterstützung eingefordert. Weiterbildung zum betrieblichen Umweltschutz ist bisher kein Bestandteil der Arbeit der Betriebsräte. Das Umwelt- und Betriebsverfassungsrecht sieht bisher eine kaum nennenswerte Zusammenarbeit zwischen Umweltschutzbeauftragten und Betriebsräten bei der Gestaltung des betrieblichen Umweltschutzes vor. Dennoch geben Umweltschutzbeauftragte in der Betriebspraxis kontinuierlich Informationen an die Betriebsräte, und diese unterstützen die Arbeit der Umweltschutzbeauftragten gegenüber den Beschäftigten. Die Kooperation der Betriebsräte mit den Umweltschutzbeauftragten läuft in den untersuchten Firmen informell und ist Teil der Interaktion der betrieblichen Akteure. Im Metallunternehmen wählte der Umweltschutzbeauftragte fur die Anfangsmaßnahmen einer Schwerpunktarbeit zum betrieblichen Umweltschutz bewußt eine Abteilung der Firma, in der ein leitender Mitarbeiter aktives Betriebsratsmitglied ist. In diesem Fall ließ sich die gewerkschaftliche Tradition einer Firma des Metallbereichs für die Erweiterung der Kooperation der betrieblichen Akteure zum Umweltschutz nutzen. Die heute schon empirisch belegte Kooperation zwischen diesen betrieblichen Akteuren sollte Anlaß für eine politische Debatte um die Veränderung des Umweltrechts zum Umweltschutzbeauftragten mit dem Ziel sein, eine Kooperationspflicht zwischen Umweltschutzbeauf-
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tragten und Betriebsräten beim betrieblichen Umweltschutz im Umweltrecht festzuschreiben. Zu Konflikten zwischen Umweltschutzbeauftragten und Betriebsräten kam es in den untersuchten Unternehmen nur in einem Fall. Bei Konflikten zwischen Management und Betriebsrat zum Umweltschutz spielt der jeweilige Umweltschutzbeauftragte in den untersuchten Firmen eine sehr unterschiedliche Rolle. Im Metallunternehmen mit eingespielter Konfliktregelung zwischen Management und Betriebsrat liefert er im Konfliktfall lediglich Sachargumente für beide Akteursgruppen, während im pharmazeutischen Unternehmen, dessen Betriebsrat die Interessenvertretung erst aufbaut, bisher alle Fragen des Betriebsrats zum Umweltschutz mit dem Umweltschutzbeauftragten abschließend geklärt werden. 2.6 Außenkontakte des Umweltschutzbeauftragten Gegenüber Behörden und der Öffentlichkeit repräsentieren in den untersuchten Unternehmen die Umweltschutzbeauftragten das Unternehmen in Umweltschutzfragen. Sie spielen dabei noch nicht die Rolle eines Relais (Crozier/Friedberg 1979) zwischen Unternehmen und den externen Akteuren, sondern bleiben der ausschließlich dem Unternehmen verpflichtete "Mann des Betriebes". Im Aushandlungsprozeß zwischen Kontrollbehörden und Umweltschutzbeauftragten gewinnt der Verhandlungsgegenstand, der Schutz der Umwelt, jedoch heute stärker an Eigengewicht. Der gemeinsam akzeptierte Wert des betrieblichen Umweltschutzes kann die Verhandlungen konsensualer gestalten. Bei der Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit handelt es sich im Normalfall um eine Information von den Umweltschutzbeauftragten an die Öffentlichkeit zu Fragen der Betriebsemissionen. In den untersuchten Firmen werden keine Strategien der "external relations" (Dyllick
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1989), der wechselseitigen, offenen Beeinflussung von Unternehmen und Öffentlichkeit zum betrieblichen Umweltschutz praktiziert. Externer Sachverstand wird zur Lösung von betrieblichen Umweltschutzproblemen herangezogen. Beratung wird bei den untersuchten Unternehmen in einem Fall von einem umwelttechnischen Institut geleistet, die Informationen fließen problemlos in die Umweltschutzarbeit des Unternehmens ein. Öffnet sich - wie im Fall des pharmazeutischen Unternehmens - ein Unternehmen einer ökologisch engagierten Beratung, hatten alle Betriebsakteure zunächst Vorbehalte, eine kritische Analyse der schon vorhandenen Umweltschutzaktivitäten anzunehmen.
3. Die neuen Aufgaben der Umweltschutzbeauftragten für einen präventiven Umweltschutz in Unternehmen Zur Realisierung eines präventiven Umweltschutzes im Industriebetrieb sind die innovativen Funktionsbereiche des Umweltschutzbeauftragten sozial zu erweitern (Verbesserung der Informations- und Qualifikationsarbeit für die Beschäftigten, Stärkung der Kooperation mit der Interessenvertretung, offene Kommunikation mit der Außenwelt) und ist die Kontrollfunktion des Umweltschutzbeauftragten durch die Koordination des Umwelttechnik-Einsatzes und der Instrumente eines Öko-Controllings (Öko-Audit, Öko-Bilanz, Abfallwirtschaftskonzepte, Betriebs-UVP, umweltorientierte Qualitätssicherung) zukunftsorientierter zu gestalten. Abschließend hierzu fünf Thesen: A. Die Innovationsfiinktion bleibt die zentrale Funktion des Umweltschutzbeauftragten beim Aufbau eines integrierten Umweltschutzes in
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der Industrie, aber heute sowohl auf der technischen wie auch auf sozialer und organisatorischer Ebene des betrieblichen Umweltschutzes. B. Die Kontrollfunktion wird zu einer Controllerfunktion mit zukunftsgerichteten Aufgaben erweitert. Der Umweltschutzbeauftragte kann bei der Umsetzung eines integrierten Umweltschutzes eine zentrale Rolle spielen, wenn ihm der Einsatz der Instrumente eines ÖkoControllings zugeschrieben wird. C. Die Informationsfunktion wird gegenüber den Beschäftigten zu einer Qualifikationsfunktion ausgebaut. Der Umweltschutzbeauftragte sollte durch Schulungsprogramme Umweltbewußtsein, -motivation und -handlungskompetenz in den Beschäftigten entwickeln helfen. D. Die Repräsentationsfunktion wird zu einer Relaisfunktion mit wechselseitig offener Information zwischen Umweltschutzbeauftragtem und der Außenwelt entwickelt. E. Als neue Funktion, die aus der Interaktion der Betriebsakteure entsteht, ergibt sich eine Kooperationsfunktion des Umweltschutzbeauftragten mit dem Betriebsrat.
4. Erste Schritte zur Verwirklichung der neuen Aufgaben Da Umweltschutzbeauftragte im Unternehmen heute nicht mehr nur die Rolle des Kontrolleurs und Überwachers spielen, sondern vor allem auch die Betriebsakteure bei Umweltschutzbelangen beraten und motivieren und die Ergebnisse in der Öffentlichkeit vertreten müssen, sind kommunikative Fähigkeiten ein wichtiger Bestandteil des Persönlichkeitsprofil der Beauftragten. Diese kommunikativen Eigenschaften sind auch erforderlich, damit Umweltschutzbeauftragte durch Erfah-
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rungsaustausch und Zusammenarbeit mit Beauftragten anderer Unternehmen ihre Umweltschutzleistung verbessern können. Schon in ihrer grundlegenden Studie zum Umweltschutzbeauftragten haben Rehbinder, Burgbacher und Knieper vorgeschlagen, mehrere Umweltschutzbeauftragte nach dem "Kollegialprinzip" (1972, 27) in einem Betrieb zusammenarbeiten zu lassen. Im gewissen Sinne ergibt sich heute in Industrieunternehmen eine solche Zusammenarbeit durch die gleichzeitige Bestellung von gesetzlichen und freiwillig beauftragten Umweltschutzbeauftragten.3 Es sollte auch stärker darüber nachgedacht werden, ob Fachleute mit psychologischer, sozialwissenschaftlicher und kommunikationswissenschaftlicher Ausbildung in einem Team mit den bislang noch technisch-naturwissenschaftlich ausgebildeten Beauftragten eingesetzt werden können. Da die meisten Unternehmen zur Lösung der Umweltschutzaufgaben (noch) kein Mitarbeiterteam bilden werden, sollte sich die Aus- und Weiterbildung zukünftiger Umweltschutzbeauftragter beispielsweise nach dem Muster des Bildungsangebotes der Fresenius-Akademie entwickeln, die in ihren Fortbildungslehrgang "großen Wert auf die Optimierung sogenannter kommunikativer Fähigkeiten, Persönlichkeitstraining, Verhandlungs- und Konfliktstrategien, Risikokommunikation und Öffentlichkeitsarbeit" (Hopfenbeck/ Willig 1995, 185) legt.
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Wichtig ist, daß es zu den freiwillig bestellten Umweltschutzbeauftragten keine empirische Untersuchung gibt Hier besteht Forschungsbedarf. Es besteht die Gefahr, daß diese Umweltschutzbeauftragten ohne gesetzliche Bindung, nur in freiem Vertragsverhältnis entstanden, stärker noch als die gesetzlichen Betriebsbeauftragten zu einem/einer "Mann/Frau der Unternehmensleitung" werden, und sich ihre Umweltschutzleistungen nur schwer messen lassen. Neue Gesetzgebungsinitiativen zu den Betriebsbeauftragten für Umweltschutz sollten die freiwillig bestellten Umweltschutzbeauftragten in das gesetzliche Regelwerk einschließen.
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Die beiden ältesten ökologischen Unternehmensverbände, der Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewußtes Management e.V., der Förderkreis Umwelt future e.V. und als Interessenorganisation auch der Verband der Betriebsbeauftragten für Umweltschutz e.V. haben inzwischen Netzwerke von Umweltschutzbeauftragten entwikkelt, in denen sich die Umweltschutzbeauftragten in regionalen Erfahrungsaustauschgruppen regelmäßig treffen, um Themen der betrieblichen Umweltschutzpraxis zu diskutieren. Diese Treffen helfen den beteiligten Beauftragten, sich gegenseitig zu beraten und in der Arbeit für innovativen Umweltschutz zu bestärken (Baum aktuell; future-forum 1993; 3. future-Expertentagung 1994; Umweltmagazin). Eine Verbesserung der Kommunikation der Umweltschutzbeauftragten mit den Betriebsakteuren scheint auch deshalb auf der Tagesordnung zu stehen, da die ersten Untersuchungen zu den in letzter Zeit angelaufenen Öko-Audits in Industrieunternehmen ergeben haben, daß die beim Öko-Audit nach EG-Norm wichtigen Felder der "Umweltpolitik" und der "Umweltprogramme" vom Umweltmanagement der Unternehmen nicht mit Leben gefüllt werden können (Degenhardt u.a. 1995, 83ff, Pfriem 1995, 23 lf.); der betriebliche Umweltschutz bleibt beim Öko-Audit noch zu sehr bei einer Betriebprüfüng nach Muster einer Ökobilanz stehen, im Technischen verhaftet.
Literatur Altner, Günter 1989: Präventionsprinzip und Ethik: Was ist zu tun?, in: Universitas (1989) 4,373-384 Antes, Ralf, Ulrich Steger, Petra Tiebier, 1992: Umweltorientiertes Unternehmensverhalten - Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt, in: Steger (Hrsg.), S. 375-393 B.A.U.M. aktuell: Zeitschrift des Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewußtes Management (fortlaufend)
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BP Umweltschutz-Enquête, 1986, Hamburg Crozier, Michel, Erliard Friedberg, 1979: Macht und Organisation. Die Zwänge kollektiven Handelns, Königstein/Ts. Degenhardt, Jens, u.a., 1995: Pilot-Öko-Audits in Hessen, Wiesbaden Deutscher Bundestag, 1989: Entwurf eines Gesetzes über Umweltbeauftragte und Umweltberichterstattung in Unternehmen (Umweltbeauftragtengesetz). Fraktion Die Grünen, BT-Dmcksache 11/5362 Deutscher Bundestag, 1990 und 1991 : Betriebsbeauftragte für Umweltschutz. Antrag der Fraktion der SPD, BT-Drucksache 11/7202 u. BT-Drucksache 12/1085 Dyllick, Thomas, 1989: Management der Umweltbeziehungen, öffentliche Auseinandersetzungen als Herausforderung, Wiesbaden Föste, Wolfgang, 1993: Integrative Umweltschutzorganisation und Instrumente einer ökologischen Kontrolle in Unternehmen, in: UVP-report (1993) 3, 136-138 Föste, Wolfgang, 1994: Umweltschutzbeauftragte und präventiver Umweltschutz in der Industrie. Eine mikropolitische Untersuchung, München/Mering future-forum, 1993: Expertentagung "Betriebliches Umweltmanagement", Osnabrück 3. future-Expertentagung, 1994, Osnabrück Giddens, Anthony, 1988: Die Konstitution der Gesellschaft. Grundzüge einer Theorie der Strukturierung, Frankfurt a.M./ New York Giddens, Anthony, 1984: Interpretative Soziologie, Frankfurt a.M./New York Hansmann, B., 1979: Der Umweltschutzbeauftragte aus der Sicht der Länder. Protokoll des Mitgliedergespräches der Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen e.V. in Bonn vom 30.8.1979, S. 49-53 Hildebrandt, Eckart, 1992: Umweltschutz und Mitbestimmung, in: Steger (Hrsg.), S. 343-373 Hopfenbeck, Waldemar, Matthias Willig, 1995: Umweltorientiertes Personalmanagement, Landsberg/Lech Küpper, Willi, Günther Ortmann, 1986: Mikropolitik in Organisationen, in: Die Betriebswirtschaft 46 (1986) 5,590-602 Pfriem, Reinhard, 1995: Rauschen und Lernen, in: Jürgen Freimann, Eckart Hildebrandt (Hrsg.): Praxis der betrieblichen Umweltpolitik, Wiesbaden, S. 221 -251 Prittwitz, Volker, 1990: Das Katastrophen-Paradox, Opladen Rehbinder, Eckard, 1988: Reflexives Recht und Praxis - der Betriebsbeauftragte für Umweltschutz als Beispiel, in: Dieter Grimm, Werner Maihofer (Hrsg.): Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, Opladen, S. 109-129 Rehbinder, Eckard, Hans-Gerwin Burgbacher, Rolf Knieper, 1972: Ein Betriebsbeauftragter für Umweltschutz?, Berlin
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Roth, Hans-Peter, 1979: Der Betriebsbeauflragte für Immissionsschutz. Eine rechtliche Betrachtung dieser Institution unter Einbeziehung einer Umfrage bei Gewerbeaufsichtsämtem, Frankfurt a.M. Steger, Ulrich (Hrsg.), 1992: Handbuch des Umweltmanagements, München Steger, Ulrich, 1992: Nonnstrategien im Umweltmanagement, in: Steger (Hrsg.), S. 271-293 Tettinger, Peter J., 1976: Der Immissionsschutzbeauftragte - ein Beliehener?, in: Deutsches Verwaltungsblatt vom 1./15. 10. 1976,752-759 Theißen, Antje, 1990: Betriebliche Umweltschutzbeauftragte - Determinanten ihres Wirkungsgrades, Wiesbaden Ulimann, Arieh Α., 1981: Betriebsbeauftragte für Umweltschutz aus betriebswirtschaftlicher Perspektive: Umweltpolitische Notwendigkeit oder gesetzgeberischer Perfektionismus?, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 33 (1981) 11,992-1013 Umweltmagazin, mit VBU-Verbandsinformation (fortlaufend)
Ralf Herbold, Eckhard Kämper, Wolfgang Krohn und Volker Vorwerk
Innovation in partizipativen Akteurkon figuration en Abfallwirtschaft im Spannungsfeld von Technik, Normung und Akzeptanz
1. Einleitung Der öffentlichen Hand sind durch eine langanhaltende gesellschaftliche Entwicklung Gestaltungspflichten zugewachsen, die weit über die klassischen Staatsaufgaben der Regulierung und Kontrolle hinausreichen. In allen Bereichen der technologischen und organisatorischen Infrastruktur hat die Gesetzgebung Verwaltungen in eine Position gebracht, die sie zusätzlich zu den Ordnungsfunktionen mit Planungsleistungen belastet, die den Einsatz neuer Technologien und den Aufbau neuer Organisationsstrukturen umfassen. Mit anderen Worten: Verwaltung ist in vielen Funktionsbereichen - wie Regional- und Raumplanung, Gesundheitsvorsorge, Umweltschutz, Entsorgungswirtschaft - eine Institution fur zukunftsgestaltende Innovationen geworden, wie wenig dies auch ihrem Bild in der Öffentlichkeit entsprechen mag. Am Beispiel der Entsorgungswirtschaft, das diesem Beitrag als Illustration dienen wird,
läßt sich dieser Wechsel sofort ablesen. Noch vor wenigen
Jahrzehnten bestand der Verwaltungsaufwand im Kern darin, ein geologisch und siedlungsräumlich einigermaßen geeignetes Gelände für Deponien auszuweisen und die Gebühren festzulegen. Inzwischen müssen die Verwaltungen umfassende Abfallwirtschaftskonzepte vorlegen, in denen Müllvermeidungs- und Verwertungsmaßnahmen ausgewiesen werden, die Technik und Organisation der Sammelverfahren festgelegt
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wird, die Müllvorbehandlung durch Verbrennen oder andere Verfahren nach dem neusten Stand der Technik nachgewiesen wird und die Standorte der Anlagen nach Gesichtspunkten der Umwelt- und Sozialverträglichkeit ausgewiesen werden. Da die Verwaltung nicht fur einen Markt, sondern für eine regionale Bevölkerung plant, muß sie bisher nur selten das Problem furchten, an Marktbedürfhissen vorbei zu planen. Umso größer ist für sie das Problem der Akzeptanz und der damit verbundenen Planungs- und Implementationsunsicherheiten. Akzeptanzbeschafíung ist eine originär politische Aufgabe, mit der die Verwaltung in ihrer klassischen exekutiven Funktion nicht belastet sein soll. Der Gesetzgeber nimmt darauf im Prinzip Rücksicht, indem er die Regelungsdichte fur akzeptanzbelastete Bereiche ständig erhöht. Im Bereich der Abfallwirtschaft ist der Umfang an Gesetzen und Verordnungen kaum zu überblicken, die über EU-, Bundes- und Landesrecht alle Aspekte des Haus-, Industrie- und Sondermülls wie Emissions- und Immissionsschutz, Transport, Zwischenlagerung, Arbeitsschutz, Meldepflichten usw. regeln. Aber es ist wie das Hase- und Igelspiel. Je höher die Regelungsdichte, desto mehr entscheidbare, interpretierbare, anfechtbare und alternativ handhabbare Details kommen ins Spiel, die alle einzeln das Akzeptanzproblem wieder aufwerfen können. Man kann dies auch so ausdrücken: Die Verwaltung steht dort, wo ihr Innovationsleistungen zugemutet werden, vor einem politischen Problem, ohne doch eine politische Körperschaft zu sein. Erwartbar ist, daß in entsprechenden Konfliktlagen die Verwaltung durch risikovermeidendes Nichthandeln die Probleme entweder aussitzt oder an die Politik zurückfallen läßt. Dies geht nicht immer in Bereichen, die langfristige, technisch anspruchsvolle und finanziell aufwendige Planungen verlangen - wie eben im Entsorgungsbereich. Nichthandeln ist hier auch Handeln.
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In der Privatwirtschaft wird bei entsprechenden Handlungsblockaden, die durch Marktintransparenz ausgelöst sind, der direkte Weg vom Hersteller zum potentiellen Kunden gesucht. Durch den Aufbau einer wechselseitigen Vertrauensbeziehung, in der Anwendungsinteressen und technische Optionen ausgetauscht werden, kommt es zur Festlegung eines Entwurfs, der dann häufig als eine Pilotinstallation beiden Seiten die Möglichkeiten gibt, praktische Erfahrungen zu sammeln und Verbesserungen einzubauen. Solche interorganisatorischen Beziehungen - häufig als "Innovationsnetzwerke" bezeichnet (Kowol/Krohn 1995; Asdonk/Herbold/Kowol 1996) - dienen der interaktiven Konstruktion von Technologien in ihren Verwendungskontexten. Sie unterlaufen das Problem der Marktintransparenz durch den korporativen Aufbau eines neuen Marktsegmentes. Über diese Verknüpfung von technologischer und institutioneller Innovation werden Unsicherheiten und Intransparenzen in tragbare Risiken transformiert. Die Frage ist, ob der Verwaltung ein ähnlicher Weg offen steht. Die Antwort, die wir in diesem Beitrag ausloten wollen, ist eingeschränkt positiv. Der Weg weist in die Richtung "Partizipation", d.h. Einbezug von betroffener und interessierter Öffentlichkeit in die Planungs- und Implementationsprozesse. Traditionell dient Partizipation eher den Zielen, Verteilungskonflikte zu lösen und Belastungsungerechtigkeiten abzugleichen. In Innovationsprojekten würde man vermuten, daß Beteiligungsverfahren eher für Bremsmanöver als für Beschleunigungen sorgen, - was immer im Einzelfall wünschenswert sein mag. Aber wir vermuten, daß mindestens in Bereichen, die keine fundamentalen Wertkonflikte implizieren, Partizipation für die bezeichnete Repoli-
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tisierung des Verwaltungshandelns auch ein produktiver Ausweg aus ihrem Planungsdilemma sein kann.1 Wir werden das Thema in den folgenden Schritten diskutieren. Zunächst weisen wir auf, daß Beteiligungsverfahren in sensitiven Umweltbelangen schon seit langer Zeit rechtlich verankert und schrittweise ausgeweitet worden sind. Dann werden wir das organisatorische, technologische und sachliche Anforderungsprofil darstellen, dem ein modernes Abfallwirtschaftskonzept genügen muß. An einem Beispiel, zu dem wir eine Begleitforschung durchgeführt haben, wollen wir dann ein konkretes Beteiligungsverfahren vorstellen, zu dem sich vier Gebietskörperschaften in der Region "Nordschwarzwald" entschlossen haben. Ein letzter Schritt dient der kontroversen Erörterung von partizipativen Verfahren in der Theorie des Verwaltungshandelns.
2. Rahmenbedingungen und Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung Planungen mit Umweltrelevanz sind in der Bundesrepublik spätestens seit der Auseinandersetzung um die friedliche Nutzung der Atomkraft zu einem Problem geworden. In den siebziger Jahren hatten sich weite Teile der Bevölkerung gegen diese Energiepolitik gewandt und - trotz eines immensen Einsatzes an Wissenschaft und der Nutzung avancierter Technik - das Restrisiko für unzumutbar gehalten. Während der Begriff der Partizipation (zur Übersicht: Schmitt-Glaeser 1973; Gronemeyer
1
Eine scharfe Trennung zwischen Verwaltung und politischen Körperschaften soll übrigens durch unsere Argumentation nicht aufgebaut werden. Vor allem auf kommunaler Ebene sind beide verzahnt Langfristige Vorhaben werden jedoch häufig in der Verwaltung durchgeplant und durch deren Sachkompetenz konkretisiert Auch steht ihr nicht der Entlastungsrhythmus der Wahlperioden zur Verfügung, um Projekte wieder fallen zu lassen. Für die Verwaltung ist dieser Rhythmus bekanntlich eher eine Planungsbelastung.
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1973; Alemann 1977) dabei eher allgemein demokratietheoretisch diskutiert wurde, rückten in den neunziger Jahren konkrete Anwendungsverfahren zur Vermittlung manifester lokaler Konflikte in das Zentrum des Interesses (dazu etwa Passavant 1987; Benz 1990; Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen 1995; Vorwerk 1995; van den Daele/ Neidhardt (Hrsg.) 1996). Beide Diskussionen sind im Kontext einer Vielzahl von Beteiligungsformen bei öffentlichen Planungs- bzw. Technikentscheidungen zu sehen, deren Spannbreite von direkt-demokratischen Verfahren (Abstimmungen) bis hin zu nicht-institutionalisierten Verfahren (informelles Verwaltungshandeln, Runde Tische) reicht. Wir werden im weiteren auf einige dieser Verfahren eingehen, die die zentralen Bereiche technikgestaltender Beteiligung darstellen. In fast allen Bundesländern gibt es auf der Ebene des Landes und der Kommunen Entscheidungen erzeugende, direkt-demokratische Verjähren in Form von Volks- bzw. Bürgerbegehren und -entscheiden. Ihre Gestaltungsspielräume sind auf den ersten Blick eher gering, da im Prinzip nur Zustimmung oder Ablehnung über hoch aggregierte politische Vorhaben abgegeben werden kann; auf den zweiten Blick ergeben sich allerdings darüber hinausreichende Möglichkeiten aus der Verarbeitung durch die Politik, wie sich an einem bayrischen Beispiel zeigen läßt. Dort kam es 1991 im Zuge eines Volksbegehrens zu einem Volksentscheid über zwei Entwürfe eines Abfallgesetzes. Während das Volksbegehren u.a. einen Verzicht der Müllverbrennung vorsah, zielte der eilig erstellte Gegenentwurf der Landesregierung auf die flächendeckende Einfuhrung dieses technischen Pfades.2 Die Initiative "Das Bessere Müllkonzept" unterlag zwar knapp mit 43,5 %, konnte jedoch in mindestens drei Punkten erheblichen gestalterischen Einfluß 2
Vorher hatten Volksbegehren und -entscheid kaum Einiluß auf die Technikgestaltung. In Bayern gab es seit 1946 nur sieben Volksentscheide, ftlnf davon betrafen die Verfassung.
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gewinnen: 1) Das erfolgreiche Volksbegehren setzte die Politik unter Handlungsdruck, ein Gegenkonzept zu entwerfen. 2) Die bayrische Landesregierung orientierte sich wesentlich an dem auf Vermeidung und Verwertung setzenden Modell der Umweltorganisation.3 3) Volksbegehren und -entscheid haben die Abfallproblematik ins öffentliche Bewußtsein gerufen und eine Politisierung bewirkt, die zu einem weiteren Volksentscheid führte. Dieser letzte (und zugleich erste erfolgreiche) Volksentscheid in Bayern aus dem Jahr 1995 setzte die Erleichterung von Bürgerentscheiden durch. Die Stärkung kommunaler Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte in Bayern führte seitdem zu mehr als 100 Bürgerbegehren zu verschiedenen kommunalen Themen.4 Festhalten läßt sich, daß direktdemokratische Verfahren in jüngster Zeit in weiteren Bundesländern durch das Kommunalrecht institutionalisiert worden sind und technikgestaltende Wirkung haben.5 Der Typus der Anhörung hat eine lange Tradition. Bereits die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes von 1869 sieht eine Erörterung zur Anlagengenehmigung vor, wenn Nachteile oder Gefahren für Dritte befurchtet werden. Diese Regelung wurde in die Umweltgesetzgebung der sozial-liberalen Koalition Anfang der siebziger Jahre übernommen. Das politische Reformprojekt Umweltpolitik
und der "gesetzgeberische Aktionsrausch der siebziger Jahre " (MeyerAbich 1984, zitiert nach Radkau 1989, 150) basierten auf der Überzeugung, gesellschaftliche Entwicklungen politisch stimulieren und durch wissenschaftliches Wissen legitimieren zu können. Das Instrumentarium bestand im wesentlichen aus Konditionalprogrammen mit 3 4 5
Siehe zur Gründung dieser Initiative und den Hintergründen Frühschatz 1989, zu den Begleitumständen bei der Durchführung des Volksbegehrens Der Spiegel 1991. Die Themenbereiche verteilen sich zum Großteil auf Bauprojekte, Flflchennutzungs- und Bebauungspläne, Verkehrsprojekte und öffentliche Infrastruktur. Eine guten Überblick bietet hier Kiemisch 1994.
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dem Ziel, Umweltschutz über Technik und die Einführung von Sicherheitsstandards zu gewährleisten.6 Die regulative Umweltpolitik bediente sich der "Technikkontrolle durch Technik" (Wolf 1992) insbesondere bei der Anlagengenehmigung in Form des Stands der Technik. Die zentralistische Politik des "command and controF' (Weidner 1995) bildete eine bürokratisch-regulative Praxis heraus, auf die die Anhörungsverfahren zugeschnitten waren. Die Beteiligung beschränkt sich auf Antragsteller, Behörden und Betroffene. Letztere wurden erst zu bereits umsetzungsfähig entwickelten Planungen gehört. Die Kritik lautet hier, daß nur noch kosmetische Änderungen möglich sind, da kritische Punkte bereits im Vorfeld informell zwischen Antragstellern und Behörden geregelt worden sind. Dennoch haben die Einwendungen von Betroffenen zu technischen Veränderungen bis hin zum Versagen von Genehmigungen gefuhrt. Besonders wirkungsvoll können Anhörungen sein, wenn ihnen spezielle Nachweispflichten der Behörden gegenüberstehen. So muß im Abfallbereich ein Nachweis über den Bedarf, die Einhaltung des Stands der Technik und die Ungefáhrlichkeit von Anlagen gefuhrt werden. Dies und steigende Umweltstandards haben die Weiterentwicklung von Technik wesentlich stimuliert. Bürgerinitiativen hatten so ein Forum fur die öffentliche Diskussion von Problemen der Umweltgefährdung fur Betroffene, die natürliche Umwelt und spätere Generationen. Aus den lokal begrenzten Konflikten wurden gesellschaftliche Risiken. Eine wesentliche Erweiterung der Mitwirkungsrechte brachte das dem amerikanischen Recht nachgebildete Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz der EG von 1985, das 1990 Bundesrecht wurde. Mit dem § 5 UVPG, der Antragskonferenz oder dem sog. Scoping-Termin,
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Institutionell verankert wurde dies durch die Gründung des Rats von Sachverständigen für Umweltfragen 1971 und des Umweltbundesamtes 1974.
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wurde ein Beteiligungsinstrument geschaffen, das eine frühzeitige Beteiligung Dritter vorsieht. Darüber hinaus ist hier im weiteren Verfahrensverlauf eine öffentliche Anhörung vorgesehen statt nichtöffentlicher Erörterungstermine in den anderen Regelungen, z.B. der Planfeststellung. Allerdings ist seit dem Investitionserleichterungs- und Beschleunigungsgesetz von 1991 im Zuge der Wiedervereinigung auf bundespolitischer Ebene eine Beschneidung von Beteiligungsrechten zu beobachten (z.B. Bullinger 1992, 1993). Dies führte u.a. dazu, daß Abfallbehandlungsanlagen nicht mehr unter das Abfallgesetz, sondern das Bundesimmissionsschutzgesetz fallen. Dadurch entfallen einige verwaltungsrechtliche Beschwerdemöglichkeiten, vor allem aber die Notwendigkeit einer Bedarfs- und Altemativenprüfung. Derzeit werden vom Bundesgesetzgeber weitere Änderungen bei den Genehmigungsverfahren anvisiert, die weitere Verschlechterungen erwarten lassen.7 Mit der Risikoforschung und der Technikfolgenabschätzung (TA) entstanden in den sechziger Jahren zunächst in den USA Überlegungen, die gesellschaftlichen Folgen moderner Technologien frühzeitig zu erfassen.' TA wurde als ein politikberatendes Instrument entworfen, das bis zur Institutionalisierung in den politischen Entscheidungsprozeß fallweise eingesetzt wurde.9 Die anfängliche Überzeugung, daß die erkannten Risiken der Technik technisch gelöst werden und die Widerstände der Bevölkerung gegen Restrisiken durch Information in Akzeptanz überfuhrt werden könnten, bestätigten sich aber nicht. Zum einen entstand eine Kultur von Gegenexperten, die nicht einfach als
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Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, Bundestagsdrucksache 29/96 vom 19.1.1996, Gebers/Jülich 1996 und Gebers/ Küppers/Roller 1995. Als Überblick aber den Stand der Risikoforschung siehe Krohn/Krücken 1993, zur Technikfolgenabschätzung etwa Baron 1995 und Zeilhofer 1995. Institutionalisiert wurde die TA zuerst in den USA über die Gründung des Office for Technology-Assessment (OTA) 1972; zur Entwicklung: Gloede 1994.
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Laien behandelt werden konnten, zum anderen zeigte sich, daß sich die exakten naturwissenschaftlich-mathematischen Risikoberechnungen nicht mit den Risikowahrnehmungen in der Gesellschaft deckten. Weder bessere Informationen noch bessere Technik konnten also die Probleme lösen (zu dieser Entwicklung: Fischoff 1995, 13). Auf diese Probleme der expertendominierten TA wurde durch partizipative Formen der TA reagiert. Einerseits sollte damit über die Transparenz von Entscheidungen und Bewertungsverfahren Vertrauen in die verantwortlichen Institutionen geschaffen werden, andererseits sollte durch die Partizipation das gesellschaftliche Wissen, insbesondere das von Kritikern konstruktiv genutzt werden. Ähnlich wie im Rahmen der UVP soll in partizipativen TA-Diskursen eine sozialverträgliche Technikgestaltung gewährleistet werden.10 In den siebziger Jahren wurden besonders im Rahmen der Stadtund Raumplanung neue Beteiligungsverfahren gesucht. Die Gemeinwesensarbeit versuchte, die auch in Bürgerinitiativen unterrepräsentierten Unterschichten stärker in die Sanierungsplanung einzubeziehen (Müller 1971), mit der Advokatenplanung sollte die fachlichjuristische Kopplung zwischen Bürgerinnen und Verwaltung gewährleistet werden (als Überblick: Brech/Greiff 1978). Diese beiden Beteiligungsformen spielen heute keine Rolle mehr. Übrig geblieben sind im wesentlichen zwei Verfahren, die auch im Bereich der Technikgestaltung eingesetzt werden. Das eine Verfahren ist das in den sechziger Jahren von Robert Jungk entwickelte Konzept der Zukunftswerkstatt, dessen Ziel es ist, in dialogischen, moderierten Workshops Vorstellungen von Laien über die konkrete Gestaltung ihrer
10 Siehe dazu das vom Wissenschaftszentrum Berlin unter der Leitung von Wolfgang van den Daele durchgeführte Verfahren zur Freisetzung herbizidresistenter Pflanzen (Bora/Döbert 1993, van den Daele u.a. 1994, van den Daele 1996) sowie die Beitrüge in dem Sammelband Rip/Misa/Schot 1995.
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Umwelt zu entfalten und Vorschläge für die Entscheidungsträger zu entwerfen. Der thematischen Vielfalt sind dabei keine Grenzen gesetzt (Jungk/Müllert 1994; Kuhnt/Müllert 1996). Das zweite Konzept, die Planungszelle, geht auf Peter C. Dienel zurück und wurde erstmals 1972 eingesetzt.11 Hier wird eine Anzahl zufällig ausgewählter Laien, die dafür aus öffentlichen Mitteln bezahlt und von Experten unterstützt werden, für einen definierten Zeitraum mit der Lösung von Planungsproblemen beauftragt. Das Konzept wurde für unterschiedliche Fragestellungen (Infrastruktureinrichtungen, Freizeiteinrichtungen, Integration der Stadt, Beseitigung fester Abfälle, Verkehrsfuhrung, Wohnqualität, Energiepfade, ISDN) genutzt, die Ergebnisse der Planungszellen werden in Form sogenannter Bürgergutachten an die Entscheidungsträger weitergeleitet. Die Legitimation dieses Verfahrens ist durch die Zufallsauswahl vergleichsweise hoch. Mit den Mediationsverfahren gibt es im Umweltbereich seit Ende der achtziger Jahre ein weiteres Verfahren, das bis heute mit dem Schwerpunkt auf abfallwirtschaftliche Konflikte in mehr als 30 Fällen eingesetzt worden ist. In seiner ursprünglichen, in den USA seit 1973 etablierten Form dient es der Lösung bereits manifester Konflikte. Im Mittelpunkt steht dabei ein an Fairneß und Sachlichkeit orientierter Diskurs, der der Ideengenerierung und -bewertung dient. Bei der Übertragung auf deutsche Verhältnisse tritt die Konfliktvermittlung durch einen externen Moderator allerdings zurück zugunsten einer frühzeitigen Planungsbeteiligung mit der Funktion der Politikberatung (als Überblick: Vorwerk 1995; Mediator 1996). Ein Vergleich aller
11 Zur Metbode siehe Dienel 1992. In den USA wurde davon unabhängig am Center for New Democratic Processes mit den Citizen Panels ein nahezu identisches Verfahren entwickelt: Crosby/Kelly/Schaefer 1986.
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Verfahren zeigt, daß sie vor allem auf lokaler Ebene und relativ konkreten Problemstellungen Anwendung finden. Tabelle 1: Übersicht partizipativer Sozialtechniken Verfahren
Beteiligte
Auswahl
primäres Ziel
Bürgerentscheid
Wahlberechtigte
keine
Entscheidung
Anhörung
Betroffene
Einwender
Rechtsschutz
Technikfolgen-
Experten
Politik
Politikberatung
Zukunftswerkstatt
Bürger
Interesse
Zukunftsentwürfe
Planungszelle
Bürger
Zufall
(lokale) Planung
UmweltMediation
Interessengruppen
organisierte
(lokale)
Interessen
Konfliktlösung
abschätzung
3. Komponenten kommunaler Abfallwirtschaft Daß Mediationsverfahren in Deutschland häufig zur Lösung abfallwirtschaftlicher Konflikte eingesetzt werden, ist durch die spezifische Struktur dieses Bereichs bedingt. Bevor im nächsten Abschnitt das für die Region Nordschwarzwald durchgeführte Mediationsverfahren dargestellt wird, soll zunächst das abfallwirtschaftliche Unsicherheitsmanagement unter den Aspekten Konflikt, Technik und Normung diskutiert werden. Seit einer Reihe von Jahren sind Müll und Abfall Gegenstände kommunalpolitischer Konflikte, die sich in Form von Akzeptanzbarrieren gegen bestimmte technische Lösungen, insbesondere die Müllverbrennung, und gegen Standortentscheidungen niederschlagen. Planun-
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gen werden durch Betroffene von Standortentscheidungen torpediert, die sich die Unterstützung von Umweltschutzverbänden sichern können (Holst 1989; Wiedemann/Femers/Hennen 1991; Pfingsten 1993a). Aber selbst dort entstehen Konflikte, wo weniger riskante Anlagen geplant werden. Obwohl etwa die Kompostierung auf gesellschaftliche Zustimmung triât, werden Standorte fur Anlagen zum Streitfall; obwohl Deponien als notwendiger Bestandteil der Abfallwirtschaft angesehen werden, sind sie kaum durchsetzbar.12 Verschärft wird die Konfliktlage noch zusätzlich durch die Intransparenz des Akzeptanzverhaltens. Oftmals stellt sich erst in der Genehmigungsphase heraus, ob Planungen durch Einwendungen und Protestaktionen behindert werden. Diese mehr oder weniger gut vorhersehbaren Konflikte haben politische Reaktionen ausgelöst, die sich sowohl auf die Technik als auch die Organisation der Abfallbewirtschaftung erstrecken. Anlagenspezifische technische Auslegungen wie beispielsweise eine Kreislauffuhrung für das Sickerwasser oder Multibanieren gegen Grundwasserverunreinigungen dienen der Minimierung von Risiken.13 Sie werden aber unter Umständen wieder zu einem Problem, wenn etwa avancierte technische Lösungen hohe Kosten verursachen, die die Wirtschaft als Standortnachteil kritisiert, oder wenn sie neue, noch nicht völlig überschaubare Risiken aufwerfen, die von Betroffenen als unzulässiges Experimentieren abgelehnt werden (Herbold/Krohn/Weyer 1992). Organisatorische Reaktionen stellen die seit Mitte der achtziger Jahre genutzten Abfallwirtschaftskonzepte dar, die die technische 12 "Für Landrat Gerhard Mauer sind die ihm überreichten 500 Unterschriften gegen die Kompostierungsanlage nichts anderes als der übliche und an jedem Standort zu erwartende Widerstand gegen jedwedes Müllprojekl" (Freudenstädter Kreiszeitung vom 31.1.94) 13 Am Beispiel der Auslegung von Deponien siehe dazu Herbold/Wienken 1993, Herbold 1995 und Krohn 1997.
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Planung in ein Bündel regionaler Maßnahmen integriert. Diese Konzepte, die mittlerweile durch das neue Abfallrecht bundesweit vorgeschrieben sind, beinhalten eine Bestandsaufnahme, eine Prognose der Entwicklung über mindestens fünf Jahre und den Nachweis sicherer Entsorgungskapazitäten für diesen Zeitraum unter der abfallrechtlichen Zielhierarchie von "Vermeidung, Verwertung, Verbrennung, Vergraben und Vergessen" (Marx 1993). Die Vermeidung von Abfällen als oberstes Ziel tangiert den Bereich freiwilliger Leistungen, die durch die Verbreiterung eines allgemeinen Umweltbewußtseins und durch ökonomische Anreize angeregt werden. Die Verwertung von Abfallen erfordert ein hohes Maß an Sortenreinheit, was im Hausmüllbereich schwieriger herzustellen ist als im Gewerbe- und Industriemüllbereich. Das Duale System Deutschland (DSD) mit seinen gelben WertstofFsammelbehältern, die vielerorts verbreiteten Tonnen fur Bioabfalle, die Sammlung von Metallen, Papier und Glas belasten die Haushalte mit einem hohen Sortieraufwand, ohne den auch moderne Sortieranlagen nur suboptimal arbeiten können. Diejenigen Abfälle, die weder vermieden noch verwertet worden sind, bilden den Restmüll, für den die Verbrennung als Behandlungsverfahren festgelegt worden ist. Erst wenn eine 'erdkrustenähnliche' Qualität erreicht worden ist, kann das Vergraben der Abfälle folgen. Die Umsetzung dieser Norm, die ab dem Jahr 2005 für alle Deponieablagerungen gilt, soll den fünften und letzten Schritt, das Vergessen, ermöglichen. Die Kombination technischer Verfahren der Vorbehandlung und Ablagerung soll die Kontrolle von Deponien über lange Zeiträume überflüssig machen und die Entstehung weiterer Altlasten in der Zukunft verhindern. Abfallwirtschaftskonzepte sind Instrumente, mit denen Weichen fur politische Entscheidungen gestellt und von Wahlzyklen unabhängige Planungshorizonte für die Verwaltungen aufgespannt werden. Mit ihnen soll auf die Konfliktträchtigkeit des lokalen Abfallmanagements reagiert
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und verhindert werden, daß wechselnde politische Mehrheiten die Rahmenbedingungen für das Verwaltungshandeln verändern. Denn die Unsicherheiten der Verwaltungen über die Entscheidungen der lokalen Politik hängen direkt mit der Frage zusammen, ob es gelingt, die Öffentlichkeit von der vorgelegten Definition des regionalen Abfallproblems und von der Angemessenheit der planerischen Gestaltung der Lösung zu überzeugen. Eine wesentliche Funktion der Abfallwirtschaftskonzepte besteht in dem Versuch, Legitimation durch eine überzeugende Verkoppelung von Vermeidungs- und Verwertungsanstrengungen mit unabweisbar verbleibenden Planungen für Abfallbehandlungs- und Entsorgungsanlagen zu gewinnen. Aber mit diesem Vorgehen werden die politischen und sozialen Unsicherheiten in den Entwurf des Abfallwirtschaftskonzeptes selbst verlagert, der zwar Legitimation erzeugt, aber um den Preis, daß nun Annahmen über das politische Verhalten bei der Ausgestaltung der Kreislaufwirtschaft und das soziale Verhalten bei den Sammel-, Sortier- und Zahlungsvorleistungen der Bürger in die Planungen eingehen. Die in den integrierten Abfallwirtschaftskonzepten entworfenen sozio-technischen Verwendungskontexte14 umfassen also einerseits die (siedlungsräumlich und industriestrukturell) hochspezifische Auslegung von Artefakten wie Sortier-, Verbrennungs-, Kompostier- und Deponieanlagen und andererseits ungeprüfte, auf nicht gut vergleichbaren Übertragungen aus anderen Regionen beruhenden Verhaltensprognosen. Beides greift ineinander. Beispielsweise ist die Funktion von Verwertungs- und Sortieranlagen von den Reinheitsgraden der angelie-
14 Der Abfallbereich unterscheidet sich aufgrund der UnifinalitAt eingesetzter Technik wesentlich von anderen Infrastrukturbereichen. Zwar bedarf es auch hier der Anpassung ven Nutzungsvisionen an die Praxis gesellschaftlicher Techniknutzung im Sinne von Optimierungsleistungen, die Möglichkeiten von überraschenden Neudefmitionen durch nicht antizipierte Verwendungsoptionen sind aber begrenzt
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ferten Wertstoffsammlungen abhängig. Die Wirtschaftlichkeit von Verbrennungsanlagen reagiert empfindlich auf Unterauslastung, da die Betriebskosten im wesentlichen mengenneutral sind. Zu diesen Unsicherheiten kommen weitere. So hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, daß die sachtechnischen Komponenten der Entsorgung trotz aller Labortests, TÜV-Abnahmen und Probebetriebsphasen erst in der langjährigen Praxis ihre Funktionsfähigkeit erlangen. Genauer gesagt, ist die Benutzung der Anlagen ein ständiger Experimentier- und Lernprozeß (Herbold/Wienken 1993; Krohn 1997). Eine andere Quelle der Planungsunsicherheit ist die laufende Veränderung des regulativen Rechtsrahmens, die sich weitgehend dem kommunalen Einfluß entzieht. Zum einen nimmt die Regulationsdichte des Abfallbereichs ständig zu. ls Zum andern sind die technischen Normungen durch Verweis auf den Stand der Technik dynamisch ausgelegt und zwingen bei Planungs- und Umsetzungszeiträumen von zehn und mehr Jahren zu einer ständigen Änderungsbereitschaft. Schließlich ist das Instrument der technische Normung selbst problematisch und unterliegt einem Anpassungsdruck. Dies zeigt etwa die häufige Kritik an der 1993 inkraftgetretenen "Technischen Anleitung Siedlungsabfall" (TASi). Die dort getroffene Festlegung schreibt vor, daß Abfälle nur dann deponiert werden dürfen, wenn sie einen Glühverlust von weniger als 5% aufweisen. Diese Norm ist gegenwärtig nur durch die Müllverbrennung erreichbar.16 Obwohl die Normung durch die TASi insgesamt kaum mehr umstritten ist (z.B.
15 Eine Durchsicht des Standardwerks Müll-Handbuch ergibt mehr als 100 Richtlinien und Gesetze, die in Nordrhein-Westfalen abfallrechtlich zu berücksichtigen sind. 16 Unter "Müllverbrennung" werden hier sämtliche thermischen Verfahren verstanden, auch wenn sie streng genommen keine Verbrennung darstellen. Der Glühverlust gibt dabei im wesentlichen den Gehalt an oxidierbarem, d.h. organisch gebundenem Kohlenstoff (z.B. aus Pflanzen oder Kunststoffen) an.
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Rat von Sachverständigen fur Umweltfragen 1991), führte der Parameter Glühverlust gerade nicht zu der erwarteten partiellen Entpolitisierung des Abfallbereichs. Zusammenfassend ist festhalten, daß sich abfallwirtschaftliche Planungen durch ihre hypothetische Struktur auszeichnen. Relevante Unsicherheiten ergeben sich aus den lokalen Akzeptanzbedingungen, aus der Technik der Anlagen, aus den Vermutungen über die organisationalen Vorleistungen der Verbraucher, aus den Prognosen über die Abfallmengenentwicklung, aus den Normenveränderungen des Rechtsrahmens und der institutionellen (Protest-)Kultur der Gesellschaft. Es scheint daher nicht dauerhaft gelingen zu können, die kommunalen Entscheidungsträger gegen das Kreuzfeuer der Kritikergruppierungen abzuschirmen. Obwohl das Bundesrecht zum Teil die partizipativen Elemente infrastruktureller Planungen zurückfährt, ist auf kommunaler Ebene eher der Ausbau von Beteiligungsmöglichkeiten als Beitrag für ein modernes Konfliktmanagement zu beobachten. Die gewählten Verfahren (Runde Tische, Zukunftswerkstätten, Mediationsverfahren) sind in der Regel im rechtlichen Sinne informell, aber bilden mittlerweile einen festen Bestandteil kommunaler Entscheidungsfindung. Allerdings werden diese Verfahren bisher fast ausschließlich unter den Gesichtspunkten von Konflikt und Konsens betrachtet (Striegnitz 1991, 1993), wobei die gruppenpsychologischen Dynamiken (Fietkau 1996; Pfingsten 1993b) und politischen Arenen (Renn 1992) untersucht wurden. Nicht beachtet wurde bisher der Beitrag partizipativer Verfahren für die technische und organisationale Innovativität. Unterläßt man dies, erkennt man nicht, daß inzwischen partizipative Verfahren als Antwort auf die vielfältigen Risikobelastungen bei sozio-technischen Planungen gerade die Technikgestaltung und die Akzeptanzbeschaffung miteinander verkoppeln. Das in der Region Nordschwarzwald über mehrere Jahre durch die Stuttgarter
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Akademie fur Technikfolgenabschätzung gemanagte Mediationsverfahren soll im nächsten Abschnitt als Beispiel dafür dienen, wie Fairness und Innovation einander beeinflussen.17
4. Das Mediationsverfahren Nordschwarzwald Eine Analyse der regionalen Tageszeitungen für den Zeitraum Januar 1992 bis Juni 1994 ergibt für das Gebiet Nordschwarzwald vier relevante Konfliktfelder im Abfallwirtschaftsbereich: 1. lokale Standortkonflikte; 2. bundesweite Konflikte um die TASi; 3. Bewertung der Restabfallbehandlungstechnologien in den vier Gebietskörperschaften; 4. Kontroversen zwischen Umweltschutzverbänden, lokalen Bürgerinitiativen und politisch-administrativen Institutionen. Der zentrale sachliche Konflikt drehte sich um die Frage Müllverbrennung oder/und biologisch-mechanische Abfallbehandlung. Die Anfang 1993 gegründete "Gesellschaft zur Planung der Restabfallbehandlung der Region Nordschwarzwald mbH" (P. A.N.), ein Zusammenschluß der Gebietskörperschaften Kreis Calw, Enzkreis, Kreis Freudenstadt und Stadt Pforzheim stand vor dem Problem, einen entsprechenden Planungsentwurf zu erarbeiten, der sowohl von den politisch Verantwortlichen als auch von der Bevölkerung akzeptiert und getragen werden konnte. Dabei wurde ein Beteiligungsverfahren genutzt, mit dem zwei gegenläufige Tendenzen verbunden waren: Einerseits signalisierten die politischen Entscheider, daß sie dem Beteiligungsverfahren Gestaltungsspielräume zubilligen und seine Ergebnisse übernehmen würden. Diese Entpolitisierung der institutionalisierten Politik führte andererseits zu einer 17 Zur Konzeption des Verfahrens siehe Rettich/Renn 1994, Oppermann/Renn 1995 und Zöller/Renn 1996. Eine detaillierte Untersuchung des Verfahrens findet sich bei Kämper/Vorwerk 1996 und Vorwerk/Kämper 1996a und 1996b.
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Repolitisierung des Verwaltungsorgans P.A.N., das mit einem Entscheidungsspielraum ausgestattet wurde, der außerhalb seines originären Aufgabenbereichs lag.1* Die P.A.N., deren Gründung bereits im Vorfeld des Beteiligungsverfahrens erfolgte,
hat so für den Verlauf des
Verfahrens eine zentrale Funktion. Das Ziel des von der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg entwickelten und durchgeführten Mediationsverfahrens war die konsensuelle Entwicklung eines Konzeptes zur Restabfallbehandlung für den Nordschwarzwald.19 Für das Verfahren wurde eine Kombination zweier Verfahrensansätze gewählt, die zeitlich nacheinander geschaltet wurden. In den ersten beiden Phasen bearbeiteten Interessengruppen die Themen Abfallmenge und Behandlungstechnik. In der dritten Phase legten zufällig ausgewählte Bürger/innen - als potentiell Betroffene - Standorte festlegen. Diese Bürgergutachten bildeten zusammen mit einem ingenieurwissenschaftlichen Gutachten die Grundlage der Entscheidungsempfehlung der P.A.N. an die vier Gebietskörperschaften. Das Beteiligungsverfahren selbst begann im März 1993 mit der Entwicklung eines Verfahrensdesigns durch die Akademie, das mit der P.A.N. und dem von ihr beauftragten Ingenieurbüro abgestimmt wurde. Ab Oktober 1993 begann die Akademie mit der Vorbereitung des Verfahrens und der Gruppenauswahl. Ein Problem war dabei, daß zunächst einige für relevant gehaltene Gruppen wenig Interesse an einer Beteiligung hatten. Die schließlich teilnehmenden 16 Gruppen repräsentieren die Interessen
18 Eine ähnliche Situation findet sich im Bereich des informalen Verwaltungshandelns: als Oberblick Dose 1994. Die Verwaltungswissenschaft hat diesen Aspekt seit Einführung der Mediation in Deutschland in den Mittelpunkt ihrer Auseinandersetzung mit dem Verfahren gestellt (Hoffinann-Riem/SchmidtAßmann 1990) und diskutiert seitdem die Möglichkeiten, das deutsche Verwaltungsrecht entsprechend anzupassen (Württemberger 1996). 19 Die Region hatte 1992 auf einer Fläche von 2.400km2 570.000 Einwohner.
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von Landwirtschaft, Wirtschaft, Umweltschutz sowie verschiedene Bürgerinitiativen und -vereine. In insgesamt 13 sogenannten Konsensuskonferenzen, mehreren Workshops und Exkursionen erarbeiteten sie nacheinander Empfehlungen zu den Themen Âbfallmenge, Behandlungstechnik und Standortauswahlkriterien. In der ersten Mediationsrunde ab März 1994 wurde die zu behandelnde Restabfallmenge ermittelt. Diese Phase endete in der fünften Sitzung im August 1994 mit einer konsensuellen Empfehlung, für die weiteren Verfahrensschritte eine Restabfallmenge von 133.000 t/a für das Jahr 2002 zugrundezulegen. Das eingeholte Gutachten ging dagegen von 160.000 t/a aus; die P. A.N. legte für den weiteren Verlauf 155.000 t/a fest.20 Die Kritik an der Abfallmengenfestlegung, die gewöhnlich eine wesentliche Ressource der öffentlichen Mobilisierung von Planungswiderständen darstellt, wurde somit konstruktiv in eine neue Prognose mit entsprechenden Auswirkungen auf die Anlagenauslegung umgesetzt. Im Mittelpunkt der zweiten Phase stand das Risikopotential der Müllverbrennung und die Abschätzung unterschiedlicher Pfade der Restmüllbehandlung. Nach Anhörung einer Reihe von Experten wurde deutlich, daß technische Entscheidungen nicht rein sachlich begründet werden können, sondern von interessengebundenen Präferenzen abhängig sind. Oie zweite Mediationsrunde erarbeitete eine Empfehlung über die einzusetzende Abfallbehandlungstechnologie. Die sechste Mediationssitzung, die als erste ausschließlich den Verfahrensvergleich behandelte, fand im September 1994 statt und begann mit einer 20 An dieser Stelle zeigt sich die für den Abfallbereich typische Verbindung hoher Prognoseunsicherheit einerseits mit einem relativ hohen kommunalen Gestaltungseinfluß durch Abfallvermeidung und -Verwertung andererseits. Die vom Gutachter 1994 für das Jahr 2002 vorausgesagte Abfallmenge wurde bereits 199S um 22.000 t unterschritten. Angesichts weiter abnehmender Restabfallmengen dienen jetzt 83.000 t/a für das Jahr 2005 als Planungsgrundlage.
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bedeutsamen Änderung der ursprünglichen Konzeption. Da deutlich geworden war, daß eine technische Festlegung angesichts der technischen, ökonomischen und rechtlichen Dynamik zu einem frühen Zeitpunkt nicht sinnvoll war, wurde die konkrete Wahl der Technik auf später verschoben. Festgelegt werden sollte lediglich, welche der Optionen 'heiß' (Müllverbrennung), 'kalt' (biologisch-mechanische Vorbehandlung) oder 'kombiniert' (als Mischung von 'kalt' und 'heiß' bei geringerer Anlagendimensionierung) die Basis der Standortsuche sein sollte. Der Verzicht auf eine technische Festlegung bedeutete, daß Entscheidungen reversibel gehalten wurden. In dieser Phase lösten sich die Teilnehmer aus zwei Gründen stärker als vorher von den Vorgaben des Gutachters: Erstens waren Bedenken zur Neutralität des Ingenieurbüros laut geworden und die Forderung nach einem weiteren Gutachten gestellt worden, zweitens wurde die Präsenz des Büros wegen der damit verbundenen hohen Kosten eingeschränkt. Auf der 10. Sitzung im Dezember 1994 wurde ein Mehrheitsvotum fur eine rein biologischmechanische Behandlung abgegeben und ein Minderheitsvotum für eine rein thermische Lösung. Das Mehrheitsvotum billigte jedoch die weitere Standortsuche für eine Verbrennungsanlage sowie deren Bau, solange die gesetzlichen Vorschriften (TASi) keine andere Möglichkeit zulassen. Die Verwaltung und auch das planungskonkretisierende Gutachten hatten bereits vorgeschlagen, kalte und heiße Vorbehandlungsmethoden alternativ zu untersuchen und eventuell eine Kombinationslösung anzustreben; die politischen Umsetzungschancen erhöhten sich durch das gleichlautende Bürgergutachten. Vor dem Hintergrund abnehmender Abfallmengen wurde 1996 überdies angenommen, daß die Volumenreduzierung durch kalte Verfahren entweder den Müllexport in benachbarte Anlagen oder eine geringere Dimensionierung eigener Verbrennungsanlagen ermöglichen würde. Diese technische Option stand zur Verfügung, da die
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Anlagenhersteller
in
der
Zwischenzeit
mit
der
Entwicklung
wirtschaftlicher kleiner Müllverbrennungsanlagen auf die manifesten Akzeptanzprobleme großdimensionierter Anlagen reagiert hatten. Damit wurde Zeit zu einem wichtigen Faktor, da regulative Änderungen in diesem Entwurf geringere ökonomische Auswirkungen haben und damit Ausstiegsmöglichkeiten aus bestimmten Technikpfaden gegeben sind.
Gleichzeitig wurde damit die Müllverbrennung,
die in
abfallwirtschaftlichen Risikodiskursen einen hohen Symbolwert hat, für prinzipiell akzeptabel gehalten. Den Abschluß dieser Phase bildete der Entwurf eines Entsorgungskonzepts mit unterschiedlichen technischen Optionen, an dessen Aufstellung neben den Mitgliedern der Mediation Experten und Technikhersteller mitgearbeitet haben. Die Risiken der Planung wurden durch den Risikodiskurs minimiert, der Fairneß und technologische Umsetzbarkeit in Beziehung gesetzt hatte. Eine Beteiligung der Mediationsgruppen an der Vorbereitung der Standortsuche war konzeptionell ursprünglich nicht vorgesehen und wurde erst auf Drängen der Mediationsgruppen eingeführt. In drei zusätzlichen Mediationssitzungen und einem Workshop wurde dieses Thema behandelt und fand Berücksichtigung bei der Arbeit des Ingenieurbüros. Neben einer Vorstellung des Bürgergutachtens im P.A.N.-Aufsichtsrat und einer Informationsveranstaltung für die Kreisräte einer Gebietskörperschaft verlief die öffentliche und politische Rezeption des Bürgergutachtens aus der Sicht der Mediationsgruppen enttäuschend;21 in der letzten und dreizehnten Sitzung im Juli 1995 kündigten daher fünf Gruppen ihre weitere Mitarbeit auf und die Konsensuskonferenz wurde aufgelöst. Dennoch fanden sich auf
21 Keines der vier Kreisparlamente nahm das Angebot der Konsensuskonferenz zur persönlichen Erläuterung der Ergebnisse des Bürgergutachtens wahr, in der Presse wurde das Gutachten als ein Votum für ein Kombinationskonzept überwiegend falsch wiedergegeben.
