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German Pages 521 [532] Year 2018
Handbuch Sprache in Organisationen HSW 14
Handbücher Sprachwissen
Herausgegeben von Ekkehard Felder und Andreas Gardt
Band 14
Handbuch Sprache in Organisationen Herausgegeben von Stephan Habscheid, Andreas P. Müller, Britta Thörle und Antje Wilton unter Mitarbeit von Jonas Heimann
ISBN 978-3-11-029581-8 e-ISBN [PDF] 978-3-11-029623-5 e-ISBN [EPUB] 978-3-11-038906-7 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Names: Habscheid, Stephan, editor. Title: Handbuch Sprache in Organisationen / herausgegeben von Stephan Habscheid [and three others]. Description: Boston : De Gruyter Mouton, 2018. | Series: Handbücher Sprachwissen (HSW) ; 14 Identifiers: LCCN 2018007205 | ISBN 9783110295818 (hardback) Subjects: LCSH: Communication in organizations. | Interpersonal communication. | Discourse analysis. | BISAC: LANGUAGE ARTS & DISCIPLINES / Linguistics / General. | FOREIGN LANGUAGE STUDY / German. Classification: LCC HD30.3 .H3578 2018 | DDC 658.4/5--dc23 LC record available at https://lccn.loc.gov/2018007205 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Typesetting: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Printing and binding: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhalt Stephan Habscheid/Andreas P. Müller/Antje Wilton/Britta Thörle IX Sprache in Organisationen
I
Organisationale Interaktionstypen und kommunikative Gattungen
Christine Domke 1. Arbeitsbesprechungen in Organisationen
3
Jan Gerwinski 2. Empraktische Kommunikation in Organisationen Trine Heinemann/Ben Matthews 3. Innovation Communication
45
Ronald Hartz 4. Mitarbeiterkommunikation
65
27
Astrid Porila/Katharina Rosenberg 5. Klientenkommunikation 83
II Organisationale Rationalisierung von Sprache und Kommunikation Andreas P. Müller 6. Sprache und Hierarchie
105
Michael Szurawitzki 7. Bürokratie und organisationale Schriftlichkeit
126
Daniel Perrin 8. Medieninfrastrukturen organisationaler Kommunikation Ulla Kleinberger 9. E-Mail-Kommunikation in Organisationen
167
Susanne Göpferich † 10. Standardisation of Language and Communication
186
145
VI
Inhalt
III Kommunikative Konstruktion organisationaler Identität Patchareerat Yanaprasart 11. Cultural Diversity: Interplay between Corporate Culture, Organizational 203 Diversity Management and Multilingual Inclusiveness Bernd Meyer 12. Mehrsprachigkeit in Organisationen
228
Georges Lüdi 13. Organisationen als sprachpolitische Akteure Kirsten Nazarkiewicz 14. Leitbild und Ideologie
246
267
Anna Linda Musacchio Adorisio 15. Language and Narratives in Organizations
293
IV Forschungsrichtungen Frank Oberzaucher 16. Konversationsanalyse und Studies of Work Dirk vom Lehn 17. Workplace Studies
307
327
Heiko Motschenbacher 18. Critical Discourse Analysis and Institutional Communication Sylvia Bendel Larcher 19. Angewandte Gesprächsforschung
346
364
Christopher M. Schmidt 20. Konzeptuelle Kulturspezifik in der Organisationstheorie
382
V Anwendungsfelder der Organisationslinguistik Peter Franklin/Helen Spencer-Oatey 21. Developing Intercultural Interaction Competence in Organisations
403
Inhalt
Antje Pfab/Werner Pfab 424 22. Coaching Eva-Maria Jakobs 23. Sprache und Kommunikation im Kontext der Wertschöpfung Monika Dannerer 24. Messung und Optimierung kommunikativer Effizienz Cornelia Hegele-Raih 25. Sprache und Wandel von Organisationen Register
507
483
464
444
VII
Stephan Habscheid/Andreas P. Müller/Antje Wilton/Britta Thörle
Sprache in Organisationen Abstract: In der Einleitung wird der Gegenstandsbereich des vorliegenden Handbuchs zur Architektur der Handbuchreihe „Sprachwissen“ in Beziehung gesetzt und – auf der Basis einer sprach- und sozialtheoretischen Positionierung – in der interdisziplinären Forschungslandschaft über Kommunikation in Organisationen ontologisch, epistemologisch, methodologisch sowie knapp forschungshistorisch profiliert. Der Bezug auf zentrale Gegenstände und exemplarische Problemfelder veranschaulicht das empirische Forschungsfeld und seine wissenschaftliche sowie praktische Relevanz. Ein Abriss zu Aufbau und Inhalt des Bandes rundet die orientierende Darstellung ab.
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Einordnung und Abgrenzung Grundannahmen, Gegenstände, Problemfelder Aufbau und Inhalt des Bandes Literatur
1 Einordnung und Abgrenzung Der vorliegende Band fragt auf einer allgemeinen Ebene nach der Verankerung von alltäglicher Erfahrung, Wissen und Praxis in Kommunikation und Sprache und fügt sich damit in den Rahmen der Handbuch-Reihe „Sprachwissen“ und die Programmatik des Forschungsnetzwerks „Sprache und Wissen“ ein. Mit seinem Fokus auf organisationale Kontexte greift er dabei einen soziopragmatisch klar umrissenen Kommunikationsausschnitt heraus. Dieser liegt jedoch quer zur Strukturierung nach Institutionen, Handlungs- und Wissensbereichen, wie sie in der Architektur der Handbuchreihe über weite Strecken vorherrscht und für die Themengebiete vieler anderer Bände, von der ‚Wissenschaft‘ über die ‚Kunst‘ bis zur ‚Religion‘, charakteristisch ist. Die Sozialform der modernen Organisation, so unsere auf Max Weber (1921/ 2002) zurückgehende Grundannahme, breitete sich in einem „universalgeschichtlichen Prozess der Rationalisierung“ (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 21) nicht nur in der räumlichen Dimension weltweit aus, sondern auch im Inneren der Gesellschaft, weit über staatliche Einrichtungen (Militär; Verwaltung) hinaus, in die Praxis diverser Institutionen hinein (vgl. ebd., 24) – man denke beispielsweise an Industriebetriebe, Handelshäuser, Banken, Vereine, Verbände, Parteien, Schulen, Universitäten, Forschungsinstitute, Krankenhäuser, Kirchengemeinden, Museen, Theater etc. (vgl. Rehbein 1998, 661; Derlien/Böhme/Heindl 2011, 19). Dementsprechend legen Organisationen der sprachlich-kommunikativen Konstitution von Praxis und https://doi.org/10.1515/9783110296235-203
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Erfahrung in solchen Kontexten auch unabhängig von bestimmten Wissensdomänen ihre spezifischen Bedingungen auf, sei es „klassisch“, in Form von Hierarchie, formaler Arbeitsteilung, Bürokratie, Medien etc., oder, vor dem Hintergrund eines Cultural turn spätestens seit den 1980er Jahren, durch einen rational-kalkulierenden Umgang mit sprachlich-kultureller Diversität. Dabei trägt grundsätzlich auch die von der Belegschaft, den Klienten etc. diskursiv getragene, sinnhafte Ausgestaltung von Lebensräumen im Arbeitsalltag reproduktiv oder innovativ wesentlich zur Kommunikation in Organisationen bei. Vor diesem Hintergrund liegt auf der Hand, dass einzelne Aspekte der Kommunikation und des Sprachgebrauchs in Organisationen auch in anderen Handbüchern der Reihe „Sprachwissen“ thematisiert werden, am deutlichsten etwa Probleme des Managements von „Unternehmenskommunikation“ im Handbuch „Sprache in der Wirtschaft“ (Hundt/Biadala 2015). Größere Redundanzen ergeben sich hier aber insofern nicht, als z. B. der Phänomenbereich der „Unternehmenskommunikation“ (Mitarbeitermedien; Kundenkommunikation; Investor Relations usw.) viel enger (instrumentell-strategisch) gefasst ist als derjenige der organisationalen Kommunikation in Wirtschaftsbetrieben (der z. B. auch Arbeitsbesprechungen oder den ‚empraktischen‘ Sprachgebrauch im Bereich der Produktion umfasst). Auch herrscht im Kontext der Unternehmenskommunikation eine betriebswirtschaftlich-normative Sichtweise vor, während die weit überwiegende Zahl der Beiträge im vorliegenden Band trotz unterschiedlicher disziplinärer Provenienz einer ‚empirisch-konstruktivistischen‘ Perspektive (dazu später mehr) verpflichtet ist. Zudem bleibt der Versuch einer systematischen Verknüpfung kommunikations- und sprachtheoretischer Fragen mit denjenigen einer allgemeinen, über die Domäne der Wirtschaft hinausgreifenden Organisationstheorie den Beiträgen des vorliegenden Bandes vorbehalten. Wie sich organisationale Kommunikation in der Praxis vollzieht, wurde in einem Überblicksartikel im Kontext des ersten Bandes der Handbuchreihe (Felder/ Gardt 2015) bereits dargestellt (Habscheid/Müller/Thörle/Wilton 2015, mit ausführlichem Literaturüberblick). Der Schwerpunkt lag auf spezifisch linguistischen Gegenständen der Organisationsforschung: von der Rolle der Schriftlichkeit bei der bürokratischen Konstitution relevanter Sachverhalte über symbolische Inszenierungen kollektiver Identität und charakteristische Typen der mündlichen Interaktion, z. B. der Herstellung von Entscheidungen in Meetings/Besprechungen, bis hin zu anwendungsbezogenen Problemen in Personalentwicklung und Kommunikationstraining, fallbezogener Supervision und Coaching. Die Beiträge des vorliegenden Bandes nehmen die begrifflichen Eckpunkte der dort entwickelten Architektur auf und entfalten systematisch ausgewählte Zugänge und Forschungsrichtungen, -gegenstände und -desiderate im Grenzbereich von sprachwissenschaftlichen und benachbarten Zugängen zur organisationalen Kommunikation. Wie in dem Handbuch zu „Sprache in der Wirtschaft“ kann dabei auch in der Organisationsforschung von einer Dominanz der Linguistik keine Rede sein (vgl.
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Hundt/Biadala 2015a, X). Eine vergleichsweise größere theoretische Konvergenz resultiert in unserem Fall aber wohl daraus, dass sich in der jüngeren Organisationsforschung innerhalb wie außerhalb der Linguistik viele Ansätze methodologisch auf einen empirischen Konstruktivismus beziehen (vgl. Knorr-Cetina 1989), der – in Ergänzung zu einer wissenssoziologischen Ontologie sozialer Objektivationen (vgl. Berger/Luckmann 1967) – Ansätze der Mikrosoziologie (Ethnomethodologie, Konversationsanalyse), Anthropologie (z. B. Geertz 1983) sowie Praxistheorien (z. B. Bourdieu 1977; Schatzki 2016) einbezieht. Derartige Positionierungen bilden einen Schwerpunkt im vorliegenden Handbuch (vgl. Abschnitt 2). Daneben finden sich Beiträge, die andere Zugänge repräsentieren: eine – stärker erkenntnistheoretisch gelagerte – ‚Kognitive Linguistik‘ (z. B. Schmidt, in diesem Band), Ansätze, die ihren Ausgang in dezidiert ‚kritischen‘ Kulturtheorien nehmen (z. B. Motschenbacher, i. d. B.), genuin (sozio-)linguistische Ansätze zur Erforschung von Mehrsprachigkeit, kultureller Diversität und Interkulturalität (z. B. die Beiträge von Yanaprasart, Meyer, Lüdi, Franklin/Spencer-Oatey, i. d. B.) oder Positionierungen, die sich auf linguistischer bzw. organisationstheoretischer Basis mit (auch) betriebswirtschaftlichen Schlüsselbegriffen (wie ‚Effizienz‘, ‚Standardisierung‘, ‚Wertschöpfung’, ‚Wettbewerb‘) auseinandersetzen, sei es in instrumentellen und/oder in kritischen Perspektiven (z. B. die Beiträge von Dannerer, Göpferich, Hartz und Jakobs, i. d. B.).
2 Grundannahmen, Gegenstände, Problemfelder Der ‚empirische Konstruktivismus‘, wie er von Knorr-Cetina (1989) charakterisiert wird, fasst Erkenntnisobjekte als interaktional bzw. kommunikativ konstruiert auf und verschiebt den Blick vom ‚Was‘ oder ‚Warum‘ von Tatbeständen auf die Frage nach dem ‚Wie‘ ihrer Herstellung. Im Mittelpunkt steht dabei weniger das grundsätzliche erkenntnistheoretische Problem der Konstruiertheit (individueller) menschlicher Erkenntnis und dessen (problematisches) Verhältnis zur Wirklichkeit (pragmatische Viabilität etc.). Es geht auch nicht nur um die Frage, warum (ontologisch) subjektive Sachverhalte Gesellschaftsmitgliedern als objektive Tatbestände erscheinen. Im Zentrum der empirischen Untersuchungen steht vielmehr die detaillierte Erhellung der jeweils spezifischen gesellschaftlichen „Konstruktionsmaschinerie“ (ebd., 91), mit der Tatsachen in einem organisationalen Praxisfeld (wie z. B. der naturwissenschaftlichen Laborforschung) hergestellt werden. Gerade in der damit verbundenen systematischen perspektivischen Brechung – im Gegensatz zu einer Herangehensweise, die im Kern die in der Praxis- und Ratgeberliteratur verfügbaren alltäglichen Ideologiebestände reproduziert – liegt ein eigenständiges Erkenntnis- und Theoriebildungspotenzial, das u. U. auch praktisch genutzt werden kann (vgl. Pfab/Pfab, i. d. B., am Beispiel von Coaching).
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Mit der detaillierten empirischen Rekonstruktion der Gemachtheit sozialer Tatsachen rücken Aspekte der Wissensvermittlung durch (situierten) Sprach- und weiteren Zeichengebrauch ebenso in den Mittelpunkt wie das charakteristische, durch derartige dynamische semiotische Ressourcen vermittelte sukzessive Zusammenspiel der Interaktionspartner bei der Hervorbringung sozialer Ereignisse im Alltag (vgl. in einer medientheoretischen Terminologe Schüttpelz/Meyer 2017). Auch charakteristische materielle, räumliche und dingliche Ressourcen werden wahrnehmungsabhängig einbezogen (vgl. z. B. Hausendorf/Schmitt/Kesselheim 2016; Gerwinski, i. d. B.): In einer solchen Methodologie kann es keine Definition eines Gegenstandes geben, die unabhängig von der Semantik wäre, die diesen Gegenstand in der Sprache des konstruierenden Bereiches beschreibt, und es kann keinen Phänomenbereich geben, der unabhängig von den Konstruktionsmechanismen dieses Bereichs, unabhängig von den Ressourcen und Strategien, die die Teilnehmer zur Aufrechterhaltung und Veränderung des Phänomenbereichs zur Geltung bringen, spezifiziert werden könnte. (Knorr-Cetina 1989, 92)
Es liegt auf der Hand, dass bei der Konstruktion sozialer Tatsachen nicht zuletzt organisationale Arrangements, z. B. Hierarchie (vgl. Müller, i. d. B.), Bürokratie (vgl. Szurawitzki, i. d. B.) und Medieninfrastrukturen (vgl. Kleinberger, Perrin, vom Lehn und Jakobs, i. d. B.) zum Tragen kommen. In diesem Rahmen liegt das Erkenntnisinteresse einer spezifisch linguistischen Perspektive auf die organisationale Sprachund Kommunikationspraxis in der Rekonstruktion lokaler sprachlicher und semiotischer Bedeutungsherstellung und Verstehensprozesse sowie in der Erklärung der damit zusammenhängenden, in dynamischen Wissensressourcen gründenden alltäglichen Erfahrungsverarbeitung der Beteiligten. Die Sprach- und Interaktionsforschung, insbesondere die Angewandte Linguistik, die Gesprächsforschung, die Text- und die Soziolinguistik entwickelten spätestens seit den 1980er Jahren ein starkes Interesse an der Sprach- und Kommunikationspraxis in organisationalen Kontexten. Sie griffen dabei auf frühere Ansätze zurück, die sich seit der Wende zum 20. Jahrhundert sukzessive entwickelt hatten (Überblick: Habscheid 2016, mit weiteren Literaturangaben; die Beiträge der Abteilung IV, i. d. B.), u. a. – die in philologischen Traditionen und institutionell in Handelshochschulen wurzelnde „Wirtschaftslinguistik“ bzw. „Wirtschaftsgermanistik“; – die kulturwissenschaftlich zurückhaltende und ideologisch „neutralere“, strukturalistisch orientierte Funktionalstilistik und spätere Fachsprachenforschung; – verschiedene Ausprägungen einer kulturvergleichenden und interkulturellen Pragmatik; – Ansätze aus den Sozialwissenschaften (Ethnographie der Kommunikation, Konversationsanalyse und die ethnomethodologischen Studies of Work usw.); – sowie die aus unterschiedlichen Wurzeln (u. a. Konversationsanalyse, Funktionale Pragmatik, Kritische Diskursanalyse) sich entwickelnde „Angewandte Gesprächsforschung“ und Erforschung von „Kommunikation in Institutionen“
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mit einer zwischenzeitlich fast unüberschaubaren Zahl empirischer Einzeluntersuchungen, die thematisch-begrifflich oft an Kategorisierungen anknüpfen, die aus dem Praxisfeld selbst gewonnen sind (vgl. z. B. Abteilung I, i. d. B., zu Interaktionstypen und kommunikativen Gattungen). Vor dem vielseitigen Hintergrund der zum Teil sehr unterschiedlichen Ansätze und empirischen Belegsammlungen aus gesprochenen und geschriebenen kommunikativen Kontexten ergab sich phänomenologisch ein weiter Spannungsbogen zwischen der Regulierung der organisationalen Sprach- und Kommunikationspraxis einerseits und einer emergenten Ausgestaltung interaktiver Szenarien durch die Beteiligten andererseits. Im Interesse einer fundierten Begriffsbestimmung und theoretischen Vertiefung wurde zunehmend auch die organisationstheoretische Forschung linguistisch rezipiert (früh z. B. bereits in den wegweisenden Studien von Florian Menz, vgl. z. B. Menz 2000), wobei sozialphilosophisch-theoretische Ansätze mit empirischkonstruktivistischen Zugängen aus den Sozialwissenschaften und der Linguistik kombiniert wurden. Systemtheoretisch betrachtet, haben Organisationen in der Gesellschaft die Funktion, die Versorgung mit knappen Gütern sicherzustellen. Sie agieren vor dem Hintergrund eines privatwirtschaftlichen Interesses oder haben das Ziel, öffentliche Güter (etwa Trinkwasser, Bildung oder die Straßenbeleuchtung) für jedermann zugänglich zu machen (Kühl 2015). Bereits früh wurden die hierfür notwendigen Prinzipien und Regularien – maßgeblich durch die Analyse der Bürokratie von Max Weber (siehe oben) – systematisch beschrieben, etwa Hierarchie und formale Arbeitsteiligkeit, Aktenförmigkeit und Unpersönlichkeit der Wissensverarbeitung, das Vorhandensein von Einstellungskriterien, die Unabhängigkeit der Beschäftigten oder das Berufsethos (Disziplin). Es besteht heute kein Zweifel mehr, dass es sich bei der Verwirklichung und Umsetzung aller damit zusammenhängenden Vorgänge in erster Linie um kommunikativ-interaktive Prozesse zwischen Anbietern und Nutzern bzw. zwischen Mitgliedern von Organisationen handelt. Hinsichtlich der theoretischen Beschreibung solcher kommunikativ-interaktionaler Prozesse hat sich die Organisationstheorie stark entwickelt. Das so genannte „Container-Modell“ der Organisation, das die Organisation als eine undurchsichtige Black Box zwischen Ressourceneingang und Produktausgang darstellt, kann als überwunden gelten. Heute stellt vielmehr die Frage nach dem heuristischen Stellenwert der innerorganisationalen kommunikativen Prozesse ein dynamisches Feld wissenschaftlicher Diskurse dar (vgl. die Beiträge in Apelt/Wilkesmann 2016 und Huck-Sandhu 2016). Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein war hierbei die Vorstellung von der Organisation als einer plan- und steuerbaren Einrichtung, deren Mitarbeiter als steuer- und kontrollierbare Agenten Teil des Gesamtbetriebs und seiner Wertschöpfung sind, eine dominante Perspektive in der Organisationstheo-
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rie. Die Bürokratisierung, Rationalisierung und Formalisierung (kommunikativer) organisationaler Praxen galten als quasi unumstößliche Leitprinzipien. Erst im Zuge eines Cultural turn ist dieser Blick relativiert und die Auffassung wichtiger geworden, dass Organisationen auch Kollektive oder Koalitionen seien und dass sie auf einer – wie auch immer asymmetrischen, macht- und interessensgebunden ideologisch verzerrten (vgl. Nazarkiewicz, i. d. B.) – dialogisch vollzogenen Einigung gründeten, dass das gemeinschaftliche Handeln einen Sinn ergibt (vgl. Scott 1986, Weick 1995, sowie die Beiträge in Ortmann/Sydow/Türk 2000). Konstruktivistisch inspirierte Modellbildungen, etwa Weicks Verständnis von der Organisation als eines kontinuierlichen „Prozesses des Organisierens“ (Weick 1995), interpretieren die Organisation als Ergebnis eines Aushandlungsprozesses: Organisationen entstehen und werden aufrechterhalten durch Interaktionen, durch deren Vollzug organisationale Herausforderungen gelöst werden und die sich bei rekurrenter Wiederholung als institutionelle Muster sedimentieren (Berger/Luckmann 1967). In der sozialwissenschaftlichen Perspektive eines empirischen Konstruktivismus muss grundsätzlich berücksichtigt werden, dass kommunikatives Handeln unter den Bedingungen alltäglicher Kontingenz oftmals nicht einfach im repetitiven Vollzug starrer Vorgaben und Pläne der Organisation besteht (Habscheid/Müller/ Thörle/Wilton 2015, 395). Vielmehr liegt die Herausforderung häufig darin, verständlich und nachvollziehbar jeweils sowohl den allgemeinen organisationalen Normen als auch den spezifischen Anforderungen der kontingenten Situation gerecht zu werden. Dies belegen eindrücklich die Studies of Work (vgl. Bergmann 2006; Oberzaucher, i. d. B.) sowie empirische Fallstudien im Rahmen der Workplace Studies (vgl. vom Lehn, i. d. B.), deren besonderes Interesse dem Zusammenhang von Arbeits- als Kommunikationsvollzügen mit neuen Medientechnologien gilt (grundlegend: Suchman 2007). Dass an derartige Perspektiven konzeptuell sogar die Analyse sozialer Verhältnisse anknüpfen kann, die – ermöglicht durch technische Medien – die physischen, räumlichen, zeitlichen, personellen und kognitiven Grenzen einer Interaktionssituation denkbar weit überschreiten, zeigt Knorr-Cetina (u. a. 2011) mit Blick auf die ‚globalen‘ organisationalen Verhältnisse der Gegenwart, wie sie z. B. „in Finanzmärkten, in wissenschaftlichen Großprojekten, in Bereichen des Terrorismus und in Teilen der Unternehmenswelt“ zu beobachten seien: Genuin globale Bereiche, die alle Zeitzonen umspannen, funktionieren anscheinend nach mikrosoziologischen Prinzipien, die durch interaktionistische Ideen erklärt werden. (KnorrCetina 2011, 82)
Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass in derartigen Situationen die im Sinne Goffmans verstandene Interaktionsordnung technisch durchdrungen und z. T. umgestaltet sei: Interaktion ist hier nicht mehr an Anwesenheit und Synchronität gebunden, sondern global und durch zeitliche Projektionen und Transaktionen gekennzeichnet (ebd., 83, 106). Zudem kommen neben den semiotischen Ressourcen
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der körpergebundenen Interaktion in „Face-to-screen“-Konstellationen (ebd., 87) auch „synthetische Komponenten“ (ebd., 82) zum Tragen: Durch diese werden, beispielsweise an den Arbeitsplätzen im Devisenmarkt, hoch komplexe ökonomische Verhältnisse in ‚skopischen‘ Medien bzw. semiotischen Systemen komprimiert (ebd., 85) und so arrangiert, dass die Körper der Menschen vor dem Bildschirm durch „unbedachte, aber optimierte Reaktionen“ (ebd., 98) an die Apparaturen gekoppelt werden. Zweifellos hat es die Erforschung organisationaler Kommunikation auch mit derartigen Phänomenen zu tun, die es erforderlich machen, räumlich distribuierte, langfristige und technisch verkörperte Prozesse in den Blick zu nehmen, die jenseits der lokalen Sinnstrukturen von Interaktionssituationen liegen. Auch ganz grundsätzlich ergibt sich das Problem, dass die Evolution sozialer (organisationaler) Strukturen die Zeithorizonte und Zweckkonstruktionen der daran Beteiligten weit überschreitet. Knorr-Cetinas Forschung kann allerdings exemplarisch zeigen, dass zwischen der Ordnung der Interaktion einerseits und der Sozialstruktur andererseits keine „tiefe Kluft“ (Knorr-Cetina 2011, 83) besteht, sondern dass sich im institutionellen und organisationalen Alltag auch die für eine bestimmte historische Konstellation charakteristischen Verhältnisse auffinden lassen. Dementsprechend kann auch die Analyse der so genannten „Makro-“ und „Mesostrukturen“ von Gesellschaft von der „Entdeckung der Langsamkeit als Methode und Epistemologie“ (ebd., 81) profitieren, für die Ethnomethodologie und Konversationsanalyse methodisch stehen. So kann einerseits gezeigt werden (vgl. bereits Knorr-Cetina 2001), wie organisationale Regularien und Normen im Vollzug durch die Beteiligten an Interaktionen etabliert werden und wie sie mit ihnen arbeiten. Andererseits setzen die Beteiligten insbesondere die restriktiven Rahmenbedingungen (constraints) des Arbeitens immer wieder als relevante Orientierungshilfen ein und zeigen durch deren kontinuierliche Nutzung, dass sie sie aus einem sozio-kognitiven, kollektiven Wissensspeicher schöpfen. Vor diesem Hintergrund ist das von Humboldt formulierte fundamentale Prinzip, dass Sprache „von endlichen Mitteln unendlichen Gebrauch“ macht, für Organisationen auch von unmittelbarem, praktischen Interesse. Denn es weist den Weg zu der Betrachtung rationaler Verwendungsbedingungen in der organisationalen Sprach- und Kommunikationspraxis bei gleichzeitiger Offenheit für innovative und sinnhafte Entwicklungen, die den Wert der menschlichen Arbeit steigern und den Arbeitsalltag erleichtern helfen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind kreativ in der Nutzung sprachlicher und interaktiver, auch textlicher Ressourcen im Sinne eines „Bricolage“ (Hebdige 1979), wenn es um die Bewältigung lokaler und kleinräumiger Handlungsanforderungen geht. Sie orientieren sich dabei an politischen, strategischen, beruflichen u. a. Vorgaben, die einen Teil ihres sozio-kognitiven Erfahrungs- und arbeitsweltlichen Lebensraums bilden. Dabei können neue individuelle Routinen und u. U. überindividuelle Muster entstehen, die als Sprach- und
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Kommunikationspraktiken eine organisationale Ressource darstellen. Deren Systematik ist für Organisationen von spezifischem Interesse – auch wenn sie keine Kategorien im engeren linguistischen Sinn (etwa Varietäten oder klar abgrenzbare Textsorten) sind. Denn in der Gestaltung kommunikativer Routinen und Prozeduren (Feilke 2012) liegen Potenziale für Effizienzsteigerungen bei ansonsten knapper werdenden Mitteln. Gegenwärtige Treiber für den organisationalen und unternehmerischen Wandel – etwa die Netzwerkbildung und Internationalisierung, die Ausdifferenzierung und Integration von Arbeitsprozessen, die zunehmende Agilität und Dienstleistungsorientierung ganzer Marktsegmente – bewirken einen allgemeinen Aufmerksamkeitszuwachs im Hinblick auf solche mikrostrukturellen Sprach- und Kommunikationspraktiken und ihre Dynamik. Zum Verhältnis von Wissen, Handeln und praktisch motiviertem Erkenntnisinteresse existieren in der Beschäftigung mit der organisationalen Kommunikation in der Praxis verschiedene Zugänge: Zunächst ist die Frage, wie neues Wissen durch gezielte und ganzheitliche Ansätze kreiert werden kann, für das Management von zentraler Wichtigkeit. Denn das Abschöpfen innovativer Wissenspotenziale durch gestaltende, systematische Maßnahmen leistet offensichtlich einen wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Organisationsentwicklung – selbst wenn in Interaktionen eine semantische Vagheit herrscht und deren Ertrag auf den ersten Blick risikobehaftet ist und bleiben muss (Menz 2000). Eine so genannte ‚lernende‘ Organisation akzeptiert und adaptiert Veränderungsbereitschaft grundsätzlich als Teil ihrer Kultur im Vollzug. Eine andere Perspektive, jenseits tendenziell emergenter kultureller Erscheinungen, fokussiert auf Elemente wie „Führung“, „Commitment“ und „Authentizität“, die sich sozial-interaktiv manifestieren und die in ihrer Gesamtheit der Organisationskommunikation die typische Identität und „Gestalthaftigkeit“ verleihen (vgl. Abteilung III, i. d. B.). Letztere ist bspw. Gegenstand der Betrachtungen eines an sozialer Interaktion interessierten Beobachters, der oder die z. B. im Rahmen eines Change Management-Prozesses durch die Sicherstellung eines kommunikativen „Alignment“ die Verwirklichung konkreter Ziele beabsichtigt (Ebert-Steinhübel 2013). Allerdings, dies hat eine große Zahl empirischer linguistischer Studien gezeigt, ist die Variabilität der tatsächlichen sprachlichen und kommunikativen Aktivitäten von Mitgliedern einer Organisation enorm groß: Sie ist von Ereignisstrukturen und lokalen Erfordernissen, betrieblichen Kontexten, schematischen Anforderungen an situational relevante Gesprächs- und Textsorten u. v. m. unmittelbar abhängig und praktisch nicht vorhersagbar.
3 Aufbau und Inhalt des Bandes Das vorliegende Handbuch gliedert die Vielfalt der Forschungsrichtungen im dynamischen Untersuchungsgebiet der organisationalen Sprach- und Kommunikations-
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praxis im Kern nach einschlägigen ontologischen Kategorien der (Angewandten) Sprachwissenschaft und des empirischen Konstruktivismus (vgl. Abschnitt 2). Dies impliziert, dass einerseits Stoßrichtungen der Forschung vorgestellt werden, die bereits über eine lange Tradition verfügen – etwa die Mehrsprachigkeitsforschung – und deren Interesse an der Spezifik der Organisationskommunikation auf einer breiten empirisch-methodologischen Basis gründet. Andererseits werden auch im Vergleich hierzu jüngere Gegenstandsbereiche präsentiert, etwa die Beschäftigung mit organisationsspezifischen Diskursformaten wie E-Mail (Kleinberger, i. d. B.) oder Leitbild (Nazarkiewicz, i. d. B.). Ein wesentlicher Schwerpunkt bei der Bildung von Kategorien stellt die phänomenologische Analyse und Modellbildung in der Auseinandersetzung mit sprachlichen und konversationellen Aktivitäten dar, die bei der Begegnung von Mitgliedern der Organisation beobachtet werden können. Ein Überblick über wichtige Forschungsrichtungen sowie Anwendungsfelder rundet die Systematik ab. Abteilung I des Handbuchs enthält Beiträge zu organisationalen Interaktionstypen und kommunikativen Gattungen. Von allen diskursiven Erscheinungsformen der organisationalen Sprach- und Kommunikationspraxis zählen diese zu den am besten erforschten Einheiten. Die Beiträge nehmen exemplarisch charakteristische soziale Konstellationen in den Blick. Der Beitrag von Christine Domke über innerbetriebliche Besprechungen, einen besonders gut erforschten Interaktionstyp, wird eingeleitet durch einen Überblick zu deren Merkmalen. Im Anschluss werden methodologische und analytische Grundlagen für die Analyse von Besprechungen reflektiert. Schließlich gilt Domkes besonderes Augenmerk der Besprechung als einer Form von Entscheidungskommunikation – diese gilt als ein zentrales Merkmal der Sozialform ‚Organisation‘. Im Mittelpunkt des Beitrags von Jan Gerwinski steht ein anderer charakteristischer Interaktionstyp, bei dem die sprachlichen (und anderen semiotischen) Äußerungen in Praktiken eingebettet sind, die weit über die Kommunikation hinaus in die Welt physischer Praxis hinein reichen. In Organisationen kommt ein solches, ‚empraktisches‘ Sprechen bspw. zum Tragen, wenn in kooperativen Arbeitshandlungen die Tätigkeiten der Beteiligten kommunikativ koordiniert werden müssen. Die besonderen Anforderungen, die eine Erforschung derartiger Praktiken einschließlich der sich verändernden Medieninfrastrukturen in methodischer Hinsicht stellt, erörtert Gerwinski am Beispiel von Feuerwehreinsatzübungen. Wie eine derartige empirisch-konstruktivistische Erforschung von Alltagspraktiken, speziell auf der Basis der Ethnomethodologischen Konversationsanalyse, im Kontext von Innovations- und Design-Kommunikation, einem Kernbereich industrieller Organisationen, relevant werden kann, erörtern Trine Heinemann und Ben Matthews. Typologisch werden dabei drei verschiedene Arten von Relationen zwischen Empirie und Gestaltung unterschieden, nämlich das empirisch informierte Design, die Nutzungsforschung als Bestandteil von Design-Prozessen sowie die empirische Erforschung der Design-Praxis selbst.
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Die Kommunikation mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht im Mittelpunkt des Beitrags von Ronald Hartz. Der Text nimmt seinen Ausgangspunkt bei Theorien des betriebswirtschaftlichen Mainstreams und erörtert vor diesem Hintergrund, inwiefern Mitarbeiterkommunikation gegenwärtig als besonders relevant erachtet und in welchen Formaten sie typischerweise realisiert wird. Die Grenzen einer in der Mainstream-Literatur vorherrschenden, strategisch-instrumentellen Sichtweise und eine alternative Konzeption („Stakeholder-Kommunikation“, vgl. Menz/Stahl 2008) werden im Licht sozialwissenschaftlicher und linguistischer Organisationstheorie diskutiert. Besondere Herausforderungen in der Kommunikation zwischen Agenten und Klienten von Organisationen erörtern am Beispiel eines klassischen Organisationstyps, der öffentlichen Verwaltung, Astrid Porila und Katharina Rosenberg. Vor dem Hintergrund einer typologischen Bestimmung divergenter Interaktionsvoraussetzungen werden hier auch linguistisch fundierte Problemlösungsansätze diskutiert. Im Mittelpunkt von Abteilung II des Handbuchs steht die Untersuchung klassischer Merkmale der modernen Organisation (Hierarchie, Bürokratie, Medieninfrastrukturen, Standardisierung) in der Perspektive der empirischen (angewandten) Linguistik: Andreas P. Müller arbeitet am Beispiel der mündlichen Kommunikation heraus, wie sich Hierarchie interaktional und sprachlich im Detail manifestiert. Michael Szurawitzki führt durch die klassische Bürokratie-Theorie und erörtert, wie sich praxisorientierte linguistische Ansätze hiermit auseinandergesetzt haben (Sprachkritik; Textoptimierung). Zudem wird die historische Entwicklung von Bürokratie im Zusammenhang mit der Geschichte der Schriftmedien als relevanter Gegenstandsbereich fokussiert. Mit dem Wechselspiel technologischer, gesellschaftlicher und organisationaler Veränderungen befasst sich im Blick auf Medieninfrastrukturen und ihre alltägliche Konstitution auch Daniel Perrin. Ein besonderes Interesse gilt den hierbei erforderlichen medienkommunikationsbezogenen Kompetenzen der Organisationsmitglieder („Multimedia-Mindset“), zu deren Entwicklung die angewandte Linguistik einen Beitrag leisten kann. Ulla Kleinberger beleuchtet ebenfalls die Relevanz medienlinguistischer Orientierung bei der Gestaltung von Mediennutzung auf individueller und organisationaler Ebene, und zwar am Beispiel der Ambivalenzen von E-Mail-Kommunikation. Wie sich in der Praxis organisationale Gestaltung im Modus sprachlicher und kommunikativer Standardisierung, von der Terminologie über ‚kontrollierte Sprache‘ bis zur Regulierung von Workflows, vollzieht, beschreibt in einem kenntnisreichen Überblick Susanne Göpferich. Es schließt sich eine Bewertung der Maßnahmen an, die deren eigene Zielsetzungen zum Maßstab nimmt. Wie sehr sich im Vergleich zu den „klassischen“ Perspektiven der Blick auf Organisationen im Zuge eines Cultural Turn gewandelt hat, verdeutlichen die Beiträge in Abteilung III des Handbuchs. An die Stelle der Vorstellung von Homogenität und Standardisierung tritt ein – seinerseits rational reflektierter – wertschätzender Umgang mit sprachlicher und kultureller Diversität, wie Patachareerat
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Yanaprasart in einem grundlegenden Beitrag zur Theorie- und Begriffsbildung darlegt. Verschiedene, für die Gegenwart typische Konstellationen von organisationaler Mehrsprachigkeit, gängige manageriale Lösungsansätze und deren Grenzen, alltägliche Potentiale für Problemlösung und Innovation sowie diesen förderliche Rahmenbedingungen erörtert Bernd Meyer. Das Spannungsfeld zwischen Top down- und Bottom up-Logiken im Umgang mit organisationaler Mehrsprachigkeit rückt auch der Beitrag von Georges Lüdi ins Blickfeld. Wie die Erforschung kulturell und ökonomisch förderlicher Mehrsprachigkeit in Unternehmen nicht nur das soziolinguistische Theorierepertoire, sondern auch das Handlungsrepertoire von Sprachenmanagement und Sprachenpolitik erweitern kann, wird anhand eines von der Europäischen Union geförderten Forschungsprojekts (DYLAN) eindrucksvoll vorgeführt. Einer Steuerung von Organisationen, aber auch der öffentlichen Vermittlung von Produkten bzw. Marken mit kulturellen Mitteln dient in prominenter Weise die Textsorte ‚Leitbild‘, auf die heute kaum eine (größere) Organisation verzichten kann. Wie Kirsten Nazarkiewicz am Beispiel des weltweit bekannten „Holstee Manifesto“ eines Ökodesign-Labels vorführt, können Leitbilder, deren Inhalte aufgrund von Marktgesetzen oftmals mehr oder weniger austauschbar erscheinen, gesellschaftlich-ökonomische Entfremdungsverhältnisse kaum kaschieren, ebenso wie Machtasymmetrien innerhalb von Organisationen. Allerdings können sie – gegen den Strich gelesen und genutzt – u. U. dabei helfen, derartige ideologische Spannungsfelder analytisch aufzudecken und Akteure in (öffentlichen) Rechtfertigungsdiskursen „beim Wort zu nehmen“. So gesehen, läge der Wert der Leibilder nicht im Textprodukt, sondern in den Prozessen ihrer Entstehung und Aneignung. Für eine ähnliche Dynamisierung der Perspektive in Bezug auf organisationale Narrative bzw. Narrationen plädiert auch Anna Linda Musacchio Adorisio, die entgegen einer in der Forschung vorherrschenden repräsentationistischen Sichtweise auf organisationales Storytelling den performativen Aspekt des Erzählens in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. In Abteilung IV werden ausgewählte Forschungsrichtungen einer empirischkonstruktivistischen Organisationsforschung konzise dargestellt. Frank Oberzaucher stellt mit der Konversationsanalyse und den Studies of Work zwei aus der Ethnomethodologie entstandene Ansätze vor: Während auf der Basis der Konversationsanalyse sprachliche und multimodale interaktionale Abläufe mit technischen Mitteln registriert und ereignisstrukturell rekonstruiert werden können, beziehen die Studies of Work, die sich speziell für Interaktion in institutionellen Kontexten interessieren, mit Hilfe ethnografischer Verfahren auch das von den Beteiligten wechselseitig als mitgebracht unterstellte Wissen nachvollziehbar in die Analyse mit ein. Dirk vom Lehn präsentiert mit den Workplace Studies einen Ansatz im Grenzbereich von Soziologie, Anthropologie und Kognitionswissenschaften, die den sozialwissenschaftlichen Schlüsselbegriff ‚Arbeit‘ in einer strikt empirischkonstruktivistischen Weise aufgreifen und dabei besonders technologische, organi-
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satorische und interaktionale Aspekte in ihrem dynamischen Zusammenspiel rekonstruieren. Während die zuvor genannten Ansätze sich ihren Untersuchungsfeldern möglichst auf der Basis wissenschaftlicher Wertneutralität nähern, richtet sich das Augenmerk der von Heiko Motschenbacher vorgestellten Kritischen Diskursanalyse bei der Untersuchung institutioneller und organisationaler Kommunikation dezidiert auf die Analyse von und Kritik an unausgesprochenen Praktiken der Machtausübung und Diskriminierung, wobei mündlicher und schriftlicher Sprachgebrauch betrachtet werden. Probleme der Kritik, u. a. im Zusammenhang mit der Konstruktion von Gender, blendet auch die Angewandte Gesprächsforschung nicht grundsätzlich aus. Typischer für diesen Ansatz, der im Mittelpunkt des Beitrags von Sylvia Bendel steht, ist freilich die Frage nach der wissenschaftlich unterstützten, alltagspraktischen Bewältigung von Verständigungsproblemen, wie sie für bestimmte organisationale Gesprächstypen (u. a. Besprechungen; Verkaufsgespräche; Servicegespräche; Reklamationsgespräche) charakteristisch sind. Auf das Feld der kognitiv-linguistischen Organisationsforschung führt der Beitrag von Christopher M. Schmidt, der am Beispiel bildschematischer Repräsentationen zeigt, wie kulturell geprägte Modelle das Denken über und Handeln in Organisationen fundamental beeinflussen können. In der letzten Abteilung des Bandes werden Anwendungspotentiale einer empirisch-konstruktivistischen bzw. linguistischen Erforschung organisationaler Kommunikation im Blick auf ihre Möglichkeiten und Grenzen erörtert. In allen Fällen ist es hierzu erforderlich, die sprachwissenschaftlichen Perspektiven zum Wissen und Können der Praktikerinnen und Praktiker in Beziehung zu setzen, das auch Wissensbestände aus anderen Disziplinen umfassen kann. Auf der Basis umfassender praktischer Erfahrungen und theoretischer Reflexion vor dem Hintergrund verschiedener wissenschaftlicher Bezugsdisziplinen spezifizieren Peter Franklin und Helen Spencer-Oatey neben begrifflichen Grundlagen wünschenswerte Rahmenbedingungen, mögliche Ziele und Erträge sowie Inhalte, Methoden und Werkzeuge von Trainings, die auf die Entwicklung interkultureller Interaktionskompetenz in organisationalen Kontexten zielen. Ein besonderes Augenmerk gilt den komplexen Voraussetzungen, die die Trainerinnen und Trainer selbst mitbringen müssen. In ähnlicher Weise verankert in reflektiertem praxeologischen Wissen ist der Beitrag über das Praxisfeld ‚Coaching‘ von Antje und Werner Pfab, der vor diesem Hintergrund dem Anspruch gesprächslinguistischer Forschung, unmittelbar für das Kerngeschäft des Coaching relevantes Wissen beizutragen, mit beträchtlicher Skepsis begegnet. Das Problem einer Qualitätsbewertung von organisationaler Kommunikation steht im Mittelpunkt der Beiträge von Eva-Maria Jakobs und Monika Dannerer, die beide praxisrelevante wirtschaftswissenschaftliche und angewandt-linguistische Konzeptualisierungen zueinander in ein Verhältnis zu setzen versuchen. Hierbei zeigt sich, dass – bei aller Fremdheit zwischen den Disziplinen – ‚ökonomische‘
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Aspekte im weiteren Sinne der (Angewandten) Sprachwissenschaft nicht grundsätzlich fremd sind, so wie umgekehrt sprachliche Kommunikation als teils direkt, teils indirekt relevante ökonomische Einflussgröße in betriebswirtschaftlichen Modellen zu verankern ist. Der Band schließt wissenschaftsbezogen mit einem Beitrag von Cornelia Hegele-Raih, die in einem instruktiven Überblick darlegt, wie die sprachlich-symbolische Dimension von Organisationen in einer durch den Linguistic turn philosophisch beeinflussten Organisationstheorie seit den 1980er Jahren im Rahmen verschiedener Paradigmen zum Tragen kam, nicht zuletzt im Blick auf das Phänomen des organisationalen Wandels.
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I Organisationale Interaktionstypen und kommunikative Gattungen
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1. Arbeitsbesprechungen in Organisationen Abstract: Der vorliegende Beitrag stellt mit Arbeitsbesprechungen einen für den organisationalen Alltag zentralen Interaktionstyp vor und fokussiert die bisherige interaktionsorientierte Forschung. Ausgehend von der Komplexität von Besprechungen wird zunächst in 2.1 skizziert, was als ‚typisch‘ für Besprechungen gilt. 2.2 diskutiert empirisch fundierte Arbeiten und nimmt Querverbindungen zwischen den einzelnen Studien und Verortungen innerhalb der methodologischen und thematischen Vielfalt vor. Der zunehmend relevante Aspekt der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität wird in 2.3 angeführt. In 2.4 werden die unterschiedlichen analytischen Zugänge gebündelt. In Abschnitt 3 wird die Relevanz von Entscheidungen für Organisationen (in 3.1) und danach die Besprechung als Entscheidungskommunikation (in 3.2) nachgezeichnet. Der Beitrag endet mit einem Fazit und Ausblick auf erwartbare und wünschenswerte Forschung zu Besprechungen.
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Einleitung Besprechungen in sprach- und interaktionsorientierter Forschung Entscheidungen und/in Besprechungen Fazit und Ausblick Literatur
1 Einleitung Besprechungen erscheinen im Arbeitsalltag gelegentlich als janusköpfige Veranstaltung: Auf der einen Seite haften ihnen Attribute wie ‚zeitraubend‘ und ‚oft ergebnislos‘ an, auf der anderen Seite gelten sie als ‚informativ‘ und ‚teamförderlich‘ (vgl. u. a. Meier 1997; Dannerer 1999; Domke 2008). Dieser Doppelgesichtigkeit steht der wissenschaftliche Fokus gegenüber, der Klarheit in Bezug auf die zahlreichen Facetten des Besprechens herausarbeiten will. Zu den allgemeinen Fragen, die sprach- und kommunikationsorientierte Arbeiten letztlich unweigerlich übergreifend mit beantworten, zählt: Welche Funktion erfüllen Besprechungen als fester Bestandteil fast jeder Organisation? Was wird eigentlich besprochen? Warum dauern Besprechungen so lange? Empirisch orientierte Ansätze, die in der Linguistik und in der Soziologie prominent verortet sind (s. u. sowie Beitrag 16 ff. i. d. Bd.), nähern sich Fragen wie diesen nicht aus einem normativen Blickwinkel, sondern aus einem deskriptiven, der auf der Basis authentischer Daten den vielgestaltigen Interaktionstyp Besprechung in seiner Spezifik zu erfassen versucht. Im Folgenden steht diese empirisch fundierte Perspektive im Zentrum, wenn es darum geht, die bisherige, sprachwissenschafthttps://doi.org/10.1515/9783110296235-001
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lich orientierte Besprechungs-Forschung mit ihren Schwerpunkten vorzustellen. Dass Besprechungen im Kontext von Sprache in Organisationen als bedeutsam diskutiert werden (siehe Vorwort), hat verschiedene Gründe (vgl. Menz/Müller 2008), die in Relation zu der o. a. Vielgestaltigkeit dieses Interaktionstyps gesetzt werden können. Dass Besprechungen oftmals einige Stunden andauern, resultiert aus ihrer beachtlichen Komplexität, die der Anzahl der Beteiligten, der Anzahl der geplanten oder situativ entstehenden Themen sowie den unterschiedlichen Perspektiven auf das zu Besprechende geschuldet ist. Gerade die interaktive Dichte kommunikativer Handlungen macht die Besprechung zu einem interessanten und vielversprechenden Untersuchungsgegenstand, der Erkenntnisse zu verschiedenen Aspekten mündlicher Interaktion verspricht. Themeninitiierung und -bearbeitung, Problemdiskussion, die Funktion des Moderators, Humor und Hierarchie sowie Beginn und Ende von Besprechungen sind nur einige der möglichen Untersuchungs-Schlagworte (siehe 2.2). Besprechungen sind eine mündliche Interaktionsform, die nicht selten die einzige Gelegenheit zum Austausch und überhaupt zur Wahrnehmbarkeit aller Mitarbeiter oder bestimmter Gruppen bietet – dies unterstreicht ihre alltägliche und auch analytische Relevanz im kommunikativen Zentrum von Unternehmen und Institutionen (vgl. Müller 2006, 18). In ihnen laufen viele Handlungsstränge in Organisationen zusammen, Zuständigkeiten und Probleme werden für alle sichtbar, wenngleich auch nicht immer lösbar. Eine Besprechung kann als deutlich abgrenzbares Interaktionssystem bzw. als spezifische Interaktionsform verstanden werden, die in der Untersuchung gut von anderen Kommunikationsformen in Organisationen unterschieden werden kann (s. u.). Der nachfolgende Überblick über die sprachwissenschaftlich orientierte Forschung auf diesen facettenreichen Interaktionstyp umfasst in 2.1 Allgemeines zu Besprechungen als Forschungsgegenstand. In 2.2 werden Forschungsarbeiten zu Besprechungen vorgestellt, die diese als eigenständigen und besonderen Interaktionstyp herausarbeiten, sowie solche mit selektiveren Fragestellungen. Danach gilt es in 2.3 mit interkulturellen Besprechungen weitere Untersuchungsthemen aufzuspannen und mit Mehrsprachigkeit ein immer mehr zum Berufsalltag zählendes Merkmal anzuführen. In Abschnitt 2.4 erfolgt eine Bündelung der erkennbaren theoretischen und methodologischen Schwerpunkte bisheriger sprachwissenschaftlich orientierter Forschung zu Besprechungen. Mit dem Fokus auf Entscheidungen wird in Abschnitt 3 der zentrale Fluchtpunkt von Organisationen vorgestellt: Die konstitutive Bedeutung von Entscheidungen für Organisationen wird in 3.1 skizziert, und in 3.2 wird herausgearbeitet, welchen Beitrag Besprechungen aus dieser Perspektive zum Fortbestand von und zur weiteren Arbeit in Organisationen leisten können. Ein Fazit mit einem Ausblick auf mögliche zukünftige Forschung beendet diesen Beitrag.
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2 Besprechungen in sprach- und interaktionsorientierter Forschung 2.1 Besprechungen als Untersuchungsgegenstand Besprechungen zählen im Kontext der sprach- und interaktionsorientierten Forschung zu den bisher intensiver untersuchten Gesprächstypen der Kommunikation unter Anwesenden. Neben den für Wirtschaftskommunikation als nahezu prototypisch geltenden, gut erforschten Verkaufsgesprächen (vgl. u. a. Brünner 2000, 47 ff.; Firth 1995; Pothmann 1997), den ebenfalls gut erforschten, häufig telefonisch stattfindenden Reklamationsgesprächen (vgl. u. a. Schnieders 2005) sowie den allgemeinen Call-Center-Gesprächen (vgl. Bendel 2006 und 2007; Haase u. a. 2003; Matuschek/Kleemann 2006) haben Besprechungen bisher reges analytisches Interesse geweckt. Dies ist vor allem der bereits erwähnten Komplexität dieses eigenständigen Interaktionssystems geschuldet, die trotz unterschiedlicher Analyseverfahren und -foki als globales Ergebnis der in den vergangenen Jahren erschienenen Studien festgehalten werden kann. Als konstitutive Merkmale von Besprechungen, wie sie in diesem Beitrag verstanden werden, seien folgende angeführt (vgl. hierzu Meier 1997; Dannerer 1999; Brünner 2000; Domke 2006): – Besprechungen werden – bei unterschiedlicher Bezeichnung im Alltag (etwa Meeting, Jour Fixe) – in der interaktionsorientierten Forschung als interne Form der Unternehmens- bzw. allgemeiner der Organisationskommunikation verstanden. – Sie sind dadurch charakterisiert, dass Vorgesetzte und/oder leitende Angestellte und/oder Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen in wiederkehrenden Abständen an einem Besprechungsort zusammenkommen, somit füreinander wechselseitig wahrnehmbar sind. – Zu den Gegenständen dieser geplanten und fokussierten Interaktion zählen vor allem Neuigkeiten, Zustände und Ereignisse in organisationsinternen Arbeitsabläufen, Problemschilderungen aus verschiedenen Arbeitsbereichen sowie Lösungsdiskussionen und Handlungsalternativen für zukünftige Vorgehen. – Damit verbunden sind als zentrale sprachliche Handlungen INFORMIEREN, DISKUTIEREN, VORSCHLAGEN, PLANEN, FESTLEGEN, DELEGIEREN und damit erkennbar sehr unterschiedliche, diskursiv geprägte kommunikative Verfahren. – Die Anwesenden sind an dieser Interaktionsform auf der Basis bestimmter, geltender Entscheidungen oder Festlegungen in der Organisation über Verantwortungsbereiche und Positionen und an ihrer situativen Entstehung beteiligt (vgl. hierzu Domke 2008). Die erkennbare Dichte der ablaufenden Handlungen und die unvorhersehbare Dynamik von Besprechungen gerät jedoch nur in den Blick, wenn eine am Vollzug
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des lokal, situativ entstehenden Interaktionssystems ausgerichtete Perspektive authentische Daten untersucht. Diese Orientierung teilen die interaktionsorientierten Arbeiten, die nun mit ihren jeweiligen Schwerpunkten vorgestellt werden.
2.2 Besprechungen in der interaktionsorientierten Forschung Als eine der ersten konversationsanalytisch fundierten Arbeiten, die Besprechungen bzw. in diesem Fall Meetings auf der Basis authentischer Aufnahmen zum Gegenstand von Analysen machte, ist „The business of talk“ von Boden (1994) zu nennen. Wie es für konversationsanalytische Arbeiten üblich ist (siehe 2.4), ist der Fokus von Boden geprägt durch die Nachzeichnung des Vollzugs kommunikativer Handlungen, d. h., im Zentrum der Studie steht die Frage nach der konkreten Hervorbringung lokaler Strukturen (vgl. dazu auch Meier 1997; Domke 2006; Deppermann u. a. 2010). Wie Organisationen durch Kommunikation (re)produziert werden, untersucht Boden auf der Basis sehr unterschiedlicher Daten, u. a. mit Bezug zu sowohl Meetings als auch Telefongesprächen aus einem Forschungsbüro, einem Fernsehsender und einer Reiseagentur. Dies unterscheidet die Arbeit von explizit auf Besprechungen ausgerichteten Studien und erschwert ein weitergehendes Anknüpfen an diese einzelnen Analysen, nicht zuletzt auch deswegen, weil Boden kaum in ihr Datenmaterial einführt und die Unterschiedlichkeit der herangezogenen Gesprächstypen nicht systematisch herausarbeitet (konträr dazu etwa Dannerer 1999, die neben intensiver Transkriptarbeit in ihrer Studie ein vollständiges Transkript einer Besprechung in den Anhang stellt). Boden verbindet ihre kleinschrittigen Analysen, und das ist auch zwei Jahrzehnte später noch nicht zur Selbstverständlichkeit geworden, mit weitergehenden Überlegungen, die die Mikro-Perspektive der Konversations- oder allgemeiner Gesprächsanalyse mit eher makro-orientierten Ansätzen aus der Soziologie und Organisationsforschung verbinden (vgl. aber z. B. Menz 2000; Habscheid 2003; Domke 2006). Damit zielt sie auf die Verbindung von Interaktionen und Organisationsstruktur und die fundamentale Bedeutung von „talk-as-structure“ (Boden 1994). Gerade in diesem prozessorientierten Zugang zeigt sich ein mittlerweile breiter vertretendes Verständnis von Organisationen: Diese werden als immer wieder situativ hervorgebracht verstanden; nach Weick, auf den Boden neben der Entscheidungstheorie von March (1990, siehe Abschnitt 4) sowie Giddens Strukturalismuskonzept (vgl. Giddens 1997) Bezug nimmt, wird dabei der Prozess im Sinne des „Organisierens“ (vgl. Weick 1985) fokussiert. Die Organisation „in-action“ arbeitet sie u. a. in Bezug auf einzelne Aspekte wie Paarsequenzen bzw. Frage/Antwort (Boden 1994, 123 ff.) sowie Berichterstattungen heraus (Boden 1994, 140 ff.). Ihr abschließendes Fazit, dass die Qualität der Organisation im Gespräch liege (Boden 1994, 215), kann gleichsam als pionierhafte Motivation für die anschließende Forschung zu Kommunikation in Organisation angesehen werden, die Interaktionsanalysen mit organisationstheoretischen Impulsen zusammenführt. Zentral ist auch die von Boden vor-
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genommene Positionierung der Entscheidung im Zentrum allen Organisierens; gleich zu Beginn wird „decision-making“ als konstitutiv für jede Form der Organisation angesehen (Boden 1994, 1) und damit eine Grundannahme der Organisationstheorie angeführt, auf die in den meisten gesprächsanalytischen Arbeiten jedoch nur am Rande und selten theoretisch fundiert hingewiesen wird (siehe Abschnitt 3). Bodens Arbeit kann also zugesprochen werden, zentrale Überlegungen wie die Relevanz von Entscheidungen und die Wechselwirkung zwischen „talk/structure“ früh analytisch erfasst zu haben, wenngleich ihr die Rückbindung an theoretische Überlegungen noch nicht systematisch genug gelingt (vgl. hierzu u. a. Menz 2000, 24). Die folgenden Monographien rücken Besprechungen ganz in das Zentrum und fokussieren konkreter die Möglichkeiten, mit authentischem Datenmaterial systematisch die Hervorbringung besprechungskonstitutiver Handlungen zu untersuchen. Mit Blick auf die fundamentale Frage, was dazu führt, dass wir eine Interaktionsform als Besprechung wahrnehmen, ist die ebenfalls konversationsanalytisch fundierte Arbeit von Meier (1997) zuallererst zu nennen. Sein Datenmaterial umfasst 35 Stunden Videomaterial teils beruflicher, teils privater Zusammenkünfte und damit die Möglichkeit, die konstitutiven Verfahren der lokalen Herstellung von Besprechungen in Bezug auf Sprachliches und Nicht-Sprachliches zu untersuchen. Dies ist auch aus heutiger Perspektive noch erwähnenswert, ist die Möglichkeit, Videoaufnahmen von Besprechungen erstellen und in Bezug auf ihre multimodalen Verfahren angemessen untersuchen zu können, keinesfalls zum Forschungsalltag geworden (vgl. Deppermann u. a. 2010). Meier unterscheidet bei den besprechungskonstituierenden Handlungen zwischen „eher kontextetablierenden Verfahren einerseits und auf dem etablierten Kontext aufsetzenden Verfahren andererseits“ (Meier 1997, 11). Als kontextetablierend bestimmt er dabei Verfahren der Fokussierung der gemeinsamen Aufmerksamkeit sowie zur Genese bestimmter sozialer und lokaler Identitäten; das Einbringen von Vorschlägen und Diskutieren sowie Entscheidungen sieht er demgegenüber eher als auf einen bereits etablierten Kontext aufsetzend an. Dass es für eine Besprechung nicht ausreicht, dass Teilnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort anwesend sind, wird durch die detaillierten Analysen Meiers deutlich. Untersucht wird beispielsweise, dass und wie die Partikel „so“ dazu beiträgt, die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf die geplante Interaktion zu fokussieren (Meier 1997, 71 ff.), und wie die Interaktion in ihrem Verlauf (re-)strukturiert wird. Die bereits erwähnten, für Organisationskommunikation als konstitutiv geltenden Entscheidungen sieht auch Meier als „allgegenwärtig“ an (Meier 1997, 228), führt diese jedoch nicht theoretisch fundiert aus. Zu den zahlreichen, auf der Basis der Transkripte nachgezeichneten besprechungsrelevanten Verfahren zählen im Kontext der Modifikation von Vorschlägen „Reformulieren und Feststellen und Bewerten“ (vgl. Meier 1997, 195 ff.) sowie im Kontext des Herbeiführens von Annäherung „Nachgeben und Zuspitzen“ (Meier 1997,
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230 ff.). Sie machen die Besprechung als eigenständige soziale Form wahrnehmbar, die durch spezifische Beteiligungsrollen und interaktiv zu lösende Aufgaben geprägt ist. Auch die zeitgleich erschienene Arbeit Müllers (1997) geht von sowohl lokal generierten Aspekten als auch von durch organisationale Rahmenbedingungen vorgegebenen Merkmalen aus; sie fokussiert mit Macht und Dominanz jedoch ganz andere Schwerpunkte. Auf der Basis von acht Besprechungen aus vier Unternehmen zielt Müller (1997) auf das gerade für organisationsinterne Kommunikation zentrale (Wechsel-)Verhältnis von hierarchischer Position und (sprachlichen) Handlungen (s. u.) und in diesem Zusammenhang genauer auf die beobachtbaren Verfahren von „Kontrolle“ (Müller 1997, 185 ff.). Für die notwendigen analytischen Verbindungen zwischen der rahmenden Unternehmensstruktur einerseits und der konversationsanalytischen Annahme von der lokalen Generierung sozialer Ordnung andererseits entwickelt Müller eine „dialektische Perspektive“ (Müller 1997, 9 ff.). Diese beinhaltet nach der Analyse der Beziehungsebene der Besprechungsteilnehmer die Feststellung von zehn beziehungsrelevanten Faktoren, die wiederum eher der Struktur des Unternehmens oder dem interaktiven Kontext zugeordnet werden. Davon ausgehend arbeitet Müller für sein Datenmaterial die Verfahren heraus, die relevant für die interaktive Hervorbringung der beiden zentralen Aspekte Macht und Dominanz sind: Dazu zählen im Kontext der Steuerung Verfahren der Fokussierung und die Themeneröffnung (Müller 1997, 91 ff.), im Kontext der Kontrolle Verfahren wie das „Hervorheben der Position“ und „Abwerten der Partneraktivität“ (Müller 1997, 187 ff.). Dass Müller die konversationsanalytische Perspektive auf authentische Daten um ethnographisches Wissen aus den einzelnen Organisationen erweitert, lässt sich mit anderen, seitdem entwickelten Überlegungen verbinden, die in Frage stellen, dass der konversationsanalytische Zugang in bestimmten Zusammenhängen allein ausreiche (vgl. allgemein Deppermann 2000; im Kontext von Organisationskommunikation Hausendorf 2008; Domke 2011). Den Abschluss der Studie bildet ein Modell „sozialer Strukturiertheit in arbeitsweltlichen Gruppengesprächen“, das drei entscheidende, in Wechselwirkung zueinander stehende Faktoren umfasst: die Position der Beteiligten im Unternehmen, die aktuelle Situation und die sprachliche Aktivität (Müller 1997, 335 ff.). Die Analysen erhellen, wie in Besprechungen hierarchische Positionen lokal (re)produziert werden und wie die Interaktionen zur Genese des Status der Beteiligten beitragen können. Das von Müller relevant gesetzte, von Boden bereits aufgespannte Verhältnis von Mikro- und Makrostruktur (vgl. hierzu aus linguistischer Perspektive Habscheid 2000; aus soziologischer Luhmann 1997b) ist seitdem weiter bearbeitet worden (vgl. u. a. Menz 2000; Domke 2006) und die Organisation zudem vermehrt als mittlere, auch Meso-Ebene innerhalb der gesellschaftlichen Funktionsbereiche verstanden worden (hierzu Domke 2014, 159 ff.): Dies thematisiert die fundamentale Frage, welchen Einfluss die geltende Struktur in Organisationen (wie Positionen oder Entscheidungsbefugnisse) auf die jeweilige Interaktion hat.
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Die Bedeutung ethnographischer Daten wird in einer nachfolgenden Studie Müllers noch deutlicher: In „Sprache und Arbeit“ (Müller 2006) wird Unternehmenskommunikation im Gesamt fokussiert und untersucht, welche kommunikativen Aufgaben täglich von allen Organisationsmitarbeitern bewältigt werden. Auf der Basis von Besprechungen und Interviews mit den Angestellten eines internationalen Unternehmens in Spanien, Frankreich und Deutschland sowie teilnehmenden Beobachtungen in den Betrieben hat Müller die Lebenswelt der Mitarbeiter mit den sozial-stilistischen Merkmalen ihrer Kommunikation in Relation zueinander gesetzt. Sein ethnographischer Zugang ermöglicht es, einen Zusammenhang zwischen den zu lösenden kommunikativen Aufgaben im FabrikArbeitsalltag und der Sozialstilistik innerhalb der unterschiedlichen Positionen herzustellen (wie Firmen- und Abteilungsleitung, Gruppenleitung, Arbeiter, vgl. Müller 2006, 259 ff.). In den Fokus rückt damit: eine auf interaktionsanalytischen Gesichtspunkten beruhende interpretative Kontinuität, die das gegebene gesellschaftliche ‚Milieu‘ als methodologische Kategorie anerkennt (Müller 2006, 282).
Hier wird die Leistung linguistischer Instrumentarien für das Verständnis des organisationalen Alltags einmal mehr deutlich und auch, dass die zunehmend beobachtbare Zusammenführung verschiedener Ansätze, zumal aus der Linguistik, Soziologie und Organisationstheorie (vgl. Domke 2011), empirisch fundierte und auch neue Einsichten in das Verhältnis von kommunikativem Ausdruck und Arbeit zu bringen in der Lage ist. Bereits früh hat Schwartzman (1989, 1993) aus anthropologischer und ethnographischer Perspektive die Bedeutung von Meetings für Organisationen herausgestellt, die von der Sichtweise als selbstverständlichem Bestandteil des Alltags befreit werden müssten, „to consider them as an extraordinary as opposed to ordinary phenomenon, to view them backwards and forwards“ (Schwartzman 1989, 12). Die Leistung von Meetings erscheint als nicht direkt sichtbarer Beitrag zur Organisationsstruktur, etwa in Bezug auf „the recurring context in which power seemed to be generated“ (Schwartzman 1989, 216). Im Zusammenhang mit Hierarchie in Besprechungen sind auch einzelne Beiträge zu nennen, die sukzessive als Ergebnisse der Analyse umfangreicher Korpora publiziert wurden. In Schmitt (2002) und Schmitt/Heidtmann (2002) wird Hierarchie in Besprechungen fokussiert und aus konversationsanalytischer Perspektive ein Konzept zum bereits angesprochenen Mikro-Makro-Problem erarbeitet. Auf der Basis von Daten aus Besprechungen mit Software-Entwicklern eines SoftwareUnternehmens und Aufzeichnungen aus dem Editing einer großen Unternehmensberatung wird hier die interaktive Herstellung von Hierarchie nachgezeichnet (vgl. auch den Beitrag von Müller i. d. Band). Die Arbeiten entstanden im Rahmen des Teilprojektes „Kooperation in Arbeitsgruppen“ zum Forschungsprojekt „Kommunikative soziale Stilistik des Deutschen“ am Institut für deutsche Sprache (IDS) in Mannheim. Deutlich wird durch Analysen wie diese, was eine interaktionsorientierte Perspektive in Bezug auf die Komplexität der Interaktionsform Besprechung
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beitragen kann; ein Bezug auf Organisationstheorien erfolgt dabei jedoch nicht, so dass die Interaktionsverläufe nicht systematisch an die Organisationen rückgebunden werden. Auch das Teilprojekt von Spranz-Fogasy (2002a und 2002b) zu „Kommunikativem Handeln gesellschaftlicher Führungskräfte“ zählt zu dem IDS-Projekt. Im Zentrum steht hier der Stil von Funktions- und Entscheidungsträgern an der Spitze von Organisationen und Institutionen, der selten empirisch fundiert zum Gegenstand linguistischer Analysen wird. Die Basis für die Arbeiten bildet ein großes Korpus von etwa 75 Stunden Ton- und Videoaufnahmen, das vergleichbar zu den Daten von Menz (s. u.) verschiedene organisationale Interaktionsformen umfasst wie Besprechungen, bilaterale Gesprächen und Telefonate. Im Fokus der Analysen und Beschreibungen von Spranz-Fogasy stehen die komplexen kommunikativen Aufgaben, die Führungskräfte in ihrem Arbeitsalltag zu bewältigen haben. Ethnographische Beobachtungen ermöglichen den Nachvollzug ihrer vielgestaltigen kommunikativen Tagesabläufe und geben, was im Kontext der hier angeführten Arbeiten eine Ausnahme darstellt, Einblicke in diese Form und auf diese Ebene der beruflichen Alltagskommunikation. Spranz-Fogasy zielt mit seiner stilanalytischen Perspektive auf die Erfassung der „Gesamtheit der sprachlichen und nicht-sprachlichen sowie der interaktiven Ausdrucksmittel“ (Spranz-Fogasy 2002a, 217 f.). Deutlich wird durch die Beiträge einmal mehr, wie relevant Kommunikation in Organisationen ist und was gerade Führungskräfte kommunikativ leisten müssen – die Besprechung ist nur eine von vielen Aufgaben in ihrem Alltag. Gleichsam auf zu bewältigende Aufgaben im Betrieb zielt die Monographie von Thörle (2005), die ausgehend von französischen Arbeitsbesprechungen, die zum Korpus der bereits erwähnten Studie von Müller (2006) zählen, gesprächsanalytischstilistische Analysen erarbeitet. Die in Besprechungen manifestierten Interaktionsmuster stehen im Fokus der Arbeit, die den konversationsanalytischen Zugang um ethnographische Beobachtungen und vor allem interaktions-stilistische Schwerpunkte erweitert. Aus diesem auf konkrete Arbeitsaufgaben zielenden, pragmatisch fundierten breiten analytischen Blickwinkel werden „Arbeitsaufgabe“, „Identität“, „Muster“ und „Stil“ als zentrale „Ecksteine“ der fachbezogenen Kommunikation in Betrieben identifiziert (Thörle 2005, 211 ff.). Thörle (2005, 236) versteht Stil, konträr etwa zu Spranz-Fogasys (2002a und 2002b) situationsübergreifender Perspektive, als „lokales Phänomen“. Dadurch rückt in der Studie ins Zentrum, welche Aufgaben [die Beteiligten] gerade bearbeiten und welchen Aspekt ihrer beruflichen Identität sie dabei als relevant betrachten, d. h. als Teil welcher Gruppe im Betrieb sie sprechen, welche fachliche Kompetenz und welchen sozialen Status sie in diesem Moment beanspruchen bzw. dem Gegenüber zugestehen. (Thörle 2005, 236)
Mehr auf die typischerweise in Besprechungen beobachtbaren Handlungen zielt die Monographie von Dannerer (1999). Ihr Korpus umfasst Audio- und Videoaufnahmen von acht Besprechungen aus einem großen Unternehmen. Aus dem Blick-
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winkel der Funktionalen Pragmatik untersucht sie die Besprechungen in Bezug auf konstitutive Handlungsmuster; das Ziel der Arbeit liegt darin, die Analyseergebnisse für den (Fach-)Fremdsprachenunterricht zu didaktisieren. Muster gelten dabei als etablierte, tiefenstrukturelle Handlungen, die in den jeweiligen Besprechungen als Oberflächenrealisierungen (re-)produziert werden (Dannerer 1999, 52 ff.). Als relevante Bestandteile der besprechungsspezifischen Musterpositionen werden herausgearbeitet: Besprechungseröffnung, Informieren, Dissens-Austragen, Aufgaben-Festlegen sowie Besprechungsbeendigung. Im Gesamt liegt die Charakteristik der Besprechung hier im „kollektiven Problemlösen“ (Dannerer 1999, 56), was der zweckorientierten Analyse der funktionalpragmatischen Anlage entspricht. Neben der Musteranalyse untersucht Dannerer auch den Verlauf des Besprechens in Bezug auf die „thematische Organisation und das Themenmanagement“ (Dannerer 1999, 203 ff.). Hier wird nicht die Tiefenstruktur des globalen Handlungsmusters, sondern dessen konkrete Realisierung herausgearbeitet. Die Konzentration auf Muster verhindert gelegentlich, dass der konkrete, interaktiv dynamische und auch stilistische (vgl. Thörle 2005, 236) Verlauf der Besprechung in den Fokus gerät, befördert aber – und das vor allem auch durch das im Anhang der Arbeit publizierte, vollständige Transkript einer Besprechung – die Vergleichbarkeit zu anderen Studien herzustellen. Auch in dem diskursanalytischen Beitrag von Brünner (2000) stehen einzelne Handlungen im Zentrum. Ausgehend von ihrer zu vielen Fragen der Wirtschaftskommunikation entwickelten, anwendungsorientierten Perspektive (vgl. u. a. Brünner 1987) zielt sie grundsätzlich auf potentielle Problemstellen im kommunikativen Alltag und den Zweck des Besprechens im Unternehmen. Bei Besprechungen zählt sie zu den auch durch die jeweilige Institution mitgeprägten, zentralen Anforderungen an die Beteiligten „Zielorientierung“ und „Effizienz“, „Konfliktdarstellung und -bearbeitung“ (vgl. Brünner 2000, 188 ff.) und arbeitet vor allem schwierige interaktive Momente heraus. Brünners Orientierung an den relevanten Handlungsmustern in der Wirtschaftskommunikation zeigt sich auch an ihren Unterscheidungen zwischen beispielsweise „kooperationsbezogener und kooperationsunabhängiger Kommunikation“ (u. a. Brünner 2000, 8 ff.) als einerseits berufsbezogen und andererseits beziehungspflegend. Die fortwährend aufscheinende Komplexität der Besprechung als Interaktionsform spiegelt sich in den analytischen Zugängen wider; auch die Studie von Menz (2000) verdeutlicht dies. Auf der Basis eines umfangreichen Korpus von 100 Stunden Tonaufnahmen und weiteren 25 Stunden Interviews, die verschiedene Interaktionsformen wie Besprechungen und bilaterale Gespräche einzelner Mitarbeiter umfassen, zielt er auf die theoretische und empirische Untersuchung dessen, was er als „doppelten Balanceakt“ von Organisationen zwischen „Selbst- und Fremdorganisation“ beschreibt (Menz 2000, 105 ff.). Erneut wird damit eine Erklärung und Konzeption des Verhältnisses zwischen einerseits strukturellen Rahmenbedingungen und andererseits situativen Interaktionsverläufen herausgearbeitet, jedoch mit
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anderen – und weiterreichenden – theoretischen Impulsen als in den bisherigen Arbeiten. Menz (2000, auch 2002 und 2008) geht von der kritischen Diskursanalyse nach Norman Fairclough und der Organisationstheorie nach Karl E. Weick (vgl. die Ausführungen weiter unten) aus und fragt danach, wie Machtverhältnisse in den untersuchten Interaktionen diskursiv generiert werden. Eine leitende, von der Organisationstheorie inspirierte und bis dato nicht in die linguistische Forschung integrierte Überlegung ist dabei, dass Chaos ein wichtiges und ordnendes (sic!) Element für Organisationen ist. Menz knüpft damit an den z. B. bei Weick (1985) und Luhmann (2000) diskutierten Gedanken an, dass Organisationen vor allem eines leisten müssen: In einer komplexer werdenden Gesellschaft Unsicherheit ‚von außen‘ abzuwehren, zugleich aber auch Unsicherheit ‚auszuhalten‘, um die eigene Handlungsfähigkeit nicht verfrüht in falsche Richtungen verlaufen zu lassen. An seinen Daten arbeitet Menz heraus, wie Interaktionsverläufe zwischen Chaos und Ordnung balancieren, wie wichtig Vagheit und Ambiguität (Menz 2000, 181 ff.) grundsätzlich für die Prozesse in Organisationen sind, wie wichtig die Reduktion von Mehrdeutigkeit für den organisationalen und wie wichtig die Erhaltung von Mehrdeutigkeit auch für den interaktiven Alltag sind (Menz 2000, 219 ff.). Mit diesen Fragestellungen eröffnet Menz ganz neue Blickwinkel und demonstriert, wie sehr die Linguistik von organisationstheoretischen Impulsen profitiert und wie sehr andererseits die interaktionsorientierten Analysen die (weitere) Theoriebildung zu Organisationen in Relation z. B. zu Unsicherheit, Entscheidungen und Prozesshaftigkeit fundieren und schärfen können (hierzu u. a. Menz/Müller 2008; Domke 2011). In diesem Zusammenhang sind auch Arbeiten zu nennen, die die eher kleinschrittigen Interaktionsanalysen mit der Systemtheorie Luhmannscher Prägung verbinden. Weiss/Wodak (1998 und 2001; auch Weiss 1999) argumentieren für die Entwicklung einer analytischen Perspektive aus Diskursanalyse und Organisationstheorie und fokussieren dabei die für die Systemtheorie konstitutive Bedeutung von Kommunikation für die Systemgenese und von Entscheidungen für Organisationen. Auf der Basis von Aufnahmen aus einem EU-Meeting arbeiten sie heraus, wie das wechselseitige Verhältnis von Diskurs und Organisation analytisch fassbar gemacht werden kann: In den Meetings, so eines der Ergebnisse über komplexe politische Verhandlungen, werden Entscheidungen weniger getroffen, denn vielmehr vorbereitet (Weiss/Wodak 1998, 17). Entscheidungen (siehe Abschnitt 3) rücken gänzlich in den Fokus in der Monographie von Domke (2006). Ebenfalls mit Rekurs auf die Systemtheorie Luhmannscher Prägung entwickelt sie eine analytische Perspektive auf Besprechungen, die die konversationsanalytische „Mentalität“ (Schenkein 1978, 6; vgl. auch Domke/ Holly 2011) mit der systemtheoretischen Relevantsetzung von Entscheidungen als „Letztelement“ der Kommunikation in Organisationen (Luhmann 2000) verbindet. Besprechungen werden zu einem zentralen Bestandteil der die Organisationen fortwährend (wieder)herstellenden Entscheidungskommunikation (vgl. auch Domke
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2008). Domke unterscheidet zwischen verschiedenen Formen des Bedarfs in Besprechungen und arbeitet als konstitutiv den „Informationsbedarf“, den „Klärungsbedarf“ und den „Entscheidungs- bzw. Festlegungsbedarf“ heraus (Domke 2006, 163 ff.). Die von Meier (1997) bearbeitete Frage, wie die Besprechung als Interaktionsform entsteht, wird hier durch Rekurs auf systemtheoretische Impulse so spezifiziert, dass die Genese des ‚Systems‘ Besprechung in Bezug auf seine zentralen Bestandteile Zug-um-Zug nachgezeichnet wird: Wie interaktiv hervorgebracht wird, was das System – an Informationen, an Nachfragen, an Festlegungen – „braucht“, „um arbeiten zu können“ (Domke 2006, 7), gerät so theoretisch und empirisch in den Fokus. Korrespondierend vor allem mit den von Menz (2000) und Weiss/Wodak (1998 und 2001) entwickelten Überlegungen wird durch die von Domke (2006, 2008) vorgenommene Bezugnahme auf die Organisationstheorie deutlich, was die Besprechung in Relation zur Organisation zu leisten imstande ist: Sie ist Teil der die Organisation (wieder)herstellenden Entscheidungskommunikation und innerhalb der Organisationskommunikation mit dafür verantwortlich, notwendige Mehrdeutigkeiten und Optionen für Handlungsschritte aufrechtzuerhalten (vgl. Menz 2002), gleichzeitig bereits getroffene Entscheidungen zu legitimieren und nicht zu viele Möglichkeiten für Arbeitsabläufe weiter existieren zu lassen, somit für ein angemessenes Verhältnis aus Unsicherheit und Entscheidung zu sorgen.
2.3 Mehrsprachigkeit und Interkulturalität in Besprechungen Besprechungen gelten zu Recht – das sollte der bisherige Forschungsüberblick verdeutlicht haben – als komplexe und relevante Interaktionsform in Organisationen. Im Zuge global entgrenzter Handlungsbeziehungen, international vernetzter Organisationen (vgl. u. a. Baecker 1997 u. 2003) und in Zeiten ‚mobiler‘ Mitarbeiter sind weitere Merkmale zu erwähnen: die Mehrsprachigkeit sowie Kommunikation in einer Sprache, die nicht die eigene Muttersprache ist. Erkennbar geraten alle in Abschnitt 2.2 diskutierten konstitutiven Verfahren von Besprechungen mit Rekurs auf Interkulturalität, verstanden als „interpersonale Interaktion zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kommunikationsgemeinschaften“ (Knapp 2007, 413), noch einmal und aus anderer Perspektive in den Fokus, da die verschiedenen kommunikativen Aufgaben (Informieren, Diskutieren, Festlegen u. a.) nun auf der Basis unterschiedlicher kultureller Hintergründe zu lösen sind. Interkulturelle Gespräche seien dabei nicht als grundsätzlich durch Missverständnisse geprägt zu verstehen (vgl. Koole/ten Thije 2001), sondern es gelte vielmehr die Aufgaben zu fokussieren, die durch die zunehmende Mehrsprachigkeit und damit auch durch die Suche nach einer von den Beteiligten geteilten Sprache im Sinne einer Lingua franca (vgl. Rehbein 1995) in den Besprechungen zu lösen sind. Aus konversationsanalytischer Perspektive diskutiert dies Jandok (2010) auf der Basis eines Korpus aus zehn Lehrerkonferenzen an einer chinesischen Univer-
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sität, an denen bis zu 17 chinesische und deutsche Dozenten teilnehmen. Da die Besprechungen in deutscher Sprache stattfinden, stehen in den kleinschrittigen Analysen weniger inter- und bilinguale Interpretations- und Verständigungsverfahren unterschiedlicher Sprachen im Fokus, sondern eher interaktiv manifestierte unterschiedliche kulturelle Blickwinkel in einer gemeinsamen, für manche Anwesende Fremd-Sprache. Zu einer zentralen Frage wird, welchen Einfluss die Deutsch-Kompetenz der Chinesen auf ihre Orientierung an damit zusammenhängenden Kommunikationspraktiken hat und „ob verstärkte Interferenz aus der Muttersprache auszumachen sind, oder ob eine Mischung beider Phänomene nachweisbar ist“ (Jandok 2010, 60). Jandok arbeitet am Datenmaterial relevante gesprächsorganisatorische Unterschiede, etwa bei der Rederechtsorganisation, der Beteiligten heraus, die sich z. B. auf die Länge der Pausen in Beiträgen der chinesischen Muttersprachler und daraus resultierende verfrühte Turnübernahmen seitens der deutschen Muttersprachler beziehen. Anders als es bisherige Arbeiten nahelegen, realisierten auch die chinesischen Muttersprachler das „Oppositionsformat“ (Jandok 2010, 209), also Folgezüge mit konträren Positionen. Er betont abschließend, dass die für die Konversationsanalyse geltend gemachte Leitmaxime der strikten Orientierung am Datenmaterial (vgl. Bergmann 1985; auch Domke/Holly 2011) schwierig sei, da ethnographisches und Welt-Wissen für das Verständnis der Interaktionen oftmals grundlegend sei (Jandok 2010, 212). Diese Perspektive korrespondiert mit dem bereits oben angesprochenen ethnographisch orientierten Zugang zu Besprechungen (vgl. Müller 2006). Die Möglichkeiten und Grenzen der konversationsanalytischen Arbeit mit Transkripten geraten bei der Analyse von komplexen Interaktionen mit komplexen Umwelten wie Organisationen zunehmend in den Fokus (vgl. auch Domke 2011). Die Relevanz einer erweiterten Analyseperspektive wird auch in Martini (2008) betont. Martini untersucht deutsch-kubanische Arbeitsbesprechungen und verbindet die Gesprächsanalyse mit ethnographischen und gattungsanalytischen Überlegungen. Sie arbeitet sechs unterschiedliche kommunikative Gattungen heraus (wie Planungs- und Kritikgespräche; vgl. Martini 2008, 307 ff.) und verdeutlicht mit Hilfe einer „Spirale der Problemkonstituierung im Interaktionsprozess“ (Martini 2008, 310 ff.), dass u. a. unterschiedliche Diskursstile und die „Geber-Nehmer-Asymmetrie“ fortwährend interaktiv sich manifestierende und zu bearbeitende Schwierigkeiten generierten. Zu den kulturell geprägten Blickwinkeln der Beteiligten kommt die Situation des Dolmetschens als analytische Besonderheit hinzu. Martini betont die Relevanz des Dolmetschers für den Interaktionsverlauf und fordert für seine Integration in den von ihm mit generierten Interaktionsverlauf „fachliches und kulturelles Hintergrundwissen“ sowie ein ethnografisches Verständnis für den jeweiligen Zielbezug und die institutionellen und manchmal auch persönlichen Hintergründe des Gesprächs. (Martini 2008, 316)
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Grundlegende Fragen zur Analyse von Interkulturalität werden in Koole/ten Thije (2001; auch Koole/ten Thije 1994) diskutiert und damit weniger die Interaktionsform Besprechung herausgearbeitet, als vielmehr ein geeigneter Zugang zur interkulturellen Kommunikation sowie zentrale Fragen mehrsprachiger Diskurse vorgestellt. Da bereits die Zuschreibung, „interkulturell“ ungewollte und ungeahnte methodologische Folgen haben könne, sprechen Koole/ten Thije in Bezug auf ihren methodologischen Zugang von einer „reconstruction method“ und davon, [to] present and exemplify a methodology for the analysis of intercultural communication which focuses not only on interactive failure but also on interactive success. (Koole/ten Thije 2001, 572)
Die Autoren betonen, dass die Verwendung von Schlüsselwörtern („key words“) dabei helfe, in Besprechungen geteiltes Wissen und teamspezifische Bedeutungen zu generieren, wobei die Bedeutung der Schlüsselwörter „can then be considered to be specific of the interculture of this team“ (Koole/ten Thije 2001, 585). Im Kontext allgemeiner Überlegungen zu interkultureller Kommunikation weist auch Földes (2007) die Vorannahme des Problematischen, Markierten zurück und fokussiert die Möglichkeiten des Gemeinsamen, wie Koole/ten Thije (2001, 572) es formulieren, einer „discursive interculture“. Die sich aus dem Gegenstand Mehrsprachigkeit und ‚Mehrkulturalität‘ zwangsläufig ergebende breitere Analyseperspektive ist häufig Anlass für methodologische und theoretische Standortbestimmungen (vgl. Kotthoff/Spencer-Oatey 2007). Die Gegenstände Kultur und Kommunikation sind komplex und der jeweils gewählte Zugang prägt das Erforschte entscheidend mit – als Problemanfälliges, als Vergemeinschaftungsprozess (s. o.) –, so dass die Besprechung zu einem (kleinen) Beispiel von interkultureller Kommunikation wird. Die in den in Abschnitt 2.2 vorgestellten Arbeiten dominante Perspektive der lokalen Generierung der Besprechung steht auch vermehrt im Kontext der Interkulturalität im Fokus (allgemein Kotthoff 2002; Dausendschön-Gay 2010), so dass die lokale Relevantsetzung von kulturellen Perspektiven in Besprechungen untersucht wird. Müller-Jacquier (2004) arbeitet z. B. den unterschiedlichen Einsatz von Lachpartikeln und Ironiesignalen in deutsch-französischen Besprechungen als unterschiedliche Realisierungen von beziehungskonstitutiven Verfahren heraus: Es sind „Fallbeispiele“ (Müller-Jacquier 2004, 69) zur Diskussion des Potentials eher kontrastiver und eher interaktionsorientierter Erklärungsansätze, die zu der Forderung einer stärkeren Orientierung nicht an den Sprachsystemen, sondern „lokal hergestellten InterKulturen“ führt (Müller-Jacquier 2004, 109).
2.4 Theoretische und methodologische Schwerpunkte in der Forschung zu Besprechungen Der Versuch der Bündelung der theoretischen und methodologischen Schwerpunkte der bisherigen Forschung zu Besprechungen ergibt an dieser Stelle zwei Schwer-
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punkte: 1) die bisherigen analytischen Zugänge zum Datenmaterial und damit die Wahl aus verschiedenen interaktionsorientierten Interpretationszugängen zu Besprechungen sowie 2) der bisher erfolgte Einbezug von Theorien aus der Soziologie und Organisationsforschung. 1) Was die analytischen Zugänge zu Besprechungen anbetrifft, besteht in Bezug auf die hier diskutierte Literatur Einigkeit mit Blick auf die Relevanz von empirischen Daten. Authentische Besprechungen stellen eine unverzichtbare Grundlage für die unterschiedlichen Studien dar. Uneinigkeit besteht gewissermaßen über den Blickwinkel, aus dem Besprechungen sinnvollerweise untersucht werden sollten. Dass dies dem Erkenntnisgewinn über die komplexe Interaktionsform Besprechung zuträglich ist, vermögen die vorgestellten Arbeiten und Schwerpunkte zu verdeutlichen. Als etablierter und häufig gewählter Zugang (vgl. u. a. Boden 1994; Meier 1997; Müller 1997; Schmitt/Heidtmann 2002; Domke 2006) kann die aus der amerikanischen Soziologie entstandene ethnomethodologische Konversationsanalyse (siehe Sacks 1992; Garfinkel 1996; Bergmann 2004) angesehen werden. Als zentrale Merkmale der für sie konstitutiven „analytischen Mentalität“ (Schenkein 1978, 6; vgl. auch Domke/Holly 2011) gelten eine sequenzanalytische Orientierung an den empirischen Daten und dem konkreten Verlauf der mit Ton- und Video-Aufnahmen registrierten (vgl. hierzu Bergmann 1985) Interaktionen, ausgehend von dem LeitGedanken einer lokal hervorgebrachten Wirklichkeit. Die Bedeutung der nichtsprachlichen Bestandteile der lokal generierten Besprechung gerät zunehmend in den Fokus (vgl. Meier 1997; Deppermann u. a. 2010) und bedingt eine geänderte, multimodale Perspektive auf etablierte, konversationsanalytische Ordnungsverfahren wie das Turn-Taking (vgl. Schmitt 2005). Eine Erweiterung der konversationsanalytischen Perspektive in Bezug auf Wissen aus dem Unternehmen wird häufig durch ethnographische Verfahren vorgenommen. Durch Interviews, teilnehmende Beobachtungen und Einsichten in Protokolle und Mitschriften wird ein breiterer Interpretationsrahmen für die Inhalte und Strukturen der Besprechungen geschaffen (vgl. Schwartzman 1989; Müller 2006; Thörle 2005; Spranz-Fogasy 2002a). Dass dergestalt aufgespannte Analyseperspektiven zunehmend sozial-stilistische Fragen zur situativen Identität im Berufsalltag (vgl. Thörle 2005) und zu bestimmten Berufsgruppen (Spranz-Fogasy 2002a und 2002b) umfassen, unterstreicht die Verbindungsmöglichkeiten der einzelnen Zugänge, die erweiterten Möglichkeiten linguistischer Analysen von Organisationskommunikation und macht außerdem den Einbezug verschiedener Kommunikationsformen neben der Besprechung wahrscheinlich. Andere analytische Schwerpunkte setzen Arbeiten zu Besprechungen, die aus funktional-pragmatischer Perspektive die konstitutiven Handlungsmuster dieser Interaktionsform herausarbeiten und einen explizit problem- und anwendungsorientierten Blick in der Analyse einnehmen (vgl. Dannerer 1999; Brünner 2000). Wiederum in einer anderen Tradition stehen Untersuchungen der Kritischen Diskursanalyse, die explizit auf „emanzipatorische Aufklärung“ (Keller 2004, 26)
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sowie soziale Umgestaltung zielen (hierzu Wodak 2001; Chouliaraki/Fairclough 2004) und sprachlich manifestierte Machtstrukturen der Gesellschaft durch die Analyse einzelner Diskursformen untersuchen (vgl. die Arbeiten von Menz 2000, 2008; Weiss/Wodak 1998, 2001); die Leistung der Besprechung für die jeweilige Organisation tritt hier aus einer breiteren Perspektive in den Fokus. 2) Diese Rückanbindung an gesellschaftliche Strukturen erfolgt in sprachwissenschaftlich fundierten Arbeiten zu Besprechungen zunehmend durch Einbezug von Impulsen aus der Organisationstheorie, wenngleich in Relation zu der wachsenden Vielfalt der methodologischen Zugänge (siehe oben) hier noch eine gewisse theoretische ‚Kontakt-Scheue‘ festgehalten werden muss (hierzu Hausendorf 2008; Müller 2008; Domke 2011). Da in der Organisationstheorie im 20. Jahrhundert ein Wechsel von klassischen Theorien mit starker Orientierung an Hierarchien und Strukturen innerhalb der Organisationen (vgl. Kieser 2001a) hin zu konstruktivistischen Ansätzen mit Fokus auf die organisationsgenerierenden Prozesse stattfand (etwa durch die Arbeiten Weicks, vgl. Weick 1985, oder Luhmanns, vgl. Luhmann 1997a, 2000), sind zentrale Grundlagen für die Verbindung der kleinschrittigeren Interaktionsanalysen zu weiteren theoretischen Rahmen durchaus vorhanden. Genutzt wurden die theoretischen Impulse aus der Organisationsforschung für das bereits erwähnte Mikro-Makro-Problem, das überwunden werden muss, um erklären zu können, wie die Makro-Strukturen der Organisation die Mikro-Struktur der Besprechung mitprägen, sowie für eine grundsätzliche theoretische Anbindung zentraler Aufgaben der Organisation wie „Unsicherheit absorbieren“ und „Entscheidungen treffen“ (siehe Abschnitt 3). Für die theoretische Verbindung von Interaktion und Organisation wurde bisher auf das Strukturalismuskonzept von Giddens 1997 (vgl. Boden 1994; bezogen auf Organisationskommunikation allgemein Habscheid 2003) sowie auf die Systemtheorie Luhmanns rekurriert (Weiss/Wodak 1998, 2001; Domke 2006, 2008; Hausendorf 2008). Grundlegende Eigenheiten von Organisationen sind bisher häufiger und sehr anschaulich durch Rekurs auf die Arbeiten Weicks entfaltet worden (vgl. Menz 2000; auch Boden 1994). Wenngleich die Systemtheorie Luhmanns weniger Anschaulichkeit denn Abstraktion bietet, wird der für Interaktionsanalysen relevante Anschlusspunkt der Organisation als Prozess, als Organisieren (vgl. hierzu Weick 1985; Domke 2011) sowie der zentralen Bedeutung von Entscheidungen in beiden Theorien greifbar.
3 Entscheidungen und/in Besprechungen 3.1 Entscheidung und Organisation Zu den in 2.2 vorgestellten konstitutiven Verfahren für Besprechungen zählen Themen einbringen, Dissens austragen, Aufgaben festlegen, Probleme schildern sowie
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die Besprechung eröffnen und beenden. Es sind erkennbar unterschiedliche und vielschichtige sprachliche Handlungen – dennoch kann man sie unter eine theoretisch inspirierte Perspektive fassen, um von dort ausgehend zu fragen, welchen Beitrag Besprechungen eigentlich für ‚ihre‘ jeweilige Organisation leisten (siehe Abschnitt 3.2). Dieser eine alle Handlungen umfassende Gedanke liegt in der Entscheidung. Sie gilt als Fluchtpunkt der Organisation, die in neueren wirtschaftswissenschaftlichen und organisationstheoretischen Ansätzen als aus Prozessen (und weniger aus Lagerhallen, Produktionsstätten und Mitarbeitern; vgl. Barnard 1971; Weick 1985; Luhmann 2000) bestehend verstanden wird (hierzu Domke 2006). Auf die Abwendung von klassischen Konzeptionen, z. B. im Taylorismus (vgl. Kieser 2001b, Theis 1994), folgte eine Hinwendung zu den organisationskonstitutiven Handlungen. In der Theorie Weicks wird der ‚alte Glaube‘ an die strukturierte, rationale Organisation sehr anschaulich dekonstruiert: Das Wort Organisation ist ein Substantiv, und es ist außerdem ein Mythos. Wenn sie nach einer Organisation suchen, werden sie sie nicht finden. Was sie finden werden, ist, dass miteinander verbundene Ereignisse vorliegen, die durch Betonwände hindurchsickern. (Weick 1985, 129)
Zentrale Impulse für diese neue Sicht auf Organisationen entstanden in der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie. Zu den ersten, relevanten Arbeiten in dieser Forschungsrichtung zählt Barnard (1971), der bereits in den 1930er Jahren betonte, wie wichtig Handlungen und Entscheidungsprozesse in Organisationen sind. Barnards Schüler Simon entwickelte ausgehend von dieser Perspektive die viel zitierte These der „begrenzten Rationalität“ (bounded rationality; vgl. Simon 1981, Kapitel 4): Da die Entscheidungsträger in Organisationen niemals über alles relevante Wissen verfügen können, sind Entscheidungen nur als begrenzt rational und immer als vorläufig anzusehen (Simon 1981). Mit March wurde der Gedanke weiter entwickelt (vgl. March/Simon 1993) und u. a. das Mülleimer-Konzept (Garbage Can-Modell) erarbeitet. In diesem, so die Annahme, treffen Lösungen und Probleme wahllos zusammen und werden eher zufällig zu Entscheidungen (vgl. March 1990; Cohen u. a. 1990). Es ist dieser Gedanke der gerade nicht planbaren, nicht immer wohl überlegten Entscheidung und fortwährenden Unsicherheit in Organisationen, der die nachhaltige Rezeption der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie beförderte (z. B. in Weick 1985; Luhmann 2000; vgl. auch Menz 2000; Domke 2006). Dass Organisationen demzufolge aus Prozessen bestehen, nur begrenzt rational agieren können und mit der komplexen Umwelt umgehen müssen, ist von Weick (1985) und von Luhmann (1997a, 2000) weiter entwickelt worden. Stehen bei Weick (Weick 1985) u. a. die rückbezügliche Legitimation der Entscheidung und die Formung einer jeweils gültigen Umwelt durch Auswahl aus Sinngebungsprozessen im Zentrum, fokussiert Luhmann in der von ihm geprägten Systemtheorie (vgl. Luhmann 1997a, 2000) die Leistung der Entscheidungen für den Fortbestand des Systems Organisation. Die Entscheidung gilt hier als Letztelement der Kommunikation und sichert die Handlungsfähigkeit der Organisation:
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Organisationen erzeugen Entscheidungsmöglichkeiten, die es anderenfalls nicht gäbe. Sie setzen Entscheidungen als Kontexte für Entscheidungen ein. […] Im Ergebnis kommt auf diese Weise ein autopoietisches System zustande, das sich durch eine besondere Form von Operationen auszeichnet. Es erzeugt Entscheidungen durch Entscheidungen. (Luhmann 1997b, 830 f.)
An die Stelle von starren Strukturen in Organisationen sind theoretisch die NichtPlanbarkeit bzw. NichtRationalität bestimmter Handlungen getreten; wie die Organisationen ihren eigenen Fortbestand sichern können, obwohl ihre Umwelt (zu) komplex ist, ist in den Fokus gerückt. Die Entscheidung wird hier zum gleichsam rettenden Anker, der immer wieder Fortbestehen ermöglicht. Mit dieser Perspektive rückt durch die Systemtheorie nicht nur Kommunikation, sondern auch die Dynamik von Handlungsprozessen in das Zentrum, was diese Überlegungen so anschlussfähig für die interaktionsorientierte Forschung macht (vgl. hierzu Domke 2006; Hausendorf 2008). Menz (2000) hat (siehe 2.2) mit Rekurs u. a. auf Weick die fortwährend notwendige Balance der Reduktion und Erhaltung von Mehrdeutigkeit im Sinne von Handlungsoptionen herausgearbeitet; Habscheid (2003) führt in seinen Untersuchungen die Annahmen der selbstreflexiven Organisationsprozesse mit interaktiv generierten Perspektiven in Beratungsgesprächen zusammen. Im Kontext von Besprechungen wird mit Blick auf die fundamentale Bedeutung der Entscheidung nun relevant, wie Besprechen und Entscheiden zusammenhängen.
3.2 Besprechungen als Entscheidungskommunikation Das eingangs gezeichnete Bild der Besprechung als dichter Interaktionsform ist auf Entscheidungen übertragbar: Bei der Analyse authentischer Entscheidungsprozesse in Organisationen bedarf die, auch in der Linguistik, oftmals beobachtbare Annahme, eine Entscheidung sei die Wahl zwischen zwei (oder mehr) Alternativen, der deutlichen Korrektur. Das Treffen von Entscheidungen verläuft selten geplant, einfach und durchsichtig, sondern entspricht häufig dem im genannten „MülleimerModell“ (siehe March/Simon 1993) hervortretenden ‚Zufälligen‘ an Entscheidungen. Dies führt nicht selten rückbezüglich zu der Frage, wieso eigentlich eine bestimmte Entscheidung so oder so getroffen wurde, so dass Weicks Gedanke (1985) zur rückbezüglichen Legitimation und Sinngebung relevant wird. Die Undurchsichtigkeit von Entscheidungen ist in den gerade diskutierten Theorien theoretisch angelegt; eine Nachzeichnung dieser Merkmale an konkreten Kommunikationsvorgängen erfolgt in diesen Ansätzen freilich nicht. In der interaktionsorientierten Forschung ist hingegen die Bedeutung der Entscheidung für die Organisation nur selten theoretisch und empirisch ausführlich untersucht worden (s. u.). Die Verbindung aus organisationstheoretischen Impulsen und interaktionsorientierter Perspektive erscheint daher als in beide Richtungen anschlussfähiges Unterfangen zur Bereicherung des jeweiligen Blickwinkels.
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Die Überlegung aufgreifend, dass Entscheidungen das notwendige Letztelement der Kommunikation in Organisationen sind (vgl. Domke 2006, 70), geraten zunächst die Manifestationen von Entscheidungen in den Fokus. Nach Luhmann zeigen sich diese in Programmen, Kommunikationswegen und Personen (Baraldi u. a. 1999, 130), die als Entscheidungsprämissen, „bei ihrer Verwendung nicht mehr geprüft werden“ (Luhmann 2000, 222). Dadurch entstehen Erwartungen, „die für mehr als eine Entscheidung gelten“ (Luhmann 1997b, 842). Die Zusammenführung der Interaktionsforschung mit diesen Impulsen führt also zu der Einsicht, dass über Stellen mit bestimmten Aufgabenbereichen lange vor einer Besprechung entschieden wurde, etwa in Form eines Vertrages; im Arbeitsalltag bedeutet dies aber keinesfalls, das in Bezug auf neue Aufgaben nicht geklärt werden muss, wer diese zu bearbeiten hat. Zwischen der theoretischen Annahme von – bis zum Widerruf – gültigen Entscheidungen und der interaktiven Praxis gibt es somit eine Lücke, die durch Studien wie Meier (1997), Müller (1997) und Dannerer (1999) in Bezug auf die Prozesse der Aushandlung gefüllt wird. Dass es trotz des erforderlichen Vollzugs der manifestierten Entscheidungen fortwährend den Rückbezug auf das Letztelement gibt, zeigt sich an Stellen, an denen besondere Befugnisse über das Treffen von Entscheidungen oder die Aufforderung zum weiterem Gespräch über Alternativen deutlich werden: die Entscheidung braucht den Entscheider, der interaktiv wahrnehmbar sein muss und nicht selten mit den bereits entschiedenen Stellenbeschreibungen korrespondiert. Der Weg dorthin ist jedoch genau das, was durch Interaktionsanalysen erst sichtbar gemacht wird. Bereits getroffene Entscheidungen über Entscheidungskompetenzen und Tätigkeitsfelder werden in Besprechungen somit wahrnehmbar, durch interaktive Dominanz (vgl. Müller 1997), durch nicht hinterfragte Aufgabenfestlegungen durch eine bestimmte Person (Dannerer 1999) oder durch Vollzug besonderer interaktionsstruktureller Aufgaben (Meier 1997). Die Besprechung ist hier also Entscheidungskommunikation (vgl. Domke 2006), da sie fortwährend Bezug zu den ‚Ankern‘ in der Organisation herstellt. Besonders interessant wird die Besprechung natürlich, wenn es um das Treffen neuer Entscheidungen geht. Hier verknüpfen sich die interaktive Sicht und die Aufgabe der Entscheidung, für die Abwehr von Unsicherheit zu sorgen (vgl. Luhmann 2000; Domke 2006), zu komplexen Prozessen. In den Fokus rückt aus dieser Perspektive, dass Entscheidungen in Besprechungen vorbereitet und überhaupt erst als notwendig wahrnehmbar werden: Verfahren wie „Vorschläge einbringen“, „Dissens austragen“, „Aufgaben festlegen“ werden zu einem Element der organisationalen Entscheidungskommunikation (vgl. Domke 2006). Besprechungen demnach als Entscheidungskommunikation zu verstehen, bedeutet bei allen in 2.2 vorgestellten, konstitutiven Verfahren, ihren Bezug zu Entscheidungen als Kernelementen der Organisation nachzuzeichnen. In der Verbindung von konversationsanalytischem Vorgehen mit systemtheoretischen Impulsen lassen sich nach Domke (2006, 100) folgende Punkte als zentrale Merkmale der Entscheidungskommunikation anführen:
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Alle Entscheidungen basieren auf Kommunikation und sind als kommunikative Prozesse zu verstehen; Alternativität ist ein zentrales Merkmal der Entscheidung; Alternativen werden jedoch nicht gewählt, sondern hergestellt; Entscheidungsbedarf muss interaktiv hergestellt und angezeigt werden; Entscheidungen können auch erst im Nachhinein als solche bezeichnet werden; Entscheidungskommunikation bringt fortwährend Anschlussmöglichkeiten für die Organisation hervor.
Die zahlreichen, in Abschnitt 2.2 vorgestellten Verfahren in Besprechungen erhalten aus dieser Perspektive ihre Verortung, wenn zwischen drei verschiedenen Bearbeitungszuständen in der Besprechung unterschieden wird (hierzu Domke 2006, 163 ff.): Information, Klärung und Festlegung. In der Besprechung, so die Annahme, wird fortwährend angezeigt, was zum Weiterarbeiten notwendig ist, das Interaktionssystem erzeugt seinen Bedarf; dies kann verstanden werden als Bedarf an Information (über getroffene Entscheidungen), an Klärung (von Entscheidungsbedarf) und Festlegung (neuer Entscheidungen) (Domke 2006, 163 ff., und 2008). Hier werden die unterschiedlichen Grade der Bearbeitung deutlich und der Beitrag für die Organisation, der einmal in der noch notwendigen Aufrechterhaltung von Mehrdeutigkeit liegen kann (siehe Menz 2000) oder zu einer konkreten Festlegung von Aufgaben führt (Dannerer 1999). Die „Besprechung als Entscheidungskommunikation“ (Domke 2006) als theoretische und interaktionsfundierte Perspektive verdeutlicht somit den Beitrag dieses Interaktionssystems für die organisationale Notwendigkeit, Entscheidungen aufzuschieben, neu zu diskutieren oder (schnell) zu treffen.
4 Fazit und Ausblick Der vorliegende Beitrag zielt auf die Vorstellung der Besprechung als eigenständiger und vielgestaltiger Interaktionsform. Der Einstieg über den teilweise zwiespältigen Ruf der Besprechung dient der Etablierung der immer auch perspektivischen Beschreibung der Komplexität dieser Kommunikationsform. Die interaktionsorientierte Forschung hat bisher viele konstitutive Verfahren der Besprechung herausgearbeitet; unterschiedliche Blickwinkel, wie einleitend aufgespannt, existieren jedoch auch hier und können dazu beitragen, die Diskussion eines Vorschlags als unbeendet (und damit gegebenenfalls unbefriedigend) anzusehen oder dasselbe aus einem anderen Blickwinkel als Aufrechterhaltung von Alternativen, die für die Generierung neuer Möglichkeiten unabdingbar ist. Wie wenige andere Interaktionsformen führt das Gespräch über die Besprechung also zu unterschiedlichen Beschreibungen. Die wissenschaftliche Perspektive hilft dabei, u. a. die Dauer von Besprechungen einzuordnen, ist doch fast ausge-
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schlossen, dass eine Aushandlung (im interaktionsanalytischen Verständnis) unter einem Dutzend Personen nur ein oder zwei Minuten andauert. Die linguistische Perspektive ist dabei, und das wird bei der Re-Lektüre der zahlreichen Studien (siehe 2.2) deutlich, selbst vielgestaltig. Sie sollte es auch bleiben. Nur so geraten die zahlreichen Ebenen, die der hierarchischen Aushandlung, der beruflichen Identitätskonstitution, der (mehr)sprachlichen Interpretation, der kulturellen Voraussetzung usw., in den Fokus. Angesichts des hier vorgenommenen Versuchs, etwa 30 Jahre Forschung zusammenzufassen, wird aber auch deutlich, dass der Bezug zu der Organisationstheorie oftmals noch als Desiderat anzusehen ist. Hier kann die Anlage zukünftiger Studien ansetzen, um durch den Bezug zur Organisationstheorie die Anschlussfähigkeit der oftmals kleinschrittigen Analysen unter Beweis zu stellen. Organisationskommunikation (hierzu Müller 2008) als etabliertes Arbeitsfeld innerhalb der Sprachwissenschaft zu verankern und einen Beitrag zum Verständnis für Kommunikation in der Wirtschaft und allgemeiner in Organisationen zu leisten, erscheinen so als wichtige und zukunftsträchtige Aufgaben. Die Forschung etwa der die Relation Kommunikation und Technik fokussierenden „workplace studies“ (vgl. Heath/Luff 2000; Heath/Luff/Koblauch 2004) oder der durch die „genres of governance“ (vgl. Fairclough 2003) mitbeeinflussten Studien zu symbolischer Organisationsarbeit (vgl. Chouliaraki/Fairclough 2004; Habscheid/Knobloch 2009) können hier als Beispiele dienen, wie durch Einbezug anderer Theorien und Methoden die Interaktionsanalysen zum Verständnis gegenwärtiger, medial gestützter Kommunikation beitragen können. Dies ist auch in Bezug auf Besprechungen denkbar, die aller digitaler Technik zum Trotz in der Regel unter Anwesenden und damit unter den in 2.2 umrissenen besonderen Bedingungen stattfinden. Sie kann so als zentrale Kommunikationsform (hierzu Holly 2011) der Organisation der Gegenwart verstanden werden, die offensichtlich nicht unbedingt die Aufgabe des Entscheidens, sondern vielmehr des Vorbereitens von Entscheidungen (Weiss/Wodak 1998, 2001; Weiss 1999), des Herstellens von Alternativen (Meier 1997; Dannerer 1999; Domke 2006) und des Hervorbringens von Perspektiven zu einzelnen Problemen übernimmt, um daraus – gegebenenfalls an anderer Stelle – Eindeutigkeiten zu produzieren. Dies analytisch noch stärker zu verbinden mit der jeweiligen Unternehmenskultur, mit der Zunahme digitaler (Netzwerk)Kommunikation und die Besprechung hier mit ihren Möglichkeiten zu verorten, könnte dazu beitragen, die Vielfalt der Organisationskommunikation in Relation zu ihrem jeweiligen kommunikativen und organisationalen Nutzen zu erklären. In diesem Sinne kann die Besprechung an dieser Stelle als Teil der organisationalen Entscheidungskommunikation festgehalten werden, der je nach im System erzeugtem Bedarf Eindeutigkeit und Mehrdeutigkeit produziert. Für einzelne Beteiligte mag dies nicht immer transparent und verständlich sein, für die Organisation im Sinne der Abwehr von Unsicherheit kann dies indes sehr wohl von Vorteil sein.
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2. Empraktische Kommunikation in Organisationen Abstract: Im folgenden Beitrag werden Charakteristika, Rahmenbedingungen und Funktionen von organisationalen Interaktionen diskutiert, die – in Bühlers Terminologie – „empraktische Reden“ (Bühler 1978/1934, 52) aufweisen, also sprachliche Handlungen, die in außersprachliche kooperative Arbeitshandlungen eingebettet sind und diesen gegenüber sowohl von den Beteiligten als auch von Beobachtern als subaltern und unterstützend wahrgenommen werden. Zunächst folgt eine kurze Einleitung mit Abgrenzung des Themenbereichs empraktischer Kommunikation in Organisationen (1). Im Anschluss werden die dieser spezifischen Kommunikation in organisationalen Settings zu Grunde liegenden institutionellen Rahmenbedingungen und Interaktionsaufgaben erörtert (2). Im dritten Abschnitt werden Grundlagen zur empirischen Untersuchung diskutiert. Danach werden kommunikative Praktiken mit konkreten sprachlichen und nichtsprachlichen Realisierungsformen zur Lösung der in Abschnitt 2 dargestellten spezifischen (kommunikativen) Aufgaben angeführt (4). Beispielhaft für empraktische Kommunikation in Organisationen soll dies anhand von Feuerwehreinsatzübungen gezeigt werden. Abschließend werden in einem kurzen Ausblick (5) aufgrund neuerer medialer und organisationaler Entwicklungen Ansprüche an eine bereits in der Entwicklung befindliche, aber noch zu erweiternde Forschungsmethodik skizziert.
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Einleitung Institutionelle Rahmungen und Interaktionsaufgaben Grundlagen für empirische Untersuchungen Kommunikative Praktiken und konkrete Realisierungsformen Ausblick Literatur
1 Einleitung Im Folgenden liegt der Fokus auf empraktischer Kommunikation in Organisationen, also „talk at work“ (siehe Drew/Heritage 1992a) bzw. allgemeiner „institutional interaction“ (Drew/Heritage 1992b, 3) im Gegensatz zu „knappem Sprechen“ im Rahmen „geselligen Beisammenseins“ (vgl. Baldauf 2002, 53 und 121) in privaten Kommunikationssituationen. Die empraktische Kommunikation innerhalb institutioneller Interaktion ist gekennzeichnet durch eine ortsabhängige (siehe Domke 2013) Einbettung in praktische nonverbale (Arbeits)Handlungen (Praktiken) kooperativ tätiger https://doi.org/10.1515/9783110296235-002
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Teilnehmer (siehe Fiehler 1993) im sogenannten „sympraktischen Umfeld“ (Bühler 1978/1934, 154 ff.). Darin greifen die Beteiligten in einer Entscheidungssituation – nach Bühler einer „Diakrise“ – zur Lösung (auch) auf sprachliche Zeichen zurück (vgl. ebd., 39). So braucht z. B. ein Käufer als prototypischer Sprecher einer empraktischen Rede am mehrdeutigen Punkte (dem Kreuzweg bildlich gesprochen) seines stummen sinnvollen Verhaltens ein Sprachzeichen nur als Diakritikon. Er setzt es ein, und die Mehrdeutigkeit ist behoben; das ist ein empraktischer Gebrauch von Sprachzeigen. Das relevante Umfeld, in welchem es steht, ist in diesem Falle eine Praxis; wir sagen darum (des Gleichklanges wegen) auch, es trete auf: sympraktisch eingebaut. (Bühler 1978/1934, 158 f.)
O’Connell und Kowal umschreiben die Diakrise gewissermaßen als Kulminationspunkt in einer außersprachlichen Handlung: „Bühler’s term [empractical speech] refers to an utterance embedded in nonlinguistic activities in which the need for a verbal intervention arises“ (O’Connell/Kowal 2012, 25). Bühler selbst beschreibt die Diakrise fast lyrisch: Was noch im Schoße der Zukunft liegt, unwahrnehmbar für die Partner aber vorgewußt vom Täter, muß dem gemeinsam Wahrnehmbaren eingefügt werden (Bühler 1978/1934, 39)
Damit leistet empraktische Kommunikation Verständigung und v. a. ein Fortführen der außersprachlichen Handlung über die Diakrise hinaus, wobei das (scheinbar verkürzte) Sprechen der außersprachlichen Handlung eindeutig untergeordnet ist und von Bühler in diesen Situationen nur als Notbehelf beschrieben wird: Aber wozu auch sprechen, wenns ohne dies ebensogut oder besser geht in der Lebenspraxis? Wo ein diakritisches Wortzeichen eingebaut wird in die Handlung, da bedarf es in vielen Fällen keines Hofes von weiteren Sprachzeichen um sich. Denn statt der stellvertretenden Zeichen hat es das sonst Vertretene selbst um sich und kann sich darauf stützen. (Bühler 1978/1934, 158 f.)
Die Sprecherbeiträge selbst sind im Allgemeinen durch Kürze und – gemessen am Paradigma der Schriftsprachlichkeit – syntaktische Unvollständigkeit bis hin zu „empraktisch eingebauten Wörter[n] und Satzfetzen“ (ebd., 285) gekennzeichnet. Sie weisen Abweichungen zu konversationell üblichen Formen des Turn-Taking (siehe unten) auf – v. a. in Form von einem „open state of talk“ (Goffman 1981, 134–135) mit „geringere[r] Kommunikationsverpflichtung“ (Baldauf 2002, 170) als besondere Form der Sprechsituation (vgl. O’Connell/Kowal 2012, 25). Und die Beteiligten beschaffen sich zum sinnvollen Verständnis situationales und organisationales (Handlungs)Wissen, indem sie den Sinn aus den außersprachlichen Handlungen beziehen, in die die Sprecherbeiträge „verflochten“ sind (Henne/Rehbock 2001, 31). Im Rahmen der Auseinandersetzung mit empraktischer Kommunikation gilt es vorab, einige Fehlannahmen und begriffliche Unschärfen zu beseitigen respektive zu vermeiden. Zum einen sollte die Attribuierung handlungsbegleitend vermieden werden, weil diese – wie Baldauf (2002, 2 ff.) sprachwissenschaftshistorisch veran-
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schaulicht – eine unzulässige Differenz zwischen Handeln und Kommunizieren impliziert (was spätestens seit sprechakttheoretischen Ansätzen und dem sog. ‚pragmatic turn‘ überwunden sein sollte). Des Weiteren sind auch die Zuschreibung eines elliptischen Charakters (siehe ebd., 76 und Klein 1984, 125) und „gezielte[r] Auslassungen“ (Baldauf 2002, 149 f.) bzgl. der vorkommenden sprachlichen Formen häufig irreführend, da weder eine im Paradigma der Schriftsprachlichkeit entwickelte grammatisch korrekte Normalform als Kontrastfolie sinnvoll erscheint noch ein bewusster Auslassungsprozess während der Sprachproduktion nachgewiesen werden kann. Auch sprechakttheoretische (z. B. auf Grice bezogene; siehe Baldauf 2002, 97 f.) und damit i. d. R. vornehmlich sprecher- oder (im Falle von Grice) hörerzentrierte Beschreibungsansätze erfassen diese Kommunikationssituationen im Allgemeinen nur unzureichend, da empraktische Kommunikationssituationen gerade durch die Interaktionalität der gemeinsam handelnden Akteure gekennzeichnet sind und „[a]n essential feature of joint action is how each person’s nuanced actions shape the other’s as the joint action unfolds“ (Clark 1996, 306).
2 Institutionelle Rahmungen und Interaktionsaufgaben Bezüglich der institutionellen Rahmung empraktischer Kommunikation lässt sich zunächst hervorheben, dass sich das Arbeitsumfeld, in das diese Form der Kommunikation eingebettet ist, und die anvisierten Arbeitsziele nicht primär durch sprachliche Handlungen konstituieren, wie dies z. B. bei Hochzeiten der Fall ist, also bei solchen institutionellen Handlungen, die in pragmatischer Terminologie mit vorwiegend explizit performativen Sprechakten (vgl. Austin 1975) realisiert werden. Fiehler spricht deshalb von „praktisch dominierten“ statt „kommunikativ dominierten Tätigkeitszusammenhängen“ (Fiehler 1993, 343). Oft geht mit der Zweckorientierung institutioneller empraktischer Kommunikation hin zur Realisierung außersprachlicher Ziele (vgl. ebd.) eine hohe arbeitsprozessuale kooperative und koordinierende Notwendigkeit einher (vgl. O’Connell/ Kowal 2012, 156). Das reicht bis zur Sicherung des eigenen und anderer Leben (z. B. bei der Menschenrettung durch Feuerwehrleute). Hinsichtlich der möglichen Tätigkeitsverteilungen und damit der auffindbaren ‚Turnwechsel-Initiierungen‘ differenziert Fiehler (1993, 347 f.) „beobachtungsregulierte“ und „praktisch induzierte“ Verteilungen sowie Verteilungen „durch verbale Tätigkeitszuweisung“ und „durch verbales Aushandeln“. Sprachliche Handlungen werden dann insbesondere an den o. a. diakritischen Punkten in der Interaktion eingesetzt, die zwar je nach Situation, Kontext und Gesprächspartner unterschiedlich ausfallen, aber entsprechende Auswirkungen auf die sprachlichen Formen haben. So erfordern z. B. erste Turns nicht zwangsläufig
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sprachliche Anschlussturns. Sie bringen also eine „geringere Kommunikationsverpflichtung“ (Baldauf 2002, 170) mit sich, da es den Beteiligten primär um die Fortsetzung einer bestimmten nichtsprachlichen Arbeitshandlung geht. Die ersten Turns zeichnen sich aufgrund dessen bereits häufig durch ihre Kürze aus, welche sich nach O’Connell und Kowal (2012, 158) besonders eignet für die Fortführung nichtsprachlicher Tätigkeiten. M. E. brauchen für die Analyse dieses Kommunikationstyps aber weder das Turn- noch das Musterkonzept – wie Fiehler (1993, 344) es andeutet – aufgegeben zu werden. Allerdings können beide Konzepte selbstverständlich nicht auf sprachliche Realisierungsformen reduziert werden und müssen gegenstandsangemessen modifiziert werden, was Fiehler selbst auch an anderer Stelle betont (ebd., 353 f.). Hinsichtlich dieser besonderen verbalen Interaktionssituation kann man mit Goffman (1981, 134) auch von einem „open state of talk“ sprechen, da sich die Aufmerksamkeit [der Beteiligten] nicht primär auf den jeweiligen Partner, sondern auf die gemeinsame Praxis […] richtet; man darf reden, allerdings nicht immer, weil die reibungslose Ausübung der gemeinsamen Tätigkeit, die im Vordergrund steht, manchmal Sprechen und manchmal Schweigen erforderlich macht; Pausen werden nicht als solche wahrgenommen; es besteht eine „rudimentäre Kommunikationsverpflichtung“ (Püschel 1993), insofern man in der Regel zwar die Aufmerksamkeit des Zuhörers beansprucht, aber – je nach Handlung – nicht unbedingt eine Reaktion, jedenfalls keine primär kommunikative, erwartet. (Habscheid 2001, 22)
In der von Bergmann (1982) in Anlehnung an Sacks/Schegloff/Jefferson (1974) angeführten Typologie konversationellen Schweigens wären die hier skizzierten Schweigephasen als „freie Gesprächspausen“ (Bergmann 1982, 153) zu klassifizieren (zu einer Übersicht von Schweigen im Gespräch siehe auch Meise 1996, v. a. Kapitel 2). Die hohe Bedeutung empraktischer Kommunikation mit den Ausprägungen Ubiquität, (arbeitsalltägliche) Normalität und Ursprünglichkeit bezogen auf Konversationen verdeutlichen O’Connell/Kowal (vgl. 2012, 155), indem sie empraktischem Sprechen onto- und phylogenetische Sprachentwicklungsfunktionen zuschreiben: it can be plausibly argued that conversation itself is derived developmentally (both ontogenetically and in the history of languages) from empractical speech, i.e., speech that is no more than an accompaniment of nonlinguistic interaction between or among people – typically in situations where manual assistance or working together is the order of the day. (O’Connell/ Kowal 2012, 76)
Damit stehen sie in einer Linie mit Tomasello und anderen (siehe exemplarisch Tomasello 2010, 138), die die Entwicklung der Sprache ebenfalls auf interaktional eingebundene (außersprachliche) Handlungen zurückführen. Um sich dem Phänomen empraktischer Kommunikation systematisch zu nähern, kann man wie O’Connell und Kowal (2012) mit Bezug auf Lorenzen (2000, 20)
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empraktisches Reden sprachphilosophisch von ‚epipraktischem Reden‘ differenzieren. Damit betonen sie die hohe Bedeutung – auch hinsichtlich der Verstehensprozesse – der nichtsprachlichen Handlung, in welche die empraktische Kommunikation eingebettet ist und die gerade aus dieser Einbindung ihre Disambiguierung erhält: Empraktisches Reden includes „such verbal activities … as are learned in conjunction with a non-linguistic activity. Such a non-linguistic activity is learned precisely as the goal of the verbal activity.“ ([… Lorenzen 2000, 20]: our translation) According to Lorenzen this implies that empractical speech is controlled by the accompanying nonlinguistic activities; it is consequently easy to obtain a communal understanding among participants about the meaning of the empractical speech. By way of contrast, in epipractical speech, the discourse is about activities. In this case, the nonlinguistic activities exercise no control over the utterances’ meaning, and consequently, such speech is more often subject to misunderstanding. (O’Connell/Kowal 2012, 96)
Dass sich empraktisches Reden häufig der bewussten Wahrnehmung entzieht, begründen O’Connell/Kowal (neben der o. a. Ubiquität, Normalität und Ursprünglichkeit) mit der Eingebundenheit „in the primary nonlinguistic activities of everyday life“ (ebd., 156) inklusive der damit verbundenen Kontingenz hinsichtlich interaktionistischer Notwendigkeiten, mit der Kürze und Prägnanz sowie mit der syntaktischen Abweichung (vgl. ebd.). Dabei ist der Inhalt empraktischen Redens aber stets wahrnehmungs- und situationsbezogen (ebd., 158) und damit zugleich wahrnehmungs- und situationsabhängig. Die Beteiligten müssen also – wie bereits Bühler (1978/1934) dargelegt hat – einen gemeinsamen Wahrnehmungsraum teilen. Aus dieser Wahrnehmungs- und Situationsbezogenheit sowie aus der arbeitsaktionalen Eingebundenheit resultiert auch die häufig als elliptisch beschriebene syntaktische Realisierung der Äußerungseinheiten „because the situation of observation substitutes functionally for what would otherwise require a more extensive verbal exposition“ (O’Connell/Kowal 2012, 158). Nach O’Connell/Kowal „there is typically only one person who speaks and another who silently listens and carries out the requests of the speaker“ (ebd.). Das gilt es allerdings aus interaktionslinguistischer Perspektive zu relativieren. Nur in bestimmten Settings bleiben empraktische Äußerungen überwiegend und über längere Zeiträume ohne sprachliche Anschlusskommunikation (siehe exemplarisch für die Kommunikation unter Feuerwehrleuten in Einsatzübungen Gerwinski 2015), auch wenn diese Anschlusskommunikation (wie auch der jeweilige erste Turn) selbst im Paradigma der Schriftsprachlichkeit (grammatische) Unvollständigkeit aufweist. Eine typische Reaktion z. B. auf das Anfordern eines Werkzeugs ist die anschließende Anreichung beispielsweise mit einem (aufmerksamkeits- und wahrnehmungssteuernden) Lokaldeiktikum wie hier oder da. Unterschiedliche Korpora (z. B. in O’Connell/Kowal 2012 und in Gerwinski 2015) belegen, dass Turns in Gesprächssequenzen empraktischer Interaktionssituationen nicht (para-)sprachlich realisiert oder begleitet werden müssen, aber über längere Interaktionsverläufe
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hinaus finden sich i. d. R. früher oder später solche (para-)sprachlichen Elemente. Dies lässt sich m. E. anhand eines Gedankenexperiments begründen: Man stelle sich vor, dass auf ein mehrfaches empraktisches Reden eines Sprechers immer wieder eine Handreichung oder eine andere nichtsprachliche Handlung des Hörers ohne jegliche (para-)sprachliche Begleitung folgte (also nicht einmal ein „bitte“, „danke“, „hier“ „jupp“, „^hmm“ etc.; in Abschnitt 3 findet sich vielfach die Verwendung von „hier“ und „ja“ für teilweise vergleichbare Funktionen). Die Situation würde sicherlich als befremdlich wahrgenommen und zöge ggf. Konsequenzen auf der Beziehungsebene nach sich (oder diese Form der Kommunikation würde ein enormes hierarchisches Gefälle zwischen den Akteuren indizieren), auch wenn nach Fiehler [d]er gemeinsame Vollzug praktischer Tätigkeiten […] das Gebot des sozialen Kontakts [erfüllt]. Er muß nicht auch noch durch permanente Kommunikation gesichert sein. (Fiehler 1993, 353)
Das Gedankenexperiment verweist auf die Bedeutung sprachlicher Kommunikation während der Bearbeitung diakritischer Situationen, die nur interaktional aufgelöst werden, d. h. sie sind erst gelöst, wenn beide Züge – ähnlich Frage-Antwort-Mustern in „adjacency pair“-Konstruktionen (Schegloff/Sacks 1973) – vollzogen sind. Was O’Connell und Kowal zum empraktischen Reden konstatieren, muss somit nicht nur auf den ersten Turn, sondern auch auf den Folgeturn (und ggf. sogar auf weitere Anschlusskommunikation) erweitert werden, da die Diakrise nur gemeinsam gelöst werden kann (siehe O’Connell/Kowal 2012, 161, mit Bezug auf Bühler 1978/1934). Und auch wenn in diesen Situationen das gemeinsame Verständnis ausschließlich durch eine nicht sprachlich begleitete Handlung signalisiert werden kann, erfolgt eine – häufig zumindest vokalisch unterstützte – Reaktion des Gegenübers. Das liegt zum einen an den selbst in institutionellen Extremsituationen nicht vollständig ausgeblendeten weiteren Gesprächsebenen (wie der o. a. Beziehungsebene) neben der Sachverhaltsdarstellung bzw. der primären Handlungsanweisung (zu den Gesprächsebenen zählt Spiegel in Anlehnung an Kallmeyer (1977) neben der Sachverhaltsdarstellung die sprachliche Oberfläche, die handlungsschematische Bearbeitung, die Gesprächsorganisation, die Gesprächsmodalität respektive atmosphäre und die Beziehungskonstitution (siehe Spiegel 2009, 8)). Zum anderen liegt es sicherlich auch an den aus dem Alltag bekannten Handlungsmustern zur üblichen Realisierung von Paarsequenzen im Gespräch (zum Konzept und Formen von Paarsequenzen siehe Streeck 1983). Zwar sind sprachliche (oder zumindest vokalische) Äußerungen – wie O’Connell/Kowal (2012) und andere resümieren – nicht zwingend, v. a. im zweiten Turn, aber der völlige Verzicht stellt eher die Ausnahme als die Regel dar. Hinsichtlich der Äußerungsfunktionen in „praktisch dominierten Tätigkeitszusammenhängen“ unterscheidet Fiehler (1993, 349 ff.) „Exothesen“, „kooperationsbezogene Äußerungen“ und „kooperationsbegleitende Kommunikation“. ‚Exothesen‘ sind in dieser Typologie unwillkürliche „Verbalisierungen von mentalen Planungsprozessen oder emotionalen Erlebensprozessen“ (ebd., 349), ‚kooperati-
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onsbezogene Äußerungen‘ sind „für die Durchführung der Kooperation und die Realisierung des Kooperationsziels unmittelbar erforderlich oder funktional darauf bezogen“ und weisen im Tätigkeitszusammenhang die beiden möglichen Verlaufsformen „Normalprogression“ oder „Problemprogression“ auf (ebd., 350). Kooperationsbegleitende Kommunikation reicht von der Kontaktkommunikation […] über Gespräche bei fortlaufender praktischer Tätigkeit bis hin zu eigenständigen, eingelagerten kommunikativ dominierten Tätigkeitszusammenhängen, für die die praktische Tätigkeit (vorübergehend) eingestellt wird. (Fiehler 1993, 351)
Bezüglich der „Prioritätsordnung“ (ebd., 352) konstatiert Fiehler, dass „[k]ooperationsbezogene Äußerungen […] Vorrang vor kooperationsbegleitenden“ haben (ebd.), was das Primat der außersprachlichen Handlung unterstreicht.
3 Grundlagen für empirische Untersuchungen Um empraktische Kommunikation angemessen untersuchen zu können, gilt es eine Reihe von methodischen Grundlagen zu beachten: Zum einen erfordert der Gegenstandsbereich authentisches Datenmaterial, da andernfalls vorwiegend stereotype Vorstellungen über empraktische Kommunikation abgerufen würden. Zum zweiten ist im Idealfall die Berücksichtigung aller den Akteuren zur Verfügung stehenden Informationen notwendig: Bezüglich der Wahrnehmungsmodi gilt es visuelle, akustische, taktile und sogar olfaktorische sowie gustatorische (man denke z. B. an Küchenbetriebe) Modi zu berücksichtigen. Hinsichtlich Kodes lassen sich neben mündlicher und schriftlicher Sprache (z. B. in Form von Anleitungen, Beschriftungen etc.) alle weiteren möglichen Zeichen (ikonische Abbildungen, Karten u. v. m.) anführen. Bzgl. des Vorwissens bzw. nach Klein (1984, 122 und 129) des sich ständig verschiebenden „Beiwissen[s]“ (siehe ebd. 130) kann man institutionelles Regel- und Handlungswissen, Weltwissen, Personen-bezogenes und interindividuelles Wissen, Situations- und Kontextwissen u. v. m. differenzieren. Bezogen auf die für ein umfassendes Verstehen notwendigen zu berücksichtigenden Aspekte unterscheidet Bühler (1978/1934, 154 ff.) zwischen „sympraktischem“ respektive „symphysischem“ (Akteure, Situation und Kontext) und „synsemantischem Umfeld“ (siehe auch Klein 1984, 125), welches sich ausschließlich auf die Sprachzeichen bezieht: Die einzelnen Sprachzeichen des Kontextes haben jeweils einen bestimmten ‚Feldwert‘ in einem der beiden Bedeutungsbereiche, die Bühler vorsieht, dem Zeigfeld und dem Symbolfeld, und diese Feldwerte insgesamt konstituieren das synsemantische Umfeld. (Klein 1984, 123)
Ist das synsemantische Umfeld generell in allen Kommunikaten (auch in schriftsprachlichen Texten jeglicher Art) anzutreffen, so ist das sympraktische Umfeld
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gerade ein Konstitutivum empraktischer Kommunikation. Für diese Zwecke sind neben ethnographischen Daten (siehe Deppermann 2000 und 2013) i. d. R. mindestens Videodaten für die Analyse in den meisten Settings unumgänglich (siehe Fiehler 1993, 357), weil Verständigung in praktisch dominierten Tätigkeitszusammenhängen […] keineswegs nur über verbale kommunikative Tätigkeiten [erfolgt]. […] Verbale Kommunikation ist […] nur eine Modalität der (erforderlichen) Informations- oder Bedeutungsübertragung. (Fiehler 1993, 347)
Erfolgt eine Analyse allein auf der Grundlage von sprachlichen (inkl. parasprachlichen) Daten, werden wesentliche Aspekte des holistischen Tätigkeitszusammenhangs zwangsläufig ausgeblendet (z. B. nonverbale Zeigegesten, Blickverhalten, situationale Ereignisse u. v. m.). Der Kontext und allgemeine situationale Aspekte müssen also unbedingt mit einbezogen werden (zur Problematisierung des Situationsbegriffs siehe Deppermann/Spranz-Fogasy 2001; zu einem möglichen Lösungsansatz von Situationsanalysen im Paradigma der Grounded Theory siehe Clarke 2011). So zieht Fiehler folgerichtig folgende Konsequenz: Ich werde Äußerungen immer in ihrer Relation zu bzw. Interdependenz mit praktischen Tätigkeiten analysieren. Dies ist ein methodisches Erfordernis, das sich aus dem Primat der praktischen Tätigkeiten ergibt. (Fiehler 1993, 349)
Damit steht er in der Tradition Malinowskis, der bereits 1937 die unbedingte Berücksichtigung von Situation und Kontext forderte: If the earliest and most fundamental function of speech is pragmatic – to direct, to control and to correlate human activities – then obviously no study of speech except with the ‘context of situation’ is legitimate. (Malinowski 1937, 172)
Neben der Verwendung authentischen Datenmaterials und aller zur Verfügung stehenden Informationen sollte drittens bei der Fokussierung auf sprachliche Realisierungsformen und somit Spezifika empraktischer Kommunikation stets die jeweilige Kontrastfolie angemessen reflektiert werden. Vielfach findet sich schriftsprachliche Kommunikation in ausgewählten Textsorten als explizite oder sogar nur implizite Kontrastfolie für die Beschreibung sprachlicher Besonderheiten von empraktischer Kommunikation, ohne die Besonderheiten mündlicher Kommunikation in ausreichendem Maße zu berücksichtigen. Damit gehen zwangsläufig wichtige Differenzierungen verloren und es werden ggf. wenig hilfreiche bis unpassende Begriffe und Konzepte auf das Datenmaterial angewandt (vgl. Fiehler 1993, 344). Um dies zu vermeiden, nutzt Fiehler beispielsweise „den gedanklichen Vergleich eines kommunikativ dominierten Tätigkeitszusammenhangs – z. B. einer Diskussion – und den praktisch dominierten Kooperationen“ (ebd.). Auch O’Connell und Kowal unterscheiden empraktisches Sprechen auf der Basis ihres filmischen Datenkorpus explizit von (alltäglicher) Konversation, indem sie es als „a separate genre of spoken dialogue“ konzeptualisieren (O’Connell/Kowal 2012, 81), und sie belegen die
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Berechtigung einer genrebezogenen Differenzierung auch nachvollziehbar mit ihren Analysen (siehe ebd., 107 ff.). Aktuelle einschlägige Forschung, die den Phänomenbereich empraktischer Kommunikation in Organisationen – meist ohne entsprechende terminologische Bezugnahme – untersucht, entstammt vielfach der multimodalen Interaktionsforschung (siehe z. B. Müller u. a. 2013; Schmitt 2007b und Jordan/Henderson 1995), den sogenannten Workplace Studies (siehe Heath/Button 2002 und Knoblauch/ Heath 1999) und den Studies of Work (siehe Bergmann 2006). Diese Forschungsbereiche orientieren sich überwiegend an konversationsanalytischen Methoden (zur sozialwissenschaftlichen Programmatik siehe Schegloff 2012) und nehmen in spezifischen organisationalen und institutionellen Handlungsfeldern neben sprachlicher Kommunikation viele weitere kommunikative Ressourcen in den Blick. Dazu zählen u. a. der Umgang mit analogen Arbeitsgeräten (siehe z. B. Schmitt 2001 zur Verwendung der „Tafel als Arbeitsinstrument und Statusrequisite“) sowie mit Computern und anderen digitalen Arbeitsgeräten. Siehe dazu z. B. Gerwinski (2015) zu Arbeitspraktiken mit noch im Entwicklungsstadium befindlichen Navigations- und Koordinationsmedien bei der Feuerwehr, Knoblauch (2012) zur Verwendung von Powerpoint, Bergmann u. a. (2008) zum digitalen Arbeitsplatz Flugzeugcockpit, Heath/ Luff/Svensson (2002) und Heath/Luff (2000) zum digitalen Arbeitsplatz der U-BahnÜberwachungsleitstelle in London, Habscheid (2001) zu „computergestützten Arbeitssettings“ im Allgemeinen u. v. m. Außerdem sind Untersuchungen zum Umgang mit orts- und dingfesten Zeichen (siehe zu Grundsatzüberlegungen und theoretischmethodischen Reflexionen z. B. Domke 2013; Auer 2010 sowie Scollon/Scollon 2003 und exemplarisch zu Zeichen im Kontext von Wanderwegen Schmauks 2002), mit para- und nonverbalen Kodes (siehe für eine aktuelle Übersicht z. B. Müller u. a. 2013 und exemplarisch Heath 2012 für gestische Symptomschilderungen in ärztlichen Konsultationen sowie Streeck 2012 zu prosodischen Praktiken der Angstschilderung in psychotherapeutischen Gesprächen), mit physikalisch-räumlichen Rahmenbedingungen (siehe Hausendorf/Schmitt 2013; Hausendorf/Mondada/Schmitt 2012 und Hausendorf 2010 mit Übersichtsskizzen zur interaktiven Ressource Raum und Kesselheim/Hausendorf 2007 exemplarisch für Ausstellungskommunikation) sowie mit kulturellen, rituellen und institutionellen respektive organisationalen Rahmenbedingungen (siehe u. a. Lynch 2012 zu einem exemplarischen amerikanischen Gerichtsverfahren; Deppermann/Schmitt/Mondada 2010 und Schmitt/ Heidtmann 2005 zu Firmenmeetings; Schmitt 2007a zu Filmsets und Meyer 2011 zu körperlichen und sinnlichen Praktiken der Wolof Nordwestsenegals).