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Initiative der Umweltschutzgruppen einige Teilnehmer im Frühjahr 1996 (ohne die Akademie) nochmals zusammen, um eine Resolution für die an der Standortsuche beteiligten Bürger zu verfassen. Außerdem erläuterten Vertreter der Konsensuskonferenz den Bürger/innen für die dritte Phase ihre Voten zur Menge und Technik. Der dritte Verfahrensabschnitt in Form von Bürgerforen ist an das Konzept der Planungszellen angelehnt.22 Von Januar bis Mai 1996 erarbeiteten etwa 200 zufállig ausgewählte Personen aus den 11 potentiellen Standortgemeinden in 10 Gruppen konsensuell Standortempfehlungen für eine thermische und zwei biologisch-mechanische Anlagen. Diese Aufgabe wurde konsensuell gelöst. Beim thermischen Standort gleichen sich die Voten der Bürgerforen, des Gutachters und der P.A.N. Bis zum Frühjahr 1997 haben nun die vier kommunalen Parlamente darüber zu entscheiden, welches Behandlungsverfahren wann eingesetzt und welche Standorte dafür benutzt werden sollen. Die Standortfestlegung in der dritten Phase des Beteiligungsverfahrens diente der Unterfüttening späterer politischer Entscheidungen mit Legitimation, die durch die Planungszellenmethode generiert werden kann. Mit dem Verfahren wurde ein frühzeitiger Zeitpunkt für die Beteiligung von Bürgern an den Entscheidungen gewählt, um dem Eindruck entgegenzutreten, eine "Alibiveranstaltung" durchzuführen, bei der nur absegnet werden könne, was ohnehin schon feststehe. Das Beispiel zeigt jedoch auch, daß der Einbezug von Interessengruppen in einen langen und ergebnisunsicheren Planungsprozeß schwierig ist, weil man es mit unsicheren rechtlichen, technischen und - bezogen auf die Normgebung des Bundes - politischen Randbedingungen zu tun hat. 22 Ein Unterschied zu den Planungszellen (Dienel 1992) ist z.B., daß die Bürger/innen nicht im Block, d.h. innerhalb einer Woche täglich zusammenkommen, sondern in teilweise mehrwöchigen Abstünden tagen.
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Flexibilität ist in einer solchen Situation einerseits sinnvoll, stellt aber andererseits angesichts des damit verbundenen Enttäuschungspotentials eine Barriere fur die Faimeßbedingung eines Partizipationsverfahrens dar. Aus Sicht der planenden Verwaltung werden Planungsunsicherheiten durch die Integration heterogener Akteure mit divergenten Interessen in die Entwurfsphase verringert, indem die Bedingungen für Akzeptanz transparent und die Bedingungen für die Übersetzung von Kritik in Gestaltung organisiert werden. Die Entscheidung darüber, ob Ergebnisse auf Akzeptanz stoßen werden, wird wesentlich durch Bewertungen der Fairneß des Verfahrens und der technischen Umsetzbarkeit seiner Ergebnisse beeinflußt.
5. Akzep tanzin trans par enz und Netzwerke Die Erfolgschancen partizipativer Verfahren werden innerhalb der Soziologie, insbesondere von der Systemtheorie, eher skeptisch betrachtet. Zwar wird allgemein eingeräumt, daß mit der "Entzauberung des Staates" (Willke 1986) ein Verlust des staatlichen Steuerungsprimats einhergeht. Aber die theoretische Anerkennung nicht-institutioneller Verfahren bricht sich daran, daß diese mit den Prämissen der Theorie der funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft schwer vereinbar erscheinen (vor allem Hiller 1993, 1994). Problematisiert wird vor allem, daß die für konsensuelle Lösungen notwendige Voraussetzung eines gemeinsamen Wertesystems fehlt, durch das die kooperative Bewertung technischer Risiken durch Entscheider und Belastete erst möglich wäre. Auch gilt als tendenziell problematisch, daß durch Partizipation häufig der Verzicht auf die Nutzung neuer Technologien (etwa durch Abfallvermeidung) bevorzugt würde, wäh-
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rend die Differenzierungstheorie "auf die These verweist, daß die Funktionslogik ausdifferenzierter Funktionssysteme auf Wachstum und Optionensteigerung basiert." (Hiller 1993, 155) Man liegt sicherlich nicht falsch, wenn man konzediert, daß die Mehrzahl der Veröffentlichungen zur Mediation Fallbeschreibungen mit einem hohen normativen Anspruch darstellen, die (nicht immer explizit) auf der Diskurstheorie Habermas' basieren und vor allem auf die Praxis der Konfliktlösung durch Konsensbildung abzielen. Demgegenüber ist der systemtheoretisch vorgeschlagene Vorrang von Dissens vor Konsens23 sicherlich ein wichtiges Korrektiv. Allerdings, so scheint es, verbleibt diese Alternative selbst unfreiwillig in der Rahmung von Habermas. Zwar ist die Absicht nachvollziehbar: Weil man grundsätzlich nirgendwo von Übereinstimmung ausgehen kann, kann und muß man punktuell Konsens konstruieren. Aber systemtheoretisch kommt es auf eine solche axiomatische Ausgangslage gar nicht an; denn eine Festlegung auf Dissens als eine bekannte und womöglich begründete Nichtübereinstimmung wäre ja auch nur möglich im Rahmen eines gemeinsamen Referenzrahmens. Wichtig ist vielmehr, Distanz zu dem Begriffspaar von Konsens/Dissens und vor allem zu seinen psychischen Konnotationen der inneren Überzeugung von Zustimmung und Widerspruch zu gewinnen. Luhmann hat in diesem Zusammenhang von einer "Kultur der nicht-überzeugten Verständigung" (1992, 202) gesprochen. Verständigung bezieht sich auf die Herstellung von wechselseitig verläßlicher Handlungssicherheit für heterogene Akteure durch Verfahren, die als legitim gelten. Die Legitimität beruht darauf, daß sie durch Beteiligung erzeugt wird. Traditionell ist dieser Zusammenhang von Legitimation und Verfahren (Luhmann 1983) für rechtsformige Entscheidungen auf der
23 Herausgestellt vor allem in Eichmann 1989, Willke 1987 und Hiller 1994.
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Basis von Konditionalprogrammen untersucht worden. Zweckprogramme entziehen sich, wie Luhmann selbst festgestellt hat, dem Prinzip der verfahrensmäßigen Legitimation einer Entscheidung, da die Kritik bei zweckprogrammierten Entscheidungen immer an den Folgen der Entscheidung ansetzt, die gerade bei komplexen Planungsentscheidungen erst nachher in vollem Umfang erkennbar sind. Das Problem der "bounded rationality" ist auch durch ein Verfahren wie das im Nordschwarzwald nicht auszuräumen. Das Prinzip "Legitimation durch Verfahren" kann in Mediationsverfahren allerdings ergänzt werden durch ein komplementäres: "Verfahren durch Legitimation". Wenn heterogenen Akteuren die Chance eingeräumt wird, ein von ihnen fur eine komplexe Zukunftsplanung für angemessen gehaltenes Verfahren zu wählen und zu beeinflussen, dann schaffen sie eine Legitimationsbasis für Entscheidungen, die konsensuell hinsichtlich eines punktuellen Kompromisses bei gleichzeitigem Latenthalten des eigentlichen Konflikts, hier der Risikobewertung und Notwendigkeit der Müllverbrennung, sind. Offen bleibt selbstverständlich, wieweit punktuelle Kompromisse in solchen Netzwerken erzielt werden. Einerseits hat gerade der Umstand, daß in dem auf eine hohe Entscheidungsrationalität abzielenden Planungsprozeß möglichst viele Entscheidungsaltemativen in Betracht gezogen und die Folgen jeder dieser Alternativen anhand der divergierenden Präferenzstrukturen bewertet wurden, Unsicherheit verstärkt. Das sorgfältige Abwägen der Entscheidungsalternativen konnte eben nicht eine Alternative als die einzig richtige oder auch nur deutlich beste herausstellen, sondern machte die Kontingenz der schließlich getroffenen Entscheidung deutlich. Andererseits hat der Umstand, daß den beteiligten Akteuren nur begrenzte Ressoucen zur Umsetzung ihrer
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eigenen Ziele zu Verfugung standen,24 die Bereitschaft erzeugt, die jeweils eigene Perspektive bei der Suche nach einer gemeinsamen Lösung punktuell anzupassen, ohne dabei ihre spezifischen, teilweise identitätsstiftenden Orientierungspunkte (Vollmer 1996) zur Disposition zu stellen. Aus der theoretischen Perspektive der Technikgenese, die neben der Technik auch die sozialen Bedingungen der Umsetzung und Akzeptanz von Technik einschließt, ergibt sich die Leistungsfähigkeit partizipativer Verfahren für die Technikgestaltung gerade aus dem Umstand, daß in diesen Verfahren die Kontingenz der sachlichen Entscheidung parallel geführt wird mit dem Abbau von Akzeptanzintransparenz, während in den üblichen Konfliktfällen die Kontingenz gerade das Akzeptanzproblem aufbaut. Genau an dieser Stelle setzen Verfahren wie das oben dargestellte an, Fairneßbedingungen für den Aufbau sozio-technischer Innovationen über Netzwerke heterogenener Akteure herzustellen.
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24 Die Anwendung des Ressourcenmobilisierungsansatzes für Mediationsverfahren findet sich in Renn/Webler 1994.
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Wilfried Müller und Klaus Feseker
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen in Lohngalvaniken
1. Betriebliches Umwelthandeln: Zwischen innerbetrieblichen Handlungskonstellationen und "äußerem Druck" Die empirische Sozialforschung hat relativ spät begonnen, sich mit dem Umwelthandeln industrieller Unternehmen zu befassen. Erst gegen Ende der achtziger Jahre, also zeitlich nach dem Höhepunkt der bundesdeutschen Umweltschutzbewegung, sind die ersten empirisch gehaltvollen Studien durchgeführt worden. Dabei stand das Umweltbewußtsein verschiedener Beschäftigtengruppen, vor allem aus der chemischen Industrie im Zentrum (z.B. Heine/Mautz 1989; Bogun/Osterland/ Warsewa 1990). Erst in den darauffolgenden Jahren sind die betrieblichen Voraussetzungen und Verlaufsformen des Umweltschutzhandelns industrieller Unternehmen systematischer theoretisch ausgelotet und mit Methoden der empirischen Sozialforschung untersucht worden. Zu nennen sind hier in erster Linie die Studien von Birke/Schwarz (1994) und Hildebrandt (1995), Hildebrandt u.a. (1994). Birke und Schwarz kommen in ihrer in den frühen neunziger Jahren durchgeführten Untersuchung zu der eher skeptischen Einschätzung, daß in der Industrie defensive Maßnahmen, die der Einhaltung der rechtlichen Auflagen dienen, Priorität genießen und dabei die betrieblichen Entscheidungsträger und die an der Umstellung beteiligten technischen Experten fast durchgängig additive technische Umweltschutz-
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maßnahmen favorisieren (1994, 156 ff). Die Implementation produktionsintegrierter Verfahren1 oder gar auf Organisationsreformen ausgerichteter Umweltschutzkonzepte haben also Anfang der neunziger Jahre noch die Ausnahme dargestellt. Verantwortlich für dieses ernüchternde Resultat sind - so Birke und Schwarz - die spezifischen betrieblichen Handlungskonstellationen entscheidungsrelevanter und einflußreicher betrieblicher Akteure (150 ff.). Denn betriebliches Umwelthandeln ist ein komplexer innerbetrieblicher Aushandlungsprozeß, an dem verschiedene betriebliche Abteilungen, Gruppen und individuelle Experten mit durchaus unterschiedlichen, zum Teil widerstreitenden Interessen beteiligt sind. In diesem Rahmen werden von diesen Akteuren nicht nur unterschiedliche Interpretationen des betrieblichen Wohls je nach Funktion oder Position in den Planungsund Implementationsprozeß eingebracht, sondern auch individuelle und gruppenbezogene Karriere- und Statusinteressen. Burschel kommt in seiner Fallstudie eines mittelgroßen Betriebes der metallverarbeitenden Industrie sogar zu dem Ergebnis, daß Verhandlungsgegenstand in den jeweiligen "mikropolitischen Arenen" vorwiegend betrieblich- soziale Besitzstände der Akteure und erst nachrangig ökologisch-sachrationale Argumentationsmuster seien. Daraus würden in der Regel immer wieder Handlungskonstellationen entstehen, die zu einer Blockade der Implementierung ganzheitlicher Umweltschutzkonzepte fuhren (Burschel 1996, 290 ff). Während Birke und Schwarz, aber auch Burschel sich auf die Untersuchung mikropolitischer Arenen im betrieblichen Umweltschutz 1
Im Gegensatz zu dai additiven, am Ende eines technischen Prozesses angebrachten Umweltschutztechniken (z.B. Filter oder Abwasserbehandlungsanlagen) besteht technisch die Besonderheit prozeß- bzw. produktionsintegrierter Techniken darin, daß sie bereits im Prozeß zur Vermeidung und Verminderung von Rohstoffen und daraus resultierenden Emissionen dienen können (siehe hierzu VDI Hauptgruppe 1993,91 ff.).
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen 467 konzentriert haben, interessiert Hildebrandt vor allem die bei ökologischen Skandalen zu beobachtende Relevanz des "öffentlichen Drucks" fur die faktische Gestaltung der industriellen Beziehungen, insbesondere auch des Verhaltens der Betriebsräte (1995, 15 ff.): Danach hängen Verlaufsformen, Tempo und Reichweite des betrieblichen Umweltschutzes entscheidend davon ab, wie das Management, partiell aber auch die Betriebsräte auf die thematische und partiell auch prozedurale Erweiterung der industriellen Beziehungen reagieren (Hildebrandt u.a. 1994,429 ff; Hildebrandt 1995, 30 ff.). Der in den untersuchten Unternehmen nach einer gewissen Zeit von den Autoren beobachtete Übergang von einer defensiven zu einer offensiven betrieblichen Umweltschutzpolitik wird entscheidend vom Bestreben der einflußreichen betrieblichen Akteursgruppen (vor allem der Geschäftsleitungen) geprägt, die durch den öffentlich ausgetragenen Umweltkonflikt durchlässig gewordene Grenze zwischen dem Betrieb und seinem gesellschaftlichen Umfeld wieder zu schließen und hierdurch den durch die externe Thematisierung verloren gegangenen Entscheidungsspielraum wieder zurückzugewinnen (Übergang von der Fremd- zur Selbstregulierung) (Hildebrandt 1995, 23 ff). Die bisher erwähnten empirischen Studien haben zweifellos relevante Aspekte des betrieblichen Umweltschutzhandelns (wenn auch nicht flächendeckend, sondern nur in Fallstudien) untersucht; aber im Hinblick auf die Analyse des umweltschutzrelevanten Innovationsverhaltens von Unternehmen, insbesondere von kleinen Unternehmen, ist ein wesentlicher Aspekt nur angedeutet worden: nämlich die Handlungsbeziehungen der Unternehmen, insbesondere des Managements, zu externen Institutionen bzw. Organisationen vor und während des Prozesses der Planung und Einfuhrung neuer Umweltschutztechniken. Hierzu gehören in erster Linie neben den Umweltschutzbehörden Firmen der Umweltschutzindustrie, Rohstofflieferanten und Technikausrü-
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ster, nicht zu vergessen prívate oder staatliche Beratungsbüros, Banken und Verbandsinstitutionen, z.B. die Industrie- und Handelskammern. Diese weitgehende analytische Ausklammerung der Relevanz betriebsexterner Handlungsbeziehungen fur betriebliches Innovationsverhalten gilt auch fur die meisten arbeits- und industriesoziologischen Studien. Lediglich die Hersteller-Zulieferer-Problematik ist sorgfaltig untersucht worden. Auf die Bedeutung externer Beziehungen für das Innovationsverhalten hat lediglich Grünt (1984) relativ früh hingewiesen. In seiner Studie über technische Innovationen in Mittelbetrieben geht er ausdrücklich von der theoretischen Annahme aus, daß Unternehmen gegenüber ihrem gesellschaftlichen Umfeld "offene Organisationen" darstellen: Sie werden einerseits durch externe gesellschaftliche Veränderungen mit immer neuen Problemen konfrontiert, können jedoch andererseits auf externe Problemlösungskapazitäten bei Innovationen zurückgreifen, ja unter bestimmten Bedingungen müssen sie sich das Wissen externer Institutionen aktiv erschließen, um Innovationen planerisch überhaupt bewältigen zu können2. Für die Charakterisierung der Handlungsbeziehungen von Unternehmen bei Innovationen verwendet Grünt (1984) den von Elias geprägten Begriff der "sozialen Figuration" (1993, 139 S)., worunter ein Netzwerk von handelnden Individuen bzw. die Verflechtung der Handlungen verschiedener Individuen zu verstehen ist. Theoretisch ist an diesem Begriff entscheidend, daß er zur Vermittlung von individuellen Handlungen, Motiven, Erwar-
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In diesem Zusammenhang scheinen zur Erklärung der Verlaufsformen und Resultate von Innovaiionsprozessen in kleinen und mittleren Unternehmen vor allem die über kurzfristige punktuelle Maiktbeziehungen hinausgehenden Kooperationsformen von Unternehmen wichtig zu sein. Mit dieser Problematik haben sich in den letzten Jahren vor allem Forschungsgruppen im Umfeld der Organisationstheorie der Betriebswirtschaftslehre systematischer befaßt Diese Autoren arbeiten in der Regel mit der Kategorie "Netzwerk", z.B. Sydow (1992), Modrow-Thiel/Roßmann/ Wächter (1993).
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen 469 tungen einerseits und der Struktur sozialer Beziehungen andererseits gedacht ist, d. h. Veränderungen in Figurationen fuhren zu Veränderungen im sozialen Verhalten der Individuen, und umgekehrt können unter bestimmten Bedingungen Veränderungen im Verhalten individueller und kollektiver Akteure auch zu einem Wandel der sozialen Figurationen beitragen. Die soziale Figuration ist also ein sich ständig wandelndes Muster sozialer Beziehungen (Grünt 1984, 24 f.). Zur Analyse überbetrieblicher sozialer Zusammenhänge von Betrieben bei Innovationsprozessen drängt sich dieser Begriff geradezu auf, weil er die Flexibilität und den ständigen Wandel der betriebsübergreifenden Handlungsbeziehungen berücksichtigt. Denn die externe Figuration ist stärker noch als die interne - gerade bei Innovationen - stetigen Veränderungen unterworfen. Von besonderer Relevanz sind bei Innovationen die Beziehungen zu Organisationen auf den Absatzmärkten, den Βeschaffungsmärkten, den Technikmärkten, den Arbeitsmärkten, den Geld- und Kapitalmärkten, nicht zuletzt zu Institutionen des Staates (Grünt 1984, 50 ff.). Auch in der Wirtschaftssoziologie ist der figurationstheoretische Ansatz systematischer verfolgt worden. Insbesondere die Arbeiten Eicheners zur "regionalen Figuration" (1994 a, 1994 b) sind hier zu erwähnen: Danach kann man die Interdependenzen regionaler Akteure, deren Kooperations- und Konsens-, aber auch deren Konkurrenz- und Konfliktbeziehungen als komplexe "regionale Figuration" verstehen, die wiederum einzelnen Institutionen bzw. Organisationen ein bestimmtes Verhalten nahelegt (Eichener 1994 a, 358 ff.). Die entscheidende innovationstheoretische Implikation des Verständnisses von Unternehmen als offenen Organisationen besteht in der Annahme, daß Unternehmen nicht nur auf äußere Veränderungen passiv reagieren, sondern zur aktiven Anpassung an externe Veränderungen in der Lage and. In der Soziologie betrieblichen Umweltschutzhandelns ist diese Überlegung bisher nur insofern berücksichtigt worden, als offen-
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sichtlich als Folge der öffentlichen Thematisierung von Umweltschutzskandalen die innerbetrieblichen Akteursbeziehungen der Unternehmen durch externe Institutionen tangiert worden sind. Hierbei lag das Schwergewicht der Analyse jedoch bei den Interventionen der staatlichen Institutionen. Den Beziehungen zwischen dem zur Umstellung "genötigten" Betrieb einerseits und den Umweltschutztechnikherstellern, allgemein den Technikausrüstern, Banken, Versicherungen und Beratern etc. andererseits ist bisher jedoch keine Aufmerksamkeit geschenkt worden. Insofern ist die These zu wagen, daß eine akteursbezogene Analyse externer Handlungs- und Kooperationsbeziehungen von Unternehmen bei umweltschutztechnischen und -organisatorischen Innovationen noch aussteht. Im folgenden sollen die externen sozialen Figurationen und die in diesem Rahmen vorgefundenen überbetrieblichen Kooperationsformen kleiner Galvanikbetriebe bei der technischen und organisatorischen Umsetzung behördlicher Auflagen zur Reduzierung "gefährlicher Stoffe" 3 im Abwasser vorgestellt werden. Uns interessiert in dieser Studie insbesondere die Beantwortung der Frage, ob unter bestimmten externen Figurationen die von den behördlichen Auflagen betroffenen Galvanikbetriebe über additive Abwasserbehandlungstechniken hinaus produktionsintegrierte Vermeidungs- und Vermindungstechniken implementieren.
2. Abwässer in der galvanotechnischen Industrie Unter Galvanisieren im engeren Sinne versteht man die elektrolytische Metallabscheidung auf Metallen oder auf metallisierten Oberflächen von 3
"Gefährliche Stoffe" ist ein Begriff des Wasserhaushaltsgesetzes von 1986, § 7a.
Externe Figurationen hei umweltschutztechnischen Innovationen 471 Nichtmetallen. Die wirtschaftlich größte Bedeutung haben Vernickeln, Verchromen, Verzinken und Verkupfern. Das Ziel galvanischer Prozesse besteht überwiegend im Korrosionsschutz, zum Teil aber auch in der Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes von Gegenständen (Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit u.a. 1993, 28 ff.). Die Umweltbilanz der galvanotechnischen Industrie ist widersprüchlich: Einerseits trägt sie zur Umweltentlastung bei, weil ein wirksamer Korrosionsschutz die Lebensdauer von Gegenständen erheblich verlängert. Andererseits fallen beim Galvanisieren Abwässer an, die überwiegend extrem giftigen Charakter tragen4. Je nach Verfahren und Vorund Nachbehandlung5 werden Schwermetalle wie Kupfer, Chrom, Zink etc. ins Abwasser gegeben. Darüber hinaus muß beim Galvanisieren durchgängig in relativ stark sauren oder alkalischen Lösungen gearbeitet werden, die ebenfalls biologische Vorgänge in Flüssen oder Meeren negativ beeinflussen. Schließlich sind in den letzten beiden Jahrzehnten als Folge des vermehrten Einsatzes von Glanzzusätzen etc. in zunehmendem Maße organische Chemikalien (deren Toxität zum Teil sehr groß ist) in die Abwässer der galvanotechnischen Industrie gelangt (Winkel 1992, 20 ff.)6. Die in den Abwässern der Galvanik enthaltenen "gefährlichen Stoffe" würden ohne spezielle Neutralisationsanlagen und Abwasserbehandlungstechniken durch die öffentliche Kanalisation in die kommunalen Kläranlagen gelangen und dort den Klärschlamm chemisch 4 5 6
Auf die Arbeitsschutzproblematik, aber auch auf die eventuell nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz anfallenden Emissionen in Galvaniken soll hier nicht eingegangen werden. Die typische Reihenfolge der Arbeitsvorgänge beim Galvanisieren ist Vorbehandeln (Entfetten, Beizen, Dekapieren), Metallisieren, Nachbehandeln (in der Regel Chromatieren) und Entmetallisieren. Von besonderer Bedeutung sind die halogenorganischen Verbindungen, deren Konzentration über den Summenparameter AOX gemessen wird (AOX = Adsorbierbare organisch gebundene Halogene).
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belasten und zum Teil auch durch die Kläranlagen hindurch in die Flüsse und Meere fließen. Vor diesem Hintergrund hat sich Mitte der achtziger Jahre der Bundesgesetzgeber entschlossen, im Rahmen der 5. Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) auch von denjenigen galvanotechnischen Betrieben, die als sogenannte "Indirekteinleiter" ihre Abwässer in die Kanalisation und nicht direkt in die Flüsse oder Meere abgeben, zu verlangen, beim Vorliegen "gefahrlicher Stoffe" den "Stand der Technik" zur Vermeidung und Verminderung der Emissionen einzuhalten (§ 7a WHG von 1986, in: Umweltrecht 1995, 194). Die auf der Grundlage dieses Gesetzes bzw. weiterer Verordnungen und Rahmenverwaltungsvorschriften des Bundes erlassenen Verordnungen der Bundesländer (Indirekteinleiterverordnungen) werden seit Anfang der neunziger Jahre von den "unteren Wasserbehörden" umgesetzt. Viele Galvanikbetriebe sind durch die daraus an sie erwachsenen Anforderungen insofern zum Umdenken in der Abwasserbehandlung gezwungen worden, als über die bekannten additiven Abwasserbehandlungstechniken hinaus produktionsintegrierte Umweltschutztechniken, ζ. B. Techniken zum Vermeiden und Recycling von Rohstoffen und Wasser, implementiert werden müssen. Anfang der achtziger Jahre - so Maas und Ewers (1983) in einer Studie über das Innovationsverhalten von Galvanikbetrieben - waren lediglich erste Ansätze zur Nutzung integrierter Maßnahmen, insbesondere im Bereich des Wasserrecyclings, zu beobachten. Die Forderung des § 7a WHG, bei der Existenz "gefährlicher Stoffe" den "Stand der Technik" einzuhalten, stellt jedoch nicht nur eine enorme technische, sondern auch eine große ökonomische Belastung für Galvanikbetriebe dar. In den folgenden Kapiteln stellen wir die Ergebnisse unserer Recherchen und problemzentrierten Interviews in sieben Galvanikbetrieben dreier Kommunen vor. Interviewt haben wir Geschäftsführer bzw.
Externe Figurationen hei umweltschutztechnischen Innovationen 473 Betriebsleiter und Meister kleiner Galvanikbetriebe (in der Regel 20-25 Beschäftigte) und die Vertreter der zuständigen Umweltbehörden, darüber hinaus Vertreter von Abwasserbehandlungsfirmen, der zuständigen Verbände, der Versicherungsbranche und des Umweltbundesamtes; bisher fast 30 Personen. Geplant sind Interviews in acht weiteren Galvaniken dieser Kommunen und in fünf Galvanikbetrieben einer vierten Kommune. Jeweils zwei dieser Kommunen haben die gesetzlichen und untergesetzlichen Normen - wie wir recherchiert haben relativ weitgehend bzw. weniger weitgehend ausgelegt.
3. Strukturmerkmale von Lohngalvaniken Zum besseren Verständnis unserer Ergebnisse sollen einleitend die Ausgangslagen kleiner Galvanikbetriebe kurz skizziert werden. Die Galvanikbranche ist einerseits ein relativ wenig beachteter industrieller Bereich, denn der jährliche Gesamtumsatz von ca. 6 Milliarden ist gesamtgesellschaftlich nicht sehr bedeutend. Auf der anderen Seite werden viele Zwischenprodukte und Produkte galvanotechnisch bearbeitet. Die qualitative Bedeutung der Galvanikindustrie ist daher relativ groß: Überall dort, wo in der industriellen Produktion, ob aus Gründen der Verbesserung des Korrosionsschutzes oder der Ästhetik, metallische Oberflächen beschichtet werden müssen, sind auch galvanotechnische Verfahren (fast) unersetzlich. Deutsche Galvanikbetriebe befinden sich gegenwärtig in einer extrem schwierigen ökonomischen Lage. Zum einen drängen seit Beginn der neunziger Jahre verstärkt ost- und mitteleuropäische Anbieter mit qualitativ fast gleichwertigen, aber deutlich preiswerteren Produkten auf den deutschen Markt, und zum zweiten ist die gesamte Galvanikbranche vom Trend zur Auslagerung von Fertigungsstätten ihrer bundesdeut-
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sehen industriellen Auftraggeber (z.B. Waschmaschinenhersteller) stark betroffen. Über die Gesamtzahl der in Deutschland noch existierenden galvanotechnischen Betriebe und Unternehmen liegen nur wenige und zudem noch sich widersprechende Daten vor. So gehen Rudolph/ Köppke/Korbach von ca. 4.000 Betrieben mit insgesamt 16.000 Beschäftigten aus. Dazu kommen angeblich noch ca. 30.000 Mitarbeiter sogenannter Betriebsgalvaniken, also Galvanikbetrieben, die quasi als Abteilung eines größeren Unternehmens fur die Galvanisierung der Produkte verantwortlich sind (1995, 246). Die Deutsche Gesellschaft fur Galvanotechnik schätzt dagegen die Zahl der deutschen Galvanikbetriebe auf insgesamt 3.850, darunter lediglich 850 Lohngalvaniken (Simon 1995,53). Wir halten aus hier nicht darzulegenden Gründen die letzte Zahl für realistischer. Einig sind sich aber die Autoren darin, daß in den letzten Jahren die Zahl der Galvaniken in Deutschland stark gesunken ist und weiter sinkt: Einige Interviewpartner sprechen sogar von einem "Galvaniksterben". Die Struktur der Branche wird durch kleine und mittlere Familienbetriebe mit bis zu 50 Beschäftigten und einer längeren betrieblichen Tradition geprägt. In letzter Zeit ist eine Reihe von ehemaligen Betriebsgalvaniken, die in die "Selbständigkeit" entlassen sind, dazugekommen. Nach der Studie von Simon, die allerdings nicht repräsentativ ist, haben in Baden-Württemberg 50% der Galvanikbetriebe weniger als zehn Beschäftigte, 35% zehn bis fünfzig Beschäftigte und lediglich 11% fünfzig bis hundert Beschäftigte. Die Absatzmarktstruktur der Lohngalvaniken wird durch eine Vielzahl langjähriger Kundenbeziehungen vor allem im regionalen Umfeld geprägt. Die Galvaniken sind allerdings aufgrund der wirtschaftlichen Krisensituation ihrer Auftraggeber gezwungen, sich neue Absatzgebiete bzw. Kunden zu erschließen. Viele Galvanikbetriebe müßten eigentlich aus betriebswirtschaftlichen Gründen ihre regionalen Märkte
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen 475 national oder sogar international ausweiten. Hierzu fehlt ihnen aber häufig die Erfahrung und das "Know-how". Die meisten Galvaniken versuchen ihre Auftragssituation über eine Mischung aus Qualitätssteigerung und Preisreduktion zu verbessern. Kleine Galvanikbetriebe weisen eine ganz spezifische, für sie typische Mitarbeiter- und Qualifikationsstruktur auf. Von entscheidender Bedeutung für den geschäftlichen Erfolg sind die Geschäftsführer, die häufig die Aufträge hereinholen und für das betriebswirtschaftliche Rechnungswesen zuständig sind. Häufig übernehmen diese auch noch die Funktion des Betriebsleiters, zum Teil sogar die des Meisters in Personalunion. Diese Geschäftsführer, häufig Gesellschafter, verfugen in der Regel neben einer kaufmännischen Qualifikation auch über eine technisch-chemische Ausbildung zum Galvaniseur. Dementsprechend können sie von ihren fachlichen Kompetenzen her auch eine Doppelbzw. Dreifachfunktion in ihren Betrieben einnehmen. Dieser Umstand prägt das betriebliche Geschehen stark: Aufgrund der sehr übersichtlichen organisatorischen Struktur der Betriebe sind die Chefs ständig präsent und arbeiten zum Teil in der Produktion mit, folglich sind die Entscheidungs- und Verhandlungswege extrem kurz und besitzen einen hohen informellen Charakter. Es herrschen intransitive Machtbeziehungen vor. Wichtig für den betrieblichen Erfolg ist auch die Qualifikation des Facharbeiters, des Galvaniseurs, auf dessen Erfahrungswissen Galvanikbetriebe stark aufbauen. Die zum Teil sehr spezifischen Verfahren und Badzusammensetzungen der Oberflächenbehandlung bedürfen sowohl einer fachkundigen als auch vor allem einer mit der Überwachung und Regulierung des Prozesses verbundenen langjährigen Erfahrung: Ohne ein bestimmtes "Gefühl" der Galvaniseure für die optimale Badzusammensetzung sowie die spezifischen Verfahrensabläufe und damit die
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Qualität der Beschichtungen sind die von den Kunden verlangten Qualitätsanforderungen nicht einzuhalten. Quantitativ aber überwiegen in kleinen Galvanikbetrieben angelernte Kräfte, die für bestimmte einfache Tätigkeiten, z.B. das Befestigen und Lösen der Werkstücke an die Warengestelle, aber auch das Reinigen der Werkstücke verantwortlich sind. Da es sich beim Galvanisieren um einen komplizierten elektrochemischen Prozeß handelt, wird auch von den angelernten Mitarbeiter/-innen viel Sorgfalt im Umgang mit den Werkstücken und Chemikalien verlangt.
4. Zwischen Kooperation und Konflikt Der Zwang zur Übernahme vieler verwaltungstechnischer, betriebswirtschaftlicher und technischer Aufgaben fuhrt zu einer tendenziellen Überforderung der Geschäftsführer bei der Planung und Durchführung komplexer technischer Innovationen. So haben Maas/Ewers bereits Anfang der achtziger Jahre festgestellt, daß in vielen Galvaniken die ökonomischen Anreize zur Überwindung der Innovationshemmnisse gegenüber neuen Umweltschutztechniken nicht ausreichten, weil im Management Informationsdefizite zu den verschiedenen Maßnahmen zur Badpflege und Wertstofifrückfuhrung, vereinzelt sogar zu den relativ einfach zu handhabenden Spültechniken vorlagen. In der Mehrzahl der befragten Lohngalvaniken fühlten sich Geschäftsführer wie Betriebsleiter durch das Tagesgeschäft voll ausgelastet und scheuten vor weitgehenden technischen Innovationen zurück. Sie konzentrierten sich vielmehr darauf, die Produktion möglichst übersichtlich, störungs- und wartungsfrei und einfach handhabbar zu gestalten (1983, 129 ff.). Zur Implementation des durch die neuen Indirekteinleiterverordnungen der Bundesländer vorgeschriebenen "Standes der Technik" sind in
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen ΑΠ den Galvaniken umfassende Veränderungen der Produktionsprozesse erforderlich. Hierfür fehlt es jedoch vielen kleinen Unternehmen dieser Branche sowohl an Wissen bzw. Informationen als auch an Kapital. Die umweltrechtlichen Anforderungen sind kompliziert und die notwendigen technischen Veränderungen so weitreichend, daß ohne zusätzliches externes Wissen die Geschäftsführer bzw. Betriebsleiter nicht in der Lage sein können, die umwelttechnisch notwendigen und ökonomisch verträglichen Problemlösungen zu finden. Zwar werden in einer Reihe von Galvaniken eigene kleinere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Verbesserung der Verfahren betrieben, zum Teil liegen auch spezielle Kenntnisse zur Reduzierung der notwendigen Wassermengen vor; technisch- naturwissenschaftliches Wissen zur Beurteilung der notwendigen technischen Veränderungen der gesamten Verfahren ist damit aber nur ansatzweise vorhanden. Aus diesen Gründen scheint es bis zum Erlaß der neuen Indirekteinleiterverordnungen der Länder in kleinen Galvanikbetrieben eine systematische Diskussion über die Gesamtheit der für Galvaniken ökonomisch sinnvollen und technisch möglichen produktionsintegrierten Abwasservermeidungstechniken nicht gegeben zu haben. Lediglich im Bereich der Einführung von Techniken zur betriebsinternen Reinigung und Wiederverwendung von Wasser (Wasserrecycling) haben relativ viele kleine Galvaniken (aber keineswegs alle) schon seit längerer Zeit umfassende Erfahrungen gesammelt (Maas/Ewers 1983, 109 ff, 160 f.). Die von uns befragten Geschäftsführer stellen die Verbesserung des Umweltschutzes in ihren Unternehmen als eine Selbstverständlichkeit ihrer unternehmerischen Tätigkeit dar. So sind sich alle der Gefährlichkeit der anfallenden Stoffe bewußt und halten Umweltschutzmaßnahmen im Abwasserbereich für notwendig. Diese positive Grundeinstellung gegenüber Umweltschutzmaßnahmen in der Abwasserbehandlung steht aber in einem Gegensatz zu ihrer distanzierten Haltung gegenüber
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der neuen Verschärfung der abwasserrechtlichen Anforderungen. Sie sehen die Leistungsfähigkeit ihrer Betriebe überschritten, fühlen sich angesichts ihres traditionellen Beitrags zum Umweltschutz (Korrosionsschutz) zu Unrecht kritisiert und zum Teil sogar kriminalisiert. Die wenigen in den Medien wiedergegebenen Skandalfälle in Galvaniken wären ungerechtfertigterweise auf die gesamte Branche übertragen worden. Sie vermissen beim Gesetzgeber "Umweltschutz mit Augenmaß" und verweisen dabei immer wieder auf den Tatbestand, daß kleine Galvaniken durch die neuen Indirekteinleiterverordnungen finanziell - relativ gesehen - wesentlich stärker als größere Galvaniken belastet werden. Die untersuchten Galvanikbetriebe sind auf externe Wissensressourcen angewiesen gewesen, um die aus den neuen Abwasserverordnungen resultierenden Auflagen erfüllen zu können. Das in den Betrieben vorhandene Wissen reichte nicht aus, um komplexe Umstellungen technisch und ökonomisch beurteilen und vor allem planerisch bewerkstelligen zu können. Die Geschäftsführer waren sich der eigenen Wissenslücken wohl bewußt, insbesondere bei der Interpretation der umweltrechtlichen Vorgaben: Die meisten gingen davon aus, daß die notwendigen Investitionen für die Implementation neuer Abwasservermeidungstechniken sich zwar mittel- und langfristig aufgrund der Einsparungen an Wasser, Rohstoffen und Abwasser- und Abfallgebühren wieder "bezahlt" machen könnten; die genaue Kalkulation der Amortisationszeiten fiel ihnen aber aus einer Reihe von Gründen sehr schwer (ζ. B.Marktunsicherheit und Preisentwicklung bei Chemikalien, Abwasserpreise, eventuell auch steigender Personalbedarf). Das Wissen um eigene "Informationslücken" auf der einen Seite und die Unabwendbarkeit staatlicher Umweltschutzauflagen auf der anderen Seite bewogen in fast allen Fällen die Geschäftsführer dazu, sich gegenüber den Abwasserbehörden kooperationsbereit zu verhalten.
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen 479 Dieses war interessanterweise selbst in der Kommune der Fall, in der die Industrie- und Handelskammer sich anfänglich äußerst kritisch und mit öffentlichen Kampagnen gegenüber den Auflagen der Abwasserbehörde zur Wehr setzte. Die Geschäftsführer der Galvanikbetriebe sind eine spezifische Mischung aus Kooperations- und partiellem Konfliktverhalten gegenüber der zuständigen Wasserbehörde eingegangen: Im Grundsatz erklärten sie sich bereit, die formulierten Auflagen zu erfüllen, versuchten aber, die Auflagen möglichst kostengünstig für das eigene Unternehmen zu gestalten und zum Teil zeitliche Aufschübe durchzusetzen. Dabei spielte die relativ schlechte wirtschaftliche Situation der letzten Jahre zweifellos eine besondere argumentative Rolle. Nur im Ausnahmefall weiteten sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebs- und Behördenvertretern über die technische Machbarkeit und ökonomische Verträglichkeit der Umsetzung spezifischer staatlicher Forderungen zu offenen Konflikten über den "Stand der Technik" aus. Nur in einem Fall sah sich ein Geschäftsführer veranlaßt, über ein Widerspruchsverfahren sich gegen die Auflagen der "unteren Wasserbehörden" zu wenden. Allerdings äußern die Geschäftsführer von Galvaniken in den Kommunen, in denen die Wasserbehörden die Indirekteinleiterverordnung relativ strikt auslegten, ausgesprochen verärgert über die behördliche Ungleichbehandlung in verschiedenen Kommunen. Zum Teil würden bereits im Zuständigkeitsbereich "unterer Wasserbehörden", die nicht mehr als 25-30 km entfernt seien, partiell geringere Maßstäbe an die umweltrechtlich erforderliche Umstellung der Betriebe angelegt. "Wettbewerbsverzerrung durch Umweltrecht besteht für uns nicht erst zwischen Deutschland und dem Ausland, sondern bereits zwischen unserer Stadt und der Nachbargemeinde" - so ein Befragter. Die enorme Komplexität der zu lösenden technischen Probleme und die ausgesprochen großen für die Umstellung erforderlichen Investitio-
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nen begründeten durchgängig eine abwartende Reaktion der Galvanikbetriebe. Aufgrund der geschilderten Situation fehlte eine eigene Motivation zur Anpassung der jeweiligen Galvanikverfahren an den höheren umwelttechnischen Standard. An diesem Umstand änderte auch die Chance zur Senkung der laufenden Kosten durch neue Abwasservermeidungstechniken nichts. Verantwortlich für diese Haltung war nicht nur die spezifische Mischung aus technischer Komplexität und Anstieg des ökonomischen Risikos, sondern auch die enorme zeitliche Belastung der Geschäftsführer. Wie bereits erläutert, sind sie eigentlich "Mädchen für alles". Ihre Arbeitszeiten liegen weit über 40 Stunden, Samstags- und Sonntagsarbeit sind die Regel. Eigentlich hätten sie zusätzliche Zeiten fur die Planung von abwassertechnischen Innovationen und die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nicht mehr in ihrem Arbeitsalltag unterbringen können.
5. Der erste externe Ansprechpartner Der verbindliche erste Anstoß zur Umsetzung der neuen abwasserrechtlichen Anforderungen ist in allen Fällen von den Abwasserbehörden ausgegangen. Auf deren Interventionsstrategie wollen wir jedoch erst im 6. Kapitel eingehen. Da das Innovationsverhalten der Lohngalvaniken ohne Darstellung ihrer Handlungsbeziehungen zu ihren traditionellen "Geschäftspartnern" im Feld der Technikausrüster nicht nachzuvollziehen ist, soll diese Analyse vorgezogen werden. Daß kleine Galvaniken die abwasserrechtlich geforderten Umstellungen nur zum kleineren Teil mit eigenen Know-how realisieren können, versteht sich nach dem bisher Gesagten von selbst. Fast alle Betriebe bzw. deren Geschäftsführer mußten nach "externen" Institutionen oder Organisationen mit einem für ihren speziellen Fall relevanten Wissen Ausschau halten.
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen 481 Die untersuchten Lohngalvaniken haben eine große Zahl von Auftraggebern bzw. Kunden, zu denen sie geschäftliche Beziehungen seit mehr als einem Jahrzehnt pflegen. Durchgängig verlangen diese nicht nur die Einhaltung einer hohen Beschichtungsqualität, sondern auch sehr kurze Herstellungs- und Lieferungszeiten. Da sich die Auftragslage der Galvaniken verschlechtert hatte, sahen sie sich gegenüber ihren Auftraggebern nicht in der Lage, inhaltliche Anforderungen an die Qualität der Werkstücke zu stellen. Lediglich mit einigen großen Herstellern zeichnen sich heute verbindliche Absprachen hierüber ab. Nicht nur die Qualität der Werkstücke, auch die der von den Auftraggebern verwendeten Korrosionsschutzmittel ist im Hinblick auf die Einhaltung wasserrechtlicher Normen von nicht zu unterschätzender Bedeutung: Als Folge unterschiedlicher Zusammensetzungen der Korrosionsschutzmittel können die AOX-Werte im Abwasser je nach Auftraggeber von Woche zu Woche, ja von Tag zu Tag variieren. In der Vergangenheit haben "unsere" Galvanikbetriebe häufig Firmen der Abwassertechnik darum gebeten, sie im Umgang mit den Wasserbehörden zu unterstützen. Diese Strategie war jedoch angesichts der neuen Qualität der wasserrechtlichen Standards, die ja Veränderungen fast des gesamten Verfahrens vorschreiben, nicht mehr bzw. nur noch bedingt sinnvoll. Die Unternehmen der Abwassertechnikbranche, zu denen relativ viele kleine und vor allem neu gegründete Unternehmen gehören, haben bis vor wenigen Jahren ausschließlich additive Abwasserbehandlungsanlagen technisch weiterentwickelt. Produktionsintegrierte Abwasservermeidungstechniken stellten auch für diese Unternehmen Anfang der neunziger Jahre eine große wissenschaftlichtechnische Herausforderung dar, weil sie sich im Detail mit den jeweiligen Produktionsprozessen und Verfahren, deren Abwässer gereinigt werden sollen, befassen mußten, was bei den additiven Techniken nur bedingt erforderlich war.
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Wilfried Müller/Klaus Feseker Auf der anderen Seite konnten die Galvanikbetriebe auch die einge-
spielten Beziehungen zur galvanotechnischen Ausrüsterindustrie, die in der Regel auch für die Lieferung der Chemikalien verantwortlich ist, nur bedingt fur eine fachkundige Beratung und eine Unterstützung bei der technisch- ökonomischen Planung nutzen, weil die meisten Betriebe dieser Branche noch nicht begonnen hatten, sich mit produktionsintegrierten Abwasservermeidungstechniken für Galvanikbetriebe technisch zu befassen. Hierfür war wohl der Tatbestand verantwortlich, daß zwischen galvanotechnischen Ausrüstern und dem Chemikalienhandel enge Beziehungen bestehen, häufig beide Geschäftsfelder von denselben Firmen besetzt sind, und vor diesem Hintergrund produktionsintegrierte Techniken, mit denen die Menge an eingesetzten Chemikalien vermindert werden kann, als geschäftsschädigend interpretiert wurden. Erst in den letzten Jahren hat ein Teil der Unternehmen dieser Branche sich gezielt technisch-naturwissenschaftlich darauf eingestellt, produktionsintegrierte Abwasservermeidungstechniken in die galvanotechnischen Verfahrensabläufe und Produktionsprozesse zu integrieren. Die traditionellen Geschäftspartner kleiner Galvaniken - sowohl die galvanotechnischen Ausrüster bzw. der Chemikalienhandel als auch die Abwassertechnikfirmen - haben sich also bis vor wenigen Jahren mit produktionsintegrierten Abwasservermeidungstechniken nicht beschäftigt (und selbst heute bieten keineswegs alle Firmen der galvanotechnischen Ausrüstungsindustrie produktionsintegrierte Abwasservermeidungstechniken an). Darüber hinaus gab es bis vor kurzem zwischen Abwassertechnikfirmen und galvanotechnischen Ausrüstern nur selten Arbeitsbeziehungen, geschweige denn einen systematischen Wissenstransfer. Erst seit einigen Jahren werden durch den Aufkauf von Abwassertechnikfirmen durch Unternehmen des Chemikalienhandels bzw. der Ausrüstungsindustrie die Wissensbestände beider Branchen systematischer aufeinander bezogen. Die von uns untersuchten Galvanikfir-
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen 483 men konnten bei keinem ihrer traditionellen "Geschäftspartner" das fachliche Know-how zur Implementation von produktionsintegrierten Abwasserbehandlungs- und -Vermeidungstechniken vorfinden. Erschwerend kam hinzu, daß nur sehr wenige Ingenieurbüros bzw. Beratungsbüros den in den Indirekteinleiterverordnungen geforderten "Stand der Technik" technisch und ökonomisch beurteilen konnten. In den von uns untersuchten Kommunen besaßen Galvanikfirmen faktisch nicht die Chance, in ihrer Region und ihrem traditionellen geschäftlichen Umfeld auf ein fachliches Wissen zurückzugreifen, mit dem sie die erforderlichen Umstellungen aktiv vorantreiben konnten. Die geringe Bereitschaft der Geschäftsführer und Betriebsleiter, schnell und zügig die aus der neuen abwasserrechtlichen Gesetzgebung resultierenden Anforderungen umzusetzen, ist keineswegs nur ihrer Erkenntnis geschuldet, daß die technischen Umstellungen sich für das Unternehmen nicht "rechnen". Ihr Zögern und Hin- und Hergerissensein zwischen Einsicht und Ablehnung der geforderten Umweltschutzmaßnahmen begann schon mit der Vermutung, daß die wenigen fachlich soliden "externen Berater" nur sehr schwierig zu finden und die für den speziellen Fall ihrer Galvanik nötigen Informationen gar nicht oder nur sehr teuer zu erwerben sein dürften. Die Geschäftsführer standen vor der Wahl, entweder fachliche Berater mit hohen Informationszugangskosten bundesweit zu suchen oder im Umfeld ihrer "traditionellen" Geschäftspartner zu bleiben. In dieser "Zwickmühle" entschieden sie sich für die zweite Alternative. Entscheidend bei der Auswahl des ersten Ansprechpartners war nicht die regionale Nähe (obwohl in der Mehrzahl der Fälle die angesprochenen Firmen bzw. Beratungsbüros im regionalen Umfeld liegen), sondern die Existenz langjähriger persönlicher Beziehungen zu einzelnen technischen Experten der Abwassertechnikfirmen oder des Chemikalienhandels bzw. der galvanotechnischen Ausrüster industrie.
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Die befragten Geschäftsführer nutzten langjährige, über das rein Geschäftliche hinausgehende und persönlichen Charakter tragende Arbeitsbeziehungen zu technisch qualifizierten Experten, zum Teil auch Managern, um in einem fur sie unübersichtlichen Feld eine erste Orientierung zu gewinnen. Nur in einem von sieben Fällen wurde ein Externer angesprochen, zu dem bis dahin keine geschäftlichen Beziehungen bestanden hatten. In diesem Fall wurde zur Erarbeitung eines Gesamtkonzepts ein Ingenieur- bzw. Fachbüro damit beauftragt, die gesamte Planung zu koordinieren, die Technikausrüster anzusprechen bzw. deren Angebote zu bewerten. Zufrieden ist der betreffende Geschäftsführer mit dem engagierten Berater aber im nachhinein nicht gewesen. Beim jetzigen Stand unserer Untersuchung ist nicht zu beurteilen, ob sich diese Vertrauenspersonen bzw. deren Unternehmen bereits systematisch und fachlich-technisch auf die für Galvanikbetriebe relevanten Anforderungen der Indirekteinleiterverordnungen vorbereitet hatten oder ob sie erst durch die Ansprache die Notwendigkeit erkannten, sich auf dem Feld der prozeßintegrierten Abwasservermeidung von Galvaniken stärker zu engagieren. Es ist nur fast nicht vorstellbar, daß gerade die jeweiligen Vertrauenspersonen und deren Organisationen Expertenwissen zu integrierten Abwasservermeidungstechniken besessen haben. Wahrscheinlicher ist, daß diese Experten vor dem Hintergrund ihrer langjährigen beruflichen Erfahrungen gute fachliche Voraussetzungen dafür mitgebracht haben, um sich schnell in diese Problematik einzuarbeiten und den um Unterstützung bittenden, ihnen persönlich bekannten Geschäftsführer nach einer gewissen Einarbeitungszeit angemessen beraten zu können. Selbstverständlich haben die Geschäftsführer der Galvanikbetriebe die Hoffnung gehabt, fachlich kompetente Personen angesprochen zu haben; sicher sein konnten sie aber nicht: Entscheidend für die Ansprache war das Vorhandensein von Vertrauensbeziehungen zu diesen
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen 485 Personen. Der Kontakt zu ihnen bis dahin "fremden" überbetrieblichen Institutionen oder Organisationen kam durchgängig bis auf eine Ausnahme erst durch den Umweg über die ihnen persönlich bekannten Experten zustande. Man kann in diesem Zusammenhang zu Recht von einer "durch Vertrauen begrenzte(n) Rationalität" (Kneißle/Zündorf 1994, 336 f., und March/Simon 1976, 29 ff.) sprechen. Einerseits handelte es sich bei den Beziehungen zwischen Galvanikfirmen und Beratern (im weitesten Sinn) um Marktbeziehungen, in denen erbrachte Leistungen gegen Geld getauscht wurden; andererseits bildeten sich auf dieser Basis personelle Vertrauensbeziehungen zwischen Personen heraus, unter denen Leistungen nicht mehr vollständig monetär abgerechnet wurden. Von den kleinen Unternehmen unserer Studie wurden bei der Suche und Prüfung alternativer Problemlösungsangebote offensichtlich solche Firmen und Organisationen bevorzugt, denen die Geschäftsführer aufgrundfrühererErfahrungen und bestehender persönlicher und geschäftlicher Beziehungen erfolgversprechende Problemlösungen zutrauten (siehe hierzu auch Kneißle/Zündorf 1994, 337). Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses fällt auf, daß in keinem der bisher von uns untersuchten Fälle die Geschäftsführer der Galvanikfirmen verbindlich darüber nachdachten, mit einer oder mehreren anderen Galvanikfirmen in der Abwasserbehandlungsproblematik zu kooperieren - selbst dann nicht, wenn offensichtlich diese keine direkten Konkurrenten darstellten. Selbst in der Region, in der eine größere Anzahl von Galvanikfirmen in etwa zur selben Zeit mit den aus der Indirekteinleiterverordnung resultierenden Anforderungen konfrontiert wurde, erwogen die zuständigen Geschäftsführer und Betriebsleiter die Möglichkeiten des fachlichen Austausches, eventuell sogar der mittelfristigen Kooperation mit anderen betroffenen Galvanikfirmen nicht ernsthaft. Selbstverständlich ist diese Reaktion gegenüber Konkurrenten, weniger selbst-
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verständlich jedoch gegenüber Firmen, die sich in einem anderen Marktsegment der Galvanobranche bewegen. Durchgängig herrscht aber unter den Geschäftsführern die Meinung vor, daß man der Konkurrenz, auch der potentiellen Konkurrenz, durch Kooperation keine Einblicke in die eigenen Verfahren und geschäftlichen Ausgangslagen geben darf: In diesem Feld dominieren durch Marktkonkurrenz geprägte "Mißtrauensbeziehungen". Neben den privaten Unternehmen der galvanotechnischen Ausrüstungsindustrie, den Abwassertechnikfirmen und eventuell privaten Beratungsbüros kämen im Prinzip als beratende Instanzen auch noch Non-Profit-Institutionen in Frage. So gehören die Unternehmen der von uns befragten Geschäftsführer durchgängig einem oder sogar mehreren Verbänden der galvanotechnischen Industrie an. Diese Verbände spielten allerdings nur insofern eine Rolle im Innovationsprozeß, als sie über ihre Zeitschriften zur damaligen Zeit zu dieser Problematik allgemeine Informationen zur Verfügung stellten. D.h., diejenigen Geschäftsführer, die die Mitteilungsblätter dieser Verbände systematisch durchgearbeitet hatten, konnten sich durchaus Grundinformationen zu den Veränderungen im Abwasserrecht, zu den erforderlichen technischen Umstellungen und den damit verbundenen ökonomischen Risiken aneignen. Diese Verbände waren jedoch personell nicht in der Lage, eine konkrete Einzelfallberatung anzubieten. Auch die Handelskammern bzw. die Handwerkskammern der jeweiligen Städte wären als beratende Institutionen in Frage gekommen, da sie durchaus an den neuen abwasserrechtlichen Vorschriften interessiert waren (Anmerkung: sie haben diese eigentlich durchgängig verurteilt). Aber lediglich eine Handelskammer führte Informationsveranstaltungen zur neuen Indirekteinleiterverordnung durch. Im konkreten Einzelfall waren die Handels- und Handwerkskammern im Rahmen der Vorbereitung der technischen Umstellung keine Unterstützung. Die Ge-
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen 487 schäftsfuhrer der Galvanikfirmen empfanden die Mitarbeiter dieser Institutionen abwasserrechtlich und - technisch nicht als kompetent und unternahmen dementsprechend nach ersten "Annäherungsversuchen" keine weiteren Schritte, um von diesen Verbänden bzw. Institutionen beraten zu werden. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, daß die Befragten sich bei Problemen mit der Gewerbeaufsicht durchaus schon an die Handwerks- bzw. Handelskammern gewendet haben. Daß Forschungseinrichtungen der Hochschulen oder hochschulnahe Beratungsdienste, z.B. Technologietransfer-Stellen (die es im regionalen Umfeld der von uns untersuchten Galvaniken durchaus gegeben hat) von der überwiegenden Mehrzahl kleiner Galvaniken nicht angesprochen wurden, liegt nach dem bisher Gesagten auf der Hand. Eine der untersuchten Firmen hat sich allerdings intensiv um den Kontakt zu einer universitären Einrichtung (einem Institut für technische Chemie) bemüht und ist über diesen Weg, zumindestens vorübergehend, zu einer sehr speziellen Problematik (Recycling eines bestimmten Rohstoffes) fachlich durchaus angemessen beraten und sogar meßtechnisch unterstützt worden. Letztlich aber ist diese Kooperation an der "Unzuverlässigkeit" des universitären Partners - so die Einschätzung des Interviewpartners des Unternehmens - zerbrochen. Die Geschäftsführer befürchten durchgängig, daß die Problemlösungshorizonte dieser Institutionen zu theoretisch und deren Identifikation mit den spezifischen Problemen kleiner Galvanikbetriebe zu gering sein könnten. Auch die Banken und Kreditinstitute spielten im abwassertechnischen Innovationsprozeß eine gewisse Rolle, da die erforderlichen produktionstechnischen Umstellungen mit relativ hohen Investitionen verbunden waren und angesichts ihrer geringen Eigenkapitaldecke die
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kleinen Galvanikfirmen größere Kredite aufnehmen mußten7. Die Geschäftsführer haben ihre Hausbanken zu einem Zeitpunkt angesprochen, an dem die mit dem technischen Umstellungskonzept verbundenen Investitionen und die daraus in den folgenden Jahren resultierenden Einsparmaßnahmen ansatzweise erkennbar waren. Angesichts der Größenordnung der Kredite handelte es sich in keinem der Kreditanträge um einen "Selbstgänger". Vielmehr prüften die Banken sehr verbindlich die finanzielle Lage der Galvanikunternehmen, und im Rahmen dieser Beratung gaben vereinzelt Sachbearbeiter der Banken den Geschäftsführern relevante Hinweise auf bestehende Landes- und Bundesförderungsmittel (z.B. auf Mittel der Bundesanstalt für Wiederaufbau, Öko-Fonds der Städte oder Länder), was die jeweiligen Geschäftsführer als sehr hilfreich im Hinblick auf die Realisierung einer langfristig tragfähigen technisch-ökono mischen Lösung empfunden haben. In der Mehrzahl der Fälle aber kannten die Mitarbeiter der Banken diese Förderungsprogramme nicht, oder aber sie informierten ihre Kunden darüber nicht. Die Banken hätten bei der Förderung umweltschutztechnischer Umstellungen also eine große Rolle spielen können, haben dieses jedoch in der Regel nicht getan. Abschließend soll darauf hingewiesen werden, daß wir in Gesprächen mit überregionalen Experten auf eine potentiell relevante, aber vollkommen anders strukturierte externe Figuration von Galvanikbetrieben aufmerksam gemacht worden sind. Danach treten neuerdings in einigen Regionen private und kommunale Entsorgungsbetriebe mit speziellen Dienstleistungsangeboten an kleine Galvanikbetriebe heran. In einem Fall bietet ein privates Entsorgungsunternehmen kleinen Gal-
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Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir keine Interviews mit Vertretern von Banken und Kreditinstituten durchgeführt, sondern verlassen uns ausschließlich auf die Auskünfte der befragten Geschäftsführer und Betriebsleiter.
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen 489 vaniken an, fest emittierende Stoffe (Abwässer und Schlämme) einschließlich Mischschlämme und Kleinstmengen - unter Einhaltung einer bestimmten Qualität - abzunehmen. Für die Galvaniken kann dieses Angebot im günstigsten Fall bedeuten, daß sie nach Durchführung relativ einfach zu bewerkstelligender Wasserschutzmaßnahmen ihre gesamten Abwässer und Schlämme extern entsorgen bzw. recyceln lassen können. In zweiten Fall wurde von einem kommunalen Abfallentsorgungsund Altlastensanierungsverband ein Projekt initiiert, um in einem regionalen Schwerpunkt der Galvanobranche geeignete technische Möglicheiten zur externen Verwertung und Entsorgung galvanischer Abfälle anzubieten. Es bleibt abzuwarten, ob die Wasserbehörden im Zuge dieser Entwicklung den wasserrechtlichen Zugriff auf Galvaniken lokkern werden.
6. Abwasserbehörden: Von der Ordnungsbehörde zum Kooperationspartner? Die fur das abwassertechnische Innovationsverhalten kleiner Galvaniken relevante externe Figuration zeichnet sich durch folgende Besonderheiten aus: Gegenüber anderen Galvanikfirmen der Region fehlt es an Vertrauen, um mit diesen bei der Bewältigung der Abwasserproblematik zu kooperieren; dieses ist selbst dann der Fall, wenn es sich nicht um direkte Konkurrenten handelt. Das durch die potentielle Konkurrenzsituation geschaffene "Mißtrauen" wird auch durch die gemeinsame Mitgliedschaft in Verbänden der galvanotechnischen Industrie oder der Industrie- und Handelskammer bzw. der Handwerkskammer nicht überwunden.
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Zwischen dem Chemikalienhandel bzw. der galvanotechnischen Ausrüsterindustrie auf der einen Seite und den Abwassertechnikfirmen auf der anderen Seite bestanden bis vor wenigen Jahren keine Kooperationsbeziehungea Die daraus resultierende Segmentierung der Wissensbestände überwanden die Geschäftsführer der Galvaniken nicht dadurch, daß sie Fachberatungsbüros damit beauftragt haben, die technische Planung zu übernehmen und aus dem Angebot der verschiedenen bundesweit agierenden Technikanbieter die passenden technischen Komponenten auszuwählen. Vielmehr nutzten sie bestehende langjährige persönliche Beziehungen zu technischen Mitarbeitern verschiedener ihnen bekannten Technikhersteller, um gemeinsam mit diesen fachliche Sicherheit zu gewinnen, die technisch-ökonomische Planung zu beginnen und später Angebote für den Kauf bestimmter Komponenten einholen zu können. Dabei wurde von den Geschäftsführern vorausgesetzt, daß die von ihnen angesprochenen Mitarbeiter bzw. deren Firmen fachlich ausreichende Kenntnisse und Problemlösungsstrategien besitzen. Auf eine systematische Recherche nach anderen, eventuell kompetenteren Geschäftspartnern oder Beratern haben sie sich nicht eingelassen. Verbände und Non-Profit-Institutionen, z.B. universitäre Institute oder Einrichtungen der Hochschulen spielten (eine Ausnahme bestätigt diese Regel) keine Rolle in den Informationssuch- und Problemlösungsstrategien. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß die externe Figuration im Prozeß der abwassertechnischen Umstellung stark durch die Mitarbeiter/-innen der Abwasserbehörden bzw. Umweltbehörden geprägt wurde. Obwohl es mindestens in einer der Kommunen eine umfassende öffentliche Kontroverse zwischen der dortigen Industrieund Handelskammer und dem zuständigen Abwasseramt gab, ließen sich die Behördenvertreter durchgängig von der rechtlichen Umsetzung
Externe Figurationen bei umweltschutztechnischen Innovationen 491 der Indirekteinleiterverordnungen, zum Teil auch der kommunalen Abwassersatzung nicht abbringen. Allerdings bestanden zwischen den Abwasserbehörden der verschiedenen Kommunen Differenzen in der Interpretation der Verordnungen, die noch durch unterschiedliche kommunale Abwassersatzungen verstärkt wurden. Die Mehrzahl der befragten Behördenvertreter deutete die Indirekteinleiterverordnungen im wesentlichen als "produktionsintegrierten Ansatz" zur Minderung des Rohstoff- und Wassereinsatzes. Es ging ihnen nicht nur darum, über Abwasserbehandlungsanlagen die vorgeschriebenen Grenzwerte einzuhalten, sondern den Wasser- und Chemikalienverbrauch deutlich zu verringern, d.h. wassersparende, konzentrations- und frachtmindernde Maßnahmen durchzusetzen. In einer der drei Kommunen wurden allerdings vorsorgende Maßnahmen zur Einsparung von Chemikalien von den Behörden nicht ausdrücklich und in einer anderen gar nicht verlangt. Vielmehr konzentrierten sich diese Behördenvertreter auf die Einhaltung der Grenzwerte und setzten darauf, daß die Galvaniken aus einem eigenen wirtschaftlichen Interesse heraus diese Maßnahmen realisieren würden - was aber faktisch nur bedingt der Fall gewesen ist. In zwei der drei von uns untersuchten Fälle gaben sich die zuständigen Abwasserbehörden nicht damit zufrieden, lediglich "vom Schreibtisch aus" konkrete Anforderungen an die Galvanikuntemehmen zu stellen und auf deren Einhaltung zu achten. Vielmehr bemühten sie sich (allerdings mit unterschiedlicher Verbindlichkeit) darum, das unübersichtliche und heterogene Feld im Bereich der Umweltschutztechnikanbieter und -berater für Galvaniken übersichtlicher zu gestalten (z.B. durch die Erstellung von Listen mit Namen von Fachberatungsbüros) und darüber hinaus - und das ist für die externe Figuration der entscheidende Punkt - die Zusammenarbeit zwischen Galvaniken, Chemikalienhandel bzw. Galvanikausrüstern und Abwassertechnikfirmen,
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eventuell Beratungsbüros einzelfallbezogen zu verbessern. Gerade in der Kommune, in der die Abwasserbehörde strikt eine Strategie der produktionsintegrierten Vermeidung und Verminderung von Abwasseremissionen verfolgte, setzten deren Mitarbeiter bewußt die Kooperation aller für die Umstellung relevanten Firmen durch. In gewisser Hinsicht fungierte diese Abwasserbehörde praktisch als Koordinator, ja als "Figurationsmanager" : Über "Runde Tische" führte sie eine Verständigung über die technisch notwendigen und wünschenswerten Veränderungen im betrieblichen Einzelfall durch und überwand dadurch die durch die vorhandenen Marktbeziehungen vorhandende Segmentierung des technisch relevanten Wissens im Interesse der kleinen Galvanikbetriebe. Allerdings schaffte es auch diese Abwasserbehörde interessanterweise nicht, die Kunden der Galvaniken mit an den "Runden Tisch" zu zwingen. Das Selbstverständnis dieser Abwasserbehörde besteht darin, nicht nur als drohende übergeordnete staatliche Instanz, sondern als mehr oder weniger "gleichberechtigter Partner" zu fungieren, ohne von den rechtlichen Möglichkeiten einer staatlichen Verwaltung zu abstrahieren. Dieses spezifische Kooperationsmanagement der Behörden wird von fast allen Geschäftsleitern und Betriebsleitern der befragten Galvanikunternehmen positiv bewertet, weil sie über diesen Weg sowohl fachlich durchdachte technische Lösungen angeboten bekommen als auch Rechtssicherheit erhalten haben - zudem hat dieser Weg ein freundlicheres Klima bei den regelmäßig durchgeführten Kontrollen der Abwasserbehörde geschaffen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir noch nicht mit Sicherheit beurteilen, welche Konsequenzen aus dem behördlichen Kooperationsmanagement für das Innovationsverhalten der Galvanikbetriebe im Detail resultieren. Wir haben aber (bei aller gebotenen Vorsicht) den Eindruck, daß nur in der Kommune, in der sich die Behördenvertreter
Externe Figurationen bei umweìtschutztechnischen Innovationen 493 um den Aufbau von Kooperationsbeziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren verbindlich bemüht haben, die Galvaniken tatsächlich den "Stand der Technik" in der Abwasser- und Abfallvermeidung realisiert haben.
7. Zusammenfassende Betrachtung In vielen umweltpolitischen Programmen der letzten Jahre, zum Teil aber auch in der wissenschaftlichen, insbesondere ingenieurwissenschaftlichen Literatur wird die verstärkte Förderung produktionsintegrierter Umweltschutzverfahren gefordert, weil diese nicht wie additive Umweltschutztechnikkonzepte die Rentabilität der Unternehmen vermindern und ökologische Probleme nur von einem Medium in ein anderes verschieben. Vor diesem Hintergrund scheint es gerade in schwierigen ökonomischen Zeiten zu produktionsintegrierten Umweltschutzkonzepten keine Alternative zu geben. Daß beim gegenwärtigen Stand betrieblicher Umweltschutzpolitik weiterhin additive Techniken Vorrang besitzen, wird mit einer Mischung aus Konservativismus der betrieblichen Entscheidungsträger und grenzwertorientiertem deutschen Umweltrecht erklärt (siehe hierzu Coenen/Klein-Vielhauer/Meyer 1996, 8 fif.). Wir halten diese Interpretation nicht für falsch, sie reicht jedoch keineswegs aus: Denn neben dem Problemlösungshorizont der Entscheidungsträger sind unseres Erachtens vor allem die externen Figurationen und die hierin eingewobenen Vertrauensbeziehungen zwischen verschiedenen für die Implementation produktionsintegrierter Maßnahmen notwendigen Akteuren von entscheidender Bedeutung. Ohne die kooperationsstiflende Intervention der Abwasserbehörden wäre es für die Geschäftsführer, technischen Leiter und Meister kleiner Galvanikunternehmen wesentlich schwieriger gewesen, die fur ihr Unterneh-
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men geeigneten produktionsintegrierten Abwasservermeidungstechniken erkennen und auswählen zu können. Der "Markt" hat zwar in der Zwischenzeit größere Problemlösungskapazitäten für eine vorsorgende Abwasservermeidung in der galvanotechnischen Industrie ge schaffen (allerdings unterstützt durch staatliche Forschungsprogramme), ist aber für die Geschäftsführer kleiner Galvanikunternehmen weiterhin nicht transparent genug, um darin die für ihren Betrieb erforderlichen und ihnen geeignet erscheinenden Techniken auswählen und zu ökonomisch verträglichen Preisen einkaufen zu können. Zumindest für kleine Galvaniken gilt (vermutlich kann man diese Erkenntnis auf andere kleine Unternehmen übertragen), daß quasi- institutionelle Beziehungen zwischen Technikanwenderbetrieben, den verschiedenen Technikanbietern, Planern und Umweltbehörden eine wichtige Voraussetzung dafür bilden, komplexe produktionsintegrierte Verfahren nach dem "Stand der Technik" zu implementieren. Es bleibt allerdings im Verlauf unseres Projektes zu klären, welche innerbetrieblichen Handlungskonstellationen vorliegen müssen, damit die aus einer spezifischen externen Figuration resultierenden Chancen für betriebliches Umweltschutzhandeln tatsächlich genutzt werden.
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Externe Figuratiglieli bei umweltschutztechnischen Innovationen 495 Burschel, Carlo, 1996: Umweltschutz als sozialer Prozeß. Die Organisation des Umweltschutzes und die Implementierung von Umwelttechnik im Betrieb, Opladen Coenen, Reinhard, Sigrid Klein-Vielhauer, Rolf Meyer, 1996: Integrierte Umwelttechnik - Chancen erkennen und nutzen, Berlin Eichener, Volker, 1994 a: Das "Management von Figurationen" im Bereich regionaler Wirtschafts- und Technikförderung, in: Lange (Hrsg.), S. 357-373 Eichener, Volker, 1994 b: ökologische Verantwortung im Wirtschaftshandeln - Beispiele für den prozeß- undfigurationstheoretischen Ansatz in der Wirtschaftssoziologie, in: Lange (Hrsg.), S. 177-192 Eüas, Norbert, 1993: Was ist Soziologie?, Weinheim/München Grünt, Manfred, 1984: Technische Innovationen in mittleren Industrieunternehmen. Fallstudien zum Entscheidungshandeln in mittleren Industrieunternehmen, Betriebswirtschaftliche Schriftenreihe, Bd. 15, Münster Heine, Hartwig, Rüdiger Mautz, 1989: Industriearbeiter contra Umweltschutz?, Frankfurt a.M./New York Hildebrandt, Eckart, 1995: Ökologisch erweiterte Arbeitspolitik als Gegenstand der Umweltsoziologie, in: Müller (Hrsg.), S. 15-36 Hildebrandt, Eckart, Udo Gerhardt, Christian Kühleis, Sabine Schenk, Beate Zimpelmann, 1994: Politisierung und Entgrenzung - am Beispiel ökologischer Arbeitspolitik, in: Niels Beckenbach, Wolfgang van Treeck (Hrsg.): Umbrüche gesellschaftlicher Arbeit, Soziale Welt. Sonderheft 9, S. 429-444 Kneißle, Rolf-Jürgen, Lutz Zündorf, 1994: Problembewältigung in mittelständischen Industriebetrieben, in: Lange (Hrsg.), S. 321-356 Lange, Elmar (Hrsg.), 1994: Der Wandel der Wirtschaft. Soziologische Perspektiven, Berlin Maas, Christot Hans-Jürgen Ewers, 1983 : Wirkung umweltpolitischer Maßnahmen auf das Innovationsveihalten von Galvanik-Betrieben, in: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, discussion paper Π UG dp 83-12, Berlin Mardi, James G., Herbert A. Simon, 1976: Organisation und Individuen. Menschliches Verhalten in Organisationen, Wiesbaden Modrow-Thiel, Brita, Giselind Roßmann, Hartmut Wächter, 1993 : Chancen und Barrieren menschengerechter Arbeit in Klein- und Mittelbetrieben. Eine Netzwerkanalyse betrieblicher Entscheidungen, München/Mering Müller, Wilfried (Hrsg.), 1995: Der ökologische Umbau der Industrie. Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Umweltforschung, Münster Rudolph, Karl-Ulrich, Karl-Erich Köppke, Joachim Korbach, 1995: Stand der Abwassertechnik in verschiedenen Branchen, Band 1, hg. von und im Auftrag des Umweltbundesamtes, Forschungsbericht 10206226, UBA-FB 95-022, Reihe: Texte 72/95, Berlin
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Leo Baas, Jan Jaap Bouma und Wim Hafkamp
Kritische Akteure des Umweltmanagements in den Niederlanden
In diesem Aufsatz wird das Umweltmanagement bei Unternehmen in den Niederlanden beschrieben und analysiert. Das erste Kapitel skizziert das Umfeld der Unternehmen. Es wird angedeutet, welche Motive es für das Management der Unternehmen gibt, Umweltschutz zu realisieren. Kapitel 2 skizziert, wie in Genehmigungsverfahren die wirtschaftlichen Folgen des Umweltschutzes berücksichtigt werden. Die Kapitel 3 und 4 beschreiben und analysieren die Effekte der Umweltverschmutzung auf das Unternehmensverhalten. Dabei wird das Konzept der industriellen Ökosysteme besprochen. Die Effekte dieser Managementsysteme auf strategische Entscheidungsprozesse werden identifiziert, um in die Einbeziehung des Umweltmanagements in das reguläre Unternehmensverhalten Einblick zu bekommen. Es werden auch erste Erfahrungen mit industriellen Ökosystemen wiedergegeben. Die zukünftige Rolle der verschiedenen Akteure und Managementinstrumente wird aus den derzeitigen Entwicklungen der öffentlichen und betrieblichen Umweltpolitik abgeleitet.
1. Umweltpolitik und Akteure des Umweltmanagements Im Umfeld der Unternehmen in den Niederlanden spielt die Umweltpolitik der Behörden eine wichtige Rolle. Diese orientiert sich an
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Nationalen Umweltplänen ("Nationaal Milieubeieids Plan" (NMP) 1989 und "Nationaal Milieubeieids Plan Plus" (NMP+) 1990, in denen für verschiedene Sektoren der Gesellschaft Umweltziele formuliert werden. Der NMP bezieht dabei die Sektoren Landwirtschaft, Industrie, Verkehr und Transport sowie Endverbraucher mit ein. Die Umweltziele werden unter Einsatz unterschiedlicher Instrumente der öffentlichen Umweltpolitik angestrebt. Diese Instrumente können in drei Kategorien eingeteilt werden (Winsemius 1986, S. 78): 1. Direkte Regulierung: durch ein System von gesetzlichen Regelungen werden Umweltschutzmaßnahmen erzwungen. 2. Finanzielle Anreize: durch die Internalisierung der negativen externen Effekte von Umweltbelastungen werden Umweltschutzmaßnahmen wirtschaftlich attraktiv. Die Umweltschutzmaßnahmen resultieren in einer Kostenreduzierung. Außerdem können umweltschonende Aktivitäten mit Erträgen aus Subventionen und anderen steuerlichen Vergünstigungen honoriert werden. 3. Selbstregulierung: durch Kommunikation zwischen der Öffentlichkeit und den für die Umweltverschmutzung Verantwortlichen wird an deren gesellschaftliche Verantwortung appeliert. Umweltmaßnahmen werden ohne gesetzlichen Zwang oder finanzielle Anreize ergriffen. Beim Einsatz von Instrumenten der Umweltpolitik spielen verschiedene Akteure eine Rolle. Für Unternehmen sind bei Genehmigungsverfahren die zuständigen Behörden von besonderer Bedeutung. Sie können dabei den Unternehmen auf unterschiedliche Art und Weise gegenüber tretea Anfang der siebziger Jahre waren die Behörden stark am "Strict Command-and-Control"-Ansatz orientiert. Bei dieser Haltung bekommen Unternehmen Genehmigungen, die detaillierte technische Anforderungen beinhaltea Zusätzlich zu den Genehmigungen, die direkt aus technischen Normen abgeleitet werden, gab es im Zeitraum von
Kritische Akteure des Umweltmanagements
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1970 bis 1990 auch Genehmigungen, die durch Verhandlungen zustande kamen.
Dies
betraf
vor
allem
Unternehmen
hochkomplizierten Produktionsverfahren.
Seit
mit
technisch
1985 werden in
zunehmendem Maße Umweltmanagementsysteme in Unternehmen eingeführt. Diese Unternehmen sind meistens im Umweltschutz aktiv, was Folgen für die Genehmigungen hat, die ihnen erteilt werden. So entstehen die sogenannten "Genehmigungen der dritten Generation". Diese Genehmigungen enthalten vor allem Umweltziele und schreiben ein Umweltmanagementsystem vor. Das Unternehmen bekommt Freiraum dabei, wie die Umweltziele erreicht werden. Dabei gewinnen neue Akteure für die Unternehmen an Bedeutung. Solche Akteure sind unter anderem Organisationen, die für die Begutachtung von Umweltmanagementsystemen (nach ISO 14.000 ff. oder EMAS) und der dazu gehörigen externen Berichterstattung ("Umwelterklärungen") zuständig sind. Diese Entwicklung wird durch die EU-Öko-Audit-Verordnung1 gefördert. Neben dem öffentlichen Recht, das durch das Genehmigungsverfahren den Umweltschutz bedingt, setzen Privatrecht und Strafrecht wichtige Rahmenbedingen für die Umweltbelastung. So werden Unternehmen durch die mögliche Haftung für Umwelt- und Gesundheitsschäden motiviert, ihre Umweltbelastung zu kontrollieren. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten ist die Umwelthaftung für niederländische Unternehmen jedoch von relativ geringer Bedeutung. Eine Ausnahme bildet die Haftung für die Sanierung von Bodenverschmutzungen (Altlasten), die für Unternehmen einen finanziellen Anreiz für präventiven Umweltschutz darstellt (Bouma 1995). Andere
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Die EU-Verordnung ("Eco-Management and Audit Scheme" (EMAS), Council Regulation (EEC, No 1836/93, Juni 1993) ist ein marktkonformes Instrument. In den Niederlanden wurden bis Ende Oktober 1996 neun Einrichtungen nach EMAS zertifiziert, in Deutschland waren es 348.
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finanzielle Anreize wie die Kostenreduzierung durch Vermeidung von anfallenden Umweltsteuern (z.B. Abgaben für Wasserverschmutzung oder Energiesteuem) und Subventionen (z.B. für die Entwicklung von umweltschonenden Technologien) sind wichtige Instrumente der finanziellen Regulierung (Bouma 1995; Neumann 1995). Neben Imageschäden und persönlichen Motiven für Manager und Umweltbeauftragte stellen auch diefinanziellenFolgen der Umweltpolitik einen bedeutenden Anreiz für den Umweltschutz dar. Bei der finanziellen Regulierung soll die Reduzierung der Umweltbelastung beispielsweise den Aufwand an Umweltsteuern verringern. Der Vergleich zwischen den Instrumenten der "direkten Regulierung" und der "finanziellen Regulierung" kann auf Betriebsebene stattfinden. Untersuchungen zeigen, daß verschiedene unternehmensinterne Akteure an der Umsetzung von Umweltzielen beteiligt sind, denen der Einsatz von Instrumenten der direkten Regulierung und der finanziellen Regulierung zugrunde liegt. Außerdem wird Umweltschutz durch eine ganze Palette verschiedener Motive begründet. Dabei kann auch die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens eine Rolle spielen. Als Folge des gleichzeitigen Auftretens verschiedener Motive für den Umweltschutz ist der Einfluß einzelner Motive und damit auch einzelner Instrumente der Umweltpolitik schwer nachweisbar. Abbildung 1 (S. 502) gibt einen Überblick über die externen Einflüsse auf Unternehmen, die zu betrieblichem Umweltschutz führen, und zeigt, welche externen Schlüsselfiguren für die Einfuhrung von Umweltschutzmaßnahmen bei Unternehmen wichtig sein können. Diese Schüsselfiguren unterscheiden sich darin, wie sie Unternehmen dazu bringen, Umweltschutz zu realisieren. Der von ihnen ausgeübte Druck fuhrt zu verschiedenen potentiellen Motiven für das Unternehmen, Umweltschutz zu realisieren (sogenannte Umweltmotive). Ob diese Umweltmotive von einem Unternehmen auch identifiziert werden, hängt
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von den "Unternehmensregeln" ab. Dabei handelt es sich um Regeln, die der Organisationsstruktur und der Gestaltung von Informationsystemen zugrunde liegen. Abbildung 1 (S. 502) zeigt auch die betriebsinternen Akteure auf, die eine entscheidende Rolle bei der Identifikation von Umweltmotiven fur größere Unternehmen spielen. Die Behörden sind über das Genehmigungsverfahren in direktem Kontakt mit den Umweltschutzbeauftragten. In Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens ist die Funktion des Umweltschutzbeauftragten in einer eigenen Stabsabteilung organisiert oder sie ist als (Neben-)Aufgabenbereich in die Linienfunktionen eingegliedert. Auch Bürgerinitiativen können über die Umweltschutzbeauftragten auf die Entwicklung des Umweltschutzes bei Unternehmen Einfluß nehmen. Der Einfluß dieser externen Akteure wird stärker, wenn die Marketingabteilung dem Umweltschutz eine höhere Priorität verleiht, indem sie auf Imageeffekte hinweist. Die Rolle der Marketingabteilung bei der Gestaltung des Umweltschutzes ist auch wichtig, wenn Konsumenten Forderungen bezüglich der Umwelteigenschaften von Produkten stellen (Looman 1996). Dies wird in den Niederlanden stark durch das "Ecolabeling" gefördert. Obwohl auch ISO-Zertifizierungen (ISO 14.000 ff.) und -validierung (EMAS) stattfinden, unterscheidet sich die Rolle dieser Zertifizierungen von der des "Ecolabeling". EMAS bezieht sich auf einen Standort, nicht auf die Produkte. Es wird erwartet, daß Unternehmen beim Einkauf von Rohstoffen und Hilfsmitteln Anforderungen daran stellen, wie diese gefördert und produziert werden. Marketingabteilungen können ausschlaggebend für die Identifizierung solcher Kundenanforderungen sein. Auch die Rechtsabteilung kann Umweltschutz initiieren. Zum einen kann diese Abteilung auf die EMAS-Verordnung hinweisen. Zum anderen ist gerade die Rechtsabteilung imstande, auf mögliche Haftungs-
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risiken fur Umweltschäden und andere Folgen der Gesetzgebung hinzuweisen. Abbildung 1: Externe Einflüsse, betriebliche Motive, Umsetzungsregeln und Akteure im betrieblichen Umweltschutz
Externe SchlOsselfiguren
Betriebliche Motive für den Umweltschutz
Wichtige "Regeln" f ü r die Umsetzung von Umweltmotiven in Umweltmaßnahmen
Entscheidende betriebsinterne Akteure
Zustandige Behörde (Gestaltung von Instrumenten der direkten Regulierung)
Einhaltung von gesetzlichen Regelungen
Genehmigungsverfahren der zustandigen Behörde
Umweltschutzbeauftragter, Umweltabteilung; Rechtsabteilung
Bürgerinitiativen ("pressure groups")
Honorieiung von Anforderungen umweltbewußter Zielgruppen
Untemehmensgrundsätze bezüglich der Rolle des "Social Marketing" in der Unternehmen sstrategie
Umweltschutzbeauftragter, Umweltabteilung; Marketingabteilung
Verbraucher
Honorierung von Anforderungen umweltbewußter Zielgruppen
Unternehmensgrundsatze bezüglich der Rolle des Marketing in der Unternehmensstrategie
Marketingabteilung
(potentiell) Benachteiligte
Einhaltung der Untemehmensgrundsätze gesetzlich bezüglich der geregelten Haftung Haftungsvermeidung für Umweltschäden
Rechtsabteilung
Behörden der Europaischen Union
Honorierung von Anforderungen umweltbewußter Zielgruppen
Untemehmensgrundsätze bezüglich der Rolle des ("Social") Marketing in der Unternehmensstrategie
Umweltabteilung; Rechtsabteilung; Marketingabteilung
Ministerium für Bau und Umwelt (zuständige Behörde für die Entwicklung von Instrumenten der finanziellen Regulierung)
Kostenminimierung
Regeln zum Gebrauch von Datenerfassungsystemen filr die Mengen an Abfall und Emissionen (ÖkoControlling)
Umweltabteilung; Controller
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Durch eine weitgehende Internalisierung von externen Effekten bekommt das Rechnungswesen in Unternehmen eine neue Rolle für das Umweltmanagement, indem es Einsichten in Kostenstrukturen (wo entstehen welche Kosten?) vermittelt. Durch die Identifikation vom Umweltkosten können finanzielle Motive fur den Umweltschutz im Unternehmen mobilisiert werden2. Der Controller, dem das Rechnungswesen unterstellt ist, spielt im Hinblick auf Genehmigungsverfahren eine immer größere Rolle, indem er Kostenprognosen erstellt und beurteilt, ob Umweltkosten wirtschaftlich zumutbar sind. Wenn Genehmigungen erteilt werden, sind die wirtschaftlichen Folgen nicht ohne Bedeutung. Zwar sind die gesetzlichen Vorschriften auf Dauer für den Inhalt von Genehmigungen ausschlaggebend, daneben sind aber noch mindestens zwei andere Aspekte des Genehmigungsverfahrens wichtig. Der erste Aspekt ist die Kosteneffektivität von Maßnahmen. Ein Unternehmen kann den Inhalt der Genehmigung dadurch steuern, daß es auf kosteneffektive Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltbelastungen hinweist. Der zweite Aspekt ist die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Die Planung der Einfuhrung von Umweltschutzmaßnahmen kann stark von der wirtschaftlichen Lage einer Branche oder eines einzelnen Betriebes beeinflußt werden. Die (potentielle) Belastung der Umwelt durch Unternehmen wird grundsätzlich durch strategische Entscheidungsprozesse bestimmt. Dabei findet in zunehmenden Maße auch eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen statt.
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Ein von der EUfinanziertesForschungsprojekt (im Rahmen des Programms für Umwelt und Klima) lichtet sich auf die Stimulierung der Zusammenarbeit zwischen den meist stark voneinander getrennten Abteilungen Controlling (Rechnungswesen) und Umweltschutz (Bouma 1996).
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2. "Saubere Produktion" oder Umweltmanagementsystem? Beeinflußt durch amerikanische "Pollution Prevention & Waste Minimization"-Konzepte (U.S. EPA 1988) wurden Ende der achtziger Jahre verschiedene Präventionsprojekte ins Leben gerufen. Es fallt auf, daß die Universitäten von Amsterdam und Rotterdam die Initiative zur Untersuchung des Präventionskonzeptes durch Pilotprojekte in Betrieben ergriffen haben (Baas (ed.) 1989; Dieleman et al. 1991). Das Präventionskonzept "saubere Produktion" ist in kleineren europäischen Ländern wie Dänemark, den Niederlanden, Norwegen, Österreich und Schweden zum Durchbruch gekommen. Auch das Direktorat "Industrie und Umwelt" des "United Nations Environment Program - Industry & Environment" (UNEP-IE) hat ein Programm "Saubere Produktion" aufgelegt. 1989 haben verschiedene Experten die folgende Definition formuliert: "Saubere Produktion ist die konzeptionelle und verfahrenstechnische Anpassung der Produktion derart, daß alle Phasen des Lebenszyklus von Produkten und Produktionsprozessen auf das Vermeidungs- oder Minimalisierungsziel bezüglich der kurz- und langfristigen Risiken für Mensch und Umwelt ausgerichtet werden" (Baas et al. 1990, S. 19). Diese Anpassung ist durch einen "top-down"-Ablauf charakterisiert, während der Ansatz des betrieblichen Umweltmanagements sich durch einen "bottom-up"-Ablauf auszeichnet. Es hat in den Niederlanden viele Diskussionen darüber gegeben, welcher der beiden Ansätze der bessere sei. "Saubere Produktion"-Konzepte sind sehr zeitaufwendig und ihre Resultate nicht sofort sichtbar bzw. eindeutig vorhersehbar. Bei der Einfuhrung eines betrieblichen Umweltmanagements dagegen ist das angestrebte Resultat, ein Umweltmanagementsystem, von Beginn an bekannt. "Saubere Produktion" ist ein Prozeß, der in der Praxis mit Hilfe von Pilotprojekten eingeführt wird, dann aber meist nicht als Organi-
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sationsentwicklung weiterverfolgt wird. Das betriebliche Umweltmanagement wird oft als zu bürokratisch und bisweilen als undurchschaubar kritisiert. Ein optimales Ergebnis könnte durch die Kombination der beiden Ansätze erzielt werden (Bouman/Koppert/ Suijker 1993).
3. Industrielle Ökosysteme Konzepte wie die "saubere Produktion" haben das Hauptaugenmerk der Unternehmer von der Kontrolle auf die Vermeidung von Umweltbelastungen verlagert. Die Erfahrung, daß "saubere Produktion" durch die Verminderung von Umweltverschmutzung zu betriebsökonomischen Vorteilen fuhrt, wird zunehmend bekannt. Diese Konzepte haben sich zu den Ansätzen "Integriertes Kettenmanagement" und "Industrielles Ökosystem", die die Grenzen der einzelnen Unternehmen überschreiten, weiter entwickelt. Die
niederländischen
Umweltbehörden
haben
den
Begriff
Integriertes Kettenmanagement (IKM) im ersten nationalen Umweltleitplan (NMP 1989) eingeführt. Dabei können die Betriebe in der Kette vom Rohstoffproduzenten bis zum Verbraucher Umweltanforderungen für Ein- und Verkauf formulieren, um ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen (horizontale Beeinflussung). Dies war Teil der niederländischen Umsetzung von "Sustainable Development" (Dauerhafte Entwicklung) nach dem Brundtland-Bericht (WCED 1987). IKM ist die Managementpraxis in einem industriellen Sektor, bei der jedes Kettenglied (von der Rohstoffgewinnung über Produktion, Distribution, Konsumption bis zur Beseitigung/Verwertung von Produkten) auf seine Umweltkonsequenzen hin untersucht und kontrolliert wird, um die Umweltaus-
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Wirkungen der gesamten Kette zu minimieren. Für das DCM bestehen vier (notwendige und hinreichende) Bedingungen: • Kenntnis der Stoffströme zwischen der Gesellschaft und der Umwelt, • Kenntnis der maximalen Aufnahmekapazität der Umwelt für Emissionen, • Kenntnis alternativer Optionen zur Reduktion dieser Emissionen und • entsprechende Maßnahmen. Der institutionelle Kontext des DCM wird nicht behandelt, da die Industrie dafür selbst verantwortlich ist. Ohne weitere Spezifikation wird davon ausgegangen, daß betriebliche Umweltmanagementsysteme und Ökodesign Teile des IKM-Kontexts sind. Die niederländischen Regierungsbehörden gehen davon aus, daß die Betriebe nicht ohne Anstoß von außen - weder allein noch in Zusammenarbeit - ein Integriertes Kettenmanagement aufbauen können. Auf dieser Annahme beruhen zwei gegensätzliche Ansätze zur Einfuhrung des DCM. Im ersten dieser Ansätze nehmen Regierung und Behörden die Rolle von "Kettenmanagern" an und machen Vorschläge fur eine Gesetzgebung und Regulierung, die auf "Life Cycle Assessments", Analysen von Stoffströmen usw. basieren. Im weniger extremen zweiten Ansatz werden die existierende Gesetzgebung und Regulierung um das DCM-Konzept im Sinne eines neuen Präventionsprinzips ergänzt. Cramer (1994) postuliert, daß es bei Betrieben im Gegensatz zum üblichen Wettbewerbsverhalten einen starken Willen zur Kooperation gibt, wenn es um die Verringerung von Umweltauswirkungen geht. Six (1994) analysiert das integrierte Kettenmanagement aus der Perspektive des Umweltmanagements(-systems) innerhalb und zwischen den Betrieben. Sie richtet ihr Augenmerk dabei auf Bedingungen und Verfahrensweisen einer erfolgreichen Einfuhrung des Integrierten Kettenmanagements zwischen Betrieben einer Kette. Das industrielle
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Umweltmanagements
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Ökosystem-Projekt (INES, s.u. Kap. 4) im Rotterdamer Industriegebiet liefert viele Beispiele hierfür. Mit dem neuen Begriff "industrielle Ökologie" wird die Überschreitung der Betriebsgrenzen - analog zu den strategischen Zielen bei "joint-ventures" - durch Umweltallianzen zwischen Betrieben bezeichnet. Der Begriff (in den Vereinigten Staaten von Amerika entwickelt und in den Niederlanden von Betrieben erprobt) hat sich aus einem Artikel von Frosch und Gallopoulos (1989) entwickelt, aus dem die folgende Definition stammt: "Ein industrielles Ökosystem ist die Transformation des traditionellen Modells industrieller Aktivität, in dem einzelne Betriebe Rohstoffe zu Produkten und Abfall verarbeiten, in ein integriertes System, in dem die Anwendung von Energie und Rohstoffen optimiert ist und die Abfallströme eines Prozesses die Roh- oder Hilfstoffe für einen anderen Prozeß sein können." (S. 99) Danach hat es viele Diskussionen und weitere Definitionen 3 gegeben. Diese sind abhängig von der gewählten Perspektive, die von der
3
Ayres (1989): "The metabolism of industry is the whole integrated collection of physical processes that convert raw materials and energy, plus labour, into finished products and wastes in a more or less steady-state condition." (S. 25) Allenby (1994): "To manage the earth's resources in such a way as to approach and maintain a global carrying capacity for our species which is both desirable and sustainable over time, given continued evolution of technology and quality of life. The study of what this entails, especially in terms of existing (objective) and desirable (normative) patterns, is industrial ecology." (S. 7) Ehrenfeld (1994): "Industrial ecology is a large analytical framework that serves mostly to identify and enumerate the myriad flows of materials and technological artifacts within a web of producers and consumers." (S. 232) Tibbs (1992): "Industrial ecology involves designing industrial infrastructures as if they were a señes of interlocking man-made ecosystems interfacing with the natural global ecosystem. Industrial ecology takes the pattern of the natural environment as a model for solving environmental problems, creating a new paradigm for the industrial system as a process." (S. 5) Kirschner (1995): "Industrial ecology applies the principles of natural systems sudi as carrying capacity, materialflows,resilience, and connectivity - to man-made systems." (S. 15)
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Zusammenarbeit innerhalb einer Kette bis hin zur Zusammenarbeit zwischen Ketten (Kaskaden, Abhilfeteilung usw.) reichen kann. Viele Artikel über industrielle Ökologierichtensich überwiegend auf Stoflströme und physische Transformationprozesse aus. Sie beschäftigen sich nicht mit den Koordinationsmechanismen, die innerhalb und zwischen Organisationen ablaufen und ignorieren ebenso die institutionellen Strukturen der Unternehmen. Diese können die Märkte für Rohstoffe, "commodities", Produkte, Dienstleistungen, Arbeit, Kapital und Versicherungen oder die Wettbewerbsgesetzgebung, Auskunftsrechte von Bürgern an die Unternehmen, Steuermotive, Umweltregulierungen und Haftungsfragen sowie kulturelle, soziale, geschichtliche oder ethische Strukturen sein. Industrielle Ökologie sollte die Konzepte "Neurologie des Organismus", "Wettbewerb der Arten" und "Bevölkerungsdynamik" enthalten, ohne wie die Soziobiologie zu sehr zu vereinfachen.
4. Das INES-Projekt Auf der Basis des "industriellen Ökologie"-Ansatzes hat die chemische Großindustrie im Rotterdamer Industriegebiet das INES-Pilotprojekt gestartet. Vor der Teilnahme am INES-Projekt hat der Verein "Europoort/Botlek Interessen" seit 1992 vierteljährliche Zusammenkünfte organisiert, auf denen 69 Betriebe Informationen über die Entwicklung und Einfuhrung von betrieblichen Umweltmanagementsystemen austauschen konnten. Die Betriebe waren in sechs Arbeitsgruppen eingeteilt, die in Abbildung 2 wiedergegeben werden.
Kritische Akteure des Umweltmanagements
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Abbildung 2: Übersicht über die industriellen Arbeitsgruppen in der Europoort/Botlek-Region, die mit der Entwicklung und Einfuhrung von Umweltmanagementsystemen beschäftigt waren Arbeitsgruppe
Anzahl der Betriebe
Industrielle Dienste
10
Raffinerien
7
Anorganische Chemie
11
Lagerung & Transport
15
Massengüter
13
(Petro)Chemie
13
Betriebe insgesamt
69
Die Vermittlerposition des "Europoort/B otlek Interessen"-Vereins schuf eine Plattform zur Förderung der Entwicklung von Umweltmanagementsystemen in den Betrieben, die mehr oder weniger am BS 7750Standard ausgerichtet sind. Es existiert einefreiwilligeVereinbarung mit den Behörden, solche Systeme bis spätestens 1995 einzuführen, um neue Gesetze zu vermeiden. Natürlich gibt es Pioniere und Nachzügler in einem solchen Prozeß (Rogers 1983). Periodische Zusammenkünfte zum Informationsaustausch über den Lernprozeß der Betriebe unterstützten proaktive Betriebe und brachten träge Betriebe durch "soziale Kontrolle" zum Handeln. Während des Einfiihrungsprozesses des Umweltmanagementsystems kam es in verschiedenen Betrieben zu Verzögerungen. Mit diesem Implementationsprozeß begannen die Betriebe 1994 im Rahmen des INES-Projekts. Die INES-Projektziele waren:
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1) Stimulierung der Entwicklung eines "saubere Produktion"-Konzeptes innerhalb des Umweltmanagementsystems der einzelnen Betriebe; 2) Durchführung von Netzwerkanalysen der Aktivitäten und Materialund Energieströme zwischen den Betrieben und Sensibilisierung ihrer Fähigkeiten, Abfallströme, Beiprodukte und Energie im Rahmen einer Vermeidungsstrategie wiederzuverwerten; 3) Entwicklung einer Informationsinfrastruktur zwischen Betrieben, den beteiligten Universitäten und den regionalen Behörden, um die Entwicklung eines funktionierenden industriellen Ökosystems in der Region zu fördern. Erste Erfahrungen aus dem INES-Projekt sind: • Der Widerstand am Anfang des INES-Projekts war der gleiche wie beim PRISMA-Projekt (Dieleman et al. 1991). Dieser Widerstand gegen die industrielle Ökologie war bedingt durch: Konzepte: Industrielle Ökologie wird als ein übergeordnetes Leitbild angesehen, das für den einzelnen Betrieb oder die einzelne Region nicht geeignet ist. Kenntnis: Mangel an Wissen darüber, was industrielle Ökologie sein kann. Organisation·. Frage, wer die Gesamtorganisation übernehmen soll. Mit dieser Regelung muß auch die Behörde einverstanden sein, gleichzeitig sollten die einzelnen Betriebe die Umweltstandards respektieren. Technische Aspekte: Die Betriebe investieren im Rahmen des industriellen Ökologie-Ansatzes in eine technische Infrastruktur. Sie müssen dabei ihre Investitionsentscheidungen untereinander abstimmen. ökonomische Aspekte·. Die wichtigste Bedingung war eine zumindest kurzfristige Kostenneutralität der industriellen Ökologie.
Kritische Akteure des Umweltmanagements
511
• Wichtige Einflußfaktoren für gemeinsame Aktivitäten von Betrieben sind: Infrastrukturaspekte·. Gebiete müssen nah beieinander liegen, um die Nachteile mehrfacher Logistik zu vermeiden. Konkurrenz·. Die Betriebe sind offen für Kommunikation über Belange, die nicht das Kerngeschäft betreffen, aber nicht bereit, Informationen über ihr Kerngeschäft weiterzugeben. Die Kenntnis der Produktionsprozesse der anderen Betriebe fördert die Kooperation. Teilnehmeranzahl: Die Anzahl der einbezogenen Betriebe wird durch das Wissen über Abfallmenge und Verwertungsmöglichkeiten bestimmt. Bedürfnis nach Vermittlung·. Das INES-Projekt hat bestätigt, daß das Bedürfiiis nach einem "Support system" (Côté 1995) oder "Symbiosis institute" (Christensen 1995) treibende Kraft für die Schaffung von Kooperationprozessen ist. Für die allgemeine Diskussion wurde 1996 auf Anregung des Vorstands der Erasmus Universität und der Direktion der Rotterdamer Umweltbehörden die Gesprächsplattform "(Schatz-)Suche nach Dauerhaftigkeit" mit Teilnehmern aus Betrieben, Behörden und Forschungsinstituten ins Leben gerufen.
5. Analyse des Umweltmanagements in den Niederlanden Seit 1990 gibt es in den Niederlanden verschiedene wissenschaftliche Studien im Bereich des Umweltmanagements, die anhand verschiedener Organisationstheorien (unter anderem Mintzberg 1979; Hickson et al. 1989) analysieren, welche Einflüsse Initiativen von Arbeitgeberverbänden auf die öffentliche Umweltpolitik haben. Dabei sind Umweltmanagementsysteme häufig das Forschungsobjekt. Das Streben von
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Unternehmen, bei der Gestaltung des Umweltschutzes selbst Entscheidungen zu treffen, beeinflußt die Umweltpolitik der Behörden und fuhrt zu einer Deregulierung (de Bruijn/Lulofs 1996). Le Blansch (1996) fand heraus, daß Umweltmanagement ein Lernprozeß ist. De Greene (1995) zeigt, daß der Einfluß der Umgebung eines Unternehmens nicht ausschlaggebend für die Gestaltung des Umweltschutzes ist. Dabei ist die Rolle von Umweltmanagementsystemen in der Industrie nicht fur jedes Unternehmen gleich. Der konkrete Aufbau solcher Systeme kann in Abhängigkeit von der Untemehmensstruktur, der Unternehmenskultur und dem Umfang der Umweltbelastung sehr unterschiedlich sein (Bouma 1995). Umweltmanagementsysteme haben eine Steuerungs- und eine Initiierungsfunktion. Die Steuerungsfunktion kommt durch das Entstehen neuer Regeln innerhalb des Unternehmens zustande (z.B. der Einfluß des Umweltschutzbeauftragten auf Entscheidungsprozesse über Investitionen). Die Initiierungsñxnktion ergibt sich aus Entscheidungsprozessen, wobei diese Prozesse aus dem Aufbau des Umweltmanagementsystems resultieren (z.B. Entscheidungsprozesse über Investitionen in Meßgeräte). Wie Le Blansch andeutet, ist die Entwicklung und Einführung des Umweltmanagements ein Lernprozeß; in früheren Entscheidungen wurde der Umweltaspekt erst in der Endphase des regulären Entscheidungsprozesses einbezogen. Neumann (1995) kommt zu der Schlußfolgerung, daß die Rolle der Genehmigungsbehörde in strategischen Entscheidungsprozessen beschränkt ist. Die Erkenntnisse der erwähnten Studien über Umweltmanagement in den Niederlanden zeigen, daß keine pauschalen Aussagen über den Umweltschutz in niederländischen Unternehmen gemacht werden können. Die Unternehmen können verschiedenen Phasen des Umweltmanagements zugeordnet werden (reaktiv, rezeptiv, konstruktiv, proaktiv). Die Tendenz geht in die Richtung von proaktiven Unter-
Kritische Akteure des Umweltmanagements
513
nehmen, wobei sich die Zahl der betriebsinternen Akteure, die fur die Entwicklung und Einführung von Umweltmaßnahmen zuständig sind, im Lauf der Zeit vergrößert hat. Die nächste Abbildung veranschaulicht den Zusammenhang zwischen den Phasen des Umweltmanagements und den jeweils relevanten Akteuren (Winsemius 1993). Abbildung 3: Arten von Unternehmensverhalten gegenüber der Umwelt Reaktiv
Rezeptiv
Perspektive
End-of-pipe Prozeß
Akteur
Spezialist
Manager
Konstruktiv Proaktiv Produkt
Bedürfnisse
Industrieller Sektor
Gesellschaft
Konsequenz Minimierung Optimierung Quantensprung
Vision
Auf der ersten Stufe und damit am Beginn unternehmerischer Umweltaktivitäten steht die Reaktion, um den Anforderungen der aktuellen Gesetze zu genügen. Maßnahmen werden ad hoc und gemäß der Gesetzgebung und Regulierung durch die Behörden ergriffen. In dieser Phase kann die Installation von "end-of-pipe", "pollution control" und "waste clean-up"-Technologien beobachtet werden. Die rezeptive Antizipation zunehmend strengerer Umweltrichtlinien geht über die einfache Reaktion hinaus. Das betriebliche Management bezieht bei einer solchen Antizipation mit ein, daß sich diese Aktivitäten positiv auf die Beziehungen zu Behörden und auf die Umwelt auswirken. Daher wird diese Strategie zunehmend von Unternehmen verfolgt. Die konstruktive Entwicklung
neuer Konzepte weist den
Unternehmen die Verantwortung für alle Phasen im Lebenszyklus ihrer
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Leo Baas/Jan Jaap Bouma/Wim Hqfkamp
Produkte zu. Dieses Konzept wird zunehmend zur allgemeinen Managementpraxis, zu deren Einführung Unternehmen durch den Wettbewerb untereinander animiert werden. In den Niederlanden existieren freiwillige Vereinbarungen über Umweltziele zwischen staatlichen Stellen und verschiedenen Branchen, zu deren Einhaltung die einzelnen Unternehmen der Branche verpflichtet sind. Die interessanteste Stufe für die Einführung des "saubere Produktion"-Ansatzes ist die proaktive Vorgehensweise. Die proaktive Einstellung strebt danach, die Bedürfnisse der Gesellschaft mit umweltfreundlichen Untemehmensaktivitäten zu verbinden und zeichnet sich durch "internalization of environmental stewardship thinking and action" aus. Einige wichtige Elemente dieser Unternehmenseinstellung sind: • Anerkennung einer guten Umweltqualität als integralen Faktor für dauerhafte industrielle Aktivitäten; • Anerkennung eines guten Umweltmanagements als wichtigen Faktor für den Fortbestand des Unternehmens - kein Betrieb kann sich langfristig ein Ungleichgewicht mit seiner Umgebung erlauben; • Integration der Umweltziele mit dem Qualitätskonzept für Produkte; • Bewußtsein, daß alle Umweltbelastungen die Folgen von Fehlern bei Produktdesign, RohstofFauswahl und Produktionsprozeßaufbau sind. Die genannten Elemente der proaktiven Einstellung fallen mit den verschiedenen Betriebsebenen zusammen, auf denen Veränderungen stattfinden sollen. Diese Ebenen sind die System-, die Strategie- und die Wertebene (Huisingh 1989): • Auf der Systemebene wird die ganze Unternehmensorganisation dahingehend betrachtet, wie sie sich in Richtung "saubere Produktion" entwickeln kann.
Kritische Akteure des Umweltmanagements
515
• Auf der Strategieebene sollten die Unternehmen vorausschauend und kontinuierlich alle Umweltaspekte in Produktionsprozesse und Produkte integrieren. • Auf der Wertebene wird nicht nur über die Produktionsaktivitäten an sich diskutiert, sondern es wird auch die Notwendigkeit der betrieblichen Produktionsaktivitäten und die Relevanz der Produkte für die Gesellschaft und die Umwelt hinterfragt. Die Daseinsberechtigung spezifischer Produkte wird ebenfalls kritisch untersucht. Die Moralund Ethikbasis der Produkte und der Produktion müssen unter Nachhaltigkeitsaspekten diskutiert werden. Der Kampf gegen die Umweltverschmutzung ist in der reaktiven Phase auf einzelne betriebsinterne Akteure im Abfallmanagement beschränkt. Beim proaktiven Ansatz sind alle betriebsinternen Akteure, Produktionsprozesse, Produkte und ihr Entwurf, Einkauf, Administration, Marketing und so weiter einbezogen. Die Verbindung mit den gesellschaftlichen Aspekten der Produktion und Produkte bringt zusätzliche externe Akteure ins Spiel und schafft neue Regulierungsaufgaben fur die Behörden. Das "saubere Produktion"-Konzept wurde anhand von Pilotprojekten von mehreren Universitäten und privaten Umweltforschungsinstituten entwickelt. Weil dieses Konzept nur teilweise der Hauptrichtung der industriellen Entwicklung entspricht, sind für seine Umsetzung Initiatoren und Förderer notwendig. In den Niederlanden treten beispielsweise private und öffentliche "VermeidungsfÖrderungsteams" als neue Akteure des Umweltmanagements auf. Neben der Umsetzung in den Niederlanden hat der "saubere Produktion"-Ansatz auch eine europäische ("European Roundtable for Cleaner Production") und eine globale Dimension bekommen (jährliche "Greening of Industry"Konferenz; UNIDO/UNEP "National Cleaner Production Centres" in
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Ländern wie Brasilien, China, Indien, Mexiko, Slowakei, Tanzania, Tschechien, Tunesien und Zimbabwe).
6. Zusammenfassung Die verschiedenen Umweltleitpläne der niederländischen Regierung, die freiwilligen Vereinbarungen mit Industriebranchen, die Entwicklung betrieblicher Umweltmanagementsysteme, "Integriertes Kettenmanagement" und "industrielle Ökologie" sind neue Aktivitäten in den Niederlanden, um Umweltverschmutzung zu vermeiden. Mit diesen Konzepten verfolgen die unterschiedlichen Akteure das Ziel "nachhaltiger Entwicklung" der "World Commission on Environment and Development": "not a fixed state of harmony, but rather a process of change in which the exploitation of resources, the direction of investments, the orientation of technological development, and institutional change are made consistent with future and present needs". (WCED 1987, S. 48) In "Pathways of Understanding" (CIESIN 1992) wurde vorausgesetzt, daß, um dauerhafte Entwicklung Wirklichkeit werden zu lassen, die Wissenschaft neue Theorien und Methoden für Konzepte wie "saubere Produktion", innovative Formen sozialer Organisation und neue Handlungsmöglichkeiten entwickeln muß. Die Forschung über Optimierte Umweltmanagementsysteme und "saubere Produktion" stimuliert in den Niederlanden ein wachsendes Bewußtsein der Vermeidung von Umweltbelastungen, das innerhalb und zwischen Betrieben neue Konzepte und Koalitionen für eine dauerhafte Entwicklung fördert. Integriertes Kettenmanagement und industrielle Ökologie sind ebenfalls Konzepte, die nur innerhalb neuer Kooperationsformen funktionieren können. Mehr als zuvor zeigt sich, daß die menschlichen Ursachen der Umweltprobleme gesellschaftlich in
Kritische Akteure des Umweltmanagements
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konkreten Kooperationsnetzwerken gelöst werden sollten. Dabei sind die Ergebnisse von Organisationsanalysen von großem Wert für die Beurteilung der Effekte der öffentlichen Umweltpolitik. Sie zeigen, daß über den Umweltschutz in niederländischen Unternehmen keine pauschalen Aussagen gemacht werden können und daß sich die Unternehmen in ganz verschiedenen Entwicklungs- und Umsetzungsphasen des Umweltmanagements befinden.
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518
Leo Baas/Jan Jaap Bouma/Wim Hajkamp
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Kritische Akteure des Umweltmanagements
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I V . PRAXIS
Carsten Gellrich, Alexandra Luig und Reinhard Pfriem
Ökologische Unternehmenspolitik: von der Implementation zur Fähigkeitsentwicklung
"Wir konstruieren ein neues Bild, das wir sehen, sofort mit Hilfe aller alten Erfahrungen, die wir gemacht haben, je nach dem Grade unserer Redlichkeit und Gerechtigkeit. Es gibt gar keine andern als moralische Erlebnisse, selbst nicht im Bereiche der Sinneswahrnehmung. " (Friedrich Nietzsche: Umfang des Moralischen, aus: DiefröhlicheWissenschaft) Was wir zu Mikropolitik im Umweltschutz beitragen, sind erste Schlußfolgerungen aus einem Projekt zur ökologischen Entwicklungsfähigkeit1, das in enger Kooperation mit elf derjenigen Unternehmen durchgeführt wird, die allgemein als ökologische Vorreiterfirmen gelten. Dabei geht es um die These, daß in einer zweiten und höheren Phase ökologischer Unternehmenspolitik eher weiche Faktoren der Unternehmensführung ausschlaggebend sind für weitere Erfolge. Zur Heranführung an diese These wird (1) die bislang dominierende Vorstellung betrieblichen Umweltmanagements mit dem betriebswirtschaftlichen Diskurs normativer Grundlagen der Unternehmensführung konfrontiert. Danach wird (2) das, was der Begriff der Mikropolitik zu transportieren scheint, in Bezug gesetzt zur ökologischen Herausforderung der Unternehmen. Mit Blick auf die einschlägige Literatur
1
Im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt
524
Carsten Gellrich/Alexandra Luig/ReinhardPfriem
stellen wir (3) unser Konzept der ökologischen Entwicklungsfähigkeit vor. Auf dieser Grundlage werden (4) einige Aspekte des laufenden Projektes näher beleuchtet, bevor der Text (5) mit einigen vorläufigen Schlußfolgerungen endet.
1. Betriebliches Umweltmanagement und normative Grundlagen der Unternehmensfuhrung Der Aufbruch ausdrücklicher ökologischer Unternehmensfuhrung in Deutschland in der Mitte der achtziger Jahre ist durch einen merkwürdigen Zwiespalt geprägt. Einerseits wurde die Gründung der Vereinigungen B.A.U.M. (Bundesdeutscher Arbeitskreis Umweltbewußtes Management) und Förderkreis Umwelt - future mit dem Anspruch verbunden, aus gesellschaftlicher Verantwortung heraus unternehmensseitig mehr für den Umweltschutz zu tun, als sich aufgrund staatlicher Restriktionen und dem Verfolg des allgemeinen Rentabilitätskalküls gleichsam gratis ergibt. Auf der anderen Seite trimmten sich die beteiligten Akteure gegenseitig auf die Behauptung, aktiver betrieblicher Umweltschutz habe schnell sichtbare harte betriebswirtschaftliche Vorteile. So war etwa im Untertitel des größten empirischen Projektes dieser Zeit (FUUF 1991) programmatisch von Möglichkeiten zur Kostensenkung und Erlössteigerung die Rede. Der rasch VerbreitungfindendeBegriff Umweltmanagement selbst lieferte bereits die Suggestion, hier könne durch ein neu entdecktes Geschäftsfeld die "schnelle Mark" gemacht werden. In diesem Sinne sahen (und sehen) einige betriebswirtschaftliche Strömungen keine grundsätzlichen Probleme bei der Integration ökologischer Problemstellungen in die eigene Disziplin:
ökologische Unternehmenspolitik.
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• Die Marketinglehre nahm Umweltschutz als neue marktliche Anforderung auf, der Unternehmen durch entsprechende Erweiterung des traditionellen Marketing-Mix Rechnung tragen könnten (repräsentativ Meffert/Kirchgeorg 1992). • Die Unternehmensfuhningslehre identifiziert das neue Feld des Managements der Umweltbeziehungen (Dyllick 1989). • Die betriebswirtschaftliche Produktionstheorie ringt sich zu dem Eingeständnis durch, Abfälle (nicht die Produkte selbst!) qualitativ als "Übel" zu kennzeichnen, und widmet sich dem neuen kommerziellen Zweig der Entsorgungsindustrie (Dyckhoñ/Souren 1993). Eine solche Integration hat natürlich bloß additiven Charakter, es wird der Frage, inwiefern die ökologische Herausforderung grundsätzliche Probleme der überkommenen einzelwirtschaftlichen Handlungslogik aufwirft, nicht nachgegangen, und daher wird auch keine wesentliche Verpflichtung dazu gesehen, die normativen Grundlagen der Unternehmensführung zu rekonstruieren und eventuell neu zu konstituieren. Deshalb ist es auf den zweiten Blick schon weniger erstaunlich, daß sich in den Aufbruchjahren ökologischer Unternehmenspolitik (meist eben kleingearbeitet zu betrieblichem Umweltmanagement) wenig Druck ergab, die Verbindung zu jenen Diskussionen zu suchen, innerhalb derer der immer schon gegebene Wertbezug von Unternehmensföhrung genauer analysiert wird. Dabei war im Rahmen des systemorientierten Ansatzes der Betriebswirtschaftslehre unter der Federführung von Hans Ulrich an der Hochschule St. Gallen schon Jahre vorher daraufhingewiesen worden, daß die operative und die strategische Ebene des Managements um eine normative zu ergänzen sind, über die erst die grundlegende Orientierung des Unternehmens gewonnen werden kann.
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r r
Carsten Gellrich/Alexcmdra Luig/ReinhardPfriem
Abbildung 1: Stufen des Managements Normatives Management
—^
Festlegen der "Management-Philosophie": Einstellungen, Überzeugungen, Werthaltungen, nach denen das Unternehmen geführt werden soll
Strategisches Management
^ β
—^
Bestimmen der Ziele und des Leistungspotentials der Unternehmung
Quelle: Pfriem Operatives 1995,170 Management
^ M
Organisation und Lenkung der laufenden Aktivitäten des Unternehmens
Natürlich sind der Konzeption von Hans Ulrich aus kritischsozialwissenschaftlicher Sicht defizitäre Normenbegründungen und von daher affirmative Züge nicht abzusprechen (Pfriem 1995, 135 ff.), aber rascher und eindeutiger als die meisten deutschen Fachvertreter reflektierte der St. Galler Ansatz mit seinem daraus abgeleiteten Management-Konzept,
daß Wertorientierungen und Normen in
strategischen Unternehmensentscheidungen eine wesentliche Rolle spielen. Diese Einsicht war schließlich auch nicht durch bloßes Nachdenken gewonnen worden, sondern brachte praktische Verän-
derungen in der Beziehung zwischen den Unternehmen und ihren gesellschaftlichen Umwelten auf den Begriff. So hatten Unternehmen gerade in Deutschland in den Jahren nach 1968/69, als die gesellschaftliche Diskussion von arbeitspolitischen Reformperspektiven geprägt war (Humanisierung der Arbeit, erweiterte Mitbestimmung etc.), über schriftlich fixierte Unternehmensphilosophien
verstärkt
versucht, zeitgemäßere Führungsstile und Führungsstrukturen zu entwickeln. Die damit losgelassene Dynamik brachte ein Jahrzehnt
ökologische Unternehmenspolitik.