4 Kommunikative Praktiken und konkrete Realisierungsformen Um sprachliche Realisierungsformen empraktischer Kommunikation im Gegensatz zu kommunikativ (v. a. sprachlich) dominierten Interaktionen zu charakterisieren,
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bietet es sich an, von Fiehlers Aufzählung der Differenzen auszugehen und die Punkte jeweils im Folgenden zu erläutern und ggf. zu ergänzen. Nach Fiehler kommt in empraktischer Kommunikation „[v]erglichen – beispielsweise mit einer Diskussion – […] pro Zeiteinheit weniger verbale Kommunikation vor (Quantität)“ (Fiehler 1993, 349). Das lässt sich durch einfache Auszählungen von Äußerungen in kontrastiv angelegten Korpora belegen (siehe O’Connell/Kowal 2012). Des Weiteren sind „die Beiträge häufig durch längere Pausen voneinander getrennt (Konnexität)“ (Fiehler 1993, 349). Auch O’Connell/Kowal (2012, 108) finden in ihrer Datenanalyse längere und mehr Gesprächspausen (v. a. aufgrund nonverbaler Handlungen und mentaler Überlegungen und Planungen) in empraktischer Kommunikation im Vergleich zu kommunikativ dominierten Tätigkeitszusammenhängen. Neben den Pausenunterschieden scheint die empraktische Kommunikation nach Fiehler auch „keinen inhaltlichen Zusammenhang zu haben (Kohärenz)“ (Fiehler 1993, 349). Dieser Eindruck hängt damit zusammen, dass sich aufgrund der Eingebundenheit in nichtsprachliche Handlungen gesprächsstrukturelle Merkmale wie Turn-Taking, Frage-Antwort-Muster und die zeitliche Gesprächsorganisation im Allgemeinen in empraktischen Kommunikationssituationen stark von denen alltäglicher konversationaler Settings unterscheiden (siehe O’Connell/Kowal 2012, 25). Es werden zudem mehr formale und funktionale Imperative (v. a. hinsichtlich motorischer Handlungen) verwendet, der Gebrauch von Deixisformen und exakten (nicht zögerlichen) Wiederholungen ist frequenter und anaphorische und kataphorische Verweise treten seltener auf (vgl. ebd., 157 und 108). Außerdem müssen auch hinsichtlich gesprächsstruktureller Aspekte unbedingt nonverbale Zeichen mit einbezogen werden. So schreiben O‘Connell und Kowal: Clark’s (2006, p. 131) inclusion of ‘projective pairs’, insofar as both parts of the signal may be completely gestural, blurs the traditionally linguistic character of conversation (O’Connell/ Kowal 2012, 163)
Ferner „sind die Beiträge in der Regel kurz“ (Fiehler 1993, 349). Aber auch wenn die Gesprächsbeiträge in empraktischer Kommunikation im Allgemeinen sehr kurz sind, so stellen O’Connell/Kowal fest, dass bereits Bühler (1978/1934, 52 und 361) empraktisches Reden nicht als defizitäres und/oder unvollständiges Sprechen beschrieben hat. Stattdessen stellt es eine Sprechkategorie sui generis dar, die man ggf. als Subform von Ellipsen (aber nicht im Sinne eines rhetorischen Stilmittels) charakterisieren kann (siehe O’Connell/Kowal 2012, 87; siehe zu neueren linguistischen Beschreibungsansätzen von Ellipsen in der Kommunikation auch Hennig 2013). Eine kleine Taxonomie von – im Rahmen der Beschreibung empraktischen Redens häufig angeführten – Ellipsen findet sich bei Klein (1984, 118 f.), wobei v. a. dessen „Kontext-, Handlungs- und expressive Ellipsen“ als sprachliche Realisierungsformen in empraktischer Kommunikation zu nennen sind, auch wenn Klein selbst nur die Handlungsellipsen zu „empraktischen Nennungen“ zählt (ebd., 126).
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Nach Auer und Di Luzio wären es v. a. „Kontextellipsen“ (Auer/Di Luzio 1988; nach Auer 1989, 46 f.). Im Rahmen „exophorischer Verweise“ dienen sie als „indexikalische Strategie“ zur (verbalen) aktiven Herstellung durch die Interpretanten einer „Kontiguitätsbeziehung zwischen Repräsentamen [nach Peirce (1983) der materielle Zeichenausdruck] und [außersprachlichem] Objekt“ (Auer 1989, 46; Ergänzungen durch J. G.; zu dem hier implizit angeführten triadischen Zeichenmodell siehe Keller 1995 und Peirce 1983). Wenn im Rahmen der Beschreibung empraktischen Redens auf solche Ellipsen-Konzepte zurückgegriffen wird, sollte auf diese allerdings deskriptiv und mit explizitem Verweis auf die entsprechende Kontrastfolie (z. B. Schriftsprache) und nicht intentional als Form ‚gezielter Auslassungen‘ (z. B. als rhetorische Figur) zurückgegriffen werden, um die o. a. Irritationen zu vermeiden und keine Überinterpretationen zu produzieren (siehe zu einer grundsätzlichen Kritik am Ellipsenbegriff auch Knobloch 2013 und zu elliptischen Äußerungen als Lösung eines Auslassungsproblems Rickheit/Sichelschmidt 2013). Nichtsdestotrotz fallen die Kürze und die – zumindest im Paradigma der Schriftsprachlichkeit – grammatisch z. T. erheblichen Abweichungen auf. Doch obwohl [a]ll diese empraktisch eingebauten Wörter und Satzfetzen […], was die Artikulation angeht, mitunter so stark [degenerieren], daß faktisch nur noch ein verwaschenes Geräusch oder Gemurmel bleibt, […] werden [sie] trotzdem nicht mißverstanden. (Bühler 1978/1934, 285)
Dafür sind i. d. R. die von den Gesprächsbeteiligten gemeinsam geteilten Wissensressourcen verantwortlich (siehe Abschnitt 3). Schließlich konstatiert Fiehler, dass „die verbale Kommunikation aus sich heraus nicht verständlich (Kontextabhängigkeit)“ ist (Fiehler 1993, 349). Auch das hängt nicht nur mit inhaltlichen, sondern auch mit strukturellen Gesprächsaspekten zusammen. So gibt es in empraktischen Kommunikationssituationen zum Beispiel für die Beteiligten keine Verpflichtung zur Rederechtübernahme (siehe O’Connell/Kowal 2012, 161), was O’Connell/Kowal auch mit ihrer Analyse belegen: „in more than half of the excerpts of empractical speech, no speaker change occurred at all“ (ebd., 108). Die Implikation, dass mehr als ein Teilnehmer sprechen muss, gilt nicht (jedenfalls nicht für einzelne Sequenzen). Die Interaktion ist originär der Arbeit(shandlung) untergeordnet und dient damit institutionellen Zwecken. Die Beteiligten verhalten sich nicht als symmetrische Gesprächspartner ohne hierarchische und autoritative Gesprächselemente. So benutzen sie u. a. vielfach Imperative (siehe ebd.). Und sie signalisieren nicht zwingend Reziprozität in ihren Äußerungen, wodurch die Kommunikation für außenstehende Beobachter, die lediglich akustischen Zugang zu den Interaktionen haben und nicht den Wahrnehmungsraum der Akteure teilen, zusammenhanglos und unkoordiniert (ggf. sogar unkooperativ) wirken kann. In der Auswertung ihres filmischen Datenkorpus führen O’Connell und Kowal die Dauer, die kooperative Beteiligung, den Status der Beteiligten und den Grad der Ritualisierung (vgl. ebd., 159) als Kriterien für vorwiegend nonverbale Aspekte
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bei der analytischen Differenzierung empraktischer Kommunikation auf, womit sie insgesamt eine feingliedrigere Analyse empraktischer Kommunikation in umfangreichen Korpora ermöglichen. Zwei Gesprächsbeispiele aus dem Datenkorpus von Gerwinski (2015) zu Notfalleinsatzübungen der Feuerwehr sollen die in diesem Abschnitt angeführten sprachlichen Charakteristika in Kürze illustrieren und exemplifizieren (zur Transkription vgl. Selting u. a. 2009). Transkript 1 aus Gerwinski (2015, 217, TA48): 01 AT1FM1: ja ja ich hab hier gerade die türe geÖffnet02 [jetzt] brauchen ma ne lAndmarke als kEIl (rauf) 03 AT1FM2: [ja:- ] 04 AT1FM1: hier. 05 AT1FM2: ja:; 06 AT1FM1: hier [unter die tür- ] 07 AT1FM2: [] An diesem Beispiel lassen sich – neben typischen alltagssprachlichen Elementen (als Kontrastfolie) wie dialektalen Einfärbungen (ma in Z.02, 07) und Wortkürzungen (ne in Z.02) – einige Phänomene empraktischer Kommunikation in Organisationen veranschaulichen: Zum einen die Kürze der Turns, die bezogen auf schriftsprachliche Normen grammatische Unvollständigkeit (siehe Z.03–07), die hochfrequente Verwendung von Lokal- und Temporaldeiktika (hier in Z.01, 04, 06; jetzt in Z.02) und die Einbettung in außersprachliche Handlungsvollzüge (Türöffnung und Unterkeilen der Türe mit einem Keil). Zum anderen aber auch die in Abschnitt 3 beschriebene i. d. R. übliche (wenn auch nicht durchweg zwingende) Realisierung eines zweiten sprachlichen Turns im Anschluss an vorangegangene empraktische Äußerungen (siehe Z.04) und die Verwendung von Imperativen (siehe Z.04 und Z.06). Was sich ebenfalls an diesem kurzen Transkript-Ausschnitt zeigen lässt, sind die Notwendigkeit, diverse Wissensformen (u. a. (ethnographisches) Situationsund institutionelles Regelwissen), und mindestens Videodaten statt nur Sprachdaten bei der Analyse zu berücksichtigen, da sonst viele Phänomene nicht angemessen erörtert werden können und den Lesern des Transkripts zwangsläufig unverständlich bleiben. So ergeben sich z. B. folgende Fragen: Worauf soll AT1FM1 in Z.07 warten? Das wird im weiteren Verlauf der Kommunikation beantwortet: AT1FM2 möchte zunächst mit seinem Kollegen das Ortswissen zum Standort abgleichen. Warum wird die Tür unterkeilt? Das wird durch institutionelles Handlungswissen beantwortet: Damit sich der mitgeführte Schlauch nicht im Verlauf des Einsatzes in der Tür verkeilt, wird die Tür mit einem Keil offen gehalten (die Verwendung eines Keils zum Offenhalten einer Tür kann man natürlich auch dem allgemeinen Weltwissen zuordnen). Wo sind sie und welche primären Aufgaben verfolgen die Feuerwehrleute im Transkript-Ausschnitt? Das ergibt sich aus ethnographischem Hintergrundwissen: Sie sind in einer Tiefgarage
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und haben den Auftrag, eine vermisste Person zu finden. Welche gestischen Ausdrucksformen unterstützen das Verstehen der Kommunikation und wie genau werden die Tätigkeiten auch außersprachlich koordiniert? Im Ausschnitt gibt es z. B. in Z.04 und 06 Zeigegesten hin zum Punkt der Tür, an der der Keil angebracht werden soll. Was sind ‚Landmarken‘? Das sind die in einem gleichnamigen Entwicklungsprojekt schrittweise produzierten auslegbaren Navigations- und Koordinationsmedien für Feuerwehrleute in verrauchten Gebäuden (siehe Gerwinski (2015)). Transkript 2 aus Gerwinski (2015, 141, TA14): 01 AT1FM1: (5.5) solln wa hier die erste landmArke ma setzen? 02 AT1FM2: (3.0) joa weiß ich net. 03 (.) treppen[(raum-)] 04 AT1FM1: [(u ge) ] machen wir Oben an die tÜr. 05 (-) (xxx xxx) (--) hier könnten wa ne blaue setzten; 06 ne blau-gelbe oder? 07 AT1FM2: ja könnten wa auch machen. 08 AT1FM1: (--) wolln wir hier erst(mal) eine sEtzen? 09 sit: AT1FM1 wendet sich zu einem der Entwickler, der die 10 Landmarken bei sich führt. 11 AT1FM2: (3.5) aber die wissen ja (.) zweite o=ge (–) weiß ich nich. 12 [denke xxx-] 13 AT1FM1: [ja gut ] (denk) ma hier wär schon14 AT1FM2: (---) wär (wohl) übertrieben oder? 15 (2.0) kriegen wa (kein) wAsser? 16 AT1FM1: (3.0) einsatzleitung von angriffstrupp kommen? 17 ZF: (1.5) zugführer hört. 18 AT1FM1: ja: geb ma wAsser auf das ce-rohr; Auch an diesem Beispiel lassen sich zunächst eine ganze Reihe von gesprochensprachlichen Phänomenen beobachten: Wortkürzungen (solln, ne), dialektale Einfärbungen (wa, ma, net), vornehmlich in mündlicher Kommunikation auftretende Wortformen (joa, ein imperativisch gebrauchtes geb), Überschneidungen von Beiträgen (Z.03/04 und Z.12/13), unvermittelte Anschlüsse bzw. Ergänzungen (Z.06), syntaktisch unvollständige Satzkonstruktionen (Z.04, Z.06), Wechsel des Adressatenbezugs via proxemische Handlungen (siehe die Rumpf- und Kopfdrehung in Z.08–10) und Satzabbrüche/Anakoluthe (Z.13). Des Weiteren gibt es für empraktische Kommunikation typische häufige und z. T. (zumindest im kontrastiven Vergleich zu kommunikativ dominierten Interaktionen) längere Pausen, zu nichtsprachlichen Handlungen anleitende Imperative (siehe Z.18), einzelne Wörter statt vollständiger Sätze (Z.03; um treppenraum zu verstehen, ist individuell geteiltes Wissen notwendig, wie der sich damit überschneidende Anschlussturn offenbart) und rollenbezogene Selbstbezeichnungen sowie einge-
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übte Floskeln im Rahmen institutioneller Funkkommunikation (siehe Z.17), für deren Verständnis institutionelles Regel- und Handlungswissen notwendig ist. Neben diesen Phänomenen lässt sich hier ein weiteres Phänomen empraktischer Kommunikation in Organisationen illustrieren: Nach einer längeren Aushandlungssequenz darüber, ob an dieser räumlichen Position von den Beteiligten ein technisches Markierungszeichen (eine der sogenannten ‚Landmarken‘) für nachfolgende Feuerwehrtrupps ausgelegt werden sollte, wechselt ein Akteur (AT1FM2 in Z.15) das Thema nach einer kurzen Pause, in der sein Gesprächspartner eine sprachliche Reaktion hätte folgen lassen können (aber wie man sieht, offensichtlich nicht müssen, und eine nonverbale Bestätigung als nichtsprachliche Antwort lässt sich im Videodatum nicht nachweisen), und fragt nach Wasser für die von den beiden Feuerwehrleuten mitgeführte Schlauchleitung (siehe Z.15). Das erwidert AT1FM1 (in Z.16) nicht mit einer Antwort, sondern mit einer Anfrage in einem anderen Interaktionskreis: Er ruft den Einsatzleiter via Funkgerät an (Z.16) und gibt die in der Frage zuvor indirekt formulierte Forderung als direkte Forderung weiter (Z.18). Somit reagiert AT1FM1 zwar mit einer sprachlichen Handlung, diese ist aber nicht an seinen fragenden Kollegen gerichtet, sondern nur für diesen hörbar. Dieses Verhalten, das in sprachlich dominierten Tätigkeitszusammenhängen im deutschsprachigen Kulturkreis von den Beteiligten (und Zuhörern) aufgrund der Abweichung von idealtypischen (in konversationsanalytischen Arbeiten beschriebenen) Turn-Taking-Prozessen bzw. Frage-Antwort-Mustern im Allgemeinen als unhöflich interpretiert werden würde, ist in dieser Interaktion durch den übergeordneten primären außersprachlichen Tätigkeitszusammenhang gerechtfertigt und wird von AT1FM2 als unproblematisch und kooperativ beurteilt. Dies haben ethnographische Erhebungen bestätigt: den Beteiligten ist eine Problemdeutung dieses Verhaltens derart fremd, dass sie erst explizit auf eine solche Deutungsart hingewiesen werden müssen. Viele Turns im Transkript-Ausschnitt scheinen zudem keinen unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang (keine Kohärenz) aufzuweisen und entbehren damit für Beobachter einer gewissen Reziprozität (siehe Z.03, 05, 08–11, 15). Das Zusammentragen all dieser Einzelbeobachtungen stützt das Fazit von O’Connell/Kowal, dass empraktisches Sprechen in fast allen Fällen klar unterscheidbar von konversationalem Reden ist: „Empractical speech, then, is not conversation“ (O’Connell/Kowal 2012, 157).
5 Ausblick Aufgrund vieler technisch-medialer und organisationaler Entwicklungen gilt es m. E. bei der Analyse empraktischer Kommunikation bzw. institutioneller oder interaktionaler Interaktion im Allgemeinen zunehmend hybridisierte MenschMaschine-Ensembles bzw. soziotechnische Konstellationen in den Blick zu nehmen
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(siehe auch Knorr Cetina 2012), wofür auch methodisch neue Formen der Datenerhebung und anschließenden -zusammenstellung sowie -analyse notwendig werden. Dass akustische Daten allein für eine angemessene Erforschung von Arbeitsaktivitäten vielfach nicht ausreichen, ist offensichtlich und zeigt sich auch in den kurzen exemplarischen Datenanalysen im vorangegangenen Abschnitt. Und selbst audio-visuelle Datenerhebungen mittels Videokamera(s) sind in vielen Settings nicht hinreichend, da auch Arbeitsanweisungen und andere Regularien wie Bedienungsanleitungen, Beschilderungen, gemeinsame Vorerfahrungen und gemeinsames allgemeines Vorwissen der Beteiligten sowie zum Wahrnehmungsraum gehörende olfaktorische (z. B. der Geruch von Verschmortem) und spezifische haptische Informationen (z. B. thermische Signale wie Hitze in Feuerwehreinsätzen) mit aufgenommen und ausgewertet werden müssen. Manches kann aber selbstverständlich auch indirekt aus der Kommunikation geschlossen werden. Die „grundsätzliche Situationsverschränktheit des ‚Sprechhandelns‘ […, die] beim mündlichen, empraktischen Sprechen [am stärksten] zum Tragen“ kommt (Deppermann/Spranz-Fogasy 2001, 1150), bewirkt, dass eine Vielzahl relevanter Daten anfällt. Um diese aufnehmen und anschließend sinnvoll in Beziehung setzen zu können, müssen erst noch neue (je) gegenstandsangemessene (und dennoch soweit wie möglich allgemeine) methodische Grundlagen geschaffen werden. Dies könnte z. B. im Rahmen von sowohl technologisch als auch methodisch orientierten Forschungsansätzen für den angemessenen Umgang mit unterschiedlichsten Datentypen erfolgen. Diese versprechen dann vollständigere nachvollziehbare Ergebnisse bei der Auswertung institutioneller empraktischer Kommunikation zu generieren und mehr Einzelheiten und analytische Details in praktischen Arbeitsvollzügen offenzulegen. Dennoch bleibt mit Deppermann und Spranz-Fogasy (auf Winograd (1980) Bezug nehmend) für situationale Analysen festzuhalten, dass vollständige Rekonstruktionen selbstverständlich nie möglich sein werden: Grundsätzlich bleibt das Problem, daß es nicht gelungen ist und u. U. aus interpretationstheoretischen Gründen auch gar nicht gelingen kann, alle Sachverhalte und Gesichtspunkte anzugeben, die für die vollständige Rekonstruktion von Situationen notwendig sind. (Deppermann/ Spranz-Fogasy 2001, 1158)
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3. Innovation Communication Abstract: In this chapter, we provide an overview and discussion of the ways in which ethnomethodologically inspired approaches, that all take as their point of departure a detailed analysis of human practice as it is conducted through linguistic and embodied resources, have been introduced to and implemented within more technologically oriented disciplines of innovation and design. We begin by providing a description of the historical development that led to the recognition that a basic understanding of human practice is vital for innovation and design (1), and an introduction to one particular perspective within the social sciences, ethnomethodology, which became highly influential in this regard (2). We then describe, in turn, three different ways in which the study of human practice has been integrated with innovation and design, first as a method for informing innovation and design (3), then as a hybrid method employed as part of the innovation and design process (4) and finally, as a method for investigating innovation and design processes (5). Building on previous research in these three areas, we conclude by outlining some promising, yet relatively underexplored aspects of human practice to which future research could turn for the benefit of both our understanding of innovation and design and for human practice more generally (6).
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Socio-technology: Human practice and innovation Ethnomethodology: The social organisation of human practice Human practice as informing innovation and design Implementation of innovation and design Practices of innovation and design Future directions Literature
1 Socio-technology: Human practice and innovation The strong interdependency between innovation and design on the one hand and human practice on the other was first recognized in the period following World War II, during which a surge of new technologies were introduced and rapidly transformed workplaces as well as the public and private spheres. Prior to this, the economic necessity of innovation, both for organizations and society as a whole had been emphasized (e.g., Schumpeter 1942), but what had perhaps not been appreciated was the extent to which technical innovations (new technologies, products and services) and administrative innovations (new procedures, policies and organizational structures) had over-arching consequences for the ways in https://doi.org/10.1515/9783110296235-003
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which both work and everyday life were organized and carried out. This called for a general re-conceptualization of organization, in which social and technological aspects of the organization would be integrated with each other, forming one joint concept of “socio-technology” (e.g., Trist/Bamford 1951; Rice 1953), within which it was recognized that social and technical systems were the substantial factors – the people and the equipment. Economic performances and job satisfaction were outcomes, the level of which depended on the goodness of fit between the substantive factors. (Trist 1981, 10; our emphasis)
The key principle of socio-technical theory in organisations was that social and technical systems are highly interdependent, and that, to be effective, organizations needed to ‘optimize’ both jointly. Within organizational studies, socio-technical theory was pioneering a shift in emphasis, a shift towards considering teams or groups as the primary unit of analysis rather than the individual. More recent developments of this general perspective have emphasised that technology can be used in various ways and that it is in effect the users of technology that shape technology’s implications and integrate it into everyday practice (e.g., Orlikowski 2000, 2007), so that similar technologies can end up being embedded into different social systems in different ways, occasioning different social outcomes (e.g., Barley 1986). Lucky’s (1991) comparative analysis of the widespread success of the facsimile machine versus the stark failure of the Picturephone® illustrates the extent to which successful innovation is often more a social achievement than a technological one. Innovation is heavily dependent upon the creation and uptake of novel social practices. Successful technologies thrive because they create new forms of society; others fail because people are uninterested, unwilling or unable to take up new practices. Among the consequences of this socio-technological approach to innovation was the recognition that the successful introduction of any innovative technology (technical or administrative) should be predicated on a thorough understanding of the human work practices that the technology is ultimately designed to support, and where possible, the active participation in the process of designing the technology by the end-users of the systems under development (e.g., Mumford 1983). This participative, sociotechnical approach to systems design was coincident with similar democratic design movements, typically referred collectively to as Participatory Design, in Scandinavia (e.g., Ehn 1988) and later, the United States (e.g., Schuler/Namioka 1993). Each of these developments share a commitment to grounding the design of new technologies on a detailed understanding of people’s existing practices in contexts of use, and involving users in design. As design and innovation organizations attempted to integrate understandings of the social contexts of use into their technological development processes, they naturally turned to the social sciences. For a number of historically contingent reasons that we will touch on in the next section, one particular perspective within the social sciences – ethnomethodology – became highly influential in these efforts.
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2 Ethnomethodology: The social organisation of human practice Ethnomethodology emerged as a distinct orientation within sociology in the 1960s as an alternative to various movements in theoretical sociology (see also Oberzaucher, this volume). A central concern in the social sciences has been the ‘problem’ of social order: if individuals are self-determined, and free to act in any imaginable number of ways, why are societies, on the whole, so stable and organized? The social sciences have proposed a number of theoretical solutions to the problem of order; ethnomethodology’s insight was that since individuals are necessarily part of a collectivity, social order is in reality a group member’s concern, something generated from within each and every particular setting through the procedures, practices and methods which members of a particular group employ to create, manage and maintain their organized everyday affairs. In this way, ethnomethodology was – and is – radical in the way in which it considers human conduct. In founding ethnomethodology, Harold Garfinkel (e.g., 1967, 1996) argued that social order, including the order of work, depends not on formal, organizational structures, nor on individual psychology or motivation, but on constant attention to, and competent display of, shared member’s methods (ethno-methods). In this perspective, people’s practices (or actions) are not the subject matter that a (behavioural, biological, sociological or psychological) theory ought to explain, but actually themselves constitute the explanation for order. This distances ethnomethodology from theoretical programs in the social sciences such as interactionist or institutional theories, for the reason that ethnomethodology refrains from advancing a theory of, e.g., social action, the human actor, society, practice, institution, change or other major concepts that feature as centrepieces of various theoretical programs in the social sciences. Instead, it examines human behaviour to explicate the practical methods by which people reproduce and sustain social order in their conduct. While ethnomethodology sprang from a sociological interest in human behaviour, one – if not the – primordial site for examining human behaviour was already from early on that of language; though it was language understood as one social practice, among and inseparable from people’s other collaborative activities. Thus, linguistic artefacts such as words, speech, text etc. should not be treated separately from other ways in which people act together, coordinate and communicate (e.g., through gesture, handling objects, facial expressions), a perspective that is shared also by ethnomethodologies’ cognate discipline, Conversation Analysis. Garfinkel may have been what Maynard/Clayman (1991) call “institutionally indifferent” in that he was ultimately interested in the sense-making practices employed by human beings, rather than in any particular institution or organization per se. Nevertheless, much of his own early work was focused on how members of an organization or institution came to make interpretive decisions through collabo-
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rative sense-making, for instance in how coroners determined the cause of death, how jurors deliberated guilt or innocence and how medical personnel managed clinical records (1967). In later work, Garfinkel explicitly promoted the idea of an ‘ethnomethodology of work’ (1986), which should be dedicated to the analysis of just how the specific, concrete practices which constitute the day-by-day activities in a work domain are produced and recognized by members of the work environment as locally accountable competencies of that self-same work activity. That is, people don’t simply work and get their jobs done, but a part of doing the work competently is doing it in such a way that it can be seen to have been done in just such a competent way. Work is ‘accountable’ in precisely this sense, that fellow workers can recognise its visible accomplishment. An ethnomethodology of work made it possible to focus on the working division of labour as it was locally enacted; to study work-practices as social organization, where the mutual coordination of tasks is the organization of work. Garfinkel’s work paved the way for decades of studies of how work is accomplished through members’ linguistic and embodied collaborative practices across a range of different organizational settings, including, in the early years, studies of the social welfare agency (Zimmerman 1969), police work (Bittner 1967; Cicourel 1968) and natural science (Lynch 1982). This work is very much still on-going today and it is in particular this field of studies, now commonly labelled “workplace studies” (see also vom Lehn, this volume), that in many ways can be seen to have been subsequently implemented – and to some degree adopted – in the context of innovation and design, where they are specifically dedicated to the analysis of how technology features in the accomplishment of work. In the following, we will outline how ethnomethodologically inspired approaches was introduced to more technologically oriented disciplines, first as a method for informing innovation and design of for instance technology (3), then as a hybrid method employed as part of the innovation and design process (4) and finally, as a method for investigating innovation and design processes (5).
3 Human practice as informing innovation and design There is, by now, a longstanding tradition within areas such as Ubiquitous Computing, Human-Computer Interaction (HCI), Computer Supported Cooperative Work (CSCW) and the design of robot systems, in which studies of human practice, often in the form of ethnography or ethnomethodology, are drawn on to inform innovation and design of new technology. Lucy Suchman’s seminal book “Plans and Situated Actions” from 1987 is generally credited as being the first to introduce the innovation and design relevant possibilities and insights that can be gained from
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detailed ethnomethodological studies of how human beings interact with one another and with technology. Suchman, who had worked with Garfinkel and was strongly inspired by ethnomethodology, was employed at PARC, an innovative technology research center in Silicon Valley in the 1980s; she was also one of the early proponents of participatory design in the United States (e.g., Suchman/Trigg 1991). In her early work she made the point that innovative technology should be contingent on a thorough knowledge of the human work-practices that the technology is ultimately designed to support. Having studied how a group of office-workers organized their work, Suchman (1983) thus concludes that only a rigorous program of disinterested study can guide the long-term development of technologies more genuinely supportive of the work that actually goes on in the office. Basic research on human organization and action is relevant to office information systems insofar as innovation in design is tied to innovation in the underlying conception of the activity that the design supports. (Suchman 1983, 328)
This general point was further developed in Suchman’s later study (1987) of the kinds of problems faced by users trying to work a photocopier, where she delivered a persuasive criticism of the way in which users were modelled in computer engineering cultures, models upon which the design of technology was based. Suchman demonstrated that the photocopier was not aligned with the working practices of the users and failed to satisfy their work demands, largely because the photocopier interface was based on the assumption that human action is organized according to a predetermined and underlying plan for achieving a desired state of affairs that is known in advance, such as, for instance, making a two-sided copy of a bound document. In practice, however, Suchman’s analysis illustrated that plans are better thought of as contingent resources for situated action rather than as accurate projections or representations of it. Certainly, the users of the photocopier Suchman studied made use of far more resources than were available to or provided by the photocopier’s ‘intelligent’ interface as a part of working out what action to take next to get their copies made. Suchman’s work, coupled with Garfinkel’s original workplace studies program, is largely responsible for the widespread recognition that ethnomethodological studies of human practice in relation to interaction technologies has achieved in technology-oriented innovation and design, such as HCI, CSCW and Artificial Intelligence (AI). There thus exists a growing corpus of research, commonly known as “workplace studies” that in various ways address the relationship between human practices and action on the one hand and technologies, ranging from very basic tools and artifacts through to advanced digital systems, on the other. This corpus of research includes detailed studies of different kinds of command and control centres (e.g., Bentley et al. 1992; Heath/Luff 1992; Harper/Hughes 1993; Hughes et al. 1994; Suchman 1997; Martin/Bowers/Wastell 1997), call centres (e.g., Whalen/ Vinkhuyzen 2000; J. Whalen/M.Whalen/Henderson 2002; Moore/Whalen/Cabell Hankinson Gathman 2010), medical consultations and operating rooms (e.g.,
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Greatbatch et al. 1993; Hindmarsh/Pilnick 2002, 2007; Mondada 2007), management systems for banks and travel (e.g., Martin/Rouncefield 2003; Arminen/Poikus 2009), aviation (e.g., Nevile 2004; Arminen/Auvinen/Koskela 2010), collaborative virtual environments (Hindmarsh et al. 2000), museums (e.g., Kuno et al. 2007; Szymanski et al. 2008), robot systems (e.g., Kuzuoka et al. 2008; Pitsch et al. 2010). Common to all these studies is their (a) focus on human practice in interplay with technology, i.e. how work (and life in general) is organized around and with other humans and the technology of a particular (work) context and (b) their wish to convey the importance of the sociality of work by shedding light on the complex actions and interactions that in fact occur as part of the everyday work. Studies of human practices (in contexts of use such as the workplace) can be seen to have made a number of contributions to innovation and design, through raising awareness of important conceptual issues and questioning taken-for-granted assumptions about work activities and how they should be supported. First, studies of human practice in the work place shed light on the fact that innovative technology need be designed so that it can be incorporated into the flow of work. For instance, in their study of air traffic controllers, Hughes/Randall/Shapiro (1993) exposed the complexity of the interactions between air traffic controllers and the technological artefacts they use to coordinate their work. They argued that for the technological artefacts to be useable for the controllers, they needed to be turned into instruments that had a place within the practices and contingencies of the already existing, working division of labour. Second, studies of human practice serve to caution against the idea that any technological innovation is automatically an improvement. Suchman/Trigg (1991), investigating the work going on in an airline operations room, thus illustrate how what at first appeared to be a simple, paper-based sheet of records was used by the staff in a number of different ways to coordinate their work. Their analysis uncovered how some of these functions were enabled by the physical properties of the sheet itself; and they thus argued that each function or use of the sheet needed to be understood if it was to be replaced by some other technology, so that “effective design involves a co-evolution of artefacts with practice” (p. 72). Third, studies of human practice reveal that innovative technology is appropriated by users in ways not intended or foreseen by the designers, exactly because of users’ prevalent and ongoing work to incorporate technology into working practices. Nardi/Miller (1990), for instance, showed how spread sheets, which were viewed and intended as single users programs were made into “de facto cooperative work environments” (p. 197) to support the sharing of both programming and domain expertise in the workplace. Studies of human practice are generally best described as informing system design, i.e. as imparting knowledge and insights, rather than actually participating actively in the form-giving part of the innovation and design process. According to an overview of such studies provided by Plowman/Rogers/Ramage (1995, 314) actual, detailed design guidelines are typically absent, replaced by an offer of
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“insights” (e.g., Heath/Luff 1992), “directions” (e.g., Thereau/Filippi 2000), “input” (e.g., Grønbæk/Kyng/Mogensen 1992), “suggestions” (e.g., Luff/Heath/Greatbatch 1992), “implications” (Beck/Bellotti 1993) or “options” (Egger/Wagner 1993) for design. Others explicitly state that it is “no part of our remit to produce actual design solutions” (Rouncefield et al. 1994), maybe because “the main virtue of ethnography is its ability to make visible the ‘real world’ sociality of a setting” (Hughes et al. 1994, 330). Ethnomethodologically oriented studies of human practice can, however, take a more active role in the innovation and design process, as illustrated in particular by the work conducted at PARC, where for instance ethnomethodological findings about the practices of visitors at a historic house can be tracked directly in the specific design feature of electronic guidebooks that allow visitors to “eavesdrop” on the audio content playing on their friends’ guidebooks (Szymanski et al. 2008). As we shall discuss in the following section, recent years have however seen a turn to exploring how studies of human practice can be implemented, not ‘just’ to inform design and innovation, but to take a more active role in the actual design and innovation process.
4 Implementation of innovation and design Studying human practice to inform innovation and design has, as described above been ongoing since Suchman’s work in the 1980’s and is still thriving today. Within this traditional relationship, investigations of human practices naturally precede the design development, but this order of affairs has over the years been criticised, as have the kinds of contributions to innovation and design that can be achieved through detailed studies of human conduct. Critical voices of such studies have among other things noted that these studies struggle with presenting their results in a way that is understandable and applicable for designers. Button (1993) and Shapiro (1994), for instance, suggest that the language and analytical categories derived from studies of human practice are frequently of very little actual relevance to the more practical problem of design and innovation. From the designer’s perspective, studies of human practice often seem: far too unsystematic a method, its results presented in a discursive form, design options are not clearly stated and do not attend sufficiently to engineering needs. (Hughes et al. 1994, 432)
Others have noted that studies of human practice can often be very time-consuming and prolonged activities, which fit very badly with the need for innovation and design to meet organizational requirements in terms of the time and funding set aside for development. Some have countered this problem by pointing out that studies of human practice need not in fact be time-consuming but can be done as a ‘quick and dirty’ approach where the duration is fitted to the size of the task (Hughes et al. 1994).
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The biggest bone of contention between studying human practices on the one hand and practical development and implementation of innovation and design on the other, however, seems to be the issue of current practice. Studying the enacted local practices of for instance work, means that such studies can be criticised for overemphasizing the nature of current practice – and sometimes defending current practice against any future implementations of innovation, whereas innovation and design specifically involves the conception of future practices (e.g., Mogensen/ Robinson 1995). In response to these criticisms and perhaps also a more personal dissatisfaction with the lack of practical integration between studies of human practices on the one hand and innovation and design on the other, some have suggested a return to consider the implications that some foundational principles of Garfinkel’s original program of ethnomethodology may have for design and innovation. Rather than conducting studies of human practice as fieldwork to inform design, researchers from PARC such as Paul Dourish and Graham Button proposed a program of “technomethodology” (e.g., Button/Dourish 1996), in which the design and innovation process “learns from ethnomethodology” (Button/Dourish 1996, 23; their emphasis), so that ultimately innovative technology is developed in alignment with ethnomethodological principles. They exemplify this by re-introducing the ethnomethodological notion of accountability, as in contrast to the notion of abstraction and representation currently employed in much systems design. Using the example of file copying, Dourish/Button (1998) argue that the abstraction of this process leaves much to be desired in terms of the user’s understanding of what is going on. They describe the problem as follows: Let us consider a case in which someone drags a large set of files onto the folder. A percentagedone bar appears, and starts to fill; but when it reaches 40 % complete, the copy operation fails. […] In this case, what resources are available to the user to understand what has happened, and to understand what options are now available? What does it mean that the percentage-done bar filled to 40 %? Were 40 % of the files written onto the remote volume? Were 40 % of the files read from the local disk? Did all the files get 40 % of the way to their destination? (Dourish/Button 1998, 415)
Whilst most people who found themselves in this situation would probably be able to subsequently determine what exactly had happened, for instance by going into the folder that had been copied to check which files where there, the point here is that the abstraction or representation of the system unnecessarily masks “the details upon which such understandings could be based” (Dourish/Button 1998, 415), so that the user is forced to make sense of what happened in other ways. By contrast, they suggest, an ethnomethodologically-based abstraction of file copying, based on the principle of accountability, would provide users with a means of seeing “what copying means in this case, by providing a view into the mechanism by which copying is carried out” (ibid., 415). The solution they propose is a structural model in which a number of staging posts, or ‘data buckets’ are placed between
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the original folder and the folder in which the files should end up as a result of the copying process. What the system thus represents to the user is an interface account of the ongoing action within the system, which allows the user not just to recover from failure (should that occur), but also “for more detailed ongoing monitoring of action” (ibid., 416). In other, related work, Button and Dourish have since argued how a range of other ethnomethodological principles can be employed in innovation and design to ultimately develop technology that better reflect the user experience of working with a system, for instance the notion of “membership”, as opposed to the system-based notion of type or class and the ethnomethodological conceptualization of context as being socially organized (e.g., Dourish 1995). In general, however, the notion of technomethodology in the sense suggested by the work of Button and Dourish does not appear to have had much traction within the larger research community (e.g., Eriksén 2002; Crabtree 2004a). One ethnomethodological principle or concept that seems to have had somewhat more traction within innovation and design is Garfinkel’s “breaching experiments”. The breaching experiment was first introduced to sociology by Harold Garfinkel (1963, 1967) as one of a set of ethnomethodological methods of inquiry designed to reveal and make observable and describable “the social structures of everyday activities” (Garfinkel 1967, 75). Garfinkel instructed his students to perform actions that went against background expectancies or understandings, or in other ways departed from what would be understood as normal behavior in society, so as to shed light on the everyday methods with which people construct and normalize reality, when that reality is challenged by violations of the ordinary social order. Trying to address the problem of how to incorporate the study of human practices into the actual process of innovation and design, Crabtree (2004a) argues that the introduction of technological innovations to the world can be seen as breaching experiments, where the study of human practices can then be employed to “make visible the contingent ways in which the technology is made to work and the interactional practices providing for and organizing that work” (ibid., 60). In this way, new practices that did not exist before the technology was introduced, but rather developed out of and around that technology, can be studied and made available for an iterative innovation and design process. Using the examples of a mobile mixed reality game called CYSMN, Crabtree describes an innovation and design process in which the study of human practice, in the form of breaching experiments took an active and iterative role that lead to specific (re)design recommendations for CYSMN that were subsequently implemented and then tested again. Though Garfinkel’s notion of breaching experiments (or Crabtree’s reconceptualization of this) is not always actively mentioned, a whole line of research has, from the early 2000’s and onwards, in a similar way to what Crabtree suggests, focused on describing new human practices that evolve around innovative technology and exploring how such descriptions can influence and take an active part in
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iterative innovation and design processes. These studies are typically centred on a low-fidelity prototype of some innovative technology and focus on to what extent the technology (or the prototype) may fit into and support existing practice, whether and how the technology is appropriated and whether new practices evolve. The underlying purpose of such studies range from developing and designing actual innovative technology, across gaining knowledge about how best to introduce existing technology, to generating more general knowledge about the kind of issues that need be considered when designing innovative technology. In the context of wayfinding technology for firefighters, Ramirez/Denef/Dyrks (2009) and Habscheid/Gerwinski (2012) for instance employed and studied different prototypes in training sessions to explore how firefighters appropriated different aspects of already existing technology and to what extent this technology could thus be used to support existing practices or develop new practices that would be safer and more reliable than the current ones. In somewhat less dramatic contexts, Kurvinen/ Koskinen/Batterbee (2008) similarly focused on prototypes for mobile multimedia, to explore “a more accurate description and understanding of the social phenomena related to the product or service idea” (Kurvinen/Koskinen/Batterbee 2008, 57), Lindley et al. (2009) investigated how and to what degree families appropriated a messageboard, and Heyer/Brereton (2010) introduced and developed first a tool for mobile social communication and then a community digital noticeboard in close concert with the practices developing around prototypes of these systems, identifying and generalizing a number of “patterns of participants’ usage” (Heyer/Brereton 2010, 287) that were then deployed in the subsequent design process. Crabtree (2004b) argues that viewing new technology as breaching experiments and studying the human practices that evolve around such technology, “provides a sociotechnical model of innovation”, because such innovation is driven incrementally through the development of technology and the subsequent study of its essential social properties, and so provides for the development of future technologies that are well grounded in and responsive to the social circumstances of their use. (Crabtree 2004b, 206)
Integrating the study of (new) human social practices of use with the development of innovative technology thus seems to speak directly to the concerns initially addressed by theories of socio-technology in the early fifties, as described above. But in addition to this, the insistence on studying how intended users of innovative products and services actually interact with and through such innovations also fits well with the more general and growing interest in including future users in the design and innovation process more directly, i.e. as active participants instead of as informants or sources of knowledge, an approach advocated in particular in Participatory Design (e.g., Schuler/Namioka 1993) and Participatory Innovation (e.g., Buur/Matthews 2008). As such, the critical study and analysis of deployed technologies naturally raises concerns for the processes by which they were conceived and constructed. Studies of technologies in use do not simply inform the
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design of next generation technologies nor are they an empirical basis for idle criticism of the technology’s designers. More constructively, they are a means of rethinking how design is conducted, under what assumptions it is carried out, and how we can deepen our understanding of design itself by looking in detail at design’s own practices.
5 Practices of innovation and design Innovation and design are inherently social activities, which involve many participants whose contributions are vital to the successful deployment of the product or system. The actual process of innovating and designing is typically conducted as a collaborative activity; by teams of designers, developers and/or other stakeholders, and the process itself is frequently informed by insights about current and future use. Bucciarelli (1994), who considered the question ‘what is design’ at some length, argued that design exists only in a collective sense, realized through conversation and action, where the qualities and values of the artefacts of the design process are reified and socially produced. Despite the recognition of design and innovation as social processes, it is only in the last twenty years or so that the practices of design and innovation have become the focus of empirical studies, as a topic in its own right. As Matthews/Heinemann (2012) note, this ‘empirical turn’ in the study of design and innovation was largely initiated by staged studies of experiments where designers (often in the form of design students) were given realistic, but artificial tasks to solve within a specific time limit (e.g., Cross/Christiaans/Dorst 1996). Such methods are still abundant in design studies, where protocol studies inspired by experimental psychology are commonly used to compare for instance the difference between collocated and distributed collaborations (e.g., Tang/Lee/Gero 2011) between designers (or design students). Etnomethodologically inspired analysis of the detailed and systematic practices of how design and innovation is accomplished, collaboratively and temporally have however begun to make some headway into design studies (e.g., Luff/Heath 1993; Button/Sharrock 1996; Murphy 2004, 2005, 2012; Luck 2009, 2010; Lymer 2009; Lymer/Ivarsson/Lindwall 2009; McDonnell/Lloyd 2009; Donovan et al. 2011; Oak 2011; Ikeya/Luck/Randall 2012). These studies can, according to Luck (2012) “make a contribution to design by deliberately questioning conventional frames of reference”, “bring novel and deep design possibilities to light” and “enable designers, and design researchers, to question taken for granted assumptions” (Luck 2012, 526). Moreover, knowledge about the practices of design and innovation is important in terms of educating new designers and innovators (McDonnell 2012). One basic assumption or “conventional frame of reference” of design and innovation is that these activities or processes can be ‘designed’ in distinct ways so that they provide alternative frameworks for participation and collaboration that are
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detached from or override the otherwise ordinary everyday practices of human action. What detailed, systematic studies of design and innovation practices have illuminated in this respect, however, is that “there are no time outs from social order” (Matthews 2009, 74), design and innovation processes are governed by the same practices that drive everyday interaction, and these can intersect (or come in conflict) in unforeseen ways with the higher level ideals of these activities. One such ideal, for instance, is the way in which an activity such as ‘brainstorming’ should be organized, so as to allow the widest range of creative inputs from as many collaborators as possible. As illustrated by Matthews (2009), brainstorming rules are often ignored in practice and participants (here in a set of engineering design meetings) instead orient to the more generic ‘rules’ of social interaction, for instance that of maintaining progressivity, and being topically relevant. This has the effect that participants strive to connect their contributions to that of the previous speaker. Whilst building on the ideas of others is also an important aspect of brainstorming, Matthews thus shows that even a groundbreaking idea, which is the idealized output of a brainstorming session, is “likely to need to find hooks on the current topic from which to justify its appearance” (Matthews 2009, 74). Similarly, Heinemann (2011) demonstrates that idea-development is a highly incremental and social process, contingent not on the quality of the idea as it is first proposed, but on the interactional organization of collaboration. Other studies have in the same vein demonstrated how the more general, social interactional preference for progressivity, along with the preference for agreement, is oriented to during design and innovation activities and can ultimately be consequential for the outcome of such activities (e.g., Heinemann/Landgrebe/Matthews 2012). McDonnell (2012), for instance, identifies three “conversational devices” that are employed by participants in a design activity, to “work past” and bracket disagreements over design alternatives so that progressivity can be maintained, thus illustrating not just how the preferences for agreement and progressivity are relevantly oriented to during design and innovation processes, but also how participants in such processes rely on otherwise mundane, everyday ordinary practices of interaction to solve problems of special consequence and relevance for design and innovation. The reliance on fundamental everyday generic practices and the way in which these can be employed in design and innovation processes to do specialized work, is another frequently illustrated phenomenon in studies of design and innovation as practice and one that can serve to re-conceptualize fundamental notions of explicit interest to the design research community. Studies have thus shown how an ordinary everyday linguistic practice such as reporting something that a third party has said, i.e. reported speech, can be used in the context of design and innovation processes to ‘give a voice to users’. Matthews/Heinemann (2012), for instance, demonstrate how designers, when trying to convince each other of implementing a specific feature in a mobile-based pay-as-you-go system for parking, employ report-
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ed speech to create imaginary scenarios of how users might react when faced with particular aspects of a future design. Whilst such inclusions of the users’ voice in the design process arguably dovetails with democratic and participatory approaches to design, Matthews/Heinemann’s analysis also demonstrates that such use case scenarios are in fact explicitly introduced in contexts of disagreement between the developers, and that reporting what a user said or will presumably say and do is thus used in the design process in the same way as reported speech can be used in everyday interactions, i.e. as a method of legitimizing a contrary claim (e.g., Galatolo 2007). Similarly, Oak (2013) concludes that when reported speech is employed in a design process, it serves as a type of utterance that may pass on accurate and relevant information from those not present, but that does so primarily through and within the strategic management of the conversation at hand. (Oak 2013, 50)
Studies that highlight how specific communicative practices (such as reported speech) are employed for social, interactional purposes and not ‘just’ – or even primarily – for purposes of innovation and design can, as noted by Luck (2012), serve to question assumptions and conventional frames of references within innovation and design, but they can also be employed more directly to inform and alter the organization of such processes. With the advent of Participatory Design, Participatory Innovation and other approaches that, in line with the socio-technological ideals of the 1950’es, seek to develop a more democratic and collaborative path to innovation and design, one important task for designers and innovators is now to develop (or design) tools and methods that make design and innovation processes inclusive or participatory, allowing different stakeholders not just to have their voice heard, but to actively participate in the design and innovation process. In developing such tools and methods for participation, there has been a natural focus on objects, or ‘things’ and their alleged ability to create coherence across different worlds (e.g., Star/Griesemer 1989), further creativity (Alesina/ Lupton 2010) and thus ultimately alter the dynamics of an innovation or design process (e.g., Harrison/Minneman 1996; Brereton/McGarry 2000). Studies of participants in-situ practices with and around the material objects introduced into design and innovation processes as tools for participation have critically engaged with this underlying assumption that objects or ‘things’ indiscriminately scaffold participation in the way intended. Nevile (2011), for instance, demonstrated how participants in a participatory design session interacted with and handled two objects relevantly different. The aim of the session was to turn a cardboard prototype of a toaster into an appealing and safe appliance for children and for this purpose, the participants, who were all parents, were given a real toaster, the cardboard prototype and a range of other materials (modelling clay, cardboard etc.). Whilst the intention of the designers was that the parents should physically engage in (re)shaping the prototype, Nevile illustrated that the participants generally refrained from touching the prototype at all, instead using the real toaster
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as a source of physical and visual evidence for authenticating social actions for design activity, such as claims, demonstrations, descriptions, tellings, and explanations. (Nevile 2011, 85)
Nevile (2011) refrains from making any direct recommendations from his observations, instead letting the participants speak for themselves, by concluding that they, through their different treatment and handling of the two toasters realised publicly and moment-to-moment their understandings of the varying potentials for the different toasters for generating design ideas: the real toaster had features and possibilities which the prototype toaster did not (Nevile 2011, 89).
Nevile’s study cautions against an indiscriminate belief in materiality as an instigator of participation, by demonstrating that the actual physical properties, affordances and functions of things can be consequential for how and to what degree such things may work to scaffold participation. In a similar vein, but more explicitly, Brouwer/ten Bhömer (2013) investigated how participants in a design session respectively touched, held, pointed at, operated, employed and gazed at a prototype of an intelligent shirt developed for the purpose of physical therapy. Based on their study, they suggest that though the prototype generally may play a central role in design sessions, the most fruitful engagement with the design (from a design and innovation perspective) involved the participants imitating manipulation of the prototype through purely embodied means (i.e. without handling the prototype at all), an imitation that allowed the participants to “convey complex issues in one package, which would not have been possible to convey with the actual artefact” (Brouwer/ten Bhömer 2013). The studies of innovation and design practices that we have reviewed here strongly suggest there is nothing like a one-to-one correlation between a methodical design activity and an innovative outcome. Design is a much more fragile and socially contingent process than that. It’s on account of this recognition that the importance of the facilitation of innovation processes comes into focus. As innovation is increasingly realised as a collaborative process involving the active contribution of multiple stakeholders, precisely how inclusive participatory events actually come off becomes a pivotal locus of concern for innovation. In this context, the role of the designer/innovator is increasingly understood not merely as inventor, technologist or visionary, but one that will be wedded to how well a diverse multidisciplinary sociotechnical process can be shepherded to successful outcomes. In this sense, the methods and tools for generating and sustaining participatory involvement in innovation (e.g., codesign workshops, user evaluations, stakeholder business modelling sessions) are perhaps secondary to the active roles of the participants and facilitators who curate them in-situ.
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6 Future directions The way in which the study of human practices has developed from first informing design and innovation, across taking a more active role in the iterative process of design and innovation, to finally becoming a method for studying design and innovation as human practice reflects the way in which the perspective on design and innovation has itself shifted over the last 50 years or so, towards largely being recognized as social activities, which anyone can and should be allowed to participate in. This gradual development has – somewhat ironically – also resulted in the fact that studies of human practice in their relation to the more technologically oriented disciplines of design and innovation has to some extent come ‘full circle’ and has returned to serving the role of an ‘informing’ science: where initially such studies could be seen as informing the design and innovation of new technology, they can now be seen as informing the design and innovation of new processes and tools for (participatory) innovation and design. The study of how design and innovation ‘gets done’ is, of course, in itself interesting for what it may tell us about how human beings more generally collaborate and create. However, such studies also raise critical questions regarding the proliferation of normative, theoretically-driven models of the innovation and design processes, just as their predecessors did for the theoretical foundations of innovative technology and its implementation. Rather than research directing itself to idealize and/or prescribe what innovation or design processes ought to look like, detailed studies of human practice in these processes thus suggest that more attention needs to be paid to the ways that existing practices can be augmented (rather than reinvented). The augmentation of practice is both a more modest and more realistic ambition for innovation theory, the aim being to build upon and modulate the existing organisation of work in such a way so as to better align local outcomes of collaborative activity with larger organisational and innovation objectives. Both the obstinacy and contingency of real-time innovation practices defy easy reorganisation ‘from above’; methods and procedures introduced in order to supplant rather than support existing practices invite failure for the ways they demand (rather than entice) the formation of new social practices. Studies that further unpack the local organisation of design and innovation activities as human practices, and for the endogenous orders that they display, thus seem to be an important next step in the development of truly participative innovation and design.
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Ronald Hartz
4. Mitarbeiterkommunikation Abstract: Mitarbeiterkommunikation wird, vor dem Hintergrund der Diagnose sich wandelnder Märkte, organisationaler Strukturen und einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit, als ein bedeutender Wettbewerbsfaktor für Unternehmen und Organisationen verstanden. Der Beitrag diskutiert die an diesen Diagnosen ansetzende, in der Literatur zur Mitarbeiterkommunikation vorherrschende instrumentelle und strategische Sichtweise. Dabei werden sowohl die mit der Mitarbeiterkommunikation verbundenen Ziele, der Planungs- und Gestaltungsprozess sowie wichtige Instrumente und Kommunikationsmittel der Aufwärts-, Abwärts- und horizontalen Kommunikation dargestellt. Abschließend wird dieser betriebswirtschaftliche und managementorientierte Zugriff auf Kommunikation in den erweiterten Kontext der sozialwissenschaftlichen Diskussion zur organisationalen Kommunikation gestellt und auf Desiderata der instrumentellen Perspektive eingegangen.
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Einleitung Begriffsverständnis und Ziele Planungsprozess und Instrumente Diskussion und Desiderata Literatur
1 Einleitung Das Thema Organisations- und Unternehmenskommunikation (Corporate Communication) erfährt seit geraumer Zeit eine verstärkte Aufmerksamkeit seitens der Wissenschaft und der betrieblichen Gestalter. Übereinstimmend wird dabei eine Bedeutungszunahme kommunikativer Prozesse in und durch Organisationen diagnostiziert (Tengblad 2006; Zerfaß 2010; Cornelissen 2011; Bruhn 2012; Mast 2012). So wird einerseits von organisationalen Veränderungen ausgegangen – Schlagworte sind hier u. a. Flexibilisierung, Dezentralisierung, Internationalisierung und Globalisierung, Digitalisierung, Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft – welche die Bedeutung von Kommunikation für die organisationale Koordination und Integration (Corporate Identity, Unternehmenskultur) und damit die Aufmerksamkeit für kommunikative Prozesse in und durch Organisationen erhöht haben. Andererseits werden veränderte Wettbewerbsbedingungen konstatiert, welche auf gesättigten Märkten eine insbesondere kommunikative Profilierung erfordern, so dass sich Unternehmen in einem sich zuspitzenden „Kommunikationswettbewerb“ (Bruhn 2012, V) befinden. Hinzu treten in immer stärkerem Maße eine erhöhte mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit für manageriales und organisationales https://doi.org/10.1515/9783110296235-004
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(Fehl-)Verhalten im Kontext ökonomischer Krisen, unternehmerischer Skandale oder der ökologischen und sozialen Folgen unternehmerischen Handelns. In diesem Zusammenhang gehen wiederum zahlreiche Befunde davon aus, dass der Stellenwert der Mitarbeiterkommunikation für den unternehmerischen Erfolg weiter zunehmen wird (Bruhn 2012, 3 f.; Einwiller/Klöfer/Nies 2008; Mast 2007). Interne Kommunikation wird, so die Diagnose, zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor in einem dynamischen Wettbewerbsumfeld: Erfolgreich werden die Unternehmen sein, die Strategien und Projekte schnell umsetzen können, Prozesse flexibel und effizient beherrschen und es schaffen, dass Mitarbeiter und Führungskräfte engagiert mitziehen. Die Information der Mitarbeiter und deren kommunikative Einbindung in das Geschehen eines Unternehmens sind für den wirtschaftlichen Erfolg ausschlaggebend. (Mast 2007, 757)
Mitarbeiterkommunikation weist in diesem Verständnis damit in einer ersten Hinsicht über die reine Informations- und Anweisungsfunktion hinaus (Einwiller/Klöfer/ Nies 2008, 223). In den Fokus treten verstärkt Fragen der Partizipation, der Reputation, des Organizational Commitment und der Identifikation mit dem Unternehmen (Cornelissen 2011, 163 ff.). In zunehmendem Maße werden dabei in organisationsinternen Texten und Kommunikaten „nicht primär konkrete Handlungsanweisungen, sondern allgemeine Verhaltensgrundsätze und sinnstiftende Identifikationsangebote“ (Habscheid 2003, 85) vermittelt. In einer zweiten Hinsicht wird deutlich, dass ein Großteil der Schriften zur Mitarbeiterkommunikation sowohl durch einen instrumentell-strategischen, d. h. von einem an unternehmerischen bzw. organisationalen Zielvorstellungen ausgerichteten Zugriff auf Kommunikation geprägt ist als auch die Gestaltung von Kommunikation als einen planbaren Prozess begreift. In diesem Beitrag wird diesem prominenten Verständnis in der Darstellung gefolgt, indem die mit der Mitarbeiterkommunikation verbundenen Ziele, der Gestaltungsprozess sowie wichtige Instrumente und Kommunikationsmittel diskutiert werden. Gleichwohl soll abschließend dieser betriebswirtschaftliche und managementorientierte Zugriff auf Kommunikation in den erweiterten Kontext der Diskussion zur Organisationskommunikation gestellt und problematisiert werden.
2 Begriffsverständnis und Ziele 2.1 Begriff der Mitarbeiterkommunikation Vor einer Bestimmung des Begriffs der Mitarbeiterkommunikation sei zur Einordnung zunächst eine generelle Begriffsbestimmung der Unternehmenskommunikation vorangestellt:
Mitarbeiterkommunikation
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Unternehmenskommunikation bezeichnet die Gesamtheit aller von einem Unternehmen ausgehenden schriftlichen, mündlichen oder durch die technischen Medien vermittelten Inhalte und Informationen, die das Ziel verfolgen, Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen von Bezugsgruppen nach festgelegten Absichten zu beeinflussen, zu verändern oder zu lenken; Bezugsgruppen können dabei sowohl unternehmensinterner als auch -externer Zugehörigkeit sein. (Lindrot 2012, Sp. 1332–1333)
Mitarbeiter werden, diesem Verständnis folgend, als interne Bezugsgruppe (Stakeholder) konzeptualisiert, d. h. als Gruppe „who can affect or is affected by the achievement of the organization’s purpose and objectives“ (Freeman 1984, 6). Da die Mitarbeiter in grundsätzlicher Hinsicht direkten Einfluss auf das unternehmerische Geschehen nehmen können (bspw. durch die Verausgabung oder auch Zurückhaltung ihrer Arbeitskraft) und die artikulierten arbeitsplatzbezogenen und lebensweltlichen Ansprüche i. d. R. einen legitimen – etwa aus Vertragsbeziehungen ableitbaren – Charakter aufweisen, können Mitarbeiter als wichtige Stakeholder mit einem wesentlichen Einfluss auf den unternehmerischen Erfolg angesehen werden (Cornelissen 2011, 45–47). [O]rganizations must find ways to meet their employees’ individual needs and stimulate their creativity while persuading them to act in ways that meet the organization’s overall objectives. Organizations do so by adopting various strategies for communicating with employees. (Cornelissen 2011, 163)
In der Literatur wird Mitarbeiterkommunikation dabei als Teil einer integrierten Kommunikationspolitik konzeptualisiert, bei welcher externe und interne Kommunikation in einem konsistenten strategischen Gesamtprozess verschränkt sein sollten (Cheney/Christensen 2001; Bruhn 2009; Zerfaß 2010, 307 ff.; Cornelissen 2011, 164). Die Forderung einer integrativen Betrachtung resultiert dabei erstens aus der Beobachtung eines Verschwimmens organisationaler Grenzziehungen durch neue Kommunikationsformen (internet blogs, soziale Netzwerke), welche Mitarbeitern neue Kommunikationsmöglichkeiten eröffnen, und andererseits aus dem beobachteten Zusammenhang von externer Reputation und Mitarbeiteridentifikation (Dutton/ Dukerich/Harquail 1994; Smidts/Pruyn/van Riel 2001). Many organizations have begun to realize the difficulties of convincing an external audience about their deeds (e.g., their protection of the environment or defense of human rights) if the internal audience does not accept the message – and vice versa. (Cheney/Christensen 2001, 232, Herv. i. O.)
Zusammenfassend ergibt sich eine Definition der Mitarbeiterkommunikation, wie sie exemplarisch von Einwiller und Kollegen vorgeschlagen wird: Mitarbeiterkommunikation umfasst alle kommunikativen und informativen Vorgänge, die zwischen den Mitgliedern eines Unternehmens oder einer Organisation ablaufen. Sie ist als integrativer Teil eines ganzheitlichen Kommunikationsmanagements zielgerichtet und erfolgsorientiert. (Einwiller/Klöfer/Nies 2008, 225)
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2.2 Ziele der Mitarbeiterkommunikation Die Zielstellungen der Mitarbeiterkommunikation leiten sich damit aus den Zielen der Unternehmenskommunikation ab, welche generell auf einen Beitrag zur organisationalen Zielerfüllung abstellt. Als die vier grundlegenden Funktionen der Unternehmenskommunikation lassen sich erstens benennen: 1) Orientierung und Information, 2) Anordnung und Anweisung, 3) Koordination der verschiedenen Aktivitäten und 4) Herstellung informaler Aktivitäten (Wiswede 1981, 227 unter Bezug auf Dubin 1958). In einem die Funktionen übergreifenden Sinn lässt sich zweitens als Leitmotiv der Organisationskommunikation die kommunikative Integration und die Herstellung eines „generellen Orientierungskonsenses“ (Schimank 1992, zit. nach Zerfaß 2010, 291) angeben, welche die divergierenden Zielvorstellungen und Situationsdeutungen der Organisationsmitglieder in einen gemeinsamen, auf die Organisationsziele ausgerichteten Handlungsrahmen integriert (Zerfaß 2010, 291). Im Hinblick auf die Mitarbeiterkommunikation erhalten das kommunikative Leitmotiv und die angegebenen Funktionen im Sinne von Einzelzielen eine weitere Ausdifferenzierung, wobei in der Literatur keine zwingende begriffliche oder konzeptionelle Trennschärfe vorliegt. Im Einzelnen werden genannt (vgl. u. a. Mast 2012, 225–226; Einwiller/Klöfer/Nies 2008, 227–228; Cornelissen 2011, 167–171): Koordination und Austausch: Sicherstellung der organisationalen Abläufe durch Steuerung und Vernetzung der Arbeitsprozesse, Informationsaustausch, Schaffung von Transparenz hinsichtlich betrieblicher Abläufe; beschleunigte Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung, schnellere Umsetzung von Projekten; Förderung von Betriebsklima und Unternehmenskultur: Schaffung eines ‚positiven‘ Betriebsklimas und einer einheitlichen, von den Mitarbeitern mitgetragenen Unternehmenskultur im Sinne eines Systems geteilter Werte, welche der Organisation ein ‚Gesicht‘ nach innen und außen verleiht; Identifikation: Verstanden als Förderung eines ‚Wir-Gefühls‘ im Sinne einer individuellen „perception of oneness with or belongingness to an organization“ (Mael/Ashforth 1992, 104, zit. nach Cornelissen 2011, 167) und der Distinktion gegenüber den Wettbewerbern (Dutton et al. 1994); Akzeptanz und Verständnis für organisatorische Ziele und Handlungen, welche im Zusammenhang mit der wahrgenommenen Adäquanz und Vertrauenswürdigkeit der Mitarbeiterkommunikation gesehen werden (Smidts/Pruyn/van Riel 2001). Motivation und Engagement: Förderung der individuellen Leistung und Freisetzung von Kreativität; Verhinderung von Demotivation, Frustration, innerer Kündigung; Beförderung der Mitarbeiterpartizipation. (Cornelissen 2011, 169–171)
Hieraus lassen sich weiter die Ziele der Loyalität gegenüber dem Unternehmen (eine geteilte Unternehmenskultur und eine hohe Identifikation mit der Organisation befördern die Verbundenheit mit dem Unternehmen, insb. auch in krisenhaften Situationen) und der Reputation (durch Aufbau interner Identifikation und Motivation erfolgt die Beförderung einer durch die Mitarbeiter getragenen positiven
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Außenwirkung) ableiten. Mast (2012, 226) verweist schließlich auf den Beitrag der Mitarbeiterkommunikation zum Wissensmanagement und zur erfolgreichen Gestaltung organisationalen Wandels.
3 Planungsprozess und Instrumente 3.1 Der Planungsprozess im Überblick Der Einsatz der Mitarbeiterkommunikation wird in der Literatur, wenngleich nicht mehr unumstritten (Zerfaß 2010, 406 ff.), als strategischer Planungsprozess im Kontext einer integrierten Unternehmenskommunikation konzeptualisiert, welcher üblicherweise die folgenden Schritte umfassen sollte (vgl. in unterschiedlicher Akzentuierung und Breite Bruhn 2012; Einwiller/Klöfer/Nies 2008; Winterstein 1998; Cornelissen 2011, 106–113): 1. Kommunikationsbezogene Situationsanalyse 2. Differenzierung von Zielgruppen 3. Festlegung kommunikationsbezogener Ziele 4. Bestimmung von Themen und Inhalten 5. Auswahl der Kommunikationsinstrumente 6. Budgetierung/Erfolgskontrolle 1. Kommunikationsbezogene Situationsanalyse: Nach Bruhn umfasst die Situationsanalyse als Analyse der „kommunikativen Situation des Unternehmens“ (Bruhn 2012, 133) die Bestandsaufnahme kommunikationsrelevanter Sachverhalte mit dem Ziel, kommunikationspolitische Chancen und Risiken sowie Stärken und Schwächen offen zu legen. Dabei beinhaltet sie die Vorgänge der Informationsbedarfsermittlung, Informationsbeschaffung sowie der Analyse und Aufbereitung unternehmensinterner und -externer Daten. Das Ergebnis der Situationsanalyse ist die Herausarbeitung der kommunikativen Problemstellung des Unternehmens bzw. eines Bezugsobjektes der Kommunikation (z. B. Marke, Geschäftsbereich) (Bruhn 2012, 134).
Die Situationsanalyse betrachtet damit nicht nur die erfassbaren Kommunikationsprozesse (etwa durch die Analyse von Kommunikationsstrukturen und -mustern durch Netzwerkanalysen – vgl. im Überblick Winterstein 1998, 5054), sondern bezieht den organisationalen Kontext und die Organisationsumwelt mit ein. Erhoben werden sollen organisationale Strukturen, Prozesse und Ressourcen (Budgets), eingesetzte Kommunikationsinstrumente und deren Wirkung, Wahrnehmung des Unternehmens durch die Mitarbeiter, Informations- und Kommunikationsbedürfnisse der Mitarbeiter, Einflüsse und Veränderungen der externen Umwelt (rechtlich-politisch, sozio-kulturell, technologisch, Informationsquellen
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der Mitarbeiter) (Einwiller/Klöfer/Nies 2008, 234). Cornelissen (2011, 107) fasst die ‚kommunikative Problemstellung‘ dabei präzisierend als feststellbaren „gap between how the organization wants to be seen by important stakeholder groups and how it is currently seen by each of those groups“, welcher kommunikative Maßnahmen erfordert. 2. Differenzierung von Zielgruppen: Bezogen auf die Mitarbeiter als Stakeholder sind weitere Differenzierungen im Sinne von Zielgruppen der kommunikativen Maßnahme, welche idealiter „die gleiche Reaktion auf den Einsatz von Kommunikationsinstrumenten zeigen“ (Bruhn 2012, 206), vorzunehmen. Denkbar sind Differenzierungen hinsichtlich der Führungsfunktion (Managementebene, Geschäftsbereich), der fachlichen Position (Außendienst, Produktion, Front-Line (Mitarbeiter mit Kundenkontakt), Back-Office (Logistik, Buchhaltung, Beschaffung), Verwaltungsangestellte, Region/Standort (Mitarbeiter der Mutter- oder Tochtergesellschaft, Berücksichtigung sprachlicher Unterschiede), Spezialgruppen (Nachwuchskräfte, neue Mitarbeiter, Angehörige) (Einwiller/Klöfer/Nies 2008, 235; Cornelissen 2011, 109) sowie hinsichtlich von Beschäftigten, welche sich nicht in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis zum Unternehmen befinden (Leiharbeitnehmer, Freelancer, Mitarbeiter in Zulieferfirmen). 3. Festlegung kommunikationsbezogener Ziele: Ausgehend von den organisatorischen Zielsetzungen, der übergreifenden integrierten Kommunikationsstrategie, den in der Situationsanalyse identifizierten ‚kommunikativen Problemstellungen‘ und ‚Lücken‘ und bezogen auf spezifizierte Stakeholdergruppen können operationalisierbare und evaluierbare Ziele der Mitarbeiterkommunikation festgelegt werden. Kommunikationsbezogene Ziele sollten dabei so präzise wie möglich bestimmt werden, d. h. „specific, measurable, achievable (or, actionable), realistic and timely (SMART)“ (Cornelissen 2011, 108–109; ähnlich Bruhn 2012, 178–179): Spezifisch: Was soll genau bei welcher Stakeholdergruppe erreicht werden? (Transformation von Wissen oder Praktiken, Veränderung der Reputation etc.) Messbar: Welche Indikatoren sind zur Messung der Zielerreichung geeignet? (Anstieg der Mitarbeiterzufriedenheit, Zunahme von Feedback etc.) Erreichbar: Die Ziele sollten bezogen auf die gegenwärtige Situation (vgl. kommunikationsbezogene Situationsanalyse) realisierbar sein. Realistisch: Die Ziele sollten bezogen auf die Ressourcen und das Budget realistisch sein. Termingerecht: Ein Zeitrahmen für die Zielerreichung sollte festgelegt werden, insb. um die Erfolgskontrolle der Kommunikationsmaßnahme zu ermöglichen.
4. Bestimmung von Themen und Inhalten: Bezogen auf Themen und Inhalte ist erstens der Zusammenhang der mit der Mitarbeiterkommunikation verfolgten Zielstellungen (vgl. 2.2) und den Informationsbedürfnissen der Mitarbeiter bedeutsam. Allgemein ist hinsichtlich der Informationsbedürfnisse festzuhalten, dass ein grundlegendes Bedürfnis an arbeitsplatzbezogener Sachinformationen hinsicht-
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lich des Vollzugs der eigenen Tätigkeit und der erwarteten Leistung besteht. Darüber hinaus besteht ein Bedarf an normativen Orientierungen, d. h. an Sinninformationen (vgl. Winterstein 1998, 16–22); Mast (2012, 227) unterscheidet ähnlich zwischen aufgabenbezogenen Informationen und sozialen Informationen). So werden generell durch die Mitarbeiter so viele Informationen angestrebt …, daß der weitere Zusammenhang der Aufgabe erkannt wird und die soziale Eingliederung und Identifizierung mit den Zielen der Unternehmung einigermaßen möglich ist (vgl. Winterstein 1998, 17).
Zielverfehlungen im Sinne von ‚kommunikativen Problemstellungen‘ hinsichtlich der Mitarbeiterkommunikation (Abstimmungsprobleme, mangelnde Identifikation und Motivation) lassen sich somit (auch) auf wahrgenommene Informationsdefizite, mangelnde Transparenz und auf fehlende normative Orientierung zurückführen (Winterstein 1998). Hinsichtlich der Themensetzung lässt sich auf einer Skala zwischen Mikrothemen mit direktem persönlichen Bezug (u. a. persönliche Themen, Arbeitsplatz-, Abteilungsfragen) und Makrothemen mit indirekt persönlichen Bezug (u. a. staatlich-rechtliche, Branchen- und Unternehmensfragen) unterscheiden, wobei den Makrothemen – bspw. Standortfragen, Themen der Altersvorsorge, Corporate Social Responsibility – eine zunehmend größere Bedeutung zugesprochen wird (Einwiller/Klöfer/Nies 2008, 237). Zweitens ist festzuhalten, dass aus unternehmerischer Sicht hinsichtlich der Themen und Inhalte nicht primär die Informationsbedürfnisse i. S. einer Mitarbeiterorientierung im Fokus stehen, sondern die mit der Mitarbeiterkommunikation verknüpften strategischen Überlegungen und (damit auch) gewünschten Verhaltensänderungen und Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter (Mast 2007; Vacek 2009). 5. Auswahl der Kommunikationsinstrumente: Nach Situationsanalyse, Zielgruppen und Zieldefinition sowie der Bestimmung der Themen steht die Auswahl und der Mix von Medien und Kommunikationswegen im Fokus (vgl. Abschnitt 3.2 für eine Darstellung einzelner Instrumente). Im Hinblick auf die Klassifizierung von Kommunikationsinstrumenten findet sich in der Literatur eine Reihe von Vorschlägen (vgl. im Überblick Bruhn 2012, 370). Gängige Unterscheidungskriterien für die Einordnung sind: direkt (face-toface Kommunikation) – indirekt (Kommunikation über zwischengeschaltete Medien), einseitig (ohne Rückkopplungsmöglichkeit) – zweiseitig (mit Rückkopplung), an Einzelne gerichtet – an ein disperses Publikum gerichtet. Zu beachten ist, dass einzelne Kommunikationsinstrumente – je nach Einsatz und Zweckmäßigkeit – unterschiedlichen Einordnungen unterliegen können und dass die Instrumente (und damit ihre Klassifizierung) selbst einem Wandel unterliegen können. Hinsichtlich der Mitarbeiterkommunikation lassen sich weitere folgende Unterscheidungskriterien festhalten (Einwiller/Klöfer/Nies 2008, 238):
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Tab. 1: Dimensionen der Mitarbeiterkommunikation. Dimensionen
Ausprägung
Informationsfluss Richtung Form Zielgruppe Inhalt Formalisierungsgrad Zeitlicher Einsatz
abwärts einseitig schriftlich (gedruckt) Einzelperson Makrothemenorientiert formell einmalig
aufwärts zweiseitig mündlich Gruppe Mikrothemenorientiert informell unregelmäßig
horizontal elektronisch Gesamtbelegschaft
regelmäßig
Als üblich erweist sich hierbei die Einteilung der Instrumente und Formen der Mitarbeiterkommunikation im Hinblick auf den Informationsfluss und damit verbunden die Kommunikationsrichtung (Katz/Kahn 1966; Einwiller/Klöfer/Nies 2008; Mast 2012; Cornelissen 2011): Die Abwärtskommunikation umfasst die einseitigen Formen der vertikalen Kommunikationsform vom Management zum Mitarbeiter (top-down) über die verschiedenen Hierarchieebenen hinweg. Die Ziele der Abwärtskommunikation sind (vgl. Mast 2012, 233): – Anweisung und Koordination der Arbeitsabläufe, – Vermittlung von Informationen über unternehmerische Entscheidungen und deren Begründung, – Vermittlung von Kompetenzen im Rahmen von Aus- und Weiterbildung. Als mögliche Probleme der Abwärtskommunikation können die Informationsüberlastung, Trägheit, das Filtern von Informationen sowie die aus der Einseitigkeit resultierende mangelnde Einbindung der Mitarbeiter angesehen werden. Die Aufwärtskommunikation umfasst die Formen der vertikalen Kommunikation von den Mitarbeitern in Richtung Vorgesetzter oder Management (bottom-up). Ziele der Aufwärtskommunikation sind (Mast 2012, 234–235): – Vermittlung von Informationen über aktuelle Arbeitsabläufe, – Vermittlung von Problemen im betrieblichen Ablauf, – Kommunikation von Verbesserungsvorschlägen und Innovationen, – Vermittlung von Wissen und Erfahrungen der Mitarbeiter, – Kommunikation von Meinungen, Einstellungen und Befinden der Mitarbeiter. Im Gegensatz zu den i. d. R. gut institutionalisierten Formen der Abwärtskommunikation besitzen Formen der Aufwärtskommunikation einen problematischen Status, da (zumindest) potenziell tradierte Formen der Hierarchie und Entscheidungsmacht in Frage gestellt werden. So geht das Konzept der „organizational silence“ (Morrison/Milliken 2000) davon aus, dass die manageriale Angst vor negativem Feedback und die, aufgrund eines vermeintlich fehlenden Überblicks, Geringschät-
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zung der von den Mitarbeitern ausgehenden Informationen zu einem Rückzug (‚silence‘) der Mitarbeiter aus der Aufwärtskommunikation führen. Weiterhin kann unter Rückgriff auf die Theorie der kognitiven Dissonanz postuliert werden, dass affirmative Botschaften und Informationen die Aufwärtskommunikation dominieren: „Mitarbeiter sagen das, wovon sie glauben, dass es erwartet oder gerne gehört wird – oder schweigen“ (Mast 2012, 236). Mit dem Begriff der Horizontalkommunikation wird versucht, Formen des wechselseitigen kommunikativen Austauschs zu erfassen, welche sich der formalen Logik der Hierarchie entziehen. Hierunter fallen die Kommunikation von Individuen und Gruppen auf einer Hierarchieebene sowie Formen der Kommunikation über Hierarchieebenen hinweg, welche keinen direkten Weisungscharakter besitzen, wie bspw. informelle Meetings und Gespräche (Einwiller/Klöfer/Nies 2008, 247– 248) und insbesondere sozial-emotionale Bedeutung für die Mitarbeiter besitzen (Katz/Kahn 1966). Durch die Verbreitung der E-Mail-Kommunikation und des Intranets erweist sich der Begriff der Horizontalkommunikation auch als Sammelbecken für neuere Entwicklungen im Bereich der Mitarbeiterkommunikation. Unter Bezugnahme auf den bisherigen Planungsprozess können bei der Auswahl und dem Mix bzw. der Integration der Kommunikationsinstrumente folgende Leitfragen gestellt werden, welche zugleich die Informationsflüsse und die Kommunikationsrichtungen affizieren (in Anlehnung an Cornelissen 2011, 110): 1. Erreichbarkeit und Abdeckung: In welchem Umfang erreicht das Medium die identifizierte Zielgruppe? 2. Übereinstimmung von Medium und Thema: In welchem Umfang ermöglicht das Medium den Transpost des Themas und dessen zieladäquater Darstellung? 3. Interaktion: Inwiefern erfordert und ermöglicht das Medium Dialog und Interaktion? 6. Budgetierung/Erfolgskontrolle: Idealtypisch schließt sich an die bisherigen Schritte die Bestimmung des Kommunikationsbudgets an. Die Budgetierung beinhaltet die Kalkulation der finanziellen Mittel für den gesamten Planungsprozess und für sämtliche kommunikationspolitischen Aktivitäten der jeweiligen Planungsperiode (Bruhn 2012, 267). Im Kontext der integrierten Kommunikationspolitik umfasst die Budgetierung neben der Bestimmung der Höhe des Kommunikationsbudgets dessen Allokation auf die Kommunikationsmedien und Instrumente. Im Zusammenhang der Kommunikationspolitik besitzt die Budgetierung – vor dem Hintergrund schwer zu bestimmender Wirkungszusammenhänge und generell ansteigender Investitionen in kommunikationspolitische Maßnahmen – eine Reihe von komplexitätsreduzierenden Funktionen (Planung, Information, Steuerung, Koordination, Motivation, Kontrolle) (vgl. ausführlich Bruhn 2012, 267 ff.). Die den Planungsprozess begleitende und abschließende Erfolgskontrolle wird bestimmt als
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systematische Überprüfung der Kommunikationsaktivitäten, um den Zielerreichungsgrad (Effektivität) und die Wirtschaftlichkeit (Effizienz) der bisherigen Kommunikationsmaßnahmen zu ermitteln und hieraus Handlungsempfehlungen […] abzuleiten (Bruhn 2012, 545).
Die Erfolgskontrolle lässt sich grob in folgende Bereiche gliedern (Einwiller/Klöfer/ Nies 2008, 250–252; Bruhn 2012, 550–551; Cornelissen 2011, 111): – Prozess- bzw. Durchführungskontrolle (‚process effects‘): Im Fokus steht die Überprüfung der kommunikationspolitischen Prozesse, Strukturen und Instrumente der Mitarbeiterkommunikation hinsichtlich ihrer Qualität (textliche Gestaltung, Layout etc.), Geschwindigkeit und Kosten. Weiter unterscheidbar ist eine prozessbegleitende operative Prüfung der einzelnen Phasen bezogen auf Ihren Beitrag zur Zielerreichung (Effizienz, „die Dinge richtig tun“) von einer strategischen Prozesskontrolle der formulierten Ziele (Effektivität, „die richtigen Dinge tun“) vor dem Hintergrund sich verändernder Situationsanalysen (Zerfaß 2010, 374–382). – Effektivitätskontrollen (‚communication effects‘): Ausgehend von der Zieldefinition wird versucht, den mittels der durchgeführten Kommunikationsmaßnahmen realisierten Grad der Zielerreichung zu bestimmen, wobei zwischen quantitativen und qualitativen Zielen unterschieden werden kann. In quantitativer Hinsicht kann es sich um die durchgeführte Anzahl von Meetings, den Zugriff auf das Intranet oder die Teilnehmerzahl bei Firmenevents handeln. Schwerer bestimmbar hinsichtlich ihrer Zielerreichung sind qualitative Ziele (Loyalität, Reputation, Identifikation, Motivation), welche man im Kontext von Mitarbeiterbefragungen zu erfassen versucht.
3.2 Instrumente der Mitarbeiterkommunikation Die Darstellung der Instrumente orientiert sich an der Unterscheidung von Abwärts-, Aufwärts- und Horizontalkommunikation. Zu betonen ist, dass eine relativ klare Zuordnung der Instrumente hinsichtlich ihrer Kommunikationsrichtung und des Informationsflusses nur in wenigen Fällen möglich ist. Dies gilt insbesondere für den sich stark diversifizierenden Bereich der elektronischen Kommunikation, welche im Folgenden dem Bereich der horizontalen Kommunikation zugeordnet ist. Eine ältere Studie von Macharzina (1990, vgl. auch Meier 2002) zeigt die Verbreitung innerbetrieblicher Kommunikationsmaßnahmen und die Dominanz von Instrumenten der Abwärtskommunikation in insb. größeren Unternehmen. Das Fehlen der elektronischen Kommunikationsformen zum Zeitpunkt der Erhebung weist zugleich auf den Wandel der Instrumente hin. So wird gegenwärtig in der Literatur mit dem Intranet, einer stärker auf Hintergründe und Emotionen zielenden Neupositionierung der Mitarbeiterzeitschriften und Drucksachen sowie der persönlichen Kommunikation von den drei aktuellen Kernbereichen der internen Kommunikation ausgegangen (vgl. im Überblick Mast 2012, 238–243).
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Tab. 2: Verbreitung von Instrumenten der Mitarbeiterkommunikation (Macharzina 1990). Informationsmaßnahmen
Unternehmen (in %) Unternehmen insgesamt
101–500 Mitarbeiter
1001–2000 Mitarbeiter
Werkzeitung
58
39
100
Rundschreiben
55
46
46
„Schwarzes Brett“
94
89
100
Geschäftsbericht
39
18
46
Informationsschrift für neue Mitarbeiter
46
25
54
Pressedienst
54
36
69
Prospekte, Kataloge über Produkte
77
68
85
Broschüren zur Selbstdarstellung
68
46
85
Broschüren über Technik, Produktionsverfahren
55
25
69
Informationsschriften des Betriebsrates
54
64
23
mdl. Informationen durch Vorgesetzte
91
83
92
Betriebsversammlung
99
96
100
Tag der offenen Tür
59
54
54
Ausstellungen in der Unternehmung, Produktschau, allg. Vorträge
63
50
85
Anzahl Unternehmen
78
50
13
3.2.1 Instrumente der Abwärtskommunikation Als typische Instrumente der Abwärtskommunikation gelten – wenn auch nicht ausschließlich – sogenannte Verteilmedien. In der Regel von der Managementebene und – soweit vorhanden – Kommunikationsabteilung ausgehend, erfolgt eine oftmals disperse, in manchen Fällen aber auch zielgruppenspezifische Verteilung. Die Feedback-Möglichkeiten sind in der Regel begrenzt. In wesentlichen Teilen zielt die Abwärtskommunikation auf Informationsvermittlung, adressiert jedoch auch Konflikte (wie im Unternehmenstheater), die soziale Integration und die Identifikation mit der Organisation. Folgende Instrumente gehören zum geläufigen Instrumentarium der Abwärtskommunikation (vgl. im Überblick auch Einwiller/Klöfer/Nies 2008; Klöfer/Nies 2001; Mast 2012, 233 ff.):
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Die Mitarbeiterzeitung (MAZ, auch Betriebszeitschrift, Firmenzeitschrift, Werkszeitung u. Ä.) ist ein traditionsreiches Medium der Mitarbeiterkommunikation. Als regelmäßig erscheinende Publikation in gedruckter Form ist diese in erster Linie an die Belegschaft und deren Angehörige gerichtet. Mit der Funktion der Informationsvermittlung verschränkt, verbreiten MAZ Normen und Werthaltungen sowie die strategischen Leitlinien der Organisation (Bischl 2000). Im Sinne einer Neupositionierung aufgrund der zunehmenden Nutzung elektronischer Kommunikationswege wird der MAZ eine zunehmend bedeutende Rolle in der Präsentation und Verbreitung einer kohärenten organisationalen Identität (Bischl 2000; Cauers 2009; Marinkovic 2009) und der Konstruktion von ‚Einigkeit‘ zugeschrieben (Hartz/Habscheid 2008). Druckschriften (Broschüren, Rundschreiben, Schnell-Infos, Handbücher, Mitteilungsblätter) erscheinen themenbezogen und situationsspezifisch. Zielgruppenbezogen erscheint etwa im BASF-Konzern der „Meisterbrief“, welcher auf Meisterebene über aktuelle Entwicklungen im Bereich Umweltschutz, Vorschlagswesen etc. informiert, sowie der auf Betriebsleiter und Ingenieure zugeschnittene „Blickpunkt Betrieb“ (Einwiller/Klöfer/Nies 2008, 240). Das schwarze Brett ist ebenfalls ein klassisches Medium der Mitarbeiterkommunikation. Informationen (Veranstaltungshinweise, Informationen des Betriebsrats, Stellenausschreibungen, Speisepläne, Reaktionen auf Beschwerden, Sportund Freizeitaktivitäten etc.) werden dabei an Stellen mit hohem Publikumsverkehr (Kantine, Zeiterfassung, Betriebseingang) und – im Hinblick auf aushangpflichtige Gesetze – allgemein zugänglich veröffentlicht. Business TV (Unternehmensfernsehen, Corporate Television, CTV) wurde als relativ neues Konzept in den 1990er Jahren auch in Deutschland verstärkt von Großunternehmen eingesetzt und erfährt im Kontext digitaler Produktions- und Verbreitungstechniken als nun auch verstärkt ‚interaktiv‘ einsetzbare Bewegtbildkommunikation neue Beachtung (CTV 2.0; vgl. Bürgi 2009; Jäger 1999). Unter CTV wird die gezielte und auf einen Unternehmensnutzen hin umgesetzte Produktion und Verteilung von Fernsehprogrammen bzw. fernsehähnlichen bewegten Bildern mit Unternehmensinhalten (Bürgi 2009, 62) für bestimmte Zielgruppen, in der Regel die Mitarbeiter, verstanden. Die Stärke des CTV wird in der audiovisuellen Aufbereitung von Themen gesehen. Neben der Informationsvermittlung wird CTV insb. auch für Schulungen eingesetzt. Als Unternehmenstheater werden „inszenierte Aufführungen bezeichnet, die einen hohen Grad an betrieblicher Spezifität aufweisen und von professionellen Schauspielern gestaltet werden“ (Schreyögg 2001, 269). Thematisiert werden insb. betriebliche Konflikte und Problemsituationen (bspw. Konflikte zwischen ‚alter‘ und ‚neuer‘ Belegschaft, Verkauf und Fertigung, Zentrale und Niederlassung), welche sichtbar und diskutierbar gemacht werden sollen. Das theatrale Erleben entfaltet seine mögliche Wirkung durch die Beobachtung des Inszenierten und Konfrontation mit der theatralischen Bearbeitung, des Herauslö-
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sens (und damit Relativierens) der Probleme aus dem Unternehmensalltag und der emotionalen Affizierung (Schreyögg 2001; Schreyögg/Dabitz 1999; vgl. auch Biehl-Missal 2011). Betriebsversammlungen gehören zu den klassischen Formen der Mitarbeiterkommunikation und adressieren – auch gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes – i. d. R. die gesamte Belegschaft. Im Hinblick auf größere Betriebsversammlungen ist aus managerialer Sicht die Unterstützung der kommunikativen Ziele durch Drucksachen und Präsentationen hilfreich. Im Kontext von Veränderungsprozessen dienen Betriebsversammlungen zudem der Beförderung der Identifikation. Das Mitarbeitergespräch sollte, trotz der Zuordnung zur Abwärtskommunikation, zugleich und je nach Gesprächsklima und -verlauf auch Elemente der Aufwärtskommunikation aufweisen (Einwiller/Klöfer/Nies 2008, 242). Zu dem Bereich der Mitarbeitergespräche zählen u. a. Gespräche zur Personaleinstellung, Entlassung, Beurteilung, Zielvereinbarung, Personalförderung und Personalentwicklung, welche in der Praxis i. d. R. in regelmäßigen Zeitabständen stattfinden und oftmals einen hohen Formalisierungsgrad aufweisen (Neuberger 2001; Winkler/Hofbauer 2010).
3.2.2 Instrumente der Aufwärtskommunikation Formen der Aufwärtskommunikation sind weniger zahlreich und erweisen sich in der Umsetzung als in einem geringeren Maße durch die organisationalen Strukturen befördert. Im Einzelnen sind zu nennen: – Die Mitarbeiterbefragung verfolgt das Ziel die Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter sowie Probleme hinsichtlich der unternehmerischen Abläufe zu erfassen. Unterscheidbar sind Formen der schriftlichen, mündlichen, telefonischen und Online-Befragung, welche sowohl anonym als auch offen durchgeführt werden können (Domsch/Ladwig 2006). Neben der klassischen Befragung finden auch Gruppendiskussionen zu spezifischen Problembereichen Anwendung. – Vorgesetztenbeurteilungen werden i. d. R. anonym durchgeführt und zielen im Kontext der Mitarbeiterkommunikation explizit auf die Aufdeckung von Kommunikations- und Interaktionsdefiziten auf Seiten der Führungskraft, verfolgen jedoch zugleich das Ziel der Motivation und Partizipation der Mitarbeiter (Nerdinger 2005). – Das Beschwerdemanagement, in klassischer Form oft als „Briefkasten“ („Kummerkasten“) umgesetzt, ermöglicht das frühzeitige Erkennen von kritischen Themen und Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern. Nach Bruhn (vgl. Einwiller/ Klöfer/Nies 2008, 244) sollte das Beschwerdemanagement folgenden Anforderungen gerecht werden: Neutralität der Beschwerdeinstanz, Zentralität der Beschwerdeanalyse, Alternative Beschwerdewege.
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3.2.3 Instrumente der Horizontalkommunikation Als typische Formen der Horizontalkommunikation jenseits eines relativ eindeutig anwendbaren Aufwärts- und Abwärts-Schemas können gelten (Mast 2012, 238): – Das Intranet als nicht-öffentliche, inzwischen etablierte Kommunikationsplattform in Organisationen, welche sowohl eine breite und differenzierte Versorgung mit Informationen ermöglicht sowie dem Nutzer/Mitarbeiter Möglichkeiten der Interaktion eröffnet. Das Intranet dient der Beschleunigung der Kommunikations- und Informationsströme im Unternehmen, einer Verbesserung der Arbeitsabläufe und ermöglicht den Zugriff der Mitarbeiter auf gemeinsame Ressourcen (Datenbanken, Dokumente, Formulare, Handreichungen etc.). Im Sinne eines einheitlichen Auftritts soll das Intranet auch der Beförderung der Mitarbeiteridentifikation dienen (Hoffmann/Lang 2006). – Besprechungen und Meetings, welche abteilungs- und bereichsübergreifend stattfinden, zählen ebenso zur Horizontalkommunikation. Beispiele sind hier Projektgruppen, Qualitätszirkel, ‚Task Forces‘, Kurse, Schulungen und Seminare (Boden 1994). – Mit informellen Gesprächen werden Formen der Horizontalkommunikation bezeichnet, die zumeist nicht-intendiert sind und nicht nach starren organisationalen Regeln, wenngleich selbst sozialen Regeln unterworfen, stattfinden. Hierunter fallen Gespräche in der Kantine, auf den „Fluren“, in der Kaffeepause, in der Freizeit. Für Schick sind informelle Gespräche „ein notwendiges Schmiermittel für das Räderwerk des Unternehmens“ (Schick 2010, 144; zit. nach Einwiller/Klöfer/Nies 2008, 247). Informelle Gespräche besitzen darüber hinaus die Funktion der Motivation und erweisen sich als wichtig für die Arbeitszufriedenheit, können jedoch, pejorativ verstanden, im Sinne von „Gerüchten“ und „Klatsch“ den organisationalen Zielen auch entgegenstehen (Wiswede 1981).
4 Diskussion und Desiderata Der vorliegende Beitrag konzentrierte sich auf die in der Literatur vorherrschende instrumentell-strategische Perspektive auf Mitarbeiterkommunikation. Diese Sichtweise ist durch einen Fokus auf Planungsprozesse, Kommunikationsinstrumente und deren Einsatz sowie durch normativ grundierte Zielvorstellungen, etwa im Hinblick auf die anzustrebende Identifikation und das Commitment der Mitarbeiter bestimmt. Diese funktionale Sichtweise auf Mitarbeiterkommunikation soll nun abschließend, wenn auch in aller Kürze, im Sinne einer erweiterten sozialwissenschaftlichen Einbettung des Themas Mitarbeiterkommunikation ein Stück weit problematisiert werden. Dabei ist zu konstatieren, dass eine funktionale Betrachtung eine Reihe von alternativen, sich in den letzten Jahrzehnten entwickelnden Konzeptualisierungen von organisationaler Kommunikation ausblendet, welche
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sowohl den Blick auf Kommunikation als auch Organisation erweitern helfen. Putnam und Boys (2006) unterschieden allein acht verschiedene Verständnisse und Metaphern organisationaler Kommunikation. Die im Beitrag vorgestellte funktionale Perspektive folgt hierbei im Wesentlichen der Metapher von Kommunikation als ein System von Röhren (Conduit-Metapher) und dem Bild von Kommunikation als Informationsverarbeitung und Verbindung. Die Organisation selbst ist dann der ‚Container‘, in welchem kommunikative Prozesse ablaufen und gestaltet werden. Damit bleibt diese Perspektive im Wesentlichen auch dem Sender-EmpfängerModell der Kommunikation von Shannon und Weaver verbunden (vgl. hierzu Stahl/Menz 2014, 25 ff.). Neben diesen funktionalen Perspektiven existieren jedoch interpretative Ansätze, welche stärker auf den performativen (Kommunikation als Inszenierung), diskursiven (Kommunikation als Verknüpfung von Texten i. w. S.), symbolischen (Kommunikation als kulturell-folkloristisches Moment) und schließlich auf den politischen Aspekt bzw. Modus von Kommunikation i. S. der Frage ‚Wer spricht‘ und der mehr oder minder regulierten Vielstimmigkeit organisationaler Kommunikation abstellt (Putnam/Boys 2006). Die Problematisierung von funktionalen Modellen der Kommunikation ermöglicht auch, die Frage der Dialogizität und Plurivokalität stärker in den Blick zu nehmen. So betonen Stahl und Menz (2014) in ihrem Konzept der „Stakeholder-Kommunikation“ unter anderem Phänomene der Mehrdeutigkeit, Heterarchie und des Interessenpluralismus. In kritischer Wendung können dann auch Prozesse kommunikativer und diskursiver Schließung adressiert werden, insofern Organisationen als politische und machtdurchzogene soziale Gebilde verstanden werden, in denen „some voices are louder, more articulate and more powerful than others“ (Rhodes 2002, 108; vgl. auch Hartz/ Fassauer 2017, 6–7). Die Analyse von Mitarbeiterkommunikation gewinnt in der angedeuteten Pluralität der Zugänge an entsprechender konzeptioneller und methodischer Komplexität, und sichtbar wird die konstitutive Rolle von Kommunikation und Diskurs bei der alltäglichen Aufrechterhaltung und Prozessierung von Organisation (Weick 1995; Hartz/Fassauer 2017; Putnam/Nicotera 2009). Schließlich ist zu konstatieren, dass die funktionale Perspektive auf Mitarbeiterkommunikation bisher wenig Notiz von der konkreten Analyse von kommunikativen und sprachlichen Phänomenen in organisationalen Zusammenhängen genommen hat. Hier eröffnen sich weitere vielfältige Bezüge, etwa zur Gesprächsanalyse, Sprechakttheorie, Rhetorik, Narrationsanalyse oder auch zur kritischen Diskursanalyse (vgl. im Überblick Sieben 2015; Hartz/Fassauer 2017 sowie die Beiträge in Grant/Hardy/Oswick/Putnam 2004), welche die funktionale Sichtweise auf Mitarbeiterkommunikation stärker transdisziplinär öffnen und näher an den linguistic turn heranführen würde.
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Astrid Porila/Katharina Rosenberg
5. Klientenkommunikation Abstract: Der vorliegende Beitrag beleuchtet mündliche Kommunikation mit Klienten aus zwei Hauptperspektiven der Diskursforschung (Konversationsanalyse und Funktionale Pragmatik). Nach einem kurzen Einblick in Ansätze der Erforschung institutioneller Kommunikation werden die Hauptcharakteristika von Klientenkommunikation umrissen – u. a. unterschiedliche Handlungsziele und -zwecke, systematische Wissensdivergenzen und unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten. Am Beispiel behördlicher Klientenkommunikation werden Spezifika der Kommunikation mit Bürgern, als einem bestimmten Kliententyp, in einer stark asymmetrischen Agent-Klient-Konstellation mit besonders klar unterscheidbaren Funktionen und Handlungsräumen der Aktanten sowie ihrem divergierenden Bezug zur Schriftlichkeit eingehender besprochen. Zuletzt geben wir einen Überblick über linguistische Ansätze zur Optimierung der Kommunikation mit Klienten.
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Einführung Institutionelle Kommunikation aus zwei Hauptperspektiven der Diskursforschung Hauptcharakteristika der Klient-Agent-Kommunikation in verschiedenen Institutionen Kommunikation mit Bürgern in Behördengesprächen Ansätze zur Optimierung der Klientenkommunikation Literatur
1 Einführung Der vorliegende Beitrag fokussiert Spezifika des sprachlichen Handelns zwischen Vertretern von Organisationen – bzw. Institutionen – und ihren Klienten. Dieser Gegenstandsbereich ist sehr weitläufig und seine Grenzen sind diffus. Um einen informativen Überblick in der gebührenden Kürze dazu zu geben, unternehmen wir vorweg zwei Eingrenzungen. Erstens, auch wenn Schriftlichkeit gerade in der institutionellen Kommunikation einen hohen Stellenwert einnimmt, fokussiert der Beitrag mündliche Kommunikation unter der Bedingung synchroner – obgleich nicht notwendigerweise auch syntopischer – Präsenz der Aktanten. In solchen Konstellationen erfolgt die Äußerungsproduktion in der aktuellen Sprechsituation, die „unzerdehnt“ (Ehlich 2007, 488) beziehungsweise nur minimal zerdehnt ist (wie z. B. bei Telefongesprächen). Schriftliche Formen der Kommunikation sind kein zentraler Gegenstand der folgenden Ausführungen. Zweitens bezieht sich der Beitrag auf Kommunikation in Institutionen, in denen sich die Sprechsituation zwischen Institutionsvertretern und konkreten Klienhttps://doi.org/10.1515/9783110296235-005
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ten entfaltet. Dies impliziert eine Abgrenzung von institutioneller Kommunikation mit einer potentiell unendlichen Menge von Klienten, wie es bei Massenmedien mit ihren Zuhörern und Zuschauern der Fall ist (vgl. z. B. Schlickau 1996). Diese Konstellation wird als Sonderfall keine Berücksichtigung in unseren Ausführungen zur Klientenkommunikation finden. Der Beitrag beleuchtet das Themenfeld der Klientenkommunikation aus der Perspektive der Diskursforschung (vgl. Becker-Mrotzek 1999). Diesen Begriff verwenden wir hier als Oberbegriff für verschiedene Forschungsrichtungen, die sich mit mündlicher nicht-elizitierter Kommunikation beschäftigen, was sowohl die Forschungsergebnisse der Funktionalen Pragmatik als auch der Konversationsanalyse mit einschließt. Klient-Agent-Kommunikation in Institutionen wird im Folgenden zunächst generalisierend umrissen und danach anhand von Behördenkommunikation exemplarisch besprochen. Zum Abschluss skizzieren wir einige Ergebnisse der angewandten Diskursforschung zu einer Optimierung der Klientenkommunikation.
2 Institutionelle Kommunikation aus zwei Hauptperspektiven der Diskursforschung Spätestens seit John Gumperz Mitte der 1970er Jahre in seiner Untersuchung der Kommunikation zwischen pakistanischen Bediensteten der Kantine und Mitarbeitern des Flughafens Heathrow den Ertrag aus der Erforschung der gesprochenen Sprache für die Klientenkommunikation demonstriert hat (Gumperz 1982), ist die Kommunikation mit Klienten in verschiedensten Institutionen ein zentrales Themenfeld der Diskursforschung, insbesondere der Angewandten Diskursforschung geworden. Die in Deutschland entwickelte handlungstheoretisch orientierte Funktionale Pragmatik untersucht seit ihren Anfängen Diskurse mit Klienten in alltäglichen Institutionen, wie im Speiserestaurant (Ehlich/Rehbein 1972) oder in der Schule (Ehlich/Rehbein 1977). Von diesem Ansatz ausgehend findet ein Großteil menschlichen (sprachlichen) Handelns in Institutionen statt. Die Funktionale Pragmatik geht dabei von Zusammenhängen zwischen dem sprachlichen Handeln, der Gesellschaft und ihren Institutionen aus. Dementsprechend sieht sie die Funktion von Institutionen in der „Bearbeitung gesellschaftlicher Zwecke“ (Ehlich/Rehbein 1980, 338). Diese Zwecke manifestieren sich wiederum im institutionellen sprachlichen und nicht-sprachlichen Handeln der Gesellschaftsmitglieder, sie strukturieren es. Zugleich wird in der Funktionalen Pragmatik davon ausgegangen, dass sich die Institutionen samt ihren Zwecken historisch aus den jeweiligen gesellschaftlichen Bedürfnissen entwickelt haben (vgl. Rehbein 1998). Während Handlungszwecke kollektiver Natur sind, verfolgen Individuen mit ihrem konkreten Handeln individuelle Ziele. Beide lassen sich durch den Rückgriff auf (sprachliche) Handlungsmuster erreichen. Diese sind gesellschaftlich entwickelte Lösungen für rekurrente
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(kommunikative) Aufgaben und sie werden von den Mitgliedern der Gesellschaft im Laufe ihrer Sozialisation erworben (vgl. Ehlich 1991, 133). Wesentliche Foki dieses Ansatzes liegen auf der Frage nach der Funktion sprachlicher Handlungen in Institutionen und der Untersuchung des Zusammenhangs von sprachlichem Handeln und gesellschaftlichen und institutionellen Zwecken. Dabei werden auch mentale Handlungen (vgl. z. B. Ehlich/Rehbein 1977) der Aktanten in die Analysen einbezogen. Ebenso befasst sich die ethnomethodologisch orientierte Konversationsanalyse als weiterer für die deutschsprachige Diskursforschung zentraler Ansatz – diesmal angelsächsischer Provenienz – u. a. mit Daten, die in institutionellen Kontexten erhoben wurden (für einen Überblick zu diesem Ansatz siehe u. a. Bergmann 2010). Die wesentliche theoretische Grundannahme der Konversationsanalyse besteht darin, dass Interaktionsteilnehmer soziale Wirklichkeit im Vollzug der Kommunikation herstellen. Konversationsanalytische Arbeiten orientieren sich in erster Linie an den manifesten Aktivitäten der Gesprächsteilnehmer selbst und versuchen, deren eigene Blickwinkel zu rekonstruieren (vgl. ebd.). Hinsichtlich institutioneller Kommunikation stellt sich für diese Forschungstradition die Frage, inwiefern und wie sich Institutionalität im Gespräch konstruiert. Während die Konversationsanalyse in ihrer strikten Form davon ausgeht, dass die Gesprächspartner einander Sinn und Ordnung ihres Tuns in der Kommunikation selbst stets gegenseitig anzeigen und kein ethnographisches Kontextwissen für die Analyse der Interaktion erforderlich ist (vgl. z. B. Bergmann 2001), stellt bspw. Deppermann (2001) heraus, dass auch gesprächsexternes Wissen für eine umfassende Interpretation von Gesprächen, u. E. gerade in institutionellen Settings, unabdingbar ist. Das schließt ethnographisches Wissen über die Erfahrungshintergründe der Interaktanten, über institutionelle Abläufe, vorliegende Schriftstücke und Herkunft der Aktanten mit ein, das im Sinne einer „ethnographischen Gesprächsanalyse“ (vgl. Deppermann 2000) unterstützend in die Analyse von Gesprächsdaten einbezogen werden kann. In konversationsanalytisch orientierten Arbeiten wird davon ausgegangen, dass interaktionale Aspekte wie (unterschiedliche) Wissensbestände, Rollen usw. als externe Phänomene, nicht als „soziale Fakten“ (Thörle 2005, 30) bestehen, die sprachliche Strukturen von vornherein beeinflussen. Daher wird darauf fokussiert, inwiefern diese im Gespräch selbst eine Rolle spielen. Arbeiten wie z. B. Hausendorf und Kesselheim (2002) zeigen, wie Teilnehmerkategorien (z. B. Agent, Klient) in der Kommunikation interaktiv ausgehandelt werden, und begreifen Kontext damit als einen gesprächsinternen Faktor (vgl. dazu eingehender Rosenberg 2014, 77).
3 Hauptcharakteristika der Klient-AgentKommunikation in verschiedenen Institutionen In institutionellen Kontexten lassen sich zwei Aktantenparteien unterscheiden, die in der Interaktion aufeinandertreffen können: Agenten und Klienten.
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Konversationsanalytisch orientierte Ansätze betrachten als wesentlich, dass Agenten- und Klientenrollen bzw. die entsprechenden „institutionellen Identitäten“ (Drew/Heritage 1992, 3 f.) in der Interaktion von den Kommunikationsteilnehmern relevant gesetzt und ausagiert werden. Dabei kann aus konversationsanalytischer Sicht institutionelle Kommunikation in einem bestimmten Setting (z. B. Kirche, Universität, Behörde, Einzelhandel usw.) stattfinden, ist aber nicht notwendigerweise darauf festgelegt. Aus der Sicht der funktionalen Pragmatik werden die Aktantenparteien aufgrund ihrer Funktion in der institutionellen Kommunikation unterschieden.
3.1 Unterschiedliche Handlungsziele und -zwecke Während die Agenten eine Institution vertreten, wenden sich Klienten entweder selbstinitiiert mit ihren Anliegen an diese oder aber sie werden von Vertretern der Institution ausgehend in die Kommunikation involviert. Im Falle der selbstinitiierten Kontaktaufnahme ist die Intention des Klienten, eigene Handlungsziele mithilfe der Institution zu verwirklichen (Schuhe reparieren lassen, eine Beichte ablegen, sich an einer Universität immatrikulieren, ein Visum beantragen). Die Kontaktaufnahme zur Institution erfolgt aus der Initiative des Klienten heraus und die Zwecke der Institution lassen sich in diesem Fall mit den Zielen des Klienten meistens vereinbaren. Wenn Vertreter einer Institution dagegen an das Individuum herantreten, kann in der Kommunikation aus Klientensicht ein starker Handlungsdruck entstehen oder sie kann sogar einen mehr oder minder starken Zwangscharakter (vgl. Hinnenkamp 1985) erhalten. Solche Fälle sind z. B. Werbeanrufe, Straßenbefragungen, Prüfung der Wehrpflichtigen auf Tauglichkeit, Verkehrskontrollen und Festnahmen, wobei der Handlungsdruck auf den Klienten in diesen hypothetischen Beispielen variiert. Die institutionellen Handlungszwecke können hierbei den individuellen Handlungszielen des Klienten entgegengesetzt sein, sodass das Agent-Klient-Verhältnis nicht mehr mit einer Dienstleister-Nutznießer-Konstellation übereinstimmt.
3.2 Systematische Wissensdivergenzen Klienten jeglicher Institution sind zudem typischerweise in geringerem Ausmaß als die Agenten mit den institutionsspezifischen Bedingungen des (sprachlichen) Handelns vertraut und kennen die institutionellen Handlungsabläufe, Regelungen, die Zwecke institutionellen Handelns sowie gelegentlich auch die spezifischen sprachlichen Mittel weniger oder sogar gar nicht. Ihre Erfahrungswelt lässt sich als alltäglich bzw. außerinstitutionell beschreiben, während sich die Agenten in ihrem Handeln mehr an institutionellen Vorgaben orientieren. Diese Differenz hat weitreichende Folgen für die institutionelle Kommunikation: Sie manifestiert sich ubiqui-
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tär in sprachlichen Formen und in der diskursiven Organisation der Agent-KlientKommunikation. Als Kluft, die zwischen den Wissensbeständen der Aktanten u. U. überbrückt werden muss, führt sie häufig zu vielfältigen kommunikativen Störungen. Oder, konversationsanalytisch gesprochen: Diese Ungleichheit wird in der Kommunikation in institutionellen Settings häufig konstruiert (vgl. Bergmann 2001) bzw. aktualisiert – wodurch wiederum Agenten- und Klientenrollen konstituiert werden. In diesem Zusammenhang lassen sich verschiedene Wissenstypen unterscheiden: Zunächst das Alltagswissen, das auch auf der Seite der Klienten durchaus laienhaftes institutionelles Wissen umfassen kann. Dieses „Institutionswissen erster Stufe“ (Becker-Mrotzek 2001, 1230) haben Klienten durch (zumindest flüchtige) Kontakte zu Institutionen erworben. Auch Agenten verfügen über vergleichbares Alltagswissen, erwerben aber darüber hinaus im Laufe ihrer beruflichen Sozialisation systematisiertes Institutionswissen, das „Institutionswissen zweiter Stufe“ (ebd.), das sie als Experten auszeichnet und das die Klientenseite meist nicht besitzt. Für die auf diese Weise ausgestatteten Vertreter einer Institution stellt die Interaktion mit Klienten eine alltägliche Routinesituation dar, wohingegen sie für Klienten eine „problematische oder gar krisenhafte Situation“ (Koerfer 2013, 117) sein kann, in der „bei anhaltender Desorientierung die Kommunikation auf vielfältige Weise fehlschlägt“ (ebd.). Dies ist nach Koerfer insbesondere dann der Fall, wenn die Distanz zwischen dem Institutionswissen zweiter Stufe und dem Alltagswissen der Klienten groß ist, wie es für einige Institutionen, beispielsweise bei Gericht, charakteristisch ist (vgl. Koerfer 2013, 119). In Institutionen, zu denen Klienten über lange Zeit Kontakte haben (müssen), beispielsweise Schulen oder Gefängnisse, und/oder deren Agenten keine komplexeren institutionellen Sozialisationsprozesse durchlaufen müssen, könnte diese Distanz typischerweise kleiner sein. Koerfer (2013, 115) schlägt vor, Institutionen nach „dem Grad der Nähe/Ferne bzw. Integration/Desintegration von Institutionswissen und Alltagswissen“ zu unterscheiden. Diese meist vorliegenden bzw. in der Interaktion aktualisierten Wissensunterschiede führen auch zur Beschreibung der Agent-Klient-Kommunikation als Experten-Laien-Kommunikation. Diskursiv zeichnet diese sich durch sprachliche Formen aus, die zur Vermittlung des Expertenwissens an den Laien sowie zum Abrufen des Expertenwissens durch den Laien dienen, insbesondere in der kommunikativen Form des Beratens (vgl. z. B. Habscheid 2003; Hartog 1996). Hartog (1996, 187) beschreibt, wie Klienten, die mit einem Handlungsdilemma den Experten aufsuchen, von diesem ausgewähltes und bewertetes Wissen einfordern, aus dem sie für sich Handlungsmöglichkeiten oder -anweisungen herausfiltern. Experten ihrerseits sondieren das (Institutions-) Wissen, das beim Klienten vorliegt, um auf dieser Basis ihr Expertenwissen zu vermitteln. Die charakteristischen sprachlichen Handlungen der Agenten umfassen auf den Fall zugeschnittene Bewertungen des Fachwissens und Handlungsempfehlungen, die in Hartogs Korpus zu genetischen Beratungsgesprächen auffordernde Qualität haben (vgl. Hartog 1996, 305 ff.).
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Das Kompetenzgefälle zwischen Experten und Laien ist nicht immer deckungsgleich mit ihren Aktantenfunktionen bzw. -rollen als Agent und Klient. Klienten bringen in manchen Institutionen mehr Expertenwissen in die Interaktion mit als die Agentenseite. Wenn der Klient-Experte zugleich auch eine Institution vertritt, wie es oft in der Wirtschaftskommunikation der Fall ist (vgl. Brünner 2000, 157), kann im Gespräch Institutionswissen (zweiter Stufe) aus einer weiteren Institution relevant werden und ein Kompetenzgefälle lässt sich generalisierend nicht feststellen. Brünner (2000, 157 ff.) bespricht einen Fall von Wirtschaftskommunikation, bei dem einer der beiden kommunizierenden Experten zugleich in der Klientenrolle agiert. Die Untersuchung deiktischer Mittel, mit denen dieser Kunde auf sich verweist, zeigt, dass er strategisch handelnd mal als Experte eine Gemeinschaft mit dem Verkäufer konstruiert, mal sich als Klient und Vertreter einer anderen Institution vom Agenten abgrenzt (Brünner 2000, 178).
3.3 Unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten und Machtasymmetrien Eine weitere Ungleichheit, die in der Wirtschaftskommunikation weniger relevant ist, dafür aber in vielen anderen Institutionen, beispielsweise im medizinischen, schulischen und behördlichen Bereich, brisant ist, liegt in der Verteilung von Handlungsmöglichkeiten der Aktanten. Im Vergleich zur außerinstitutionellen Kommunikation sind die Handlungsmöglichkeiten beider Seiten zwar begrenzt und in einem gewissen Maß institutionell geformt. Dennoch ergeben sich aus der institutionellen Position der Agenten, gepaart mit deren Institutionswissen zweiter Stufe, Möglichkeiten bzw. Notwendigkeiten, in das Leben ihrer Klienten in mehr oder weniger existentiellen Fragen einzugreifen, sei es z. B. bei der schulischen Entscheidung für oder gegen eine Gymnasialempfehlung, bei der Wahl der Therapie eines Krebserkrankten oder bei der Einschätzung einer Härtefallkommission über die Zumutbarkeit der Abschiebung im Fall eines abgelehnten Asylbewerbers. Zur ungleichen Verteilung von Handlungsmöglichkeiten der Aktanten kommen zwei weitere Aspekte hinzu: Zum einen treffen in vielen Institutionen mündliche Formen von Problembewältigung, wie sie den Klienten aus dem Alltag vertraut sind, auf schriftliche Problembewältigungsformen, die eher von den Agenten der Institution routiniert eingesetzt werden (vgl. Becker-Mrotzek/Ehlich/Fickermann 1992, 84). Zum anderen sind Klienten in vielen institutionellen Bereichen, wie bspw. in der Arzt-Patient-Kommunikation, in der Regel direkt vom Ergebnis des institutionellen Handelns betroffen, was für die Agenten weitaus weniger gilt. Dies alles summiert sich für die Forschung zu einem generellen Bild institutioneller Dominanz, hierarchischer Höherstellung des Agenten in der Interaktion bzw. häufig beschriebener Machtasymmetrie zugunsten des Agenten (Becker-Mrotzek 2001; Habscheid 2003; Hinnenkamp 1985; Löning 2001; Rehbein 1985). Anhand von Wiedergaben fiktiver Klientenrede durch Behördenmitarbeiter bespricht Porila
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(2012) die „Inszenierungsmacht“ (ebd.) dieser Agenten. Rosenberg (2014, 250 ff.) zeigt aus einem konversationsanalytischen Blickwinkel, wie solche Dominanzoder Machtverhältnisse zwischen den Aktanten in der Kommunikation miteinander ausgehandelt werden. Hierbei fällt auf, dass zumindest in bestimmten Situationen eine stark asymmetrische Positionierung der Gesprächspartner zueinander Gespräche problematisieren und teilweise sogar zu einer Eskalation von Streit beitragen kann, wobei regelrechte Machtkämpfe ausgetragen werden (ebd.). Für polizeiliche Vernehmungen argumentiert Schwitalla (1996), dass auch die Handlungsmöglichkeiten von Beschuldigten ein Machtpotential enthalten, da hier die Kooperation der Klienten wesentlich für das Erreichen von Aktantenzielen beim Aufklären von Kriminalfällen ist. Anzumerken ist jedoch – zumindest aus der Perspektive der Konversationsanalyse –, dass Macht, anders als bspw. interaktive Dominanz, sich letztlich nicht direkt in einer Interaktion beobachten lässt, sondern allenfalls aus dem (sprachlichen) Verhalten der Gesprächspartner darauf geschlossen werden kann (vgl. Brock/Meer 2004, 202 ff., Rosenberg 2014, 41 ff.). In Beratungssituationen wiederum tragen die Betroffenheits-, aber auch Wissensdivergenzen zwischen Beratenden und Ratsuchenden zu einer distanzierten Betrachtung des Klientenproblems und damit zum Gelingen des Beratungsgesprächs bei (vgl. Kallmeyer 2000).
3.4 Unterschiedliche Inanspruchnahme der Gesprächssteuerung Was die Diskursdynamiken in Agent-Klient-Interaktionen betrifft, so lässt sich eine generelle Tendenz der stärkeren Übernahme von gesprächssteuernden Handlungen durch die Agenten feststellen. Zudem ist in zahlreichen Institutionen eine ausgiebigere Inanspruchnahme des Rederechts auf Agentenseite der Fall, insbesondere im Bereich der Bildung (Ehlich/Rehbein 1986), in Behördendiskursen und in medizinischen Kontexten (Koerfer/Köhle/Obliers 1994), dort besonders bei der ärztlichen Visite im Krankenhaus (z. B. Nothdurft 1982). In einigen Institutionen wie im psychotherapeutischen Bereich gilt diese Generalisierung jedoch keineswegs (vgl. Eisenmann 1995). Die Gesprächssteuerung durch Agenten weist auf ein weiteres Spezifikum von Agent-Klient-Gesprächen in zahlreichen Institutionen hin: Strukturen sprachlichen Handelns, im funktional-pragmatischen Sinne sprachliche Handlungsmuster, können im Vergleich zu alltäglichen Handlungsmustern wesentliche Abweichungen aufzeigen. Ehlich/Rehbein (1986) besprechen als solche Fälle die Examensfrage aus dem Repertoire des Lehrerhandelns oder das Begründen. Hartog (1996) zeigt, dass im institutionellen Muster des Beratens die Agentenseite die Entscheidung darüber vollzieht, welchen Handlungsweg der Klient für den Beratungsfall wählen sollte. Im entsprechenden alltäglichen Muster des Ratgebens geschieht dies dagegen durch den Ratsuchenden.
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3.5 Homileïk Innerhalb institutioneller Diskurse finden sich häufig Passagen, die scheinbar dysfunktional sind, weil sie nicht unmittelbar institutionellen Zwecken dienen (Ehlich/Rehbein 1980; Brünner 2000). Es sind Fragmente von so genanntem ‚Smalltalk‘, Gespräche in Pausen, in Wartezimmern, Witze und Erzählungen. Diese Formen, auch als „homileïsche“ (Ehlich/Rehbein 1980, 343) Diskurse bezeichnet, dienen dem Herstellen von sozialer Nähe, Gemeinsamkeit und Geselligkeit, dem Vergnügen und der Erheiterung. Nach Brünner (2000, 222) kann durch homileïsche Formen die soziale Beziehung zum Gesprächspartner intensiviert werden, „die Orientierung an der institutionellen Rolle hin zu einer Orientierung an der persönlichen Identität“ verschoben werden. Die oben besprochenen AktantenAsymmetrien erscheinen in solchen Formen dadurch als weniger relevant gesetzt. Dennoch können auch homileïsche Diskursphasen zum Erreichen institutioneller Zwecke funktionalisiert werden – man denke beispielsweise an den Stellenwert beziehungsfördernder Kommunikation für den Erfolg von Verkaufsgesprächen oder für den Ausbau des Vertrauens und der compliance des Patienten in der Kommunikation mit dem Arzt (vgl. Löning 2001, 1579). Das Ausufern homileïscher Formen birgt jedoch die Gefahr, dass institutionelle Zwecksetzungen in den Hintergrund treten und dass institutionelles Handeln an Effizienz verliert. Außerdem kann soziale Nähe zwischen den Aktanten dem Erreichen institutioneller Zwecke abträglich sein. Deshalb lassen sich homileïsche Diskursformen in einigen Institutionen vergleichsweise selten beobachten, z. B. in Diskursen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Rangordnung in der Armee. Auch in der Behördenkommunikation sind sie eher rar (Porila 2012) und werden, wenn sie von Klienten initiiert werden, von Agenten z. T. auch unterbunden (vgl. Rosenberg 2014, 210 ff.). Insbesondere Erzählungen als kommunikative Großformen finden in institutionellen Diskursen selten (Quasthoff 2001, 1304) oder nur in fragmentierter Form (Birkner 2013) Platz – es sei denn, es handelt sich um psychotherapeutische Kontexte (Eisenmann 1995). Quasthoff (1980) zeigt, wie Sachbearbeiter im Sozialamt Erzählen bei ihren Klienten unterbinden oder aber es für institutionelle Zwecke funktionalisieren.
4 Kommunikation mit Bürgern in Behördengesprächen Kontakte zu Behörden gehören in Industriegesellschaften zu weit verbreiteten Erfahrungen ihrer Bürger. Negative Stereotype über bürokratische Kommunikation, die aus lebensweltlicher Sicht vieler Klienten als nachteilig erlebt wird, sind weit verbreitet, wie z. B. Unpersönlichkeit, Undurchschaubarkeit, Trägheit und strikt hierarchische Strukturen. Ein Grund für die Ausprägung solcher aus Klientensicht
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dysfunktionalen Züge liegt in der Monopolstellung (Becker-Mrotzek 2001, 1507) staatlicher Verwaltungsinstitutionen in der Gesellschaft. Im Wesentlichen jedoch sind die Spezifika behördlichen (sprachlichen) Handelns in ihren gesellschaftlichen Zwecken und den daraus resultierenden historisch gewachsenen (vgl. Rehbein 1998) funktionalen Strukturen begründet. Behörden dienen den gesellschaftlichen Zwecken der staatlichen Kontrolle, Regulierung und Koordination des Handelns von Bürgern und Institutionen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen (Steuerabgabe, Einwanderung usw.) und der Wissensbewahrung (vgl. Rehbein 1998, 661). Ein herausragendes Charakteristikum von Behörden ist ihr hierarchischer Aufbau, auf dessen Grundlage den Agenten abgegrenzte Zuständigkeiten und Entscheidungshoheiten zugeteilt werden. Die starren hierarchischen Verhältnisse tragen den Geboten der Kontrollierbarkeit und Überprüfbarkeit des behördlichen Handelns Rechnung (vgl. Becker-Mrotzek 2001). Mit diesen Geboten hängt auch die vollständige Begründung des Behördenhandelns auf rechtlichen Regelungen zusammen. Hinzu kommt das Grundrecht der Gleichbehandlung aller Bürger. Diese kann bei den Klienten das Gefühl hervorrufen, unpersönlich behandelt zu werden, ist für behördliches Handeln nach rechtsstaatlichen Prinzipien jedoch notwendig. Zudem bringt die Massenhaftigkeit der zu bearbeitenden Fälle im Agentenhandeln Kommunikationsabläufe hervor, die durch Standardisierung dem Gebot der Effizienz gerecht zu werden versuchen. Die Aufgabe von Behördenvertretern ist es, im Laufe der Bearbeitung des Klientenanliegens vom Einzelfall zu abstrahieren (vgl. Becker-Mrotzek 2001, 1508), diesen nach „abstrakten Kategorien der Verwaltung“ (ebd.) durch „Zuordnungsprozesse“ (Becker-Mrotzek/Ehlich/Fickermann 1992, 87 f.) zu typisieren. Erst danach ist es den Agenten möglich, die Sachlage mit den gesetzlichen Grundlagen zu vergleichen, um dann eine Entscheidung zu fällen (vgl. ebd.). Die von Agenten dabei unternommene Übertragung alltagsweltlichen Klientenwissens in institutionelle Kategorien wird als ein Prozess der „Professionalisierung“ (Becker-Mrotzek/Ehlich/Fickermann 1992, 238; Rehbein 1989, 267) beschrieben. Ein wesentlicher Teil behördlichen Handelns besteht aus Wissensverwaltung und geschieht über schriftliches sprachliches Handeln der Aktanten (vgl. Rehbein 1998, 665). Schriftlichkeit dient zur Erfüllung des Kriteriums der Kontrollierbarkeit, das besonders für behördliches Agentenhandeln zentral ist. Das ermöglicht einen arbeitsteiligen Ablauf des Agentenhandelns, weil Wissen auf diese Art situationsund personenunabhängig in der Institution gespeichert, weitergereicht und bearbeitet werden kann (vgl. Becker-Mrotzek/Ehlich/Fickermann 1992). Im Gesamtprozess der Fallbearbeitung nimmt die Schriftlichkeit einen zentralen Platz ein, doch seine Initiierung und sein Abschluss verlangen Klientenkontakt, der teilweise mündlich geschieht: Zunächst findet die Rekonstruktion des Sachverhalts statt, wobei hier das Agent-Klient-Gespräch oftmals eine wichtige Rolle spielt. Dabei wird die mündlich erarbeitete Klientenwirklichkeit (nach
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Agenten-Bearbeitung als ‚Fall‘) von Agenten in die erforderliche schriftliche Form übertragen, mündliches Handeln wird also ins Schriftliche transformiert. Durch diesen Prozess der „Professionalisierung“ (Becker-Mrotzek/Ehlich/Fickermann 1992, 238) können mündliche Äußerungen des Klienten für denselben nach dem agentenseitigen Übertragungsprozess ins Schriftliche als verfremdet, nicht wiedererkennbar erscheinen (ebd.). Nach der Fallrekonstruktion bzw. nach der Klärung des Anliegens führen die Behördenvertreter den eigentlichen Verwaltungsakt durch, dessen Kern der schriftlich dokumentierte behördliche Entscheidungsprozess bildet (Rehbein 1998, 664). Diese intra-institutionellen Vorgänge umfassen komplexe schriftliche und mündliche kommunikative Handlungen zwischen Agenten. Will ein Klient diese für den Laien in der Regel verborgenen Prozesse nachvollziehen, kann er auf behördlich vorgeschriebenem Weg Akteneinsicht beantragen. Das Ergebnis des Entscheidungsprozesses wird dem Klienten schriftlich mitgeteilt, wobei dies teilweise parallel mündlich geschehen kann. Auch die mündlichen Redebeiträge, welche die Agenten an die Klienten richten, enthalten zahlreiche Text-Elemente bzw. Elemente konzeptioneller Schriftlichkeit (Koch/Oesterreicher 1985), beispielsweise in Form von impliziten Gesetzes- oder Formularzitaten (Becker-Mrotzek/Ehlich/Fickermann 1992; Porila 2006). Solche Fragmente der schriftlichen Behördenkommunikation im Mündlichen sind komplex strukturiert: Sie enthalten z. B. vermehrt Ketten von teils fachspezifischen Nominalisierungen, Präpositionalphrasen, Funktionsverbgefüge (vgl. Rehbein 1998, 668). Unter Bedingungen der Mündlichkeit, wie starkem Handlungsdruck, geringer Möglichkeit der Wiederholung (Becker-Mrotzek/Ehlich/ Fickermann 1992, 234) und nur begrenzter Reichweite des Kurzzeitgedächtnisses, erschweren derart gestaltete Agentenredebeiträge ihre Rezeption durch die Klientenseite. Zugleich versuchen Klienten, sich in ihrem Sprachgebrauch dem institutionellen Kontext anzupassen, verwenden bspw. selbst Fachterminologie, als Manifestationen „pseudoprofessionellen Wissens“ (Löning 1994), teils aber ohne über entsprechendes Fachwissen zu verfügen. Das kann ebenfalls die Verständigung der Aktanten miteinander erschweren (vgl. dazu auch Rosenberg 2014, 191 ff.). Die oben besprochene disparate Verteilung des institutionellen Wissens unter den Aktanten gilt insbesondere für die Kommunikation zwischen Behördenvertretern und ihren Klienten. Hinsichtlich der Entfernung zwischen institutionellem Wissen zweiter Stufe und dem Alltagswissen ließe sich die Behördenkommunikation als ein Fall verhältnismäßig großer Distanz beschreiben. Behördengänge, beispielsweise Besuche beim Job-Center oder Vorsprachen in der Ausländerbehörde, gehören zur weniger alltäglichen Interaktion und fallen kürzer aus als z. B. der langjährige, in Deutschland für alle Gesellschaftsmitglieder verpflichtende Schulbesuch oder auch als Agent-Klient-Kontakte in totalen Institutionen. Diese bestimmen und überwachen den kompletten Lebensalltag ihrer Klienten, wie Goffman (1973) es insbesondere am Beispiel von geschlossenen psychiatrischen Anstalten
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beschreibt. Behördenerfahrungen der Bürger sind demgegenüber vergleichsweise punktuell (vgl. Koerfer 2013, 114) und ihr Institutionswissen bewegt sich überwiegend auf dem Niveau von Behörden-Laien. Die Zwecke des (sprachlichen) Agentenhandelns bleiben für die Klienten aufgrund eingeschränkten Institutionswissens sowie fehlender Einsicht in behördliche Entscheidungsprozesse oftmals undurchsichtig und die Verstehensprozesse sind wegen der agentenseitigen Orientierung am Schriftlichen und an der Fachsprachlichkeit erschwert (Liedke 1997; Porila/ten Thije 2007). Durch ihre unterschiedliche Spezialisierung auf Leistungsgewährung oder Erlaubnisgewährung beziehungsweise -ablehnung (vgl. Becker-Mrotzek 2001, 1506) ergibt sich eine Zweiteilung von Behörden in Leistungsbehörden, wie Sozialoder Arbeitsamt, und in Eingriffsbehörden, wie Ausländerbehörde oder Gesundheitsamt (vgl. ebd.). In beiden Behördentypen geht es als Handlungszweck letztlich um Entscheidungsfindung (Rehbein 1998, 670). Die Gespräche zwischen Sachbearbeitern und Klienten dienen verschiedenen Aspekten des behördlichen Entscheidungsprozesses: der Entscheidungsvorbereitung (Datenerhebungsgespräche und Beratungsgespräche), dem Verkünden behördlicher Entscheidungen sowie dem Anfechten ebendieser (Beschwerdegespräche, Widerspruchsgespräche) (vgl. Becker-Mrotzek 2001). Die Gesprächstypen ‚Datenerhebungsgespräche‘ und ‚Beratungsgespräche‘ seien hier umrissen: Datenerhebungsgespräche bezwecken eine effizientere Fallbearbeitung, als dies angesichts der oben geschilderten Probleme des Klienten als Laien auf dem schriftlichen Weg möglich wäre. In Interaktion mit Klienten holen die Agenten benötigte Auskünfte ein und fixieren sie schriftlich. Dabei vollziehen sie die oben besprochene Übertragung vom Lebensweltlichen in institutionelle Kategorien und vom Mündlichen ins Schriftliche (vgl. Becker-Mrotzek 2001). Die Gestaltung der entsprechenden Formulare (z. B. die Reihenfolge der Fragen darin) prägt die Ablaufstruktur dieser Gespräche, im Allgemeinen eine Kette von Frage-Antwort-Sequenzen (Becker-Mrotzek 2001, 1514). BeckerMrotzek (2001, 1516) zeigt, wie sich der Zweck der Datenerhebung „systematisch gegen anders gelagerte Ziele des Klienten“ durchsetzt. Beispielsweise unterlässt ein Agent Empathiebekundungen bzw. bewertende Handlungen oder Ratschläge an Stellen im Diskurs, an denen sie in einem außerinstitutionellen Gespräch erwartbar wären, und fährt stattdessen mit der Datenerhebung fort (Becker-Mrotzek 2001, 1515 f.). Versuche von Klienten, andere Ziele in der Kommunikation zu verfolgen, werden häufig unterbunden oder sogar sanktioniert (vgl. Rosenberg 2014, 205 ff.). Eine enge Ausrichtung der Agenten am institutionellen Zweck der Datenerhebungsgespräche und damit eine mangelnde Orientierung an Verständigung stellt potentiell ein interaktives Problem dar. Liedke (1997) beobachtet, dass prospektive Erläuterungen zu einem institutionellen Handlungsplan, also eine Übertragung institutionellen Wissens an die Klientenseite, oftmals nicht stattfinden, was zu Orientierungsschwierigkeiten des Klienten in einem Datenerhebungsgespräch führen kann. In Datenerhebungsgesprächen finden sich jedoch auch beratende Sequenzen. Porila (2006) untersucht Gespräche in der Ausländerbehörde und arbeitet heraus,
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wie Agenten in latent konfliktären Situationen verbalen Mehraufwand durch „szenisches Erklären“ (ebd.) betreiben, um eine Deeskalation der Interaktion zu erreichen. Während in Datenerhebungsgesprächen aus der institutionellen Perspektive eine Wissensweitergabe vom Klienten zum Agenten erforderlich ist, tritt in Beratungsgesprächen die gegenteilige Wissensbewegung vom Agenten zum Klienten und damit die Übersetzung institutioneller Kategorien ins Alltägliche (vgl. Porila 2006, 11) in den Vordergrund. Der Ausgangspunkt von Beratungsgesprächen sind die „Probleme der Klienten, die erhoben, ausgehandelt und für die gemeinsamen [sic!] Lösungswege entwickelt werden“ (Becker-Mrotzek 2001, 1522). Hier betreiben Agenten höheren verbalen Aufwand für den Wissenstransfer an den Klienten, weil die institutionellen Zwecke dies fordern, bspw. um den Bürger möglichst schnell aus der Abhängigkeit von staatlichen Sozialleistungen zu führen, oder weil beratendes Handeln der Behörde gesetzlich vorgeschrieben ist (vgl. Wenzel 1984). Becker-Mrotzek/Ehlich/Fickermann (1992, 244) weisen darauf hin, dass der institutionellen Beratungssituation (im Arbeitsamt) im Unterschied zum alltäglichen Beraten eine „prinzipielle Widersprüchlichkeit“ innewohnt: Einerseits sind die Lösungsvorschläge (z. B. Umschulungen) der Behörde für das Problem des Klienten begrenzt und standardisiert, anderseits kann der Klient sie aufgrund drohender Konsequenzen (Streichen der finanziellen Hilfe) nicht ablehnen, was für die Diskursstruktur spezifische Folgen wie argumentativen Mehraufwand auf der Agentenseite mit sich bringt (vgl. ebd.). Viele der bisher genannten Spezifika institutioneller bzw. Behördenkommunikation (unterschiedliche Ziele bzw. Zwecke von Klienten und Institution, unterschiedliche Wissensbestände und Handlungsmöglichkeiten, Grade der Betroffenheit, Machtasymmetrien) können, wenn sie in der Interaktion zum Tragen kommen, dazu führen, dass die Verständigung zwischen Agenten und Klienten von beiden Seiten als schwierig empfunden wird. In einer Reihe von Studien – hier seien einige Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum genannt – werden daher Verständigungsprobleme sowie Möglichkeiten der Herstellung von Verständigung in solchen Interaktionen empirisch untersucht. Zwei zentrale Aspekte kristallisieren sich dabei heraus: zum einen das gegenseitige Verstehen, was u. a. mit den oben genannten Wissensdivergenzen in Verbindung steht, sowie im weiteren Sinne die Beziehung der Aktanten zueinander bzw. deren kooperatives vs. nicht kooperatives Handeln, was u. a. mit unterschiedlichen Zielen bzw. Zwecken, Handlungsmöglichkeiten, Betroffenheit und Machtasymmetrien in Zusammenhang steht. Bereits 1984 untersucht Wenzel anhand von Gesprächen im Sozialamt, wie Verständigung insbesondere von Behördenvertretern hergestellt wird. Ihre Analyse unterscheidet zum einen verständigungsförderndes sprachliches Handeln, das den Verwaltungsprozess transparent macht, das Verstehen des Gegenübers absichert und den Transfer institutionsrelevanten Wissens an den Klienten ermöglicht. Zum anderen benennt sie als verständigungsfeindlich (verbale oder nonverbale) Mittel einer „direktiven Gesprächsführung“ (ebd.), zu denen sie Verhörstrategien und
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Befragungsstrategien zählt, mit denen von Klienten gelieferte Informationen überprüft werden, ebenso „Abwimmelungsstrategien“ (ebd.) und nicht-kooperative Formen nonverbalen Handelns. Auch mehrere Arbeiten von Selting (z. B. 1987) fokussieren Verständigung zwischen den Aktanten in verschiedenen Behörden. Selting erstellt eine Typologie von Verständigungsproblemen und analysiert deren Bearbeitung systematisierend. Unter anderem stellt sie fest, dass die Aktanten, wenn sie Verständigungsprobleme in der Kommunikation wahrnehmen, systematisch zunächst von kleineren, eher lokalen, Schwierigkeiten beim Gegenüber ausgehen und dementsprechend handeln. Erst wenn Klärungsversuche auf dieser Ebene nicht gelingen, bearbeiten sie die Störung auf einer höheren Ebene, z. B. der Interaktionsorganisation und interaktiven Sachverhaltsdarstellung und -absicherung. Nach Selting ergeben sich Problemhierarchien von lokalen (z. B. akustischen) Verstehensproblemen, welche die Interaktion in zunehmendem Ausmaß stören, bis hin zu Verstehensproblemen auf der Ebene der Anliegenstypisierung. Als besonders gravierend stufen die Interaktanten Selting zufolge „Kooperationsprobleme“ (Selting 1987, 244) ein, bei denen im Gegensatz zu reinen Verstehensproblemen sogar die Bereitschaft zur Kooperation miteinander aufgekündigt wird. Zugleich stellt Seltings Systematik auch Präferenzhierarchien für kommunikative Problembearbeitung durch die Aktanten dar (vgl. Selting 1987). Generell bleibt Verständigungsorientierung ein brisantes Problem der Behördenkommunikation, insbesondere in Behörden, die bei ihrer Zweckerfüllung weniger auf Kooperation der Behördenklienten angewiesen sind. Es sind in der Regel Eingriffsbehörden, von denen die Ausländerbehörde mittlerweile in einigen Arbeiten im Zentrum des Forschungsinteresses steht (mit Bezug auf Behörden in Deutschland z. B. Hinnenkamp 1985; Liedke 1997; Porila 2006; sowie im Vergleich mit Daten, die in Argentinien erhoben wurden, Rosenberg 2014). Der Forschungsbedarf liegt in erster Linie darin begründet, dass beide Aktantenseiten die Kommunikation in dieser Behörde als besonders problemträchtig wahrnehmen – was verschiedene sozialwissenschaftliche Untersuchungen belegen (z. B. Hoffmann 1982; Berth/Esser 1997; Riehle/Zeng 1998; für eine Zusammenfassung siehe Porila 2006). Während die Klienten bspw. Unfreundlichkeit und Ausländerfeindlichkeit auf Seiten der Behördenmitarbeiter kritisieren, beklagen Behördenmitarbeiter überzogene Ansprüche und Aggressivität auf Klientenseite (Porila 2006). Seifert (1996, 349 f.) beobachtet zudem einen „kommunikativen Eskalationszirkel“, in dem gegenseitige Schuldzuweisungen und negative Vorurteile gerade die kritisierten Handlungsweisen des Gegenübers provozieren. Wissensasymmetrien in mehreren Bereichen erschweren das gegenseitige Verstehen deutlich. Die Klienten der Behörde sind bis auf einige Ausnahmen Ausländer und (zumindest an deutschen Ausländerbehörden) oftmals auch Nicht-Muttersprachler, wodurch als ‚interkulturell‘ beschreibbare Wissensasymmetrien sich zu den oben besprochenen institutionell begründeten Asymmetrien addieren können
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(vgl. Koole/ten Thije 1994; Liedke 1997): Unterschiede im Sprach- und Kulturwissen sowie abweichendes institutionelles Wissen erster Stufe (vgl. Liedke 1997; Porila 2006; Porila/ten Thije 2007, 2008; Rosenberg 2014). Im Zusammenhang mit zweitsprachlichen Deutschkompetenzen von Klienten deutscher Ausländerbehörden bespricht Hinnenkamp (1985) die Problematik der institutionell und durch Sanktionen abgesicherten Macht- und Zwangausübung durch die Agenten durch den Einsatz kommunikativer Strategien. Dies wird oftmals legitimiert durch geringe Sprachkenntnisse der Klienten. Nach Hinnenkamps Argumentation kann bei Klienten ‚degradierende‘ Kommunikation gar zur Rückbildung der allgemeinen kommunikativen Fähigkeiten in der Zweitsprache führen (vgl. ebd.). Darüber hinaus sind die Klienten der Ausländerbehörde als Eingriffsbehörde meist zur Kontaktaufnahme mit dieser gezwungen, um Sanktionen zu entgehen, und zugleich von den Ergebnissen des Agentenhandelns existentiell betroffen, was bereits Teilgründe für die oben angeführten negativen Einschätzungen aus den Aktantenbefragungen sein könnten. Porila (2006) fokussiert jedoch das Gelingen der Kommunikation in dieser ausgeprägt asymmetrischen kommunikativen Konstellation. Sie geht von einer Mittlerfunktion der Agenten aus: Die Mitarbeitenden der Ausländerbehörde vermitteln in Klientengesprächen zum einen zwischen Institutionalität und Alltäglichkeit sowie zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit, zum anderen zwischen einer übergeordneten Ausländerbehörde und den Klienten. Porila nimmt an, dass die Agenten Strategien entwickelt haben müssen, die das Konfliktpotential in der Kommunikation reduzieren. Als eine solche Strategie eruiert sie den Einsatz zitierter Rede, mit deren Hilfe komplexes institutionelles Wissen in u. a. latent konfliktären Situationen an die nicht-muttersprachlichen Klienten übermittelt wird (vgl. ebd). Rosenberg (2014) untersucht Gespräche zwischen Klienten mit Migrationshintergrund und Mitarbeitern verschiedener Behörden in Deutschland und Argentinien. Zum einen analysiert sie Verstehensprobleme, die im Zusammenhang mit oben besprochenen Wissensdivergenzen stehen. Wie gezeigt wird, können unterschiedliche institutionelle Vorkenntnisse und kulturelle Erfahrungen, (Rollen-) Erwartungen sowie unterschiedliche Sprachkompetenzen, aber auch sprachliche Normen bzw. Normerwartungen der Interaktanten – besonders im Zusammenhang mit schnellem Sprechen, der Verwendung komplexer Ausdrücke und behördentypischer (Fach-)Lexik – zu einer Reihe von Verstehensproblemen führen, die aufwendig bearbeitet werden müssen. Auffällig ist, dass auch bei gleicher Muttersprache der Aktanten in unterschiedlichen Varietäten (z. B. argentinischem und bolivianischem Spanisch) zahlreiche – auch interkulturelle – Verstehensprobleme auftreten können. Zum anderen wird hier die Entwicklung von Streit zwischen Behördenmitarbeitern und Klienten untersucht. Diese Problematik geht weit über reine Verstehensprobleme hinaus und wird von den Beteiligten meist auch als gravierender empfunden. Dabei können die asymmetrischen Positionierungen der Gesprächs-
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partner zueinander, teils unter Machteinsatz der Behördenmitarbeiter, starke Handlungs- und Gesprächssteuerung, z. B. in Form von klaren Anweisungen, Themensteuerung oder wörtlichen Rephrasierungen einmal getroffener Aussagen durch die Agenten, gerade Widerspruch, Diskussionen und sogar Streit befördern – obgleich dies durchaus eine effiziente Gesprächsführung im Sinne der Behörde zum Ziel haben mag (kurze Gesprächsdauer, Fokussierung auf relevante Aspekte für die behördliche Entscheidung usw.).