527
später (wieder unter starkem USA-Import) vielfaltige Publikationen und praktische Ansätze hervor, die unter dem Begriff Unternehmenskultur auf den Plan traten. Und insbesondere im Lichte der ökologischen Herausforderung von Unternehmenspolitik ist in den letzten Jahren eine Debatte über Unternehmensethik entstanden, die längst nicht mehr nur PR-Charakter hat. Wir können diese Entwicklung in der Sprache Hans Ulrichs als drei Wellen normativen Managements kennzeichnen, wobei ach die Beziehungen der beteiligten Akteure in bemerkenswerter Weise verändern. Abbildung 2: Drei Wellen normativen Managements
Zeit
auslösendes Problem
1) Unternehmensphilosophien
70er Jahre
Mangelnde Partizipation bei der Führung
2) Unternehmenskultur
80er Jahre
Geistigkulturelle Orientierung innerhalb der Unternehmen
Bezeichnung
3) Unternehmensethik
90er Jahre
Charakterisierung //MJnternehmung\ / y * )
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Externe gesell,• M J n t e r n e h m u n g X schaftliche, v.a. ( ökologische \ Herausforderung ^ ^ M i t a r b e i t e r /
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Gesellschaft
Quelle: Pfriem 1995,173
528
Carsten Gellrich/Alexandra Luig/ReinhardPfriem
Schon bei den unter dem Begriff Unternehmenskultur stattfindenden Diskussionen und praktischen Ansätzen tauchte die Frage auf, inwiefern es hier - ganz im Sinne eines "top-down"-Verständnisses von Organisation - einseitig um die geistig-kulturelle Bindung der Belegschaften an die Unternehmensfuhrungen gehen solle (so Peters/Waterman 1984), oder ob die Bereitschaft, die geistig-kulturelle Dimension von Unternehmen zu akzeptieren, nicht genau dieses herkömmliche zentralistische Verständnis von Führung grundsätzlich infragestellt. Mit einer Definition von Organisationskultur, diese sei "sowohl Bedingung als auch Folge von Führungsprozessen" (Ebers 1987, 1619), wird dieser Frage ja noch ausgewichen. Auch die Anerkennung von Subkulturen innerhalb des Unternehmens als nüchterne Einsicht in die Pluralität unternehmensinterner Wertorientierungen kann noch zentralistisch verbogen werden. Erst die Emanzipation von der Vorstellung, die Unternehmen seien als Veranstaltungen von Kapitaleignern hinlänglich definiert (eine Idee, für die unter dem Begriff des "shareholder value" gegenwärtig versucht wird, eine Renaissance zu organisieren), und als Ergebnis davon die Wahrnehmung des Unternehmens als quasi-öfifentlicher Institution (P. Ulrich 1977) entdecken hinter den sogenannten weichen Faktoren der Führung das Unternehmen als Ort von Auseinandersetzungen um verschiedene Leitbilder, Entwicklungsrichtungen und Ziele. Bevor wir diese Entdeckung mit Blick auf den mikropolitischen Diskurs noch etwas vertiefen, ist uns der Hinweis wichtig, daß die Literatur zu ökologischer Unternehmensfuhrung bzw. betrieblichem Umweltmanagement der geistig-kulturellen Dimension der Unternehmen bis in die letzten Jahre kaum Bedeutung beigemessen hat. Das läßt sich vielleicht daran illustrieren, daß in den meisten Fällen die Frage der betrieblichen Umweltpolitik als technische und im engen Sinne ökonomische kleingearbeitet wurde und demgegenüber schon Analysen
ökologische Unternehmenspolitik.
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zur Organisation des betrieblichen Umweltschutzes unterbelichtet bzw. darauf beschränkt blieben, gesetzlich vorgeschriebene und andere existierende harte Organisationsformen nachzuzeichnen. (Pfriem 1995, 371)
2. Mikropolitik und ökologische Herausforderung der Unternehmen Die Quellen des Begriffs Mikropolitik werden fur die deutsche Diskussion übereinstimmend mit Burns (1962) und Bosetzky (1972) angegeben (so Ortmann 1995, 45, und Neuberger 1995, 14). In Abgrenzung zur umfassenden Unternehmenspolitik will Neuberger darunter "das Arsenal jener alltäglichen 'kleinen' (Mikro-)Techniken" verstanden wissen, "mit denen Macht aufgebaut und eingesetzt wird, um den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und sich fremder Kontrolle zu entziehen" (1994, 261). Ortmann (1995, 46) kritisiert Bosetzky wegen dessen Psychologisierung des Problems der Macht in Organisationen. Tatsächlich stellt sich die Aufgabe, wie Macht als Phänomen entmystifiziert, d.h. der ausschließlich negativen Konnotationen entkleidet werden kann, die aus einer ebenfalls ausschließlich negativen, d.h. das Gesellschaftssystem ablehnenden und positive Veränderungsmöglichkeiten ignorierenden bzw. denunzierenden sozialwissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskurstradition stammen. Vor dem Hintergrund der ökologischen Krise muß die Frage nach der Macht in ganz naiver Weise positiv gestellt werden: wie kann in entwickelten industriellen Gesellschaften, in denen der Kurs auf exponentielle Zerstörung der ökologischen Lebensbedingungen geht, genügend Macht organisiert werden, um eine ökologische Kehre zu schaffen?
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Carsten Gellrich/AIexandra Luig/Reinhard Pfriem
Frühere Hofinungen auf soziale Bewegungen, die ausschließlich von außen und gegen Unternehmen ihre Macht ins Spiel bringen, haben sich mittlerweile verschlissen. Natürlich gibt es weiterhin immer erneut Widerstand von Anliegern, Umweltschutzorganisationen oder anderen Teilen der Öffentlichkeit gegen konkrete Planungen von Unternehmen, doch ist die Einsicht gewachsen, "Unternehmen als mögliche Akteure von Umweltpolitik" (Pfriem 1995, 23 ff.) ernstzunehmen. Und dies nicht etwa nur, weil eine pragmatische Alternative zur Resignation verzweifelt gesucht werden müßte, sondern weil zahlreiche, weniger dem kurzfristigen Rentabilitätskalkül als wahrgenommener Unternehmerverantwortung entspringende, umweltentlastende Maßnahmen und Aktivitäten von Unternehmen in den vergangenen 10 Jahren die in dieser Hinsicht lange schlafende Betriebswirtschaftslehre geweckt und eine wachsende Zahl von Skeptikern zumindest haben anfangen lassen, denken zu können, daß Unternehmen eine positive Rolle im umweltpolitischen Akteursnetz spielen könnten. Denkmöglich wird eine solche Option in dem Maße, in dem der Glaube an das ökonomische Verhaltensmodell aufgegeben wird, wonach "Verhalten von Individuen erklärt" wird, "indem unterstellt wird, daß sie rational handeln" (Kirchgässner 1991, 18), und die Möglichkeit zur Veränderung menschlichen Verhaltens wesentlich enggefuhrt wird auf die Veränderung der externen Restriktionen (27). Damit wird der Blick frei auf unternehmenspolitische Handlungs- und Entscheidungsfreiräume, die sich im ersten Schritt schon daraus ergeben, daß unterschiedliche Unternehmen unterschiedliche Wirklichkeiten bezüglich der Handlungserfordernisse und der Entscheidungstatbestände definieren (Pfriem 1995, 153 ff; Hailay 1996, 141 ff.). Solche Handlungs- und Entscheidungsfreiräume sind allerdings nicht allein erkenntnistheoretisch fundiert, sondern darüberhinaus über die Art und Weise, wie Unternehmen mit steigender Umweltkomplexität
ökologische Unternehmenspolitik.
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gerade dadurch umgehen (müssen), daß sie einen eigenen kulturellen Code schaffen und Autonomie aufbauen (Bardmann 1994, 371; Minder 1994). Der Begriff Autonomie könnte mißverstanden werden, wenn er zu allgemein zur Charakterisierung der Situation des Unternehmens in bezug auf seine Umwelten aufgefaßt wird, macht aber Sinn als ein wesentlicher Aspekt selbstorganisierender sozialer Systeme, zu denen auch Komplexität, Selbstreferenz und Redundanz gehören (Pfriem 1995, 149 ff.). Die Beziehung, mit der wir es hier vor allem zu tun haben, ist die zwischen Unternehmen und externen Umwelten, hinter der die vorher bezeichnete mindestens potentiell kontroverse interne Vielfalt zu verschwinden droht. Zweifellos muß für das im deutschen Sprachraum aus Hans Ulrichs systemorientierten Ansatz der Betriebswirtschaftslehre herausgewachsene Anspruchsgruppenkonzept der Unternehmung kritisch vermerkt werden, daß es mit Arbeitnehmern, Management und Eigenkapitalgebern drei interne Anspruchsgruppen identifiziert, den Auseinandersetzungen und machtbezogenen organisationsinternen Spielen in vielen Darstellungen und Erläuterungen dieses Konzeptes jedoch nicht viel Beachtung geschenkt wird. Von einem umgekehrten Manko scheint bisher der mikropolitische Ansatz geprägt zu sein. Ortmann formulierte vor einigen Jahren dazu: "Wir selbst (gemeint sind Küpper und er, R.P.) haben für jene 'organisational Innenpolitik', um die es hier im wesentlichen geht, die Bezeichnung 'Mikropolitik' vorgeschlagen, um sie von Politik auf der Ebene des Staates, aber auch von dem abzugrenzen, was in der Betriebswirtschaftslehre unter Rubriken wie Betriebswirtschaftspolitik, Unternehmenspolitik, Strategische Planung oder Strategische Führung behandelt wird." (1992, 18) Ortmann hat inzwischen vorgeschlagen, den mikropolitischen Ansatz auch auf die von Sydow (1992) analysierten strategischen Netzwerke zu beziehen, und verbindet damit die These, "daß sich die mikropolitische Theorie der Organisation durchaus
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nicht auf eine intraorganisationale Perspektive beschränkt, sondern sehr wohl interorganisationale Beziehungen thematisieren kann" (Ortmann 1995, 49). Wir halten dies für einen Schritt in die richtige Richtung, meinen aber, daß die In-Blick-Nahme der externen Ziele und Aufgäben •von Unternehmenspolitik doch über die Hereinnahme der strategischen Netzwerke und des damit verbundenen Managements systematisch hinausgeht. Das Gesamtfeld der externen Anspruchsgruppen bzw. die kritische Öffentlichkeit zwingt die Unternehmung in ein von Grund auf komplexeres Interaktionsnetz. Für die in ökologischer Hinsicht fundamentale Beziehung zwischen Unternehmen und externen Umwelten ließe sich zur Überwindung beider potentieller Einseitigkeiten formulieren, daß es um die Innenpolitik der Außenpolitik gehen müßte (insofern auch um die Außenpolitik der Innenpolitik). Mikropolitik sollte weniger in Abgrenzung zur Untemehmenspolitik definiert als ihre Verschränkung aufgezeigt werden. Wir kommen darauf im letzten Abschnitt noch einmal zurück.
3. Konzepte einer ökologischen Entwicklungsfähigkeit 3.1 Historische Konzepte Mit der Einfuhrung systemtheoretischer Gedanken in die Betriebswirtschaftslehre Anfang der siebziger Jahre wurde auch der Begriff der Entwicklung von Unternehmen vor diesem Hintergrund definiert. Unternehmen werden als ganzheitliche Systeme betrachtet, die dynamisch und offen sind (Paul 1985, 103). Diese Systeme sind wiederum von anderen Umsystemen umgeben (37). Aufgrund ihrer Eigenschaften als offene und dynamische Systeme läßt sich eine bestimmte Definition
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von Entwicklung von Unternehmen ableiten. Unternehmen als offene Systeme passen sich den von der Umwelt an sie herangetragenen Anforderungen an. Dies meint, daß die an das Unternehmen herangetragenen Umwelteinflüsse - in diesem Kontext nicht nur auf ökologische Einflüsse bezogen, sondern auch auf Einflüsse aus dem gesetzlichen, marktlichen, technologischen Bereich - den bestimmenden Faktor einer unternehmensbezogenen Entwicklung darstellen (2). Die Diskussion um den radikalen Konstruktivismus hat in der Betriebswirtschaftslehre in Teilen zu der Ansicht gefuhrt, daß Unternehmen nicht mehr in der bisherigen Form als offene Systeme zu begreifen sind. Unternehmen sind natürlich im Bereich Stoff- und Energieströme sowie im Informationsbereich offene Systeme insofern, als diese Ströme von außen an das Unternehmen herangetragen werden und ein Unternehmen ohne diese Ströme nicht existenzfähig wäre. Unternehmen sind aber in ihrer Art und Weise, wie sie mit den von außen an das Unternehmen herangetragenen Informationen umgehen, nicht länger als offen und von der Umwelt determiniert zu betrachten. Unternehmen als Systeme entscheiden selbst, welche Informationen sie wahrnehmen und wie sie diese wahrnehmen. Auch die Ableitung von Konsequenzen und Handlungen aus wahrgenommenen Informationen unterliegt allein dem System Unternehmung. Daher können Unternehmen als operativ geschlossene Systeme charakterisiert werden (Baitsch 1993, 27). Die im folgenden kurz skizzierten Eigenschaften sozialer Systeme sowie die darauf basierende Darstellung der Lernfähigkeit von Unternehmen als sozialen Systemen basiert auf der letztgenannten Definition von Unternehmen als operativ geschlossenen Systemen. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird dann eine Definition ökologischer Entwicklungsfähigkeit abgeleitet.
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3.2 Funktionsfahigkeit sozialer Systeme unter Berücksichtigung der ökologischen Herausforderung Die menschliche Wahrnehmung erfolgt, indem der wahrgenommenen Information im Gehirn eine Bedeutung zugewiesen wird (Schmidt 1992, 14). Wahrgenommen wird also nicht, was objektiv ist, sondern die Wirklichkeit, die der Mensch sich selbst konstruiert (15). Die Wahrnehmung ökologischer Informationen erfolgt vor dem Hintergrund vielfältiger Hemmnisse. Hier sollen nur kurz die wichtigsten angerissen werden (Preuss 1991, 47-66): • Aufgrund der Komplexität von Wirkungszusammenhängen bleiben viele Folgen des eigenen Handelns der direkten Wahrnehmung des Menschen entzogen. • Schleichende Umweltschäden fuhren oft zu einer Verschiebung der Wahrnehmungsschwelle, ohne bemerkt zu werden. • Bewertungen von ökologischen Informationen erfolgen wesentlich auf der Basis von alten Bezugsrahmen. Da ökologische Belange in der Gesellschaft relativ neu sind, fehlt es oftmals an Erfahrungen, die bei einer Bewertung als Grundlage dienen könnte. So wird häufig auf bereits bestehende Erfahrungen zurückgegriffen, die mit ökologischen Belangen nichts zu tun haben. • Das Wissen von der Existenz der ökologischen Krise ist allgemein vorhanden. Es fehlt aber häufig detailliertes Wissen im Einzelnen. Lenkt man nun die Sicht weg vom Individuum hin zu Unternehmen als sozialen Systemen, so gibt es auch hier mehrere Hemmnisse, die den Umgang mit der ökologischen Herausforderung betreffen. Jedes soziale System hat einen eigenen Bezugsrahmen, der allen Systemmitgliedern bekannt ist und auf dessen Grundlage sie handeln und kommunizieren. Jede Handlung und Kommunikation wirkt auch auf den Bezugsrahmen zurück und verändert ihn (Hejl 1992a, 319). Im Fall von Unternehmen
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kann der Bezugsrahmen auch als Unternehmenskultur bezeichnet werden (Wollnik 1988, 63). Die schon oben erwähnte Bewertung ökologischer Belange auf Grundlage von veralteten Bezugsrahmen gilt nicht nur für Individuen, sondern noch in verschärftem Maße für soziale Systeme. Die Lernbereitschaft sozialer Systeme ist zwar vorhanden. Doch auch wenn an ein Unternehmen neue Deutungsmuster herangetragen werden, bedeutet dies noch nicht, daß diese neuen Muster akzeptiert und in den Bezugsrahmen integriert werden. Soziale Systeme haben mittels sozialer Kontrollen die Möglichkeit, die Integration neuer Deutungsmuster in den Bezugsrahmen zu verhindern. Sie handeln und kommunizieren dann auf Grundlage des alten Bezugsrahmens und haben daher eine Tendenz zu latentem Konservatismus (Hejl 1992a, 327f.). In größeren Unternehmen sind aus räumlichen und zeitlichen Gründen oftmals nicht alle Beziehungen der Systemmitglieder ausgeprägt, die möglich wären. Über die Selektivität der Beziehungen sind die Möglichkeiten der einzelnen Systemmitglieder, auf den Bezugsrahmen einzuwirken, höchst unterschiedlich, da jedes Mitglied unterschiedliche Einflußmöglichkeiten und Beziehungen innerhalb des Systems besitzt (Hejl 1992b, 279). Werden nun neue Deutungsmuster von allen Mitgliedern als sinnstiftend angesehen, so werden die neuen Inhalte in den gemeinsamen Bezugsrahmen eingearbeitet. Sie sind dann für das gesamte soziale System - und dadurch für alle Systemmitglieder - verfügbar. Handlungen und Kommunikationen beziehen sich dann auf den neuen, ausdifferenzierten Bezugsrahmen. Dem System stehen dadurch mehrere Möglichkeiten offen, eine Information zu beurteilen und entsprechend zu handeln. Diese Transformation neuer Informationen und Handlungsmuster in einen Bezugsrahmen wird hier als Ausdifferenzierung des Bezugsrahmens bezeichnet. Hejl bezeichnet dies als Vorgänge, die Lernprozessen ähnlich oder identisch sind (285).
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3.3 Lernprozesse als AusdifTerenzierung des Bezugsrahmens Individuelles Lernen bedeutet die Verarbeitung von wahrgenommenen Informationen, indem sie in den vorhandenen Bezugsrahmen integriert werden. In welcher Art und Weise dies geschieht, hängt von den individuellen Erfahrungen ab. Durch die Integration neuer Informationen stehen dem Individuum nun geänderte Verhaltens- und Handlungsoptionen zur Verfügung. Es muß aber nicht zwingend zu einer Nutzung kommen. Individuelles Lernen kann also mit der Ausdifferenzierung des individuellen Bezugsrahmens gleichgesetzt werden (Klimecki/Lassleben/Riexinger-Li 1994, 20). "Lernen bezeichnet denProzeß der Veränderung von Wirklichkeitskonstruktionen durch die Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen." (22) Soziale Systeme handeln und kommunizieren - wie in Kapitel 3.2 beschrieben - auf Grundlage des gemeinsamen Bezugsrahmens. Lernen als Vorgang, der das gesamte System und nicht nur Individuen als Teile des Systems betrifft, muß also auf der Grundlage des Bezugsrahmens des Systems erfolgen. Ebenso wie bei individuellen Lernvorgängen werden bei Wahrnehmungsprozessen sozialer Systeme Informationen durch den systemeigenen Bezugsrahmen entsprechend den bisherigen Erfahrungen bewertet und integriert. Ihm stehen dadurch ausdifferenziertere Verhaltens- und Handlungspotentiale zur Verfügung (Klimecki/ Lassleben/Riexinger-Li 1994, 23). Dieser organisationsinterne, subjektive Vorgang kann organisationales Lernen genannt wird (Probst/ Büchel 1994, 17). "Als organisational Lernvorgänge bezeichnen wir somit alle Prozesse, die zu einer AusdifFerenzierung der kognitiven Strukturen/Wirklichkeitskonstruktionen einer Organisation führen, da mit einer solchen AusdifTerenzierung zugleich auch eine Erhöhung des Problemlösungspotentials der Organisation stattfindet." (Klimecki/ Lassleben/Riexinger-Li 1994, 25)
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Organisationales Lernen unterscheidet sich aber von individuellem Lernen nicht nur aufgrund der Anzahl der beteiligten Personen. Organisationale Lernprozesse sind Lernprozesse des Systems und damit nicht an den Verbleib der Mitglieder im System gekoppelt. Der gemeinsame Bezugsrahmen dient als Wissensspeicher des Systems, in dem Wissen, Erfahrungen und Handlungsabläufe gespeichert sind, die sich das System erarbeitet hat. Dieser Inhalt existiert unabhängig vom Verbleib der Systemmitglieder und wird an neue Mitglieder weitergegeben. Organisationale Lernprozesse haben also eine andere Qualität als die Summe individueller Lernprozesse (Probst/Büchel 1994, 18). Grundsätzlich gibt es verschiedene Arten von Lernprozessen, die sich dadurch unterscheiden, in welcher Tiefe sie den Bezugsrahmen verändern (35). Hier sollen drei verschiedene Ebenen unterschieden werden: • "Single-Loop "-Lernen: Hier erfolgt Lernen als Anpassung innerhalb des existierenden Bezugsrahmens. Dieser Lernprozeß wird durch Fehlermeldungen ausgelöst und dient der Bestätigung des vorhandenen Bezugsrahmens. • "Double-Loop"-Lernen·. In dieser Lernform ist nicht nur die Handlung selbst Gegenstand des Lernprozesses, sondern auch der Bezugsrahmen als Grundlage der Handlung. Auch dieser Lernprozeß ist als reaktiv zu kennzeichnen, da auf wahrgenommene Fehler im nachhinein reagiert wird. • "Deutero "-Lernen: Erst hier erfolgt Lernen nicht mehr als reaktiver Prozeß. Deutero-Lernen bedeutet die Hinterfragung von Kontexten, in denen Lonen erfolgt. Der Lernprozeß selbst wird einer kritischen Reflexion unterzogen, um die Bedingungen fur künftiges Lernen zu verbessern. (Sackmann 1993,232) Die Ausdifferenzierung des Bezugsrahmens ist aber nicht nur von der Art der Lernprozesse abhängig. Wesentlich sind auch die Bedin-
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gungen, unter denen sie stattfinden. Es kann eine Vielzahl von Hemmnissen auftreten, die Lernprozesse stören oder gar nicht erst zulassen: • Lernprozesse, die nur wenige Systemmitglieder betreffen, werden nicht unbedingt in den Bezugsrahmen integriert, da Ergebnisse von Lernprozessen erst dann als gesichert gelten, wenn sie kollektiv bestätigt werden (Pautzke 1989, 100). Ökologisches Wissen ist aber oftmals nicht detailliert vorhanden. Versuchen nun nur wenige Systemmitglieder, neu erworbenes Wissen zu integrieren, kann es zu sozialen Kontrollen kommen, die dies verhindern. • Auslöser von Lernprozessen sind oftmals Probleme. Werden diese Probleme aufgrund mangelnder Früherkennung aber erst erkannt, wenn der Zeit- und Handlungsdruck schon sehr hoch ist, so ist häufig die Erarbeitung innovativer, dem Problem angepaßter Lösungen nicht mehr möglich (120). Gerade für ökologische Probleme lassen sich Lösungen aber selten aus alten Problemlösungen und Erfahrungen ableiten. • Lernprozesse setzen das Vorhandensein redundanter Potentiale voraus (120; Probst/Büchel 1994, 50). Dies können Ressourcen sowohl personeller als auch zeitlicher Art sein (Probst 1992, 487). Sind die gesamten Potentiale der Systemmitglieder in den Ablauf täglicher Handlungsroutinen eingebunden, können Lernprozesse kaum stattfinden, da gerade im Rahmen der ökologischen Herausforderung vielfach Erfahrungen erarbeitet werden müssen. Das Nicht-Vorhandensein redundanter Potentiale schränkt daher gerade ökologische Lernprozesse besonders ein. • Da der Umgang mit ökologischen Problemen vielerorts noch nicht selbstverständlich ist, gilt es ein Klima zu schaffen, welches ökologisches Lernen nicht nur bei einigen, sondern bei allen Mitgliedern fördert, damit die Ergebnisse von Lernprozessen auch allen
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Mitgliedern in ihrer täglichen Handlungsroutine zur Verfugung stehen (Dierkes/Fietkau 1988, 162). Ergebnisse ökologischer Lernprozesse können nur dann den organisationalen Bezugsrahmen erweitern, wenn die hier angeführten Hemmnisse vermieden werden. Des weiteren führt nicht jede Art von Lernen zu einer Ausdifferenzierung. Anzustreben sind also Lernprozesse, die hinsichtlich der ökologischen Herausforderung ein ständiges, automatisches Hinterfragen des Bezugsrahmens anstreben und den Lernprozeß als solchen einer kritischen Reflexion unterziehen. Das Vorhandensein organisationaler Lernprozesse als solches ist aber noch nicht gleichbedeutend mit ökologischer Entwicklungsfähigkeit, da sie nichts über das Entwicklungsziel aussagen. 3.4 Ökologische Entwicklungsfähigkeit Im vorherigen Abschnitt wurde Lernen als notwendige, aber nicht allein hinreichende Voraussetzung für ökologische Entwicklungsfähigkeit angeführt. Um dies in einen allgemeinen Begriff der Entwicklungsfähigkeit zu überführen, ist es sinnvoll zu betrachten, in welcher Dimension der Begriff Entwicklung in der Betriebswirtschaftslehre benutzt wird. Hier ist eine Dreiteilung zu entdecken. Die Frage einer Unternehmensentwicklung wird vielfach in Bezug zu harten Faktoren wie etwa Umsatzzahlen und Betriebsgröße gestellt. Entwicklung kann so erst in einer ex-post Betrachtung erörtert werden. Eine weitere Definition von Unternehmensentwicklung wurde im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts erarbeitet. Hier wird Entwicklung über "die in einem Unternehmen erfolgenden Veränderungsprozesse" (Pümpin/Prange 1991, 15) definiert. Entwicklung wird hier nicht mehr nur als quantitative Komponente wie etwa Unternehmenswachstum verstanden. Der Entwicklungsbegrifif hat auch eine
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qualitative Komponente, wie sie darin, Entwicklung auch als Reorganisation oder strategische Neuorientierung zu betrachten, zum Ausdruck kommt. Entwicklungsfähigkeit wird in dieser Konzeption verstanden als die "Befähigung des Unternehmens zur grundlegenden, geplanten Selbsttransformation mit dem Ziel, die Ansprüche seiner Bezugsgruppen - externer wie interner - in zunehmendem Maße zu befriedigen..." (18). Eine Unternehmensentwicklung findet also in dem Maße statt, in dem die Nutzenpotentiale eines Unternehmens2 im Rahmen einer intendierten Entwicklung genutzt werden. Die Definition von Nutzenpotentialen als Indiz fur die Entwicklung einer Unternehmung nickt zwar ein Stück weit von den harten Faktoren ab. Auch wird der Entwicklungsbegriff nicht mehr statisch, sondern dynamisch betrachtet. Die Planbarkeit von Entwicklungen stößt aber bei Unternehmen als geschlossenen, dynamischen und selbstorganisierenden Systemen an die Grenzen der Machbarkeit (Probst/Scheuss 1984, 487). Erst eine Sichtweise von Entwicklung, die nicht nur grundsätzlich dynamisch angelegt ist, d.h. das Verhalten eines Unternehmens im Zeitablauf (Perich 1993, 495) berücksichtigt, sondern auch Lernprozesse als notwendige Voraussetzung fur Entwicklung berücksichtigt, kann den Begriff einer ökologischen Entwicklungsfähigkeit vollständig erfassen. Unternehmen als soziale Systeme sind in der Lage, über die Reflexion ihres Bezugsrahmens eine eigene Identität aufzubauen. Über die kritische Auseinandersetzung mit seinen Handlungen ist ein Unternehmen fähig, die eigenen Positionen und Handlungsspielräume zu identifizieren. Unternehmen reagieren auf neu an sie herangetragene
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Pümpin/Prange (1991, 16) definieren Nutzenpotentiale als innerhalb oder außerhalb des Unternehmens vorhandene günstige Konstellation, die von dem Unternehmen zum eigenen Vorteil erschlossen werden kann.
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Herausforderungen - wie beispielweise die ökologische Herausforderung - oftmals zwar mit der Übernahme alter Erfahrungsmuster. Sie haben aber prinzipiell die Fähigkeit zu innovativem Lernen (Probst 1987a, 75). Unternehmen sind also prinzipiell in der Lage, ökologische Inhalte über Lernprozesse in den eigenen Bezugsrahmen aufzunehmen. Wie schon oben erwähnt, ist die Wahrnehmung und Bewertung ökologischer Vorgänge stark gehemmt. Lernen kann sich daher nicht nur auf die Wissensvermittlung ökologischer Zusammenhänge beschränkea Ökologisches Lernen bedeutet immer auch die Einbeziehung der Unsicherheit von Ursache und Wirkung in Bezug auf die ökologische Krise (Pfriem/Schwarzer 1996, 12). Angesichts der Dynamik und Komplexität der ökologischen Herausforderung bedeutet Lernen auch die Erweiterung der Wahrnehmungs- und Bewertungsfahigkeit ökologischer Informationen durch die Erarbeitung eigener Erfahrungen. Ökologische Lernprozesse bedeuten somit die Ausdifferenzierung des unternehmensbezogenen Bezugsrahmens. Das Unternehmen kann dadurch in den eigenen Handlungen auf neu gewonnene Erfahrungen zurückgreifen und ist in der Lage, seine eigene Situation aufgrund eines um ökologische Komponenten erweiterten Bezugsrahmens neu einzuschätzen und entsprechend zu handeln. Ökologische Entwicklung bedeutet also die Fähigkeit, ständig den eigenen Bezugsrahmen zu reflektieren und in ökologischer Hinsicht zu erweitern. Ökologische Entwicklung wie hier aufgezeigt ist aber nicht als ein einmaliger Prozeß anzusehen. Sie bedeutet im Zeitablauf die ständige Reflexion der eigenen Handlungsgrundlagen unter ökologischen Gesichtspunkten voranzutreiben, so daß Unternehmen dadurch neue Potentiale zur Verfügung stehen. Unternehmen werden hier zwar - wie oben beschrieben - als geschlossene Systeme begriffen, dies heißt aber nicht, daß die äußere Umwelt im Rahmen des Konzeptes einer öko-
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logischen Entwicklungsfähigkeit nicht einen wichtigen Platz einnimmt. Ökologische Entwicklungsfähigkeit bedeutet nicht nur die Mobilisierung interner Ressourcen. Der Begriff der Entwicklungsfähigkeit leitet zu der Frage des Ziels der Entwicklung. Unternehmen existieren auf Grundlage bestimmter Zielsetzungen. In der Betriebswirtschaftslehre unterscheidet man hier Ober- und Unterziele. Das oberste Ziel einer Unternehmung ist normalerweise, am Markt zu bestehen, da sonst seine Existenz über kurz oder lang in Frage gestellt ist. Daneben oder darunter existieren weitere Unternehmensziele, die fur das Unternehmen ebenfalls wichtig sind (Thommen 1989, 56). Diese Ziele können verschiedenermaßen beeinflußt sein. Der wichtigste Beeinflussungsfaktor sind externe Anspruchsgruppen wie Kunden, die Gesellschaft etc. (Fischer u.a. 1993, 13). Das Ziel einer Unternehmensentwicklung wird also auch immer von Ansprüchen mitbestimmt, die außerhalb der Unternehmung artikuliert werden. Daher ist es für die Entwicklung eines Unternehmens natürlich außerordentlich wichtig, in eine Kommunikation mit der Umwelt zu treten. Für das Konzept einer ökologischen Entwicklungsfähigkeit ergibt sich hierbei eine Besonderheit. Die Natur als solche kann sich nicht in der uns gewohnten Art und Weise artikulieren. Dies geschieht höchstens durch Naturkatastrophen (Pfriem 1995, 41). Die Artikulierung von Ansprüchen innerhalb unserer Gesellschaft wird daher von einer Reihe von Anspruchsgruppen wie etwa Umweltverbänden oder Bürgerinitiativen übernommen. Da direkte Kommunikation mit der Natur nicht möglich ist, kommt es zur indirekten Kommunikation über die Natur. Diese indirekte Kommunikation ist natürlich mit unseren Wertvorstellungen und Wahrnehmungen belegt, sodaß zum einen die kommunizierten Ansprüche den in Kapitel 3.2 beschriebenen Wahrnehmungs- und Bewertungshemmnissen ökologischer Informationen unterliegen. Zum anderen werden aus den Informationen gemäß den
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entsprechend persönlichen Wertvorstellungen Anforderungen an das Unternehmen abgeleitet, die aufgrund eigener Wirklichkeitsvorstellungen konstruiert sind. Die Frage einer ökologischen Entlastung der Natur steht damit nicht unbedingt im Vordergrund, sondern eher die Frage, was die Gesellschaft als ökologische Entlastung der Natur ansieht (Hailay 1996, 98). Daraus ergibt sich fur das Unternehmen, daß gerade der kommunikative Dialog in Bezug auf die ökologische Herausforderung noch wichtiger und auch komplexer ist als jener mit anderen Anspruchsgruppen. Ziel eines Unternehmens muß es daher sein, die eigenen unternehmensbezogenen Handlungsspielräume im Sinne einer gesellschaftlichen und somit auch ökologischen Unternehmenspolitik nicht nur zu erkennen und zu nutzen, sondern sie auch im Sinne einer ökologischen Entwicklungsfähigkeit - zu erweitern (Pfriem 1989,14ff; Pfriem 1995, 93f.). Dieser hier beschriebene Prozeß der ökologischen Entwicklungsfähigkeit wird durch die Dynamik von Selbstorganisationsprozessen beeinflußt (Probst 1987b, 245). Da Unternehmen - im oben definierten Sinn - als operativ geschlossene Systeme angesehen werden können, ist dieser Prozeß als von außen grundsätzlich nicht steuerbar anzusehen. Ökologische Entwicklungsfähigkeit ist also ein dynamischer, innengeleiteter Prozeß, der nicht nur die vorhandenen Unternehmenspotentiale, sondern auch den unternehmensinternen Bezugsrahmen so erweitert, daß das Unternehmen sein eigenes Handeln vor einem veränderten Hintergrund reflektieren kann. Das Unternehmen hat somit die Fähigkeit zur Sinnstiftung, d.h. es setzt sich die Ziele seines Handelns selbst (Probst/Scheuss 1984, 487). Wie aber bereits oben ausgeführt, ist der Prozeß der Zielentwicklung auf einen kommunikativen Dialog mit der Umwelt angewiesen, da sonst die Lebensfähigkeit eines Unternehmens im weitesten Sinne gefährdet wäre. Das Unternehmen ist durch seine Reflexionsfahigkeit in der Lage, nicht nur bisher als sinnvoll angesehene
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Potentiale zu erweitern, sondern auch die von außen herangetragenen Ansprüche - unter den in Kapitel 3.2 dargelegten Bedingungen - in den Bezugsrahmen zu integrieren und somit bisher noch nicht in den Blickpunkt gerückte Potentiale als notwendig zu erachten und aufzubauen.
4. Das Projekt "Entwicklungsfähigkeit im Umweltschutz" Die Sicherstellüng einer ökologischen Entwicklungsfähigkeit bedingt für Unternehmen also zunächst eine Reflexionsfahigkeit und die Erweiterung ihres eigenen Bezugsrahmens. Die ökologische Identität des Unternehmens verändert sich und Handlungsspielräume werden identifiziert. Ökologische Problemfelder können mit einer höheren Priorität belegt werden, um dann systematisch abgearbeitet zu werden. In diesem Projekt wird in Kooperation mit namhaften Vorreiteruntemehmen im Umweltschutz ein firmenspezifisches Bewertungsraster für weiche Erfolgsfaktoren im Umweltschutz entwickelt. Dieses "soft factor assessment" leistet dabei einen wesentlichen Beitrag zur Reflexion und Erweiterung des ökologischen Bezugsrahmens. Im folgenden wird das Projekt "Entwicklungsfähigkeit im Umweltschutz"3 übersichtsartig dargestellt.
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Das Projekt trägt den vollständigen Titel " Dauerhafte Sicherung der Fähigkeit von Unternehmen zur weiteren ökologischen Optimierung auf dem KMU-Sektor" und wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert
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Abbildung 3: Übersicht zum Projekt "Entwicklungsfähigkeit im Umweltschutz"
Zentrale Ausgangsthese des Projektes ist, daß die kurzfristig durchfuhrbaren, häufig kostensenkenden umweltschutzbezogenen Maßnahmen in Unternehmen, die sich seit Jahren um eine betriebliche Umweltpolitik bemühen, inzwischen zumeist abgearbeitet sind. Damit sind auch die einhergehenden Umweltentlastungspotentiale weitgehend erschöpft. Der Übergang in eine zweite und dauerhafte Phase des betrieblichen Umweltschutzes erfordert eine Reflexion und Erweiterung des ökologischen Bezugsrahmens. Die Entwicklung entsprechender problemlösender Potentiale entscheidet darüber, ob es gelingt, über die erste Euphorie und die erste Implementationsphase hinaus eine aktive betriebliche Umweltpolitik zu sichern. Dem hier vorgestellten Projekt kommt damit eine außerordentlich hohe Pilotfunktion zu: Ziel des Projektes ist die Ermittlung von betrieb-
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liehen Rahmenbedingungen und die Entwicklung eines finnenspezifischen Bewertungsrasters durch ein "soft factor assessment", um eine Sicherung der dauerhaften Fähigkeit von Unternehmen zu weiteren ökologischen Verbesserungen zu begünstigen. Gerade bei den kleinen und mittelständischen der ökologisch engagierten und vorangehenden Unternehmen haben sich bereits Defizite in der Schaffung der benötigten Voraussetzungen gezeigt, um in eine zweite Phase des betrieblichen Umweltschutzes erfolgreich einzutreten. In kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)4 sind, aufgrund ihrer relativ geringen strategischen Einfiußmöglichkeiten im Markt, die Potentiale, um zu weiteren Umweltentlastungen beizutragen, außerordentlich abhängig von einer Reflexion und Erweiterung des ökologischen Bezugsrahmens. Um einen hohen Praxisbezug sicherzustellen, wurden im ersten Projektabschnitt Fallstudien in elf Unternehmen verschiedenster Branchen durchgeführt, die bereits seit Jahren ein besonderes Engagement im Umweltschutz ausweisen. Über zusätzliche Workshops während der Projektlaufzeit werden die beteiligten Unternehmen als wesentliche Forschungsträger in die Ergebnissicherung eingebracht. Folgende Unternehmen sind die Kooperationspartner im Projekt: - Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH - Standort Dillingen - Gebhardt Ventilatoren GmbH & Co., Waldenburg - Georg Kohl GmbH & Co., Brackenheim - Ludwig Stocker Hofpfisterei GmbH, München - Kunert AG - Standort Immenstadt 4
Die Europäische Union definiert mittlere Unternehmen als Unternehmen, die weniger als 250 Personen beschäftigen und einen Jahresumsatz von höchstens 40 Millionen ECU bzw. eine Jahresbilanzsumme von höchstens 27 Millionen ECU aufweisen. Außerdem dürfen die Unternehmen nicht zu 25% oder mehr des Kapitals oder der Stimmanteile im Besitz von einem oder mehreren Unternehmen gemeinsam stehen, welche die Definition der KMU nicht erfüllen.
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- Märkisches Landbrot GmbH, Berlin - Merckle/ratiopharm GmbH - Standort Ulm - Oktoberdruck GmbH, Berlin - Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG - Standort Paderborn - Sodasan GmbH, Apen-Nordloh - Wilkhahn-Wilkening und Hahne GmbH & Co., Bad Münder In diesen elf Unternehmen wurde eine Situationsanalyse sowie eine theoretische Reflexion zur ökologischen Entwicklungsfähigkeit durchgeführt. Hierfür wurden neben Dokumentensichtungen Tiefeninterviews mit Personen auf verschiedenen Hierarchiestufen sowie mit unterschiedlichen betrieblichen Aufgaben durchgeführt, um sowohl personale, organisatorische als auch strukturelle Faktoren zu erfassen.5 4.1 Merkmale einer dauerhaften ökologischen Entwicklungsfähigkeit Eine zweckgerichtete Entwicklung dient der Leistungsfähigkeit der Organisation nach außen. Diese ist aber auch davon abhängig, wie stark intern eine konkrete Vorstellung, eine Lern- und damit Veränderungsbereitschaft dazu besteht, bestimmte Unternehmensfaktoren zu entwickeln. Bei der Untersuchung über weitere Entwicklungsfähig-
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Die Fallanalysen wurden unter Beachtung von Kriterien aus der qualitativen Sozialforschung durchgeführt. Hierzu gehören (stellvertretend Mayring 1990) eine Verfahrensdokumentation und Regelgeleitetheit (u.a. Interviewleitfaden und systematisches Vorgehen), die Nähe zum Untersuchungsgegenstand (u.a. direkter Kontakt zu den kooperierenden Unternehmen), eine argumentative Interpretationsabsicherung (u.a. Pretest zu den Merkmalen und Befragung zu Evidenzen für die getroffenen Aussagen), die Triangulation (Mehrfachbefragung zu bestimmten Themen unter Verwendung mehrerer Methoden wie z.B. Fragebögen, Interviews, Tonbandauizeichnungen, Dokumentenauswertung usw.) sowie abschließend die kommunikative Validierung der Ergebnisse (u.a. Überprüfung der Gültigkeit des erstellten Untemehmensproñls mit den Kooperationspartnern).
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keiten im Umweltschutz in den Unternehmen wurden zehn Merkmale identifiziert, denen für eine Erweiterung und Reflexion des Bezugsrahmens, und damit zur Sicherstellung einer weiteren Entwicklungsfähigkeit, eine herausragende Bedeutung zukommt. Die Praxisrelevanz dieser Merkmale wurde von den elf Kooperationspartnern in einem Pretest bestätigt. Untemehmensbezogene Visionen (1) können sowohl allgemein als auch ökologisch bezogen einen wichtigen Beitrag zur Sinnstiftung leisten (zur grundsätzlichen Relevanz einer Visionsfähigkeit für die langfristige Erfolgssicherung s. z.B. Collins/Porras 1995, 84). Grundgedanke ist die Annahme, daß eine umweltschutzbezogene zielgerichtete Entwicklung langfristig nur durch die Formulierung visionärer Entwicklungsziele möglich ist. Umweltbezogene Unternehmensvisionen können über den planbaren Zeitraum hinaus eine richtungsweisende Orientierung für eine ökologische Entwicklungsfähigkeit liefern. Sie können auch als Leitlinien des eigenen Handelns dienen und somit Auskunft über die Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit geben. Grundlegende Voraussetzung eines visionären Unternehmens ist hierbei die Fähigkeit zur Selbstreflektion. Umweltschutzbezogene Unternehmensziele (2) beziehen sich auf die Umweltpolitik eines Unternehmens und in Abgrenzung zu Visionen auf ihre mittelfristige Konkretisierbarkeit in Umweltprogrammen. Eine Skalierungsbandbreite dieses Merkmals ergibt sich aus dem Vorhandensein, der Integrationstiefe und der Verbreitung umweltschutzbezogener Ziele in dem Gesamtsystem des Unternehmens. Ohne das Vorhandensein konkreter Zielvorstellungen und Visionen kann eine ökologische Entwicklungsfähigkeit nur ungerichtet ablaufen.
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Innovation (3) beinhaltet neben dem Verständnis von rein technischen Innovationen auch ökologische Neuerungen, die sich auf den organisatorischen, sozialen oder kulturellen Bereich beziehen und auch eine Nutzung erfahren (Perich 1993, 494). Jegliche Innovationstätigkeit findet vor dem Hintergrund der unternehmensinternen Erfahrungen statt und jede Innovationstätigkeit als solche wirkt auf den Erfahrungsschatz der Unternehmung zurück, so daß im Rahmen von Lernprozessen eine Erweiterung des Bezugsrahmens stattfinden kann. Dieses fördert die Reflexionsfähigkeit und ist Voraussetzung, um die Innovationstätigkeit in ökologischer Dimension zu erweitern. (Kasper 1991, 67) Der Organisationsbegriff wird häufig auf die Betrachtung der formalen Organisationsstruktur verkürzt. Insbesondere bei einer umweltschutzbezogenen Reflexion ist die Unterteilung in substantielle und symbolische Organisation zu beachten. Substantielles Organisieren bedeutet in diesem Zusammenhang die Schaffung einer funktionsfähigen Unternehmensstruktur bezüglich der ökologischen Belange eines Unternehmens. Symbolisches Organisieren meint die Gestaltung von sinngebenden Strukturen im Umweltschutz. Hierzu zählen beispielsweise Werte und Erfahrungen, die sowohl das Unternehmen als auch jedes Organisationsmitglied bisher zum Thema Umweltschutz gesammelt hat (Probst 1987a, 97). Für die Skalierung wurden verschiedene Organisationsmöglichkeiten in der umweltschutzbezogenen Aufbau- und Ablauforganisation, ihre Verknüpfung mit der allgemeinen Organisationsstruktur und ihre Anpassungsfähigkeit spezifiert. Die Bewertung der Leistungsfähigkeit der Organisationsstruktur im Umweltschutz (4) fand unter Berücksichtigung des Merkmals Partizipation statt. Partizipation (5) wird hier als Beteiligungsmöglichkeit innerhalb eines Unternehmens verstanden und bedeutet auch die Mitgestaltung der
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eigenen ökologischen Tätigkeits- und Erfahrungsfelder. Partizipation im Umweltschutz bedeutet, daß alle Organisationsmitglieder die Möglichkeit haben, sich nicht nur zu informieren, sondern sich auch an Entwicklungsprozessen im Unternehmen zu beteiligen (Kappler 1987, 1632). Partizipation bietet daher die Möglichkeit, den organisationalen Bezugsrahmen auf breiter Unternehmensebene zu erweitern. Unternehmensinterne Informationen sind selbst bei Unternehmen, die über eine breite ökologische Informationsbasis verfugen, oft nur als eine Art "systematischer Datenfhedhof' vorhanden und sind dann im alltäglichen Untemehmensgeschehen nur eingeschränkt nutzbar. Unternehmensexterne Informationen werden häufig unstrukturiert und selektiv gesammelt. Informationen - also auch ökologische - sind aber sozusagen das "Grundnahrungsmittel" einer jeden Unternehmung. Damit Informationen (6) ihre entsprechende Aufgabe erfüllen können, müssen sie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort vorhanden sein (Hallay/Pfriem 1992, 10). Die verschieden möglichen Merkmalsausprägungen zur Informationslage wurden in diesem Sinne in starker Abhängigkeit von ihrer Aktualität, Güte, Verfügbarkeit und Nutzung definiert. Fokussiert wird damit auf die Wahrnehmungs- und Bewertungsfahigkeit ökologischer Informationen. Kommunikation (7) bedeutet zunächst die interne Übertragung von Informationen. Kommunikation schließt aber ebenso die Transformation der Information in den Bezugsrahmen des Empfängers sowie die Rückkopplung ein (Hailay 1996, 161ff.). Erfolgen Kommunikationsprozesse in einer gewissen Regelmäßigkeit, so bildet sich ein gemeinsamer Bezugsrahmen als Grundlage der Kommunikation. Dieser Bezugsrahmen dient aber nicht nur als Kommunikationsbasis, sondern auch als "Leitfaden" fur jegliche Tätigkeit. Da sich alle System-
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mitglieder in ihrem Handeln auf diesen Bezugsrahmen beziehen, besitzt er eine sinnstiftende Wirkung. Der Bezugsrahmen ist also die Basis gemeinsamen Handelns und Kommunizierens. Kommunikation hat somit nicht nur die Funktion, ökologische Informationen zu der Stelle zu transportieren, an der sie gerade benötigt werden. Sie hat hier auch die Funktion des Erfahrungsaustausches hin zu einer Identifikation der umweltschutzbezogenen Tätigkeiten des Unternehmens. Dies ist von besonderer Wichtigkeit, da die ökologische Herausforderung eine relativ neue ist und somit in den alltäglich angewandten Handlungsroutinen bisher kaum oder oftmals nur oberflächlich verankert ist. Kommunikation hat im Sinne einer ökologischen Entwicklungsfähigkeit daher nicht nur die Funktion einer Informationsübertragung, sondern auch die Funktion, ökologische Wahrnehmung und ökologisches Verhalten in den kulturellen Rahmen einer Unternehmung miteinzubeziehen. Erst dann sind Information und Qualifikationen auch anwendbar. Eine Qualifikation (8) im Sinne von umweltschutzbezogener Wissensvermittlung kann als notwendige aber nicht hinreichende Voraussetzung für eine ökologische Entwicklungsfähigkeit angesehen werden. Qualifikation ist notwendig fur die Erweiterung von Verhaltensmöglichkeiten, sie fuhrt aber nicht zwingend zur Verhaltensänderung. Qualifikation bezieht sich nicht nur auf die Vermittlung von Wissen, sondern bedeutet auch die Integration von Wissen und Erfahrungen über Lernprozesse in das dem Alltagshandeln zugrundeliegende Erfahrungs- und Handlungspotential (Pawlowsky 1992, 195). Motivation bedeutet in diesem Zusammenhang die Bereitschaft, den unternehmensspezifischen Bezugsrahmen um ökologische Komponenten zu erweitern. Ist die Motivation (9) nicht vorhanden, sich neue Erfahrungen zu erarbeiten und in die täglichen Handlungsroutinen zu
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integrieren, so ist die Gefahr des Scheiterns der ökologischen Erweiterung möglich. Als zehnter weicher Faktor zur Sicherstellung einer weiteren Entwicklungsfähigkeit im Umweltschutz wurde von den beteiligten Unternehmen die Interaktion mit externen Anspruchsgruppen im Pretest bestätigt. Interaktion (10) wird hier verstanden als Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen wie etwa Kunden, Lieferanten, Bürgerinitiativen oder auch Behörden. Dieser Austausch mit externen Anspruchsgruppen sollte die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassen und beinhaltet auch die ökologische Dimension einer Unternehmung. Die Wahrnehmung der Unternehmenstätigkeit aus der Sicht der verschiedenen externen Anspruchsgruppen basiert auf den eigenen spezifischen Ansichten der jeweiligen Anspruchsgruppen. Die verschiedenen Ansprüche, die an das Unternehmen herangetragen werden, zeigen dem Unternehmen, wie es von den einzelnen Gruppen wahrgenommen wird (Fischer u.a. 1993, 15). Die Interaktion von Unternehmen mit den externen Anspruchsgruppen zeigt aber auch das Verständnis der Unternehmung von sich selbst. Es kann die unternehmensspezifische Offenheit und die Bereitschaft, dialogorientiert zu kommunizieren, zeigen. Eine ökologische Entwicklungsfähigkeit ist auf einen reflexiven Prozeß angelegt, der auch eine dialogorientierte Kommunikation nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Unternehmens fördert, um Schwachstellen des Unternehmens identifizieren zu können. Zusammenfassend fokussierten die Unternehmen damit vor allem auf die von der Betriebswirtschafts- und Managementlehre so bezeichneten weichen Faktoren der Unternehmensfuhrung. In freiwilligen organisatorischen Maßnahmen und vor allem unternehmenskulturellen Veränderungen liegen immanente Umweltentlastungspotentiale, die selbst von den ökologischen Vorreiterbetrieben kaum genutzt worden
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sind. Ihr Erkennen, Nutzen und Erweitern ist aber fur die zweite Phase einer ökologischen Unternehmenspolitik von fundamentaler Bedeutung. 4.2 Das Bewertungsraster "soft factor assessment" Basierend auf den eindeutigen Rückkopplungen der elf Unternehmen zu den verschiedenen weichen Faktoren wurden Fallstudien erstellt und die Arbeitsergebnisse in ein Skalenmodell übertragen, das die weichen Merkmale in die oben kurz diskutierten, verschiedenen allgemeinen Ausprägungsformen einstuft. Die ermittelten Untemehmensprofile wurden den beteiligten Unternehmen auf einem ersten Workshop präsentiert und zur Diskussion gestellt: Abbildung 4: Merkmalsprofil am Beispiel der Märkisches Landbrot GmbH, Berlin
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Die gewählte grafische Darstellungsform fur die Merkmalsprofile erscheint besonders geeignet, denn sie offenbart auf einfache Weise die vorhandenen Potentiale und gibt bei der späteren Prioritätensetzung von Maßnahmen eine Hilfestellung6. Die Unternehmensvertreter bestätigten inhaltlich die erstellten Profile, wünschten sich jedoch gleichzeitig eine Vereinfachung, um diesen Selbsttest auch ohne externe Unterstützung regelmäßig anwenden zu können. In einem weiteren Schritt werden im Kooperationskern von drei Unternehmen die verschiedenen möglichen Merkmalsausprägungen auf einem internen Workshopfirmenspezifischangepaßt und um ein Soll-Profil ergänzt. Nach dieser Unternehmensspezifizierung des Bewertungsrasters als Grundlage des "softfactor assessments" und einer Dokumentation der methodischen Vorgehensweise sind die Unternehmen in der Lage, eine entsprechende Soll-Ist-Analyse selbständig und regelmäßig zu wiederholen. Die Führungskräfte und Mitarbeiter hinterfragen selbstkritisch den unternehmensinternen Entwicklungsstand in den weichen Faktoren, erarbeiten gemeinsam die gewünschten Entwicklungsperspektiven und hinterlegen sie in Form von fünf Ausprägungsformen zum jeweiligen Merkmal im Bewertungsraster. Verschiedene,firmenspezifischmögliche Ausprägungsformen der verschiedenen Merkmale werden dadurch in das Modell integriert und visualisiert. Damit wird ein einheitlicher Bezugsrahmen, ein gemeinsames Verständnis als Bewertungsgrundlage geschaffen und der "Bewertungsspiegel" wird in die Unternehmen hineinverlegt. Durch die Selbstbeurteilung ist die Auswertung subjektiv gefärbt; aber u.a. durch die Befragung in den Interviews nach 6
Auf die Idee der grafischen Aufbereitung in Form einer Merkmalsspinne brachte uns Hendric Hailay mit seinem Verweis auf Quinn/Cameron (1983). Letzere untersuchten verschiedene Stufen der Organisationsentwicklung unter dem Aspekt effizienzbezogener Orientierungsmuster auf Basis der zentralen Arbeitshypothese, daß in Abhängigkeit vom jeweiligen Lebenszyklusstadium andere Orientierungen und Strategien notwendig sind.
ökologische Untemehmenspolitik..
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Evidenzen7 werden die Einschätzungen in der Auswertung kritisch überprüft. Die Einschätzung wird damit auf Grundlage der vorgefundenen Realität objektiviert. Zwangsläufig wird in diesem Prozeß die komplexe betriebliche Wirklichkeit reduziert auf eine symbolische Analyse mit abstrakten Bildern fur die verschiedensten möglichen Merkmalsausprägungen. Die Projektbeteiligten spielen, sie arrangieren um und experimentieren, um diese Bilder anschließend in die Wirklichkeit zuriickzuverwandeln (zur Symbolanalytik s. Reich 1993, 199). Die Erarbeitung eines firmenspezifischen Bewertungsrasters bedingt eine Neueinschätzung der eigenen Situation aufgrund des um ökologische Komponenten erweiterten Bezugsrahmens. Dem Unternehmen wird ermöglicht, den eigenen Bezugsrahmen im Hinblick auf die weichen Faktoren zu reflektieren und in ökologischer Hinsicht durch eine maßnahmenorientierte Annäherung an das eigene, gewünschte und spezifizierte Soll-Profil über die Folgejahre schrittweise und gezielt zu verändern. Das "soft factor assessment" unterstützt auf diese Weise die Organisationsentwicklung in den weichen Faktoren der Unternehmensführung. 4.3 Empirische Impressionen Aus den bisherigen Arbeitsergebnissen, den durchgeführten Interviews und firmeninternen Workshops sowie zentralen Treffen der Projektbeteiligten lassen sich als Zwischenresümee folgende Aussagen formulieren: (1.) Die im Rahmen des Projektes erstellten Unternehmensprofile zu den "weichen Faktoren" wurden von den Unternehmen in ihrer jeweiligen Ausprägung inhaltlich bestätigt. Das Bewertungsmodell "soft 7
Das Belegenlassen der subjektiven Einschätzung.
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factor assessment" mit seiner Vorgehensweise scheint daher ausreichend valide Arbeitsergebnisse zu liefern. (2.) Ein besonders hoher Informationsgehalt wurde durch die Befragung und Beurteilung von Mitarbeitern unterschiedlicher Hierarchieebenen erreicht. Auffällige Wahrnehmungsdifferenzen führten über Nachfragen im Regelfall zu konkreten Verbesserungsvorschlägen. (3.) Durch die gemeinsame Methodenentwicklung über verschiedene "feedback"-Schleifen und die Interviewphasen konnte zu den meisten Faktoren ein relativ einheitliches Begriffsverständnis aufgebaut werden. Dies vereinfachte in den nachfolgenden Projektphasen deutlich die Kommunikation über weiche Faktoren zwischen allen Beteiligten. (4.) Die Verständigungsprobleme durch die BegrifFsverständisse zu den weichen Faktoren waren jedoch beim Merkmal "Motivation" auffällig: Hier überwogen auch bei den beteiligten Führungskräften der Unternehmen klassische Denkschemata, in denen Motivation als ein mechanisches Umsetzungsproblem verstanden wurde. Die Vermutung liegt nahe, daß entsprechende "motivierende Maßnahmen" dann auch im Sinne eines "top-down"-Ansatzes bearbeitet wurden. Die methodische Vorgehensweise im "soft factor assessment" versetzt den Entscheider als Beobachter "in das Bewertungsraster" und unterstützt so das Aufbrechen herkömmlicher Denkschemata. (5.) Die Unternehmensvertreter bestätigten die Notwendigkeit und die Handhabbarkeit des "soft-factor"-Analyserasters in der betrieblichen Praxis. Das "soft factor assessment" unterstützt die Unternehmen bei ihrer Selbstreflexion zu den weichen Faktoren. (6.) Die ökologische Zukunftsfähigkeit von Unternehmen hängt nach unseren Erfahrungen maßgeblich von den Faktoren Visionsfahigkeit, Innovationen und Ziele ab, während wir den Faktoren Partizipation, Kommunikation, Motivation und Interaktion in dem oben kurz erläuterten Begriffsverständnis eine hohe Relevanz fur das zukünftige
ökologische Unternehmenspolitik.
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umweltschutzbezogene Entwicklungspotential beimessen. Die konkrete Umsetzungsfähigkeit spiegelt sich stark in den Merkmalen der (umweltschutzbezogenen) Organisationsstruktur, der Informationsleistung und dem Qualifikationsniveau wider. Bei einer Befragung der Unternehmensvertreter nach der Wertigkeit dieser zehn Merkmale wurde den Bereichen Motivation, Ziele und Kommunikation eine besonders hohe Praxisrelevanz beigemessen - das Feld der Umsetzungsfähigkeit wurde hierbei für die Praxisrelevanz am niedrigsten gewichtet. (7.) Die im Projekt beteiligten Unternehmen stuften bei einer Befragung zu den verschiedenen Merkmalen eher mittelfristige Ziele und Merkmale mit geringer Tragweite als besonders wichtig ein. Insbesondere das Merkmal Visionsfähigkeit wurde zugunsten von konkreten Zielen für die nächsten Jahre vernachlässigt. Eine der zentralen Arbeitsthesen, nach denen sich Unternehmen nur beim Vorhandensein von konkreten umweltschutzbezogenen Visionen langfristig entsprechend zielgerichtet entwickeln können, konnte - aufgrund des insgesamt geringen Verbreitungsgrads von umweltschutzbezogenen Visionen auch bei den Vorreiterunternehmen - nicht valide überprüft werden. Eine kritische Selbstreflexion wäre hierfür eine grundlegende Voraussetzung. Auch umweltengagierte Unternehmen erscheinen damit wenig visionsfähig, sodaß sich hier ein strukturelles Problem zu eröffnen scheint. Das Konzept der ökologischen Entwicklungsfähigkeit und das Bewertungsraster "soft factor assessment" als handhabbares Bewertungsraster für die Unternehmen zeigen einen neuen Weg auf, diesen "gap" zu verringern.
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5. Vorläufige Schlußfolgerungen Wir hoffen, mit diesem Beitrag einige empirisch abgestützte Überlegungen vorgelegt zu haben dafür, daß es sich lohnt, die Konzeptualisierung ökologischer Unternehmenspolitik und die mikropolitische Theorie der Organisation mehr als bisher zusammenzubringen. Die eine sollte sich konsequent der geistig-kulturellen Dimension von Unternehmen öffiien, und dies nicht zentralistisch verkürzt, sondern bezogen auf die Vielfalt differenter bis konfliktärer Ziele und Wertorientierungen, wie sie in Unternehmensorganisationen tatsächlich bestehen. Die andere sollte sich konsequent dem Inhalt von Machtspielen und machtförmigen Auseinandersetzungen öffiien, zu dem eben auch unterschiedliche Interessen daran gehören, welche externen Ziele Unternehmen (gerade auch in ökologischer Hinsicht) verfolgen bzw. verfolgen sollen. Als Individuen wie als Gruppen geht es Menschen, so "natürlich" eine unserer zentralen Annahmen, nicht allein darum, eine hervorgehobene Rolle in egal welchem Spiel zu spielen, sondern insbesondere um das Spiel selbst. Ortmanns Warnung davor, die Organisationstheorie und speziell den mikropolitischen Ansatz zu psychologisieren, kann daher nicht ernst genug genommen werden. Für uns ist im Rahmen des beschriebenen Projektes, aber auch darüberhinaus für das ökologische Handlungsfeld von Unternehmen das Konzept der ökologischen Entwicklungsfähigkeit sehr gut dazu geeignet, die Verschränkung von interner und externer Unternehmenspolitik zu thematisieren. Wenn Bartölke (1980) schon vor langen Jahren davon sprach, Organisationsentwicklung sei abhängig von der Entwicklungsfähigkeit der Organisationsmitglieder, so geht das eben in Richtung dieser Verschränkung: Unternehmensorganisationen entwikkeln sich als zielgerichtete soziale Systeme hinsichtlich der Qualität dieser Zielerreichungen, und die Entwicklungsfähigkeit der Organisa-
ökologische
Unternehmenspolitik.
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tionsmitglieder wie die in diesem Beitrag beschriebene Konzeption organisational Lernens (auch Hailay 1996, 162 ff.) findet permanent statt im Widerstreit divergierender Ziele, Normen und Wertorientierungen.
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ökologische Unternehmenspolitik...
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Carsten Geìlrich/Alexandra Luìg/ReinhardPfriem
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Jürgen Freimann
Gehversuche Betriebliche Vmweltpolitik auf dem neuen Terrain von Eigeninitiative und Chancenorientierung
1. Betrieblicher Umweltschutz unter dem Primat rechtlicher Vorgaben Das Bemühen um eine Reduzierung der Umweltbelastungen gilt traditionellerweise als Staatsaufgabe. Zwar sind es primär die Wirtschaftssubjekte selbst, die ökologische Schäden verursachen. Für sich allein waren sie bis dato jedoch kaum willens und sind vielfach auch nicht dazu in der Lage, wirksame Schadensvorsorge zu betreiben. Als öffentliches Gut ist die Unversehrtheit der Natur vielfach nur global zu gewährleisten, so daß auch nationalstaatliche Maßnahmen nur begrenzt greifen, geschweige denn einzelwirtschaftliche. In der Bundesrepublik Deutschland herrscht daher in der Umweltpolitik eine extrem hohe ordnungsrechtliche Regelungsdichte: Bis 1995 sind auf den verschiedenen föderalen Ebenen mehr als 10.000 rechtliche Regelungen in Geltung gesetzt worden, die der wirtschaftlichen Betätigung einen immer enger werdenden Rahmen setzen, indem sie Grenzwerte für Emissionen fixieren, Genehmigungsbedingungen für den Betrieb industrieller Anlagen vorgeben und Regelverletzungen negativ sanktionieren. Abgesehen von wenigen Öko-Pionieren, die bereits seit Beginn der achtziger Jahre auf freiwilliger Basis weitergehende Umweltschutzvorkehrungen getroffen haben und ein aktives Umweltmanagement betrei-
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Jürgen Freimcmn
ben, steht der betriebliche Umweltschutz, wie die Befunde empirischer Studien eindrucksvoll belegen (Meffert/Kirchgeorg/Ostmeier 1989; FUUF 1991; Coenenberg u.a. 1994; Kirchgeorg 1995), vor diesem Hintergrund in den meisten deutschen Unternehmen unter dem Primat der rechtlichen Regulierung. Die leitende Orientierung fur den betrieblichen Umweltschutz ist nicht das unternehmenspolitisch Gewollte, sondern das gesetzlich Geforderte. Befragte Unternehmen machen deutlich, daß es in erster Linie die staatlichen Vorschriften sind, die sie zu Aktivitäten im Umweltschutz veranlassen. Mehrheitlich wird verneint, daß eigenständige Aktivitäten über das gesetzlich Geforderte hinaus nutzbringend seien. An auf Dauer in Geltung gesetzten Vorkehrungen finden sich daher in den Unternehmen vor allem die gesetzlich vorgeschriebenen. Dementsprechend defensiv ist der Umgang mit dem betrieblichen Umweltschutz: Wer sich vor allem an extern gesetzten Normen orientiert, handelt bestenfalls normerfullend. Ihm gerät die Frage nach dem eigenen Nutzen und dessen möglicher Steigerung nicht in den Blick. Bereits sehr früh hat die staatliche Umweltpolitik jedoch erkannt, daß die wirksamsten Vorkehrungen zur Vermeidung von Umweltbelastungen im Gefolge wirtschaftlicher Aktivitäten von den Wirtschaftssubjekten selbst vollzogen werden müssen. Denn in einer Wirtschaftsordnung, die primär auf die autonomen Dispositionen der Marktteilnehmer setzt, greifen staatliche Aktivitäten naturgemäß erst dann, wenn bereits Probleme auftauchen, oft sogar erst, wenn wegen langwieriger politischer Entscheidungsprozesse bereits kaum reparable Schäden eingetreten sind. Daher hat sich die Umweltgesetzgebung bereits in den siebziger Jahren darum bemüht, die wirtschaftlichen Akteure - vor allem die Unternehmen - zur Umweltvorsorge zu veranlassen. Drei der einschlägigen Gesetze (Abfallgesetz, Bundesimmissionsschutzgesetz
Gehversuche
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(BImSchG) und Wasserhaushaltsgesetz) sehen unter bestimmten Bedingungen die Pflicht zur Bestellung von Umweltbeauftragten vor, denen neben der Kontrolle und Information vor allem die Umweltvorsorge aufgetragen wird. In vielen Unternehmen, die in den Geltungsbereich dieser rechtlichen Vorgaben fallen, existiert daher in Form der Umweltbeauftragten und deren Aktivitäten ein rudimentäres Umweltmanagementsystem, das Umweltvorsorge und die Einhaltung der einschlägigen Rechtsnormen gewährleisten soll. Über die tatsächlichen Tätigkeiten der Umweltbeauftragten und deren Wirksamkeit sind seit Mitte der siebziger Jahre mehrere empirische Untersuchungen durchgeführt worden. Diese waren zwar methodisch unterschiedlich angelegt und basieren auf unterschiedlich großen und verschieden zusammengesetzten Samples (s. den Überblick in Schwaderlapp 1995). Dennoch sind ihre Ergebnisse zumindest der Tendenz nach ähnlich. Insbesondere kann gesagt werden, daß die Vorsorge- und Innovationsfunktion entgegen der ersten Priorität, die ihr der Gesetzgeber zuweist, von den Umweltbeauftragten kaum wahrgenommen wird. Das folgt sowohl aus der Selbsteinschätzung der Beauftragten, die ihr den geringsten Bedeutungsrang unter allen ihren Aufgaben zumessen (Ulimann 1981,1004 ff), als auch aus der Messung des umwelttechnischen Entwicklungsstandes von Unternehmen mit Umweltbeauftragten im Vergleich zu solchen ohne (Theißen 1990, 147). 32% der Befragten wurden nie an Forschungs- und Entwicklungsprojekten beteiligt (169). Eindeutig dominant sind dagegen die Kontrollfunktion und Tätigkeiten im Kontakt mit Behörden, die so im Gesetz gar nicht vorgesehen sind (Ullmann 1981, 1003 ff). Hinsichtlich der Berichts- und Informationsfunktion sind ebenfalls Vollzugsmängel zu konstatieren. So gaben 42% der Befragten an, entgegen der gesetzlichen Verpflichtung keine regelmäßigen Berichte
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an die Geschäftsleitung zu erstellen (Theißen 1990, 185/186). Nicht einmal 19% der beiragten Umweltschutzbeauftragten führten regelmäßige Informationsveranstaltungen fur die Beschäftigten durch (Deutsche BP (Hrsg.) 1986, 5). Eine Kooperation mit den Betriebsräten findet praktisch überhaupt nicht statt. Eine Befragung in der Metallindustrie ergab sogar, daß die meisten befragten Betriebsräte den zuständigen Beauftragten gar nicht kennen (Roth 1988, 183). Neben den Rechtsvorschriften bezüglich der Bestellung von Umweltbeauftragten sind in den letzten Jahren weitere organisatorische Vorgaben in Kraft getreten (insbesondere die Regelung des § 52a BImSchG) bzw. durch Gerichtsurteile (z.B das sog. „Lederspray"-Urteil des BGH (Die Betriebswirtschaft 1990, 1859)) in Geltung gesetzt worden, die Unternehmen dazu verpflichten, strikte, gerichtsfeste Organisationsregelungen zu treffen, um verwaltungs-, haftungs- und strafrechtlichen Nachteilen vorzubeugen (Reuter 1993). Auch diese Regelungen tragen eher defensive Züge. Es geht ihnen vor allem um die von sachkundigen Dritten anhand von einschlägigen Unterlagen wie Organigrammen, Arbeitsanweisungen usw. nachvollziehbare Dokumentation der Tatsache, daß im Unternehmen alle notwendigen umweltrelevanten Vorkehrungen getroffen worden sind, so daß den verantwortlichen Akteuren im Falle von Unfällen oder eingetretenen Schädigungen keine Unterlassungen nachgewiesen werden können. Nicht die Organisation selbst ist der primäre Adressat der umweltmanageriellen Vorkehrungen, sondern der potentielle Kontrahent in der Aufsichtsbehörde oder vor Gericht. Zudem visieren die getroffenen Regelungen vor allem die operative Ebene an. Es geht ihnen primär um die Gewährleistung umweltschützender, belastungsreduzierender Maßnahmen im Tagesgeschäft. Dabei scheint auszureichen, daß formale Vorkehrungen getroffen und den für den Vollzug verantwortlichen bzw. damit beauftragten Mitarbeitern zur
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Kenntnis gebracht werden. Ob und in welchem Umfang die getroffenen Vorkehrungen auch vollzogen werden, ist kaum von Belang. Denn im Konflikt- oder Schadensfall ist der Nachweis des praktischen NichtFunktionierens kaum zu erbringen. Eine strategische oder gar innovative Perspektive ist in den ordnungsrechtlich induzierten Vorkehrungen nicht zu erkennen.
2. Das Öko-Audit als Paradigmawechsel der europäischen Vmweltpolitik Das EU-Öko-Audit stellt einen großen Schritt auf dem Wege zu einer neuartigen „marktwirtschaftlichen" Umweltpolitik dar (s. auch Wagner 1996). Gegenüber dem bisher dominanten Ordnungsrecht ist die EMAS1-Verordnung von grundlegend anderem Charakter. Sie ist ein Anreizinstrument, mit dem Unternehmen dazu veranlaßt werden sollen, freiwillig mehr im betrieblichen Umweltschutz zu tun, als die bisher geltenden Ordnungs-Gesetze von ihnen verlangen. Die Teilnahme am Öko-Audit istfreiwilligund wird belohnt - oder (so hofft der Gesetzgeber im Stillen) vom Markt erzwungen: Wenn immer mehr Wettbewerber sich einem Öko-Audit mit Erfolg unterziehen, wird kaum ein Unternehmen noch die Teilnahme verweigern können, zumal das System auch die Einbeziehung der Lieferanten in die Umweltprüfung fordert. Anreiz ist mithin keineswegs nur die Belohnung mit dem Umweltzeichen, sondern auch der zu erwartende Wettbewerbsvorteil am Markt bzw. der drohende Wettbewerbsnachteil einer zu späten Teilnahme oder gar einer Verweigerung. Die vom Gesetzgeber selbst aus-
1
Eco-Management and Audit Scheme.
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gelobte Belohnung ist eher mager, der eigentliche Lohn muß am Markt und aus dem Audit selbst „verdient" werden. Bestandteile des EU-Öko-Äudits sind im einzelnen: • die Installierung allgemeiner umweltpolitischer Leitlinien im Unternehmen (sogenannter Umweltpolitik), • die Installierung eines differenzierten Umweltschutz-Instrumentariums (bestehend aus selbst gesetzten standortbezogenen Umweltzielen, einem Umweltprogramm und einem Umweltmanagementsystem) in den Standorten des Unternehmens, die sich am Audit beteiligen, • die regelmäßig wiederholte Prüfung der Angemessenheit und Funktionsfähigkeit dieses Instrumentariums durch einen vom Management eingesetzten Auditor (Umweltbetriebsprüfung), • die Vorlage einer Umwelterklärung, die sowohl das installierte Instrumentarium beschreibt als auch die erreichten Erfolge dokumentiert, • die externe Prüfung des durchgeführten Öko-Audits und der vorgelegten Umwelterklärung durch einen staatlich autorisierten zugelassenen Umweltgutachter, • sowie das Recht, eine Teilnahmeerklärung mit Öko-Zeichen in der Firmenwerbung (nicht in der Produktwerbung) zu verwenden. Als einen wesentlichen Bestandteil enthält das EMAS ein Element der Kommunikation mit der interessierten Öffentlichkeit: die Umwelterklärung. Jedes Unternehmen, das sich am Öko-Audit beteiligt, ist verpflichtet, nach jeder Betriebsprüfung eine Umwelterklärung zu erstellen, die für die Öffentlichkeit verfaßt wird und diese über die umweltrelevanten Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit am auditierten Standort unterrichtet sowie die Ergebnisse des Öko-Audits kommuniziert. In dieser Einbeziehung der Öffentlichkeit in die unternehmerischen Bemühungen um den betrieblichen Umweltschutz liegt der wesentliche Unterschied zwischen dem EU-Öko-Audit und den
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DIN/ ISO 14000 ff., die in diesen Monaten in Kraft treten und als internationale Umweltmanagement-Nonn in Konkurrenz zum EMAS der EU treten wird (Dyllick 1995). Wer ein Öko-Audit durchfuhrt, findet zwar in der Verordnung Minimalbedingungen fur die Erlangung der begehrten Validierung, ansonsten aber vor allem die Aufforderung zu eigenständiger Kreativität und Aktivität. Erst wer im Rahmen des Audits Chancen sucht und entdeckt und diese im Verlauf der Umsetzung der Audit-Befunde systematisch nutzt, hat das Öko-Audit-System in vollem Umfang begriffen und unternehmenspolitisch genutzt. Immerhin müssen in den meisten Fällen zumindest fünfstellige Beträge aufgewendet werden, um ein Erst-Audit bis zur Validierung zu fuhren. Das System insgesamt behandelt alle Teilnehmer gleich: Wer die definierten Maßnahmen trifft und umsetzt, wer ein dem kontinuierlichen ökologischen Fortschritt dienliches Umweltmanagementsystem installiert und „lebt", der erhält die ausgelobten Rechte, unabhängig davon, auf welchem technischen Niveau sich die Bemühungen um den betrieblichen Umweltschutz befinden. Sie müssen lediglich die jeweiligen nationalen (Ordnungsrechts-)Vorschriften an zumindest einem Punkt übertreffen und die Verwendung der bestmöglichen Technik im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren anstreben. Mit dieser Regelung folgt die Verordnung der politischen Einsicht, daß es allemal dem Umweltschutz in Europa förderlicher ist, wenn sich möglichst viele Unternehmen in allen europäischen Ländern freiwillig auf den Weg zu einer Intensivierung ihrer Umweltvorsorge machen, als - vermutlich noch recht lange - darauf zu warten, daß es gelingt, in allen Mitgliedstaaten das gleiche legislative Niveau im Umweltrecht herzustellen. Jeder Teilnehmer erhält das gleiche Umweltzeichen und kann die entsprechende Teilnahmeerklärung abgeben.
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Die Umwelterklärungen eröffnen den teilnehmenden Unternehmen und Standorten darüber hinaus die Möglichkeit, das von ihnen - vielleicht im Gegensatz zu Mitbewerbern - bereits erreichte Vorsorgeniveau und die erzielten Erfolge des betrieblichen Umweltschutzes differenziert darzustellen. Wer tatsächlich wesentlich mehr tut als andere - und von vielen deutschen Teilnehmern hört man unter Verweis auf die hohe umweltrechtliche Regelungsdichte in der Bundesrepublik gerade diese Aussage immer wieder -, hat hier die Gelegenheit, den Beweis dafür anzutreten.
3. Umsetzungsschritte 1: Praxiserfahrungen mit dem internen Öko-Audit Unternehmen verfügen in der Öffentlichkeit, was ihr Bemühen um den Umweltschutz angeht, nicht über ein allzu gutes Image. Dem weitaus größten Teil der Bevölkerung gelten sie, wie einschlägige Untersuchungen dokumentieren (z.B. Allensbach 1984, Wimmer 1993) als die Hauptverursacher der globalen Umweltproblematik, denen ihr eigener finanzieller Vorteil eher den Verstoß gegen geltendes Umweltrecht nahelegt als Bemühungen um einen aktiven betrieblichen Umweltschutz, der über geltendes Recht hinausgeht. Insofern stoßen Öko-Audit und externe Umweltberichte eher auf eine skeptische, tendenziell mißtrauische Öffentlichkeit als auf bereitwillig „glaubensbereite" Adressaten. Freiwillige Bemühungen um den betrieblichen Umweltschutz müssen also Vorurteile abbauen. Unternehmen dürfen nicht so tun, als gäbe es keinerlei Probleme, sondern nur gute Taten und Erfolgsstories. Tun sie dies, dann bauen sie eher Vorurteile aus, nehmen die Kosten fiir das interne Öko-Audit, die externe Prüfung durch die zugelassenen Um-
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weltgutachter sowie den Druck und Versand der Umwelterklärungen auf sich, ohne die Nutzenpotentiale dieses Instruments auszuschöpfen. Denn diese liegen in der umfassenden, glaubwürdigen Erfassung und Dokumentation der gegebenen Problemlage sowie der Installierung von angemessenen Instrumenten und einer nachvollziehbaren Darstellung der unternehmenspolitischen Bemühungen um die Lösung der Probleme sowie der bereits erzielten Erfolge. Tatsächlich waren es anfangs überwiegend Standorte von Großunternehmen, die sich bisher am EU-Öko-Audit beteiligen. Von den 48 Standorten, die noch in 1995 validiert wurden, trifft dies auf 35 zu. Von den fast 300 Standorten, die in 1996 bisher registriert wurden, ist ebenfalls ein großer Teil konzerngebunden oder Standort eines Unternehmens mit mehr als 1.000 Beschäftigten, wobei allerdings der Anteil der mittelständischen Unternehmen zugenommen hat. Dabei ist als Branche die Nahrungsmittelindustrie mit ca. 11,5% am stärksten vertreten, gefolgt von der chemischen Industrie, der Gummi- und Kunststoflferanche, dem Metall-und Maschinenbau mit jeweils ca. 10% sowie der Elektronik/Elektrotechnik und dem Kraftfahrzeugbau mit jeweils ca. 7,5% (DIHT 1995/96). Eine systematische Auswertung der bei der Audit-Durchfuhrung erzielten Erfahrungen, die über Einzelfälle hinausgeht, ist nach der Inkraftsetzung der EMAS-Verordnung bisher nur in wenigen Versuchsprogrammen durchgeführt worden. So wurde von der EU-Kommission 1992/93 ein Pilotvorhaben in 17 europäischen Unternehmen initiiert, über das jedoch nur vorläufige Ergebnisse publiziert wurden (vgl. PA Consulting Group 1993; Freimann 1995). In der Bundesrepublik Deutschland haben einige Bundesländer Modellversuche zum ÖkoAudit aufgelegt, aus denen jedoch zumeist keine wissenschaftlich erhobenen Erkenntnisse, sondern vor allem Umsetzungsleitfaden entstanden sind. Gleiches gilt für Einzelforderungsprojekte der Deutschen Bundes-
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Stiftung Umwelt. Das Land Hessen hat ein Pilotförderprogramm 1994/95 aufgelegt, das eine systematische wissenschaftliche Begleitung erfuhr. Im Rahmen dieses Programms wurden 14 Unternehmen finanziell und ideell gefordert. Das Begleitforschungsprojekt sollte die Erfahrungen in den geförderten Unternehmen systematisch erfassen und bewerten, um daraus Hinweise für die Audit-Durchführung in anderen Unternehmen abzuleiten. In diesem Projekt wurden 13 Fallstudien durchgeführt, in denen mit Hilfe qualitativer Experteninterviews und der Dokumentenanalyse gearbeitet wurde. Dabei wurden nur die internen Öko-Audits untersucht, also nicht die externen Prüfungen durch die zugelassenen Umweltgutachter, die zur Zeit der Studie (Herbst 1994 bis Frühjahr 1995) noch nicht bestellt waren. Als Gesamtergebnis der Begleitforschung kann in aller Kürze das Folgende festgehalten werden (hierzu ausfuhrlich FBU 1995; Freimann/Schwaderlapp 1995a, 1995b): Unter den verschiedenen Bestandteilen eines Öko-Audits setzen die Unternehmen ihren Schwerpunkt auf die Umwelt(betriebs)prüfung. Dabei finden die klassischen, von der Umwelttechnik geprägten Bereiche Energie, Wasser, Abfall und Lärm große Beachtung, während die Auswahl neuer Verfahren, Produktplanung, Lieferantenbeeinflussung sowie Informations-, Organisations- und Qualifikationsaspekte weniger thematisiert werden. Die erarbeiteten Umweltpolitiken (Umweltleitlinien) werden zumeist in enger Anlehnung an die Vorgaben der EMAS-Verordnung formuliert. Ein erkennbarer Bezug zum einzelnen Unternehmen läßt sich nicht immer ausmachen, wodurch die Leitlinien manchmal aufgesetzt und damit wenig glaubwürdig erscheinen. Die Entwürfe der Umweltprogramme orientieren sich stark an den in den Prüfungen festgestellten Schwachstellen- bzw. Maßnahmenkatalogen. Sie treffen eine erkennbar am Gesichtspunkt der sicheren Umsetzbarkeit orientierte Auswahl von
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Aktivitäten zur Beseitigung der in den Schwachstellenkatalogen aufgewiesenen Mängel. Die organisatorische Verankerung der Umweltverantwortung und -Zuständigkeiten wird hauptsächlich mit dem Ziel des Abgleichs mit gesetzlichen Anforderungen und ihrer Dokumentation bearbeitet. Diejenigen Unternehmen, die bereits vor dem Audit die gesetzlich von ihnen geforderten Vorkehrungen installiert hatten, haben diese im Rahmen des Öko-Audits überwiegend systematisiert und dokumentiert, sowie kleinere Ergänzungen vorgenommen. In den Unternehmen, die bisher keine Umweltschutzorganisation eingerichtet hatten, wird deren Installierung vorgesehen, die sich vielfach ebenfalls an den gesetzlichen Vorgaben orientiert. Moderne Instrumente der partizipativen Organisationsentwicklung finden in den untersuchten Umweltmanagementsystemen bisher keine Anwendung, auch wenn sie in anderen betrieblichen Funktionsbereichen bereits eingesetzt werden. Eine Verbindung mit den installierten bzw. geplanten Qualitätsmanagementsystemen wird regelmäßig angestrebt, bleibt in ihren Konturen aber undeutlich. Die teilnehmenden Unternehmen selbst äußern sich vornehmlich positiv über den Erfolg und die Auswirkungen des Öko-Audits. Es wird zum Teil als Richtungsbestätigung und Ausschöpfung des schon vorhandenen Potentials im Umweltmanagement wahrgenommen. Zum Teil wird es aber auch als Anstoßimpuls für den grundlegenden Aufbau eines Umweltmanagements gesehen, denn die stärkste Wirkung wird in der Systematisierungsfunktion wahrgenommen, indem sämtliche umweltrelevanten Anforderungen gebündelt und handhabbar gemacht werden. Die Offenheit des EMAS beinhaltet für die Unternehmen vor dem Hintergrund der hohen umweltrechtlichen Regelungsdichte und deren dominierenden Einflusses auf das Umweltverhalten von Unternehmen neuartige Anforderungen. So darf es nicht überraschen, daß die systematische umweltbezogene Selbstkontrolle und Dokumentation im
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Vordergrund stehen, während die innovationsorientierte Einleitung unternehmenskulturell angepaßter Entwicklungsprozesse, in der man die eigentliche Zielsetzung eines Öko- Audits sehen kann, noch zurücksteht. Insofern gewinnen die beteiligten Unternehmen vor allem umweltrechtliche Handlungssicherheit, jedoch (noch) nicht in dem möglichen Ausmaß innovative Kraft zur Stärkung der eigenen Zukunftsfähigkeit.
4. Umsetzungsschritte 2: Form und Inhalt von Umwelterklärungen Angesichts der neuartigen Anforderungen an den betrieblichen Umweltschutz nimmt es nicht wunder, daß sich viele Unternehmen nicht nur mit dem internen Öko-Audit, sondern auch mit der externen Berichterstattung in Umwelterklärungen relativ schwer tun. Das zeigt eine zweite empirische Studie, die 1995/96 durchgeführt wurde und insgesamt 37 Umwelterklärungen „der ersten Stunde" einer detaillierten Analyse unterzog (FBU 1996). Faßt man die Ergebnisse der zweiten Studie zusammen, dann wird deutlich, daß sich die Unternehmenspraxis auch hier grundsätzlich in der Lage zeigt, die ihr von der EMAS-Verordnung zugewiesene Eigenverantwortlichkeit zu übernehmen und zu praktizieren. Sowohl die offene Darstellung der Bemühungen um den betrieblichen Umweltschutz und der bisher erzielten Ergebnisse als auch vorsichtige Ansätze zum Dialog mit der kritischen Öffentlichkeit lassen sich in den untersuchten Umwelterklärungen finden. Insgesamt jedoch herrschen wiederum mehr Vorsicht und Zurückhaltung, als geboten wäre, um das relativ schlechte Image der Wirtschaft bezüglich ihrer freiwilligen Bereitschaft zum aktiven Umwelt-
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schütz abzubauen und ein Vertrauensverhältnis zur kritischen Öffentlichkeit zu entwickeln. Nach wie vor überwiegen die Neigung zur Herausstellung von Erfolgen und zum Verschweigen von Schwachstellen. Betriebliche Umweltschutzprobleme scheint es kaum zu geben, jedenfalls werden nur in wenigen Umwelterklärungen solche eingeräumt. Weitreichende Anstrengungen um die Verbesserung des Umweltschutzes dagegen sind - folgt man den Darstellungen in vielen Umwelterklärungen - die Regel, und zwar wesentlich länger, als es das Öko-Audit gibt. Zumeist ist jedoch nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang die berichtenden Unternehmen über gesetzlich geforderte Umweltstandards hinausgegangen sind oder diese lediglich eingehalten haben. Dem kritischen Leser stellt sich die Frage, warum gerade nach eigenem Bekunden bisher bereits außerordentlich umweltaktive Unternehmen überhaupt ein Öko-Audit durchgeführt und sich auf den Weg gemacht haben, Schwachstellen im Umweltschutz aufzudecken und zu beseitigen.2 Die Vagheit der in der EMAS-Verordnung formulierten Anforderungen bewirkt allerdings eine große Vielfalt sehr unterschiedlich ausgestalteter Umwelterklärungen. So findet man sowohl sehr ambitionierte Darstellungen der betrieblichen Bemühungen um den Umweltschutz als auch Umwelterklärungen, denen man ihren Charakter als Pflichtübung deutlich ansieht. Mit aller Vorsicht, die angesichts des frühen Untersuchungszeitraums geboten ist, lassen sich in der Gesamtschau vier unterschiedliche Varianten von Umwelterklärungen unterscheiden: die Engagierten, die PR-Profis, die Verordnungsbefolger und die Minimalisten.
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Untersuchungen zur Frage, wie UmwelterklSrungen von den verschiedenen Adressatengruppen angenommen werden, sind meines Wissens bisher nicht durchgeführt worden, so daß hierüber nur Mutmaßungen angestellt werden können.
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Die Engagierten zeichnen sich durch eine zumeist recht offene Darstellung des unternehmensspezifischen Zugangs zur Umweltproblematik aus. Sie machen transparent, wo die allgemeinen Umweltprobleme der Branche liegen und wie sie im besonderen mit diesen Problemen umgehen. Sie stellen die Tätigkeiten am Standort und die damit verbundenen Umweltauswirkungen nachvollziehbar dar. Sie geben Einblick in die im Audit aufgedeckten Probleme (vielfach in Form einer erläuterten betrieblichen Öko-Bilanz) und machen deutlich, was sie mit welchem Aufwand und in welchem Zeitraum planen, zur Problemreduktion zu tun. Sie geben organisatorische Zuständigkeiten an und lassen erkennen, daß und wie sie die Mitarbeiter in die Bemühungen um den betrieblichen Umweltschutz integrieren. So entsteht in den Umwelterklärungen das glaubhafte Bild eines Unternehmens/Standorts, der auf dem Weg dazu ist, künftig mehr für den Umweltschutz zu tun, als gesetzlich von ihm gefordert ist. Nicht zuletzt wird zum Dialog aufgefordert, werden kritische Rückmeldungen zur Umwelterklärung erbeten. Die PR-Profis erstellen Umwelterklärungen nach dem Muster der tradierten Public-Relations-Pflege: Tue Gutes und rede darüber. Auch sie verschweigen nicht, welche allgemeinen Umweltprobleme es in ihrer Branche gibt, gehen jedoch auf ihre spezifischen Probleme kaum ein. Sie sparen nicht an Bekenntnissen zum Umweltschutz, lassen jedoch im Detail nicht genau erkennen, wie sie diese Bekenntnisse umsetzen wollen. Man findet fallende Kurven bei allen Umweltproblemen, über die berichtet wird, aber kaum einen Hinweis auf verbleibende Schwachstellen oder Belastungen. Die Umwelterklärungen enthalten eindrucksvolle Bilder und übersichtliche Grafiken, aber erwecken nicht selten den Eindruck, daß doch etwas verschwiegen wird. Die gewährten Einblicke in das Umweltmanagementsystem fallen eher oberflächlich aus.
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Die Verordnungsbefolger lassen in der Umwelterklärung vor allem erkennen, daß sie den Wortlaut der EMAS-Verordnung gut beherrschen. Die dargestellte Umweltpolitik und andere Passagen lesen sich wie die entsprechenden Artikel oder Anhänge der Verordnung. Die spezifischen Belange des berichtenden Unternehmens dagegen erscheinen eher randständig. Anstatt über das betriebliche Umweltmanagementsystem zu berichten und konkrete Zuständigkeiten und Umsetzungsschritte darzulegen, wird ausgeführt, was die EMAS-Verordnung unter einem Umweltmanagementsystem versteht und daß ein solches ebenso wie ein Umweltprogramm im Unternehmen vorhanden ist. Wie dieses aussieht, wird nur in Ansätzen deutlich. Warum das Unternehmen ein Öko-Audit durchgeführt hat, bleibt unbeantwortet. Die Minimalisien reduzieren den Berichterstattungsaufwand bis auf ein Mindestmaß. Bei der Lektüre ihrer Umwelterklärungen fragt sich der Leser, warum hier überhaupt eine Umwelterklärung erstellt und publiziert wurde. Denn relevante Informationen erhält man kaum. Was die PR-Profis zuviel des Guten tun, tun die Minimalisten zu wenig. Es scheint, daß man gerade soviel preisgibt, daß der zugelassene Gutachter seinen Stempel nicht verweigert. Daß im Preisgeben Chancen der Beziehungspflege liegen, ohne die ein Öko-Audit insgesamt unternehmenspolitisch allenfalls in Ansätzen erfolgreich sein kann, ist dieser Gruppe anscheinend nicht bewußt. Die dargestellten Gruppen sind jedoch Idealtypen. Denn wenn es auch möglich ist, die untersuchten Umwelterklärungen insgesamt in dieser Art zu unterscheiden und zu charakterisieren, so muß doch deutlich gemacht werden, daß im Detail die Unterschiede überwiegen. Minimalistische Umwelterklärungen können durchaus eine ansprechende Umweltpolitik enthalten und vollständig wiedergeben, während in engagierten Umwelterklärungen die Darstellung des Umweltmanagementsystems nur unvollkommen vorgenommen wird. Nicht
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selten finden sich in PR-professionellen Umwelterklärungen umfassende Öko-Bilanzen und in Verordnungsbefolgenden sehr ambitionierte Erläuterungen von Fachbegriffen. Im Detail sind also erhebliche Ausgestaltungsunterschiede der Umwelterklärungen festzuhalten. Die Übereinstimmung mit dem Kriterienkatalog variiert nicht nur zwischen den Umwelterklärungen insgesamt, sondern auch in den einzelnen Umwelterklärungen je nach untersuchtem Abschnitt. Während im Rahmen der Beschreibung des Unternehmens und der Tätigkeiten am Standort sowie bei der Darlegung der Umweltpolitik viele Übereinstimmungen zwischen verschiedenen Erklärungen und mit dem entwickelten Untersuchungsraster zu verzeichnen sind, gibt es bei der Darstellung der Ergebnisse der Umweltbetriebsprüfung, des Umweltprogramms und des Umweltmanagementsystems erhebliche Abweichungen, die insbesondere in diesen Abschnitten auf weithin nicht genutzte Darstellungs- und Profilierungsmöglichkeiten schließen lassen. Die drei letztgenannten Abschnitte berühren nämlich den Kern der EMAS Verordnung und der Umweltberichterstattung im Rahmen des Öko-Audits. Die Unternehmen müssen sich nicht nur mit den von ihnen verursachten Umweltbeeinträchtigungen auseinandersetzen, sondern diese auch dokumentieren. Ferner sind die Unternehmen aufgefordert zu berichten, mit welchen Maßnahmen sie in Zukunft - im Gefolge des Öko-Audits - zum verbesserten Schutz der natürlichen Umwelt beitragen und wie sie durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen die Realisierung der selbstbestimmten Zielsetzungen gewährleisten wollen. Damit geht die externe Berichterstattungspflicht in einer Umwelterklärung über das bisher übliche Maß der freiwilligen Umweltberichterstattung hinaus. Die Beschreibung des Unternehmens/Standorts und die Erstellung und Veröffentlichung unternehmenspolitischer (Umwelt-)Leitlinien
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gehören bereits zum Erfahrungsbereich vieler Unternehmen und sind Bestandteil traditioneller Public-Relations-Arbeit. Hingegen sind die kritische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der betrieblichen Tätigkeiten auf die Umwelt und die offensive Kommunikation über Umweltprobleme sowie Möglichkeiten und Grenzen des betrieblichen Umweltschutzes den meisten Unternehmen weit weniger vertraut. Allgemeine Informationen zum Unternehmen und Absichtserklärungen lassen sich leichter kommunizieren als die harten Fakten der Umweltbetriebsprüfung, das Umweltprogramm oder die organisatorischen Voraussetzungen zur Realisierung von Umweltschutzmaßnahmen. In den Ergebnisdarstellungen der Umweltbetriebsprüfung werden die bereits erzielten Erfolge vielfach in übertriebener Euphorie belobigt, die eingeleiteten Bemühungen bereits wesentlich knapper abgehandelt und wenig konkret beschrieben. Einblicke in die organisatorischen Vorkehrungen werden selten gewährt, vorhandene, in Angriff genommene oder verbleibende Probleme beim betrieblichen Umweltschutz scheint es praktisch nicht zu geben. Insbesondere bei Umweltzielen und Umweltprogrammen ist eine sehr zurückhaltende Berichterstattung festzustellen. Lieber keine Umweltziele formulieren, die man nicht sicher auch erreichen kann; lieber keine Budgets für die Umsetzung der geplanten Umweltschutzaktivitäten angeben, lieber keine konkreten Maßnahmen zur Mitarbeiterbeteiligung nennen. Es könnte ja geschehen, daß die Umsetzung ganz anders verläuft als geplant und man in der nächsten Umwelterklärung die Abweichungen rechtfertigen muß. Aber: Ist wirklich deijenige unglaubwürdig, der sich ein Ziel vornimmt, um damit ein vorhandenes Problem zu lösen, der bei der Problemlösung jedoch auf unerwartete Schwierigkeiten stößt und daher das Problem nur teilweise löst? Oder entsteht Unglaubwürdigkeit nicht vielmehr dadurch, daß man àch erst überhaupt nur Maßnahmen vornimmt, die beim Erscheinen der
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Umwelterklärung bereits gelöst sind? Oder daß man zwar hehre Ziele setzt, aber versäumt anzugeben, auf welchem Wege man sie zu erreichen vorhat? Auffällig und damit ebenfalls als Gesamtbefund festzuhalten ist die Feststellung häufiger innerer Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Bestandteilen der Umwelterklärungen. Da werden z.B. weitreichende Ansprüche in die Umweltpolitik aufgenommen, der Leser sucht aber vergeblich nach Bestandteilen des Umweltprogramms, die erkennen lassen, daß sich das Unternehmen um die Umsetzung dieser Ansprüche bemüht. Fast in allen Umwelterklärungen findet sich das Bekenntnis, daß die Mitarbeiter im Zentrum der betrieblichen Bemühungen um den Umweltschutz stehen. Maßnahmen, die der Qualifizierung und Beteiligung der Mitarbeiter dienen, kann man jedoch nur in wenigen Umweltprogrammen entdecken und fast nie in den Darstellungen des Umweltmanagementsystems als der organisatorischen Verankerung der Umweltverantwortung. Im Gegenteil, hier wird erkennbar, daß der betriebliche Umweltschutz vor wie nach dem ÖkoAudit zumeist als reine Experten-Veranstaltung aufgefaßt und umgesetzt wird. Insgesamt beeinflussen viele unterschiedliche Parameter Form und Inhalt der Umwelterklärungen: Branche, Unternehmensgröße, Ausmaß der ökologischen Betroffenheit sowie der bisherigen Bemühungen um den betrieblichen Umweltschutz, Erfahrungen im Umgang mit einer kritischen Öffentlichkeit. Alle diese und weitere Gegebenheiten sind in den untersuchten Fällen weit gestreut und prägen die Ausgestaltung der Umwelterklärungen in verschiedener Weise. Auf Grund dieser Vielfalt von Einflußfaktoren sind auch der Vergleichbarkeit der Erklärungen und der in ihnen kommunizierten Daten relativ enge Grenzen gesetzt. Kennziffern, in denen z.B. der Stoff- und Energieverbrauch auf den Umsatz, die produzierte Stückzahl oder die Zahl der Mitarbeiter
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bezogen wird, finden sich in fast keiner Umwelterklärung. Nicht selten fehlen sogar die Bezugsdaten, die eine nachträgliche Ermittlung derartiger Kennziffern und damit den Vergleich und die Bewertung der gelieferten Daten ermöglichen würden. Wenige ambitionierte, einige allzusehr firmenwerblich überzogene, viele pflichtgemäß Verordnungsbefolgende und einige minimalistische Umwelterklärungen, in dieser Kurzformel lassen sich die Befunde der Untersuchung zusammenfassen. Nur von einer Minderheit der Unternehmen werden die Chancen, die das Instrument Umwelterklärung im Rahmen des Öko-Audits bietet, bereits heute angemessen genutzt. Die meisten behandeln Umwelterklärungen eher als ein notwendiges Übel, das eben zum Öko-Audit qua EMAS-Verordnung dazugehört, denn als unternehmenspolitisch fruchtbares und perspektivenreiches Hilfsmittel zur Entwicklung von Vertrauen und zur Sicherung sozialer Akzeptanz bei einer bisher nicht vom freiwilligen Umweltengagement der Wirtschaft überzeugten Öffentlichkeit.
5. Erklärungsversuche Zu fragen ist nach den Ursachen dieser Befunde. Eine wesentliche Ursache dürfte in der Neuartigkeit des Instruments liegen. Alle beobachteten Öko-Audits sind Erst-Audits, in denen sowohl die untemehmensinternen Beteiligten als auch die meisten Berater und zugelassenen Umweltgutachter noch unerfahren sind. Sie agieren daher „auf der sicheren Seite", orientieren sich enger, als dies vermutlich in Folge-Audits geschehen wird, an den Buchstaben der EMAS-Verordnung. Schließlich wollen alle Beteiligten ein erfolgreiches Öko-Audit durchführen. Und Erfolg heißt zunächst, das begehrte Zertifikat des zugelassenen Umweltgutachters zu bekommen, ohne daß man die
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Kriterien der externen Prüfung kennt oder damit Erfahrungen sammeln konnte. Eine weitere Ursache liegt im ambivalenten Charakter der Verordnung selbst. Sie will Selbstkontrolle und Innovationsförderung zugleich. Beides verlangt jedoch unterschiedliche, z.T. sogar gegensätzliche Vorgehensweisen und trifft zudem auf dafür nur partiell vorbereitete Akteure. Kontrolle erfordert Distanz zwischen dem Kontrollierten und dem Kontrolleur, sie erfordert die Unabhängigkeit des Kontrolleurs von dem zu kontrollierenden Gegenstand bzw. Vorgang. Der Kontrollierte begegnet dem Kontrolleur mit Zurückhaltung, eventuell sogar mit Vorbehalten und Mißtrauen. Innovationsförderung dagegen muß sich hineinbegeben in den Bereich, auf den sie sich bezieht. Sie muß ihre Adressaten erreichen und beteiligen. Wer Innovationen fördern will, braucht die Nähe zu den Akteuren. Der zu Fördernde muß zum Beteiligten werden. Die traditionellen Akteure des Umweltmanagements jedoch betätigen und erleben sich selbst vor allem als Kontrolleure. Von Innovationen sind sie bisher überwiegend ausgeschlossen. Auch von den Mitarbeitern werden sie nicht als Anreger und Helfer, sondern als Träger unerwünschter Anforderungen und als Aufpasser erlebt. Daher verwundert es nicht, daß alle Akteure auch beim Öko-Audit zunächst in ihren tradierten Rollen und Handlungsmustern verbleiben. Ein Letztes kommt hinzu: Tatsächlich gibt die EMAS-Verordnung die Handlungsautonomie im Umweltmanagement nur teilweise an die Unternehmen ab. Um den umweltpolitischen Erfolg trotz der programmatischen Übergabe der Handlungsmacht an die Unternehmen zu sichern, beinhaltet sie eine Fülle von formalen Vorschriften, die, statt Kreativitätsentwicklung und Eigenständigkeit zu fördern, doch wieder vor allem Normerfullung nahelegen.
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So enthält z.B. Anhang I detaillierte Vorgaben über Form und Inhalt aller geforderten Bestandteile der Umweltpolitik, -ziele und -programme, des Umweltmanagementsystems, der in diesen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sowie der sogenannten guten Managementpraktiken, die die Grundlage fur die Umweltbetriebsprüfung und die externe Validierung bilden. Sie sind maßgeblich, unabhängig davon, ob sie für das zu prüfende Unternehmen relevant und innovationsfördernd sind, oder ob sie irrelevant oder gar hemmend in bezug auf den kontinuierlichen ökologischen Fortschritt wirken. Offensichtlich hat den Verordnungsgeber im Verfahren der politischen Willensbildung und Beschlußfassung der politische Mut verlassen oder es haben „zu viele Köche" mitgewirkt, so daß Klarheit und Profil des Gesetzes auf der Strecke geblieben sind. Zu fragen ist jedoch auch, ob der grundsätzliche Weg, den die Verordnung beschreitet, die formale Installierung eines normierten Managementsystems, ein probater Weg ist, unternehmenspolitische Innovation und mit ihr ökologischen Fortschritt zu fördern. Im Zentrum des EU-Öko-Audit-Systems steht neben der technischen und rechtlichen Umweltprüfiing als Komponente der Ex-PostPrüfung und Sicherung das Gebot der Installierung und fortlaufenden Weiterentwicklung eines Umweltmanagementsystems. Hierin knüpft die EG-Verordnung an die seit längerem weltweit standardisierten Verfahren des Qualitätsmanagements nach DIN/ISO 9000 ff. an, in deren Zentrum ebenfalls die Installierung und fortlaufende Prüfung eines Managementsystems steht (vgl. hierzu z.B. Drösser 1995; Hamschmidt 1995). Der Begriff Managementsystem ist mehrdeutig und wird auch entsprechend diiïus benutzt. In ihm drückt sich in statischer Perspektive die formal-organisatorische Verankerung bestimmter Aufgaben und Zuständigkeiten im Rahmen der zu regelnden Funktionen - Qualitäts-
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bzw. Umweltmanagement - aus. Das sind z.B. Stellenbildung, formale Ablaufregelungen, Arbeitsanweisungen sowie deren Dokumentation. In dynamischer Perspektive signalisiert der Begriff die Abfolge von Vorkehrungen und Prüfungen zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit einer derart fixierten und dokumentierten Organisation, die ihr zugewiesenen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen. Äußerer Ausdruck und als solcher im Praxisverständnis häufig Synonym für den Begriff Managementsystem ist ein Organisations- (Qualitäts- oder Umwelt-) Handbuch, in dem alle das System umfassenden Vorkehrungen dokumentiert sind und im Falle von Änderungen fortgeschrieben werden. Die Installierung eines Managementsystems dient der Vertrauensbildung bei externen Anspruchsgruppen. Im Falle des Qualitätsmanagements sind dies insbesondere die Kunden, denen signalisiert werden soll, daß das Unternehmen alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen hat, um qualitativ hochwertige Produkte und Leistungen bereitzustellen, die eine aufwendige Prüfung beim Abnehmer entbehrlich machen. Beim Umweltmanagement soll der Öffentlichkeit gegenüber dokumentiert werden, daß angesichts der getroffenen Vorkehrungen sowohl im Normalbetrieb als auch bei Unfällen Umweltschädigungen so weit wie möglich vermieden werden. Adressaten sind hier also staatliche Genehmigungs- und Aufsichtsorgane sowie Anlieger und interessierte Öffentlichkeit sowie über sie erneut die Kunden des Unternehmens. Wegen dieser Zwecksetzung werden Managementsysteme nicht einfach installiert und dokumentiert, sondern zusätzlich einer externen („neutralen") Prüfung und Zertifizierung bzw. Validierung unterzogen. Der Prüfer vergibt nach erfolgreicher Prüfung das Recht auf Führung eines Gütezeichens, das der Öffentlichkeit signalisiert, in dem entsprechend ausgezeichneten Unternehmen werden qualitativ hochwertige
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Produkte und Leistungen erstellt bzw. umweltverträglich gewirtschaftet. Dieses sogenannte "signaling" soll die Informationsasymmetrie an Märkten reduzieren und den Marktpartnern Informations- und Kontrollkosten sparen helfen (z.B. Kaas 1995). Externe Prüfer sind im Qualitätsmanagement Organisationen, die im Auftrag des zu prüfenden Unternehmens diesem die Übereinstimmung des installierten Qualitätsmanagementsystems mit den internationalen Normen bescheinigen. Hier bewegt sich die Prüfung mithin allein im Bereich derfreiwilligenSelbstorganisation der Wirtschaft. Von Normierungs-Institutionen unter Einbeziehung der sogenannten interessierten Kreise (s. aber kritisch Drösser 1995, 43 ff.) festgelegte Verfahrensund Organisationsnormen gelten als geeignete Meßlatten fur die Qualität der in den entsprechend strukturierten Organisationen erstellten Leistungen. Allerdings gibt es bisher keine empirischen Erkenntnisse darüber, daß tatsächlich ein positiver Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein eines zertifizierten QM-Systems und der Leistungsqualität vorhanden ist (Kamiske/Malorny 1994) Im Umweltmanagement dagegen werden - jedenfalls im Rahmen des EU-Öko-Audit-Systems - staatlich akkreditierte „zugelassene Umweltgutachter" eingeschaltet, denen auch die Überprüfung der umweltrechtlichen Konformität des geprüften Standorts zukommt. Während im Qualitätsmanagement also vorrangig technische Orientierungen die Prüfung bestimmen, sind es im Umweltmanagement zusätzlich rechtliche Maßstäbe. Was geprüft werden soll, muß auch prüfbar sein. Es muß eine Meßlatte geben, die an den zu prüfenden Gegenstand angelegt wird und an der er als mit den Anforderungen übereinstimmend oder ihnen nicht genügend erkannt werden kann. Im Falle von Verfahrensnormen heißt das: Strikte Aufbau- und Ablaufstrukturen, deren klare, umfassende Dokumentation und gerichtsfeste Formalisierung sind die Merkmale
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von Managementsystemen, die den genannten Zwecksetzungen entsprechen. Denn es sollen ja gerade nicht die Prozeßergebnisse (Produkte, technische Umweltqualitäten) geprüft, sondern die Prozesse als Strukturen ausgezeichnet werden, aus denen qualitativ hochwertige bzw. umweltverträgliche Leistungen gleichsam zwangsläufig hervorgehen. Ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem und ein validiertes Umweltmanagementsystem sind mithin fast mit Notwendigkeit starre Systeme, in denen Experten Strukturen vorgeben, die von anderen befolgt und exekutiert werden. Unter der Flagge der technischen und rechtlichen Normierung von Managementsystemen erlebt die formale Organisation, erleben Bürokratie und die strikte Trennung von Weisung und Weisungsbefolgung ihre praktische Wiederbelebung, nachdem die Organisationslehre sie bereits seit längerem als kontraproduktiv und motivations- und erfolgshinderlich entdeckt und aus dem Instrumentenkasten der modernen Unteraehmensfuhrung verbannt hatte. Es gibt Autoren, die aus diesem Grunde das Wort Managementsysteme als aussichtsreichen Kandidaten fur das organisatorische Unwort des Jahrzehnts ansehen (Chrobok 1995). Ein Weiteres muß beachtet werden. Normierung heißt immer auch, etwas gleichförmig machen. Im Falle von Managementprozessen oder Organisationsstrukturen bedeutet dies, unterschiedlich große, historisch gewachsene und mit höchst unterschiedlichen Aufgaben tätige soziale Organismen zu uniformieren. Das jedoch kann weder in Bezug auf Abläufe, noch in bezug auf Zuständig- und Verantwortlichkeiten in Unternehmen heute noch als zeitgemäß angesehen werden, im Gegenteil. Sowohl die empirische Entscheidungsforschung als auch die Debatte um die Organisations- und Unternehmenskultur erweisen nicht nur die faktische Vielgestaltigkeit realer Entscheidungs- und Arbeits-
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prozesse, sondern gerade auch die Produktivität und Erfolgsträchtigkeit der kulturellen Eigenart verschiedener Unternehmen. Wer erfolgsorientiertes Umweltmanagement befördern und die bisher verbreitete gesetzesfixierte Befolgungsmentalität ablösen will, sollte mit normierenden Vorgaben außerordentlich behutsam umgehen. Umweltordnungsrecht mit klaren technischen Auflagen und Vorgaben bewirkt in Unternehmen Maßnahmen, die in streng geregelten Bahnen ablaufen und sich im Vollzug der Produktion wiederholen. Hier ist starre Organisation mit der Möglichkeit genauer Einhaltungsprüfung förderlich (Reuter 1993,1608). Marktorientierte Umweltpolitik jedoch, die die Eigenverantwortung der Unternehmen und erfolgsorientiertes Denken und Handeln im betrieblichen Umweltschutz fördern will, sollte eher Ziele vorgeben und deren Erreichung prüfen, die Wege zur Zielerreichung jedoch freigeben und der Gestaltungshoheit der Unternehmen überantworten. Nur so wird er den Umweltschutz als eigenständiges erfolgsorientiertes Betätigungsfeld der Unternehmenspolitik in den Köpfen der betrieblichen Akteure verankern können.
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Jürgen Hoffmann und Wolfgang Röhr
Ökologische Betriebspolitik und neue Managementkonzepte als modernisierungspolitische Herausforderung unter Krisenbedingungen 1
Auch fünf Jahre nach der internationalen Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro haben Umweltschutz im Betrieb bzw. eine ökologische Betriebspolitik zur Zeit "schlechte Karten". So stellte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZWE) in Mannheim erst kürzlich fest, daß die Selbstverpflichtungserklärungen der Industrie hinsichtlich einer Reduktion ihrer Umweltschädigungen den Umweltschutz kaum voranbrachten (die tageszeitung vom 9.1.1997). Auf diesen Mangel an weitergehenden, ökologisch inspirierten organisationalen Wandlungs- und Lernprozessen in den Unternehmen, die als Selbstorganisationsprozesse jenseits einer staatlichen Reglementierung in Form einer Selbstverpflichtung stattfinden sollten, verwies schon das Prognos Institut in einer Untersuchung für das Wirtschaftsministerium 1995 (Frankfurter Rundschau vom 17.2.1995). Unter dem Druck eines international intensivierten Wettbewerbs, der "Standortkonkurrenz", werden Kosten für den betrieblichen Umweltschutz, für den Einsatz ökologischer Produktionsverfahren und die
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Das Projekt wurde von der Hans-Böckler-Stiftung über einen Zeitraum von zwei Jahren gefördert und an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg durchgeführt. Zwei Maschinenbaubetriebe und zwei Lebensmittelbetriebe wurden hinsichtlich ökologischer Reorganisationsanforderungen innerhalb der bestehenden Betriebsstrukturen untersucht. Es wurden 31 qualitative Intensivinterviews mit Vertretern des Managements, des Betriebsrates und, soweit vorhanden, mit den Umweltschutzbeauftragten geführt.
ökologische Betriebspolitik und neue Managementkonzepte...
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Entwicklung ökologisch sinnvoller Produktlinien wieder das, was schon immer aus strikt betriebswirtschaftlicher Sicht in ihnen vermutet wurde: "tote Kosten", die nicht unmittelbar die Produktivität und die Konkurrenzfähigkeit des jeweiligen Unternehmens erhöhen können. Dagegen erscheint der "Image"-Gewinn durch die Propagierung ökologischer Produktion und Produkte im Marketing-Sektor eher ungewiß, zumal nicht nur die unter dem Druck der Arbeitsmärkte stehenden Gewerkschaften, sondern auch der hegemoniale öffentliche Diskurs unter dem Druck von Sparimperativen und Globalisierungsdiskussion die ökologische "Sensibilität" zurückgestellt hat. Trotz der hier angesprochenen verschärften Wettbewerbssituation und des defizitären ökologischen Reformprozesses der Unternehmen wird in der umweltpolitischen Diskussion weiterhin auf einen möglichen (und notwendigen) ökologischen Organisationswandel der Unternehmen hingewiesen (Steger 1992; Pfriem 1995; Hailay 1996). Dabei wird Bezug genommen auf die potentiellen Auswirkungen der Öko-Audit-Verordnung und auf die ökonomischen Grenzen des "nachgeschalteten" Umweltschutzes (z.B. der "end of the pipe technologies"). Diese führen bekanntlich zu einem Kosten-"take off' und lassen die erhofften substantiellen Erfolge im Umweltschutz vermissen. Darüber hinaus sollen innerhalb des "Selbstverpflichtungsdiskurses" der Unternehmen die Defizite des ordnungsrechtlichen Umweltschutzes überwunden werden. Tendenziell wird daher vermutet, daß unter diesen Rahmenbedingungen Ökologie und Ökonomie zu einer zusammengehörigen Systemkomponente verschmelzen und einen tiefgehenden ökologisch-ökonomischen Modernisierungsprozeß in der Volkswirtschaft auslösen würden (Huber 1995). Der Konflikt zwischen langfristigen ökologischen und kurzfristigen ökonomischen Interessen scheint daher nach Meinung etlicher Ökologen und auch Ökonomen aufhebbar zu sein. Hierauf beziehen sich die
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mittlerweile umfangreichen, von der Wissenschaft erarbeiteten und/oder von der Politik vorgegebenen Instrumentarien des betrieblichen Umweltmanagements, der ökologischen Betriebsfuhrung und der Öko-Audit-Verordnung. Ökologische Unternehmenskonzepte, die inzwischen breit diskutiert werden, vermitteln dabei oft den Eindruck, daß bei ihrer "richtigen" Anwendung, also einer rational-funktionalen Implementierung, ein ökologischer Organisationswandel leicht umsetzbar wäre. Gegenüber diesen vorschnellen Annahmen einer Ökologisierung bestehender Betriebs- und Gesellschaftsstrukturen und damit einer Harmonie von Ökologie und privat-dezentraler Ökonomie soll in unserem Beitrag anhand der Darstellung und Analyse der von uns untersuchten Betriebe auf systemische und personale Blockierungen in diesem Prozeß verwiesen werden. Betriebliche Ökologisierungsprozesse unterliegen schließlich in unserem Wirtschaftssystem weiterhin den ökonomischen Zwecksetzungen der Unternehmen und die ökologischen Gestaltungsoptionen und ihre organisations- und arbeitspolitische Umsetzung jenseits idealtypischer Modellannahmen sind von den entscheidungsrelevanten Akteuren im Unternehmen, ihren Interessen, Fachkompetenzen und betriebspolitischen Durchsetzungsmöglichkeiten (Birke/Schwarz 1994; Föste 1994; Burschel 1996) und deren Einbettung in Unternehmenskulturen abhängig. Darüber hinaus können wir in den folgenden Ausführungen den Zusammenhang einer ökologischen Unternehmensreform mit den Veränderungen der Produktionsund Arbeitsstrukturen darstellen. Die Durchsetzung einer ökologischen Unternehmensreform ist insofern unseres Erachtens sowohl von einer politischen Auseinandersetzungen über die Arbeits- und Produktionsstrukturen als auch von einer Auseinandersetzung von den damit verbundenen innerbetrieblichen Strukturveränderungen abhängig. Hier zeigt ach daher auch der "politische Gehalt" einer nicht-instrumentellen Behandlung einer ökologischen Unternehmensreform. In der folgenden
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Darstellung geht es um die Schnittstelle von Modemisierungsprozessen in den Arbeits- und Produktionskonzepten und den ökologischen Anforderungen an eine Organisationsreform; es geht also um die ökologische Ausgestaltung der Produktion im Zuge von unternehmerischen Restrukturierungsprozessen, die - so unsere Arbeitshypothese zu Beginn des Projektes - aufgrund der mit den angestrebten Modernisierungsprozessen verbundenen Kontingenzen Gestaltungsoptionenjenseits enger zweckrational-ökonomischer Kalküle eröffiien können.
1. Umwelthandeln und ökonomische Restrukturierungsprozesse in den Unternehmen Mit der Darstellung der umweltpolitischen und ökonomischen Handlungskonstellationen in den Betrieben verbindet sich kein Anspruch auf Vollständigkeit. Im Vordergrund stehen die Momente, die für eine mögliche "Ökologisierung" bzw. "Nicht-Ökologisierung" der bestehenden Organisationsstrukturen bedeutsam sind. Anhand einer Typisierung werden zunächst die Metallbetriebe - die auch den Schwerpunkt der Darstellung bilden - und anschließend die Lebensmittelbetriebe skizziert und analysiert. Typ 1: Die ökonomische Restrukturierungsfalle eines engagierten betrieblichen Umweltschutzes In einem untersuchten Maschinenbaubetrieb war der Auslöser für die Aufnahme des Umweltschutzes ein "ökologischer Skandal". Der Betrieb ist in einem Wasserschutzgebiet angesiedelt und in der Vergangenheit wurden die Abwassergrenzwerte mehrmals überschritten.
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Nachdem zunächst umweltpolitische Auflagen ignoriert wurden, ging das Unternehmen nach einer staatsanwaltschaftlichen Intervention zu einer proaktiven Umweltstrategie über. Es wurdefreiwilligein Umweltschutzbeauftragter benannt (nach Bundes-Immissionsschutzgesetz war der Betrieb hierzu nicht verpflichtet) und der Umweltschutz wurde offensiv in die Außendarstellung des Unternehmens aufgenommen.2 Umweltschutz galt jetzt nicht mehr als lästige Pflichtaufgabe, sondern wurde formal in die Unternehmensstrategie integriert. Das Unternehmen wurde Mitglied im "Bundesdeutschen Arbeitskreis für Umweltgerechtes Management e.V. (B.A.U.M.)" und erhielt dessen Umweltpreis. Das unternehmerische Umwelthandeln konzentrierte sich zunächst auf die Einhaltung der gesetzlichen und technischen Anforderungen im Umweltschutz. Es wurden verschiedene umweltpolitische Anstrengungen unternommen, die sich auf Abwasserentsorgung, Abfallvermeidung, Gefahrstoffsubstitution und Verbesserung des Produktionsprozesses (z.B. bei der Installation einer Pulverlackieranlage) bezogen. Zur Zeit wird die qualitative Weiterentwicklung des betrieblichen Umweltschutzes vom Management in einer stärkeren Integration des Umweltschutzes in die ablaufenden ökonomischen Reorganisationsprozesse gesehen. Umweltschutz soll perspektivisch in das sich entwickelnde "total quality management"-System (TQMSystem) integriert werden. Innerhalb der vom Management durchgeführten ökonomischen Restrukturierung hat das Unternehmen durch Unternehmensaufkäufe seine Produktpalette erweitert und die Unternehmensstruktur bei 2
Auf den Aspekt der Aufnahme und der Selbstorganisation des Umweltschutzes in die Handlungs- und Unternehmensstrategie aufgrund externer Einflüsse auf Unternehmen (z.B.ein ökologischer Skandal) wurde empirisch und theoretisch hinsichtlich der Politisierung und Entgrenzung von Untemehmensgrenzen am Beispiel einer ökologisch erweiterten Arbeitspolitik von Hildebrandt u.a. hingewiesen (1994; Zimpelmann/Gerhard/Hildebrandt 1992).