5 Ansätze zur Optimierung der Klientenkommunikation Ein wesentliches Ziel der Forschung auf dem Gebiet der Angewandten Linguistik zur Klientenkommunikation ist nicht nur die Erfassung und Beschreibung der Charakteristika dieser Art der Kommunikation und der Schwierigkeiten, die diese mit sich bringen kann, sondern daraus resultierend die Entwicklung von Optimierungsvorschlägen für die Praxis. Eingebettet in zahlreiche bereits genannte Untersuchungen betonen sie, wie wichtig es ist, die spezifische institutionelle Einbettung der jeweiligen Kommunikation zu berücksichtigen (Liedke 1997), und präsentieren konkrete Vorschläge zur Konfliktentschärfung (Rosenberg 2014) sowie zur Klientenorientierung der Kommunikation (ebd., Wenzel 1984). Bei der Entwicklung von entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen und Ratgeberliteratur für die Aktanten, insbesondere die Zielgruppe der Institutionsvertreter, konkurrieren Ansätze aus der Angewandten Diskursforschung mit weiter verbreiteten wissenschaftlichen oder populärwissenschaftlichen Konzepten, die rhetorische, psychologische oder kommunikationswissenschaftliche Grundlagen haben (z. B. Hofstede 2001 oder Schulz von Thun 1981). Diese basieren meist auf quantitativen Untersuchungen, auf Beobachtungen der Forscher oder aber auf Berichten von an der Interaktion Beteiligten (vgl. z. B. das auf critical incidents beruhende Konzept der Culture-Assimilator-Trainings, Thomas 1996), manche Annahmen sind gar auf Laien-Linguistik (Antos 1996) zurückführbar. Demgegenüber bieten linguistische Ansätze auf der Basis authentischer Gesprächsdaten – auch wenn solche Maßnahmen vergleichsweise aufwendig, zeit- und kostenintensiv sind – eine Reihe von Vorteilen. Durch die Verwendung nicht-elizitierten Gesprächsmaterials anstelle von abgeleiteten Quellen (ten Thije 2001, 179) lässt sich empirisch ermitteln, welche Schwierigkeiten tatsächlich und systematisch an welchen Stellen in der Kommunikation auftreten. Damit werden Monita, die durch Erinnerungsfehler der Beteiligten (vgl. Fiehler 2002) oder durch das Alltagswissen des Trainers entstehen, weitestgehend vermieden und die Relevanz der Qualifizierungsziele für die Praxis empirisch abgesichert. Die Arbeit am transkribierten Material findet sowohl bei der Vorbereitung des Trainings als auch gemeinsam mit Teilnehmenden während des
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Trainings statt. Letzteres ermöglicht den Teilnehmenden, wie in Zeitlupe ihr alltägliches Handeln zu betrachten und die Entstehung kommunikativer Probleme nachzuvollziehen (Becker-Mrotzek/Brünner 1999). Zudem sind im Training Sammlungen von Handlungsalternativen ableitbar, die auf den Ideen und Bearbeitungsmöglichkeiten basieren, welche die Beteiligten – als Insider – selbst entwickelt haben und die nicht von außen an sie herangetragen wurden. Ein weiterer Vorteil ist eine allgemeine Sensibilisierung der Teilnehmenden für grundlegende Strukturen und Dynamiken der Kommunikation. Außerdem zielen diskursanalytische Konzepte grundsätzlich auf eine zyklische Struktur von wiederholten Trainings ab (vgl. Fiehler/ Sucharowski 1992), was wirksamer sein kann als punktuelle Maßnahmen. Die deutschsprachige Angewandte Diskursforschung hat seit den 1990er Jahren zahlreiche Konzepte zur Optimierung der Agent-Klient-Kommunikation hervorgebracht, die teilweise auf bestimmte institutionelle Konstellationen zugeschnitten sind. Aus dem Bereich der psychosozialen Beratung am Telefon stammen Blieseners Arbeiten zur Ausbildung von Aidsberatern (z. B. Bliesener 1992). Im selben Sammelband diskutiert Spranz-Fogasy (1992) seine Erfahrungen mit diskursanalytischen Trainings zu ärztlicher Gesprächsführung. Zu diesem Bereich legen Menz/ Lalouschek/Gstettner (2008) ein auf Praktiker zugeschnittenes Handbuch vor. Auch für den Bereich der Behördenkommunikation existieren Materialien, die als praxisnahe Lektüre für linguistische Laien konzipiert sind, um Forschungsergebnisse der angewandten Sprachwissenschaft einem fachfremden Publikum zugänglich zu machen: Becker-Mrotzek/Ehlich/Fickermann (1989) und darauf aufbauend Porila/ten Thije (2008) speziell für interkulturelle Behördenkommunikation. Erfreulicherweise sind dort verfasste Empfehlungen inzwischen auch in die an Behördenmitarbeiter gerichteten Trainingshandreichungen zur ‚Leichten Sprache‘ (z. B. basis & woge 2013) und in die Trainingspraxis eingeflossen. Ebenfalls aus dem Handlungsfeld der behördlichen Kommunikation stammt das Datenmaterial für die Trainingskonzepte, die Liedke/Redder/Scheiter (1999) und ten Thije (2001) präsentieren. Die Vermittlung interkulturellen Handlungswissens steht auch in der Arbeit von Lambertini/ten Thije (2004) im Mittelpunkt. Ihr Trainingskonzept beruht auf dem von Becker-Mrotzek/Brünner (1999) entwickelten Verfahren der „Simulation Authentischer Fälle“, das diskursanalytische Verfahren im Training mit Rollenspielen verbindet. Eine Darstellung der Trainingspraxis im Bereich der Wirtschaftskommunikation bieten Bose u. a. (2012), die sich mit Reklamationsgesprächen zwischen Call-Center-Agenten und Kunden beschäftigen. Die Möglichkeiten diskursanalytischer Optimierungskonzepte für Agent-KlientKommunikation bleiben allerdings innerhalb der konkreten Kommunikationssituation. Die Ursachen von kommunikativen Schwierigkeiten liegen zwar u. U. jenseits des Wirkungsbereichs der Linguistik – das Herangehen vermag jedoch sehr gut die strukturellen Ineffizienzen und Zwänge der jeweiligen Institution sowie die grundlegenden Asymmetrien der institutionellen Kommunikation aufzuspüren und anzuzeigen, sodass auf dieser Basis sinnvoll Strategien zur Optimierung der Kommunikation entwickelt werden können.
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II Organisationale Rationalisierung von Sprache und Kommunikation
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6. Sprache und Hierarchie Abstract: Dieser organisationslinguistische Artikel beleuchtet den Zusammenhang zwischen Sprache und Hierarchie, genauer gesagt, die Analyse Hierarchie indizierenden Verhaltens in organisationalen Kommunikationszusammenhängen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der mündlichen Kommunikation in Organisationen. Hierarchie wird als eine Manifestation asymmetrischer Beteiligungsstrukturen in der Organisation verstanden. Diese Asymmetrien werden in dem Artikel konzeptionell, und zwar zunächst in der Abgrenzung von Hierarchie und verwandten Begriffen erfasst und dann vor dem Hintergrund der Mikro-Makro-Problematik in der Sprachwissenschaft genauer betrachtet. Anhand von Beispielen werden schließlich einige Aspekte des Hierarchie indizierenden Verhaltens im organisationalen Gespräch vor dem Hintergrund einer kommunikativen Stilistik von Führungshandeln und kommunikativen Selbstbeschränkungen analysiert.
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Einleitung Zur Begriffsklärung Das Mikro-Makro-Verhältnis von Kommunikation und sozialer Wirklichkeit Die kommunikativ-stilistische Konstitution von Hierarchie Fazit Literatur
1 Einleitung Hierarchie ist ein zentraler Bestandteil arbeitsteiligen Arbeitens und insofern ein essentielles Element von Organisationen. Mit Hierarchie ist es möglich, die Arbeitsbeziehungen zwischen den in der Organisation beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu regeln. Hierarchie beruht auf einer Konvention und ist deshalb eine sozial-dynamische Größe, und zwar, auf den ersten Blick, zunächst auch unabhängig von Fragen der Sprachregelung oder verwendung. Tatsächlich waren sprachwissenschaftliche Erkenntnisziele und Forschungen ursprünglich kaum auf Untersuchungsgrößen dieser Art ausgerichtet (obgleich Chomsky den Hierarchiebegriff tatsächlich sehr häufig verwendet, jedoch vor einem ganz anderen Hintergrund, als wir es tun). Dennoch ist in einigen Zweigen der Sprachwissenschaft von vornherein klar gewesen, dass Sprache nur zusammen mit der Frage nach den sozial-dynamischen, pragmatischen oder kommunikativ-funktionalen Bedingungen ihres Gebrauchs hinreichend analysiert und erklärt werden kann. Dies ist teils als eine dem Sprachbegriff inhärente Programmatik verstanden worden (etwa in der Genreforschung nach und seit Bachtin und Vološinov 1977), teils auch zum https://doi.org/10.1515/9783110296235-006
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Programm erhoben worden, um die Sprachwissenschaft aus dem strukturalistischen Paradigma zu lösen (vgl. Deppermann 2013, 32). Hierarchie hat in diesem sprachwissenschaftlichen Zusammenhang immer eine eher hintergründige Rolle gespielt, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zunächst ist die Hierarchie zwischen Organisationsmitgliedern eine Größe, die im Alltagsgebrauch des Begriffs mehr mit gesellschaftlicher Ordnung qua Herkunft, Bildung, vertraglicher Anstellung, Einkommen usw. als mit sprachlichen Aktivitäten zu tun hat. Hierarchie wird ferner – auch in einem wissenschaftsnahen Alltagsverständnis des Begriffs – eher mit der innerbetrieblichen Soziologie einer Organisation und nicht in erster Linie mit einer sprachwissenschaftlichen Fragestellung in Verbindung gebracht (vgl. hierzu Bourdieu 1982). Des Weiteren wird das Vorwissen über die hierarchischen Verhältnisse am Arbeitsplatz von den Beteiligten in sprachlichkommunikativen Abläufen in der Organisation häufig nur indirekt angezeigt oder es tritt gar nicht klar zum Vorschein (vgl. hierzu Schmitt 2001, 148). Das heißt, wir haben es bei der Analyse in der Regel mit kategorialen Erfassungen (types) unterhalb der Oberflächenebene des gesprochenen oder geschriebenen Diskurses zu tun. Belege (tokens) werden entlang der sequenziellen Abläufe ermittelt. Dabei streut eine ganze Reihe situativer Einflussfaktoren in die rekonstruierende Interpretation hinein, was die Gegenstandsbestimmung nicht einfacher macht. In den Sprachwissenschaften werden konversationelle Aktivitäten wie etwa eine „Handlungsanweisung“ häufig einer voranalytischen Größe, etwa der sozialen Rolle des „Vorgesetzten“ zugeordnet, oder, anders ausgedrückt, solche Aktivitäten werden häufig einem vermuteten Repertoire der für die soziale Rolle typischen Handlungen subsummiert. Bei dieser Art von Zuordnung wird unterstellt, dass die konversationelle Handlung an eine bestimmte soziale Kategorie gebunden sei (im Sinne einer Category-bound activity, vgl. Sacks 1992). Damit wird jedoch auf soziale Strukturen abgehoben, deren Relevanz in einer Organisation zwar naheliegt, die aber nicht in allen Fällen auf das Handeln gleichermaßen einwirken. Insofern besteht das Risiko vorschneller Subsumptionen. Schmitt und Heidtmann (2002) schlagen vor, auf derartige Zuordnungen eher zu verzichten und gesprächsanalytische Instrumente neu zu konzipieren. Für die Untersuchung der interaktiven Konstitution von Hierarchie entwickeln sie beispielsweise das Konzept der „kommunikativen Selbstbeschränkung“ von Mitarbeitern, als eine aktive und produktive Strategie mit einer differenzierten Funktionalität und variablem gesprächsrhetorischen Potenzial […]. (Schmitt/Heidtmann 2002, 201)
Es handelt sich bei der „Selbstbeschränkung“ also nicht um eine bloße Passivität oder das faktische Nichthandeln von hierarchieniedrigen Besprechungsteilnehmerinnen und -teilnehmern, sondern um strategische, gesprächsrhetorische und kontextsensitive Beteiligungsweisen, die auf stabile Handlungsorientierungen hinweisen. Die Beteiligten bewahren sich gleichsam ihre Handlungsmöglichkeiten vor dem Hintergrund der bestehenden Rahmenbedingungen für die Kommunikation.
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Dass es eine makrostrukturell verankerte Hierarchie gibt, wird bei dieser Konzeption also als gegeben angesehen, denn es sei, so die Autoren, nicht erstaunlich, dass sich Hierarchie in asymmetrisch verteilten Handlungsmöglichkeiten ausdrückt. Wichtig ist vielmehr die Frage nach den spezifischen Formen interaktiver Beteiligung, mit denen die Gruppen die aus der objektiv gegebenen Hierarchie resultierende asymmetrische Grundlage ihrer Kooperation ausgestalten. (Schmitt/Heidtmann 2002, 203)
Selbst wenn die Hierarchie objektiv gegeben zu sein scheint, ist man sich heute weitgehend einig, dass es keine Eins-zu-eins-Relation von sprachlichen Aktivitäten zu einer Position in einem Organigramm gibt. Auch resultieren konversationelle Handlungen nicht zwingend aus bestimmten hierarchischen Teilnehmerkonstellationen. Es ist unbedingt zwischen der konventionalisierten asymmetrischen Konfiguration von Beteiligungsrollen und der interaktiven Ausgestaltung zu unterscheiden; subsumtionslogische und ad hoc-Zuordnungen einzelner kommunikativer Aktivitäten zu einer hierarchischen Position sind – bis auf Ausnahmen – problematisch. Allerdings können interpretative Schlüsse, die zu solchen Zuordnungen führen, eine plausible Erklärungshilfe sein, und zwar insbesondere, wenn das Faktische gleichsam auf der Hand liegt, wenn etwa dem Mitarbeiter im Büro der Vorgesetzten von dieser ein Stuhl angeboten wird (umgekehrt wäre dies zwar möglich, aber unwahrscheinlich) oder wenn der Vorgesetzte in der Besprechung ein Thema ohne weitere Umschweife beendet und sich jede Widerrede verbittet (auch dies wäre umgekehrt unwahrscheinlich oder nur mit einigem Risiko für die Statusniedrigeren denkbar). Unabhängig von der Variabilität dieser interpretativen Größen können sprachwissenschaftliche Untersuchungen selbstverständlich die Hierarchie als vergleichsweise feste organisationale Struktur voraussetzen. Letztlich bedingen die spezifischen Erkenntnisziele einer Untersuchung auch deren Rahmenbedingungen und Ausgangspunkte. Die kritische Diskursanalyse und die ethnographische Gesprächsanalyse haben in jüngerer Zeit Vorschläge gemacht, wie mit dem sozialen Status von Teilnehmern an Arbeitsplatzgesprächen in der Analyse verfahren werden kann (Deppermann u. a. 2010; Kwon u. a. 2009; Schmitt 2007). Insgesamt bleibt der Bezug der sprachwissenschaftlichen Analyse zu den gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien aber eine Herausforderung, und zwar im Hinblick sowohl auf die epistemologische Relevanz dieses Bezugs für die sprachwissenschaftliche Analyse als auch auf die forschungsstrategische Ausrichtung dieser Analyse. Die Sprachwissenschaft kommt im Zusammenhang mit Themen wie Hierarchie und Macht kaum ohne die Klärung eines Bezugs zur sozialwissenschaftlichen Theorie aus, und obgleich in dem Forschungs- und Wissensgebiet von Sprache und Organisation dazu gearbeitet worden ist, beschäftigen wir uns mit einem bereits seit längerem bekannten und bislang letztlich ungelösten Mikro-Makro-Problem (nicht nur) in der Gesprächsforschung (siehe z. B. Habscheid 2000). In der Regel werden in dem hier behandelten Themengebiet das alltagsweltliche Wissen und (wis-
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sens)soziologische Aspekte bei der Analyse ständig eingebracht; wir müssen uns jedoch fragen, wie die Sprachwissenschaft mit dem Vorwissen des Analytikers und mit dem der Beteiligten umgehen kann, wie es zu beurteilen und wie es bei der Analyse methodisch konkret zu kontrollieren ist (vgl. hierzu Deppermann 2013).
2 Zur Begriffsklärung Hierarchie ist ein Begriff, der die ungleiche Verteilung von Einflussmöglichkeiten in einer gesellschaftlichen Gruppe denominiert. Er ist in diesem Sinn verwandt mit den Begriffen Asymmetrie, Macht, Dominanz, Kontrolle u. a. (siehe hierzu Brock/ Meer 2004; Schmitt/Heidtmann 2002; Poro 1999; Müller 1997a; Thimm 1990; Hodge/ Kress 1988). Einflussmöglichkeiten, Rechte und Pflichten sind in der Organisation typischerweise ungleichmäßig unter ihren Mitgliedern verteilt. Die Institutionalisierung dieser ungleichen Verteilung bringt mehr oder minder starke Regulierungen des Verhaltens einzelner Mitglieder mit sich (besonders augenscheinlich ist dies etwa beim Militär, im Strafvollzug, in der Kirche; vgl. Halbe 2011). Das Verhalten wird dadurch sanktionierbar, und je stärker in der Organisation der Trend zur Regulierung geht, desto stärker sind natürlich auch kommunikative Arbeitsabläufe und die Freiräume zur Gestaltung von kommunikativen Aktivitäten von der Sanktionierbarkeit betroffen bzw. durch sie eingeschränkt. Asymmetrie ist ein für Gesprächsanalysen vergleichsweise gebräuchlicher Begriff, vor allem (aber nicht nur) für die Analyse von Gesprächen in der Institution (Schule, Gericht, Familie, Unternehmen usw.). Sind in einem organisationalen Gespräch asymmetrische Beteiligungsspektren von Interaktionsteilnehmern lokal belegbar, so kann mit einer stereotypisierenden Interpretation angenommen werden, dass es zwischen ihnen ein sozio-strukturelles Machtverhältnis gibt, welches sich auf einer globaleren Ebene als handlungsrelevante Orientierung beschreiben lässt (vgl. Schmitt 2001). Asymmetrische Formen von Beteiligung können insofern konstitutiv für eine hierarchische Ordnung sein. Für die Analyse dieser Beteiligungsformen schlagen Schmitt und Heidtmann (2002) ein zweischrittiges Verfahren vor, zunächst die Analyse reziproker Konstitutionsleistungen der Beteiligten, danach die Bewertung der gemeinsam hergestellten Interaktionsordnung im Hinblick auf die Frage, inwieweit diese asymmetrisch und womöglich hierarchieindikativ sei. Brock und Meer (2004) schlagen weiterführend vor, grundsätzlich die lokale Asymmetrie von der globalen oder makro-strukturellen Asymmetrie zu unterscheiden. Darüber hinaus seien vertikale und horizontale Asymmetrien zu berücksichtigen, womit beispielsweise das Nebeneinander unterschiedlicher Fachabteilungen und die Überkreuzungen von disziplinarischer und fachlicher Hierarchie in der Organisation gemeint sind. Weitere informelle Hierarchien können durch die Mitgliedschaft in Subgruppen (etwa im Personal- oder Betriebsrat), das Dienstalter, private
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Bekanntheit, die Herkunft usw. relevant werden. Bei der Analyse ist also zunächst eine Klärung der diesbezüglichen Ziele und Interessen notwendig. Der Begriff der Macht ist aufgrund seiner makrostrukturellen Abstraktheit für Text- und Gesprächsanalysen schwierig zu operationalisieren. Sicherlich kann man sagen, dass Vorgesetzte oder Experten über eine gewisse Macht verfügen, etwa über eine „Definitionsmacht“ in Bezug auf ein zu behandelndes Problem (Fiehler 1983). Was diese Macht auf der lokalen Ebene jedoch auslöst oder wie sie sich äußert, kann nicht prognostiziert, sondern nur rekonstruiert werden (vgl. Angouri/ Bargiela-Chiappini 2011). Dominanz beanspruchende und gewährende Handlungszüge lassen sich in interaktiven Gesprächszusammenhängen einfacher belegen. Dominanz wird dann häufig als eine diskursive Manifestation von Macht verstanden (vgl. Thimm 1990). Als Dominanz beanspruchend versteht Linell (1990) z. B. das Starten thematischer Initiativen, Manipulationen (directing moves, z. B. Fragen), Blockaden (inhibiting moves, z. B. Themenabbrüche) oder auch Kontrollaktivitäten (control moves), mit denen Beiträge des Partners semantisch oder hinsichtlich ihrer Relevanz eingestuft werden. Damit ist jedoch noch nicht vorbestimmt, welche Interaktionsordnung von den Beteiligten konstituiert wird und ob eine Dominanz im Sinne einer asymmetrischen Ordnung indiziert worden ist. In der Konzeptionierung des Begriffs Dominanz spielen situative Parameter, interpretationsleitende Rahmensetzungen, sowie auch spezifische organisationale Kommunikationsbedingungen bislang kaum eine Rolle. Der Einfluss dieser Faktoren auf das konversationelle Geschehen kann jedoch beachtlich sein. Modellierende Synthesen, die die Dominanz in Zusammenhang allein mit konversationellen Aktivitäten abzubilden versuchen, bleiben in der Regel reduktionistisch oder wirken stereotyp. Der Begriff der Hierarchie spielt in der Wirtschaftswissenschaft, der Betriebswirtschaftslehre, der Organisationssoziologie u. a. eine tragende Rolle bei der Definition von kooperativen Arbeitsverhältnissen und der Verteilung von Befugnissen unterschiedlicher Reichweite (und zwar insbesondere in der deutschen Betriebswirtschaftslehre im Anschluss an Max Webers Konzeption des Bürokratismus, vgl. hierzu Habscheid u. a. 2015). Mit dieser Funktion wurde der Begriff in der Sprachwissenschaft bislang jedoch noch nicht in einen methodologischen Zusammenhang gebracht. Auch der in demselben ökonomischen Fachbereich eng mit Hierarchie verbundene Begriff von Führung ist in der Sprachwissenschaft bislang praktisch unbekannt, obgleich er bei der Untersuchung empirischer Belege konkreter Führungskommunikation immerhin besser operationalisierbar zu sein scheint (vgl. hierzu Spranz-Fogasy 2002). Von Interesse für die Frage, wie die Konstitution sozialer Ordnungen in einem institutionellen Arbeitsumfeld interaktionsanalytisch gefasst werden kann, sind eventuell performanztheoretische Ansätze in der Ökonomik (vgl. hierzu Svetlova 2008, 118 ff.). Die systematische Erarbeitung konzeptioneller Bindeglieder, die eine Brücke zwischen diesen Zweigen der Ökonomik und der sprachwissenschaftlichen Text- und Gesprächsanalyse darstellen können, steht jedoch noch aus.
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Neben den bereits genannten performanztheoretischen Ansätzen gibt es in den organisationstheoretisch arbeitenden Wissenschaftszweigen beispielsweise eine breite Auseinandersetzung mit den Funktionen von Management und Führung in hierarchischen Konstellationen. Bereits Henry Mintzbergs (z. B. 1973) ausdifferenziertes Rollenmodell für den Manager betont die dialogische Qualität der Führungsrolle, die nur im Rahmen einer kollektiven Legitimation tatsächlich zustande kommt (der Manager als primus inter pares). In Weicks (1995) Analyse des Prozesses von Sinnstiftung im organisationalen Handeln wird der einseitig auf den Führenden gerichtete Blick bereits vollständig überwunden. Kollektive Strukturen (Organisationen und dabei auch Hierarchien) entstehen durch „doppelte Interakte“ (Weick 1995, 130), also aufeinander bezogene Verhaltensweisen von mindestens zwei Beteiligten, als ein gemeinsames Resultat Sinn stiftender Handlungen. Leider fehlen in diesen organisationstheoretischen Konzeptionen, die immerhin unmittelbar auf verbal-kommunikative Prozesse Bezug nehmen, die Nachweise einer empirischen, am authentischen Fall nachvollziehbaren Evidenz. Auch die neuere systemische Organisationstheorie liefert in diesem Sinne wenig Belege. Unterschieden wird zwischen Organisationen und ihren Mitgliedern, zwischen dem Handeln von oder in Organisationen und dem organisierten Verhalten von Menschen. Durch letzteres werden Asymmetrien konstituiert, die Beispiele hierzu sind jedoch in der Regel konstruiert (vgl. hierzu Simon 2009, 11–14).
3 Das Mikro-Makro-Verhältnis von Kommunikation und sozialer Wirklichkeit Aus der Sicht der systemischen Organisationstheorie ist/hat Hierarchie eine wichtige strukturrelevante und komplexitätsreduzierende Funktion. Hierarchie ersetzt Kommunikation oder vereinfacht sie zumindest erheblich. Wo schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, beispielsweise im Operationssaal oder im Flugzeugcockpit, sind bestimmte Gesprächsmuster oder Handlungssequenzen, etwa eine langwierige Diskussion, für das effektive Arbeiten hinderlich und werden entlang der hierarchischen Linie ‚von oben nach unten‘ durch Anweisungen ersetzt. Die Kommunikation von Entscheidungen dient hier der „Unsicherheitsabsorption“ (Simon 2009, 66). Durch Hierarchie wird die organisationale Kommunikation ökonomisiert, rationalisiert und kann durch mechanische Routinen auch automatisiert werden. Dabei ist Hierarchie eine rein kommunikativ hergestellte Funktion von Organisationen; sie existiert nur im Rahmen der Kommunikation zwischen der Organisation und ihren relevanten Umwelten, zu welchen die systemische Organisationstheorie auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Organisation zählt. Hierarchie ist insofern selbst ein soziales System, welches auf kommunikativer Einschränkung beruht, und natürlich wird es kritisch gesehen, dass durch Ein-
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schränkung und Rationalisierung die kommunikative Freiheit und die organisationale Innovationskraft leiden (vgl. Menz 2008; Wasson 2003; Putnam u. a. 1996). Simon (2009, 121 f.) spricht in diesem Zusammenhang gar von einer fundamentalen Paradoxie, auf der Organisationen beruhten, da Organisationen, deren Überleben von ihrer Fähigkeit zur Innovation abhängt, im Prinzip ihre eigenen Innovationspotenziale zugleich blockieren (vgl. hierzu auch Vacek 2008). Wir brauchen dies hier nicht zu vertiefen. Für uns ist es wichtig, dass die Teilnehmer an der organisationalen Kommunikation aus diesem Blickwinkel nicht intentional Handelnde im engeren Sinn sind, sondern gleichsam nur eine Funktion ausübende Akteure, deren Gestaltungsräume sich eher stil- als handlungstheoretisch beschreiben lassen. Habscheid (2000) argumentiert in diesem Zusammenhang, dass die systemtheoretische Gegenstandskonstitution mit der Gesprächsanalyse wenig kompatibel sei, denn diese rekonstruiere ja u. a. die interaktive Konstitution von Interaktionsordnungen mit Hilfe einer handlungstheoretischen Perspektive. Als Alternative schlägt er vor, einen Handlungsbegriff anzuwenden, der „nicht ontologisch verstanden [werden soll], sondern als Interpretationskonstrukt“ (Habscheid 2000, 136) alle Merkmale einer (inter-)subjektiven Intentionalität ablegt. Hierdurch wird das Spannungsfeld zwischen den individuellen Perspektiven der Gesprächsbeteiligten und den interpretativen Konstruktionen einer interaktiv konstituierten Bedeutung zum Gegenstand der Betrachtung. Das ist für unsere Darstellung hilfreich, denn die interaktiven Prozesse sind konstitutiv für die Hierarchie in der Organisation. Hierarchie ist eine Konstruktion, sie wird durch das interaktive Handeln jedoch nicht willentlich i. e. S., sondern routinehaft und gleichsam als eine normale oder lebensweltliche Funktion der Organisation (re)produziert. Deppermann (2013) folgend, können wir sagen, dass solche funktionalen Elemente der Organisation, etwa Hierarchien und Positionen, in Form „mentaler Implikate“ (Deppermann 2013, 44) von den Interaktionsteilnehmern wahrgenommen und hinsichtlich ihrer Bedeutung während des Interaktionsgeschehens kontinuierlich eingeordnet werden. In einer Tour d’horizon zum Stellenwert des Teilnehmerwissens und des Analytikerwissens bei der ethnographischen Gesprächsanalyse zeigt er, dass mentale Implikate, etwa im Fall von Selbstironie und Fiktionalisierung, ein elementarer und nicht zu vernachlässigender Teil von Äußerungen sind. Denn sonst wären die sozio-pragmatischen Qualitäten solcher Handlungen und Sequenzen schon für den Interaktionspartner kaum verständlich. Dieser muss in der Lage sein, ein nicht formuliertes Zusatzwissen einzubringen. Mentale Implikate sind insofern konstitutiv für das Gelingen von Gesprächssequenzen, die nicht nur aus reinen Propositionen bestehen, sondern z. B. ironisch oder sarkastisch zu verstehende Äußerungsteile enthalten. Wir können davon ausgehen, dass eine solche Semiosis, die auf handlungsrelevantem sozialem Wissen beruht, auch auf makrostrukturelle Eigenschaften des konversationellen Ereignisses bezogen werden kann. In der Gesprächs- und in der Diskursanalyse ist immer wieder auf eine Ebene sozial-kognitiver Natur hingewiesen worden, die zwischen der Gesprächs/Textebene und der Ebene sozialer Wirklichkeit liegt: Van Dijk (2008) sieht auf dieser Ebene
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der sozialen Kognitionen beispielsweise Wissensbestände liegen, die von den Interaktionsteilnehmern für das laufende Geschehen relevant gesetzt werden (können). In seiner Darstellung birgt die Ebene der sozialen Kognitionen ein gruppenspezifisches System mentaler Repräsentationen mit musterhaften Zügen. Zu den mentalen Repräsentationen zählen Einstellungen und Verhaltensstandards, soziokulturelle Bewertungen (etwa hinsichtlich Ehrlichkeit, Solidarität), ideologische und moralische Standards (etwa zu Multikulturalität, Rassismus, gesellschaftlichen Normen) u. a. Die Muster dienen der Komplexitätsreduktion, sie stereotypisieren das Handeln und die interpretativen Bezüge und sie sind reziprok, d. h. sie werden von den Gesprächsbeteiligten gegenseitig als erwartbar und als Grundlage des gemeinsamen Handelns unterstellt (van Dijk 2008, vgl. auch Cicourel 1975). Das Handeln der Interaktionsteilnehmer ist sozial und lokal situiert. Die von ihnen verwendeten Referenzrahmen zur Einordnung des Gesagten in einen sinnvollen Zusammenhang enthalten Standards der besagten musterhaften Art. Mentale Prozesse, Semiosen, Bedeutungs- und Sinnzuschreibungen werden in einen bereits vorhandenen, allen Beteiligten gemeinsam zur Verfügung stehenden Wissensvorrat eingeordnet. Entscheidend ist die Reziprozität der angenommenen, typisierten Wissensbestände, die den Beteiligten die Möglichkeit gibt, auf bekannte konversationelle Verfahren und Verhaltensmuster zurückzugreifen. Aus der wiederholten, reziprok unterstellten und angewandten Typisierung folgt eine Institutionalisierung der Verfahren (Habscheid 2000; Berger/Luckmann 1991). (Mit Blick auf die erwähnte, noch mangelnde Kongruenz zwischen sprach- und wirtschaftswissenschaftlicher Theoriebildung kann an dieser Stelle ergänzend auf die neue Institutionenökonomik hingewiesen werden. Dort werden mentale Konstruktionen durchaus als institutionalisierte Formen des unternehmerischen Handelns verstanden.) Auf diesen Grundlagen lässt sich eine Hierarchie als ein reziprok vorhandener Wissensbestand begreifen, der sozio-kulturell geformt und funktional für das Weiterexistieren der Organisation ist. Hierarchie ist eine Art gesellschaftliche Hilfekonstruktion, da sie dem Ziel des Organisierens ein notwendiges, rationalisierendes und stereotypisierendes Mittel zum Zweck ist. Sie ist auch ein verfestigtes Muster in der Wahrnehmung der Gesprächsbeteiligten in der organisationalen Kommunikation, das bestimmte Einstellungen, Bewertungen und Verfahren zur Lösung oder Abarbeitung kommunikativer Aufgaben aufrufen kann. Hierarchie ist vor diesem Hintergrund ein „metaphorischer Raum“ des konversationellen Geschehens in der Organisation, in dem sich die Beteiligten kontinuierlich bewegen, oder sie ist zumindest ein Teil dieses „Raums“ (vgl. Victoria 2009, 137). Jeweils abhängig von der Frage des Untersuchungsgegenstandes einer sprachwissenschaftlichen Analyse kann Hierarchie entweder als makro-soziale Ursache für ein spezifisches sprachliches Verhalten oder als Wirkung desselben definiert werden. In beiden Fällen muss jedoch offen bleiben, a) welche sprachlichen Verhaltensmuster als feste Größen anzusetzen sind (ist etwa die Frage nach den Gehaltsvorstellungen eines Jobsuchenden gebunden an die Rolle eines Angestellten der Personalabteilung
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oder nicht) und bei welchen Gesprächsbeiträgen ein mehr oder weniger großer Gestaltungsspielraum ausgeschöpft werden kann, b) welche Ebenen der Gesprächskonstitution (Kallmeyer/Schütze 1976) von der Hierarchie beeinflusst sind, bzw. auf welcher dieser Ebenen sich Indizien (Kontextualisierungshinweise) für hierarchische Strukturrelationen finden, c) ob diese Indizien auf sozio-pragmatische (Präsuppositionen, Implikationen), (tiefen)semantische oder ereignisstrukturelle (Setting, Gesprächshistorie) Elemente hindeuten. Fairhurst und Putnam (2004) stellen schließlich in Frage, dass die Lösung des Mikro-/Makro-Problems überhaupt von entscheidender Bedeutung für das erkenntnistheoretische Ziel einer Diskursanalyse von organisationaler Kommunikation sei. Drei mögliche Verbindungen zwischen Diskursen (hier verstanden als Text- und Gesprächsebene) und Organisationen seien unterscheidbar, wobei keine Entscheidung für oder gegen eine bestimmte theoretische Position zu fällen sei: 1) Der Organisation wird ein Objektstatus zugebilligt, d. h. sie ist als eine der Gesprächs- und Diskursanalyse vorgelagerte Kategorie zu berücksichtigen. Schon die Untersuchung von Kommunikation in Organisationen unterstellt im Prinzip, dass es ein Innen gibt, und setzt ein Container-Modell der Organisation voraus. 2) Häufig werden in der Formulierung des Zusammenhangs von Sprache und Organisation Ausdrücke des Werdens verwendet (z. B. „organizations are talked into being“, BargielaChiappini/Harris 1997, 4). Damit wird im Prinzip unterstellt, dass Organisationen erst während und im Anschluss an die Interaktion in irgendeiner Form existieren. 3) Als letzten Forschungsstrang diskutieren Fairhurst und Putnam (2004, 6) die Möglichkeit, Organisationen grundsätzlich als „grounded in action“ zu betrachten. Organisationen sind jenseits einer Kommunikation nicht denkbar und umgekehrt. Diese Betrachtungsweise greift auf Ansätze aus der Grounded Theory und aus dem Kritischen Realismus zurück und überwindet naive Vorstellungen von einer Organisation als Objekt, das gleichsam inhärente Eigenschaften oder Wesenszüge besitzt, die außerhalb von Kommunikationen existieren. Als letzte Referenz sei an dieser Stelle noch sehr verkürzt auf Quellen aus der französischen (Sprach)Soziologie und Philosophie verwiesen, die für das Verständnis von Hierarchie- und Machtbeziehungen nützlich sein können. Pierre Bourdieu (1987) verweist in seinen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen zum Geschmack und Habitus darauf, dass der Status einer Person wesentlich mit ihrem Verhalten in ihrer sozialen Gruppe, mit den von ihr getroffenen Entscheidungen (in der Abgrenzung von anderen) verknüpft sei (vgl. auch Arendt 1970). In ähnlicher Weise gilt dies für Michel Foucault (1977), in dessen Arbeiten die disziplinargesellschaftlichen Normativen, gleichsam die kollektiv konventionalisierte Anleitung zum korrekten Verhalten vor dem Hintergrund einer vollständig hierarchisierten sozialen Ordnung, als ein Kern der Gesellschaftstheorie verstanden wurde. Anstelle dieser normativen Perspektive entwickelt Foucault später eine auf das Handeln gerichtete Definition von Macht als ein „Ensemble von Handlungen, die sich auf mögliches Handeln richten“ (Foucault 2005, 256). Unterschiedlich bleiben die beiden Soziologen sicherlich in der Radikalität, mit der sie gesellschaftliche Grenzziehungen für die
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Theorie relevant setzen. Während Bourdieu eher auf der Basis einer grundlegenden Sozialisationshypothese argumentiert, ist für Foucault der Machtbegriff eng mit einem makrosozialen, auf die Kommunikation der gesellschaftlichen Elite bezogenen Diskursbegriff verbunden. Jacques Derrida (1999) schließlich weist darauf hin, dass grundsätzlich die Beziehung zwischen zwei miteinander Kommunizierenden der Gegenstand der Untersuchung ihres Verhaltens sein müsse. Denn das Verhalten sei nicht von der Kommunikation und insofern von der scheinbaren Anwesenheit eines Dritten, der Beziehung, zu trennen. Insgesamt, so zeigen gerade auch die zuletzt genannten Quellen, werden soziale Rollen, die im Wortschatz typischerweise in antonymen Begriffspaaren repräsentiert sind (wie „Vorgesetzter“ und „Untergebener“), vorschnell als subjektbezogene, ontogenetische Einheit verstanden. Es handelt sich jedoch nicht um soziale Identitäten, die außerhalb kommunikativer Zusammenhänge stabile Ordnungen bilden würden. Denn auch die formale Bürokratie schafft gewissermaßen nur das Konstrukt einer Ordnung; formal-bürokratische Texte in der Organisation, also beispielsweise Organigramme, sind nicht die Ordnung selbst, sondern nur Orientierungshilfen. Die von uns unter Stichworten wie Asymmetrie oder Macht behandelten kommunikativen Phänomene sind insofern als sozial-kommunikative Grenzziehungen zu betrachten, mit denen komplexe Ordnungen geschaffen bzw. soziale Systeme voneinander getrennt werden (vgl. Simon 2009; Luhmann 2002; Butler 1997).
4 Die kommunikativ-stilistische Konstitution von Hierarchie 4.1 Kommunikative und funktionale Stilistik Im Folgenden zeigt der vorliegende Artikel Belege für die Konstitution von Hierarchie in organisationalen Kontexten. Das Hauptaugenmerk liegt auf Hierarchie indizierendem Verhalten in der mündlichen Kommunikation. Es bleibt offen, ob solche Phänomene nicht ebenso in anderen Institutionen (Schule, Familie, Gericht usw.) beobachtet werden können. Grundsätzlich ist dies nicht ausgeschlossen. In der aktuellen Forschung zur institutionellen Kommunikation dominieren jedoch Untersuchungen, in denen die Kommunikation der Vertreter der Organisation mit den externen Klienten im Vordergrund der Betrachtung steht (also etwa die Arzt-Patienten-Kommunikation im Bereich von Krankenversorgung und Pflege, die schulische Kommunikation im Klassenzimmer, das Gespräch der Streitparteien vor dem gerichtlich bestellten Schlichter, das Prüfungsgespräch an der Universität). Es handelt sich also nicht um die interne organisationale Kommunikation im engeren Sinn, also etwa das Gespräch zwischen Krankenschwestern vor dem Schichtwechsel, das Gespräch zwischen Lehrern während der Gesamtnotenkonferenz, das Gespräch zwischen Gerichtsdienern, die Fakultätsratssitzung usw. Dies-
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bezüglich ist sicher noch eine Ausweitung der empirischen Forschung notwendig. Auch die Erforschung der Schriftlichkeit im organisationalen Kontext ist von der Linguistik erst relativ spät als Gegenstandsbereich erkannt und bis heute erst im Ansatz erschlossen worden (zum Überblick vgl. Jakobs in diesem Band). Im Titel dieses Abschnitts spreche ich von einer kommunikativen Stilistik bei der Konstitution von Hierarchie. Der Stilbegriff wird hier allgemein verstanden; es ist nicht die Führungsstilistik bestimmter Personen gemeint. Die Bestimmung eines solchen, persönlichen oder für eine bestimmte Art und Weise des Umgangs typischen Stils ist sicherlich ein denkbares Resultat einer Untersuchung mit entsprechendem Erkenntnisinteresse. Spranz-Fogasy (2002) verwendet in seiner Untersuchung zum Kontrollhandeln gesellschaftlicher Führungskräfte etwa den Stilbegriff in der Annahme, dass sich Stil im Gesamt der sprachlichen und nichtsprachlichen sowie der interaktiven Ausdrucksmittel realisiert, also bezogen auf die sprachlichen Ausdrucksmittel auf phonologischer, lexikalischer und grammatischer Ebene, bezogen auf nichtsprachliche Ausdrucksmittel in der Gestik, Mimik, Kinesik und Proxemik und bezogen auf interaktive Ausdrucksmittel im turntaking, den Regeln des Sprechens, der Organisation thematischer und handlungsbezogener Relevanzen sowie den Verfahren der sozialen Kategorisierung etc. Stil bezeichnet dann die ganzheitliche, rekurrente und systematische Kombination unterschiedlicher Ausdrucksformen auf den verschiedenen Ebenen. (Spranz-Fogasy 2002, 141 f., kursiv im Original)
Wir gehen davon aus, dass diese Vielfalt bei der Untersuchung Hierarchie indizierender Merkmale unabhängig vom hierarchischen Rang eines Mitarbeiters gilt. Im Folgenden wird es deshalb zunächst darum gehen, solche Merkmale beispielhaft zu zeigen und sie unter dem Begriff des kommunikativen Stils zu subsummieren. Es soll nicht unterstellt werden, dass nur diese oder genau diese Elemente Hierarchie indizieren. Die Diskussion in den einleitenden Abschnitten dieses Artikels hatte ja gerade klären sollen, dass es sich bei der Identifikation von Hierarchie indizierenden Elementen keinesfalls um eine Klassifizierung oder Taxonomie sprachlicher Elemente handeln kann, sondern allenfalls um eine Menge semantisch-pragmatischer Potenziale von sequenziell und kontextuell eingebundenen Aktivitäten, die jeweils in diese Richtung wirken. Poro (1999, 57) hat beispielsweise zu Recht darauf hingewiesen, dass sogar ein Schweigen, an der entsprechenden Stelle positioniert, eine Form von Kontrollhandeln sein kann. Typischerweise zeigen sich Hierarchie indizierende Elemente als Stilmerkmale, die kontrastierend wirken, sei es als Bruch mit einer Erwartung eines Beteiligten, die sich in dessen Reaktion manifestiert, oder im Verhältnis mit einer im Kontext der Äußerung bzw. der konversationellen Aktivität stehenden anderen Äußerung oder Aktivität. Aufgrund solcher soziolinguistischen Variationen plädieren wir selbst in Untersuchungen zur Sprachvariation in innerbetrieblichen Besprechungen dafür, einen Begriff des funktionalen Stils (oder auch Kodes) zu konzeptionieren und für organisationale Kommunikationszusammenhänge nutzbar zu machen (Müller 2006; Müller/Thörle 2005 u. a.). Wir zeigen, dass es in innerbetrieblichen Besprechungen rangabhängige Variationen im Ausdrucksverhalten von Spreche-
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rinnen und Sprechern gibt. Den „Rang“ verstehen wir dabei als eine wichtige Orientierungsgröße für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als einen zentralen Bezugspunkt ihres Handelns in sozialen Interaktionen in der Organisation. Diesem Bezugspunkt ist ein funktionaler Stil zugeordnet, in dem Sinne, dass die Beteiligten durch ihre Aktivitäten offensichtlich auf mentale Implikate (s. o.) zurückgreifen, die im kollektiven Wissen verankert sind und mit dem Rang ihrer Ansprechpartner in Zusammenhang stehen. Zu den stilistischen Merkmalen zählen insbesondere lokal kontrastierende phonetische Variationen und lexikalische Selektionen, stereotype Intonationskonturen und stereotype Äußerungsformate, mit denen routinehafte Aktivitätstypen initiiert werden, sowie auch mehrere Äußerungen übergreifende Elemente, die aufgrund ihrer besonderen, stilistisch exponierten Form auffallen. Ein Teil dieser Belege fließt in das Folgende ein.
4.2 Gesprächsorganisation Eine der frühesten Beobachtungen, die in Zusammenhang mit organisationaler Kommunikation gemacht wurden, ergab, dass mit bestimmten Positionen in der organisationalen Hierarchie bestimmte Rechte an der Gesprächsführung verknüpft sind. Diese Rechte betreffen insbesondere die Ebene der Gesprächsorganisation: Hierarchiehöhere haben eher als Hierarchieniedrigere das Recht, Themen zu initiieren und zu beenden, die Verteilung des Rederechts zu organisieren und die Beiträge anderer hinsichtlich ihres handlungsrelevanten Gewichts zu bewerten. Die frühe Konversationsanalyse, ausgehend von einer ethnomethodologischen Betrachtungsweise, bezeichnete Aktivitäten, die auf solche Rechte zurückzuführen sind, als Category-bound activities (Sacks 1992, vgl. die Beiträge in Drew/Heritage 1992). Hierzu ein Beispiel: Deppermann u. a. (2010) diskutieren in einer Arbeit zum Zusammenspiel zwischen organisational vorgegebenen thematischen Strukturen einer Besprechung (Tagesordnung) und den nicht vorgegebenen, sondern emergenten Strukturen, wie dieses Recht ausgestaltet wird und wie entsprechende, die Themen regulierende Aktivitäten in den laufenden Gesprächsfluss eingebettet werden. Ein Beispiel zeigt, wie die Vorgesetzte Silke (SI) mit einem metakommunikativen Kommentar in das Gespräch eingreift (vgl. Deppermann u. a. 2010, 1710; das Transkript ist hier vereinfacht wiedergegeben): Transkript 01 1 WO: ah ja 2 AN?: ((RÄUSPERN)) 3 (2.1) 4 SI: okay? 5 GI: ich mach des den teil über (0.5) standards (0.8) 6 quasi im rund rundumschlag-
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Silke (SI), so zeigen die Autoren, ruft mit ihrer Äußerung „wir machen hiernach ne pause. okay?“ (Z. 4), die anderen Sitzungsteilnehmer zur Ordnung, weil sich eine in der Besprechung anstehende Präsentation von Gisela (GI) zu verzögern droht. Andere Besprechungsteilnehmer waren mit Getränken beschäftigt und sind noch nicht an den Besprechungstisch zurückgekehrt. Silkes Äußerung ist nach einer Pause platziert und mit einem lauteren Ansatz gesprochen. Der Äußerung sind nonverbale Aktivitäten vorausgegangen, die deutlich werden ließen, dass sich Silke zu dem parallel stattfindenden Geschehen am Tisch und am Fenster einen Überblick verschafft hat (siehe Deppermann u. a. 2010, 1708 ff.). Die Äußerung ist also sprechstilistisch besonders exponiert. Wir können ihr drei für das Gespräch relevante Bedeutungen zuordnen. Einerseits handelt es sich um einen metakommunikativen Kommentar zu dem stattfindenden Gespräch, insofern die Äußerung das Gespräch gliedert. Silke organisiert gleichsam eine Wiederaufnahme der Agenda, wobei sie sofort von Gisela unterstützt wird. Zum zweiten handelt es sich um einen Ordnungsruf, denn Silke gibt zu erkennen, dass sie die Bewegungen und Gesprächsaktivitäten der anderen als Pausenverhalten interpretiert. Der Äußerungsteil „wir machen hiernach ne pause“ (Z. 4) präsupponiert die Möglichkeit einer Pause, referiert indirekt auf das Verhalten der anderen und misst ihm Pausencharakter zu (etwa „Besprechungen können Pausen haben“ bzw. „Ihr verhaltet Euch so, als wäre jetzt Pause“). Drittens schließlich interpretiert Silke das Verhalten der anderen Besprechungsteilnehmerinnen nicht nur, sondern sie bewertet es außerdem als unpassend. Mit ihrer Aktivität erhebt sie den Anspruch auf das Recht oder die Macht, über die Verteilung von Arbeits- und Pausenzeiten am Arbeitsplatz der Besprechungsteilnehmerinnen entscheiden zu können. Insgesamt reklamiert Silke eine Kompetenz zur Steuerung des Gesprächs und des Verhaltens der Besprechungsteilnehmerinnen, die offensichtlich über eine reine Verteilung von Rederechtsgelegenheiten hinausgeht. Letzteres ist der Beteiligungsrolle des Gesprächsleiters zugemessen, der häufig in Personalunion mit dem Vorgesetzten auftritt (vgl. Müller 1997a), wobei Letzteres nicht zwingend ist. Eine Gewichtung oder Bewertung des Verhaltens der anderen ist ebenfalls kein reines Vorrecht von vorgesetzten Besprechungsteilnehmerinnen und teilnehmern. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Handeln aber von anderen akzeptiert und als relevante Bedingung für das eigene Handeln angenommen wird, ist höher. Dies hat im engeren Sinne mit den Ordnungsprinzipien in der vorliegenden sozialen Gemeinschaft (den „Ethnomethoden“) zu tun. Die Kenntnis der Handlungsspielräume oder der einen Handlungswert rechtfertigenden Hintergründe und Präsuppositionen ist Teil der mentalen Ressourcen im weiter oben genannten Sinne.
4.3 Ereignisstruktur Hierarchie indizierende Aktivitäten stehen häufig im Zusammenhang mit der Ereignisstruktur. So zählen beispielsweise Begrüßungen und Verabschiedungen zu den
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interaktiv vollzogenen Handlungen, bei denen es eher leicht zu belegen ist, dass vorgesetzte Gesprächsteilnehmer eine privilegierte Rolle spielen. Sie setzen dort Rahmenbedingungen für das Gespräch fest, vergeben oder entziehen Rederechte, nennen oder resümieren präferierte Themen usw., und mit einer signifikant hohen Erwartbarkeit beschränken sich die an Besprechungen teilnehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf eine eher passiv zu nennende Akzeptanzhaltung. Sicherlich gibt es für diesen Zusammenhang empirisch nachweisbare Devianzen, die beispielsweise durch Spezifika der Organisation oder auch durch kulturell-regional abweichende Präferenzen hervorgerufen werden. In jedem Fall folgen die Selektionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aber prä-konfigurierten Schemata; die Obligationen, die ihre Aktivitäten selbst setzen und denen sie mit ihren Aktivitäten folgen, werden im Gespräch aktiviert und aufgerufen, und indem das kommunikative Verhalten der Beteiligten diese Strukturen erfüllt oder einlöst, ist ihre Interaktion sozial situiert und ihr Handeln kontextualisiert. In Untersuchungen zu organisationalen Besprechungen (sowie auch im Fall anderer Institutionen) ist häufig gezeigt worden, dass diese Gespräche besonderen Zwängen unterliegen, was ihre Abläufe und Strukturen betrifft. Die funktionale Pragmatik, die Gesprächsanalyse u. a. haben dies in unterschiedliche Konzeptionen gefasst, etwa im Begriff des Handlungsschemas oder -musters (vgl. Brünner 2000). Generell gilt, dass in solchen Schemata des interaktiven Handlungsvollzugs bestimmten Teilnehmern bestimmte Aktivitäten zufallen, etwa die genannten Rechte im Kontext einer Gesprächseröffnung und -beendigung. Darüber hinaus ist jedoch auch gezeigt worden, dass die Grenzen solcher Schemata im konkreten Fall häufig verzerrt und unklar sind und dass die Ausgestaltung konkreter Handlungssequenzen sehr unterschiedliche Züge annehmen kann. Die anthropologischlinguistische Genreforschung hat dies am Beispiel des institutionellen Gesprächs und insbesondere auch am organisationalen Gespräch gezeigt (vgl. Müller 2006). Hierarchien zeigen sich dabei u. a. in dem Typus der ausgewählten und initiierten interaktionellen Handlungssequenz, ihrer Platzierung und in ihrem ideologischen Wert. Typischerweise greifen Vorgesetzte beispielsweise am Ende einer Besprechung auf eine Form von „letztem Wort“ (Spranz-Fogasy 2002) oder kritischem „Fazit“ (Müller 2006) zurück, um mit den Inhalten der Besprechung auf einer anderen Ebene des organisationalen Diskurses anzuknüpfen. In schriftlichen Textsorten wie etwa dem Geschäftsbericht sind Eröffnungs- und Schließungsgattungen (z. B. der Brief an die Aktionäre) in typischer Weise ebenfalls dem ranghöheren Organisationsmitglied vorbehalten.
4.4 Formulierungsgestaltung Die linguistische Forschung, die sich speziell der Hierarchie als Gegenstand gewidmet hat, ist nur wenig entwickelt. Demgegenüber ist in vielen Arbeiten, die sich mit der alltäglichen Kommunikation in Organisationen befassen, immer wieder auf
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stilistische Phänomene hingewiesen worden, die sich in den Formulierungen und in der Ausgestaltung von Gesprächssequenzen gezeigt haben und die mit den hierarchischen Verhältnissen in der Organisation in Zusammenhang stehen. Beobachtungen an der konkreten Formulierungsarbeit von Sprechern geben also Anlass zu der Annahme, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Stil und Hierarchie gibt, auch wenn er gegenstandstheoretisch noch nicht konturiert worden ist. Bei einer solchen Gegenstandsbestimmung wäre beispielsweise zu berücksichtigen, dass es auch stilistische Merkmale gibt, die von der Hierarchie völlig zu trennen wären. So gibt es beispielsweise keine klaren Hinweise darauf, dass StandardSubstandard-Variationen, also der Gebrauch und das Switchen von bzw. zwischen Hochsprache und Dialekt, mit dem Rang der Beteiligten in einem Zusammenhang stehen. Grundsätzlich werden beide Varietäten (oder Bewegungen zwischen den beiden Polen des Standard-Nonstandard-Kontinuums) von den Sprecherinnen und Sprechern eingesetzt, etwa um rhetorische Wirkungen zu erzielen oder um metaphorische Bedeutungen zu implizieren (vgl. z. B. Bürkli 1999; Müller 1997b). Demgegenüber scheint es klare Hinweise darauf zu geben, dass die Vorgesetzten in der organisationalen Kommunikation über eine größere Bandbreite an Variationsmöglichkeiten verfügen und dass sie ihre Aktivitäten komplexer gestalten als die hierarchieniedrigeren Beteiligten. So ist an Einzelbeispielen belegt worden, dass sich die phonetische und die paraverbale, z. B. intonatorische Variation bei den ranghöheren Sprechern in breiterem Umfang zeigt (Müller 1997b). Ferner werden Rollen- und Rangspezifika dadurch konstituiert, dass dem Vorgesetzten (typischerweise auch dem Experten) Raum gegeben wird, komplexe oder weiträumigere Sachverhalte darzustellen, was mit Rückgriff auf wissenschaftsnahe Formulierungen und fachsprachliche Lexik geschieht. Allerdings ist darauf zu verweisen, dass diese sprachlichen Mittel für sich genommen multifunktional sind. Eine Eins-zuEins-Zuordnung von Stilelementen aus variationslinguistischer Perspektive ist im Grunde nicht sinnvoll (vgl. hierzu Müller/Thörle 2005; Bürkli 1999). Gleichwohl bildet die routinemäßige interpretative Zuordnung der stilistischen Elemente einen Teil der mentalen Ressourcen für das Verstehen der funktionalen Handlungszusammenhänge in der Organisation. In den Untersuchungen zum Steuerungs- und Kontrollhandeln (Spranz-Fogasy 2002; Müller 1997a, 1997b) von Führungskräften fällt auf, dass hierarchiehöhere Mitarbeiter eine größere Bandbreite an kommunikativen Mitteln einsetzen, um ihre Ziele im Gespräch zu erreichen. Hierarchie indizierend ist insbesondere das Anzeigen kulturell anerkannter kommunikativer Werte wie Integrität, Kompetenz, Dezidiertheit, Prägnanz usw. (vgl. Spranz-Fogasy 2002, 146), das insgesamt häufiger vorkommt als bei hierarchieniedrigeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Indizierend in diesem Sinne sind auch Initiativen, die plötzliche Themenwechsel verursachen, den Fokus der Aufmerksamkeit in markanter Weise verschieben und bestimmte Beteiligte ausgrenzen (vgl. Müller 1997a, 203 ff.). Allerdings muss in all diesen Fällen natürlich eine Ratifizierung und Bestätigung der Kontrollhandlung
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durch die anderen Beteiligten erfolgen, um davon sprechen zu können, dass eine asymmetrische Interaktionsordnung entsteht und dass in dieser Interaktionsordnung Hinweise auf ein hierarchisches Gefälle in der Teilnehmergruppe identifiziert werden können. Ratifizierungen und Bestätigungen vonseiten der hierarchieniedrigeren Mitarbeiter können unter dem Konzept der „kommunikativen Selbstbeschränkung“ versammelt werden, das Schmitt und Heidtmann (2002) vorgestellt haben (vgl. oben). Die kommunikative Selbstbeschränkung zeigt sich unter anderem in kürzeren Redebeiträgen oder gar im Schweigen von anwesenden Mitarbeitern, also einer völligen Passivität, die natürlich an der Herstellung einer asymmetrischen Interaktionsordnung einen wesentlichen Anteil hat. Des Weiteren ist im Kontext dieser Konzeption darauf hingewiesen worden, dass hierarchieniedrigere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr Unsicherheit markierende und relativierende Ausdrücke verwenden, auch um beispielsweise im Rahmen von Imagebedrohungen abmildernde und neutralisierende Aktivitäten zu gestalten. In diesem Sinne ist ihr Handeln durchaus strategisch (vgl. hierzu Brock/Meer 2004; Müller 1997b; sowie auch, mit einer Analyse von durchaus turbulenten Passagen aus einer französischen Arbeitsbesprechung, Thörle 2005, 159 ff.).
4.5 Beziehungskonstitution und Hierarchie Manche Ebenen der Interaktionskonstitution, wie etwa die Ebene der Gesprächsorganisation, sind im Hinblick auf die Frage nach Hierarchie indizierendem Verhalten bereits angesprochen worden. Hier sollen nun weitere Aspekte ergänzend genannt werden. Die Systematik soll auch hier nicht programmatisch oder taxonomisch verstanden werden. In vielen Arbeiten zur Führungsstilistik wird von einem direkten gegenüber einem indirekten Stil von Vorgesetzten gesprochen. Man kann dies als ein Kontinuum verstehen (vgl. Bendel in diesem Band) oder auch als Eckpunkte einer mehrdimensionalen Klassifikation, wie dies verschiedentlich in psychologischen Taxonomien von Verhaltensstilen geschieht. In Bezug auf sprachliches Verhalten würde man sicherlich genauer rekonstruieren müssen, worin sich das Zustandekommen einer solchen graduellen Direktheit konkret zeigt. Explizite Hinweise auf das hierarchische Verhältnis zwischen den Gesprächsbeteiligten, gleichsam das unverblümte Ausüben von Macht, können beispielsweise als Signale von Direktheit verstanden werden (etwa in dem Beispiel: „Herr Ziegler, vielen Dank für Ihren Vorschlag, ich lehne hiermit diktatorisch ab“, vgl. Müller 1997a, 38). Bei hierarchieniedrigeren Beteiligten ist in dieser Hinsicht ein eher zurückhaltendes Agieren typisch, das „vorsichtige Insistieren“ etwa (Schmitt/Heidtmann 2002, 195), oder die Thematisierung des eigenen, womöglich normabweichenden Verhaltens, um dieses damit nachträglich zu legitimieren (ebd.). Die Direktheit äußert sich in einem solchen Handlungszusammenhang im Prinzip darin, dass die organisationale Rol-
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lenkonstellation zwischen den Beteiligten über andere denkbare Konstellationen dominiert, oder anders ausgedrückt: Das hierarchische Verhältnis zwischen den Beteiligten rückt in den Vordergrund der Aufmerksamkeit und muss vorrangig beachtet oder interaktiv behandelt werden. Es gibt Hinweise darauf, dass sich die Wahrnehmung der Teilnehmer an der organisationalen Kommunikation an normalerweise nicht hinterfragten Rollenbildern und an mentalen Repräsentationen von Stereotypen orientiert, die auch das eigene Verhalten steuern; weiter oben sprachen wir diesbezüglich von sozialen Kognitionen oder mentalen Modellen. Das Verhalten der Beteiligten folgt moralischen Wertevorstellungen vom „führungsstarken“ Chef, „kompetenten“ Experten, „guten“ Mitarbeiter und weiteren gesellschaftlich legitimierten Vorstellungen, die die Gestaltungsfreiheiten in konkreten Handlungszusammenhängen einschränken und regulieren. Die Beteiligten setzen diese Vorstellungen mit einer gewissen figürlichen Präsenz um; sie positionieren sich im Gespräch, sie stellen sich dar und sie können dabei grundsätzlich alle Register des Interaktionsverhaltens ziehen. So kann sich der Vorgesetzte durch rasche Adressatenwechsel, Wechsel zwischen Sach- und Beziehungsebene sowie auch durch einen gewissen Variantenreichtum in seiner Entscheidungs- und Anweisungskommunikation als souverän-eloquente Führungskraft zeigen. Der hierarchieniedrigere Mitarbeiter kann durch Selbstbezichtigungen, sozio-emotionale Emphatisierungen und sachbezogene Solidarisierungen seine Position zu gestalten und eventuell zu verbessern versuchen, grundsätzlich aber nur einen niedrigen Status für sich reklamieren (vgl. u. a. Thörle 2005; SpranzFogasy 2002; Schmitt/Heidtmann 2002; Schmitt 2001; Müller 1997b). Vieles mehr kann in bestimmten Handlungszusammenhängen Hierarchie indizieren. Die Ausgestaltung solcher Rollenbilder konstituiert organisationale Wirklichkeit und die darin existierenden beruflichen Identitäten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In der konversationsanalytischen Tradition sind solche selbst- und auch die fremddarstellenden Aktivitäten als Formen kategorialer Positionierung verstanden worden. Die Sprecher weisen sich eine soziale Kategorie zu, die sie selbst als adäquat für einen bestimmten Handlungszusammenhang einschätzen. Man spricht diesbezüglich von einem „doing being X“, also von einem Verhalten, das den Sprecher selbst vor dem Hintergrund des Teilnehmerwissens als Angehörigen einer bestimmten Kategorie kennzeichnet. Im Einzelfall kann die Relevanz der sozialen Kategorie für die Interaktion hochgestuft werden, um beispielsweise eine Ratifizierung der in Anspruch genommenen Position einzufordern (etwa in dem Beispiel „du hast dich normalerweise […] auch danach zu richten, es ist halt bei Vorgesetzten ist das eben“, Poro 1999, 161, Transkript vereinfacht). Die konzeptionelle Auseinandersetzung mit Identität und Selbstdarstellung kann in solchen Fällen Ausgangspunkte für die Analyse liefern. Die Analyse gibt dann Aufschluss über die sozial-kategorialen Konfigurationen der Teilnehmergruppen und über die spezifischen Konstellationen, die beispielsweise mit der Charakteristik des Arbeitsplatzes, den Arbeitsaufgaben, den verwendeten Sprachen usw. zusammenhängen (vgl. Mondada 2007; Kesselheim/ Thörle 2005; Spranz-Fogasy 2003).
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5 Fazit Der vorliegende Artikel hatte zum Ziel, den Zusammenhang zwischen Sprache und Hierarchie zu beleuchten. Die Frage ist hierbei zunächst, ob es zu Hierarchie ein sprachwissenschaftliches Erkenntnisinteresse gibt und welche gegenstandsbezogenen Probleme bei der Suche nach einer Antwort gelöst werden müssen. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die Hierarchie in Organisationen, insofern sie augenscheinlich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem verbalen Verhalten der Organisationsmitglieder steht, der Gegenstand einer organisationslinguistischen Untersuchung sein kann. Allerdings ist es notwendig, die Ebene der mikrostrukturellen Manifestation von Hierarchie indizierendem Verhalten klar von der Makrostruktur, also der vorgängigen und funktionalen Strukturierung der Zugehörigkeit von Personen zu Organisationen, zu trennen. Makrostrukturelle Gegebenheiten werden oft nicht hinterfragt, denn sie sind notwendig, um die Effizienz der arbeitsteiligen Prozesse zu gewährleisten. Zugleich wird der Organisation dadurch jedoch ein Innovationspotenzial genommen. Die Lösung dieses Paradoxes liegt sicher nicht in der Auflösung der Hierarchie. Allerdings ist deren Konstruiertheit und die mentale Beschaffenheit der kategorial, auf Hierarchie bezogenen Zuordnungen in organisationalen Kommunikationszusammenhängen noch nicht hinreichend an authentischem Datenmaterial untersucht. Die konzeptionelle Erfassung von Hierarchie in Gesprächen bleibt weiterhin eine organisationslinguistische Aufgabenstellung. Wir haben gesehen, dass es hilfreich ist, bei der Analyse schrittweise zu verfahren und die einzelnen Schritte dabei methodisch zu kontrollieren. Bei der Analyse des Interaktionsverhaltens ist es bereits ein erster Befund, wenn asymmetrische Formen der Beteiligung attestiert werden können. Die Feststellung, dass dieses Verhalten zu einer asymmetrischen Interaktionsordnung führt, ist der zweite Schritt. Welche Beschaffenheit diese Interaktionsordnung hat, ist von vorneherein jedoch nicht zu sagen – ein hierarchieniedriger Mitarbeiter kann auf vielerlei Weisen einen dominanten Status, etwa den eines Experten, im Gespräch beanspruchen und zugesprochen bekommen. Der dritte Schritt besteht darin, die asymmetrische Interaktionsordnung in einen Zusammenhang mit der Hierarchie der Teilnehmerkonstellation zu setzen, und spätestens bei diesem Schritt verfahren wir praktisch nur interpretativ. Hierarchie ist per se kein semantisches oder propositionales Merkmal sprachlicher Aktivitäten und Interaktionen, sondern das Verstehen von präsupponierten Teilnehmerprämissen und sprachlich-interaktiv hergestellten organisationalen Mitgliedschaften. Um die Analyse und die genannten interpretativen Schlussfolgerungen abzusichern, bietet sich eine Ebene der sozial-pragmatischen oder sozial-kognitiven Beobachtung an. Auf dieser Ebene sind die Wissensbestände zu rekonstruieren, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an dem organisationalen Kommunikationsvorgang zur Verfügung stehen – soweit dies durch das Datenmaterial möglich ist.
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Berufliche Identitäten, informelle Hierarchien, diskurshistorische Verwicklungen, akute Problemstellungen usw. können einstreuende Größen sein, die das kommunikative Geschehen erheblich beeinflussen. Diese Meso-Ebene der organisationslinguistischen Beobachtung braucht dabei durchaus noch eine vielfältige konzeptionelle Weiterentwicklung und systematische Gliederung. Grundsätzlich besteht jedoch kein Zweifel daran, dass gesellschaftliche Funktionen wie die Hierarchie sprachlich-interaktiv hergestellte Konstruktionen sind, deren Entschlüsselung zu den lohnenden Aufgaben in der sprachwissenschaftlichen Arbeit zählt.
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7. Bürokratie und organisationale Schriftlichkeit Abstract: Im vorliegenden Beitrag wird der Zusammenhang von Bürokratie und Schriftlichkeit in Organisationen betrachtet. Zunächst werden für die Bürokratie die relevanten theoretischen und historischen Hintergründe etabliert, neben den notwendigen Begriffsklärungen wird auf Max Weber als Vater eines wissenschaftlichen Verständnisses von Bürokratie sowie auf Bürokratietheorie in gesellschaftlicher und Organisationssicht eingegangen. Innerhalb der organisationalen Schriftlichkeit kommt die Verwaltung in Ämtern und Behörden als bürokratische Form der Organisation, Fokus der Sprachkritik sowie in Bezug auf Textoptimierung in den Blick. Die historische Entwicklung von Bürokratie und Schriftmedien wird hinsichtlich der zunehmenden Beschleunigung von Kommunikationsprozessen beschrieben.
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Einführung Bürokratie: Theoretischer und historischer Hintergrund Organisationale Schriftlichkeit Ausblick, Perspektiven für weitere Forschung Literatur
1 Einführung Der vorliegende Beitrag thematisiert Bürokratie und organisationale Schriftlichkeit. Die exponierte Stellung der Bürokratie im Kontext des vorliegenden Handbuches wird bereits im einleitenden Artikel (Habscheid/Müller/Thörle/Wilton 2014, 392– 396, 398 f.) herausgehoben. Um das benannte Spannungsfeld ausführlicher zu betrachten, liegt die nachfolgend erläuterte Struktur zugrunde: Zunächst werden die theoretischen sowie historischen Hintergründe von Bürokratie näher in den Blick genommen (2). Dies geschieht mittels einer Begriffsbestimmung nebst Betrachtung der Begriffsgeschichte; von der Etymologie ausgehend werden relevante verwendete Bedeutungen geboten (2.1). Danach wird auf Max Weber als Begründer eines wissenschaftlich fundierten Verständnisses von Bürokratie fokussiert. Hierzu wird auf relevante Passagen aus Webers einschlägigem Œuvre verwiesen (2.2). Zur Komplettierung des Hintergrundes dient ein dritter Schritt (2.3), der die Bürokratietheorie in ihren gesellschaftstheoretischen (2.3.1) und organisationstheoretischen (2.3.2) Ausprägungen berücksichtigt. Sukzessive gelangen wir zum Bereich der organisationalen Schriftlichkeit (3). Es wird zunächst die insgesamt relativ breit erforschte https://doi.org/10.1515/9783110296235-007
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Verwaltung (3.1) betrachtet: Erst steht die Verwaltung in staatlichen Ämtern und Behörden im Fokus (3.1.1), wonach sie als bürokratische Form der Organisation diskutiert wird (3.1.2). Darauf folgt eine Betrachtung der Verwaltung innerhalb der Sprachkritik (3.1.3). Abschließend für den genannten Bereich wird die Beziehung von Verwaltung und Textoptimierung erläutert (3.1.4). Die historische Entwicklung von Bürokratie und Schriftmedien kann – bedingt durch technische Innovationen, die sich jeweils als wegweisend herausstellen sollten – als sich immer mehr beschleunigend im Hinblick auf die Kommunikationsprozesse charakterisiert werden und wird deshalb in einem eigenen Abschnitt betrachtet (3.2). Es wird das gegenwärtige Nebeneinander von realem und virtuellem Papier innerhalb der Organisationskommunikation reflektiert. Im den Beitrag beschließenden Ausblick werden Perspektiven für die weitere einschlägige Forschung aufgezeigt (4).
2 Bürokratie: Theoretischer und historischer Hintergrund Im vorliegenden Abschnitt wird zunächst eine Begriffsbestimmung von Bürokratie geleistet, wobei sich bereits dort zeigt, welch zentrale Rolle Max Weber hinsichtlich der Verwendung des Begriffes in den modernen Wissenschaften zukommt. Die zahlreichen Schriften Webers, in denen er auf Fragen der Bürokratie Bezug nimmt, kommen unmittelbar danach in den Blick. In einem dritten Schritt wird innerhalb des vorliegenden Abschnittes die Bürokratietheorie in ihren gesellschaftstheoretischen und organisationstheoretischen Spielarten untersucht.
2.1 Begriffsbestimmung und -geschichte: Etymologie, verwendete Bedeutungen Die Prägung des Wortes ,Bürokratie‘ wird dem französischen Ökonomen Vincent de Gournay (1712–1759) zugeschrieben, der damit im Rahmen der physiokratischen Kreislaufanalyse den ,unproduktiven‘ Beamtenstand des Ancien Régime bezeichnete. ,Bürokratie‘ knüpft zugleich an die aristotelische Einteilung von Herrschaftsformen (Aristokratie, Demokratie, Tyrannis oder Monarchie) an und bedeutet mit der Einführung dieser neuen Herrschaftsform die kritische Andeutung einer Abweichung. Seine Versachlichung und wissenschaftliche Präzisierung erfuhr der im 19. Jahrhundert popularisierte Begriff von Max Weber im Rahmen seiner Herrschaftssoziologie. (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 16)
Etymologisch gesehen kommt der Begriff aus dem folgenden Kontext: Ursprünglich bedeutet das Bureau, aus dem heraus im 18. Jahrhundert zunehmend geherrscht wurde, das Amtszimmer, wobei insbesondere auf die rote (burrus) Decke des Arbeitstisches angespielt wird, so wie man heute umgangssprachlich davon redet, dass ,vom grünen Tisch‘
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entschieden würde. Bürokratie im Sinne von Herrschaft des Büros ist dann aber sehr schnell mit den dort Tätigen, den Beamten, gleichgesetzt worden als Beamtenherrschaft. (Derlien/ Böhme/Heindl 2011, 16)
Es sei typisch, führen Derlien/Böhme/Heindl (ebd.) weiter aus, dass Bureau auf den öffentlichen Bereich referierte, während im privatwirtschaftlichen Bereich der Terminus Kontor zu präferieren sei (vgl. auch Rehbein 1998, 661), obgleich analoge Tätigkeiten wie Schreiben und Aktenbearbeitung ausgeführt würden. Sukzessive erfährt der Bürokratiebegriff aber eine Abstraktion, ähnlich wie etwa Kabinett, Camarilla oder Lobby (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 16–17), die schließlich bei Weber fassbar ist (vgl. 2.2). Habscheid et al. (2014, 393) ergänzen hinsichtlich des heutigen Begriffsverständnisses in Anlehnung an Becker-Mrotzek/Scherner (2000, 628), dass eine „intensive Kommunikation“ zu Grunde liege, die hauptsächlich auf „textvermittelte[n] Gattungen und de[m] Gebrauch geschriebener, gedruckter oder elektronisch verarbeiteter Sprache“ (Habscheid et al. 2014, 393) beruhe. So solle Wissen bewahrt, reproduziert und materiell autorisiert werden (vgl. BeckerMrotzek/Scherner 2000, 628; Rehbein 1998, 66). Im modernen Begriffskontext von Bürokratie kommt die öffentliche Verwaltung in den Blick, wie Habscheid et al. (2014, 393, Hervorhebungen i. O.) ausführen: [I]n der Bundesrepublik Deutschland [sind dies] zum Beispiel Behörden auf Bundesebene (Ministerien), in den Ländern und Kommunen, jeweils mit Ämtern für diverse Aufgabenbereiche und diesen zugeordneten Dienststellen, einschließlich der Verwaltungen in den diplomatischen Auslandsvertretungen (Rehbein 1998, 662). Diese bilden die Exekutive als dritte staatliche Gewalt (neben der Gesetzgebung und Rechtsprechung) und führen das Handeln des Staates gegenüber dem Bürger auf gesetzlicher Basis aus (Becker-Mrotzek/Scherner 2000, 632). Moderne Rechtsstaatlichkeit ist an bürokratische Formen gebunden [.]
Zur historischen Perspektivierung des Bürokratiebegriffs kann das Folgende gesagt werden: Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (Bd. 2, Biermörder – Dwatsch; Grimm 1984 [1860]) befindet sich interessanterweise kein Eintrag zum Lemma Bürokratie. Dies ist auf die Anlage des Wb. zurückzuführen, das kein eindeutig fremdsprachiges Wortmaterial mit aufnimmt. Schlägt man bei Paul (102002, 197) nach, so lautet der Eintrag: „18.Jh. ; immer schon abwertend »die Herrschaft oder Gewalt, welche verschiedene Staatsbehörden … sich über Mitbürger anmaßen«“. Im selben Kontext wird noch ein „schablonenhafte[s] Handeln[]“ (ebd.) erwähnt. Zunächst wird man hier also mit einer negativen Konnotation konfrontiert. Wir halten uns im Folgenden an die Erläuterung bei Derlien/Böhme/Heindl (2011, 15–18), die ihrerseits auch diese Art der negativen bis pejorativen umgangssprachlichen Bedeutung anführt (dies gilt auch für die Derivationen Bürokrat, bürokratisch oder Bürokratismus; siehe hierzu auch Albrow 1972; Wunder 1987). Historisch sei eine Verwendung des Begriffes mit abwertender Bedeutung bekannt, wie innerhalb einer Abbildung (Abb. 1, Derlien/Böhme/Heindl 2011, 17) anhand der aufgeführten Konnotationen von Bürokratie evident wird:
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Pedanterie, Verselbständigung, gläubiger Gehorsam, starke Kontrolle, Rädchen in der Maschine, Versagen im Einzelfall, Schablone, Formularwesen, Vertuschungsgefahr, Untertanengeist, Perfektionismus, Überheblichkeit, Unpersönlichkeit. Solche Konnotationen schwingen in der heutigen Verwendung weiter mit, gleichzeitig gibt es aber auch eine zunächst positiv konnotiert scheinende Verwendung des Begriffes unbürokratisch. Dabei werde die öffentliche Verwaltung gelobt, dass sie „vom eigentlichen normalen Verfahren“ (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 18; Hervorhebung i. O.) abweiche. Dies ziehe aber „nicht selten“ (ebd.) rechtswidrige Vorgehensweisen nach sich. Der Begriff Bürokratie wird nicht nur umgangssprachlich, wie bis hierhin beschrieben, sondern auch wissenschaftlich gebraucht. Zwischen diesen Verwendungsweisen sei zu differenzieren (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 15), wobei „beide genetisch und systematisch eng zusammenhängen, da sie die Staats- und Verwaltungsentwicklung sowie die gesellschaftliche Reaktion hierauf seit dem Absolutismus reflektieren.“ Bevor wir jedoch zu Max Weber als dem Begründer eines wissenschaftlich fundierten Bürokratieverständnisses gelangen können, seien noch weitere Positionen kritischer Art aus der älteren Literatur zur Bürokratietheorie referiert (Derlien/ Böhme/Heindl 2011, 18): Für Frankreich bezieht sich Albrow (1972, 13) auf de Gournay, der den „vermeintlich künstliche[n] Bedarf an einer hauptamtlichen Verwaltung, die Unfähigkeit der jeweiligen Regierung, die Vermutung einer mittelmäßigen, politisch unkontrollierten, sich verselbständigenden Beamtenherrschaft […] thematisiert.“ (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 18) In Preußen richte sich die Kritik gegen eine getarnte Aristokratie der Bürokraten, die „über die bürgerliche Gesellschaft herrsche“ (ebd.; auch Kraus 1808), gleichsam aber bürgerliche Züge trage, wie Görres (1821) konstatiert. Bei Derlien/Böhme/Heindl (2011, 18) werden weiter despektierliche Äußerungen gegenüber Bürokraten angeführt, so etwa von dem Reformer Freiherr v. Stein, Reichskanzler Bismarck sowie Hitler, wobei die beiden Letztgenannten ihre initiale Bekanntheit gerade auch diesen Positionen verdanken dürften. Weiter sei das auch heute noch bekannte Konzept des bureaucrat bashing angeführt, das in der heutigen Politik fortlebe (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 18; vgl. auch Hubbell 1991; Garrett et al. 2006).
2.2 Max Weber als Begründer eines wissenschaftlich fundierten Bürokratieverständnisses Dem Soziologen Max Weber (1864–1920) kommt die Begründung eines wissenschaftlich fundierten Bürokratieverständnisses zu. Webers Leben und Werk sind in zahllosen Publikationen aufgearbeitet worden (aus Umfangsgründen können hier nur wenige genannt werden: Für Biografien und Werkbetrachtungen vgl. u. a. Mommsen 1982; Weber 1989 (1950); Fügen 1985; Kocka 1986; Hennis 1987; Turner/ Factor 1994; Treiber/Sauerland 1995; Hennis 1996; Schöllgen 1998; Sukale 2002;
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Kaesler 2003; Ringer 2004; Ay/Borchardt 2006; Lichtblau 2006; Heins 2010 (2004); Radkau 2005 und 2011; Scaff 2011; Kaesler 2011 und 2014; Kruse/Barrelmeyer 2012; Kaube 2014). Mit Weber vollzieht sich eine Abstraktion des Bürokratiebegriffes, die von der oben referierten etymologischen Bedeutung weit entfernt ist. Die Hauptmerkmale des wissenschaftlichen Bürokratiebegriffs bei Max Weber, für den erstaunlicherweise keine separate Definition erfolgt (Albrow 1972, 45), sind die folgenden, die so oder ähnlich auch in Privatunternehmen und nicht-staatlichen (politischen) Organisationen oder Verbänden angetroffen werden könnten (die Darstellung folgt der Zusammenfassung bei Derlien/Böhme/Heindl 2011, 19–22). Weber nimmt eine vor allem historische und herrschaftssoziologische Sichtweise ein (vgl. Derlien/Böhme/Heindl 2011, 19; siehe v. a. zum folgenden Abschnitt zum Personal Webers Wirtschaft und Gesellschaft Weber 1980 [1922], 124 ff., 551 ff.). Das Personal arbeitet hauptamtlich, es hat eine Fachschulung erhalten, die Kontrahierung ist formal frei. Einstellung und Beförderung (ein Laufbahngedanke mit Möglichkeiten des Avancierens liegt zugrunde) fußen auf objektiven Maßstäben wie Dienstalter und Leistung statt sozialer Herkunft. Es erfolgt eine Ernennung für eine bestimmte Position, anstatt dass diese vererbt, durch eine Wahl oder mittels Ämterkauf besetzt wird. Die Entlohnung erfolgt durch Geld, nicht mehr durch Naturalien oder Pfründe; damit soll die Unbestechlichkeit der Amtsträger akzentuiert werden. Ebenso inhärent seien ein spezifisch ausgeprägtes Berufsethos und Disziplin. Zu den Organisationsmerkmalen bürokratischer Einheiten ist die hierarchische Struktur zu zählen. Dies resultiert in einer „Staffelung von Weisungs- und Kontrollbefugnissen und […] Gehorsams- und Berichtspflichten“ (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 19), die das davor verbreitete Kollegialsystem ablöst. Damit geht eine „räumliche und sachliche Kompetenzverteilung [einher], innerhalb derer Spezialisierung möglich wird“ (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 20); weitere Charakteristika umfassen Regelgebundenheit, Unpersönlichkeit, interne und externe Berechenbarkeit bei Entscheidungsfindungen, Schriftlichkeit sowie Aktenkundigkeit (hierbei wird übergeordneten Institutionen die Möglichkeit externer Kontrolle gewährleistet; interne Kontrollen sind aufgrund der Schriftlichkeit ohnehin möglich). Hinzu kommt eine „Trennung von Haushalt und Betrieb, zum einen in räumlicher Hinsicht als Ausdifferenzierung des Büros oder Kontors aus dem Haushalt des Herrschers bzw. Unternehmers; […] aber auch die Unterscheidung von Privatvermögen und Betriebsmitteln“ (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 20). Zu Webers Bürokratietheorie vgl. auch Kieser/Walgenbach (2007, Kap. 2.2.3). Die Rezeption von Webers Publikationen zur Bürokratie wurde dadurch erschwert, dass diese quasi fragmentarisch aus verschiedenen Werken zusammenzutragen waren (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 21–22; dort finden sich thematisch geordnete Hinweise; hier jedoch folgen wir der Chronologie). Weber (1906) nimmt im Kontext der bürgerlichen Demokratie in Russland auf bürokratische Fragen Bezug, weiter auch in Weber (1924, zuerst publiziert 1909) zu Agrarverhältnissen im Alter-
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tum. Webers zentrale Schriften zur Bürokratie sind später in der von Winckelmann edierten Form (Weber 1956) als Textsammlung zugänglich gemacht worden (hierbei speziell §3 sowie §5, Weber 1956, 32–50 sowie 71–81). Weber nahm in politischer Funktion 1917 in der Frankfurter Zeitung in einigen Artikeln kritisch zur Beamtenherrschaft Stellung (publiziert als Weber 1918, in Marianne Weber 1921, 94–106, 261–265 sowie in Weber 1956 (51988), 306–343). Zur Verzahnung von Bürokratie und Politik liegt die Publikation des Münchener Vortrags von 1919 mit dem Titel „Politik als Beruf“ vor, die in vielen Nachdrucken verfügbar ist (u. a. etwa Weber 2010). Webers Typologie der Herrschaft, in der die bürokratische Herrschaft als effektivste Form beschrieben wird, ist im ersten Teil von Wirtschaft und Gesellschaft posthum veröffentlicht worden (Weber 1922a, im gleichen Jahr publiziert auch in den Preußischen Jahrbüchern, Weber 1922b). Webers Ausführungen zur Bürokratie im zweiten Teil von Wirtschaft und Gesellschaft (hier mit Fokus auf der historisch-dynamischen Analyse sowie der Staatssoziologie) sind vom Herausgeber (Winckelmann) rekonstruiert (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 22).
2.3 Bürokratietheorie in ihren Ausprägungen 2.3.1 Gesellschaftstheorie Versucht man eine Verbindung von Bürokratietheorie und Gesellschaftstheorie, so gelangt man – gerade historisch – zu Herrschaftsfragen. Hierbei kommt die Entwicklung der Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts in den Blick, bei der durch hauptberuflich im Dienste des Staates stehende Soldaten ausgeübte physische Gewalt perspektivisch eine Befriedung des Territoriums erreicht wurde (Derlien/ Böhme/Heindl 2011, 40). Das Berufsheer bedingte die Existenz einer (dafür zuständigen) Militär- sowie Finanzverwaltung. Während militärisch eingesetzte Vasallen eher selbstständig gewesen waren, ändert sich dieser Zustand, man kann Parallelen zur bürokratischen Herrschaft wie „Hauptberuflichkeit und Geldentlohnung, […] Trennung von Haushalt und Betrieb sowie […] [die] Appropriation der Verwaltungsmittel in der Hand des Herrn“ (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 41) anführen. Das Militär spielte der Herausbildung bürokratischer Strukturen in die Hände, da zur Steigerung staatlicher Einnahmen Verwaltungszweige wie etwa das Verkehrswesen und statistische Behörden notwendig wurden, ebenso wie Optimierungen im Bereich der Finanzverwaltung und des Rechts (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 41–42). Zu dieser Stärkung des Beamtentums kommen dessen aufkeimende „Vertretung und sukzessive Durchsetzung von Eigeninteressen“ (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 42). Kapital und Bürokratie hängen ebenso über folgende Bindeglieder zusammen: Privatkapitalistische Finanzierung des Kriegswesens, Aufhebung der Leibeigenschaft/Zerschlagung des Zunftwesens, Kolonialismus, Ämterkauf, öffentliche Häuser, Nationalstaatenbildung sowie Arbeitsrecht (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 43–
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45). Daher bezeichnet Max Weber die Bürokratie als „schlechthin unentrinnbar“ (Weber 1980, 128). Derlien/Böhme/Heindl (2011, 52) schreiben der bürokratischen Herrschaft das „zentrale Problem“ der „Verselbstständigung“ zu. Ökonomisch braucht es eine Geldwirtschaft, damit bürokratische Herrschaft florieren kann. Weber sieht dies – anders als etwa Marx – nicht als notwendig an, sondern eher als „Wahlverwandtschaft“ (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 57). Wirtschaftlich negativ könnte ein ,Abgabenstaat‘ wahrgenommen werden, schwerpunktmäßig negativ würden aber Konsequenzen wie überbordende Reglementierung und Uniformierung sowie Disziplinierung der Untertanen empfunden werden. Ambivalent zu sehen wären eine Standardisierung der Zeit, ebenso Nivellierungs- sowie Plutokratisierungsphänomene (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 59–61). Dies habe die Entwicklung einer neuen Schicht der Bürokraten zur Konsequenz, die als „Berufs- und Fachmenschentum[]“ das „Kulturmenschentum[]“ (vgl. Weber 1980, 576 ff.; Derlien/Böhme/Heindl 2011, 61) ablöse.
2.3.2 Organisationstheorie Zur Verschränkung von Bürokratie und Organisationstheorie kann das Folgende gesagt werden: Derlien/Böhme/Heindl (2011, 20) monieren innerhalb der „stark angelsächsisch beeinflusste[n]“ Organisationstheorie eine Verkürzung des Weberschen, explizit „nicht-normativen“ (Derlien/Böhme/Heindl 2011, 18) Bürokratiekonzeptes um die Merkmale hauptamtliches Personal sowie Trennung von Haushalt und Betrieb, die in der einschlägigen Forschung als v. a. historisch zentral begriffen werden (vgl. Kieser/Walgenbach 2007, 38 ff.). Derlien/Böhme/Heindl (2011, 21) kritisieren die heutige Organisationstheorie mit ihrem zentralen Terminus der bürokratischen Organisation als „ahistorisch“ und stellen fest, dass v. a. die historisch älteren Merkmalsausprägungen gegenüber Weber verkannt würden. Dies beruhe auf einem normativen Missverständnis, das aus der Verschränkung von Webers Bürokratiekonzept mit klassischen Managementtheorien erwächst. Diese lässt weiter Webers ambivalente Sicht auf die Bürokratie in den Hintergrund treten. Ortmann/Sydow/ Türk (1997) differenzieren die verschiedenen Ebenen der Organisationstheorie dergestalt, dass sie zwischen a) institutionenökonomischen und evolutionstheoretischen, b) soziologisch institutionalisierten und polit-ökonomischen, c) handlungs-, system- und strukturationstheoretischen sowie d) symbolischen und kognitiven Ansätzen differenzieren. Hieraus lassen sich Fragestellungen ableiten, die für die Bürokratie und schriftliche Kommunikation relevant sind, wie etwa aus a) die Stellung der Unternehmung als sozialer Institution (Pirker 1997), aus b) die Organisation als Institution der kapitalistischen Gesellschaftsformation (Türk 1997), sowie aus c) Fragen der Organisation als reflexiver Strukturation (Ortmann/Sydow/Windeler 1997). Sprachlich neues Material kommt aus organisationstheoretischer Sicht ontologisch durchaus zum Tragen (Kieser 1996; Czarniawska 1998). Allgemeiner lässt sich die Basis dafür wie folgt ausdrücken:
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Man könnte […] sagen, dass das kommunikative Handeln in der Organisation auf eine organisationskulturelle Tiefensemantik zurückgreift, wo […] formalisierte soziale Kognitionen zur Verfügung stehen. Dieses kollektive organisationale Gedächtnis unterliegt einem beständigen Wandlungs- und Anpassungsdruck [.] (Habscheid/Müller/Thörle/Wilton 2014, 698)
Hinsichtlich hier relevanter linguistischer Forschungsbeiträge zur Organisationstheorie seien exemplarisch die folgenden angeführt: Lenz (1989) zu Organisationsprinzipien in mündlicher Fachkommunikation, Müller (2006) zu Aspekten einer Ethnographie der Unternehmenskommunikation sowie Vacek (2009) zur perspektivischen Darstellung und interaktiven Bearbeitung von Wandel in Organisationsprozessen.
3 Organisationale Schriftlichkeit 3.1 Verwaltung: Erforschte Gebiete 3.1.1 Verwaltung in staatlichen Ämtern und Behörden Die Geschichte von Ämtern und Behörden lässt sich bis ins alte Ägypten und das Römische Reich zurückverfolgen (Rehbein 1998, 660; Becker-Mrotzek 2001, 1506). „Verwaltungen (engl. administration) werden alltagssprachlich häufig gleichgesetzt mit den verwaltenden Organen des Staates, zu denen insbesondere die verschiedenen Behörden gezählt werden. In diesen Kontext gehören dann auch Begriffe wie Bürokratie und Beamtentum“ (Becker-Mrotzek/Scherner 2000, 632; Hervorhebungen i. O.; Becker-Mrotzek 2001, 1506 f. trennt begrifflich zwischen Institution, Behörde und Amt). Dies sei jedoch ein eingeschränktes Verständnis, da Verwaltung im soziologischen Sinne insgesamt weiter greife (ebd.). „Öffentliche Verwaltungen sind die ausführenden Organe des Staates, die neben der Legislative und der Judikative als Exekutive die dritte staatliche Gewalt darstellen.“ (ebd.) Es gälten die Prinzipien der Legalität, der Gleichbehandlung, der Massenhaftigkeit und der Einheitlichkeit; die Schriftlichkeit dominiere gegenüber der Mündlichkeit (Becker-Mrotzek 2001, 1508– 1509). Gleichzeitig sei aber (auf Deutschland bezogen) nach Bundes-, Länder- oder kommunaler Ebene zu differenzieren. Rehbein 1998, 662–665) schlüsselt das sprachliche Handeln in deutschen behördlichen Institutionen mittels eines Praxeogramms auf, das die Komplexität der ineinandergreifenden Prozesse visualisiert (vgl. Abb. 70.1, Rehbein 1998, 663). Es ist trotz der Komplexität weiter die Konstellation der am Verwaltungsprozess Beteiligten beschreibbar (nach Ehlich/Rehbein 1977, 39 ff.), innerhalb der nach Agenten und Klienten unterschieden wird. Mit den Agenten sind die Angehörigen der Verwaltung gemeint, ebenso wie diejenigen Institutionsmitarbeiter, die auch mit Verwaltungsaufgaben betraut werden können (im Falle der Schule etwa die Schulleitung oder Lehrpersonal) (Becker-Mrotzek/Scherner 2000,
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632). Dem gegenüber stehen die Klienten, mit denen allgemein die Bürger gemeint sind (ebd.). Die beschriebene Dichotomie ist ebenfalls in den ungleichen Handlungsmöglichkeiten zu sehen; dies wird sowohl in der mündlichen wie auch gerade in der schriftlichen Kommunikation fassbar (Becker-Mrotzek/Scherner 2000, 632; BeckerMrotzek 1999; Knoop 1998). Becker-Mrotzek/Scherner (2000, 633) benennen die Kernfunktionen der Verwaltung mit „Planung und Überwachung“. Dies erfordere „Informationen über unterschiedliche Sachverhalte, die an verschiedenen Stellen erhoben, ausgetauscht und weiterverarbeitet werden“ (ebd.). Dieser Prozess sei dadurch charakterisiert, dass an ihm alle Agenten und Klienten beteiligt seien, „wenn auch in unterschiedlicher Weise“ (ebd.), dass er kontinuierlich ablaufe und dass Speicherung/Austausch von sehr großen Informationsmengen stattfänden (ebd.). Rehbein (1998, 666–670) expliziert hinsichtlich der ,Amtssprache‘ die Bereiche der applikativen Vertextung sowie der Propositionen (unter der Nennung möglicher sprachlicher Mittel zur Umsetzung).
3.1.2 Verwaltung als bürokratische Form der Organisation Die Verwaltung als bürokratische Form der Organisation fußt auf ihr eigenen Textsorten. Becker-Mrotzek/Scherner (2000, 634) erarbeiten eine funktionale Typologie. Frühere Überlegungen werden in der Entwicklung mit berücksichtigt: So wird auf Wagner (1970, 11–12) verwiesen, der nach Verwaltungsvorschriften, Verwaltungsakten, allgemein behördlichem Schriftverkehr und informativen Schriften unterscheidet. In der weiteren Forschung zur Verwaltung kämen neue Impulse „aus der Fachsprachen-, Verständlichkeits- und ,Formular‘-Forschung“ (BeckerMrotzek/Scherner 2000, 629; vgl. Grosse/Mentrup 1980; Radtke 1981; FuchsKhakhar 1987). Otto (1978/1981) schlägt erwachsend aus diesen Forschungen zum Verhältnis von Standard- und Rechtssprache ein Stufenmodell vor, das zwischen Urteils- und Bescheidsprache, Wissenschafts- und Gutachtersprache, Sprache des behördlichen Schriftverkehrs sowie dem Verwaltungsjargon differenziert (BeckerMrotzek/ Scherner 2000, 629). Fotheringham (1980, 41) spezifiziert Ottos Konzept der Sprache des behördlichen Schriftverkehrs und offeriert eine zwischen Anträgen auf begünstigende Verwaltungshandlungen, Erklärungen über persönliche Umstände sowie Realisierungen von Anzeige- oder Meldepflichten unterscheidende Typologie. Augst (1981, 263) unterscheidet zwei Gruppen von Texten, nämlich a) (Steuer-)Erklärungen, formlose Anträge, Formularanträge, Widersprüche; sowie b) Widerspruchsbescheide, Bescheinigungen, Genehmigungen, Verfügungen, Bescheide, Zeugnisse sowie Urteile (nach Becker-Mrotzek/Scherner 2000, 629–630). Becker-Mrotzek/Scherner (2000, 634; Hervorhebungen i. O.) kommen zu ihrer eigenen Typologie für Textsorten der Verwaltung: Texte mit regulierender Funktion: […] Texte, die das Verwaltungshandeln nach Form und Inhalt vorab festlegen, wie Gesetze, Verwaltungsvorschriften oder Dienstanweisung. […]
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Texte mit wissenserhebender bzw. -vermittelnder Funktion: […] Texte, die die Klienten an die Institution richten. Hierzu gehören insbesondere Anträge und Widersprüche, aber auch Anfragen und Auskunftsersuche[.] […] Texte mit wissensbearbeitender Funktion: […] [A]lle schriftlichen Äußerungen, die im Laufe eines Bearbeitungsprozesses entstehen […]. Eine zentrale Form ist die Verwaltungsakte […] Auf ihre faktenschaffende Bedeutung […] hat Seibert (1981, 32 ff.) hingewiesen […] [.] Texte mit handlungsschließender Funktion: […] Texte, die in bestimmter Form die Ergebnisse des Verwaltungshandelns mitteilen […]. Zu den häufigsten zählen sicherlich die Bescheide […] (Steuerbescheid, Sozialhilfebescheid, Nutzungserlaubnis).
Czarniawska (1998, 14) betont die Wichtigkeit der Erforschung bürokratischer Kommunikationsabläufe auch vor dem Hintergrund der Organisationstheorie „as story reading (interpretative approaches)“: Organizational narratives, as the main mode of knowing and communicating in organizations, are an important focus for organization researchers. Their construction and reproduction must be documented and their contents must be interpreted. (Czarniawska 1998, 16–17)
Während bei Czarniawska der Fokus auf der Schriftlichkeit liegt, betont Boden (1994) die Relevanz von mündlicher organisationaler Kommunikation, die anhand diskursanalytischer Methoden zu untersuchen sei. Diese Forderung wurde u. a. von Habscheid (2003), der sich mit sprachreflexiven Verfahren in Beratungsgesprächen innerhalb von Organisationen auseinandersetzt, aufgegriffen.
3.1.3 ‚Papierdeutsch‘: Verwaltung innerhalb der Sprachkritik Innerhalb der Sprachkritik ist die Sprache der Verwaltung zuweilen unter dem inhärent negativen Schlagwort Papierdeutsch subsummiert worden. Von den bis heute in der Forschung wahrgenommenen Kritikern aus dem Bereich der so genannten Laien-Linguistik (vgl. Antos 1996) kann hier Reiners (1944) angeführt werden, der in seiner Deutschen Stilkunst (später Stilkunst) das Amtsdeutsch als „Urheimat des Papierstils“ (Reiners 1944, 168) kritisiert, der sich durch abschreckende Beispiele, Weitschweifigkeit und Lebensferne auszeichne. Reiners (1944, 175) kommt zu dem Fazit, der „Papierstil schädig[e] das Denken“; den Fremdwortgebrauch ordnet er der „unteren Stilschicht“ (Reiners 1944, 457) zu (zitiert nach Kilian/Niehr/Schiewe 2010, 69). Wimmer (2008a, 2008b) widmet sich der Aufarbeitung der Forschungspositionen zur Sprachkritik aus der wissenschaftlichen (2008a) Sicht sowie zur Sprachkritik in der Öffentlichkeit seit der Mitte des 20. Jahrhunderts (2008b). Er setzt hierzu bei Klemperer und seiner Lingua Tertii Imperii (Die Sprache des Dritten Reiches, 1947) an: Eine „entmenschlichende“ Sprache in der Verwaltung und Bürokratie der Nazis hatte Victor Klemperer bereits in seiner „LTI“ kritisiert. Ausdrücke wie „aufziehen“ und „spuren“, die dem
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Bereich der Technik entnommen waren („eine Uhr aufziehen“, „das Fahrzeug ist nicht in der Spur, spurt nicht“), ließen in ihrer Übertragung auf menschliche Handlungen und Aktivitäten („eine groß aufgezogene Aktion“, „die Schulklasse spurt nicht“) die Menschen wie Funktionsteile einer Maschine erscheinen. (Wimmer 2008b, 2057)
Wimmer (2008b, 2057) verweist weiter auf die Position von Karl Korn, die bei Schiewe (1998, 234–242) ausführlicher diskutiert ist. Korn (1962) nimmt ebenfalls zur Verwaltung Stellung, jedoch unter anderen Vorzeichen: Die verwaltete Welt korrespondiert mit einer Sprache der Verwaltung. Mit letzterem meint Korn, dass sich in der Sprache selbst eine Art von Verwaltung, von registrierendem Zugriff auf das Leben und Handeln der Menschen zeigt. Bezogen auf Zusammensetzungen mit den Zweitgliedern ,-träger‘, ,-inhaber‘, ,-pflichtiger‘ etc. also Wörter wie Erlebnisträger, umreißt Korn diesen Aspekt so: Insgesamt bezeichnen die zusammengesetzten Nomina der hier beschriebenen Art, mag es sich nun um Träger, Pflichtige, Teilnehmer oder was immer handeln, typische Figuren der verwalteten Welt. […] Die Maschinerie der Verwaltung, mag es sich dabei um behördliche Verwaltung im engeren Sinne oder um kommerzielle oder industrielle handeln, hat diese schemenhaften Wörter gebildet, in denen kaum noch anklingt, dass es sich um Individuen handelt.“ (Korn 1962, 29; zitiert nach Schiewe 1998, 238) Hier ist der eigentliche kritische Ansatzpunkt genannt. Korn sieht in derartigen Wortbildungen den Menschen als Individuum negiert oder jedenfalls nicht wahrgenommen und bezeichnet. Statt dessen wird der Mensch nur unter dem Aspekt einer bestimmten Funktion betrachtet. Diese Betrachtungsweise drückt sich auch in der Sprache aus […]. Ein in seiner Bedeutung präzises Wort wird durch ein umfassenderes ersetzt, das nicht mehr etwas Spezifisches hervorhebt, sondern etwas Allgemeineres zum Bezeichnungskriterium macht […]. (Schiewe 1998, 238)
Diese beschriebene depersonalisierende Tendenz kann für den Bereich der Verwaltungssprache nachvollzogen werden; Schiewe (1998, 239) warnt zu Recht vor einem Transfer auf andere Sprachbereiche wie die Literatursprache, an die jeweils andere Maßstäbe anzulegen seien. Eine differenziertere Interpretation ist durch die linguistische Sprachkritik dann auch erfolgt: So wurde beispielsweise gezeigt, dass eine Funktionsverbfügung wie „zur Aufführung bringen“ im Vergleich zu dem einfachen Verb „aufführen“ einen anderen semantischen Aspekt in der Aussage hervorhebt; der Beginn bzw. die inchoative Perspektivierung der Handlung(sfolge) wird betont bzw. ausgedrückt; die Funktionsverbfügung und das einfache Verb haben nicht dieselbe Bedeutung. Die Funktionsverbfügung ist nicht lediglich eine verwaltungssprachliche Variante des einfachen Verbs, sondern stellt eine semantische Bereicherung […] dar (vgl. z. B. v. Polenz 1963; Heringer 1968). (Wimmer 2008b, 2057)
Die moderne Sprachkritik setzt sich weiter zum Ziel, hinsichtlich der Verwaltung deren „besondere Funktionsweise“ (Wimmer 2008b, 2057) als eine Art Fachsprache herauszustellen. Eine allgemeine Kritik an der Verwaltungssprache seit den 1970er Jahren ist „vor allem gegen die Schwerverständlichkeit und Unzulänglichkeiten von Verwaltungstexten“ (Wimmer 2008b, 2057) gerichtet. Es wird eine Störung der
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Kommunikation zwischen öffentlicher Verwaltung und Bürgern attestiert und mehr Bürgernähe eingefordert (Wimmer 2008b, 2057; vgl. Becker-Mrotzek 1992; Dieckmann 1993). Hierbei richtet sich der Blick auch auf die „Funktionsfähigkeit und […] Optimierung der Verwaltung“ (Wimmer 2008b, 2057). Von daher rührt auch ein gesteigertes Interesse der Politik und hochrangiger öffentlicher Institutionen an diesem Problemfeld (vgl. Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung 1980/81; Wimmer 2008b, 2057). Einschlägige Untersuchungen, hier bottum up gruppiert, thematisierten etwa „Schwerverständlichkeit von einzelnen Wörtern und Wortbildungen“ (Zifonun/Strauß 1985), die Syntax (unter anderem Glinz 1973/1978) sowie Textaufbau und -verständlichkeit (Biere 1991). „Die Untersuchungen führten zu viel diskutierten Vorschlägen zur Verbesserung der Kommlunikation [sic] zwischen Verwaltung und Bürgern (vgl. Grosse/Mentrup (Hg.) 1980, 1982)“ (Wimmer 2008b, 2057–2058). Wimmer (2008b, 2058) verweist weiter auf die mit der Verwaltungssprache verbundene Auseinandersetzung mit dem juristischen Sprachgebrauch, auf die hier aus Umfangsgründen nicht eingegangen werden kann. Als Überblicksdarstellung zur Sprachkritik kann Kilian/Niehr/Schiewe (2010) genannt werden, für eine bibliografische Zusammenschau sei auf Janich/Rhein (2010) verwiesen.
3.1.4 Verwaltung und Textoptimierung Für die Verwaltung gilt wie für viele andere Bereiche raumzeitlicher Distanzkommunikation, dass immer weniger Zeit bleibt, sich mit einem wachsenden Fluss an Texten auseinanderzusetzen (Antos/Hasler/Perrin 2011, 639), etwa für die Mailkommunikation (Meckel 2007). Während einige Bereiche hier außen vor bleiben, gibt es andere relevante Bereiche, in denen Textoptimierung eingefordert wird, aber nicht unumstritten ist. Zunächst ist hier die Rechtssprache zu nennen, in der eine Textoptimierung etwa bei den Textsorten-Familien „Finanzprodukte“ oder den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ von den Bürgern bzw. Laien gewünscht, von den entgegengesetzten Interessengruppen wie Juristen/Politikern jedoch ignoriert bzw. torpediert wird (Antos/Hasler/Perrin 2011, 640; vgl. Schendera 2004; Eichhoff-Cyrus/Antos 2008). Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat zur Unterstützung von Bundestag und Bundesrat auf der anderen Seite einen Redaktionsstab eingerichtet, der den beiden Institutionen beratend zur Seite steht (GfdS 2013). Hinsichtlich bürokratischer Fragestellungen tritt die Textoptimierung in den Fokus, wenn es um teils „opake[] sprachliche Manifestationen von Herrschaft, Dominanz, Disziplinierung“ usw. geht (Antos/Hasler/Perrin 2011, 640). Hier stellen bürokratische Strukturen den Hintergrund dar für Handlungs- und Kommunikationsbedingungen, die reglementiert und limitiert sind: Wer in eine Organisation eintritt, […] verzichtet damit bis zu einem gewissen Grad auf individuelle Handlungsautonomie zugunsten eines Autonomiegewinns der Organisation (vgl. Barnard 1938). Er kann z. B. in aller Regel nicht auf das gesamte sprachliche Muster- und Formen-
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repertoire zurückgreifen […]; vielmehr wird sein Handeln zusätzlich reguliert durch formale Vorgaben, die das Ergebnis organisationaler Entscheidungen sind […] (vgl. Cameron 2000; Fairclough 2003) (Antos/Hasler/Perrin 2011, 640–641)
Auf die vielschichtigen methodologischen Probleme hinsichtlich der Textsortenoptimierung kann aus Umfangsgründen nicht eingegangen werden. Hinsichtlich einer bürokratischen Usability angesichts immer größerer zu bewältigender Formular- und Textmengen seien einige Überlegungen angeführt: Antos/Hasler/Perrin (2011, 650– 653) verweisen auf die Optimierungskriterien der Scanbarkeit sowie der Auffindbarkeit. Die Scanbarkeit von Dokumenten bietet a) im technischen Sinne einerseits die Möglichkeit der längerfristigen elektronischen Archivierung und andererseits eine ggf. automatisierte Erkennung und Verarbeitung von Formulardaten, und b) für die schnelle Rezeption am Bildschirm bedeutet dies die Notwendigkeit von übersichtlicher Gliederung, Markierung von Schlüsselwörtern, listenartigen Aufzählungen, Kürze etc. (Antos/Hasler/Perrin 2011, 651). Auffindbarkeit referiert bei Antos/Hasler/ Perrin (2011) auf die Auffindbarkeit im Netz, mittels elektronischer Archivierung und Annotierung ließe sich diese Dimension auch in bürokratischer Hinsicht optimieren.
3.2 Historische Entwicklung von Bürokratie und Schriftmedien: Medienwandel und Beschleunigung von Kommunikationsprozessen Die bürokratische Realität hat sich immer weiter ausgedehnt und beschleunigt. Dies kann einerseits durch die Penetration verschiedener gesellschaftlicher Bereiche durch Bürokratie begründet werden, andererseits fließen technische Innovationen mit ein, die Kommunikationsprozesse in mehrerlei Hinsicht optimiert haben. In diesem Zusammenhang sind Vervielfältigungsmethoden zu nennen wie z. B. die maschinelle Abschrift (erst mit der Schreibmaschine, später mit dem Computer), die Vervielfältigung handschriftlicher Dokumente, erst über selbst beschriebene Matrizen, später mittels Fotokopierer; die maschinelle Übertragung solcher Dokumente, erst mittels Telefax, später gescannt als E-Mail, die Bereitstellung digital vorliegender, entweder auszudruckender oder digital mittels relevanter Technologie zu unterschreibende Formulare sowie die Digitalisierung der Behördenkommunikation etwa in Deutschland (über die bisher noch nicht von einer breiten Mehrheit akzeptierten Standards der DE-Mail bzw. des E-Postbriefes). Für die Entwicklung der genannten Medien und den Einfluss, den diese gerade auf die Bürokratie und die organisationale Schriftlichkeit (gehabt) haben, kann konstatiert werden, dass eine massenhafte Er- und Bereitstellung, Über- und Verarbeitung von Formularen wie anderen Dokumenten jeweils erleichtert und mit jeder technischen Innovation beschleunigt worden ist. Die Konsequenzen sind in einem Anwachsen des behördlichen Schriftverkehrs zu sehen, speziell im Bereich der E-Mail-Kommunikation. Dies wirft die Frage auf, inwiefern Behörden mit dem
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gesteigerten Aufkommen an Schriftlichkeit umgehen. In diesem Zusammenhang sei der Aktenplan der Bundesregierung (Bundesregierung 2009) betrachtet: Innerhalb der Ordnungssystematik gibt es keinerlei Hinweis darauf, wie die zunehmend (auch) elektronisch durchgeführte schriftliche Kommunikation berücksichtigt wird; die Ordnung erfolgt traditionell rein thematisch. Es muss gefragt werden, ob dies innerhalb der sich wandelnden Bürokratie zukünftig unmodifiziert durchführbar sein wird. Edel (2011) reflektiert den Wandel und die Veränderungsresistenz von Verwaltungskulturen, ohne explizit auf die bürokratische Dimension Bezug zu nehmen. Niehaves (2006; Kap. 4, 48 ff.) zeichnet einen Weg in Richtung moderner Verwaltungskultur, kann vor dem Hintergrund der oben angesprochenen weitergehenden modernen Entwicklungen aber nicht als heute valider status quo begriffen werden. Vacek (2009, 35) sieht häufige Misserfolge „in und nach Veränderungsprozessen“ innerhalb organisationaler Kommunikation: „Grundsätzlich scheint […] die Problematik in der vorwiegend anzutreffenden linearen Übermittlungsperspektive der Kommunikation zu liegen, welche in der Regel mit einem hierarchischen Ansatz gekoppelt ist.“ (Vacek 2009, 36) Hier besteht Anschlussfähigkeit zum Bürokratiebereich, da dort ebenfalls Hierarchien vorliegen. Chancen zur Überwindung solcher Problematik bestünden in einem effektiven Change Management (Vacek 2009, 36– 37); angestrebtes Ziel ist gewiss die Gewährleistung optimal funktionierender Kommunikation zwischen den verschiedenen Ebenen. Hierbei stehen kommunikationspragmatische Implikationen im Vordergrund; der mediale Wandel organisationaler schriftlicher Kommunikationswirklichkeit wird bei Vacek in diesem Zusammenhang nicht diskutiert.
4 Ausblick, Perspektiven für weitere Forschung Aus dem Gesagten ergeben sich die folgenden Fragestellungen: Wie kann und wird das sich stetig steigernde Aufkommen von zunehmend in (ausschließlich) elektronischer Form vorliegenden Texten innerhalb der Bürokratie entwickeln? Heute erscheint das Nebeneinander von Texten auf Papier und ihren computerlesbaren Pendants einerseits natürlich (vor dem Hintergrund eines Dienstleistungsgedankens gegenüber den Bürgern innerhalb z. B. staatlicher Institutionen), andererseits scheint es keine wirkliche Systematik der Koexistenz und häufigen Parallelität dieser medialen Erscheinungsformen zu geben. Inwiefern die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation die sprachliche Realisierung gegenüber der Kommunikation auf Papier beeinflussen/alterieren, müsste in vergleichenden Studien parallel angelegter Kommunikationsverläufe (elektronisch vs. Papier) eruiert werden. Dabei klaffen derzeit die entgegengesetzten Enden der kommunikativen Möglichkeiten denkbar weit auseinander. Ein Beispiel einer solch ambivalenten Situation bietet sich etwa in China: Einerseits werden die Grenzen der digitalen Durchdringung des All-
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tags in privater wie öffentlicher, meist mobiler, Kommunikation ständig verschoben (v. a. über das multifunktionale soziale Netzwerk WeChat), andererseits sind viele bürokratische und Verwaltungsabläufe, etwa bei Bankgeschäften oder innerhalb der universitären Administration, oft durch eine (gewollte) Komplexität und mehrfache Kontrolle charakterisiert (durch Unterschriften verschiedener Entscheidungsträger, Stempel, Fristen etc.). Teils sind (v. a. an Universitäten) die Abläufe sowohl analog wie digital durchzuführen; dies dient nach offiziellen Angaben dazu, die von Präsident Xi Jinping forcierte Anti-Korruptionskampagne zu stützen. Findet andernorts elektronisch eine gegenüber dem Papier verknappte, vielleicht optimierte, womöglich effizientere, gleichsam aber ,entmenschlichte‘ Kommunikation statt? Potenziell tut sich eine grundsätzliche Lücke zwischen den allgemeinen normativen Vorgaben und den situationsgebundenen Anforderungen auf (vgl. Bergmann 2011, 392, der darauf hinweist, dass von Organisationen „verschiedenartigste[] Formen“ der Speicherung von Daten gebraucht werden, wobei nicht immer klar sein kann, wozu diese Daten später einmal dienen sollen); dies ist eine Herausforderung, der es im Zeitalter von Big Data zu begegnen gilt. Man denke an Organisationen wie die Polizeibehörden in Deutschland, deren dezentrale Kommunikationsstruktur z. B. die Verfolgung potenzieller Terroristen erschwert. Von den jeweiligen gegebenen Regeln her sei die möglicherweise existierende Spannung des spezifischen Einzelfalls unbedingt auszuhalten (Bergmann 2011, 394). Ob dies im „stahlharten Gehäuse der Hörigkeit“, wie Max Weber die moderne Arbeitswelt bereits in seiner Zeit bezeichnete, möglich sein kann, darf mit kritischem Blick aber bezweifelt werden. Hier ergäben sich Ansätze zur weiteren Betrachtung, wie auch Habscheid/Müller/Thörle/Wilton (2014, 396) festhalten, ebenso wie (ebd.) Informationsdefizite an der Spitze der Hierarchie, die Anforderungen […] [der] Umwelt, die Gefahr der Abschottung und Erstarrung, die Notwendigkeit soziokultureller Diversität, Perspektiven- und Interessenvielfalt (vgl. auch Derlien/Böhme/Heindl 2011, 202–206, Habscheid 2005).
Tendenzen der Systematisierung der Analysen von Bürokratie vor der Folie eines sich beschleunigenden Medienwandels müssten sich weiter damit auseinandersetzen, inwiefern Texte sowohl in Papier- wie auch in elektronischer Form archiviert werden müssen. Hier existieren international verschiedene Entwicklungsstadien (vgl. die Ausführungen zu China oben). Während in Deutschland bürokratische Abläufe schwerpunktmäßig auf physischer Papierbürokratie basieren (es existiert oft die Option, äquivalente Abläufe elektronisch zu erledigen), gibt es Länder, in denen die Tendenz hin zu einer vornehmlich elektronischen Bürokratie viel deutlicher sind. Dies gilt etwa für Finnland, wo nahezu die komplette Kommunikation mit den Behörden elektronisch möglich ist (in den Amtsstuben existieren aber weiter die traditionellen Papierformulare). Dort ist es mittels der OnlinebankingZugangsdaten möglich, sich in die Internetangebote von Behörden einzuloggen und mittels TAN-Nummern digital zu unterschreiben. Die Protokolle sind dann jeweils nur digital zugänglich. Die internen Abläufe hinsichtlich der Dokumentgene-
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rierung und -archivierung (auf Papier?) sind nicht klar und müssten weitergehend beschrieben werden. Manche Nationen, wie z. B. Estland, gehen mittlerweile sogar schon so weit, innerhalb der Regierung die gesamten behördlichen Abläufe papierlos zu gestalten und die Dokumente stattdessen nur im PDF-Format zu zirkulieren. Auch hier ist zu fragen, wie sich das konkrete Nebeneinander von elektronischer und papierner organisationaler Schriftlichkeit darstellt. Ebenso wird die mobile Dimension von Kommunikation mehr in den Fokus rücken.
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Daniel Perrin
8. Medieninfrastrukturen organisationaler Kommunikation Abstract: Medieninfrastrukturen prägen organisationale Kommunikation und werden durch sie geprägt. Zugleich interagieren sie mit gesellschaftlichem und technologischem Wandel. So sind heute alle Kommunikationsmedien gekoppelt an die Entwicklung des Computers. Vernetzung, Geschwindigkeit, Allgegenwart, Mobilität und Verstetigung in Datenbanken prägen diese Entwicklung. Damit werden die Grenzen durchlässig zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Privatsphäre und Öffentlichkeit, Organisation und Gesellschaft. So verändern sich scheinbar vertraute Tätigkeiten wie Schreiben drastisch. Dieser Beitrag hinterfragt zuerst Medienkonvergenz als Rahmen organisationaler Medieninfrastruktur theoretisch (Teil 1) und an einem Fallbeispiel (2). Dann ortet er die Schlüsselfaktoren absehbarer Entwicklung und zeigt, welche Kernkompetenzen organisationaler Kommunikation die Medieninfrastrukturen fordern – und fördern (3). Aus Anwendersicht im Zentrum steht das Multimedia-Mindset: die Bereitschaft und Fähigkeit, für spezifische Kommunikationsaufgaben und sich ausdifferenzierende Tätigkeiten – etwa fokussiertes und beiläufiges Schreiben – das jeweils passende Medium zu wählen und den Medieneinsatz strategisch abzustimmen (4). Neue Forschungsfelder warten (5). 1 2 3 4 5 6
Ausgangslage: Medienkonvergenz und Ausdifferenzierung Anwendungsbeispiel: Mediale Orchestrierung von Migipedia Anforderungen: Organisationale und individuelle Kompetenzen Nahaufnahme: Fokussiertes vs. beiläufiges Schreiben Schluss und Ausblick: Konvergenz und Ausdifferenzierung in der Forschung Literatur
1 Ausgangslage: Medienkonvergenz und Ausdifferenzierung Entgegen möglicher Implikationen des Medienkonvergenz-Begriffs hat der Reichtum an Varianten im Lauf der Medienentwicklung zugenommen und nimmt weiter zu. Die grundsätzliche technologische Konvergenz durch Digitalisierung aller Medien wird überlagert von pragmatischer Divergenz (z. B. Singer 2009). Diese Kräfte zeigen sich im Arbeitsalltag etwa darin, dass zwar die Computer immer kleiner und leichter werden, die Aktentaschen aber trotzdem immer dicker und schwerer, weil neu darin auch Tabletcomputer und sogar Lesegeräte allein für elektronische Bücher mitgeschleppt werden. All diese Geräte, samt dem ebenfalls https://doi.org/10.1515/9783110296235-008
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mitreisenden Smartphone, leisten Ähnliches, sehen bei unterschiedlicher Größe ähnlich aus und könnten technisch in einem einzigen Gerät verschmelzen: Nichts, was jedes einzelne dieser Geräte leistet, ließe sich als Funktion nicht auch leicht in jedes der anderen einbauen. Die Vermutung liegt nahe, dass diese technologisch kaum begründbare Divergenz vor allem auf Abgrenzung und Umsatz zielt. Angesichts solcher technologischer Umwege greift es deshalb etwas zu kurz, die gegenwärtige Medienentwicklung allein als konvergent zu beschreiben. Dennoch soll die Entwicklung, die den Rahmen bildet für Medieninfrastrukturen organisationaler Kommunikation, in diesem Beitrag künftig als Konvergenz bezeichnet werden. Gemeint ist damit eine Bewegung in Richtung mobiler, vernetzter und digitaler Informationsverarbeitung, die sämtliche technisch vermittelbaren menschlichen Kommunikationsmodi einschließt und verbindet. Hintergrund der Diskussion ist ein Verständnis von Organisationen als kommunikativ konstituiert (z. B. Schoeneborn 2011; Taylor/Cooren 1997). Nach einem solchen Verständnis sind Kommunikation und insbesondere Sprachgebrauch (z. B. Tietze/Cohen/Musson 2003) wesentlich für die Ausübung etwa von Leadership (z. B. Clifton 2012) oder für die Organisationsentwicklung (z. B. Habscheid/Weik 2003). Ausgangspunkt der Diskussion ist nun ein Modell, das Richard Daft und Robert Lengel bereits 1986 vorlegten. Es setzt die Komplexität von Kommunikationsaufgaben in Bezug zur Lebensnähe von Kommunikationsmedien. Leicht aktualisiert und erweitert, erweist es sich als Denkraum zur systematischen Verortung funktionaler Kommunikation:
+ lifelikeliness –
communication setting
– task complexity +
type
example
fixed
printed handbook
+ updatable
web-publication
+ interactive
forum, social
+ para-
media
/nonverbal
video conference
co-situative
face-to-face talk
… inform … coordinate … motivate … lack of involvement setting … fits … task complexity lack of efficiency
Abb. 1: Aufgabe und Medienwahl in organisationaler Kommunikation (nach Daft/Lengel 1986).
In diesem Modell werden die kommunikativen Tätigkeiten heruntergebrochen auf Haupt-Illokutionen wie INFORMIEREN, KOORDINIEREN oder MOTIVIEREN. Mit jeder Stufe nimmt die Komplexität der Handlungsabsicht zu. So etwa schließt erfolgreiches Koordinieren die Tätigkeit des Informierens mit ein, ergänzt sie aber um eine soziale Ebene: Akteure und Prozesse sind aufeinander abzustimmen, was über
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Informationen und Argumente zu erklären und zu begründen ist. Beim Motivieren schließlich kommt ein emotionales Moment dazu: In und mit einer Organisation einen Zielzustand zu erreichen, muss über Informations-, Argumentations- und Koordinationsschritte dargestellt werden als lohnend und deshalb erstrebenswert für die Adressaten (Stücheli-Herlach/Perrin 2013, 21–22). Auch die Kommunikationsmedien stellt das Modell als zunehmend komplex dar, genauer: als angemessen für zunehmend komplexe Interaktionen. Am einen Ende der Skala stehen fixierende Medien für Einwegkommunikation. Autor- und Nutzergruppen sind klar voneinander getrennt, das Kommunikationsangebot wird semiotisch verdauert, das materiale Kommunikationsprodukt ist nicht mehr zu ändern. Ein Beispiel sind gedruckte Weisungen oder Handbücher. Am anderen Ende der Skala steht das Gespräch auf Augenhöhe, in dem alle Beteiligten Äußerungen sowohl einbringen als auch aufnehmen und das sich laufend weiter entfaltet in einem sich ebenfalls entwickelnden Kontext. Solche Medien und Tätigkeiten bezieht nun das Modell systematisch aufeinander. Darin bestehen seine Leistung und seine theoriegeschichtliche Bedeutung. Erkennbar wird, dass zunehmend komplexe Kommunikationsaufgaben zunehmend komplexe Medien bedingen, wobei nicht die technologische Raffinesse, sondern das Potenzial eines Mediums zur Unterstützung lebensnaher Kommunikation entscheidend ist. Während Aufgaben direktiver Information zu zeit- und raumübergreifenden Sachverhalten lösbar sind mit starren Medien wie gedruckten Publikationen, bedingt Motivation in kritischen Situationen lebensnahe Videokonferenzen oder, besser noch, direkte Gespräche. Die Erkenntnisse mögen auf den ersten Blick nicht als bahnbrechend erscheinen. Der Gewinn dieses Modells (und späterer, vergleichbarer Ansätze) liegt aber nicht in der Verortung einzelner Lösungen im Schnittfeld von Aufgabe und Medium, sondern im Schritt zur Orchestrierung (z. B. Perrin 2014): Da Aufgaben in der Organisationskommunikation meist mehrere Handlungsabsichten ganz unterschiedlicher Komplexität miteinander verbinden, sind, für eine funktionale Lösung, immer auch mehrere Medien unterschiedlicher Komplexität miteinander zu verbinden und also aufeinander abzustimmen. Wie dieses Abstimmen zu geschehen hat, wird mit jedem sich neu etablierenden Medium erneut diskutiert, etwa als Problem der Integration von Multimedia (z. B. Pritchard 2005) und Social Media (z. B. Zerfaß/Pleil 2012, Teil I) in die Organisationskommunikation. Das folgende Beispiel illustriert die Problematik: Organisationale Kommunikation mit unterschiedlichen Zielgruppen wird als komplexes Medienkonzert orchestriert. Ein- und wechselseitige Kommunikation ganz unterschiedlich interessierter Anspruchsgruppen ergänzen sich. Es entsteht ein kommunikatives Spiel auf einer medialen Plattform und darum herum, deren Kontrolleure in die Plattform einprogrammiert haben, wer in welchen Rollen mitspielen darf, über welche kommunikativen Freiheiten die einzelnen Mitspieler und Gruppen verfügen und was davon offen gelegt wird. Die „funktionale Transparenz“ (Szyszka 2009, 145) aller
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organisationalen Kommunikation – man ist dort transparent, wo es den eigenen Interessen nützt – erfährt damit eine neue Form der Inszenierung.
2 Anwendungsbeispiel: Mediale Orchestrierung von Migipedia „Coop steht nicht auf der Blacklist“, feixt eine Überschrift am 4. Juni 2010 in der Schweizer Boulevardzeitung Blick am Abend. Die Rede ist von Migipedia, der neuen Internetplattform der umsatzstärksten Schweizer Detailhandelskette
Abb. 2: Bericht zu Start von Migipedia am 4. Juni 2010.
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Migros. Untertitel des Beitrags: „Die Migros lässt sich ab jetzt online bewerten“. Der Text malt dann aus, dass sich auf Migipedia alle dazu äußern dürfen, wie sie die Produkte der Migros finden. Gerade auch kritische Kommentare seien willkommen und würden nicht gelöscht. Die Zielgruppe versteht sofort, die Plattform wird rege genutzt. Die Partitur für das Zusammenspiel von Massenmedien und Social Media funktioniert, und damit ist die Migros öffentlich im Gespräch. Wie die Migros Migipedia einsetzt, soll in den folgenden Abschnitten als Beispiel dafür dienen, welche zentralen Aufgaben Organisationen mit neuen Medieninfrastrukturen lösen können und müssen. Der Text stellt scharf auf vier Aufgaben ganz unterschiedlicher Komplexität, die im Wandel der Medieninfrastruktur vordringlich sind: gesellschaftliche Systeme synchronisieren (2.1), an Grundgeschichten als Konstanten anknüpfen (2.2), medienspezifische Genres entwickeln und damit die Stärken jedes einzelnen Mediums nutzen und verbinden (2.3) – und Einfälle begünstigen, um im laufenden Betrieb den Wandel nicht nur nachzuvollziehen, sondern innovativ zu prägen (2.4).
2.1 Systeme synchronisieren Der Fall Migipedia illustriert: Öffentlichkeit ist nicht einfach da; Öffentlichkeit wird hergestellt, zum Beispiel mit externer Organisationskommunikation. Das geschieht über Diskursangebote, Angebote zur Auseinandersetzung mit öffentlich bedeutsamen oder zumindest nachgefragten Themen. Solche Diskurse durchziehen die Gesellschaft wie rote Fäden und werden weitergesponnen in allen möglichen kommunikativen Ereignissen, etwa einer Medienkonferenz zu Migipedia, Stammtischgesprächen nach der Lektüre des Blick am Abend, Anschlussgesprächen am Morgen danach, Diskussionen im Internet über Preis und Qualität der Bratwürste der Migros. In und zwischen Gemeinschaften wie Organisationen oder Milieus dienen Diskurse der gesellschaftlichen com-municatio, also dem Mit-Teilen von Vorstellungen, eben zum Beispiel von Einschätzungen der Lebensmittelqualität. Das Teilen von Vorstellungen, die Verständigung, setzt eine gemeinsame Sprache voraus, egal ob es um vermeintlich Simples geht wie den Geschmack von Bratwürsten oder Komplexeres wie das Konzept einer Genossenschaft, die einen Großverteiler wie die Migros trägt. In Diskursen, die über eine Fachgemeinschaft hinausreichen, kommunizieren Menschen mit ganz unterschiedlichem Erfahrungshintergrund miteinander: Laien mit Wissenschaftlerinnen, Junge mit Alten, Großstädter mit Bewohnerinnen entlegener Täler. Sie bewegen sich in je eigenen Welten, in denen je eigene Gegenstände bedeutsam sind und deshalb präzise gedacht und benannt werden. Je wissenschaftlich detaillierter etwa eine Soziologin die Mechanismen eines Genossenschaftsbundes beschreibt, desto eher riskiert sie, von Laien nicht oder falsch verstanden zu werden, denen das Fachwissen und die Fachbegriffe dazu fehlen, das Gemeinte wahrzunehmen.