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gleichzeitiger Zentralisierung und Dezentralisierung reorganisiert. Im Vordergrund stand die Verringerung der Fertigungstiefe und die Neuorganisation der Arbeitsstrukturen. Angestrebt wurde eine Kostenreduktion, eine Konzentration auf ausgewählte, global wettbewerbsfähige Fertigungsbereiche, die Schaffung intelligenter Schnittstellen innerhalb einer Modulproduktion und eine interne Organisationsveränderung, um diese stärker nach marktwirtschaftlichen Prinzipien flexibel zu organisieren (Kühl 1995). Ausdruck fand dies in Überlegungen, perspektivisch "profit-centers" einzurichten und somit nicht nur eine integrierte Arbeitsorganisation mit einer geringeren Hierarchiestruktur zu etablieren, sondern diese innerbetrieblichen Produktionseinheiten direkt dem Markt- und Kostendruck auszusetzen. Gleichzeitig fand ein permanenter Kosten- und Leistungsvergleich der Produktionseinheiten mit anderen Einheiten im gleichen Unternehmen und/oder in der gleichen Branche statt ("make or buy-Option"). Hiervon erhoffte sich das Unternehmen einen kontinuierlichen Prozeß der Rationalisierung und Optimierung ihrer Prozeß- und Arbeitsstrukturen. Zudem wurde eine Reduktion innerbetrieblicher Komplexitäts- und Hierarchiestrukturen mit ihren inhärenten Informations- und Flexibilitätsverlusten und "Overhead- Kosten" angestrebt (Hirsch-Kreinsen 1995; Faust u.a. 1995). Allerdings entstand die paradoxe, aber durchaus typische Situation, daß die angestrebte Komplexitätsreduzierung neue Formen der Komplexitätserhöhung erzeugte. Insbesondere ergab sich innerhalb der geplanten Restrukturierung die paradoxe Situation, daß die Kooperation zwischen den teilautonomen Produktionsbereichen funktionieren sollte, ohne deren Autonomie zu stark zu beschneiden (Kühl 1995). Die erhofften Synergieeffekte und Kosteneinsparungen einer Kontextsteuerung innerhalb von "profit-centers" und einer "Qualitätsnormierung" hätten fur den Betrieb in dem Moment dysfunktional werden können, in dem sie den Abtei-
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lungsegoismus gegenüber der Gesamtorganisation unverhältnismäßig erhöht hätten, da die Wahrnehmung notwendiger Gesamtaufgaben fur das Unternehmen in den "profit-centers" sich dort direkt als Kostenbelastungen und/oder Zeitverlust auswirkte, die es zu minimieren galt. Darüber hinaus zeigte sich der soziale Gehalt des Restrukturierungsprozesses: Er ist auf die Mitarbeit und das Vertrauen der Beschäftigten angewiesen. Zudem existierten reale Verharrungstendenzen in den bestehenden Hierarchieebenen aufgrund der betrieblichen Macht- und Wissenspositionen bestehender Berufs- und Führungsrollen (Kern/Sabel 1994). Auf die "Blockierung" durch das mittlere Management wurde von den mit der Unternehmensreform befaßten Managern in den von uns gemachten Interviews ebenso verwiesen wie auf mögliche Konflikte mit dem Betriebsrat. Der als Modernisierung und "lean production" angestrebte Organisationswandel ist nämlich gegenüber einer tayloristischen Organisationssteuerung auf "Einsicht" und "Überzeugung" angewiesen, bedarf somit der Unterstützung und Legitimierung durch die Beschäftigten und läßt sich nicht von den TopManagern von oben nach unten und nach rationalen Planungsgesichtspunkten implementieren. Andererseits kann zwecks Aufrechterhaltung betriebsinterner Kontrolle und Rationalität der Prozeß aber auch nicht gänzlich gegenüber den Ansprüchen der Mitarbeiter geöffiiet werden. Paradoxerweise war es notwendig, die Beschäftigten an der Organisation und Leitung der Arbeit zu beteiligen und sie zugleich davon auszuschließen (Castoriadis 1975) und die politischen Beteiligungs- und Konfliktpotentiale zu minimieren.3 3
Auf die widersprüchlichen Momente in den stattfindenden betrieblichen Reorganisationsprozessen, die sich zwischen traditionellen Rationalisierungsanstrengungen und neuen Partizipationsangeboten des Managements an die Beschäftigten bewegen, weist Wolf (1994) in einer kritischen Diskussion industriesoziologischer Forschungsergebnisse und ihrer Partizipationsannahmen hin. Daß dieser Wandlungsprozeß aber auf neue Formen der Konfliktaustragung und
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Die Veränderung der Organisationsstruktur und der damit verbundene Übergang zu mehr Gesamtverantwortung und zu einer Prozeßorientierung in der Produktion stellte aufgrund des sozialen Gehalts und der Abstimmung an den Schnittstellen der einzelnen Funktionsbereiche den schwierigsten Gestaltungsprozeß dar. Während die Investitionen innerhalb des Restrukturierungsprozesses relativ planbar und in einfachen Managemententscheidungen umgesetzt werden konnten, bedurfte es zugleich einer Veränderung in den Einstellungen und Wertmustern der Beschäftigten selbst, die neben der arbeitstechnischen auch Aspekte der sozialen und kommunikativen Qualifizierung zumindest bestimmter Beschäftigtensegmente betraf (der Gruppenleiter, der Linienverantwortlichen und der Personen an der Schnittstelle von Spezialabteilungen und Produktionsbereich). Insgesamt führte die Integration unternehmerischer Momente in die Arbeitsund Produktionstruktur zu einer spezifischen Komplexitätserhöhung der Unternehmensorganisation als soziales System. Damit verband sich eine Politisierungsdimension in den Beziehungen der Betriebsakteure. Denn das Management war zu Verhandlungen mit dem Betriebsrat über neue Arbeitsformen, Gruppenmodelle, Entlohnung und Arbeitszeitfragen genötigt, und ebenso war man hinsichtlich der Motivation der Mitarbeiter gegenüber den neuen Produktionskonzepten und der integrierten Qualitätseigenkontrolle auf eine neue Form des betrieblichen Arrangements angewiesen (Dörre/Neubert 1995).4
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-regulierung, insofern auf Kompromißbildung und Zustimmung der betrieblichen Interessenvertretung und der Beschäftigten angewiesen ist, darauf haben Dörre und Neubert (1995) nochmal verwiesen. Das „Insgesamt" der betrieblichen Veränderungsprozesse wird in der soziologischen Diskussion auch als Indiz für eine „potentielle" Politisierung der bisherigen betrieblichen Sozialbeziehungen mit weitreichenden Konsequenzen für die einzelnen Akteure und Regulierungsformen gedeutet (beispielhaft Beck 1996; Bundesmann-Jansen/Frerichs 1995; Dörre/Neubert 1995). Allerdings ist der Aspekt als solcher nicht neu. Daß innerhalb der industriellen Beziehungen und in
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Nach Meinung der befragten Managementvertreter würden sich unter umweltpolitischen Aspekten prinzipiell die organisatorischen Anforderungen des Reorganisationsprozesses an den Betrieb noch erhöhen. Auch in der betriebsökologischen Literatur (vgl. Freimann 1990; Steger 1992; Pfriem 1995; Hailay 1996) wird explizit auf die Notwendigkeit verwiesen, in die bestehenden Funktionsbereiche des Betriebes ökologische Steuerungsinstrumente zu implantieren und organisatorische Veränderungen durchzufuhren, wodurch eine stärkere Berücksichtigung und Umsetzung ökologischer Aspekte in den betrieblichen Handlungsweisen möglich werden soll. In dem von uns untersuchten Fallbeispiel war jedoch die beabsichtigte Integration ökologischer Handlungsanforderungen in das Alltagsgeschäft des ökonomischen Betriebshandelns noch nicht gelungen. Wird dem Umweltschutz im Betrieb nicht eine gewisse Eigenständigkeit beigemessen, so setzt er sich - dies zeigten unsere Ergebnisse - gegenüber der ökonomischen Dominanz betrieblicher Handlungsabläufe geradezu notwendigerweise nicht durch. Die ökologische Erneuerung industrieller Organisations- und Produktionsstrukturen und eine Integration in das Qualitätsmanagement wird im Verständnis des Managements - bezogen auf seine betrieblichen Gestaltungs- und
Organisationen politische Prozesse stattfinden, ist ein bekanntes Ergebnis der Organisationstheorie und in der Industriesoziologie, z.B. der Arbeitsprozeß-Debatte (Scott 1986; Küpper/Ortmann 1988; Neuberger 1995; Ortmann 1995; Friedberg 1995). Die Brisanz der aktuellen Debatte liegt wohl eher darin, ob im Sinne der Theorie der "Dualität von Struktur" (Giddens 1992) die "reale" Möglichkeit der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretung besteht (unter modifizierten kollektiven Politikformen), in die Ereignisreihen betrieblicher Restrukturierungsprozesse strukturmodifizierend und transformierend eingreifen zu können. Damit wird aber explizit auf die Politikfähigkeit und Politikorganisierbarkeit der jeweiligen betrieblichen Akteure unter den veränderten Bedingungen verwiesen.
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Handlungsmöglichkeiten - offensichtlich immer wieder auf das Feld der ökonomischen Rationalität verschoben.3 Deutlich wurde dies in der fehlenden Verankerung des Umweltschutzes in den einzelnen Funktionsbereichen des Unternehmens. Würde Umweltschutz innerhalb eines Qualitätsmanagememts praktiziert, so müßte neben einer ökonomischen auch eine ökologische Bewertung der Produktionskette erfolgen und innerhalb der Unternehmensabteilungen ökologische Handlungsorientierungen vorhanden sein. Diese "Nicht-Integration" des Umweltschutzes im Sinne einer komplementären und integrierten Unternehmensreorganisation zeigte sich beispielhaft in den Zulieferbeziehungen und den betrieblichen Auseinandersetzungen um das Produktrecycling. In den Zulieferbeziehungen bestanden keine ökologischen Kooperationsformen oder spezifische Anforderungen an deren Produktgestaltung. Im Vordergrund standen ökonomische Kriterien der TQM-Philosophie: "speed, quality, price, result". Durch die stetige Reduzierung der Fertigungstiefe war es in unserem Fallbeispiel für das Unternehmen aus einzelbetrieblicher Sicht geradezu rational, Fertigungsbestandteile weltweit, besonders aus Osteuropa, einzukaufen. "Out-sourcing" und "globalsourcing" stellten insofern offenbar keinen Widerspruch zu den umweltpolitischen Intentionen des Betriebes dar. Unter dem Gesichtspunkt der zukünftigen Anforderungen an die Produktpolitik des Unternehmens aufgrund des Kreislaufwirtschaftsgesetzes wurde der Umweltschutzbeauftragte vom Management beauf-
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Ohne daß dieser Aspekt explizit in der Untersuchung naher analysiert wurde, zeigte sich in dem Spannungsbogen zwischen den persönlichen und den beruflichen Lebenssphären und jeweiligen Ansprüchen die konflikthafte Berufsrolle der Manager, die dem Fortschrittsoptimismus der industriegesellschaftlichen Entwicklung einerseits entgegensteht, während in der Berufsrolle diesem andererseits entsprochen werden muß. Dies bestätigt die Ergebnisse der Studie von Baethge/ Denkinger/Kadritzke (1995).
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tragt, eine Recyclingstudie zu erstellen. Die Umsetzung der Studie scheiterte sowohl an innerorganisatorischen Barrieren (die Konstruktions- und Entwicklungsabteilung hätte zusätzliche ökologische Kriterien berücksichtigen müssen) als auch an reinen Kostenüberlegungen. Der notwendige Mehraufwand in der Konstruktion und die damit verbundenen Kosten schienen sich aus Sicht des Managements in dem Fall am Markt nicht realisieren zu lassen, wenn man als Unternehmen eine Vorreiterrolle übernommen hätte. Daß das Unternehmen jenseits des nachgeschalteten Umweltschutzes noch keine eindeutige Position hinsichtlich eines integrierten Umweltschutzes entwickelt hatte, zeigte sich auch in der Zurückhaltung gegenüber dem Öko-Audit. Hierfür wurden insbesondere Zeit- und Kostenaspekte, aber auch die fehlende Aussagekraft des Öko-Audits benannt (Differenzen im Niveau der unternehmensintern bereits erreichten Umweltstandards werden im Prozeß der ökologischen Zertifizierung nicht berücksichtigt bzw. für den Produktnachfrager nicht ersichtlich). Ebenfalls wurde eine mögliche Komplexitätssteigerung moniert: Denn der ökonomische Restrukturierungsprozeß sollte nach Meinung des Managements nicht durch zusätzliche ökologische Management- und Organisationsanforderungen verkompliziert werden. Die Zertifizierung nach dem Qualitätsmanagementsystem blockiert daher in den Betrieben aufgrund der unternehmensintern gesetzten Prioritäten eine parallele Zertifizierung nach der Öko-Audit-Verordnung. Deutlich wird hierauf in der folgenden Aussage eines Managers verwiesen: "Wir dürfen die Gesamtprozesse nicht noch komplexer machen, sondern wir müssen auch Entlastungen herstellen. Und deswegen kann man nicht vor Ort Regelwerke nebeneinanderlegen. Dann schlägt ein Konstrukteur einmal sein Handbuch für die Umweltprozesse auf, dann für die Gesetzesanforderungen und dann fur die Qualitätssicherung. Dann wird er in der Regel gar keins aufschlagen, weil es eben zu komplex geworden ist. Die große Her-
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ausforderung besteht darin, diese komplexen Systeme wieder zusammenzufuhren." Der Versuch, eine Kompatibilität zwischen dem TQM und einem integrierten Umweltsystem herzustellen, war also zentral mit dem Problem der Handlungskoordinierung in der Unternehmensorganisation, den einzelnen Funktionsabteilungen und den Arbeitsabläufen verbunden. Einerseits bedurfte es im Zuge des ökonomischen Restrukturierungsprozesses einer relativ stabilen Einschränkung der Entscheidungszusammenhänge innerhalb der Unternehmensstrukturen und in den Arbeits- und Produktionsanforderungen. Andererseits hätten die Entscheidungs- und Handlungszusammenhänge in diesen Bereichen unter ökologischen Aspekten erweitert werden müssen, was eine Erhöhung der Varianz des Systems bedeutet hätte. Entsprechend entschied man sich in der betrieblichen Praxis fur eine vorrangige ökonomische Restrukturierung und eine nachfolgende ökologische Erweiterung betrieblicher Handlungsweisen. Die Möglichkeit der nachfolgenden Integration des Umweltschutzes in die Betriebsabläufe blieb aber vom ökonomischen Erfolg des Unternehmens abhängig. Die Vorstellung einer integrierten ökologischen Erneuerung und der Entstehung von Synergieeffekten innerhalb einer ökologischen und ökonomischen Unternehmensstrategie, spielte im Entscheidungskalkül der Unternehmensleitung eine eher untergeordnete bzw. nachgeordnete Rolle. Insofern kann hier in unserem Fallbeispiel nicht von einer komplementären ökonomischen und ökologischen Modernisierung in dem Unternehmen gesprochen werden. Dies zeigt sich auch deutlich in der folgenden Aussage eines Managementvertreters: "Wir müssen immer einen Balanceakt zwischen den fortschrittlichen und den wirtschaftlichen Ansätzen ausbalancieren. Wir müssen an diesem Standort, der ja sehr teuer ist, genügend Rationalisierung schaffen, um ökologische Vorhaben zu finanzieren. Das ist ein Seilakt. Wir haben zunächst TQM durchgeführt, weil das sofort
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eben ein pay-back erzeugt. Jetzt, in der zweiten Stufe, kann die Integration der ökologischen Kreisläufe vorgenommen werden." Die Bemühungen eines über den rechtlichen und technischen Umweltschutz hinausgehenden Umweltschutzes - so können wir zusammenfassen - verfangen sich immer wieder in den ökonomischen Restrukturierungsanforderungen und, was gerade unter organisatorischen Aspekten bedeutsam ist, sie unterliegen zum Teil den gleichen Blockierungen wie die ökonomischen Reorganisationsversuche des Betriebes. Auch hier scheint eine Organisationsreform, die zu einer Integration und Komplexitätsreduzierung einzelner Arbeitsabläufe, flacher Hierarchien, neuer Schnittstellen und zu einer Funktions- und Aufgabenintegration, zu stärkerer Eigenverantwortung und Dezentralität in der Aufgabenwahrnehmung fuhrt, nicht zu gelingen. Erst wenn die ökonomische Restrukturierung zur Zufriedenheit des Managements abgeschlossen ist, kann man sich in einem "zweiten Schritt" einer ökologisierung des Betriebes zuwenden, sofern es die betriebsökonomische Situation zuläßt und mit der ökonomischen Unternehmensstategie kompatibel ist. Typ 2: Betrieblicher Umweltschutz als Pflichtaufgabe Ohne in einen Skandal verwickelt zu sein, hat der zweite Betrieb aufgrund der verstärkten öffentlichen Diskussion über den Umweltschutz ebenfalls "freiwillig" einen Umweltschutzbeauftragten benannt. Der Umweltschutzbeauftragte ist als Stabsstelle dem Vorstandsbereich "Technik" zugeordnet. Obwohl der Betrieb nicht explizit den Umweltschutz in die ökonomische Restrukturierung integrieren wollte, beabsichtigte man doch perspektivisch, den Umweltschutz an das Qualitätssystem formal anzubinden. Die umweltpolitischen Bearbeitungsformen innerhalb des Betriebes unterschieden sich dabei kaum
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von denen des ersten Betriebes. Auch hier orientierte sich das Management an den rechtlichen und technischen Notwendigkeiten und an den ökonomischen Machbarkeiten. Umweltschutz wurde im routinisierten betrieblichen Alltagshandeln und in der betrieblichen Wahrnehmung als externes, äußerliches "Schutzhandeln" begriffen. Die Einhaltung und die Fixierung auf die technischen und rechtlichen Bestimmungen der geltenden Vorschriften im Umweltschutz schlossen aber nicht aus, bei Investitionsentscheidungen ökologische Aspekte im Rahmen technischer und gesetzlicher Auflagen zu berücksichtigen. Allerdings mußten die ökologischen Anforderungen bei den Investitionsentscheidungen innerhalb einer betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung vertretbar sein und es verbanden sich damit keine über die direkten Anforderungen hinausgehenden, ökologisch orientierten Erneuerungen bestehender Fertigungsbereiche. So wurden im wesentlichen Maßnahmen durchgeführt, die für das Unternehmen aus externen behördlichen Anforderungen herrührten. Kleinere Mängel und Abweichungen von den Rechtsvorschriften, deren Beseitigung die Behörden nicht unmittelbar einforderten, wurden oft nicht beachtet und zeitlich verschoben. Dies betraf einerseits technische Anlagen, von denen Luftverschmutzungen ausgingen, für die zwar keine Grenzwerte bestanden, aber Einrichtungen nach dem Stand der Technik gesetzlich vorgeschrieben waren. Andererseits betraf dies auch den nicht adäquaten Umgang mit Lacknebel- und Schleifstaubemissionen in bestimmten Produktionsbereichen, einer fehlenden umfassenden Bestandsaufnahme der Abwasserentstehung, -behandlung und einer vollständigen Übersicht über die sanierungsbedürftigen Altlasten. Die folgende Aussage eines Managers verdeutlicht, daß die Berücksichtigung ökologischer Kriterien bei Neuinvestitionen innerhalb ökonomischer, technischer und rechtlicher Entscheidungskorridore
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geschieht, und nicht aufgrund einer Unternehmensstrategie zur ökologischen Produktions- und Produkterneuerung getätigt wird: "Wo wir schon zukunftsorientiert investiert haben, halte ich es auch furrichtig,wenn man heute was Neues macht, daß man dann an die zukünftigen Jahre schon denkt, weil man sonst von den Vorschriften überrollt wird. Und da kostet das von der Investition nicht allzuviel. Aber andere Sachen, wo wir jetzt eigentlich weder einen Kundennutzen von haben, noch einen Unternehmensnutzen von haben, wo es nur Geld kostet, würde ich es im Momenet nicht befürworten. Es geht halt alles betriebswirtschaftlich (...), wir müssen das Produkt kostengünstig absetzen." Die ökonomischen Restrukturierungsbemühungen ähnelten denen des ersten Fallbeispiels. Auch dieser Betrieb unternahm Anstrengungen einer Neukomposition der Arbeits- und Produktionsstrukturen mit dem Ziel der Kostensenkung und der Optimierung der Wertschöpfungskette (Sauer/Döhl 1994). Sowohl die innerorganisatorischen als auch die damit verbundenen sozialen Paradoxien entsprachen denen des ersten Betriebes und werden deshalb hier nicht näher ausgeführt.
Typ 3: Umweltschutz als Abwehr öffentlicher Kritik und ökonomische Effizienzsteigerung im Rahmen einer internationalen Konzernstrategie Im dritten Betrieb war die Umweltpolitik direkt von den zentralen Vorgaben des in der Nahrungsmittelbranche tätigen Konzerns abhängig, die sich zunächst an den nationalen rechtlichen und technischen Standards orientierten. Existierten diese nicht, so galten die sich an einem festgelegten "Mittelwert" orientierten Umweltbestimmungen des Konzerns. Aufgrund der ökologischen Sensibilität der Nahrungsmittelmärkte hatte dieser schon in den siebziger Jahren eine weltweite Umweltpolitik entwickelt und diese um eine Risikoabschätzung bestehender und zukünftiger Produktionsweisen erweitert. Orga-
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nisatorisch bestand eine zentrale Organisationseinheit Umweltschutz, die in Kooperation mit den betrieblichen Umweltverantwortlichen Umweltschutzmaßnahmen durchführten. Innerhalb dieser Rahmensetzungen wurde der Umweltschutz unter ökonomischen und technischwissenschaftlichen Aspekten betrachtet und betrieben. Im wesentlichen ging es um eine Effizienzsteigerung der jeweiligen (relativen) Verbrauchswerte. Umweltschutz fand vorwiegend im Rahmen der "Ökonomisierung des konstanten Kapitals" statt. Um dem Kosten-"take off" im Umweltschutz zu begegnen, versuchte der Konzern eine stärkere Verbindung des Umweltschutzes mit der ökonomischen Unternehmensstrategie herzustellen. Gerade unter dem ökonomischen Druck war es erforderlich, daß Umweltlösungen auch einen ökonomischen Vorteil aufwiesen; dies insbesondere im Bereich möglicher Einspareffekte in der Produktion. So wurde aufgrund behördlicher Auflagen z.B. in einem Produktionsort eine neue Kakaomassenproduktionsanlage errichtet, die für den Konzern zugleich eine Rationalisierungsinvestition bedeutete, da man die Kakaoproduktion an einem anderen Produktionsstandort einstellen konnte. Darüber hinaus lagen die Schwerpunkte der bisherigen Umweltprogramme in der Reduzierung des Energieverbrauchs und der Abfall- und Rohstoffmengen. Dennoch wurden Entscheidungen über umweltrelevante Investitionen und Umweltschutzinvestionen in der betriebswirtschaftlichen Investitionsberechnung unter zwei Gesichtspunkten erweitert. Zum einen galt ein verlängerter "pay back"-Zeitraum. Umweltschutzrelevante Investitionen, oder Investitionen, die mit Umweltschutzmaßnahmen gekoppelt waren, unterlagen nicht den gleichen Amortisationszeiten wie reine Rationalisierungsinvestitionen. Zum anderen war die Investitionsentscheidung im Umweltschutz nicht allein an den "pay back" gebunden; die Wirtschaftlichkeitsberechnung unterlag einer zusätzlichen "risk"-Abschätzung für den Fall der Nicht-Investition.
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Diese Entscheidungsstruktur im Umweltschutz bestimmte auch die Umsetzungsschritte in der Umweltpolitik des Konzerns. Umweltschutzmaßnahmen mit einem guten "pay back" - dies betraf vor allem Einspareffekte im Sinne einer EflBzienzsteigerung - wurden frühzeitig durchgeführt. Zukünftig erwartete Preisentwicklungen - z.B. Wasser-, Energie- und Entsorgungskosten - flössen in die Berechnungen ein. Anschließend wurden die Maßnahmen in Angriff genommen, deren "pay bacifc" ungünstiger ausfiel oder gar nicht nach geltenden Mustern berechenbar war, aber deren Umsetzung gesetzliche Auflagen oder internationale Abkommen erforderlich machten. Ein Beispiel hierfür war die sukzessive Umstellung der Kühlanlagen von FCKW- auf Ammoniakbasis. Darüber hinaus gab es Maßnahmen, die man aufgrund eines zunehmenden öffentlichen Protestes zum Schutz der Marke vornahm. Innerhalb dieser Einbindung des Umweltschutzes kam der Prozeßoptimierung eine herausragende Bedeutung zu. Ökonomisch verband sich mit der Optimierung des Produktionsprozesses zugleich ein Rationalisierungseffekt, der die Kostenstruktur der Umweltmaßnahmen verbessern konnte. Die Zentralität und Festlegung der Umweltpolitik auf der Konzernebene hatte direkte Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Umweltpolitik des Einzelbetriebes. Auch hier war der Umweltschutz im wesentlichen auf Einsparmöglichkeiten (also auf die "Ökonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals") fixiert. Neben den Energieverbräuchen betraf dies insbesondere die Abfallproblematik in der Lebensmittelindustrie und die damit verbundenen wachsenden Entsorgungskosten. Über eine innerbetriebliche Optimierung der Abfallreduzierung hinausgehend (Abfalltrennung, Abfallvermeidung; Installierung von Ballen- und Folienpressen) bestand die Absicht des Betriebes, zusammen mit örtlichen Kartonagenlieferanten und den Zulieferern der Rohstoffe nach adäquaten Lösungen zur Abfall-
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minimierung zu suchen. Die betrieblichen Diskussionen und Überlegungen stießen aber an die Zuständigkeitsgrenzen des Betriebes. Über die zentrale Vergabe von Aufträgen an Zulieferfirmen hatte der Konzern größere Spielräume in der Preispolitik gegenüber seinen Lieferanten. Auch in der Frage eines betrieblichen Öko-Audits stieß man an die betrieblichen Zuständigkeitsgrenzen. So lag dem Betrieb ein konkretes Kooperationsangebot der Umweltbehörde und einer örtlichen Ingenieurschule vor, gemeinsam - und auf den Betrieb bezogen - eine ökologische Zertifizierung vorzunehmen. Die Konzernleitung lehnte dies mit der Begründung ab, daß man ein eigenes Pilotprojekt und zunächst zentral die Zertifizierung in besonders sensiblen Produktionsbereichen (z.B. Babynahrung) durchführen wolle. Zudem war auch hier - wie oben im ersten Fallbeispiel - der Umweltschutz zwischen einem Kosten- und einem Qualitätsmanagement "eingeklemmt". Typ 4: Vom engagierten Umweltschutz zur Expertokratie funktionalen Managementhandelns Der letzte von uns untersuchte Betrieb zeichnete sich durch eine sehr offensive Herangehensweise an ökologische Anforderungen aus. Dies war in erster Linie dem ökologischen Engagement des damaligen Geschäftsführers zu verdanken, was wiederum auf die Bedeutung eines "Promoters" auf der höchsten Managementebene hinweist. Umweltschutz als positiv verstandene "Chefsache" bleibt eine wichtige Voraussetzung für die betriebliche Umweltpolitik. Umweltschutz bezog sich nicht nur auf den Betrieb, sondern es wurden auch betriebsübergreifende Aspekte in einer Kooperation mit Umweltgruppen und Umweltexperten in das betriebliche Handeln aufgenommen. So führte der Geschäftsführer nach der Umweltkonferenz von Rio eine gemeinsame öffentliche Veranstaltung mit einem Vertreter des
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"Wuppertal-Instituts" zum Thema "Sustainable Development" durch. Darüber hinaus veranstaltete man mit dem Umweltverband "BUND" eine gemeinsame Aktion unter dem Motto: "uns geht's um Meer!" In dieser Kampagne wurde explizit auf die zunehmende Meeresverschmutzung hingewiesen und deren Bedeutung für die Belastung der eigenen Vorprodukte für die Produktion (Verarbeitung von Meeresfischen) hervorgehoben. Innerbetrieblich sensibilisierte der Geschäftsführer seine Mitarbeiter umfassend für ökologische Anforderungen. Im Rahmen einzelner betrieblicher Projekte, die sich beispielhaft mit der Abfallthematik, der Rohstofíbeschañung und mit Fragen der Energieund Wassereinsparung befaßten, wurden "step by step" Problembereiche im Betrieb angegangen. Besonders hervorzuheben ist, daß im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten eine ökologische Bewertung der Rohstoffe stattfand: So wurde beispielsweise Lachs aus Norwegen aufgrund der norwegischen Walfangpolitik nicht in der Produktion verwendet. Darüber hinaus wurde versucht, eine ökologische Beurteilung der Zulieferer vorzunehmen. Zudem hatte das Management sich aus ökologischen und marktstrategischen Überlegungen heraus für eine natumahe Verarbeitung der Produkte, also keine Verwendung von Konservierungsstoffen oder anderen chemischen Zusätzen, entschieden. Aktuelle Umweltprobleme zum Zeitpunkt der Untersuchung umfaßten im wesentlichen die Bereiche der Abfallminimierung und der Verbesserung der Energie- und Rohstoffbilanz. Der Schwerpunkt einer größeren Umweltinvestition lag in der Installierung einer neuen, ökologisch optimalen Abwasseranlage, zu der man allerdings aufgrund behördlicher Auflagen auch gezwungen war. Eine eigenständige Organisationseinheit des betrieblichen Umweltschutzes wurde erst in den letzten Jahren gebildet. Heute existiert eine Stabsstelle für Umwelt- und Qualitätsmanagement, die zusätzlich über eine qualifizierte Mitarbeiterin verfügt. Trotz dieser Veränderung
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besteht im Betrieb bislang jedoch noch kein explizites Umweltmanagementsystem. Je nach ökologischer und vor allem ökonomischer Dringlichkeit (wachsende Entsorgungskosten) werden ökologische Problembereiche in Form von Schwerpunktsetzungen abgearbeitet. Die nicht weitergehende Integration des Umweltschutzes in die Organisationsstrukturen
des Betriebes im Sinne eines
integrierten
Umweltmanagementsystems läßt sich zunächst auf zwei Gründe zurückfuhren: Zum einen unterliegt der Betrieb einem verstärkten Kostendruck, der sich nicht nur über die gestiegene externe Marktkonkurrrenz begründet, sondern im wesentlichen den Ertragserwartungen des amerikanischen Mutterkonzerns geschuldet ist. Zum anderen scheint es im Rahmen der produktionstechnischen Restrukturierungen und der Implementierung eines Qualitätsmanagements schwierig zu sein, gleichzeitig die bestehende Betriebsstruktur um ein integriertes Umweltmanagementsystem zu erweitern. Die frühere "Gelebtheit" im Umweltschutz (z.B. die Wahrhaftigkeit des Geschäftsleiters; die Beteiligung am und die Sensibilisierung der Mitarbeiter für den Umweltschutz; freiwillige, aber entlohnte Umweltarbeitskreise; externe Umweltberatung auch für die Mitarbeiter durch eine Umweltberaterin, die Glaubwürdigkeit des Umweltschutzes in der Unternehmenspolitik und -praxis), die weit über den Betrieb hinausging und auch die Mitarbeiter in die jeweiligen Umweltschutzprojekte miteinbezog, wich der Reduzierung auf ein funktionales Expertenhandeln der Stabsstelle Umweltschutz und Qualitätssicherung. Umweltschutz findet fur die Mitarbeiter im wesentlichen über reglementierende Ârbeitsanweisungen statt und schlägt sich oftmals in unbezahlter Mehrarbeit nieder, z.B in der Abfalltrennung während der Produktion. Innerhalb der Rationalisierungsanstrengungen, die sich mit dem Qualitätsmanagementsystem verbinden, bestand zunächst keine Absicht, ein Umweltmanagementsystem als weiteres Managementsystem zu
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etablieren. Insbesondere befürchtete das Management eine nicht mehr steuerbare
Zunahme
von Komplexität,
falls
dem
bestehenden
Managementsystem ein zweites hinzugefügt werden würde. Zunächst sollen daher die Einstellungsmuster, die Arbeitsweisen und die Ablaufstrukturen innerhalb des Qualitätssystem optimiert werden. Eine gleichzeitige Einfuhrung eines Qualitäts- und Umweltmanagementsystems wird vom Management nicht für möglich erachtet, wie die folgende Manageraussage zeigt: "Wir haben vor zwei Jahren die Priorität auf die Einführung des Qualitätsmanagements gelegt. Das Aufrechthalten ist bei vielen Firmen das große Problem. Sie müssen erst mal in diesem System die Leute trainieren. Die arbeiten seit 30 Jahren in einer bestimmten Art und Weise. Wenn sie dann in einer solchen Phase noch mit einem anderen System hineinkommen, und an die Mitarbeiter herangehen, das versteht dann keiner mehr. Der Endeffekt wäre dann, daß keines der beiden Systeme läuft. Und wenn erst mal ein System in den Sand gesetzt ist, dann können sie praktisch wieder von Null anfangen." Durch die getrennte Einführung der ISO-Norm und der anschließenden freiwilligen Vereinbarung über ein Umweltmanagementsystem lag das Schwergewicht des betrieblichen Handelns im Restrukturierungsprozeß auf der Optimierung des Qualitätsmanagementsystems. Obwohl der Betrieb auf der obersten Führungsebene mit externer Unterstützung ein Umweltmanagementsystem, wie es nach der Öko-Audit-Verordnung vorgesehen ist, entwickelt hatte, kam es nicht zur Anwendung innerhalb der bestehenden betrieblichen Organisationsstrukturen. Neben den bereits benannten Gründen war dafür ebenso ausschlaggebend, daß die Anforderungen des Öko-Audits nicht in allen Punkten in das Qualitätssystem übertragbar waren. Darüber hinaus bestanden substantielle Vorbehalte gegenüber der Öko-Audit-Verordnung in dem Sinne, daß man als Unternehmen schon viel im Umweltschutz bewegt hatte und daß deshalb paradoxerweise die
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Zertifizierung bestehende Differenzen der Unternehmen in den qualitativen Umweltanstrengungen und den bereits erreichten Umweltstandards des Unternehmes nicht adäquat zum Ausdruck gebracht hätte. Strukturell ist demnach (im gegebenen Öko-Audit-Verfahren) das Unternehmen bevorteilt, das bisher nur wenige Anstrengungen im Umweltschutz unternommen hat, da es nicht nur aufgrund vergleichsweise geringer Investitionen und betrieblicher Veränderungen ein Zertifikat erhalten würde, sondern auch der damit verbundenen Auflage kontinuierlicher Verbesserungen mit einem geringeren finanziellen und organisatorischen Aufwand nachkommen könnte. Dem Verbraucher sind aber diese Differenzen im Umweltlabel nicht ersichtlich, zumal dieses nicht auf der Produktwerbung verwendet werden darf. Insofern fühlt sich der Betrieb als "Umweltpionier" doppelt benachteiligt. Für das Unternehmen wäre das Öko-Audit betriebswirtschaftlich erst in dem Moment interessant, wenn es die qualitativen Unterschiede in dem Umweltstandard der Betriebe verdeutlichen könnte - für Umweltpioniere wäre damit eine Relativierung der Verbesserungsdynamik gegeben -, und wenn das Öko-Audit eine entsprechende Marktverbreitung erfahren würde.
2. Von der "Zentralität" zur "Dezentralität" des Umweltschutz(-beauftragten) - Die Notwendigkeit einer ökologischen Unternehmensreform Den untersuchten Unternehmen ist eine weitergehende Integration des Umweltschutzes in die Organisationsstrukturen - im Sinne eines integrierten Umweltmanagementsystems - nicht gelungen. Letztlich kommt (zumindest in den Metallbetrieben in unserer Untersuchung) dem
Umweltschutzbeauftragten
eine
entscheidende
Rolle
im
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betrieblichen Umweltschutz zu. Er ist quasi der Vertreter der ökologischen Belange und der Initiator umweltpolitischer Projekte im Unternehmen. Allerdings werden an ihn aufgrund der ökonomischen Restrukturierungen neue Anforderungen von Seiten des Managements gestellt. Darüber hinaus scheinen auch die Umweltschutzbeauftragten innerhalb der bestehenden Organisationsstrukturen an Grenzen zu stoßen. Von ihnen wurde beklagt, daß zwar die technischen und rechtlichen Anforderungen des betrieblichen Umweltschutzes erfüllt, aber für einen qualitativen Sprung im Umweltschutz tiefgreifende organisatorische Veränderungen notwendig seien. An diesem Mangel und an der personellen Überforderung als "Einzelkämpfer" scheitere das weitergehende ökologische Engagement in ihrer Arbeit.6 Innerhalb dieser Blockierungen der Weiterentwicklung
des
betrieblichen Umweltschutzes kann zunächst auf die gewandelten Erwartungen des Managements an den Umweltschutzbeauftragten im Rahmen der betrieblichen Reorganisationsprozesse
hingewiesen
werden. Die Etablierung von "profit-centers" im Rahmen teilautonomer Produktionslinien macht es nämlich erforderlich, daß der Umweltschutzbeauftragte nicht nur seine Funktion als Stabsstelle gegenüber dem Management wahrnimmt, sondern daß er zugleich in Kooperation mit den ökonomisch Verantwortlichen der Produktionseinheiten nach ökonomisch und ökologisch gangbaren Lösungen sucht. Der Umweltschutzbeauftragte soll ökologische Aspekte "behutsam" in die ökonomische Unternehmensstrategie integrieren. Wenn es keine verbindliche ökologische Handlungsanweisung im Unternehmen für die einzelnen
6
Auf die sich in diesem Kontext ergebenden neuen Funktionen für den Umweltschutzbeauftragten im betrieblichen Umweltschutz hat Föste in seiner Studie hingewiesen (1994). Die Bedeutung der technischen und rechtlichen Fixierung im Umweltschutz und der damit verbundenden Blockierungen hat Burschel im Begriff der „Verr(i)egelungsthese" verdeutlicht (1996).
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Fachabteilungen gibt, ist die Implementierung ökologischer Handlungsorientierungen im Unternehmen nicht nur von der Anschlußfähigkeit gegenüber ökonomischen Parametern abhängig, sondern ebenso von dem "Geschick" und der "sozialen Kompetenz" des Umweltschutzbeauftragten, dem es gelingen muß, durch persönliche Überzeugungsarbeit entsprechendes "Gehör" zu finden. Er soll sich quasi durch die Organisationsstrukturen "durchwurschteln", und somit nicht primär als Stabsstelle, sondern als Service- und Beratungsstelle fur die Linien und "profit-center" fungieren. Aus der Sicht des Managements scheint er allerdings in unseren Fallbeispielen eine falsche Strategie zu verfolgen. Einerseits bezieht er sich nicht auf die gegebenen und zukünftigen Unternehmensstrukturen, andererseits ist er in seiner Umweltpolitik zu anspruchsvoll. Aufgrund seiner in der Regel hohen fachlichen Qualifikation treten immer wieder dann Konflikte auf, wenn er dem Management ökologisch "optimale" Lösungswege unterbreitet, aber nicht die spezifisch betriebsökonomischen und betriebsstrukturellen Gegebenheiten reflektiert und berücksichtigt. Auch wird erwartet, daß er sich "strategische Allianzen" in den ökonomischen Kernbereichen des Unternehmens aufbaut. Offen bleibt dabei allerdings, wie er sich ohne Weisungsrecht, ohne größere Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Fachabteilungen und Produktionslinien durchsetzen soll. Bei Priorität der Kostenreduktion
und
der
Produktions-
und
Entwicklungsbe-
schleunigung - die als Zielsetzung den einzelnen Abteilungen übertragen werden -, läßt sich Ökologie nur schwer in die Eigenlogik der betrieblichen Fachabteilungen und Produktionslinien integrieren. Die ökonomische Restrukturierung des Unternehmens, wie sie oben geschildert wurde und wie sie sich in der relativen Eigenständigkeit der einzelnen Produktionslinien ausdrückt, wird vom Management als Argument für die Nichtdurchfuhrbarkeit einer einheitlichen ökologi-
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sehen Unternehmenskonzeption angeführt. Gleichzeitig wird die Umweltpolitik aus der Verantwortung des obersten Managements in die Linienverantwortung verlagert und in das dortige Spannungsfeld der ökonomischen Zielerreichung gesetzt. Letztlich wird die Aufgabe der Ökologisierung des Unternehmens "individualisiert" und aus dem Verantwortungsbereich des Managements auf den Umweltschutzbeauftragten allein abgeschoben. Er soll zwar ökonomische Aspekte in seinem Handeln berücksichtigen, gleichzeitig erfolgt aber für das Management eine ökologische Handlungsentlastung, da man sich selbst nicht mehr um die ökologische Organisations- und Produktgestaltung (jenseits des technisch-rechtlich nachgeschalteten Umweltschutzes) bemühen muß. Obwohl es für die Durchsetzbarkeit des betrieblichen Umweltschutzes in der Unternehmensorganisation ein Vorteil ist, wenn der Umweltschutz offensiv von höchster Managementebene mitgetragen wird, Umweltschutz also als "Chefsache" firmiert, so zeigt sich, daß die qualitative Weiterentwicklung des betrieblichen Umweltschutzes im Übergang von der "Chefsache" zur 'Organisationssache" besteht. Die dezentrale Unternehmensorganisation macht einen zentralen Zugriff des betrieblichen Umweltschutzes auf die Produktionsgestaltung nur bedingt möglich. Auch der Umweltschutz im Unternehmen müßte daher von der zentralen Stabsstellenfunktion in die Kontextsteuerungselemente und Eigenverantwortung der Produktionseinheiten überführt werden. Man steht so vor einer paradoxen Situation: Die Dezentralisierung des Unternehmens läßt einen weitergehenden zentralen Umweltschutz nicht mehr zu, gleichzeitig ist aber auch innerhalb der dezentralen Unternehmenseinheiten aufgrund des Kostenmanagements Umweltschutz nur noch begrenzt integrierbar. Sobald man versucht, an einem Punkt betriebsökologisch aktiv zu werden, stößt man auf die Begrenzungen der ökonomisch bedingten Reorganisationsanforde-
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rungen im Unternehmen: Die Dezentralisierung des Unternehmens bei gleichzeitiger Ökonomisierung der Produktionsabteilungen steht einem zentral initiierten Umweltschutz entgegen und begrenzt zugleich eine dezentrale Integration des Umweltschutzes aufgrund primär ökonomischer Orientierungen und Prioritäten in den Produktionsabteilungen. Spiegelbildlich wird auch von den Umweltschutzbeauftragten auf die "Organisationsblockaden" im Umweltschutz hingewiesen. Während die Organisationsanforderungen im betrieblichen Umweltschutz vom Management im wesentlichen mit dem Anspruch einer konformeren Einbindung des Umweltschutzes in die betrieblichen Strukturen und in einer stärkeren Orientierung an den ökonomischen Zielen des Unternehmens begründet werden, sehen die Umweltschutzbeauftragten in den bestehenden Hierarchieebenen und der Externalität des Umweltschutzes in den Handlungsorientierungen der einzelnen Fachabteilungen des Unternehmens die größten Hindernisse für eine qualitative Weiterentwicklung des betrieblichen Umweltschutzes. Die Selbstreferentialität der Organisationsbereiche verhindert geradezu die Aufnahme ökologisch externer Handlungsanforderungen. Gleichzeitig wurde deutlich, daß die Umweltschutzbeauftragten immer wieder an den bestehenden Organisationsstrukturen und deren inhärenten Machtund Akzeptanzstrukturen scheiterten, wie es die Interviewaussage eines Umweltschutzbeauftragten bestätigt: "Da ziert sich insbesondere die Produktionsleitung. Liegt auch an der personellen Konstellation. Da gibt es einfach Diskrepanzen, die nicht auflösbar sind.(...)Jetzt sind mehr die Strukturveränderungen gefragt. Daß eben viele Leute das ökologische Denken fur sich selbst eigenständig anwenden, nicht darauf angewiesen sind, daß ich ihnen Hinweise gebe. Bloß, das setzt voraus, daß die wissen, daß das auch gewollt ist, daß die nicht mit solchen Vorstellungen in der Hierarchie weiter oben dann auf Widerstand und auf Mißfallen stoßen."
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Obwohl vom Management mit der Erarbeitung einer Recyclingstudie aufgrund des Kreislaufwirtschaftsgesetzes beauftragt, konnten sich die Umweltschutzbeauftragten in den Metallbetrieben hinsichtlich der Umsetzung des Produktrecyclings gegenüber dem Management aufgrund deren kurzfristigen ökonomischen Orientierungen nicht durchsetzen. Da eine Rücknahme der Produkte erst in 10-15 Jahren angestanden hätte, lehnt das Management eine konsequente recyclingfahige Produktkonstruktion zum jetzigen Zeitpunkt ab. Zudem bestand eine externe Begrenzung: Eine recyclinggerechte Produktion setzt eine Kooperation mit anderen Industriebereichen und in der eigenen Branche voraus. Ohne stärkere Kooperation mit der Chemieindustrie ist z.B. die Entwicklung recyclinggerechterer Kunststoffe kaum möglich; ohne eine stärkere Branchenkooperation ist die Rücknahme und das Recyceln der Produkte ökonomisch auch kaum tragbar.7 Aufgrund der 'Hgenlogik" der Fachabteilungen und einer fehlenden zentralen Organisationsanweisung oder Koordinierung kommt der Umweltschutz innerhalb der Unternehmensabteilungen quasi schon immer zu spät. An diesen strukturellen Hemmnisssen des betrieblichen Umweltschutzes treten immer wieder Konflikte zwischen den Managern, einzelnen Abteilungen und dem Umweltschutzbeauftragten auf. Die Frage, was letztlich unter ökologischen und ökonomischen Aspekten umsetzbar ist und was nicht, ist interpretationsfahig und insofern politisch strittig. Nicht nur, daß der Umweltschutzbeauftragte immer weder versucht, umweltpolitische Investitionen im Unternehmen zu bewirken, hierfür Subventionen einwirbt, um die innerbetriebliche
7
Auf die mit einem Produktrecycling darüber hinaus verbundenen Konstruktionsund innerbetrieblichen Kooperationsanforderungen zwischen den betrieblichen Abteilungen ist von Müller (1995) verwiesen worden. Des weiteren würde eine recyclingfähige Produktion andere Fertigkeiten von den Entwicklungsingenieuren verlangen als einereineKosten- und Zeitfixierung in der Entwicklung der Produkte.
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Kostenrechnung für diese Investitionen und seine Argumentationsbasis gegenüber dem Management zu verbessern; sondern auch im Management selbst bestehen unterschiedliche Positionen hinsichtlich des betrieblichen Umweltschutzes, wie es in einer Interviewaussage des Umweltschutzbeauftragten zum Ausdruck kommt: "Die blockieren sich gegenseitig auf der Geschäftsführungsebene, weil da eine unterschiedliche Sichtweise herrscht. Der Finanzmann ist relativ sensibel, was mich überrascht. Aber der Vertriebsmann, der ist so kostenbedrückt oder so kostenbewußt, der sieht immer nur die Belastungen, die daraus erwachsen." In den untersuchten Lebensmittelunternehmen wurden die Umweltschutzaufgaben durch Verantwortliche im Management wahrgenommen. Dennoch können unter organisatorischen Gesichtspunkten ähnliche Umsetzungsblockaden wie in den Metallbetrieben aufgezeigt werden. So bestanden in dem Lebensmittelkonzern aufgrund der Zentriertheit des Umweltschutzes auf der Konzernebene Begrenzungen in der weiteren Ausgestaltung der betrieblichen Umweltpolitik in den Einzelbetrieben. Innerbetrieblich wurde darüber hinaus der Umweltschutz von den einzelnen Fachabteilungen unterschiedlich wahrgenommen. Was für den Abfallbeauftragten Kostenminimierung war, war für den Produktionsbeauftragten kostensteigernd. Auch hier wird die integrative Weiterentwicklung des Umweltschutzes durch die internen Funktionstrennungen und durch die Eigenlogik der jeweiligen Fach- und Produktionsabteilungen begrenzt. Die Organisationsstruktur weist zudem stark zentrale Züge auf, ist dem "top-down"-Ansatz verpflichtet und nicht in der Unternehmenskultur verankert. Ahnliches gilt für den zweiten hier vorgestellten Lebensmittelbetrieb. Die Fixierung auf ein Qualitäts- und Kostenmanagement verhinderte eine weitergehende Integration des betrieblichen Umweltschutzes in die einzelnen Organisationsstrukturen des Unternehmens. Darüber hinaus führte die funktionale Zuschreibung des Umweltschutzes auf die
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Stabsstelle "Qualitätsmanagement und Umweltschutz" zu einer Zweitrangigkeit der integrativen Weiterentwicklung und der Implantierung eines Umweltmanagementsystems. Gegenüber der früheren "Gelebtheit" des Umweltschutzes im Unternehmen hat dieser heute in den Fachabteilungen und bei den Mitarbeitern an Bedeutung verloren.
3. Umweltschutz, Reorganisation und betriebliche Interessenvertretung - Organisations- und arbeitspolitische Dimensionen Die strategische Bedeutung des Umweltschutzes in den betrieblichen Auseinandersetzungen liegt in den Anforderungen, die eine ökologische Betriebsorganisation an ein Unternehmen stellt. Dies zeigt sich insbesondere an den Schwierigkeiten der Integration in das Qualitätssystem. Hier ist eine ökologische Unternehmensorganisation potentiell anknüpfbar an die ökonomischen Reorganisationsprozesse in den Betrieben. Insbesondere in den Metallbetrieben wurde deutlich, daß sowohl der Umweltschutzbeauftragte persönlich, aber auch die ökonomischen Reorganisationsbemühungen durch das Management an den bestehenden Organisations- und Hierarchiestrukturen scheiterten. Perspektivisch gilt es, beide Organisationsanforderungen miteinander zu verbinden. Außer dem Management kommt hier dem Betriebsrat, den neuen Formen der Mitarbeiterbeteiligung und dem Umweltschutzbeauftragten eine betriebspolitische Bedeutung zu. So zeigte sich sowohl hinsichtlich der ökonomischen als auch der ökologischen Reorganisationsanforderungen, daß ein Organisationswandel ebenso wie die Initiierung von organisationalen Lernprozessen erforderlich war. Einerseits ist der ökonomische Reorganisationsprozeß auf neue Formen der Mitarbeiterbeteiligung angewiesen, wenn es nicht zu
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Reformblockaden kommen soll. Hierfür bedarf es eines neuen Arrangements zwischen der betrieblichen Interessenvertretung, dem Management und den Beschäftigten. Andererseits erfordert die ökologische Organisationsreform das Zusammenspiel vieler Betriebsakteure für das Auffinden geeigneter Lösungen. Gerade hier zeigte sich aber, daß der Umweltschutzbeauftragte oftmals an den bestehenden Organisations- und Hierarchiestrukturen mit seinem ökologischen Engagement scheiterte. Insofern wäre es betriebspolitisch geradezu ratsam, wenn der Betriebsrat hinsichtlich der ökonomischen und ökologischen Innovationsfähigkeit des Unternehmens eine stärkere Kooperation mit dem Umweltschutzbeauftragten anstreben und die "Entscheidungsmacht" des Managements verstärkt mit eigenen Gestaltungsansprüchen konfrontieren würde, die ökologische und partizipative Momente einer Organisationsreform beinhalteten. So war im ersten Fallbeispiel der Umweltschutz direkt mit Fragen der ökonomischen Reorganisation verbunden. Deutlich wurde das Ineinandergreifen von Umweltpolitik und Restrukturierungsprozessen sowohl in der Frage der Verringerung der Fertigungstiefe und der "justin-time" (JIT) Belieferung als auch in der Recycling-Debatte im Unternehmen. In beiden Punkten war der Umweltschutz direkt mit der Sicherung von Arbeitsplätzen verbunden. Anwohnerproteste über den steigenden LKW-Verkehr (bis zu 200 LKWs täglich) wurden innerbetrieblich für eine Argumentation gegen die JIT-Konzeption, die damit verbundene Senkung der Fertigungstiefe und der Beschäftigtenzahlen genutzt. Darüber hinaus argumentierte der Betriebsrat gegenüber der Geschäftsleitung, daß die angestrebte "Qualitätsproduktion" bei einer geringen Eigenfertigung und einem erhöhten Anteil von Fremdbeschäftigten im Unternehmen nicht zu gewährleisten sei. Gleichzeitig konnte der Betriebsrat die innerbetriebliche Debatte über das Produktrecycling für einen "Beschäftigungssicherungs-Diskurs" im Unter-
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nehmen nutzen. So sollte das Produktrecycling in einem von der Schließung bedrohten Produktionsstandort durchgeführt werden. Unabhängig von der Frage, was der tiefere Beweggrund des Betriebsrates fur sein Engagement war, ergab sich aufgrund der veränderten Produktionskonzepte und der staatlichen Regulierung in Form des Kreislaufwirtschaftsgesetzes eine Schnittstelle zur betrieblichen Umweltpolitik und der Sicherung von Arbeitsplätzen. Der betriebliche Umweltschutz wurde direkt in das Spannungsfeld zwischen einer erweiterten ökologischen Unternehmenstrategie und den ökonomischen Zielsetzungen des Betriebes verrückt. Allerdings stieß der Betriebsrat auf der Ebene einer arbeitspolitisch erweiterten "Umweltpolitik" immer wieder an die Grenzen der bestehenden Macht-, Organisations- und Entscheidungsstrukturen im Unternehmen. Letztlich konnte er sich gegenüber den dominanten Kostenorientierungen des Managements nicht durchsetzten. Dies betraf sowohl seine Vorstellungen über eine Veränderung der Arbeits- und Produktionsorganisation (Erhöhung der Eigenfertigung: "in-sourcing statt outsourcing") als auch über eine neue Produktpolitik (Recyclingstrategie) und die damit verbundenen, gewandelten innerorganisatorischen Ansprüche an die Konstruktions- und Entwicklungsabteilung und die bestehenden Logistik- und Einkaufsstrukturen im Unternehmen. Zugleich verdeutlicht diese innerbetriebliche Diskussion, daß der Betriebsrat ökologische Aspekte nicht als "Umweltpolitik" an sich aufgreifen kann, sondern daß die ökologischen Ziele einen direkten Bezug zu den klassischen betrieblichen Konfliktkonstellationen und Reorganisationsprozessen im Unternehmen haben müssen. Insofern ist für die Weiterentwicklung der betrieblichen Umweltpolitik die konkrete Verknüpfung des Umweltschutzes mit organisations- und arbeitspolitischen Fragen im Betrieb durch den Betriebsrat unabdingbar. Hier liegt eine Schnittstelle von ökonomisch induzierten und gleichsam
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ökologisch notwendigen Wandlungsprozessen in den Betriebsstrukturen.8 Gleichzeitig stehen die Betriebsräte aufgrund der Veränderungen der Arbeits- und Produktionsstrukturen im Rahmen der ökonomischen Reorganisation der Betriebe vor neuen Herausforderungen. Die veränderten Produktionskonzepte fuhren nicht nur zu einem ständigen Druck auf die Arbeitsplätze, sondern verlangen von den Betriebsräten auch eine Ausrichtung ihrer bisherigen Politikformen an den sich verändernden Organisationsformen im Unternehmen (Dörre/Neubert 1995; Bundesmann-Jansen/Frerichs 1995). Auch die Umweltschutzbeauftragten setzten für die Weiterentwicklung des betrieblichen Umweltschutzes eine Organisationsreform des Unternehmens voraus. Analog zum Qualitätsmanagement müßte der Umweltschutz in die ökologische Prozeßverantwortung der Fachabteilungen und einer ökologischen Betrachtung der Produktionskette integriert werden. Betrachtet man die bisherigen Ergebnisse des Forschungsprojektes so muß allerdings auch gesehen werden, daß für die Betriebsräte und fur die Umweltschutzbeauftragten die betriebspolitische Dimension und die Chance einer Verbindung der arbeitspolitischen und der umweltpolitischen Organisationsreform im Sinne einer strategischen Allianz und eines Co-Managements als komplementäre Modernisierungs-
8
So weisen Birke/Schwarz (1994) bezüglich einer ökologischen Betriebspolitik auf die Notwendigkeit der Erarbeitung betriebspolitischer Entwicklungskonzepte für ein Co-Management der Betriebsräte hin, wenn der betriebliche Umweltschutz über den konventionellen Bereich der Arbeitspolitik hinaus entwickelt werden soll. Darüber hinaus verdeutlicht die Studie von Bundesmann-Jansen/Frerichs (1995), daß die veränderten Unternehmensstrukturen von den Gewerkschaften eine neue Betriebspolitik und neue Formen der Organisationsstrukturen und Beteiligungsmöglichkeiten verlangen, was nicht nur ein neues Verständnis der Betriebspolitik erforderlich mache (Frerichs 1995), sondern tendenziell zu einer politisierten Form des Co-Managements im Unternehmen führen muß. Insofern gilt es, beide Momente miteinander zu verbinden.
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innovation in den Unternehmen kaum gesehen werden. Eine personelle betriebspolitische strategische Allianz dieser Akteure bietet sich insofern an, als fur das Aufzeigen betriebspolitischer Entwicklungskonzepte und ökologischer Reformvorhaben beide Akteure nicht nur von den Vorgaben und Entscheidungen des Managements abhängig sind, sondern mögliche Alternativentwürfe einer zukünftigen Unternehmensentwicklung arbeitspolitische und ökologische Anforderungen berücksichtigen müssen. Diese wechselseitige Angewiesenheit der beiden Akteure zeigt sich schon heute darin, daß die Umweltschutzbeauftragten den betrieblichen Umweltschutz nur in der Form einer Organisationsintegration weiterentwickeln können, während die Interessenvertretung für ihren Beschäfligungssicherungsdiskurs auf ökologisch unterstützende Argumente für neue Unternehmenstrategien und Innovationen
(Produktrecycling,
JIT,
regionale
Produktions-
9
vernetzungen) angewiesen ist.
Allerdings zeigen unsere Forschungsergebnisse,
daß
diese
potentielle betriebspolitische Allianz der betrieblichen Interessenvertretung und des Umweltschutzbeauftragten zum einen an der weiterhin bestehenden Loyalitätspflicht des Umweltschutzbeauftragten gegenüber dem Management10 auf der einen Seite und einer weitgehenden ökologischen Indifferenz des Betriebsrates auf der anderen Seite scheiterten. Auch wenn dieser in einem von uns untersuchten Fallbeispiel explizit die Fragen des Umweltschutzes und der Beschäftigungs9
Die hier geforderten notwendigen betrieblichen Allianzen beziehen sich allerdings nicht nur auf den Umweltschutzbeauftragten und die betriebliche Interessenvertretung, sondern müßten zudem neue Formen der Zusammenarbeit von Belegschaftsteilen, Technikern und Ingenieuren innerhalb von betrieblichen Arbeitskreisen umfassen. 10 Zwar ist der Umweltschutzbeauftragte von seinem umweltpolitischen Engagement nicht „der Mann des Unternehmens" (Föste 1994), aber er kann sich hinsichtlich seiner politischen Aktivitäten und betriebspolitischen Allianzen nicht gänzlich der Loyalitätsverpflichtung gegenüber dem Management entziehen.