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Systemtheoretisch gesprochen, differenzieren sich gesellschaftliche Systeme wie Wissenschaft, Wirtschaft oder Politik immer mehr aus und grenzen sich damit voneinander ab – während Öffentlichkeit darin besteht, sich über die Grenzen dieser Systeme hinweg zu verständigen, also sich mit den gemeinsam wichtigen Themen auseinanderzusetzen und somit die Diskurse zu synchronisieren (z. B. Wyss 2011). Das gilt für die organisationale Kommunikation nach außen so sehr wie für die Kommunikation innerhalb einer (im Kleinen immer auch heterogenen) Organisation. Wie aber ist es möglich, unvereinbare Diskurse zu synchronisieren? – Es geschieht, indem Kommunikation auf möglichst weit verbreitete lebensweltliche Erfahrungen zurückgreift. Dazu zählen Grundgeschichten, die Teil jeder Kultur sind und von dieser über Generationen hinweg tradiert werden (z. B. Fasulo/ Zucchermaglio 2008).
2.2 Grundgeschichten erzählen Gut gewinnt gegen Böse, gemeinsam sind wir stark, Ehrlichkeit währt am längsten, liebet eure Feinde – das sind Basisnarrative hinter den Grundgeschichten unserer Kultur. Die Kinder bekommen die Geschichten erzählt, lange bevor sie rational argumentieren oder sich gar in einem Fach spezialisieren können. So früh Verstandenes setzt sich als schwer hinterfragbar, als grundlegend gültig, in den Vorstellungen der Menschen fest und rahmt, ob es einem bewusst ist oder nicht, das Verstehen (z. B. Arnold/Dressel/Viehöver 2012, Teil I). Im Fall von Migipedia klingen Grundgeschichten schon an, wenn die Verantwortlichen das Projekt vorstellen. „Wir wollen keine Zensur üben“, zitiert Blick am Abend die Projektleiterin von Migipedia (s. o., Abb. 2). Sogar dem Chef der Konkurrenz stehe die Bühne Migipedia offen. „Auch Coop-Chef Loosli darf bei uns mitkommentieren.“ So spielt man mit offenen Karten, liebt man seine Feinde, macht man den Kunden zum König und lässt man Ehrlichkeit am längsten währen. So erzeugt man Reputation, so positioniert man die Organisation Migros (z. B. Barker/Gower 2010; Brown u. a. 2004). Geschichten lenken Aufmerksamkeit, Emotionen und Verstehen. Auf den Nenner gebracht, sagt die Forschung zur Narration, zum Storytelling in organisationaler und öffentlicher Kommunikation (z. B. Rhodes/Brown 2005): Wir neigen dazu, die Dinge im Sinn unserer Geschichten und Basisnarrative wahrzunehmen. Was sich sperrt, blenden wir aus oder deuten wir um. Herstellung von Öffentlichkeit als Synchronisation von Diskursen – immer über Fachgrenzen hinweg – gelingt also eher, wenn wir auf Geschichten als die gemeinsamen, systemübergreifend verankerten Deutungsmuster zurückgreifen und sachbezogene Argumentationen an solche Geschichten anschließen. Das ist Public Storytelling (z. B. Niederhäuser/Rosenberger 2015, Kapitel 4.1; Perrin u. a. 2009; Sturm 2013). Migipedia ist ein Instrument für das Management dieses Public Storytelling – aus drei Blickwinkeln. Erstens kann sich die Kundschaft willkommen, verstanden
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und ernst genommen fühlen. Man hört auf sie, ist interessiert an ihrer Meinung, auch an Kritik. Zweitens scheint man keine Angst vor der Meinung der Konkurrenz zu haben; das klingt stark. Und drittens bleibt man der Ur-Geschichte des MigrosGründervaters Gottlieb Duttweiler treu. Im Blick am Abend sagt die Projektleiterin von Migipedia: „Früher fuhr Dutti [Kurzform von Duttweiler] dazu [um etwas über die Kundenwünsche zu erfahren] mit den Migros-Wagen mit, heute machen wir das übers Internet.“ Tradition wird zeitgemäß in Szene gesetzt, Unternehmenswerte erweisen sich als Konstanten im Wandel – was könnte glaubwürdiger wirken als diese Verbindung von konstanten Narrativen und neuem Genre.
2.3 Medienspezifische Genres entwickeln Zusammen mit den Basisnarrativen haben sich in der organisationalen und öffentlichen Kommunikation Genres als dramaturgische Muster eingeschliffen: etwa das Firmenporträt zu den Früchten der klugen Geschäftsidee einer Gründerfigur; die Medienmitteilung zum nützlichen neuen Projekt; das Testimonial zur Begeisterung der Kundschaft; der Werbespot zum glückstiftenden neuen Produkt; der Zeitungsbericht zur gesellschaftlich bedeutsamen Entwicklung. Alle Genres nutzen die Stärken ihrer Medien und erleichtern den Rückgriff auf Geschichten. Im Gegensatz zu den Basisnarrativen sind die Genres aber an die Medien gebunden – und damit an den Medienwandel: Wenden sich Organisationskommunikation und Öffentlichkeit neuen Medien zu, sind neue dramaturgische Muster, neue Genres gefragt: Muster, mit denen die Eigenheiten konvergierender Medien im Sinn der allgemein verständlichen Geschichten für den öffentlichen Diskurs genutzt werden können (z. B. Yang 2012; Zhou 2012). Solche neuen Muster entstehen in allen Lebensbereichen dann, wenn sich neue Einfälle einzelner Nutzerinnen und Nutzer in Nutzungsgemeinschaften bewähren und einschleifen (Luginbühl/Perrin 2011). Irgendjemand muss auf die Idee kommen, das Ranking aus Youtube zu kreuzen mit der Mitmach-Enzyklopädie Wikipedia und dem Tagging aus Facebook. An all das haben sich jüngere Mediennutzende heute gewöhnt; der Mix davon aber war 2010 neu und ermöglicht den Migipedia-Betreibern seither neben Kundenbindung auch Issues Management und Diskursrahmung: die Migros erfährt, wie ihre Produkte ankommen, und sie bestimmt, welche Geschichte Migipedia grundsätzlich erzählt. Dort auf der Startseite ganz oben standen zu Beginn immer die am besten bewerteten Migros-Produkte – und nicht etwa die am meisten oder gar am kritischsten bewerteten. Mitmachen können also alle, mit jeder Meinung, auch mit scharfer Kritik; sichtbar aber wird zuvorderst das Positive. Die einzelnen Beiträge sind im Detail demokratisch frei und unvorhersagbar – aber die Dramaturgie des Gesamtangebots ist im Sinne der Organisationsinteressen programmiert, und zwar programmiert auch im Wortsinn von vorgeschrieben. So schreibt man automatisch Erfolgsgeschichten vor und man schreibt Erfolgsgeschichte.
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Abb. 3: Einstiegsseite von Migipedia, Beta-Version 2010. Zuoberst stehen die am besten bewerteten Produkte.
2.4 Einfälle begünstigen Die Geschichten bleiben, die Genres ändern sich. Es reicht nicht aus, bestehende Genres in neue Medien zu quetschen. Zwar zeigt die Mediengeschichte, dass jedes Medium zuerst mit leicht angepassten Genres seiner Vorgänger bespielt wurde: Die erste gedruckte Bibel Gutenbergs war das perfekte Ebenbild einer mönchischen Handschrift. Die ersten Zeitungen druckten Korrespondenz und Protokolle, das erste Radio ließ die Nachrichtensprecher sozusagen die Zeitung vorlesen, das erste Fernsehen zeigte die Nachrichtensprecher beim Vorlesen von Radionachrichten. Auch das Internet startete dramaturgisch verhalten, als Plattform von verlinkten schriftlichen Texten und später von Standbildern, Audiodateien und Videos. Die Social-Web-Bewegung aber setzt jetzt auf die Stärke konvergenter Medientechnologie und verbindet Massen- und Individualkommunikation zu etwas Neuem: zu Social Media. Fernsehen, Nachschlagewerk und E-Mail lassen sich nicht nur über die gleiche Plattform nutzen, sondern auch systematisch aufeinander beziehen. Das dramaturgische Spiel an den Reibungsflächen von Individual- und Massenkommunikation, von Privatheit und Öffentlichkeit – das macht den Reiz von Social Media aus. Noch fehlen weitgehend die Genres dazu; das dramaturgische Vakuum aber beginnt sich zu füllen. In solchen Situationen ist Emergenz gefragt.
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Emergenz bedeutet das spontane Entstehen von etwas grundsätzlich Neuem, vorher Undenkbarem: von einem neuen Ganzen, das mehr ist als die Summe seiner Teile (z. B. Holland 1998; Lantolf 2006). Leben auf der Erde ist emergent entstanden aus Energie und Materie; Social Media sind emergent entstanden aus Individualund Massenmedien. Als emergente Produkte bieten Social Media nicht nur die Möglichkeiten von Individual- und Massenmedien zusammen, sondern auch grundsätzlich neue Möglichkeiten, die sich nun in neuen kommunikativen Genres einschleifen werden. Am Anfang solcher Genres stehen wiederum Einfälle für emergente Lösungen. Wer die Stärken der sich rasch wandelnden Medienumgebung für sich nutzen will, wird deshalb Emergenz systematisch ermöglichen, fördern und nutzen wollen. Migros hat für ihr Projekt Migipedia sehr junge Mitarbeitende engagiert, die mit sozialen Medien aufgewachsen sind, und sie zusammenarbeiten lassen mit gestandenen Kolleginnen, die das Konstante der Migros-Kommunikation kennen und vertreten: die Genossenschaftsidee, die Basisnähe, die Transparenz, den Willen, „ein M besser“ zu sein. Zusammen hat das etwas Neues ergeben – als Team, als Produkt und als Effekt. Nicht einmal die Konkurrenz wurde auf die Blacklist gesetzt. „Coop steht nicht auf der Blacklist“, jubelte Blick am Abend: Die Geschichte ging auf. Auch wenn Coop den „bad guy“ spielen möchte, die Migros bleibt „good guy“. Public Storytelling in konvergenten Medien erweist sich hier als ein konzertantes Spiel auf allen Kanälen, als eine Verbindung von Emergenz und Konstanz, und als die Vermittlung von Geschichten, die in Diskursen anschlussfähig sind (z. B. Salmon 2007).
2.5 Zwischenfazit: Kontrolle neu ausbalancieren Migipedia ist eine von vielen hybriden Plattformen für organisationale und öffentliche Kommunikation, die seit dem Aufkommen des Social Web entstanden sind. Einzelne Ideen aus diesem sich rasch wandelnden, noch stark von Experimenten geprägten Angebot werden sich als neue Genres, als Gestaltungs- und Nutzungsmuster einschleifen – und zwar in allen Berufsfeldern öffentlicher Kommunikation, also nicht nur in der Unternehmenskommunikation von Firmen wie der Migros, sondern überall, wo große Anspruchsgruppen erreicht und eingebunden werden wollen, deren Mitglieder sich in ihrer Mediensozialisation ans Mitreden gewöhnt haben. Organisationale Strategien des Community Managements rufen nach passenden kommunikativen Werkzeugen. Stets wird es, wie bei Migipedia, darum gehen, die frühere Top-down-Kontrolle organisationaler Kommunikation ein Stück weit an alle Nutzenden abzugeben und zugleich neue, komplexere Formen der Steuerung von Kommunikation von Organisation und Öffentlichkeit zu entwickeln. Die neuen Genres für Social Media zu entwickeln und damit an Konstanten organisationaler und öffentlicher Kommunikation wie Public Storytelling anzuknüpfen, bedingt aber Kompetenzen einer Gemein-
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schaft und ihrer Akteure, die in herkömmlichen Infrastrukturen noch weniger zentral waren.
3 Anforderungen: Organisationale und individuelle Kompetenzen Wo herkömmliche, vorwiegend top-down geprägte Muster organisationaler Kommunikation aufbrechen, sind Haltungen und Kompetenzen gefragt (z. B. Moser-Wellman u. a. 2008), neue Formen etwa der Kommunikationssteuerung zu entwickeln (3.1), im Netzwerk von Akteuren zu kommunizieren (3.2) und die unterschiedlichen Kanäle neuer Medieninfrastrukturen optimal zu nutzen und aufeinander abzustimmen (3.3). Dabei bedingen Leadership-, Management- und Gestaltungsrollen organisationaler Kommunikation je spezifische Ausprägungen dieser Kompetenzen und der ihnen zugrunde liegenden Haltungen.
3.1 Innovationskompetenz Öffentlichkeit fand früher im Dorf statt, im direkten Gespräch zum Beispiel am Dorfbrunnen. Je weiter aber die Welt und je globaler die Gemeinschaften, desto wichtiger wurden und werden technische Kommunikationsmedien. Mit ihnen überbrücken Kommunizierende Raum und Zeit, etwa zwischen Organisationseinheiten und Teilöffentlichkeiten. Die Entwicklung organisationaler und öffentlicher Kommunikation ist also gekoppelt an Medienentwicklung und damit, seit der Medienkonvergenz, an die Computerentwicklung. Im Gegensatz zu älteren Medien, wie Radio oder Stift und Papier, erneuern sich Computertechnologien aber ständig und rasant. Wer sich in diesem Medienumfeld bewegt, muss Vertrautes und Neues im steten, raschen Wandel der Medientechnologie laufend neu ausbalancieren. Längst geht es nicht mehr um den „Digital Divide“ (z. B. Norris 2001), die Kluft zwischen einer Mediatisierung ohne und mit Computer und Internet. Die digitale Revolution (z. B. Tapscott 1996) hört nie auf und betrifft nicht nur die technische Infrastruktur, sondern vor allem deren gesellschaftlichen Gebrauch. Social Media zum Beispiel wurden ermöglicht durch schnellere, dichter vernetzte Digitaltechnologie, haben dann die Mediennutzungsgewohnheiten im Alltag verändert (z. B. Hoffmann 2010 für Erzählen in neuen Medien) und drängen so auf Veränderung der Organisationskommunikation (Brown u. a. 2004). Gefragt ist Offenheit für Wandel und Emergenz und damit die Fähigkeit zur Innovation. Was heißt das im Gefüge organisationaler Kommunikation? – Auf einer Leadership-Ebene bedeutet Innovationskompetenz: den Mitarbeitenden reflektierten Wandel als Wert vorleben. Es geht eben gerade nicht mehr um den großen Schritt hin zur Facebook-Policy der Organisation, sondern um
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die Bewusstheit, dass mediale Infrastrukturen rasch kommen und rasch gehen, dass organisationale Teilhabe deshalb agil zu dosieren ist und dass dies nur gelingen kann, wenn eine Organisation Sicherheit im identitätsstiftenden Umgang mit Kontinuität und Wandel entwickelt hat: ein Gefühl für dynamisches Gleichgewicht, „stability in motion“ (z. B. Perrin 2013, 238; gestützt auf LarsenFreeman/Cameron 2008, 87). Im Fall von Migipedia zum Beispiel bestimmt das Leitmotiv der Kundennähe, wie es der Firmengründer werbewirksam geprägt hat, das sich sonst zügig verändernde Medienkonzert der Organisationskommunikation. Auf einer Management-Ebene bedeutet Innovationskompetenz: systematisch Freiräume für Einfälle schaffen. Einfälle braucht Organisationskommunikation, um neue mediale Möglichkeiten und gestandene Werte genuin zu verbinden. Nun lassen sich Einfälle nicht befehlen, anordnen, erzwingen – aber begünstigen. Das Management von Kommunikationsabteilungen kann am Arbeitsplatz Bedingungen schaffen, welche die Offenheit für Unerwartetes ermöglichen. Zu solchen Bedingungen und Maßnahmen gehören etwa soziale Diversität, Gelegenheit zum informellen Austausch, Anreizsysteme für innovative Ansätze. Erst wo Routinen auch gestört werden dürfen, können sie kreativ aufgebrochen und weiterentwickelt werden (z. B. Feilke 2012; Spinuzzi 2012). Auf einer Gestaltungs-Ebene bedeutet Innovationskompetenz: Emergenz erzeugen und nutzen. Emergente, grundsätzlich neue Einfälle sind dann zu erwarten, wenn Vertrautes probehalber losgelassen und Irritierendes wahrgenommen werden kann. Verschiebt die Irritation den Blickwinkel, zeigen sich auch im Vertrauten neue Zusammenhänge, und scheinbar Unlösbares erweist sich plötzlich, im neuen Licht, als lösbar. Allerdings neigen so erzeugte Einfälle und gewonnene Einsichten dazu, ein soziales Umfeld, das noch in alten Denkmustern verharrt, vorerst zu befremden. Innovationskompetenz schließt deshalb auf der Gestaltungsebene die Fähigkeit mit ein, unkonventionelle Ideen nicht nur zu entwickeln, sondern auch zu vermitteln.
3.2 Kooperationskompetenz Die Kehrseite technologischer Konvergenz ist pragmatische Divergenz (s. o., Abschnitt 1): Einerseits werden technische Infrastrukturen aus marktwirtschaftlichen Überlegungen gegeneinander abgegrenzt. Andererseits nutzen Gemeinschaften die ihnen zur Verfügung stehenden Infrastrukturen unterschiedlich, um sich nach außen vom digital immer greifbareren Rest zu unterscheiden: Wo alle anderen Diskurse nur ein paar Klicks entfernt sind, tragen eigene Mediennutzungsstile zur Identitätsbildung bei. So dient etwa aufwändig zelebrierte Briefkorrespondenz in Nischen organisationaler Kommunikation dem Ausdruck besonderer Wertschätzung und hohen Status.
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Zudem greift in organisationaler wie öffentlicher Kommunikation der Zwang der Technizität: Einmal installierte Medien rufen nach Ausnutzung ihres technischen Potenzials. Zum Beispiel: Seit die Medienkonvergenz der Organisationskommunikation leicht zugängliche Videokanäle im Social Web beschert hat, erwarten medienaffine Anspruchsgruppen Corporate Video, also die unkomplizierte „Inszenierung“ (Szyszka 2012) einer Organisation auf Plattformen wie Youtube. Erwartet wird, dass die Organisation überhaupt präsent ist, dass sie die Stärken des Mediums überzeugend nutzt, dass sie alle anderen angesagten Medien ebenfalls jeweils medienspezifisch passend bespielt – und dass sie sich dabei immer als sie selbst zeigt, also die formal zentrifugalen Medien beim multimodalen Storytelling (z. B. Yang 2012) nicht nur medienspezifisch, sondern auch sinn- und identitätsstiftend einsetzt. Gefragt ist damit die Fähigkeit, ältere und neuere Medien sinnvoll aufeinander abzustimmen, einzubeziehen und zu verbinden, was in der organisationalen Praxis Teamarbeit verlangt und die Fähigkeit zur strategischen, konzeptionellen und operativen Zusammenarbeit voraussetzt: Weil niemand für sich alleine all die Technologien und Dramaturgien bestmöglich zu nutzen weiß, müssen Akteure organisationaler und öffentlicher Kommunikation die eigenen Medien und Medienpraktiken einschätzen und einsetzen, an den Schnittstellen zu anderen Medien und ihren Experten effektiv handeln und das ganze Zusammenspiel ebenso sinn- und identitäts- wie gemeinschaftsbildend steuern können. Was heißt das im Gefüge organisationaler Kommunikation? – Auf einer Leadership-Ebene bedeutet Kooperationskompetenz: auf allen Kanälen achtsam zuhören. Ebenso wie die Einfälle, lässt sich auch ersprießliche Zusammenarbeit nicht befehlen, aber begünstigen, erleichtern, ermöglichen. Dazu gehört die Bewusstheit, was sich außer- und innerhalb der Organisation tut, wo sich medientechnische und kommunikationspragmatische Bedürfnisse ergänzen, wer in welchen Belangen organisationaler Kommunikation zu wem passt und welcher Schuh wen drückt in bestehender oder geplanter Zusammenarbeit. In neueren Ansätzen wird diese Bewusstheit und Achtsamkeit beschrieben als Qualität von „listening leaders“ (Steil/Bommelje, 2004) wie eben Gottlieb Duttweiler (s. o., 2.2). – Auf einer Management-Ebene bedeutet Kooperationskompetenz: die Richtigen zusammenbringen sowie Austausch ermöglichen am Arbeitsplatz. Im Arbeitsfluss Planbares, wie Arbeitsplatz-Architektur oder Wertschöpfungsketten der Kommunikation, ist so anzulegen, dass sich die einbezogenen Rollen und Akteure in ihren Leistungen gegenseitig ergänzen und, idealerweise, beflügeln können. Wo die Zusammenarbeit mit wenigen Routinen auskommt, öffnet sich Raum für kreative Momente, für beseeltes (Sprach-)Spiel im Wittgenstein’schen Sinn (Pondy 1978, gestützt auf Wittgenstein 1953), für Kür auf der Basis erfüllter Pflicht. Da Kommunikation immer auch von Aufmerksamkeit und damit vom Besonderen oder gar Einmaligen lebt, ist Freude am Zusammen-Wirken
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umso wichtiger, je arbeitsteiliger organisationale Kommunikation in ihren hoch ausdifferenzierten medialen Infrastrukturen wird. Auf einer Gestaltungs-Ebene bedeutet Kooperationskompetenz: die Schnittstellen kennen und nutzen. Wer weiß, welche Medien wozu taugen und welche davon er oder sie selbst zu bespielen vermag (und welche eben nicht), kann besser einschätzen, wie in der täglichen Arbeit die Schnittstellen zu Kolleginnen und Kollegen auszugestalten sind, damit Erfolg versprechende Kommunikationsangebote entstehen. Zur Kooperationskompetenz gehört aber auch die Fähigkeit, Arbeit an den Schnittstellen zu Peers, Vorgesetzten und Untergebenen sowie externen Anspruchsgruppen metakommunikativ auszuhandeln. Mit zunehmender Mediatisierung der Organisationskommunikation wird also immer wichtiger, im hochkomplexen Netzwerk der Akteure angemessen zu handeln, wobei auch das metakommunikative Aushandeln selbst zunehmend mediatisiert geschieht (z. B. Erhardt/Gibbs 2014), etwa über SMS oder Intranet – und damit medial schriftlich (s. u., Abschnitt 4).
3.3 Schreibkompetenz Digitalisierung bedeutet Verschriftlichung auf allen Kanälen. Die Welt wird zur vernetzten Datenbank, mit ungeklärten Rechten der unterschiedlichen Nutzergruppen. Frühere Konzepte von Privatheit und Datenschutz sind technologisch überholt: Alles lässt sich jederzeit aufzeichnen und veröffentlichen, und einmal Veröffentlichtes ist kaum mehr aus den Myzelien des Internets zu entfernen. Zudem zeigen die Diskurse um Computerkriminalität: Keine Verschlüsselungstechnik, keine Firewall hält virtuosem Hacking stand. Diesem technologischen Wandel läuft das Medienrecht hinterher, wobei sich die Medienethik der Nutzerinnen und Nutzer verschiebt in Richtung Akzeptanz des technisch Machbaren (z. B. Vie 2013). In der Praxis bedeuten diese neuen Kommunikationsbedingungen: Was einmal geäußert und über digitale Netze mitgeteilt oder auch nur abgelegt wurde, ist überall, auf ewig und – wenn auch jeweils in vielen Rechtssystemen illegal – grundsätzlich für alle greifbar. Auf der anderen Seite ist nichts digital Fixiertes wirklich fest: Elektronisch gespeicherte Zeichen, ob publiziert oder nicht, lassen sich jederzeit weiter editieren, sind also stets nur vorübergehend fest. Metaphorisch gesprochen, sind digital fixierte multimodale Texte ständig Plasma-Zustand, weder ganz flüssig noch ganz fest, während früher das Gedruckte bleibend fixiert nur noch mit neuen Druckauflagen oder Filmversionen veränderbar war. Sozusagen im Gegenzug sind die Prozesse der Veränderung von Kommunikationsangeboten im Internet für versierte Nutzerinnen und Nutzer grundsätzlich automatisch verfolg- und damit dokumentierbar. Internetseiten wie http:// www.newssniffer.co.uk verraten etwa, wie journalistische Medien ihre bereits im Internet publizierten Beiträge nachträglich abgeändert haben, und viele Webseiten zeigen Ähnliches für die Internetauftritte bestimmter Politikerinnen und Politiker.
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Solche Entwicklungen wie plasmaartige Verdauerung von Kommunikation auf allen Kanälen sowie translegale Transparenz sowohl von Datenprodukten als auch von Datenprozessen verändern Kommunikation in Richtung multimodalen Schreibens. Alles Gesagte ist festgehalten und unterliegt zugleich fortlaufender Rekontextualisierung und Überarbeitung. Gefragt sind Konsistenz in Argumentation und rahmender Erzählung sowie Bewusstheit bei der Festlegung der Zeichen wie beim Abschätzen ihres Anschlusspotenzials – kurz: die Fähigkeit, sich ständig und multimodal festzulegen. Was heißt das im Gefüge organisationaler Kommunikation? – Auf einer Leadership-Ebene bedeutet Schreibkompetenz: Grundgeschichten konsistent leben und Sinn stiften. Im Lauf der Geschichte einer Organisation kommt es zu Varianten, Wendungen, Brüchen an der Oberfläche. Wer durch allen Wandel hindurch Identität findet, lebt und mitteilt, hat größere Chancen auf Vertrauen von Anspruchsgruppen wie Mitarbeitenden, Kunden und Regulatoren: Hier weiß man, woran man ist (z. B. Niederhäuser/Rosenberger 2015; Rosenberger/Wieder 2014). Motoren der Identitätsstiftung sind Grundgeschichten, wie sie in der organisationalen Kommunikation etwa der Migros transmedial erzählt wurden und werden (s. o., 2.2). – Auf einer Management-Ebene bedeutet Schreibkompetenz: Kommunikation identitätsorientiert steuern. Grundgeschichten zu erzählen, bedeutet noch nicht, sie zu leben. Entscheidungen des Managements als Taten können die Worte leben oder Lügen strafen. Eine Grundgeschichte und damit die Identität einer Organisation schreibt sich fort, wenn Entscheidungen so gerahmt und deutbar gemacht werden, dass sie implizit oder explizit zur Geschichte passen, als Variante, als Konkretisierung, als logische Fortsetzung, als assoziative Nähe. Organisationskommunikation trägt also dann zur Identitätsbildung bei, wenn sie nach innen wie außen mit den jeweils passendsten Mitteln und über die jeweils passendsten Kanäle zeigt, wie das Neue zusammenhängt mit dem Bestehenden und es im dreifachen Hegel’schen Sinn aufhebt: bewahrt (conservare), emporhebt und fokussiert (elevare) und überwindet (negare) zugleich. – Auf einer Gestaltungs-Ebene bedeutet Schreibkompetenz: auf allen Kanälen im Schreibfluss bleiben. Mit der Medienkonvergenz ist Schreiben in einem weiteren semiotischen Begriffsverständnis zur Grundvariante organisationaler Kommunikation geworden (s. o., 2.3). Wo Kommunikation, etwa im Sinn von Prozesskommunikation (z. B. Lies 2008), fließen soll, ist Schreibfluss gemeint. Ständig, immer und überall sind Texte zu schreiben und zu überarbeiten, vom Einwort-Datenbankeintrag bis zum umfassenden Projektantrag oder Strategiepapier. Dies bedingt eine Haltung, die im nächsten Teil als Bereitschaft zum beiläufigen Schreiben, zum „Writing by-the-way“ (Hicks/Perrin 2014, 231), beschrieben wird (4).
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3.4 Zwischenfazit Die Medienentwicklung ist also geprägt von Vernetzung, Geschwindigkeit, Allgegenwart, Mobilität und Verstetigung in Datenbanken. Die Grenzen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Privatsphäre und Öffentlichkeit, Organisation und Gesellschaft, Freiheit und Kontrolle werden durchlässig. Organisationale Kommunikation, über ihre Medieninfrastrukturen direkt gekoppelt an die rasante Entwicklung der Computertechnologie, befindet sich dauerhaft in raschem Wandel. Kommunikatives Handeln in einem solchen Medienumfeld bedingt Kompetenzen, neue Lösungen für Kommunikationsprobleme zu finden und umzusetzen, dabei in komplexen Netzwerken mit anderen spezialisierten Akteuren zusammenzuarbeiten und sich auf allen Kanälen laufend sinnstiftend und möglichst widerspruchsfrei festzulegen, also konsistent am multimodalen Schreiben zu bleiben – ob fokussiert, wie seit Jahrhunderten, oder beiläufig, passend zu Kommunikationsstilen, wie sie sich mit sozialen Medien entwickeln.
4 Nahaufnahme: Fokussiertes vs. beiläufiges Schreiben In einem Handbuch mit Fokus auf Sprache und Sprachgebrauch in Organisationen sticht, unter all den beschriebenen Entwicklungen und Anforderungen medial vermittelter organisationaler Kommunikation, das Zusammenspiel von fokussiertem und beiläufigem Schreiben als linguistisch interessantes Phänomen heraus. Es wird erst seit Kurzem erforscht und soll vor dem Fazit des Kapitels näher beleuchtet werden.
4.1 Vom fokussierten Schreiben … Unter Schreiben wurde lange Zeit ausschließlich eine fokussierte Tätigkeit verstanden: Menschen ziehen sich an ihren Arbeitsplatz oder in eine ruhige Ecke im Privaten zurück, greifen zu Stift und Papier, Schreibmaschine oder Computer und verfassen einen ersten Textentwurf (Hicks/Perrin 2014, 231). Den überarbeiten sie dann möglichst sorgfältig, wieder und wieder, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden sind. Während der Überarbeitung haben sie sich bemüht, sämtliche Spuren von Kämpfen mit Rahmenbedingungen, Kommunikationsabsichten und Formulierungen zu tilgen. Erst das bereinigte Endprodukt wird schließlich weitergereicht an eine nächste Kommunikationsinstanz: ein Brief an eine einzelne Adressatin oder eine Medienmitteilung an eine Gruppe von Mitentscheidern in der Organisation. Dieses fokussierte Schreiben unterscheidet sich vielschichtig vom spontanen Sprechen. Nicht nur sind die sprachlichen Einheiten raum- und zeitübergreifend
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fixiert, sie sind in aller Regel auch dazu bestimmt, in ihrer Fixierung aus dem Entstehungszusammenhang herausgelöst und in völlig anderen Kommunikationsumgebungen gelesen und von allen Adressatinnen und Adressaten ähnlich verstanden zu werden. Solche Kommunikationsangebote wollen möglichen Rückfragen zuvorkommen, etwa indem sie vermutetes Vorwissen der Lesenden und neue Information nachvollziehbar verweben. Der Text, die Textura, das Gewebe eingesponnener Gedanken soll Sinn tragen, soll selbstständig funktionieren. Fokussiert geschrieben werden E-Mails in Minuten, Projektanträge in Stunden bis Tagen, Strategiepapiere in Wochen und Handbücher in Monaten bis Jahren. In jedem Fall, in jeder Zeitspanne prägen Revisionen den Schreibprozess: Geschriebenes wird gelesen, überdacht und verändert, bis es passt. Dieses Umbauen veräußerter, im mentalen Außenraum fixierter Gedanken hat die Vorstellung von Schreiben bestimmt, seit Schreibmaterial erschwinglich ist und Schreibprozesse leicht von der Hand gehen. In Stein Gehauenes wurde naturgemäß ebenso ungern revidiert wie auf kostbares Pergament Gemaltes, aber Tinte und billiges Papier oder erst recht Bildschirme beflügelten das epistemische Schreiben, das Schreiben zum und als Denken (z. B. Menary 2007; Molitor-Lübbert 1996). Mit Computern als Schreib-Maschinen in ubiquitären Netzwerken hingegen begann sich das Epistemische vom einzelnen Schreibprozess zu lösen.
4.2 … zum beiläufigen Schreiben, Writing by-the-way In Gesprächen entsteht der Adressatenzuschnitt eines Kommunikationsangebots schrittweise: Man erkennt an Reaktionen des Gegenübers, wo Äußerungen nachzubessern, zu präzisieren, zu illustrieren oder zu korrigieren sind, bis – falls allseits gewünscht – Verständigung hergestellt ist, also alle Beteiligten das Gefühl haben, von allen anderen im Wesentlichen richtig verstanden worden zu sein. Die einzelnen Gesprächsbeiträge sind dabei flüchtig, also semiotisch nicht fixiert. Wer sich von Gesprächszug zu Gesprächszug leicht korrigiert und sein Kommunikationsangebot etwa in Richtung vermuteter Erwünschtheit weiter formt, riskiert deshalb kaum, auf frühere, inzwischen verflüchtigte Versionen behaftet zu werden. Die Medienkonvergenz nun erleichtert das gemeinsame, aushandelnde Verfertigen von Gedanken beim Reden auch in materiell fixierter Kommunikation. Waren schon Telefaxe informeller und kürzer als Geschäftsbriefe, haben sich die Zwänge zur Konvention bei E-Mails weiter gelockert. Zwar wurden und werden auch hier Form- und Stilfragen diskutiert (z. B. Bondi 2005) – aber in der Praxis organisationaler Kommunikation sind E-Mails weniger streng normiert als Geschäftsbriefe. So fällt zum Beispiel in E-Mails das Schreiben von Adressköpfen weg, weil Adressen und Datum automatisch eingefügt werden. Viele Schreibende verzichten zudem, gerade auch in rasch getakteter Geschäftskorrespondenz, auf förmliche Anreden, Einleitungen und Grußformeln.
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Wo aber direkt zur Sache gegangen wird und überdies eine Antwort das Gegenüber postwendend erreichen kann, liegt es auf der Hand, sofort zurückzufragen – oder, umgekehrt, in einem E-Mail-Wechsel von Anfang an Rückfragen lieber in Kauf zu nehmen, als ihnen mit sorgfältiger Adressatenorientierung vorzubeugen. So werden E-Mail-Wechsel zur medial schriftlichen, aber konzeptionell mündlichen Kommunikation (z. B. Dürscheid 2003, mit Bezug auf Koch/Oesterreicher 1994): Man tippt spontan und verschickt den ersten Entwurf ohne Überarbeitung, wie beim Reden. In SMS und (Gruppen-)Chats zeigt sich diese hybride Form von gleichzeitiger konzeptioneller Mündlichkeit bei medialer Schriftlichkeit noch deutlicher. Zum Writing by-the-way (Hicks/Perrin 2014, 231), zur Grundhaltung des beiläufigen, selbstverständlichen und spontanen Schreibens jederzeit und überall (Pigg u. a. 2014), als Default-Modus der Kommunikation, gehört aber auch das ständige Aufdatieren von Datenbanken (z. B. Arola 2010). Im Privaten sind es etwa Fotos, Musikstücke oder Statusmeldungen, die fortlaufend abgelegt und verschlagwortet werden, was einer multimodalen Notiz gleichkommt. In der organisationalen Kommunikation sind, ähnlich unablässig, Ideen festzuhalten, Projektzwischenstände einzutragen, Termine abzustimmen oder Firmenblogs zu füttern. Oft besteht das beiläufige Schreiben bloß darin, aus Listen vorgefertigter Versatzstücke passende Varianten auszuwählen.
4.3 Es schreibt Gerade dort aber, wo sich individuelles Schreiben lokal auf ein paar Klicks und Bemerkungen beschränkt, kann es beitragen zu situationsübergreifender kollaborativer Textproduktion als einem mächtigen Mittel programmierter organisationaler Kommunikation. Im Fall von Migipedia hat sich gezeigt, dass sich zwar die einzelnen Beiträge aus der organisationalen Anspruchsgruppe der Kunden angeblich einer Kontrolle durch die Kommunikationsleitung der Organisation weitgehend entziehen: Sogar der Chef der Konkurrenz soll auf Migipedia mitschreiben dürfen (s. o., 2.2). Indes: So freimütig die Organisation auf explizite Kontrolle der einzelnen Kommunikationsbeiträge ihrer Kunden verzichtet, so bestimmt kontrolliert sie das ganze Aggregat. Erstens lenkt sie die Kritik an ihren Produkten auf ihre eigene Internetseite, was sich rahmen lässt als Interesse, Offenheit und Nähe. Die Nutzerinnen und Nutzer von Migipedia schreiben also, ob bewusst oder unbewusst, an der Reputation von Migros mit, sobald sie Einträge verfassen. Dies gilt für kritische Einträge ebenso wie für Lob. Zweitens sichert Migipedia der Organisation damit Wissensmacht: Über die Beiträge der Kunden kommt die Organisation leicht zu Informationen für ihr Qualitäts- und Issues-Management und damit zur Möglichkeit, Erwartungen und Ansprüche von außen im Sinne eines Double-loop Learning in ihr Identitätsmanagement einzubeziehen (Niederhäuser/Rosenberger 2015, Kapitel 1 und 5). Drittens steuert die Organisation die Darstellung des Aggregats im Internet so, dass
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positive Gesamtaussagen im Vordergrund stehen, etwa die am besten bewerteten Produkte oder Produktverbesserungen aufgrund von Rückmeldungen der Kunden. Viertens aber beschreiben die Kunden mit ihren Einträgen immer auch ihr Nutzungsverhalten, was etwa gezielte Werbung als Anschlusskommunikation ermöglicht. Hier berührt sich institutionell genutztes Writing by-the-way mit automatischem Logging von Verhalten. Dürfte den Nutzerinnen und Nutzern von Migipedia, Amazon oder Facebook noch bei jedem einzelnen Kommunikationsbeitrag bewusst sein, dass sie gerade etwas mitteilen, wenn sie schreiben oder auch nur „liken“, ist vielen weniger bewusst, dass sie mit ein paar Klicks einer Organisation das Recht einräumen, Daten zu ihrem Verhalten aufzuzeichnen und auszuwerten, zum Beispiel über Geo-Tagging, das zeigt, wer wann wo war (z. B. Schmidt 2011). Wer per Mausklick seitenlange Verträge über Nutzungsrechte unbesehen akzeptiert, leistet mit kurzfristig minimaler Zeichenproduktion einen langfristig maximalen Beitrag zu einer Form der Organisationskommunikation, wie er erst durch neuste Infrastrukturen möglich geworden ist. Das gilt nicht nur für Kundenportale wie Migipedia oder Amazon, sondern auch für Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Instagram, wo automatische Gesichtserkennung und aggregierte Auswertung Konsumentendaten zum Sozialverhalten generieren. Ähnlich zeigen Computernutzung und Systeme der Zugangskontrollen innerhalb von Organisationen, wer wann was getan hat.
4.4 Zwischenfazit Ob Kunde oder Mitarbeiterin, man wird nicht nur von Organisationen mit Kommunikationsangeboten bedacht (z. B. Stücheli-Herlach/Schneider Stingelin 2013), sondern schreibt stets mit an Metatexten, die eine Organisation etwa nutzen kann zur Optimierung ihrer Abläufe oder zum Reputationszuwachs. Dies bedingt, dass die Organisation ihre mediale Infrastruktur geschickt vorhergesehen und also programmiert hat und agil mit den im Einzelnen nicht immer vorhersehbaren Beiträgen von außen umgeht. Und es bedingt rechtlich in vielen der skizzierten Fälle, dass die Anspruchsgruppen einer Nutzung ihrer Daten im Sinn der Organisation zugestimmt, dass sie sich ein-geschrieben und den Vertrag unter-schrieben haben. Solche Extrembeispiele haben zum Schluss dieses Teils das Konzept des beiläufigen Schreibens illustriert, das sich vom fokussierten Schreiben darin unterscheidet, dass es fortlaufend und nebenbei geschieht. Der kurze Überblick hat aber auch gezeigt, dass Schreiben, ob fokussiert oder beiläufig, auf je eigene Art wesentlich zur organisationalen Kommunikation beiträgt und eine entsprechende Medieninfrastruktur voraussetzt – und dass multimodales Schreiben zum zentralen Modus einer mediatisierten Organisationskommunikation geworden ist.
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5 Schluss und Ausblick: Konvergenz und Ausdifferenzierung in der Forschung Medienkonvergenz widerspiegelt sich dialektisch in pragmatischer Divergenz (s. o., Abschnitt 1), das gilt für die Erforschung des Gegenstands so sehr wie für den Gegenstand selbst: Wenn Technologien mobiler, vernetzter und digitaler Informationsverarbeitung der Organisationskommunikation neue Medieninfrastrukturen bescheren und diese Strukturen das Kommunikationshandeln so sehr prägen wie auch sie, umgekehrt, von ihm weiter ausgeprägt werden, steht Forschung vor einer komplexen und eben dialektischen Aufgabe. Auf der einen Seite ist eine zunehmende Diversität von Phänomenen methodisch je adäquat zu erfassen, auf der anderen Seite darf bei aller Präzision im Kleinen das Ganze nicht aus dem Blick geraten: die gesellschaftlichen Aufgaben, welche die organisationale Kommunikation zu einem transdisziplinär interessanten Forschungsfeld machen. Unter den interessierten Disziplinen erfasst Angewandte Linguistik organisationale Kommunikation als gesellschaftlich relevanten Bereich sprachlichen Handelns, den es zu beschreiben, zu erklären und auch, nach situativ zu begründenden Kriterien, zu verbessern gilt. Medienlinguistik als Subdisziplin hebt dabei die Wechselwirkung von Medien- und Sprachgebrauch hervor, erweist sich also als besonders geeignet, die im Titel dieses Kapitels angesprochene Beziehung zwischen Medieninfrastrukturen und organisationaler Kommunikation zu klären. Im Licht der hier diskutierten Überlegungen stellen sich medienlinguistischer Forschung nun also Fragen wie die folgenden fünf. Die Liste soll das Forschungsfeld abstecken, sie kann nicht vollständig sein. 1. Welche Medien eignen sich unter welchen Bedingungen zur Lösung welcher Aufgaben der organisationalen Kommunikation (OK)? 2. Welche Prozess- und Produktmuster, welche Partituren medialer Orchestrierung bilden sich und funktionieren wie, wo und warum in der OK? 3. Wie verändern neue Medien den Sprachgebrauch in der OK seitens der unterschiedlichen Anspruchsgruppen? 4. Wie interagieren technologische, gesellschaftliche, organisationale und sprachliche Normen und Norminstanzen in der OK? 5. Wie verschieben sich dabei Praktiken der OK auf sprachlich relevanten Achsen wie Argumentation vs. Narration, Monolog vs. Dialog oder Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit? Um solche Fragen zu klären und zu lösen, kann auch die Forschung auf zunehmend raffinierte Medieninfrastrukturen zugreifen. Digitalisierung und Vernetzung der Organisationskommunikation erleichtern grundsätzlich den Zugriff auf Mikrobewegungen von individuell Kommunizierenden wie auf Makrobewegungen von Informationsflüssen in und um Organisationen. Präzise Mikroanalysen in Makrokontexten sind gerade dann wichtig, wenn das Zusammenspiel von Routine und
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Emergenz, von Kontinuität und Wandel beschrieben werden soll (s. o., 2.4). Anders als oft in der beforschten Welt, bremsen aber ethische Überlegungen und rechtliche Vorgaben die Forschenden beim Ausnutzen des Potenzials der Medieninfrastrukturen. Angesichts der technologiegetriebenen funktionalen Transparenz in Organisationen und ihrem Umfeld mag es einerseits erstaunen (s. o., 4.3), dass sich gerade die Domäne Forschung immer rigoroserer (Selbst-)Beschränkung unterzieht. Indem Organisationen kommunizieren, erkunden sie ihr Innen- und Außenleben mit deutlich indiskreteren, aber auch schärferen Werkzeugen, als viele Forschende dies tun würden und dürften. Andererseits liegt gerade darin auch ein Reiz wissenschaftlich fundierten Erforschens organisationaler Kommunikation: Der verantwortungsvolle Einsatz methodologisch interessanter Technologien fördert deren reflektierte Entwicklung – und, im besten Fall, langfristig die Reputation der beteiligen Akteure. Man braucht nicht in allem zu konvergieren.
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9. E-Mail-Kommunikation in Organisationen Abstract: E-Mails haben in den letzten dreißig Jahren die Kommunikationsnetze in Organisationen grundlegend beeinflusst und weitreichend verändert. Welche Bereiche in welcher Form tangiert sind, wird skizzenhaft in diesem Beitrag ausgeführt. Prägende Textvorlagen für die betriebliche Textausgestaltung müssen überdacht und in einem neuen medialen Kontext gesehen werden. Zusätzlich zu einem Textsortenwandel zeichnen sich inzwischen Grenzen bei der Handhabung der Mails ab: Mails werden teilweise durch die vielfach große Menge an zu bewältigenden Texten als Last wahrgenommen, die täglich bei schwindender Trennung von „Arbeit“ und „Freizeit“ zu bearbeiten ist. Hervorgerufen wird dies durch eine einfach zu nutzende, niedrigschwellige Übertragungsart, die eine Menge an gleichwertig scheinenden, teilweise dialogischen Texteinheiten generiert, die gelesen und verstanden werden müssen. Dies wirft neue Fragen in Bezug auf die sprachliche Identitätskonstruktionen im betrieblichen Alltag, auf dialogische Einheiten, Diskursarten und in Bezug auf Sicherheitsfragen auf.
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Wandel organisationaler Kommunikation durch E-Mails Textsorten, -muster und Praktiken Diskurs und mediale Grenzen Identitätskonstruktion in E-Mails Anwendungsfelder Sicherheit bei E-Mails Literatur
1 Wandel organisationaler Kommunikation durch E-Mails 1.1 Einleitung In den letzten drei Dekaden, seit den späten 1980er Jahren, hat sich die Organisationskommunikation durch die Integration von E-Mails/Mails, d. h. von schriftlich verfassten, zeitlich ausgesprochen schnell übermittelten, dennoch asynchronen digitalen Texteinheiten, in weiten Bereichen verändert. Verschiedene Autor(inn)en haben sich dieser Entwicklungen angenommen (als Auswahl einiger Werke, so Beutner 2002; Dürscheid/Frehner 2013; Ziegler/Dürscheid 2002; Jakobs 2003; Frehner 2008; Siegert 2008). Medienwandel sei, so Bucher/Gloning/Lehnen (2010, 10), „stets auch eine Abfolge von unterschiedlichen Medienformaten“. Nachfolgend wird versucht, skizzenhafte Einblicke in ausgewählte Wandelprozesse zu gehttps://doi.org/10.1515/9783110296235-009
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ben, die direkt mit Mails in Verbindung gebracht werden können: beispielsweise Einblicke in Textsorten und -musterwandel, in den Wandel von Identitätskonstruktionen und medialen Textnetzen über das einzelne Medium hinaus, bis hin zum Wandel von Anwendungsfeldern und einigen juristischen Aspekten. Für das Jahr 2013 geht das Technologie-Marktforschungsunternehmen „The Radicati Group“ von 123,9 Milliarden täglich verschickten Geschäfts-Mails weltweit aus. „Statista_1“ versendet von schätzungsweise 3,9 Milliarden Mail-Konten, die Tendenz ist im beruflichen Kontext steigend. Hingegen sind, quantitativ gesehen, private Mails im Rückgang begriffen. Es lässt sich im privaten Bereich dafür eine Verschiebung der gewählten Übertragungsarten hin zu den social networks (wie Facebook, Linkedin, Xing usw.) beobachten. Ein Großteil der Mails sind Spams oder als nicht-relevante Texte eingeschätzte Einheiten: Der Anteil der E-Mails, der als unwichtig eingestuft wird, beläuft sich auf 61 % aller versendeten E-Mails. 68,8 % des gesamten E-Mail-Datenverkehrs fällt in die Kategorie Spam. (Libess_1)
Die verbleibenden Mails – immerhin noch über 60 Milliarden täglich – werden aber offenbar als relevant angesehen. Das konkrete und zeitliche Nutzungsumfeld, in welchem Mails verfasst, gesendet und rezipiert werden, hat sich massiv verändert. Anfänglich wurden Mails eher sporadisch eingesehen, bei weitem war es keine tägliche Routine, wie es heute zu vielen Berufsprofilen diskussionslos gehört. Noch vor 25 Jahren stieß man auf heftige Ablehnung der digitalen Technik im betrieblichen Alltag. Umfragen in Schweizer Großbetrieben zeigten, dass „die Mehrheit der Betroffenen nur wenig mit den Computern anfangen konnte, beziehungsweise dass sie nur eine sehr geringe Bereitschaft zeigt, Computertechnik in ihre Arbeitsabläufe zu integrieren“ (Kleinberger Günther 2002a, 37, 2003). Zusätzlich waren in den Anfängen die Computer durchwegs stationäre Geräte, sodass man typischerweise sitzend an einem Schreibtisch arbeitete. Heute ist diese Arbeitsweise ergänzt durch eine Vielzahl an tragbaren und mobilen Geräten, die es ermöglichen, örtlich unabhängig im Gehen, im Stehen, sitzend oder liegend seine Mails zu bearbeiten. Das Kommunikationsverhalten und der Effizienzgedanke, der eine Optimierung der – zeitnahen – Kommunikation genuin beinhaltet (vgl. z. B. Hahn-Drodofsky 2004), haben sich damit einhergehend verändert: Die Mail-Bearbeitung wurde sozusagen für den beruflichen Alltag „domestiziert“. Weiterentwickelte Applikationen haben unmittelbar Einfluss auf Wahrnehmungs- und Nutzungszufriedenheit, wie Granat (2007) in einer empirischen Studie zur Implementierung von BlackBerry in einem Großunternehmen aufgezeigt hat. Die Erwartungshaltung, schnell auf Nachrichten zu reagieren, ist verstärkt. Parallel dazu steigen die Anforderungen hinsichtlich der Effizienz der Mitarbeitenden (und der Anstieg der geleisteten Arbeitsstunden), der Einfluss auf die permanente Erreichbarkeit selbst im Privatleben. Die Auflösung von Grenzen zwischen „Erwerbsarbeit“ und „Privatleben“ wird hingegen von einem Teil der Befragten als störend erachtet. Die psychische Belastung durch ständige E-Mail-Erreichbarkeit steigt offenbar an.
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Granat (2007) unterscheidet in ihren Überlegungen drei Benutzer-Profile: das „Opfer“, den „indifferenten Nutzer“ und den zufriedenen „heavy user“. Änderungsvorschläge und Weiterentwicklungen werden jeweils auf zwei Ebenen angesetzt: a) Reduktion der Kommunikationsmedien einhergehend mit einem rollenbasierten Managementkonzept („role-based“ Management) und b) einer Änderung der Kommunikationskultur. Aufgabenbereiche, die über Mails bearbeitet werden, haben sich ausgeweitet. Da es heute der unmarkierte Normalfall ist, mindestens täglich, wenn nicht sogar permanent per Mail erreichbar zu sein, können alle Themenfelder bearbeitet werden – allenfalls eingeschränkt durch Klauseln der Vertraulichkeit, Ansprüche an Geheimhaltung und durch individuelle Schreibkompetenzen. Die „Chronemik des Kommunikationsgeschehens“, wie Dürscheid (2005, 96) es formulierte, hat sich grundlegend geändert. Folgt man McLuhans (1995/1962) Gedankengang, dass sich durch das Implementieren neuer Medien der bestehende Medienfächer anders verteilt, sieht man eine vergleichbare Entwicklung im Umfeld der Mails. Von der traditionellen Briefpost und von weiteren schriftlich genutzten Medien wie Fax, Telex, Telegramm etc. wurden wesentliche Teile übernommen (siehe Kleinberger Günther 2002a); ebenso werden Anteile aus dem mündlichen, face-to-face-Übertragungsbereich, aus Telefongesprächen (Schmitz 2002a) und anderen medialen Übertragungen in den Mails aufgegriffen. Businessmails haben sich etabliert und sind eine feste Größe im betrieblichen Alltag geworden. Wobei inzwischen verschiedene Organisationen weitere kommunikative Tools entwickeln, die sich von der Idee her eher an den social network-Möglichkeiten anlehnen und die in die Jahre gekommenen Mails teilweise ablösen bzw. eine funktionale Änderung verstärken werden. Ein übergreifender, gemeinsamer, internationaler Standard für Mails, der für eine globale Kompatibilität unumgänglich wäre, hat sich bis heute noch nicht durchgesetzt. Nach wie vor sind Mail-Applikationen – so wie andere mediale Übertragungsarten – noch nicht „sicher“, selbst wenn dies von firmeninternen Verschlüsselungstechniken oder Anbietern von secure mail suggeriert wird. Auch in diesen punktuell erwähnten Bereichen wäre noch Koordinationspotential vorhanden.
1.2 Mailmanagement der Mitarbeiter(innen) Die Anforderungen an den Umgang mit den Mail-Daten sind mit den Jahren gestiegen: Lese- und Bearbeitungszeit, Verwaltung und Archivierung, Priorisierung der Arbeiten usw. muss organisiert sein und eingehalten werden, sonst werden die User(innen) vom quantitativen Anstieg der zu bearbeitenden Mails geradezu überrollt. Inzwischen werden einige betriebliche Abläufe langsamer und unproduktiver, da Mitarbeiter(innen) durch die Mail-Menge überfordert sind und in diesem medialen Umfeld nicht ausreichend geübt sind, Strukturen zu implementieren, die
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es ihnen ermöglichen, Prioritäten zu setzen. Ein Mitarbeiter einer Beratungsfirma formulierte es in einem FAZ-Artikel folgendermaßen: Bünning sagt: „Der eigentliche Effekt, durch E-Mail schnellere Entscheidungen zu fördern, ist weg.“ Zumal manche Führungskraft am Tag 200 oder gar 300 E-Mails bekommt. Effizientes Arbeiten ist da unmöglich. (FAZ_Höfinghoff 2008)
Für einen produktiveren Umgang mit Mails werden in Organisationen vermehrt Empfehlungen ausgesprochen, wer, wem, was per Mail senden darf, wie man die incoming-Mails handhaben soll und in welchem zeitlichen Rahmen Rückmeldungen zu geben sind. Verschiedene strukturelle Einschränkungen werden von Firmen versuchsweise eingesetzt: Keine firmeninternen Mails mehr am Freitag versenden, alle Mails, die während einer Abwesenheit der Mitarbeiter(innen) eingehen, werden automatisch gelöscht usw. Die Ergebnisse dieser Versuche müssen sich aber erst noch bewähren und sich in einem gesamten organisationalen Ablauf sinnvoll eingliedern lassen. Dies ist abhängig von vielen Faktoren, die außerhalb der eigentlichen Textübertragung per Mail liegen, z. B. in der Betriebsgröße, Funktionen der Mails, Schreibanforderungen usw.
1.2.1 Verfasser(innen) Empfehlungen für den Umgang mit Mails werden häufig formuliert (z. B. Song/ Halsey/Burress 2008), beispielsweise wird den User(inne)n nahegelegt, die Adressatengruppe der Empfänger(innen) zu verkleinern und auf Themen fokussierte Texte/Bilder/Material zu schicken. Nicht mehr „jede/jeder“ soll aufgeführt werden, der oder die allenfalls auch noch Interesse hätten oder – vermeintlich – informiert werden sollten, weder im CC noch im BCC. Mails sollten nicht genutzt werden, um Strukturen, Hierarchien und soziales Netzwerk abzubilden (siehe „Identitätsbildung“ weiter unten). Selbst wenn die Entscheidung nicht einfach fällt, jemanden aus dem Verteiler zu löschen, ist das allemal besser, als unreflektiert zu viele aufzunehmen. Der Effekt, dass Mails von gewissen Absenderadressen nicht mehr oder mit einer gewissen Oberflächlichkeit und Verspätung geöffnet werden, kann so reduziert werden. Nicht alles, was man schreiben könnte, sollte auch versandt werden. Gelassenheit ist als Kriterium nicht zu unterschätzen, um die Mail-Flut allenfalls einzudämmen. Mails als begleitender Botentext für angehängte Dokumente haben sich vollständig im beruflichen Alltag etabliert. Hängt man einer Mail Dokumente an, delegiert man die Dokumentenablage, -archivierung und -strukturierung den Empfänger(inne)n. Alle müssen sich individuell eine Ordnungsstruktur konstruieren, wie sie mit den Daten umgehen wollen. Dieser Aufwand ist groß und wird nicht von allen Mitarbeiter(inne)n strukturiert vorgenommen. Wie Schmidt (2009, 174) schreibt, basieren viele Ordnungssysteme – er spricht über das Web 2.0 – maßgeb-
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lich auf Praktiken der Zusammenstellung von Nicht-Expert(inn)en: „Geteilte Routinen und Erwartungen bleiben […] zumeist implizit“, aus Beobachtung anderer entstünden Lösungsmuster. Arbeitszeit wird so, unter Umständen, in das Auffinden und Gestalten von Daten und Datenablagen investiert, die für weitere Tätigkeiten allenfalls fehlt. Seit technisch die Möglichkeiten von Plattformen als Dokumentenablage geschaffen sind, dienen aus Gründen der technischen Ressourcen (Speicherplatz), der Effizienz und der Gleichstellung der Mitarbeiter(innen) Mails weniger als Botenmedium für Anhänge, sondern übermitteln Links, unter denen die Dokumentationen zentral abgelegt und strukturiert für alle relevanten Mitarbeiter(innen) in gleicher Weise zugänglich sind. Selbstverständlich werden entsprechende Zugangsberechtigungen gesteuert. Begleitende schriftliche Arbeitsanweisungen lassen sich über Aufgabenlisten, die parallel Fortschritte zu illustrieren vermögen, verbreiten. Diese Daten können individuell – also unabhängig von einer Mail – eingesehen werden. Sie dienen in kollaborativen Teams als Illustration der Projektfortschritte. Die komplexe Aufgabe, Vorgehen und Anweisungen per Mail ausformuliert an die Mitarbeiter(innen) zu senden, wird dadurch etwas abgemildert und ermöglicht neue kommunikative Strukturen, die sich über kollaborative Seiten (groupware, virtuelle Projekträume usw.) in hohem Maße innerbetrieblich ausbilden und ausweiten. Damit einhergehend verlagert sich das „Bring“-Prinzip hin zu einem „Hol“Prinzip: Die Mitarbeiter(innen) müssen sich aktiv um die Informationen/Dokumentationen usw. bemühen, Daten und Dokumentationen werden nicht mehr einfach zugestellt, sondern nur der Link zu den Daten. Damit verbindet sich auch eine neue Wandeltendenz für organisationale Mails hin zu einem „Botenmedium“, interaktiver Austausch in Gruppen wird sich voraussichtlich vermehrt auf die kollaborativen Seiten verlagern.
1.2.2 Rezipient(inn)en Für die Rezipient(inn)enseite ist man von Seiten des Managements inzwischen davon abgerückt, Vorzüge der Mails auszuformulieren. Stattdessen werden mehrheitlich Empfehlungen zur Handhabung der Mails und Reduktion der Mailmenge (e-mail overload) gegeben. Neben dem klassischen Rat, nicht „dauernd“ Mails anzusehen, sondern zeitliche Prioritäten zu setzen und beispielsweise ein-, zwei- oder dreimal täglich seine Mails zu überprüfen, gibt es eine Bandbreite an Ratschlägen (unerwünschte) Post abwehren, Filter nutzen, Metadaten verarbeiten, mehrere hierarchische Priorisierungskategorien einführen, was wann bearbeitet wird usw.; siehe dazu u. a. Kammerer 2013; Mumford 2015). E-Mails und die damit verbundene „schnelle“ und unkomplizierte Erreichbarkeit sind nicht nur ein Segen, sondern inzwischen offenbar eine Herausforderung
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für die Mitarbeiter(innen) und deren Vorgesetzte. Der – heute zumeist noch ungesteuerte – Erwerb in der Handhabung dieses niedrigschwelligen Tools bringt kollateral unerwünschte Nebenwirkungen mit sich, die in der Zwischenzeit den beeindruckenden Vorteil, den die Mails etabliert haben, überdecken.
2 Textsorten, -muster und Praktiken In den Anfängen der Mails, den 1970er und 1980er Jahren, wurden textkonstituierende Elemente aus dem Umfeld der Programmierer(innen) übernommen. Vieles war möglich, wenig normiert: Ein Pioniergeist ließ sich ausmachen. Immerhin hat man mit den alten, langsamen Modems bei der Einwahl in die Rechner geduldig einige Hürden überwinden müssen, bis man sich in die Mail-Umgebung vorgearbeitet hatte. Mail-Adressen ausfindig machen kam fast detektivischer Arbeit gleich, bis sie sich im deutschsprachigen Raum Anfang bis Mitte der 90er Jahre und im Zuge mit Web 2.0 im 21. Jahrhundert weitreichend etabliert haben. Zwei textkonstituierende normsuggerierende Instanzen, an denen man sich orientierte – oder eben bewusst nicht –, gab es: die Vorlagen durch traditionelle Briefe und die Normen der „Internetfreaks“. Beide Instanzen verfügten über eine Bindungsenergie, die nicht zu unterschätzen war und bis heute noch nachwirkt. Erst mit der Zeit – und mit der ansteigenden Zahl der User(innen) – entwickelten sich neue Usanzen, etablierten sich neue medienadäquate Konventionen und Modalitäten, gespeist aus unterschiedlichen Bereichen, und bildeten sich bestehende Formen entsprechend weiter (Beispiele dazu in Schnitzer 2012). Inzwischen findet sich eine „Vielfalt an Sprachgebrauchsformen“ (Schmitz 2002b), die den sich neu etablierten Nähe- und Distanzverhältnissen eher entsprechen. Mails sind eine Übertragungsform einer determinierten Datenmenge, abhängig vom Server und dem Datenanbieter, begrenzt durch voreingestellte Funktionen, durch Programme und Organisation, bestimmte Oberflächenstrukturen (Header, Zeit, Absender, CC/BCC, Betreff und Textkörper usw.), durch unternehmensinterne Richtlinien, der sozialen Usanz in der jeweiligen Organisation und der individuellen Ausprägungen der schreibenden Personen. Diese Konstellation ist speziell und hebt die Mailtexte von anderen organisationalen Texten ab, es bedeutet jedoch nicht, dass die realisierten sprachlichen Phänomene exklusiv und einmalig wären. Die weitaus meisten Elemente finden sich ebenso in anderen Textumgebungen und Übertragungsarten, etwaige Ausnahmen, z. B. Smileys, spezielle Akronyme usw., werden konfrontativ diskutiert, unterschiedlich gewichtet und eingeordnet. Auffallend in Mails ist weniger die Einzigartigkeit der Phänomene als die Ballung existierender Merkmale in bestimmten Konstellationen. Spezifische Formate, Textsorten und Gattungen ermöglichen es Produzent(inn)en und Rezipient(inn)en, strukturelle Ordnung, Sinn, Aussagegehalt und Wichtigkeit in den Mails effektiv und zeitnah zu konstruieren. Bucher/Gloning/
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Lehnen (2010, 10) bezeichnen dies als „Koordinationsmechanismus“, der die „Kontinuität der Medienkommunikation“ sichert. So wie Ordnungen Stabilität im Umgang zu sichern vermögen, so eröffnen sie den Spielraum für Modifikationen und Variationen. Dabei sind Formate, Textsorten und Muster einerseits Rahmung für Handlungen, andererseits Ergebnis einer Handlung. Medienwandel ist dementsprechend komplex, Bucher/Gloning/Lehnen (2010, 11–13) skizzieren fünf Bereiche, die reflektiert werden sollten: 1) verschiedene (technische) Dimensionen, Rezeptionsweisen und Gattungen, 2) ein „multifaktorieller Bedingungsrahmen“ (zitiert nach Hickethier 2010) unter Zusammenwirkung von „sozialen, kulturellen, ökonomischen und nutzerbedingten Faktoren“ (Bucher/Gloning/Lehnen 2010, 11), 3) eine unterschiedliche Hierarchisierung von Entwicklungsphasen mit variierender Dynamik, 4) „stratifikatorische Strukturen“ auf Mikro-, Meso- und Makroebene, die sich gegenseitig beeinflussen und bedingen, 5) crossmediale Wandelprozesse. In der Schnittstelle einer systemfunktionalen und wissenssoziologischen Auffassung, so Bucher/Gloning/Lehnen (2010), erfüllen kommunikative Gattungen die Funktion, die für eine Wissensgesellschaft konstitutiven Kommunikationsprozesse zu routinisieren und damit überflüssige rationale Aushandlungsprozesse […] zu vermeiden. (Bucher/Gloning/Lehnen 2010, 25)
Damit ermöglicht man eine Innensicht auf Texte und die konstituierenden Strukturen und Elemente wie auch eine Außensicht der Textvernetzung und diskursiven Umgebung. Beides kann zwar analytisch getrennt angegangen werden, beeinflusst sich jedoch gegenseitig. Um Wandelprozesse, ausgelöst durch Mails, fassen zu können, müssen diese unterschiedlichen Ebenen in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und Beeinflussbarkeit reflektiert werden. Auf analytischer Ebene kann so ein umfassender Zugang geschaffen werden, wenn einzelne Phänomene in einem größeren systematischen Zusammenhang gesehen werden. Beispielsweise ändern sich in concreto nicht nur die Anrede- und Grußfomeln in den Mails, sondern der kommunikative Zusammenhang, in denen sie verwendet werden, sowie die Art der adäquaten Verwendung erleben einen funktionalen Wandel. Mails stehen in einer weitaus umfassenderen Entwicklung, nur in ihnen spiegelt sich die Entwicklung täglich. Häufig diskutiert werden beispielsweise Fragen der normierten Sprachrichtigkeit, die von Kulturpessimist(inn)en als „Sprachzerfall“ gedeutet, von anderen hingegen als „Wertewandel“ gesehen werden. Es stimmt, dass nicht alle gesendeten Mail-Texte strengen traditionellen Normvorstellungen entsprechen. Hingegen lässt sich ein Zusammenhang zwischen Modalität und Sprachrichtigkeit aufzeigen (siehe zu den Entwicklungen jugendlicher Schreiber(innen) Kleinberger Günther/ Spiegel 2006). Diese Tendenz ist ebenfalls in beruflichen Kontexten aufzeigbar: Normnähe und Normferne der Texte sind pragmatische Indikatoren für Modalitäten und textliche „Priorisierung“. Flexible Handhabung und Abweichungen von der Norm sowie explizite Normferne sind Indikatoren und eine Graduierung für einen vertrauten, freundschaftlichen Umgang; starke Normierungen und Anleh-
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nung an klassische textliche Normwerte hingegen sind Indikatoren für einen offiziellen Charakter der Texte. Zuordnungen sind relative Werte. Dass die sprachliche Gestaltung der Mail sich jedoch näher am „Mündlichkeitspol“ (Dürscheid 2009, 56) orientiert, kann nicht verallgemeinert werden.
2.1 Dialogische Struktur Mails etablieren in vielen Fällen punktuelle oder längere dialogische diskursive Einheiten (Bittner 2003, 154), in denen aufeinander Bezug genommen wird und die in „Mail-Dialogen“ abgebildet sind (Siever 2006, 76 bezeichnet sie noch als „Quasi-Dialoge“). Dies hat sich in der letzten Dekade durch das Etablieren von adaptierter Software markant geändert und sich – den dialogischen Gegebenheiten und Anforderungen, die aus anderen Textübertragungsprogrammen bekannt sind, so WhatsApp, bei SMS u. a. m. – angepasst. Individuell versandte, singuläre, „kontextlose“ Mails, auf die nicht geantwortet wird, sind eher selten. Meist sind Bezugnahmen linear von Mail zu Mail im Sinne von Threads nachzuverfolgen, ab und an aber wird auch auf länger zurückliegende Einheiten referiert. Textliche Bezüge zwischen verschiedenen Mails sind eine Selbstverständlichkeit. Falls verschiedene Themen und Funktionen in einer Mail abgearbeitet werden, können deshalb mehrere thematische und inhaltliche Bezüge parallel in derselben Textumgebung realisiert werden. In der Forschung hervorgehoben werden stilistisch eingesetzte Adjazenzellipsen (Dürscheid 2005, 91; Dittmann 2006), die einen möglichst unmittelbar vorangehenden Bezugstext voraussetzen, um sinnvoll und zeitnah aufgelöst werden zu können. Außerhalb von dialogischen Strukturen sind sie schwer verständlich und eröffnen einen großen, vagen Interpretationsraum.
2.2 Quotes „Quotes“, also das (automatische) Zitieren von bestehendem Text, ist den Mails in dialogisch-diskursiven Situationen eigen. Über eine einfache „Reply“- oder „Forward“-Funktion wird Text zitiert, der sich farblich meist von den Vorgängertexten abhebt. Vielfach entstehen über diese Funktion längere Textketten eines Diskurses. In Beutner 2002 wird die Verwendungsweise von „Quotes“ beschrieben, wobei in nur einer von 134 untersuchten Mails automatisch zitiert wurde. Im Allgemeinen wird so eine – vermeintlich verlässliche – Rekonstruktion des kommunikativen Ablaufs und eine Form der Archivierung ermöglicht. Jedoch sind es keine zuverlässigen Quellen. Bei jedem Reply und Forward kann die schreibende Person den Text der Quotes abändern, ergänzen, ersetzen oder löschen, ohne dass es den Empfänger(inne)n direkt und ohne Aufwand ersichtlich wäre. Dürscheid (2005, 96) vermutet, dass sich durch die intensive Nutzung der „Quote-Technik“ diskursive Einhei-
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ten mehren, die eine schrittweise Entwicklung einzelner Themen förderten, und sich damit die verwendeten Zeichenzahlen pro Mail reduzierten. Dazu gibt es meines Wissens keine quantitativen Analysen, die diese Vermutung belegen könnten. Festhalten lässt sich hingegen, dass die Quote-Technik extensiv genutzt wird, heute als den Mails inhärent angesehen wird, dialogische Bezüge erleichtert, ohne dass jedoch der Mehrwert dieser Möglichkeiten aufgezeigt worden ist. Allenfalls leistet dieser quantitative Zuwachs an Textmenge ebenfalls einen Beitrag zur individuell wahrgenommenen „Mail-Flut“.
2.3 Textsorten und -muster Sämtliche schriftlichen organisationalen Textsorten und -muster können in Mails vorkommen: Beschreibungen, Vorgehensweisen, Sitzungseinladungen, Protokolle, Offerten, Verträge, Mahnungen, Aushandlungen zu Themenbereichen, sozial relevante Texte wie Geburtsanzeigen, Todesanzeigen, Einladungen, etc. Normative Textsortenvorstellungen und die Ränder traditionell etablierter Textsorten werden in Mails flexibler gehandhabt. Beobachtbar sind Aneinanderreihungen verschiedener Textsorten in eine Übertragungseinheit, Vermischungen, die Emergenz schaffen und im Einzelfall neue Textsorten entstehen lassen, siehe dazu beispielsweise Gansel (2008). Genuin Neues entsteht ausgesprochen selten. Eher kristallisieren sich Muster heraus, die sich aus vorhandenen weiterentwickeln: neue Standards bei Texteinheiten, adaptierte Textbausteine, Verwendung von Smilies, um Sachverhalte handlungsorientiert zu verdeutlichen (z. B. als Indikator für Ironie). Texte werden medial adaptiert, teilweise bedingt durch die Maske der Mails, z. B. Übernahme der Betreff-Zeile aus den Briefnormen, oder es werden neue Muster entworfen (Anordnungen von Header, Verteiler, Absätze, Einzüge, Signaturen, Layout der Schreiben in Abhängigkeit von der Bildschirmgröße). Aspekte wie Höflichkeit, Nähe und Distanzregelung passen sich den Anforderung der digitalen Übermittlung an, gewählte Einheiten vermögen sich teilweise durchzusetzen, teilweise nicht (siehe auch Thaler 2012; Spiegel/Kleinberger 2011). Neu ist sicherlich die reichhaltige Erfahrung von User(inne)n, inhaltliche Aspekte schriftlich auszuhandeln und manchmal daran zu scheitern. Die Macht der Schriftlichkeit will für bestimmte Situationen erworben und professionalisiert werden. Beispielsweise können schriftliche Anweisungen per Mail übermittelt werden – eine Textsorte mit einer bestimmten Funktion, in der es keine ausgeprägte schriftliche Tradition gab, an die man sich anlehnen konnte. Die feinen sozialen Differenzen schriftlich zum Ausdruck zu bringen, stilistisch geschickt zu verfassen und für verschiedene Rezipient(inn)en adäquat zu formulieren, ist eine Kompetenz, die nicht „einfach so“ gegeben ist, sondern die mit viel Engagement und Reflexion erworben werden kann. Die Möglichkeit, Texte beziehungsweise Dateien an einen Text anzuhängen und allenfalls kommentiert zu versenden, macht Mails zu einem multifunktionalen
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Trägerboten. Sie unterliegen keiner semiotischen Beschränkung, sofern die Informationen digitalisierbar sind. Neben den traditionell schriftlich ausgeprägten Textsorten werden ausgewählte, herkömmlich eher im mündlichen Bereich realisierte Gesprächssorten verschriftlicht, so beispielsweise Terminabsprachen, Arbeitsanweisungen, Informationsverteilung, Elemente aus der Softcommunication (siehe Kleinberger Günther 2005; Kleinberger 2008) etc. Texte selbst wandeln sich, ebenso wie die Art der Realisierung sich den gegenwärtigen Anforderungen und Möglichkeiten anpasst. Fragen der „Persönlichen Öffentlichkeit“, also „Informationen von persönlicher Relevanz mit anderen [auch in einem beruflichen Kontext, Anm. der Verf.] zu teilen“ (Schmidt 2009, 126) stellen sich auch für Mailtexte. Variationen bestehender Textsorten und -muster sind die Norm. Wright (2013) arbeitet aus einem der wenigen zugänglichen E-Mail-Korpora (Enron in den USA) heraus, dass man von „Genre-lecten“ der einzelnen Schreiber(innen) sprechen kann: Sie verfügen zwar über einen stilistischen Fächer, wählen aber ähnliche sprachliche Realisierungen je nach medialer Umgebung. Gerade für die Forensik ist das ein wichtiger Ansatzpunkt für medial übermittelte Texte.
3 Diskurs und mediale Grenzen „E-Mails bieten mehr technische Möglichkeiten als herkömmliche Briefe“ schreibt Dürscheid (2005, 89), was selbstverständlich zutrifft. Gleichzeitig aber bieten Mails auch weniger Umsetzungsmöglichkeiten als traditionelle Briefe. Ausgestaltungen sind vorerst noch mediale Grenzen gesetzt, Olfaktorisches kann (noch) nicht realisiert werden – die Zeit der mit lieblichem Rosenparfüm besprenkelten büttenpapierenen Briefe ist wohl weitgehend vorbei –, Taktiles ist nicht relevant, eine Graduierung der Wichtigkeit gelingt deshalb über wenige semiotische Symbole und typographische Möglichkeiten, z. B. der Trippelung von Interpunktion. Abgesehen von diesen wenigen gestalterischen Möglichkeiten erscheinen die Mails im incoming-Mailordner in ihrer statischen Auflistung gleichwertig und gleich „wichtig“. Mit Mails gelingt es dennoch relativ leicht, die genuinen Grenzen des schriftlichen Mediums zu durchbrechen bzw. andere Medienarten integrativ trans- und intermedial aufzunehmen. Das Einfügen eines Links in die Mail ermöglicht mit einem Klick in eine andere Applikation zu wechseln, vom Schriftlichen ins Mündliche, vom lesenden Rezipieren in andere visuelle Darstellungen mit bewegten oder statischen Bildern, Ton usw. Mails sind eingebunden in komplexere mediale Strukturen, „Mediengrenzen“ werden mehr und mehr nebensächlich, was eine Durchmischung fördert. Language comes integrated in visually organized environments, verbal exchanges tend to be more fragmented and dependent on multimodal context, and meaning is constructed through the interplay of language and other semiotic means. (Androutsopoulos 2011, 279)
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Grenzen können, bedingt durch die mediale Einbettung der Mails und durch die temporale Unmittelbarkeit des Mediums, umgangen und in einer neuen Konstellation realisiert werden: Beispielsweise im Bereich der Lebens- oder medizinischen Beratung lässt sich die Zeit zwischen (schriftlichen) Anfragen und (mündlichen) Beratungsgesprächen unter Umständen massiv minimieren. Organisationen, wie Krankenhäuser und medizinische Verbände, bieten Mail-Beratungen an. Sofern Anfragen schriftlich erledigt werden können, wird das gemacht. Zusätzliche Videotelefonie, wie z. B. telemedizinische Leistungen, ist als Unterstützung in einem transmedialen Bereich auf dem Vormarsch (NetCare_1).
3.1 Bewerbungen per E-Mail – eine exemplarische Darstellung Bewerbungen gehören zum Alltag von Organisationen. Diese ursprünglich mündlich geprägte Diskurseinheit entwickelte über Jahre einen schriftlichen Standard, der mit großer Akribie und einem massiven Zeitaufwand in den Schulen eintrainiert wird. Das – schriftliche – Bewerbungsdossier, traditionell bestehend aus einem Motivationsschreiben, dem Lebenslauf, Zeugnissen und Referenzen, unterliegt in den letzten Jahren einem hohen Druck zu Innovation und hin zum Mündlichen. Innovativ sind bei großen, global handelnden Organisationen die online-Dossiers, welche Bewerber(innen) in einer Datenbank mit vorgeformten Containern ausfüllen sollen. Üblicherweise besteht hier die Möglichkeit, Daten in die Datenbank „hochzuladen“, neben schriftlichen Dokumenten kann eine Video- oder Tondatei hinterlegt werden. Wenn solch eine Datei im Bewerbungsportfolio vorhanden ist, wird sie auch ohne großen Aufwand an eine Mail-Bewerbung angehängt werden können. Zukunftsträchtig für Bewerbungen sind die sich rasant entwickelnden E-Portfolios, die mit ihrer Brückenfunktion zwischen Ausbildung und Beruf neue Bewerbungskonstellationen generieren. Der Zugang zum E-Portfolio über einen Link lässt sich einfach in Bewerbungsmails integrieren (siehe beispielsweise Hofert 2010 zu Online-Bewerbungen).
4 Identitätskonstruktion in E-Mails Die Regulierung des sprachlichen und kommunikationsstilistischen Verhaltens von Mitarbeitern zählt zu den augenscheinlichsten Einflussnahmen auf die soziale Identität von Mitarbeitern in ihren verschiedenen Rollen im Unternehmen. (Habscheid u. a. 2015, 399)
Mails – wie andere Texte in Unternehmen – portieren neben den sachlichen Inhalten sprachlich jeweils soziale Aspekte (siehe dazu Kleinberger Günther/Thimm 2000; Kleinberger 2013). Dies geschieht explizit an der sprachlichen Oberfläche oder implizit über „Mitgemeintes“, über Präsuppositionen, semantisch-pragmatische Implikaturen, konzeptuelle Metaphern, Text(an)ordnungen, Diskursverläufe usw., die von
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den Rezipient(inn)en der Texte wahrgenommen, interpretiert und funktionalisiert werden. Diese Diskurse sind allgemein als regulierende und regulierte Praktiken (vgl. Keller 2005) bzw. musterhafte kommunikative Handlungen […] zu verstehen, die mittels Zeichenressourcen […] Bedeutung von sozialer Realität konstruieren. (Meier/Sommer 2012, 98 f.)
In den Mails findet sich eine Besonderheit: Parallel zu beruflich relevanten Fragestellungen und Themen werden explizit private Ergänzungen ausgeführt. Diese Augenfälligkeit in diesen medial übermittelten Texte kann der Softcommuniation (Kleinberger 2008) zugeordnet werden. Nicht oder nur teilweise strukturierte beruflich relevante Kommunikation, die außerhalb eines zeitlich organisierten Rahmens, wie beispielsweise Sitzungen, spontan stattfindet, wird sowohl mündlich als auch schriftlich realisiert, wobei Mails einen gewichtigen Beitrag leisten, in diesem traditionell eher mündlich übermittelten Bereich, in dem Privates und Berufliches munter gemischt werden können.
4.1 Normnähe und Normferne – Stil als Indikator Das Verfassen von Mails unterliegt verschiedenen Normvorstellungen. Einerseits sollte eine beruflich adäquate stilistische Realisierung umgesetzt werden, andererseits wird eine individuell freundliche Schreibung erwartet (vgl. Meder 2006 mit einem Fokus auf Individualität und Konvention). Der Spielraum ist vergleichsweise groß, Normvorstellungen sind aufgrund der noch jungen Entwicklung der Mails flexibel, koexistierende Formen sind weitgehend toleriert, auch wenn sich „Ankerpunkte“ ausmachen lassen, die als Orientierungshilfe dienen (siehe Androutsopoulos 2011, 284). Inzwischen etablierte Normen, Muster und Praktiken werden durchaus flexibel reproduziert, sodass Abweichungen und Variationen für den Erhalt dieser Dynamik wichtig sind. Anhand von verschiedenen Korpora lassen sich zwei Tendenzen festmachen: eine freundlich unterhaltsame Art, die mit Sprachspiel belustigende Situationen schafft (siehe Felder 2002), oder pointiert ernste und emotional-streitsüchtige Ausprägungen, die eine Heftigkeit in den Raum stellen, die in den analysierten Korpora erstaunlich scheint. Stil und Stilindikatoren sind Gradmesser für die Konstruktion von Nähe oder Distanz. Bewegt man sich mit Mails in einer konfliktären Situation, brechen die schriftlichen Repliken vielfach ab. Der Konflikt wird offenbar in anderer kommunikativer Umgebung ausgetragen oder sistiert. Diese Beobachtung wird in vergleichbarer Weise in anderen medialen Übertragungsarten gemacht (z. B. Luginbühl 2003; Westera 2007; Empfehlungen zur Vermeidung in Shipley/Schwalbe 2008). In Texten, in denen unsichtbare soziale Grenzen überschritten, Konflikte ausgetragen oder Vorstellungen wie beispielsweise Höflichkeitsnormen realisiert werden (siehe dazu Kleinberger Günther 2002b), zeigt sich der flexible und wenig normierte Bereich deutlich.
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Web 2.0 site gives rise to social and ideological contrasts, which, depending on the linguistic resources they are given, can find heteroglossic expression. (Androutsopoulos 2011: 294)
Zwar bezieht sich diese Aussage auf Web 2.0, ist aber auch für E-Mails zutreffend. Schriftliche Konfliktaustragungen werden heute in der Berufsbildung (noch) nicht als Kompetenz erworben, eher werden Deeskalationsstrategien im Schriftlichen thematisiert, wenn auch unter Aspekten der „Höflichkeit“. Allmählich „erobern“ Mails eine gesellschaftliche Anerkennung und Normalität. Sichtbar wird dies nach und nach in der Integration von Texteinheiten. Nicht jeder Text, jede Textsorte wurde über Mail verbreitet, sichtbar wird dies selbst in der Gegenwart beispielsweise bei Todesanzeigen und Kondolenzschreiben. Nach wie vor ist es gesellschaftlich-organisational nicht Usus, Mitarbeiter(innen) per Mail beispielsweise über Todesfälle zu informieren oder zu kondolieren (siehe dazu beispielsweise Gansterer 2008).
5 Anwendungsfelder Mails bestimmen den beruflichen Alltag mit. Fragen, wie man diesen Kommunikationsbereich optimiert, stellen sich aus verschiedenen Fachrichtungen. Wichtig erscheint mir aus linguistischer Sicht, dass neben der Übermittlung beruflich relevanter Informationen Identitäten konstruiert und soziale Beziehungen über schriftliche Texte, Dialoge und Diskurse festgemacht werden. Dies sind iterative Prozesse, die auf bestehende Texte, Textmuster und Praktiken zurückwirken, sie beeinflussen, ändern, neu ausgestalten. Mitarbeiter(innen) werden in diesen Entwicklungen heutzutage jedoch noch nicht geschult. Beispielsweise wird in der Berufsausbildung nicht eintrainiert, wie man kollaborative Schreibprozesse sinnvoll bewältigt, Mails sprachlich effizient nutzt, wie man optimal in dialogischen schriftlichen Situation argumentiert bzw. „streitet“ oder wie interkulturelle Unterschiede oder Missverständnisse am besten gehandhabt und gelöst werden können.
5.1 Fachkommunikation Einen durch Mails ausgelösten Wandel lässt sich im Bereich der Fachkommunikation und der Expert(inn)en-Lai(inn)en-Kommunikation feststellen. Einige vorliegende empirische Untersuchungen basieren auf akademischen Korpora, nur wenige sind aus anderen beruflich relevanten Bereichen. Der von vielen als eher informell empfundene Status von E-Mails und die leichtere Erreichbarkeit von Fachleuten machen E-Mail allen Risiken zum Trotz zu einem immer wichtiger werdenden Instrument einer dadurch auch mengenmäßig zunehmenden Experten-Laien-Kommunikation. […] die das Experten-Laien-Verhältnis belasten kann […]. (Janich 2005, 206)
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Ob und wie diese Verhältnisse durch Mails belastet bzw. entlastet werden, muss differenzierter in einem größeren Kontext untersucht werden. Allgemein ändern sich die Ansprüche, die an die kommunikative Kompetenz von Expert(inn)en und Lai(inn)en gestellt werden – unabhängig von der medialen Übertragungsart.
5.2 Ratgeberliteratur/Troubleshooter Schon kurz nachdem sich E-Mails als Übermittlungsmedium etabliert hatten, wurden Schreibvorlagen, Ratgeber und Troubleshooter publiziert. In den Anfängen meist reduziert auf die „zehn goldenen Regeln“, ergänzt von den zwölf Geboten bis hin zu Netz-Knigge und Dummies-Erläuterungen (so beispielsweise Mandel/ Van der Leun 1997; englisch Lamb/Peek 1995 und deutsch Lamb/Wobst/Peek 1996; Damaschke/Janzen 1998; Damaschke 2005; Erläuterungen für Frauen, Frauenumweltnetz 1995). Sinnvollerweise sind vielfältige Mail-Empfehlungen eingebettet in allgemeine Internet-Ratgeber (z. B. Fraase 1995; Harris/Kidder 1995; BargielaChiappini/Harris 1996). Aufgenommen werden viele denkbare, mehr oder weniger relevante Aspekte: Verteilerlisten, Massenmailing, Werbung, PR, Marketing, Phishing (z. B. Brandt 2009), ebenso wie sprachliche Empfehlungen hinsichtlich Orthographie, Interpunktion, Stil usw. Speziell thematisiert werden die anwachsenden Fragestellungen rund ums sinnvolle und effiziente Archivieren der Mails (Kupper 2008; Meier 2014; Brossi/ Winkler 2008; Chejnová 2014; Economidou-Kogetsidis 2011; Liu/Dall’Alba 2012; Merrison u. a. 2012; Möllering/Levy 2012; Pasfield-Neofitou 2012a, b; Stroinska/Cecchetto 2012).
5.3 Interkulturelle Kommunikation Mail-Kontakte verbinden lokale, regionale und globale Kulturräume. Eine „verbindende“ Sprach- und Stilform zu finden und zu etablieren, ist eine herkulinische Aufgabe. Englisch als lingua franca hat sich in der westlichen Welt und bei globalen Kontakten deutlich als Verkehrssprache etabliert, Incelli (2013) nimmt beispielsweise Fragen des BELF (Business Englisch as lingua franca) zwischen englisch und italienisch schreibenden Partner(inne)n auf. Die Auswahl an Literatur zu diesem Bereich ist weitläufig, vielfältig und global. Vom geographisch determinierten MailAustausch, z. B. Japanisch-Deutsch von Harting (2011), Englisch-Tschechisch von Chejnová (2014), bis hin zu strukturellen Problemen wird intensiv an Verständnis und Optimierung gearbeitet (z. B. pragmatische Schwierigkeiten von EconomidouKogetsidis 2011; Arbeitsorganisation per Mail zwischen englischen und australischen Studierenden von Merrison u. a. 2012; „facework“ von Stroinska/Cecchetto 2012).
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6 Sicherheit bei E-Mails Erstaunlich ist das verbreitete indifferente Verhalten vieler Mailer(innen) hinsichtlich Sicherheitsfragen beim Versenden von E-Mails (Schwenk 2005). Offenbar scheint das Bewusstsein, dass Mails nicht in einem geschützten Rahmen „sicher“ von A nach B transportiert werden, sondern für geübte IT-Expert(inn)en ohne großen Aufwand eingesehen werden können, nur wenig ausgeprägt zu sein. Selbst in größeren, globalen Unternehmungen werden Maildaten nur in speziellen Zusammenhängen speziell geschützt bzw. verschlüsselt übermittelt – wenn denn überhaupt solche Sicherheitsvorkehrungen genutzt werden. Durch das Setzen verschiedener hierarchischer Ebenen an Berechtigungen ist es jeweils technisch möglich, Mails einzusehen, selbst wenn es ethisch nicht vertretbar ist. Es ist deshalb erstaunlich, wie offen, unkritisch und deutlich, bisweilen verfänglich, manche Texte verfasst sind. Dabei wären Verschlüsselungsmöglichkeiten mit geringem Aufwand zugänglich: Beispielsweise mit PGP („pretty good privacy“) bzw. GnuPG, um zwei Möglichkeiten herauszugreifen, die öffentlich zugänglich sind. Je nach nationalen Standards wird der Mail-Verkehr rechtlich geregelt. Das Telekommunikationsgesetz, § 110, erfasst beispielsweise in Deutschland die Maßnahmen zur Überwachung des Mail-Verkehrs. In der Schweiz wird im Artikel 17 des Bundesgesetztes vom 6. Oktober 2000 die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) geregelt und in der Verordnung 780.11 „über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs“ ausformuliert. In Österreich wurde 2003 das Telekommunikationsgesetzt mit den Angaben zur den Mails (TKG_AT) ergänzt. Neueste Entwicklungen in einem globalen Kontext, z. B. bei Skandalen rund um den US-Geheimdienst NSA, E-Mails von Hillary Clinton im Rahmen des US-amerikanischen Außenministeriums verdeutlichen die Wichtigkeit von Übertragungssicherheit im Internet und im Mail-Verkehr.
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Susanne Göpferich †
10. Standardisation of Language and Communication Abstract: Language and communication in organisations have been standardised for various reasons. These include consistency of documents, especially with multiple authorship; the reusability of text modules; improved retrieval of information; increased comprehensibility, especially for an international audience; a more efficient use of translation technology; and, related to this, the reduction of documentation and translation costs. In many cases, standardisation is achieved by means of restrictions of the linguistic repertoire that may be used; however, modifications in workflows also have a decisive effect on the effectiveness and efficiency of standardisation measures. Linguistic measures of standardisation include the introduction of a standardised terminology, compliance with a style guide and the use of a controlled language (CL). CLs, the strictest form of linguistic standardisation, will be illustrated by the rules of the Simplified Technical English (STE) of the AeroSpace and Defence Industries Association of Europe (ASD), one of the best-known and most widely used controlled languages. The question whether such controlled languages have the desired advantages over their uncontrolled variants will also be addressed. Finally, the functionality of tools that support the production of standardised texts, such as translation memory systems, authoring memory systems, controlled language checkers and content management systems, will be outlined.
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Reasons for standardising language and communication in organisations Measures of standardisation Degrees of standardisation Tools supporting standardisation Conclusion References
1 Reasons for standardising language and communication in organisations Language and communication in organisations have been standardised for several reasons: 1. Technical documentation that accompanies products, such as user manuals and maintenance documentation, is voluminous and has to be written and updated in ever shorter intervals. This is only possible if several technical writers collaborate in working on different parts of the documentation in parallel. This collabohttps://doi.org/10.1515/9783110296235-010
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ration makes standardisation with regard to formatting, terminology, grammatical constructions, and style a requirement in order to achieve consistency across authors and parts of the documentation. For this purpose, standardised terminology is provided in term bases, style guides are made available, and so-called controlled languages are introduced (see Sections 2.1 and 2.2). 2. Technological progress has been leading to an increasing complexity and diversification of technical products. For example, the number of car models an automotive manufacturer offers has increased considerably over the last two decades and the technical equipment used in these cars has become increasingly diversified, too. This has also increased the volume of their documentation. Due to technical standardisation, the individual models and variants are not composed of completely different parts and equipment so that many descriptions and instructions applicable to one model can be reused in manuals of other models or variants which use the same components. Ideally this is reflected in their documentation, which should also be identical in the sections in which these shared components are documented. Whenever content has to be verbalised which has previously been used in another document, the existing verbalisations, or documentation modules, should be reused, both for reasons of consistency and for saving documentation and translation costs. Ideally such modules, together with their translations in all required languages, are stored in a database or repository, from where they can be accessed and reused whenever needed in future documents. This helps to avoid redundancy in data storage and saves costs. Since a text module can be integrated into various documents and since documents can be compiled from modules stemming from different types of other documents, all modules again need to be formulated in a terminologically, grammatically and stylistically consistent manner. To achieve this, the measures of standardisation mentioned under 1. above are required. 3. Standardisation of documents allows for an improved retrieval of information (see Göpferich 2005) and is a prerequisite for single-source and cross-media publishing. In single-source publishing, all documentation modules are stored in a single database from where the selection of modules required for a specific type of documentation in a specific medium can be retrieved and then transformed into the specific output format required. This has the advantage that corrections and updates required do not have to be made separately for each documentation product and output medium required but can be implemented in the single source, from which all media-specific output formats can then be generated (cross-media publishing). For this purpose, redaction or content management systems (CMS) are used. The single source ideally also contains the translations of source-text modules, which ensures that their translations can be reused whenever the source texts are made use of again and that, for an additional output medium, the existing translations simply can be transformed into the new output format required without the source texts having to be retranslated in a medium-specific format.
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4. Globalisation involves that documentation has to be provided in an increasing number of languages, so that translation costs become an important economic factor and have to be reduced as much as possible if companies want to remain competitive (Sprung 2000; Göpferich 2006). Translation costs can be reduced significantly by reusing source-text modules wherever identical content has to be verbalised because this reuse also allows their translations to be reused, if they exist already. This reuse of existing modules and formulations is supported by translation memory systems (TMS), which will be described in more detail in Section 4.1. 5. Translatability of documents can also be improved by reducing culture-specific information to a minimum as another measure of standardisation. Culturespecific information may be unavoidable where country-specific product variants are involved (e.g., right-hand drive vehicles vs. left-hand drive vehicles, headlamps for specific markets). What can be avoided, however, are culturespecific icons and names, such as Müller or Huber in documentation for the German market, which would have to be replaced, for example, by Smith or Jones, in translations for the US or British markets. For this type of standardisation aiming at a maximum of cultural neutrality and ease of later adaptation to specific markets (localisation; Esselink 2000), the term internationalisation has been coined (see Göpferich 2008, Chap. 7; Schmitz 2005). 6. Apart from saving documentation and translation costs, standardisation, for example through conformance with the rules of a style guide or a controlled language, may also increase the comprehensibility of documents, especially for an international audience and non-native speakers, who may benefit from the use of a reduced vocabulary and a limited set of grammatical constructions. Since style guides and controlled languages also aim at simplicity and the reduction of ambiguity, even native speakers and translators may benefit from their use. 7. Standardisation is also a prerequisite for machine translation. Machine translation is an economically viable option only for the translation of texts which, either from scratch or in pre-editing processes, have been adapted to the repertoire that the machine translation system can cope with (see Mitamura 1999). Without this adaptation, post-editing may become necessary to such an extent that the time and costs saved by using machine translation will be wasted in the post-editing phase (on the effect that the use of a controlled language has on the effort involved in post-editing machine-translated texts, see O’Brien 2006). Apart from the measures mentioned above, compliance with national and international standards concerning terminology, documentation and the exchange of information, such as the terminology standards ISO 1087–1 (2001), ISO 12620 (1999) and ISO 30042 (2009) and the publication specification S1000D (ASD 2012), further contributes to the standardisation of language and communication.
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2 Measures of standardisation Measures of standardisation can be differentiated with regard to the complexity of the units involved in standardisation. The most elementary levels comprise formatting, spelling and terminology. More complex levels comprise grammatical constructions and style. At the most complex level, modularisation of documentation and workflows has to be taken into account (see Section 2.4). Standardisation at the formatting level can be achieved by making use of software functions, such as the consistent use of styles instead of manual formatting, and the automatic generation of tables of contents, registers, etc. A pre-requisite for the consistent use of terminology in a company or institution is the establishment of a concept-oriented term base (Schmitz 2011; Wright/ Budin 1997/2001). In such a term base, each data record is devoted to a single concept and lists, among other information, all designations (terms) which refer to this concept. For each concept, the preferred term and its preferred spelling should be indicated as well as alternative terms and spellings (synonyms) which should be avoided. Such term bases can then also be made use of in conformance checkers, which detect terms in documents which do not belong to the standardised terminology allowed. For these terms, the conformance checker may then suggest the preferred terms by which the variants that are not allowed should be replaced. Standardisation beyond the lexical level can be achieved through style guides. These are manuals which specify rules that have to be observed when writing and designing documentation. At the formatting level, they may include rules beyond the use of the software functions mentioned above. Furthermore, they may stipulate how the company refers to itself (e.g., by the pronoun we or by using the company name). They may also specify how certain speech acts have to be verbalised, for example that instructions have to be given using the imperative (e.g., Remove the cover.) and never using the passive voice (e.g., The cover must be removed.). Generally speaking, style guides restrict the repertoire of options that nonstandardised languages allow to a certain subsystem of this language. The languages that result from such restrictions are called controlled languages. The degrees of language control that companies and institutions opt for can vary so that, strictly speaking, we cannot speak of uncontrolled (or natural) language and controlled language but only of languages that are controlled to a higher or lower degree (Göpferich 2011a, 2011b).
2.1 Controlled languages and their advantages Controlled languages (CL) are not artificial languages like Esperanto or Volapük. They are subsystems of natural languages, whose grammar, style, and vocabulary are restricted to a specific subset of the respective natural language. They have several advantages:
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1. They improve the readability and comprehensibility of texts and leave less room for ambiguities. This is an advantage for both native and non-native speakers including translators and improves the output when texts are translated by means of machine translation systems. Nyberg, Mitamura and Huijsen (2003, 258) criticize, however, that there have been few empirical studies on the effects of the use of CL that support the common belief that it improves readability and comprehensibility (highlighting in the orig.).
In their article, they review the results of four of such studies (Shubert et al. 1995; Chervak/Drury/Quellette 1996; Holmback/Shubert/Spyridakis 1996; Kincaid 1997) and come to the conclusion that [a]lthough much work remains to be done on the evaluation of CLs before hard claims can be made, the few studies that are available support the belief that the use of human-oriented CLs improves the readability and comprehensibility, especially for complex texts and for nonnative speakers (Nyberg/Mitamura/Huijsen 2003, 258; see also Crabbe 2010, 59).
However, recent eye-tracking experiments conducted by Winther Balling (2013) showed no reading time benefit, as indicated by total fixation duration on target constructions and reading time for the sentences in which they were embedded, for those constructions that writing guides recommend, compared to supposed problem constructions like passives and nominalisations (Winther Balling 2013, 16).
Though she found “that passives and other supposed problem constructions are not inherently problematic to readers”, she rightly assumes that “[w]hat matters to the speed and ease of comprehension is probably not the structure of a particular construction, but whether that structure fits the message” (Winther Balling 2013, 19). In contrast to human-oriented CLs, which “intend to improve text comprehension by humans”, machine-oriented CLs are adapted to the requirements of machine translation systems (Nyberg/Mitamura/Huijsen 2003, 247–248; on types of CLs, see also Allen 1999 and Drewer/Ziegler 2011, 196 f.). 2. Due to their restricted vocabulary and the limited number of grammatical forms and constructions they allow, they can be learned faster and more easily than a foreign language and are more suitable as a lingua franca. 3. Documents written in a CL are more consistent in style and terminology. This is an advantage whenever more than one author is involved in the production of a document and increases the number of matches when such texts are translated in translation memory systems. It has to be emphasised, however, that CLs are not suitable for all types of texts. They are a good choice for the following types of documents: – instructive texts such as all types of user and owner manuals and operating instructions including safety instructions and warning labels,
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documents for machine or translation-memory-assisted translation, especially when these documents have to be translated into several languages, texts produced by several authors to ensure stylistic and terminological consistency, and documents intended for inhomogeneous audiences.
2.2 History of controlled languages A simplified auxiliary language that can be regarded as a predecessor of controlled languages is Ogden’s BASIC English (British, American, Scientific, International, Commercial). He developed this language for international communication in the 1930s. It has ten writing rules and comprises a core vocabulary of 600 nouns, 150 adjectives and 100 other words (Ogden 1930; Crabbe 2010, 50; Shubert et al. 1995, 348). The first controlled language developed specifically for English language technical documentation was Caterpillar Fundamental English (CFE). Caterpillar developed this controlled language in the 1970s primarily to eliminate the need to translate its English documentation for non-native English users and non-English users among its international service staff, who had to learn the rules and vocabulary of CFE, which are similar to those of BASIC English, instead (Crabbe 2010, 52). In the 1990s CFE was replaced by Caterpillar Technical English (CTE). Its purpose was no longer to make translation superfluous but to improve the comprehensibility of texts written in this language through a standardised terminology and writing rules both for native and non-native speakers of English and to increase its translatability by human translators and machine translation systems (Allen 1999). Since then, a number of other controlled languages have been developed, most of them controlled variants of English, such as ILSAM (International Language for Service and Maintenance) and CASL (Controlled Automotive Service Language), but also controlled variants of French, German and Swedish (for an overview of controlled languages, see Göpferich 2008, 366 et seq.; Drewer/Ziegler 2011, 211 et seq.). The best-known and most widely used controlled language today is Simplified Technical English (STE), which will be described in more detail in Section 2.3.
2.3 The rules of ASD Simplified Technical English as a case in point The Simplified Technical English (STE) of the AeroSpace and Defence Industries Association of Europe (ASD), formerly known as AECMA (Association Européene des Constructeurs de Matériel Aérospatial) Simplified English (SE) (ASD 2013) has been used worldwide for aerospace maintenance documentation since 1986 (cf.
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Tab. 1: Extract from the ASD STE dictionary (ASD 2013, 2-1-A1 et seq.). Keyword (part of speech)
Assigned meaning/ USE
APPROVED EXAMPLE
Not Acceptable
able (adj)
CAN (v)
IF YOU CAN START THE ENGINE, DO A BITE TEST.
If you are able to start the engine, do a BITE test.
Concerned with NOTE: For other meanings, USE: APPROXIMATELY, AROUND
FOR DATA ABOUT THE LOCATION OF CIRCUIT BREAKERS, REFER TO THE WIRING LIST.
FULLY
MAKE SURE THE LATCH IS FULLY ENGAGED.
… ABOUT (pre)
… absolutely (adv)
Ensure the latch is absolutely engaged.
Lehrndorfer 1996, 41). In the meantime it is also used beyond the aerospace industries (ASD 2013, i). The following rules from the ASD Simplified Technical English Specification (ASD 2013) illustrate what texts written in this CL look like. The vocabulary of ASD STE amounts to approximately 1,500 lexical items whose meanings and grammatical forms in which they may be used are precisely defined. Each word has only one meaning: The verb to follow, for example, may only be used in the sense of ‘to come after’ but not in the sense of ‘to obey (the rules)’. Furthermore, each word may only be used as one specific part of speech: The word estimate, for instance, may only be used as a noun in the sense of ‘a calculated approximate result’ but not as a verb. Instead of to estimate, the phrase to make an estimate has to be used. Table 1 illustrates how the lexical items which ASD STE allows and its lexical restrictions are presented in the STE dictionary. In addition to this basic vocabulary, so-called “Technical Names” and “Technical Verbs” may be used (ASD 2013, ii, 1-0-3, 1-0-4). Among the “Technical Names” are terms for parts or sections of aircraft such as propeller, wing, cabin, and fuselage, terms for tools and equipment such as torque wrench, rigging pin, and chock, and navigation and geographic terms such as altitude, skid, and coordinate, etc. Examples of “Technical Verbs” are verbs for manufacturing processes such as drill, grind, and ream, and verbs for computer processes and applications such as enter, click, and print (ASD 2013, 1-1-3 et seq.). The most important writing rules for STE are: – Avoid long sentences; instructions should not exceed a maximum of 20 words, descriptions, a maximum of 25 words.
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Keep to one topic per sentence. Avoid elliptical constructions. Use the imperative for instructions. Avoid paragraphs with only one sentence and with more than six sentences. Do not use noun clusters of more than three nouns. Example: Avoid: the nose landing gear uplock attachment bolt Use instead: the bolt that attaches the uplock to the nose landing gear Use nouns with an article (the, a, an) or a demonstrative adjective (this, these) whenever appropriate. Use the active voice. Use only the following verb forms: infinitive, imperative, simple present tense, simple past tense, and future tense.
Many of these rules are based on findings of comprehensibility research (e.g., imperatives in instructions); others, however, such as the exact quantifications of sentence and paragraph lengths, seem to be arbitrary and lack scientific verification. They have the advantage, however, that they can be operationalised in controlled language checkers. The versions juxtaposed in Table 2 illustrate the effect that the application of the STE rules has on a text: Tab. 2: Text samples in non-controlled English and their equivalents in STE (cf. AECMA no year). Non-controlled English
Simplified Technical English (STE)
Ensure that none of the flap system drive shafts are rotated during removal of the feedback assembly to avert malalignment of the flaps.
Make sure that the drive shafts of the flap system do not turn during removal of the feedback assembly. This makes sure that you align the flaps correctly.
It is equally important that there should be no seasonal changes in procedures, as, although aircraft fuel system icing due to water contamination is more often met with in winter, it can be equally dangerous during summer months.
Use the same procedures all the time, because water in the fuel system can freeze during summer or winter.
2.4 Standardisation in workflows In the workflows of companies which produce technical documentation, the goal of multilinguality has been taken into account at an ever earlier point in the production chain. Two decades ago, technical documentation and translations were
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produced one after the other in separate departments (Göpferich 2000). Since then, the factors enumerated in Section 1 have made closer cooperation between technical documentation departments and translation services a necessity. This cooperation also includes writing for translation, i.e. the avoidance of formulations and constructions which may be ambiguous and cause translation problems. The manner in which responsibilities are distributed among staff members is another factor which has an effect on documentation quality, especially the degree of consistency that can be achieved. In the documentation department of an automotive manufacturer, for example, the production of owner manuals used to be organised in the following manner: For each model range there was one in-house technical communicator who coordinated and supervised the production of the manuals for this model range. The production of the manuals themselves was outsourced, with different documentation companies in charge of the development of the various manuals. This had the effect that passages which covered exactly the same component in the manuals for different models varied, although, ideally, they should have been identical. By redistributing responsibilities in such a manner that one in-house technical communicator became responsible for a selection of components across car models instead of the documentation of an entire model range, consistency in the documentation of these components could be achieved.
3 Degrees of standardisation Drewer/Ziegler (2011, 115) differentiate three degrees of standardisation: 1. Minimal standardisation: This applies to documentation in whose production the only standardisation measures taken are the automatic generation of tables of contents and indices as well as the use of standardised formulations as autotexts. Auto-texts are pre-defined text segments which are inserted automatically by a word processor when the initial letters of the formulation are typed. 2. Standardisation through the application of methods of standardisation such as Functional Design® or Information Mapping® and compliance with a style guide: Functional Design® is a method of standardisation that follows a speech-act theoretical approach. Each module is composed of a specified sequence of speech acts, for example, the description of the objective of measures to be taken (e.g., Removing the cylinder head), step-by-step instructions of how to take a measure (e.g., 1. Unfasten X., 2. Lift Y., etc.) and the result (e.g., X should now be visible.). For each speech act type, the grammatical constructions to be used are specified. An instruction, for example, may always have to be formulated in imperative form (e.g., Remove the lid.) and not using a passive-voice construction. Information Mapping® also uses standardised modules of a limited number of categories but is less standardised linguistically (Drewer/Ziegler 2011, 117).
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Maximum standardisation through modularisation of documentation and the use of content management systems (CMS) and controlled languages: CMS are databases in which text modules are stored for use in different types of documentation. Although these systems are called content management systems, what is stored in them is not content but content in a standardised verbalised form (Drewer/Ziegler 2011, 117). CMS are used for single-source and crossmedia publishing (see Section 1).
4 Tools supporting standardisation 4.1 Translation Memory Systems (TMS) A translation memory system (TMS) is a translation tool whose main component consists of a database (or a collection of files), the translation memory proper, that includes source-text segments and their translations as language pairs, which are being generated while a human translator translates a text in the system. Depending on the options selected in the TMS used, segments can be sentences, paragraphs or units such as headings, titles or elements in a list. The translations of these segments can then be reused in future translations produced in these systems. Whenever a source-text segment occurs that has been translated previously, this previous translation is automatically suggested by the system for reuse. A fuzzy match function also allows for the retrieval of translations for segments which are only similar to source-text units translated before. These target-text segments can then be adapted by the translator. TMS also have a pre-translation function by means of which all segments for which a translation is stored in the translation memory can automatically be replaced by their translations. The translator then only has to check them and can concentrate on the translation of new segments. An additional function of TMS is access to a term base. In a separate window, translators are automatically suggested target-language correspondents of terms that occur in the source-text unit they are working on.
4.2 Authoring Memory Systems (AMS) Authoring memory systems work in a manner similar to translation memory systems. As soon as an author has written a part of a sentence that is identical or nearly identical with a sentence stored in the authoring memory, the authoring memory suggests this sentence in real time. This sentence can then be taken over into the text that is being written either in identical or adapted form. Authoring memory systems can usually also be operated in batch mode. Like translation memory systems, authoring memory systems are connected with a term base which
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can be accessed for ensuring compliance with a standardised terminology. A concordance search function allows for the search of lexical items and phrases in context. In this manner, the use of authoring memory systems helps to prevent the same content being verbalised in different manners. The memory component of an authoring memory system is usually shared with that of a translation memory system. For more details on authoring memory systems and an overview of systems available on the market, see Drewer/Ziegler (2011, 273 et seq.).
4.3 Controlled Language Checkers (CLC) To assist authors in complying with the rules of a style guide or a controlled language, specific tools, so-called controlled language checkers or conformance checkers, have been developed. Whereas some of these tools check texts for compliance with a fixed repertoire of rules either online during the writing process or in batch mode after a draft of a document has been finished, others can be configured freely. These software programs highlight terms or constructions which do not conform to the rules specified, in some cases classify the mistakes that have been made, and, if possible, make suggestions for correction. Examples of such tools are CLAT (Controlled Language Authoring Technology, formerly MULTILINT; see IAI 2011) and acrolinx (acrolinx 2013). They offer modules for spell checking, grammar checking, style checking, and terminology control, and are used by numerous German companies, among them car manufacturers (cf. IAI 2011; Reuther 1998; Reuther/Schmidt-Wigger 2000). Another controlled language checker is MAXit (Smart Communications 2013). It supports text production in ASD STE as well as Controlled English (CE), a controlled language that is based on ASD STE, but less restricted to the requirements of the aviation industry (for a survey of CL checkers, cf. Nyberg/Mitamura/Huijsen 2003, 254; Drewer/Ziegler 2011, 230 et seq.). In controlled language checking, a distinction can be made between prescriptive approaches and proscriptive approaches. In a prescriptive approach, documentation is checked against a complete repertoire of all grammatical constructions and lexical units allowed. Whenever a document contains a lexical element or construction that is not included in this repertoire, it will be highlighted as unacceptable. In a proscriptive approach, the controlled language checker is fed with the lexical units and grammatical constructions that are prohibited. All lexical units and grammatical constructions that are not contained in this negative list will be considered as correct.
4.4 Content Management Systems (CMS) Content management systems are computer programs in which documentation modules, which may consist of text and other media (embedded graphics, photographs, video and audio files as well as code for applications), can be created,
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edited, stored and provided with meta data and then combined to form documents of various types and in various formats. The content in these systems, which serve as central data repositories, is usually stored in an XML format with the XML tags specifying the function of elements, not their formatting. The manner in which each functional unit (element) is then formatted in the different output formats required (*.docx, *.pdf, *.html, etc.) and the selection of modules required for a specific document type are determined in medium-specific transformation processes which all use the XML modules in the central data repository as a single source. CMSs provide procedures to manage workflows in a collaborative environment. They include features such as version (revision) control, indexing, search and retrieval functions and format management. For more details on CMSs, see Drewer/ Ziegler (2011, 289 et seq.).
5 Conclusion The standardisation measures described in this article illustrate that the ideal of elegant variation, which may be an asset in literary texts, is replaced by the ideal of uniformity in corporate communication. In this type of communication, features such as comprehensibility, agent, translatability, consistency and precision have to be held in higher esteem than individuality, creativity and elegance. Conforming with the requirements of standardisation, though, is no easy task and necessitates a thorough understanding of linguistic areas such as morphology and word formation, terminology science, syntax, stylistics and text linguistics.
6 References Acrolinx (2013): Acrolinx Checking. (last accessed: May 1st, 2013). AECMA (no year): AECMA Simplified English. [Information sheet without bibliographic specification; received in Feb. 2000 from Kathleen Barthe, e-mail: ]. Allen, Jeffrey (1999): Different Types of Controlled Languages. In: TC-Forum 1, 4–5. ASD (2012): S1000D International Specification for Technical Publications Using a Common Source Database. Issue No. 4.1. ASD (2013): ASD Simplified Technical English Specification ASD-STE 100®: International Specification for the Preparation of Maintenance Documentation in a Controlled Language. Issue 6 (January 2013). Brussels. Chervak, Steven/Colin Drury/James P. Ouellette (1996): Field evaluation of simplified English for aircraft workcards. In: Proceedings of the 10th Federal Aviation Administration/Association for Aerospace Medicine Meeting on Human Factors in Aviation Maintenance and Inspection. Alexandria (VA). Quoted according to Nyberg/Mitamura/Huijsen (2003).
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III Kommunikative Konstruktion organisationaler Identität
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11. Cultural Diversity: Interplay between Corporate Culture, Organizational Diversity Management and Multilingual Inclusiveness Abstract: Over time, companies have been increasingly recognizing the value added to being different. This paper aims to understand how organizations can best manage their internal diversity and balance the need of divergence (a need to maintain difference for creativity) and convergence (a need to gain agreement for cohesion). How can people demonstrate their uniqueness and show their sense of belongingness? What is the challenge culturally and linguistically diverse teams face and in what ways do they interact and communicate in multilingual and multicultural workplace settings? What is the impact of cultural diversity on linguistic diversity management? To what extent can “Multilingual inclusiveness culture” better value “uniqueness” for “collectivity”, building a competitive advantage for companies and individuals?
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Introduction Culture and corporate culture Organizational diversity and management Managing language diversity: multilingual inclusiveness Discussion Conclusion and perspectives regarding on-going research and its impact on the business world References
1 Introduction It is well recognized that one of the major criteria of company performance revolves around the relationship that one actor creates with another. In the last several years, a number of studies have demonstrated that this relationship tends to be easier when the cultures at different levels of two protagonists (national, organizational, individual personality [IP]) display similarities (Goles/Chin 2005; Gregory/ Prifling/Beck 2009; Gurung/Prater 2006). This means that the extent to which partners or collaborators have common beliefs according to which behaviors, goals and policies are important, appropriate, and/or right is linked with an improved relationship, with satisfaction, and thus with performance and productivity. https://doi.org/10.1515/9783110296235-011
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According to Banda (2012), two types of cultural differences cause issues between two parties: corporate differences (norms in terms of speed, style, decision making and organizational structure) and national/regional differences. It is clear that national and regional culture influences both corporate culture and individual personality to some extent. A strong corporate culture is recognized to generate more motivation and commitment (Barney 1986; Barnes/Jackson/Hutt/Kumar 2006; Denison/Mishra 1995). Over time organizations themselves have become more diverse and differentiated internally and have been increasingly recognizing the added value to being different. The aim of this paper is to understand how organizations can best manage and balance the need for divergence (a need to maintain difference for creativity) and convergence (a need to create cohesion). How can people demonstrate their uniqueness while collaborating with others? In what ways do diverse teams interact and communicate in multilingual and multicultural workplace settings? In the framework of our Swiss National Foundation-funded research project (Yanaprasart 2015a, 2016b, c), we focus on the way in which companies manage diversity at work on the one hand and try to identify the advantages and drawbacks of linguistic diversity in the Swiss situation as a multilingual state on the other hand. The study aims at understanding the development of local diversity management practices (local initiatives) and the way of managing diversity as described by the field workers. Its main focus is to uncover the language regimes and the relevance or not of linguistic diversity as a part of the organizational diversity management. Understanding the complexity of the meaning and the way of defining, designing, and managing diversity in the workplace as well as a way of measuring the effectiveness of their initiatives on their diversity management may allow companies to identify clues and indicators to measure the success (or failure) of their diversity initiatives. Methodologically, from the perspective of an “involved” linguistics, the focus of this research is placed on a close interaction between research and practice, researchers and partners in the sense of a research-action. This means that the researchers and stakeholders conceive together the research questions, which involves them in an active and participatory manner in the methodology. More precisely, the interventions of the actors in the field are situated at 3 levels: – Formulation of questions (project development), taking into account their needs; – Conducting interviews, by giving them a voice not only to answer questions, but also to formulate in their terms subjects beyond their answers to our questions; – Feedback, return to their grounds with the results (knowledge transfer activities: training workshop depending on the field). The aim of this multi-methodological approach is to ensure the coherence of the results and allow comparisons and generalizations, these at three levels: at the
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“macro” level we compare companies in different Swiss linguistic regions, at the “meso” level it is a question of comparing different discourses within a single company to assess their polyphony, and finally at the “micro” level the focus is placed on the practices as described by the field workers. As a first step, we collected official documents indicating the company philosophy, the concept of diversity and explicit management measures, as well as documents circulating in the companies and those presented to the outside. A semiotic analysis of the job description of the head of diversity, as well as of the diversity section on the corporate websites, be it monolingual or multilingual, was completed in a second step. Furthermore, we conducted semi-structured interviews with the person in charge about the explicit and implicit management measures on their practices, either “task-oriented” interviews with team members or team leaders or “policy-oriented” interviews with policy-makers, revealing their attitudes towards linguistic diversity. Our interlocutors came from different groups, whether the industrial sector (“people in charge of diversity”), public institutions (offices of equal opportunity at universities/universities of applied science), scientific and academic teaching and research on this issue, as well as consultants, coaches and trainers of diversity management. In the framework of this article, our focus will be in the industrial context: Agro A Bk A Fd A Ins A Ins B Ph A Ph B Ph C Ps A Ps B TCom A TaB A
Agribusiness Banking Food/Beverage Insurance Insurance Pharmaceutical Pharmaceutical Pharmaceutical Public service Public service Telecommunications Tobacco industry
Swiss-British international company based in Basel Swiss international company based in Zurich Swiss international company based in Vevey Swiss international company with headquartered in Zurich Swiss company with the headquarters in Winterthur Swiss international company based in Basel Swiss international company based in Basel American international company based in Geneva Swiss national company headquartered in Bern Swiss national company headquartered in Bern Swiss national company headquartered in Bern American international company based in Lausanne
This paper opens with Section 2, an overview of the meanings of culture and different corporate culture models. The purpose of Section 3 is to explore and identify organizational diversity management in terms of corporate culture. If it is important to hire a person who fits the organization, it is more than necessary to create an inclusive environment where the potential of each “uniqueness” can be beneficial to the organization. A collaborative culture and corporate subcultures will be the main topics of Subsection 3.1, whereas Subsection 3.2 will examine a link between diversity and inclusion, between collaborative corporate culture and an inclusive environment. The pro-counter-arguments on multilingual inclusiveness will be presented and discussed in Section 4, which will be illustrated with a few
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examples of effective practices and languages used in organizations. The discussion in Section 5 will focus on a conceptual comparison of two diversity dimension wheels designed by a multinational company and later applied to a Swiss national company, followed by a conclusion and a presentation of some perspectives in terms of the impact of this on-going research on the business world in Section 6.
2 Culture and corporate culture In the words of , the company’s culture “is shaped by the concepts of cultural diversity, equitable treatment and family friendliness”. As stressed by , “we attach importance to cultivating cultural diversity as our corporate culture”. What does culture mean in the context of business? What precisely is corporate culture? Spencer-Oatey (2008, 3) defines culture as a fuzzy set of basic assumptions and values, orientations to life, beliefs, policies, procedures and behavioral conventions that are shared by a group of people, and that influence (but do not determine) each member’s behavior and his/her interpretations of the ‘meaning’ of other people’s behavior. Culture reflects, in this sense, values, beliefs, and behaviors. For Rokeach (1973, 5): “a value is an enduring belief that a specific mode of conduct or end-state of existence is personally or socially preferable to an opposite or converse mode of conduct or end-state existence”. These values allow people to make decisions according to what they think is good or bad, right or wrong. Brown (1998) posits that whereas beliefs are based on values, behaviors are a consequence of values and beliefs. Culture concerns numerous dimensions and exists at different levels – national, regional, and organizational. Organizational culture is defined by Ravasi/Schultz (2006) as a set of shared mental assumptions that guide interpretation and action in organizations by defining appropriate behavior for various situations. Needle (2004) argues that organizational culture represents the collective values, beliefs and principles of organizational members. As for corporate culture, it is created by the management to achieve specific strategic goals and to make a company unique; it embodies the company’s vision, reflects its objectives and is often called “the character of an organization” (Montana/Charnov 2008). In sum, while organizational culture refers to culture in any type of organization, terms such as company culture and corporate culture are used specifically in business even referring to a similar concept. Numerous models are proposed to categorize and analyze corporate culture (CC). Some of them are described below: Handy (1993) popularizes Harrison’s conceptual framework (1972) linking organizational structure to organizational culture. Four organizational culture related ideologies are: Power Culture (organization wants to dominate its industry and
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competitiveness), Role Culture (organization wants to be rational, employees follow the numerous policies and procedures), Task Culture (organization strives to achieve its goal), and Person Culture (organization serves the needs of its employees, they can grow [develop]) within the company. This four-culture typology suggests that unlike organizational culture, CC can be imported by employees and has an influence on the culture of the organization as a whole. Schneider’s model (1994) consists of four quadrants: Control Culture (we succeed by getting and keeping control), Collaboration Culture (we succeed by working together), Competence Culture (we succeed by being the best) and Cultivation Culture (we succeed by growing people who fulfill our vision). Hofstede’s model (2001) uses six dimensions to measure cultural differences in organizations: Process (avoid risk and devote limited time and efforts to tasks) vs. Result oriented (encourage people to take up challenging tasks, to be creative, comfortable with unfamiliar situations); Employees (care for people, take into account personal problems, make them feel secure) vs. Job oriented (strict attitude toward getting the job done without showing any concern for employee well-being); Parochial (employee involves his/her life in official matters) vs. Professional oriented; Open (open for newcomers) vs. Closed System oriented (newcomers need more time to feel comfortable); Loose (casual attitude) vs. Tight Control oriented (serious attitude towards efficiency, punctuality); and Normative vs. Pragmatic oriented. O’Reilly/Chatman/Caldwell (1991) developed the Organizational Culture Profile (OCP) to measure employee commitment. This model is based on the belief that cultures can be distinguished by values that are possible to be reinforced within organizations. Seven distinct values are categorized to measure how organizational culture affects organizational performance: Innovative (flexible, experimental with new ideas), Aggressive (valuing competitiveness and outperforming), Outcome oriented (valuing achievement, results and action), Stable (foreseeable, rule-oriented, bureaucratic), People oriented (emphasizing fairness, supportiveness, respect and rights and dignity), Team oriented (collaborative and positive relationships) or Detail oriented cultures (valuing precision, details). All these models provide us with a certain idea of how culture can impact the way people work, think and make decisions in their company and will be put forward later in a comparative way to analyze CC profiles of how the companies are defining and managing organizational diversity.
3 Organizational diversity management In order to meet the demands of globalization, which brings together people of different languages and cultures to collaborate, companies have developed a practice of hiring “international” staff. Differences, diversity, and uniqueness related to innovation and creativity, which are believed to largely exist in mixed teams, are argued
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to have a positive impact on an organization’s performance, according to the management literature (Fine 1980; Cox/Blake 1991; Cordeiro/Stites-Doe 1997; Simons/ Hope-Pelled 1999; Bowers 2000; Catalyst 2004; Kossek et al. 2006; Horwitz/Horwitz 2007). Consequently, the mobility of the growing global workforce requires more and more effective management of organizational diversity. As emphasized by Cox/ Blake (1991), in view of the increasing instability of the environment, the rapid growth of internationalization and the increased diversification of the workforce – including the highly qualified – many managers are becoming sensitive to the problems of managing the increasing diversity (Bruna/Chauvet 2010, 8). Policies promoting diversity also contribute to its acceleration (Mor Barak, 2005). Obviously, good diversity management “appears as a source of overall performance, as a lever for sustainable development of enterprises” (CJD 2006, 6, our translation). However, what does diversity mean? If “diversity” is a key business concept, its definition is far from unanimous. The notion appears to be polysemous and versatile, and it takes disparate realities from one author to another, depending on what dimension is considered: individual or collective, economic or social, political or systemic (Bruna/Chauvet 2010, 4). Furthermore, this concept is used in a variety of disciplines, and despite much interesting work, there is relatively little interdisciplinary research on diversity right now, according to Stirling (2007, 707). In the field of business management, the concept of diversity came from the United States under what we called “Diversity Management”. It was in the early 1990s that a polymorphic and transversal concept emerged in the context of equal opportunities policies. Diversity management was assimilated into the paradigm of valuing differences and of recognition of competences in their most diverse forms (cf. Bender/Pigeyre 2004). In the opinion of Wegge (2003), diversity clearly includes attitudes and values, while Petersen/Dietz (2005) focus on capacity, disability and sexual orientation. Broussillon et al. (2007) posit that diversity can be comprehensive or focused on visible differences (ethnicity, gender, physical disability, physical appearance, age …), and invisible ones (cultural background, socio-economic background, education, experience, religion, political or philosophical beliefs, sexual orientation, values, etc.) (cf. Milliken/Martins 1996). Manchen Spoerri/Hohenstein (2012) speak of nationality, ethnicity, regional origin, religion, age, sex, education, specific knowledge and length of service for the company. Thomas/Fly (1996) suggest that diversity should be understood as the varied perspectives and approaches to work that members of different identity groups bring to the team. Miller and his colleagues (1998) summarize differences in knowledge, beliefs, values, preferences, perspectives, attitudes and worldviews, under the concept of cognitive diversity. For Nisbett (2003, 17–18), different “cognitive processes” might not be a matter merely of different inputs and teachings, but rather an inevitable consequence of using different tools to understand the world.
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Page (2007) describes diversity in terms of different ways of representing the world, of creating categories, of generating solutions to problems, and of inferring cause and effect. Cornet/Warland (2008) argue that the notion of diversity refers to three main macro-social phenomena: the increasing diversification of the customer base, the workforce on the labor market, and the profile of workers within organizations. Finally, these numerous dimensions can explain partly why the goals, objectives, philosophies and targets of managing diversity vary from one organization to another: sometimes it promotes parity between men and women; sometimes it increases the employment of disabled people or ethnic minorities (Chanron/Sladek 2008). Whether it involves the “availability and use of multiple knowledge domains” (Justesen 2008, 56), the various areas of knowledge (professional, linguistic, cultural, etc.), perceptions (ways of understanding the world or a problem), or skills (ability to interact with the world and to solve a particular problem) (Page 2007), Haas/Shimada (2010) argue that the diversity term refers less to “real” differences than those perceived and treated discursively within a collective. In the perspective of a discursive approach, the representations about our relation to the world and to the others which are founded on the experiences of individuals are shaped, organized, oriented, transmitted, shared, interpreted through the process of discursive constructions (Bothorel-Witz/Tsamadou-Jacoberger 2012; Jodelet 1989; Moliner/ Guterman 2004). Thanks to its “thematisation” (Gajo 2003), the diversity term is transformed in objects of discourse, defined and manifested in the form of sets of inter-discursive propositions resulting in common references, largely shared, repeated and cited in a particular social group. And it is effectively on “references”, “frameworks”, “lens” or “biases”, conscious – unconscious, that Diversity & Inclusion representatives () claim that “we have much more to do” (). For business practitioners, what does diversity represent to them? The analysis of official corporate discourse emphasizes the clear value of diversity as an important strategic business issue. This is illustrated in the rhetoric of , “Diversity is more than just a buzzword; it’s critical to business success”, “the magic word in our professional world globally is ‘Diversity Management’”, “Through Diversity Management, seeks to identify both common ground and differences for the success of the company”. Be that as it may, the notion of diversity has different interpretations in the perceptions of our practitioners as well. We can enumerate some of them as follows: “Diversity of thought and opinion” , “Different perspectives and ideas” , “A diverse talent pool” , “The diversity of skills, thought processes and experiences of all our employees” , “People – Human diversity” , “Diverse experiences and points of view” , “Diverse personalities, skills, talents and experiences” , “The unique perspectives and capabilities of our employees” , “The right mix of talent pool” , and “Different mindsets and wide-ranging experience” . Promoting diversity reflects, on the one hand, the diversity of the markets and their needs. By managing diversity properly, companies show, on the other hand,
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their responsibility toward their employees. Clearly, diversity management is handled in many different ways in the business world. Some companies attach a moral value to diversity (internal integration tool, corporate social responsibility and conscience). For others, their motive is rather economic (market adjustment). Gaining potential markets and selecting the most talented employees seems to be the ultimate goal for the majority of the companies. This is true in the case of : “the value of a diverse workforce reflects today’s consumer”, which encourages the company to “recruit, retain and advance the most talented team players, who bring with them the diversity of thought and experiences necessary to succeed in today’s marketplace”. The statement below allows us to categorize ’s conviction of managing diversity in one of Harrison’s four organizational ideologies: Person culture, focusing on individual talents and ambitions, which corresponds to one of four quadrants of Schneider’s model: Competence Culture, valuing expertise, knowledge and performance-based compensation. We are already a highly diverse organization, diversity and gender balance must stay at the top of our agenda – enabling us to draw from an ever broader and larger talent pool, make better-informed decisions and deliver more robust consumer insights. Diversifying talent at will focus on attracting, engaging and developing people to ensure the right mix of talent to meet current and future business needs. (Our emphasis)
Regarding the Organizational Culture Profile (OCP) of the company, it is clearly the People oriented (O’Reilly/Chatman/Caldwell, 1991) type, emphasizing fairness, supportiveness and respecting individual rights, the concepts that we find in ’s “leadership and personal responsibility” Corporate Business Principles, in terms of recruitment and Human Resource Policy: We treat each other with respect and dignity and expect everyone to promote a sense of personal responsibility. We want to develop an environment, culture and leadership that provide equal opportunities for all (…) for their development and advancement. We protect their privacy. We respect international conventions concerning employees’ rights and do not tolerate any form of harassment or discrimination for any reason, including origin, nationality, religion, race, gender, age or sexual orientation. (Our emphasis)
In Hofstede’s model, this diversity management corporate culture reflects the dimension of “Employees oriented” by taking into account personal problems or differences and making the employees feel secure. We find a common Corporate Business Principle in the discourse of our areas of research in terms of the need for promoting diversity: the diversity of customers/ markets is the principal reason for promoting diversity in an organization, for example, “Our customer base becomes increasingly diverse. It is essential that our people reflect the rich cultural, ethnic and gender diversity of our markets” ; “Our employees should reflect the diversity of our customers” ; “Our diverse workforce reflects our diverse customer base” .
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In the meantime, it seems to be important for companies to show that they care for people (Employees oriented). Jobs should be done, but not without showing some concern for employee well-being. opts for a Performance oriented culture and values a responsible approach. views diversity in action as “a sign of a good corporation”, whereas is proud to be “an equal opportunity employer”. Taking responsibility “makes good business sense” and corporate responsibility concerns not only the employer (Ph A, Pb A, Pb B), but also the employee’s “personal responsibility” (Fd A), that is: “the policy sets out the attitudes we expect from our people, such as mutual respect, trust and transparency, and open communication and cooperation”.
3.1 Corporate subculture: between “uniqueness” and “belongingness” While we have assumed that a Corporate Culture (CC) is unique and shared throughout the organization, in reality there might be multiple cultures that emerge within departments, branches, or geographic locations. These are known as subcultures (Schein 1992; Kotter/Heskett 1992; Deal/Kennedy 2000). They may arise from the personal characteristics of employees and managers, as well as from the different conditions under which work is performed. Subcultures can bring an added value to the organization’s values. On the other hand, a subculture may take the form of a counterculture, defined as shared values and beliefs that are in direct opposition to the values of the broader organizational culture. A counterculture may be tolerated by the organization as long as it is bringing in results and contributing positively to the effectiveness of the organization. However, its existence may be perceived as a threat to the broader organizational culture. In terms of CC, the value of diversity is related to what we can call “uniqueness”. We know that your life and your experience are unique. At , we believe in championing that uniqueness. Uniqueness in leadership, in thought, in fact in every way we work together and live our values. If you can feel who you are, and you feel included, your motivation and ideas will help us succeed now and in the future. (Our emphasis)
“Uniqueness” can be understood as ‘being different’, which “may be interpreted as an opportunity or considered to be a source of value; being special and unique can be a competitive advantage for individuals as well as organizations” (Schneider 2011, 93–94). However, the challenge for companies is not solely in how many diverse teams are necessary to reflect the markets, but rather in how to manage these teams in a way that team members can achieve things together. Consequently, for a manager, the challenge is not only to be aware of the difficulties associated with differences between individuals, but particularly in how to harness the tremendous potential of the group and, at the same time, make each one feel a part of the group (“belongingness”).
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According to Amado/Guittet (2003), participating in the life of a group implies an awareness of the following four dimensions: 1) the operative dimension, that is to say, the nature and implementation of task activities; 2) the contextual dimension, understood as the framework and constraints for action in a specific environment with economic and social issues; 3) the relational dimension, people maintaining emotional relationships and power; 4) the institutional dimension described as what is internalized and permanent in the group, a common story, representations, norms, rituals, beliefs, values. As stated previously, corporate culture refers to shared values, attitudes, standards, and beliefs (institutional dimension) that characterize members of an organization (contextual dimension) and defines its nature and actions (operative dimension). This company culture or identity is the personality of a company and defines the collective way in which people get things done. The “collective” way supposes that there are individual ways, but expects individual aspirations to be sublimated to the group’s needs. In terms of people management, to maximize effectiveness, it is essential for leaders, who are supposed to manage and balance the need for divergence and convergence, to build a team which can function with a good working relationship and in which all members feel fully integrated. While acknowledging the team’s diverse cultural background, Adler/Gunderson (2008) suggest to leaders to select members primarily for their task-related abilities. Establishing a vision or superordinate goal for the team to accomplish task activities (operative dimension) helps to transcend individual differences, to the extent to which superordinate goals require collaboration and cooperation; a team which focuses on subsequent activities will succeed in transcending individual differences. It is important for team members to be assured that power inside the team is equalized and distributed according to each member’s ability to contribute to the task. Instead of setting up inter-group competitiveness, which will lead to lack of harmony and therefore unhappiness (relational dimension), an inter-group co-operation should be fostered. Selecting members of equal ability allows the enhancing of mutual respect; making prior accomplishments and task-related skills known to all team members minimizes early judgments based on ethnic stereotypes, resulting in the building of a constructive environment (contextual dimension).
3.2 Collaborative Corporate Culture: managing diversity in an inclusive environment From Lehmann and van den Bergh’s point of view (2004, 28), members in mixed teams have more mutual tolerance because they are often in contact with people from other cultures. This increases the ability to feel comfortable on a mixed team, and that increases creativity. Diversity, despite the benefits, presents considerable challenges. “Increasing diversity can lead to less cohesiveness, less effective communication, increased anxiety, and greater discomfort for many members of a com-
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munity” (Fine/Handelsman 2010, 3). Mistrust, misunderstanding and other sources of conflict can delay and complicate team work. Different styles of communication and different ways of conducting meetings could result in a slowdown in creativity (Lehmann/van den Bergh 2004). Since diverse groups are rather the norm than the exception in the modern world, it seems that they have the potential to work together successfully, provided that a diversity-friendly climate is embedded. The establishment of a diversity management section in companies can therefore be considered a good way to reap the benefits from working in diverse teams. Cox (2008, 23) speaks of the gain that companies can earn if they can “create a team environment in which the potential problems of diversity are minimized while the potential benefits are unleashed”; Kaiser-Nolden (2008, 45) advises companies “to be engaged in creating conditions that enable diversity to have a positive effect on a team’s success”. In this framework of a constructive environment, the company underlines that “Diversity is a given – Inclusion is a choice”: “we believe that an inclusive approach will be of maximum benefit to all our employees as well as our wider business goals and the society in which we live”. By creating an inclusive environment, the company can gain a competitive advantage through inclusion at different levels: improving representation at all levels and in all functions, building capability through inclusive leadership behaviors, driving ownership and accountability by stressing inclusion-related objectives, and ensuring sustainability with a D&I link to the company’s values and behaviors. In her interview, a D&I project manager insists that “diversity and inclusion are a catalyst towards achieving business objectives”. In the representation of , diversity is about understanding and maximizing differences – the variety of perspectives, opinions and contributions that each can bring to the business, whereas inclusion is about leveraging diversity to create an environment and culture that are welcoming, collaborative, and productive. An inclusive environment drives diversity into the business, allows an organization to leverage its diversity and results in increased innovation and growth. We want to make sure that we create an environment where diversity can be leveraged, can be harnessed. Because it does not make sense when we have diversity and we try to make everybody the same, make everybody conform and not listening to different perspectives. So it’s to let diversity flourish and respect this diversity. And how do we make these different voices, these different experiences, these different cultural backgrounds get their voices heard, how to harness these different ideas and to drive innovation within the organization? (D&I Project manager)
For other terrains, “an inclusive business culture will help create a global community in which people can be themselves, give their best and grow professionally”, mentions. Inclusion means, for the company, the need to “create an environment that values and integrates each person’s differences and provides the opportunity for everyone to participate in achieving our business goals”. From
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’s point of view, an inclusive employment can be understood by an inclusive workplace, which is “one where everyone, regardless of their perspective, skills or abilities is able to contribute and progress”. An inclusive environment is “strategically” linked to openness, collaboration, communication, cooperation, exchange, balance, relation, expression, involvement, respect, trust, connection, equality, and opportunity: “Inclusion establishes and reinforces behavioral standards that foster a collaborative culture and work environment, which will enable individuals and groups to contribute to their fullest potential” ; “An inclusive environment enables differing views to be exchanged openly” ; “We are committed to ensure an open work environment and treating others with respect, the way our employees can develop freely and use their full potential” ; “A diverse workforce enables us to create an environment of involvement, respect and connection with the communities where we operate” ; “We want to develop an environment, culture and leadership that provides equal opportunities for all”, . Following the model established by Harrison (1972), a predictable environment is suitable for Person culture, where employees are encouraged to grow and develop within the company. This latter is conceived to serve their needs, care for their well-being (Employees oriented according to Hofstede’s model), treat them with respect and respect their rights (People oriented in the model of O’Reilly/Chatman/ Caldwell 1991). After all, an “open work”, “inclusive” environment is developed to enable each example of “uniqueness” or each “unique person” to contribute to his/her fullest potential in a collaborative way to leverage the performance of the company. Schneider (1994) labels this culture Cultivation culture, where a company sets out the goal to “grow people and teams” “who fulfil our vision”. Recruiting “the one” who fits the organization’s behaviors to fulfil “our” vision and respect “our” values is the key element to reinforcing “our” corporate culture. From ’s point of view, the company should “recruit competent and motivated people who respect our values”. If diversity is fundamental, inclusion is a measure. According to Shore et al. (2011) inclusion constitutes a tool to combine the joint roles of belongingness and uniqueness: an individual is treated as an insider and also allowed/encouraged to retain uniqueness within the work group. Inclusiveness practices promote satisfaction of belongingness and uniqueness needs at the same time. The authors argue that three contextual antecedents: 1) Inclusiveness Climate (fairness systems, diversity climate), 2) Inclusive Leadership (management philosophy/values, strategies and decisions), and 3) Inclusiveness Practices (promote satisfaction of belongingness needs and of uniqueness needs) have an impact on employee perceptions of work group inclusion, resulting in increasing good outcomes (well-being, creativity, job performance, job satisfaction, intention to stay, organizational commitment, high quality relationships, etc.). In the argument of , “a lot of companies are interested in accelerating inclusion or inclusive leadership programs”.
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We look at a more inclusive leadership and we try to understand how different cultures work. In terms of managers to understand, what does inclusive leadership mean? How to be accessible to people? How do you understand biases that you may have? Because when we come to work, we bring in our own framework of references and we have our own biases. You have this lens that you judge people by. (D&I Project Manager)
The definition of inclusiveness is “an aura or environment of letting people in and making them feel welcome” (http://www.yourdictionary.com). Promoting an appropriate contextual dimension in the sense of Amado/Guittet (2003) to create a framework that provides the opportunity for everyone to participate in achieving the company’s business goals, an environment that values and integrates each person’s differences, a diversity climate provides a condition in which employees and newcomers feel involved, comfortable, equally treated and respected, can allow people to “be themselves, give their best and grow professionally” (), so as to be an “Employer of Choice”.
4 Managing language diversity: multilingual inclusiveness The Head of diversity of states that “for me, multilingualism is clearly an asset, this multilanguage capability, because it’s not only about language, it’s all about culture”. It seems impossible to separate language from culture, where the term Cultural and Linguistic Diversity (CALD) is widely used to characterize a culturally and linguistically diverse group. Some say that language is a cultural component; it is a product of culture, transmitted from one generation to another. In this sense, culture determines language in a way that the latter is used to describe the realities of a given society, with non-translatable words in other languages. Others believe that language determines culture insofar as culture is constituted and passed on within the society through language, through which members perform their socialization. Language reflects our culture and influences our thinking (Sapir-Whorf hypothesis); sociocultural representations are shaped by and in our language use/practice (Gajo 2003; Py 2004). Porcher (1982, 39–40) argues that, “No sign of civilization exists independently from language. As for language, it is entirely marked by civilization. It is truly a cultural treasure” (our translation). Since organizational culture is formed by a “working language” (cf. Bhagat/ Steers 2009), to determine the role of language diversity for an inclusive multicultural working environment we first need to understand what is the value added to being different in terms of language skills. According to the opinion below, being multilingual results in competitive differentiation.
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But I want to say today speaking only English, it is not sufficient in the professional world. But … when we look around ourselves, speaking only English, French and Romanian … I’m lucky I can add Russian and suddenly I stand a little bit out from the crowd. (Original in French, PLC)
Globalization and mobility across borders have made the world of work not only multicultural, but increasingly multilingual. People with different languages are required to work together, which leads to various forms of communication between colleagues who are more or less multilingual. Diverse teams need to find a “linguistic tool” for cross-linguistic communication. Managing language diversity or multilingual resources of team members represents a serious challenge for the interlocutors themselves as well as for companies that hire them. How to deal with the following two scenarios? There are several attitudes among employees as well. There are employees who do not speak the language but are completely uninhibited towards language, who will make mistakes, who will speak anyhow, but will be understood. And then … there are employees who speak well but have more complexes, who don’t talk and suddenly do not intervene in meetings and who close themselves up, and this can cause them problems in their management and in their career. (Original in French, RM2) I’ve seen that it is stressful for people who are not good in the language to receive emails in German or English; they tend to procrastinate and in the end they are super stressed because there are plenty of emails they do not understand well to which they have to respond and they know they are out of time and it generates a lot of stress. Another stress is to confess to a colleague that he does not understand so that the colleague will translate for him or sometimes try to find a colleague who will not despise him or use it to denigrate him. (Original in French, RM 13)
From the companies’ management point of view, using one common language can be seen as an obvious step. A frequent stereotype envisages the most convenient solution in the choice of a single language, often English (Abdullah/Chaduhary 2012). This “monolingual language philosophy” view is largely shared by multinationals like : English is the company language; fluent English is therefore required. (Job ad on line, )/ Predominantly, the language used here is English. (D&I Project Manager) Generally speaking is predominantly English-oriented, like most multinationals. (Head of Personal and Human Resources) Our corporate language is English. (Heads of Diversity , , , ).
The choice of English can give the image of a modern company accessible to all, whatever their identity in a globalized world: English as an international language can be used as an “adequate or satisfactory” lingua franca. To enable people from different linguistic and cultural backgrounds to interact by means
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of English is because English lends itself so selflessly, efficiently and effectively as a neutral medium for people all around the world. (Alexander 2007, 10)
On the other side of the coin, as mentioned above, language diversity is something inseparable from cultural diversity in the perception of numerous heads of diversity who were interviewed: “Language expresses culture” ; “Language carries culture, perceptions and values” ; “The position of language is in culture. When you speak about the language, it’s also about the culture” ; “Communication is not only language, communication is also other ways to communicate” ; “Being good in interacting with people concerns not only language, but also culture” . In this regard, both cultural and linguistic dimensions are worthy of recognition and need to be properly managed: We attach importance to cultivating cultural diversity. The national language at the place of employment is regarded as the respective lingua franca. is a multilingual company and encourages multilingualism at work. Beyond the services of its linguistic department, it proposes language courses to its collaborators and the possibility of working in other linguistic regions. (Diversity at work, 2007) / Mixed and intergenerational teams, paying particular attention to cultural and linguistic diversity, have extensive knowledge and multiple experiences. (Original in French, Management Report 2006)
As seen before, companies often develop “linguistic philosophies” about corporate language, and a set of language management measures, implicitly or explicitly, is a way to effectively take advantage of (linguistic) diversity (see also Yanaprasart 2016a, 2017, 2018). English as the corporate language, even without being mentioned as such in any official document, is a largely shared representation and frequently recited as such by our interviewees in company . Nonetheless, the dynamics of language use cannot exclusively be predetermined in top-down decisions (Cogo/Yanaprasart forthcoming). It is therefore necessary to understand, on the one hand, the ways in which the co-existence of multiple factors is managed at the macro level by the company (language policy, language ideologies) and at the micro level by the interactants (language choice and language use). This often reveals contradictory “realities” that show a conflicting top-down and bottom-up understanding of language practices. On the other hand, it is important to understand the impact of cultural diversity (corporate culture, national context, individual identity, multilingual resources and intercultural competences/skills) on linguistic diversity management policy/practices. While many testimonies from gathered in the framework of an EU project (Berthoud/Grin/Lüdi 2013, for an overview see Lüdi in this handbook) discuss the pressure on employees to speak English, the same study reveals the massive presence of multilingual talk in multilingual teams, which clearly reflects the “plural linguistic identities” of multilingual collaborators (cf. Yanaprasart 2010). Jamal H., Head of Lab B, emphasizes the dominance of English at work in , but admits the presence of other languages (in his laboratory it is German,
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in neighboring lab A it is French). With his multilingual skills in Arabic, French, Dutch, English, Spanish and German, Jamal is ready to mobilize his limited German with the willingness to respect the heterogeneity of preferences and/or actual staff language competences. Example 1 JH: 2 3 ML: 4 JH: 5 ML: 6 7 8
1 maybe marianne you can summarize in german ya what’s eh you did mmh and what you expect mmh (…) also wir haben jetzt das rpmi protokoll (.) aufgemöbelt (.) aufdatiert (.) und zwar haben wir diesen faktor (.) diesen verdünnungs- eh faktcorrection factor noch reingegeben=
For Jamal, “successful” communication is conditioned by the active participation of all participants, namely the implementation of their partially shared multilingual repertoires: Mara does not understand English well enough and I know that Marianne speaks better German than English. For me, the most important thing is that THEY agree and understand the changes they are going to do this protocol, because it is a document that THEY use every day to work.
For reasons of efficiency, accommodation and care of the well-being of his subordinates, Jamal creates an “inclusiveness” space for participation and fairness. As a multilingual leader, he said “I use my language skills and if I cannot find the words in one language, I jump in another one”. The “inclusion strategy” allows him to include everyone and ensure the effectiveness of his team. Most importantly, though, “Mara must understand the message in the shortest time possible. It is useless to speak English and then I have to explain again, and repeat (or wait for someone to translate), so I try to be at the same time a translator. So, this is to facilitate, in order that everyone feels comfortable, everyone understands everyone on the same level, and then here, it means efficiency really immediately when meeting finished, everyone already knows the message. Even if this form of “participant related code-switching” (Gumperz 1982; Auer 1984) is not, at first glance, determined by the language philosophy of , it is recurrent, deeply rooted and shared at all hierarchical levels of the company. This multilingual way of holding meetings does not just appear spontaneously, but corresponds more or less to strategies devised by managers conscious of the issues (cf. Lüdi et al. 2012). Another type of meeting is the scientific meeting, bringing together the scientific staff. One would expect to see it take place in English only. As expected, the discussion is done in English until Nina S. takes out lecture notes, clearly written in German.
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Example 01 NS: 02 03 04 05 06 07 08 ? 09 NS: 10
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2 [well] at least they postulated that they found an effect (.) however if you look at ahm : at the data +(1)+ ((she rummages through her papers)) okay ich mach das jetzt einfach in deutsch weil ich weiss dass die tatjana sehr gut deutsch +versteht und+ auch sprechen kann dann geht’s nämlich schneller (h) ((somebody laughs)) also wenn man sich die graphiken anschaut (..) wird (..)
Nina S. proposes changing to German, which seems to guarantee the maximum efficiency, given the purpose of the meeting: to discuss the results of experiments. Tatjana is the only non-German present that day. Knowing the linguistic profiles of participants, Nina is convinced that rather than English only as the language of science and the language of the company, a bilingual mode can make the meeting more productive and more efficient in the process of scientific knowledge transfer and construction, for herself (expression) and for the audience (reception). This multilingual contextual environment proposed by Nina shows her attempt to reconcile the criterion of equity (respect of linguistic diversity, inclusion of everyone) with the dimension of efficiency (time consumed and accuracy of statements). To conclude this part, a quote by an employee whose mother tongue is Chinese confirms that language choice depends on the composition of the group, the team. People can speak any language they want, whatever language they feel comfortable in. A colleague of mine who is German native, for example, even if she is very fluent in English she did it in her mother tongue. Because when you have a choice, you will do it in your mother tongue. You will choose the language where you are the most comfortable. So whenever she has meetings with people, Swiss or German, she will speak German. So only with people who are unable to speak German, then English will be used. Because it is respectful that everybody understands what is being discussed in the meeting. But people switch languages very often. So you will see people speak French, English. If everybody is able to understand German, the meeting will be in German because this is what everybody is able to do. Even on a global function, yes if everybody can, they will speak in German. But if I am in the meeting, they will not speak German anymore. If people are unable to speak the language, they won’t switch. To be more inclusive, if they speak the language that I can’t understand, then I don’t feel included and I cannot contribute as much. So it has to be a language that is a part of inclusion, so a language that everybody is able to communicate in is English.
It is impossible to please everybody all the time. If a certain level of flexibility is allowed, and variation is offered so as to take into account participants’ prior knowledge, competences, skills and capabilities, their commitment and favorable contributions will increase. A divergence between policy and practice has been shown. Many forms of communication have, in fact, been used to achieve communication goals and handle linguistic dynamics in the workplace (Yanaprasart/ Gaibrois 2017), going:
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from one common language to two-three-four common languages, from one language only (OLON)/one language at a time (OLAN) to all languages at the same time (ALAST) or all languages at all times (ALAAT), and from the choice of a single language, a “Swiss Model” (Kolde 1981), the rule of receptive multilingualism (Werlen 2007) to translinguistic strategy-like language mixing based on a “multilanguaging” (Makoni/Makoni 2010) philosophy.
Each model is chosen depending on the constellations of people and their language competences. These multiple-language-use choices can provide various answers to different needs and expectations in the business world (Yanaprasart 2015b), as Jamal H. said: “Every day, we do not realize how we juggle between languages. The goal is really to get the message and be effective. There was no time to lose.”
5 Discussion Every multinational corporation is a multilingual community, as argued by Luo/ Shenkar (2006). Multilingual inclusiveness culture can be the one that better values people who are capable of speaking many languages. Research has shown however that organizational diversity management does not take multilingualism into account when dealing with the planning of internal as well as external communication in companies (e.g., management research in Bruhn 2003). What comes out of our study is if management measures in the domain of external communication with customers or stakeholders clearly take into account linguistic diversity, no link between the language factor/dimension and diversity management is mentioned in any official documents of . values differences including disability, sexual orientation, race, ethnicity, age, thinking styles, gender and religion. We consider diversity to encompass ethnicity, gender, thinking styles, religion and belief, sexual orientation, age, physical ability, education, nationality, life, experiences. (Website)
“Language is not really an issue, because we translate all documents. Multiple languages are being used all the time”, comments the D&I project manager at . Translation seems to represent an effective tool to manage languages at work: We use very good translators and we try to make sure that the message is actually the same. Even if it’s a global function, so whatever messages sent by the CEO or any leadership’s messages, they always come in three languages. Everything in three languages: so English, German and French. So every communication that we have from this site is always available in multiple languages. Locally, everything is basically translated.
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In reality, language is not an aspect that the company is planning to use as “an index to measure the level of inclusiveness within organization”. On the contrary, at , “languages are very important, that’s why we are taking care of it, even more in the future. And we will try to find significant KPI [Key Performance Indicator] also for languages. For a moment, it is a work in progress”, concludes the company’s Head of Diversity. As advanced by Köppel/Sandner (2008a, 9), “the goal of diversity management is to shape and use the existing potential in the most productive way possible”. A multilingual workforce, as a significant resource, can be a competitive advantage (Akinci/Pohl 2008, 26). In this sense, “[…] for diversity to benefit a company’s bottom line, there must be a process by which the positive aspects of diversity are brought to bear” (Simons/Hope-Pelled 1999, 669). This, for example, by providing an appropriate environment: “If we succeed in creating an environment made of tolerance and respect, the ‘mixing’ is a great breeding ground for creativity” (a team leader of Applications infrastructure, ). Her colleague, a D&I Project Manager, sees the same challenge: “we spend a lot of time at work. We want to make sure that the environment that you work in is inclusive; you feel that you can contribute and that’s how you are engaged. When you are engaged, you are committed. You are productive. We have to try to create an environment and to understand how to drive people”. Inclusion increases engagement, and the sense of engagement increases performance. If “good working conditions, a collaborative culture and a proper work environment can allow individuals and groups to realize their full potential” (), from this point of view, one of the strategies to ensure that all employees will receive the same opportunity may be to create a multilingual macro context and microenvironment where all members are encouraged to implement their various talents and skills, and linguistic diversity is perceived and employed as a multilingual asset based on strategies of inclusion, rather than a drawback. I have heard every language in the world. Yes, I’ve heard everything so I like working in the company where when you come in here even you walk down you hear German, French, whatever you know, Chinese, everything you can hear. We talk a lot about cultural diversity. Culture is also language. They are very closely linked. The more languages you speak, the more open you are and the more the culture sensitivity is high. So here, it’s a very open environment. (Project Manager, Diversity Division, )
Needless to say, “a part of D&I is to recognize diversity in people, meaning that some people are more comfortable to be able to speak in their mother tongue”, concludes ’s D&I Project Manager. “The role of language can facilitate an inclusive working environment. It’s an important instrument of communication and gives the impression that you belong to the group”, reasons ’s Head of Diversity. Finally, Maclean (2006, 1386) predicts that “interest will grow in sophisticated, multilingual approaches to resolving language problems, rather than the avoidance of complexity by imposing monolingual solutions universally”.
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6 Conclusion and perspectives regarding on-going research and its impact on the business world The aim of this paper has been to identify the way companies design and manage their organizational diversity strategy, as well as to understand the role they attribute to language and cultural diversity. More precisely, how could they balance the need of divergence and convergence? How could an individual demonstrate his/ her uniqueness and strengthen his/her belongingness to the group? What are the challenges diverse teams faced and in what ways do they interact and communicate in multilingual and multicultural workplace settings? We have seen that diversity is summarized most of the time in terms of cultural diversity, “cultural” in terms of values, beliefs, norms related to nationality, gender, age, religion, life, experience … This is similar to corporate culture, which can be composed of multiple cultures in the form of subcultures and countercultures and which can be understood in terms of different cultural dimensions depending on what is most emphasized within the organization. Corporate diversity also consists of different cultural aspects, dominant or dominated depending on which one is considered an asset, a business driver or a challenge, a barrier, an obstacle. The polysemy of this complex concept results in not only the plurality of the term’s definitions, but also the variety of diversity management practices and measures. We have highlighted not only the awareness of diversity in business, but also its acceleration. Above all, the companies investigated have adopted a proactive diversity approach, contrary to a reactive attitude of adapting the human resources policy to the national legal framework in order to avoid sanctions and discrimination trials (Chanron/Sladek 2008). These companies are convinced that good management of “one of the greatest assets to grow intellectual capital and ensure the ability to compete” can become “a crucial strategic advantage” for businesses. Diversity is a tricky term to define, as we have seen. This concept implies, in terms of resources, a set of means individually, as well as organizationally, available. It includes, according to our research, resource values like language skills, intercultural competence, personal experiences, various perspectives, varied cultural backgrounds, soft knowledge of the local culture. However, the diversity that companies are seeking to develop and that they want to take advantage of must be based on the implementation of the entire “uniqueness” of each employee so as to serve a common task. Real diversity must take into account all profiles and diversify all job-related skills. Instead of prioritizing, it would be better to conceive it in terms of a set of competences, which we call a competence of being diverse. It consists, in our view, of plural, functional and operational competences that are transferable and exploitable. Finally, our research suggests a real focus on creating inclusive groups where diversity (in the sense of uniqueness rather than differences), as well as the sense of being a member of an in-group (belongingness), can thrive.
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The impact of this paper on companies’ diversity management practices can be translated, on the one hand in terms of understanding: managers need to understand the complexity of managing diversity in the workplace and the consequences, which could improve the competitive advantage of the company, and on the other hand, in terms of developing measures of diagnostics, action, advocacy, monitoring and evaluation of the “diversity-performance” in order to understand what could be a Linguistic Diversity Management Strategy. The analysis of leadership-based paradigms of diversity, the implementation of diversity management in the organizational leadership perspective by examining the strengths and weaknesses of each approach in support of the arguments of the business case for diversity may help us to identify clues and indicators to measure the success (or failure) of their diversity initiatives.
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Bernd Meyer
12. Mehrsprachigkeit in Organisationen Abstract: Formen mehrsprachiger Kommunikation in Organisationen werden in diesem Beitrag mit Bezug auf drei unterschiedliche Bereiche diskutiert: (a) Kommunikation in öffentlichen Einrichtungen mit einer sprachlich heterogenen Klientel, (b) Kommunikation innerhalb multinationaler Institutionen wie der EU, (c) mehrsprachige Wirtschaftskommunikation. Dabei wird deutlich, dass Sprachbarrieren sowie spezifische Translationskulturen und Sprachregimes zu Kommunikationsbrüchen, aber auch zu neuen Formen der Verständigung führen. Um Verständigung unter den Bedingungen von sprachlicher Vielfalt zu ermöglichen, ist daher ein reflektierter Umgang mit der Ressource Mehrsprachigkeit erforderlich.
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Einleitung Perspektiven auf mehrsprachige Kommunikation Methodologische Probleme der Erforschung von mehrsprachiger Kommunikation Sprachregimes und Translationskulturen: der gestaltende Umgang mit Mehrsprachigkeit Einzelne Kommunikationsbereiche Zusammenfassung Literatur
1 Einleitung In diesem Beitrag werden Formen mehrsprachiger Kommunikation in Organisationen sowie die mit ihnen verbundenen spezifischen Anforderungen und Probleme beschrieben. Es werden unterschiedliche Bereiche in den Blick genommen, wie etwa die Kommunikation in öffentlichen Einrichtungen mit einer sprachlich heterogenen Klientel oder innerhalb multinationaler Organisationen und in der internationalen Wirtschaftskommunikation. Organisationen werden als Handlungsräume verstanden, in denen wiederkehrende kommunikative Zwecke von Agenten und Klienten in teils spezifischen, teils mehrere Institutionen übergreifenden Großformen sprachlichen Handelns bearbeitet werden (vgl. Bührig 2005; Becker-Mrotzeck 1999, 2001; Rehbein 1998), häufig in einem „mehrsprachigen Zweckverbund“ (Rehbein 2013, 69). Aufgrund von Sprachbarrieren (Pöchhacker 2000) sowie spezifischen Translationskulturen (Prunč 2008) und Sprachregimes (Coulmas 2005; Busch 2013) führt Mehrsprachigkeit in Organisationen zu Kommunikationsbrüchen, aber auch zu neuen Formen der Verständigung (Backus u. a. 2013). Um Verständigung auch unter den Bedingungen von sprachlicher Vielfalt zu ermöglichen, ist ein reflektierter Umgang mit der Ressource Mehrsprachigkeit https://doi.org/10.1515/9783110296235-012
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erforderlich (Meyer 2011). In diesem Zusammenhang müssen unterschiedliche Dimensionen des sprachlichen Handelns (Identitäts- und Gemeinschaftsherstellung, Wissensvermittlung, Zweckorientierung) differenziert betrachtet werden.
2 Perspektiven auf mehrsprachige Kommunikation Mehrsprachige Kommunikation wurde in der handlungstheoretischen und sozialwissenschaftlich inspirierten Sprachwissenschaft zunächst nur vereinzelt als Untersuchungsgegenstand begriffen. Pionierarbeiten in diesem Bereich sind etwa die Untersuchungen von Rehbein (1985a, b; 1986) zur Arzt-Patienten-Kommunikation, von Knapp und Knapp-Potthoff (1987) oder Knapp-Potthoff (1992) zum Sprachmitteln sowie von Müller (1989) zum Umgang mit verschiedenen sprachlichen Ressourcen in sozialwissenschaftlichen Interviews. Auch international intensivierte sich die Beschäftigung mit Mehrsprachigkeit als einer kommunikativen Ressource erst Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre, etwa mit der Arbeit von Cecilia Wadensjö zum Gesprächsdolmetschen (Wadensjö 1992) oder einflussreichen Untersuchungen zur sprach- und kulturspezifischen Realisierung relevanter Sprachhandlungen (Clyne 1994) und zu Sprachvariation und -erwerb am Arbeitsplatz (Goldstein 1994, 1997). In der Folge wurde mehrsprachige Kommunikation vermehrt zu einem Forschungsobjekt soziolinguistischer und funktional-orientierter Ansätze in der Sprachwissenschaft. Dabei lassen sich verschiedene Forschungsperspektiven unterscheiden: – Mehrsprachigkeit als Instrument von Macht und Ausgrenzung (Haviland 2003); – Mehrsprachigkeit als Instrument der Identitätskonstruktion (Rampton 1995; Keim 2007); – Mehrsprachigkeit als ökonomische Ressource oder „commodity“ (Budach et al. 2003; Heller 2010); – Mehrsprachigkeit als Verständigungs-Barriere oder -Ressource in institutioneller Kommunikation (Angermeyer 2008; Bührig 2005; Kameyama/Meyer 2007; Meyer 2004, 2009; Mondada 2007). Die sprachlichen Phänomene, die bei diesen Untersuchungen im Mittelpunkt stehen, sind in der Regel Formen „inkludierender Mehrsprachigkeit“ (Backus u. a. 2013): verschiedene Arten von Sprachmischungen und -wechseln, Kommunikation zwischen Sprecher(inne)n mit unterschiedlichen sprachlichen Repertoires (Taleghani-Nikazm 2002; Codó 2008), rezeptive Mehrsprachigkeit (ten Thije/Zeevaert 2007) sowie Dolmetschen und Übersetzen, häufig in nicht- oder semi-professionellen Zusammenhängen (Pérez-González/Susam-Saraeva 2012). Weitere Gesichtspunkte, die insbesondere im neuseeländischen „Language at the workplace“-Projekt thematisiert
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wurden, sind gruppen- oder geschlechtsbezogene Unterschiede hinsichtlich Führung, Höflichkeit und Nähe (Holmes/Meyerhoff 1999; Schnurr u. a. 2007). Sprachliche Kompetenzen oder Repertoires werden in diesen Untersuchungen meist in Abhängigkeit von den in einem bestimmten Zusammenhang geltenden Erwartungen und Anforderungen gesehen (Blommaert u. a. 2005, 211): „knowledge of Bulgarian, its varieties and routines, is not the same in Sofia as in Ghent“. Ähnlich argumentiert auch Rehbein (2013), nach dessen Auffassung das mehrsprachige Potential des Menschen durch gesellschaftliche Praktiken und Diskurse in seiner Entfaltung beschränkt wird. Einzelne Sprachgemeinschaften erfahren dabei selektiv Bevorzugung oder Benachteiligung. Mehrsprachige Kommunikation in Organisationen kann daher immer auch als Ausdruck von gesellschaftlichen Machtverhältnissen gesehen werden, durch die bestimmte Formen der Kommunikation gefördert und andere sanktioniert werden. Explizite Sprachpolitiken, die auf normative Einheitlichkeit (wenn auch nicht unbedingt Einsprachigkeit) abzielen, konkurrieren mit den „situated plurilingual practices“ (Lüdi u. a. 2010 und in diesem Band; Hill/van Zyl 2002) in spezifischen Arbeitszusammenhängen. Diese orientieren sich eher an den Erfordernissen spezifischer Aufgaben und Handlungstypen sowie den sprachlichen Repertoires der jeweils Beteiligten, und weniger an normativen Vorgaben.
3 Methodologische Probleme der Erforschung von mehrsprachiger Kommunikation Versteht man Mehrsprachigkeit als Ressource zur Verbesserung der institutionellen Kommunikation, so stellt sich die Frage, wo genau der Einsatz dieser Ressource erforderlich ist und wer über diese Ressource verfügt (Meyer 2011). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit sprachlicher Vielfalt unterstellt meist, dass Vielfalt an sich Barrieren mit sich bringt, die zu Missverständnissen und generell Funktionsproblemen innerhalb einer Organisation führen können (House u. a. 2003). Eine Quantifizierung dieser Annahme, etwa in Bezug auf die Häufigkeit von Kommunikationsbrüchen und die Notwendigkeit anderssprachiger Kommunikation in einem bestimmten Handlungszusammenhang findet jedoch in der Regel nicht statt, sodass die Auswirkungen von Sprachbarrieren auf institutionelle Kommunikation oftmals nur fallweise dargestellt werden können. Ermittelt man etwa den „Migrationshintergrund“ oder die Nationalität von Beschäftigten oder Kunden, nicht jedoch, welche Sprachen sie tatsächlich sprechen, kann die tatsächlich stattfindende mehrsprachige Praxis weder ermittelt noch hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit bewertet werden. Eigenschaften einer Person, wie etwa die Staatsangehörigkeit oder die Migrationsgeschichte, sagen wenig über das Vorhandensein der für einen bestimmten Handlungszusammenhang relevanten
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Sprachkenntnisse aus: Die Tatsache, dass die Person eine bestimmte Staatsangehörigkeit hat, lässt keine Schlussfolgerung bezüglich ihrer Fähigkeit zu, in einer anderen Sprache zu kommunizieren, und ebenso wenig darüber, ob die Verwendung einer bestimmten Sprache von dieser Person überhaupt gewünscht wird (etwa der Nationalsprache des Landes, dem die Person rechtlich angehört) (vgl. Scarvaglieri/ Zech 2013). Konsequenterweise kann die effektive Nutzung mehrsprachiger Kompetenzen von Angehörigen einer Organisation nur zufällig gelingen, solange diese nicht individuell und systematisch erfasst werden. Die naive Vorstellung, mehrsprachige Kompetenzen könnten unmittelbar genutzt werden, zeigt sich z. B. in einem Text der deutschen Bundeswehr von 2011. Dort heißt es, dass „die Mehrsprachigkeit oder die Kenntnis kultureller Besonderheiten von Soldatinnen und Soldaten mit Migrationshintergrund […] im Rahmen von Auslandseinsätzen zielgerichtet eingesetzt und genutzt werden“ könnten (ZiF 2011, 35). Die Gruppe der Soldat(inn)en mit Migrationshintergrund ist jedoch weder hinsichtlich ihrer Kenntnisse der Herkunftssprachen noch hinsichtlich ihrer kulturellen Prägungen einheitlich. Eine effektive Nutzung dieser Potentiale wäre erst dann denkbar, wenn geklärt würde, für welche kommunikativen Aufgaben welche sprachlich-kulturellen Kompetenzen erforderlich sind und welche Organisationsangehörigen über diese Kompetenzen tatsächlich verfügen. Auch die in vielen Veröffentlichungen anzutreffenden Aussagen dazu, wie viele Sprachen in einem sozialen Raum gesprochen werden (in der Regel Dutzende oder auch Hunderte, vgl. z. B. Baker/Eversley 2000 für London) sind für eine Auseinandersetzung mit Sprachbarrieren und sprachlicher Vielfalt in Organisationen nur dann bedeutsam, wenn die Relevanz dieser Daten für bestimmte Handlungszusammenhänge herausgearbeitet wird. Ein Beispiel hierfür geben Extra/Yağmur (2005), die anhand von soziodemografischen Erhebungen zu den Herkunftssprachen von Schulkindern für eine stärkere Präsenz dieser Sprachen im schulischen Kontext argumentieren. Die Schwierigkeit, individuelle Mehrsprachigkeit und mehrsprachige Kommunikation quantitativ zu erfassen, hat zur Folge, dass der Umgang mit Sprachbarrieren und ihren Konsequenzen für die institutionelle Kommunikation sprachwissenschaftlich vor allem qualitativ anhand von Fallstudien oder kleineren Korpora untersucht wurde. Veröffentlichte Korpora sind das Korpus „Dolmetschen im Krankenhaus“ (Bührig u. a. 2012), das im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Mehrsprachigkeit am Hamburger Zentrum für Sprachkorpora aufgebaut wurde, sowie die „Community Interpreting Database“, ein Gemeinschaftsprojekt des IDS Mannheim mit der JGU Mainz und der kanadischen York University (Angermeyer u. a. 2012). Quantitative Untersuchungen mit größeren Probandenzahlen verwenden demgegenüber meist sozialwissenschaftliche Erhebungsinstrumente wie etwa Fragebögen und standardisierte Interviews oder werten statistische Daten aus. Ein weiterer Ansatz, der insbesondere bei der Untersuchung medizinischer Kommunikation zum Einsatz kommt, sind Ratingverfahren, bei denen geschulte Rater aufgezeich-
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nete Gespräche nach vorgegebenen Kategorien kodieren und bewerten. Auf diese Weise werden etwa kulturelle Unterschiede in der Arzt-Patienten-Kommunikation quantitativ nachgewiesen (Butow u. a. 2013). Während sprachwissenschaftliche Verfahren anhand von Fallbeispielen die spezifischen Probleme und Strategien der Verständigung nachzeichnen, können anhand von standardisierten Befragungen vor allem Häufigkeiten und allgemeine Aspekte des Umgangs mit Mehrsprachigkeit und kultureller Vielfalt aufgezeigt werden. Hinsichtlich der gesellschaftlichen Verbreitung anderer Sprachen und dem Grad der Deutschkenntnisse von Migrant(inn)en sind in Deutschland das sozioökonomische Panel (SOEP) sowie Studien des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wichtige Informationsquellen (und auch die einzigen). In diesen Untersuchungen werden bei Befragten mit anderen Muttersprachen Selbsteinschätzungen bezüglich der Beherrschung des Deutschen und der jeweiligen Herkunftssprache abgefragt. Daraus ergibt sich, dass je nach Sprachgruppe, Alter und Geschlecht ca. 10 %−40 % der Betreffenden nur über eingeschränkte Deutschkenntnisse verfügen (Haug 2008; Meyer 2009). Die Studie von Haug (2008, 45) zieht daraus den Schluss, dass „die meisten Zuwanderer […] mit ihren Deutschkenntnissen den Anforderungen in Alltagssituationen gewachsen“ seien, gleichzeitig jedoch Schwierigkeiten hätten, „Angelegenheiten des täglichen Lebens selbständig mit den jeweils zuständigen Behörden zu erledigen“ (Haug 2008, 45). Diese widersprüchliche Formulierung belegt die methodologische Schwierigkeit, aus quantitativen Befunden konkrete Kommunikationsprobleme abzuleiten. Ein anderes Vorgehen wählte Pöchhacker (2000), der in den neunziger Jahren Ärzte und Pflegepersonal in den Wiener Krankenanstalten zu ihrer Kommunikation mit nicht Deutsch sprechenden Patienten befragte. Aus dieser Untersuchung ergeben sich Erkenntnisse zum mehrsprachigen Alltag in medizinischen Einrichtungen, die in ähnlicher Weise vermutlich für andere Einrichtungen auch heute noch gültig sind. So zeigt sich beispielsweise, dass es in den untersuchten Krankenhäusern keine etablierten Verfahren und Regelungen zum Umgang mit Sprachbarrieren gibt und dass die üblichen Ad-hoc-Lösungen in höchstem Maße problematisch sein können, wie etwa das Dolmetschen von Kindern, Hauswirtschaftskräften und Reinigungspersonal. Des Weiteren geht aus der Befragung hervor, dass Ärzte/ Ärztinnen pro Woche im Durchschnitt 5–10 Patient(inn)en sehen, mit denen sie nicht ausreichend auf Deutsch kommunizieren können. In ähnlicher Weise belegt die Befragung von Meyer (2009) zur mehrsprachigen Kommunikation in Kindertagesstätten, dass bestimmte Einrichtungen relativ häufig in anderen Sprachen als Deutsch kommunizieren müssen und dabei in der Regel mehrsprachige Angestellte als Dolmetscher(innen) einsetzen. Diese Untersuchungen zu quantitativen Aspekten sprachlicher Vielfalt und Sprachbarrieren in öffentlichen Einrichtungen zeigen, dass mehrsprachige Kommunikation ein verbreitetes Phänomen ist, welches regional und für bestimmte Organisationen und Handlungsbereiche eine besondere Relevanz hat, ohne dass ihm
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jedoch immer die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um Sprachen geht, die nur über ein geringes Prestige verfügen. Die Gestaltung mehrsprachiger Kommunikation in Organisationen (im Sinne eines „linguistic diversity management“) erfordert daher, den Umgang mit Mehrsprachigkeit innerhalb einer Organisation auf eine Analyse der tatsächlichen kommunikativen Erfordernisse und Ressourcen zu basieren. Hierzu eignen sich z. B. Schematisierungen der kommunikativen Abläufe wie bei Bührig und Redder (2013).
4 Sprachregimes und Translationskulturen: der gestaltende Umgang mit Mehrsprachigkeit Der Umgang mit Mehrsprachigkeit ist normalerweise nicht rein instrumentell am Ideal erfolgreicher Verständigung orientiert, sondern unterliegt Einstellungen, kulturellen Mustern sowie funktionalen und sozialen Stratifikationen (Gunnarsson 2013, 180). Coulmas (2005, 7) verwendet hierfür den Begriff „language regime“, im Sinne einer Beschränkung der Wahlmöglichkeiten, die für ein- und mehrsprachige Sprecher(innen) objektiv immer bestehen. Solche Beschränkungen können gewohnheitsmäßig, rechtlich oder ideologisch motiviert sein. Coulmas versteht jedoch Sprachregimes vor allem als bewusst gestaltete Sprachpraktiken: „When dealing with language regimes, it is administered language we are concerned with“ (Coulmas 2005, 3). Busch (2013, 127 f.) hingegen bezieht in ihrer Weiterführung explizit auch die nicht-offiziellen Regime mit ein, die sich in gewohnheitsmäßigen Praktiken, aber auch in Formen der Aneignung von Handlungsräumen manifestieren, beispielsweise durch Graffiti oder offizielle Schilder. Ein Sprachregime setzt sich also aus Praktiken und Repräsentationen sowie den dazugehörigen ideologischen Diskursen zusammen und hat immer einen Bezugsraum, der sozial oder geografisch, aber eben auch durch die sprachliche Praxis selbst konstituiert wird. Beispiele für das komplexe Zusammenspiel von Sprache, Raum und institutionellem Rahmen geben etwa die Untersuchungen von Moyer (2011) zum Umgang mit migrantischer und autochthoner Mehrsprachigkeit in einer katalanischen Klinik oder von Redder/Scarvaglieri (2013) zur mehrsprachigen Kommunikation in Supermärkten und Imbissen. Elemente eines behördlichen Sprachregimes lassen sich aus den Interviews herauslesen, die Meyer (2009, 43 f.) mit Angestellten verschiedener Behörden über ihre Arbeitsplatzkommunikation führte. Mehrfach betonten Befragte, sie würden vorhandene Kenntnisse anderer Sprachen nur in besonderen Fällen einsetzen, da sie nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (§23) zur Verwendung der deutschen Sprache verpflichtet seien. Tatsächlich regelt dieses Gesetz jedoch nur den Sprachgebrauch in Verwaltungsakten, nicht jedoch die Sprachwahl in Erläuterungen oder Beratungsgesprächen, die in bestimmten behördlichen Zusammenhängen (z. B. der
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Arbeitsverwaltung) durchaus regelmäßig und systematisch vorkommen. Eine punktuell tatsächlich bestehende normative Einsprachigkeit wird auf diese Weise ideologisch ausgeweitet und auf jedweden Handlungstyp innerhalb eines institutionellen Handlungsraums übertragen. Am Beispiel einer Wiener Großbaustelle arbeiten Ille/Neuhold (2013) den Konflikt zwischen dem lokal bestehenden monolingual-deutschen Sprachregime und der tatsächlichen Mehrsprachigkeit unter den Bauarbeitern heraus. In diesem Konflikt wächst bestimmten zweisprachigen Arbeitern eine Schlüsselrolle für die Arbeitsorganisation, aber auch für die Arbeitssicherheit zu, da nur sie über die erforderlichen Kenntnisse von mehreren auf der Baustelle gesprochenen Sprachen verfügen. Diese Beschäftigten werden mehr oder weniger unfreiwillig zu Dolmetschern, die für den reibungslosen Ablauf der Arbeitsprozesse wichtige Funktionen übernehmen, ohne dass sich dies in irgendeinen Vorteil für sie ummünzen ließe. Das Wiener Beispiel ist nur eines von vielen, aus denen hervorgeht, dass translatorisches Handeln im Sinne einer Vermittlung zwischen verschiedenen Sprachen einen besonderen Stellenwert für mehrsprachige Kommunikation in Organisationen hat, der jedoch in sprachwissenschaftlichen Arbeiten nicht immer erkannt wird. Der Translationswissenschaftler Prunč (2008) begreift „Translation“ als Summe der „transkulturellen Vermittlungshandlungen, die eine Gesellschaft im Kontakt mit anderssprachigen Gesellschaften zu bewältigen hat“ (Prunč (2008, 19). Obwohl Translation in dieser Formulierung noch sehr auf den (internationalen) Kontakt zwischen in sich geschlossenen Gesellschaften zugeschnitten erscheint und Heterogenität und kulturelle Dynamik innerhalb von Gruppen oder Gesellschaften nicht explizit berücksichtigt, kann das von Prunč geprägte Konzept einer Translationskultur zum Verständnis von mehrsprachiger Kommunikation in Organisationen beitragen. Prunč definiert eine Translationskultur als ein Set von Normen, Konventionen, Erwartungshaltungen und Wertvorstellungen sowie den habitualisierten Verhaltensmustern aller […] an Translationsprozessen beteiligten Handlungspartnern. (Prunč 2008, 25)
Translatorische Praxis und die mit ihr verbundenen Vorstellungen werden so an die veränderlichen Umstände gekoppelt, in die diese Praxis eingebettet ist und die durch diese Praxis auch immer wieder neu hervorgebracht werden. Typische Elemente einer Translationskultur sind somit etwa die Auswahl und Qualifizierung von Translator(inn)en oder die Frage, welche sprachlichen Handlungen überhaupt als translationsrelevant eingestuft werden. Während also über ein Sprachregime legitime und illegitime Formen des Sprachgebrauchs differenziert werden, schlägt sich in einer Translationskultur nieder, wie und von wem die aus Sprachbarrieren resultierenden Verständigungsschwierigkeiten üblicherweise gelöst werden. Ähnlich wie im Bauwesen lassen sich auch in anderen Bereichen unterschiedliche Translationskulturen beobachten, die in den jeweiligen Tätigkeitsbereichen zu spezifischen Formen des gestaltenden Umgangs mit Mehrsprachigkeit führen. So
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zeigen Apfelbaum (2004) und Martini (2008) für die gedolmetschte fachinterne Fachkommunikation, und zwar im Bereich der industriellen Produktion oder der internationalen Hochschulkooperation, wie sich die Vorgehensweisen von professionellen und ungeschulten Dolmetscher(inne)n gleichermaßen an den lokalen Erfordernissen der Interaktionen orientieren und nicht an normativen Erwartungen hinsichtlich ihrer „Neutralität“ oder „Unsichtbarkeit“. Dolmetscher(innen) bekommen in diesen Kontexten aufgrund bestimmter kommunikativer Erfordernisse einen besonderen Teilnehmerstatus, der verschiedene Interaktionsrollen beinhaltet. Ein Beispiel für eine gesetzlich basierte Translationskultur bietet die justizielle Kommunikation: In einem deutschen Gerichtsverfahren wird durch das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) vorgegeben, zu welchem Preis gedolmetscht wird. Des Weiteren bestehen in jedem Bundesland Regelungen dazu, wie Dolmetscher(innen) ausgewählt werden, welche formalen Voraussetzungen sie mitbringen müssen usw. Wird jedoch die Jugendgerichtshilfe eingeschaltet, die als Fachdienst des Jugendamtes sozialpädagogische Expertise in ein Jugendstrafverfahren einbringt, bestehen keine Regelungen zur Beiziehung und Entlohnung von Dolmetscher(inne)n. So kommt es vor, dass in einem Verfahren vor Gericht eine offiziell bestellte Dolmetscherin tätig wird, während die Arbeit der Jugendgerichtshilfe im selben Verfahren auf Deutsch oder mit Unterstützung durch nicht honorierte Laien erledigt werden muss.
5 Einzelne Kommunikationsbereiche Nachdem in den vorangehenden Abschnitten generelle Aspekte von Mehrsprachigkeit in Organisationen behandelt wurden, sollen im Folgenden einzelne Bereiche betrachtet werden, in denen mehrsprachige Kommunikation eine besondere Rolle spielt. Dabei wird keine Vollständigkeit angestrebt; die Forschungsliteratur zum Thema Mehrsprachigkeit am Arbeitsplatz kann hier nur in Auswahl besprochen werden. Neben medizinischen werden auch politische Institutionen wie die EU, die Kommunikation in Betrieben oder im Tourismus diskutiert. Dabei stehen jeweils unterschiedliche Arten von mehrsprachiger Kommunikation im Mittelpunkt, vornehmlich das Dolmetschen und die Kommunikation mit Englisch als Lingua Franca.
5.1 Medizinische Einrichtungen Mehrsprachigkeit in medizinischen Einrichtungen wurde lange Zeit vor allem an der aus Migration resultierenden Mehrsprachigkeit analysiert. Im Mittelpunkt stand meist die mündliche Kommunikation mit Patient(inn)en, die nur über eingeschränkte Kenntnisse der jeweils maßgeblichen Sprache der Institution verfügten. Erst in letzter Zeit ergeben sich im Zuge der Migration Hochqualifizierter auch
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andere Zugänge: Dies zeigt etwa die Arbeit von Schön (2012), die Arzt-PatientenGespräche mit Ärzt(inn)en untersucht, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. In Deutschland ist Dolmetschen nicht durch eine Leistung der Krankenkassen gedeckt. Krankenhäuser können externe Dolmetscher(innen) hinzuzuziehen; die Kosten hierfür müssen entweder vom Patienten übernommen werden oder vom Krankenhaus, das für die Behandlung eine Fallpauschale erhält. Geht man davon aus, dass Migrant(inn)en ebenso häufig einen stationären Krankenhausaufenthalt absolvieren wie Deutsche, dann ist bei ca. 18 Mio. stationären Krankenhausaufenthalten insgesamt pro Jahr in 700.000 bis 800.000 Fällen davon auszugehen, dass Patient(inn)en nur über eingeschränkte Deutschkenntnisse verfügen und potentiell einen Dolmetscher benötigen. Da nach deutscher Rechtsprechung im medizinischen Bereich lediglich von einer „sprachkundigen“ Person gedolmetscht werden muss (vgl. Erlinger 2003) ist dies in der Regel keine qualifizierte Person; der erforderliche Grad der „Sprachkundigkeit“ wurde bisher nicht gerichtlich festgelegt, sodass Krankenhäuser nicht gegen die Rechtsprechung verstoßen, wenn sie Reinigungskräfte oder Kinder zum Dolmetschen einsetzen. Im Bereich der medizinischen Versorgung steht generell die Frage nach der Funktionalität der Kommunikation im Vordergrund. Es wird insbesondere untersucht, inwieweit der Umgang mit Mehrsprachigkeit feststellbare Unterschiede in der medizinischen Versorgung hervorbringt. Hierzu werden Kommunikationsverläufe analysiert, aber auch andere Parameter erfasst, etwa die Patientenzufriedenheit oder die Frequenz der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung. Insofern ist die Beteiligung von Dolmetscher(inne)n an der medizinischen Kommunikation ein wichtiges Forschungsthema. Sowohl medizinsoziologische als auch diskursanalytische Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass ungeschulte Dolmetscher(innen) sehr variable und teilweise unzureichende Dolmetschleistungen erbringen (Bührig 2005; Flores 2005; Karliner u. a. 2007; Menz 2013; Meyer 2004). Allerdings gibt es auch Konstellationen, in denen dolmetschende Familienangehörige eine sinnvolle Kommunikationshilfe darstellen (vgl. Meeuwesen u. a. 2010; Meyer u. a. 2010) oder zumindest nicht schlechter zu sein scheinen als professionelle Dolmetscher(innen) (vgl. Butow u. a. 2013). Dies wird indirekt auch durch Untersuchungen zur Nutzung von Dolmetscherdiensten bestätigt, aus denen hervorgeht, dass diese nicht immer in vollem Umfang genutzt werden, auch wenn ihre Nutzung administrativ geregelt ist und befürwortet wird (Bischoff/Hudelson 2009; Hudelson/Vilpert 2009). Offenbar erscheinen dolmetschende Angehörige trotz unsicherer Dolmetschleistungen in vielen Fällen als ausreichend qualifiziert. Ein weiterer, bisher wenig beachteter Forschungsbereich ist die Mehrsprachigkeit in der Pflege, wobei gezeigt wird, wie die herkunftssprachlichen Kenntnisse von Pflegekräften gezielt zur muttersprachlichen Versorgung von älteren Menschen eingesetzt werden können (vgl. Jansson 2014).
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5.2 Lokale Behörden und europäische Institutionen Koll-Stobbe/Knospe (2009) gehen mit Bezug auf Graddol (1997) und Ehlich (2007) von einer hierarchischen Stufung der in der EU gesprochenen Sprachen aus. Aus der Gruppe der mittlerweile 27 Nationalsprachen, die de jure auch Amtssprachen der europäischen Institutionen sind, stechen Englisch, Französisch und Deutsch hervor. Diese Sprachen, insbesondere das Englische, fungieren innerhalb der EU als Arbeitssprachen und sowohl im internationalen wie im europäischen Kontakt als Verkehrssprachen. Die Sprachen regionaler Minderheiten sowie die Herkunftssprachen von Migrant(inn)en spielen demgegenüber eine geringere Rolle. Allerdings ist eine Tendenz zur Aufwertung regionaler Sprachen festzustellen, nicht jedoch der Herkunftssprachen. Viele der „kleinen“ autochthonen Sprachen erfahren mittlerweile eine institutionelle Anerkennung als regionale Amtssprache, bis hin zur Aufnahme in den Kanon der Schulsprachen. In Deutschland betrifft dies z. B. das Niederdeutsche (Schröder 2006). Den Mehrsprachigkeits-Diskurs der EU zeichnen Krzyżanowski und Wodak (2010 und 2011) nach. Aus Sicht dieser Autor(inn)en ergibt sich aus den von EU-Institutionen veröffentlichten Dokumenten das Bild einer hegemonialen Mehrsprachigkeit, die allerdings teils instrumentell, im Sinne einer Nützlichkeit, und teils wertebasiert, mit Bezug auf Demokratie, soziale Verantwortung usw. begründet wird. Dieser hybride Diskurs thematisiert dabei meist nur die Situation in den einzelnen Mitgliedsstaaten und ignoriert die Probleme bei der Umsetzung der Mehrsprachigkeitspolitik in den EU-Institutionen selbst (vgl. Krzyżanowski/Wodak 2010, 127). In einer Analyse der Kommunikation in verschiedenen Bereichen der europäischen Institutionen (Parlamentsdebatten, Sitzungen, Arbeitsgruppen) zeigen Wodak u. a. (2012), dass die beobachtbare mehrsprachige Praxis in EU-Institutionen sehr viel komplexer und kontextbezogener gestaltet wird, als es die offiziellen Verlautbarungen und Regelungen suggerieren. Sprachwechsel und verschiedene Formen von Sprachmischungen haben dabei sowohl ideologische als auch unmittelbar verständigungsbezogene Funktionen. Neben der mehrsprachigen Kommunikation kann, scheinbar paradox, auch die Kommunikation in einer Sprache von Interkulturalität und sprachlicher Vielfalt geprägt sein. Neuere Veröffentlichungen zur Kommunikation in Behörden und bei der Polizei untersuchen mit gesprächsanalytischen Methoden Kommunikation zwischen Sprecher(inne)n, die über verschiedene Repertoires verfügen, wie etwa Muttersprachler vs. Nichtmuttersprachler (vgl. Hee 2012) oder Sprecher(innen) verschiedener Varietäten derselben Sprache (bei Rosenberg 2014 argentinisches und bolivianisches Spanisch). Solche Konstellationen, bei denen trotz Verwendung derselben Sprache eine für die Verständigung relevante Diskrepanz zwischen den sprachlichen Repertoires von Klienten und Agenten besteht, kommen in öffentlichen Einrichtungen vermutlich häufig vor. In diesen Fällen werden unterschiedliche kulturelle Muster, sprachliche Variation und unterschiedliche Wissensbestände als Gründe für Verständigungsschwierigkeiten angesehen.
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5.3 Unternehmen Unternehmenskommunikation wurde schon früh auch unter dem Gesichtspunkt von Mehrsprachigkeit untersucht. So analysiert bspw. Rehbein (1995) Verhandlungsgespräche in einem europäischen Geschäftskontext und kommt zu dem Schluss: „the way different phases of communication are handled is obviously dependent on cultural elements“ (Rehbein 1995, 77). Während zunächst also die kulturelle Differenz im sprachlichen Handeln fokussiert wurde, wird in neueren Arbeiten vor allem das Verhältnis von Sprachregimes und Sprachpraktiken angesprochen sowie insbesondere die Bedeutung von English als Lingua Franca. Angouri (2013) stellt in einer Untersuchung zur Kommunikation in einem multinationalen Unternehmen mit der Unternehmenssprache Englisch fest, dass employees relate language practices not to top-down headquarters’ (or even senior management within the company) policies but to inter-/intra-team communication within their workplace. (Angouri 2013, 577)
Incelli (2013) untersucht den E-Mail-Verkehr eines kleineren italienischen Unternehmens mit einem britischen Partner und kommt zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass „if a firm is regularly dealing with EU firms, strategic language management would mean employing NSs [native speakers] in at least the major European languages“ (Incelli (2013, 529), Englisch jedoch trotzdem als die übliche Verkehrssprache in Handelsbeziehungen anzusehen sei. Wie bei Incelli werden auch in vielen anderen Arbeiten die Verwendung von Englisch als Lingua Franca (ELF) und die Notwendigkeit einer gezielteren Sprachausbildung in dieser Sprache diskutiert (vgl. Tange/Lauring 2009; Spoerri/Hohenstein 2012). Amelina (2010) weist jedoch darauf hin, dass Englisch in den Arbeitszusammenhängen von Hochqualifizierten durchaus nicht alle Bereiche dominiert, sondern vor allem gezielt für bestimmte kommunikative Zwecke verwendet wird. Probleme mit dem Ansatz, Englisch als Lingua Franca der Geschäftskommunikation zu verwenden, beschreiben auch Nekula u. a. (2005) und Hagen (2006) mit Bezug auf kleine und mittlere Unternehmen in der EU. Entsprechend schlagen Böttger, House und Stachowicz (2013) einen textsortenbasierten ELF-Unterricht vor, in dem typische Formen der Unternehmenskommunikation zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden. Im Allgemeinen erscheint mündliche Mehrsprachigkeit in Unternehmen oftmals unsystematisch und naturwüchsig. Mehrsprachige Terminologiearbeit, Wissensmanagement und Dokumentenverwaltung in Unternehmen sind demgegenüber oftmals das Ergebnis strategischer Planung (vgl. Schubert 2008). Die Untersuchungen zu Sprachpraktiken und normativen Erwartungen in der Sphäre der Handelsbeziehungen streichen häufig den Wert von Mehrsprachigkeit hervor und scheinen damit Monica Hellers These von der Inwertsetzung („commodification“, Heller 2010) von Sprachkenntnissen im Zuge wirtschaftlicher Globalisierung zu untermauern. Dies deckt sich nur teilweise mit Befunden aus anderen
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Bereichen, etwa der Produktion von Gütern oder dem Dienstleistungssektor. Piller/ Lising (2014) untersuchen bspw. die australische Fleischindustrie, in der, wie andernorts auch, lokale Arbeitskräfte mit geregelten Beschäftigungsverhältnissen vermehrt durch kurzfristig im Ausland angeworbene Saisonarbeiter ersetzt werden, die nur über geringe Englischkenntnisse verfügen. Deren Aufenthaltsstatus wird jedoch von ihren Englischkenntnissen abhängig gemacht, sodass eine Verlängerung des Visums in der Regel nicht erteilt wird. Die sprachlichen Anforderungen des Aufenthaltsrechts werden somit von den Firmen dieses Sektors geschickt genutzt, um in einem Bereich der landwirtschaftlichen Produktion flexible, prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu einem Dauerzustand zu machen. Ebenfalls einen Fall von prekärer Beschäftigung diskutiert DuBord (2010), die die Kommunikation zwischen lateinamerikanischen Wanderarbeitern und ihren englischsprachigen Auftraggebern in einem Day Labor Center in Arizona untersucht. Die Autorin fokussiert unter anderem die Rolle von zweisprachigen Vermittlern, die bei den Anbahnungsgesprächen als Dolmetscher auftreten und zugleich versuchen, eine bessere Entlohnung für die Arbeiter zu erzielen. Solche Untersuchungen zeigen, dass die commodification, also der ökonomische Vorteil, den Individuen aus ihrer Mehrsprachigkeit ziehen können, auf bestimmte Arbeitsplätze und Handlungszusammenhänge beschränkt ist. Gerade im Bereich gering entlohnter Tätigkeiten herrscht vermutlich die Herangehensweise vor, „language as an innate talent of local populations rather than as a technical competency“ zu behandeln (Alarcon/Heyman 2013, 19). Der ökonomische Vorteil liegt hier nicht bei den Sprecher(inne)n einer Sprache, sondern bei denen, die die Sprachkenntnisse der Angestellten zum Nulltarif in ihr Geschäftsmodell integrieren können. Wie in sozialen und medizinischen Einrichtungen wirkt sprachliche Vielfalt auch in der Unternehmenskommunikation teilweise im Sinne eines gatekeeping, also als Zugangsregulierung. Sowohl in Stellenausschreibungen als auch in Bewerbungsgesprächen dient die Feststellung von Sprachkenntnissen als Mittel zur Beurteilung von Bewerber(inne)n und damit auch zum Ausschluss bestimmter Bewerbergruppen aus den Bewerbungsverfahren. Wie verschiedene Untersuchungen zeigen, sind Sprecher(innen) anderer Sprachen dabei oftmals benachteiligt, da ihnen die für das Bewerbungsgespräch relevanten sprachlichen Fertigkeiten fehlen. Dies wird als mangelnde Eignung ausgelegt, auch wenn keine erkennbare Beziehung zu den kommunikativen Anforderungen der betreffenden beruflichen Tätigkeit bestehen (vgl. Campbell/Roberts 2007; Kasper/Ross 2007). Diskriminierung von anderssprachigen Bewerbern ist auch ein Aspekt, der in der Untersuchung von Mehrsprachigkeit im Bereich der Wohnungswirtschaft thematisiert wird. Exklusionserfahrungen zwingen Migrant(inn)en zur Mobilisierung ethnischer Netzwerke, um in der Konkurrenz um Wohnraum bestehen zu können. Insgesamt steht die Untersuchung von Kommunikation und Mehrsprachigkeit im Kontext von Wohnen und Wohnwirtschaft jedoch noch am Anfang (Breckner u. a. 2013).
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6 Zusammenfassung Mehrsprachigkeit ist eine individuelle Fähigkeit, die in vielen Handlungszusammenhängen zusätzliche Kommunikationsmöglichkeiten eröffnet. Die Entfaltung mehrsprachiger Kompetenzen und Praktiken wird jedoch durch Ordnungssysteme gebremst, mittels derer lediglich bestimmten Sprachen oder Varietäten einer Sprache Legitimität zugesprochen wird. Dabei spielt es keine Rolle, dass diesen Vorschriften und Regulierungen oftmals ideologische Konstrukte zugrunde liegen, nicht jedoch empirische Analysen der tatsächlichen Sprachpraxis und der Anforderungen vor Ort. Die Konsequenz von Sprachenhierarchien bzw. Typologien der legitimen Sprachlichkeit ist dabei – gewollt oder ungewollt – häufig eine Ausgrenzung bestimmter Sprachgemeinschaften, denen auf diese Weise ihr gesellschaftlicher Platz zugewiesen wird. Ohne Zweifel können solche Ordnungen auch sinnvoll und erforderlich sein, etwa in Hochrisikobereichen, komplexen Fertigungsprozessen, justiziellen Kontexten oder auch im Rahmen von Ausbildungsinstitutionen, die ja unter anderem den gesellschaftlichen Auftrag haben, bestimmte sprachliche Kompetenzen zu tradieren. Zu oft stehen allgemein verbindliche Vorgaben zum Sprachgebrauch jedoch im Konflikt mit den unterschiedlichen Sprachkompetenzen der Beteiligten und den vielfältigen Anforderungen der jeweiligen Handlungszusammenhänge. Sprachregimes, auch solche, die das Mit- und Nebeneinander mehrerer Sprachen regeln wollen, setzen meist nicht an den tatsächlichen Anforderungen organisationaler Kommunikation an, sondern an dem Wunsch nach Einheitlichkeit und klaren Vorgaben. Gebote und Verbote sollten daher aus einer Analyse des kommunikativen Handelns selbst abgeleitet und diskursiv vereinbart werden. Dabei sollte auch über die ideologischen Grundlagen eines Sprachregimes Rechenschaft abgelegt werden – nicht selten werden Konflikte um Macht und Zugang zu Ressourcen entlang von Sprachgrenzen ausgefochten. So begründen etwa die katalanischen Patient(inn)en in einer von Moyer (2011, 1220) untersuchten Klinik ihren Widerstand gegen das Aufhängen von Aushängen in Urdu damit, die Einrichtung erscheine durch solche Plakate als ein „health center only for migrants“. Solange Sprecher(innen) einer dominanten Regionalsprache die Angst vor der eigenen Ausgrenzung als Argument gegen eine inkludierende Sprachpraxis ins Feld führen können, gibt es bei der Entfaltung gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit noch einiges zu tun.
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13. Organisationen als sprachpolitische Akteure Abstract: Wie gehen Organisationen mit der zunehmenden sprachlichen Diversität um? Versuchen sie – und mit welchem Erfolg – die Spracheinstellungen ihrer Angehörigen und deren Sprachverhalten untereinander und nach außen zu beeinflussen? Diese Frage wird häufig einseitig aus der top down Perspektive des Managements angegangen: Zur Umsetzung ihrer kollektiven Zielsetzungen formuliert die Organisation ihre – zuweilen mehrsprachige, aber häufig auch einsprachige – „Philosophie“; dies führt zu einer Menge von Maßnahmen, um die Entwicklung der Sprachrepertoires ihrer Angehörigen sowie deren Sprachgebrauch zu steuern. Felduntersuchungen weisen oft auf eine mangelnde Kongruenz zwischen Sprachphilosophie, Sprachenmanagement und tatsächlichem Sprachverhalten hin. Letzteres kann zu einer bottom-up generierten Kommunikationskultur führen, mit entsprechender Rückkoppelung auf top down-Prozesse, nicht zuletzt da, wo sprachlich gemischte Teams vielfältige Kommunikationsstrategien einsetzen. Der spezielle Akzent dieses Beitrags liegt dabei auf Formen des pluri- oder translanguaging und auf dem eigentümlichen Spannungsverhältnis zur Doxa, welche die Vorteile der sprachlichen Standardisierung hervorhebt.
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Einleitung Sprache(n) als Komponente der corporate culture Ein- und mehrsprachige „Philosophien“ Vom Einfluss der Sprachphilosophie auf das Sprachenmanagement und auf das Sprachverhalten Gemischte Teams, Pluri– oder Translanguaging und Englisch als lingua franca Anstelle einer Bilanz Literatur
1 Einleitung Es gibt Organisationen verschiedenster Art. Dieser Beitrag befasst sich vornehmlich mit Sach- und Dienstleistungen erbringenden Organisationen wie internationale Organisationen, Unternehmen und Streitkräfte und Non-Profit-Organisationen wie Hochschulen und humanitäre Organisationen. Dabei geht es nicht so sehr darum, dass sie auf der staatlichen politischen Bühne als Akteure auftreten, d. h., dass sie bei der Gestaltung der Sprachpolitik mitreden können (z. B. wenn es um Schulsprachen oder Patienteninformationen geht). Im Zentrum figuriert die Beobachtung, dass sie häufig versuchen, die Spracheinstellungen ihrer eigenen Mitglieder zu behttps://doi.org/10.1515/9783110296235-013
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einflussen und deren Sprachgebrauch untereinander (Binnenkommunikation) und nach außen (Außenkommunikation) zu beeinflussen. Um diesen Handlungsraum von der Sprachpolitik abzugrenzen – wir verstehen darunter jegliche Form von (Nicht-)Intervention durch eine politische Autorität mit dem Zweck, den Gebrauch einer oder mehrerer Sprachen durch die Administration und/oder die Bevölkerung in einem gegebenen politischen Raum zu beeinflussen (Berthoud/Lüdi 2010) – werden wir ihn in der Folge in Anlehnung an Spolsky (2009) als Sprachenmanagement bezeichnen. Eine entscheidende Frage ist dabei, inwiefern der Sprachgebrauch sich tatsächlich top down beeinflussen lässt und wie sich das Verhältnis von Sprachenmanagement und Sprachgebrauch zu den Vorgaben der Sprachpolitik gestaltet. Die Beziehungen zwischen Sprachpolitik, Sprachenmanagement und Sprachgebrauch sind komplex und lassen sich mit Hilfe eines im Rahmen des DylanProjekts entworfenen Schemas umreißen (siehe Abbildung 1), das zudem die Tatsache berücksichtigt, dass Diskurse und (soziale) Vorstellungen jeweils zwischen den Eckpunkten vermitteln und sich die vier Dimensionen vielfältig gegenseitig beeinflussen:
Abb. 1: Analyseraster des Dylan-Projekts.
DYLAN war ein integriertes Projekt (Vertrag N° 028702) mit einer Laufzeit von fünf Jahren (2006–2011) innerhalb des sechsten Rahmenprogramms der Europäischen Union. Ziel des Projektes war es, die Bedingungen zu identifizieren, unter denen die Sprachenvielfalt Europas einen Vorteil für die Entwicklung von Wissen und Ökonomie darstellt. Jede Organisation bewegt sich in einem spezifischen lokalen, regionalen, nationalen und/oder internationalen Umfeld. Dazu gehören der Sprachkontext, die demographische, wirtschaftliche und kulturelle Umgebung, aber auch und besonders die Sprachpolitik, insofern sie Regeln aufstellt, welche für die Organisation verbindlich sind. Dies ist namentlich angesichts der großen sprachlichen Diversität bedeutsam, in welcher viele Organisationen operieren. Zum Beispiel bestimmt die französische Gesetzgebung, dass auf französischem Boden operierende ausländische Firmen in den Beziehungen zu ihren Mitarbeitenden (auch) die Staatssprache
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verwenden müssen; die Schweizer Armee muss die in der Verfassung und im Sprachengesetz festgeschriebene Mehrsprachigkeit umsetzen; die Freie Universität Bozen ist an die im Autonomiestatut festgelegte Rolle von Italienisch, Deutsch und Ladinisch gebunden, usw.
2 Sprache(n) als Komponente der corporate culture Zur Umsetzung ihrer kollektiven Zielsetzungen formuliert die Organisation ihre „Philosophie“ (corporate culture), darunter Führungsrichtlinien, ethische Grundsätze, Formen des diversity management, Vorgaben zu Kommunikation u. ä. Diese Philosophie erschließt sich uns durch die Analyse der dominanten Diskurse – der organizational language (Lewis 2002) – der Organisation (offizielle Dokumente, Protokolle, Websites, Interviews mit hohen Verantwortlichen etc.). Insofern Ideologien ‚sets of collective representations and beliefs [sind] that are at the same time structured and structuring in relation to the community that supports them‘ (Duchêne 2008, 34 ff.), geht es in Organisationen um ‚a set (system) of ideas describing the organization-relevant reality, projecting a desired state of affairs, and indicating possible ways of reaching the desired state‘ (Czarniawska-Joerges 1988, 7), dies im Rahmen von ‚Macht-, Herrschafts- und Gewaltstrukturen ökonomischer, politischer oder auch kultureller Art‘ (Zuckermann 1999, 23). Generell resultiert die Ideologie einer Organisation aus komplexen diskursiven Praktiken. Zu diesen gehören einerseits die erwähnten Dokumente – bzw. die zugrundeliegenden konstitutiven Diskurse –, die also gleichzeitig die Spuren der Ideologien und die Werkzeuge zu deren Konstruktion sind. Zum anderen aber sind Ideologien auch soziale Vorstellungen, die im Alltag durch ständige Wiederholung in der verbalen Interaktion innerhalb der Organisation erzeugt bzw. erhärtet werden. Dies sei am Beispiel eines internationalen Pharmaunternehmens illustriert. Die Aussage eines hochrangigen Kadermitglieds von „unsere Konzernkultur ist: wir sprechen Englisch“ ließ sich trotz mehrmaliger Nachfrage mit keinem verbindlichen schriftlichen Dokument belegen. Trotzdem ist sie jedermann vertraut. Es handelt sich offensichtlich um eine Art aristotelischer endoxa, um einen Glaubensinhalt, der von den Entscheidungsträgern und Meinungsmachern legitimiert, auf vielfachen informellen Kanälen weitergegeben und von der ‚Konversationsmaschine‘ (Berger/Luckmann 1969, 163) erhärtet wird: jeder Sicherheitsbeamte an der Pforte, jede Laborantin weiß dies, auch und gerade dann, wenn sie selber kein Englisch sprechen. Die Sprachphilosophie der Organisation wird in einem nächsten Schritt zu Formen des Sprachenmanagements führen, d. h. zu einer Menge von Maßnahmen, mit welchen die Organisation die Sprachvorstellungen ihrer Mitglieder, die Entwicklung ihrer Sprachrepertoires (darunter fällt auch die Wahrnehmung von Bedürfnissen bezüglich ihrer Sprachkompetenzen) sowie ihre Sprachverwendung in der in-
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ternen und externen Kommunikation zu steuern versucht. Interventionsbereiche sind z. B. Vorschriften über die in der schriftlichen und mündlichen Kommunikation zu verwendende(n) Sprache(n), die Anstellungs- und Beförderungspolitik, Sprachlernangebote, Angebote für die interne Mobilität zwischen Ländern oder Sprachregionen, die Gestaltung der Sprachlandschaft auf einem Betriebsgelände (linguistic landscaping), Regelungen über die Form von Dokumenten und von WebAuftritten, etc.
3 Ein- und mehrsprachige „Philosophien“ Bevor in einem nächsten Abschnitt auf die Problematik der Umsetzung der Sprachphilosophie der Organisation und der aus ihr resultierenden Maßnahmen eingegangen werden wird, hier noch ein Wort zu den zugrundeliegenden ein-, zweioder mehrsprachigen Vorstellungen von Organisationskommunikation. Ein häufig kolportiertes Stereotyp besagt, dass die Wahl einer einzigen Sprache die Effizienz und Transparenz der Kommunikation in einer Organisation erhöht, weshalb Firmen, Forschungsförderungsinstitutionen, internationale Organisationen u. ä. sich sinnvollerweise auf eine einzige Sprache festlegen sollten. Eine weitverbreitete Strategie des Topmanagements von Firmen sei es deshalb, to install a common corporate language and harmonize internal and external communications through general rules and policies, driven by the assumption that ‘one language fits all’ communication needs (Piekkari/Tietze 2011, 267)
Dies kann die lokale Sprache sein (z. B. Italienisch für eine Organisation mit Sitz in Italien), die Sprache der Hauptabnehmer (z. B. Spanisch für eine Firma, die ihren Geschäften zur Hauptsache in Lateinamerika nachgeht) oder aber, wie oben angedeutet, die internationale Verkehrssprache Englisch (vgl. z. B. Vollstedt 2002, Truchot 2009; Vandermeeren 1998, 2005). Dahinter verbirgt sich das Bestreben, die „communication-related costs“ zu minimieren (Luo/Shenkar 2006, 327). Gemäß Lauring/Selmer (2010, 280) hätte in der Tat zum Beispiel „the use and management of a common language (…) a more positive impact on social life in multicultural organizations than previously presumed.“ Eine gemeinsame oder corporate language ist eine Komponente der corporate governance, der Menge von Prozessen, Normen, Maßnahmen, Gesetzen usw., welche die Formen determiniert, in welchen eine Organisation geleitet, verwaltet oder kontrolliert wird. Sie trägt zur corporate identity bei (z. B. Paulmann 2005; Wheeler 2013). Dabei kann der Begriff corporate language allerdings unterschiedliche Bedeutungen annehmen. Auf der einen Seite geht es zweifellos um die Sprachenwahl. Auf der anderen Seite ist aber auch gemeint, dass die Mitglieder einer Organisation sich einer kohärenten Terminologie bedienen, einen Stil verwenden, der zum Erscheinungsbild der Organisation passt bzw. dieses prägt, und für die Leserinnen und Leser klar und verständlich
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ist. Spezialisten sprechen von corporate wording (Reins 2006; Förster 2009). Idealiter führt dies zu einem corporate language manual, welches ein Glossar, Modellbriefe, Layouts für Drucksachen u. ä. enthält. Als Beispiel möge die Broschüre „So sprechen wir, so schreiben wir“ des großen Schweizer Dienstleistungsunternehmens dienen. Ideale Unternehmensorganisationsmodelle zum Beispiel sehen in der einheitlichen „integrierten Unternehmens- und Marketingkommunikation“ (Bruhn 2003), welche neben dem corporate wording auch die Sprachenwahl einschließt, eine zentrale Führungsaufgabe der Unternehmensleitung. Dass damit zutiefst antidemokratische sprachpolitische Modelle reproduziert werden, die nicht zuletzt auf die Homogenisierungsideen von Abbé Grégoire und Bertrand Barère zur Zeit der Französischen Revolution zurückgehen (Lüdi 2012b, 214), sei nur am Rande vermerkt. Nicht ohne Grund bezeichnet Kraus (2010, 25) „the goal of establishing a deeper [European] Union based on common political values and the goal of preserving the diversity of cultures“ zwar als „closely connected objectives“, gleichzeitig aber auch als „two potentially conflicting rationales“. Als Vorteile werden − hier am Beispiel von Englisch als Wissenschaftssprache − genannt: Dass sich Forscher aus allen Erdteilen schnell, präzise und mit einheitlichen Definitionen austauschen können, hat die Wissenschaft erheblich beschleunigt. Für Wissenschaftler aus Entwicklungs- und Schwellenländern eröffnete erst die gemeinsame Sprache – zusammen mit dem Internet – die Chance, am globalen Diskurs teilzunehmen. Zudem werden viele Arbeiten von internationalen Autorenteams verfasst, die nur Englisch als gemeinsame Sprache haben. Auch für Forschungsaufenthalte im Ausland – und für ausländische Gäste bei uns – ist die gemeinsame Arbeitssprache von unschätzbarem Wert. Hinzu kommt, dass es viele neue Fachbegriffe nur auf Englisch gibt. (Alexander Kekulé, Zeit Online, 25. 01. 2011)
Manchmal fördert das sprachpolitische Umfeld diese Vorstellungen nicht. Zum Beispiel fürchteten gewisse Organisationen in der Nordwestschweiz, der Entscheid der Schulbehörden zugunsten von Frühfranzösisch (2. Landessprache) vor Frühenglisch hätte negative Konsequenzen auf ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Entsprechend versuchten sie, die politische Entscheidungsfindung in den Kantonen zu beeinflussen. In einem Interview aus dem Jahre 2008 sprach sich der damalige Direktor von metrobasel, einer Organisation, welche zum Zwecke der Förderung der trinationalen und zweisprachigen Metropolitanregion Basel gegründet wurde, gegen die offizielle Politik der deutsch-französischen Zweisprachigkeit aus und meinte gar, Englisch könnte als Sprache der Wirtschaft, der Zukunft und der Internationalisierung durchaus als Emblem für die regionale Identität fungieren, wie sie sich auch im Novartis-Campus und im Roche-Turm manifestiere (Morel 2008). Gleichsam als Kompromiss zwischen der wünschenswerten englischen Einsprachigkeit und der historischen Zweisprachigkeit forderte er für die Region zumindest eine Dreisprachigkeit mit Englisch.
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Vorgaben zur Sprachenwahl gründen in der Regel auf Vorstellungen und Diskursen über den Status, das Kosten-Nutzen-Verhältnis, die historische und identitäre Bedeutung von Sprachen usw. Diese können in Einsprachigkeitsmodellen münden, führen aber nicht selten zu einer Philosophie der Mehrsprachigkeit. Dies erstaunt bei Organisationen wie der schweizerischen Armee oder staatseigenen Schweizer Dienstleistungsbetrieben kaum (Le Service public B communique en trois langues/Le Service Public A est une entreprise plurilingue et encourage le multilinguisme au travail), findet sich aber auch bei deutschen Unternehmen (der Webauftritt von Ay Yildiz, einem deutschen Telekommunikationsunternehmen, ist systematisch zweisprachig Türkisch/Deutsch) und internationalen Organisationen wie dem Roten Kreuz (Englisch/Französisch) oder der UNO (Arabisch/Chinesisch/Englisch/ Französisch/Russisch/Spanisch). Nicht zuletzt entscheiden sich viele internationale Konzerne − sogar dominant englischsprachige − für ein Regime der Mehrsprachigkeit, nicht nur im Kontakt mit Kunden, sondern auch im Verkehr mit ihren Mitarbeitern (in einer Jobannonce für in Schanghai werden explizit Kenntnisse in Chinesisch und Englisch verlangt). Von den Vorteilen dieser Regelung wird in der Folge noch die Rede sein. Hier zunächst zwei im Rahmen des Basler Moduls des Dylan-projekts erhobene Stimmen dazu aus einem multinationalen Agro-Konzern: We realised that to be able to drive home to employees across the world the real ((…)) implications ((…)) of these eight capabilities (…) in an emotional way, we cannot do it by explaining to them in English. (HR Manager, ) Ich rede in meiner Sprache anders, freier, offener, selbstbewusster, sicherer. (…) Da gehen also wirklich viele Ideen eigentlich verloren, wenn man sich einfach für das Englische entscheidet in einer solchen Situation, weil dann nicht alle gleich, sich gleich wohl fühlen (Global Head Training, )
Weil corporate wording u. a. darin besteht, mit Bildern zu kommunizieren und Geschichten zu erzählen (Reins 2006) und weil diese in einer Fremdsprache oft nicht angemessen vermittelbar sind, übersetzt der europäische Agrokonzern wichtige interne strategische Dokumente in bis zu 90 Sprachen. In der externen Kommunikation, z. B. auf Webseiten, verwenden auch amerikanische Konzerne aufgrund der Maxime sell in the customer’s language Dutzende von Sprachen. Lauridsen (2008, 114) unterstreicht diese Auffassung mit Rücksicht auf die Endverbraucher, z. B. pharmazeutischer Produkte: The corporate communication literature should encompass studies on the linguistic needs of end users, and how these needs can be accommodated in the corporate communication strategies and their implementation. In our increasingly globalised environment, multilingualism and multiculturalism is the rule rather than the exception, and this has implications for the way companies communicate with their stakeholders.
Sowohl als auch und verfügen über ein entsprechendes Kommunikationskonzept (s. dazu auch den Report on Language Manage-
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ment Strategies and Best Practice in European SMEs: The PIMLICO Project von 2011). Es gründet auf einer ‚additiven‘ Vorstellung von Mehrsprachigkeit. Die zugrundeliegende Ideologie bleibt essentiell einsprachig, d. h. sie gründet auf der grundsätzlichen Einsprachigkeit der Individuen. Regelmäßig wird denn auch in Begründungen für institutionelle Mehrsprachigkeit der Respekt für das Recht der Akteure genannt, ihre eigene Sprache zu verwenden. Die Organisation ist gleichsam mehrsprachig, um die Einsprachigkeit ihrer Mitglieder, Kunden, Patienten etc. zu ermöglichen, wenn nicht sogar zu garantieren. Ähnliches gilt für das 2005 propagierte Hablamos Juntos-Projekt des UCSF Fresno, Center for Medical Education & Research, welches den Zugang von Patienten zu Gesundheitsdaten verbessern soll (http://www.hablamosjuntos.org): The new [electronic medical record] system now enables a patient’s preferred language to be part of the medical record, and the technology to produce patient discharge instructions and health education materials is being adapted to enable these to be printed in the patient’s preferred language.
4 Vom Einfluss der Sprachphilosophie auf das Sprachenmanagement und auf das Sprachverhalten Wenn es nach der reinen Organisationslehre ginge, funktionierte der Determinismus top down: Sprachphilosophie → Sprachenmanagement → Sprachverhalten Beispielsweise führte der strategische Entscheid des auf der operativen Ebene zu einer Broschüre in drei Sprachen, und würden die Anweisungen in der Broschüre Beim ersten Zeichen, dass uns jemand nicht versteht, wechseln wir in die Sprache des Anrufenden. Wenn das nicht möglich ist, sprechen wir Hochdeutsch. Ich spreche die vom Kunden gewählte Landessprache.
durch ein entsprechendes Verhalten am Schalter umgesetzt. Sprachaufnahmen an zahlreichen Schaltern zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Zum zweiten würde man aufgrund der „Einsprachigkeitsphilosophie“ von eine dominant englische Sprachenlandschaft auf dem Firmengelände und weitgehend englische mündliche Interaktionen in den Labors erwarten. Unsere Fotos und Sprachaufnahmen zeigen, dass zwar Englisch auf dem Campus eine bedeutende Rolle spielt, aber quantitativ hinter Deutsch zurückbleibt, und dass die verbale Interaktion deutlich
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vielsprachiger ist als erwartet. Zum dritten legen die Beobachtungen von Stalder (2010) umgekehrt nahe, dass in einer von ihrer Philosophie her zweisprachigen humanitären Organisation eine Tendenz zu einsprachigen Kommunikationsstrategien besteht. Ohne hier auf alle Details eingehen zu können, seien drei Gründe für diese mangelnde Kongruenz zwischen „Philosophie“, Sprachenmanagement und tatsächlichem Sprachgebrauch genannt: a) Polyphonie Das Vorhandensein geteilter sozialer Vorstellungen über die offizielle Sprachideologie einer Organisation – wir haben von endoxa gesprochen – heißt noch lange nicht, dass nicht auch alternative Vorstellungen existieren können, und dies bis an die Spitze der Hierarchie. Ein hoher Verantwortlicher der betont im gleichen Redebeitrag einerseits den Vorrang des Englischen, bemängelt aber andererseits die Vernachlässigung der Lokalsprachen. Aber so gmeinschaftlich isch denn immer jeze eh es chunnt o as Frag Corporate Language isch Änglisch aso Änglisch isch denn grad wenn me im Usland isch isches die Sprache wo me im Konzärn redt (…) eh bi Pharma A International isch eigentlich s’nationale aso s’markt- eh eh verlinkte Sprachguet komplett usbländet aso eh bi International redet alli nur Änglisch eh do gits praktisch aso i säge wenn ig eh e Sitzig cha uf Dütsch ha de-de isch fascht gar eh ehm e Zeremonie nötig oder well dasch schön, ond e Sitzig i de Mundart einisch im Monet höchschtens=
Die Analyse der Pronomina (die Sprache, die man spricht, alle sprechen Englisch vs. wenn ich eine Sitzung auf Deutsch haben kann) und die Bewertung das ist schön deuten an, dass er sich durch den Gebrauch des Englischen durchaus auch minorisiert fühlt. Entsprechend handelt er in seinem Einflussbereich: denne wenn me gseht eso e Bricht vom Personalwäse über d’Mitarbeiter und so witer alles nur im Änglisch. (…) aber ich chönnt ned schaffe wells sobalds ums um dr um dr eh Märt geit denn wird’s Dütsch und Französisch; oder wenn mr jez Mitarbeiterinformatione aluegt isch eh-e ond dasch e bizeli Kampf won ig als muess dürezieh denn eh si d’Sprache Minimalsprache wo mer düe isch Dütsch Französisch Änglisch (…) die die d- vom Konzärn här e-e Druck, dass alles nur no Änglisch isch, aber eh aso zwoi Landessproche verlang i aso es wird immer o no Dütsch und Französisch eh wir-wird das gmacht=
Hier ist der Widerstreit zwischen zwei ‚Stimmen‘ innerhalb desselben Betriebs noch deutlicher: die vom Konzern machen Druck [sc. zugunsten des Englischen] vs. ein Kampf, den ich durchziehen muss; aber ich verlange [sc. zwei Landessprachen]. Der Begriff der Polyphonie gründet auf dem Bakhtin’schen „Dialogismusprinzip“. Jede Äußerung wird als soziale Handlung verstanden und wird entscheidend von einem Netzwerk von dialogischen, intertextuellen Beziehungen geprägt (Bakhtin 1978). Der Begriff wurde später u. a. von Ducrot (1984) verfeinert, was zur Vorstellung einer eigentlichen ‚Zersplitterung‘ (éclatement) des sprechenden
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Subjekts in eine Vielzahl von Stimmen im Text führte. Die beobachteten Widersprüche erklären sich, wenn wir den Diskurs einer Organisation zur Sprachenfrage als ‚Arena‘ verstehen, in welcher unterschiedliche Stimmen einander unterstützen, ergänzen, aber auch widersprechen. Die Schweizer Armee liefert dazu ein weiteres Beispiel. Im Dienstreglement ist festgeschrieben, dass jeder Untergebene das Recht hat, in seiner Sprache angesprochen zu werden. In einer von uns beobachteten Übung eines dreisprachigen Brigadestabs müssten entsprechend Deutsch, Italienisch und Französisch verwendet werden, was in der Interaktion im Übungsverlauf auch tatsächlich der Fall ist. Trotzdem befahl die Übungsleitung, dass die offizielle Sprache der Übung Deutsch sein sollte (z. B. für Rapporte, Übungsbesprechungen, die offizielle Befehlsgebung u. ä.). Der Grund dafür sei die Computerisierung der Übung, wurde erklärt, freilich mit der Folge, dass der grundlegenden, grundsätzlich für die ganze Armee gültigen Sprachphilosophie nicht Folge geleistet wurde. b) gestaffeltes Management Sowohl im Fall von wie in jenem der Armee kommt dazu, dass Entscheide auf unterschiedlichen Hierarchiestufen getroffen werden, die oft nicht dieselbe Agenda verfolgen: Internationale Konzernleitung von vs. Leitung von Schweiz; Armeeleitung vs. Übungsleitung. Wir hatten dasselbe Phänomen für die Gestaltung der Sprachlandschaft auf dem Campus von beobachtet, der von einem Hin-und-Her zwischen offizielleren und persönlicheren Stimmen geprägt wird, von der ‚offiziellen‘ Kommunikation (z. B. die Beschriftung der Gebäude) bis zu teilweise improvisiert wirkenden Warn- und Verbotsschildern, wobei die Akteure (‚Schreiber‘) dieser sozialen Praxis auf ganz verschiedenen Hierarchiestufen zu suchen sind (Konzernleitung, Werkleitung, Gebäudechef usw.). In der Regel bleiben diese aber anonym. Die einzelnen Verantwortlichen (énonciateurs) verstecken sich gleichsam hinter dem Sprecher (locuteur) ‚Unternehmen‘, mit einer deutlich sichtbaren Überlagerung bis hin zur Konkurrenz unterschiedlicher Stimmen (Lüdi 2010, 2012a; vgl. auch Welch 1993). Mondada (2004, 258) sprach in einem ähnlichen Zusammenhang von der „dimension polyphonique des représentations attribuées à des énonciateurs particuliers“. Gerade in Organisationen mit relativ großer Autonomie der Organisationseinheiten, wie dies z. B. für der Fall ist, werden Maßnahmen der Konzernleitung im Sprachenmanagement nicht oder nur zögerlich umgesetzt, weil diese zwar von oben angeordnet werden, aber von den Organisationseinheiten selber budgetiert und bezahlt werden müssen. c) individuelle Kommunikationsstrategien Schließlich und vor allem wird die Hypothese, dass sprachliche Diversität unter den Mitgliedern einer Organisation gleichsam automatisch zur Wahl einer einzigen gemeinsamen Sprache führe, durch zahlreiche ethnographische Feldstudien wider-
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legt. In der Praxis findet die Interaktion in gemischten Teams in höchst vielfältiger Weise statt; die Aussage, dass meist Englisch verwendet wird, wird durch Video-/ Tonbandaufnahmen und teilnehmende Beobachtung nicht bestätigt (Berthoud/ Grin/Lüdi 2012). Im Bestreben nach einem Ausgleich zwischen den zwei Grundprinzipien der progressivity (wo es darum geht, möglichst rasch voranzugehen, allenfalls auf Kosten von Missverständnissen oder Kommunikationspannen) und der intersubjectivity (wo Erklärungen, Rückfragen, Reformulierungen usw. zwar Zeit kosten, aber das Verständnis sicherstellen) (vgl. Mondada 2012) wählen die Teilnehmer selbst untereinander verschiedene Verfahren: – Jeder spricht sein Sprache und versteht jene der Gesprächspartner; – Englisch (oder eine andere Sprache) als lingua franca; – Dolmetschen durch Laien in der Interaktion oder durch Profis; – Mehrsprachige Interaktion oder plurilanguaging (s. unten). Umfangreiche Sprachaufnahmen und Interviews mit Firmenangehörigen in verschiedensten hierarchischen Positionen im Rahmen unserer Untersuchungen erlauben es, die beobachteten Interaktionsverfahren schematisch in einem Koordinatensystem anzusiedeln (Abbildung 2), welches einerseits durch die Achse ‚endolingual‘ vs. ‚exolingual‘ gebildet wird (welche sich auf die mehr oder weniger weitgehende Kongruenz der sprachlichen Ressourcen der Teilnehmer bezieht, prototypisch: ‚endolingual‘ = unter Muttersprachlern, ‚exolingual‘ = unter NichtMuttersprachlern), andererseits durch die Achse ‚einsprachig‘ vs. ‚mehrsprachig‘ (welche sich auf die Anzahl der an der Interaktion beteiligten Sprachen bezieht) (vgl. Lüdi 2013).
Abb. 2: Schema der Interaktionsverfahren.
Diese Verfahren schließen sich gegenseitig nicht aus, werden häufig auch nicht ein für alle Male gewählt, sondern im Verlaufe der Interaktion in Funktion des Kontextes immer wieder neu ausgehandelt. Im komplexen Netzwerk von Beziehungen zwischen den Dimensionen des zu Beginn illustrierten Schemas (Abbildung 1) führen solche regelmäßig wiederkeh-
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renden Kommunikationsmuster durchaus zu bottom-up Veränderungen der sozialen Vorstellungen und der zugrundeliegenden „Philosophie“.
Abb. 3: Wechselwirkungen zwischen Sprachverhalten und Sprachphilosophie.
5 Gemischte Teams, Pluri- oder Translanguaging und Englisch als lingua franca Vielfältige Kommunikationsstrategien und bottom up gestaltete Kommunikationskulturen lassen sich besonders dann beobachten, wenn die Organisation gemischte Teams favorisiert. Seit Beginn der 1990er Jahre wird, ausgehend von den USA, von diversity management gesprochen. Dabei geht es im Sinne einer Anpassung an die zunehmende Globalisierung (Cornet/Warland 2008) sowohl um die Diversifizierung der Zielgruppen (‚Märkte‘) als auch um jene der Profile der Arbeitnehmer. Immer häufiger werden gemischte Teams deshalb in der Tat nicht nur einfach hingenommen, sondern direkt angestrebt, handle es sich nun um „different points of view, cultural and country specific skills, an understanding of diverse customer groups, opportunities for employees to develop to their full potential“, oder um die „availability and use of multiple knowledge domains“ (Köppel/Sandner 2008, 11 und 56). Es lässt sich empirisch nachweisen, dass in gemischtsprachigen Teams wegen und nicht trotz der Mehrsprachigkeit Prozesse ablaufen, in welchen die Verwendung mehrerer Sprachen vorteilhaft ist, und dies weit über die reine Verständnissicherung hinaus (Berthoud/Grin/Lüdi 2013). Ein Forscherteam der Universität Lausanne hat an zahlreichen Beispielen nachgewiesen, dass die systematische Konfrontation von Begriffssystemen in zwei oder mehr Sprachen im Hochschulunterricht, etwa am Beispiel von Schweizer Bundesgerichtsentscheiden an einer juristischen Fakultät, über das reine Verstehen der Rechtsterminologie hinaus entscheidend zum Aufbau einer juristischen Kompetenz beiträgt (Gajo u. a. 2013); Untersuchungen zur Rechtsprechung in der Europäischen Union belegen ebenfalls die entscheidenden Vorteile des „multilingual and multicultural legal reasoning“ (Kjaer/Adamo eds. 2010, 123), gerade angesichts paralleler Versionen der Gesetzgebung in unterschiedlichen Sprachen. Aus der Forschung ist seit längerem bekannt, dass mehrsprachige Menschen kognitive und soziale Vorteile genießen (Hakuta 1985; Hakuta/Diaz 1984; Nisbett 2003; Bialystok 2005, 2009; Compendium 2009; Furlong 2009). Generell scheint
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Mehrsprachigkeit namentlich die Kreativität günstig zu beeinflussen, sei es auf sprachlicher (Anpassung der Ausdrucksweise an neue Erfordernisse), kognitiver (breiterer Zugang zur Information und Alternativen im Denken und in der Weltwahrnehmung), interaktionaler (Fähigkeit, sich neuen kommunikativen Kontexten flexibel anzupassen) oder gar strategischer Ebene (Vorteile beim Verhandeln, bei der Entschlussfassung, beim Problemlösen und bei der Überwachung von Handlungsabläufen). Die Erfahrung von Managern bestätigt diese Ergebnisse, überträgt sie auf gemischte Teams und begründet deren erhöhte Kreativität mit dem Aufeinandertreffen verschiedenartiger Perspektiven und Formen der Interpretation oder Voraussage (Page 2007) sowie unterschiedlichen Formen des Sprachgebrauchs in verschiedenen „begrifflichen Räumen“ (Boden 1996), genauer in den „Zwischenräumen“ (in-between spaces) (Bhabha 1994) zwischen den Kulturen. Derartige third spaces stellen eine Bühne dar, auf welcher eine große Auswahl von Möglichkeiten ausprobiert werden können und wo thinking for speaking (Slobin 1991) zu einem thinking at or beyond the limit (Hall/Du Gay 1996) wird. Dies setzt freilich voraus, dass die Mitglieder gemischter Teams Wege finden, um effizient miteinander zu kommunizieren. Wir haben oben einige Strategien an gemischtsprachigen Arbeitsplätzen aufgelistet, die verwendet werden, wenn die Repertoires der Beteiligten nur (sehr) teilweise kongruent sind. Sie zu untersuchen war die Aufgabe des Basler DYLAN-Teams. Eine entscheidende Erkenntnis war, dass häufig nicht die eine oder die andere Sprache gewählt wurde, sondern eine Sprachmischung. Wie dies der bereits genannte hohe Verantwortliche von sagte: Now I had to chair for the first time a meeting of a completely renewed selection committee, ten totally new people, so you bring them together, and you find a language, and, um, it is a mixture of Basel German and English, in a way we found our own “Esperanto” (…) and it was then that creative processes started. (Senior Manager, , original in Swiss German)
Dazu ein kleiner theoretischer Exkurs. Wie bei der institutionellen herrschten auch für die individuelle Mehrsprachigkeit in der Vergangenheit „additive“ Vorstellungen vor: Zweisprachigkeit gleichsam als doppelte Einsprachigkeit (vgl. Bloomfield 1933; Ducrot/Todorov 1972 usw.). Freilich hatte Grosjean schon 1985 auf das Spezifische der Mehrsprachigkeit hingewiesen. Heute versteht man unter einem mehrsprachigen Repertoire bzw. einer ‚Multikompetenz‘ (= „the knowledge of more than one language in one person’s mind“, Cook 2008, 11) nicht mehr eine Kombination von mehreren getrennten Sprachen, sondern „a language super-system at some level rather than completely isolated systems“ (Cook 2003) bzw. „a single integrated system“ (Cook 2010). Mehrsprachige Ressourcen bilden m. a. W. eine integrierte Kompetenz (Cook 2008). Dabei werden „Sprachen“ nicht mehr als kontextfreie, zeitlose und idealisierte Entitäten aufgefasst. Canagarajah (2007, 98) kritisiert zu Recht eine Sprachbeschreibung
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[that] derives from the dominant assumptions of linguistics, informed by the modernist philosophical movement and intellectual culture in which they developed. To begin with, the field treats language as a thing in itself, an objective, identifiable product
(Vgl. dazu schon Haugen [1972, 325], der meinte: the concept of language as a rigid, monolithic structure is false, even if it has proved to be a useful fiction in the development of linguistics; it is the kind of simplification that is necessary at a certain stage of a science, but which can now be replaced by more sophisticated models.)
Ausgehend von der Vorstellung, dass sowohl das menschliche Handeln wie auch die Kognition kontextuell und interaktiv sind, liegt heute der Akzent nicht mehr auf dem Sprachsystem, sondern auf dem Sprachgebrauch; Sprachstrukturen werden als zeitgebunden und „emergent“ aufgefasst (Hopper 1987, 1998). Oder, wie Dewaele (2001, 79) meinte: „la grammaire est considérée comme un épiphénomène, un ‚faire‘, de nature émergente.“ Aus einer Spracherwerbsperspektive moniert Larsen-Freeman (2006) entsprechend das „dominante Modell“, welches stabile und homogene Zielsprachen postuliere, denen die Lernenden sich allmählich in klaren Etappen linear annäherten. Diese konstruieren vielmehr in der Interaktion eine Menge von − verbalen und non-verbalen − Ressourcen, oft mit Elementen aus verschiedensten Sprachen und Registern −, welche mit den Interaktionspartnern zusammen mobilisiert werden, um lokale Antworten auf praktische Kommunikationsprobleme zu finden (Lüdi/Py 2009). Weit über Fremdspracherwerbstheorien hinaus bedeutet diese Haltung im Sinne von Thorne/Lantolf (2007), Makoni/Pennycook (2007), Pennycook (2010) u. a. eine Umkehr der Prioritäten: in der Rede (parole) wird nicht Sprache (langue) aktualisiert; vielmehr resultiert Sprache (language) aus den Aktivitäten der Sprecher (languaging). Daraus folgt, dass Sprache besser als Praxis denn als Struktur aufgefasst wird, als etwas, was wir tun, statt dass es unserem Tun voranginge. Was bedeutet dies nun für die Kommunikation in mehrsprachigen Teams? Viele Kommunikationssituationen lassen sich, wie schon gesagt, nicht eindeutig der einen oder anderen Sprache zuordnen, namentlich bei stark asymmetrischen Kompetenzen und wenn die sozialen Konventionen dies erlauben (vgl. den „mehrsprachigen Modus“ von Grosjean 1985, 2001). Wenn man die mehrsprachigen Ressourcen als unbestimmte und offene Menge von grammatikalischen, lexikalischen Mikrosystemen ansieht, die zu unterschiedlichen Sprachen oder Lekten gehören, teilweise stabilisiert und für die Sprachteilnehmer verfügbar (siehe Lüdi/Py 2009 für Details), dann werden diese Ressourcen in Funktion der Konfigurationen ihrer Sprachkenntnisse kreativ eingesetzt (Mondada 2001; Pekarek Doehler 2005). Dies geschieht häufig improvisiert im Sinne der „Bastelwerkzeuge“ von Lévi-Strauss (1962, 27). In Anlehnung an den Begriff languaging sprechen wir hier im Sinne von „mehrsprachiger Rede“ (siehe schon Lüdi/Py 2003) von plurilanguaging. Auf der Suche nach Lösungen ihrer kommunikativen Probleme bewegen sich die mehrsprachigen Sprecher kreativ bis an die Grenzen ihrer Sprachen und häufig
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über sie hinaus. Dies führt zu unterschiedlichen Formen von code switching und code mixing, nicht zuletzt in Form von Neologismen in der Werbesprache, in der Literatur, in Fachsprachen, aber auch im Alltag. Das Resultat ist, traditionell gesprochen, Hybridität, welche aber, im Gegenteil zu alten Vorurteilen gegenüber Sprachmischungen, positiv konnotiert ist wie es der Begriff „unser Esperanto“ im Zitat von andeutet. Daraus resultiert eine originelle Forschungsfrage in einem Vortrag von Alastair Pennycook: „In what ways do people draw on language resources, features, elements, styles as they engage in translingual, polylingual, metrolingual language practices.“ (Pennycook s. d.) Plurilanguaging oder „mehrsprachige Rede“ stellt eine häufig beobachtete und im mehrsprachigen Modus allseits akzeptierte Kommunikationsstrategie in gemischten Teams dar, bei welcher das ganze Repertoire mobilisiert wird (Lüdi/Py 2009), manchmal je einzeln (OLAT), manchmal gleichzeitig (ALAST). In den letzten Jahren hat sich dafür auch der Begriff translanguaging eingebürgert (García/Wei 2014). Es gibt freilich Situationen, in denen dies nicht möglich ist. Im Laufe der Menschheitsgeschichte haben sich dafür immer wieder lingue franche angeboten, d. h. Kontaktsprachen unter Menschen mit inkompatiblen Repertoires (z. B. die rund um das Mittelmehr im Spätmittelalter und bis in die frühe Neuzeit gebräuchliche Mischsprache aus italienischen, französischen, spanischen, arabischen, griechischen und türkischen Elementen, welche den ‚Franken‘ (= Europäern) zugeschrieben wurde und dem Begriff lingua franca den Namen gab). Heute wird neben anderen Sprachen (z. B. Russisch im Bereich der ehemaligen Sowjetunion, Französisch in Afrika, Arabisch in der muslimischen Welt) weltweit vornehmlich English as lingua franca (ELF) in dieser Funktion eingesetzt. Lingue franche werden grundsätzlich als Zweitsprachen erworben. Es sind Verkehrssprachen, die sich nicht zuletzt dadurch von „Erstsprachen“ unterscheiden, dass die Kenntnisse der Benutzer in aller Regel mehr oder weniger approximativ sind: wir bewegen uns im Bereich der exolingualen Kommunikation. Dies gilt auch für ELF (English as lingua franca). Das heisst einerseits, dass, wie dies Juliane House mehrfach betonte, von ELF keine unmittelbare Bedrohung für andere Sprachen ausgeht (House 2003), andererseits aber auch, dass ELF viele Eigenschaften von Lernersprachen oder Pidgins innewohnen, ohne dass diese beiden Etiketten auf ELF zuträfen. Schon 1993 meinte Gramkov Andersen in seiner von House zitierten Masterarbeit: There is no consistency in form that goes beyond the participant level, i.e., each combination of interactants seems to negotiate and govern their own variety of lingua franca use in terms of proficiency level, use of code-mixing, degree of pidginization, etc. (Gramkow Andersen 1993, 108).
In den letzten Jahren wurde immer wieder der hybride Charakter von ELF hervorgehoben, beispielsweise von Boeringer/Hülmbauer/Seidlhofer (2010), Seidlhofer (2011) und Hülmbauer/Seidlhofer (2013), aber auch schon von House (2003, 573 f.):
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Rather than measuring ELF talk against an English L1 norm, one might openly regard ELF as a hybrid language ± hybrid in the sense of Latin hibrida as anything derived from heterogeneous sources.
Jede lingua franca ist m. a. W. mehr oder weniger hybrid, und situiert sich im Koordinatensystem je nach Sprachkompetenz der Teilnehmer im einsprachigendolingualen oder im mehrsprachig-exolingualen Quadranten. Eine „positive view of ‘the otherness’ in ELF“ (House 2003, 574) ist vergleichbar mit einer Konzeption der Lernersprache, welche beginnt, die Äußerungen in einer L2 nicht mehr am Grad der Annäherung an die Grammatik der Standardsprache zu messen.
6 Anstelle einer Bilanz Die Frage nach Mehrsprachigkeit in Organisationen wird häufig einseitig aus der Perspektive des top down Managements angegangen. Verloren geht dabei die Rolle und Bedeutung des Sprachgebrauchs. „[…] it is in the emergent nature of languaging that change manifests itself“, meinen Lissack/Roos (s. d.); „languaging is an emergent holonic property of situated day-to-day activity in organizations“. Wir haben den Akzent speziell auf das plurilanguaging in Kontexten sprachlicher Vielfalt gelegt, inkl. der Form von plurilanguaging, welche Englisch als lingua franca darstellt. Dies steht in einem eigentümlichen Spannungsverhältnis zur endoxa der Vorteile der sprachlichen Standardisierung. Natürlich müssen sich nicht alle Mitglieder mehrsprachiger Organisationen ständig des plurilanguaging befleißigen. Sie werden weiterhin einzelne Sprachen erwerben und verwenden und sich im Alltag in der Regel um einsprachige Rede bemühen. Dabei gilt es aber nicht aus den Augen zu verlieren, welche Vorteile in mehrsprachigen Ressourcen und in deren unterschiedlichem Einsatz in von sprachlicher Diversität geprägten Situationen liegen − und diese werden in Zeiten des globalen Austauschs und erhöhter Mobilität immer mehr die Regel. Sie sind der Schlüssel zu einer verbesserten Handhabe von Information, verändern unsere Wahrnehmung von Gegenständen und Prozessen, erlauben einen vertieften und präziseren Zugriff zu begrifflichen Netzwerken, beeinflussen Partizipationsräume und die Organisation der Interaktion ebenso wie Formen des Aushandelns, die Manifestation von Leadership und Verfahren der Problemlösung und der Entscheidungsfindung (Compendium 2009; Berthoud u. a. 2012). Dies geht bis in die linguistischen Strukturen hinein: Le code-switching et d’autres « mixed languages » ou « fused lects » sont un bon exemple de créativité en action, agissant aussi bien sur le système linguistique que sur l’identité, ou sur les modes originaux de participation à l’activité et d’organisation de cette activité (Markaki u. a. 2009, 3)
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Allerdings wurde hier, auch wenn Mehrsprachigkeit im Allgemeinen und plurilanguaging im Speziellen Werkzeuge zur Vermeidung von Nebeneffekten von English only sein mögen, ausdrücklich von einer Dichotomie ‚Englisch‘ vs. ‚Mehrsprachigkeit‘ Abstand genommen. Zum einen, weil ELF unter Sprechern mit extrem divergierenden Repertoires − z. B. zwischen jeweils mehrsprachigen Chinesen, Arabern und Schweizern − in der Tat häufig die einzige Lösung der kommunikativen Probleme darstellt. Zum andern weil ELF, wie angedeutet, in den meisten Fällen ebenfalls eine Mischvarietät darstellt. Aus diesem Grunde können gegen eine Ausweitung eines Englischunterrichts für alle auch keine Einwände gemacht werden. Umgekehrt können andere Formen der Kommunikation, z. B. die lingua receptiva (jeder spricht seine Sprache und versteht jene der anderen) in vielen Situationen, namentlich innerhalb Europas viel effizienter sein. Wenn hier argumentiert wurde, dass „Standardisierung“ der Kommunikation durch die Wahl einer einzigen Sprache (Vandermeeren 1998, 2005) bloß suboptimale Voraussetzungen für die Schaffung einer Wissensgesellschaft schafft, dann wurde freilich gleichzeitig auch dafür plädiert, dass die bedeutende Rolle von Englisch als lingua franca anerkannt wird. Als ein zentrales Resultat von DYLAN wurde festgehalten: Participants adopt a wide range of strategies, and they do so in an extremely variable, flexible and dynamic way, constantly reassessing and readapting the solutions chosen in the course of an activity. (Berthoud u. a. 2012, 12)
Verschiedene Strategien der Ausnutzung mehrsprachiger Repertoires sind w. a. W. komplementär und schließen sich gerade nicht gegenseitig aus. Daraus sollte eine neue Partnerschaft zwischen ELF und mehrsprachiger Rede im engeren Sinn erwachsen. Beispiele aus der kommunikativen Praxis in Wissenschaft, akademischer Lehre und Industrie nähren in der Tat die Hypothese, dass Mehrsprachigkeit nicht nur in der Minimalform einer hybriden lingua franca präsent ist. So sind viele Publikationen auf Englisch nur an der Oberfläche einsprachig und verdecken Schichten der Versprachlichung in anderen Sprachen. Dies sei am Beispiel eines Forschungslaboratoriums an einer renommierten amerikanischen Universität illustriert. Doktoranden und Postdocs kommen als vielen Ländern und Kontinenten; sie bringen ihre jeweilige Forschungskultur mit, lesen Forschungsliteratur auch in ihrer Herkunftssprache und verwenden diese wo immer möglich auch untereinander (OLAT), häufig auch quer durcheinander (ALAST). Diese unteren Schichten machen die Geschichte, gleichsam die Substanz der Konstruktion des Wissens aus. Ins Auge sticht allerdings zunächst die Oberfläche, d. h. die englische Version. Die Beobachtung und Analyse der unterschiedlichen Schichten erinnert an den Begriff der „thick description“ von Geertz (1973). In diesem Sinne könnte man mit Usunier (2010) im Falle einsprachiger („standardisierter“) wissenschaftlicher Texte, die aus einem mehrsprachigen Umfeld herausgewachsen sind, von thick stan-
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dardization sprechen und damit die Gegenwart von Unterschieden im scheinbar Homogenen, die komplexe Dynamik zwischen Vielfalt und Standardisierung andeuten. Englisch und die respektiven Nationalsprachen sind und bleiben eine wichtige Grundlage für die Mitwirkung in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, genügen aber nicht. Eine Reduktion mehrsprachiger Repertoires auf eine jeweilige Zweisprachigkeit Englisch/Deutsch, Französisch/Deutsch etc. führt unseres Erachtens die Bildungspolitik in eine Sackgasse. Vieles spricht dafür, dass es mehrsprachige Repertoires sind, welche als Ressourcen für die erfolgreiche Interaktion in polyglossischen Gesellschaften benötigt werden und kognitive und ökonomische Vorteile für das Individuum (Furlong 2009; Bialystok 2009) und für die Gesellschaft mit sich bringen (vgl. zum ökonomischen Aspekt Gazzola/Grin 2007 und Grin u. a. 2010). Aus der zunehmenden Mehrsprachigkeit der Sprachpraxis im Alltag in Ladengeschäften, Laboratorien, Spitälern, Pausenhöfen und Klassenzimmern, resultiert m. a. W. die Notwendigkeit einer gewissen Breite des Sprachangebots nicht nur in den Bildungssystemen, sondern auch im Rahmen des Sprachenmanagements der Organisationen selbst.
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14. Leitbild und Ideologie Abstract: Leitbilder sind heutzutage in fast allen Organisationen eine Selbstverständlichkeit. Sie gehören zur gegenwärtigen Selbststeuerung und Selbstpräsentation von Systemen im Profit- und Nonprofitbereich, daher streben diese die Formulierung eines Orientierung gebenden Selbstverständnisses an. Der Artikel geht der Frage nach, ob und worin eine ideologische Dimension in Leitbildern besteht. Dazu wird im ersten Abschnitt zunächst kurz die historische Karriere von Leitbildern skizziert und der Begriff definiert. Aus der Perspektive des Integrierten Managements werden Leitbilder in der politischen Steuerung von Systemen verortet und die zentralen Funktionen und Anlässe sowie die Motive der Entstehung von Leitbildern werden benannt. Auf dem Stand der heutigen Entwicklung sind sie inzwischen Teil einer umfassenden Corporate-Identity-Managementstrategie geworden, in der sie der Marke und deren Marketing dienen. Im zweiten Abschnitt wird auf ihren hohen Standardisierungsgrad eingegangen. Viele Leitbilder ähneln sich systemübergreifend in den Themenbereichen, den meist genannten Werten sowie einer typischen Form, so dass sich die zentralen Charakteristika aktueller Leitbilder an einem beliebigen Beispiel veranschaulichen lassen. Die Ähnlichkeit der Leitbilder macht deutlich, dass alle Systeme den Marktgesetzen unterliegen, die sich alles inkorporieren. Eine spezifische Identität können die Leitbildformulierungen in ihrer sprachlichen Austauschbarkeit folglich kaum noch stiften, allerdings ist hier der Weg das Ziel. Identität stiftet sozusagen der Entstehungsprozess und Erwerb des Produkts „Leitbild“. Der Abschnitt schließt mit einer Übersicht, wie Leitbilder in der Praxis erzeugt werden. Im dritten Abschnitt werden die linguistischen Besonderheiten von Leitbildern benannt, und an einem Beispiel wird ein induktiv ermitteltes Modell zu den Stadien der Entstehung der Leitbildsprache vorgestellt. Anhand eines aktuell global äußerst erfolgreichen Leitbildes, das besondere sprachliche Merkmale aufweist, wird ein Ausblick auf die Fortsetzung der Geschichte der Leitbildentwicklung gewagt. Sie liegt offenbar in der Individualisierung und Personalisierung sowie der Verschmelzung mit hintergründigen Botschaften, wie man sie auch in Religion und Werbung findet. Der vierte Abschnitt skizziert kurz den Ideologiebegriff und wirft anschließend einen ideologiekritischen Blick auf die drei bis dahin zur Illustration eingesetzten Leitbilder. Der Artikel mündet in der These, dass die Antwort auf die Frage, wann Leitbilder Ideologie sind, einem Vexierbild gleicht. Es liegt im Auge des kritischen Betrachters, Lesers, Konsumenten, welche der Perspektiven dominiert.
https://doi.org/10.1515/9783110296235-014
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Kirsten Nazarkiewicz
Leitbilder: Entwicklung, Begriff, Funktionen Form, Inhalte und Entstehung von Leitbildern Leitbildsprache als Prozess Leitbild und Ideologie Literatur und Quellen
1 Leitbilder: Entwicklung, Begriff, Funktionen Ein Leitbild besteht aus Absichtsaussagen, Werten und Visionen und dient Mitarbeitenden wie Kunden als moralische Richtschnur, Beurteilungsmaßstab und Entscheidungshilfe in der täglichen Praxis. Synonym werden auch die Begriffe Mission Statement, Vision, Werte, Leitsätze, Ethik, Philosophie oder Ideologie verwendet. Als vorwiegend schriftlich vorliegender Text gehören Leitbilder zu den relevanten und systematisch linguistisch analysierbaren organisationalen Kommunikationstypen (Domke 2011), speziell zur den normativ-orientierenden Textsorten (Ebert 1997, 139 ff.). Sie bilden Selbstverpflichtungen und bestehen aus diskursiven Idealen, die im Spannungsfeld zwischen Ist und Soll, Realität und Vision aufgespannt sind und insofern „Konsensfassaden“ bilden (Habscheid/Knobloch 2009, 7). Leitbilder formulieren wünschenswertes Handeln, das weder einhellig geteilt noch umfassend praktiziert wird und dennoch eine kollektive akzeptierte Richtgröße darstellt. Die Karriere von Leitbildern entwickelte sich rasant. Das Kunstwort „Leitbild“ ist gerade einmal knapp einhundert Jahre alt und wurde zunächst als individuelle Kategorie für einen Zukunftsentwurf der eigenen Persönlichkeit in der Psychologie genutzt (Kosmützky 2010, 41). Erst vor ca. fünfzig Jahren fand der Begriff Eingang in den öffentlichen Sprachgebrauch und finden Leitbilder im Unternehmenskontext Anwendung. In Dekaden rekonstruiert, ist die Verbreitung von Organisationsleitbildern Produkt der funktionalen Differenzierung und in folgenden Schritten entstanden (vgl. auch Kosmützky 2010, 47 ff.): 1. Der Unternehmer und „ehrbare Kaufmann“ als Leitbild: Unternehmer formulieren ihre Grundsätze (50er Jahre). 2. Leitbild als Führungsinstrument: Als Teil der Unternehmensführung explizieren die Leitungskräfte ihre Führungsgrundsätze schriftlich und führen statt über Anweisungen mit Hilfe von Vorstellungen und Ideen (60er Jahre). 3. Leitbild als Einheit stiftende Politik gegenüber Anspruchsgruppen: Unternehmensgrundsätze richten sich auf vielfältige Beziehungen und Adressatengruppen, das Unternehmen agiert nach innen und außen als Einheit (70er Jahre). 4. Leitbild als Identität: Unternehmensleitbilder werden zum Schlüssel für die Aktivierung emotionaler Bindungen (80er Jahre). 5. Leitbilder als Teil der Corporate Identity: Unternehmensleitbilder verbreiten sich als Instrument von Managementkonzepten, zur Herstellung von Corporate Identity und als Teil der Unternehmenskultur (90er Jahre).
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6. Leitbildadaptionen: Im Rahmen von Profilbildungen werden auch im öffentlichen Sektor und Nonprofit-Bereich Organisationsleitbilder als Managementinstrument adaptiert (Ende der 90er Jahre). In der post-säkularen Gesellschaft haben die meisten Organisationen eine Orientierung stiftende schriftliche Darlegung von unternehmerischen Grundsätzen. Insbesondere mit dem Aufkommen der Technikfolgenabschätzung wurde die Karriere der Leitbilder in Organisationen unterstützt, da sie als Instrument zur Herstellung oder Beeinflussung von kollektiven Zukunftsvorstellungen eingesetzt werden können und die Kontrolle über verschiedene „Zukünfte“ suggerieren. Aulenbacher (2003) nennt sie daher „Rationalisierungsleitbilder“, weil sie machtvoll und machbar sind. Inzwischen ist der Begriff zur zeitgemäßen sozialwissenschaftlichen Kategorie geworden, die Giesel (2007, 199) im Rahmen ihrer Diskursanalyse folgendermaßen definiert: Leitbilder bündeln sozial geteilte (mentale oder verbalisierte) Vorstellungsmuster von einer erwünschten bzw. wünschbaren und prinzipiell erreichbaren Zukunft, die durch entsprechendes Handeln realisiert werden soll. (Giesel 2007, 245)
In Systemen und organisatorischen Einheiten sind Leitbilder vor allem Mitte der 90er Jahre vor aller Strategie zum bedeutsamen Steuerungsinstrument weltweit ge-
normatives Management
Unternehmensphilosophie Leitbild
Unternehmenspolitik
Programme, Strategien,
strategisches Management
strategische Planung
Organisation, Aufträge, operative Planung
operatives Management
Aktivitäten Abb. 1: Das Leitbild im Konzept des Integrierten Managements (aus Giesel 2007, 86).
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worden. Nach Bleichers Konzept des Integrierten Managements kann man Leitbilder als eine Orientierungsgrundlage verstehen, welche „die grundsätzlichsten und damit allgemeingültigsten, gleichzeitig aber auch abstraktesten Vorstellungen über angestrebte Ziele und Verhaltensweisen in der Unternehmung [formuliert, K. N.]. Das Leitbild enthält ein ‚realistisches Idealbild‘, ein Leitsystem, an dem sich alle unternehmerischen Tätigkeiten orientieren (oder auch orientieren sollten)“, Brauchlin, zit. nach Bleicher 1999, 264). Die Lücke zwischen dem tatsächlichen und dem für die Bewältigung der Zukunft notwendigen Verhalten bei der Formulierung des Selbstverständnisses nötigt die Beteiligten, einen „Zukunfts-fit“ zu entwerfen (ebd., 266). Ein Leitbild ist so besehen eine „Machbarkeitsprojektion“ (Geideck 2003, 228, im Anschluss an Dierkes/Hoffmann/Marz 1992). Es bündelt Erfahrungen, Wissen und Wünsche und enthält einen paradigmatischen Entwurf in die Zukunft. Im Konzept des Integrierten Managements sind Leitbilder Teil des normativen Managements und der Unternehmenspolitik und wirken zugleich auf diese ebenso ein wie auf die strategischen Programme, die operative Planung und – idealiter – die Anwendung bis hin zu alltäglichen kommunikativen und anderen Aktivitäten. Leitbilder wirken also nach innen und außen, sie – werfen ein Blitzlicht auf Wesen und Kultur einer Organisation, – stiften Sinn und Loyalität, – klären Zielsetzungen und die Wertebasis, – schaffen ein gemeinsames Grundverständnis für alltägliche Kooperation, – setzen Prioritäten und geben Orientierung, – informieren über Werte und Maßstäbe, – stabilisieren, koordinieren und integrieren, – sind kognitionsleitend, synchronisierend und repräsentierend, – fördern die Identifikation und stiften Zusammenhalt, – enthalten Vorstellungen einer erstrebenswerten Zukunft, – formulieren interne Ziele und Ziele im Markt, – geben Hinweise bezüglich gewünschter Verhaltensweisen, – haben Aufforderungscharakter und motivieren, – richten die politische, strategische und operative Führung aus, – leiten Handlungen an und wirkten auf die Organisationskultur, – sichern Qualität, – fördern die Corporate Identity, – unterstützen Image, Corporate Design und Marketing, – sind ein Kommunikationsmedium und Werbemittel. Folgende Kernfunktionen von Leitbildern lassen sich gruppieren (Knassmüller 2005, 31 ff.): 1. Identitäts- oder Identifikationsfunktion im Hinblick auf die Ziele der Organisation
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2.
Orientierungs- und Stabilisierungsfunktion als Gegengewicht zu dynamischen Umwelten 3. Koordinations- und Kohäsionsfunktion im Bezug auf die Effektivität von Entscheidungen 4. Legitimations- und Aufforderungsfunktion im Bezug auf legitime Handlungsoptionen 5. Motivationsfunktion für die Mitglieder. Hinsichtlich der Funktionen handelt es sich allerdings um „Wirkungsbehauptungen“ (Giesel 2007, 93), die konkrete Wirkung von Leitbildern ist im jeweiligen Sektor und Feld empirisch nachzuweisen und hat zu einer ganzen Reihe von v. a. englischsprachigen Studien und Forschungsarbeiten geführt. Man untersucht den Zusammenhang von Mission Statements mit verschiedenen Variablen, z. B. dem Innovationsgrad sowie der Lernfähigkeit von Organisationen (z. B. Bart 2004), den Effekt auf die organisationale Praxis im Bezug auf die Work-Life-Gestaltung (z. B. Blair-Loy/Wharton u. a. 2011) oder sogar auf Charakter und ethische Orientierung (z. B. Davis/Ruhe u. a. 2007). Die Untersuchungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, wie auch Metaanalysen zeigen (z. B. Desmidt/Prinzie 2011). Manche halten Leitbilder für wenig tauglich, Orientierung zu stiften und Verhalten oder organisationalen Wandel zu erzeugen (Peeke 1994). Andere sehen das Problem eher in der Umsetzung und Implementierung (Klose 2006). Im deutschen Sprachraum sehen die Ergebnisse ähnlich aus. Das klassische Leitbild habe ausgedient, schlussfolgert eine Studie aus Umfrageergebnissen (Stach’s Kommunikation & Management GmbH 2009, 12), weil letztlich ein distanziertes Verhalten im Umgang mit dem eigenen Leitbild existiere, und die Studie rät ein anderes Konzept an, ein maßnahmenorientiertes Zielbild. Nicht wenige Erhebungen protegieren die Aussage, dass Leitbilder zum Unternehmenserfolg maßgeblich beitragen. Die Mortsiefer Leitbildstudie kommt zu dem Schluss: „Erfolgreiche Unternehmen haben ein gutes Leitbild“ (Dr. Mortsiefer Management Consulting GmbH 2002, 14). Derlei Ergebnisse dürften nicht zuletzt der Tatsache geschuldet sein, dass die Durchführenden der Studien Beratungsleistungen zu Ziel- oder Leitbildern anbieten. Motive und Anlässe für eine Leitbildentwicklung können intern und extern gegeben sein (vgl. ebd., 6 f.). Zu internen Anlässen gehören eingefahrene Strukturen; Unternehmensübergaben/-nachfolgen; Kommunikations-, Motivations-, Qualitätsoder Leistungsprobleme, Schwächen bei der Kundenorientierung oder dem Führungsverhalten oder negative Umfrageergebnisse. Zu Motiven, die aus dem Organisationsumfeld entstehen, gehören Wettbewerbsverschärfungen, Veränderungen in relevanten Märkten, Änderungen in den Kundenansprüchen, Kooperationen mit neuen Partnern sowie politische Anforderungen oder Auflagen (Umweltpolitik, Neuregelungen). Die drei häufigsten Beweggründe für eine Leitbilderstellung sind die Klärung der Unternehmensvision, um einen Orientierungsrahmen zu haben, die Schaffung einer einheitlichen Grundauffassung und die Stärkung der Motiva-
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tion und Identifikation der Mitarbeitenden (Ullrich 2010, 68 f.). Leitbilder dienen demnach dem Aufbau einer Markenorientierung als politischer Unternehmensführung, nach außen wie nach innen. Dafür spricht auch die Entwicklung, denn inzwischen sind Leitbilder ein Teilbereich der Corporate Identity (CI) geworden, eines Managementkonzepts, das den „abgestimmte[n] Einsatz von Verhalten, Kommunikation und Erscheinungsbild nach innen und außen auf der Basis eines sich dadurch mit Leben füllenden Leitbilds mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung“ beinhaltet (Kiessling/Babel 2011, 167). Zur CI gehören neben dem Leitbild (Mission Statement) auch Regeln der Kommunikation (Corporate Communications), das gesamte Erscheinungsbild der Organisation (Corporate Design) sowie Leitlinien zum Verhalten (Corporate Behaviour), die CI-Strategie sowie das Unternehmensimage (Corporate Image). Die Entwicklung der CI-strategischen Unternehmensführung hat einen eigenen Phasenverlauf (vgl. Kiessling/Babel 2011, 21 f.), der sich mit dem der Entwicklung der Bedeutung von Leitbildern trifft. Um die Dimensionen in diesem Artikel einzugrenzen, betrachte ich hier ausschließlich Aspekte, die die sich auf Leitbildersprache und -texte im deutschsprachigen Raum eingrenzen lassen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die (v. a. aktuelle) wissenschaftliche und insbesondere analytische Literatur zu Leitbildern recht übersichtlich ist. Leitbilder sind somit Bestandteil eines umfassenden Marketing- und Werbekonzepts, die gegenwärtige Literatur greift den Begriff praktisch nur noch in Verbindung mit Corporate Identity auf. Damit wurde das St. Gallener Managementkonzept verdreht: nicht die Strategie folgt dem Leitbild, sondern Leitbilder werden strategisch eingesetzt. Entsprechend haben die Beratungsunternehmen das Thema schon früh ergriffen (vgl. z. B. KPMG 1999) und versuchen, strategische und kulturelle Ansätze der Unternehmensführung systematisch zu verbinden, um den wirtschaftlichen Erfolg zu steigern (s. auch Kienbaum Management Consultants 2009). Das Leitbild ist Teil einer „Brand Identity“.
2 Form, Inhalte und Entstehung von Leitbildern Obwohl individuell erstellt, haben Leitbilder einen auffällig hohen Standardisierungsgrad. Es können typische Themen und Werte, ein idealtypischer Aufbau und sogar konventionalisierte Sprachformen rekonstruiert werden. In ihrer vergleichenden Untersuchung von dreißig österreichischen Unternehmensleitbildern untersucht Knassmüller (2005) diskursive Ordnungen und Strukturen sowie die zugrunde liegenden impliziten sozialen Repräsentationen. Dieser auf Moscovici zurückgehende Ansatz eignet sich begrifflich, da soziale Repräsentationen eine vermittelnde Instanz zwischen verselbständigten Wirklichkeitskonstruktionen und den sie reproduzierenden Kommunikations- und Interpretationsprozessen darstellen. In den untersuchten Leitbildtexten manifestieren sich objektivierte Konventionen, und sie sind in ihrer textlichen Gestaltung über verschiedene Unternehmenskontexte hinweg erstaunlich homogen. Auch hinsichtlich kultureller Unterschiede scheint sich in den letzten bei-
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den Jahrzehnen eine Konvergenz entwickelt zu haben. Ließen sich bei genauerer Betrachtung in den 90er Jahren noch (sprach-)kulturelle und zeitgeschichtliche Unterschiede in den Mission Statements beschreiben, so deuten aktuelle Vergleiche von Mission Statements im Internet an, dass es keine signifikanten Differenzen qualitativer Art mehr zwischen ihnen gibt (vgl. Akbulut/Bayram 2011). Ältere komparative Studien, welche z. B. britische und französische Mission Statements verglichen haben, zeigen, dass die Leitbilder u. a. im Bezug auf Länge, Zeithorizont, Allgemeinheitsgrad, inhaltliche Foki idealtypische Differenzen aufweisen (Brabet/Klemm 1994, 92, nach Knassmüller 2005, 43). In der diskursanalytischen Betrachtung von Swales/ Rogers (1995) wird deutlich, dass sich die damaligen Leitbilder darin unterschieden, wie die jeweiligen Organisationen mit gesellschaftlichem Wandel umgingen. Immer wieder erscheinen Studien, welche Differenzen im Zuschnitt der Leitbilder durch die Anpassung an das soziokulturelle Umfeld der Organisation oder des Unternehmens herausarbeiten, wie Biloslavo und Lynn (2007) am Vergleich slowenischer und USamerikanischer Mission Statements zeigen. Der Frage folgend, welche Sachthemen und Akteure in den untersuchten deutschsprachigen Unternehmensleitbildern vorkommen, kann Knassmüller eine Systematik von rekurrenten Themenbereichen für typische Akteursgruppen extrahieren (Abb. 2).
Organisation
Handlungsbereiche
Leistungsbereiche
Kontexte
Organisatorischrechtlicher Rahmen
Leistungen, Qualität und QM, Kosten
Leistungen, Produkte
Marktumfeld
Außenbeziehungen
Human Resources, Personal, Führung und Stile
Branche
Organisationsstruktur u. -kultur
Wirkungsbereich
Kommunikation: Öffentlichkeitsarbeit und interne Informationspolitik
Natürliche und sozioökonomische Umwelt Rechtliche u. kulturspezifische Rahmenbedingungen
Akteure: Interne Anspruchsgruppen: Mitarbeiter, Führung/Management, Interessensvertretungen (Kapitaleigentümer, Personalvertretungen) Externe Akteure: Kunden, Zulieferer, Kooperationspartner, Konkurrenten, Behörden Autorenkollektiv/die Organisation und ihre Beziehungsorganisation im Unternehmen: Erwartungen, Leistungen, Normen, Sanktionen Abb. 2: Themenbereiche für typische Akteursgruppen (abgewandelt nach Knassmüller 2005, 135 ff. und 255 ff.).
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Typischerweise enthalten Leitbilder Aussagen über die Organisation, ihre rechtlichen Rahmenbedingungen, Außenbeziehungen und Organisationsstruktur. Auch die Aussagen über Handlungsbereiche lassen sich kategorisieren. Angesprochen werden Leistungen, Produkte und Wirkungsbereiche in der Branche, das Qualitätsmanagement, der Umgang miteinander sowie Führungsstile. Es gibt klassischerweise Aussagen über Kommunikation und Verhalten im Inneren und nach außen, insbesondere mit Bezug auf verschiedene Akteurs- und Interessensgruppen wie Mitarbeiter und Kunden, aber auch Kooperationspartner oder Konkurrenten. Schließlich werden auch Bezüge zu den Kontexten des Systems (Markt, Umwelt, rechtliche Rahmenbedingungen) hergestellt und mit Wertaussagen verknüpft. Leitbilder müssen hier zunehmend von der Gesellschaft her definiert werden und den „Public Value“ einer Organisation darstellen (vgl. Meynhardt 2013). Auch die Wertedimensionen lassen sich in wiederkehrende Cluster qualifizieren, kategorisieren und sogar quantifizieren. Bei Frequenzanalysen von Werten und Kompetenzen enthalten alle dreißig der von Knassmüller untersuchten Leitbilder pragmatisch-utilitäre, moralisch-ethische und kognitiv-epistemische Werte. Darüber hinaus wurden noch soziale (z. B. Teamarbeit), potestive (z. B. Überlebensfähigkeit), volitive (z. B. Engagement) sowie emotionale (z. B. Zufriedenheit) Werte ermittelt. Ausnahmslos alle Leitbilder betonen den Wert Kundenorientierung, und die meisten enthalten die folgenden acht Werte: – Markt- und Wettbewerbsorientierung (pragmatisch-utilitär), – Ergebnis- und Erfolgsorientierung (pragmatisch-utilitär), – Kompetenz/Qualifikation (kognitiv-epistemisch), – Entwicklung/Lernen (kognitiv-epistemisch), – Ökologische Verantwortung (moralisch-ethisch), – Qualitätsorientierung (pragmatisch-utilitär), – Zusammenarbeit/Teamarbeit (sozial), – Leistungsorientierung (pragmatisch-utilitär). Aufbau, Werte und Inhalte von Leitbildern sind also derart konventionalisiert, dass sich eine „Normalitätsfolie“ eines typischen Unternehmensleitbildes darstellen lässt. Die Abbildung 3 zeigt, was ca. zwei Drittel der untersuchten Leitbilder an Themenbereichen und Werten aufgreifen. Die Gültigkeit von Knassmüllers an österreichischen Unternehmensleitbildern extrapolierten Mustern lässt sich an beliebigen Beispielen zeigen. Im Folgenden kann man die Konventionalisierung am Leitbild eines Unternehmens nachvollziehen, das den meisten Menschen beinahe täglich begegnet: Nach Edeka ist REWE der zweitgrößte Lebensmittelhändler in Deutschland. Die REWE Group präsentiert in ihrem Leitbild (Abb. 4, Stand 2014) mehrere Elemente, die sie in Mission, Grundwerte, Vision und Leitsätze gruppiert. Alle diese Bausteine sind jeweils noch bebildert sowie mit ein oder zwei Sätzen erläutert; aus Platzgründen werden hier lediglich die Überschriften und nur exemplarisch der letzte (6.) Grundwert mit der Erläuterung ausgeführt.
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Normalitätsfolie eines Unternehmensleitbildes (Template) Skript
Kunden – Kundenorientierung Produkte und Leistungen – Qualitätsorientierung – Ökologische Verantwortung – Kundenorientierung – Marktorientierung
Partnerschaftliche Zusammenarbeit
Marktumfeld – Marktorientierung
Weiterentwicklung/Wachstum
Branche/Tätigkeitsbereich Organisatorisch-rechtlicher Rahmen
Einleitende Rahmenthemen
Kernthemen
Leistungserstellung – Ökologische Verantwortung – Kompetenz – Entwicklung/lernen Ökonomisch-finanzielle Sphäre – Ergebnis- und Erfolgsorientierung Mitarbeiter – Kompetenz – Leistungsorientierung – Entwicklung/Lernen – Teamarbeit – Qualitätsorientierung Natürliche Umwelt – Ökologische Verantwortung
Abschließende Rahmenthemen
Gesellschaft Abb. 3: Normalitätsfolie eines Unternehmensleitbildes (in Anlehnung an Knassmüller 2005, 179).
Das Leitbild der REWE Group folgt einer typischen Form: Präambel (ausgelassen), Kernleitbild und erweitertes Leitbild (Erläuterungen von Inhaltspunkten) und bildet in seinen Aussagen die rekurrenten Themenbereiche und weitgehend sogar die Reihenfolge der Themen und Werte der von Knassmüller ermittelten Normalitätsfolie ab. Die Punkte 1 und 2 beziehen sich auf den Tätigkeitsbereich als Händler und heben die Marktorientierung hervor, wozu auch die allgegenwärtige Kundenorientierung gehört. Als spezielle Leistung(swerte) werden im dritten Punkt Attribute für die Art und Weise formuliert, wie die Geschäfte vorangetrieben werden (schnell, entschlossen, kreativ, lösungsorientiert, konsequent und entwicklungsorientiert).
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„Die Grundwerte der REWE Group 1.
Wir handeln eigenverantwortlich im Sinne der Gemeinschaft!
2. Wir handeln für den Kunden – wir sind mitten im Markt! 3. Wir haben Mut für Neues, Stillstand ist Rückschritt! 4. Wir begegnen einander offen, mit Vertrauen und Respekt. Unser Wort gilt! 5.
Wir ringen um die beste Lösung, entscheiden wohlüberlegt und handeln konsequent!
6. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und handeln nachhaltig! Wir sind uns als Genossenschaft unserer besonderen Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und den kommenden Generationen bewusst und leisten unseren Beitrag für die langfristige Zukunftssicherung. Wir bringen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte in Einklang.“
Abb. 4: Leitbild der REWE Group.
Die vierte und fünfte Grundwertaussage beziehen sich auf den dialogischen, vertrauens- und respektvollen und Umgang mit verschiedenen Akteursgruppen sowie auf die spezielle Entscheidungskompetenz. Die letzte Aussage enthält – wie häufig – Aussagen zur ökologischen Verantwortung. Partnerschaftliche Zusammenarbeit, Weiterentwicklung und Wachstum (die mittlere Spalte in der Normalitätsfolie) sind durchgängig durch alle Themenblöcke relevant. Für die Erstellung von Leitbildern gibt es verschiedene Herangehensweisen. Bis in die 1970/80er Jahre hinein galt die Leitbilderstellung als Aufgabe des Managements (Giesel 2007, 96 f.). Beim Top-down-Vorgehen machen die oberen Führungskräfte entweder einen ersten Entwurf, für den sie Rückmeldungen einholen, oder sie formulieren ihre eigene Vision ohne weitere Rücksprachen. Erst in den letzten drei Jahrzehnten setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass ein partizipativer Erstellungsprozess fruchtbarer ist. Geht man mit einem Beteiligungsansatz „bottom-up“ vor, wird eine Projektgruppe initiiert, die ein breites Gespräch in der Mitarbeiterschaft (in Workshops oder Klausurtagungen) bündelt und daraus das Leitbild formuliert. Beide Vorgehensweisen haben Vor- und Nachteile. Ein Topdown-Verfahren geht schneller und ist weniger kostenintensiv als ein aufwändiges partizipatives Vorgehen, stößt aber stärker auf Akzeptanzprobleme. Eine breite Beteiligung erhöht die Identifikation, bringt jedoch möglicherweise als kleinsten gemeinsamen Nenner nur einen hohen Abstraktionsgrad mit wenig zukunftsweisenden Aussagen hervor. Als Mischform hat sich das Gegenstromprinzip etabliert: Dabei werden Informationen und Grundhaltungen gesammelt und die Formulie-
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rungsarbeit in eine repräsentativ zusammengesetzte Arbeitsgruppe delegiert. Der dort entstandene Entwurf wird zur Diskussion gestellt und die beauftragte Gruppe erhält Rückmeldungen, damit sie den Entwurf überarbeiten kann. Eine ausführliche Beschreibung eines Projekts in Form eines Gegenstromprozesse mit starkem Bottom-up-Anteil ist in Nazarkiewicz (2003) beschrieben. Praxiserfahrungen zeigen, dass der Prozess der Leitbildentstehung beinahe noch größere Bedeutung hat als das daraus entstehende Textresultat. Je nach Partizipationsgrad dauert es Monate oder gar Jahre, bis ein Leitbild konsensuell formuliert wurde und der Prozess der Selbstverständigung, Diskussion, Beteiligung und Versprachlichung zu einem akzeptierten Ergebnis gefunden hat. Mit der Verabschiedung des Leitbildes setzt sich das Projekt fort, denn danach beginnt die Implementierung und Aufgabe, das Leitbild im Alltag präsent zu machen. Weniger als die Kernaussagen selbst dienen vielmehr der Weg zu ihnen und die Ableitung aus ihnen der Kohärenz und Reproduktion der Unternehmensidentität. Wie immer Leitbilder entstehen und wie austauschbar sie erscheinen, auffällig ist ihr sprachlicher Duktus. Leitbilder geben eine Organisationskultur als geteiltes Set von Zielen, Zwecken, Werten und Grundannahmen vor, die handlungsleitende Denkmuster erzeugen sollen. Es ist dieses Spannungsfeld von Ist und Soll, was Leitbildern als Texten ihre besondere Sprache verleiht.
3 Leitbildsprache als Prozess Soziolinguistisch betrachtet sind Leitbilder eine Variante von „Sinnformeln“. Für Geideck/Liebert (2003, 3) sind Sinnformeln ein symbolischer Formenkomplex von komprimierten Antworten eines Kollektivs auf existenzielle Grundfragen. Sie betreffen Identität (Wer sind wir?), Geschichte (Woher kommen wir?), Gegenwart (Wo stehen wir?) und Zukunft (Wohin gehen wir?) und ermöglichen eine wechselseitige Bezugnahme und Orientierung der Gruppenmitglieder. Als legitimierende Idee (Weber) stiften sie Sinn, haben eine ästhetische und poetische Dimension in Form von Slogans, Maximen, Schlüsselwörtern oder Metaphern und einen dynamischen Charakter. In Leitbildtext gefasste Sinnformeln machen die bisherigen legitimierenden Ideen explizit, die Grundfragen müssen aber in der Zeit stets neu beantwortet werden. Leitbilder sind genau diese Suche und Konstruktion von immer wieder neuen Antworten, indem sie attraktive Vorstellungen entwickeln, die aber noch nicht realisiert sind; nach Geideck/Liebert (2003, 6) gehören sie daher zu den „kontroversen“ Sinnformeln. Ihr paradigmatischer Entwurf in die Zukunft ist zum einen umstritten und Ergebnis von kontroversen Diskussionen und zum anderen noch nicht verwirklicht. Werden Leitbilder also gelebt, d. h. vollzogen und beständig reproduziert, erhalten sie Geltung und wirken als Normalität. Solange sie ein Spannungsfeld von Idealaussagen enthalten, die noch nicht eingelöst sind, liegt ihre Wirkmächtigkeit im Impliziten. Hier wirkt ihr Appell hinsichtlich eines gewünschten Zustands.