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Sicherung miteinander verbunden hat, so zeigten die anderen Betriebsbeispiele, daß der Umweltschutz außerhalb des engeren Arbeits- und Gesundheitsschutzes für die dortigen Betriebsräte keine Bedeutung hatte. Grundsätzlich delegiert auch der Betriebsrat die umweltpolitischen Themen an den Umweltschutzbeauftragten. Den Betriebsräten waren die mit einem Umweltmanagement verbundenen Organisationsveränderungsprozesse kaum bewußt. Insofern fand eine Verbindung mit gleichzeitig notwendigen, arbeitspolitisch initiierten Organisationsveränderungen im politisch-strategischen Kalkül der Betriebsräte nicht statt. Hier besteht für den Betriebsrat, aber auch für den Umweltschutzbeauftragten, ein hoher Beratungsbedarf. Neben diesen Blockierungen einer politisch-ökologischen Unternehmensreform ist es weiterhin wichtig, auf die strukturellen Begrenzungen einer rein betriebsbezogenen Umweltpolitik zu verweisen. Ohne eine ökologische Prozeßkettenanalyse und einer stärkeren ökologischen Branchenkooperation bei gleichzeitiger ökologisch-politischer Regulierung der ökonomischen Marktbedingungen stößt der betriebliche Umweltschutz zwangsläufig an die Grenze seiner Gestaltungsfähigkeit. Hieraus ergeben sich u.a. die besonderen Anforderungen an externe Regulierungspolitiken, die die betriebliche Dimension mit der gesellschaftlichen verbinden
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Werner Wohlfarth und Jeanette Signon
Umweltmanagement als Prozeß ökologischer Reorganisation
1. Entwicklung, Inhalte und Ziele von Umweltmanagementsystemen
Mit Beginn der siebziger Jahre setzte mehr und mehr die kritische Auseinandersetzung mit den Folgen einer nur auf Wachstum ausgerichteten industriellen Produktion ein. Umweltschutz spielte bis dahin keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Die sichtbaren Folgen des vernachlässigten Umweltschutzes wie starke Luftverschmutzung, saurer Regen, kontaminierte Böden und verschmutzte Gewässer ließen sowohl Bevölkerung wie auch den Gesetzgeber zunehmend sensibler auf die wachsenden Umweltprobleme reagieren. Ein übriges bewirkten hier z.B. die Störfälle in Seveso, Italien, oder Sandoz, Schweiz. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich in Deutschland in den letzten 25 Jahren eine sehr umfassende Umweltschutzgesetzgebung, die ihr Hauptaugenmerk auf die Vorsorge zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen richtet. Der Vorsorgegedanke war und ist bis heute jedoch in erster Linie durch den Einsatz technischer Lösungen zur Verbesserung des Umweltschutzes geprägt. Diese verschärften gesetzlichen Anforderungen haben zwar in den letzten 25 Jahren dazu geführt, daß sich der industrielle Umweltschutz erheblich verbessert hat; es setzte sich aber auch zunehmend die Erkenntnis durch, "daß reine End-of-the-pipe"-Technologien wie
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Abluftfilter oder Abwasserbehandlungsanlagen nicht ausreichend sind, um den Umweltschutz nachhaltig zu verbessern."1 Eine Dynamisierung des Umweltschutzgedankens setzte etwa Mitte der achtziger Jahre ein, als man zu der Erkenntnis kam, daß "Umwelt" und "Management" keine Gegensätze, sondern in der Verbindung eine neue Chance für Unternehmen bietet. Den Umweltschutz im Unternehmen zu "managen", stellte sich als die neue Herausforderung für die industrielle Zukunft heraus. Wie in anderen Bereichen auch, z.B. Qualitätsmanagement, so entwickelten sich fur das Management des Umweltschutzes ebenfalls Normen, die die Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem konkretisieren sollten. Großbritannien spielte hier die Vorreiterrolle mit der British Standard 7750. Von weitreichenderer Bedeutung war jedoch die Verabschiedung der "Verordnung (EWG) 1836/93 des Rates vom 29. Juni 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung\ Mit dieser Verordnung wurde etwas wirklich Neues geschaffen. Die Einfuhrung eines Umweltmanagementsystems, wie ihr Titel bereits ausweist, ist für die gewerblich tätigen Unternehmenfreiwillig.Die Philosophie, die der Verordnung zugrundeliegt, ist, die Eigenverantwortung der Industrie im Umgang mit der Umwelt zu stärken, um auf diese Weise eine kontinuierliche Verbesserung des Umweltschutzes, die über gesetzliche Anforderungen hinausgeht, zu erreichen. Die Unternehmen sind dazu aufgerufen, die Einhaltung von umweltrechtlichen Anforderungen an ihrem Standort
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Seidensticker, Anne: Umweltmanagement und Umweltmanagementsysteme, in:, Emst Schitag & Young: Das Buch des Umweltmanagements, Weinheim u.a., 1995, S. 1
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Werner Wóhlfahrth/Jeanette Signori
eigenständig zu kontrollieren und zusätzlich Strategien und Programme zur Verbesserung des Umweltschutzes zur entwickeln. Dies geschieht mithilfe eines Umweltmanagementsystems, in dem Verantwortungen und Befugnisse sowie Kontrollmechanismen klar geregelt sind. Diejenigen Unternehmen, die sich an diesem System freiwillig beteiligen, unterwerfen sich einem anspruchsvollen Regelsystem, und übernehmen damit selbst "die Verantwortung fur umweltbewußtes, umweltgerechtes, umweltverträgliches Wirtschaften ...und überläßt nicht mehr der staatlichen Administration die Wahrnehmung von Umweltschutzinteressen".2 Ein neuer Gedanke der EG-Verordnung ist darüberhinaus die Darstellung der erbrachten und geplanten Umweltschutzleistungen sowie die umfassende Beschreibung der betrieblichen Tätigkeiten und ihrer Auswirkungen auf die Umwelt in Form einer Umwelterklärung, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die Glaubwürdigkeit und Wahrheit der Aussagen in der Umwelterklärung und die Wirksamkeit seines Umweltmanagementsystems muß das Unternehmen durch einen externen zugelassenen Umweltgutachter überprüfen lassen. Wer sich diesen Regeln unterwirft erhält zum Abschluß und zur Belohnung ein "Zertifikat" in Form einer Teilnahmeerklärung. Zusätzlich wird der Name der Firma und der geprüfte Standort im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht. Zur Teilnahme an dem System hat die Verordnung einen klaren Ablauf vorgesehen, der sich in sieben Schritten vollzieht:
2
Burkhardt, AH. : Öko-Audit-Chance oder weitere Belastung für Unternehmen, in: Korrespondenz Abwasser (1995)9, 1467
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1. Umweltpolitik Die Unternehmensleitung formuliert eine Umweltpolitik, mit der sie sich mindestens verpflichtet, die gesetzlichen Anforderungen einzuhalten und zusätzlich für eine kontinuierliche Verbesserung des Umweltschutzes zu sorgen. Die Umweltpolitik beinhaltet die Handlungsgrundsätze, auf denen das Umweltmanagementsystem und die Umweltziele und -programme aufbauen. 2. Erste Umweltprüfung In einer ersten umfassenden Bestandsaufnahme werden die Umweltauswirkungen und die Organisation des Umweltschutzes am jeweiligen Standort im Hinblick auf die Beachtung der Umweltpolitik des Unternehmens und der gesetzlichen Anforderungen untersucht. Mit dieser ersten Prüfung und Schwachstellenanalyse verschafft sich das Unternehmen ein Bild über den Grad der Einhaltung gesetzlicher Anforderungen und ermittelt alle relevanten Daten wie z.B. Emissionen, Abwasseraufkommen und -belastungen, Abfallaufkommen und Arten der Entsorgung und -Verwertung, aber auch Verfahren zur Aus- und Fortbildung, Schulung des Personals, Anforderungen an Zulieferanten etc. Damit wird die Basis geschaffen, um vorhandene Defizite hinsichtlich der Erfüllung gesetzlicher Vorschriften abzubauen und vorhandene Verbesserungspotentiale zur kontinuierlichen Verbesserung des Umweltschutzes aufzuspüren. 3. Umweltprogramm und Managementsystem Aufbauend auf den Ergebnissen der ersten Umweltprüfung wird vom Unternehmen ein Umweltprogramm formuliert, das die Ziele und Tätigkeiten beinhaltet, die eine Verbesserung des Umweltschutzes am Standort bewirken sollen. Der Zeitraum, innerhalb dessen diese Ziele erfüllt sein sollen, ist ebenfalls festzulegen. Diese Selbstverpflichtung des Unternehmens geht über die Erfüllung gesetzlicher Standards hinaus.
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Werner Wohlfahrih/Jeanette Signori
Gleichzeitig wird das Umweltmanagementsystem eingerichtet, das im wesentlichen die aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen beinhaltet und dokumentiert, die zur Umsetzung der Umweltpolitik, des Umweltprogramms und zur Kontrolle der Einhaltung der umweltrechtlichen Vorschriften wie auch zur Überprüfung der Wirksamkeit des Managementsystems erforderlich sind. 4. Umweltbetriebsprüfiing(en) Umweltbetriebsprüfungen sind Teil des Umweltmanagementsystems, die sowohl von internen wie auch externen Auditoren durchgeführt werden können. Diese Prüfungen sind ein Kontrollinstrument des Managements, um überprüfen zu lassen, ob und wie die Umweltpolitik und das -programm am Unternehmensstandort umgesetzt und in welcher Qualität die aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen praktiziert werden. Aufgrund dieser internen Revision sollen Anpassungen und Korrekturmaßnahmen vorgenommen werden. 5. Umwelterklärung Die Umwelterklärung ist das Instrument, mit dem das Unternehmen an die Öffentlichkeit geht. Sie beinhaltet neben der Umweltpolitik und dem -programm eine Beschreibung der betrieblichen Tätigkeiten und ihrer Auswirkungen auf die Umwelt, zusammenfassende Zahlenangaben, die die Umweltrelevanz der Tätigkeiten konkretisieren, veranschaulichen und nachprüfbar machen, z.B. in Form von Zeitreihendarstellungen, Bilanzierungen (Input-/Output-Bilanzen, Umweltkennzahlen). Darüber hinaus enthält die Umwelterklärung eine Darstellung des Umweltmanagementsystems, die fur die Öffentlichkeit nachvollziehbar macht, wie der Umweltschutz im Unternehmen wirksam kontrolliert wird. 6. Prüfung durch den Umweltgutachter Der unabhängige und zugelassene Umweltgutachter hat im wesentlichen zu prüfen, ob die Angaben, die in der Umwelterklärung fur die Öffentlichkeit gemacht werden, der Wahrheit entsprechen. Außerdem über-
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prüft er, ob das Umweltmanagementsystem dazu geeignet ist, den Umweltschutz im Unternehmen wirksam zu kontrollieren. Ist das Prüfungsergebnis positiv, so wird vom Umweltgutachter die Umwelterklärung fur "gültig" erklärt. 7. Registrierung und Teilnahmeerklärung Die vom Umweltgutachter validierte Umwelterklärung wird vom Unternehmen an die registrierende Stelle geschickt und die Registrierung beantragt. In Deutschland sind hierfür die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern zuständig. Durch das Umweltauditgesetz (UAG) kommt hier eine deutsche Besonderheit zum Tragen: Im Rahmen des Registrierungsverfahrens werden die Aufsichtsbehörden um Stellungnahme gebeten, ob aus ihrer Sicht und Kenntnis etwas gegen die Registrierung des Unternehmens spricht. Nach Abschluß dieses Verfahrens erhält das Unternehmen von der zuständigen Industrie- und Handelskammer bzw. Handwerkskammer seine Teilnahmeerklärung, die auch fur die Weiterleitung nach Brüssel sorgt, wo die Eintragung des geprüften Standortes im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veranlaßt wird. ISO 14001 Umweltmanagementsysteme Die Entwicklung konkretisierender Vorgaben zur Einrichtung eines Umweltmanagementsystems blieb nicht auf den europäischen Raum beschränkt, sondern wurde nahezu zeitgleich zur Verabschiedung der EG-Verordnung 1836/93 ein Thema fur die ISO (International Organization for Standardization). Auf die inzwischen verabschiedete internationale Norm soll hier jedoch nur kurz und der Vollständigkeit halber eingegangen werden, da sie unter dem Gesichtspunkt "Ökologische Reorganisation" von weniger weitreichender Bedeutung ist als die EGVerordnung 1836/93.
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Zwischen den Inhalten der EG-Verordnung und der DIN/ISO 14001 g;bt es zwar einen hohen Übereinstimmungsgrad hinsichtlich der Elemente eines Umweltmanagementsystems. Von zentraler Bedeutung ist jedoch die unterschiedliche Ausrichtung des Begriffs der kontinuierlichen Verbesserung. Im Unterschied zur EG-Verordnung, die die kontinuierliche Verbesserung des Umweltschutzes intendiert, richtet sich der Grundgedanke der DIN/ISO 14001 auf die kontinuierliche Verbesserung des Umweltmanagementsystems. Auch sieht die DIN/ISO 14001 keine Kommunikation mit der Öffentlichkeit in Form einer Umwelterklärung vor. Von vielen wird daher die DIN/ISO 14001 als Untermenge der EG-Verordnung 1836/93 angesehen, manchmal etwas herablassend auch als "ÖKO-Audit light" bezeichnet. Für deutsche Unternehmen, die über den europäischen Raum hinausgehend geschäftlich tätig sind, ist die DIN/ISO 14001 jedoch eine sinnvolle, wenn nicht gar notwendige Ergänzung oder Alternative zur EGVerordnung 1836/93. Es ist deshalb in Deutschland Ziel, mit der Validierung nach der EG-Verordnung eine Zertifizierung nach DIN/ISO 14001 zu erteilen.
2. Die Bedeutung eines Umweltmanagementsystems fur die Praxis Im folgenden werden die wesentlichen Elemente, die beim Aufbau eines Umweltmanagementsystems zu beachten sind, herausgearbeitet und mit den Erfahrungen aus unserer Beratungs- und Begutachtungspraxis verknüpft.
Umweltmanagement als Prozeß ökologischer Reorganisation
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2.1 Umweltpolitik und Verantwortung der obersten Leitung Zentrale Bedeutung für das Umweltmanagementsystem hat die Formulierung der Umweltpolitik durch die Unternehmensleitung, denn sie bildet das Dach oder den Grundstock fur das Umweltmanagementsystem. Der gelungene Aufbau eines Umweltmanagementsystems hängt somit ganz wesentlich von der Glaubwürdigkeit und dem Engagement für den Umweltschutz der Unternehmensleitungen ab. Mitarbeiter im Unternehmen, denen die Umweltpolitik bekanntgemacht werden soll und denen ein Leben nach dieser Umweltpolitik abverlangt wird, spüren sehr schnell, ob die in der Umweltpolitik formulierten Verpflichtungserklärungen, z.B. Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen und kontinuierliche Verbesserung des Umweltschutzes, ernst gemeint sind, oder ob es sich hierbei nur um ein "Lippenbekenntnis" handelt. Deshalb ist es wichtig, daß sich die Unternehmensleitung darüber im klaren ist, worauf sie sich mit dieser unumgänglichen Verpflichtung einläßt und überprüft, ob sie den Ansprüchen der Umweltpolitik in der Realität genügen kann. Nur ein "top-down" gelebtes Umweltmanagementsystem hat wirklich Aussicht auf Erfolg. 2.2 Feststellung von Schwachstellen und Verbesserungspotentialen Mit der Durchführung der ersten Umweltprüfung, die sich vor allem als "compliance audit", d.h. Überprüfung des Unternehmens im Hinblick auf die Erfüllung der rechtlichen Anforderungen, versteht, erhält das Unternehmen erstmals einen umfassenden Überblick über seine Stärken und Schwächen im Umweltschutz. In den meisten Unternehmen wird Umweltschutz zwar auch vor Einführung eines Umweltmanagementsystems "gelebt", eine systematische Überprüfung der Umweltschutz-
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aktivitäten, zu erfüllender Rechtsnormen und Auflagen aus Genehmigungen hat jedoch in der Regel nicht stattgefunden. Immer wieder sind wir in unserer Beratungspraxis bei der Durchführung von ersten Umweltprüfungen auf ähnlich geartete Defizite gestoßen. Zu den häufigsten zählen: • unzureichende Kenntnis der für den jeweiligen Standort geltenden gesetzlichen Regelwerke, • Fehlen von erforderlichen Genehmigungen, Bewilligungen oder Erlaubnissen, • Nichteinhaltung von Auflagen und Bedingungen aus Genehmigungsbescheiden, • gegen die Vorschriften (Wasserhaushaltsgesetz, VawS3, VbF,4 TRGS5) verstoßende Lagerung bzw. Umgang mit wassergefahrdenden Stoffen und Gefahrstoffen, • fehlende oder nicht mehr aktuelle Notfall-, Alarm- und Gefahrenabwehrpläne oder Feuerwehreinsatzpläne, • fehlende oder unzureichende Dokumentationen zum bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlagen, fehlende Betriebsanweisungen und • unklare oder gänzlich fehlende Delegation von Aufgaben, Verantwortungen und Befügnissen im Umweltschutz. Die angeführten Beispiele zeigen typische Ergebnisse für festgestellte Schwachstellen sowohl in großen wie auch kleinen und mittelständischen Unternehmen. Mit der systematischen Erfassung der rechtlichen Anforderungen und Identifikation von straf- und haftungsrechtlich relevanten Risiken 3 4 5
VawS = Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe Vbf = Verordnung über brennbare Flüssigkeiten TRGS = Technische Regeln Gefahrstoffe
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erhält die Unternehmensleitung ein umfassendes Handlungskonzept sowohl zur Minimierung der Risiken durch Unterlassung wie auch zur Herstellung eines rechtskonformen Betriebs. Darüber hinaus wird im Rahmen der ersten Umweltprüfung in den Unternehmen erstmals umfassendes Datenmaterial zu den Umweltauswirkungen zusammengetragen, womit auch die Basis zur Festlegung von Möglichkeiten der Verringerung von Umweltauswirkungen geschaffen wird. Dies können z.B. Maßnahmen zur stärkeren Abwärmenutzung und damit Primärenergieeinsparung, Kreislauffiihrungen von Kühlwasser oder Abwasser, höhere Abfallverwertungsquoten etc. sein. Die Ergebnisse der ersten Umweltprüfung lösen in den Unternehmen nach unseren Beobachtungen sowohl bei den Unternehmensleitungen wie auch den Führungskräften und Betriebsbeauftragten einen ersten Bewußtseinswandel und Sensibilisierungsprozeß aus. Darüber hinaus gibt sie Sicherheit, da nach ihrem Abschluß bekannt ist, was zu tun ist. 2.3 Aufbau des Umweltmanagementsystems Mit dem Aufbau des Umweltmanagementsystems werden die Strukturen im Unternehmen geschaffen, die die in der Umweltpolitik formulierten Unternehmensziele zur Umsetzung bringen. Wie in allen Managementsystemen ist die Festlegung der Außau- und Ablauforganisation neben der Auswahl qualifizierten Personals bzw. Schulung des Personals von zentraler Bedeutung für ein Umweltmanagementsystem. Die Einbeziehung der vorhandenen betriebsorganisatorischen Strukturen ist dabei unerläßlich, denn schließlich sollen vorhandene Strukturen möglichst genutzt und das Unternehmen nicht vollständig umorganisiert werden.
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Werner Wohlfahrth/Jeanette Signori
Im Rahmen der Aufbauorganisation wird eine eindeutige "Pflichtenübertragung" der Aufgaben vorgenommen, die der Umsetzung der Umweltpolitik dienen. Wichtig ist hierbei, Verantwortungen und Befugnisse ebenfalls eindeutig festzulegen und Schnittstellen zu berücksichtigen. So wird im Rahmen des Umweltmanagementsystems z.B. geregelt, wer fur die Erfüllung und Kontrolle der gesetzlichen Anforderungen (ein Mindestziel aus der Umweltpolitik) zuständig ist. Die Aufgaben und Befugnisse sind hier von der Unternehmensleitung über Betriebsleiter, Betriebsbeauftragte bis hin zu Meistern oder Vorarbeitern festzulegen. Hinsichtlich der zu berücksichtigenden Schnittstellenproblematik ist festzulegen, wer entscheidungsbefugt oder "nur" mitwirkungspflichtig oder zu informieren ist. Ebenso gilt es, Meldewege festzulegen, die insbesondere bei Betriebsstörungen und Störfallen regeln, welche Personen sowohl intern (Unternehmensleitung, Betriebsleitung, Betriebsbeauftragte) wie auch extern (Behörden) zu informieren sind und welche Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Schulungs- und Fortbildungsdefizite müssen behoben werden, damit Mitarbeiter die ihnen zugedachten Aufgaben wirksam erfüllen können. Neben den Betriebsbereichen mit direkten Umweltauswirkungen werden auch Organisationseinheiten wie Personalwesen, Einkauf, Entwicklung und Instandhaltung oder Controlling einbezogen. Der Bereich Personalwesen ist beispielsweise wichtig, um Fragen der Schulung und Ausbildung der Mitarbeiter, z.B. Erstellung von Schulungsplänen, Auswahl von Fortbildungsveranstaltungen, Methoden der Erhebung des Schulungsbedarfs etc., zu regeln. Aber auch die Bereiche Einkauf und Beschaffung sind wichtige Organisationseinheiten fur ein Umweltmanagementsystem. Über diese werden in der Regel alle Dienstleistungen, wie z.B. Wartungs- oder Reinigungsarbeiten durch Fremdfirmen bestellt, es werden aber auch Rohstoffe und Betriebbsstoffe mit umweltgefährdendem Potential in ein
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Unternehmen über diese Organisationseinheiten geholt. Häufig sind gerade hier manifeste Umdenkungsprozesse erforderlich, da diese Bereiche bis dahin mit Fragen des Umweltschutzes nicht in Kontakt gekommen waren. So ist es z.B. unerläßlich zu regeln, wer im Unternehmen Fremdfirmen auf dem Betriebsgelände beaufsichtigt und z.B. dafür sorgt, daß durch diese keine Umweltgefährdungen hervorgerufen werden können. Aber auch die Bestellung von Gefahrstoffen ist in der Regel neu zu organisieren. Es muß z.B. geklärt werden, wer die Bestellung veranlassen darf und welche Abläufe hierbei zu beachten sind (z.B. Anforderung des Sicherheitsdatenblattes beim Lieferanten, Prüfung des Stoffes auf Substituierbarkeit, Prüfung der maximal notwendigen Lagermenge, Veranlassung von Betriebsanweisungen und Klassifizierung der Lagerhaltung u.ä.). Diese Regelungen verhindern bespielsweise, daß in ein Unternehmen unkontrolliert Gefahrstoffe und umweltgefährdende Stoffe gelangen, und sorgen fur eine Minimierung des Risikopotentials für Umwelt und Mitarbeiter. Im Bereich Forschung und Entwicklung ist es vor allem von Bedeutung, Abläufe zu schaffen, die verhindern, daß mit einer neuen Produkt- oder Verfahrensentwicklung neue oder zusätzliche Umweltauswirkungen geschaffen werden. Es muß schon bei der Entwicklung von neuen Produkten bzw. neuen Produktionsverfahren gewährleistet sein, daß umweltrelevante Aspekte wie z.B. Erhöhung des Abfallaufkommens, des Abwasseranfalls oder erhöhte Emissionen Gegenstand der Untersuchung sind und in die Entscheidung für oder gegen ein neues Produkt bzw. Produktionsverfahren einbezogen werden. 2.4 Dokumentationspflichten In vielen Unternehmen gibt es bereits eine funktionierende, "gelebte" Umweltorganisation, die nach unseren Erfahrungen jedoch Fragen der
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Dokumentation nur stiefmütterlich behandelt. Damit bleibt nicht nur das Wissen der einzelnen Mitarbeiter allein in deren Köpfen und somit nicht ohne weiteres für andere verfugbar, sondern diese Vorgehensweise birgt auch ein Haftungsrisiko fur die Unternehmen, da der Nachweis eines bestimmungsgemäßen Betriebs im Sinne des Umwelthaftungsgesetzes im Falle von Schadensersatzansprüchen nicht möglich ist. Hinsichtlich der Dokumentation sind deshalb im Rahmen eines Umweltmanagementsystems zunächst Aufzeichnungen über den bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlagen systematisch zu erfassen wie z.B. Meßberichte, Betriebstagebücher mit Dokumentation der Kontrolle des bestimmungsgemäßen Betriebs der Anlagen, Auflagenverfolgungssystem zur Dokumentation der Erfüllung von Auflagen aus Genehmigungsbescheiden. Zur Dokumentation gehört aber auch die Dokumentation der Aufbau- und Ablauf organisation. Hierzu zählen beispielsweise Stellenbeschreibungen, Funktions-Kompetenz-Matrizen, aus denen Aufgaben und Befugnisse hervorgehen, sowie Verfahrensanweisungen, die die Abläufe im Umweltmanagementsystem beschreiben. In der Regel werden diese Dokumentationsformen ähnlich wie in der Qualitätssicherung in Form eines Handbuches gebündelt, die Dokumentation kann aber auch durch EDV-gestützte Systeme erfolgen. Entscheidend ist dabei nicht die Art und Weise der Dokumentation, sondern die eindeutige Verfügbarkeit der darin enthaltenen Informationen.
3. Interaktive Prozesse beim Aufbau eines Umweltmanagementsystems
Da auch ein Umweltmanagementsystem ein von Menschen gelebtes System ist, kommt der Motivation und frühzeitigen Einbindung der
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Mitarbeiter eine hohe Bedeutung zu. Es wird immer skeptische und kritische Stimmen in einem Unternehmen geben, die die Einfuhrung eines Umweltmanagementsystems erschweren. Damit sich gar nicht erst solche Motivationshürden aufbauen, ist es wichtig, möglichst frühzeitig vor allem die Führungskräfte im Unternehmen mit einzubeziehen. Der Unternehmensleitung kommt hier eine zentrale Rolle zu, denn sie muß die Signalwirkung in das Unternehmen hineintragen, d.h. die Mitarbeiter müssen sehen, daß die Einfuhrung eines Umweltmanagementsystems auch wirklich von der Führung des Unternehmens gewollt ist und sie von dem Nutzen überzeugt ist. Wer selbst nicht überzeugt ist, kann auch andere nicht überzeugen. Ein Signal an die Mitarbeiter und darüber hinaus auch eine Forderung aus der EG-Verordnung ist die Bestellung eines Umweltmanagementbeauftragten, der die Einfuhrung des Umweltmanagementsystems federführend begleitet und für die erforderlichen Dokumentationen wie z.B. Umwelthandbuch und zugehörige Verfahrensanweisungen sorgt, sie entweder selbst erstellt oder sich bei der Erstellung durch interne oder externe Hilfe unterstützen läßt. Optimal ist die Installation einer Arbeits- oder Projektgruppe im Unternehmen, der der Umweltmanagementbeauftragte angehört, und über die die Einfuhrung des Umweltmanagementsystems im Unternehmen geleitet wird. Da sich die Mitglieder einer solchen Arbeits- und Projektgruppe in der Regel aus den unterschiedlichen Bereichen eines Unternehmens (z.B. Produktion, Einkauf, Entwicklung) rekrutieren, ist auch ein enger Kontakt zu den Führungskräften und Mitarbeitern dieser Unternehmensbereiche gewährleistet. Man kennt die Sorgen und Nöte seiner Kollegen und weiß, worauf bei der Einfuhrung eines Umweltmanagementsystems zu achten ist. Wichtig ist aber auch die zumindest gelegentliche, wenn möglich regelmäßigere Teilnahme der Unternehmensleitung an Sitzungen des Arbeits- und Projektkreises, um eine
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Werner Wohlfahrth/Jeanette Signori
unmittelbare Rückkopplung über die auftretenden Schwierigkeiten und Probleme zu haben. In dieser Projektgruppe können auch die erforderlichen Dokumentationen wie Umwelthandbuch, zugehörige Verfahrensanweisungen erstellt bzw. vorbereitet werden. Hierzu muß den Beteiligten natürlich auch von der Unternehmensleitung ein gewisses Zeitkontingent zur Verfugung gestellt werden, da sonst jede Motivation in der täglichen Arbeit erstickt wird. Bewährt haben sich in der Praxis auch die Durchßihrung von Workshops, deren Themen im Zusammenhang mit Umweltschutz und Umweltmanagement stehen, um den beteiligten Führungskräften und Mitarbeitern die notwendigen Kenntnisse zu vermitteln, aber auch Möglichkeiten zur Diskussion und zum Erfahrungsaustausch zu geben. Um das Thema Umweltmanagement an möglichst viele Mitarbeiter im Unternehmen heranzutragen, hat sich neben einfachen Dingen wie Aushänge am Schwarzen Brett auch die aktive Kommunikation mit den Mitarbeitern bewährt. Hierzu zählen beispielsweise Abteilungsbesprechungen oder Meisterbesprechungen, in denen das Thema Umweltmangement auf der Tagesordnung steht und die Mitarbeiter ihre Vorstellungen, Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge äußern können. In diesen Meister- und Abteilungsbesprechungen empfiehlt es sich, zur Implementierung eines Umweltmanagementsystems betriebliche Abläufe wie z.B. Betriebsbegehungen oder Führen des Betriebstagebuches zu thematisieren und Möglichkeiten der Nutzbarmachung zur Kontrolle umweltrelevanter Auswirkungen auszuloten. So können Schichtfuhrer und Meister während ihrer täglichen Betriebsrundgänge nicht nur die Funktionstüchtigkeit der betrieblichen Anlagen kontrollieren, sondern beispielsweise auch umweltrelevante Einrichtungen wie Abluftfilter, Abwasserbehandlungsanlagen etc. auf störungsfreien Betrieb kontrollieren. Gegenstand solcher Besprechungen kann aber auch sein, wie beispielsweise eine ordnungsgemäße Abfalltrennung im
Umweltmanagement als Prozeß ökologischer Reorganisation
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Betrieb erreicht wird und Fehlwürfe oder ordnungswidrige Vermischung von Abfällen vermieden werden können. In Gesprächen mit den Führungskräften und betroffenen Mitarbeitern wäre aber auch zu klären, welche umweltrelevanten Abläufe in Verfahrensanweisungen geregelt werden müssen. Erfahrungsgemäß wächst die Akzeptanz gegenüber schriftlich festgelegten Anweisungen, wenn die ausfuhrenden Personen an der Formulierung beteiligt waren. Betroffene zu Beteiligten machen lautet hier das Motto. Für die Formulierung von Verfahrensanweisungen sollte im Unternehmen mindestens ein Ansprechpartner, z.B. der Umweltmanagementbeauftragte, zur Verfügung gestellt werden, der Hilfestellung bei der Beachtung formaler wie auch rechtlicher Anforderungen, die in eine Umweltverfahrensanweisung einfließen, geben kann. Existiert im Unternehmen eine Projektgruppe oder ein Arbeitskreis Umweltschutz, so laufen die Fäden hier zusammen. Aber auch die Aktivierung eines innerbetrieblichen Vorschlagswesens sowohl zur Verbesserung des technischen Umweltschutzes im Unternehmen als auch ablauforganisatorischer Regelungen tragen zur Bewußtseinsbildung und Erhöhung der Motivation bei. Je mehr die Kreativität der Mitarbeiter im Unternehmen genutzt wird, umso erfolgreicher wird die Einfuhrung des Umweltmanagementsystems verlaufen.
4. Bedeutung und Prozeß externer Beratung Ob sich ein Unternehmen für die Verpflichtung eines externen Beraters bei der Einführung eines Umweltmanagementsystems entscheidet, hängt nicht zuletzt von den zur Verfügung stehenden eigenen Personalressourcen wie auch der eigenen zur Verfügung stehenden fachlichen Qualifikation und Erfahrung ab. Die externe Beratung, soweit sie gut
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Werner Wohìfahrth/Jecmette Signori
und fachlich kompetent ist (sicherlich nicht immer einfach für ein Unternehmen, dies im Vorfeld zu beurteilen), erspart nicht nur eine Menge Zeit und damit Geld, sondern auch eine Menge Frustration der Beteiligten. Der Aufgaben- und Arbeitsumfang des Beraters, d.h. das Maß der Entlastung für das Unternehmen, wird entweder im Vorfeld vom Unternehmen selbst definiert oder aber gemeinsam in einem Vorgespräch zwischen Unternehmen und Berater festgelegt. Hierbei ist in der Regel die Erfahrung und Kenntnis des Beraters gefragt, der dem Unternehmen Vorschläge für die Art und den Umfang der Beratungs- und Unterstützungsleistungen machen muß. Unsere Beratungspraxis zeigt, daß verschiedene Spielarten der externen Beratung möglich und sinnvoll sind. In jedem Fall zu empfehlen ist die Durchführung der ersten Umweltprüfung durch einen externen Berater, da er mit objektivem, nicht durch Betriebsblindheit geschlagenem Blick durch das Unternehmen geht und die Prüfung vornimmt. Dies hat sich u.a. auch deshalb bewährt, da in vielen Unternehmen die umfassenden Kenntnisse, die zur Durchführung der ersten Umweltprüfung erforderlich sind, wie z.B. rechtliche Kenntnisse, fehlen, aber auch die notwendige Auditerfahrung häufig nicht in dem Maße vorliegt. Außerdem ist die Akzeptanz eines externen, unabhängigen Prüfers nach unserer Erfahrung wesentlich größer. Der Prophet im eigenen Hause gilt bekanntlich nichts. Die Formulierung der Umweltpolitik und des Umweltprogramms ist immer Sache des Unternehmens. Der externe Berater kann dem Unternehmen jedoch Hilfestellung durch Beispiele und Moderation geben, muß aber auch korrigierend eingreifen können, wenn abzusehen ist, daß wichtige Anforderungen aus der EG-Verordnung nicht beachtet werden.
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Bei der Einführung des Umweltmanagementsystems ist der Berater noch viel stärker als bei der Durchführung der ersten Umweltprüfung auf die Mitarbeit des Unternehmens angewiesen. Seine Tätigkeiten können von der Moderation von Arbeitsgruppen und Workshops über die Durchführung von Schulungsveranstaltungen bis zur Erstellung des Umwelthandbuches alles umfassen. Doch diese Tätigkeiten müssen immer in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen ablaufen, da ein "von außen Hineinregieren" und "Aufsetzen von Beraterkonzepten" nur schwerlich Akzeptanzfindenwird. Aus unserer Praxis hat sich bewährt, das Unternehmen bei der Einführung des Managementsystems und der Erstellung der Dokumentation hinführend zu lenken. Dies erfolgt durch Arbeitsmaterialien, wie Beispiele für Aufbau des Handbuchs, Verfahrensanweisungen, Rechtsverzeichnis etc., die dem Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Das Unternehmen erstellt die Unterlagen jedoch weitgehend selbst und der Berater prüft die erstellten Unterlagen auf sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit. Auf diesem Wege wird eine hohe Identifikation in den Unternehmen mit dem Umweltmanagementsystem geschaffen und verhindert, daß es als etwas Fremdbestimmtes erlebt wird. Je mehr Erfahrung und Praxis der Berater bei der Einführung von Umweltmanagementsystemen hat, umso mehr profitiert das Unternehmen davon, denn der erfahrene Berater verfügt durch seine Arbeit in unterschiedlichen Unternehmen und Unternehmensformen über einen reichen Erfahrungsschatz hinsichtlich der möglichen Variationen des Aufbaus eines Umweltmanagementsystems bis hin zur Art und Weise der Erarbeitung der notwendigen Dokumentationen, wie z.B. dem Umwelthandbuch. Durch die qualifizierte Arbeit eines Beraters, der dem Unternehmen sein "Know how" zur Verfügung stellt, lassen sich die erforderlichen
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Arbeiten und Projektschritte wesentlich straffer und effizienter durchführen, womit gleichzeitig die Motivation erhalten bleibt. Die im Unternehmen Projektverantwortlichen fur die Einfuhrung des Umweltmanagementsystems werden durch die Arbeit des Beraters spürbar entlastet, da er den Projektverantwortlichen den Weg weisen kann, aber darüberhinaus auch in der Lage ist, ganze Arbeitseinheiten zu übernehmen. Ausschlaggebend für die Auswahl eines Beraters sollte für das Unternehmen deshalb nicht nur das Honorar, sondern das Maß seiner praktischen Erfahrung sein.
5. Umweltmanagement als Instrument der Reduktion von Umweltauswirkungen
Die Reduktion von Umweltauswirkungen ist eine der wesentlichen Zielvorstellungen bei der Implementierung von Umweltmanagementsystemen nach EG-Verordnung 1836/93, da das teilnehmende Unternehmen sich zur kontinuierlichen Verbesserung seiner Umweltschutzleistungen verpflichtet. Kontinuierliche Verbesserung wird im Sinne der EG-Verordnung als eine Verbesserung über das gesetzlich geforderte Maß hinausgehend verstanden. Da es nach unseren Erfahrungen jedoch kein Unternehmen gibt, das sich hundertprozentig rechtskonform verhält, ist die Reduktion von Umweltauswirkungen bereits nach Durchführung der ersten Umweltprüfung ein Thema. Dies zeigen auch die Ergebnisse der folgenden Untersuchung von Eipper6, in der 42 Risikostudien zu kleinen und
6
Eipper, Ch. : Betriebliche Umweltschutzsituation von kleinen und mittelständischen Unternehmen, in: Wasser, Luft und Boden (1996) 4,24-27
Umweltmanagement als Prozeß ökologischer Reorganisation
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Abbildung 1: Die versicherungstechnische Situation ausgewählter Anlagen und Anlagengruppen der KMU (alphabetische Reihenfolge) Anlagenart, -grappe
erhöhtes Versicherungsrisik 0
(%)
nicht versicherbar
gesamt (%)
Risikoschwerpunkte
(%)
Abfallagerung
23,8
28,6
52,4
unachtsamer Umgang; Abfall als kostenverursachendes lästiges Übel
Abwasser, Kanal
35,7
39,3
75,0
überaltert; keine Eigenkontrolle; keine Dichtigkeitsprilfunçen
Altöl
16,0
64,0 (TRbF 143)
80,0
rechtswidrige Lagerung; unsachgemäßes Ab-und Umfüllen
Behandlungsanlagen (Härterei, Oberflächenbehandlung, Filteranlagen etc.)
13,2
21,1
34,3
fehlende Auffangund Rückhalteeinrichtungen; LCKWEinsatz
Fuhrpark
50
0,0
50,0
Abstellen und Wartung auf unbefestigten Flächen
Gebäudeheizung
8,7
8,7
17,4
mobile Aggregate; freie Versorgungsleitungen
Werkstätten (allgemein oder Kfz-Wartung/ Instand-haltung)
18,2
0,0
18,2
unsachgemäße Lagerung sowie Ab- und Umfüllen von Fetten und ölen
Kompressoren
20,8
8,3
29,1
Kondensatentsorgung
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Anlagcnart, •gruppe
Werner Wohlfahrth/Jeanette Signon
erhöhtes Versicherungsrisiko ("/ϋ)
nicht versicherbar
gesamt
Risikoschwerpunkte
(%)
(%)
Lagerhallen und -räume fìlr wassergefährdende Stoffe (wS)
32,9
26,0
58,9
rechtswidrige Lagerausstattung; unbeachtete Zusammenlagerungsverbote, zu hohe Zwischenlagermengen; Lagerung im Verkehrsbereich; fehlende Schulung
Leergutlagerung
38,5
30,8
69,3
vgl. Abfallagerung; es gibt keine „leeren" Gebinde
Ölraum (Lagerung von ölen und Schmierfetten)
28,6
28,6
57,2
vgl. Lagerung wS; ungeschultes Personal (insb. Bauwirtschaft)
Produktionsmaschinen
25,3
6,7
32,0
Arbeitsmengenlage rung; Bodeneinläufe vorhanden
Prozeßdampf, -öl
14,3
0,0
14,3
Druckleitungen
Eigenbedarfstankstellen
30,0
55,0
85,0
Havarierisiken; technisch unzureichende Ausstattung
Transformator
4,2
20,8
25,0
PCB-haltige öle
Wagenwaschplatz
17,6
29,4
47,0
fehlende Abscheideanlagen; schlecht befestigte Flächen
Umweltmanagement als Prozeß ökologischer Reorganisation
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Abbildung 2: Anteil der Betriebe mit Maßnahmen zur Havarievorsorge Art der Havarievorsorge (Mchrfachnennung)
%-Anteil Anzahl der Betriebe (insgesamt 42, Mehrfachnennung)
Kanalisation als Rückhaltesystem, d.h. Abschiebemng möglich
3
7,1
Hof- oder Gebäude als Auffangraum ausgebildet
1
2,4
Gefahrenabwehr-, Feuerwehrplan
1
2,4
Mitarbeiterschulung
1
2,4
39
92,9
nicht vorhanden
Quelle: Eipper 1996,24-27
mittelständischen Betrieben (KMU) mit bis zu 500 Mitarbeitern aus 17 Branchen für die Versicherungswirtschaft ausgewertet wurden: Die in der vorgenannten Studie festgestellten Risiken decken sich weitgehend mit unseren Erfahrungen aus der Durchführung von ersten Umweltprüfungea Das größte Potential zur Verringerung der Umweltauswirkungen liegt weniger in den" klassischen" Umweltthemen wie Reduktion z.B. von Emissionen durch Luftverunreinigungen oder Lärm, sondern vielmehr in den Bereichen Boden- und Gewässerschutz. Der unsachgemäße Umgang mit und die Lagerung von GefahrstofFen, wassergefährdenden Stoffen und Abfällen ist der am häufigsten anzutreffende Schwachpunkt in den Unternehmen. Aber auch mangelnde Notfallvorsorge und Gefahrenabwehr, wie z.B. Maßnahmen zur Löschwasserrückhaltung sind Beispiele, die zeigen, daß die Einführung eines Umweltmanagementsystems zur Reduktion von Umweltauswirkungen beiträgt, da sich die Unternehmen verpflichten müssen, die festgestellten
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Werner Wohlfahrth/Jeanette Signori
Defizite innerhalb eines zeitlich fixierten Rahmens abzustellen. Dieser Sanierungsrahmen hängt natürlich von dem Umfang der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen ab und wird im Einzelfall mit dem Umweltgutachter und der zuständigen Aufsichtsbehörde abgestimmt. Darüberhinaus fuhrt die Einfuhrung eines Umweltmanagementsystems aber auch zur Reduktion von Umweltauswirkungen, die, wie bereits zuvor genannt, über das gesetzliche Maß hinausgehen. Ein Beispiel aus unserer Praxis zeigt, daß Umweltauswirkungen enorm reduziert werden können, wenn im Rahmen eines Umweltmanagementsystems ein Stoffstrom- und in diesem Fall Gefahrstoffmanagement eingesetzt wird. In einem mittelständischen Unternehmen aus der Lebensmittelbranche wurde durch die Einfuhrung des Umweltmanagementsystems beispielsweise die gesamte Palette der im Betrieb vorhandenen Betriebs- und Hilfsstoffe kritisch im Hinblick auf das unbedingte Erfordernis und die notwendigen Lagermengen geprüft. Ergebnis dieser Prüfung war eine Reduktion der Hilfs- und Betriebsstoffinengen um ca. 40%. Damit wurde gleichzeitig das Lagerrisiko erheblich gesenkt, "wilde" Lagerstätten im Betrieb abgeschafft und die Beschaffung dieser Stoffe neu organisiert. Nicht mehr jeder im Unternehmen konnte ungeprüft die Bestellung eines Gefahrstofifes oder wassergefahrdenden Stoffes veranlassen, sondern jeder angeforderte Stoff wurde in Zusammenarbeit zwischen Einkauf und Betriebsleitung aufgrund eines festgelegten Prüfungsablaufs von der Anforderung des Sicherheitsdatenblatts beim Lieferanten über die Prüfung der Wassergefahrdungsklasse und Gefahrstoffklassifizierung bis hin zur Prüfung auf Substituierbarkeit eingestuft und erst nach vorgenommener Bewertung bestellt. Dieser Ablauf mag auf den ersten Blick zwar etwas mehr Zeit kosten, verhindert aber eine unkontrollierte und unkontrollierbare Handhabung von GefahrstofFen und wassergefährdenen Stoffen im Betrieb, mit den entsprechenden Folgeproblemen wie zu hohe Lager-
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mengen, unsachgemäße Lagerung etc. Daneben hat das Unternehmen mit diesem "Gefahrstoömanagement" als Bestandteil des Umweltmanagements Umweltkosten reduzieren können, z.B. durch Verkleinerung von Lagerstätten und Verringerung des Abfallaufkommens. Es gibt sicherlich keine Patentrezepte zur Reduktion der Umweltauswirkungen, da die Möglichkeiten sehr von den jeweiligen betrieblichen Voraussetzungen abhängen. Eine gute Basis, die eigenen Möglichkeiten zu einem StofFstrommanagement und damit zur Verringerung der Umweltauswirkungen auszuloten, ist die Erstellung, Bewertung und kontinuierliche Fortfuhrung einer Input-Output-Analyse. Sie zeigt dem Unternehmen anhand des erhobenen Datenmaterials (meist erstmalig), in welchen Umweltbereichen Reduktionspotentiale bestehen. Dies können wie in dem oben angeführten Beispiel Gefahrstoffe und wassergefahrdende Stoffe sein, häufig lassen sich aber auch weitere Abfallvermeidungs- und Verwertungsmöglichkeiten oder Konzepte zur Energie- oder Wassereinsparung entwickeln und realisieren. Neuere Modelle wie Umweltkennzahlen lassen hier zukünftig weitere Möglichkeiten zur Erfassung und Bewertung der Umweltauswirkungen entstehen und damit die Datenbasis als Voraussetzung zur möglichen Reduktion der Umweltauswirkungen verbessern.
6. Die Chance eines ökologischen Wandels mit Hilfe von Umweltmanagementsystemen
Der Aufbau und die Implementierung eines Umweltmanagementsystems macht eine Reorganisation des unternehmerischen Denkens und Handelns unumgänglich, da diefreiwilligeVerpflichtung zur Selbstkontrolle und Verbesserung nunmehr ein Agieren und nicht mehr nur Reagieren bedingt. Insofern bringt dies in den meisten Unternehmen auch Orga-
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nisationsreformen mit sich, die "leistungsfähige Teamstrukturen, Verstärkung des Schnittstellen-Managements, professionelle Anwendung von Informationsnetzwerken, Reintegration der unternehmensinternen Funktionen und Bereiche..." hervorbringen. Daß dies überaus positiv von Unternehmen bewertet wird, die bereits ein Umweltmanagementsystem eingeführt haben, zeigt die Untersuchung des Bayrischen Staatsministeriums fiir Landesentwicklung und Umweltfragen? Hiernach sehen die Unternehmen in der Einfuhrung eines Umweltmanagementsystems im Sinne der EG-Verordnung 1836/93 neben Image- und Informationsgewinn vor allem folgenden Nutzen: • Aufdecken von Einsparpotentialen; • erhöhte Rechtssicherheit; • verbesserte Organisation; • höherer Stellenwert des Umweltschutzes vor allem bei der Geschäftsleitung; • Sensibilisierung der Mitarbeiter; • Informationsgewinn auch für andere Untemehmensbereiche wie Controlling, Kostenrechnung etc.; • Mitarbeitermotivation; • Identifizierung von Schwachstellen. Die große Chance, die in der Einfuhrung von Umweltmanagementsystemen für die Unternehmen liegt, ist die Möglichkeit, zunehmend staatliche Fremdkontrolle durch unternehmerische Selbstkontrolle zu substituieren. Damit werden nicht nur in Eigenregie Defizite des Gesetzesvollzugs geschlossen und mehr Rechtssicherheit erreicht, 7
Das EG-Öko-Audit in der Praxis, München, 1995, zitiert in: Birke, Martin, Michael Schwarz: Umweltschutz im deutschen Betriebsalltag. Eine Bestandsaufnahme in mikropolitischer Perspektive, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Β 7/96 (9. Februar 1996),S. 29,Fußnote 13
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sondern auch ein Prozeß des Organisationslernens, "die die Substanz einer ökologischen Reorganisation bilden können", in Gang gesetzt."
8
Biike, Martin, Michael Schwarz: Umweltschutz im deutschen Betriebsalltag. Eine Bestandsaufnahme in mikropolitischer Perspektive, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Β 7/96 (9. Februar 1996), S. 29
Frank Sprenger und Thomas Maier
Die Einfuhrung von Umweltmanagementsystemen als Prozeß der Unternehmensberatung
"Es gibtfür jedes Unternehmen nur eine gute Strategie, und das ist die, die auf der eigenen Kultur, der eigenen Vergangenheit und Identität basiert. Dessen muß man sich bewußt sein bei der Suche nach Lösungen, die mit einem System kompatibel sind. (...) man kann nicht einfach sein eigenes System mitbringen und es den Mitarbeitern überstülpen. Jede neue Richtung muß von den Mitarbeitern selbst gefunden und erarbeitet werden. " Daniel Goeudevert
1. Umweltmanagement und Unternehmensberatung Was Umweltbelastung und gesetzliche Vorgaben über Jahrzehnte hinweg nicht geschafft haben, macht die "Öko-Audit"-Verordnung der Europäischen Gemeinschaft (EMAS) aus dem Jahr 1993 möglich: das einst als schöngeistiges Hobby einiger Ökounternehmer belächelte Umweltmanagement erhält den Stellenwert eines ernstzunehmenden Wettbewerbsfaktors. Über den in EMAS integrierten Marketinganreiz wurde eine breite Diskussion über umweltorientiertes Management bei Unternehmen, Wissenschaft und Öffentlichkeit ausgelöst. Der eingebaute Dominoeflfekt - teilnehmende Unternehmen müssen auch ihre Vertragspartner zu umweltorientiertem Handeln bewegen - und die Selbstverpflichtung
Die Einführung von Umweltmanagementsystemen.
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zu einer kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes führten zu einer Intitialzündung für das Umweltmanagement. Trotz teilweise berechtigter Skepsis sehen sich viele Unternehmen bereits heute aus Wettbewerbsgründen gezwungen, am EG-Öko-Audit teilzunehmen. Nicht selten nur mangelhaft auf die möglichen Umsetzungsprobleme vorbereitet und mit dem Druck der Geschäftsführung im Nacken, den "Stempel" mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen, werden Projekte begonnen, die viele Betriebe hinsichtlich ihrer zeitlichen undfinanziellenKapazitäten überfordern. Im Sog dieser erst mit EMAS deutlich gestiegenen Nachfrage hat sich eine heterogene Landschaft verschiedenartiger Unternehmensberater mit unterschiedlichsten Beratungsansätzen entwickelt. Neben den traditionell vertretenen Ingenieurgesellschaften, deren Ursprünge im wesentlichen in technischen Fragestellungen des Umweltschutzes liegen, sehen u.a. auch Einzelberater, Qualitätsmanagementberater und klassische Organisationsberater ihre Chancen in dem entstehenden Markt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Produkten der Unternehmensberatung befindet sich die Umweltmanagementberatung in einer noch sehr frühen Phase ihres Lebenszyklusses. Dies bringt für beteiligte Berater deutliche Chancen mit sich, Methoden und Standards zu beeinflussen. Andererseits birgt dieses frühe Entwicklungsstadium erhebliche methodische und finanzielle Risiken. Mehr noch als in der klassischen Beratung ist jedes Projekt, das einen deutlichen Kundennutzen nach sich ziehen soll, mit einem relativ hohen Entwicklungsaufwand seitens des Beraters verbunden. Nur langsam etablieren sich Qualitätsstandards, und das Angebot an Beratungsleistungen übertrifft die Nachfrage deutlich. Der resultierende Preisdruck und der Bedarf an Entwicklungsarbeit, die der Mandant nicht
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bereit zu zahlen ist, fuhren bei hohem Qualitätsanspruch zu einer relativ langen Phase der Investition in den sich entwickelnden Markt. Der folgende Beitrag soll darlegen, welche Rahmenbedingungen bei der Einführung von Umweltmanagementsystemen in Unternehmen von Bedeutung sein können. Zusätzlich werden einige mögliche Beratungsansätze skizziert.
2. Rahmenbedingungen der betrieblichen Umweltberatung Basis für die erfolgreiche Einführung eines Umweltmanagements ist eine sorgfaltige Analyse der für das Unternehmen geltenden Rahmenbedingungen in Bezug auf den Umweltschutz. Hierzu zählen im wesentlichen die Motivation zur Einführung, das existierende Managementsystem des Unternehmens, die Qualität des gelebten Umweltschutzes sowie vor allem die im Umweltschutz handelnden Akteure. Die Motivation eines Unternehmens zur Einführung eines Umweltmanagements läßt sich zumeist bereits nach den ersten Gesprächen zwischen Berater und Mandant deutlich erkennen. Über den Zustand des Managementsystems oder des gelebten Umweltschutzes kann über grundsätzliche Einschätzungen hinaus nur eine umfassende Bestandsaufnahme (Umweltprüfung) sicher Auskunft verschaffen. Der zentrale Faktor, die im Umweltschutz tätigen Akteure (s. Teil: ΙΠ. Akteure in diesem Band) werden im Rahmen einer klassischen Umweltprüfung nicht selten vernachlässigt. An dieser Stelle "menschelt" es den zumeist technisch geprägten Beratern zu sehr, womit die Chance auf einen dauerhaften Verbesserungsprozeß im betrieblichen Umweltschutz vertan wird.
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2.1 Motivation Aus Überzeugung umweltorientierte Unternehmen, für die umweltorientiertes Handeln eine Selbstverständlichkeit ist, sind bisher eine seltene Ausnahme und als Zielgruppe für Unternehmensberater kaum relevant. Zum einen ist ihr potentielles Marktvolumen zu gering, andererseits haben es diese Unternehmen teilweise durch den enormen Einsatz einiger Protagonisten im Umweltmanagement bereits viel weiter gebracht als die meisten Berater. Diese Vorzeigeunternehmen können in der Praxis auch nur sehr beschränkt als Vorbild dienen, da die ihnen gegebenen Rahmenbedingungen nicht ohne weiteres multiplizierbar sind. Die Motivation zur Einrichtung eines Umweltmanagements ist häufig an anderer Stelle zu suchen. Weitaus höher ist die Anzahl deijenigen Unternehmen, die sich aus dem Umweltschutz einen Wettbewerbsvorteil versprechen. In vielen dieser Unternehmen gestaltet sich die Umsetzung deutlich schwieriger, da sie darauf angewiesen sind, ihre Umweltschutzmaßnahmen in einem engen wirtschaftlichen Rahmen zu halten. Folglich besteht die Zielsetzung in diesen Unternehmen nicht selten darin, die zur Nutzung des Wettbewerbsvorteils notwendige Teilnahmeerklärung zu möglichst geringen Kosten und unter möglichst geringen Veränderungen der Unternehmenskultur zur erhalten. Ein nicht zu unterschätzender Anteil der Unternehmen verspürt weder eine Eigenmotivation noch einen Marktdruck zur Einführung eines Umweltmanagements. Diese Unternehmen können fast nur über das Aufzeigen der mit der Nichteinhaltung des Umweltrechts verbundenen Risiken zu einem Umweltmanagement bewegt werden. Hindernis ist dabei häufig ein sehr geringes Bewußtsein für diese Risiken. Nicht selten führt erst eine umfassende Umweltprüfung, die die Diskrepanzen zwischen umweltrechtlichen Anforderungen und der
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betrieblichen Praxis aufdeckt sowie mögliche Konsequenzen darstellt, zu einem Umdenken. Die unmittelbarsten und umfassendsten Anforderungen ergeben sich für das Umweltmanagement dabei aus dem Umweltverwaltungsrecht. Diese eindeutigen Anforderungen stellen ein Umweltmanagement auf eine wesentlich breitere Anforderungsbasis als beispielsweise ein Qualitätsmanagement. Weit weniger konkret sind die Anforderungen, die sich aus der Organisationsverantwortung des Unternehmens ergeben. Hier gilt eine grundsätzliche Organisationsfreiheit, die nur selten eingeschränkt wird, z.B. durch die Pflicht zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten fur Abfall. Der überwiegende Teil (ca. 70%) der Anforderungen der EMAS an ein Unternehmen stammt konkret aus dem Umweltrecht - gilt also schon immer. Weitere 20% der Anforderungen lassen sich aus der Organisationsverantwortung eines jeden Unternehmens ableiten. Diese besteht darin, die Unternehmensorganisation derart zu gestalten, daß das Unternehmen allen Anforderungen gerecht wird. Diese Verantwortung besteht praktisch vor allem in der Verpflichtung, Aufgaben wirksam zu delegieren, d.h. die Mitarbeiter sorgfältig auszuwählen, anzuweisen und zu kontrollieren. Diese Anforderungen deckt ein funktionierendes Umweltmanagement zuverlässig ab. Mit dem EG-Öko-Audit, das zu einer freiwilligen Teilnahme u.a. durch das Versprechen von Marktvorteilen lockt, ist eine Ausweitung der Anforderungen an das Umweltmanagement hin zu einem Umweltmanagementsystem verbunden. Lediglich diese restlichen ca. 10% an Anforderungen könnte man als reine Kür bezeichnen, die nur notwendig sind, wenn man den EG-Stempel' führen möchte. Das heißt, wenn das Umweltmanagement funktioniert, also vor allem den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird, dann ist die Teilnahme am EG-Öko-Audit für ein Unternehmen mit keinem großen Aufwand
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verbunden. Funktioniert das Umweltmanagement dagegen nur unzureichend, ist das £G-Öko-Audit lediglich der Anlaß, nicht aber die eigentliche Ursache für den erforderlichen Aufwand. Abbildung 1: Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem
Ein zuverlässiger Indikator für die Motivation zur Teilnahme an EMAS ist die Stellung des betreffenden Unternehmens im Markt. Tendenziell unterliegen Betriebe mit direktem Endverbraucherkontakt einem stärkeren Druck als solche, die lediglich industrielle Kunden beliefern. Sobald in einer Branche allerdings mehrere Großunternehmen am Öko-Audit teilnehmen, wird die Teilnahme auch für Zulieferer praktisch zur Pflicht. Eine derartige Entwicklung zeichnet sich in der Automobilindustrie bereits ab. 2.2 Managementsystem In seinem Managementsystem setzt ein Unternehmen seine eigenen Ziele und die gestellten Anforderungen im Unternehmen um. Dabei
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werden Ziele mehr oder weniger klar formuliert, die Anforderungen mehr oder weniger intensiv ermittelt. Aus dieser Betrachtung ergeben sich Aufgaben, die auf Stellen verteilt werden (Aufbauorganisation) und deren Abläufe festgelegt werden (Ablauforganisation). Die Zielerreichung wird kontrolliert, bei Nichterreichung werden die Ziele geändert oder Änderungen im System eingeleitet. Das Gesamtsystem läßt sich grob vereinfachend wie folgt darstellen: Abbildung 2: Managementsysteme im Unternehmen
Im übergreifenden Managementsystem drücken sich die Ziele, die Kultur und auch der Führungsstil eines Unternehmens aus. Untergeordnet sind einzelne Teilmanagementsysteme. Diese sind am stärksten ausgeprägt, wo die Erreichung der Ziele unmittelbar den Interessen der Entscheider dient: Produktion, Einkauf, Vertrieb. Umweltschutz wird - wie Arbeitssicherheit und Qualitätssicherung - von vielen Unternehmen zunächst als restriktiv, den eigentlichen Unterneh-
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menszielen entgegenwirkend empfunden. Deshalb bleibt die Zielformulierung für diese Teilsysteme nicht selten in einem halbherzigen Einhalten der nötigsten Anforderungen unter minimalem Aufwand' stecken. Dementsprechend sind diese Teilsysteme unter Umständen schwächer ausgeprägt. Eine detaillierte Kenntnis des Managementsystems und der Unternehmenskultur sind unverzichtbare Voraussetzungen für die Einfuhrung eines lebensfähigen Umweltmanagements. Das Umweltmanagement hat nur dann Überlebenschancen, wenn es möglichst paßgenau in das Managementsystem des Unternehmens eingefügt wurde und nicht einen inselhaften Fremdkörper darstellt. 2.3 Gelebtes Umweltmanagement Eine zentrale Zielsetzung des Umweltmanagements ist es, die Risiken, die sich aus dem betrieblichen Umweltschutz ergeben, wirtschaftlich vertretbar und sicher zu begrenzen und die sich ergebenden Chancen möglichst zu nutzen. Umweltmanagement ist vor allem aufgrund der rechtlichen Anforderungen keine Erfindung von EMAS, sondern existiert in Ansätzen in vielen Unternehmen bereits seit langem. Schließlich sieht sich jedes Unternehmen umweltrelevanten Anforderungen gegenüber und setzt diese (wie auch immer) in seine Organisation um. Bereits vor der Teilnahme an EMAS werden unter Umständen sehr präzise rechtliche Anforderungen an den betrieblichen Umweltschutz gestellt, die unbedingt berücksichtigt werden müssen (z.B.: Aufbauorganisation: Geschäftsführungsbefugter, Betriebsbeauftragte, Koordinierungsgremium etc.; Umweltauswirkungen: Abfallbilanz, Gefahrstoffkataster, Emissionserklärung etc.; Ablauforganisation: Wartung der Störfallanlagen).