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Daher gehören Leitbilder sprachanalytisch gesehen zu den Textsorten, die appellativen Charakter haben (Ebert 1997, 139). Leitbilder sind für Ebert (1997, 152) ein Textsortenkomplex mit einer kommunikativen und vermittelnden Funktion, der sich aus Textsorten wie Werten, Verhaltensleitsätzen, Unternehmensphilosophien, Visionen und Idealbeschreibungen zusammensetzt. Typisch für sie ist die Aneinanderreihung unverbundener Sprechhandlungen in Form von Aufzählungen. Sie enthalten in Leitsätzen direkt und indirekt formulierte Werte, die Selbstverpflichtungen (z. B. „Wir handeln für unsere Kunden“, REWE), Entscheidungsleitsätze (z. B. „Der Kunde steht im Mittelpunkt“) und partnerorientierte Verhaltenserwartungen formulieren, welche den Verhaltensspielraum normieren. Ein Verhaltensleitsatz wäre z. B. „Gemeinsam für ein besseres Leben“ (Mission REWE). Dabei gibt es einen fließenden Übergang zu „Idealbeschreibungen“ (Ebert 1997). Beim REWE-Leitbild könnte man z. B. die Erläuterung des 6. Punktes als Idealbeschreibung sehen, denn der Konflikt zwischen den benannten Faktoren ist mehr als evident: „Wir bringen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte in Einklang“. Es ist – typischerweise – eine noch nicht eingelöste Aufgabe, dieses Spannungsfeld „in Einklang“ zu bringen, und somit eine Aufgabe, die jedem Organisationsmitglied auf seiner Ebene als Auftrag erteilt wird. Führungskräfte sind aufgerufen, ihre Strategien, Vorgaben und Ziele danach auszurichten, die Mitarbeitenden gleichen die Spannung meist im Service, in der Kommunikation oder in anderem Dienst am Kunden bzw. untereinander durch Kommunikations- und Emotionsarbeit aus. Die besondere Tonlage von Leitbildern entsteht offenbar, indem Bausteine der normativ-orientierenden Textsorten verwendet werden, mittels derer ein Fürrichtig-Halten und zugleich schon ein Für-wahr-Halten eines tatsächlich noch nicht eingetroffenen Zustands zum Ausdruck gebracht wird, wodurch dieser angestrebte Idealzustand als Zukunftsentwurf buchstäblich „heraufbeschworen“ wird. Dieses eigentümliche Spannungsverhältnis zwischen Ist und Soll (als dem, was noch nicht ist, aber als Ziel und Entwurf im Leitbild bereits Form annimmt), zwischen Selbst-Beschreibung und Selbst-Appell, ist konstitutiv für die Formulierung von Leitbildern. Der hohe Abstraktions-, Typisierungs- und Standardisierungsgrad, der bei der Genese von Leitbildern entsteht, ist keineswegs banal, sondern eine kollektive Leistung. Bei einer Leitbildentstehung wird um jedes Wort gerungen. Die Entwicklung der inhaltlichen Aussagen in einem Leitbild ließen sich bei einer ethnolinguistischen Analyse eines bottom-up organisierten Leitbildprozesses in vier Stadien beschreiben (vgl. dazu ausführlicher Nazarkiewicz 2003). Die Versprachlichung geteilter Werte vermittels der Formulierung des eigenen Selbstverständnisses, das für eine Organisation in den nächsten Jahren Gültigkeit haben soll, durchläuft rekonstruktiv betrachtet folgende Phasen: 1. Die Entstehung eines Leitbildtextes beginnt mit einem stichwortartigen Motiv oder Fragment, wobei Motiv hier im literaturwissenschaftlichen Sinne als kleinste bedeutungstragende Sinneinheit verstanden wird, als „Grundakkord“,
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der verschiedene Entfaltungsmöglichkeiten enthält und inhaltlich wie formal strukturbildend wirkt (vgl. Frenzel 1988, V ff.; Daemmrich/Daemmrich 1995, 228 ff.). Die Motive stellen eine erste abgestimmte Sammlung und Auswahl bedeutsamer Werte, Inhalte und Prioritäten für das Leitbild dar und schließen andere mögliche Inhalte aus. 2. Ohne Aussagesätze sind Motive allerdings zu unspezifisch, daher werden anschließend erste Positionierungen bzw. normative Orientierungen entworfen und zwangsläufig kontrovers diskutiert, da eine Positionierung immer andere, innerhalb und außerhalb der Organisation vorhandene weitere Perspektiven ausschließt. 3. Im Zuge dessen werden mehrere Spannungsfelder evident: Die aus den Diskussionen generierten Formulierungen bewegen sich u. a. auf einer Zeitleiste (früher, heute, morgen), benennen aktuelle gesellschaftliche Problembereiche, erfassen wertebedingte Unvereinbarkeiten. Das dritte Stadium ist daher die Benennung der Spannungsfelder, denn dies bewirkt eine größtmögliche Inklusion der für die Organisation zu diesem Zeitpunkt denkbaren Perspektiven. 4. Schließlich münden Diskussionen und Textarbeit in eine hinreichend konsensfähige Formulierung geteilter Grundauffassungen. Diese durch kontroverse Diskussionen durchgearbeiteten Sätze formulieren den größten gemeinsamen Nenner als Aussage und Positionierung, die Spannungsfelder sind implizit und werden gegebenenfalls in den auf die Kernaussagen folgenden Erläuterungstexten aufgegriffen. Den Ablauf der Stadien der Reformulierungen und der Genese zum finalen Leitsatz im Uhrzeigersinn verdeutlicht folgende Übersicht.
1 Motive als Stichworte, Fragmente
2 (vorläufige) Positionierungen bzw. erste Aussagesätze zu normativen Orientierungen im Präsens
Leitbild-Sprache entwickeln durchgearbeitete Formulierungen geteilter Grundauffassungen im Präsens
4
Formulierung des Problems, des Problembewusstseins, der Spannungsfelder oder berichtende Willensakte
3
Abb. 5: Leitbild-Sprache entwickeln (eigene Darstellung nach Nazarkiewicz 2003).
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Die Phasen sind idealtypisch zu verstehen und müssen nicht immer alle durchlaufen werden. Manche Fragmente verändern sich nur marginal im Verlauf der Stadien, sie profitieren dann von Grundsatzdebatten an anderer Stelle. Gleichwohl wird die Sprache des Leitbildes jedoch von Stadium zu Stadium verändert. Der Ablauf der Formulierungsarbeit in den vier Stadien wurde aus verschiedenen Beispielen induktiv gewonnen. Diese sollen im Folgenden am Beispiel einer der Überschriften aus einem Leitbild einer diakonischen Einrichtung, der Gustav-Werner-Stiftung, erläutert werden. Die Stiftung wird traditionell Bruderhaus-Diakonie genannt. Es handelt sich hierbei um eine räumlich verteilte diakonische Organisation in Baden Württemberg mit zahlreichen Einrichtungen, die in verschiedenen Bereichen (Alten-, Behinderten-, Jugendhilfe, Sozialpsychiatrie, Werkstätten und Seelsorge) Unterstützungsleistungen bieten. 1. Motive: Als Motiv ging aus dem Protokoll einer Großgruppenveranstaltung, die in Form einer Zukunftskonferenz abgehalten wurde, das Fragment „Kostenbewusstsein, wirtschaftliche Sicherung“ hervor. Dahinter stand der gesamte Themenkomplex der Leistungen von umfassenden Hilfeangeboten im Spannungsfeld von Wirtschaftlichkeitsanforderungen durch den Markt: Obwohl dem christlichen Menschenbild und der Menschenwürde verpflichtet, war durch Kostendruck (und Kostendeckelung) und knappe Mittel Konkurrenzverhalten und wirtschaftliches Handeln unabdingbar geworden. Hierfür musste eine sprachliche Lösung gefunden werden. 2. Vorläufige Positionierung in Form erster Aussagesätze: Auf der Ebene der Überschriften 2. Ordnung entstand aus dem in Form von Stichworten verbalisierten Motiv zunächst ein Aussagen-Fragment. Die repräsentativ zusammengesetzte Projekt- und Steuerungsgruppe formulierte die Überschrift „Sein Geld erwirtschaften“. Der Infinitiv legt die Assoziation der Notwendigkeit ‚man muss …‘ nahe, auch wenn kein vollständiger Satz vorliegt. Zugleich findet sich in der Infinitivformulierung hier schon das Grundmotiv von Leitbildern, das sprachliche „Sich-nicht-Festlegen“ zwischen Beschreibung und Appell. Hieran wird auch deutlich, dass die Stadien nicht streng voneinander zu trennen, sondern idealtypisch zu verstehen sind. Die erste „Positionierung“ enthält hier sowohl Elemente des Anfangs (Stichwortcharakter) als auch der 3. Stufe, das implizite Müssen und die explizite Formulierung von Notwendigkeiten. 3. Formulierung des Spannungsfeldes oder des Problems: Nach der ersten Rückmelderunde zum Textentwurf von Überschrift und Erläuterungen (hier ausgelassen), wurde dieser modifiziert. Als erste Aussage wurden die kontroversesten Pole der Debatte als Spannungsfeld formuliert: „Wir handeln im Spannungsfeld von Markt und Menschenwürde“. Nach dem Prinzip ‚Hast du keine Lösung, formuliere das Problem‘, ist damit die Zwischenlösung des 3. Stadiums erreicht worden.
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4. Durchgearbeitete Formulierung geteilter Grundauffassungen im Präsens: Die zunächst gefundene Zwischenlösung war nicht zuletzt wegen ihrer plakativen Gegenüberstellung (Markt versus Menschenwürde) in der gesamten Einrichtung nicht konsensfähig. Eine Verbindung der beiden Pole des Spannungsfeldes über das Bindewort „und“ reichte offenbar nicht aus, zumal dieses „und“ hier eher kontrastiven, gegenüberstellenden Charakter hat und damit den Widerspruch, das (noch) Unvereinbare betont. In der Endfassung des Leitbilds wurden die beiden Grundwerte (Menschlichkeit-Menschenwürde-Vertrauen und WirtschaftlichkeitEffizienz-Professionalität) in der Reihenfolge priorisiert: „Im Interesse der Menschen handeln wir wirtschaftlich“. Die Bedingung für wirtschaftliches Handeln ist, dass es den Interessen der Menschen dienen muss. Wirtschaftliches Handeln kann also kein Selbstzweck sein (was über die konjunktivische Verbindung mit „und“ möglich gewesen wäre), sondern ist auf die Interessen der Menschen abzustimmen. Die konditionale Konjunktion dient als eine der Lösungsformen. Wir finden hier allerdings das charakteristische Unschärfe-Moment in der Formulierung von Leitbildern wieder. Die doppelseitig konditionale Konjunktion wirkt in zwei Richtungen: 1. wirtschaftliches Handeln ist notwendige Bedingung, um erfolgreich auch künftig das Ziel der Menschlichkeit in der Versorgung verfolgen zu können; 2. Wirtschaftlichkeit ist als Handlungsprinzip nur dann legitimiert, wenn es sich innerhalb des durch den Wert „Menschlichkeit“ gesetzten Rahmen bewegt. Das Spannungsfeld ist nicht gelöst, sondern vertagt und macht im Konkretisierungsfall eine Diskussion erforderlich. Der Erläuterungstext unter der Überschrift spricht diesen impliziten Zusammenhang aus: „Um wettbewerbsfähig zu sein, ist wirtschaftliches Handeln unabdingbar. Die Erfüllung unserer Aufgaben braucht aber mehr, als mit Geld zu bezahlen ist. In unserer täglichen Arbeit achten wir darauf, Menschenwürde auch unter Marktbedingungen zu wahren.“ (Leitbild der BruderhausDiakonie/ Stiftung Gustav Werner und Haus am Berg 1999) Das damalige Leitbild ist inzwischen mehrfach überarbeitet worden, die letzte Fassung stammt aus dem Jahr 2013, und es ist interessant zu sehen, wie es sich weiterentwickelt hat. Der betreffende Abschnitt titelt nun: „Wir handeln wirtschaftlich und ökologisch“. Offenbar ist das wettbewerbsfähige Handeln, das im Leitbild von vor 14 Jahren noch im Spannungsverhältnis zur Menschenwürde stand, nun selbstverständlicher geworden. Hinzugekommen ist ein neuer Wert, der ebenfalls in der Normalitätsfolie von Knassmüller erscheint, die Ökologie. Neben der schon im Leitbild von 1999 formulierten Selbstverpflichtung, die Mittel „kostenbewusst, aufgaben- und sachgerecht“ einzusetzen, beinhaltet das Leitbild von 2013 dazu u. a. den Appell: „Wir gehen verantwortlich und sparsam mit Lebensmitteln, Rohstoffen und Materialien um“, und es enthält eine Darstellung eines Gemüsesortiments aus biologischem Anbau. Auch die Themen Energieeinsparung und regenerative Energiegewinnung sowie Nachhaltigkeit und die Nutzung regionaler Rohstoffe finden Platz. Bei einer genaueren Analyse lassen sich noch weitere Auseinandersetzungen mit den gesellschaftspolitischen Weiterentwicklungen erkennen. Die Beziehung zu
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den ehemals „anvertrauten“ Personen ist bis in den Slogan hinein („Teil haben. Teil sein.“) partnerschaftlicher formuliert, die selbständige Lebensgestaltung und Teilhabe ist nun noch zentraler gesetzt. Zugleich werden in den Aussagen aktuelle und allseits bekannte Spannungsfelder aufgegriffen. Dazu gehört die Schwierigkeit der Leistung einer angemessenen Qualität im Rahmen des einzuhaltenden Kostenrahmens oder die Herausforderung, den diakonischen Auftrag im Kontext der wettbewerbsorientierten Gestaltung des Sozialstaats umzusetzen (vgl. Bruderhaus Diakonie/Stiftung Gustav Werner und Haus am Berg 2013). Am hohen Standardisierungsgrad, der Normalitätsfolie, den benennbaren Themenbereichen und den in den Leitbildern typischerweise vertretenen Werten einerseits als auch an diesem Einzelfall andererseits wird deutlich, dass sich die Organisationen in der Adaptionsphase von Unternehmensleitbildern mit den allgemeinen Wettbewerbsbedingungen und zeitgeschichtlichen gesellschaftspolitischen Leitwerten auseinandersetzen und diese aufgreifen. Wie sich die diskursive Entwicklungsgeschichte der Leitbilder fortsetzen wird, ist offen. Einen möglichen Ausblick könnte man mit einem aktuell äußerst erfolgreichen Mission Statement wagen, das sich längst von seinem Ursprungsort gelöst und weltweit verbreitet hat. Im Jahre 2009 gründete der Schweizer Fabian Pfortmüller gemeinsam mit den Brüdern Dave und Mike Radpavar in New York das Ökodesign-Label „Holstee“. Das Kerngeschäft der Jungunternehmer sind Design und Herstellung von Kleidern und Accessoires aus recyceltem Abfall sowie alternativen Materialien, also beispielsweise Gürtel aus alten Feuerwehrschläuchen, Brieftaschen aus Abfallsäcken oder Regenschirme aus Bambus. Das Motto von Holstee lautet „Lifestyle goods, designed with a conscience“ (Lüscher 2011). 10 % der Erlöse überweisen die Eigentümer zu „Ragpickers“ nach Indien, also jenen Menschen, die in den Großstädten vom Abfall leben. Werteorientierter Konsum, nachhaltiges Produzieren, globales Denken und Mitfühlen liegen im Trend, aber die weltweite Bekanntheit Holstees basiert nicht allein darauf, sondern überraschenderweise auf ihrem Leitbild, dem „Holstee Manifesto“ (Abb. 6). Was die drei Gründer für sich selbst als Erfolg definieren, ist zu einem großen PR-Effekt geworden und hat sich wie ein Lauffeuer global verbreitet. Das Leitbild wurde auf Karten gedruckt, filmisch umgesetzt, in zahlreiche Sprachen übersetzt und kann als Poster erworben werden. Bereits 2011 wurde das Manifest mehr als 50 Millionen Mal auf der Firmenhomepage angeklickt (Lüscher 2011). Das Mission Statement besteht aus 15 Aussagen und Appellen, die einer besonderen graphischen Darstellung aufbereitet sind. Sie lesen sich wie allgemeine Lebensweisheiten: „Dies ist dein Leben. Tu, was du liebst und tu es oft. Wenn du etwas nicht magst, dann ändere es. Wenn du deine Arbeit nicht magst, dann kündige sie …“ usw. (siehe Abb. 6). Erst am Ende lässt sich implizit ein Hinweis auf die Produkte von Holstee finden: „Live your dream, and wear your passion“ (Hervorh. K. N.). Die eigene Leidenschaft zu „tragen“ stellt in der englischen Sprache den Bezug zur Kleidung (z. B. „to wear a jacket“) und damit zu den Produkten von
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Abb. 6: Holstee Manifesto.
Holstee her. Es kursieren verschiedene Varianten des Leitbilds, es gibt auch eine Endung des englischsprachigen Leitbildes auf das klanglich (zu wear) ähnliche „share your passion“. In der deutschen Übersetzung, die auf „teile deine Leidenschaft“ endet, wurde diese verallgemeinerte Variante zugrunde gelegt. Auffällig an diesem Leitbild ist neben seinem Erfolg die im Vergleich zu bisherigen Leitbildern sprachlich veränderte Struktur und inhaltliche Erweiterung. Die Lesenden werden direkt adressiert, und insofern gibt es keinen Unterschied mehr zwischen einem Innen oder Außen der Organisation. Es entsteht eine Vergemeinschaftung von potenziellen Kunden in einem über diese Wirtschaftsbeziehung hinausweisenden Wir. „Dies ist dein Leben“ spricht jeden an. Die Sinnformel „Leben“ zieht sich als Begriff und auch graphisch wie ein roter Faden durch das Leitbild und wird allein vier Mal erwähnt. Es sprechen Menschen zu Menschen über ihre Gemeinsamkeit: Am Leben zu sein, ist die gemeinsame Klammer. Die
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Produkte selbst geraten scheinbar zur Marginalie, im Zentrum steht die gesamte Existenz eines Menschen als Selbstverwirklichungsauftrag und im Geiste einer umfassenden Lebensphilosophie, welche von der achtsamen Essensaufnahme über die „Liebe des Lebens“ bis zur Verwirklichung des eigenen Traums reicht. Die Grundaussagen dazu, „Das Leben ist kurz“, „Das Leben ist einfach“, „Dies ist dein Leben“ und „Im Leben geht es um die Menschen, die man trifft und was man mit ihnen erschafft“, greifen die säkular-rationalen Werte individualisierter Gesellschaften sowie eines global vertretenen Milieus von Leistungsträgern mit Selbstverwirklichungsansprüchen auf. Zu dieser Werteeinteilung vgl. World Value Survey Cultural Map (2005–2008) von Inglehart/Welzel (2010). Bemerkenswert ist, dass die Textsorte gewechselt wurde. Statt einer „normativorientierenden“ handelt es sich hier nun um eine „normativ-instruierende Textsorte“ (Ebert 1997). Dies erkennt man an den Anweisungen im Imperativ („Reise oft“), Feststellungen („Gefühle sind schön“) und Bedeutungserklärungen („Manche Gelegenheiten kommen nur einmal“). Ästhetisch mit graphischen Hervorhebungsmitteln aufbereitet (Farben, unterschiedliche Schriftgrößen) entsteht durch die unterschiedlichen Bezugsmöglichkeiten ein Kaleidoskop an Sinnebenen. Die Worte können einzeln, im Satzfragment oder als Gesamtzusammenhang gelesen werden, zumal der Textsatz im Layout zwischen (nicht markierten) Spalten und Zeilen wechselt, sodass verschiedene gedankliche Anschlüsse konstruiert werden können. Nach dem Imperativ „Travel often“ kann man z. B. weiterlesen mit „getting lost will help you find yourself“ oder mit „some opportunities only come once, seize them.“ Mit rudimentären Mitteln entsteht so eine leichte Hypertextstruktur, welche den aktuellen weborientierten Medien- und Lesegewohnheiten entgegenkommt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Bezeichnung „Manifest“, eine Bezeichnung, die wie „Mission Statement“ oder „Leitbild“ eine Bündelung von Zielen und Absichten umfasst, als Begriff aber genuin politischer Natur ist (z. B. „Kommunistisches Manifest“, „Das Generationen-Manifest“). Das Leitbild positioniert sich im Wettbewerb also explizit moralisch. Gleichwohl geht es den Produzenten nicht (nur) um Politik, sondern um „Lifestyle design with a conscience“ (so der Slogan aus dem Imagefilm), mithin also um die Vermarktung ihrer nachhaltig hergestellten Produkte. Das Holstee Manifesto ebenso wie das soziale Engagement „zahlen“, wie es in der Werbesprache heißt, so besehen „auf die Marke ein“ und damit auf die Corporate Identity. Nach Aussage einer der Gründer in einem Interview ist der aus dem sozialen Engagement der Firma resultierende Markenwert immens. Mit Kauf der Produkte, zu denen auch das erwerbbare Leitbild gehört, demonstrieren Käufer ein Lebensgefühl und positionieren sich politisch als Teil einer Ingroup mit einem spezifischen Bewusstsein. Märkte und Produkte wurden „moralisiert“, und die Warenproduktion wird in ihrem politischen Kontext betrachtet (Stehr 2007). Das Leitbild hat sich folgerichtig zum großen Teil von der Organisation, in der es entstand, gelöst und ist zu einem transkulturellen, systemübergreifenden individuellen Orientierungsrahmen für eine bestimmte Konsumentengruppe geworden.
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Umso deutlicher stellt sich die Frage nach der ideologischen Dimension in Leitbildern, die nunmehr – sollte dies ein Ausblick sein – nicht nur die Zeit als Arbeitskraft und das Verhalten in der Rolle in einer Organisation umfassen, sondern die gesamte persönliche Lebensgestaltung. Dieser Trend zum persönlichen Leitbild lässt sich auch in anderen Zusammenhängen beobachten. Leitbilder, Teilbereich der Corporate Identity-Strategie von Organisationen, werden nun in die individuelle Lebensführung integriert. Zeitmanagementbücher (Covey/Merrill u. a. 2014) und eine breit gefächerte Ratgeberliteratur u. a. zum Selbstmarketing (z. B. Wüst 2010) empfehlen, ein eigenes, individuelles Leitbild zu entwickeln. Ein Klassiker des Zeitmanagements und Bestseller, „First things first“ von Covey und Merrill, zu Deutsch „Der Weg zum Wesentlichen“ (7. Auflage, 2014, 303 ff.), empfiehlt bereits seit der Originalausgabe von vor 20 Jahren, sich ein persönliches Leitbild zu entwickeln. Neben der darin entstehenden Zielsetzung und Orientierung, wie sie in der heutigen Zeit wohl benötigt wird, ist das damit verbundene Stichwort „Human Branding“ (vgl. z. B. Berndt 2012). Das „Ich“ wird zur Marke, das Selbst benötigt Marketing. So erklärt sich auch der Textsortenwechsel im Holstee Manifesto, normativ instruierend sind auch Werbebotschaften („Komm in die Punica-Oase“). In der Werbung verschmelzen normativappellative Botschaften („Wir öffnen Horizonte“, R+V), normativ-instruierende („Deutschland geht T-online, gehen Sie mit“) und Selbstaussagen wie in persönlichen Leitbildern („Ich liebe es“, McDonalds) zu handlungsanleitenden Slogans. „Engel kann man nicht kaufen, aber man kann ihnen begegnen“, dieser Satz könnte im Holstee Manifesto oder die Aussage einer religiös oder spirituell verbundenen Gemeinschaft stehen, war jedoch ein Werbeslogan des Süßwarenherstellers Storck für die Marke Merci. Derart hintergründige Nachrichten, wie sie in Leitbildern und in der Werbung zu finden sind, erfordern eine ideologiekritische Betrachtung von Leitbildern.
4 Leitbild und Ideologie Es gibt Selbstdarstellungen wie z. B. „Die Qualität Bau GmbH“, die beide Begriffe unbefangen synonym setzen: „Unser Leitbild bzw. unsere Ideologie ist der Schlüssel zu Ihrem Erfolg“. Damit wird der Begriff Ideologie wertfrei als Summe aller Zielvorstellungen verwendet, so wie man im Alltag etwa auch z. B. von der politischen Ideologie des Neoliberalismus spricht. Für die Betrachtung von Leitbildern ist indes eine ideologiekritische Sicht mit einem theoretisch abgeleiteten Begriffsverständnis aufschlussreicher. Im klassischen Marx’schen Sinne versteht man unter Ideologie gesellschaftlich notwendig falsches Bewusstsein. Der Begriff bezieht sich kritisch auf die Verfasstheit der bürgerlichen Gesellschaft, in der entgegen dem objektiven Schein von Freiheit und Gleichheit im Grunde Heteronomie herrscht. Ideologie bedeutet in diesem Zu-
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sammenhang, dass die Individuen nur die Illusion der Selbstbestimmtheit haben, während die Verhältnisse auf Herrschaftsstrukturen, Ungleichheit, Ausbeutung und Abhängigkeiten beruhen. In dieser Terminologie gesprochen unterliegen die Subjekte einer „objektiven Nötigung“ (Schnädelbach 1969, 83), die von der Organisation der Gesellschaft ausgeht. Sie müssen mit Basisverhältnissen kooperieren und z. B. ihre Arbeitskraft (und damit die wahren produktiven Kräfte) den Produktionsverhältnissen zur Verfügung stellen, ohne sich als Produzenten der eigenen Lebensverhältnisse erkennen zu können. Die Beziehung zur Welt, zu sich selbst, den eigenen Bedürfnissen, unterliegt der kaum erkenn- und spürbaren Selbstentfremdung. Ideologien verschleiern und rechtfertigen in dieser kritischen Sicht real wirkende Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Insbesondere in Gestalt religiöser Vorstellungen und Verheißungen sah Marx eine Verkehrung und Projektion, der Anspruch auf Verwirklichung des menschlichen Lebens wird aus dem Diesseits in ein Jenseits verlegt, daher ist für ihn die Kritik der Religion Voraussetzung aller Kritik (Marx/Engels 1988, 378 ff.). Das höchste Wesen für den Menschen soll er aber selbst sein, und um in die Lage zu kommen, die eigenen Verhältnisse zu verändern, wären diese zunächst zu durchschauen. Eine rein bewusstseinsphilosophische Ideologiekritik greift nach den Weiterführungen u. a. von Foucault und Bourdieu inzwischen zu kurz. Beide Autoren betonen die tiefen körperlichen Dispositionen, in denen sich Herrschaft, Fremdbestimmung und die Möglichkeit von kritischer Distanz ausdrücken. Weit über das Bewusstsein hinaus formt regelmäßig wiederkehrende symbolische Gewalt über „diskursive Formationen“ (Foucault 1986, 58) unseren Habitus (Bourdieu 1982) und damit Bedürfnisse und innerste Wünsche. Ideologie umfasst nun das gesamte Verhältnis zu sich selbst: „Ideologie ist Sprache des wirklichen Lebens, sie vollzieht sich in Gewohnheiten ebenso wie in Diskursen“ (Demirovic 2009, 31). Man stößt mit dieser kritischen Begrifflichkeit an die Grenze von Aufklärung, welche sich an die Kognition richtet. Welzer (2013) nennt diese tiefe Industrialisierung „mentale Infrastruktur“ und kritisiert damit v. a. die sozio-kulturellen Praktiken, impliziten Regeln, geteilten Werte und historischen Denkmuster einer Wachstumsideologie. Denn in der Moderne und Postmoderne ist die Ideologieproduktion längst nicht mehr (allein) in der Hand hegemonial dominanter Gruppen, wie Gramsci es noch im Konzept der kulturellen Hegemonie formuliert hatte, sondern sie wird verstanden als eine diskursive Praktik, die sich quasi unterhalb unseres bewussten und intentionalen Handelns vollzieht und zugleich nur vermittels der eigenen Mitwirkung möglich ist. Diskurse sind sprachlich ausgedrückte soziale Praktiken und repräsentieren Kräfteverhältnisse sowie Machtbeziehungen. In diesem Sinne hat jeder von uns je nach sozialer Position und Kontext eingeschränkte oder erweiterte Handlungsmöglichkeiten. An diese kritische Tradition anschließend definiert Herkommer (1985, 130) Ideologie als systematisierten Alltagsverstand, der „auf verschiedenen, alltäglich reproduzierten Fiktionsweisen beruht“, zu denen auch Leitbilder gehören. Wirft man einen ideologiekritischen Blick auf die bisherigen Beispiele von Leitbildern in diesem Aufsatz, auf ihre Darstellungs-
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formen, ihre Entstehungsgeschichten und Formulierungen, so sticht v. a. ihre diskursive Gleichförmigkeit ins Auge, die auch in den verschiedenen empirischen Studien zu Leitbildern hervorgehoben wird. Offenkundig ist der eingeschränkte Ausdrucks- und Wirklichkeitsraum. Wiederkehrende Werte wie beispielsweise Kunden- und Leistungsorientierung und Ökologie machen die Organisationen oder Unternehmen, die sie formulieren, angesichts der Anforderungen von Markt und Wettbewerb quasi austauschbar. Die Normalitätsfolie des Aufbaus von Leitbildern belegt diese Tendenz der Vereinheitlichung. Wir stehen vor einem Paradox: Um die Identität und Einzigartigkeit der eigenen Organisation zum Ausdruck zu bringen, werden stark standardisierte Formen verwendet. Leitbilder in Organisationen unterliegen demselben Phänomen, das man beispielsweise auch in der Kleidermode beobachten kann. Der Versuch, sich über individuelle Kombinationsmöglichkeiten zu differenzieren, basiert auf Versatzstücken eines deutlich erkennbaren Mainstreams. Die Marktmechanismen höhlen eine ihrer zentralen Funktionen aus: sich abzusetzen, zu unterscheiden, eine unverwechselbare Identität zu schaffen sowie nach innen und außen darzustellen. In den ähnlich klingenden Leitbildern formuliert sich offenbar ein gesellschaftlich notwendig „falsches Bewusstsein“ bzw. Diskurs, indem mittels normativen Managements die Fiktion einer Identität der Organisation erzeugt wird, die sich gestalten und kontrollieren lasse. Am Beispiel: Während die wirtschaftliche Reproduktion des Shareholder-Kapitalismus global gesehen ihre eigenen Grundlagen zutiefst strapaziert, hat die Rede von der Ökologie Konjunktur. Die Aussagen dazu in den Leitbildern sind hinreichend abstrakt und dehnbar. Das REWELeitbild sagt einen Beitrag zur Zukunftssicherung zu, aber nicht welchen. Auch wie genau (und zu wessen Lasten und Gunsten) ökonomische, ökologische und soziale Aspekte in Einklang gebracht werden sollen, bleibt unbestimmt und wird nicht näher ausgeführt. Das Leitbild der diakonischen Einrichtung verbindet in der Entwurfsfassung wirtschaftliches und ökologisches Handeln mit der Konjunktion „und“, was auf das unaufgelöste Spannungsfeld verweist und noch keine Positionierung darstellt. In der Endfassung des damaligen Leitbilds hat dann das Thema Wirtschaftlichkeit den Schwerpunkt. Im Holstee Manifesto wird der Wert Ökologie nicht mehr erwähnt, er scheint bereits als verwirklichtes Basisprinzip in die Warenproduktion und -konsumtion eingegangen. Allerdings ist hier alles verdreht: Man muss kaufen und verbrauchen, um damit Kauf und Verbrauch vermeintlich zu reduzieren – ein Paradoxon. Die ideologischen Elemente ließen sich auch an beliebigen anderen Themenbeispielen erläutern. Allseits wird von respektvollem, vertrauensvollem, offenem und ehrlichem Umgang miteinander gesprochen, in dem Dialog, Augenhöhe und Teilhabe zählen (Variante des Holstee Manifesto: „We are united in our Differences“), während die Kaufkraft deutlich ausdifferenziert ist und sich die Konsumenten mit „feinen Unterschieden“ (Bourdieu) voneinander abgrenzen. Gleichheit und Respekt beziehen sich dabei stets und vornehmlich auf die eigene Bezugsgruppe, und symbolische Machtkämpfe definieren, wer dazu gehört und wer nicht. Welzer (2013) beschreibt die „ganze Rede vom strategischen – verantwortlichen, politischen, moralischen – Konsum“ als Ideologie; „sie entspricht ungefähr
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der Freiheit des Nilpferds im Zoo, sich lieber vom einen Wärter statt vom anderen füttern zu lassen“ (Welzer 2013, 78). Der Konsumbürger kann nur reagieren, nicht gestalten, und so ist auch strategischer moralischer Konsum nichts anderes als der Konsum von Moral. Aus ideologiekritischer Perspektive erscheint das Holstee Manifesto zunächst äußerst diesseitig, weltlich und subjektorientiert. Es beschwört die Selbstverwirklichung des Einzelnen im Hier und Jetzt und scheint sie in seinen Appellen zu unterstützen. Der eigenen Leidenschaft zu folgen erinnert an das Marx’sche Ideal, dass eine Gesellschaft so reich sein könnte, dass man morgens Fischer, mittags Jäger und abends Kritiker sein könnte, weil man nicht mehr seine Subsistenz sichern muss. Wenn Ideologie verschleierte Widersprüchlichkeit ist, so liegt die Crux darin, dass die individuelle Freiheit und Möglichkeit zur Umsetzung einer Aufforderung wie „If you don’t like your job, quit“ für die meisten Personen eine Illusion sein dürfte, und dasselbe gilt etwa auch für die Aufforderung, das zu tun, was man liebt. In der Leistungsgesellschaft gelingt dies nur Leistungsträgern mit aktuell benötigten Schlüsselkompetenzen, zu denen die Autoren des Leitbildes gehören dürften. Leben und Arbeiten sind ununterscheidbar geworden, Zweck (Leben) und Mittel (Arbeit) kaum entwirrbar verwoben. Und da die Nichtverwirklichung immanenter Teil von Leitbildern ist, werden quer über den Globus diejenigen angesprochen, welche in ihrem Lebensstil und Lebensgefühl eine Sehnsucht nach Leben als Selbstzweck teilen. So besehen dürfte der Erfolg des Manifests auf einer Sehnsucht nach autonomem Leben beruhen. Das Leitbild, das diese Sehnsucht transportiert, gleicht dabei einem Vexierbild – die ihm von den Lesenden zugeschriebenen Bedeutungen (als persönlicher Appell, als Marketing-Instrument, als Spiegel für gesellschaftliche Diskurse und sich darin manifestierende ideologische Motive) variieren, je nachdem, wie sehr es gelingt, kritische Distanz aufzubauen. Es dient zum einem dem Wunsch, sich daran erinnern zu wollen, dass es ein zweckfreies Dasein geben könnte. Man kann die Erinnerung an die Sehnsucht aber auch als Accessoire oder Postkarte erwerben, womit sie nur im Akt des Kaufens sich erfüllt und nicht gelebt wird, also unerfüllt bleibt. Das Holstee Manifesto verleiht dem Leben und Dasein beinahe religiöse Züge, eine bestimmte aktive, die Möglichkeiten ergreifende Haltung dem eigenen Leben gegenüber wird förmlich beschworen und kann vermeintlich käuflich erworben werden. Dies erinnert an ein klassisches Zitat von Marx/Engels (1988, 378), dass „(…) die Religion das Selbstbewußtsein und Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat“, formuliert. Produktion, Werbung, Privatleben, Bedürfnisbefriedigung und erzeugung und Konsum sind in den sozialen Medien, in denen sich das Holstee Manifesto so rasch verbreitet hat, bereits ununterscheidbar verschmolzen, und diese verwirrende Verbindung macht die Konsumierenden – so formuliert Welzer provokant – zur „Benutzeroberfläche von Unternehmensstrategien“. Während sie ihre Sehnsucht nach sinnvollem Dasein posten, „verwandeln sie sich in bloße Relaisstationen zwischen Herstellung und Entsorgung“ (Welzer 2013, 82), ohne sich zu fragen: „Wollte ich das jemals sein?“ Dieser Trend der Warenförmigkeit des Lebens selbst ist auch anderweitig zu beobachten,
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z. B. in der Werbung. Der schon ältere Ikea-Slogan „Wohnst du noch, oder lebst du schon?“ basiert auf demselben Prinzip. Wer die Produkte des schwedischen Möbelhauses erwirbt, kauft sich – frei übersetzt – scheinbar „Leben“, von dem nach einem 24/7-Arbeits- und Lebensstil nicht mehr viel übriggeblieben ist. Der Claim 2014 von Jaguar fragte: „How alive are you?“ Noch nie zuvor erreichten Menschen ein so hohes Lebensalter, und doch verfügen sie offenkundig in der eigenen Wahrnehmung über weniger Eigenzeit als jemals zuvor. Die tieferen Gründe, warum gerade das Leben „zurückgekauft“ werden muss, können hier nicht im Detail erläutert werden. Am besten lassen sie sich wohl mit Hartmut Rosas (2009, 2013, 2016) Analyse der spätmodernen Beschleunigungsgesellschaft und ihren Wettbewerbszwängen analysieren oder mit einer Ideologiekritik, wie sie von Han (2014) am Neoliberalismus formuliert wird. Durch die wechselseitige Beschleunigung von technischem und sozialem Wandel sowie des Lebenstempos entsteht eine unentrinnbare Welt- und Selbstentfremdung, in der man sich die eigene Lebenszeit nicht mehr anverwandeln kann. Es entsteht eine zunehmende Sehnsucht nach echten Resonanzbeziehungen zur Welt. Resonanz ist die sozialtheoretische Kategorie, mit der er den antwortenden Widerhall fasst, der als Relation zur Welt individuell gesucht wird. In dem Maße, in dem (Lebens-)Zeit nicht mehr zur eigenen Erfahrungszeit gemacht werden kann, tendieren die Konsumsubjekte dazu, „die misslingenden Aneignungsversuche durch eine Steigerung des Kaufverhaltens zu kompensieren“ (Rosa 2013, 144), doch die Sehnsucht nach echten Resonanzbeziehungen bleibt, da sich die Individuen einer kalten, nichtresponsiven Welt gegenübersehen, in der sie keine konstitutiven Bindungen eingehen können (vgl. Rosa 2009). Aus ideologiekritischer Perspektive sind Leitbilder also Ausdruck des Problems, das sie vorgeben zu lösen: der fehlenden und mühsam zu erringenden Kohärenz der Identitäten (von Unternehmen oder Individuen) und der Bemühungen um Autonomie, Freiheit und Gestaltungsspielräume. Würde man den in ihnen formulierten Normen unkritisch folgen, würde sich das Problem des fehlenden identitären Selbst-Bewusstseins und der mangelnden Autonomie darin direkt reproduzieren. Mag man auch nicht den kulturpessimistischen Gedanken Adornos (1967) in Gänze folgen, der jeglichem Anspruch auf ein Orientierung stiftendes Leitbild eine vollständige Absage erteilt hat, so ist gleichwohl beim Thema Leitbild eine ideologiekritische Distanz empfehlenswert. Leitbilder hätten (so Adorno 1967 in „Ohne Leitbild“ im Kontext von Ästhetik) einen „leisen militärischen Klang“, seien Verordnung und nicht verpflichtend, verschafften sich allenfalls Gehorsam. Er könne sie nur als Problem, nicht als Norm formulieren. Das Problem bestehe darin, dass sie Vergangenem nachjagten. Die substanzielle Einheit (von Leben und Geist), die sie beschwören, sei bereits zerfallen. „Schreit man nach ihnen, so sind sie bereits nicht mehr möglich; verkündigt man sie aus dem verzweifelten Wunsch, so werden sie zu blinden und heteronomen Mächten verhext, welche die Ohnmacht nur noch verstärken und insofern mit der totalitären Sinnesart übereinstimmen. In den Normen und Leitbildern, die fix und unverrückbar den Menschen zur Orientierung
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einer geistigen Produktion, deren innerstes Prinzip doch Freiheit ist, verhelfen sollen, spiegelt sich bloß die Schwäche ihres Ichs gegenüber Verhältnissen, über die sie nichts zu vermögen meinen, und die blinde Macht des nun einmal so Seienden. Die dem sogenannten Chaos von heute beschwörend einen Kosmos von Werten entgegenstrecken, bekunden nur, wie sehr dies Chaos bereits zum Gesetz ihres eigenen Handelns und ihrer Vorstellung geworden ist“ (Adorno 1967, 13 f.). Nur so können Leitbilder als standardisierte, in ihren grundlegenden Strukturen und Funktionen beschreibbare Ausdrucksformen ideologischer Diskurse dem kritischen Betrachter genau das offenbaren, was sie verbergen sollen: die eigene Gestaltungsfreiheit. Wenn man Leitbilder derart kritisch dechiffriert, können sie wieder einen Maßstab bilden. Im Zeitalter von Social Media und Global Governance müssen sich unter Bedingungen höherer Transparenz und Sichtbarkeit sowie unmittelbaren Feedbacks alle an den eigenen werteorientierten Aussagen messen lassen. Zum einen tritt also die Funktion von Leitbildern als öffentlichen Aussagen mit Selbstverpflichtungscharakter in den Vordergrund. Zum anderen können sie an die eigene Handlungsfähigkeit erinnern, die nur dem gegeben ist, der eine Vorstellung einer wünschbaren Zukunft hat (Welzer 2013). Diese tatsächlich gestalten zu wollen, ist eine in den Leitbildformulierungen zu entdeckende Dimension.
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Anna Linda Musacchio Adorisio
15. Language and Narratives in Organizations Abstract: The proliferation of studies on narrative and stories in organizational and management realm after the 1990s has been the result of regained sensitivity towards the role of language as expressed in the linguistic turn. If the linguistic turn has legitimized and brought attention to the potential for research that the constitutive role of language plays in managerial contexts a communicative reflection on the implications on the role and use of language and narratives has not yet been articulated. There are at least two aspects that intersect different classifications provided by narrative scholars in management and organizational realm, which enter in the heart of the problematic of the implications of a linguistic turn and a constitutive view of language in such contexts. On the one hand narratives have provided a powerful representational tool for managerial realities while the argument on the other hand has been that of studying narrative as a practice, as an action. In this chapter I will problematize the notion of narrative by introducing a “stories-inuse” perspective focused on the communicative use of stories in organizational contexts.
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The Linguistic Turn and Language as Constituent of Social Realities Narrative Inquiry in the Management Realm Functions of Organizational Storytelling Stories-in-Use Conclusion References
1 The Linguistic Turn and Language as Constituent of Social Realities There has been a proliferation of studies on narrative and stories in organizational and management realm after the seminal work of David Boje, Yannis Gabriel and Barbara Czarniawska in the early 1990s as a result of a regained sensitivity towards the role of language as expressed in the linguistic turn, which states that language is not only a tool to represent reality but rather a constituency of social realities. The 1990s marked a true “narrative turn” in the study of organizations as signalled by the number and influence of works produced (Boje 1991, 1995, 2001, 2008; Czarniawska 1997, 1998, 2004; Gabriel 1991, 2000) where the debate embraces narrative and stories both as a method and the phenomena of study. The interhttps://doi.org/10.1515/9783110296235-015
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est in the narrative dimension comes from the linguistic turn sensitivity whose foundational platform is inscribed in a variety of philosophical and social theory insights stemming from different experiences such as linguistic philosophy and the seminal work of Wittgenstein, hermeneutics and phenomenology, rather than from social constructionism. One of the major influences in narrative research lies in the shift from a view of communication and language as tools to represent reality to a view of language as a constituent of reality. Management and organizational studies were probably the last ones in the social sciences to be touched by what is known as “linguistic turn”. Such a shift has been discussed for the first time by Rorty in his The Linguistic Turn, Essays in Philosophical Method in 1967. Rorty (1967) was the one who actually coined the term “linguistic turn” to refer to the contribution of linguistic philosophy to the idea that philosophical problems can be solved either through language or through a better understanding of it. Different theoretical and cultural components have contributed to this turn: the analytical philosophy of language and hermeneutical philosophy along with the evolution of structuralist linguistics. The point of convergence is the idea of language “in action”, as an active constituent of reality. Different authors see the Philosophical Investigations of Wittgenstein as the starting point of this understanding. Wittgenstein’s work in this sense is pioneering as he put at the center of his lifelong research the role of language in relation to reality, reaching some of the most refined interpretations of the phenomena. In his Philosophical Investigations (1958) Wittgenstein argues that the meaning of words cannot be understood outside the particular context in which they are used: as in a game the move can be understood only in reference to previous moves and to the particular game played. In other words, meaning cannot be found in the word itself or in any pure activity of the mind. This is the major revolution of what is called the “linguistic turn”. The seminal contribution of Wittgenstein’s work stands in the conception that reality and language are not separated entities, as the meaning of our thoughts and expressions does not exist outside language itself. The interest in the linguistic turn for narrative research lies in the idea that language is in action, is situated in a context, where context though is not a nonambiguous entity that can easily lead to meaning, but is rather interpreted at every moment and every level. Taking a language in action perspective means to place emphasis on the way in which language help us think about our world (cognitive dimension) coordinate with others to get things done (social dimension) or share experience (experiential dimension). The famous example Bakhtin employs is that of the two people sitting silent in a room: “Then one of them says, ‘Well!’ The other does not respond.” (Bakhtin/ Volosinov 1976, 99); later on we apprehend that both interlocutors were looking at the window and since it was still snowing and it was May they are both disappointed by the late snowfall. All this is assumed in the simple word “Well!”.
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The utterance for Bakhtin is lively, is active, solves a situation, it does not merely reflect a situation; it is a situation that in return influences other situations and other utterances. Meaning can thus be caught only in an endless chain of signifiers and with reference to infinitive other communicative acts. Narratives in the same way are events that are related to reality or towards a representation of it, but also constitute a new reality. Paraphrasing Austin’s “How to do things with words” (1962) this chapter deals with ways we use narratives in organizations to do things, and how narratives not only are influenced by social context but contribute to shape the social context in which they are performed. Telling stories is part of our everyday life; people tell stories to other people in different social intercourses. The narrative inquiry community in organizational and management realm has studied stories and narratives in different forms. If some part of research is interested in generalizations of systematic cause-effect relations between abstract objects, narrative inquiry is an exploration into human ordinary interaction. It is a kind of research that tends to overcome the classical dichotomy between structure and agency typical of the European sociological tradition by rejecting the dogmatism of both societal determinacy and individual indeterminacy as explanatory paradigms. The sociological concept of practice whose articulation can be retraced to Bourdieu (1990) and Giddens (1984) can be fitting for the studying of the communicative use of stories, as studying organizational practices means studying organization at a contextual level rather than an objectified level. It implies the study of narrative as practices (Gherardi 2006) and language in action rather than a series of sentences waited to be coded or decoded.
2 Narrative Inquiry in the Management Realm Narrative inquiry in organizational and management research starts in the seventies with the two studies that are considered the first studies in narrative research in management: one is Clark’s study of three American colleges (1972) and the other is Mitroff/Kilmann (1975) on the importance of stories managers tell. In the first study Clark describes the organizational saga of each of the three colleges and argues that although they differ they hold the same function for self-management. Similarly, Mitroff/Kilmann argue already in their title that the stories managers tell are a new tool for organizational problem solving. Narrative research is thus quite a young research in the organizational studies but it has acquired nonetheless a status in the organizational sciences and has proved an extensive body of work (Boje 1991, 2001; Czarniawska 1997, 2004; Czarniawska/Gagliardi 2003; Gabriel 2004). It is not a unitary body of work as the levels of analysis and often the purposes of researches are quite diverse. For this
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reason, it is very difficult to give justice to the complex body of research produced in the last twenty years in the field. Following a distinction proposed by Barbara Czarniawska (Czarniawska 1997a) narrative has entered the organizational domain in at least three forms: the first is that of people telling stories within organizations; the second level is that of seeing organizational life and organizational phenomena as a form of narrative and the third level is that of organizational research itself as a form of narrative. In this chapter I will focus on the first level or the way in which narratives have been researched in organizational domain. The levels of analysis Czarniawska talks about of course are not mutually exclusive and stories collected at the first level cannot neglect influences for considerations on the other levels. Following Czarniawska’s notation, the first level is that of the researcher who collects stories in the forms of anecdotes, gossip, rumors, myths, etc. These stories can be spontaneously told or evoked during interviews by the researcher. In 1991, Boje published a seminal article on storytelling in organizations (Boje 1991) that was the result of a participant observation in a large office supply firm. Boje collected spontaneous storytelling in various “social scenes” which “included executive meetings held on- and off-site: in conference rooms, restaurants, sales training sessions, as well as conversations in hallways and automobiles” (Boje 1991, 110). His work is inscribed in the effort of giving justice to the relational storytelling practices always going on in organizations. Boje has studied stories has they happen in conversation drawing from the work of Harvey Sacks and has focused on the role of the listener as co-producer. As listeners, we are co-producers with the teller of the story performance. It is an embedded and fragmented process in which we fill in the blanks and gaps between the lines with our own experience in response to cues, like “You know the story!” Because of what is not said, and yet shared, the audible story is only a fraction of the connection between people in their co-production performance. We become even more of a co-producer when we begin to prompt the teller with cues, such as head nods, changes in posture, and utterances that direct the inquiry (i.e. “One version I heard ….”; “Then, what happened?”) and respond with our own data. The story can be conceptualized as a joint performance of teller(s) and hearer(s) in which often overlooked, very subtle utterances play an important role in the negotiation of meaning and co-production in a storytelling episode. (Boje 1991, 107)
As we can notice, this kind of inquiry is very close to the notation of narrative practice. Yannis Gabriel in the same year has collected spontaneous stories: “grassroots stories, generated spontaneously, and disseminated by the word of mouth” (Gabriel 1991, 872) in different work and military organizations. He found three organizational stories that “were part of the local core rather than official organizational cultures” (Gabriel 1991, 872). Gabriel argues that stories, gossip, myths and jokes may represent attempt to humanize the impersonal spaces of bureaucratic organizations, to mark them as human territory in a similar way to the vase of flowers or the family picture on the executive desk …
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many organizations, like the three which provided the context for these stories, are not generally pleasant places in which to live or work. They place severe restrictions on the individual’s rights and freedoms and allow little room for those aspects of the human soul which are not directly relevant to the organizational objectives (Gabriel 1991, 873).
Stories represent for Gabriel “symbolic means of coping with pain” as the three stories told in the organizational contexts studies “they did a lot to sooth, to console, to reconcile” (Gabriel 1991, 873). Focusing on narrative as a social practice leads the way to a reflection on the social implication of the telling. Whose stories and for whom the stories are told becomes a crucial aspect. In Boje’s article of 1995 the official and founding stories of Walt and the Magic Kingdom were paired with marginal or excluded stories of strikes, reprimands, and Tayloristic practices, showing us the distance that can occur between official and parallel stories performed in organizations. The very simple assumption is not only that we tell different stories to different audiences but also that by the way we tell stories we perform and enact a certain organizational reality. In 2004 Gabriel affirms: On the one had we have realized that there are official organizational stories, stories reproduced in organizational rituals, advertisements, websites, and official publications […] these may include narratives of great achievements, of missions successfully accomplished, of crises successfully overcome, of dedicated employees, effective managers and heroic leaders. In addition to such narratives, however, and often in direct opposition to them, we have become aware of a wide range of stories existing outside the managed terrains of organizations […] there are times where such stories build on organizational stories, develop them and qualify them. More often, however, such stories remain stubbornly indifferent to the official stories or alternatively explicitly challenge, ridicule or subvert organizational texts […] such stories express a wide range of emotions including anger, bitterness, pride, hope, nostalgia, fear, anxiety, shame, guilt, happiness and love and capture powerfully some of the diverse experiences of organizational members enabling them to make sense of these experiences, and even to endure them when they are hard or brutalizing. (Gabriel 2004, 3–4)
For Gabriel, “stories open valuable windows into the emotional, political and symbolic lives of organizations, offering researchers a powerful instrument for carrying out research” letting us “gain access to deeper organizational realities, closely linked to their members’ experiences” (Gabriel 2000, 2). Following a constitutive view of language, we can affirm that by telling stories organizational members enact the organizational reality in which they are immersed; through the study of those stories we get closer to their experience of that particular context and the way in which that context is interpreted. Studying storytelling practices allows us to engage with language and communication at a pragmatic level. In his influential work, Orr (1990, 1996) collected stories of copy machines technicians and finds out the crucial role of storytelling in problem solving. In his
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ethnographic study Orr noticed how for technicians of photocopy machines talk is a crucial element in their practices where diagnosis happens through a narrative process: by sharing stories of situations in which they have encountered similar problems they are able to solve the task at hand. As expressed by Brown and Duguid (1991, 43), Orr shows that in order to do their job the reps must – and do – learn to make better sense of the machines they work with than their employer either expects or allows. Thus they develop their understanding of the machine not in the training programs, but in the very conditions from which the programs separate them – the authentic activity of their daily work.
This is an example of stories-in-use, that is to say a study that focuses on the contexts in which stories are activated and the function that storytelling solves in that particular context and for the organizational members involved.
3 Functions of Organizational Storytelling Narrative inquiry in the management and organizational realm has focused on the sense-making and cognitive function that storytelling performs. As Boje claims: “In organizations, storytelling is the preferred sense making currency of human relationships among internal and external stakeholders” (Boje 1991, 106). In this section, I will discuss the functions of organizational storytelling and problematize their understanding. The point of departure is that a communicative use of stories encompasses the social and experiential aspect together with the cognitive one. Jakobson (1961) has distinguished six functions of language, referential, emotive, conative, phatic, metalingual and poetic. The referential function deals with the content of what is being said and translating it into narrative terms it could be the content of the story, the facts to which we are alluding to when telling a story. The emotive function, or expressive function, deals with the expressions of emotions and brings us closer to the speaker experience, while the conative function deals with addressee and engagement as in vocatives and imperatives. The phatic function focuses on the contact, while the metalingual on the code and the poetic on the message. Organizational storytelling comprises all these functions and as Eco (1976) affirmed, obviously all six functions can coexist in a single message; in the greater part of everyday language (as well as in aesthetic messages) they are constantly interrelating and overlapping. (Eco 1976, 262)
For this reason, I will not try to translate Jakobson’s model into narrative understanding but rather use Jakobson and other insights stemming from the linguistic
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debate such as speech act theory (Austin 1962; Searle 1977) to broaden our understanding of narrative practices in organizations. Such practices are very varied and embrace different forms of communications involving employees, customers, shareholders and community at large. For example, we find a referential function in storytelling when we deal with the content of what is narrated, as storytelling is a way of sharing the knowledge of certain events. Social functions include normative when narrative can become a controlling device or a social integration driver. In this case, norms are not expressed in an abstract way but rather embedded in specific pragmatic examples. Rumors and gossip can also serve this function. Another functional area is that of the identity function which has to do with the identity of the people involved in narration, in this case to share a story is to “express, to construct, to confirm or to look for, through relation, the recognition of identity” (Jedlowski 2000, 162). Identity can be that of the teller or that of the listener as well, as identity is always in relation and to share a story is to construct the existence of a ‘we’ (Jedlowski 2000, 163). Communitarian function is particularly interesting in organizations as by sharing stories organizational members create a community, and also their sense of the past. Referential, communitarian, identitarian, normative functions when isolated do not give justice to the complexity of organizational storytelling. For this reason, I will propose the notation of stories-in-use as a way to understand stories in their contexts and for the communicative use they perform. It is a way of doing research that treats communication practices as everyday life activity and I will provide some examples in the next section.
4 Stories-in-Use In this section, I will analyze material coming from different studies I have been carrying out in different banking contexts. In particular, I will discuss material coming from two research projects carried out respectively in 2006–2009 and 2010– 2011. The first one deals with a community bank in New Mexico which has undergone two acquisitions, one in the end of the 1980s and one in the 2000s, becoming part of a big financial group; the second one deals with the greenfield operation of a Nordic Bank that has expanded its operations in the UK. In all of the research projects long semi-structured narrative interviews were carried out with members of the studied organization. Such material was compared with collectively produced material in the form of books, brochures, journal articles, but also in the form of observations.
4.1 The coffee shop The “coffee shop” refers to a narrative practice that emerged during an interview with a senior community banker in New Mexico:
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I will tell you, one of the traditions that had evolved was that before the bank opened and after we would review the rejected checks, after we finished that, we would go to the coffee shop and there was a lot of just general conversation we talked about things happening in the community, things that were happening in sports and happening in politics but you always ended up to some extends to things that were affecting the bank and that is not to say that we did not have more structured formalized management meetings, but a lot of the conversations, in the coffee shop had to do with banking and a lot of ideas evolved there, decisions that didn’t require a lot of analysis so you made there those decisions, a pretty informal process.
There are different functions that such practice performs, we can say that community bankers going to the coffee shop exchange stories of events happening in the community, in politics, in sports and by telling those stories they create a sense of belonging, but those stories also provide a common ground and a stage in which they make informal decisions. There is a communitarian function involved in this practice, by telling stories bankers create their community, a common sense, a common way of interpreting events. By looking at a different account on the coffee shop such as the one provided below, we get to a different level of interpretation: See my background has been with the Federal Land bank and it was highly structured and the applications were very detailed and comprehensive and we had policies for everything so […] to be honest I was never totally comfortable with the informal management decision making process but there was more than one time that I felt like we may be wasting time during those sessions at the coffee shop and I had more important things to do so I quit coming, well when I quit coming I found that I was going out of the loop so quickly […] so I started to go back to the coffee shop ((laughs)) […]
Through this excerpt we get closer to the stories-in-use perspective where the investigation deals with the implications of such communicative acts, the stories at the coffee shop can assume the form of normative prescriptions, when members of the organization feel that they disagree or simply don’t find sense in what is being said or told. The complexity of the stories-in-use perspective stands in the possibilities offered by the context, where interpretation is never univocal. In the context presented the communicative use of stories can be ascribed to different levels, there is a level of sharing stories for their content, that is to say a referential function of stories, a phatic level in which the community bankers seek contact through stories, a communitarian function of sharing to create a common sense of belonging and in the story of the banker who quits going to the coffee shop we descry a normative aspect and identitarian aspect dealing with autonomy and control.
4.2 Frank The “Frank” story is a story that was told to me by one of the community banker in New Mexico, there are numerous stories on Frank, who was the man who had changed the bank, president and CEO for a number of years and the charismatic
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leader of the bank. Stories of Frank are activated in different organizational moments; in this case, the story of Frank is performed during a meeting, years after Frank’s death, when the bank is deciding on personnel: And when we were at meeting for a specific individual that has been working for the bank for some period of time and Frank Papen said “no, that person has been with us for a long time, we would keep that person […]”
The interviewee recounts a meeting in which Frank said “no, we would keep that person”. In a moment of decision, the banker recounts what would Frank do in a similar situation. We can say that the referential function that this story performs, the content of the story, goes hand in hand with a conative function, where the emphasis is on the addressee and on the reaction that this story should provoke in the addressee. There is an allusion to a normative order that can be understood through the following excerpt recounted by another banker: But over the years it became really obvious that our personnel costs were too high and it was having an adverse effect on profitability but the employees were members of Frank’s family […]
In this account, the normative order is visible through the contrast with profitability that the telling of that story brings about, there is also an identitarian dimension, in this case the identity of the teller, in contrast to the identity of Frank and with what is taken for granted in the bank. This example is another example of a social dimension of storytelling, where identitarian and normative functions coexist.
4.3 The book The narrative practice that I will present in this section deals with the interplay of textuality and orality. It has been collected during a project dealing with the greenfield operation of a Nordic Bank that has expanded its operations in the UK. The narrative practice refers to a book, a booklet in which the values of the bank are presented, the book is full of stories and anecdotes and represents a sort of organizational culture statement of the bank. Again the interesting element for my analysis is not the content of the book but how the book is used. As told by one of the senior managers in the bank: Every employee gets a personal copy, you can see my name on it, this describes our way of working, it describes the bank, our goals, our ideas.
The book circulates in the bank and it is discussed and brought to life in different organizational moments, as expressed by the head of the UK operations: We do encourage to question things and to debate and talk about concrete issues, custom situations, you want to develop a new product […] I would have discussion where I would
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invite groups of branch managers maybe five or six at the time and we would spend an evening discussing every single chapter, from a business point of view, to make it not a theoretical exercise but a practical exercise, how does this apply to this business situation or that business situation[…]and I would write a monthly letter to the employees where I would take up topics from that and stories that I would encounter […]
Storytelling seems to be part of this specific culture, where the anecdotes and stories become a way of defining who they are and how they do business and why that is different than other business models. The culture is implemented in a different context such as that of the greenfield operation through telling stories and sharing stories activated by the book. There is a strong identitarian and normative function at play and a performative aspect related to the interplay between the textuality of the book and the orality of the stories shared.
5 Conclusion In this chapter, I have offered a pragmatic perspective on storytelling where narrative practices are analyzed for their performative dimension rather than their representational dimension. In this endeavor, I have revised the work of organizational and management scholars who have been interested in stories and narrative and incorporated insights stemming from the philosophy of language perspective. The idea is embedded in a shift from the study of narrative as a way to access organizational phenomena to the possibility of studying narrative practices for their role and use in organizational contexts. In a stories-in-use perspective, such as the one presented in this chapter, the interest lies in the idea that narrative practices are situated in a context, which is continuously interpreted by the organizational members and where narrative provides acts of incisions in the possibilities of fixating meaning. Stories are thus studied for their communicative use and for the function they perform in organizational contexts.
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IV Forschungsrichtungen
Frank Oberzaucher
16. Konversationsanalyse und Studies of Work Abstract: Die Konversationsanalyse und die Studies of Work sind zwei aus dem ethnomethodologischen Forschungsprogramm hervorgegangene Ansätze. Gemäß ihrer theoretischen Wurzeln zielen sie darauf ab, die „gelebte Geordnetheit“ (Garfinkel) eines Interaktionsgeschehens (Konversationsanalyse) und das „verkörperte Wissen“ von Akteuren in realen Arbeitsprozessen (Studies of Work) zu untersuchen. Die konzeptionelle Ausrichtung der Studies of Work setzt ein methodisches Vorgehen voraus, mit dem es gelingt, sowohl den Vollzug von realen Arbeitsabläufen technisch zu registrieren als auch sich das zur Interpretation der verkörperten Praktiken erforderliche Teilnehmer- und Orientierungswissen auf ethnografischem Wege anzueignen. Das Vorgehen in der Konversationsanalyse ist im Vergleich dazu etwas enger gefasst und es werden im Normalfall ausschließlich technische Originalaufzeichnungen in Form von Audio- und/oder Videoaufzeichnungen von sozialen Ereignissen als Grundlage für die Analyse herangezogen. Eine ethnomethodologisch informierte Organisationsforschung orientiert sich üblicherweise an den methodologischen Prinzipien der qualitativen Sozialforschung.
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Theoretischer Hintergrund und methodologische Grundlagen Zentrale Konzepte, Methoden und analytische Maximen Hauptwerke Impulse für die Organisationsforschung Literatur
1 Theoretischer Hintergrund und methodologische Grundlagen Die Konversationsanalyse ist neben den Studies of Work eine Weiterentwicklung der Ethnomethodologie (vgl. Lynch 1993, 22 ff.). Die Ethnomethodologie geht zurück auf den amerikanischen Soziologen Harold Garfinkel (1967). Ihm ging es um die Methoden und Verfahren, derer sich die Mitglieder einer Gesellschaft ganz selbstverständlich bei der Abwicklung ihrer alltäglichen Angelegenheiten zur sinnhaften Strukturierung der Welt bedienen. (Bergmann 1988/I, 22)
Die Vorsilbe „Ethno“ steht im Sinne Garfinkels für alltagspraktische Verfahren im Gegensatz zu den von Wissenschaften hervorgebrachten Methoden. Sein besonderes Augenmerk galt den Mitgliedern einer Gesellschaft bei der Durchführung alltäghttps://doi.org/10.1515/9783110296235-016
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licher Aktivitäten und was sie dabei denken, wissen und tun. Mit „(Ethno-)Methodologie“ ist in diesem Zusammenhang die im alltäglichen Handeln gegenwärtig ablaufende soziale Wirklichkeitserzeugung und die damit einhergehende Methodizität gemeint, auf die sich Handelnde in ihrem Handeln beziehen und durch die sie soziale Ereignisse erzeugen und hervorbringen. Ethnomethodologische Studien verfolgen demnach das Ziel, die Frage nach dem „Wie“ zu stellen, und versuchen zu beschreiben, wie der Ablauf eines Geschehens von den Handelnden hervorgebracht wurde. Das theoretische Bezugsfeld der Ethnomethodologie setzt sich zusammen aus den Arbeiten und Denkansätzen des aus Österreich stammenden und kurz vor Ausbruch des Krieges über Frankreich in das amerikanische Exil geflüchteten Juristen, Philosophen und Soziologen Alfred Schütz sowie des amerikanischen Soziologen Talcott Parsons. Im Mittelpunkt steht dabei die Vereinigung des normativen Ordnungsproblems Parsons mit der Lösung des Intersubjektivitätsproblems von Schütz. Der Ausgangspunkt bei Schütz ist die Fragestellung, auf welche Weise der subjektive Sinn von Handlungen von Handelnden selbst erzeugt und erfahren wird. Bei Parsons hingegen standen u. a. das Problem der sozialen Ordnung und dessen (vermeintliche) Lösung durch gemeinsam geteilte moralische Standards im Mittelpunkt (vgl. Schütz/Parsons 1977). Mit Parsons betrachtet Garfinkel einerseits die Welt des alltäglichen Handelns als moralisch geordnetes Universum, andererseits folgt er mit Schütz der Analyse von Voraussetzungen zur Erzeugung und Hervorbringung übereinstimmender Deutungen in der Alltagswelt (vgl. Schneider 2002, 14) und interessiert sich für die alltägliche Sinnkonstitution sozialen Handelns. Garfinkel, der Assistent bei Parsons war, kritisierte dessen normative Setzung und Antwort auf die Frage, wie soziale Ordnung möglich ist, indem er diese als unzureichend beantwortet bloßstellte. Er kritisierte an Parsons, dass die Existenz sozialer Ordnung, gewährleistet durch Sozialisation, nicht durch die alleinige Annahme gemeinsam geteilter kultureller Normen und Werte überzeugend erklärt werden kann (vgl. Bergmann 1988/I, 20). Für ihn mussten die Regeln und Normen in das aktuelle Interaktionsgeschehen hinein vermittelt werden, sodass Sinngebung nichts Privates mehr war, sondern von Beginn an ein öffentliches und soziales Geschehen. Soziale Wirklichkeit, verstanden als eine Wirklichkeit im Vollzug oder im Prozess, entsteht nur durch die zwischen den Handelnden ablaufenden Interaktionen. Gemäß diesem Merkmal konnte Garfinkel das Ziel formulieren, nach der Methodologie zu suchen, die die Handelnden dabei einsetzen. Inspiriert durch Schütz und gleichzeitig im Unterschied zu ihm legte Garfinkel (1967, 35 ff.) in seinen „breaching experiments“ die ‚Bruchstellen‘ des Sozialen in der Alltagswelt frei. Sein Interesse galt den Fragen, wie Menschen ihren Alltag sinnhaft organisieren, wie der Common Sense (vgl. Schütz 1971) funktioniert, auf dessen Grundlage soziales Handeln erst möglich wird. Wie verstehen wir Aussagen anderer, ohne dass sie vollständig explizit gemacht werden müssen? Wie ist unsere
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„natürliche Einstellung“, d. h. unsere von ungesagten Selbstverständlichkeiten geprägte Normalitätserwartung gestaltet? Schütz stand ebenfalls Pate für Garfinkels Konzeption der „Basisregeln“ und interpretativen Prozeduren der interaktiven Herstellung von sozialer Ordnung (vgl. Garfinkel 1963, 210 ff.). Dazu gehören zum Beispiel die wechselseitige Unterstellung der Rationalität des Denkens und Handelns eines Gegenübers, das Vertrauen in die korrekten Interpretationsleistungen des Gegenübers, die Idealisierungen des „ich kann immer wieder“ und des „und so weiter“ sowie die Generalthese der „Reziprozität der Perspektiven“, das einstweilige Durchgehenlassen von Unklarheiten („let it pass“) und nicht zuletzt die die Sprache generell kennzeichnende Vagheit aufgrund der indexikalen Äußerungen.
1.1 Ethnomethodologische Konversationsanalyse Die ethnomethodologische Konversationsanalyse wurde Mitte der 1960er Jahre von einer Gruppe junger Soziologen ins Leben gerufen und wird mit Namen wie Harvey Sacks, Gail Jefferson und Emanuel Schegloff verbunden. Sie waren Studenten von Harold Garfinkel und Erving Goffman und wurden von ihnen intellektuell in unterschiedlicher Weise beeinflusst (vgl. Bergmann 1988/II, 2). Der Untersuchungsgegenstand der Konversationsanalyse sind sprachliche bzw. nicht-sprachliche Interaktionen. Sie zeichnet sich durch ihren radikalen empirischen Anspruch aus, da ausschließlich authentisches („natürliches“) Datenmaterial als Grundlage der Analyse herangezogen wird und die Daten als technische Originalaufzeichnungen, z. B. in Form von Tonband- und Videomitschnitten von sozialen Ereignissen, vorliegen müssen. Silverman (2007, 201) unterscheidet zwischen „researcher provoked data“ und „natuarally occuring talk“ bzw. „data“ hinsichtlich des Zugriffs auf die soziale Wirklichkeit. Die ausschließliche Verwendung authentischer Daten ist auf das spezifische Wirklichkeitsverständnis der Ethnomethodologie zurückzuführen, wonach die Herstellung sozialer Ordnung immer erst im Vollzug der sprachlichen Handlungen durch die Beteiligten selbst erfolgt. Daher ist es erforderlich, diesen Hervorbringungsprozess auch in seiner ungeschönten Form technisch registrierend zu „konservieren“. Zur Unterscheidung der Konservierungsmodi in der qualitativen Sozialforschung (registrierende und rekonstruierende Verfahren) und den methodologisch weitreichenden Konsequenzen für die Konversationsanalyse im Hinblick auf die Analysepraxis siehe Bergmann (2007). Demnach ist das Ziel der Konversationsanalyse, die konstitutiven Prinzipien und Mechanismen zu bestimmen, mittels deren die Handelnden im situativen Vollzug des Handelns und in wechselseitiger Abstimmung mit ihren Handlungspartnern die sinnhafte Strukturierung und Ordnung eines ablaufenden Geschehens und der Aktivitäten, die dieses Geschehen ausmachen, erzeugen. (Bergmann 2000, 525)
Zu den klassischen Untersuchungsfeldern der Konversationsanalyse zählen üblicherweise die Ablauforganisation der sprachlichen Interaktion und die Prinzipien
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des Sprecherwechsels (vgl. Sacks/Schegloff/Jefferson 1974), Formen der sequenziellen Organisation (vgl. Sacks/Schegloff 1979, 1973), das Wechselspiel von Verständigungssicherung und Reparaturen in Gesprächen (vgl. Schegloff/Jefferson/Sacks 1977; Egbert 2009), kommunikative Großformen, wie das Erzählen von Geschichten in Gesprächen (vgl. Sacks 1992, 17 ff.) oder Bergmanns Studie über Klatsch (1987), sowie Arbeiten zur Eröffnung und Beendigung von Gesprächen (vgl. exemplarisch dazu Schegloff 1968; Button 1990). Das Interesse der Konversationsanalyse gilt auch der Frage, wie in natürlichen Gesprächen und Texten Kategorien und Kategorisierungen eingesetzt und verstanden werden. Ein Analyseverfahren zur Herausarbeitung dessen ist die Kategorisierungsanalyse („Membership categorization analysis“). Neben dem Inhalt der Kategorien interessieren hier die ihnen zugrundeliegenden methodischen Prozeduren, durch welche sie eingesetzt und verstanden werden (vgl. Jayyusi 1984; Widdicombe 1998). Obwohl sich die Konversationsanalyse in ihren Anfängen vorwiegend mit der Analyse von Alltagsgesprächen (Telefongesprächen) beschäftigte, darf dabei ihr beständiges Interesse an Untersuchungen im Bereich institutioneller Kommunikation („Institutional talk“) keinesfalls übersehen werden (vgl. Drew/Heritage 1992). Die Bezeichnung „Institutional talk“ wird für gewöhnlich für Interaktionen verwendet, deren Beteiligte (mindestens eine/r) in einen Arbeits- oder Aufgabenvollzug und daran gebundene kontextrelevante Identitäten eingebettet sind. Diese Interaktionen unterscheiden sich durch bestimmte Einschränkungen von Alltagsgesprächen und sind gekennzeichnet durch den für institutionelle Gespräche spezifischen Charakter der Möglichkeiten der Bedeutungszuschreibung und des Schlussfolgerns (vgl. Drew/Heritage 1992; Heritage 1997, 25).
1.2 Ethnomethodological Studies of Work Garfinkel zufolge ist die Entstehung der Studies of Work zurückzuführen auf die Beobachtung eines seiner wichtigsten Schüler: Ethnomethodological studies of work began in 1972 with Harvey Sacks’s observation that the local production of social order existed as an orderliness of conversational practices upon whose existence all previous studies depended, but missed. (Garfinkel 1986, vii)
Damit wird die Nähe zur Konversationsanalyse deutlich und gleichzeitig das ethnomethodologische Studien kennzeichnende Erkenntnisinteresse erkennbar, welches darauf abzielt, die lokale Produktion von sozialer Ordnung (auch) in unterschiedlichen Praxisfeldern und Arbeitskontexten zu untersuchen. Im Zentrum der Analyse steht das praktische Tun in Arbeitsprozessen. Arbeitsvorgänge werden aus dieser Perspektive in ihrer praxeologischen Wendung methodisch fassbar, ihre Spezifität und situative Logik kann so identifiziert und analysiert werden. Kurzum geht es diesem Ansatz um das „Wie-es-gemacht-wird“ im Vollzug, er zielt darauf ab, die
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einer arbeitsbezogenen Tätigkeit zugrundeliegenden spezifischen praktischen Kompetenzen zu beschreiben (vgl. Bergmann 2005). Ganz entscheidend für die Entwicklung der Studies of Work waren Untersuchungen, die die konkrete Arbeit von Wissenschaftlern zum Gegenstand hatten (vgl. Lynch/Livingston/Garfinkel 1985). Bekannt wurden diese unter der Bezeichnung „laboratory studies“ (exemplarisch dazu Knorr-Cetina 1984 und Lynch 1985). Zum Einfluss der Studies of Work auf die Techniksoziologie und den Untersuchungen zur Mensch-Maschinen-Interaktion (HCI) sowie zum Computer Supported Cooperative Work (CSCW) sei auf den Beitrag über Workplace Studies von Dirk vom Lehn (i. d. B.) hingewiesen. Sie sind mit den Studies of Work eng verwandt und versuchen herauszufinden, wie aus sozial- und computerwissenschaftlichen Perspektiven situative professionelle Arbeitspraktiken mit insbesondere neuen Informationstechnologien zusammenwirken und verschränkt sind (vgl. Knoblauch/ Heath 1999; Heath/Button 2002). Weitere Untersuchungsfelder der Studies of Work sind u. a. Krankenhäuser (vgl. Garfinkel 1967; Sudnow 1967), Gerichte (Wolff/Müller 1997), Rechtssysteme (Scheffer/Kozin/Hannken-Illjes 2010), Schulen (Breidenstein 2009) oder auch Arbeitskontexte, die auf den ersten Blick etwas merkwürdig erscheinen mögen, wie das Führen eines mathematischen Beweises (Livingston 1987), das Pianospielen im Rahmen professioneller Jazzimprovisation (Sudnow 1978), das Fahren eines Sattelschleppers oder die Vermittlung einer Kampfsportart in einem Kung-Fu-Studio (vgl. Garfinkel 1986). Nach Bergmann zeichnen sich die Studies of Work aus durch das Bemühen, über die genaue Erfassung, Beschreibung und Analyse von realen Arbeitsvollzügen die situativen verkörperten Praktiken zu bestimmen, in denen sich die für diese Arbeit spezifischen Kenntnisse und Fertigkeiten materialisieren. Damit rücken Arbeitstätigkeiten in ihrer gegenständlichen, zeitlichen und sozialen Organisation ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Kennzeichnend für die „Studies of Work“ ist insbesondere, dass sie ihren Untersuchungen nicht normative oder idealisierte Versionen von Arbeit zugrundelegen, sondern sich ganz auf reale Arbeitsabläufe in ihrem materialen Detailreichtum konzentrieren. Gegenstand der „Studies of Work“ ist das verkörperte Wissen, das sich in der selbstverständlichen Beherrschung kunstfertiger Praktiken materialisiert und das für die erfolgreiche Ausführung einer bestimmten Arbeit konstitutiv ist. (Bergmann 2005, 639)
Diese konzeptionelle Ausrichtung setzt ein methodisches Vorgehen voraus, mittels dessen es gelingt, sowohl den Vollzug von realen Arbeitsabläufen technisch zu registrieren als auch sich das zur Interpretation der verkörperten Praktiken erforderliche Teilnehmer- und Orientierungswissen auf ethnografischem Wege anzueignen. Innerhalb des interpretativen Paradigmas sind für diesen Ansatz neben der Ethnomethodologie und die für ihren Blick auf feingliedrige Strukturelemente der Interaktion bekannte Konversationsanalyse auch die im Stellenwert gestiegene Text- und Dokumentenanalyse (vgl. Wolff 2000; Drew 2006) sowie die Prämissen und Arbeitsweisen der Ethnografie von entscheidender Bedeutung (vgl. Button/
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Sharrock 2009). Ein arbeitsethnografischer Zugang ermöglicht die Art und Weise zu untersuchen, wie ‚Arbeit‘ von den Akteuren selbst vollzogen wird („Looking at work from inside–from the point of view of those who do it“, dies., 26). Die Ethnografie unterstützt den Blick auf reale Arbeitsabläufe mit all ihren sozialen Erscheinungsformen und materialen Ausprägungen. Die dabei generierten Daten sind (häufig) dementsprechend heterogen zusammengesetzt und bestehen aus Protokollen, Audio- und/oder visuellen Aufzeichnungen, möglichst vorlagentreuen Transkripten, Skizzen, Fotografien und Dokumenten des Feldes etc. Im Unterschied zur Konversationsanalyse (in institutionellen Kontexten/Institutional talk) geben sich die Studies of Work nicht mit der alleinigen Analyse von sprachlichen und nicht-sprachlichen Vorgängen in Arbeitkontexten zufrieden. Sie erweitern vielmehr ihren Erkenntnisgegenstand um die Verkörperung der sozialen Praktiken („embodied practices“), und somit sind Sinn und Wirklichkeitscharakter sozialer Objekte […] nicht mehr das Erzeugnis von (isolierbaren) Darstellungspraktiken, vielmehr werden Objekt und Darstellung als eine Einheit, als ein in der Ausführung sinnlich-körperlicher Tätigkeiten sich realisierendes Ganzes verstanden. (Bergmann 2005, 642)
2 Zentrale Konzepte, Methoden und analytische Maximen Der für die Ethnomethodologie charakteristische Hervorbringungsprozess von sozialer Wirklichkeit wird von Garfinkel verstanden als eine Vollzugswirklichkeit, d. h. als eine Wirklichkeit, die lokal (also: vor Ort, im Ablauf des Handelns) [und] endogen (also: durch Hören und Sprechen, durch Wahrnehmen und Agieren) in der Interaktion der Beteiligten erzeugt wird. (Bergmann 1981, 12)
Demzufolge besteht gesellschaftliche Wirklichkeit nicht aus vorgegebenen „objektiven Sachverhalten“, sondern wird vielmehr im Vollzug einzelner (sprachlicher) Handlungen von den Menschen hervorgebracht oder erzeugt („accomplishment“). Um nun den Sinn dieser Handlungen auch „verstehbar“ zu machen, muss dieser „mittransportiert“ werden, d. h. die Wirklichkeitserzeugung erfolgt sinnvermittelt. In diesem Zusammenhang stehen drei Grundbegriffe im Vordergrund: „accountability“, „reflexivity“ und „indexicality“. Garfinkel definiert seinen Ansatz: Ethnomethodological studies analyze everyday activities as members’ methods for making those same activities visiblyrational-and-reportable-for-all-practical-purposes, i.e., ‚accountable‘, as organizations of commonplace everday activities. (Garfinkel 1967, vii)
„Accountable/account“ (im Dt. „praktische Erklärung“, vgl. Bergmann 1988/I, 46) wird dabei häufig gleichgesetzt mit „observable-and-reportable“ oder „observable-
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reportable“ (vgl. Lynch 1993, 14) und meint vereinfacht ausgedrückt „ich tue etwas und dies wird zugleich auch für den Anderen beobachtbar“. Das Account-Konzept besagt, dass jene gesetzten Akte, die Akteure zur Bewältigung bestimmter Alltagsangelegenheiten anwenden, identisch sind mit den Verfahren mittels derer diese Alltagsangelegenheiten erst beschreibbar, erkennbar, also „accountable“ gemacht werden. Der Identitätscharakter, dass also die Handlungen identisch sind mit den Methoden der Beteiligten, mit denen diese Handlungen auch „verstehbar“ gemacht werden, zeigt die enge Verwobenheit des Begriffs „Reflexivität“ mit dem Account-Konzept: „Reflexivity is implicated in the phenomenon of accountability“ (Lynch 1993, 16, Hervorh. im Original). Garfinkels Devise lautet hierzu: Their central recommendation is that the acticities whereby members produce and manage settings of organized everyday affairs are identical with members’ procedures for making those settings ‚account-able‘. The ‚reflexive‘ or ‚incarnate‘ character of accounting practices and accounts makes up the crux of that recommendation. (Garfinkel 1967, 1)
Die Identität zwischen Handlungsrealisierung und praktischer Handlungsbeschreibung verweist somit auf einen spezifischen Reflexivitätsbegriff, der als Moment der Selbstbezüglichkeit und als Kennzeichen (empirisch beobachtbarer) praktischer Handlungsvollzüge zu verstehen ist (vgl. Bergmann 2006, 23). Ein weiteres zentrales Ordnungselement von Kommunikation kennzeichnet der Begriff der „Indexikalität“. Dieser geht ursprünglich auf einen gleichnamigen Aufsatz von Bar-Hillel (1954) zurück, der sich aus einer sprachphilosophischen Perspektive mit „indexical expressions“ beschäftigt hat. Neben der Identifizierung von deiktischen Elementen ist die These Garfinkels zentral, wonach menschliche Äußerungen – und damit die Sinnproduktion und Sinnvermittlung in der kommunikativen Alltagspraxis – ihrem Wesen nach immer auf den Kontext ihrer Produktion bezogen sind. Garfinkel geht also von der Beobachtung aus, dass jede Äußerung in einem bestimmten Kontext realisiert und vor dem Hintergrund dieses Kontexts verstehbar wird (Garfinkel/Sacks 1970, 348 f.). Situationsabhängige Referenzmittel der Zeit (jetzt, dann), des Ortes (hier, dort) usw. haben also kein unmittelbares empirisches Substrat, sie sind m. a. W. inhaltsleer und erhalten ihre je spezifische inhaltliche Füllung allein im Kontext und im Augenblick ihrer Anwendung, wo sie auf bestimmte Objekte lediglich hinweisen oder zeigen, diese jedoch nicht (wie etwa Eigennamen) identifizieren. (Bergmann 1988/I, 35)
Die grundsätzliche Inhaltsleere der Referenzmittel hat jedoch die Konsequenz einer ständig mitlaufenden wechselseitigen Unsicherheit darüber, was das Gegenüber gerade tut und meint. Den Zusammenhang von wesensmäßiger Vagheit und Alltagskommunikation und was passiert, wenn die Vagheit gezielt entzogen wird, sowie die konstitutive Bedeutung von Vertrauen und interpretativen Prozeduren hat Garfinkel (1967, 35 ff.) in seinen „breaching experiments“ gezeigt.
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Eine Radikalisierung erfährt das Prinzip der Kontextbezogenheit und die Situierung der Praktiken in den Studies of Work. Anstatt von Indexikalität spricht Garfinkel von der „haecceitas“ des Sozialen (vgl. Bergmann 2011, 230) und rückt so die lokale Einzigartigkeit des Sozialen in den Vordergrund, d. h. dass alles Soziale immer nur als etwas Singuläres, Individuelles und Besonderes existiert. Abschließend sei noch auf einen Terminus der Ethnomethodologie hingewiesen, der die Verlockung des Sozialforschers, Werturteile über die soziale Praxis der Untersuchungsteilnehmer abzugeben, aufgreift – ein Aspekt, der häufig bei Untersuchungen in institutionellen Kontexten auftritt, nicht zuletzt aufgrund des von Vertretern des Forschungsfeldes berechtigterweise gehegten Wunsches nach einem Erkenntnisrückfluss mit klaren Handlungsempfehlungen, beispielsweise im Bereich der Arzt-Patienten-Kommunikation. Ethnomethodologische Studien sind üblicherweise gekennzeichnet durch den von Garfinkel formulierten Grundsatz der Indifferenz. Ethnomethodological studies of formal structures … [seek] to describe members’ accounts of formal structures wherever and by whomever they are done, while abstaining from all judgements of their adequacy, value, importance, necessity, practicality, success, or consequentiality. We refer to this procedural policy as ‚ethnomethodological indifference‘ (Garfinkel/Sacks 1970, 345 f.; zit. n. Lynch 1993, 142).
Der Forscher hat demzufolge eine indifferente Haltung gegenüber den praktischen Fragen und Interessen des Feldes einzunehmen, gleichzeitig impliziert dieser Grundsatz die Achtung der Kunstfertigkeit der Akteure bei ihrer Hervorbringung von sozialer Wirklichkeit. Die Aufgabe des Forschers liegt also gerade nicht darin, Urteile und Empfehlungen über die beobachteten Praktiken der Akteure zu fällen.
2.1 Analytische Mentalität und methodisches Vorgehen Ethnomethodologisch informierte Forscher sind nur widerstrebend bereit, das konkrete methodische Vorgehen zu kanonisieren und didaktisch aufbereitete Regeln zu formulieren. Die Gründe dafür sind in der die Ethnomethodologie kennzeichnenden Untersuchungshaltung zu suchen. Für Ethnomethodologen sind die analytischen Verfahren und Entdeckungsschritte untrennbar mit dem Phänomen verbunden, das es zu identifizieren gilt, und zwar in dem Maße, in dem sie selbst ihrem Gegenstand angehören (vgl. Bergmann 1988 II, 5 f.). Durch die Arbeit mit dem Datenmaterial soll eine dem Gegenstand angemessene Methode entstehen. Es geht hierbei nicht um eine reflexartige Verwendung der Methode wegen, sondern vielmehr um ein Suchen und Identifizieren methodischer Praxis. Nach Garfinkel (2002, 124) unterliegen Methoden einem „unique adequacy requirement“, d. h. sie müssen ihrem jeweils spezifischen Gegenstand angemessen sein. Um die Eigenart eines Untersuchungsgegenstandes angemessen in den Blick zu bekommen, müssen sich diesem Postulat zufolge die vom Sozialforscher angestrebten Begriffe und
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Methoden dem Gegenstand in besonderer Weise annähern und anpassen. Die zweite Komponente dieses methodologischen Postulats zielt auf das Teilnehmerwissen des Forschers („becoming member“). Um nämlich den erforderlichen Zugang zu den Praktiken der Akeure zu erhalten, sind ein zeitlich befristeter Aufenthalt und gegebenenfalls eine aktive Mitgliedschaft im untersuchten Feld geboten. Der Forscher wird so idealiter zu einer hybriden Figur („Do Hybrid Studies“, vgl. Lindwall/ Lymer 2005) und ist damit imstande, die Ethnomethoden zu erfassen, die ein Erkennen der der sozialen Praxis immanenten Ordnung gewährleisten. In einer für die Anfänge der Konversationsanalyse charakteristischen Heuristik skizzieren Schegloff und Sacks ihre Untersuchungshaltung folgendermaßen: Wir gingen und gehen immer noch von der Annahme aus (– einer Annahme, die sich aus unserer Forschung ergab), daß das Material, mit dem wir arbeiten, wenn es eine Geordnetheit zeigte, diese Geordnetheit nicht nur uns zeigte, ja nicht einmal in erster Linie uns, sondern den Beteiligten, die dieses Material produziert hatten. Wenn das Material (Aufzeichnungen natürlicher Gespräche) geordnet war, dann deshalb, weil es die Mitglieder einer Gesellschaft füreinander auf methodische Weise produziert hatten. Und es war ein – von uns als Untersuchungsobjekt betrachtetes – Merkmal der Gespräche, dass sie in einer Weise produziert wurden, die es den Gesprächsteilnehmern möglich machte, wechselseitig füreinander sowohl die Geordnetheit dieser Gespräche aufzuzeigen, als auch offenzulegen, wie sie diese Geordnetheit analysierten, verstanden und benutzten. Dementsprechend versuchen wir mit unserer Analyse zu explizieren, mittels welcher Methoden unser Material von den Gesellschaftsmitgliedern als geordnetes Material produziert wird, – als Material, das seine Geordnetheit offenbart, dessen Geordnetheit von den Gesprächsteilnehmern erkannt und benutzt wird, und in dem dieses Erkennen zum Ausdruck gebracht und als Grundlage für nachfolgende Handlungen in Anspruch genommen wird. (Schegloff/Sacks 1974, 234; zit. nach Bergmann 1988/II, 3)
In diesem Zitat wird der Kern des Forschungsansatzes sehr deutlich: Zum einen die grundsätzliche Beobachtbarkeit gesellschaftlicher Prozesse, die als technisch registrierte Aufzeichnungen und, je nach Fragestellung, in unterschiedlichen Detaillierungsgraden nach den Regeln eines Notationssystems (vgl. Selting u. a. 2009) transkribiert vorliegen müssen. Zum anderen wird auch der Status deutlich, den die Konversationsanalyse den Akteuren („members“) vergibt: Die Konversationsanalyse macht aus dem Versuch der Akteure, die zur Ausführung ihrer Aktivitäten bestimmte Interaktionsbeiträge relevant machen, sogenannte „member problems“ und setzt diese gleichzeitig als Ressource für die (wissenschaftliche) Analyse ein. Sie begreift soziale Ordnungselemente als fortwährende Leistung und Hervorbringung der „members“. Da soziale Wirklichkeit als ein öffentliches und sozial geteiltes Geschehen in der Zeit begriffen wird, würde es auch wenig Sinn machen, die Geordnetheit des Geschehens etwa in den Köpfen der Akteure zu vermuten und mit Motivunterstellungen zu operieren. Die Geordnetheits-Maxime („order at all points“) besagt des Weiteren, dass alle sozialen Tatsachen, seien sie noch so banal und nebensächlich, einen sich selbst organisierenden Charakter haben; dabei komme nichts zufällig zustande oder sei gar unwesentlich und könne deshalb in der Analyse ausgespart werden. Die Geord-
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netheit gilt als eine „methodische Hervorbringung von den Interagierenden“ und ist als Resultat der methodischen Lösung eines strukturellen Problems der sozialen Organisation von Interaktion zu verstehen. Davon ausgehend lässt sich der Analysefokus der Konversationsanalyse folgendermaßen skizzieren: Der erste analytische Arbeitsschritt am Untersuchungsmaterial ist die Suche nach Vorgängen, die geordnet und regelhaft sind. Angenommen, es werden einzelne Ordnungselemente innerhalb einer bestimmten Gesprächssequenz vermutet, so müssen im folgenden Schritt das restliche Untersuchungsmaterial nach dem festgestellten Ordnungselement untersucht und bei Erfolg eine Kollektion dieser Ordnungsfälle angelegt werden. Wenn man davon ausgeht, dass die Interaktion geordnet verlief, so ist daraus zu schließen, dass als Nächstes im Untersuchungsmaterial nach den Methoden gesucht werden muss, mittels derer die Beteiligten das Untersuchungsmaterial methodisch geordnet produziert haben. Zum Abschluss ist noch das Problem ausfindig zu machen bzw. zu rekonstruieren, dessen methodische Lösung zu der beobachtbaren Geordnetheit geführt hat (vgl. Bergmann 1988/II, 37). Während der Analyse ist unbedingt darauf zu achten, der Perspektive der Akteure zu folgen und die Gegenwärtigkeit des abgebildeten sozialen Geschehens qua Sukzessivität und Sequenzialiät zu simulieren. Wer diese Maxime missachtet, beispielsweise durch ungeduldige Vorwegnahme des Gesprächsausgangs, verwischt die manifesten Ordnungselemente, stellt sie neu zusammen und verändert die Ablauflogik. Für die Umsetzung von Untersuchungen, die sich stärker an den Arbeitsweisen der Studies of Work orientieren, postulieren Button/Sharrock (2009, 51 ff.) forschungspraktische Maximen. Sie sind gekennzeichnet durch a) ihre besondere Nähe zu den Arbeitsprozessen („Keep close to the work“), die b) den Kontrast zwischen regelhaften, formalisierten, oftmals verschriftlichten Instruktionen oder Arbeitsprogrammen einerseits und den tatsächlichen Realisierungen der Praktiken andererseits, deutlich macht („Correspondence between the work and the scheme of work“). Des Weiteren sind es Maximen, die c) den Forscher für die vielfältigen Facetten von Arbeitspraktiken und das bei den Akteuren dieser Tätigkeiten selbst verortete Wissen darüber sensibilisieren („Take the lead from those who know the work“) und schließlich auch solche, die d) Störungen, Unterbrechungen und Probleme im Arbeitsablauf fokussieren („Look for troubles great and small“) – schlussendlich zeigt sich in Arbeitszusammenhängen gerade dann, wenn etwas schiefläuft, wie es normalerweise gemacht werden sollte, beispielsweise in und durch die Reaktion der Beteiligten.
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3 Hauptwerke 3.1 Institutional Talk Die Bandbreite an Studien, die mittlerweile im Bereich des Institutional Talk erschienen sind, ist kaum mehr zu überblicken. Einen guten Überblick verschaffen hier Standardwerke wie Bodens (1994) Untersuchung „The business of talk – Organization in Action“ und die Sammelbände „Talk and social structure“ (Boden/ Zimmerman 1991) und „Talk at work“ (Drew/Heritage 1992). Zur Analyse von institutioneller Kommunikation haben sich die von Drew/ Heritage (1992) vorgeschlagenen analytischen Dimensionen etabliert und werden deshalb im Folgenden ausführlicher vorgestellt. Die Institutionalität eines sozialen Ereignisses ist grundsätzlich über die Variation unterschiedlicher Dimensionen identifizierbar. Beispielsweise haben sich die professionellen Vertreter bei einer Arzt-Patienten-Kommunikation an ganz bestimmten Rollen und Verantwortlichkeiten zu orientieren, die wiederum im Regelfall auf ein ganz bestimmtes Ziel oder die Erfüllung einer Aufgabe ausgerichtet sind. Neben der Orientierung an bestimmten Rollen und Aufgaben der Beteiligten (kontextrelevante Identitätsbildung) gehen die Autoren von folgenden Dimensionen aus (dies., 21 ff.): „Lexical choice“, „Turndesign“, „Sequence organization“, „Overall structural organization“ und schließlich „Social epistemology and social relation“. Institutionsspezifische Interaktionsformen gehörten zwar von Anfang an zum Gegenstand konversationsanalytischer Untersuchungen, die zentrale Bedeutung wurde jedoch Alltagsgesprächen beigemessen. Letztere dienen gewissermaßen als „baseline“ gegenüber Interaktionen institutioneller Kontexte. Demnach konstituiert sich eine Interaktion mit klarem Arbeits- und Aufgabenvollzug über die selektive Verwendung und Modifikation von alltäglichen Gesprächspraktiken (vgl. Heritage 1984, 238 ff.), folglich ist diese Gegenüberstellung auch hinsichtlich ihrer analytischen Konsequenzen bedeutsam. Die Einschränkungen institutioneller Gespräche gegenüber Alltagsgesprächen werden im Wesentlichen deutlich über die sich je spezifisch manifestierten Prinzipien des Sprecherwechsels („Turn-taking organization“) und der Form des Redezugs („Turn design“). Hier geht es darum, wie innerhalb eines institutionellen Kontexts auf einen Redezug reagiert wird und welche Funktionen damit verbunden sind, sowie um das Prinzip der sequenziellen Organization („Sequence organization“), d. h. die Bedeutung grundsätzlicher Phänomene wie Themenwechsel, Reparaturen, Überlappungen etc. in einem spezifischen Setting. Sacks/Schegloff/Jefferson (1974) schlagen in ihrem Einleitungsartikel zum „turn-taking-system“ vor, von einer Verbindung dreier Redezugverteilungssysteme auszugehen. Dementsprechend finden wir an einer Extremposition Gespräche, in denen alle Redezüge schon vorweg festgelegt sind (Gerichtsverhandlung, Verhör usw.) und auf der anderen Seite Gesprächsformen, die in keiner Weise vorbestimmt
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sind und deren Reihenfolge der Beteiligung usw. lokal ausgehandelt und bestimmt werden muss (z. B. bei bestimmten Mitarbeitergesprächen). In der Mitte findet sich eine Mischung aus beiden Extrempositionen. Nach der spezifischen „Turn-takingorganization“ kann das Datenmaterial in bestimmte Ablaufphasen („phases or sections“) unterteilt werden. Gesprächstypen, wie z. B. Arzt-Patienten-Kommunikation, haben häufig eine stabile Ablaufstruktur und werden ebenfalls als Gesprächseinheit gefasst, die einen Anfang und ein Ende hat, die ihren anfänglich alltäglichen Gesprächsfluss zugunsten einer „Overall structural organization“ (spezifische Ablaufform) aufgibt, und die sich am Ende wieder in den alltäglichen Gesprächsverlauf einreiht. Institutionelle Kommunikation ist gekennzeichnet durch eine bestimmte „Lexical choice“, also eine Wortwahl, deren Gebrauch bestimmte Identitäten und deren kontextuelle Bezüge bestimmt und reproduziert. Unter die Dimension „Social epistemology and social relation“ werden a) so etwas wie eine „professionelle Feinjustierung der Interaktion“ und b) die für institutionelle Gespräche charakteristische Asymmetrie gefasst. Zu Ersterem werden ganz bestimmte Themen und Sachverhalte gezählt, die für institutionelle Kontexte konstitutiv sein können. Drew/Heritage (1992, 45) liefern dazu ein Beispiel aus einem Telefongespräch einer Schulleitung mit der Mutter eines nicht in der Schule erschienenen Schülers. Die Mitarbeiterin der Schule setzt dabei eine Reihe von Praktiken ein, die allesamt gekennzeichnet sind von einer „professionellen Zögerlichkeit oder Sensibilität“ („professional ‚cautiousness‘ in interaction“). Dazu gehört z. B. der höchst indirekte Hinweis auf das Fehlen des Schülers, gleichzeitig liefert die Mitarbeiterin selbst eine legitime Erklärung (Krankheit), die das Nichterscheinen erklären würde. Diese professionelle Feinjustierung ist kein Phänomen, das ausschließlich in Telefongesprächen zu finden ist, sondern in vielen unterschiedlichen Kontexten auftaucht (siehe z. B. zum psychiatrischen Aufnahmegespräch Bergmann 1992, zum journalistischen Interview Clayman 1992). Im Unterschied zu institutionellen Gesprächen sind Alltagsgespräche in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass sie z. B. hinsichtlich der Beteiligung der Akteure symmetrisch organisiert sind, beispielsweise ein Gespräch unter Freunden. Auch bezogen auf die bereits genannten Dimensionen ist hingegen für bestimmte institutionelle Kontexte die Beziehung zwischen Status und Rolle der Beteiligten, wie z. B. des medizinischen Personals gegenüber ihren Patienten und damit verbundenen Rechten (Zugang zu spezifischem Wissen, das Ausschöpfen konversationeller Ressourcen usw.) und Pflichten (wie etwa die Schweigepflicht eines Arztes) für deren Asymmetrie maßgeblich, sofern sie interaktiv hergestellt werden. Sacks’ Analysen (1967) von telefonischen Notrufen an ein Suizid-PräventionsZentrum („suicide prevention centre“) von hilfesuchenden Personen in psychischen Notsituationen waren neben anderen Arbeiten Gegenstand der Kategorisierungsanalyse („Membership categorization analysis“) und haben zu ihrer Entstehung beigetragen. Sie ist ein der Konversationsanalyse nahe stehendes Analyseverfahren, das ebenfalls bei Untersuchungen in Arbeitskontexten häufig Anwendung findet (vgl. Böhringer u. a. 2012; Mondada/Markaki 2012; Oberzaucher 2014; Uhmann/Hikl
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2014). Harvey Sacks interessierte sich in dieser Studie dafür, wie die Anrufer ihre Ausweglosigkeit kommunikativ darstellen und die Berater entsprechend angemessen darauf reagieren. Er beschreibt in seiner Analyse die Bedeutung eines von Anrufer und Berater gemeinsam abgearbeiteten Kategorisierungsprozesses, an dessen Ende der Berater die Gefährlichkeit der Situation erschließen und einschätzen kann. Die Gespräche wurden vom Anrufer häufig mit Äußerungen wie „es gibt keinen Ausweg mehr für mich“ oder „es gibt niemanden, an den ich mich wenden kann“ (vgl. „The Search for Help: No One to Turn to“, Sacks 1967) eröffnet. Diesen Selbstkategorisierungen setzte der Berater Nachfragen entgegen mit dem Ziel, Personen (Verwandte, Nachbarn, Kollegen etc.) im Gespräch aufzurufen, von denen man natürlicherweise am ehesten Unterstützung oder Hilfe erwarten könnte. Zugleich kann der Berater damit die vom Anrufer getätigten Selbstpositionierungen und -kategorisierungen mit der positiven Konsequenz irritieren, dass der Anrufer von seinem beabsichtigten Suizid abrückt. Ganz in der Tradition des ethnomethodologischen Forschungsprogramms, die situativen Praktiken zur Generierung von sozialer Wirklichkeit herauszuarbeiten, zielt die Kategorisierungsanalyse darauf ab, die von sozialen Akteuren ständig zur allgegenwärtigen Prozedur der Sinnexplikation und Sinndeutung eingesetzten Kategorien zu rekonstruieren. Der Gebrauch der Kategorien selbst hat dabei seinen Ursprung nicht in verborgenen psychischen Dispositionen, sondern verweist auf kulturelle Ressourcen, die öffentlich, sozial geteilt und transparent sind. Aber, und darin unterscheidet sich der Ansatz von der kognitiven Linguistik und Psychologie, diese sind auch abhängig vom spezifischen Kontext ihrer Realisierung. Neben dem Inhalt der Kategorien interessieren hier die ihnen zugrundeliegenden methodischen Prozeduren, durch welche sie eingesetzt und verstanden werden (vgl. zur Einführung Lepper 2000, exemplarisch Hester/Eglin 2003). Ebenfalls ein beliebtes Untersuchungsfeld in der Konversationsanalyse sind Besprechungen im Arbeitskontext (vgl. Boden 1994; Meier 1997; Goll 2002; Domke 2006; Asmuß/Svennevig 2009). Zu einer ganzen Bandbreite an Themen, einschließlich des für Besprechungen/Meetings so spezifischen Redewechsels, arbeiteten z. B. Atkinson u. a. (1978), Cuff/Sharrock (1985), Boden (1994) und Meier (1997), zur thematischen Struktur bei Besprechungen Linde (1991) und Meier (1997), zu Fragen der Entscheidungsfindung Huisman (2001), Domke (2006) und Barnes (2007). Zu spezifischen Besprechungsformen wie die Fallbesprechung in der Medizin Ikeya/Okada (2007), zum Hilfeplangespräch in der Sozialen Arbeit Hitzler (2012), zu Vorgesprächen in Organisationen Kirchschlager (2013) und zu Übergabegesprächen des Pflegepersonals im Krankenhaus Oberzaucher (2014).
3.2 Studies of Work Der medizinische Kontext ist seit den Anfängen der Ethnomethodologie ein häufig untersuchtes Forschungsfeld. Ein prominentes Beispiel ist Garfinkels gemeinsam mit
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Egon Bittner verfasste Studie über Krankenakten; „Good organizational reasons for ‚bad‘ clinic records“ (Garfinkel 1967, 186). In dieser ethnomethodologisch ansetzenden Dokumenten- bzw. Textanalyse zur Untersuchung von Patientenkarrieren begreifen sie das Verfassen sogenannter „schlechter Krankenakten“ als soziologisches Phänomen und können zeigen, dass es möglicherweise gute organisatorische Gründe gibt, „schlechte“, d. h. unvollständige oder vage, Krankenakten zu führen. Statt des voreiligen Schlusses, das Unvermögen der Mitarbeiter dafür verantwortlich zu machen, wurden Überlegungen nach guten „guten organisationalen Gründen“ für dieses Phänomen angestellt. Den beiden Forschern war nämlich aufgefallen, dass die Krankenakten – zunächst nur für sie – lückenhaft und unvollständig erschienen. Die Art und Weise der Aktenführung hat jedoch insbesondere für das beteiligte pflegerische und medizinische Personal durchaus rationale und nachvollziehbare Gründe. Die Lesbarkeit dieser Akten erfordert nämlich ganz bestimmte Fertigkeiten und Kompetenzen, beispielsweise die angemessene Einschätzung von Patienten oder das Wissen um die besonderen Umstände (Zeitdruck), unter denen die Akten für gewöhnlich geführt werden, und nicht zuletzt über den typischerweise erwartbaren Adressaten (Leser) dieser Krankenakten. Dazu gehört auch die Fähigkeit des kompetenten Lesers, so etwas wie die Standardlesart (von Krankenakten) zu identifizieren und entsprechende arbeitsrelevante Schlussfolgerungen anzustellen. Diese Studie ist beispielhaft für eine ethnomethodologisch motivierte Text- und Dokumentenanalyse, der es gelingt zu zeigen, wie eine „gesprächsanalytische Herangehensweise“ (Wolff 2000, 207) auch bei der Analyse von Dokumenten einzusetzen ist, die unter Beteiligung der Akteure des Forschungsfeldes im Arbeitsablauf entstanden sind. Folglich spielt dieser methodische Schwerpunkt bzw. dieser Datentyp in den Studies of Work eine so zentrale Rolle. Weitere für die Studies of Work charakteristische Studien sind die Untersuchungen von Lynch/Livingston/Garfinkel (1985) über die Entdeckungsarbeit eines Teams von Astronomen, das einen optischen Pulsar entdeckte, die von Heath/ Hindmarsh/Luff (1999) umgesetzte Studie über das Tätigkeitsspektrum eines U-Bahn-Fahrers der Londoner U-Bahn sowie die von Goodwin/Goodwin (1997) – auch für die Workplace Studies – bedeutsame Forschung über die Arbeit des Bodenpersonals auf einem mittelgroßen amerikanischen Flughafen.
4 Impulse für die Organisationsforschung Eine für die Organisationsforschung unbestritten bedeutsame Studie über „The Business of Talk, Organizations in Action“ hat Boden (1994) vorgelegt. In ihrer Untersuchung zum Verhältnis zwischen „talk and what is generally called ‚social structure‘“ in Organisationen (ebd., 1), weist sie der Interaktion eine essentielle Bedeutung zu. Ihr Verdienst ist der Versuch, Organisationen in erster Linie über die Interaktionen der Mitglieder zu denken und zum Beispiel Besprechungen als
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interaktive „accomplishments“ zu betrachten. Die in der Interaktion sich manifestierte Geordnetheit verleiht der Organisation gewissermaßen „von innen“ eine Struktur (vgl. Boden 1994, 105). Trotz des für ethnomethodologische Studien üblicherweise konstitutiven Grundsatzes der Indifferenz, d. h. der Uninteressiertheit und Unterschiedslosigkeit gegenüber den praktischen Fragen und Interessen der AkteurInnen und des damit zusammenhängenden Verzichts auf Empfehlungen, sind neuerdings Arbeiten aus dem Bereich der „Applied Conversation Analysis“ (vgl. Antaki 2011) entstanden, die diese indifferente Haltung teilweise aufgeben. Im Hinblick auf den Gegenstandsbereich und der methodischen Realisierung bieten diese Arbeiten reichhaltige Anregungen für die Organisationsforschung an. Der konversationsanalytische Ansatz wird dabei zu einem diagnotischen Instrument („Diagnostic Applied CA“), beispielsweise bei Untersuchungen über die Formulierungspraxis von Angsterlebnissen im Arzt-Patienten-Gespräch (vgl. Gülich/Lindemann/Schöndienst 2010, siehe auch Reuber u. a. 2009). Ohne zwangsläufig bestimmte Probleme von Organisationen lösen zu wollen/ müssen, aber dennoch das empanzipatorische Potenzial der Konversationsanalyse aufzeigend, zielt die „Institutional Applied CA“ (vgl. Antaki 2011) darauf ab, die routinehaften Arbeitsabläufe in institutionellen Zusammenhängen, beispielsweise bei medizinischen Operationen (Mondada 2003) oder medizinischen Entscheidungsprozessen im Krankenhaus – „daily case conference“ (Ikeya/Okada 2007), Gerichtsverhandlungen (Atkinson/Drew 1979), Cockpit-Kommunikation (Bergmann u. a. 2008), Übergabegesprächen im Krankenhaus (Oberzaucher 2014) usw., zu beleuchten. Unbestritten als Gewinn für die gegenwärtige Organisationsforschung gelten auch Arbeiten, die sowohl die Prinzpien der Konversationsanalyse, als auch der Studies of Work umsetzen und dabei die professionelle Arbeit an Fällen, d. h. die „Fallarbeit“ aus der Perspektive der alltäglichen beruflichen Praxis in den Kontexten des englischen Strafrechts, des deutschen Zivilrechts, der klinischen Chirurgie und der klinischen Psychiatrie zum Gegenstand haben (vgl. Bergmann/Dausendschön-Gay/Oberzaucher 2014). Die „Fallarbeit“ tritt im Kontext professionellen Handelns auf und ist verbunden mit einer Konzentration auf institutionelle Rahmungen und auf die Einbettung in Organisationen als maßgebliche Einheiten (vgl. ebd., 10). Mit dieser konzeptionellen Zuspitzung auf „Fallarbeit“ ist eine Reihe von methodischen Bedingungen einerseits und analytischen Konsequenzen andererseits verbunden. Dies verschiebt gleichzeitig den Fokus vom Experten als dem wichtigsten Akteur auf die Interaktionsbedingungen des Handelns aller Akteure der Fallarbeit. Der ‚Fall‘ soll ferner als ein Prozess konzipiert werden, der in erheblicher zeitlicher Ausdehnung von verschiedenen beteiligten Personen allmählich entwickelt wird. Interaktionsereignisse (z. B. Arzt-Patienten-Gespräche, Gerichtsverhandlungen, Expertenberatungen) mit ihren Verfahren der lokalen Entfaltung von Sinn und Konsequenz wirken dabei ebenso auf die Fallkonstitution ein wie die Nutzung von Ressourcen (Professionswissen, aufgabenorientierte Lektüre von Akten, institutionelle Konventionen) sowie längerfristige Prozesse interaktiven Austausches (wie z. B. die Zirkulation von Schriftsätzen oder die Anlage einer Krankenakte durch pflegerisches und medizinisches Fachpersonal). (Bergmann/Dausendschön-Gay/Oberzaucher 2014, 10)
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Als Datengrundlage sind demnach Prozessdaten erforderlich, die das ganze Spektrum von Datentypen abdecken (Schriftstücke, Akten und Dokumente, Audio- und Videoaufnahmen, Transkripte und Beobachtungsprotolle). Einzelne soziale Ereignisse und ihre Abfolge sowie ihre jeweiligen Beiträge zur Entstehung des Falls kommen so in das analytische Blickfeld und erfordern, ganz in (ethnomethodologisch-)konversationsanalytischer Manier, eine sequenzanalytische Vorgehensweise. Generell sollte in der Organisationsforschung das Verhältnis zwischen Empirie und Theorie möglichst ausgewogen sein. Gleichzeitig sind die Konversationsanalyse und Studies of Work, als prominente Ansätze der qualitativen Forschung, immer auch selbst an der Entwicklung von Theorien beteiligt und übernehmen somit eine Anregungs- und Irritationsfunktion für die Theorie (vgl. Bergmann 2006, 20). Überzeugende Beispiele dafür finden sich sowohl in der Organisationssoziologie (Vollmer 2013), in der soziologisch geprägten Sprachwissenschaft (Hausendorf 1992), als auch in der Konversationsanalyse selbst (Hitzler 2012; Kirchschlager 2013; Oberzaucher 2014). Vollmer (2013) beschäftigt sich mit Störungen und Zusammenbrüchen sowie Transformationen von sozialer Ordnung in organisationalen Kontexten und befolgt dabei die Aufforderung der Ethnomethodolgie, die „Mikrofundamente des Organisierens“ in den Alltagspraktiken der (Organisations-) Mitglieder zu berücksichtigen. Ferner liefert er einen Beweis für eine auf profunde empirische Basis gestellte Organisationstheorie und bewahrt sie so vor allzu abgehobenen theoretischen Höhenflügen. Einen vielversprechenden Versuch zur gegenseitigen Anschlussfähigkeit von Konversationsanalyse und soziologischer Systemtheorie hat Hausendorf bereits 1992 vorgelegt. In seinem Aufsatz „Das Gespräch als selbstreferentielles System“ arbeitet er die theoretischen Anschlussmöglichkeiten an die konversationanalytische Forschungspraxis heraus. Empirische Studien, die das für die Organisationsforschung fruchtbar machen und beispielsweise das Verhältnis zwischen Interaktion und Organisation in der Systemtheorie konversationsanalytisch untersuchen, stehen hingegen noch aus. Kirchschlagers Untersuchung zu „Vorgesprächen in Organisationen“ (2013) greift das Verhältnis von Formalität und Informalität als traditionelles Thema der Ethnomethodologie auf. „Vorgespräche“ gehören üblicherweise zum Besprechungsalltag von Mitgliedern in Organisationen, sind gleichzeitig aber nicht Teil des Formalprogramms und ebenfalls nicht ausschließlich informell. Hitzler (2012) beschäftigt sich in ihrer konversationsanalytischen Arbeit mit der Hilfeplanung, einem zentralen Instrument der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Mit ihrer Studie zum Hilfeplangespräch zeichnet sie ein detailliertes Bild von Interaktionen der Kommunalverwaltung, an denen u. a. Vertreter des Jugendamts, Heimleiter, Erziehungsleiter, Betreuer, Therapeuten, Pädagogen und nicht zuletzt Kinder und Jugendliche und deren Eltern beteiligt sind. Die konversationsanalytische und auf Basis von Audio- und Videoaufzeichnugnen durchgeführte Studie zu Übergabegesprächen des Pflegepersonals (Oberzaucher 2014) beschäftigt sich mit Interaktionen, bei denen Arbeitsteams in einem spezifischen Arbeitskontext in einer Organisation unterschiedliche Aufgaben zu erledigen haben.
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Eine ethnomethodologisch informierte Organisationsforschung greift generell auf das gesamte Methoden-Arsenal zurück und vermeidet somit eine ausschließlich auf Befragungen reduzierte Datengenerierung. Es ist sogar davon auszugehen, dass Befragungen als Methode (Einzel- und Gruppeninterviews) zukünftig an Bedeutung verlieren werden. Nicht zuletzt deshalb, weil authentisches Datenmaterial von prozesshaften Vorgängen ein immenses analytisches Potenzial in sich birgt und zudem die über den Weg der Sequenzanalyse gewonnenen Erklärungen und Ergebnisse überzeugen. Nimmt man darüber hinaus die Erweiterung der technischen Aufzeichnungsmöglichkeiten und die damit einhergehende Zunahme von Videoaufzeichnungen als gewinnbringend zur Kenntnis, so kommen zunehmend körperliche Aktivitäten der Akteure und des gegenständlichen Arrangements in den Blick der multimodalen Analyse. Diese umfassen Aspekte der Kommunikation, wie zum Beispiel Objektmanipulation, Kopf- und Blickbewegung, Körperposituren, Gestik, Mimik oder Körper im Raum. Aktuelle Arbeiten, die das auch methodisch umsetzen, sind etwa Untersuchungen zu Übergabegesprächen des Pflegepersonals im Krankenhaus (Oberzaucher 2014) oder zu Meetings (Mondada/Markaki 2012).
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Dirk vom Lehn
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Conversation Analysis and Studies of Institutional Talk Ethnomethodological Studies of Work Workplace Studies Methodological Considerations Developments and Influences References
https://doi.org/10.1515/9783110296235-017
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Dirk vom Lehn
1 Conversation Analysis and Studies of Institutional Talk The origin of conversation analysis (see also Oberzaucher, this volume) is generally ascribed to Harvey Sacks (1992) and seen as instantiated most fully in the 1974 paper “A Simplest Systematics for The Organization of turn-taking for Conversation” by Sacks, Schegloff and Jefferson. Conversation analysts examine audiorecordings of talk to explicate the interactional organisation of vocal actions. They argue that actions do not simply follow each other, “temporally” or “serially”, but that they are “sequentially” organised with the meaning of action being “indexical”. Meaning is viewed not as a property of action but as a result of actions’ retrospective orientation to immediately prior action and their prospective orientation to immediately following action. Context therefore is not a stable container for action but a dynamic ecology that ongoingly changes with each action; and “action is doubly contextual in being both context-shaped and context-renewing” (Heritage 1984, 242). The dynamic concept of context has an important influence on the analysis. Conversation analysts refrain from arguing that properties of settings and persons define action. For example, conversation analysts do not suggest that social institutions or participants’ age and gender influence or even define the talk under scrutiny. Instead, they investigate if in their talk participants themselves orient to and thus render relevant externalities of talk. Only if this is the case, they consider such externalities as relevant for the emergence of talk and inspect how the design and production of utterances are influenced by social institutions or personal characteristics. So rather than presuming that conversation is influenced or shaped by institutions and social structure, they consider conversation itself as an institution and explore the principles underlying the organization of talk. This key principle underlying conversation analysis is the reason why the emergence of studies of institutional talk in the 1990s has been somewhat controversial. Institutional Conversation Analysis begins with the principles of conversation analysis, but shifts the focus of its analyses to studies of talk in social institutions, such as schools, courts of law, news interviews, et al. It explores the influence of these social institutions on the design and production of talk and explicates how participants’ vocal actions are shaped by and orient to specific local circumstances and characteristics and identities of settings and people (Drew/Heritage 1992; Heritage/ Clayman 2010). With this research focus at its heart Institutional Conversation Analysis compares talk in different institutions, for example by looking at the choice of words, the design of turns of talk, patterns in the organisation of turns of talk, such as patterns in the selection of next speakers, the identification of particular phases within conversation, and the ways in which social relationships, the distribution of knowledge, etc. feature in the interaction between participants (Boden 1994; Drew/ Heritage 1992; Eberle 1984, 1997).
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2 Ethnomethodological Studies of Work The turn from studies of institutional talk to Workplace Studies was foreshadowed by Harold Garfinkel’s early studies (1967) of jury deliberations and personnel in clinics. In these studies Garfinkel analysed the work practice and the practical reasoning of actors who used their knowledge of an organisation to come to decisions about their actions. For example, in light of the increasing importance of surveys in the sociology of the 1950s Garfinkel became interested in the procedures and methods underlying the categorisation and coding of actions, people and events. To investigate the reasoning and the methods coding practices are based on, Garfinkel examined the work of personnel of an outpatient clinic and how they completed forms that were used to decide about the status of people as patients. In a related way, Garfinkel’s research of jury deliberations was concerned with the method and procedures that make the action of jury members recognisable as actions of a jury rather than as those of a different organisation or group. When Garfinkel became interested in studying work the Chicago School of Sociology and Symbolic Interactionism, including Herbert Blumer (1954, 1969) and in particular Everett Hughes (1958, 1984) already had produced a substantial body of ethnographic research on the organisation of work and occupations. Also, Howard Becker (1951) had studied the jazz music scene where he investigated the work people undertook to be seen as members of the scene. In a different study titled “Boys in White” (1961) Becker and colleagues explored the student culture in a medical school. Garfinkel considered these analyses as interesting ethnographic research that nevertheless fail to understand the practices involved in going about the business in hand. While we learn about the jazz music scene or student culture in a medical school, we do not learn how people make jazz music or conduct themselves as medical students and not as students of a different school. Garfinkel and with him those conducting studies of work addressed this gap in research by suggesting to explore the practice of work, such as making jazz music, making diagnoses in doctor-patient interaction and doing coding and classifying of survey data. One early example of such studies is David Sudnow’s (1967) research of the treatment of dying patients in a hospital. Sudnow noticed that clinic staff when “a patient is treated essentially as a corpse, though perhaps still ‘clinically’ and ‘biologically’ alive” it is more likely that personnel treat her/him as biologically dead. Sudnow later became interested in how people acquire bodily skills to use technical equipment. For example, Sudnow (1979) conducted studies in which he investigated how he acquired practical skills and techniques to play a piano. His examination revealed the importance to train the body to hit keys in a particular temporal order that creates sounds audible as music. In a related investigation Sudnow (2000) reflected on the bodily practices he learned when engaging with a video game. Through these studies Sudnow has drawn attention to the ways in which technical equipment and bodily practices become “intertwined” as Garfinkel
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and colleagues (1981) called it with Merleau-Ponty (1995) to achieve intended results. In the mentioned study Garfinkel and his students, Michael Lynch and Eric Livingston (1981), explored the work of astronomers. They examined the organisation of the activities in the laboratory, “shop work”, and the talk of the scientists, “shop talk” and demonstrated how the discovery of a star is achieved through “the intertwining of worldly objects and embodied practices” (1981, 137). The activities that the scientists conduct for the practical purposes of their scientific work are mundane practices, sometimes described with idioms like “scientific methods” which do not help to understand the procedures scientists undertake in the laboratory. The scientists’ work involves and requires everyday competences and practices that allow them, if deemed necessary, to reconsider work and material they have produced and consider them anew and, when encountering problems or even failures in their actions, revise their findings. Ethnomethodological analyses provide the “foundational inquiries” (Lynch/ Garfinkel/Livingstone 1983) that reveal the locally observable-and-reportable sequences of action in ordinary, discipline-specific work. The scientists’ practices are specific to disciplines and designed to make visible the temporary production of the contents that make up those disciplines (ibid.). These practices of scientific work differ from the formalised instructions and reports of scientific methods that can be found in academic journals and scientific textbooks. Garfinkel (2002) illustrates this point by virtue of his “tutorial demonstrations” that render visible and intelligible the difference between “instructions” and “instructed actions”, with the former being ideals of practices that remain unobservable in practical circumstances characterised by the contingency of everyday life. The interest in practice involved in the research of scientific work becomes increasingly important as Garfinkel develops his “Ethnomethodological Program” (2002). References to Merleau-Ponty and the body that can be found in Garfinkel’s writings since the 1980s signal his gradual distancing from Schutz’s phenomenology and turn towards utilising Merleau-Ponty’s phenomenology for ethnomethodological purposes. His concern became increasingly less with accounting practices and more with “embodied practices” and their organisation. This shift of research focus is highly relevant for Garfinkel’s (2002) subsequently developed concept of “hybrid studies of work” that denotes a kind of research that closely interlinks research and work practice. The researcher is required to immerse her/himself in the work setting under scrutiny and thus acquire the knowledge and competences of the workers. With the relevant skills and competencies researchers are able to focus on the practical problems that personnel deal with in their day-to-day work, can explicate the knowledge and competences the personnel take for granted when they go about their business, and inform the design of tools, technologies and practices from the perspective of the workers (cf. Anderson 2000). Thus, the researchers are able to closely collaborate with personnel in organisations and at
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times inform the design and development of tools and technologies used in the workplace (see also Heinemann/Matthews, this volume). In Garfinkel’s view, in fact, ethnomethodological descriptions of work were designed to be transferable into “praxeologically valid instructions”, i.e. they can instruct practitioners’ action so that ethnomethodology and work practice merge (Rawls 2008). The possibility for such a close relationship between research and practice requires that ethnomethodologists acquire competencies and knowledge that come very close to the knowledge and competencies of the personnel whose practices are subject of the studies. Hybrid studies of work as envisaged by Garfinkel provided one of the startingpoints for a reinvigorated interest in the sociology of work. From Garfinkel’s arguments various strands of research emerged that use the principles of ethnomethodology discussed in his “Ethnomethodological Program” (2002), including ethnomethodological ethnographies of work and ethnomethodologically informed ethnographies (Harper 1997; Randall/Harper/Rouncefield 2000) and Workplace Studies (Engestrom/Middleton 1998; Llewellyn/Hindmarsh 2010; Luff/Hindmarsh/ Heath 2000; Szymanski/Whalen 2011). In the following, I will only discuss recent developments in Workplace Studies.
3 Workplace Studies Over the past two or three decades there has been plenty of academic and public debate about the digital revolution and how it transforms our lives and disrupts long established institutions. Despite these debates about the impact of new technology on our lives, however, relatively little research has been concerned with the ways in which people use tools and technologies as they ordinarily go about their work. The recognition of this gap in knowledge has motivated the emergence of a field of studies comprising investigations from different analytic and methodological perspectives that explore how people conduct their everyday work activities that often involve the use of complex tools and technologies. On the following couple of pages I will briefly discuss the analytic and methodological approaches that define the field as well as some of the studies and their findings that provide insight into the thrust of what is known as “Workplace Studies”. In the late 1990s, with the emergence and dissemination of networked computer systems, a new field of research emerged that became known as Computer Supported Cooperative Work or CSCW. Within CSCW, academics from the social, cognitive and computer sciences met at conferences and in journal publications where they discussed their studies of work in settings pervaded by highly complex technologies. Workplace Studies (Luff et al. 2000) has emerged as a subfield within CSCW and over the years has developed into an area of research in its own right
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that still contributes to CSCW but also influences research in various other social scientific disciplines, including sociology and psychology. Workplace Studies primarily use qualitative data gathered and analysed with social scientific research methods, including ethnography, video-analysis, and interview methods. Coming from such diverse scholarly backgrounds as psychology and the cognitive sciences as well as sociology and anthropology researchers in the field use different analytic attitudes and concepts to collect and scrutinise data with the purpose to learn about the relationship between technology and everyday work practice. In this contribution, I will briefly discuss Activity Theory and Distributed Cognition before turning to video-based studies of interaction that have developed in the light of the conversation analytic institutional talk programme and the ethnomethodological studies of work programme. Activity Theory and Distributed Cognition are two analytic perspectives that have arisen in light of a fundamental critique of experimental psychology (Nardi 1996, 1994, 1997). I will first turn to Distributed Cognition before discussing Activity Theory. Whilst being seen as critique of cognitivism and advocating sociocultural studies scholars pursuing Distributed Cognition in fact argue for an expansion of the cognitive beyond the brain and to see it also as being situated within the material and visual context in which people act and interact (Button 2008). In this sense, Hutchins (1995, xiii), one of the best known scholars promoting Distributed Cognition, suggests that “[t]he emphasis on finding and describing ‘knowledge structures’ that are somewhere “‘inside’” the individual encourages us to overlook the fact that human cognition is always situated in a complex sociocultural world and cannot be unaffected by it”. He proposes to “move the boundaries of the cognitive unit of analysis out beyond the skin of the individual person” (1996, xiv). Researchers drawing on Distributed Cognition use naturalistic data, such as field observation and video-recordings of naturally occurring events, in some cases augmented by interviews, and they focus on the ways in which cooperation and collaboration across spaces is enabled by the use of tools and technologies. At the heart of their studies are therefore questions of how shared understandings are achieved when cognition and meaning are not lodged in participants’ brains but situated in a context in which people work towards a shared goal. The answer scholars pursuing Distributed Cognition give is that cooperation is facilitated by tools and technologies that store meaning and make it available to all those working in the respective domain (Rogers 1994, 1997). Examples for such storage or memory devices are knots in a rope or nails in the deck of a ship that both represent units of length, or charts that store information about the structure of an environment or organisation (Hutchins 1995). Like Distributed Cognition, Activity Theory involves the idea that actions occur within clearly circumscribed systems that form the basis for the analysis. With the perspective of Distributed Cognition, researchers focus on the coordination of work in “cognitive systems”, such as the cockpit of a plane or a ship. They highlight that
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cognitive systems emerge from the distribution of cognition and memory across the system using tools, technology and people. In their view, coordination is a form of information retrieval from these devices that is required in order to achieve the system’s goals, i.e. navigate to a certain destination. Due to the focus on the cognitive and its distribution across settings researchers using Distributed Cognition ignore the activities that people undertake to achieve the system’s goal. This is the point where Activity Theorists divert from Distributed Cognition and provide ways to explicate how participants use tools and technologies to achieve an activity system’s goal. Those pursuing Activity Theory change the focus from the cognitive to the practical by putting the activity at the heart of their research. They describe the assembly of people, artefacts and goals as “context” and explore the emergence and development of this context towards the achievement of a predefined “goal” of the system (Nardi 1996). Studies using Activity Theory are particularly interested in how the activity and goal achievement are mediated by tools and technologies. They draw on Russian philosophers and social psychologists like Vygotsky and Leontiev who provide Activity Theory with concepts like ‘mediation’ and ‘tool use’ that are critical for the understanding of activity systems (Kuutti 1991, 1996; Nardi 1996). Activity Theory has been deployed in a wide range of studies and because it is interested in longer processes of goal attainment, has been used to study, for example, phenomena like organisational change (Engestrom 2000). Due to this focus on long-term processes and the reliance on the concept of goal attainment when examining activities researchers using Activity Theory have no access to or particular interest in the details of cooperation and communication between people. This neglect of detailed studies of communication and interaction is unfortunate considering Activity Theory’s association with socio-cultural theory and its concern with social interaction and communication. The neglect of communication and interaction by other approaches has opened the field for approaches that turn away from studies focusing on goal-directed action and instead are concerned with the practical organisation of work. This body of Workplace Studies largely draws on Harold Garfinkel’s ethnomethodology and the cognate developments in conversation analysis and the institutional talk programme. Workplace Studies have turned Garfinkel’s “shop floor” problem into pragmatic questions that encourage research into work practice with the aim to reveal how participants themselves orient and contribute to the work and to the objects and artefacts involved in it. For this purpose, ethnomethodologically informed ethnography does not start with a theoretical model of the workplace and the events within it but gathers a wide range of observational data to make sense of “the world as it happens” (Boden 1990). In this sense, this approach is “datadriven” and “recognises the inherent ‘messiness’ of the world and the inadequacy of any theory to deal with this” (Rouncefield 2011). Organisation therefore is pro-
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duced by the participants themselves as they conduct their activities moment-bymoment by attending to the contingencies of specific situations that require the deployment of local knowledge and skills even for the accomplishment of routine work. While the deployment of sociological and other theories and models of workplace organisation, such as workflow models and organigrams, obscures the contingencies of work and the knowledge and skills that participants deploy to get the job done, ethnomethodologically informed ethnography strives to explicate and reveal those taken-for-granted phenomena that participants produce and orient to while accomplishing the organisation (Rouncefield 2011). Ethnomethodologically informed ethnographies have been conducted in a range of work settings, including print workshops, air traffic control rooms, hospitals, and elsewhere (Button 1993; Button/Sharrock 2002, 2009; Crabtree 2001, 2003; Harper 1997; Hughes 2001; Rouncefield/Tolmie 2011). These ethnographies reveal the “seen-but-unnoticed” organisation of work practice and point to the contingency of accounts and how participants orient to, use and interpret them for all practical purposes. They investigate for example how documents feature within the work of diverse personnel in healthcare and other settings (Hartswood/Rouncefield/Slack/ Carlin 2011). And they reveal how on the “shop floor” in the print industry work is scheduled and organised in accordance with the working of the machines and the availability of ink and man power (Button/Sharrock 2002). It is a common feature of these ethnomethodologically informed ethnographies that they not only strive to influence the practice of work and the design of new tools and technologies but also, and even more so, that they closely cooperate with practitioners and designers and accomplish the “hybrid” character of research that Garfinkel (2002) has been calling for (cf. Button/Sharrock 2009; Crabtree 2003; Szymanski/Whalen 2011). Despite the interest in practice, researchers pursuing ethnomethodologically informed ethnography have only limited access to the fine details of action and interaction. As these researchers primarily rely on observational data, their ethnographies are not suitable to examine and reveal the detailed, moment-by-moment organisation of participants’ action. Here, video-based studies of work that also draw on ethnomethodology and conversation analysis have made noticeable advances. Video-based studies of work draw on ethnomethodology. They highlight the indexicality of meaning, the contingency and dynamics of context and the sequential organisation of action that Garfinkel (1967, 2006[1948]) and Sacks (1992; cf. Schegloff 2007) have elaborated on in their analyses. The use of video-data extends the range of studies beyond the examination of the organisation of talk to examine the interplay of talk, bodily and material action with the multi-sensory environment. At the heart of these studies is the organisation of participants’ action and interaction when they go about their work. They are conducted in a wide range of settings, including control-rooms of rapid urban transport systems (Heath/Luff 1992, 2000; Theureau/Filippi 2000), operating theatres (Hindmarsh/Pilnick 2007; Svensson/Luff/Heath et al. 2009), emergency dispatch centres (Whalen J./Zimmerman
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2005; Whalen M./Zimmerman 2011) and others (Heath/Luff 2000). By virtue of a detailed examination of participants’ action and interaction this body of research explicates how cooperation between participants is accomplished although meaning is not stable or stored in objects to be retrieved by people, but moment-bymoment achieved in, and through action, that renders “observable-and-reportable” how a participant orients to an object or action in a particular situation and how co-participants align with that orientation. The studies reveal that while in some instances participants openly communicate and talk with each other, in other instances information about activities and forms of engagement are shared “surreptitiously” (Heath/Luff 1992), for example by virtue of a glance “from the corner of the eye” (ibid.). With a particular focus on the momentary achievement of intersubjectivity by virtue of the use of tools and technologies, such as charts, Charles and Marjorie Goodwin have examined the work of archaeologists, airport personnel and girls on school playgrounds (Goodwin/Goodwin 1996; Goodwin 2006). Through a finegrained inspection of video data Charles Goodwin (1997) shows how archaeologists momentarily bring the semantic properties of a chart to life and establish “the blackness of black”. In this work, the use of gesture in alignment with ongoing talk and other actions has particular relevance. Goodwin (2000), Hindmarsh and Heath (2000ab) as well as Mondada (2007) explicate the interactional production and design of gesture in work settings. Studies of work that use ethnomethodology and conversation analysis owe their prominence within CSCW and Workplace Studies to a considerable part to Lucy Suchman’s (1987) study “Plans and Situated Action” (see also Heinemann/ Matthews, this volume). Her research on the use of complex photocopiers by untrained users criticised concepts of plans and workflows that at the time pervaded discussions in the cognitive sciences, artificial intelligence and eventually also CSCW. The principal idea of the plan-guided concept is the assumption that prior to taking a course of action people develop a plan that the subsequent actions follow and put into practice. Suchman powerfully argued against this concept of action as being prefigured by a plan that provides the stimulus for action by referring to the observation that action is produced within and contributes to a dynamic context that cannot be captured in full by a plan. Plans cannot account for all the contingencies an actor might encounter within a specific situation and therefore are unavoidably incomplete instructions of action. The example of conversation and talk illustrates this observation quite clearly. Whilst participants might enter a situation with quite specific ideas, maybe even plans, for the proceedings, Suchman (1987, 71) argued that “conversation is not so much an alternating series of actions and reactions between individuals as it is a joint action accomplished through the participants’ continuous engagement in speaking and listening”. The interest of Suchman’s (1987) study however goes beyond a critique of workflow models as she investigates the organisation of human-machine commu-
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nication. She explains that developers of intelligent systems predefine a “user” and a situation of use as the basis for the interface, software programme and display deployed in a workplace. By virtue of the various design features the system’s developers prefigure the interaction of a user with the machine and thus the situation of use. This situation of use as preconceived by the developers coincides with the particular preconceptions about the machine and situation of use that the user brings to bear when encountering the machine. In an updated version of her original study Suchman (2006, 126) suggests that “[t]he intersection of the situations of user and machine is the locus of both for successful exploitation of mutually available resources and for problems of understanding that arise out of the disparity of their respective situations”. She finds that problems in the interaction with systems arise because the models of the situation of use deployed by developers and users respectively are incompatible: whilst the former aim to predict the user’s actions, the latter deploys a model of human communication when interacting with the system. Studies of expert systems like those by Suchman (1987, 2006), Orr (1996) and Vinkhuyzen and Whalen (2000) primarily examine situations where an individual user, lay or expert, engages with an intelligent system. Workplace Studies build on their critique of system design and “human-computer interaction” by investigating how technology features in or is embedded within social interaction at workplaces (Bannon 2000). They are concerned with the ways in which work is conducted by people with different skills and competencies who act and interact in co-located and distributed spaces, such as control rooms of transport systems, air traffic control rooms, banks, call centres and others (Heath/Luff 2000). Additionally, they explore how, participants orient to, use, interact with and make sense of, aspects of the material and visual environment, including tools and technologies while pursuing their work activities in interaction with others (Luff/Hindmarsh/Heath 2000; Szymanski/Whalen 2011).
4 Methodological Considerations Despite using different analytic and methodological frameworks, it is a common feature of studies of work that they use video-recordings as an important or even main instrument of data collection. The video-recordings are often complemented by field observation and the collection of other material, including photographs, written notes and documents, screen shots, sketches, etc. Scholars working within the frameworks of Activity Theory or Distributed Cognition have not developed a particular methodology to deal with the complexity of video-recording but largely use the recording like observational data that can be viewed and inspected repeatedly. Ethnomethodology and conversation analysis, however, offer a particular perspective on the data and the events they show as well as methods to analyse them,
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allowing the researcher to deal with the complexity of the data and to reveal how the participants themselves make sense of objects, events and actions. The analysis is driven by the data and not by a theoretical framework. In this sense, ethnomethodological research is atheoretical as it does not examine the data through the lens of an analytic framework. However, it is theoretical in the sense that it is interested in and particularly concerned with the theories and methods that the participants themselves use in the situations under scrutiny (Button/Sharrock 2009; Rouncefield 2011). By using a range of methods, amongst them the analysis of video-recordings, ethnomethodologists inspect data to reveal the practical reasoning and the local rationalities that the participants bring to bear in particular situations. The focus on the particular already highlights one of the key principles of research that adopts an ethnomethodological attitude, i.e. the indexicality of meaning. Social scientists traditionally are concerned with making objective and generalisable arguments and propositions. For that purpose they develop analytic schemes, classifications and typifications and organise their data accordingly, thus making their findings comparable across different studies. Garfinkel (1967) criticises this approach of studying the social world and points out that the everyday is organised through people’s actions that are produced in an observably-and-reportably “orderly” fashion. Yet, action arises contingently in specific circumstances. This contingency of action, that is a key characteristic of the everyday, is missed by conventional social scientific research that uses analytic concepts and generic typologies of action. Garfinkel therefore suggests to conduct studies that investigate how participants produce orderly action in specific situations. He proposes a programme of research that explores the methods and techniques that people deploy to establish a sense of intersubjectivity in each and every moment of a situation (cf. vom Lehn 2014). This programme of research coupled with the methodological tools developed in conversation analysis provides researchers with principles that guide their investigations into the organisation of action. These principles comprise the indexicality of the meaning of action, the reflexive relationship between actions and their context, and the sequential organisation of action (Garfinkel 2002). Conversation analysts as well as those ethnomethodologists who use video-recording as their data rely on these principles when examining the organisation of action. At the heart of conversation analysis as well as of Ethnomethodological Interaction Analysis is the unpacking of the sequential organisation of action. In order to reveal the organisation of talk conversation analysts use detailed transcripts of talk that allows them to see how individual utterances are produced, moment-bymoment (Jefferson 1984). These transcripts help the researchers to see the temporal organisation of talk. They then examine the transcripts together with the original audio-recording in order to reveal the sequential organisation of specific parts of the talk. Unavoidably, the researchers will come across segments of talk that can be understood only when access can be gained also to the visual, material and tactile action and to features of the environment. Hence, since the 1980s conversa-
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tion analysts have increasingly used audio-/video-recording of situations (Goodwin 1981; Heath 1986). In light of these developments coupled with the increasingly inexpensive availability of video-equipment analytic and methodological tools have opened up the field of Workplace Studies to a multimodal analysis of action and interaction (Heath/Hindmarsh/Luff 2000; Schmitt 2007; Tuma/Knoblauch/ Schnettler 2013). The nature of the video-data requires the video analyst to find ways to deal with their complexity. These data show series of oral, bodily, material and visual actions whose interrelationship is often not easy to interpret. Their analysis requires a detailed inspection of the data that is suitable to uncover the sequential organisation of the various actions. For the analysis of talk the researcher uses the transcription system developed by Gail Jefferson (1984) or similar systems to support conversation analysts. Based on the transcript of the talk the researcher then also transcribes the bodily, visual and material action. Currently, there is no transcription system available like the one that Jefferson (1984) developed for the transcription of talk. Researchers like Mondada (2014) have begun to explore the possibility for conventions for the transcription of multimodal interaction. At the same time, they have highlighted the dynamic and fluid nature of transcripts that requires researchers to develop their own system and adapt it to the specific circumstances of the analysis (Gibson/Webb/vom Lehn 2014; Mondada 2007, 2016). Until a system of transcription conventions is available for the analysis of multimodal interaction, research methods texts such as Heath, Hindmarsh and Luff’s (2010) book on video-analysis give substantial practical and analytical guidance in this regard that is very helpful to understand how to select relevant actions and map them onto the transcribed talk. Transcripts are useful tools to uncover the temporal organisation of action and explore how talk, bodily, material and visual action occur along a time line. The researcher then examines the interaction by using the transcript together with the video-data in order to unpack the sequential organisation of the actions. Slow motion and still images are further useful tools for the researcher to reveal participants’ orientation to each other’s actions. The analysis is often supported by the discussion of short fragments of interaction in data workshops with colleagues experienced in the examination of video data as well as on occasions with research subjects or people knowledgeable of the work setting under scrutiny. The information given by these ‘insiders’ on their understanding of a situation often makes important contributions to the analysis. The use of video as a principal data source raises two issues: first, participants’ may respond to the process of data collection and second, the ethics of using audio-visual material as evidence. With regard to participants’ response to the recording equipment it is safe to say that video-recording is not more intrusive than field observation or interview that require the researcher to be in the setting for the duration of the data gathering. In fact, one could argue that video-recording reduce
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participants’ response to the data collection as it allows the researcher to make himself scarce, and observe the events from a distance while the recording is undertaken. However, the influence of the camera can be further reduced by switching off the recording light of the camera and by positioning the camera in unobtrusive locations (Heath/Hindmarsh/Luff 2010; Laurier/Philo 2006). With regards to ethical considerations it is necessary to keep the research subjects informed about the recordings and to use the analysis and the data only for research and teaching purposes and not to evaluate and assess participants’ performance. Access to environments for data collection therefore always requires the agreement of participants prior to the recording taking place, and participants need to be given the opportunity to discuss aspects of data collection with the researcher, and ask for the recording to be stopped or deleted, if for some reason they feel uncomfortable with being filmed (Heath/Hindmarsh/Luff 2010; Knoblauch/ Schnettler/Raab/Soeffner 2006; Knoblauch/Schnettler/Tuma 2015).
5 Developments and Influences Workplace Studies emerged in the late 1990s in response to intellectual and practical developments, such as the growing interest in materiality and the visual in the social sciences (Dant 2004; Harper 2012; Law 1991; Miller 2005; Schnettler/Poetsch 2007). Video-analysis has developed as a particular approach within the social sciences to explore how people orient to and use the material, including their own body, when interacting with others. In recent years, the usefulness of video-analysis has been recognised by those concerned with the sociological study of work. Having relied for a long time on field observation, photography and audiorecordings, researchers with an interest in the study of work practice use videorecordings to capture work processes and interaction and cooperation between personnel in a range of work settings. The emerging body of video-based research in this area investigates the organisation of work that involves the use of technology and of systems that facilitate cooperation between personnel at distributed locations. Therefore, Workplace Studies found resonance not only within various areas of the social and cognitive sciences but also within parts of the technical sciences, including Computer Supported Cooperative Work (Schmidt 2011). In these areas, Workplace Studies enabled the reflection on taken-for-granted notions of work, cooperation and collaboration and indeed of technology itself (cf. Engestrom/Middleton 1996; Heath/Luff 2000; Luff/Hindmarsh/Heath 2000). They also made methodological contributions to the technical sciences where nowadays video-based studies, ethnographies and narrative interviews are recognised as key methods for research and the evaluation of systems and devices. Furthermore, in CSCW as well as in Human-Computer Interaction findings from work-
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place studies have been used to inform the design of systems and work settings. This close relationship between research and design practice has been facilitated by researchers who draw on Garfinkel’s ethnomethodology, and embedded themselves within design laboratories to become at least “vulgarly” competent in the respective work practice (Button/Sharrock 2009, 2001, 2003; see also Anderson 2000). Aside from these „technomethodological“ contributions to design, videobased studies of work also informed the design of technology and work practice, for example by explicating the requirements for systems that support the collaborative work of classicists in interpreting images or the design work of exhibition developers (Flor/Jirotka/Luff/Pybus/Kirkham 2010; Jirotka/Luff 2006; Luff/Heath/ Pitsch 2009). In addition to their contribution to the technical sciences Workplace Studies have also been increasingly influential in wider areas of the social sciences, such as organization studies and marketing as well as more specialised areas such as the study of work in healthcare and health services settings. Rawls (2008) highlighted the relevance of Garfinkel’s ethnomethodology for organisation studies. Her contribution added to an already existing strand of research that used ethnomethodology and conversation analysis to unpack conventional managerial notions of strategy and practice (Llewellyn/Hindmarsh 2010; Samra-Fredericks 2004; SamraFredericks/Bargiela-Chiappini 2008). In recent years, video-based studies have been used to investigate the organisation of work in offices as well as in domains conventionally associated with marketing and consumer research, including service encounters, retail environments and street sales (Llewellyn 2008, 2010; Szymanski/Whalen 2011; Yamauchi/Hiramoto 2016). The impact of Workplace Studies can be noticed in particular in health care and health services that have been subject to extraordinary technological innovations ranging from the introduction of electronic patient records to robotic surgery. Studies in these settings draw on early ethnographic and conversation analytic research that began to explicate the culture of medical work and the organisation of general practice consultations (Becker/Geer/Hughes/Strauss 1961; Heritage/Maynard 2006). There is now a considerable body of video-based studies that explore the organisation of health care and health service work. For example, there is a considerable number of studies of general practice that investigate the processes through which GPs assess the state of a patient’s body and how pain is orally and bodily “demonstrated” and accounted for (Heath 1986, 2002; Heritage/Maynard 2006). Studies of the organisation of psychotherapists’ interaction with their patients reveal how psychotherapists design their professional practice to gain access to and provide accounts for their patients’ psychological states and processes (McCabe/Heath/ Burns/Priebe 2002; Peräkylä/Vehviläinen 2003). Research in operating theatres examines the teamwork in anaesthesia (Hindmarsh/Pilnick 2007) and the interaction between surgeons and other medical personnel (Mondada 2003; Svensson/Luff/ Heath 2009). Moreover, Workplace Studies have been undertaken to unpack the
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organisation of communication in physiotherapy (Perry 2005), dentistry (Hindmarsh 2010), optometry (Webb/Heath/vom Lehn/Gibson 2013), PowerPoint presentations (Knoblauch 2012) and elsewhere. The studies of work in health care and health service settings have contributed to debates in the sociology of health and illness and related areas. They also have had an impact on practice and training (Antaki 2011). For example, Peräkylä and colleagues (2008) elaborate on how the detailed analysis of psychotherapeutic work can inform practice in psychotherapy and Webb and colleagues’ (2013) studies of the work of optometrists have recently formed the basis for the development of a communications training package. We can therefore see how over the past twenty years Workplace Studies that have emerged as a subarea of conversation analysis, i.e. institutional talk, have established themselves as an academic field of research in their own right. The further innovation of the workplace through new systems, devices and infrastructures will increase the interest in this interdisciplinary field of research and thus also lead to innovations of theories and methods in Workplace Studies.
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18. Critical Discourse Analysis and Institutional Communication Abstract: This article presents an overview of central issues in Critical Discourse Analysis (CDA) with a special focus on its application in studies of institutional communication. Although CDA does not represent a monolithic or internally homogeneous academic discipline, the discussion highlights central aspects that commonly surface in CDA-related research. In the theoretical section (Section 2), notions such as “discourse”, “critical” and “power” and their common uses in CDA are outlined. The section on basic methodological issues (Section 3) highlights CDA as an eclectic and methodologically open research programme that is driven by the goal of uncovering hidden agendas in written and spoken language use. Section 4 illustrates a range of linguistic features that have figured prominently in CDA. Finally, section 5 sketches out how CDA has been applied in the study of various discursive phenomena in institutional contexts.
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Introduction Theoretical Underpinnings of CDA Basic Methodological Issues in CDA Potentially Relevant Linguistic Features in CDA Institutional Communication and CDA Conclusion References
1 Introduction Discourse analysis is an interdisciplinary field that studies communicative practices (more specifically language in use) and incorporates influences from disciplines such as linguistics, anthropology, philosophy, historical science and sociology. Depending on the specific type of influence, various kinds of discourse analysis have been established (such as the ethnography of speaking, conversation analysis, interactional sociolinguistics, pragmatics, corpus-based discourse analysis, or multimodal discourse analysis; see Cameron 2001; Cameron/Panović 2014). One type of discourse analysis that is mainly influenced by linguistics and critical theory is traditionally known under the name of Critical Discourse Analysis (CDA) – a designation that is today increasingly replaced by the term Critical Discourse Studies (CDS; see Wodak/Meyer 2015). This terminological shift is meant to highlight the fact that CDA is not a type of “analysis” or a fixed research method but in addition https://doi.org/10.1515/9783110296235-018
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to methodological issues involves theory- and application-related debates (van Dijk 2009, 62). CDA evolved in Europe in the late 1980s from Critical Linguistics (Fowler et al. 1979) and can be seen as a reaction to the dominant formal linguistic paradigms of the 1960s and 1970s (van Dijk 2001, 352). In its 30-year history, CDA has turned into a vast and vibrant field of study, as it has become institutionalised, among other things, through conferences, textbooks and handbooks (e.g., Fairclough 2003; Wodak 2013a–d) and academic journals (Critical Discourse Studies, Discourse and Communication, Discourse & Society, Journal of Language and Politics, to name but a few). Furthermore, it has developed various schools, the most prominent of which include the following (for a more detailed description of each of these approaches, see contributions in Wodak/Meyer 2009, 2015): the discourse-historical approach (Reisigl/Wodak 2009) dispositive analysis (Jäger/Maier 2009) the social actors approach (van Leeuwen 2009) the sociocognitive approach (van Dijk 2009) the dialectical-relational approach (Fairclough 2009) the corpus linguistics approach (Mautner 2009).
Besides, there are numerous researchers who practice CDA without necessarily adhering to any of these major approaches, though it can be assumed that the latter have influenced their work at least to some extent. Due to its high degree of internal heterogeneity as far as theories and research methods are concerned, CDA cannot be regarded as an academic discipline in any traditional sense. Instead, it can be seen as a problem-oriented interdisciplinary research programme, drawing on a variety of approaches, each of which is based on different epistemological assumptions in terms of theoretical models, research methods and agendas. The roots of CDA lie in rhetoric, text linguistics, anthropology, philosophy, socio-psychology, cognitive science, literary studies and sociolinguistics, as well as in applied linguistics and pragmatics (Wodak 2013e, xxi). What unites the approaches exploited in CDA is a shared interest in the semiotic dimensions of issues like power, injustice or socio-political and cultural change in the age of globalisation. Because of its internal heterogeneity, the description of CDA in the present article must necessarily remain incomplete, as it concentrates on aspects that commonly surface in CDA-based research (to the detriment of aspects that are relevant for individual or smaller groups of CDA-based studies). It is therefore important to point out that the aspects described here represent anything but a finite list or a fixed programme. Needless to say, CDA has contributed immensely to the study of institutional communication, workplace discourse and organisational communication (for an overview, see, for example, Deetz/McClellan 2009 and the contributions in Iedema/ Wodak 1999), at times exploiting interdisciplinary ties with Critical Management
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Studies or Organisational Studies (cf. Bührmann 2014). At the same time, the linguistic turn in the social sciences has led researchers in the fields of management and organisational studies to pay greater attention to the way language is involved in the shaping and structuring of organisational discourse. Institutional communication differs from ordinary communication in a number of ways (Koester 2006, 3–5). It is goal-oriented and therefore generally more structured than non-institutional, everyday communication. Moreover, there are usually certain institutional constraints that affect participants’ linguistic behaviour, for example, the communicative rights and obligations associated with certain institutional roles or the required use of technical terms or professional jargon. Participants in institutional communication are often involved in asymmetrical communication – an asymmetry that may be caused by institutional roles and hierarchies or the authority of experts vs. laypeople.
2 Theoretical Underpinnings of CDA It has already been indicated above that CDA does not adhere to a single theoretical framework. Still, there are central concepts in CDA, such as “discourse”, “critical” and “power,” that tend to be understood in certain ways. These are discussed in the present section. The term “discourse” is used in a number of meanings, and specific linguistic sub-disciplines relate in different ways to these. Among the purely linguistic definitions, one well-known structurally oriented description is that of discourse as language above the sentence level. In this definition, the focus is on the structural features of spoken and written language in use, and especially on those features that create textual cohesion. Another linguistic definition views discourse in a contextualised, functionalist fashion, as language in use. A third definition of discourse, which is particularly relevant for Critical Discourse Analysis, is the Foucauldian notion of “practices that systematically form the objects of which they speak” (Foucault 1972, 49). This social theoretical definition is only partly linguistic, as discourse here involves both linguistic and nonlinguistic practices of meaning making. Discourses are here seen – in a poststructuralist sense – as structuring the way people conceptualise the world. They are not a matter of individual agency but constitute intersubjective formations that evolve across people’s communicative practices. This entails that their (linguistic) traces manifest themselves intertextually. Within texts, one typically finds not just manifestations of one particular discourse but often traces of various competing discourses (a quality that has been captured by the Bakhtinian terms “heteroglossia” and “polyphony”). This competition may lead to ideological dilemmas for language users that necessitate negotiation.
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Discourses in the third sense are in general linked to power. Powerful social groups are likely to control public discourse and, as a consequence, the formation of discourses. However, for critical discourse analysts this control of public discourse is not the only way in which power is enacted. Foucault, for example, does not view power in terms of domination from above or as being in the hands of certain individuals. In his theorisation, power is rather jointly produced by the members of a society in the sense that people draw frequently on certain communicative patterns (dominant discourses), while other communicative practices are less prominent (marginalised discourses) or even silenced altogether. Dominant discourses are in fact often associated with what is generally taken to be selfevident, natural and, therefore, largely unquestioned. In other words, they are about what van Dijk (2001, 357) calls “mind control.” Highly naturalised discourses are also called hegemonic discourses and generally support the interests of certain powerful social groups. CDA aims at exposing these naturalised ways of seeing the world as a matter of discursive construction, thereby emphasising their ideological underpinnings and highlighting alternative discourses. In CDA, the purely linguistic and the partly linguistic definitions of discourse are brought together, as it links the micro-analysis of linguistic features in texts and spoken language use to macro-social issues. Whether a greater focus is on the linguistic details or on the macro-social aspects varies across CDA schools (see Unger’s 2016 distinction between, from the perspective of linguistics, centripetal and centrifugal kinds of CDA). Fairclough (1992) conceptualises discourse in CDA as consisting of three components. The notion of “discourse as text” refers to the structural linguistic features of a text, including lexis, grammar and cohesion. Secondly, discourse can be viewed as a matter of “discursive practices”, i.e. practices of how texts are produced, distributed, circulated and consumed. Thirdly, the notion of discourse as social practice refers to ideologies that surface in texts. A central question in this respect is how language or linguistic features contribute to the formation of particular discourses. Note that in the purely linguistic definitions, the term “discourse” is normally used as an abstract, non-count noun, while the broader Foucauldian definition also makes it possible to talk about various “discourses” in the plural. The adjective “critical” in CDA (for a more detailed discussion, see Wodak 2013e, xxvi–xxviii) refers to the influence of Critical Theory and its poststructuralist view of the world as socially (and partly linguistically) constructed. At the same time, it relates to a core motivation shared by all types of CDA, namely that of uncovering hidden agendas and ideologies in the way language is used (for example, racism, anti-Semitism, nationalism, sexism, and other forms of discrimination; issues of globalisation, glocalisation, power, inequality, identity formation and exclusion). What unites CDA researchers is therefore not a canon of theories and methods but the common research goals of making the relationship between discourse, power and ideology explicit and of challenging those naturalised discourses that are deemed harmful.
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CDA studies naturally occurring language use rather than the abstract language system, which means that the analysis of linguistic features is invariably connected to the question of their social relevance. Communication or language use is seen as contextually shaped by society and as shaping society at the same time. The microlinguistic analysis is in CDA generally related to various contextual aspects: the textinternal context (co-text), the intertextual context, the extralinguistic situational context, and the wider socio-political, cultural or historical context. More recent versions of CDA show a tendency to incorporate non-linguistic communication aspects, adopting a broader semiotic or multimodal perspective (e.g., Jancsary/Höllerer/ Meyer 2015; Kress/van Leeuwen 2001). As is typical of a social semiotic theory of communication, language is in CDA not seen in a structuralist sense, as a system of signs, but as a set of communicative resources language users can draw on. Language use is an expression of perspectivisation and, therefore, ultimately a political business. This reasoning is based on the (originally structuralist) notion of contrast: speakers and writers are thought to have a certain pool of linguistic options at their disposal, from which they choose depending on their communicative motivations or political goals. Thus, CDA highlights the ideological significance of linguistic choices. Importantly, language use is in CDA seen as an instrument of social change. More specifically, language can be used to reproduce the status quo or to support transformation by subverting or challenging it. The formation of discourses is not a matter of individual agency but proceeds supra-individually. It is the result of continuing intertextual re-citation and concomitant materialisation, often reaching the level of naturalisation. A central motivation of critical discourse analysts is to cause social change and to encourage resistance against what are deemed to be ethically questionable discursive regimes. An important component in this respect is the denaturalisation of normalised discourses through exposing their discursive formation and cultural relativity.
3 Basic Methodological Issues in CDA CDA is an eclectic approach that is open to various methodologies and therefore potentially hosts a range of, often quite heterogeneous, research methods (see Wodak/Meyer 2009). As the subject matter of CDA is never purely linguistic, this necessitates a certain degree of conceptual openness for interdisciplinary procedures and an integration of insights from outside linguistics (Unger 2016). CDA combines systematic micro-linguistic analysis with a macro-analytic interpretation of the socially constitutive role that linguistic features play. A typical procedure is to identify a certain linguistic pattern within a set of texts (for example, a lexical, grammatical or address-related pattern) and to offer, in a second step, an interpretation of the wider ideological significance of this pattern.
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Even though both spoken and written data types can be studied in CDA, it needs to be noted that most work in CDA analyses public written texts. When spoken language data is analysed, the focus is usually on institutional rather than ordinary talk, i.e. language use in official, media or other public professional contexts. More recently, the integration of ethnographic data or focus groups and narrative interviews has also gained ground in CDA (see Krzyżanowski 2011a). However, most data types used in CDA remain naturally occurring in the sense that they represent authentic language material that has not been elicited specifically for research purposes. In the discourse-historical approach to CDA, for example, which has extensively been used to study discursive practices of the European Union, systematic integration of historical background information is ensured by including a range of data types such as policy documents, field notes, transcripts of meetings, document drafts, interviews and news reports. CDA is problem-oriented and openly acknowledges its non-objectivity and commitment to social change. As an overtly committed and hermeneutic approach, the field is sometimes criticised for its lack of neutrality (e.g., Billig 2003; Hammersley 1997; Widdowson 2004). It is, of course, questionable whether a completely neutral approach to research is possible at all. The crucial question in this respect is what makes the analyst’s interpretations valid. This question has repeatedly been asked, for example, by researchers working in the tradition of Conversation Analysis (e.g., Schegloff 1997), a strictly bottom-up approach that only allows aspects to be used as explanatory tools if participants orient to them in their talk. Still, it is self-evident that the meaning potential of the features of a text is neither unrestricted nor interpretable by CDA researchers at free will, i.e. the semantic and pragmatic meanings of the linguistic forms in a text clearly restrict the number of possible interpretations. Furthermore, the principle of triangulation is employed by many CDA researchers to check whether their findings and interpretations can be verified across methods and datasets. Accordingly, CDA scholars tend to use various sets of data and methods in combination. This is done to avoid a unidimensional analytical representation of a research object, with the various data and methods mutually relativising each other’s impact. Even though qualitative methodologies are typically used in CDA, triangulation with quantitative methods is today a common practice (see Mautner 2009). Although CDA is traditionally considered to be a top-down or deductive approach, because it commonly takes a certain social macro-issue as a starting point, it needs to be pointed out that there are also schools of CDA that have a strong inductive component, moving from data to theory (for example, the corpus linguistic approach or the discourse-historical approach). It is becoming increasingly more common for CDA researchers today to adopt approaches that oscillate between theory and data, with both aspects mutually influencing each other (a procedure that is sometimes called “abductive”).
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4 Potentially Relevant Linguistic Features in CDA CDA does not study linguistic features for their own sake or in purely structural terms but is invariably interested in the constitutive role that such features play in the discursive construction of social phenomena (Fairclough 2011, 9). The linguistic features that CDA may study are manifold and, as a consequence, there is no finite list or catalogue of features to be discussed at this point. The choice of the features analysed in a particular study will always depend on the type of data and the discourses that are to be scrutinised. Still, one can identify certain features that have proven to be relevant across many CDA-based studies (for a more extensive discussion of these, see Machin/Mayr 2012). At the level of word choice, potential areas of interest are the lexical fields language users draw on, connotative meanings and stylistic values of lexical items, overlexicalisation (i.e. the frequent use of quasi-synonymous terms) and lexical absences (i.e. words that are obviously avoided despite the fact that they denote concepts that are essential for a certain topic). This indicates that CDA must also be able to discuss what is not present in a text (Kulick 2005), i.e. which choices language users have strategically avoided, thereby drawing a more sophisticated picture of which issues are foregrounded, backgrounded or silenced in a text. One common phenomenon that is largely created by means of lexical choices is ideological squaring (van Dijk 1998), i.e. the construction of two opposing parties as “good” vs. “bad” in a text, often in connection with a positive in-group or self-representation and a negative out-group or other-representation. The choice of quoting verbs is a way to convey evaluations of speakers and what they say. Compare the following sentence: Jane
said announced complained insisted conceded revealed
that the company would move overseas.
Each of the quoting verbs used in this sample sentence is associated with different implications. Whereas the use of say is relatively neutral, the verb announce suggests a public official declaration. Complain, by contrast, implies that the speaker views what she is saying as negative. Insist indicates that her statement has met with some resistance beforehand, while concede suggests that she lied or said something else at earlier occasions. Finally, the use of reveal implies that the information conveyed was kept secret. (For a typology of quoting verbs, see Machin/ Mayr 2012, 57–58.)
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Another central aspect that figures prominently in CDA is the linguistic representation of social actors, i.e. language users’ choice of personal reference forms and the messages that these choices convey. Structures centrally involved in such representational strategies are personal nouns, pronouns and personal names, together with complex phrases that are headed by such forms. Various strategies may be employed to characterise social actors, often in terms of agency and, by extension, power. One strategy to cover up individual agency or responsibility is impersonalisation (personalised: Defence Minister John Smith declared …, vs. impersonalised: The Ministry of Defence declared …). A similar strategy is anonymisation, i.e. the use of personal reference forms that leave it unclear who exactly the social actors concerned are (e.g., a source/somebody/some people noted …). In some cases, the responsible social actors may even be suppressed or not represented at all (e.g., Globalisation affects all market economies). Higher levels of individualisation usually carry a greater empathy potential (collectivised: soldiers attacked … vs. individualised: two soldiers, Mark Smith and Tom Baker, attacked …). A similar effect is achieved by specific references in comparison to generic references (generic: a soldier attacked … vs. specific: soldier James Smith attacked …). The use of nomination and functionalisation represents social actors in terms of who they are or of which function they fulfil (nomination: Obama vs. functionalisation: the US president). The use of honorifics conveys a higher degree of authority compared to naming a social actor without any title (Obama supports … vs. President Obama supports …). A representational strategy that has often been criticised by feminist linguists is objectivation, i.e. the representation of women and (more rarely) men in terms of their physical features and, therefore, as the object of other people’s gaze (e.g., referring to a woman as a blonde or a beauty, or to a man as a hunk). Pronominalisation is a highly common representational strategy as well. In a sentence like Immigrants and their families flood our job market, it is clear that the first person plural pronoun (our) is used to construct a positive in-group from which to differentiate a negatively viewed out-group (immigrants) that is referred to by means of third person plural pronouns (their). As can be seen in this example, the othering strategy of confronting us and them is often used in the discursive construction of the nation as being in need of protection against foreign influences. Together with the use of lexical oppositions, this pronominalisation strategy is also commonly involved in practices of ideological squaring. With respect to organisational communication, pronominalisation has also been found to be relevant for how interactants construct themselves, namely as an independent individual (I) or as part of and acting on behalf of the company (we; Koester 2006, 4). It is not just social actors that are linguistically represented in texts and talk, but also their actions. Central aspects of this representation include transitivity and the agency level of the verb processes involved (for a typology of such processes, see Machin/Mayr 2012, 106–112). An analysis of the transitivity patterns in a text allows researchers to identify who does what to whom, or who the agents and
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patients of certain actions are. Social actors occurring in the subject position within a sentence are generally associated with higher degrees of agency and, by extension, power than those that are named in the syntactic object slot. Among the various types of processes denoted by verbs, some are connected to particularly high levels of agency (material verb processes like arrest or push; verbal processes like explain or state), i.e. they construct the respective social actors as people who are in a position to do and say things. Other verbal processes are associated with lower levels or hardly any sense of agency (for example, mental processes like think and feel; relational processes like become or represent). While constructions in the active voice require the specification of both agent and patient (The police arrested the criminal), agents may be strategically backgrounded (The criminal was arrested by the police) or omitted entirely (The criminal was arrested) in passive sentences. Another agency-related linguistic strategy is nominalisation. When verbal processes are constructed through nominalisation, this has the effect of concealing agency as well as the point in time of an action (which is in finite verb phrases expressed by means of verb tense). For example, a phrase like the killing of civilians leaves unclear who performed the killing and when the killing took place. (For a discussion of further effects of nominalisation, see Machin/Mayr 2012, 139–144.) A final linguistic feature that has figured prominently in many types of CDA is figurative or non-literal language use. Metaphor has been documented by cognitive linguists to be a fundamental principle of language use (and is therefore not restricted to poetic or creative language use; Lakoff/Johnson 1980). This finding has inspired many critical discourse analysts to systematically study the use of metaphor in texts (e.g., Koller 2004). In metaphorical language use, a target domain is described in terms of a source domain, i.e. a certain concept is viewed in relation to another concept. This can be illustrated by collocations of the noun time. The fact that this noun occurs commonly in collocations like save/invest/spend time indicates that we tend to conceptualise time (target domain) in terms of money (source domain). Metaphors can be of ideological significance in that they may be used to conceptualise aspects in a motivated way. Sometimes metaphors are so deeply entrenched that they appear to be the commonsense or natural way of perceiving a certain aspect, i.e. they form part of dominant, largely unquestioned discourses. Other potentially relevant types of non-literal language use include metonymy (e.g., the White House instead of Obama), hyperbole (e.g., We all died laughing), personification (e.g., Britain will stand tall in the face of the crisis), euphemism (e.g., freedom fighter vs. terrorist) and synecdoche (e.g., There are a few new faces in the room). While the focus of this section was mainly on lexical and grammatical features, it should be noted that other linguistic phenomena are also commonly involved in the formation of discourses and have accordingly been systematically studied in CDA. Argumentative, rhetorical, pragmatic and text linguistic dimensions, for example, have also been found to be relevant.
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5 Institutional Communication and CDA 5.1 Organisations as Discursive Constructions Numerous types of institutions and organisations have been scrutinised in CDA, ranging from educational institutions to business organisations, from political to legal institutions, and from medical to media contexts. The institutional contexts and discourses sketched out in the following sections are therefore by necessity selective. Of course, organisations as such can be viewed as discursive constructions (Fairhurst/Putnam 2004), being reproduced (and changed) in organisational communication practices. At the macro-level, organisations may be associated with certain discourses that correspond to their internal policies. They may, for example, commit to diversity or gender equality in their mission statements. These identity-related macrolevel discourses structure organisational communication, but it is self-evident that they also have to face the competition of other discourses, such as efficiency or profitability, which are the results of economic pressures. The micro-level of discourse refers to concrete instances of organisational communication, i.e. the kinds of text and talk that organisation members perform on an everyday basis, such as conducting meetings, drafting official documents, writing e-mails, gossiping and joking (Mumby/Mease 2011, 284). For CDA, it is of particular interest to study how macro- and micro-level discourses interact in organisations. Micro-level discursive practices do not normally constitute a one-to-one reflection of macro-level policies. By contrast, macro-level discourses are locally negotiated in communicative practices, and are both affirmed and resisted at the micro-level. An important resistance type, for example, is humour (see Holmes 2000). It provides organisation members with a certain degree of agency and enables them to construct alternative organisational realities that contrast with those that have been prescribed by those at the managerial level. Research on the discursive construction of power in organisations traditionally saw power as a possession in the hands of certain social actors in leadership positions within an organisation. More recent work frequently adopts a Foucauldian notion of power, which is “linked to the ability to shape and fix meanings and social realities” (Mumby/Mease 2011, 285). Power in such a conceptualisation is not in the hands of the organisational elite but a decentralised phenomenon that manifests itself in the communicative behaviour of all organisation members.
5.2 The Construction of Gender Identities in the Workplace Gender has been a central issue for CDA studies concentrating on communication in workplace settings. This has to do with the gendered asymmetries that still govern many professional contexts, even in Western societies: lower average incomes
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for women performing the same jobs as men, sexual harassment in the workplace, and the notion of the “glass ceiling” whereby women are prevented from reaching higher professional positions. Moreover, dominant gender difference discourses propagate that women and men are ideal candidates for different kinds of jobs. This stabilises stereotypical divisions of labour, which see men, for example, as better equipped to deal with the trials and tribulations in the higher echelons of the business world (see, for example, the dominance of stereotypically male-associated war metaphors found by Koller 2004 in business magazines). Meanwhile, women are often considered to be particularly well qualified for low-status service professions such as secretary or call-centre agent (cf. Cameron 2000). The construction of gendered identities in workplace settings has been investigated in a substantial number of studies, such as those emerging from the Language in the Workplace Project in New Zealand (see, for example, Holmes 2005) or those conducted by researchers like Angouri (2011), Mullany (2007) and Schnurr (2009). Feminist CDA (Lazar 2005; Wodak 2008) has also commonly been concerned with gender issues in the workplace, covering a wide range of professional contexts such as business magazines (Koller 2008), labour organisations (Martín Rojo/Gómez Esteban 2005) or the European Union (Wodak 2005). An interesting case study that shows how gender and the associated power differential may form constitutive elements of an organisation has been conducted by Ashcraft and Mumby (2004). Drawing on archival and interview data, they analysed how airlines discursively construct professional pilot identities. What they found was that the airlines built their companies around a gendered division of labour that saw men as pilots in powerful positions and women as flight attendants in powerless positions: the airlines deliberately and strategically constructed a Discourse that was heavily gendered in creating a pilot identity that is masculine (professional, rational, cool, fatherly, assertive, etc.) and a complementary flight attendant identity that is feminine (sexy, nurturing, emotional, caring, etc.). […] [T]his Discourse did not develop accidentally, but was a consequence of the airline industry’s need to convince a skeptical public that flying was safe; such safety could be conveyed partly by constructing two very different yet complementary gender identities – one employee group to fly the plane in a professional manner, the other to take care of passengers and take their minds off where they were and how fast they were travelling! (Mumby/Mease 2011, 296)
Contemporary work in CDA criticises such stereotypical gender-related discourses. This criticism is particularly adequate for professional contexts, which generally form contexts in which a person’s gender is normatively speaking not supposed to matter (compare the regulations for gender equal representation in job advertisements operating in many countries today). As is typical of third-wave feminist approaches, much work in CDA today adheres to the tenets of gender de-essentialisation and exposing gender as performative (see Mullany 2009, 215–218). This means that gender is no longer viewed in terms of a strict binarism, which sees (all) men as dominating and (all) women as being dominated in workplace settings. Rather,
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gender is conceptualised in a more nuanced way – often influenced by social constructionist or poststructuralist ideas – as locally performed and contextually varied (for related approaches in Feminist Poststructuralist Discourse Analysis and Queer Discourse Studies, see Baxter 2003; Motschenbacher 2010; Motschenbacher/ Stegu 2013).
5.3 The Construction of Sexual Consent in Legal Contexts Legal institutional contexts are also regularly scrutinised by CDA scholars. Analyses of the verbal behaviour of participants in courtroom trials have become a central sub-field of contemporary forensic linguistics (see, for example, the contributions in Cotterill 2007). Examples of such studies can be found in Ehrlich’s (1998, 2001) work, which provides analyses of the discursive construction of sexual consent in a sexual assault trial. In such hearings, participants tend to draw on competing, and often clashing, discourses, depending on their goals in the trial. Two major discourses are usually at work: a) the assumption that the sexual intercourse was voluntary (perspective of the accused), and b) the interpretation of the sexual intercourse as forced (perspective of the victim). These two contrasting perspectives have an influence on how certain participants behave linguistically in the trial. The claimant and the prosecution will usually highlight the agency of the accused by constructing him syntactically as an active perpetrator in subject position. The accused and the defence lawyer generally avoid syntactic constructions that render the accused the (sole) agent. They employ, for example, passivisation to avoid naming the accused in the subject position of a sentence (e.g., the sweater was removed instead of I/he removed the sweater) or plural references that signal shared agency and mutual consent (e.g., we/they started kissing instead of I/he kissed her). Apart from this, various other linguistic strategies can be observed. For example, positively connotated lexical choices may be used by the accused to construct the sexualised activities as harmless (e.g., the use of the verb help in constructions like I helped her with her shirt). In court, sexual assault victims have to prove that they resisted strongly enough to the perpetrator’s sexual advances. Whereas advice literature on how to communicate sexual refusal effectively often suggests a strategy of “clearly saying no”, more critical analysts have pointed out various drawbacks of such an approach. “Just saying no” is in general a highly dispreferred way of communicating refusal because of its unmitigated directness (Kitzinger/Frith 1999). Therefore, when applied in sexually coercive situations, this strategy may lead to higher levels of aggression and violence and thus work to the detriment of the assaulted. Moreover, such a recommendation only seems to acknowledge the semantic meaning of the word no, while its potentially contrasting pragmatic meaning in sexualised contexts is ignored. The use of no by women in such situations is in many cultures potentially perceived as an instance of token resistance (in the sense of “keep try-
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ing”), motivated by the desire to construct oneself as a “good girl” and to avoid being branded as an “easy lay” (cf. Kulick 2003). It can be concluded from this that the word no does not at all qualify as an effective means to communicate sexual refusal, and that the discursive construction of sexual consent and refusal serves the interests of men rather than women.
5.4 Political Discourse and the Discursive Construction of National and Transnational Identities CDA has also turned to the ethnographic as well as discursive analysis of political communication and institutions (see, for example, Wodak 2009, or overviews in Chilton/Schäffner 2011 and van Dijk 2001, 360–361). One central issue in this respect has been the new emergence of a right-wing populist rhetoric in many European countries (see, for example, the contributions in Wodak/KhosraviNik/Mral 2013). Linked to the investigation of political communication is the discursive construction of national and transnational (and especially European) identities (see, for example, Wodak et al. 1999; Krzyżanowski 2010), which are described in the following. Nationalism and national discourses are historically speaking a relatively recent phenomenon, as they have largely evolved in 19th-century Europe (cf. Joseph 2004; Millar 2005). This already indicates that national identities are not “natural” but culturally created and shaped, and it could in fact be argued that a lot of effort has to be invested to keep up their construction as self-evident and unquestioned. In the words of Anderson (1991), nations can therefore be considered as classic examples of “imagined communities.” Besides direct national indexes (on the linguistic level, for example, national designations like German, Germany, the Germans etc), two basic discursive mechanisms are central components of national construction: the construction of intranational sameness and cooperation (we) and the construction of cross-national differences and rivalries (we vs. they). Of course, many more complex features of the discursive construction of nationalism could be identified, but these will not be elaborated on here for reasons of space (see, however, Wodak et al. 1999 for a detailed treatment). It is important to point out that nationalised discourses are not stable across time. This is evident, for example, in the discursive construction of immigration by the public media. Traditionally, immigration was perceived as a threat to the nation in the sense that the influx of people from various other ethnic backgrounds than those normatively tied to a nation supposedly represents a danger for the internal homogeneity and coherence of the nation (a purist nationalist discourse). However, the way nations are conceptualised today (namely as civic nations rather than as nations by kin) has caused alternative, integrational discourses to increase in their visibility. These view immigration in a more positive light, namely as a form of
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cultural enrichment for the nation, i.e. the traditional exclusive national we discourse is gradually being replaced by an inclusive national we discourse. On the transnational level, it is mainly European identities that have been studied in CDA (e.g., Krzyżanowski 2010, 2011b; Wodak 2007), which is not surprising if one considers that CDA originally was largely a creation of Europe-based scholars. Europe can, in a similar way as the nation, be conceptualised as an imagined community. However, the discursive work that goes into the construction of Europe seems to be more easily recognisable as such due to the relative recentness of Europe as a concept and the obvious fluctuation and negotiation that this concept still necessitates today. Judging from the findings of CDA studies on European identities, there is no monolithic or stable concept “Europe.” What counts as European depends significantly on the context. If one defines Europe on the basis of linguistic, religious, geographical, economic or political aspects, it is obvious that the resulting notion of Europe will differ significantly. Even if one stays at the organisational level, it is easy to identify a range of competing discourses of who is part of Europe (organisations like the European Council, the European Union or the European Broadcasting Union, for example, consist of varying sets of countries). Conceptualisations of Europe may further differ depending on whether they originate from within Europe or come from other parts of the world (see Sing 2011 for an analysis of the US-based discourse of “old Europe” vs. “new Europe”). All of these aspects indicate that Europe and Europeanness are concepts that are still very much in the making. Studies of European institutions and organisations show that European identity construction hardly ever replaces more traditional national identity affiliations but actually exists side by side with the latter. In other words, there is no evidence for a post-national European society, which is not surprising if one considers that members of the European Parliament or other European political bodies are generally seen as representatives of their respective nations. However, another common finding is that members of EU institutions tend to perceive a certain conflict between national and European interests that is often deemed to stand in the way of efficient Europeanisation processes (see, for example, Krzyżanowski 2011b, who uses a discourse ethnographic approach to study the organisational practices of the Second European Convention).
5.5 Discursive Hybridisation in Commercial Communication A phenomenon that has been documented in commercial institutional contexts and relates to patterns of interdiscursivity is generic hybridisation. The latter refers to a recontextualisation of features that are traditionally associated with a particular (non-commercial) genre in sales talk, where they are employed to increase commercial success. Sales talk in principle qualifies as a form of institutional talk that is performed to transact a certain business. However, sales agents are often trained
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to use language in certain ways that on the surface are in conflict with the linguistic make-up of institutional talk (see also Cameron 2001, 31). The use of more informal, personal modes of address as commonly found in private ordinary talk represents such a strategy, sometimes termed “synthetic personalisation” (Fairclough 1992, 204–205). Its use as a persuasive strategy is meant to signal the establishment of a personal relationship between the sales agent and potential customers, to cover up social distance and to foster solidarity between the communicating parties. Call centre operators, for example, are specifically trained to develop communication skills that enable them to address potential customers in a more intimate, personalised fashion (cf. Cameron 2000). The conversationalisation of institutional communication, i.e. the increasing use of less formal modes of communication in institutional contexts, has also been observed to be a more general communicative trend that obscures power differentials between interactants. In commercial contexts, potential customers are generally in a position of power, since they are the ones to decide whether to buy a certain product. Consequently, the commercial success of sales agents crucially lies in the customers’ hands. Synthetic personalisation and conversationalisation are strategically used in advertising to signal common ground, equality and dialogue with the recipient. Advertising thus turns from an openly persuasive form of communication to (supposedly) well intended advice given by a “friend.” Another form of generic hybridisation commonly found in advertising texts is the use of technical terms for persuasive reasons, to create a more scientific, authoritative impression.
6 Conclusion CDA represents a field of study that is particularly well equipped for the investigation of the discursive construction of organisations and institutional communication at the interface of the linguistic micro-level and the social macro-level. Originally a qualitative approach to the critical study of public forms of text and talk, CDA has recently more systematically taken advantage of its status as a conceptually open research field and has successfully incorporated both interdisciplinary theoretical influences and methodological approaches that were originally not associated with CDA (notably ethnography and quantitative corpus linguistic methods). These developments have enabled CDA researchers to draw a sophisticated and comprehensive picture of how discourses evolve in organisations and institutional communication and of the role that linguistic (and non-linguistic) means of communication play in this process. A central insight of CDA-based research is that the way language is used in institutional communication is frequently shaped by strategic considerations of how an institution or organisation wants to appear in the public eye or how individual participants in institutional communication are positioned.
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Sylvia Bendel Larcher
19. Angewandte Gesprächsforschung Abstract: Der vorliegende Beitrag charakterisiert die Forschungstraditionen der Linguistischen Gesprächsanalyse in theoretischer und methodischer Hinsicht und gibt einen Überblick zu gesprächsanalytischen Untersuchungen, deren Gegenstand mündliche Kommunikationsprozesse in organisationalen Kontexten sind und die eine Anwendungsrelevanz bzw. einen unmittelbaren praktischen Nutzen beanspruchen. Themenschwerpunkte betreffen Gesprächstypen in der Privatwirtschaft (u. a. Besprechungen; Verkaufsgespräche; Servicegespräche; Reklamationsgespräche), Kommunikationsprobleme, die für derartige Organisationen als charakteristisch erachtet werden, sowie Aspekte organisationaler Kommunikation, denen in Forschung und/oder Praxis ein besonderes Interesse gilt (Macht/Dominanz; Gender). Ergänzend werden innovative, u. a. durch die Medienentwicklung in Forschung und Praxis geprägte Tendenzen des Forschungsfeldes umrissen sowie in einer kritisch-konstruktiven Perspektive, die den Beitrag insgesamt charakterisiert, theoretische und methodische Grenzen sowie offene Fragen der Forschungsrichtung erörtert.
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Erkenntnisinteressen und Ziele Theoretischer Hintergrund und Methodik Tätigkeitsgebiete und Ergebnisse Literatur
1 Erkenntnisinteressen und Ziele Die Angewandte Gesprächsforschung deckt ein breites Spektrum von Kooperationen zwischen Sprachwissenschaft und Organisationen ab, von der wissenschaftsgetriebenen, anwendungsorientierten Grundlagenforschung bis zur unternehmensinitiierten Auftragsforschung zur Behebung eines spezifischen Kommunikationsproblems. Gemeinsam ist allen Ansätzen, dass Methoden der Gesprächsforschung dazu eingesetzt werden, Einsichten in die Formen und Funktionsweisen mündlicher organisationaler Kommunikationsprozesse zu gewinnen. Die wichtigsten Ziele einer pragmatisch fundierten Gesprächsforschung liegen darin, den „kommunikativen Haushalt“ (Luckmann 1988) einer Organisation zu erfassen, das heißt Art und Häufigkeit aller vorkommenden Gesprächstypen und
Anmerkung: Einer Bitte der Autorin entsprechend wurde die abschließende Textredaktion von den Herausgebern übernommen, die auch das Abstract verfasst haben. https://doi.org/10.1515/9783110296235-019
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von diesen die gattungsspezifischen Handlungs- und Gesprächsmuster zu identifizieren. Unter einer ethnomethodologischen Perspektive stehen die Fragen im Vordergrund, wie in der Interaktion Rollen und Identitäten ausgehandelt werden, wie sich Macht und hierarchische Position im Gespräch bemerkbar machen bzw. durch dieses konstituiert werden und welchen Einfluss soziolinguistische Variablen wie Geschlecht oder Varietät auf das kommunikative Geschehen haben. Sind diese Ziele noch eher grundlagenorientiert, werden unter einer Anwendungsperspektive Fragen der Effektivität und Effizienz zentral. Untersucht wird, welche Formen kommunikativen Handelns geeignet sind, mit dem geringstmöglichen Aufwand praktische Ziele wie die Erfüllung des Arbeitsauftrags zu erreichen, aber auch unternehmerische Leitwerte wie Kundenorientierung oder Wertschätzung umzusetzen. Dabei liegt der Fokus häufig auf der Identifikation von Kommunikationsproblemen, weshalb zum Beispiel Besprechungen und Reklamationen besonders gut erforscht sind. Im Zeichen der zunehmenden Internationalisierung der Organisationen und der heterogener werdenden Belegschaften gewinnt schließlich die Erforschung mehrsprachiger bzw. interkultureller Kommunikation laufend an Bedeutung.
2 Theoretischer Hintergrund und Methodik Unter dem Dach der Angewandten Gesprächsforschung vereinigen sich verschiedene Forschungstraditionen mit unterschiedlichem theoretischen Hintergrund. Die wichtigsten sind die Ethnomethodologische Konversationsanalyse, die interaktionale Soziolinguistik und die Funktionale Pragmatik. Gerade im Kontext der auf Organisationen spezialisierten Gesprächsforschung haben sich die Positionen in den letzten Jahren stark angenähert und methodisch gegenseitig befruchtet. Die Konversationsanalyse (Bergmann 1994, vgl. auch Oberzaucher, in diesem Band) war ursprünglich ganz auf die Funktionsweise von (Alltags-) Gesprächen an sich fokussiert, wird seit einiger Zeit jedoch erfolgreich auch auf Gespräche in Organisationen angewendet (Drew/Heritage 1992), insbesondere dort, wo es gilt, konversationelle Feinheiten wie zum Beispiel Humor am Arbeitsplatz oder die interaktionale Konstitution sozialer Identität zu erfassen (Antaki/Widdicombe 1998). Die interaktionale Soziolinguistik (Günthner 2008) geht hauptsächlich der Frage nach, wie Interagierende sich in der laufenden Situation den Sinn ihrer sprachlichen Aktivitäten anzeigen und ihre Äußerungen kontextualisieren. Mit ihrem Fokus auf konversationelle Genres und das zum Verstehen notwendige, kulturspezifische Hintergrundwissen ist sie besonders geeignet für die Analyse interkultureller Kommunikation in Organisationen. Die traditionell stärkste Anwendungsorientierung weist jedoch zweifelsohne die Funktionale Pragmatik auf, die von Beginn an für die Analyse institutioneller Kommunikation konzipiert war und auch am meisten Erfahrung in gesprächsanalytisch fundierten Organisationsberatungen und
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Kommunikationstrainings vorweisen kann. Die folgenden Ausführungen sind daher schwerpunktmäßig ihr gewidmet. Die Funktionale Pragmatik (Ehlich 1991; Brünner/Graefen 1994; Redder 2008) begreift Sprache als eine Form menschlichen, zweckgerichteten Handelns. In Organisationen ist das sprachliche Handeln institutionellen Zwecken unterworfen. Sowohl die Mitglieder als auch die Klienten einer Organisation können im institutionellen Kontext daher nur bedingt ihren eigenen Intentionen folgen, sondern müssen diese zum großen Teil den übergeordneten Zwecken der Institution bzw. den ihrer Position und Rolle zugewiesenen Aufgaben unterordnen. So steht es einer Schalterangestellten der Bundesbahnen nicht frei zu entscheiden, ob und zu welchem Preis sie einem zahlungsfähigen Kunden eine Fahrkarte verkauft oder nicht. Die Arbeit in Organisationen lässt sich – auch jenseits der Funktionalen Pragmatik – modellieren als ein Bündel, idealtypisch auch als Abfolge von Aufgaben oder Problemen, für die interaktiv eine Lösung gefunden werden muss (Spiegel/SpranzFogasy 2003). Da sich diese Aufgaben täglich und unabhängig von den beteiligten Individuen wiederholen, bilden sich mit der Zeit überindividuelle Konventionen bzw. Routinen aus, nach denen wiederkehrende Probleme mit geringerem kognitiven Aufwand gelöst werden können. Dies führt im institutionellen Kontext zur Herausbildung von sogenannten Handlungsmustern als der konventionellen Art der Durchführung einer kommunikativen Aufgabe wie zum Beispiel „Eröffnung einer Besprechung“. Wo mehrere Handlungsmuster in einer mehr oder minder fixen Reihenfolge kombiniert auftreten, entstehen institutions- und situationsspezifische Aufgabenschemata, deren konventionelle Art der Durchführung als Gesprächsmuster bezeichnet wird, zum Beispiel „Fahrkarten(ver)kauf“. Gesprächsmuster sind abstrakte Konzepte auf der Tiefenebene der Interaktion, die nicht an bestimmte Formulierungen an der sprachlichen Oberfläche gebunden sind. Letztere lassen – neben diachron wechselnden, stereotypen Formulierungen – einen situativ unterschiedlich großen individuellen Gestaltungsspielraum zu (Bendel 2007). Die methodischen Grundprinzipien teilen verschiedene Formen der empirisch fundierten Gesprächsforschung (Deppermann 2008). Gearbeitet wird grundsätzlich mit authentischen Daten, das heißt nicht gestellten Gesprächen, die am Originalschauplatz in der Organisation aufgezeichnet und wörtlich transkribiert werden (Deppermann/Schütte 2008). Stand lange Zeit das gesprochene Wort im Zentrum, werden in jüngerer Zeit vermehrt Videoaufnahmen eingesetzt, die allerdings den Transkriptionsaufwand erheblich vergrößern und neue Probleme bezüglich der Datenpräsentation und Anonymisierung stellen. Für die Aufnahme, Verwaltung, Transkription und Annotation von Gesprächsdaten stehen heute ausgefeilte Programme zur Verfügung, die im Gesprächsanalytischen Informationssystem des Instituts für deutsche Sprache dokumentiert sind (GAIS online). Für die Transkription kommen nach wie vor sehr unterschiedliche Konventionen zum Einsatz (am häufigsten sind CA, HIAT und GAT), sodass die gegenseitige Lektüre der Transkripte erschwert, der Datenaustausch gänzlich verunmöglicht wird.
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Die Gesprächsaufnahmen werden häufig ergänzt durch weitere qualitative Forschungsmethoden wie teilnehmende Beobachtung oder Interviews mit den Organisationsangehörigen. Die zusätzlich erhobenen Daten werden allerdings meistens nur zur Versorgung der Forschenden mit dem für das Verständnis der Gespräche nötigen organisationalen Wissen eingesetzt; eine eigentliche Methodentriangulation bildet bis heute eher die Ausnahme (siehe aber einzelne Beiträge in Hohenstein/Manchen in Vorb.). Ebenso sind quantitative Verfahren, mit denen die Ergebnisse validiert werden können, bis heute sehr selten. Das Ziel einer funktional-pragmatischen Gesprächsanalyse besteht in erster Linie darin, die theoretisch postulierten Form-Funktions-Zusammenhänge aufzudecken, das heißt die für eine Institution konstitutiven Gesprächsmuster zu eruieren und deren Funktion für die Organisation zu bestimmen (vgl. Abschnitt 3.1). Diese werden vor dem Hintergrund der organisationalen Rahmenbedingungen gedeutet, als da sind: vorhandene Kommunikationstechnologien, Aufgabenbeschreibungen, interne Vorschriften, Anreizsysteme, Kontrollmechanismen, Führungsgrundsätze u. a. m. Im Gegensatz zur interaktionalen Soziolinguistik wird dieser Kontext als weitgehend gegeben vorausgesetzt. Die Angewandte Gesprächsforschung gibt sich aber nicht mit der Identifikation der konstitutiven Handlungsmuster einer Organisation zufrieden. Vielmehr richtet sie im Hinblick auf die praktische Verwertbarkeit ihrer Ergebnisse den Blick im zweiten Schritt in der Regel auf kommunikative Probleme. Bei Kooperationen mit Unternehmen, insbesondere bei eigentlichen Beratungsprojekten, stellt die Identifikation und Behebung von Kommunikationsproblemen in der Regel den Kern des Auftrags dar. In einem dritten Schritt werden mögliche Ursachen für die vorgefundenen kommunikativen Probleme gesucht (vgl. Abschnitt 3.2). Im vierten Schritt gilt es, in Zusammenarbeit mit der untersuchten Organisation und den direkt Betroffenen Verbesserungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Diese reichen von der Entwicklung von (kommunikativen) Handlungsalternativen im Rahmen von Einzelcoachings bis hin zu organisationalen Restrukturierungen. Damit ist allerdings die Schwelle von der Gesprächsforschung zum Kommunikationstraining bzw. zur Unternehmensberatung (vgl. Abteilung V) überschritten. Als Letztes sind die Ergebnisse in geeigneter Form zu dokumentieren und im Falle eines Auftrags dem Auftraggeber zu präsentieren. Für organisationsinterne Berichte empfiehlt es sich, auf einen wissenschaftlichen Apparat zu verzichten und Transkriptausschnitte, wenn überhaupt, in stark vereinfachter Form wiederzugeben. Bei einer wissenschaftlichen Publikation ist vor allem auf eine lückenlose Anonymisierung der Daten zu achten.
3 Tätigkeitsgebiete und Ergebnisse In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Tätigkeitsgebiete der Angewandten Gesprächsforschung und ausgewählte Ergebnisse aufgeführt, verbunden mit Hinwei-
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sen auf einschlägige Literatur. Das kann allerdings nur in sehr selektiver Form geschehen. Um den Rahmen nicht zu sprengen, sei auf folgende Sammelbände pauschal verwiesen, deren einzelne Beiträge im vorliegenden Artikel und im Literaturverzeichnis nicht aufgeführt sind: Bartsch 1994, Becker-Mrotzek/Brünner 2004, Becker-Mrotzek/Fiehler 2002, Brünner/Fiehler/Kindt 1999, Fiehler/Sucharowski 1992.
3.1 Analysen institutioneller Gesprächstypen Einen Schwerpunkt der Angewandten Gesprächsforschung bilden die Identifikation und Handlungsmusteranalyse konstitutiver organisationaler Gesprächstypen (Spiegel/Spranz-Fogasy 2003). Besonders gut untersucht sind Interaktionen im Bildungswesen, vom Schulunterricht über Nachhilfestunden bis hin zu Hochschulsprechstunden. Einen zweiten Schwerpunkt bilden Gespräche im Gesundheitswesen, vom Anamnesegespräch über die Visite bis hin zur präoperativen Aufklärung. Gut erforscht sind weitere öffentlich-rechtliche Institutionen wie Gerichte, außergerichtliche Schlichtungsstellen, Arbeits- und Sozialämter sowie Notrufzentralen. Lange Zeit wurde die institutionelle Kommunikation als irgendwie „abweichend“ von der (wie wir heute wissen: weitgehend fiktiven) „Alltagskommunikation“ beschrieben und implizit oder explizit als defizitär oder deformiert beurteilt. So wurde zum Beispiel die Lehrerfrage als „unechte“ Frage kritisiert. Von dieser Ansicht ist man unterdessen weitgehend abgekommen. Menschliches Handeln spielt sich heutzutage mehrheitlich in institutionellen Kontexten ab, sodass der Fokus auf der wertfreien Beschreibung dieser Kontexte und der von ihnen geprägten Gesprächsformen liegt. Dieser Beitrag konzentriert sich auf Gespräche in der Privatwirtschaft (Brünner 2000; Habscheid 2000a). Der Zugang zu organisationalen Gesprächen in privatwirtschaftlichen Unternehmen gestaltet sich bis heute schwierig. Trotzdem liegen auch hier unterdessen von vielen Gesprächstypen detaillierte Analysen vor. Hinsichtlich der internen Unternehmenskommunikation wurden vor allem Besprechungen untersucht. Neben dem generellen Verlauf dieser Gesprächsform interessieren bei Besprechungen einerseits Fragen der Effizienz, andererseits Fragen nach dem Einfluss der hierarchischen Position, des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit und der Sprachkenntnisse der Beteiligten auf den Verlauf der Interaktion (vgl. Abschnitt 3.3). Angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Unternehmen und ihrer Belegschaften wird die Untersuchung von Besprechungen im Kontext von Mehrsprachigkeit und Lingua Franca-Gebrauch immer wichtiger. Punktuell untersucht wurden Instruktionsgespräche mit Auszubildenden (Fillietaz 2009), Bewerbungsgespräche sowie Telefongespräche unter Internen (Bendel 2014). Was noch gänzlich aussteht, ist die gesprächsanalytische Untersuchung der informellen Kommunikation, die schätzungsweise 90 % der internen Kommunika-
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tion ausmacht. Sie wurde bisher lediglich mittels Beobachtungen und Befragungen angegangen. Die externe Kommunikation von Unternehmen ist weit besser untersucht. An erster Stelle steht die Analyse von Verkaufsgesprächen (Pothmann 1997; de Stefani 2007; Dorfmüller 2006). An ihrem Beispiel sei illustriert, wie ein gesprächsanalytisch fundiertes Aufgabenschema konkret aussehen kann. Bei Verkaufsgesprächen in verschiedenen Schuhgeschäften kristallisierte sich folgendes Aufgabenschema heraus (Pothmann 1997): Kontaktherstellung Anliegensformulierung Auswahl
Kaufentscheidung
Kaufrealisation
Beendigung des Gesprächs
Aufforderung zur Anliegensformulierung Benennung des Anliegens Orientierung herstellen Größenfestlegung Modellwahl Entscheidungsvorbereitung Entscheidungsformulierung Entscheidungsbestätigung Preisnennung/-verhandlung Bezahlung Einpacken Übergabe/Zurückstellen Einleitung der Kontaktaufhebung Kontaktaufhebung
Dieses Aufgabenschema gilt cum grano salis auch für Verkaufsgespräche in anderen Branchen. Pothmann (1997) weist allerdings darauf hin, dass sich die Gespräche in einem Spezialgeschäft für Gesundheitsschuhe wesentlich von denen in einem Discounter unterschieden, bei welchem das aufgeführte Schema in deutlich reduzierter Form auftrat. Weitere Untersuchungen zeigen, dass situationsbedingt noch ganz andere Aufgaben hinzutreten können. So entspann sich in einem Hutgeschäft eine längere Diskussion über Umtauschmöglichkeiten bzw. darüber, ob es nicht ratsam wäre, dem nicht anwesenden Beschenkten statt eines bestimmten Huts einen Gutschein zu schenken (Girstmair o. J.). Das Beispiel mag anekdotisch wirken, macht aber deutlich, dass gegenüber Verallgemeinerungen sowie abschließenden Aufgabenschemata dringende Vorsicht geboten ist. Im Zusammenhang mit Verkaufsgesprächen interessiert ferner die Frage, wie der Verkäufer die Beziehung zu Kund(inn)en optimal gestalten kann und welche Verhaltensweisen verkaufsfördernd sind – ein Thema, das in der Ratgeberliteratur breiten Raum einnimmt. Erste Indizien deuten darauf hin, dass der gute Verkäufer seine Fachkompetenz und seine eigene Überzeugung vom Produkt zu beweisen versteht sowie sich mit den Kund(inn)en und ihren Interessen solidarisiert, notfalls auch gegen die Hersteller (Brünner 1994 sowie unpublizierte Seminararbeiten).
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Der zweite gut untersuchte Bereich der externen Unternehmenskommunikation sind Service- und Beratungsgespräche, sowohl face-to-face als auch am Telefon. Bei diesen Gesprächen zeigt sich erneut, dass die Gesprächsmuster ausgesprochen aufgabenspezifisch ausfallen und oft kaum über ein einzelnes Unternehmen hinaus Gültigkeit haben. Das gilt zum Beispiel für telefonische Börsenaufträge und andere Bankgespräche (Bendel 2007). Von besonderem Interesse bei Service- und Beratungsgesprächen ist die fachliche Verständigung zwischen Beratern und Kunden (Pick 2017). Bei komplexeren Produkten und Dienstleistungen sind Serviceund Beratungsgespräche eine Form der Experten-Laien-Kommunikation mit ihren bekannten Verständigungsklippen: beträchtliches Wissensgefälle zwischen Agent und Klient, inkongruente Ausdrucks- und Argumentationsweise (fachlich versus alltäglich), Perspektivendivergenz (institutionell versus individuell), unterschiedliche persönliche und emotionale Betroffenheit. Unkenntnis der institutionellen Rahmenbedingungen kann dazu führen, dass die Klienten nicht einmal ihr Anliegen benennen können (Pick 2010). Ein weiteres Spezifikum von Servicegesprächen besteht in der sogenannten gekreuzten Asymmetrie: Der Agent der Institution verfügt gegenüber dem Klienten nicht nur über einen Wissensvorsprung, sondern auch über mehr Handlungsmöglichkeiten, indem er Zugriff auf die Informationssysteme der Organisation hat und oftmals darüber entscheidet, ob eine bestimmte Dienstleistung gewährt wird oder nicht. Die Kund(inn)en wiederum verfügen über mehr ökonomische Macht, indem sie letzten Endes entscheiden, ob sie ein Geschäft mit dieser Organisation tätigen oder nicht, und sie stehen als Kund(inn)en auch sozial über dem Agenten. Der Balanceakt für die Angestellten der Organisation besteht daher darin, angemessene Formen der Wissensvermittlung und allenfalls Instruktion (zum Beispiel in einer Hotline) zu finden, die die Kundschaft weder überfordert noch in ihrem Gesicht bedroht. Sämtliche Erfahrungen zeigen bisher, dass die Angestellten dazu neigen, der Kundschaft zu wenig Informationen zu vermitteln, insbesondere was die internen Abläufe betrifft. Da explizite Nachfragen seitens der Klienten oft ausbleiben und die – in den Transkripten nachweisbaren – Anzeichen von Nichtverstehen meist so subtil sind, dass man sie leicht überhören (oder gezielt übergehen) kann, muss der Wissenstransfer in vielen Beratungsgesprächen als prekär eingestuft werden. Das betrifft auch den dritten gut untersuchten Gesprächstyp, das Reklamationsgespräch (Schnieders 2004). Das Besondere an Reklamationsgesprächen besteht darin, dass neben die eigentliche Aufgabe – die Behebung des unterlaufenen Fehlers oder Servicemangels – eine ebenso wichtige zweite Aufgabe tritt, nämlich die Regulation der Beziehungsebene einschließlich ihrer emotionalen Dimension. Viele Studien sind unabhängig voneinander zu sehr ähnlichen Ergebnissen gekommen, nämlich dass viele Angestellte, selbst solche, die auf die Reklamationsbearbeitung spezialisiert sind, eine ausgeprägte Abschottungshaltung gegenüber reklamierenden Kunden einnehmen. Diese kann so weit gehen, dass Reklamationen
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nicht einmal als solche erkannt, sondern wie gewöhnliche Kundenanliegen behandelt werden. Elementare deeskalierend wirkende Handlungen wie Verständnis zeigen oder sich entschuldigen bleiben mit großer Regelmäßigkeit aus, ganz zu schweigen von einer materiellen Wiedergutmachung für den Servicefehler. Ein letzter Bereich der externen Unternehmenskommunikation, der zunehmend die Aufmerksamkeit der Angewandten Gesprächsforschung genießt, sind intra- und interkulturelle Verhandlungen. Bei letzteren können routinemäßig eingesetzte Handlungsmuster, die ansonsten die mühelose Verständigung fördern, die Kommunikation gerade zum Scheitern bringen, weil viele Handlungsmuster kulturspezifisch sind. Die genaue Kenntnis der domänen- oder gar unternehmensspezifischen Aufgabenschemata ist die unabdingbare Voraussetzung für die Bestimmung und Behebung von Kommunikationsproblemen. Sie bildet aber auch eine gute Grundlage für die Aus- und Weiterbildung von Angestellten.
3.2 Typische Kommunikationsprobleme und ihre Ursachen Sind die idealtypischen Gesprächsmuster einer Organisation bekannt, können in einem zweiten Schritt allfällige Kommunikationsprobleme bestimmt werden (Fiehler 2002). Als kommunikative Probleme zu gelten haben alle sprachlichen Verhaltensweisen, die entweder die Erreichung des Gesprächsziels gefährden oder die Beziehung zwischen den Interagierenden belasten. Allerdings zeigen die Gesprächsanalysen, dass die Einschätzung, ob bzw. welche Kommunikationsprobleme vorliegen, sowohl zwischen den Gesprächsbeteiligten als auch zwischen diesen und außenstehenden Beobachtenden weit auseinander gehen kann. Hinzu kommt, dass Interagierende unterschiedliche Ziele verfolgen können, sodass je nach Umständen gar kein Konsens darüber bestehen kann, ob ein kommunikatives Problem vorliegt. So kann eine Mitarbeiterin an einer Besprechung den Bericht ihres Kollegen als unangemessene Abschweifung, er selber diesen jedoch als gelungene Selbstdarstellung betrachten. Trotz aller Perspektivendivergenzen gibt es typische, häufig zu beobachtende Kommunikationsprobleme in Organisationen, als da sind: unvollständig ausgeführte Aufgabenschemata, Missachtung interner Vorschriften, verbal unangemessene Verhaltensweisen wie dauerndes Unterbrechen oder Übergehen von Partnerinitiativen, sozial unangemessene Verhaltensweisen wie Vorwürfe, Unmutsbekundungen oder Abschottung, Missverständnisse aufgrund unterschiedlichen Vorwissens oder divergierender Gesprächspraktiken, ergebnislose Gesprächsschleifen, thematische Abschweifungen, verdeckte und offene Konflikte u. a. m. (Hartung 2011). Im mehrsprachigen Kontext werden all diese Probleme oftmals weiter verschärft durch sprachliche Verständigungsschwierigkeiten und interkulturell bedingte Missverständnisse.
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Auch die Ursachen sind in vielen Organisationen dieselben. Das erlaubt es Gesprächsforschenden häufig, in einem neuen Feld relativ rasch die zentralen Probleme und deren Ursachen zu erkennen. Klassische Ursachen sind: – mangelnde Einarbeitung und Fachkenntnisse: die Angestellten verfügen nicht über das notwendige Fachwissen oder beherrschen die Technik nicht; – ungenügendes Informationsmanagement: die Angestellten erhalten die notwendigen Informationen nicht oder nicht rechtzeitig; – mangelnde Gesprächskompetenz und Sprachkenntnisse: die Angestellten zeigen keine professionelle Gesprächsführung oder beherrschen die benötigten Fremdsprachen nicht gut genug; – mangelnde Kompetenzen: die Angestellten erhalten nicht die nötigen Vollmachten, um Entscheide zu fällen und Probleme selbständig zu lösen; – widersprüchliche Vorgaben: die Angestellten werden in eine Zwickmühle zwischen engen Zeitvorgaben und Kundenorientierung, zwischen optimaler Beratung und maximalem Verkauf gestellt; – unreflektierte Routinen: die Angestellten wiederholen scheinbar bewährte, de facto jedoch unangemessene Verhaltensweisen und reflektieren ihr eigenes Verhalten nicht; – hidden agendas und Mikropolitik: die Angestellten verfolgen verdeckte, oftmals eigennützige Ziele. Diese Aufzählung ist insofern unangemessen, als sie misslingende Kommunikation mit Kund(inn)en einseitig den Angestellten anlastet. Sie ist jedoch im Hinblick auf die Praxis angemessen, da realistischerweise lediglich die Angestellten einer Organisation geschult und in ihrem kommunikativen Verhalten beeinflusst werden können. Die Identifikation von Kommunikationsproblemen und ihr Nachweis in den Transkripten kann zur Basis werden für verschiedene Arten transkriptbasierter Weiterbildungen und Kommunikationstrainings (Birkner/Stukenbrok 2009; Fiehler/ Schmitt 2011). Der Vergleich von gelungenen mit misslungenen Formen der Aufgabenbearbeitung ist besonders erhellend, weil daraus unmittelbare Verhaltensempfehlungen abgeleitet werden können. Über die einzelne Organisation hinaus bildet die Arbeit an verschiedenen Korpora die Grundlage für eine allgemeine Definition kommunikativer Kompetenz (Becker-Mrotzek/Brünner 2004; Mondada/Pekarek Doehler 2006).
3.3 Thematisch ausgerichtete Untersuchungen Bei vielen gesprächsanalytischen Untersuchungen steht ein bestimmter institutioneller Gesprächstyp im Vordergrund. Daneben gibt es zahlreiche thematisch ausgerichtete Untersuchungen. Für innerbetriebliche Gespräche besonders virulent ist die Frage, wie sich Hierarchie und Macht auf das Gespräch auswirken (Sarangi/ Roberts 1999). Die diesbezüglichen Befunde sind eindeutig: Entgegen der vieler-
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orts verkündeten Führungsprinzipien, welche auf flache Hierarchien und einen „kooperativen“, „partnerschaftlichen“ Führungsstil setzen, machen sich die betrieblich-hierarchische Position plus allenfalls weitere, soziale Machtfaktoren wie Alter, Erfahrung, besondere Fachkenntnisse oder Zugehörigkeit zum Betriebsrat in allen innerbetrieblichen Gesprächen bemerkbar. Die situativ Mächtigeren genießen umfassende interaktive Vorrechte: – Festlegen von Ort, Zeit, Dauer und Thema des Gesprächs; – Verteilen des Rederechts inkl. der Möglichkeit, jederzeit selbst das Wort zu ergreifen; – Erteilen von Befehlen und Verteilen von Aufgaben; – Bestimmen des Formalitätsgrads und des Interaktionsstils; – Bewerten von Gesprächsbeiträgen anderer; – Loben und Tadeln von An- und Abwesenden; – Initiieren phatischer Gesprächssequenzen inkl. Witze erzählen. In den meisten empirischen Analysen zeigt sich, dass die Vorgesetzten mit großem Abstand am häufigsten sprechen und wesentlich längere Redebeiträge machen, häufig andere unterbrechen ohne selber unterbrochen zu werden, einerseits häufiger eine standardnähere Varietät wählen, gleichzeitig jedoch mehr Tabuwörter und saloppe Ausdrücke benützen, umfassend von ihrem Recht Gebrauch machen, die Taten und Worte der anderen zu bewerten, und als einzige Smalltalk initiieren (Müller 1996). Das bedeutet nun keineswegs, dass es den einen, typischen kommunikativen Führungsstil gibt. Vielmehr üben Vorgesetzte ihre Vorrechte unterschiedlich ausgeprägt und mit unterschiedlichen verbalen Mitteln aus. Die verschiedenen Stile kann man auf einem Kontinuum von Direktheit verorten, wobei beim indirekten Stil zum Beispiel Aufforderungen in Form von Vorschlägen oder Bitten geäußert werden und Kritik mit vielen Heckenausdrücken gemildert wird. Beim direkten Stil werden entsprechend Aufforderungen mit Imperativen und Kritik ungemildert geäußert. Aus ethnomethodologischer Sicht ist Macht jedoch ein interaktives Phänomen, das nur ausgeübt werden kann, solange die Gegenseite mitspielt. Die hierarchisch und sozial tiefere Position wird von den Betroffenen in Form von kommunikativer Selbstbeschränkung (Schmitt/Heidtmann 2002) interaktiv angezeigt und bestätigt. Selbstbeschränkung zeigt sich unter anderem in wesentlich kürzeren Redebeiträgen und noch häufiger in gänzlichem Schweigen, in der Verwendung von mehr Unsicherheitsmarkern und relativierenden Ausdrücken, aber auch im Display größerer Emotionalität und Subjektivität. Eng mit dem Thema Macht verbunden ist eine zweite Frage, nämlich ob das Geschlecht der Beteiligten die Interaktion beeinflusst, eine Frage, die auch in der populärwissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion breiten Raum einnimmt (Kotthoff/Günthner 1992). Die Befunde sind nicht eindeutig. Einige Studien unter-
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stützen die These, dass Frauen einen eher kooperativen, personenorientierten Stil pflegen, Männer einen eher kompetitiven, sachorientierten Stil. Dagegen wird vorgebracht, dass Frauen und Männer bis heute in stark differierenden Berufen und Positionen tätig sind, sodass sich ihr divergierendes Gesprächsverhalten nicht unbesehen auf das Geschlecht zurückführen lässt. Ziemlich gesichert ist, dass Frauen ihre Äußerungen häufiger als persönliche Meinung markieren, während Männer mehr allgemeingültige Aussagen treffen und Autoritäten zitieren. Frauen zeigen ein intensiveres Rückmeldeverhalten und längere Überlappungen zwischen den Gesprächsbeiträgen, welche von Männern teilweise als Unterbrechungen wahrgenommen werden. Frauen erbitten häufiger Hilfe und bieten solche an, was als Zeichen der Verbundenheit empfunden wird, während Männer Situationen der Hilfsbedürftigkeit eher meiden, weil sie als Schwäche erlebt werden. Frauen betonen stärker den Konsens und spielen ihre eigene Kompetenz eher herunter, während Männer mehr auf den Status bedacht sind und ihre Kompetenz hochstufen. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal besteht jedoch darin, dass Frauen wesentlich häufiger einen indirekten Kommunikationsstil pflegen als Männer. Der genderspezifische Gesprächsstil kann für Frauen in Führungspositionen zum Problem werden (Holmes 2005). Behalten sie den als weiblich konnotierten Stil bei, werden sie als unsicher oder unentschlossen wahrgenommen, eignen sie sich einen direkten, die eigene Kompetenz herausstreichenden Stil an, sind sie in ihrer Geschlechtsidentität bedroht, da dieser Stil nach wie vor mit Männlichkeit verbunden wird. Bisher nur punktuell behandelt wurden Fragen der Effizienz von Kommunikation (vgl. Dannerer in diesem Band) sowie die Bedeutung von Humor in der innerbetrieblichen Kommunikation.
3.4 Erweiterungen und aktuelle Tendenzen Solange der Angewandten Gesprächsforschung lediglich Audioaufnahmen zur Verfügung standen, waren ihre Analysen auf das gesprochene Wort beschränkt – das erklärt auch die Vorliebe für die Untersuchung von Telefongesprächen. Die Beschränkung auf das Verbale führte jedoch eindeutig zu einer Unterästimierung der nonverbalen Kommunikation sowie der physischen und technischen Umgebung der Interaktion. Eine klare Fehleinschätzung liegt zum Beispiel beim Umgang mit Gesprächsphasen vor, in denen nicht gesprochen wird. Sie wurden und werden zumeist pauschal als Pausen bezeichnet, obwohl davon auszugehen ist, dass in diesen „Pausen“ die Interaktion in aller Regel auf der nonverbalen Ebene fortgeführt wird bzw. relevante manuelle Tätigkeiten ausgeführt werden. Der Trend geht daher ganz klar Richtung Videoaufzeichnung und, damit verbunden, der Analyse multimodaler Kommunikation (de Stefani 2007). Die bereits vorhandenen Studien zeigen, dass Körperposition, Gesten und Blickverhalten eine
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eminente Bedeutung bei der Koordination von Aktivitäten und bei der Regelung des Sprecherwechsels einnehmen. Im Rahmen organisationaler Kommunikation hat sich die Manipulation von Objekten als besonders bedeutsam erwiesen: Sei es ein Hammer an einer Kunstauktion, die Wandtafel im Klassenzimmer oder ein Ordner mit wichtigen Unterlagen in einer Besprechung – der Einsatz von Objekten unterstützt und unterstreicht den Einfluss der situativ mächtigen Person. Eine zweite Erweiterung der Gesprächsanalyse besteht im stärkeren Einbezug der technischen Umgebung, die unter dem Stichwort der Mensch-Maschine-Interaktion behandelt wird (Matuschek/Henninger/Kleemann 2001). Ein Interessenschwerpunkt liegt in der Analyse von Videokonferenzen bzw. dem Einfluss dieser Übermittlungstechnik auf die Interaktion. Besonders gut untersucht sind Gespräche in Callcentern, welche nicht nur von der anstehenden Aufgabe geprägt werden, sondern auch von der benützten Software, da die Callagents parallel zur Gesprächsführung im Computer Informationen suchen sowie Daten eingeben. Ein neues technisches Element, und sei es nur die Kundenidentifikation mittels Passwort, kann etablierte Handlungsmuster nachhaltig verändern (Bendel 2006). Je starrer die Eingabemasken programmiert sind, umso stärker wird die Gesprächsführung von ihnen bestimmt, was für die Callagents eine Hilfe sein kann, oft aber auch eine situationsgerechte, flexible Gesprächsführung behindert. Im Kontext von Callcentern ist die Stimme eine wichtige Arbeitsressource, da die Callagents in erster Linie über ihren Sprechausdruck die Sympathie und das Vertrauen der Kundschaft gewinnen müssen. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass in jüngster Zeit eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit von Gesprächsforschenden mit Sprechwissenschaftler(inne)n entstanden ist, welche die Kompetenz mitbringen, den Sprechausdruck fundiert zu analysieren und dessen Einfluss auf das Gespräch nachzuweisen. Sprechwissenschaftliche Studien von Callcenterkommunikation haben gezeigt, dass unterschiedlichen Stimmen nicht nur unterschiedliche Charaktereigenschaften zugeschrieben werden, sondern dass der Erfolg von Callagents wesentlich davon abhängt, ob es ihnen gelingt, den Eindruck von Authentizität zu vermitteln. Als besonders problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang das Ablesen von Gesprächsleitfäden (Hirschfeld/Neuber 2011). Im Zusammenhang mit Reklamationen kann eine unangemessene Sprechweise, zum Beispiel ein vorwurfsvoller oder abweisender Unterton, ein auf der verbalen Ebene schon unangemessenes Verhalten wie das Anzweifeln der Glaubwürdigkeit des Kunden zusätzlich verschärfen (Bose u. a. 2012). Ein weiterer Bereich, der gegenwärtig an Bedeutung gewinnt, ist die Erforschung individueller Unterschiede im Gesprächsverhalten und in der Gesprächskompetenz (Spranz-Fogasy 1997). Auch wenn die Kommunikation in Organisationen von der Aufgabe bestimmt und von außerlinguistischen Faktoren wie Position und Geschlecht geprägt ist, so zeigen jüngere Studien, dass auch im institutionellen Rahmen Platz für Individualität bleibt und genutzt wird, nicht nur von Führungskräften, die den Kommunikationsstil in ihrer Abteilung maßgeblich prägen,
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sondern auch von einfachen Angestellten an der Hotelrezeption oder im Callcenter (Bendel 2007). Diese Linie gilt es weiterzuverfolgen, gerade im Hinblick auf maßgeschneiderte Kommunikationstrainings und individuelles Coaching am Arbeitsplatz. Dabei wäre eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Personalfachleuten und Psychologen wünschenswert. Ein letzter interdisziplinärer Bereich, der an Bedeutung gewinnt, sind Arbeiten im Schnittfeld von Organisationskommunikation, Mehrsprachigkeit und interkultureller Kommunikation (Kameyama/Meyer 2007; Kotthoff/Spencer-Oatey 2009; Hohenstein/Manchen Spoerri in Vorb.).
3.5 Probleme und offene Fragen So wichtig die Ergebnisse der Angewandten Gesprächsforschung für das Verständnis organisationaler Kommunikation auch sind, so kann man nicht übersehen, dass sie oft sehr punktuell bleiben. Minutiös untersucht wird das Gespräch am Fahrkartenschalter – aber was sagt dieses über die gesamte Kommunikation der Bundesbahnen aus? In Zukunft wird es notwendig sein, Gesprächsanalysen einzubetten in Formen der Organisationsforschung, die stärker die Gesamtheit der betrieblichen Kommunikation ins Auge fassen, auch der schriftlichen. In diese Richtung weist ein Projekt, in welchem die Kommunikation entlang einer ganzen Wertschöpfungskette untersucht wird inklusive der dabei eingesetzten handschriftlichen Notizen und Skizzen sowie der vor- und nachgelagerten gedruckten Dokumente (Jakobs u. a. 2011). Auch die Gestaltung der Arbeitsumgebung und insbesondere der Architektur sollte in ihrem Einfluss auf die Kommunikation nicht unterschätzt werden. Erste interdisziplinäre Projekte mit Architekten und Arbeitspsychologen fördern interessante Ergebnisse zu Tage (Hochschule Luzern 2013). Die Zukunft der Angewandten Gesprächsforschung liegt ganz klar in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Betriebsökonomen, Ingenieuren, Psycholog(inn)en, Industriedesigner(inne)n und Architekt(inn)en. Ein Problem der Angewandten Gesprächsforschung liegt in der mangelnden Klarheit darüber, inwieweit die Kommunikation in Organisationen von den Strukturen, inwieweit von den Individuen und ihrer Kommunikationskompetenz geprägt wird. In der Konversationsanalyse und in der interaktionalen Soziolinguistik wird der Kontext der Kommunikation nur insoweit berücksichtigt, als er von den Interagierenden selber hergestellt wird. Welche Freiheitsgrade die Interagierenden dabei haben, wird weder theoretisch noch praktisch thematisiert, die Gesprächsbeteiligten scheinen gleichsam im luftleeren Raum zu interagieren. Bei Kommunikationstrainings schließlich wird in der Regel stillschweigend davon ausgegangen, dass es die Individuen, insbesondere die Angehörigen der Organisation sind, die den Gang der Kommunikation bestimmen, was aber durch die Gesprächsanalysen nur teilweise gestützt wird.
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Es ist bis heute letztlich nicht klar, welchen individuellen Handlungsspielraum Organisationsangehörige haben und wie bedeutsam ihre individuelle Gesprächskompetenz ist – man muss hier von einem eigentlichen Theoriedefizit sprechen. Es wäre dringend zu wünschen, dass die Gesprächsforschung den Anschluss an Organisationstheorien sucht. Besonders geeignet wäre wohl die Theorie der Strukturierung von Anthony Giddens (1988), da sie genau das Problem bearbeitet, das in der Gesprächsforschung als Mikro-Makro-Problem bekannt ist (Habscheid 2000b), nämlich die Vermittlung zwischen der Mikroebene der konkreten Interaktionen und der Makroebene der gesellschaftlichen bzw. organisationalen Struktur. Giddens (1988) setzt als vermittelnde Ebene zwischen Struktur und Handeln organisationale Routinen, Regeln und Normen. Daran ist die Funktionale Pragmatik mit ihrem Verständnis von Routine unmittelbar anschlussfähig. Mit der Angewandten Gesprächsforschung gut verbinden lässt sich auch die Theorie des Organisierens von Karl Weick (1985), der betont, dass Organisationen nicht aufgrund gemeinsamer Ziele, sondern aufgrund aufeinander abgestimmter Handlungen funktionieren. Auch diese Theorie lässt sich mit einem Handlungsmodell von Sprache bruchlos verbinden. Weicks Konzept der Selbstorganisation wurde denn auch schon erfolgreich für die Analyse organisationaler Kommunikation verwendet (Menz 2000). Die Systemtheorie schließlich wurde vorgeschlagen als Vorbild für die Modellierung des Gegenstands Gespräch (Hausendorf 2008), was in der Angewandten Forschung allerdings noch kaum aufgegriffen wurde. Es könnte für die Angewandte Gesprächsforschung auch lohnend sein, stärkere Anleihen bei der Kritischen Diskursanalyse zu machen (Wodak/Meyer 2009), da dort verschiedene Vorschläge gemacht wurden, wie einzelne, konkrete (meist schriftliche) Texte mit übergreifenden gesellschaftlichen Strukturen in Verbindung gebracht werden können. Darunter befinden sich das Konzept des „order of discourse“ von Norman Fairclough (2005) und das Konzept der „social cognition“ von Theun van Dijk (2011). Ein ganz anders gelagertes, aber chronisches Problem der Angewandten Gesprächsforschung liegt in der Frage nach den normativen Grundlagen, auf welchen Urteile über „Auffälligkeiten“ und „Probleme“ gefällt sowie Handlungsempfehlungen abgegeben werden. Viele Gesprächsforschende weigern sich rundheraus, Ratschläge zur Gesprächsführung abzugeben und delegieren das „Entwickeln von Handlungsalternativen“ an die Betroffenen. Andere haben wohl ein klares Urteil darüber, welche kommunikativen Verhaltensweisen angeblich problematisch oder unangemessen sind, legen aber die diesen Urteilen zugrunde liegenden Normen nicht offen. Die unausgesprochene Idealvorstellung scheint meistens das kooperative, reibungslose, effiziente, zielorientierte Gespräch mit klarem Ergebnis zu sein. Mit dieser Vorstellung übernehmen die Gesprächsforschenden ein Kommunikationsideal, das einerseits einem weit verbreiteten Common Sense entspricht, andererseits klar ökonomische Zielsetzungen und betriebswirtschaftliche Ideologien bedient. Da bleibt kaum Platz für die Frage, ob andere Formen des Interagierens wie
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das Streiten, das Umkreisen eines Themas, das Entwickeln möglichst vieler verschiedener Optionen oder das Stehenlassen von Meinungsverschiedenheiten nicht auch ihren gesellschaftlichen Wert hätten und vielleicht sogar einer Organisation langfristig dienen könnten. Mit dem Ideal des reibungslosen, effizienten, zielorientierten Gesprächs wird auch systematisch verschleiert, dass die Ziele der verschiedenen Organisationsangehörigen eben nicht immer deckungsgleich sind, ganz zu schweigen von den Zielen ihrer externen Gesprächspartner. Die verstärkte Hinwendung der Gesprächsforschung zum Thema Umgang mit Dissens (Sternberg 2011) wäre wünschenswert. Damit eng verbunden ist das letzte Problem, nämlich die bisher zu wenig reflektierte Frage, inwieweit sich die Angewandte Gesprächsforschung im Kontext eines Auftragsverhältnisses verändert. Es ist davon auszugehen, dass der gesamte Forschungsprozess betroffen ist, wenn nicht mehr die reine Erkenntnis, sondern die Profitmaximierung das Ziel der Forschung ist.
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20. Konzeptuelle Kulturspezifik in der Organisationstheorie Abstract: In der Organisationstheorie ist seit ihrer Etablierung als eigenständiger Wissenschaftszweig das Augenmerk vor allem auf den funktionalen Aspekt von Organisationen gelegt worden, ohne nach den kulturspezifischen Traditionen in der Auffassung dessen, was als organisationstheoretisch effektives Handeln bezeichnet werden könnte, zu fragen. Angehende Manager werden jedoch schon während ihrer Studienzeit in entscheidender Weise durch das kanonisierte fachwissenschaftliche Denken ihres Kulturkreises beeinflusst, was später zu kulturell divergierenden Konzeptualisierungen über organisationales Handeln führen kann. Der Beitrag versucht zu zeigen, dass konzeptuelle Implikationen von Sprache nicht lediglich durch propositionale Auffassungen von Kommunikaten gegriffen werden können. Vor allem in der Nachfolge der Forschungen zu kognitionswissenschaftlichen Aspekten von Sprache zeigt sich, dass die bild-schematische Dimension auch in der fachwissenschaftlichen Kommunikation entscheidende Einblicke in tradierte Konzeptualisierungsweisen liefern kann. Daraus ergibt sich, dass kulturspezifische Konzeptualisierungen eines Fachbereichs gerade im Bereich nonpropositionaler Aussagen zu finden sind und anhand bild-schematischer Analysen erfasst werden können. Dies wird im Beitrag exemplarisch anhand von bildschematischen Analysen deutscher und schwedischer Organisationstheorie versucht einsichtig zu machen.
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Einleitung Kulturspezifik und Fachwissen Die Bild-Schemata Bild-Schematik in der Organisationstheorie Das ZENTRIFUGALMODELL deutscher Organisationstheorie Das ZENTRIPETALMODELL schwedischer Organisationstheorie Abschließender Kommentar Literatur
1 Einleitung Befasst man sich mit einem Fachbereich, wie z. B. dem der Organisationstheorie aus kognitionslinguistischer Sicht, so hat man es sofort mit einem Grundproblem zu tun, das von Anfang an offen angesprochen werden muss. Dies muss getan werden, um den Erkenntniswert vollends ausschöpfen zu können, der sich aus der Kombination von Organisationslogik, kognitiven Modellen und Kulturrelevanz https://doi.org/10.1515/9783110296235-020
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ergibt. Es handelt sich dabei um das Invarianz-Problem: die Annahme, dass unser Wissen über Phänomene in der Welt durch die Eigenart dieser Phänomene selbst bestimmt werde. Vor allem im Bereich fachwissenschaftlicher Diskurse besteht die Gefahr, dass man in die Invarianz-Falle tritt, dass man also von der (oft stillschweigend angenommenen) Auffassung ausgeht, dass Wissenschaft – hier Organisationstheorie – eine, wenn nicht objektive, so doch ein für alle Male intersubjektiv nachvollziehbare und vor allem kulturunabhängige Beschreibung des Phänomens Organisation liefern kann. Die Nichthaltbarkeit der Invarianz-Hypothese ist erkenntnistheoretisch in der Wechselwirkung zwischen Sprache und der „Entwicklung von Wissen über die Welt“ (Ehlich 2007, 159) erkannt worden. Als Konsequenz hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Interrelation zwischen Sprache und Wissen über die Welt vor allem anhand empirischer Detailuntersuchungen zwischen Einzelsprachen zu erforschen, will man der Frage nach der Art des Bezugs zwischen Kommunikationsform und wissenschaftlicher Sachkenntnis weiter auf den Grund gehen: Für die Wissenschaftssprachkomparatistik ergibt sich somit die Notwendigkeit, allgemein die einzelsprachenspezifische Ausprägung dieser Mittel vergleichend herauszuarbeiten und ihre wissenschaftliche In-den-Dienst-Nahme anhand des wissenschaftlichen Sprachausbaus nachzuvollziehen. (Thielmann 2012, 53 f.)
Damit erhält die Frage, wie Einzelphänomene in der Welt beschrieben werden, unweigerlich eine erkenntnistheoretische Dimension: Die Art der (auch wissenschaftlichen) Darstellungsweise von Welt markiert zugleich die Wahl einer Perspektive, mit der ein zu beschreibender Bereich verstanden werden soll. Hat sich einmal eine Beschreibungstradition innerhalb einer kulturellen Gemeinschaft herausgebildet, so ist zusätzlich zur rein sprachlich bedingten Beschreibungsmöglichkeit (Sprachsystemimmanenz) auch eine konzeptuelle Gewohnheit (Kultursystemimmanenz) sinnbildend innerhalb eines Fachbereichs geworden.
2 Kulturspezifik und Fachwissen Die Frage der Perspektivengebundenheit von Erkenntnis ist nichts Neues, wenn auch im Bereich der Wissenschaftsphilosophie nicht unumstritten (vgl. Hübner 1986; Goodman 1990). Jedoch ist bisher noch sehr wenig darüber bekannt, wie sich die Interrelation zwischen mental vorgeprägten Konzeptualisierungen als kulturspezifische kognitive Modelle und ihrer Verschriftlichung aufgrund von Texten nachweisen lassen. Vor allem die Forschung zur kognitiven Metapherntheorie hat die Modellhaftigkeit fachwissenschaftlicher Kommunikation in verschiedenen Fachbereichen nachweisen können; so z. B. Morgan 2006 für die Organisationstheorie, Eckardt 2002 für den juristischen Bereich, Busch 1998 für die Informatik, Jäkel 1997 und 2003 für die Bereiche Geistestätigkeit, Wirtschaft, Wissenschaft und
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Religion, Hundt 1995 für Theoriesprachen der Wirtschaft und Jakob 1991 und 1998 für den Bereich der Technik. Jedoch sind diese Untersuchungen sprachintern ausgerichtet, ohne systematisch nach den sprach- oder kulturübergreifenden konzeptuellen Unterschieden in der Darstellungsweise wissenschaftlicher Phänomene zu fragen. Dies gilt in Bezug auf die Frage, wie Sachinhalte dargestellt werden, ebenso für viele Werke im Bereich der Organisationstheorie. So stellen in der Regel die meisten theoriegeleiteten Zugriffe zum Phänomen Organisation stillschweigend den Alleingültigkeitsanspruch. Unterschiede in der Auffassung, wie Organisationen zu verstehen sind, werden vor allem als diachron sich entwickelnde und mehr oder weniger sich gegenseitig ablösende – progressive – theoriengetriebene Konzepte aufgefasst, ohne nach den im synchronen Vergleich zwischen Sprachkulturen unterschiedlichen und systemimmanent erstaunlich beständigen Konzepten zu fragen (Hatch 2013; McAuley u. a. 2007; Morgan 2006). Zwar geht Hatch in der Neuauflage ihres Werks 2013 auf Kulturunterschiede im Organisationsverhalten ein, tut dies jedoch auf der Grundlage der Hofstede’schen Wertekategorien, was nicht die Frage der unterschiedlichen organisationstheoretischen Konzepte betrifft. Auch ist die Untersuchung Hofstedes (1980) methodisch allein schon dahingehend problematisch, dass es auf einer Befragung von Fachkräften eines einzigen globalen Unternehmens (IBM) fußt. Entscheidend auch für die Ausprägung von Organisationstheorien in diesem Fall ist, dass die jeweiligen landeskulturellen Traditionen stark variieren können. Selbst im Fall der Globalisierung von Fachkenntnissen kann nicht automatisch eine gleiche Bewertung der Einzelaspekte dieser Kenntnisse im universalen Sinn angenommen werden. Oder anders ausgedrückt: Das WAS eines kulturübergreifend relevanten Sachaspekts impliziert nicht notgedrungen ein kulturübergreifend identisches WIE des Beziehungsaspekts innerhalb kultureller Traditionen zu den gegebenen Sachfragen. Diese interkulturelle Perspektive wirft auch fachsprachentheoretische Fragestellungen auf. Ist die Verstehensmöglichkeit fachsprachlicher Texte u. a. auch an kulturspezifische Konzeptualisierungstraditionen gebunden, dann kann nicht von einer lediglich textgesteuerten und universal einheitlich geprägten Fachtextrezeption ausgegangen werden. Diese Einsicht wird auch durch die Erkenntnisse zum Bereich der interkulturellen Kompetenz bestätigt. Letztere ist weniger als zusätzliche Kompetenz neben solchen wie der Personal-, Sozial-, Fach- oder Methodenkompetenz zu greifen, sondern versteht sich eher als ein multiples zusammengesetztes Konstrukt, das in seiner synergetischen Funktionalität ebenso intra- wie auch interkulturell relevant ist (Bolten 2007 und 2012). Aus der Sicht der vorliegenden Untersuchung ist hierbei entscheidend, dass interkulturelle Kompetenz als „Variante einer allgemeinen Handlungskompetenz und nicht als eigenständige fünfte Teilkomponente zu verstehen [ist]“ (Bolten 2007, 214). Für die Frage der Kulturgebundenheit von Fachwissen (und die daraus folgenden Konsequenzen auch für den Bereich der Organisationstheorie) ist es zunächst wichtig zu erken-
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nen, dass Fachwissen als Teilaspekt interkultureller Forschung nicht losgelöst werden kann von der interkulturellen Kompetenz. Dies wird im folgenden Modell als der Bereich der „interkulturellen Fachkompetenz“ angegeben:
Abb. 1: Integratives Modell interkultureller Kompetenz nach Bolten 2012, 129.
Da die interkulturelle Kompetenz keine eigenständige Handlungskompetenz darstellt, wie aus der obigen Abbildung deutlich wird, hat dies auch Konsequenzen für die Frage nach der Kulturbedingtheit von Fachwissen. Fragt man weiterhin danach, wie die Fachkenntnisse in einem gegebenen Aufgabenbereich beschrieben bzw. dargestellt werden können, so ergibt sich hieraus die Frage nach der Modellhaftigkeit dieser Kenntnisse, die die jeweilige Fachkompetenz begründen. Verlagert man den Fokus der Aufmerksamkeit weg von den systemimmanenten Aspekten auf mögliche kulturspezifische Besonderheiten in der Ausprägung der fachwissenschaftlichen Konzepte, wie im vorliegenden Beitrag, so hat man es gleichzeitig mit einem interkulturellen Grundproblem zu tun: Wie soll der erwiesenermaßen als abstrakt zu verstehende Bereich der kulturgeprägten „Konceptas“ über den Zugriff der sinnlich wahrnehmbaren Texte als Artefakte („Perceptas“) intersubjektiv nachvollziehbar dargestellt werden (Bolten 2012, 58)? Was als erkenntnistheoretischer Grundsatz zur Ausprägung handlungsgeleiteter und -leitender Schemata (Konceptas) gilt, gilt im kulturvergleichenden Sinn ebenso für den Erfahrungsbereich der organisationstheoretischen und -praktischen Grundsätze, mit de-
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nen man schon während der Ausbildungszeit und des Studiums sowie später am Arbeitsplatz konfrontiert wird: Je vielfältiger unsere Erfahrungen sind, desto weniger ‚verhärtet‘ (und damit flexibler) sind die Schemata, mit denen wir agieren. Machen wir hingegen nur wenige (und immer gleiche) Erfahrungen, verhärten sich die Schemata, mit denen wir Wirklichkeiten interpretieren. Unsere Interpretationsmöglichkeiten sind dann geringer, sodass wir dazu neigen, Unbekanntes entweder gar nicht zu tolerieren oder es ‚stereotyp‘ bzw. ‚falsch‘ einzuordnen. (Bolten 2012, 58)
Unter sprachwissenschaftlichem Aspekt ist besonders relevant, dass diese konzeptuell geprägten Schemata neben dem episodischen Gedächtnis ebenso unser semantisches Gedächtnis prägen (Ungerer/Schmid 2013; Bolten 2012; Busse 2008). Im Bereich der Organisationssprache müsste sich dies dann auch in unterschiedlichen fachsprachlichen Begrifflichkeiten im Vergleich zweier oder mehrerer Sprachen zeigen. Der im Wirtschaftsalltag oft beschworene Ausweg über eine lingua franca bietet hier keine Alternative, denn unabhängig davon, ob z. B. Englisch als Muttersprache oder gelernte Fremdsprache benutzt wird, ist die Sprachverwendung auch in diesem Fall nicht losgelöst von der Interrelation zwischen lebensweltlicher Erfahrung (Perceptas) und Versprachlichungslogik (Konceptas). Mit anderen Worten: Ähnliche Phänomene können in unterschiedlichen Sprachen mit sehr unterschiedlichen Begriffslogiken – selbst im fachsprachlichen Bereich – ausgedrückt werden, was weit über den Aspekt der Übersetzbarkeit von relevanten Begrifflichkeiten hinaus geht (YliJokipii 2008). Inwieweit dies auch für die Organisationstheorie gilt, und welche Konsequenzen sich hieraus für ein multikulturell geprägtes Organisationsverhalten ergeben, soll im weiteren Verlauf des Beitrags näher beleuchtet werden.
3 Die Bild-Schemata Um der Frage nach der Art von Kulturgebundenheit organisationstheoretischer Konzepte nachzugehen, bietet es sich an, die organisationstheoretische Literatur aus zwei verschiedenen Sprachkulturen näher zu vergleichen. Um die Validität der Behauptung kulturspezifischer Konzepte als kommunikationsprägende Größe zu testen, ist es besonders aussagerelevant, zwei Sprachräume in die Analyse einzubeziehen, die augenscheinlich nicht weit voneinander entfernt sind, weder unter dem Aspekt der sprachlichen Verwandtschaft noch unter dem Aspekt der geografischen Distanz. Dafür wurden für die vorliegende Darstellung der deutsche und der schwedische Sprachraum ausgewählt. Im Einzelnen wurde die deutsche und schwedische organisationstheoretische Literatur mehrerer Jahrzehnte einer eingehenden Analyse unterzogen, wobei ausschließlich originalsprachliche Quellen aus beiden Ländern untersucht wurden, um zu verhindern, dass organisationstheoretische Konzepte anderer Sprachen und Kulturräume sich in das Material einschleichen. Somit entfielen alle übersetzten Werke anderer Provenienz.
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Als sprachwissenschaftliches Analysewerkzeug für die Frage nach den möglichen kulturspezifischen Konzepten, die der textbasierten Kommunikation zu Grunde liegen, dient vor allem die kognitionslinguistische Theorie über die Bild-Schemata. Ursprünglich sind die Bild-Schemata im Rahmen der von George Lakoff und Mark Johnson eingeführten kognitiven Metapherntheorie bekannt geworden (Lakoff/ Johnson 1980), die eine rasante Rezeption sowohl im Ausland als auch in Deutschland erfuhr (Schmidt 2010). Mark Johnson hat sich 1987 besonders mit dem sprachlich-konzeptuellen Phänomen der Bild-Schemata beschäftigt. Danach ist die Theorie der Bild-Schemata vor allem im Rahmen konzeptueller Metaphernforschung als eine Form von konzeptueller Metapher behandelt worden (Baldauf 1997; Jäkel 1997, 2003). Dabei weist schon Johnson 1987 darauf hin, dass bild-schematisches Reden auch in nichtmetaphorischer Kommunikation zum Tragen kommt. Bevor näher auf diese Frage eingegangen wird, sollen jedoch die Bild-Schemata als solche hier zunächst eingeführt werden. Das Interesse an bild-schematisch geprägter Kommunikation ist durch die erkenntnistheoretische Einsicht begründet, dass unsere Sprachverwendung konzeptuell durch unsere lebensweltlichen Erfahrungen geprägt ist. Dies führt z. B. im Bereich fachsprachlicher Termini dazu, dass gebrauchsgebundene Inferenzen gerade als bild-schematische Konzeptualisierungen nachvollziehbar werden. BildSchemata können besonders in hochgradig komplexen Termini wie z. B. Fachausdrücken als gestaltbildende Strukturen fungieren, die die konzeptuelle Stellung der einzelnen Termini in einem Kulturkontext signalisieren. An dieser Stelle wird deutlich, warum z. B. in der fachsprachlichen Terminologie die lexikalisch-semantische Ebene gewinnbringend um die konzeptuelle Ebene erweitert werden kann. Bild-Schemata an sich haben noch keine bedeutungsbildende Funktion, sondern fungieren als kognitive Strukturierungsmittel auf einer abstrakten Ebene, durch die sowohl alltagssprachliche als auch theoriegeladene Aussagen kognitiv strukturiert werden (Johnson 1987). Bild-Schemata bestehen aus einer sehr begrenzten Anzahl von Teilen und Relationen und sind gerade aufgrund ihrer Bildhaftigkeit und Begrenztheit grafisch einfach darzustellen. Beispiele für Bild-Schemata sind das OBEN-UNTEN-Schema, auch VERTIKALITÄTS-Schema genannt; ebenso das HORIZONTALITÄTS-Schema, das VEKTOR-Schema als Bewegungsrichtung auf ein Ziel hin, das CONTAINER-Schema und so weiter. Johnson (1987) rekonstruiert eine Menge alltagssprachlich gebrauchter BildSchemata, z. B. das WEG-Schema. Als Bild-Schema besteht es aus zwei Elementen: Element A als Ausgangspunkt einer Bewegung sowie die Bewegung von A in eine bestimmte Richtung (vgl. Abb. 2 weiter unten). Da Bild-Schemata Aussagen konzeptuell vorstrukturieren, können sie in den verschiedensten Äußerungen zum Tragen kommen, wie im Fall des WEG-Schemas z. B. in den folgenden Textsequenzen: a) walking from one place to another, b) throwing a baseball to your sister, c) punching your brother,
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d) giving your mother a present, e) the melting of ice into water (Johnson 1987, 28)
Interessanterweise verwendet Johnson hier lediglich non-metaphorische Beispiele, was die zentrale Bedeutung der Bild-Schemata auch für nicht-metaphorisches Sprechen veranschaulicht. Als Bild-Schema ist das WEG-Schema ebenso für metaphorisches Sprechen anwendbar, wie aus den folgenden Beispielen für konzeptuelle Metaphorik deutlich wird: f) Unsere Firma kann die gesteckten Ziele erreichen. g) Wir müssen uns aufmachen in eine unsichere Zukunft. h) Unser Unternehmen hat wesentliche Etappenziele auf dem Weg zur nachhaltigen Profitabilität erreicht.
Die Beispiele f) bis h) lesen sich wie aus dem Bereich unternehmerischer Berichterstattung. In diesen Beispielen wird die Unternehmung als Lebewesen konzeptualisiert, das sich aufmacht, um die vorher bestimmten Ziele ihrer Reise zu erreichen. Kognitionsmetaphorisch kann dies in folgender Metapher zusammengefasst werden: UNTERNEHMERISCHE ZIELVERWIRKLICHUNG IST EINE REISE AUF EINEM WEG. Kognitionsmetaphorisch wird die Darstellung eines abstrakten Zielbereichs (A) anhand eines konkreten Erfahrungsbereichs (B) als die Formel A IST B zusammengefasst. Das Beispiel g) ist hier deshalb interessant, weil es ebenso wie f) und h) die oben genannte Metapher verwirklicht; in diesem Fall dadurch, dass das gruppenbildende „Wir“ in der unternehmerischen Berichterstattung zum Synonym für die Unternehmung als Ganzes wird. Obwohl die Beispiele a) bis h) sehr unterschiedliche Situationen beschreiben, ist ihnen allen gemeinsam, dass ihre konzeptuelle Logik anhand des bild-schematischen WEG-Schemas strukturiert wird. Bild-Schemata erleichtern das konzeptuelle Verstehen von Äußerungen. Daher ist es erklärlich, dass ein Bild-Schema eine einfache Kompositionslogik aufweist. Dies wird auch in den Beispielen oben als gemeinsames Bild-Schema auf sprachlich variierende Weise realisiert. Bild-Schemata werden daher als eine begrenzte Anzahl von abstrakten Teilen und Relationen verstanden, die komplexe Bilder strukturieren (Johnson 1987, 29 ff.). Dabei kann ein Bild-Schema im Einzelfall anhand verschiedener konzeptueller Metaphern spezifiziert und modifiziert werden. Umgekehrt besteht die Funktion der Bild-Schemata darin, unser Denken, das heißt in diesem Fall unsere Konzeptualisierung von Welt, vorzuprägen. Hierbei ist es wichtig festzuhalten, dass es sich nicht um fertige Bilder oder fertige Propositionen (inhaltliche Aussagen über Dinge, Personen, Ereignisse und so weiter) handelt. Vielmehr strukturieren die Bild-Schemata auf konzeptuellem Niveau unsere propositionalen und indirekt propositionalen Aussagen über Welt, egal ob es sich um verbale, paraverbale oder nonverbale Kommunikationsmittel handelt. Nach Johnson kann zu den Bild-Schemata (bei Johnson als ‚image schemata‘ bezeichnet) konstatiert werden, dass sie
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operate at one level of generality and abstraction above concrete, rich images. A schema consists of a small number of parts and relationships, by virtue of which it can structure indefinitely many perceptions, images, and events. In sum, image schemata operate at a level of mental organization that falls between abstract propositional structures, on the one side, and particular concrete images, on the other (Johnson 1987, 29).
Grafisch lassen sich die Bild-Schemata aufgrund ihrer einfachen konzeptuellen Logik gemäß obiger Definition unkompliziert als eine begrenzte Anzahl von Teilen und ihren Verbindungen darstellen. Für das WEG-Schema ergibt sich folgende Grafik:
Abb. 2: Das WEG-Schema, zitiert nach Johnson 1987, 28.
Ein anderes Bild-Schema ist z. B. das CONTAINER-Schema, das sowohl in der nichtmetaphorischen Aussage „He got out of the car“ als auch in der metaphorischen Aussage „Let out your anger“ konzeptuell zur Anwendung kommt (Johnson 1987, 32). Die konzeptuelle Gestalt-Struktur dieses Bild-Schemas kann in Anlehnung an Johnson wie folgt grafisch zusammengefasst werden:
Abb. 3: Das CONTAINER-Schema, zitiert nach Johnson 1987, 32.
Indem es gestaltbildende Struktur hat, kann ein Bild-Schema konzeptuell sowohl mündliche als auch schriftliche Aussagen strukturieren, egal ob es sich um kürzere oder eher komplexe Texte handelt. Hierin liegt die hohe Anwendungsrelevanz der Bild-Schemata auch im Bereich fachspezifischer Kommunikation. Für die Frage nach den möglichen sprach- und kultursystem-immanenten Konzeptualisierungstraditionen sind die Bild-Schemata umso interessanter, da sie aufgrund ihrer einfachen gestaltbildenden Struktur nicht in unendlich vielen Varianten vorkommen können. Wissenschaftlich gesehen müsste es sich also um eine relativ überschaubare Anzahl verschiedener Bild-Schemata handeln, die zwar als solche keine kul-
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turspezifische Alleinstellungsfunktion beanspruchen können. Jedoch ist damit noch gar nichts über die jeweilige mögliche kulturspezifische Präferenz gewisser bild-schematischer Konzeptualisierungstraditionen in einem gegebenen Diskursbereich ausgesagt. Letzteres kann lediglich durch empirische Untersuchungen am gegebenen Textmaterial erschlossen werden, was im weiteren Verlauf des vorliegenden Beitrags für den Bereich schwedischer und deutscher Organisationstheorie gezeigt werden soll.
4 Bild-Schematik in der Organisationstheorie Unter interkultureller Perspektive reicht es nicht aus, allein die semantische Dimension und mit ihr die propositionalen Aussagen von Texten zu berücksichtigen (Dahl 2001, 38 f. und 210 ff.). Dies zieht die Notwendigkeit der non-propositionalen Bedeutungsbeeinflussung auf konzeptueller Ebene nach sich, um die propositionalen Aussagen konzeptuell besser einordnen zu können, wie dies im vorliegenden Beitrag anhand der prototypisch verwendeten Bild-Schemata dargestellt wird. Die in einem gegebenen kulturellen Rahmen prototypisch verwendeten Bild-Schemata bieten hier die Möglichkeit eines intersubjektiven Nachvollzugs von verstehenssteuernden Textelementen als Voraussetzung für das Gelingen von Kommunikation. Die Bild-Schemata stellen dabei die zentralen kognitiven Mittel zur konzeptuellen Steuerung des Rezeptionsprozesses dar und können entsprechend auch rekonstruiert werden. Die empirische Grundlage zur Untersuchung dieses Sachverhalts (der im vorliegenden Beitrag nur exemplarisch veranschaulicht werden kann) bildet eine empirische Studie zu deutschen und schwedischen Fachpublikationen im Bereich der Organisationstheorie aus den drei bis vier vergangenen Jahrzehnten. Grundlage der empirischen Analyse waren ausschließlich originalsprachliche Publikationen aus mehreren Jahrzehnten. Zwar steht wissenschaftliche Fachliteratur in ständiger internationaler Wechselwirkung, Dies ist jedoch in diesem Fall kein Problem, da es sich dabei um eine Dynamik handelt, die auch in der hiesigen Vorgehensweise durch die Materialauswahl potentiell berücksichtigt wird. Im Unterschied zu rein übersetzter Fachliteratur hat die landesspezifische Bearbeitung und Weiterentwicklung eines Fachbereichs die Möglichkeit, Einflüsse von außen erkenntnisspezifisch im Rahmen der eigenen Theorienentwicklung umzusetzen oder auszuklammern. Relevant ist in diesem Fall nur, welche Schemata sprachspezifisch konkret zur Anwendung kommen. Die gesamte Untersuchung sowie ihre Ergebnisse sind in Schmidt (2010) veröffentlicht worden. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf einen Auszug aus den empirischen Ergebnissen, um die in diesem Beitrag zur Diskussion stehende bild-schematische Kulturdependenz in der Organisationstheorie zu veranschaulichen. Aus Umfanggründen werden im vorliegenden Beitrag ausschließlich die verbal zum Ausdruck kommenden Bild-Schemata diskutiert. Für
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eine flächendeckende Darstellung auch der nonverbal vermittelten Bild-Schemata sei an dieser Stelle auf Schmidt (2010) verwiesen. Das methodische Vorgehen ist durch einen onomasiologischen Ansatz geprägt, indem untersucht wird, wie auf spezifisch ausgewählte organisationstheoretische Sachfragen sprachlich in beiden Sprachen Bezug genommen wird. Um den Untersuchungsbereich übersichtlich zu gestalten, wird die Untersuchung auf drei fachlich (sprach- und kulturübergreifend) relevante abstrakte Zielbereiche der organisationstheoretischen Darstellung konzentriert, die landes- und sprachübergreifend als zentral für jede Organisationstheorie gesetzt werden können. Im Einzelnen wurde bild-schematisch untersucht, wie eine Organisation 1. in ihrer makrostrukturellen Ganzheit dargestellt wird, 2. wie u. a. das Hierarchieverständnis und die sich daraus ergebenden Koordinierungsmaßnahmen einzelner Instanzen sowie 3. auch die Gestaltungsmöglichkeiten von Arbeitsorganisation mit den jeweiligen Arbeitsablaufprozessen beschrieben werden. Als empirische Grundlage dient die im Ausbildungs- und Studiensektor gängige Fachliteratur zur Organisationstheorie, entweder in monografischer Form oder als Teile von Sammelwerken bzw. (besonders im deutschsprachigen Raum) als Teilkapitel betriebswirtschaftlicher Gesamtdarstellungen. Dabei wird darauf geachtet, dass ausschließlich muttersprachliche Originaldarstellungen zur betrieblichen Organisation die Grundlage der Studie bilden. Dies bedeutet, dass sämtliche auf den internationalen Raum bezogene, referierende Darstellungen ausgeklammert werden. Auch Übersetzungen von Fachliteratur aus anderen Sprachen werden nicht beachtet, um sicher zu stellen, dass die jeweiligen kulturspezifischen Konzeptualisierungen erfasst werden. Bei übersetzten Publikationen wird i. d. R. die ausgangssprachliche Originalkonzeptualisierung mit den damit verknüpften Fachbegriffen international beibehalten, weshalb diese Darstellungen hier nicht berücksichtigt werden können. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass der Studienbereich im schwedischen Sprachraum wesentlich kleiner ist, mit einem entsprechend kleineren Büchermarkt. Dies hat zur Folge, dass im deutschen Sprachraum erheblich mehr Titel pro Jahr veröffentlicht werden. Um auch die Anzahl der Buchtitel vom Umfang her auf einem vergleichbaren Niveau zwischen den beiden untersuchten Kulturen zuhalten, müssen aus dem schwedischen Sprachraum Titel der letzten fünf Jahrzehnte in die Analyse eingehen, während aus dem deutschen Sprachraum Veröffentlichungen der letzten 25–30 Jahre in die Analyse eingegangen sind. Dadurch ist es möglich, einen quantitativ vergleichbaren Umfang an Veröffentlichungen beider Kulturen zu berücksichtigen. Ausgangspunkt für den hier darzustellenden Vergleich bildet die Frage, ob ein oder mehrere für die jeweilige Fachliteratur kennzeichnende/s durchgehende/s fachliche/s Bild-Schema/ta erkennbar ist/sind, das/die die fachsprachliche Darstellungsform kulturspezifisch und prototypisch beeinflusst/en.
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Da die vorliegende Untersuchung vom Ansatz her u. a. eine kognitionsmetaphorische ist, muss auch die Wahl und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes nach dem kognitionsmetaphorischen Prinzip des Übertragungsvorgangs von konkreten Ausgangsbereichen metaphorischer Übertragung auf abstrakte Zielbereiche vorgenommen werden. Hierbei liegt das Hauptaugenmerk der vorliegenden Untersuchung auf der Rolle der Bild-Schemata als zentrale kognitionsmetaphorische Steuerungsinstrumente von Kommunikation. Gemäß der für den vorliegenden Beitrag zentralen These, dass Bild-Schemata als konzeptuelle Steuerungsinstrumente sowohl für wörtliche als auch metaphorische/metonymische Propositionen fungieren, wird ihnen ein zentraler Stellenwert auch bei der konzeptuellen Hantierung eines Fachbereichs wie der Organisationslehre zugemessen. Grundlage dieser kulturkontrastiven Studie bilden solche originalsprachlichen Werke aus dem deutschen und schwedischen Sprachraum, die entweder allgemein gängige Sichtweisen der Fachliteratur zu obigen drei Zielbereichen im jeweiligen Land behandeln, oder auswertend und kommentierend international gängige Theoriekonstrukte der betriebswirtschaftlichen Organisation aus einem landeskulturellen Verarbeitungskontext heraus darstellen. In den folgenden Darstellungen werden die jeweiligen Bild-Schemata in Versalien-Fettdruck angegeben. Als Kriterium für die Angabe eines Bild-Schemas gilt seine jeweilige Aktualisierung auf der Textoberfläche, unabhängig davon, ob es innerhalb eines Satzes oder satzübergreifend konzeptualisiert ist. Treten mehr als ein Bild-Schema in einer Textsequenz auf, werden beide zusammen aufgeführt. Metaphern/Metonymien werden jeweils in Versalien ohne Fettdruck aufgeführt. Um dem deutschsprachigen Leser die schwedischen Zitate weiter unten in ihrer originalsprachlichen Konzeptualisierung zugänglich zu machen, werden die schwedischen Zitate nicht als freie Übersetzung wiedergegeben. Leitfaden für die Übersetzung ist die möglichst komplette Wahrung der ausgangssprachlichen bildschematischen Struktur und – soweit vorhanden – metaphorischen Ausdrucksweise, was in Teilen eine wörtliche Orientierung der Übersetzungen erfordert, soweit dies im Übergang von einer Sprache in eine andere möglich ist.
5 Das ZENTRIFUGALMODELL deutscher Organisationstheorie In den deutschsprachigen Ausführungen zu den weiter oben genannten abstrakten Zielbereichen der Organisationstheorie fällt die strukturbildende zentrifugale Konzeptualisierung auf, die autorenübergreifend durchgehend in der deutschen Organisationstheorie zum Ausdruck kommt. Dieses als ZENTRIFUGALITÄT zu bezeichnende Bild-Schema der deutsch(sprachig)en Organisationstheorie zeichnet sich durch die angenommene Notwendigkeit einer Aufteilbarkeit und eines dadurch
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bedingten konzeptuellen Auseinanderstrebens der funktionalen Bestandteile von Organisation bzw. des organisatorischen Handelns aus. Als Konsequenz hieraus erfolgt eine Spezifizierung der Teile von organisatorischen Ganzheiten (seien es Ziele, Arbeitsaufgaben, Stellen, Verantwortungsbereiche, Führungsaufgaben u. v. a. m.). Voraussetzung z. B. für die organisatorische Zielerreichung ist dabei die prinzipielle Notwendigkeit des Aufteilens eines Gesamtziels in Teilziele. Dies geschieht nicht zufällig, sondern stellt das Wesensmerkmal organisatorischer Systematik in der deutschen Organisationstheorie dar. In den Zitaten 1 und 2 wird die Metapher ENTSCHEIDUNGEN SIND PHYSISCHE BEWEGUNG durch das Bild-Schema ZENTRIFUGALITÄT in Kombination mit BELEBTHEIT strukturiert, indem die Gesamtverrichtung konzeptuell auf einzelne Träger verteilt wird und auf diese Weise die Art der Bewegung festgelegt wird: 1.
Die […] Entscheidungstatbestände […] machen es notwendig, die Gesamtheit der Verrichtungen im Rahmen der Entscheidungsprozesse auf mehrere Entscheidungsträger zu verteilen [ZENTRIFUGALITÄT: PHYSISCHE BEWEGUNG]. An die Stelle der Einzelentscheidung treten Entscheidungen einer arbeitsteiligen Gruppe von Menschen [ZENTRIFUGALITÄT + BELEBTHEIT: PHYSISCHE BEWEGUNG], d. h. eines sozialen Systems. (Heinen 1985, 51)
2.
Organisationen gliedern die zur Erreichung ihrer Ziele notwendigen Aktivitäten auf und verteilen sie auf die einzelnen Mitglieder [BELEBTHEIT + ZENTRIFUGALITÄT: PHYSISCHE BEWEGUNG]. In der Organisationslehre nennt man dieses strukturelle Organisationsprinzip Arbeitsteilung [CONTAINER + ZENTRIFUGALITÄT]. Diese Form der Arbeitsteilung, bei der Teilaufgaben unterschiedlicher Art entstehen [ZENTRIFUGALITÄT], bezeichnet man als Spezialisierung. (Pirntke 2007, 22)
Eng verbunden mit dem Bild-Schema der ZENTRIFUGALITÄT ist das Bild-Schema VERTIKALITÄT. Beide Bild-Schemata werden autorenübergreifend entweder jeweils getrennt oder im Verbund miteinander als prototypische Konzeptualisierungen deutscher Organisationstheorie aktualisiert. In den Zitaten 3 und 4 kommen diese Bild-Schemata ohne eine weitere metaphorische oder metonymische Spezifizierung vor, wobei VERTIKALITÄT in Zitat 3 zusätzlich durch das Bild-Schema CONTAINER ergänzt wird: 3.
Die Beziehung der Ziele zueinander sowie ihr unterschiedliches Gewicht sollte klar definiert sein [ZENTRIFUGALITÄT]. Insbesondere ist die Einordnung der Ziele in eine Hierarchie über-, unter- und gleichgeordneter Ziele [CONTAINER + VERTIKALITÄT] und die Festlegung von Prioritäten zu fordern. (Schierenbeck 1989, 66)
4.
Es geht auf der einen Seite darum, die Systemaufgaben bzw. ein System als Ganzes zur effizienten Aufgabenerfüllung in Teilaufgaben und -prozesse bzw. Subsysteme zu gliedern (Subsystembildung) [ZENTRIFUGALITÄT]. Dadurch wird Arbeitsteilung und Spezialisierung organisiert [ZENTRIFUGALITÄT]. […] In einem dritten Schritt ist auch regelmäßig die Zuordnung der (Teil-) Aufgaben auf Aufgabenträger zu organisieren [ZENTRIFUGALITÄT + VEKTOR + BELEBTHEIT: PHYSISCHE BEWEGUNG]. (Krüger 2001, 129; Hervorhebungen im Original)
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Das Prinzip der zentrifugalen Aufteilbarkeit betrieblicher Handlungen (und damit das Bild-Schema ZENTRIFUGALITÄT in Kombination mit dem Bild-Schema VEKTOR) wird in Kombination mit der vertikalen Grundlogik (dem Bild-Schema VERTIKALITÄT) im Management-System zu dem systembildenden kognitiven Modell, das zusammengefasst hier als ZENTRIFUGALMODELL bezeichnet werden soll. Insgesamt besteht das ZENTRIFUGALMODELL deutscher Organisationstheorie aus den Bild-Schemata VERTIKALITÄT, VEKTOR, ZENTRIFUGALITÄT, BELEBTHEIT und CONTAINER. Dieses bild-schematische Organisationskonzept betrifft nicht nur Einzelhandlungen in der organisatorischen Tätigkeit des Managements, sondern in gleicher Weise die holistische Konzeptualisierung betriebswirtschaftlicher Zielauffassung; in den folgenden zwei Beispielen veranschaulicht anhand der systembildenden Kombination von ZENTRIFUGALITÄT mit VERTIKALITÄT auf einem abstrakt verbleibenden Konzeptualisierungsniveau, indem diese Bild-Schemata nicht metaphorisch spezifiziert werden: 5.
Zwischen Zielen können hierarchische Beziehungen bestehen [VERTIKALITÄT], sie können in Bezug zueinander Ober- und Unterziel sein [VERTIKALITÄT]. Die Begriffsbildung ist in der Literatur uneinheitlich. Hier folgt daher eine klare Festlegung: ein Unterziel ist ein Teilaspekt des Oberziels [VERTIKALITÄT + ZENTRIFUGALITÄT]. (Eisenführ 2000, 19; Herv. im Orig.)
6.
Als Zielfindung werden alle Maßnahmen bezeichnet, durch welche oberste Ausgangsziele ermittelt [VERTIKALITÄT], untere [VERTIKALITÄT] Teilziele [ZENTRIFUGALITÄT] verschiedener Ordnung aus den Ausgangszielen abgeleitet [VERTIKALITÄT + ZENTRIFUGALITÄT] bzw. diesen als verträglich und erfüllungswirksam zugeordnet [VEKTOR] […] werden. (Schweitzer 2001, 50; Herv. im Orig.)
Die Frage der Gestaltung und Koordination von betrieblicher Arbeit ist im deutschsprachigen Raum begrifflich vor allem unter dem Terminus der Leitungssysteme zusammengefasst. Dieser Begriff wird weiterhin in die Fachbegriffe des Einlinien-, Mehrlinien- und Stab-Linien-Systems unterteilt. Dabei wird Arbeitsorganisation ebenso wie die obigen Begrifflichkeiten konzeptuell unter dem Bild-Schema der VERTIKALITÄT verstanden, das als zentrales Bild-Schema nicht nur Einfluss auf Fragen des Arbeitsverlaufs und der Gestaltung des Zusammenarbeitens hat, sondern auch auf daraus folgende Handlungsdimensionen, wie z. B. Kommunikation, Delegation und Rolle des Einzelnen in der Organisation. Interessanterweise wird bei der Frage nach alternativen Führungssystemen das Gegenteil von Hierarchie (und damit das Gegenteil der vertikalen Konzeptualisierung) z. B. in Form von Teamarbeit z. T. eher kritisch gesehen und höchstens auf Subsysteme der Organisation als realisierbar angenommen. Dabei wird die Relevanz dieser Organisationssicht als universal gültig angenommen, wie aus dem folgenden Beispiel deutlich wird. Der konzeptuelle Zielbereich der Organisation wird hier als systembedingte Hierarchie als Voraussetzung für Produktivität begriffen:
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Im Fahrwasser aktueller Entwicklungstrends wie Teamarbeit und Selbststeuerung [CONTAINER + HORIZONTALITÄT: BOOTSFAHRT] hegen Kritiker mitunter sogar Zweifel an der Notwendigkeit der Hierarchie und fordern im gleichen Atemzuge den Übergang [HORIZONTALITÄT: FORTBEWEGUNG] zu anderen Regelungsformen. Dabei wird jedoch schlichtweg übersehen, dass Hierarchiefreiheit in komplexen arbeitsteiligen Organisationen zu einem unproduktiven Anstieg der Zahl an Abstimmungsbeziehungen führt. (Krüger 2001, 142)
6 Das ZENTRIPETALMODELL schwedischer Organisationstheorie Zeichnete sich die deutsche Organisationstheorie durch das kognitive Zentrifugalitätsmodell aus, so verhält es sich genau entgegengesetzt in der schwedischen Organisationstheorie. Management, Führungsverhalten, arbeitstechnische Organisation, Verantwortlichkeitszuordnungen, formale Organisationsstrukturen, Kooperationsund Kommunikationsprozesse u. v. a. m. sind in der schwedischen Fachliteratur durchgängig in markanter Weise vom bild-schematischen Prinzip des Zusammenführens von Teilen der Organisation – seien es Stellen im deutschsprachigen Sinn, Abteilungen oder einzelne Mitarbeiter – zu einer konzentrischen Einheit geprägt. Das dabei betont synergetische Hantieren mit fachspezifischen Problemfragen auf konzeptueller Ebene zeigt sich in Form eines prototypisch wiederkehrenden kognitiven Modells, das das konzeptuelle Hantieren organisationstheoretischer Fragen von ganzheitlichen Auffassungen bis hin zu einzelnen Details umfasst. Dieses schwedische kognitive Modell ist bild-schematisch durch das zentripetale Zusammenstreben einzelner organisatorischer Bestandteile im weitesten Sinne auf einen gemeinsamen Mittelpunkt hin geprägt. Kennzeichnend für das schwedische Zentripetalmodell ist das holistische Zusammenstreben der organisatorischen Bestandteile über die Hierarchiegrenzen hinweg. Dies bedeutet nicht, dass Hierarchien keinen konzeptuellen Platz in der schwedischen Theorie hätten; nur ist ihre Funktion grundlegend unterschiedlich im Vergleich zur deutschen Organisationstheorie. Die Konsequenzen des Zentripetalmodells für die fachspezifischen Inhalte sind im Einzelnen so fundamentaler Art für die schwedischen Darstellungen, dass dieses kognitive Modell kennzeichnend für die schwedische Organisationstheorie schlechthin fungieren kann, da es sich über die verschiedenen hier diskutierten Teilbereiche systembildend erstreckt. Während die prototypische Konzeptualisierungstradition in der deutschen Organisationstheorie vor allem durch die Bild-Schemata ZENTRIFUGALITÄT und VERTIKALITÄT gekennzeichnet war, ist die Situation in der schwedischen Organisationstheorie völlig anders. Dies hat auch Auswirkungen auf die verwendete fachsprachliche Terminologie. Anstelle der so zentralen Fachbegriffe wie z. B. Aufbauorganisation, Ablauforganisation, Einlinien- und Mehrliniensystem etc. in der
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deutschen Organisationstheorie treten in der schwedischen Fachsprache dieses Bereichs autorenübergreifend und durchgehend zentrale Begriffe wie ‚Zusammenspiel‘ (samspel), ‚Zusammenwirken‘ (samverkan), ‚Zusammenarbeit‘ (samarbete), ‚kollektive Ressourcen‘ (kollektiva resurser), ‚Zusammenordnung/-führung‘ (samordning) u. a. auf. Das Erreichen des zentripetalen Zusammenführens der Teile einer Organisation zur angestrebten Ganzheit soll durch die vektoriale Beeinflussung in die gewünschte Richtung sichergestellt werden: 8.
Man kan se en organisation som ett redskap för att samordna [ZENTRIPETALITÄT: WERKZEUG] ett antal människors ansträngningar att nå ett visst mål [VEKTOR]. Organisation kan även definieras som en samling individer med olika behov, förväntningar och krav med ett gemensamt mål [ZENTRIPETALITÄT + VEKTOR]. (Andersson 1994, 11) (Man kann eine Organisation als ein Gerät zum Zusammenordnen [Koordinieren] der Anstrengungen einer Anzahl von Menschen zum Erreichen eines bestimmten Ziels verstehen. Organisation kann auch als eine Sammlung verschiedener Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Erwartungen und Forderungen mit einem gemeinsamen Ziel definiert werden.)
9.
Det är genom koordinering [ZENTRIPETALITÄT] av flera människors handlingar som organisationer får sin kraft och framstår som aktörer [BELEBTHEIT: PHYSISCHE STÄRKE]. (Ahrne/Hedström 1999, 20) (Durch die Koordinierung der Tätigkeiten verschiedener Menschen erhalten Organisationen ihre Kraft und erscheinen als Akteure.)
Kann für die deutsche Organisationstheorie die prototypische Konzeptualisierung anhand vertikaler Pyramidenstrukturen nachgewiesen werden, so verhält es sich in der schwedischen Organisationstheorie anders. Dies hat dann auch entsprechende Konsequenzen für das Hierarchieverständnis und die Grundsätze, nach denen sich die Führungstätigkeiten richten. Dabei zeigt sich wiederum ein den deutschen Konzeptualisierungen diametral entgegengesetztes konzeptuelles Hantieren mit diesem Theorienbereich. Es ist auffällig, dass die Betonung vertikaler Strukturen im pyramidalen Sinne in der schwedischen Theorie so gut wie kaum vorkommt; und wenn dies geschieht, dann in der Regel in negativ bewertender Form. Hieraus wird das im Vergleich zum deutschen Material anders geartete Hierarchieverständnis im schwedischen Material erklärlich. Dies ist u. a. dadurch bedingt, dass das Bild-Schema der HORIZONTALITÄT in der schwedischen Theorienbildung im Vordergrund steht. Hierbei ist es weniger das Faktum der zentralen Funktion von HORIZONTALITÄT in der schwedischen Theorie gegenüber VERTIKALITÄT in der deutschen, sondern vielmehr die sich daraus ergebenden konzeptuellen Implikationen für das Management im Umgang mit den Mitarbeitern und die Erwartungen, die an eine Führungskraft gestellt werden, welche zu den diametral entgegengesetzten kognitiven Modellen in der schwedischen Theorie führen: 10.
Hierarkin är i många fall helt onödig [VERTIKALITÄT unnötig]. När komplexa arbetsuppgifter ska utföras av professionella medarbetare, kan, och i många fall måste, dessa vara självstyrande [ZENTRIPETALITÄT: TRANSPORTMITTEL]. (Skärvad/Olsson 2003, 82)
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(Die Hierarchie ist in vielen Fällen völlig unnötig. Wenn komplexe Arbeitsaufgaben von professionellen Mitarbeitern ausgeführt werden sollen, können, und oft müssen, diese selbststeuernd sein.) 11.
De horisontella kommunikationsprocesserna [HORIZONTALITÄT] är av vital betydelse för organisationens sätt att fungera. De är samtidigt komplicerade eftersom de ofta skär tvärsöver relativt oberoende eller åtminstone starkt differentierade enheter [HORIZONTALITÄT zur Überwindung von ZENTRIFUGALITÄT: MESSER]. (Sjöstrand 1991, 218) (Die horizontalen Kommunikationsprozesse sind von vitaler Bedeutung für das Funktionieren der Organisation. Sie sind gleichzeitig kompliziert, weil sie oft quer über relativ unabhängige oder zumindest stark differenzierte Einheiten schneiden.)
Wurde weiter oben als Alternative für die deutsche Konzeptualisierung von Teamwork eine vertikale Bild-Schematik aufgezeigt, so verhält es sich auch in diesem Teilaspekt organisationaler Arbeitsausführung anders in der schwedischen Fachliteratur. So wird der Gruppenarbeit oder dem Teamwork hier eine herausragende Bedeutung gerade aufgrund der damit verbundenen horizontalen Logik zugewiesen: 12.
Det finns i det svenska sättet att utöva ledarskap en preferens för teamwork [BELEBTHEIT + ZENTRIPETALITÄT] med chefen som ‚primus inter pares‘ [HORIZONTALITÄT]. (Edström/Jönsson 2000, 157) (Es gibt in der schwedischen Art, Führungstätigkeiten auszuführen, eine Präferenz für Gruppenarbeit mit dem Chef als ‚primus inter pares‘)
13.
En förändring av arbetsorganisationen mot ett mer grupporienterat arbetssätt och en breddning av arbetsuppgifterna minskar sårbarheten [VEKTOR + ZENTRIPETALITÄT + HORIZONTALITÄT: VERWUNDUNG]. […] Man arbetar mera sida vid sida och lär bättre känna varandra [HORIZONTALITÄT + ZENTRIPETALITÄT]. (Wilhelmson 1994, 40) (Eine Veränderung der Arbeitsorganisation in Richtung auf eine eher gruppenorientierte Arbeitsweise und eine Ausweitung der Arbeitsaufgaben verringert die Verwundbarkeit. […] Man arbeitet eher Seite an Seite und lernt einander besser kennen.)
Insgesamt besteht das schwedische ZENTRIPETALMODELL aus den Bild-Schemata ZENTRIPETALITÄT, VEKTOR, HORIZONTALITÄT, BELEBTHEIT und CONTAINER, wobei das Bild-Schema VEKTOR hier anders als im deutschen Konzeptualisierungsmodell im zentripetalen Sinn nach innen auf den konzentrischen Mittpunkt hin ausgerichtet ist.
7 Abschließender Kommentar Wie aus den Analysebeispielen oben deutlich wurde, sind die schwedische und deutsche Organisationstheorie von z. T. diametral unterschiedlichen Konzeptualisierungstraditionen geprägt. Dies konnte anhand der Bild-Schemata als eine nonpropositionale Dimension der Textaussagen dargestellt werden. Damit wurde deutlich, dass neben der propositional ausgerichteten sprachwissenschaftlichen Forschung das Augenmerk zusätzlich auf bild-schematisch geprägte Textkonstituenten
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Christopher M. Schmidt
gelegt werden müsste. Hiervon ist die wissenschaftliche Literatur nicht ausgeschlossen, wie im vorliegenden Beitrag zu zeigen versucht wurde. Es ist eine logische Schlussfolgerung, dass die Universitätsabgänger zunächst mit den fachlichen Konzeptualisierungen in Form von kulturell geprägten mentalen Modellen in das Arbeitsleben eintreten, mit denen sie auf Studien- und Ausbildungsebene geprägt worden sind. Deshalb kann die konzeptualisierungsfundierende Bedeutung der Fachliteratur für das alltägliche berufliche Handeln nicht einfach von der Hand gewiesen werden; besonders wenn sie – wie im Fall der Organisationstheorie – landeskulturelle prototypische Konzeptualisierungen aufweist.