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Das heißt: Jedes Unternehmen betreibt Umweltmanagement, jedes Unternehmen verfugt zumindest über Ansätze eines Umweltmanagementsystems. Die Berücksichtigung der bereits vorhandenen Bestandteile eines Umweltmanagementsystems ist ein entscheidender Faktor fur den Erfolg der Einfuhrung. Werden bereits bestehende Bestandteile ignoriert, so sträuben sich die zuständigen Mitarbeiter verständlicherweise gegen neue Lösungen, und die Umsetzung droht zu scheitern. Je mehr funktionierende Bestandteile eines Umweltmanagementsystems ein Unternehmen also besitzt, desto individueller wird das komplette System aussehen. Lösungen von der Stange sind hier fehl am Platz. Für Unternehmen, die über bestehende und funktionierende Managementsysteme (vor allem Qualitätsmanagement, Arbeitssicherheit) verfugen, stellt die Einfuhrung eines Umweltmanagementsystems ein geringes Problem dar. Unternehmen hingegen, deren übergeordnetes Managementsystem schwach ausgebildet ist, sind leicht überfordert. Für kleine Unternehmen kann schon eine klare Verteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten eine Revolution sein. Standardlösungen fur Umweltmanagementsysteme werden der Vielfalt an unterschiedlichen Voraussetzungen und Anforderungen nicht gerecht. Nur individuelle Lösungen, bei denen die Zuständigen so intensiv wie möglich einbezogen werden, sind erfolgversprechend. Folglich ist das Umweltmanagementsystem der EMAS im Interesse des Kunden nicht wortwörtlich umzusetzen. Vielmehr muß es als sinnvoller Vorschlag betrachtet werden und dann genau auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten werden. Hierin liegt die eigentliche Leistung eines externen Beraters.
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3. Ansätze der Umweltberatung Die in der Umweltunternehmensberatung verfolgten Ansätze sind ebenso vielfaltig wie heterogen. Sie reichen vom Verkauf einer vorgefertigten Dokumentation in Form eines Handbuchs bis hin zu intelligenten, leicht zu pflegenden EDV-gestützten Systemen. Differenzierungsmöglichkeiten ergeben sich beispielsweise bei der Intensität der Beratung und damit der Einbindung der betroffenen Mitarbeiter. Auch die inhaltliche Orientierung an abstrakten Elementen oder den Geschäftsprozessen läßt sich unterscheiden. Erhebliche Synergiepotentiale können sich auch durch die Integration mehrerer Managementsysteme ergeben. 3.1 Beratungsintensität Je nach Bedarf und Anspruch des Unternehmens ergeben sich zahlreiche Varianten der Intensität der Einbindung des Beraters, die im folgenden anhand dreier Idealtypen dargestellt werden. Diese reichen von einem begleitenden, moderierenden Ansatz bis zur Vollbetreuung inklusive Schreibarbeiten. In Zeiten von "Reengineering" und "Lean Management" wird nicht selten eine derartige Komplettlösung von Beratern verlangt. Methodisch hat sich der moderative Ansatz gut bewährt, wenn tatsächliche Veränderungsprozesse eingeleitet werden sollen. Bei diesem Ansatz, der vom Berater vor allem kommunikative Kompetenz verlangt, wird der Fortschritt des vom Unternehmen gesteuerten und durchgeführten Projektes in regelmäßigen Abständen von einem externen Dritten begutachtet und gegebenenfalls korrigierend eingegriffen. Dieser Ansatz verursacht die geringsten Beraterkosten, birgt aber die Gefahr der Desorientierung auf sehen des Projektteams.
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Existiert ein ausreichend motiviertes und qualifiziertes internes Projektteam, fuhrt dieser Ansatz regelmäßig zu den überlebensfähigsten und eigenwilligsten Lösungen. Schwierigkeiten können sich hier bei der Validierung der Umwelterklärung ergeben, wenn ein sehr stark auf die äußere Form bedachter Umweltgutachter gewählt wurde. Als kritisch erweist sich bei diesem Ansatz zudem ein straffes Projekttiming. Eine intensivere Form der Zusammenarbeit ist das "Coaching", bei dem der Berater stärkeren Einfluß auf konkrete Ausprägungen des Managementsystems nimmt. In der Regel strukturiert der Berater das Projekt auf der Grundlage seiner Erfahrungen mit dem Projektteam vor und vereinbart zu erreichende Ziele. Bei der Formulierung einer Umweltpolitik könnte das beispielsweise heißen, daß der Berater bei der Zusammensetzung eines geeigneten Projektteams behilflich ist, einen Workshop moderiert, in dem die Anforderungen an eine Umweltpolitik erarbeitet werden und eine erste Ausformulierung geschieht. Vor der endgültigen Verabschiedung der Politik kann der Berater hier im Sinne einer externen Qualitätskontrolle einen Abgleich mit den gegebenen Anforderungen (z.B. EMAS, ISO 14000) durchführen. Dieser Ansatz zeichnet sich durch eine hohe Kosten- und Zeiteffizienz aus, bündelt jedoch noch immer große unternehmensinterne Kapazitäten Er hat sich bei Projekten bewährt, bei denen ein unerfahrenes, aber motiviertes Projektteam mit der Einfuhrung des Systems betraut war. Nicht selten wird aufgrund von Personal- und fachlichen Engpässen eine weitgehend fertige Lösung vom externen Berater verlangt. Dies gilt zunehmend auch für Unternehmen der Großindustrie. Riskant bei diesem Ansatz ist die möglicherweise mangelnde Identifikation der Mitarbeiter aufgrund fehlender Praxisrelevanz der vom Berater getroffenen Regelungen. In der Regel sind diese Lösungen derzeit noch
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gutachterkonform, haben aber häufig nur einen geringen darüberhinausgehenden Nutzen. 3.2 Prozess- versus Elementorientierung Eine weitere Differenzierungsmöglichkeit ergibt sich über den strukturellen Ansatz der Beratung. Klassischerweise werden nicht Managementsysteme eingeführt, sondern elementorientierte Handbücher verfaßt. Diese bilden die Elemente des Umweltmanagements unreflektiert auf einer abstrakten Ebene analog den Elementen des Qualitätsmanagements ab. Eine klassische Gliederung orientiert sich beispielsweise an den Umweltmedien, den geltenden rechtlichen Vorschriften oder den Elementen der EMAS. Derartige "Managementsysteme" fuhren in der Praxis zu erheblichen Akzeptanzschwierigkeiten, da sie nicht an den Denkstrukturen des für die Umsetzung zuständigen Mitarbeiters ausgerichtet sind. Ein Mitarbeiter, der einen Ölwechsel durchzuführen hat, möchte nicht im Umweltmanagementhandbuch die Grundsätze des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und im Arbeitssicherheitshandbuch übergreifende Regelungen zum Umgang mit Gefahrstoffen nachschlagen. Derartige Informationen sind auf der operativen Ebene von keinem Nutzen. Vielmehr erwartet ein Mitarbeiter, daß die Managementsysteme sich nach den von ihm durchgeführten Handlungen, also nach den Geschäftsprozessen des Unternehmens richten. Diese intuitiv einleuchtende Vorgehensweise wird oft unter Hinweis auf eventuelle Schwierigkeiten mit dem Umweltgutachter abgelehnt. An dieser Stelle bleibt zu fragen, ob sich ein Umweltmanagementsystem an ein Unternehmen und seine Strukturen oder die Bedürfnisse eines externen Gutachters richtet.
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Anstelle einer Elementorientierung bietet es sich folglich an, zunächst die existierenden Geschäftsprozesse zu erfassen, sie abzubilden und sie mit den Anforderungen zu verknüpfen, die sich aus den einzelnen Subsystemen ergeben. Das heißt, die Grundstruktur des Managementsystems bildet die Abläufe des Kerngeschäfts des Unternehmens ab und spricht somit eine fur den Mitarbeiter verständliche Sprache. Folglich wird nicht das Element "Abfall" in einem Handbuch abgebildet, sondern der Prozeß "Ölwechsel" mit seinem sich beispielsweise aus dem Abfallrecht ergebenden Anforderungen. Diese Vorgehensweise triftt in der Beratungspraxis auf eine erfreulich hohe Akzeptanz und motiviert die Mitarbeiter dazu, sich intensiv am Aufbau und der Pflege des Systems zu beteiligen, da sie hier erstmals spüren, daß ein Managementsystem zu ihrer Unterstützung und nicht für einen externen Gutachter eingerichtet wird. Vielfach müssen allerdings erst Widerstände und Ressentiments abgebaut werden, die häufig aus einem mühsamen und wenig nutzbringenden Qualitätsmanagementprojekt resultieren. Andererseits ist ein lebendes Qualitätsmanagement ein äußerst fruchtbarer Boden für ein Umweltmanagementsystem. Dies gilt umso mehr, wenn bereits das QM prozeßorientiert aufgebaut wurde. 3.3 Art der Dokumentation Zu einem funktionierenden Managementsystem gehört auch dessen Dokumentation, die die tägliche Arbeit erleichtern, bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter hilfreich sein kann und zuletzt dem Nachweis der Funktionsfähigkeit gegenüber Dritten dient. Beratungsansätze können anhand der Art der eingeführten Dokumentation unterschieden werden.
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Die klassische Art der Dokumentation ist ein einziges Handbuch, das zum Teil in sehr umfangreicher Form alle umweltrelevanten Vorgänge regeln soll. Problematisch hierbei ist, daß ein derartiges Handbuch, will es präzise regeln, häufig zu einem "Schrankbuch" verkommt, dessen Inhalte der einzelne Nutzer nur zu geringen Bruchteilen benötigt. Andererseits ist ein derartiges Mono-Handbuch selten so detailliert, daß es eine tatsächliche Arbeitshilfe fur den täglichen Bedarf darstellt. Häufig bleiben Handbücher allerdings auch auf einer abstrakten, elementorientierten Stufe, die allenfalls den Gutachter zuiriedenstellt. Zusätzlich fuhrt eine extrem aufwendige Aktualisierung der zum Teil breit gestreuten Handbücher zu einem erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand ("Loseblattwerk-Syndrom"). Insofern ist die Reaktion vieler Mitarbeiter auf das Anliegen, ein weiteres Managementsystem einrichten zu wollen, verständlich: "Oh nein, nicht schon wieder ein neues Handbuch!" Eine fortgeschrittene Form der Dokumentation ist eine differenzierte, modulare Ausprägung unterschiedlicher Handbücher, die jeweils ihrem Nutzer angepaßt werden. Vom Grundgedanken her verlockend, da der Nutzer nur die Teile einer Dokumenation erhält, die er tatsächlich benötigt, scheitert diese Variante an der Komplexität des Pflegeaufwandes. Um diesen Pflegeaufwand auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und gleichzeitig die Filterfunktion einer modularen Dokumentation zu nutzen, bietet sich der Einsatz EDV-gestützter Lösungen an. Als optimal hat sich in diesem Zusammenhang der Einsatz eines "CaseTools" herausgestellt, das auf der Basis dargestellter Geschäftsprozesse eine Verknüpfung inhaltlicher Anforderungen gewährleistet. Ist das Tool flexibel genug, bietet es Funktionalitäten wie den Ausdruck unterschiedlichster Handbücher (prozeß- oder elementbezogen, pro Abteilung oder Betrieb), eine zentrale Pflege mehrfach verwen-
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deter Dokumente (Sicherheitsdatenblätter) sowie eine automatische Erinnerungsfunktion bei Änderungen in den Prozeßabläufen. 3.4 Integration der Managementsysteme Beratungsansätze lassen sich zusätzlich durch die angesprochenen Managementsysteme unterscheiden. Im klassischen Beratungsansatz werden monolithische Umweltmanagementsysteme eingeführt, die fur sich valide sind, nicht selten allerdings die nötige Haftung zum übergreifenden Managementsystem und anderen Systemen vermissen lassen. Dies gilt vor allem für ein in vielen Fällen bereits etabliertes Qualitätsmanagement, aber auch für weitere Systeme, die langsam auf die Unternehmen zukommen, wie Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, "Good Manufacturing Practice" (GMP) oder Notfallmanagement. Diese Systeme eint, daß sie alle Nebenbedingungen des eigentlichen Kernprozesses darstellen und nach den gleichen, universalen Managementprinzipien funktionieren. Folglich bietet erst eine Orientierung an diesen Kernprozessen des Unternehmens eine wirksame verbindende Klammer. Sind die Prozesse erfaßt und abgebildet sowie übergeordnete Managementstrukturen erfaßt, ist es im Prinzip unerheblich, wieviele Submanagementsysteme das Gesamtsystem erfaßt. Mit der Orientierung an den Prozessen wird zugleich die Basis für ein effizientes und wettbewerbswirksames Reengineering des Unternehmens geschaffen. Problematisch bei der Integration mehrerer Managementsysteme ist die Gefahr einer zeitlichen und finanziellen Überforderung des Unternehmens. Als Lösung bietet sich hier ein modulares Vorgehen an, das zunächst die Prozesse als Fundament aufnimmt und das drängendste Managementsystem in den Mittelpunkt stellt. In der Folge
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werden dann in willkürlicher Reihenfolge und angepaßt an das Tempo des Mandanten weitere Systeme auf dieses Fundament aufgesetzt. Die Integration mehrerer Managementsysteme ist ein auch in der Praxis erfolgversprechender Weg, setzt allerdings eine längerfristige Perspektive und eine intensive Mitarbeit der Beteiligten voraus.
4. Perspektiven Die Umweltmanagementberatung befindet sich erst am Anfang einer Entwicklung zu einem durchweg professionellen Beratungsmarkt. Eine Verstärkung der Kompetenz der Berater einerseits und eine wachsende Nachfrage nach hochqualitativen Beratungsleistungen andererseits wird diese Entwicklung beschleunigen. Die unternehmerischen Rahmenbedingungen verschieben sich zugunsten derartiger Nachfrage durch eine zunehmende Sensibilisierung fur das Muß-Thema Umweltschutz. Hindernd wirkt der steigende Wettbewerb, der die Berater dazu zwingt, einen tatsächlichen Nutzen der einzuführenden Systeme glaubhaft zu kommunizieren und wirksam in die Praxis umzusetzen. Neben klassischen Beratungsansätzen gibt es vielversprechende Entwicklungen hin zu prozeßorientierten, EDV-gestützen Systemen, die mehrere Managementsysteme integrieren. Hierdurch kann eine erhöhte Transparenz, eine verbesserte Rechtssicherheit und eine Konzentration auf das eigentliche Kerngeschäft ermöglicht werden. Als zentrale Erfolgsfaktoren fur die Einfuhrung von Umweltmanagementsystemen haben sich erwiesen: 1. Durchführung einer umfassenden Umweltprüfung, 2. Intensive Einbindung der Mitarbeiter, 3. Anpassung an die Unternehmensbedürfnisse,
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4. Angemessene Umsetzungsgeschwindigkeit und 5. die Schaffung eines konkreten Nutzens für die Anwender. Zentrale Forschungsschwerpunkte sollten zukünftig einerseits in der Verbesserung der Einbeziehung und Motivation der Mitarbeiter hin zu einem sich selbstverstärkenden kontinuierlichen Verbesserungsprozeß und andererseits in der verursachungsgerechten Abbildung umweltbezogener Kosten liegen. Durch die Kombination beider Ansätze wird eine Akzeptanz des Umweltmanagements auf Seiten der wirtschaftlich Verantwortlichen wie auch der betroffenen Mitarbeiter erreichbar sein. Jenseits aller ausgefeilten Methodik und fachlicher sowie kommunikativer Kompetenz fordert die Umweltunternehmensberatung allerdings vor allem eines: ein großes Maß an Bescheidenheit auf Seiten des Beraters. Schließlich sind die wahren Fachleute stets die Mitarbeiter des beratenen Unternehmens. Bei aller Methodenkompetenz der Berater sind es letztendlich die Mitarbeiter vor Ort, die Umweltschutz praktizieren und somit die Erreichung der Zielsetzungen "Verringerung der Umweltbelastung" und "Erhöhung der Effizienz" bewirken.
Literatur Achatzi, Hans Joachim, Ralph Elfgen, 199S: Umweltmanagement-Beratung, in: Gerd Walger, (Hrsg): Formen der Untemehmensberatung, Köln, S. 121-138 Adams, Heinz W., 199S: Integriertes Managementsystem für Sicherheit und Umweltschutz, München Chrobok, Reiner, Emst Tiemeyer, 1996: Geschäftsprozeßorganisation - Vorgehensweise und unterstützende Tools, in: Zeitschrift Führung + Organisation (1996), 65 -172
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Dyllick, Thomas, 199S: Die EU-Verordnung zum Umweltmanagement und zur Umweltbetriebsprüfung (EMAS-Verordnung) im Vergleich mit der geplanten ISO-Norm 14001, in: Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht 18 (1995), 299-339 Freimann, Jürgen, Eckart Hildebrandt (Hrsg.), 1995: Praxis der betrieblichen Umweltpolitik. Forschungsergebnisse und Perspektiven, Wiesbaden Hofinann-Kamensky, Matthias, 1994: Aufbau, Organisation und Dokumentation von Umweltmanagementsystemen, Fachbeitrag zum Kurs Umwelt-Auditor des Umweltinstituts Offenbach, November 1994, Offenbach Hubo1, Heinrich, 1995: Geschäftsprozeß-Managem
Joachim Ganse
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich Die Vorbereitung eines Dienstleisters auf die Zertifizierung nach ISO 14001 und EMAS VO
Einführung Seit April 1995 ist die "Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement
und
die Umwelt-
betriebsprüfung", kurz EG-Öko-Audit-Verordnung, europaweit in Kraft. Sie gilt als ein neu konzipiertes umweltpolitisches Instrument, das den betrieblichen Umweltschutz durch eine Stärkung der Eigeninitiative der Unternehmen vorantreiben soll. Eine Bestandsaufnahme zeigt, daß bisher 500 Standorte in Deutschland nach den Vorgaben der EG-Öko-Audit-Verordnung validiert worden sind (Stand Dezember 1996). Bis jetzt gilt die EG-Öko-Audit-Verordnung allerdings nur für gewerbliche Unternehmen, wobei unter "gewerblich" im wesentlichen produzierend zu verstehen ist. Artikel 14 der Verordnung sieht jedoch ausdrücklich vor, daß die EU-Mitgliedstaaten für nicht gewerbliche Sektoren, beispielsweise für den Handel und den öffentlichen Dienstleistungsbereich, Bestimmungen analog zu dem Umweltmanagementund -betriebsprüfiingssystem erlassen können. Eine solche Ausdehnung der EG-Öko-Audit-Verordnung auf den Dienstleistungsbereich wird derzeit intensiv diskutiert. Einzelne Länder wie z.B. Österreich haben dies schon in ersten Entwürfen bzw. Rechtsverordnungen vorgesehen.
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich
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Daneben besteht aber derzeit schon die Möglichkeit, sich als Dienstleister nach ISO 14001 zertifizieren zu lassen.
Wozu Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich? Beim Stichwort "Umweltmanagement" wurden in der Vergangenheit zumeist die Umweltbelastungen durch "Industriebetriebe" betrachtet, doch auch die Umweltrelevanz des Dienstleistungsbereiches ist nicht zu vernachlässigen. Zum einen wird in Deutschland fast 2/3 der Wirtschaftsleistung vom dienstleistenden Sektor erbracht (inklusive Handel, Verkehr, öffentliche Hand), zum anderen belegen Erfahrungen aus dem Verwaltungsbereich (Banken, Versicherungen) und dem Handel, daß Dienstleistungsunternehmen durch ihre reinen Geschäftstätigkeiten Umweltbelastungen verursachen, die mit denen von vielen gewerblichen Unternehmen vergleichbar sind (direkte Umweltwirkungen). Auch die Dienstleistung selbst, das eigentliches Produkt und damit das Kerngeschäft des Dienstleisters, übt über den Kunden und den Markt eine indirekte Umweltwirkung aus, die noch erheblich umfassender sein kann (Anlagepolitik der Banken, Gestaltung von Versicherungspolicen, Vertriebssortiment des Handels, Gestaltung von Reiseangeboten). Die Liste deijenigen Dienstleistungsunternehmen, die die Bedeutung eines langfristigen strategischen Umweltmanagements erkannt und inzwischen entsprechende Maßnahmen umgesetzt haben, ist lang. Diese Unternehmen haben zum Teil umfangreiche Umweltberichte oder auch betriebliche Ökobilanzen erstellt, um ihr Umweltengagement auch nach außen hin zu kommunizieren. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, seien an dieser Stelle genannt:
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Banken und Versicherungen: Bayerische Landesbank, Landesgirokasse Stuttgart, Landesbank Berlin, Stadtsparkasse München, Schweizerischer Bankverein, Schweizerische Kreditanstalt, AllianzVersicherung Handel·. Neckermann Versand, Otto Versand, Tengelmann, Hertie Reiseveranstalter: Deutsches Reisebüro (DER), Ameropa, NUR Touristik, TUI Touristik Union International
Umweltmanagement von Banken und Versicherungen Im Rahmen dieses Beitrages soll der Bereich der Banken und Versicherungen, also reine Verwaltungsunternehmen, herausgegriffen werden. Dieser Bereich ist besonders interessant, da es sich dabei um Unternehmen der "weißen Branche" handelt, von deren Geschäftsaktivitäten nur auf den ersten Blick keine Umweltrelevanz ausgeht. Ausfuhrliche Informationen über die Stoff- und Energieströme solcher Unternehmen liegen vor: alle oben genannten Banken und Versicherungen haben Ökoberichte oder Ökobilanzen veröffentlicht. Zur systematischen Analyse der Stoff- und Energieflüsse hat sich in der Praxis eine betriebliche Ökobilanz bewährt. Eine solche betriebliche Ökobilanz in der Form einer Input-/Outputanalyse stellt ein Erfassungsraster für die Umwelteinwirkungen, die von dem Unternehmen ausgehen, dar. Es werden möglichst alle Stoff- und Energiemengen, die im Verlauf eines Jahres in das Unternehmen eingehen (Input) oder es verlassen (Output), erfaßt. Dazu kommen die Bestände, die sich zu einem festgelegten Stichtag im Unternehmen befinden.
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich
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Die Gliederung innerhalb des Kontenrahmens der Input-/OutputAnalyse wird in der Regel nach der Verweildauer der Güter im Unternehmen vorgenommen. So verbleiben die meist zuerst aufgeführten Liegenschaften und Anlagen längerfristig im Unternehmen (Bestandskonten), während Umlaufgüter bis hin zu Energie, Wasser und Luft reine Durchflußkonten darstellen. Den Input-Konten werden soweit wie möglich die Output-Konten direkt zugeordnet. In einem solchen Kontenrahmen sind im allgemeinen die Bereiche Liegenschaften, Anlagegüter, Umlaufgüter, Wasser, Energie, Luft, Postausgang, Abfälle und Dienstreisen ausgewiesen. Der vom Gerling-Konzern verwendete Kontenrahmen orientiert sich an den vorliegenden Ökobilanzen deutscher Dienstleistungsunternehmen und einem branchenweiten Standardisierungsvorschlag1 und wird von Fall zu Fall an die spezifischen Anforderungen des Unternehmens angepaßt (Tabelle 1). Zur Verdeutlichung sollen im folgenden die einzelnen Konten näher beschrieben werden: Die Geschoßßächen bezeichnen die beheizten und nicht beheizten Bruttogeschoßflächen. Die versiegelte Fläche versteht sich als Summe der überbauten und der befestigten unbebauten Fläche. Unter die technischen Anlagen fallen Klima- und Kälteanlagen, Aufzüge, Anlagen der Gebäudesicherheit und des Brandschutzes, Dampfkessel, Notstromaggregate, Spülmaschinen (Kantine), Wasseraufbereitungsanlagen zur Enthärtung und Zudosierung von Korrosionsschutzmitteln sowie Entwässerungsanlagen (Abscheider) und zum Teil auch Abwasserbehandlungsanlagen (Emulsionsspaltanlage, Neutralisationsanlage). Die EDV-Anlagen umfassen Großrechner, Personalcomputer und Laptops,
1
S. Vorschlag zur Standardisierung von ökobilanzen für Dienstleister vom Verein für Umweltmanagement in Banken, Sparkassen und Versicheningen ( VfU).
Joachim Ganse
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Tabelle 1:
Kontenrahmen für die Ökobilanz eines Dienstleistungsunternehmen
Output
Input Input 1996
Output 1996
Bestand pr 31.12.96
II.
Liegenschaften (m2)
Ol.
Liegenschaften (m2)
I 1 I I
Geschoßflächen überbaute Flächen versiegelte Flächen Grünflächen
O O O O
Geschoßflächen überbaute Flächen versiegelte Flächen Grünflächen
12.
Anlagegüter (Stck.)
02.
Anlagegüter (Stck.)
12.1. 12.2. 12.3. 12.4. I 2.5. 12.6.
Techn. Anlagen EDV-Anlagen Büro- u. Komm. Masch. Büroausstattung Fuhrpark (Kfz) Küchenanlagen
O O 0 O O O
Techn. Anlagen EDV-Anlagen Büro- u. Komm. Masch. Büroausstattung Fuhrpark (Kfz) Küchenanlagen
13.
Umlaufgiiter
O 3.
Postausgang (kg)
I 3.1.
Bürobedarf
O 4.
Werbematerial (kg)
13.2. 13.3. 13.4. 13.5. 13.6.
Papier (kg) Posteingang (kg) Werbematerial (kg) Betriebsstoffe (kg od. 1) Lebensrnittel (Menues)
OS.
Abfälle (kg)
O O O O
Wertstoffe Papier Restmüll Sonderabfälle
14.
Wasser (m3)
O 6.
Abwasser (m3)
15.
Energie
O 7.
Energie
15.1.
Strom (kWh)
O 7.1. Abwärme (kWh)
15.2.
Heizöl (1)
O 8.
I 5.3.
Gas (m 3 )
O 8.1. Kfz
15.4.
Fernwärme (kWh)
O 8.2. Bahn
15.5
Treibstoffe (1)
O 8.3. Flugzeug
16.
Luft
O 9.
1.1. 1.2. 1.3. 1.4.
1.1. 1.2. 1.3. 1.4.
2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6.
5.1. 5.2. 5.3. 5.4.
Dienstreisen (km)
Abluft (t)
O 9.1. Kohlendioxid O 9.2. Stickoxide O 9.2. Schwefeldioxid
^ ^
GERLING CERT UMWELTGUTACHTER GMBH
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die Büro- und Kommunikationsmaschinen Kopierer, Telefaxgeräte und Drucker. Die Quantifizierung der Büroausstattung (Schreibtische, Schränke, Stühle) und des Bürobedarfes erscheint aus unserer Sicht weniger sinnvoll. Hier sollten qualitative Kriterien wie z.B. Einkaufsrichtlinien als grüne und ggf. schwarze Liste und eine organisatorische Regelung in der Form eines Beschaffungshandbuches greifen. Unter Betriebsstoffen werden im weitesten Sinne Gefahrstoffe nach den Begriffen der Gefahrstoffverordnung (GefStoff) verstanden. Zu nennen sind folgende Abteilungen und Gefahrstoffe: Gebäudeausstattung·. Asbest- und Feinstaub-Mineralfasern,
Gebäudepflege: Inneneinrichtung: Büro: Fahrzeuge: Gärtnerei: Druckerei'. Mikroverfilmung·.
Holzschutzmittel, Korrosionsschutzmittel in Heiz- und Klimaanlagen Reinigungsmittel, Desinfektionsmittel, Algenbekämpfungsmittel Formaldehyd, Lacke, PCB, Weichmacher Toner, Klebstoffe, Lösemittel Mineralöle, Lacke, Rostschutzmittel Pestizide, Altstoffe Druckfarben, Feuchtwasser, Walzen reiniger übliche Laborchemikalien
Als ein besonders ergiebiges Feld im Sinne von Einsparpotentialen insbesondere bei altem Gebäudebestand hat sich der Energieeinsatz zur Heizungs- und Kältebereitstellung herausgestellt. Das für ein effektives Energiemanagement notwendige Systemfließbild mit Verbrauchsangaben der größten Anlagen innerhalb der Haustechnik ist vielfach nicht vorhanden. Gleiches gilt in der Regel für die Wasserversorgung. In beiden Bereichen liegt die Einfuhrung von Kennzahlen (bzw. Wasserverbrauch pro Mitarbeiter [MA] und Jahr [a; m3/MA-a],
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witterungsbereinigter spezifischer Energieverbrauch [kWh/MA-m2]) nahe, diese können als Kontrollgrößen für ein zukünftiges UmweltControlling dienen. So wichtige Bereiche wie Wärmedämmung und Wirkungsgrad der Heizungsanlage lassen sich durch einfache Modelle quantifizieren, in der Praxis reichen oft schon rein qualitative Analysen (Begehung, Interviews) aus, um wesentlichen Handlungsbedarf zu erkennen. In Hinblick auf zukünftige Minderungsziele im Bereich von Emissionen, insbesondere auf Grundlage des C02-Minderungsprogramms der Bundesregierung, sollten die von den Heizungsanlagen und vor allen durch Dienstreisen (KFZ, Bahn und Flugzeug) verursachten Emissionen (CO2, NO„, SOj) abgeschätzt werden. Im Bereich "Verkehr" sind in einigen Unternehmen inzwischen schon einige begrüßenswerte Initiativen ergriffen worden. Diese reichen von speziellen Großkundenabonnements mit dem regionalen Betreiber des öffentlichen Verkehrs (Job-Ticket) zur Reduzierung des täglichen Pendelverkehrs der Mitarbeiter über einen Umstieg von Flugzeug auf die Bahn innerhalb Deutschlands bis zu regelmäßigen Videokonferenzen, um nationale und internationale Standorte miteinander zu verbinden. Die Gegenüberstellung des Energie- und Wasserverbrauchs, sowie des Abfallaufkommens von zwei gewerblichen Unternehmen (Kunert-AG, Ciba Deutschland GmbH) sowie eines Dienstleistungsunternehmens (Schweizerische Kreditanstalt) soll die Größenordnung der direkten Umweltwirkungen verdeutlichen.
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich Tabelle 2:
677
Ausgewählte Kennzahlen des Textilherstellers KunertAG, des Pharmaherstellers Ciba Deutschland GmbH und der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) Kunert-AG
Ciba Deutschland GmbH
Schweizerische Kreditanstalt (SKA)
Mitarbeiter
4.764
1.548
6.800
Energie
119 Mio. kWh
8 Mio. kWh
72 Mio. kWh
Energie AIA pro Jahr
24.979 kWh
5.407 kWh
10.888 kWh
Wasser
429.000 m 3
34.000 m 3
219.000 m 3
Wasser/MA pro Jahr
90 m 3
22 m 3
33 m 3
Abfall
2.3581
424 t
1.871 t
Abfall/MA pro Jahr
495 kg
273 kg
284 kg
Quellen: ökobericht der Kunert-AG 1994/95; ökobilanz 1994 der Ciba Deutschland -Division Pharma; ökobilanz SKA Zürich 1994.
Der direkte Vergleich der angegebenen Daten des Textilherstellers Kunert und des Pharmaherstellers Ciba Deutschland mit einer Bank (Schweizerische Kreditanstalt) kann nicht sofort zu einer Bewertung fuhren. Hinweise auf die Umweltrelevanz der Bank geben die Daten auf Mitarbeiterbasis. Auch wenn diese drei Beispiele willkürlich gewählt wurden, wird deutlich, daß in den Bereichen Energie-, Wasserverbrauch und Abfallaufkommen pro Mitarbeiter und Jahr die Kennziffern dieser drei Unternehmen nicht nur in der gleichen Größenordnung liegen, in einzelnen Bereichen können die Verbrauchszahlen eines Dienstleistungsunternehmen die Verbrauche eines produzierenden Unternehmens sogar übertreffen. Dies ist ein klarer Hinweis darauf, daß es sich sowohl in ökologischer als auch ökonomischer Hinsicht lohnt, auch die Umweltwirkungen eines Dienstleistungsunternehmens unter die Lupe zu nehmen.
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Joachim Ganse
Bei einer genaueren Analyse der Umweltwirkungen einzelner Dienstleistungsunternehmen fallen erhebliche Unterschiede auf, die von Fall zu Fall auf umfangreiche Einsparpotentiale hinweisen. Zur Veranschaulichung sollen wesentliche Daten einzelner Banken gegenüber gestellt werden. Tabelle 3:
Ausgewählte Kennziffern zur Umwelteinwirkung von Dienstleistungsunternehmen (Banken) Bayerische Landes bank
Landesbank Berlin
Landesgirokasse Stuttgart
Schweiz. Bankverein
Schweiz. Kreditanstalt
Mitarbeiter
4.630
6.856
5.124
3.536
6.800
Heizenergie/ MA-Jahr
5.230 kWh
2.702 kWh
keine Angabe
13.201 kWh
2.490 kWh
Strom/ MA-Jahr
4.900 kWh
2.886 kWh
1.900 kWh
8.231 kWh
8.398 kWh
Wasser/ MA-Jahr
22 m 3
32 m 3
12 m 3
34 m 3
33 m 3
Papier/ MA-Jahr
120 kg
117 kg
141 kg
171 kg
189 kg
Papierabfall/ MA-Jahr
120 kg
120 kg
115 kg
292 kg"
284 kg"
Dienstfahrten/MA-Jahr
1.500 km
321 km
1.000 km
3.100 km
3.100 km
* Büroabfälle Quellen:
^^
GERLING CERT UMWELTGUTACHTER GMBH
1. Ökobilanz der Bayerischen Landesbank; LBB Ökobilanz 1993; ökobericht 1994 der Landesgirokasse Stuttgart; Ökobilanz Zürich 1994 des Schweizerischen Bankvereins; ökobilanz SKA Zürich 1994.
Auch wenn bei der Ermittlung des Heizenergieverbrauches pro Mitarbeiter und Jahr keine Witterungsbereinigung nach Ort und Zeit erfolgte und das Verhältnis von beheizter Nutzerfläche pro Mitarbeiter
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich
679
unberücksichtigt bleibt, zeigt die Streuung des Heizenergieverbrauchs/MA um mehr als Faktor 4-5 an, daß beträchtliche
Einspar-
potentiale nicht genutzt wurden. Die Möglichkeiten, Heizkosten einzusparen, sind vielfältig, stoßen jedoch oft auf das Problem, daß eine Investition in eine bestehende Altbausubstanz erhebliche finanzielle Mittel erfordert. An dieser Stelle seien eine verbesserte Wärmedämmung, eine Optimierung des Heizungssystems (verbesserte Brennwerttechnik, optimierte Leitungshydraulik), verbesserte Regel- und Steuertechnik und Veränderung des Nutzerverhaltens (Lüftung) genannt. Der Stromverbrauch pro Mitarbeiter und Jahr der betrachteten Unternehmen schwankt ebenfalls in weiten Grenzen. Ursache hierfür können nicht genutzte Einsparmöglichkeiten im Bereich großer Verbraucher (Lüftungs- und Kältetechnik, Beleuchtung) sein, oft trägt eine Änderung des Nutzerverhaltens der Mitarbeiter mit dazu bei, Energie zu sparen. Der Papierverbrauch im Verwaltungsbereich stellt eine der wesentlichsten Umweltwirkungen dar. Auch der Papierverbrauch pro Mitarbeiter und Jahr ist nicht einheitlich. Hier kommt, neben der Verminderung der Papierfraktion, der Steigerung des Anteiles von Recycling-Papier und dem Verzicht auf gebleichte Papiere eine große Bedeutung zu. Eine Einsparung im Bereich Verkehr wird vertriebsorientierten Dienstleistungsunternehmen ohne weiteres nicht möglich sein. Trotzdem sind qualitative Verbesserungen möglich, so die schon genannten Großkundenabonnements für Mitarbeiter und ein weitgehender Verzicht auf Flugreisen innerhalb Deutschlands. An dieser Stelle noch nicht betrachtet wurden produktökologische Gesichtspunkte und damit die indirekten Umweltwirkungen von Dienstleistungsunternehmen. Für Banken und Versicherungen werden
680
Joachim Ganse
Aspekte wie die Erweiterung der Kreditwürdigkeitsprüfung oder Veränderung der Anlagepolitik sowie die Entwicklung von Versicherungsprodukten unter Berücksichtigung ökologischer Kriterien in Zukunft größeren Stellenwert besitzen. Eine solche Einbeziehung des Kerngeschäfts von Banken und Versicherungen wird in den UNEPUmwelt-Erklärungen der Banken sowie der Versicherungswirtschaft (United Nations Environment Programme), die von einer wachsenden Anzahl von Banken und Versicherungsunternehmen unterzeichnet worden sind, festgeschrieben. Die Tendenz, daß ein umweltbewußtes Verhalten eines Versicherungsnehmers zu einem Prämienrabatt fuhren kann, zeigt ermutigende Ansätze, so kann erwartet werden, daß einige Versicherer Verbesserungen im unternehmerischen Umweltschutz in Folge des EG-Öko-Audits, wenn auch nicht automatisch, so doch längerfristig mit einer leichteren Erlangung von Versicherungsleistungen, z.B. bei der Umwelthaftpflichtversicherung, honorieren.
Ökobilanz oder Öko-Audit Für Dienstleister, die ihre Umweltschutzleistungen verbessern wollen, stellt sich die Frage nach dem geeigneten Instrument. Die Ökobilanz im Dienstleistungsbereich hat sich als eine Methode zur umfassenden Bestandsaufnahme des betrieblichen Umweltschutzes bewährt. Sie erleichtert ein Durchlaufen des EG-Öko-Audit-Prozesses, ist aber nicht notwendige Voraussetzung, um den Vorgaben der Öko-AuditVerordnung zu entsprechen. Diese läßt die Wahl der Erfassungs- und Steuerungsinstrumente offen, wobei nur die im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung des Umweltschutzes zu behandelnden Gesichtspunkte im Anhang 1 Abschnitt C der Verordnung festge-
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich
681
schrieben sind (u.a. Rohstoffauswahl, Energie-, Wasser- und Abfallmanagement, Produktplanung). Festzuhalten bleibt: Grundsätzlich kann jedes Unternehmen die Vorgaben der EG-Öko-Audit-Verordnung mit dem Ziel einer kontinuierlichen Verbesserung im Umweltschutz umsetzen. Das Bundesumweltministerium (BMU) bereitet z.Zt. eine Ausweitung der Verordnung für Deutschland durch eine ausfuhrende Rechtsverordnung vor2, wie bereits 1994 in Großbritannien für den Bereich öffentliche Verwaltungen und Behörden geschehen. Zusätzlich besteht für Dienstleistungsunternehmen die Möglichkeit, ihr Umweltmanagement-System nach der internationalen Norm ISO 14001 seit Ende 1996 zertifizieren zu lassen. Damit ist der Weg auch für Dienstleistungsunternehmen frei, den Kunden und öffentlichen Auftraggebern ein aktives Umweltengagement nachzuweisen. Umweltmanagement für Dienstleistungsunternehmen nach EG-Öko-Audit-Verordnung und ISO 14001 kann sinnvoll miteinander verbunden werden3 und stellt eine zukunftsweisende Perspektive dar, marktbezogene und unternehmensspezifische Unternehmensanforderungen umzusetzen. Im folgenden Praxisbericht soll anhand eines Dienstleisters aus der Versicherungswirtschaft, dem Gerling-Konzern, gezeigt werden, wie ein Dienstleister sich auf die EMAS-Validierung und die Zertifizierung nach ISO 14001 vorbereitet.
2 3
IdU-news. Informationsdienst für Umweltmanagement und Audit-System, 3/1996, S. 6. Umweltmanagement nach EG-Öko-Audit-Verordnung und ISO 14001: Der Schlüssel zu Effizienz und Effektivität im Umweltschutz, Gerling Consulting Gruppe, Köln 1996.
Joachim Ganse
682 Umweltmanagement bei Gerling
Wille des Managements Eine wesentliche Voraussetzung zur Beteiligung an o.g. Systemen ist ein bereits vorhandenes Bewußtsein für die Umweltrelevanz der Tätigkeiten des Unternehmens. Der Gerling-Konzern ist aufgrund seiner über 90jährigen Industrieversicherungssparte gegenüber Umweltauswirkungen von unternehmerischen Tätigkeiten sensibilisiert. Dies gab den Anlaß, sich schon frühzeitig mit den internen Vorgängen zu befassen. Die Unterzeichnung der UNEP-Erklärung und die Aufnahme des Umweltgedankens in eine 1995/96 neu geschaffene Unternehmenskultur waren die Voraussetzungen, daß das Unternehmensmanagement beschloß, 1996 die Voraussetzungen am größten Einzelstandort des Gerling-Konzerns zu schaffen, erfolgreich am EMASSystem teilnehmen zu können bzw. nach ISO 14001 zertifiziert werden zu können. Die Ausgangssituation und Zielsetzung waren dabei für den Gerling-Konzern unter mehreren Gesichtspunkten von Bedeutung:
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich
683
Erreichung der Unternehmensziele:
Gerling Unternehmenskultur UNEP-Erklärung der Versicherungswirtschaft Mitgliedschaft im World Business Council for Sustainable Development (WBCSD)
Systematische Ermittlung und Nutzung von Einsparpotentialen:
Energie- und Materialverbräuche zentral erfassen und bewerten Abfallvermeidungspotential nutzen Arbeitsabläufe optimieren
Sichtbar-Machung (intern und extern) der gesellschaftlichen Verantwortung:
Aufgaben im Umweltschutz definieren und Verantwortlichkeiten klar benennen Mitgestaltung von Entwicklungen im Umweltmanagement Darstellung der Leistungen in der Öffentlichkeit
Durch die Einfuhrung und Teilnahme am EMAS-System und der ISO 14001 wird diesen Aspekten Rechnung getragen. Als Pilotprojekt wurde für den Gerling-Konzern der größte Einzelstandort ausgewählt. Dies ist der Standort Köln, der die Konzernzentrale und ein regionales Vertriebszentrum umfaßt. Mit ca. 3.800 Mitarbeitern werden somit ca. 40% der Gesamtmitarbeiter in EMAS und ISO 14001 einbezogen.
684
Joachim Ganse
Projektdurchföhrung und wesentliche Ergebnisse Die Konzeption und Einfuhrung des EMAS am Standort Köln gliederte sich in vier Phasen: Phase 1. Umweltprüfung·.
Hierbei erfolgte neben der formalen rechtlichen Prüfung auch eine Grobbewertung vor allem der Liegenschaften/Gebäude. Phase 2. ökobilanz: Erfassung und Bewertung der StofFund Energieströme am Standort. Phase 3. Strategieumsetzung: Aufbau eines Umweltmanagementsystems, Verabschiedung von Zielen und des Maßnahmenkataloges für den Standort. Phase 4. Kommunikation: Erstellung eines Umweltberichtes/ Umwelterklärung. für den Standort Köln. Zur weiteren Umsetzung wurde dann im Rahmen der Projektorganisation ein Team aus Mitarbeitern der Gerling Consulting Gruppe und aus fünf wesentlichen Gesellschaften des Standortes gebildet. Die Projektleitung für den operativen Teil wurde der Gerling Consulting Gruppe übertragen. Dies ist natürlich ein hausinterner Vorteil gewesen, da dadurch dem Berater eine Reihe interner Umweltprojekte schon im Detail bekannt waren. Es hatte auch erheblichen Einfluß auf die Erfüllung des Zeitplanes, der im Folgetext weiter erläutert werden wird. Die Berichterstattung des Projektteams erfolgte an einen Lenkungsausschuß, der aus den folgenden Bereichen besetzt war: Holding, Vorstand Umweltschutz; Consulting, Geschäftsführer; Cert, Geschäftsführer; Konzerncontrolling; Beschaffung. Wesentliche Aufgabe des Lenkungsausschusses war das Projektreview. In mehreren Sitzungen
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich
685
wurden der Projektstand geprüft und wesentliche Entscheidungen für den Projektfortschritt getroffen.
Zeithorizont Der Projektstart erfolgte nach Präsentation im "Arbeitskreis pro Umwelt" im Februar 1996. Als Abschluß der Arbeiten ist der Zeitraum November bis Dezember 1996 vorgesehen, so daß ein externer Zertifizierer/Validierer im ersten Halbjahr 1997 mit seinen Arbeiten beginnen kann. Im einzelnen war der Zeitablauf folgendermaßen vorgesehen:
Schritt
Zeitpunkt
1.
Umweltprüfung inklusive Erhebung der Stoff- und Energieströme
April
2.
Aufbau des Umweltmanagements inklusive Umwelt-Controlling-Rahmen
Mai - September
3.
Entwurf der Umwelterklärung
Oktober - November
4.
Präsentation im Holdingvorstand und Freigabe weiterer Schritte
November
5.
Einführung des Umweltmanagements
November 1996, fortlaufend - April 1997
6.
Gestaltung der Umwelterklärung
Januar 1997 - April 1997
Inhalte der Umweltprüfung 1. 1.1 1.2
Gegenstand der Untersuchung Betriebsdaten Eingezogene Gebäude
Joachim Ganse
686 2. 3. 5. 5.00 5.10 5.20 5.30 5.40 5.50 5.60 5.70 5.80 5.90 6.
Organisation und Umweltmanagement Betrieblicher Umweltschutz und Umweltmanagement Detailanalyse Umweltmanagement Brandschutz Umgang mit Gefahrstoffen Boden- und Gewässerschutz Abfallbeseitigung Wasserversorgung Abwasser Emissionen Ressourcenschonung (Energie in Wasser) Umweltengagement Anlage Thermographie Photoanhang
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die technischen Bereiche (Brandschutz, Abwasser, Abfall, GefahrstofFe) keinen kurzfristigen Handlungsbedarf ergaben. Büromaterial, Büromöbel und EDV-Hardware werden umweltfreundlich beschafft. Es erfolgt der Aufbau eines Β eschaffungshandbuches zur Bündelung der Maßnahmen. Um den Vorgaben der EG-Öko-Audit-VO zu genügen, mußte jedoch ein Umweltmanagement aufgebaut werden, das eine Aufbau- und Ablauforganisation mit entsprechenden Regelungen enthält. Ferner mußten Verantwortlichkeiten für den Umweltschutz festgelegt werden sowie Umweltschutzziele formuliert und in Form eines verbindlichen Umweltprogrammes konkretisiert werden. Zur Minimierung der Umweltwirkungen wurde beschlossen, ein Umweltcontrolling aufzubauen, mit dessen Hilfe standortbezogene Verbrauchsdaten erfaßt und periodisch bewertet werden können.
687
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich
Die Erstellung und Gliederung der Ökobilanz erfolgte in Anlehnung an die Vorgehensweise, die sich bei anderen Finanzdienstleistern bewährt hat. Tabelle 4:
Gerling-Ökobilanz Output
Input Input 1995 II. I 1.1. I 1.2. I 1.3. I 1.4.
Liegenschaften (m2) Geschoßflächeri überbaute Flächen Verkehrsflüchen Grünflächen
II 12.1. I 2.2. 12.3.
Anlagegüter (Stck.) Techn. Anlagen EDV-Anlagen Büro- u. Komm.Masch. Büroausstattung Fuhrpark (Kfz) Küchenanlagen
12.4. 12.5. 12.6. 13. 13.1.
Umlaufgüter
13.2. 13.3. 13.4. 13.5.
Papier (kg) Posteingang (kg) Werbematerial (kg) Betriebsstoffe (kg)
14.
Wasser (m3)
15. 15.1. 15.2. 15.3. 15.4. 15.5.
Energie (kWh) Strom Heizöl Gas Femwärme Treibstoffe
16.
Luft
Bürobedarf
Bestand per 31.12.1995 51.868 116.113 22.265 18.881 10.722 -
1.091 -
2.771 13 -
Output 1995 Ol. O 1.1 O 1.2. O 1.3. O 1.4.
O 151 O ca. 3.374 O 2.214 O
-
-
überbaute Flächen Verkehrsflächen Grünflächen
i 2.1. 2.2. 2.3.
Aiilagegüter (Stck.) Techn. Anlagen EDV-Anlagen (kg) Büro- u. Komm.Masch. - O 2.4. Büroausstattung 51 O 2.5. Fuhrpark (Kfz) 20 O 2.6. Küchenanlagen O 3.
779.858 110.344
Liegenschaften (m2) Geschoßflächen
-
48.773
O 4. O O O O O O
5. 6. 6.1. 6.2. 6.3. 6.4.
-
1.520 15 883 10 -
450.000
Abfälle (kg) Wertstoffe Papier Restmüll " Sonderabfalle Abwasser (m3)
31.863370 14.322.126 551.663 1.460.858 13.477.162 2.280.077
-
O O O O
Dienstreisen (km) Kfz2' Bahn Flugzeug
-
-
Lebensmittel (Menues)
O 7.
-
-
314.756
-
8. 8.1. 8.2. 8.3.
-
Postausgang (kg) Werbematerial (kg)
91.193
-
-
10.448 709.000 141.440 54.638 81.657 14.213.640 4.810.150 570.000 8.833.490
-
O 9. Abluft (kg) O 9.1. Kohlendioxid
10.195.450
GERLING C E R T U M W E L T G U T A C H T E R G M B H
1) Jahresabfuhrgewicht hochgerechnet 2) geschätzt
Joachim Ganse
688
Der Aufbau des eigentlichen Umweltmanagementsystems orientierte sich an international gültigen Vorgaben der EMAS-Verordnung und der ISO 14001. Wesentliche Bestandteile des Umweltmanagementsystems des Gerling-Konzern sind:
• Umweltpolitik·.
definiert den Rahmen fur das zukünftige Handeln des Gerling-Konzerns im Umweltschutz
Umweltorganisation: definiert Aufbau und Verantwortlichkeiten des betrieblichen Umweltschutzes
• Mitarbeitereinbezug:
festgelegte Verfahren zur Mitarbeiterinformation und Weiterbildung im betrieblichen Umweltschutz
Umwelt-Controlling·. dient der Planung, Steuerung und Kontrolle der Umwelteinwirkungen aufgrund materieller Daten
Umweltprogramm :
• Umwelt-Audits:
meßbare Ziele und Maßnahmen werden in periodischen Abständen im Umweltprogramm festgelegt das Managementsystem-Audit ist als betriebsinternes, standardisiertes Verfahren zur Bewertung des UmweltmanagementSystems zu entwickeln
Ein wesentlicher Diskussionspunkt war die Formulierung der Umweltpolitik. Ein ausformuliertes Unternehmenskulturpapier unter Einbeziehung von "Mensch und Natur" existiert seit 1995 im GerlingKonzern. Dadurch ist ein großzügiger Rahmen für eine offensive Umweltpolitik vorhanden. Es ist jedoch sinnvoll, die innere Evolution in gangbaren Schritten zu ermöglichen. Daher wurde die Umweltpolitik des Gerling-Konzern unter folgenden Prämissen formuliert:
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich
689
• sie bildet die Grundlage des Umweltmanagementsystems des Gerling-Konzern, • sie besitzt nicht nur Innen-, sondern auch Außenwirkung, • das UMS orientiert sich an "house-keeping"-Aspekten mit schrittweiser Berücksichtigung von Umweltaspekten im Kerngeschäft des Gerling-Konzerns durch Weiterentwicklung des UMS.
Umweltorganisation Bei der Aufstellung der Umweltorganisation empfiehlt es sich, auf bestehende Organisationseinheiten zurückzugreifen bzw. diese soweit zu ergänzen, daß möglichst direkte, d.h. kurze Informationswege gestaltet werden. Da im Gerling-Konzern schon seit drei Jahren ein Arbeitskreis "Pro Umwelt" tätig war und ein Umweltbeauftragter für den Standort Köln, der gleichzeitig Fachkraft für Arbeitssicherheit ist, war ein solider Grundstock für das Umweltmanagement vorhanden. Zur
operativen Pflege und Fortentwicklung
des
Umwelt-
managementsystems wurde die Funktion des Konzern-Umweltbeauftragten für das UMS geschaffen, der gleichzeitig Managementvertreter entsprechend EMAS ist. Darüber hinaus wird ein neues Gremium auf Vorstands- und Hauptabteilungsleiterebene
seine Arbeit in einem Umwelt-Len-
kungsausschuß aufnehmen. In diesem Gremium werden konzernübergreifend spezielle Fragen zum Umweltschutz behandelt. Die Anbindung erfolgt an die Holding. Darüber hinaus werden zur Vertiefung des UMS sogenannte Umweltdelegierte für den Standort Köln benannt, z.B. die aus dem Kreis der Sicherheitsbeauftragten berufen wurden. Die Dokumentation des UMS erfolgt im Gerling Umwelthandbuch. Nach eingehenden Diskussionen hat sich der Lenkungsausschuß für
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Joachim Ganse
diese Art der Dokumentation entschieden. Vorteile einer derartigen Dokumentation sind: • eindeutige, klar definierte Zuweisung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Umweltschutz, • Erzeugung von Transparenz im Hinblick auf die erforderliche Aufbau- und Ablauforganisation, • zentrale Erfassung aller für den Umweltschutz relevanten Dokumente und Verfahrensanweisungen, • Grundlage zur Zertifizierung/Validierung des UMS durch einen unabhängigen Gutachter, • Grundlage der Erweiterung des UMS auf weitere Standorte des Gerling-Konzerns. Die Pflege des Umwelthandbuches erfolgt durch den Konzernbeauftragten.
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich
691
Abbildung: Umweltmanagementsystem Gerling-Konzern
^ ^
GERLING CERT UMWELTGUTACHTER GMBH
Für die weitere Entwicklung der hausinternen Umweltleistung wurde beschlossen,
ein Umweltcontrolling
einzuführen. Das Umwelt-
controlling soll dabei die mengen- und kostenmäßige, periodische Erfassung und Bewertung der wichtigsten Umweltdaten ausweisen. Bestandteile sind: • Energiedaten (Strom, Fernwärme, Gas, Heizöl) • Frisch-/Abwasser • Abfalle/Papier • Dienstreisen Wesentliche Eckdaten, die im Projektlauf festgelegt wurden, sind: • Die Datenerhebung und Bewertung wird jährlich erfolgen und in das Materialerfassungssystem eingebunden werden.
692
Joachim Ganse
• Datenquellen und Datentransfer wurden zur einheitlichen und kontinuierlichen Erfassung detailliert festgelegt. • Datenerfassung erfolgt im zentralen Controlling. • Die Bewertung erfolgt durch den Konzernumweltbeauftragten in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen. Nachdem die wesentlichen Elemente des UMS standen, wurden auf der Basis der Umweltprüfung und der Umweltpolitik die Umweltziele überdacht (teilweise neu formuliert) und ein Umweltprogramm erstellt. Konzerngedanke war und ist, daß die formulierten Umweltziele und das Umweltprogramm die Gewährleistung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses dienen sollen. Dabei sollte das Umweltprogramm ein Maßnahmenkatalog zur Umsetzung von vorab definierten Handlungsfeldern sein. Diese Handlungsfelder sollten unternehmensintern, z.B. durch Arbeitskreise, Fachabteilungen und Umweltbeauftragte entwickelt werden. Ein großes Problem ist bei Dienstleistern nach der ersten Umweltprüfiing die Quantifizierung der Ziele, da das Instrumentarium fur die Verantwortlichen neu ist und die Zahlengüte in der Regel erst im zweiten oder dritten Erhebungszyklus als gesichert gilt. Im ersten Gerling Umweltprogramm sind vor allem Maßnahmen aufgeführt, die eine Optimierung des Umweltmanagementsystems zum Ziel haben. Diese sind: • verfeinerte Datenerfassung, • BeschaSüngs- und Bestandsbuch, • Konzeptentwicklung zur weiteren Energie- und Papiereinsparung. Eine wesentliche Maßnahme ist die Konzeptentwicklung zum Einbezug des Gerling-Kerngeschäftes in das Umweltmanagement. Hiermit sollen die Ansprüche der eigenen Unternehmenskultur und die eingegangenen Selbstverpflichtungen wie die Unterzeichnung des UNEP-Papiers erfüllt werden. Dies ist wohl mittel- bis langfristig die
Umweltmanagement im Dienstleistungsbereich
693
ehrgeizigste und schwierigste Aufgabe, die Finanzdienstleister in der Zukunft zu erfüllen haben. Das Umweltprogramm wird entsprechend EMAS in der Umwelterklärung veröffentlicht. Die Umwelterklärung des Gerling-Konzern gibt Auskunft über die Umweltpolitik und das UMS. Sie enthält ferner Aussagen über Stoff- und Energieströme sowie Aussagen zum Umweltprogramm. Sie wird einem unabhängigen Umweltgutachter zur Validierung/Zertifizierung vorgelegt. Damit unterscheidet sich die Umwelterklärung des Gerling-Konzerns wesentlich von den sogenannten "Öko-Bilanzen" (reine Input/OutputDarstellungen der Stoff- und Energieströme mit zugehörigen Maßnahmen), die von anderen Finanzdienstleistern vorgestellt wurden. Die Umwelterklärung wird derzeit abschließend erstellt. Anhand des Beispieles Gerling-Konzern sollte kurz der Ablauf zur Einfuhrung ins UMS fur Dienstleister entsprechend EMAS und ISO 14001 dargestellt werden. Die Probleme und Schwierigkeiten des ehrgeizigen Projektes für einen Standort mit fast 4.000 Mitarbeitern konnte erfolgreich bewältigt werden aufgrund einer vorhandenen Umwelthistorie. Das heißt, daß ein Teil des Kerngeschäftes - Umweltrisikomanagement im Beratungs- und Versicherungssektor - das Verständnis für die Umwelt bei den Mitarbeitern geschärft hat. Erhebliche umweltbezogene Einzelaktionen wurden in den vergangenen Jahren ab 1993 im Konzernbereich durchgeführt. Ein Weiterbildungsangebot besteht und eine Unternehmenskultur, die auf Dialog zwischen Mensch und Natur fußt, existiert. Abschließend sei aber auch gesagt, daß den Beteiligten klar ist, daß dies trotz allem schon Erreichten der Start zu einer systematischen Verbesserung der Umweltleistungen des Gerling-Konzerns ist.
Erika Maria Mink-Zaghloul
Transfer umweltschonender Technologien Ein unverzichtbarer Beitrag zur ökologischen Innovation der Industrie Lateinamerikas
1. Hintergrund Durch den Einsatz umweltschonender Technologien in den Industriestaaten einerseits und das anhaltend hohe Wirtschaftswachstum in Asien und Lateinamerika andererseits erhöht sich der Anteil der Länder in den Wachstumsregionen an der globalen Umweltverschmutzung merklich. In Lateinamerika, der Region mit dem zweitgrößten Wirtschaftswachstum der Welt (Abbildungen 1 und 2), ist dies eine Folge der Mitte der achtziger Jahre eingeleiteten Liberalisierung der Wirtschaftsordnung. Im Zuge der Liberalisierung haben sich auf dem gesamten Kontinent wirtschaftliche Blöcke, wie zum Beispiel NAFTA1, MERCOSUR 2 , die ANDENPAKT-Staateii und die GRUPPE DER DREI (G3)4, formiert (DMT 1995; Wegener/Wigand/Lopez 1996). Zwar haben sich aufgrund dieser Entwicklungen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Lateinamerika stark verbessert, und einige
1 2 3 4
North American Free Trade Agreement: Zusammenschluß von USA, Kanada und Mexiko. Chiles Aufnahme in die NAFTA wird 1997 erwartet. Mercado Común del Cono Sur, 1991 gegründet. Mitglieder sind Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Die MERCO- SUR-Staaten haben mit Chile ein Assoziierungsabkommen geschlossen. 1994 geschlossenes Abkommen über Zollfreiheit zwischen Bolivien, Equador, Kolumbien und Venezuela. 1994 gegründete trilaterale Freihandelszone der ölexportierenden Länder Kolumbien, Mexiko und Venezuela.
695
Transfer umweltschonender Technologien
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Έ § 20
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10 5 0 1985
1987
Quelle: IDB, IRELA 1996
1989 1991 Jahre
1993
1995
- - · EU-Exporte nach Lateinamerika EU-Importe aus Lateinamerika
Transfer umweïtschonender Technologien
705
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