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Konzeptuelle Kulturspezifik in der Organisationstheorie
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V Anwendungsfelder der Organisationslinguistik
Peter Franklin/Helen Spencer-Oatey
21. Developing Intercultural Interaction Competence in Organisations Abstract: The article opens with brief examples of the varied contexts in which professionals with expert knowledge of intercultural communication are commissioned by organisations to help improve organisational and individual performance. The development needs that are evident in these contexts entail a broader repertoire of competencies than those generally reflected in the term intercultural communication skills, and so the next section elaborates on the concept of intercultural interaction competence (ICIC), reporting on the numerous sub-competencies which go to make up the ability to perform joint and purposeful activity effectively and appropriately across cultures. The third section reports on approaches to developing the ICIC of members of organisations, discussing desirable framework conditions for the development intervention, its possible goals, the nature of the cognitive, affective and behavioural development outcomes which can be achieved, and the content, methods and tools available to the intercultural developer. The article finishes with a brief consideration of the qualification profile of interculturalists engaged in this kind of work, pointing out that a multi-disciplinary background will enable interculturalists to meet a broad range of organisational and human resource development needs in the area of intercultural communication which go beyond the ‘mere’ development of communicative foreign-language skills.
1 2 3 4 5
Organisational scenarios for developing intercultural interaction competence The concept of intercultural interaction competence Approaches to developing intercultural interaction competence in organisations The qualification profile of intercultural competence developers References
1 Organisational scenarios for developing intercultural interaction competence In many organisations across world, especially those with an overt performanceorientation (Javidan 2004), there is a requirement to enhance the fulfilment of an organisation’s purpose or vision by optimizing both its outputs and the processes employed to achieve them. This may be done in various ways, such as through https://doi.org/10.1515/9783110296235-021
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Peter Franklin/Helen Spencer-Oatey
research and development activities and advice by external consultants. A further key approach is to implement organisational development measures and, in particular, measures designed to enhance the qualification profile of individual members of the organisation. This latter requirement is especially acutely felt in organisations working internationally, whose work settings and interactions are marked by increased and increasing linguistic and cultural complexity. Thirty-five years ago in Germany, for example, organisations practically exclusively focused on the linguistic challenge of foreign trade by providing foreign language training for their staff. Demand for foreign language training – often now on much higher levels – still today forms a major part of organisations’ response to handling the complexity of their international activities. But, with increasing globalisation, organisations have recognised the need to enhance their international interactions by tackling the cultural complexity brought about by increased contact with diverse national, ethnic and religious cultures. Setting up sales offices and subsidiaries abroad, managing joint ventures and strategic alliances with foreign partners, and making mergers and acquisitions across the globe succeed are massively more complex tasks than the comparatively simple trading activities practised and perfected over many, many years. Increasingly, organisations are also becoming more aware of the benefit to be gained by leveraging the potential benefits of the diverse perspectives that cultural complexity brings with it. For example, major European manufacturers are increasingly setting up research and development centres in fastgrowing Asian economies not just to be closer to the customer but also to tap the innovative potential of different cultural perspectives available there. Such increased complexity has led to still rising demand from organisations for measures to develop the intercultural interaction competence of their staff. These development needs, which those with expert knowledge of intercultural communication have the potential to satisfy as consultants, trainers and coaches, are extremely diverse, as is illustrated by the following examples taken (but disguised for reasons of confidentiality) from the recent professional practice of the present authors: a) a major European carmaker needs to develop the intercultural management competence of its Chinese high potentials located in China as a way of reducing its dependence on costly expatriate European managers b) a small, long-established, family-run manufacturing business occupying a niche in an increasingly competitive market, having bought a similar company in Scandinavia, sets up a production plant in Central Europe and now requires expert help to raise general awareness throughout the company of its increased international activity and to select and develop those with the potential to work at the international interfaces c) staff in a UK-based research and development subsidiary of a Chinese company are experiencing difficulties communicating with their head office and would like help in improving the situation
Developing Intercultural Interaction Competence in Organisations
405
d) the hitherto senior scientific officer at a large continental European multinational company needs to be prepared for his first ever expatriate assignment, which also involves taking on the challenges of his first largely managerial position involving considerable budget and personnel responsibility in the UK e) a New Delhi-born but largely UK-bred accountant, who, having set up a subsidiary of his Germany-based multinational company in southern India, requires intercultural support when he, his wife and his children are moved directly from India to headquarters in Germany f) a group of apprentices needs to be prepared for a three-week work-experience stay at one of the foreign subsidiaries of their company. Whereas potential linguistic challenges are certainly apparent in these examples, the larger challenge was seen by the organisations involved to lie in the cultural complexity to be handled. The perceived development need was in all cases to enhance the intercultural interaction competence (ICIC) of those involved.
2 The concept of intercultural interaction competence 2.1 ‘Intercultural interaction’ vs. ‘intercultural communication’ We choose to use the more inclusive term ‘intercultural interaction’ rather than ‘intercultural communication’ because in the organisational context it is necessary to acknowledge explicitly that the communication between people from different cultural backgrounds goes beyond ‘mere communication’ to include joint, purposeful activity pursued in the fulfilment of an organisation’s purpose. Whereas the constituents of conventional concepts of communication – the (co-)construction of content meaning and of rapport – are naturally prominent features of such joint, purposeful activity, the management of the subsequent actions and the handling of the consequences it has for the individual and the organisation are also of crucial importance. Such individual consequences may be, for example, the need to manage the personal, dual acculturative stress that results from adaptation to both an unfamiliar national culture and an unfamiliar organisational culture which may be demanded of an individual involved in cross-border organisational mergers. The organisational consequences may be, for instance, the need to handle conflicts which lead to frictional losses and a failure to achieve the organisational goals in time and on budget.
2.2 ‘Competence’ vs. ‘effectiveness’ What makes some individuals more successful than others in contexts marked by cultural otherness has been investigated ever since shortly after the end of World
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Peter Franklin/Helen Spencer-Oatey
War II by scholars from various disciplines – psychology, communication studies, applied linguistics, management studies. This has led to a rich literature, especially of US provenance, about the nature of the success factors but its results are marked by terminological and conceptual confusion. Two of the most frequently occurring terms used in the literature to describe this success are ‘effectiveness’ and ‘competence’. The former, which is often favoured by US psychologists and communication studies scholars in their writings, is important to those in organisational contexts with its strongly transactional emphasis on getting things done and achieving organisational purposes. However, the use of the broader term ‘competence’ allows us to go beyond the element of ‘effectiveness’ as the criterion for success in intercultural settings. It can be conceptualised more readily also to include the concept of ‘appropriateness’, a familiar notion in applied linguistics and foreign language pedagogy and so crucial in intercultural contexts. What may be effective – in terms of task achievement – may not be contextually appropriate and therefore not an expression of sustainable competence because of its damage to rapport. We thus use the term ‘competence’ rather than ‘effectiveness’ in the phrase ‘intercultural interaction competence’ to refer to the ability to act and communicate (verbally and non-verbally) both effectively and appropriately in joint, purposeful activity with people from other cultural groups. It also encompasses the ability to handle the psychological demands and dynamic outcomes of such interchanges. However, if the goal is to promote the abilities of people working at the intercultural interfaces of organisations, this conceptualization, though academically adequate, is scarcely fit for purpose. In short, the conceptualisation does not tell us what people need in order for them to ‘do’ intercultural interaction well or better – which is, after all, the key objective when organisations seek to improve the performance of their people. It is thus clearly necessary to unpack the term ‘intercultural interaction competence’ so that the interculturalist can determine the aims, content and methods of his/her development intervention. What does ‘competence’ consist of?
2.3 Intercultural interaction competence Psychologists and communication scholars have attempted to characterise ICIC through numerous empirical studies. In a six-page overview table, Dinges/Baldwin (1996) list the purpose, design, method, subjects and results of 22 such studies published from 1985 to 1993. Other scholars, such as Arasaratnam/Doerfel (2005), Hammer (1989) and Spitzberg (1989), have undertaken similar, more or less comprehensive reviews. As Spencer-Oatey/Franklin (2009, 57) comment: The various lists of such empirically derived factors yield a somewhat diffuse but intuitively plausible picture of the components of ICIC. Open-mindedness, non-judgmentalness (sometimes
Developing Intercultural Interaction Competence in Organisations
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referred to as interaction posture), empathy, tolerance for ambiguity, flexibility in thinking and behaviour, self-awareness, knowledge of one’s own and other cultures, resilience to stress, and communication or message skills (including foreign language proficiency, although this is less frequently mentioned) are among the components which are identified as playing an important role in the creation of appropriateness and effectiveness in intercultural interaction.
The numerous studies, which can be seen as contributing individual stones to an overall mosaic, have led to attempts to reflect the insights through conceptual frameworks. Notable examples are the frameworks generated by Ting-Toomey (1999) with its components ‘knowledge blocks’, ‘mindfulness’ and ‘communications skills’; by Chen/Starosta (2005) with its components ‘personal attributes’, ‘communication skills’, ‘psychological adaptation’ and ‘cultural awareness’ and by Gudykunst (2004) with its more classically psychological components ‘motivation’, ‘knowledge’ and ‘skills’. These sub-competencies are also obvious to a certain extent in the more theoretical frameworks generated in the field of foreign language pedagogy by Byram (1997), and by Prechtl/Davidson Lund (2007) and especially in those developed by scholars and consultants working in the field of international management such as Kühlmann/Stahl (1998), Stahl (2001), Leslie et al. (2002), Earley/Ang (2003) and Schneider/Barsoux (2003). The multidisciplinary framework presented by Spencer-Oatey/Franklin (2009) is eclectic in drawing on the insights from all of these approaches. Tab. 1: Spencer-Oatey and Franklin’s (2009) Framework of Intercultural Interaction Competencies. Message communication competencies (Spencer-Oatey/Franklin 2009, 83) Message attuning
Picks up meaning from indirect signals such as paralanguage (e.g., intonation, speaking volume and speed, pausing) and non-verbal communication (e.g., eye contact and other elements of body language), and uses these signals to draw inferences about people’s message meanings
Active listening
Does not assume understanding – checks and clarifies the meaning of words and phrases, and tests own understanding
Building of shared knowledge
Discloses and elicits key information, including the intentions and broader context as to why something is said or requested, in order to help build trust and mutual understanding and to reduce uncertainty
Linguistic Adapts use of language (e.g., choice of words, speed of delivery, clarity of accommodation pronunciation, use of colloquial expressions) to the proficiency level of the recipient(s) Information structuring and highlighting
Structures and highlights information by using discourse markers to ‘label’ language, by using visual or written aids, and by paying attention to the sequencing of information
Stylistic flexibility
Uses different language styles and conventions flexibly to suit different purposes, contexts and audiences
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Tab. 1: (continued) Rapport management competencies (Spencer-Oatey/Franklin 2009, 102) Contextual awareness
Sensitive to key features of the interaction, including participant relations (equality/inequality and distance/closeness), the rights and obligations of people’s roles, and the nature of the communicative activity
Interpersonal attentiveness
Pays focused attention to people’s face sensitivities (e.g., their status, competence, social identity), behavioural expectations and interactional goals, and manage them effectively
Social information gathering
Gathers information about the interactional context (e.g., people’s roles and positions in a hierarchy) by asking relevant others or by careful observation
Social attuning
Uses indirect signals such as paralanguage (e.g., intonation, speaking volume and speed, pausing) and non-verbal communication (e.g., eye contact and other elements of body language) to infer social meaning – how s/he is coming across to others (how his/her behaviour is being evaluated from a relational point of view) and what the emotional state (e.g., offended, annoyed) of the other person is
Emotion regulation
Resilient – is able to handle criticism or embarrassment when things go wrong; accepts and feels at ease with people who are different e.g., who hold different views or values
Stylistic flexibility
Uses a range of strategies flexibly so that they are congruent with people’s rapport sensitivities.
Intercultural cognitive competencies (Spencer-Oatey/Franklin 2009, 136) Knowledge – information gathering
Gathers information about the micro and macro interactional context using a wide range of suitable methods
New thinking – Openness
Open to new ideas, curious, and willing to challenge assumptions
New thinking – Synergistic creation
Finds creative solutions that can reconcile different opinions/procedures
Goal management
Willing to accommodate to local ways and priorities
Valuing of difference
Looks beyond stereotypes and explores what contrasting people have to offer
Intercultural competencies − emotional strength (Spencer-Oatey/Franklin 2009, 155) Resilience
Ability to cope well with stress, uncertainty and anxiety and to bounce back after making mistakes
Coping
Have well-developed methods for dealing with stress, builds local support networks and uses humour to relieve tensions
Spirit of adventure
Searches out and enjoys new experiences, even if they are unpredictable and outside the normal comfort zone
Inner purpose
Possesses an inner strength and well-defined personal values, self-reliance and determination that provides a clear sense of purpose and direction
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All the frameworks mentioned contain sub-competencies which can be classified as affective, behavioural or cognitive in nature. Some may be described as personal attributes. This classification raises important questions, some of which are ethical in nature, relating to the boundaries to the development and acquisition of intercultural interaction competence in organisational contexts. The development and acquisition of competence means bringing about changes in the present level and nature of competence. Whereas changes in behavioural competencies in the form of acquired skills and changes in cognitive competencies in the form of acquired declarative and procedural knowledge are conventionally part of professional development measures in organisations, should changes to attitudes and, more crucially, personal attributes belong there as well? The question of how interculturalists can use these multidisciplinary frameworks in developmental measures in organisations is the subject of the next section.
3 Approaches to developing intercultural interaction competence in organisations 3.1 Development context Organisations rather than formal educational institutions such as schools or universities do not in themselves offer ideal conditions for the development of the full range of sub-competencies making up ICIC. While it is true that some of these subcompetencies can be developed very directly and relatively quickly as a result of lecturing or training, others such as attitudes and personal attributes, can be developed only indirectly and slowly, if at all. These sub-components are those which may indeed develop by themselves as a result of upbringing, socialization and life experience and which may be promoted by aspects of personality. In short, the components of ICIC vary in their susceptibility to being developed and may require measures which allow them to develop by themselves. Organisations may be at a disadvantage here when compared with classical educational institutions as they may have limited opportunities for providing development over longer time-scales: the one- or two-day training course – suitable perhaps for learning to use a new piece of software – may be the only development form which is reconcilable to the operational needs of the organisation despite its obvious shortcomings for developing ICIC. That said, organisations, in Germany at least, are becoming more aware of the long-term nature of the development of ICIC and are more willing to create the framework conditions which make this possible. This means moving away from short, intensive developmental courses to those spread over time on the one hand, and on the other employing increasingly available psychometric development tools which profile not only knowledge and skills but also attitudes and personal qualities. We elaborate on this further in section 3.3.4.
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Peter Franklin/Helen Spencer-Oatey
Apart from the timeframe available, the framework conditions in organisations obviously differ from those of classical educational settings for young people in other ways as well: – the target group consists of adults socialised in work settings and often with considerable work experience; – the aim is specific, namely to enhance the individual’s work performance, rather than general, namely to contribute to the individual’s education; – the beneficiaries of the development are the individual participant and his/her organisation rather than the individual and society. These features also form part of the contextual framework in which intercultural development measures take place in organisations and into which the goals and desired outcomes of development activities, as well as their content, tools and methods, have to fit.
3.2 Goals and outcomes The goal of all staff development activities in organisations is to bring about change in people so that they know something or do something or feel something they did not before the development intervention took place, or something they knew or did or felt less completely beforehand. To use our conceptualization of ICIC as described in section 2.2 above, the goal of ICIC development measures in organisations is to bring about changes which enable the participant to achieve intercultural interaction that is (more) effective and (more) appropriate. It is therefore necessary to consider which components of an individual’s or a group’s ICIC should be selected for change, either by establishing them or by enhancing them. The cognitive, behavioural and affective components of ICIC presented in the various frameworks discussed above are reflected in the – more or less – achievable outcomes of ICIC development, namely changes in the knowledge, skills and attitudes which may be needed to display ICIC. An understanding of the nature of these outcomes is crucial, as this influences both the content of the development measure and the methods selected (see section 3.3 below) for achieving them. The distinguishing features identified in Table 21.2 are important for a number of reasons. Firstly, the classification of outcomes into knowledge, skills and attitudes frequently occurs in the literature dealing with intercultural development. Secondly, the distinguishing features offer initial criteria for assessing the needs of participants, for selecting from the mass of methods and materials, and for designing new development activities. And thirdly, as Spencer-Oatey/Franklin (2009, 202) critically note, an understanding of these features […] can act as a mechanism to correct a tendency in much ICIC development to emphasize the passing on of knowledge at the expense of developing attitudes and, in particular, skills.
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Tab. 2: The distinguishing features of the outcomes of ICIC development interventions. Desired outcome
Enables …
Acquirable …
Examples of content
Relationship to enhanced organisational performance
Knowledge understanding
in the short-term
knowledge about values, norms and practices; knowledge about processes of intercultural interaction
Strong: acquired knowledge may describe replicable behaviour, supports skill extension and attitude adaptation
Skills
doing
in the short- to medium-term
active listening, linguistic accommodation, stylistic flexibility, information gathering, coping
Very strong: acquired behaviour directly enhances intercultural interaction
Attitudes
feeling
in the medium- to long-term
Emotion regulation, openness, valuing of difference, inner purpose, spirit of adventure
Less strong: acquired skills are enhanced by but not dependent on supportive attitudes
3.3 Content, methods and assessment tools 3.3.1 Needs analysis A key means of assuring that the goals of development measures, their content and their outcomes (insofar as we can assume a match between the goals of a development measure and its results) are appropriate for the organisational context is to carry out a needs analysis. Familiar in language for specific purposes pedagogy, this questionnaire tool (frequently online) can readily generate a picture of the needs of the participants or, indeed, of the participant (the development of a single individual is common in the organisational context as can be seen in the development scenarios at the beginning of this article). Necessities The sets of sub-competencies outlined above should not mislead us into assuming that all sub-competencies are always necessary in all situations and to the same extent and that they must always feature in development measures. Indeed, this is impossible as some of them are in a relationship of tension to each other. For example, ‘goal management’ and ‘inner purpose’ in Spencer-Oatey/Franklin’s framework above can be regarded as to some extent contradictory in nature. What
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the necessary components of a particular ICIC are will vary from situation to situation and from person to person. For example, for somebody working as Chief Compliance Officer in a subsidiary located in a country in which notions about what behaviour is corrupt differ from those at headquarters in New York, a high degree of ‘goal management’ (i.e. a willingness to accommodate to local ways and priorities) would not be advisable, whereas for an engineering project manager working in polychronic cultures this competence may well be required to a high degree. Similarly, it would be wrong to believe that it is necessary for the sub-competencies always to be maximally present. Whereas a fairly high degree of ‘spirit of adventure’ is probably desirable in an embassy official working in Afghanistan or Somalia, for example, too high a degree could well bring with it unacceptable risks for both the organisation and the individual. Yet in all cases mentioned here, it would certainly be desirable and necessary to be extremely competent in ‘information gathering’, for as Spencer-Oatey/Franklin (2009, 204) summarise: The demands of any particular target situation for which the participants are being prepared correspond to a subset of all the components of ICIC and will vary from target situation to target situation. This subset renders a list of needs known as target-situation necessities.
The needs analysis can therefore provide a broad-brush picture of the target situation for which the participants are being prepared and can contribute to the identification of a range of competencies which the participants should have developed at the end of the intervention or should be aware of their need to continue to develop. An example of such a needs analysis adapted from Spencer-Oatey/ Franklin (2009, 205–6) is given below. Dear Participant Successful German-British Management Communication and Cooperation between German Parent Company X and British Subsidiary Company Y A workshop to be conducted by N. N. from … We are looking forward to meeting you at the German-British cross-cultural workshop. As we would like to tailor it to your experience, needs and expectations, we would appreciate it very much if you could take the time to fill in the attached questionnaire and send it back by e-mail by … to …. Yours sincerely N. N. 1.
Surname:
First name:
2.
May we contact you? If so, Email:
Telephone:
3.
What is your mother tongue?
4.
What national or ethnic culture(s) do you regard yourself as a member of?
5.
What foreign languages do you speak and how well? (basic (−), good (+), very good (++) nativelike (+++))
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413
6.
What is your educational background?
7.
Please describe your work. Mention the nature of your work which involves contacts with people from Great Britain/Germany.
8.
Do you have regular contact with direct reports/a superior/clients/suppliers who are based in Great Britain/Germany?
9.
Have you ever taken part in any kind of intercultural training? If so, please describe briefly.
10. Have you ever lived or worked abroad for a period of more than three months? How long? Where? Doing what kind of work? 11. What kind of contact do you already have with your British/German colleagues? Nature of contact
Frequency
Challenges
Telephone Video conferences Virtual communication e.g., email, shared database Face to face meetings in Germany Face to face meetings in Great Britain Business trips to Germany/Great Britain 12. When you consider your experience with past and present British (if you are German) or German (if you are British) colleagues, in what areas of communication and behaviour at work have you observed different perceptions, points of view and ways of doing things? 13. In what areas of work have you observed problems, if any, in the communication and cooperation between the British and Germans? 14. What do you believe would be helpful for your future cooperation with your German/British colleagues? 15. What topics would you like the workshop to cover? 16. What are your aims for this workshop? 17. Please complete this sentence: This workshop will be a success for me if … 18. Any other comments? Thank you for answering these questions. Your answers, which will only be used in preparing the workshop, will be treated in strict confidence and will not be made available to third parties without your permission.
Lacks Just as the precise range of sub-competencies to be developed will vary from situation to situation, so too will it vary, as mentioned above, from person to person. Participants bring with them an individual set of knowledge, skills and attitudes,
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which is likely to be a larger or smaller subset of the necessities identified. By subtracting the participant’s individual set of knowledge, skills and attitudes from the necessities, the developer can generate at a set of needs known as lacks. Such lacks can be described as the development gap and allow the developer to select goals and desired outcomes for the intervention which will fill this gap. These lacks are much more difficult to ascertain than the necessities and very often the developer is reliant on informal assessments of the HR department or interviews with the participant prior to the development intervention. A more comprehensive but more resource-intensive means of assessing lacks is to conduct individual and/or organisational assessments of cultural orientations and ICIC. There exists a wide range of instruments and frameworks to assess some element(s) of ICIC at the individual level. Paige’s useful taxonomy (2004, 94) lists some of them: intercultural development; cultural identity; learning styles; global awareness and worldmindedness; cultural adjustment, culture shock and cultural adaptation; intercultural and multicultural competence; prejudice and racism. The assessment of ICIC development needs at an organisational level is sometimes attempted by aggregating the results of individual assessments but it needs to be asked whether this really amounts to a profile of organizational intercultural competence. As Spencer-Oatey/Franklin (2009, 196) note, [d]o collective actors such as companies and not-for-profit organizations reflect the competence of the sum of the individual actors residing in it or are organizations capable of actions which display a different (either smaller or greater) competence? Given the significance attached to voluntary corporate codes of conduct or to strategies guiding, for instance, corporate and social responsibility, and indeed in view of legislation on corporate governance, the answer may well be no. It would appear necessary to develop and/or apply other, more management-oriented models and measures of organizational intercultural competence to determine the legitimacy of applying assessment instruments designed for individual use in this way.
3.3.2 Developing knowledge The development of cultural knowledge, both of other cultures and also one’s own culture(s), occupies a central position in activities promoting ICIC. This is not because of its supreme importance as a component of ICIC; in fact, good arguments can be made for believing that other components play a more significant role in effective and appropriate intercultural interaction. Its salience lies rather in the fact that in contrast to skills and attitudes, such knowledge – about everyday life and the nature of organisational activity in a particular culture, conceptualisations of culture, cultural models and insights into the culturally based values, attitudes and the behavioural norms of a particular culture and its institutions – can be passed on and acquired relatively simply and relatively quickly. In culture-general interventions, i.e. those preparing participants for dealing with all types of cultures, the knowledge passed on by intercultural developers is
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generally etic in nature; i.e. contrastive, based on quantitative studies using dimensions developed by an outside investigator and considered to be universal. It is frequently based on figures generated by Hofstede (1980), Hofstede (2001) and Trompenaars (1993). Later studies such as the GLOBE study (House et al., 2004), which go some way to counter the increasingly justified criticism made of Hofstede’s and Trompenaars’ work for being outdated and assuming a no longer existent cultural homogeneity at the country level (cf. Franklin/Spencer-Oatey 2011), are regrettably only slowly finding their way into the intercultural developer’s canon. In culture-specific development interventions, i.e. those preparing participants to deal with a particular cultural setting, this etic knowledge may be complemented by emic knowledge; i.e. knowledge which is based on qualitative studies using insights generated by cultural insiders and considered to be specific to that culture. Whereas the quality of such information may be sound, it may run the risk of being coloured by the culture-centredness of the investigators, their research questions and methods. In less frequently investigated cultures, the information available is often experiential at best, sometimes unique to its holder, more often harmfully anecdotal, reductionist and stereotypical in nature. The development field urgently requires sound, evidence-based emic and etic descriptions of less frequently investigated cultures so that its reliance on unsatisfactory sources can be reduced. Knowledge about the process of intercultural interaction is even more rarely the focus of ICIC development interventions. Berardo and Simons (2004) surveyed which models were used in intercultural development interventions. They discovered that applied linguists and psychologists who could be said to have generated knowledge about the process of intercultural interaction were mentioned only 16 times out of a total of 170 mentions. This finding indicates an urgent gap which could be filled by applied linguists willing and able to feed useful and usable insights into the development field. For those planning the development intervention, it would entail a shift in goal from transmitting cultural information to developing awareness and understanding of key features and issues that participants need to pay attention to.
3.3.3 Developing skills From the view-point of participants from organisational settings, their understandable focus in an ICIC development intervention is on solving problems rather than merely understanding them. So skills and behaviour assume a central significance in developing their perceived ability to act more successfully in the target situation. As we pointed out above, skills and behaviours take longer to develop than knowledge, but even here we see differences which may need to be taken into account when selecting content. Common behavioural conventions and social rituals are quick and easy to train. However, a difficulty which may arise here is distinguish-
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ing between flexible normative conventions and inflexible prescriptive/proscriptive conventions, all the more important because of the participants’ frequently expressed need for behavioural ‘dos and don’ts’ in culturally unfamiliar target situations. This difficulty highlights the insight that ICIC is dependent not only on knowledge and skills but to a large extent also on sensitivity, which itself is based on attitudes, affective qualities and values which can be promoted only over the medium- to long-term. Message communication competencies and rapport management competencies (see Table 1 above) are vital in intercultural interaction situations but strangely neglected in intercultural development interventions. They feature as goals and outcomes neither in older intercultural development publications such as Paige (1993), Brislin/Yoshida (1994), Kohls with Brussow (1995), Cushner/Brislin (1996) and Singelis (1998) nor in more recent handbooks such as Landis/Bennett/Bennett (2004) or Gardenswartz et al. (2003). In their review of the intercultural training profession, Berardo/Simons (2004) found no evidence of these skills being dealt with in development interventions. Only a few exceptions are to be found: Ewington/ Trickey (2003, 48) elaborate on and exemplify ‘transparency strategies’; Comfort and Franklin give examples of what they call ‘clarity skills’ (2014, 107) and ‘active listening skills’ (2014, 121); Spencer-Oatey and Stadler (2009) list authentic examples of a range of message communication and rapport management competencies. Acquiring other skills and behaviours is likely to be much more difficult and may need a perhaps hardly achievable behavioural adjustment rather than the acquisition of readily learnable skills. However, while a key ICIC skill is proficiency in a lingua franca of international business, it is a sad reflection of the state of knowledge in organisations’ HR development departments that foreign language training is frequently the only form of ICIC development regularly offered to staff.
3.3.4 Developing attitudes Developing the adoption of new attitudes, perspectives and values and changing those already existing are great responsibilities more conventionally located in classical educational settings. Nevertheless, although the short timeframes available may militate against their successful development (Cf. Spencer and Spencer 1993, 11), they are also part of development activities in organisations. Attitudes, such as seeing intercultural interaction not just as a threat but also as a resource, or recognizing that handling cultural diversity may require a behavioural flexibility which may come only at the price of a reduced goal-focus, may change more readily over a longer period of time, as a result of placing people in unfamiliar situations and affording them new experiences. Nevertheless, intercultural developers believe that such changes in attitudes may at least be triggered even in short development interventions. Fowler and
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Blohm (2004, 46), in their description of the development of attitudes write: ‘If the outcome of the training is that trainees will modify their attitudes, methods need to touch trainees’ belief systems, often intensely.’ This intensive touching of belief systems, as well as the acquisition of knowledge and the development of skills, is dependent on the use of effective methods and tools. We turn to this in the next section.
3.3.5 Methods In a seminal, much imitated but often unattributed ‘classification scheme for training techniques’ Gudykunst and Hammer (1983, 126) establish two sets of contrasting concepts which bring order to an array of approaches and methods used in intercultural development interventions. The first set makes the widely used distinction between culture-specific and culture-general development already mentioned above. The second set gives headings to the teaching and learning activities employed in interventions – on the one hand, the ‘university model’, didactic/ expository, set of more classically teaching-oriented methods and, on the other, the experiential/discovery set of more learning-oriented methods. Gudykunst/ Guzley/Hammer (1996) elaborated on the original classification and SpencerOatey/Franklin (2009, 218) present a slightly adapted (and more readily accessible) version of the taxonomic quadrants. The taxonomy is worth examining for two reasons. Firstly, it summarises for those new to the field the variety of methods available, most of which are still used even if they are known by other names. Secondly, it makes clear the nature of the demands that can be placed on the ideally multidisciplinary qualification profile of intercultural developers: the methods included are derived from psychology, sociology, communication studies, anthropology, area studies and foreign language education. We return to this subject in the concluding part of this article. More recently, Fowler and Blohm (2004) have devised a new and comprehensive taxonomy of methods using a different set of criteria for choosing methods for various development settings. They describe the methods, their strengths and weaknesses, adaptability, application, availability, and so on. They characterize the various methods as ‘cognitive’, ‘active’ (although interactive would be more appropriate), ‘intercultural’ or ‘other’ and describe the expected outcomes in terms of whether they promote the development of knowledge, skills or attitudes. Some of the methods discussed are familiar from communicative language teaching (simulations, role plays) and some from the development of business and management skills (case studies, self-assessment). (An account of how self-assessment can be used as a tool for developing ICIC is given below.) In their work, Fowler/Blohm (2004) describe six methods they describe as intercultural in nature, meaning that they have either their origin or a particular
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usefulness in the intercultural development area: contrast culture, critical incidents, the culture assimilator or intercultural sensitizer, culture analysis, crosscultural dialogues, area studies and immersion. Constraints of space do not allow us to review all of these here but because of their significance we devote some lines to critical incidents. Critical incidents have become extremely widely used in intercultural development activities. Also used in research contexts, critical incidents are descriptions of occurrences which one or both of the parties to the incident experience as ineffective and/or inappropriate and/or unsatisfying or simply surprising or puzzling. A short prose text merely describes what occurred and often the unspoken feelings and thoughts of those involved. Here is an example taken from Gibson (2002, 41): The German marketing manager of a major car producer was finding it increasingly difficult to work in Japan. In meetings the Japanese colleagues hardly ever said anything. When they were asked if they agreed to his suggestions they always said yes, but they didn’t do anything to follow up the ideas. The only time they opened up was in a bar in the evening but that was getting stressful as they seemed to expect him to go out with them regularly.
The developer asks the participants to describe their own probable reactions to the incident if they had been involved, to take on the perspective of the interactants and to propose ways of handling the situation. The effectiveness and appropriateness of the proposed actions are then discussed. In particular, the developer asks participants to suggest possible explanations for the behaviour, thinking of potential culturally influenced differences in values and norms. If none are offered, the developer provides such insights him/herself, thus developing in the participants their ability to achieve more accurate attributions of culturally influenced behaviour in other contexts. First developed in the early 1960’s, reported on by Fiedler, Mitchell and Triandis (1971) and much used by the German cross-cultural psychologist Alexander Thomas and associates, the culture assimilator/intercultural sensitizer uses critical incidents in a slightly different way. The description of the critical incident is followed by a question designed to stimulate reflection on the critical incident and an assessment of what happened. The participants then compare their assessment with a number of offered explanations of the critical incident, which may also offer behavioural choices for the parties to the critical incident. These explanations may reflect the different cultures of those involved and are discussed with the developer. This authentic critical incident is taken from Franklin (2006): I was in Germany for my first management meeting with my new colleagues from the German parent company. […] There was a very heated discussion amongst the German colleagues about the best way to go ahead, which I felt was a real row. So I was rather insecure and nervous about putting my view across. But in the end I said my piece and I think people understood. But I didn’t join in the shouting. As it was our first international meeting, the German colleagues all took us out for a meal and a drink. I was extremely surprised by the fact that they all seemed to get on so well together and have so much fun.
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1. Fortunately, most of the German colleagues who had quarrelled went home. 2. The evening out was not an occasion to talk shop but to have a good time. 3. For the German colleagues the open expression of contrary views at the meeting was a discussion; it was not a quarrel which affected personal relationships but the open and honest expression of opinion.
Albert (1995) lists sources of culture-specific culture assimilators and Triandis (1995) describes briefly, and Albert (1983) more thoroughly, how to construct culturespecific culture assimilators.
3.3.6 Assessment tools Self-assessment and assessment by others can not only reveal the nature of the culturally influenced values or preferences held or the extent of the sub-competencies possessed by an individual. The assessment process can in itself – through raising awareness and leading the participant to select learning actions – contribute to ICIC development. Assessing value orientations as a development method A cultural values orientation assessment can bring out similarities and differences between the participant’s values and those prevalent in a different cultural group and so raise the participant’s awareness of, and to some extent prepare for, possible areas of difference, difficulty and synergy. In this way, it can indicate the possible culture-fit or culture-unfit that a participant might experience in interactions in a particular cultural setting. Such tools are often proprietary instruments developed by training organizations and are therefore not easily examined by outsiders not paying for intercultural intervention. Examples are the Intercultural Awareness Profiler available to clients of Trompenaars-Hampden-Turner Consulting; the Cultural Orientations Indicator, which is part of the Cultural Navigator available to clients of the TMC training company; the Worldprism Profiler available from TMAWorld; and the Intercultural Personality Test available from ICUnet AG, further details of all of which can be found in Spencer-Oatey/Franklin (2009, 182). An example of a freely available instrument assessing value orientations is the Value Orientations Survey. Based on the work of Kluckhohn and Strodtbeck (1961) it forms a part of the Value Orientations Method. The instrument itself is to be found in Russo (2000), which also contains a detailed description of how to analyse the data collected, a sample analysis and guidelines on administering and modifying the survey. Assessing intercultural interaction competence as a development method As well as being useful in needs analysis, the process of completing an ICIC assessment instrument and the actions taken subsequently are also a development tool
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at the individual level. The participant completes a self-assessment questionnaire or takes part in an intercultural assessment centre. The results of the assessment are communicated to the participant in a debriefing session by a person licensed to use the instrument. In this one-to-one session, the developer explains the assessed sub-competencies to the participant and together they discuss those identified as being present or absent in the participant to a lesser or greater degree. It is particularly important that the developer assesses with the participant their relevance to the necessities of the target situation, a key objective of the session being to elicit from the participant sub-competencies which he/she feels it would be advantageous to develop. A development plan is then generated, ideally by the participant him/herself supported by the licensed coach. Some instruments provide users with supporting materials. Examples of instruments which assess various forms of ICIC for development purposes are the Cross-Cultural Adaptability Inventory developed by Colleen Kelley and Judith E. Meyers, the Intercultural Development Inventory developed by Mitchell R. Hammer and Milton Bennett and the International Profiler (TIP) developed by Worldwork Ltd. The items of only the latter instrument refer explicitly to intercultural organisational settings and actions.
4 The qualification profile of intercultural competence developers This article has shown that intercultural interaction competence and its development are highly complex matters, which would ideally demand a high and diverse qualification profile from those developing this competence. Berardo and Simons (2004) in their survey of the intercultural profession also investigated the qualifications and experiences of intercultural developers. They found developers held a broad range of subjects of study as a qualification, although at bachelor’s level as many as 43 % were graduates of linguistics, language and literature (Berardo and Simons 2004, 12), with 36 % holding a degree in psychology, anthropology, history, sociology or political science. At master’s level, linguistics, language and literature still dominated with 32 %, more closely followed by intercultural or international studies (28 %), business, economics and marketing (27 %), and psychology, anthropology, history, sociology or political science (26 %). 26 % of those surveyed held a doctoral degree, nearly half of them in psychology, anthropology, history, sociology or political science. Only 27 % of those questioned had a doctoral degree in linguistics, language and literature. Berardo and Simons (2004, 12) also investigated the degree of preparation in training, coaching or consulting obtained by developers active in the professional development field:
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48 % report having attended a professional program or workshop in teaching, coaching or consulting while 75 % have a certificate or diploma in one of these three categories. A large percentage of interculturalists also have either attended a professional program or workshop (64 %) or have received a certificate or diploma (48 %) in intercultural or international studies.
What is clear is that very few respondents have an explicitly relevant qualification. Their patchwork of qualifications is unsurprising given the multidisciplinary nature of the field and the activity, and the lack of suitable degree courses, especially in Europe. This multi-disciplinarity and lack of educational opportunities, combined with extremely low entry-barriers to the intercultural development profession, represent both a threat and an opportunity. The reputation of intercultural development in organisational contexts is threatened by inadequately prepared and inexperienced developers entering the market. Many internationally minded young graduates are attracted by the development profession and set up on their own as freelance ‘trainers’ or ‘coaches’ and as a consequence, have – at best – to learn on the job, with all the potential for harm to the reputation of the profession as a whole. The opportunity is obvious and one to be grasped by universities with appropriately experienced and qualified staff – namely, the setting up of postgraduate degrees, which, after accreditation, could bring greater quality to organisational development contexts. This would require, it is true, a relatively rare cooperation of the disciplines to ensure that the multi-disciplinarity of the field is reflected in the qualification itself. However, that – combined with a co-operation among European universities – would provide an attractive intercultural setting and represent a competitive advantage over possibly otherwise comparable qualifications on offer in the USA.
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22. Coaching Abstract: Coaching spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der individuellen Bewältigung dramatischer Umstrukturierungen moderner Arbeitswelt. Der Stellenwert und der Prozess von Coaching im organisationalen Kontext werden erläutert. Die Profession Coaching erzeugt ihr handlungsrelevantes Wissen auf der Basis von Erfahrungsreflexion und Theorieverankerung. Dieses Wissen erfährt dadurch einen ausgezeichneten Status. Dem wird gesprächslinguistisches Wissen über Coaching gegenübergestellt und dessen Anwendbarkeit erörtert.
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Vorbemerkung Coaching – ein diffuser Begriff Der gesellschaftliche Anlass für Coaching: Veränderte Arbeitsverhältnisse Der Stellenwert von Coaching im Organisations-Kontext Anlässe für Coaching Rahmenbedingungen (Haltungen der Klientin, Honorar, Dauer, Kontrakt) Fragen als Schlüsselmomente im Coaching Aktuelle Entwicklungen Coaching als Kommunikationsereignis Coachingwissen über Coaching-Kommunikation Literatur
1 Vorbemerkung Die Literatur zu Coaching allein im deutschsprachigen Raum ist mittlerweile unüberschaubar; die Literaturhinweise hier sind daher exemplarisch zu verstehen oder weiterführend. Der ganz überwiegende Teil der Veröffentlichungen erfolgt innerhalb der Profession Coaching selbst. Diese beiden Ausgangsbefunde machen deutlich: Coaching hat gegenwärtig Konjunktur und das Wissen über Coaching wird wesentlich durch die Profession selbst erzeugt.
2 Coaching – ein diffuser Begriff „Coaching“ ist heutzutage in aller Munde. Ursprünglich im Sport beheimatet, hat sich der (oder die) Coach inzwischen fast alle Lebensbereiche erobert: es gibt business coaches, Ernährungscoaches, Schülercoaches und Gesundheitscoaches, Glückscoaches ebenso wie personal coaches. Manche Coaches bzw. Coachings sind sehr spezialisiert, andere decken mehr oder weniger die gesamte Bandbreite des https://doi.org/10.1515/9783110296235-022
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(Arbeits-)Lebens ab – oder versprechen dies zumindest. Allen Coaches und Coachings gemeinsam ist, dass es sich um Berater- oder Trainertätigkeiten handelt. Wie eine solche Beratungstätigkeit zu verstehen ist, welche Rolle ein Coach dabei hat, wird dabei nicht nur nach Branche, sondern auch nach dem Selbstverständnis der Coaches unterschieden. Manche verstehen sich als Coaches eher als Umsetzer oder Vorantreiber einer vorgegebenen Zielvorgabe – von der Vorgesetzten oder auch der Klientin selbst bestimmt (dies trifft zum Beispiel im Sport wie auf manche hausinternen Coaches zu), andere Coaches sehen ihre Rolle als „Unterstützerin“ der Klientin sowohl bei der Klärung ihrer eigenen Anliegen, d. h. dem Herausfinden eigener Ziele, deren Realisierbarkeit und konkreter Schritte dahin als auch der Begleitung der Klientin auf diesem Weg. Nach dieser Auffassung ist Coaching ergebnisoffen, der Coach einzig für die sogenannte Prozessgestaltung verantworlich, die Klientin selbst jedoch für das Ergebnis. Die Aufgabe des Coaches besteht in diesem Fall darin, durch Fragen und den Einsatz geeigneter Methoden Klienten bei der Herausarbeitung ihrer Ziele zu helfen, formulierte Ziele zu hinterfragen und immer wieder zu überprüfen, ob die genannten Ziele noch stimmen oder korrigiert werden müssen, und auch dafür zu sorgen, dass ihre Klienten auf ihrem jeweiligen Weg vorankommen, ihr Ziel auch erreichen können. Manche Coaches greifen bei der Begriffsbestimmung auch gerne auf das englische Wort „coach“ (= Kutsche) zurück, um dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass ein Coach ihre Klienten auf ihrem Weg begleitet, also weniger das Ziel und den Weg vorgibt wie ein Coach im Sport, sondern vielmehr den „Reisenden“ unterstützt. Uns erscheint dies allerdings eher in einem bestimmten Coachingsverständnis begründet zu liegen als in der tatsächlichen Herkunft der Profession Coaching – falls man angesichts der diffusen Begriffsverwendung überhaupt von einer solchen sprechen kann. Coaching ist ebenso wie Supervision ein ungeschützter Begriff, das heißt jeder, der möchte, kann sich „Coach“ oder „Supervisorin“ nennen – unabhängig davon, ob sie ihr Handwerk versteht oder nicht. Die Auswahl eines Coaches wird daher sehr davon abhängen, wie der Coach seine Rolle als Coach versteht, auf welche Erfahrungen er zurückgreifen kann, welche Ausbildung er genossen hat – und ob sich zwischen Klientin und Coach ein „Rapport“ einstellt, das heißt ein Gefühl, „miteinander zu können“. Zur Diffusität des Begriffs gehört auch, dass darunter sehr verschiedene Arbeits- und Herangehensweisen verstanden werden: Psychoanalytisch geprägte Coaches werden immer auch die Biographie ihrer Klientin einbeziehen und nach Ursachen fragen. Lösungsorientierte Coaches dagegen halten den Fokus auf die Ursache eines Problems für unerheblich für dessen Lösung und konzentrieren sich auf die Ziele, die eine Klientin erreichen will, und darauf, was die Klientin tun kann, um diese zu erreichen. Systemisch arbeitenden Coaches ist gemein, dass sie ein Problem oder eine aktuelle Situation nicht isoliert betrachten, sondern das jeweilige relevante Umfeld (das „System“) mit in den Blick nehmen. Bei Schul-
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problemen eines Kindes würde das bedeuten, nicht nur mit dem Kind selbst zu arbeiten, sondern auch die Lehrerinnen, Eltern und die Organisation Schule in den Blick zu nehmen. Coaches, die am Psychodrama orientiert sind, lassen Situationen und Gefühle aktiv in Szene setzen: unterschiedliche Sichtweisen oder „innere Stimmen“ der Klientin werden verkörpert und bekommen ihren eigenen Platz auf der Bühne, sodass sie für die Klientin klarer erkennbar werden und miteinander in einen Dialog treten können. Gestalttherapeutisch arbeitenden Coaches ist der ganzheitliche Blick auf das Hier-und-Jetzt einer bestimmten Problematik wichtig. Dieser konzeptionellen Vielfalt entsprechend unübersehbar ist inzwischen die einschlägige professionseigene Literatur in Gestalt von Einführungen (zum Beispiel Schreyögg 1995), Handbüchern (zum Beispiel Rauen 2000), Zeitschriften (zum Beispiel Organisationsentwicklung, Supervision, Coaching) und Internet-Portalen (zum Beispiel www.coaching-magazin.de). Wichtig ist uns an dieser Stelle deutlich zu machen, wie viele verschiedene Beratungsansätze sich unter dem Begriff Coaching finden lassen. Selbst wenn es darum geht, zu beschreiben, was Coaching nicht ist, stößt man wiederum auf die Diffusität des Begriffs. Die Frage der Abgrenzung zu Psychotherapie und Supervision ist in den Fachverbänden umstritten. Die Deutsche Gesellschaft für Supervision e. V. (DGSv) hat als einer der in Deutschland führenden Verbände von Supervisorinnen und Coaches 2011 die Debatte um Unterschiede zwischen Supervision und Coaching für beendet erklärt („Das Ende eines unerklärlichen Unterschiedes“) – dennoch setzen sich die Diskussionen weiter fort. Unseres Erachtens ist keiner der Unterscheidungsversuche wirklich tragfähig. Der gängigste Unterscheidungsversuch bezieht sich darauf, dass es sich beim Coaching um eine berufsbezogene Beratung für Führungskräfte handele (z. B. Schreyögg 1995), während Supervision eher an Teams gerichtet sei. Dies lässt jedoch Leitungssupervision außer Acht. Auch der Unterscheidungsversuch von Fietze (2013), beim Coaching sei der Fokus auf die Person gerichtet, während er bei Supervision auf der Beziehung zwischen den Personen läge, lässt sich unseres Erachtens nicht aufrechterhalten. Auch branchengeleitete Abgrenzungsversuche, die Coaching im Wirtschaftsbereich ansiedeln möchten und Supervision im sozialen Bereich, halten der Realität nicht stand, sondern verweisen eher auf eine professionsgeschichtliche Tradition.
3 Der gesellschaftliche Anlass für Coaching: Veränderte Arbeitsverhältnisse Für die Konjunktur von Coaching als arbeitsweltbezogenem Beratungsformat lässt sich aus arbeits- und organisationssoziologischer Perspektive eine Reihe von Gründen angeben, die insgesamt unter dem Stichwort „Veränderungen der Arbeitswelt“ zusammengefasst werden. Fietze (2009) macht allerdings darauf aufmerksam, dass
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eine differenzierte Betrachtung dieser Veränderungen für die Erklärung der Konjunktur von Coaching erforderlich ist: Die viel diskutierte Erosion der Erwerbsbiographie, die durch häufigen Stellenwechsel gekennzeichnet ist und in der sich Phasen der Beschäftigung mit solchen der Arbeitslosigkeit abwechseln, trifft keineswegs alle Erwerbsgruppen gleichermaßen – vorzugsweise jene nicht, die die zahlenstärksten Nachfrager von Coaching darstellen. (Fietze 2009, 14)
Insbesondere folgende Veränderungsdimensionen werden aufgeführt: – flache Hierarchien; – durchlässige Grenzen (Entgrenzung); – projektförmige Arbeitszusammenhänge; – kontinuierliche Umstrukturierungen. Aus diesen Veränderungsdimensionen resultieren erhebliche, qualitativ neue Kommunikations- und Koordinierungsanforderungen an Organisationsangehörige – und zwar aufgrund der Durchgängigkeit der Veränderungen nicht nur an solche des oberen Managements, sondern – mindestens – an alle Mitglieder mit Führungsverantwortung. Die Netzwerkstruktur der Organisation führt zu neuen Kooperationsformen der Organisationsmitglieder mit Geschäftspartnern außerhalb der eigenen Organisation und damit zu neuen Loyalitätsherausforderungen, der Entwicklung neuer Beziehungsformen und vermehrten Distanz-Erfahrungen zur „eigenen“ Organisation (vgl. Marchington u. a. 2005). Immer mehr Mitarbeiter bewegen sich über den ‚(Teller-)Rand‘ ihrer Organisationen hinaus und nehmen dadurch einen Positions- und Perspektivenwechsel vor, der sie die eigene Organisation quasi ‚von außen‘ betrachten läßt. (Fietze 2009, 17)
Die Etablierung flacher Hierarchien und die Organisation von Arbeit in Projektstrukturen führen zu neuen Verantwortlichkeitsverteilungen, neuen Kontrollformen Denn wenn die relevanten Informationen für die Produktion an den Schnittstellen zwischen den Organisationen entstehen bzw. zu finden sind, verliert eine vorrangig auf eine vertikale Hierarchie ausgelegte Organisationsstruktur ihre produktive Funktion. (Fietze 2009, 16)
zu Zuständigkeitsambivalenzen bzw. -unklarheiten sowie neuen Konfliktlinien mit dem Erfordernis neuer Konfliktbewältigungsmuster sowie zu erhöhtem Entscheidungsdruck und zunehmender Individualisierung von Risiken. Kontinuierliche Umstrukturierung der Organisation (u. a. joint ventures, Externalisierungen, mergers) führt zu Orientierungsdefiziten und Zugehörigkeitskrisen, die eine erhöhte Orientierungsfähigkeit mit Bewältigungsformen von Bindungsbedürfnissen erfordern. Alle diese Veränderungen führen zu Anforderungen an das einzelne Organisationsmitglied. Hier kommt das Beratungsformat Coaching ins Spiel. Coaching ver-
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steht sich als prozessorientierte Beratung mit dem Ziel individueller Potenzialerschließung. Die individuelle Begleitung erlaubt bei Positions- und Personalwechsel, in Phasen der Einarbeitung, aber auch bei Strategieentwicklungen und Problemlösungen eine flexible und situationsspezifische professionelle Unterstützung und berührt darüber hinaus eine subjektive Reflexionsebene, die durch die klassischen Formen der Fortbildung und des Trainings allein kaum erreicht werden kann. (Fietze 2009,18)
4 Der Stellenwert von Coaching im Organisations-Kontext Neben der Passfähigkeit des Beratungsformats Coaching an die Dimensionen modernen Arbeitslebens nennt Fietze noch zwei weitere Gesichtspunkte, die Coaching als Instrument der Personalwirtschaft und -entwicklung attraktiv machen: Zum einen sieht sie eine Strukturhomologie von Coaching und modernen Formen der Organisationsberatung, die Coaching an die Unternehmenswelt anschlussfähig macht. Zum anderen stellt sie ein Scheitern primär expertenorientierter Organisationsberatung fest („Beratung durch Expertise und Praxisanleitung von außen hat selten die erwünschte positive Wirkung gezeigt“ (Fietze 2009, 18).), so dass Coaching als verfügbares, alternatives Format quasi ex negativo attraktiv erscheint. Coaching ist mittlerweile ein etabliertes Element der Personalentwicklung. Es wird eingesetzt zur individuellen Einarbeitung und Förderung von Organisationsmitgliedern sowie zur Bewältigung von Arbeitsproblemen. Wesentliche Themen sind dabei einer Unternehmensbefragung zufolge Fragen der Führungskompetenz und Rollenklärung (Personal 2009) – ein Ergebnis, das auf dem Hintergrund der oben angeführten Überlegungen nicht überrascht. Coaching ist darüber hinaus aber auch Element der organisationalen Anerkennungsordnung. Coaching kann hier Teil eines Bonusprogramms sein oder Statuserhöhend, wenn jede Mitarbeiterin, die eine bestimmte Karrierestufe erreicht hat, ihren persönlichen Coach an die Seite gestellt bekommt.
5 Anlässe für Coaching Die Anlässe für ein Coaching sind vielfältig. Manche gehen von einer Mitarbeiterin selbst aus, die zum Beispiel ihre Rolle oder Stellung im Unternehmen klären oder Aufstiegschancen oder neue Karrierewege ausloten möchte. Auch das Gefühl der persönlichen Überforderung kann Anlass zu einem Coaching sein: Schwierigkeiten im Team oder mangelnde Führungskompetenz; Erschöpfungszustände, weil man
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sich den ständig zunehmenden Anforderungen nicht gewachsen fühlt (zur Individualisierungen von Leistungsanforderungen vergleiche zum Beispiel Kratzer 2005, 256) oder nicht weiß, wie man Familie, Haushalt und Beruf gerecht werden soll oder kann. Auch ein Stellenwechsel oder Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Familienpause können Coaching-Anlässe sein. Häufiger jedoch als persönliche Coachinganfragen sind die eines Unternehmens oder einer Organisation. Coachings werden im Rahmen eines Jahres- oder Mitarbeiter-Gesprächs vereinbart als Teil der Personalentwicklung, damit eine Mitarbeiterin den ihr zugedachten Aufgaben oder künftigen Tätigkeitsgebieten besser gewachsen ist, oder sie sind Bestandteil von Organisationsentwicklung. Nicht selten sind auch Coachinganfragen eines Unternehmens aus Gründen, die primär in der Organisationsstruktur liegen bzw. strukturell bedingt sind, aber vermeintlich billiger, aufwandsärmer und schneller gelöst werden können sollen, wenn einer Mitarbeiterin Unzulänglichkeiten zugeschrieben werden oder sie für Defizite verantwortlich gemacht wird – in der Hoffnung, dass nach einem Coaching dieser Mitarbeiterin sich die Firmenprobleme von allein lösen werden. Wenn ein Coach von einer Organisation für eine Mitarbeiterin angefragt wird, spricht man vom sog. „Dreieck-Kontrakt“ (Organisation – Klientin – Coach). Der Coach bewegt sich in einem strukturellen Spannungsverhältnis zwischen Organisationsinteressen einerseits („Machen Sie Frau X mal fit!“) und Klientenanliegen andererseits („Ich fühle mich wie im Hamsterrad.“). Es gilt als Coach im Erstgespräch herauszufinden, welche Erwartungen von wem – zum Beispiel Vorgesetzter und Mitarbeiterin – an ein Coaching gestellt werden, und ebenso durch entsprechendes Nachfragen zu eruieren, ob Coaching für den geschilderten Anlass überhaupt das geeignete Instrument ist. Sollte sich in einem Dreieck-Kontraktgespräch herausstellen, dass Klientin und Vorgesetzte unterschiedlicher Auffassung über die Ziele und Anliegen des Coachings sind, wird dies selbst zum Thema. Manchmal wird Coaching auch in dem Sinne verstanden, eine Unternehmensleitung dabei zu unterstützen, bestimmte Orientierungen, Werte oder Maßnahmen durch- und umzusetzen (zum Beispiel Rückle 2002). Lässt sich ein Coach darauf ein, läuft er allerdings Gefahr, funktionalisiert zu werden. Coaching im Sinne eines ergebnisoffenen Prozesses ist dann nicht mehr möglich.
6 Rahmenbedingungen (Haltung der Klientin, Honorar, Dauer, Kontrakt) Der Anlass wirkt sich – zusammen mit finanziellen und anderen Vorgaben – auf die Gestaltung des Kontrakts und des Coachingprozesses selbst aus. Daneben haben die beispielhaft genannten unterschiedlichen Anfragen und Anlässe auch einen Einfluss darauf, mit welcher Haltung die Klientin ein Coaching beginnt. In der
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Literatur wird zwischen „Kunden“, „Besuchern“, „Klagenden“ und „Co-Beratern“ in der Beratung unterschieden (zum Beispiel Radatz 2006): Fragt jemand nach einem Coaching für sich selbst und aus eigener Initiative heraus an, ist dies die ideale Haltung einer Klientin für den beginnenden Coachingprozess: Diese Person möchte gecoacht werden, ist im oben genannten Sinn also eine Kundin und in aller Regel zur Mitarbeit im Beratungsprozess bereit (eine Ausnahme wäre, wenn jemand Coaching nur in Anspruch nehmen würde, um hinterher sagen zu können, „alles versucht“ zu haben oder um sich oder jemand anderem zu beweisen, dass Coaching nicht helfen könne. Sollte dies der Fall sein, wird ein erfahrener oder gut ausgebildeter Coach dies jedoch schnell merken und zum Thema im Coachingprozess machen. Ähnlich wie „Besucher“ in „Kunden“ verwandelt werden können, kann sich durch dieses Zum-Thema-Machen die Haltung der Klientin verändern, zum Beispiel wenn ihr dadurch bewusst wird, dass sie die ohnehin in den Coachingprozess investierte Zeit und Kosten auch nutzbringend für sich einsetzen könnte). Wird jemand von seiner Vorgesetzten geschickt, ist erst zu klären, ob dies im Sinne der Klientin ist oder (zunächst) nicht. Bei einem Coaching im Rahmen der Personalentwicklung ist ebenfalls entscheidend, ob dies dem Wunsch der Klientin entspricht – ob der Coach es also ebenfalls mit einer Kundin zu tun hat oder die Klientin diese Maßnahme nicht für zielführend hält, das heißt kein Coaching möchte. Wann immer eine Person geschickt wird und nicht hinter der Entscheidung steht, wird von Besuchern gesprochen. Um einen Coachingprozess erfolgreich gestalten zu können, gilt es als unerlässlich, über die Haltung, Erwartungen und Wünsche der Klientin Klarheit zu gewinnen. Coaching ist eine professionelle Dienstleistung. Zu den Rahmenbedingungen gehört daher die Festlegung des Honorars, die jeweilige Sitzungsdauer und voraussichtliche Anzahl der Sitzungen des Coachingprozesses im Rahmen eines Erstkontakts. Auch ob diese Vereinbarungen in einem schriftlichen Vertrag festgehalten werden sollen, wird dort geklärt. Zu diesen Absprachen gehört auch, bis wann eine Sitzung durch die Klientin kostenfrei abgesagt werden kann, und eine Regelung zu treffen, falls eine Sitzung durch den Coach verlegt werden muss. Die vereinbarte und in der Regel schriftlich kontraktierte Anzahl der Sitzungen richtet sich zum einen nach dem Anliegen bzw. dem Anlass. Unabhängig davon spielen jedoch auch finanzielle Vorgaben oder geltende Rahmenbedingungen einer Organisation für ein Coaching eine Rolle. Sollte durch diese äußeren Vorgaben nur eine Prozessdauer vereinbart werden können, welche voraussichtlich nicht ausreichend für das genannte Anliegen ist, wird ein Coach bereits im Erstgespräch darauf aufmerksam machen. Dann kann gemeinsam überlegt werden, ob es eine Möglichkeit gibt, den Prozess zu verlängern oder ob die Ziele des Coachings verändert werden können: Reicht es beispielsweise in manchen Fällen aus, Klarheit über die als problematisch erlebte Situation zu erlangen und im Coachingprozess erste konkrete Schritte zu einer Änderung zu erarbeiten, ohne dass der gesamte Veränderungsprozess durch ein Coaching begleitet werden muss?
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Das Erstgespräch spielt im gesamten Coachingprozess eine wesentliche Rolle. Wichtig ist, sich über die Rahmenbedingungen vor Beginn des Prozesses zu verständigen, damit keine falsche Erwartungshaltung entsteht, die den Prozessablauf unnötig erschweren oder im Extremfall zu einem Abbruch des Coachingprozesses führen würde. Mit der Erläuterung der eigenen Arbeitsweise werden im Erstgespräch auch die Verantwortlichkeiten geklärt: Versteht sich der Coach als verantwortlich für den Prozess, das heißt für eine Gestaltung der Sitzungen, die die Klientin dabei unterstützt, die für sie „richtigen“, stimmigen Lösungen zu entwickeln, trägt die Klientin die Verantwortung dafür, ein Ergebnis für sich zu finden. Die Aufgabe des Coachs besteht bei dieser Herangehensweise darin, durch geeignete Interventionen und Fragen (siehe unten) dafür zu sorgen, dass die Klientin auch tatsächlich ein gutes Ergebnis, eine Lösung für sich entwickeln kann. Ebenfalls Aufgabe des Coaches ist es, dafür zu sorgen, dass das Anliegen, das abgesprochene Ziel des Coachingprozesses, nicht aus dem Blick gerät. Verändert sich das Ziel oder die angestrebte Lösung im Verlauf eines Coachingprozesses, obliegt es dem Coach darauf aufmerksam zu machen und sicherzustellen, dass diese Zieländerung im Sinne der Klientin und von dieser auch gewollt ist. Bei erfolgreich verlaufenen Prozessen bringt ein Abschlussgespräch wichtige Ergebnisse noch einmal auf den Punkt und mögliche Themen der persönlichen Weiterentwicklung der Klientin können thematisiert werden (was ist abgeschlossen, wo besteht noch Beratungs- oder Handlungsbedarf?). Im Falle eines Dreieck-Kontrakts zwischen Coach, Klientin und deren Vorgesetzter muss auch besprochen werden, ob die Vorgesetzte bei der Auswertungssitzung dabei ist. Im Falle einer schriftlichen Auswertung muss besprochen werden, was an die Vorgesetzte weitergegeben wird oder seitens der Klientin weitergegeben werden darf, und wo die in Coachingprozessen dringend angeratene Vertraulichkeit und Verschwiegenheit unumstößlich ist.
7 Fragen als Schlüsselmomente im Coaching Aufgrund der unterschiedlichen Anliegen, Anlässe, Ausbildung und Vorlieben sowohl eines Coaches als auch einer Klientin können Coachingprozesse und -sitzungen sehr unterschiedlich verlaufen. Die Herangehensweise an ein Thema sowie die Methodenwahl zur Bearbeitung desselben variiert folglich. Allen Coachingprozessen gemeinsam ist jedoch der zentrale Stellenwert von Fragen – die wiederum je nach theoretischer Ausrichtung und Herangehensweise sehr unterschiedlich sein können. „Gute“ Fragen im Sinne von weiterbringenden Fragen spielen sowohl bei der Klärung als auch der Intervention und zur Sicherstellung eines guten Ergebnisses und dessen Umsetzbarkeit eine maßgebliche Rolle, weil durch sie die Klientin selbst eine für sie stimmige Lösung entwickeln kann (im Gegensatz zu Ratschlägen oder einer durch eine Expertin erfolgende Fachberatung). Nach diesem Verständnis gibt es folglich keine „Patentlösungen“ für eine
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als problematisch empfundene Situation – wenngleich ein Coach natürlich auch auf Lösungsmöglichkeiten hinweisen kann, die sich in der Vergangenheit bereits bewährt haben –, sondern jede Klientin entwickelt als Expertin für ihr Anliegen ihr eigenes, für sie persönlich stimmiges Ergebnis. Dadurch ist gewährleistet, dass der gefundene Lösungsweg, das Ergebnis, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch umgesetzt werden kann. Ein Beispiel: Einer Projektleiterin gelingt es nicht, den Vorstand davon zu überzeugen, finanzielle Mittel für eine weitere Mitarbeiterin zu gewähren. Eine Lösung könnte sein, die Notwendigkeit der weiteren Mitarbeiterin durch aussagekräftige Argumente und belegte Zahlen deutlicher zu machen. Möglicherweise wäre dies jedoch keine gute Lösung für das Problem der Klientin, weil Argumente und Zahlen bereits perfekt ausgearbeitet wurden, es der Projektleiterin aber an überzeugendem Auftreten mangelt. In diesem Fall könnte ein Rhetoriktraining oder simuliertes Gespräch im Rahmen einer Coachingsitzung hilfreich sein. Möglicherweise wäre auch das nicht hilfreich, wenn zum Beispiel nur der Zeitpunkt für die Frage nach weiteren Mitteln schlecht gewählt war. Statt nun im Coaching sämtliche Lösungsmöglichkeiten zu eruieren, könnte die Frage „Was könnte Ihrer Meinung nach den Vorstand daran gehindert haben, Ihnen Mittel für eine weitere Mitarbeiterin zu gewähren?“ wesentlich schneller zu dem in diesem speziellen Fall hilfreichen Lösungsweg führen. Fragen bieten im Coaching die Möglichkeit, Komplexität zu erhöhen (sogenanntem „Tunneldenken“ entgegenzuwirken), zum Beispiel „Was noch …?“, oder auch zu reduzieren (beispielsweise bei sehr komplexen hochgesteckten Karierrezielen), zum Beispiel „Was von all dem Genannten wäre denn für Sie am wichtigsten?“, „Wenn Sie nur ein Ziel verwirklichen könnten: welches wäre das?“, „Was wäre ein erster kleiner Schritt, um dem gewünschten Ziel näher zu kommen?“, die Perspektive zu erweitern oder zu fokussieren (wenn man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht). Fragen sorgen im Coaching dafür, dass die Klientin selbst ins Nachdenken kommt und infolgedessen für sie stimmige Lösungen entwickelt werden. Im Coaching spielen zwei Fragetypen eine ganz besondere Rolle, weil sie zum einen das Potenzial von Fragen im Coaching verdeutlichen und außerdem im Coaching besonders nützlich sein können: Zum einen handelt es sich um „Zirkuläre Fragen“ (mit ausführlichen Fallbeispielen Simon/Rech-Simon 2004), durch die auch Abwesende in den Coachingprozess mit einbezogen werden können. Bei unserem oben genannten Beispiel könnte der Coach beispielsweise die Projektleiterin fragen: „Angenommen, Frau x [das Vorstandsmitglied, das sich besonders vehement gegen die Gewährung der Mittel ausgesprochen hat] wäre jetzt hier. Was würde sie uns sagen, was zu ihrer abschlägigen Entscheidung geführt hat?“ „Was bräuchte Frau x, um Ihnen die Mittel gewähren zu können?“ etc. – Zirkuläre Fragen helfen Klienten, sich in die Rolle beteiligter Dritter zu versetzen, deren Perspektive wahrzunehmen. Dies kann zu einem besseren Verständnis dieses Dritten führen und somit einer Kompromissfindung dienen, aber auch nützlich sein, um die eigene Strategie zu verbessern, indem den Gefühlen und Argumenten dieses Dritten Rechnung getragen wird.
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Zum anderen handelt es sich um die sogenannte „Wunderfrage“ (de Shazer/ Dolan 2008), die nicht nur neue, bislang nicht gedachte Lösungsmöglichkeiten aufzeigen kann, sondern auch aus festgefahrenen Denkmustern befreit, indem der Fokus vom Problem direkt auf die Lösung gelenkt wird: „Angenommen, wenn Sie heute Nacht schlafen, kommt eine gute Fee vorbei und lässt ein Wunder geschehen. Wenn Sie morgen früh aufwachen, ist Ihr Problem gelöst. Woran würden Sie als erstes merken, dass Ihr Problem gelöst ist? Was wäre dann anders?“ Im Coaching kann dabei nicht nur eine Lösung gedacht und vorweggenommen werden, sondern von diesem Lösungsbild ausgehend erarbeitet werden, was die Klientin tun könnte, um zu dieser Lösung zu gelangen (auch ohne das Zutun einer guten Fee). Auch in den Fällen, in denen sich Klientinnen auf eine unmögliche Lösung versteifen („Das einzige, was mir helfen könnte, wäre ein 28-StundenTag!“), kann die Wunderfrage hilfreich sein. Bei unserem Beispiel könnte etwa – wiederum durch Fragen – erarbeitet werden, welchen Unterschied vier weitere Stunden am Tag machen könnten. So kann langsam darauf hingearbeitet werden, erstrebte Lösungen („nicht-mehr-so-abgehetzt-sein“ zum Beispiel) auch auf anderem Weg zu erreichen. Ein Coach könnte zum Beispiel die hohe Belastung würdigen („Sie haben wirklich viel zu tun! Vier weitere Stunden am Tag wären da schon hilfreich, das wäre in der Tat für Sie die beste Lösung. Nur können wir die leider nicht verwirklichen. Was wäre denn die zweitbeste Lösung?“), um dann eine Klientin darin zu unterstützen, Lösungen zu entwickeln, die konkret, messbar, realisierbar, in eigener Kontrolle liegend („was werden Sie dafür tun?“) und positiv formuliert sind (also zum Beispiel „was stattdessen?“ zu fragen, wenn eine Klientin ihren Fokus darauf legt, was nicht mehr sein soll. In unserem Beispiel „mich-gelassenfühlen“ statt „abgehetzt“). Nicht zuletzt sollte das angestrebte Ziel wichtig für die Klientin sein. Wichtig meint in diesem Sinn, dass die Klientin dieses Ziel, diese Veränderung auch wirklich will, sie ihr wichtig genug ist, um die notwendigen Schritte oder eigene Denk- oder Verhaltensänderungen auch tatsächlich umzusetzen.
8 Aktuelle Entwicklungen Aus der Vielzahl gegenwärtiger Erscheinungsformen des Coaching sollen im Folgenden zwei aktuelle Entwicklungen herausgegriffen werden, die unter sprachbzw. kommunikationstheoretischer Perspektive von besonderem Interesse sind: interkulturelles Coaching und virtuelles Coaching.
8.1 Interkulturelles Coaching Die Frage von Interkulturalität nimmt im Coaching gegenwärtig noch keinen großen Raum ein (Ausnahme: Nazarkiewicz/Krämer 2011), stellt sich jedoch gleich in mehrfacher Hinsicht:
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Zum einen stellt sie sich in Hinblick auf globalisierte Arbeitsbeziehungen, zum Beispiel interkulturell zusammengesetzte Projektteams, Firmenniederlassungen im Ausland, joint vertures. Während Coaching als eine reflexive Beratungsform (siehe oben), bei der die Person der Klientin und ihre Interaktionen und Beziehungen zu anderen Beteiligten des relevanten Systems im Fokus steht, in individualistischen Gesellschaften (zum Beispiel Westeuropa oder den USA) anschlussfähig ist, löst eine solche Interaktionsform in anderen Kulturen eventuell Irritationen, Verunsicherung und Peinlichkeit aus, weil Arbeitsprobleme anders kulturell kodiert und zugerechnet werden. Zum Zweiten wird sich die Frage nach Interkulturalität mit Zunahme von Mitarbeitern und Führungskräften mit Migrationshintergrund im heimischen Kontext in Gestalt von Gender-, Autoritäts- und Werteproblemen stellen. Zum Dritten lässt sich das Moment von Interkulturalität bereits innerhalb einer Gesellschaft in Hinblick auf unterschiedliche Arbeitskulturen produktiv nutzen: So wie im Ansatz einer ethnologischen Organisationsentwicklung mit Perspektivenwechsel und der Fähigkeit, eine Kultur mit der Distanz des fremden Blicks zu betrachten, gearbeitet wird (vgl. Schönhuth 2002), kann auch im Coaching eine ethnologische Ausbildung von Vorteil sein. Da es unserer Beobachtung nach nur wenige Coaches gibt, die eine entsprechende Vorbildung im Bereich der Kulturwissenschaften oder Interkulturellen Kommunikation besitzen, werden sowohl in der Coachingliteratur als auch in den meisten Coaching- oder Supervisionsausbildungen kulturrelevante Kontexte weitgehend außer Acht gelassen.
8.2 Medienvermitteltes Coaching: virtuelles Coaching Wir möchten an dieser Stelle noch auf einen weiteren Coachingzweig aufmerksam machen, der momentan noch ein Stiefkind-Dasein in der Coachingbranche führt: das medienvermittelte Coaching. Während Telefonberatung sich nicht nur durch Hotlines oder Sorgen-Telefone inzwischen etabliert hat, spielt dieses Beratungsformat in der Coaching-Profession eine zweitrangige Rolle. Denkt man an OnlineCoaching, sogenanntes virtuelles Coaching, weisen viele Coaches dieses Format als unzulänglich und defizitär zurück. Das Potenzial virtuellen Coachings wird entsprechend wenig genutzt. Dabei ermöglicht virtuelles Coaching einen gemeinsamen Coachingprozess auch dann, wenn Teammitglieder örtlich weit entfernt voneinander arbeiten. Auch können entsandte Mitarbeiterinnen so nicht nur auf ihren Auslandsaufenthalt vorbereitet werden, sondern während ihres Auslandsaufenthalts weiter begleitet werden. Für das zahlende Unternehmen reduzieren sich die Kosten, die durch Anfahrtswege zu einer Coachingsitzung entstehen, nicht zuletzt dadurch, dass Mitarbeiterinnen kürzer von ihrem Arbeitsplatz entfernt sind. Auch die flexiblere Zeitnutzung sowie das Medium der Schriftlichkeit kann im Coaching von großem Nutzen sein: Durch virtuelles Coaching kann sich eine Mitarbeiterin
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länger Zeit lassen, um über eine bestimmte Fragestellung nachzudenken, als dies in festgelegten 1,5 Stunden dauernden Coachingsitzungen der Fall ist. Ferner wird in der Literatur auf das Potential zur Förderung von Selbstreflexion (Trager/ Wilbers 2008) und Stressbewältigung (Helm 2008) hingewiesen. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, genauer auf dieses Coachingformat einzugehen; als wichtige Stichpunkte, die beim virtuellen Coaching beachtet werden müssen, sei hier stellvertretend auf den sensiblen Punkt der Verschwiegenheit verwiesen – Coaching via Skype ist, obgleich durchaus praktiziert, aus Datenschutzgründen nicht zu verantworten – sowie auf die Sorgfalt der Prozessgestaltung: Während es bei einem face-to-face Coaching in der Regel dem Coach obliegt, für eine geeignete Atmosphäre zu sorgen, muss er beim virtuellen Coaching sicherstellen, dass seine Klientin diese Aufgabe übernimmt, also zum Beispiel eine notwendige Distanz zu ihrem Arbeitsplatz schafft, indem das Coaching wenn irgend möglich nicht an ihrem Schreibtisch oder üblichen Arbeitsplatz im Büro stattfindet. Des Weiteren empfehlen sich bestimmte Rituale oder Gesten, um einen separator-state herbeizuführen, das heißt deutlich zu machen, dass die tägliche Büroarbeit zwar Thema ist, aber während des Coachings nicht erledigt, sondern reflektiert werden soll.
9 Coaching als Kommunikationsereignis 9.1 Coaching in einer Theorie sozialer Interaktion Wir begreifen Coaching als ein Ereignis beraterischer Interaktion, das an der Schnittstelle zwischen organisatorischen, insbesondere betrieblichen Systemen, einerseits und individuellen Strukturen andererseits ansetzt mit dem Ziel, Menschen für dort auftretende Probleme Lösungen zu ermöglichen und sie in ihrem Potenzial beruflicher Selbstgestaltung zu fördern. Aufgrund dieses Ansatzpunktes ist das interaktive Geschehen von Coaching von einem konstitutiven Spannungsmoment bestimmt, das prinzipiell nicht auflösbar ist. Ein wesentliches Interaktionsmoment von Coaching ist die gemeinsam gestaltete Reflexion primär arbeitsbezogener Erfahrungen der Klientin. Reflexion wird dabei betrachtet als spezifischer, angemessener Zugang zu komplexen, von Kontingenzen und Ambivalenzen bestimmten Arbeitssituationen mit einem zunehmenden Anteil an kommunikativen Aktivitäten. Der Fokus auf die Arbeitssituation impliziert als weitere wesentliche Ansätze die Fallorientierung auf die spezifische Arbeitssituation, die Implementierung institutionellen bzw. organisatorischen Wissens sowie die Vorbereitung beruflicher Interaktionssituationen (Bewerbungsgespräch, Konfliktlösungsgespräch etc.). Diese Bestimmung ist gegenüber dem professionsinternen Coaching-Diskurs in dreifacher Weise abstinent:
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Bezugsdiskurs dieser Bestimmung ist eine Theorie sozialer Interaktion, genauer Beratungsinteraktion. Eine solche Bestimmung ist damit abstinent gegenüber theoretisch gefassten Selbstverständnissen der Coaching-Professionellen im Sinne eines systemisch-lösungsorientierten Coachings, eines GestaltCoachings, eines psycho-dynamisch bestimmten Coachings und anderen mehr. Die Bestimmung auf eine Theorie von Beratungsinteraktionen ist abstinent gegenüber dem Kommunikationsrahmen; sie vermeidet konzeptionelle Abgrenzungen von Coaching gegenüber Supervision, Psychotherapie und Organisationsberatung. Solche Abgrenzungsfragen gehören auf die Ebene professionellen Selbstverständnisses und sind dort professionstheoretisch zu diskutieren. Die Bestimmung von Coaching als Kommunikationsereignis betont den emergenten, interaktiven Charakter des Geschehens. Sie betont damit den prozessualen und ko-konstruktiven Charakter und ist damit abstinent gegenüber personalen Zurechnungen von Gesprächsmomenten wie zum Beispiel „das Problem des Klienten“.
9.2 Coaching in professionsinterner Perspektive Der professionseigene Diskurs über Coaching weist eine Vielzahl von Theorieverankerungen und entsprechend unterschiedlich akzentuierte Coaching-Konzepte auf; diese können an dieser Stelle aus Platzgründen nur stichwortartig aufgeführt werden: – systemische Ansätze (zum Beispiel Radatz 2006), – lösungsorientierte Ansätze (zum Beispiel deShazer/Dolan 2008), – psychodynamische Ansätze (zum Beispiel West-Leuer 2003), – gestalt-orientierter Ansatz (zum Beispiel Richter 2009), – psychodramatischer Ansatz (zum Beispiel Buer/Schmidt-Lellek 2008), – transaktionsanalytischer Ansatz (zum Beispiel Hagehülsmann/Hagehülsmann 2007), – logotherapeutischer Ansatz (zum Beispiel Fintz 2008), – ratio-emotiver Ansatz (zum Beispiel Schwartz 2008), – individualpsychologischer Ansatz (zum Beispiel John 2008).
10 Coachingwissen über Coaching-Kommunikation 10.1 Die Besonderheit intraprofessionellen Coachingwissens Wie in jeder anderen Profession existiert auch in der Profession Coaching ein Komplex handlungsrelevanten Wissens. Im Unterschied zu anderen kommunikationsintensiven Professionen wie zum Beispiel Ärzten, Juristen, Ingenieuren, Ver-
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trieblern, ist intraprofessionelles Handlungswissen im Coaching allerdings in besonderer Weise ausgezeichnet. (Diese Formulierung gilt sicher nur cum grano salis – in der Tat gibt es für die ärztliche Profession das reflexionsorientierte Format der Balintgruppe und generell fundierte Weiterbildungsprogramme im Bereich Sozialkompetenz, die von einzelnen Angehörigen dieser Professionen durchaus genutzt werden.) Zwar kann Coaching als kommerziell orientiertes Dienstleistungsangebot nicht auf „von Kompetenzinszenierungen geprägte Beratungsofferten“ verzichten (Busse/ Ehmer 2010, 7), aber der intra-professionelle Diskurs ist von einer hohen Reflexion und Sensibilität dem eigenen professionellen Handeln gegenüber geprägt, wie sich in Buchtiteln wie „Coachingwissen. Denn sie wissen nicht, was sie tun?“ (Birgmeier 2009) oder „Wissen wir, was wir tun? – Beraterisches Handeln in Supervision und Coaching“ (Busse/Ehmer 2010) zeigt. Insbesondere die Beratungssituation selbst erscheint den Coaches als „black box […] zu der man aus wissenschaftlicher Perspektive bisher kaum einen Zugang bekommen hat“ (Kühl 2009, 7). Das hohe Ausmaß an Reflexion ist Folge der Rekrutierung der Professionellen aus Ausbildungsdisziplinen, in denen menschliches Handeln im sozialen Kontext den Kernbereich der Betrachtung bildet – Psychologie und Soziologie. Im Gegensatz zu o. a. Professionen ist der Bereich kommunikativen Handelns Gegenstand der disziplinären akademischen Ausbildung professioneller Coaches. Die Betonung wissensfundierten Handelns spielt im Coaching auch deshalb eine Rolle, weil man hofft, auf diese Weise angesichts einer „inflationäre[n] Auswucherung des Coaching in alle (un)möglichen Lebenslagen“ (Busse/Ehmer 2010, 8) Professionalität und Seriosität unter Beweis stellen zu können. Das Handlungswissen in der Coaching-Profession ist zum einen also als theoriebezogenes ausgezeichnet. Zum anderen ist es als professionelles Wissen durch praktischen Bezug ausgezeichnet. „Die Praxis der Profession erzeugt ihr eigenes genuines Wissen“ (Fischer 2010, 17). Dieses Wissen ist bezogen auf praktisches Handeln und damit von anderer Natur als akademisch durch handlungsentlastete Betrachtung und Forschung gewonnenes Wissen. Es ist erfahrungsgesättigtes, reflektiertes Problemlösungswissen. Wir sehen das im Selbstverständnis einer Praxis, die teils stolz, teils trotzig, teils mit schlechtem Gewissen ihr eigenes lokales und berufsständisches Problemlösungswissen über das Wissen stellt, das wissenschaftliche Forschung, Theorie und Evaluation bereitstellen. Die vergangene eigene wissenschaftliche Ausbildung kann vom Professionellen leicht als spielerisches, studentisches, idealisiertes oder auch nicht ganz ernst genommenes Stück der Berufsbiographie abgelegt werden. Man versteht sich, trotz wissenschaftlicher Ausbildung, vor allem als Praktiker. (Fischer 2010, 24f)
Folgt man den Erkenntnissen neuerer arbeitswissenschaftlicher Forschung (insbesondere zu „embodied intelligence“ (zum Beispiel Lenzen 2002), Wissensmanagement (Nonaka/Takeuchi 1997), zum Zusammenhang von Denken und Handeln (Schön 2002) und den sogenannten Workplace Studies (Heath/Luff 2000, vgl. vom
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Lehn, in diesem Band)), ist ein solches Problemlösungswissen neben wissenschaftlicher Begründungskomponenten und theoretischer Reflexion wesentlich durch subjektive Erfahrung ausgezeichnet. Böhle spricht unter Rückgriff auf Polyanis Konzept des „impliziten Wissens“ und Schöns Überlegungen von „reflection in action“ von „erfahrungsgeleitetem, subjektiviertem Wissen“ (zum Beispiel 2010, 44). Dieses Wissen ist elementar in dem Vollzug praktischen Handelns eingebunden und aus diesem heraus situativ erst gebildet. Mit herkömmlichen Theorien des Handelns ist es sehr schwierig, diese Formen körperlicher Interaktion zu erklären. Sie vollziehen sich weder rein routinemäßig-motorisch oder instinkthaft-affektiv noch durch ein verstandesmäßig- geleitetes, planmäßiges Handeln. Auch das Modell des inkrementellen planmäßigen Vorgehens – so wie dies paradigmatisch am Beispiel des Schachspiels illustriert wurde – greift hier nicht, da der Handlungsablauf weder unterbrochen werden kann noch Zeit besteht, jeweils den nächsten Schritt zu überdenken. Bleibt man auf der Ebene des Vergleichs scheint im Unterschied zum Schachspiel eher folgendes Bild zutreffend: Man steht auf einem Brett, das sich in einem Wasser mit Wellengang befindet und versucht mit Hilfe der eigenen körperlichen Bewegung, der Bewegung des Brettes und des Wassers ans Ufer zu gelangen. Hierzu ist eine laufende, ineinander verwobene aktive und reaktive Abstimmung des eigenen Handelns mit dem ‚Umfeld‘ und eher ein ‚Miteinander‘ als ein einseitiges, instrumentelles Einwirken und Steuern notwendig. (Böhle 2010, 45 f.)
Außerdem ist dieses Wissen elementar bezogen auf sinnliche und übersinnliche Wahrnehmung. Böhle illustriert dies am Beispiel der Arbeit an den Monitoren einer Leitwarte in großtechnischen Betrieben: Des Weiteren werden die Vielzahl der technischen Anzeigen und Informationen auf Monitoren speziell in kritischen Situationen nicht einzeln, sondern als ‚Bild‘ wahrgenommen. Anhand einer graphischen Darstellung des bisherigen Verlaufs ‚erahnt‘ man die weitere Entwicklung und sieht ‚mehr‘ als unmittelbar visuell wahrnehmbar ist. Beim Betrachten der Anzeigen auf dem Monitor ‚sehen‘ erfahrene Fachkräfte imaginativ den Ablauf ‚vor Ort‘ und zwar gerade dann, wenn kein unmittelbarer Sichtkontakt besteht. Dabei erscheint jedoch nicht nur ein Bild wie bei einer Beobachtung, sondern man ‚erlebt‘ dies, als wäre man selbst an den Anlagen. (Böhle 2010, 46 f.)
Situationen werden nicht analysiert, sondern erlebt.
10.2 Gesprächslinguistisches Wissen über Coaching Es ist kennzeichnend für den Wissensbestand über die Kommunikationsform Coaching, dass die Profession selbst sich auch als forschende begreift (zum Beispiel Weigand 1998; Berker/Buer 1998). Insofern ist der hier relevante Unterschied nicht der zwischen „Praxis“ und „Forschung“, sondern der zwischen professionsorientierter und akademischer Forschung. In der akademischen Coachingforschung nun spielt ein wie auch immer linguistisch orientierter Ansatz eine nur marginale Rolle. In einer Überblicksarbeit von Petzold u. a. aus dem Jahr 2003 werden etwa 200 Studien aufgeführt, von denen überhaupt nur 15 mit qualitativen Methoden
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durchgeführt werden, nur 14 sind transkriptbasiert, von diesen beziehen sich wiederum sieben auf das gleiche Transkript (vgl. Aksu 2011). Offensichtlich ist es der Linguistik bis dato noch nicht ausreichend gelungen […], den Mehrwert einer diskursanalytischen Erforschung der Mikroebene von Gesprächen für die Praxis aufzuzeigen und somit von der Praxis zur Unterstützung bei der Lösung kommunikativer Fragen herangezogen zu werden (Graf/Aksu 2013, 147). (zu der damit verbundenen linguistischen Kränkung siehe unten)
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über den gesprächslinguistischen Wissensstand zum Kommunikationsformat Coaching gegeben werden. Betrachtet werden Erkenntnisse, die auf der Grundlage von Audio- und Videoaufnahmen und mit dem methodologischen Hintergrund von Gesprächs-, Konversations- und Diskursanalyse gewonnen werden. (Ergebnisse, die zwar auch auf dieser Datengrundlage basieren, aber sich anderen methodologischen Ansätzen verpflichtet fühlen, insbesondere der objektiven Hermeneutik (Fischer 2010; Bayas-Linke 2010), werden hier nicht berücksichtigt.) Bereits seit den 1980er Jahren gab es Forschungsimpulse zur Untersuchung von Supervisionsgesprächen (Giesecke/Rappe-Giesecke 1997) und – in einem allgemeineren Rahmen – Beratungsgesprächen (Nothdurft 1984; Nothdurft/Reitemeier/Schröder 1994; Habscheid 2003) auf gesprächsanalytischer Grundlage. Diese Impulse haben innerhalb der Gesprächslinguistik keine systematische gegenstandsbezogene Fortführung erfahren. „Die interaktionsbezogene Supervisionsforschung […] konnte sich nicht auf breiter Basis durchsetzen“ (Aksu 2011, 58). Erst in jüngerer Zeit ist das Kommunikationsformat Coaching zum Untersuchungsgegenstand gemacht worden, insbesondere von Mitgliedern der Forschergruppe LOCCS (linguistics of coaching, counseling and supervision) (s. Graf/Aksu 2013; Graf 2011; Aksu 2011; Rettinger 2011; weitere Arbeiten sind in Vorbereitung). Außerdem liegen Arbeiten von Auckenthaler (1995), Glas-Bastert (1998) und Pannewitz (2012) vor. Den Autorinnen der Forschergruppe LOCCS ist es erfreulicherweise gelungen, Videoaufnahmen von Coachingsitzungen erheben zu können (Graf verfügt über 46 Aufnahmen von neun Coaching-Prozessen, Rettinger über eine nicht genannte Zahl von Aufnahmen englisch- und deutschsprachiger Coachingsitzungen), bedauerlicherweise werden diese aber nicht als Videoaufnahmen analysiert. Stattdessen erfolgen die Untersuchungen auf der Grundlage von Transkripten. Untersucht werden: – divergierende Erzählorientierungen bei Coach und Klient (Graf/Aksu 2013); – die kommunikative Konstruktion von „Veränderung“ als Gesprächsgegenstand (Graf 2011); – Fremd- und Selbstpositionierungen in Coachinggesprächen (Rettinger 2011). Dem methodolgischen Hintergrund der Autorinnen entsprechend sind sie mit ihren Fragestellungen und Untersuchungsgegenständen gesprächsanalytischen Konzepten traditioneller Prägung verhaftet. Rettinger zum Beispiel beansprucht, Erkenntnisse über die Beziehungsgestaltung in Coachinggesprächen dadurch ge-
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winnen zu können, dass sie die Beziehung in – korrespondierende – Selbst- und Fremdpositionierungen zerlegt und diese wiederum kleinteilig einzelnen Äußerungen zuordnet. Dies ist möglicherweise ein innerwissenschaftlicher Beitrag zur Positionierungsforschung in der Nachfolge der Ethnomethodologie Don Zimmermans, in seiner Erkenntnisleistung für Coaches allerdings fragwürdig. Die Autorinnen erweisen sich insgesamt nicht auf der Höhe der Forschung – in den Studien wird auf Transkripte zurückgegriffen –, trotz Vorliegens von Videobeständen werden weder Ansätze multimodaler Analyse noch solche des Embodiments genutzt. Erkenntnisse aktueller Psychotherapieforschung zum Prozess der Veränderung („moments of meeting“) werden nicht genutzt (Boston Change Process Study Group 2010). Gleichwohl beanspruchen die Autorinnen eine ausdrückliche Anwendbarkeit ihrer Erkenntnisse für die Coachingpraxis – und kreieren eigens dafür eine weitere Spielart von Linguistik – die „interprofessionelle Diskursanalyse“ (Graf/Aksu 2013). Wie es um diese Anwendbarkeit bestellt ist, soll im nächsten Abschnitt diskutiert werden.
10.3 Professionelles Coaching und gesprächslinguistisches Wissen – ein schwieriges Verhältnis Jedes Programm ist aufgrund seines Programmcharakters mit einem Erfolgsversprechen verbunden – dies gilt auch für jedes wissenschaftliche Programm. Auch die Programmatik einer „interprofessionellen Diskursanalyse“ weist ein solches Erfolgsversprechen auf. Im Einzelnen wird in Aussicht gestellt: – auf der Basis gesprächslinguistischer Untersuchung eine Unterscheidung von Coaching und Supervision treffen zu können – eine „dringliche“ Frage, so befindet Aksu (2011, 64); eine „drängende“ Frage, so Graf (2011, 136, FN 2). – Die Entwicklung eines diagnostischen Instrumentariums – Graf stellt ein „change detection tool“ in Aussicht (2011, 146), Aksu schwärmt von „diagnostischen Einsichten“ (2011, 61). – Die Anreicherung von Ausbildungsinhalten durch gesprächslinguistisches Wissen. Graf stellt sich in Hinblick auf die Frage nach Erfolgsfaktoren von Coachingprozessen vor: „Mit Hilfe der qualitativen Diskursanalyse kann die konkrete Versprachlichung dieser Erfolgsfaktoren aufgezeigt werden, und zugrunde liegende kommunikative Muster können ermittelt und zukünftig im Sinne von Handlungsalternativen in Coaching-Aus- und Weiterbildungen vermittelt werden“ (2011, 136). Aus Sicht professionellen Coachings erscheinen diese Versprechen allerdings wenig attraktiv: – Die Frage nach einer Unterscheidung von Coaching und Supervision ist Bestandteil einer Professionsdebatte und folgt deren Logik; Fietze (2013) hat in Rückgriff auf professionstheoretische Untersuchungen darauf hingewiesen,
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dass solche Abgrenzungsdebatten gerade in ihrer Nichtabschließbarkeit für eine Professionalisierung einer Profession konstitutiv sind. Das Versprechen diagnostischen Wissens über diagnostische Tools – wiewohl aus Sicht einer Profession attraktiv – hat bislang in keinem Anwendungsfall seitens der Gesprächslinguistik überzeugend eingelöst werden können. Das Versprechen der Erweiterung des Handlungsspektrums der professionellen Coaches in Aus- und Weiterbildungen bleibt hohl, solange nicht die Konzepte, auf deren Grundlage „Handlungsalternativen“ entwickelt werden können sollen, genannt werden.
Angesichts der Reichhaltigkeit praxeologischen Wissens (siehe oben) und der „falschen“ Versprechen interprofessioneller Diskursanalyse ist das mangelnde Interesse professioneller Coaches für diese mehr als plausibel. Dass dieses mangelnde Interesse durch Linguistinnen als Kränkung (Graf/Aksu, 130) erlebt wird, ist ebenfalls plausibel – und könnte ein Thema für ein Coaching sein. Dabei ist durchaus vorstellbar, dass gesprächsanalytische Studien zu Coachinginteraktion für professionelle Coaches von Nutzen und Interesse sein könnten – allerdings gerade nicht, indem man sich Fragstellungen professioneller Coaches zu eigen macht – für ihre Fragen sind Coaches die besten Experten –, sondern indem man Coaches eine gerade fremde Sicht auf ihre Gespräche und ihr Handeln anbietet. Ein text- und gesprächsanalytisch bestimmtes Angebot kann dabei zum einen einen (Ideologie-)kritischen Blick auf Coachingliteratur liefern (Coaching als Programm) und zum anderen einen – handlungsentlasteten – Blick auf das interaktive Geschehen, indem zum Beispiel durch Momente der Verlangsamung, der Verfremdung und der Interaktivität das Wissen eines professionellen Coaches erweitert wird.
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Eva-Maria Jakobs
23. Sprache und Kommunikation im Kontext der Wertschöpfung Abstract: Der Beitrag betrachtet Sprache und Kommunikation als Mittel ökonomischen Handelns. Es wird gezeigt, wie sich die Entwicklung und Ausdifferenzierung schriftlicher Formen auf die Herausbildung ökonomischen Handelns ausgewirkt haben und welche Trends die Arbeitskommunikation im Übergang zur Webgesellschaft kennzeichnen. An Beispielen wird diskutiert, wie sich die Veränderung von Arbeit auf schriftliche Arbeitsanteile auswirkt und wie zunehmende Schriftlichkeit Arbeit verändert. Der Beitrag gibt einen Überblick zu Formen und Anforderungen kooperationsbezogener und kooperationsunabhängiger Kommunikation in produzierenden Unternehmen, etwa als Teil von Wertschöpfungsketten. Die Qualität der Arbeitskommunikation ist wesentlich für den Erfolg unternehmerischer Bemühungen. Werden Verständigungsdefizite, Missverständnisse und Reibungsflächen nicht erkannt und diskursiv bearbeitet, hat dies soziale wie faktische Folgen. Verständigungsprobleme beeinträchtigen das Teamklima und die Mitarbeitermotivation und können zu Konstruktions- und Produktionsfehlern mit finanziellen Folgen und Imageverlust für das Unternehmen führen.
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Sprache als Mittel ökonomischen Handelns Wirtschaft und Wertschöpfungsketten Fazit und Ausblick Literatur
1 Sprache als Mittel ökonomischen Handelns 1.1 Zum Miteinander von Sprache, Handel und Geschäft Der vorliegende Beitrag betrachtet Sprache und Kommunikation als Mittel ökonomischen Handelns. Er fokussiert damit Organisationen, deren Zweckbestimmung in der Schaffung materieller Werte liegt. Sprachentwicklung, Kommunikation und ökonomisches Handeln sind – wie die Geschichte zeigt – eng miteinander verbundene Größen. Dies lässt sich gut am Beispiel von Schriftlichkeit nachvollziehen und belegen. Ihre Entwicklung wurde in besonderer Weise durch ökonomische Interessen und Prozesse sowie die Herausbildung daran gebundener Organisationen vorangetrieben. Funde belegen, dass ca. 3000 vor Christus in Mesopotamien die Herausbildung von Schrift und Schreiben wesentlich durch das Erfassen von und das Handeln mit Gütern beförhttps://doi.org/10.1515/9783110296235-023
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dert wurde: „The function of writing when it came about in 3200 BCE was exclusively economic“ (Schmandt-Besserat/Erad 2008, 8). Der enge Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Entwicklungen und der Herausbildung kommunikativer Formen, Verfahren und Fähigkeiten zieht sich durch alle Phasen der menschlichen Kulturgeschichte. Otto Ludwig (2005) zeigt dies in seiner facettenreich geschriebenen und sehr empfehlenswerten „Geschichte des Schreibens“ für den Zeitraum von der Antike bis zum Buchdruck. Ein Beispiel im hier diskutierten Zusammenhang ist das späte europäische Mittelalter. In dieser Zeit vollzieht sich eine Art „kommerzielle“ Revolution (Ludwig 2005, 135 ff., unter Bezug auf Spufford 2004), ausgelöst durch den Auf- und Ausbau des Fernhandels. Zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert bildet sich in Europa ein Netz von Handelsbeziehungen heraus, das sich über den ganzen Kontinent und weit darüber hinaus erstreckt. Im 13. Jahrhundert kulminiert die Entwicklung und erhält eine neue Qualität: Der starke Anstieg des Handelsvolumens verlangt neue Handelsmethoden, die Lösung liegt in der Gründung von Handelsniederlassungen, d. h. der Trennung von Geschäftshaus und Niederlassung. Die Trennung von Geschäftshaus (lokaler Stammsitz) und (oft weit entfernt gelegenen) Niederlassungen an anderen Standorten führt zur Arbeitsteilung und damit zu einem hohen kommunikativen Abstimmungsbedarf. Die Handelsorganisation wird so groß, dass sie beständig Gruppen von Funktionsträgern unterhalten kann: Händler (mit festem Sitz in Italien) für die Finanzierung und Sicherung des Import- und Exportgeschäfts, spezielle Fuhrleute für den Transport von Gütern zu den Handelsvertretern sowie hauptberufliche Handelsagenten, die in Übersee oder jenseits der Alpen im Sinne ihres Handelsherrn Ein- und Verkäufe betreiben. Der florierende Handel begünstigt den Aufbau neuer Unternehmensstrukturen – aus privaten Handelshäusern werden Kapitalgesellschaften. Damit wächst der interne Interaktionsaufwand. Der Händler mit festem Unternehmenssitz fungiert nun auch als Geschäftsführer, der seine Entscheidungen gegenüber Anteilseignern und Anlegern verantworten muss. Es etablieren sich zahlreiche, bis heute wichtige ökonomische Innovationen wie die doppelte Buchführung, der bargeldlose Zahlungsverkehr auf der Basis vom Wechselbriefen und Checks, gemeinsam genutzte Transportdienste für Güter und die Möglichkeit, Güter für den Transport zu versichern. All dies führt zu einem steigenden Interesse an den Möglichkeiten, die die geschriebene Sprache bietet. Die Trennung von Geschäftsleitung und Durchführung der Geschäfte vor Ort erweist sich als überaus effektiv, erzeugt aber neue Bedarfe und Probleme wie das Aufrechterhalten von Geschäftskontakten, das Fixieren von Absprachen, Beständen, Käufen und Verkäufen, das Verfassen von Schutzbriefen, das Einmahnen von Schulden, das Vertrösten von Gläubigern und vieles andere mehr. Die Verteilung von Arbeit auf Rollen bzw. Rolleninhaber und Standorte führt dazu, dass Formen des schriftlichen Verkehrs essentielle ökonomische Bedeutung erlangen und Werte schaffen. Es entstehen Geschäftsbücher, die Gewinne und Verluste, Ein- und Verkäufe oder die Einlagen Dritter erfassen. Es kommt zu einer
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starken Ausdifferenzierung professioneller Textsorten, die Kaufleute kennen und beherrschen müssen, wie auch zu einem überaus beeindruckenden Ausmaß an Schreibaufgaben (z. T. umfasste der Schriftverkehr eines Kaufmanns bis zu 500 Haupt- und Geschäftsbücher, 300 Gesellschaftsverträge und 140.000 Briefe). Das Geschäftsleben setzt damit zunehmend die Fähigkeit voraus, Schriftstücke verfassen und lesen zu können. Da die Klöster und Kirchen diese Fähigkeiten nicht oder unzureichend vermitteln, gehen Kaufleute und Handwerker zur Selbsthilfe über – sie stellen geeignete Personen (z. B. Notare) als Hauslehrer ein, die ihren Kindern die benötigten Fähigkeiten beibringen, oder gründen eigene Schulen. Beispiele für den Einfluss ökonomischer Entwicklungen auf sprachliche Phänomene lassen sich beliebig bis zur Gegenwart fortführen. Sprachliches Handeln ist inhärenter Bestandteil des Agierens in ökonomischen Organisationen und damit ein wichtiger Aspekt der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens an sich. Es vollzieht sich unter ökonomischen Bedingungen und wirkt auf diese zurück; es ist zugleich durch die sozialen Beziehungen, Praktiken und Normen der Beteiligten und damit immer auch historisch-gesellschaftlich geprägt.
1.2 Kommunikationsarbeit und Arbeitskommunikation im Übergang zur Webgesellschaft Die heutigen Industriegesellschaften weisen eine neue Qualität ökonomisch motivierter Informations-, Kommunikations- und Interaktionsprozesse auf. Sie zeichnet sich u. a. aus durch die Zunahme von (digitaler) Schriftlichkeit, eine weit reichende Rationalisierung und Automatisierung mündlicher wie schriftlicher Arbeitskommunikation und Kommunikationsarbeit sowie vernetztes Arbeiten in virtuellen Teams – unabhängig von Zeit und Raum in sich verschiebenden Grenzen von Arbeit und Privatheit. Der Trend zu mehr Schriftlichkeit wird befördert durch Faktoren, die den Wechsel von der Massenproduktions- zur Informations- und Webgesellschaft kennzeichnen (Jakobs 2006, 2007; Jakobs/Spinuzzi 2014). Dazu gehört die Aufwertung von Wissen als Ressource. Wissen gilt in allen Professionen als kostbares Gut und als Voraussetzung für Innovationen und die Gestaltung von Wertschöpfungsprozessen. Das schriftliche Erfassen und Aufbereiten von Wissen (zu Prozessen, Produkten, rechtlichen Rahmenbedingungen etc.) ermöglicht dessen Externalisierung und Verdauerung und schafft zugleich neues Wissen, z. B. durch die kommunikative Bearbeitung von Arbeitsinhalten in Arbeitsteams (Jakobs 2018). Dies zeigt sich u. a. in den Interviews des „Aachener Korpus zu Kommunikation in Arbeitskontexten“ (AKA), das neben zahlreichen Einzelstudien knapp 600 Interviews mit Arbeitnehmern und -gebern verschiedener Branchen umfasst. Sie belegen, dass Schriftlichkeit von Arbeitsteams genutzt wird, um Sachverhalte, Strukturen und Abläufe kooperativ zu regeln, was die Zuständigkeit für Aufgaben und Interaktionsformen einschließt und zur Klärung von Beziehungen beiträgt:
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Je mehr wir erfassen, und je mehr wir schreiben, je klarer laufen die Arbeitsabläufe ab und je weniger Differenzen haben wir. Und wir müssen es niederlegen, um es später noch mal nachvollziehen zu können. Ohne Schreiben geht das in unserem Bereich nicht. (AKA: Sachbearbeiter bei einer Bank)
Der Erfolg ökonomisch orientierter Organisationen hängt nicht nur davon ab, wie es ihnen gelingt, intern verfügbares Wissen kommunikativ verfügbar zu machen, sondern auch von ihrem Zugang zu entscheidungsrelevantem Wissen für betriebliche Prozesse, d. h. zu extern verfügbaren Fachinformationen (Experten- und Fachwissen; Hermann/Jakobs 2008). Je mehr sich Wissen in externen, zunehmend interdisziplinären Zusammenhängen entwickelt, desto schwerer wird es für Organisationen, relevante Informationen als solche zu erkennen und in ihrer Bedeutung für Arbeitsprozesse und -produkte zu bewerten. Vor diesem Hintergrund hat sich die stark expandierende Branche der Industriekommunikation entwickelt. Ihre Wertschöpfungsprozesse richten sich auf die (geldwerte) Erfassung, Aufbereitung und Kommunikation von Wissen in Form von Industriekommunikationsmedien (Fachzeitschriften, Fachdatenbanken, Lose-Blatt-Sammlungen, Online-Portale u. a.). Eine zentrale Herausforderung besteht in der sprachlich-visuellen Aufbereitung von Informationen und Wissen für Zielgruppen. Studien von Fesidis (2013) zeigen, dass die Qualität von Industriekommunikationsmedien maßgeblich an Eigenschaften wie Strukturiertheit und sprachlich-visueller Gestaltung gemessen wird. Andere Gründe für die Zunahme schriftlicher Arbeitsanteile betreffen die zunehmende Standardisierung von Arbeit (z. B. im Bereich der Altenpflege und Gesundheitsindustrie). Teil der Standardisierung sind die schriftliche Erfassung und Beschreibung von Arbeitsaufgaben, -prozessen und -ergebnissen (z. B. in Qualitätsmanagementhandbüchern oder anderen Zertifizierungsunterlagen) sowie die damit einhergehende Professionalisierung von Arbeit, etwa in Form der Dokumentation der Arbeitsleistung. Dokumentieren von Arbeit heißt in der Mehrzahl der Fälle Schreiben. Die Leistungserbringer sind gehalten, die geleistete Arbeit in vorgegebener Weise (perspektivisch, inhaltlich-strukturell, sprachlich) so zu dokumentieren, dass der Bericht für Anschlusshandlungen unterschiedlicher Art (Übergabe an andere, Leistungserfassung, Controlling etc.) brauchbar ist. Dies konfrontiert Arbeitnehmer mit Herausforderungen, die sie nicht schätzen (viele entscheiden sich für bestimmte Berufe, weil sie ihr Leben nicht am Schreibtisch verbringen wollen) und/ oder auf die sie in ihrer Ausbildung ungenügend vorbereitet wurden. Die Folge sind Mängel in der Bewältigung schriftlicher Arbeitsanteile, die zum Teil folgenreich sind, etwa wenn sie die Arbeit anderer erschweren: Vor allem in der [Kurzzeit]Pflegeplanung und auch Dokumentation ist oft ein Durcheinander. […]. Zum Beispiel, sie […] können das nicht richtig formulieren, die schreiben dann abgehackt, weil sie wahrscheinlich auch schnell schreiben müssen, und dann in dem Moment nicht die richtigen Sätze zusammen kriegen. Dann ist das für einen Außenstehenden […] schwer […] zu verstehen, was die dann jetzt meinen, und, ja, die Pflegeplanung ist ja an sich sowieso schwer, weil man den Menschen noch nicht so kennt, und dann die richtigen Sachen hinzuschreiben,
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und wo der seine Probleme hat, und dann (…) ist einfach manchmal alles durcheinander. (AKA: Kurzzeitpflege) [Frage nach Schreibanlässen] Vor allen Dingen Erweiterung von Dokumentationen für unsere Baugruppenunterlagen, die eigentlich unvollständig sind – als Randnotizen oder als fast eigenständige Dokumentation, mit der man auch Wochen später selbst arbeiten kann, ohne laufend Leute fragen zu müssen, wie was war. Wenn ein Softie [Softwareentwickler] eine Dokumentation erstellt, dann wird das bestimmt jeder fünfte Schritt nur – dann ist für uns nicht nachvollziehbar, wo die Zwischenschritte liegen. Dann schreibe ich das haargenau Schritt für Schritt auf. (AKA: Kommunikationselektroniker in einem Unternehmen)
Ein branchenabhängig unterschiedlich häufig thematisierter Aspekt der Arbeitsdokumentation betrifft die Bedeutung von Schriftlichkeit für Streitfälle (Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber, Vorgesetzten, Kollegen, Kunden oder beruflich relevanten Organisationen). Schriftlichkeit wird als Mittel rechtlicher Absicherung gesehen, das bestimmte Formulierungsanstrengungen erfordert. Ich muss bei jedem Notfalleinsatz und Krankentransport Einsatzprotokolle ausfüllen […] auf der Fahrt vom Einsatzort zum Krankenhaus […] Die Protokolle dienen besonders auch als Selbstschutz für uns, weil wir bei Fehlern natürlich haftbar gemacht werden können, deshalb müssen die Protokolle so ausführlich wie möglich sein […] Für den Rettungsassistenten selber sind die Protokolle sehr wichtig wegen den rechtlichen Probleme, die man sonst bekommen kann. (AKA: Rettungssanitäter) Leicht fällt mir die Krankenbeobachtung, schwer fallen mir teilweise die Pflegeberichte, wenn es dann ins juristische Detail gehen muss. (AKA: Krankenschwester – Stationspflege)
Die breite Durchsetzung elektronischer Informations- und Kommunikationsmedien führt dazu, dass traditionell mündlich realisierte Arbeitsaufgaben (z. B. etwas anweisen, absprechen, vereinbaren) zunehmend schriftlich realisiert oder ratifiziert werden (z. B. E-Mail statt Anruf und Gespräch). Damit verändert sich nicht nur das Aufkommen schriftlich verfasster Äußerungen, sondern auch die dazu gehörigen Praxen und Strategien. In den Anfängen der betrieblichen E-Mail-Kommunikation wurde ein wesentlicher Vorteil in der Möglichkeit des Überspringens von Hierarchieebenen und zwischengeschalteten Instanzen (Sekretariat u. a.) gesehen – jeder konnte sich ab sofort direkt an übergeordnete Instanzen wenden oder aber sie per CC-Funktion von „Vorgängen“ in Kenntnis setzen (etwa, um sich abzusichern). In den folgenden Jahrzehnten trug die CC-Praxis wesentlich zum Ansteigen der dienstlichen E-Mail-Aufkommen bei. Die Option der sichtbaren oder verdeckten Nutzung der CC-Funktion zeigte zudem Auswirkungen auf die Beziehungsgestaltung – sie erfordert belastbare Kulturen des vertrauensvollen Umgangs mit Mitteilungen anderer. Im Falle des Ersatzes eines Vier-Augen-Gesprächs durch E-Mail erwarten die Beteiligten Exklusivität des Zugriffs – aus sachlichen, strategischen und/oder personalen Gründen: F:
Ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass man weiß, wem man [E-Mails] schreibt oder wer sich das durchlesen wird?
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A: Ja, es ist sehr wichtig. F: Ja, warum? A: Na ja, es sollte eigentlich nur derjenige das lesen, für den es auch vorgesehen ist und kein anderer − da kommen noch solche Sachen wie Vertraulichkeit und so weiter […] (AKA: Techniker in einem Unternehmen)
Die Digitalisierung der beruflichen Kommunikation erzeugt damit potentielle Ursachen der Störung professioneller Interaktion, die umfangreiche Diskussionen zu Themen wie Umgang mit Daten und Vertrauen ausgelöst haben. Letztendlich geht es um soziale Normen und Praktiken des professionellen Umgangs in elektronischen Arbeitsumgebungen und der Beziehungsgestaltung. Mit dem Wechsel von der Informations- zur digitalen Netzgesellschaft verändern sich die Rahmenbedingungen beruflichen Handelns und damit der beruflichen Kommunikation und Interaktion erneut. Ökonomisches Handeln vollzieht sich nun in hochgradig digitalisierten Kontexten, in denen Menschen global vernetzt arbeiten, um ihr Wissen zu teilen und zu mehren, über Zeit- und Raumgrenzen hinweg kooperierend Arbeitsaufgaben zu lösen, Dienste zu betreiben und Geschäfte anzubahnen. Zum Teil bilden sich Geschäftsfelder heraus, die ausschließlich digital operieren und spezifische Interaktionsformate erzeugen (z. B. activity streams, Jakobs/Spinuzzi 2014). Der bereits in der Informationsgesellschaft beobachtbare Trend zur Industrialisierung von Kommunikationsarbeit nimmt zu. Kommunikative Prozesse werden zunehmend rationalisiert, d. h. modularisiert, die Module standardisiert und automatisiert (verknüpft) (Nickl 2005; Habscheid 2006; Jakobs 2007). Beispiele finden sich u. a. in der Kundenkommunikation (etwa das Telefonieren nach Script, das Filtern von Beratungsanlässen durch automatisierte Abfragen, Kundenberatung durch digitale Assistenten auf Webportalen), aber auch in allen anderen Bereichen der beruflichen Kommunikation, etwa in der technischen Dokumentation oder im innerbetrieblichen Wissensmanagement. Produktdokumentationen, Kataloge und Stücklisten werden (semi-)automatisch mit Hilfe von Datenbanken, Textbausteinen und Verknüpfungsregeln erzeugt. Die Kommunikationsarbeit wird nach industriellen Maximen rationalisiert, der Anteil individueller Ausgestaltung minimiert. Triebkräfte hinter dieser Entwicklung sind finanzielle Erwägungen (Einsparen von Personal und Zeit) und das organisationale Streben nach Kontrollierbarkeit von Vorgängen durch Reduktion von „Eigensinn“ (Habscheid 2005). Die Arbeitsaufgabe soll unabhängig von der bearbeitenden Person in gleicher Qualität erledigt werden. Wie Habscheid (2006) am Beispiel der Dienstleistungskommunikation in Banken zeigt, stößt das Rationalisierungskonzept an Grenzen, wenn es um die Interaktion zwischen Organisation und Individuum – z. B. Unternehmen und Kunden – geht. Rationalisierte Formen der Kundenkommunikation (etwa die Verskriptung von Kommunikationsabläufen oder die Arbeit mit Autorensystemen) können zu empfindlichen Störungen führen, wenn die Kommunikation am Kunden vorbeiläuft. Dazu ein Beispiel aus Habscheid (2006, 192), in dem sich ein Kunde per E-Mail an seine Bank wendet. Gegenstand der E-Mail ist eine indirekte Beschwerde:
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Eva-Maria Jakobs
Guten Tag, Mein Name ist Ernst Müller, meine Kontonummer bei Ihnen 123456789. Ich habe erst seit kurzem eine Kreditkarte und habe jetzt eine Abrechnung (durch Kontoauszug im Internet) der Kreditkarte bekommen. Erhalte ich gar nicht, aus was sich diese Abrechnung zusammensetzt? Viele Grüße, Ernst Müller
Die Bank weist die Beschwerde zurück und begründet dies durch den Verweis auf herkömmliche, direkte Kommunikationsformen: An: ernst@müller.de Thema: Antwort: Kreditkarte Sehr geehrter Herr Müller, vielen Dank für Ihre Anfrage vom 14. August 2002. Die jeweiligen Abrechnungen (zum 25. des Monats) können Sie über den Kontoauszugsdrucker mit Ihrer Kreditkarte abrufen. Sollte es bei der BANK Bremen nicht funktionieren, bitten wir nochmals um eine Information ihrerseits. Wir veranlassen dann, dass Ihnen die Kontoauszüge regelmäßig einmal im Monat zugeschickt werden. Für eventuelle Rückfragen stehen wir Ihnen gerne unter unserer e-Mail-Adresse GIRO@GIRO. Institut.de bzw. unter Rufnummer 045/333222 oder der Faxnummer 045/333111 zur Verfügung. Mit freundlichen Grüssen GIRO-INSTITUT Hoffmann Germs
Die Antwort dürfte aus der Sicht des Kunden wenig befriedigend sein. Sie geht weder auf sein Anliegen ein (mangelnde Responsivität), noch lässt sie – wie beim Rückweisen von Beschwerden erwartbar – „imageschonende Interaktionsrituale“ erkennen (Habscheid 2006, 193), wie Äussern von und Bitten um Verständnis, Ausdruck von Bedauern, Rechtfertigungen, Entschuldigungen usw. (W. Holly, 2001). Die zur Verfügung stehenden Textbausteine sind in dieser Hinsicht ‚neutral‘ gestaltet, was wohl damit erklärt werden kann, dass Beziehungskommunikation so situationssensitiv ist, dass sie sich viel schwerer standardisieren lässt als die Sachverhaltsdarstellungen in Standardsituationen selbst. (Habscheid 2006, 193)
Sachlich wie persönlich inadäquate Kommunikationsakte erzeugen kognitive, emotionale und finanzielle Mehraufwände (Reparaturversuche etc.), die kommunikativ zu bewältigen sind und Personal wie Arbeitszeit erfordern. Unternehmen, die nach „organisational“ sinnvollen Kommunikationslösungen suchen, sind gut beraten, ihre Kommunikationswege, -medien, -formen und -praxen immer wieder kritisch zu hinterfragen. Ein Beispiel für die „Kosten“ der flächendeckenden Digitalisierung von Arbeitskontexten sind Phänomene wie E-Mail-Overload und eine gestörte Work-Life-Balance durch die Anforderung ständiger Erreichbarkeit. Whittaker/Sidner (1997) fassen unter dem Begriff email overload das Phänomen des Zusammenführens früher verteilt über verschiedene Kanäle laufender Kommunikationsflüsse in einem Medium bzw. einer Kommunikationsform sowie die da-
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raus resultierenden Probleme der Sichtung und Verarbeitung großer, äußerlich merkmalsarmer Äußerungsmengen. Gedruckte Texte haben haptische und visuelle Merkmale, die es dem Empfänger erlauben, schnell zu erkennen, worum es geht (Fax, Rundbrief, Hochglanzbroschüre, handschriftliche Notiz des Chefs, Vertrag), welchen Stellenwert das Schriftstück hat und wie es bearbeitet werden muss (sofort oder später, nur lesen oder auch antworten, wegwerfen usw.). E-Mails müssen – insbesondere wenn das „Subject“-Feld wenig aussagekräftig formuliert wird – geöffnet, gelesen und auf ihre Relevanz für Arbeitsaufgaben (und -zusammenhänge) geprüft werden. Das französische Telekommunikationsunternehmen Atos hat 2011 nach Analyse ihrer E-Mailkommunikation entschieden, firmenintern künftig auf E-Mails zu verzichten und die Arbeitskommunikation team- und aufgabenbasiert in Social MediaUmgebungen zu verlagern. Eine Studie ergab, dass die Mitarbeiter viel Zeit (15– 20 Stunden/Woche) in die Bearbeitung großer E-Mail-Mengen (im Durchschnitt 100 pro Mitarbeiter/Tag) investieren, jedoch nur 15 % der E-Mails relevant für die Bearbeitung zentraler Arbeitsaufgaben sind. Derartige Entscheidungen greifen tief in das Informations-, Kommunikations- und Interaktionsverhalten der Beteiligten ein und erfordern – wenn sie Erfolg haben sollen – tragfähige Konzepte und Einführungsstrategien (z. B. Kommunikationstrainings). Andere Unternehmen suchen das Problem der E-Mail-Überlast zu lösen, indem sie den Zugriff auf dienstliche EMails nach Arbeitsschluss oder während des Urlaubs blockieren. Neu sind der Grad der Bearbeitung beruflicher Aufgaben in virtuellen, zum Teil weltweit verteilten und/oder ad hoc gebildeten Teams wie auch digitale Formate kommunikativ erzeugter ökonomischer Mehrwerte, etwa durch user generated content (Jakobs/Spinuzzi 2014). Die Netzgesellschaft nutzt gezielt für ökonomische Zwecke die Bereitschaft von Menschen, ihr Wissen freiwillig mit anderen zu teilen. Als Beispiel zu nennen sind thematische Foren, in denen die Teilnehmer gemeinsam Problemlösestrategien (z. B. der Nutzung von Software) entwickeln und dabei Dokumentations- und/oder Beratungsaufgaben bearbeiten, die eigentlich in die Verantwortung des Herstellers fallen; sie schaffen damit indirekt produktbezogene ökonomische Mehrwerte. Ein anderes Beispiel sind Open Innovation-Portale im Internet, auf denen Hersteller Wettbewerbe ausloben, die sich auf neue Produktideen oder -bedarfe richten. Die eingereichten Ideen (Texte, Skizzen) werden von den Teilnehmern diskursiv bewertet, kommentiert und vorangetrieben (Digmayer/ Jakobs 2012). Die oben beschriebenen Prozesse haben in relativ kurzer Zeit wesentlich zur Erweiterung und Ausdifferenzierung unseres kommunikativen Haushalts beigetragen. Neue digitale Kommunikationsformen und Textsorten ökonomisch orientierter Handlungszusammenhänge sind u. a. Weblogs (z. B. CEO-, Produkt-, KnowledgeBlog), Microblogging (z. B. Service-, Support-, Marketing-Tweets) und Social MediaAnwendungen wie Wiki (z. B. Kunden- oder Material-Wiki) und Online-Community (z. B. Community of Interest, Community of Practice, Community of Purpose). Mit
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ihrer breiten Etablierung wächst das Interesse an der Frage, wie sie gestaltet sein müssen, um die Bedarfe ihrer Zielgruppen zu treffen (z. B. effiziente Unterstützung des Vollzugs von Arbeitsaufgaben). Da gesprochene oder geschriebene Sprache nach wie vor die wichtigste Modalität für die Interaktion zwischen Mensch und Maschine ist, ergeben sich hier vielfältige Forschungs- und Arbeitsaufgaben für Berufsgruppen mit linguistischer Ausbildung.
2 Wirtschaft und Wertschöpfungsketten 2.1 Linguistische Perspektiven und Gegenstände Wie eingangs beschrieben, ist sprachliches Handeln inhärenter Bestandteil des Agierens in ökonomischen Organisationen und damit ein wichtiger Aspekt der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens an sich (Brünner 2000). Mit der Vielfalt der damit verbundenen Phänomene befassen sich verschiedene Disziplinen (u. a. die Betriebswirtschaft, Informatik, Soziologie, Psychologie, Kommunikationswissenschaft und Linguistik) mit unterschiedlichen Erkenntnisinteressen, Annahmen und Methoden. Die Linguistik hat das Thema relativ spät für sich entdeckt. Wer sich für das Thema interessiert, wird mit heterogenen Begriffen konfrontiert wie betriebliche Kommunikation, Kommunikationsarbeit und Arbeitskommunikation (u. a. Habscheid 2006), Wirtschaftskommunikation (Brünner 2000) und Unternehmenskommunikation (Müller 2006). Die untersuchten Themen umfassen ein breites Spektrum an Phänomenen und Perspektiven auf Kommunikation in Objektbereichen (Branchen, Unternehmen, Berufen) wie auch zwischen Objektbereichen (vgl. Abb. 1). Zur „In-Kommunikation“ gehören unternehmensinterne Gegenstände wie Industriekommunikation und Informationsflüsse entlang von Wertschöpfungsketten, Führungs- und Teamkommunikation, integrierte Kommunikation, Unternehmenskultur und -identität, Kommunikationsqualität und -effizienz, technisch gestützte Kommunikationsarbeit und Arbeitskommunikation sowie Interkulturalität in Unternehmen, Wissenskommunikation und Interaktionen in Ausbildungssituationen. In den Bereich der Schnittstellenkommunikation gehören Formen der unternehmensexternen Kommunikation an der Schnittstelle Unternehmen, Aktionär, Markt und Kunde, z. B. Formen, Wirkung und Effizienz der Kunden- und Aktionärskommunikation, Marken- und Marketingkommunikation und die internationale Unternehmenskommunikation (mehr dazu in Mautner/Rainer 2018). Die Trennung ist analytischer Art, kommunikative Aufgaben wie Selbstdarstellung und Identitätsbildung von Unternehmen, z. B. durch Corporate Language und Style (siehe den Überblick in Vogel 2012), wirken nach innen wie außen. In der Regel ist es hilfreich, Einordnungsinstanzen zu haben, die es erlauben, sprachliches Handeln in ökonomisch orientierten Organisationen systematisierend
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Industriekommunikation
z.B. z. B. Chemische Chemische Industrie Industrie
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Endverbraucher Kommunikation Einzelindustrien
z.B. z. B. Automobilindustrie
z. B. z.B. Maschinen-- & Anlagenbau Maschinen
DieIndus Industriekommunikation, Die Industriekommunikation, triekommunikation, befasst sich mit der der Kommunikation Kommunikation vonUnternehmen Unternehmenund undihren ihren Experten(-organisationen) von Experten( -organisationen ) untereinander und innerhalb ihrer untereinander ihrer Industrie(n) Industrie(n) Industrie(n ) Wertschöpfungskette entlang einer Wertsch öpfungskette. öpfungskette.
Endverbrauchermärkte
Industrie Industrieunternehmen
Endprodukt
Legende: = Wertschöpfung, Zulieferbeziehungen = Industrielle Halb- & Fertigfabrikate: z.B. Maschinen, Ersatzteile, Systeme etc. = Industrielle Endprodukte: z.B. Maschinen, Ersatzteile, Systeme etc.
Abb. 1: Unternehmenskommunikation in der Schnittmenge von Branchen, Unternehmen, Märkten und Endverbraucher (aus: Hermann/Jakobs 2008, 286).
zu betrachten. Im Folgenden werden zwei Modelle vorgestellt, die betriebswirtschaftliche und linguistische Perspektiven aufeinander beziehen. Das erste Modell ist von Brünner (2000); es erfasst Ausprägungen und Formen, in denen sich Wirtschaftskommunikation entäußert. Der zweite Ansatz fokussiert sprachliche Aufgaben in industriellen Wertschöpfungsketten (Jakobs 2008) und beruflichen Wertschöpfungsketten (Fesidis 2013).
2.2 Dimensionen der Wirtschaftskommunikation 2.2.1 Wirtschaftliches Handeln als Arbeits- und Sozialkommunikation Brünner (2000) definiert Wirtschaft als Gesamtheit der Einrichtungen, die sich – durch den Einsatz von Produktionsfaktoren – auf Produktion und Konsum von Gütern beziehen, also Produktions- und Dienstleistungsunternehmen, Handwerkbetriebe, landwirtschaftliche Betriebe, Banken, Einzelhandelsgeschäfte oder Restaurants. (Brünner 2000, 5)
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Wirtschaftskommunikation ist die Gesamtheit der darin angesiedelten sprachlich realisierten Handlungsaufgaben und ihre Umsetzung. Brünner konzentriert sich insbesondere im theoretischen Teil auf Unternehmen und Betriebe; sie unterscheidet dabei in Anlehnung an die Betriebswirtschaft zwischen Unternehmen als rechtlich-finanzielle Einheit (Verwaltungseinheit) und Betrieben als technischorganisatorische Einheit (ein Unternehmen kann mehrere Betriebe haben). Im anwendungsorientierten Teil diskutiert sie Phänomene ausgewählter (meist mündlicher) Handlungszusammenhänge (wie Verkaufs-, Reklamations- und Servicegespräch, Verhandlung und Besprechung). Wichtig für die Betrachtung industrieller Kommunikationszusammenhänge ist, dass Unternehmen und Betriebe soziale Gebilde sind, die sich durch eine ausgeprägte Arbeits- und Funktionsteilung auszeichnen. Nicht nur große Konzerne, sondern auch viele klein- und mittelständische Unternehmen (so genannte KMU) weisen eine hohe Komplexität und Differenziertheit auf, die hohe Anforderungen an die unternehmensinterne wie -externe Kommunikation stellen. Oberstes Ziel ist die Gewinnerzielung bzw. -maximierung. Das unternehmerische Interesse richtet sich dementsprechend darauf, Prozesse einheitlich und kontrollierbar zu gestalten. In der Regel erfolgt dies durch die Festlegung von Ablaufprinzipen und Strukturen (die Betriebswirtschaft spricht von Ablauf- und Aufbauorganisation). Alle relevanten Aktivitäten und Prozesse werden erfasst, organisiert, geregelt und kontrolliert. Die Organisation weist ihren Mitgliedern Rollen zu und damit spezifische Aufgaben, Kompetenzen, Rechte sowie Handlungs- und Anweisungsbefugnisse. Sinn und Ziel der Vorgehensweise ist, das grundsätzlich eigenwillige Verhalten der Beteiligten in geregelte Bahnen zu leiten; dieser Aspekt wurde bereits mehrfach kritisch bezogen auf Rationalisierungstendenzen in der Kommunikationsarbeit angesprochen (vgl. Kap. 2.1). Ob und wie die Minimierung von Eigensinn gelingt, hängt u. a. von der Unternehmenskultur ab. Arbeitnehmer sind soziale Wesen, die eigene Interessen vertreten. In diesem Kontext geht es u. a. um Hierarchie und Macht. Brünner unterscheidet zwei Dimensionen der institutionellen bzw. organisationalen Kommunikation: kooperationsbezogene und kooperationsunabhängige Kommunikation. Als arbeitsteilige Handlungssysteme sind Unternehmen und Betriebe zweckbedingt auf kooperationsbezogene Kommunikation (Arbeitskommunikation) angewiesen. Sie bildet die Grundlage für Arbeitsabläufe und die Interaktion im Unternehmen wie auch zur „Außenwelt“ und gilt daher als erfolgsrelevanter Faktor unternehmerischen Handelns. Arbeitskommunikation ist funktionalisiert; sie unterliegt Rationalisierungsbestrebungen und soll möglichst sachbezogen, effizient und effektiv erfolgen. Sie [die kooperationsbezogene Kommunikation] steht in Wirtschaftsunternehmen ganz im Vordergrund und hat an allen Handlungsbereichen und Funktionen Anteil. Sie besitzt Orientierungs- und Regulationsfunktion für das betriebliche Handeln, insbesondere dient sie der Distribution und Prozessierung von Wissen sowie der Planung, Koordination und Regulation von Tätigkeiten. (Brünner 2000, 9)
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Die Dimension der kooperationsunabhängigen oder Sozialkommunikation hat andere Funktionen. In ihr geht es um Klatsch und Tratsch, Sport und Familie, Scherzen und Smalltalk beim Umziehen oder gemeinsames Schmähen des Kantinenessens. Sozialkommunikation macht Teams erst zu Teams – sie schafft Nähe und Vertrautheit zwischen Kollegen, hat Motivations- und Entlastungsfunktion und ist wichtig für die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter. Unternehmen berücksichtigen dies zunehmend in der Gestaltung von Arbeitsumgebungen. Moderne Konzepte der Arbeitsplatzgestaltung schaffen gezielt Orte der persönlichen Begegnung und funktionalisieren damit Sozialkommunikation für betriebliche Zwecke.
2.2.2 Formen der Arbeitskommunikation Die kooperationsbezogene Arbeitskommunikation umfasst verschiedene Ausprägungen, die sich ergänzen, überlagern und/oder stören können. Dazu gehören formelle und informelle, sachlich-technische und hierarchisch-ökonomische, fachinterne und -externe, eigenständige und subsidiäre, empraktische und nicht-empraktische Kommunikation (Brünner 2000). Die Ausprägungen werden im Folgenden kurz erläutert und kommentiert. Formelle und informelle Kommunikation: Die zweckrationale Ausrichtung von Arbeit bedingt formelle Regelungen, wer (Rolleninhaber) mit wem wann worüber wie kommuniziert. Das Wie umfasst Festlegungen zu den Kommunikationswegen, -medien und -formen, terminologische Festlegungen, Vorgaben für Textsorten (Berichte, Stücklisten, QM-Handbuch usw.) und Verhaltensweisen (z. B. Vier-AugenPrinzip beim Abzeichnen von Dokumenten). Die Festlegung von Kommunikationsnetzen und -wegen orientiert sich am Ablauf- und der hierarchischen Organisationsstruktur des Unternehmens. Regel und organisationaler Alltag reiben sich häufig. Die Vier-Augen-Regel z. B. soll absichern, dass Entscheidungen gemeinschaftlich getroffen und verantwortet werden: Bestimmte Dokumente müssen von zwei Entscheidungsträgern gegengezeichnet werden. Häufig sind diese jedoch zeitversetzt unterwegs, was Prozesse zeitlich dehnt. Mitarbeiter verhalten sich oft nicht regelkonform, sie verstoßen gegen Regeln oder umgehen sie. So läuft der Austausch zu Arbeitsaufgaben (wie mache ich was, wie kann ich ein Problem lösen usw.) häufig eher auf informellen Wegen. Mitarbeiter geben sich gegenseitig Tipps, wie man Arbeitsaufgaben leichter oder besser erledigt, Lehrlinge lernen von den Erzählungen ihrer Meister, die Mitarbeiterzufriedenheit steigt, wenn der Chef regelmäßig durch die Abteilungen geht (Management by walking around). Formelle und informelle Kommunikation bilden ein komplexes System, dessen Komponenten in einem systematischen Gegensatz zueinander stehen (Brünner 2000, 10). Analysen zu Kommunikationsflüssen in Unternehmen können offenlegen, wo formelle Regel und informelle Handhabung konfligieren und wie Konflikte als Ausgangspunkt für Optimierungsbestrebungen genutzt werden können.
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Was Unternehmen nach wie vor umtreibt, ist die Frage des systematischen Zugriffs auf informelles Wissen (hidden information), um es als Teil des organisationalen Wissens allen Mitgliedern der Organisation zur Verfügung stellen zu können. Neuere Ansätze sehen Lösungsansätze in firmeninternen Social Media-Umgebungen. Die Grundannahme ist hier, dass sich die private Akzeptanz für Social Media (wie etwa Facebook) auf professionelle Kontexte übertragen lässt. Studien, die wir dazu in den letzten Jahren in größeren und kleineren Unternehmen durchgeführt haben, deuten auf eine eher geringe Bereitschaft. Vieles lässt sich im Gespräch schnell klären. Das schriftliche Erfassen erfordert dagegen Zeit und Zusatzanstrengungen, die bei großem Arbeitsdruck nur ungern aufgebracht werden. Die Aufgabe, sachlich-technische Zusammenhänge rollenübergreifend sprachlich-visuell darzustellen, stellt zudem Anforderungen, denen sich viele Mitarbeiter nur bedingt gewachsen fühlen. Sachlich-technische und hierarchisch-ökonomische Kommunikation: Die sachlichtechnische Kommunikation bezieht sich primär auf (technische) Produktionsprozesse sowie Services. Die hierarchisch-ökonomische Kommunikation „richtet sich auf die ökonomische Seite der Produktion und damit verbundene Aspekte von Herrschaft und widerstreitenden Interessen“ (Brünner 2000, 12). Ihre Anlässe ergeben sich aus der Kapitalverwertung im Unternehmen und seiner hierarchischen Organisation. Hierarchisch-ökonomische Kommunikation äußert sich in der Verrechtlichung von Kommunikation (z. B. in Verträgen) und der Gestaltung und Bewertung von Kommunikation nach Ökonomieprinzipien. Der hierarchisch-ökonomische Hintergrund führt dazu, dass betriebliches Handeln – und damit auch die Kommunikation im Unternehmen – durch Macht- und Kompetenzansprüche, Rivalität und Interessenskonflikte geprägt ist. Fachinterne und fachexterne Kommunikation: Insbesondere in der sachlichtechnischen Kommunikation geht es um fachinterne und -externe Kommunikation. Die Arbeitsteilung erfordert den Austausch zwischen Experten eines Fachs wie auch verschiedener Fächer – im Team, in der Abteilung und über Abteilungsgrenzen hinweg. Der Fachgrenzen überschreitende Austausch erzeugt häufig Orientierungs- und Verständigungsprobleme, etwa, wenn fachspezifische Konzepte, Modelle, Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata den Blick auf Tätigkeiten und Prozesse bestimmen, den Beteiligten aber eben diese Unterschiede nicht bewusst sind bzw. sie nicht kommunikativ offengelegt und bearbeitet werden (Jakobs u. a. 2011). Arbeitnehmer werden zu wenig darauf vorbereitet, dass fachübergreifende Kommunikation Sensibilität für potentiell differierende Perspektiven auf ein und denselben Gegenstand voraussetzt und die Bereitschaft, mit kommunikativen Verfahren eine „gemeinsame“ Sprache für die Lösung von Aufgaben zu entwickeln. Eigenständige und subsidiäre Kommunikation: Arbeitsbezogene Kommunikation vollzieht sich meist in übergeordneten Handlungs- oder Tätigkeitszusammenhängen. Im Falle eigenständiger Kommunikation haben diese einen primär kommunikativen Zweck. Typische Beispiele sind Managementaufgaben, Verhandlung und Besprechung, Beratung und Verkauf, Dokumentation, Terminologiearbeit oder
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betriebliche Aus- und Weiterbildung. Die kommunikativen Tätigkeitsanteile überwiegen; sie werden auch als dominierend und anspruchsvoll wahrgenommen (Brünner 2000, 15). Subsidiäre Kommunikation liegt vor, wenn der kommunikative Anteil eher gering und anderen (nicht kommunikativen) Tätigkeitsanteilen nachgeordnet ist. Empraktische und nicht-empraktische Kommunikation: Empraktische Kommunikation ist subsidiäre Kommunikation, d. h. mit praktischer Tätigkeit verbunden und auf diese unmittelbar bezogen (schriftliche Notizen, Arbeitsanweisungen bei der Montage etc.). Nicht-empraktische Kommunikation ist dagegen intentional kommunikativ ausgerichtet.
2.3 Kommunikation als Teil von Wertschöpfungsketten Wie bereits erwähnt, vollzieht sich organisationale Kommunikation meist in übergeordneten Handlungszusammenhängen. Aus der Sicht ökonomisch orientierter Organisationen interessieren insbesondere die Handlungszusammenhänge, in denen ökonomische Werte geschaffen werden. Sie werden in der betriebswirtschaftlichen Literatur häufig als Geschäftsprozesse bezeichnet (Schuh 1996). Der Ansatz von Jakobs (2008) konzeptualisiert sprachliches Handeln in Unternehmen als natürlichen Bestandteil von Wertschöpfungsketten, der in vielfältiger Weise an der Schaffung materieller Werte beteiligt ist bzw. diese selbst erzeugt. Im hier diskutierten Zusammenhang interessiert zum einen, wie Wertschöpfungsketten organisiert sind (Makro-Ebene), zum anderen die Aufgaben, Funktionen und Formen sprachlich-kommunikativen Handelns in der Wertschöpfungskette (Mikroebene).
2.3.1 Wertschöpfungsketten In der Betriebswirtschaft werden übergeordnete unternehmerische Handlungszusammenhänge u. a. als Prozessketten erfasst. Im Wesentlichen werden drei Typen von Prozessen unterschieden: Geschäftsprozesse, begleitende Aktivitäten und Managementaktivitäten (Schuh 1996, 5–18 f.). Bezogen auf den Zweck der Gewinnmaximierung (Brünner 2000, 5) bilden die Geschäftsprozesse den Kernbereich. In ihnen entstehen ökonomische Mehrwerte (Differenz zwischen Kosten für Vorleistungen und Erlös des Produktverkaufs am Markt). Mehrwerte entstehen insbesondere durch Produkte mit hohem Kundennutzen (der hohe Marktpreise rechtfertigt) und/oder den sparsamen Umgang mit Ressourcen. Die Prozesse lassen sich charakterisieren über Aufgabenbereiche und die Art ihres Ineinandergreifens. In der Sachgüter produzierenden Industrie umfassen Geschäftsprozesse verschiedene, sich aufeinander beziehende und ineinander greifende komplexe Aktivitäten: Ent-
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Abb. 2: Prozessketten in Unternehmen (Jakobs 2008, 16).
wicklung und Konstruktion, Beschaffung, Produktion, Marketing, Distribution und Vertrieb (vgl. Abb. 2). In der Entwicklung und Konstruktion werden neue Produkte entwickelt, konstruiert und erprobt. In der Beschaffung wird festgelegt, welche Produktkomponenten vom Unternehmen bereitgestellt bzw. von Zulieferern bezogen werden. In der Produktion erfolgen die Fertigung und Montage von Produkten. Das Marketing ist verantwortlich für die Markenentwicklung und -pflege, die Kundenakquisition und -bindung (andere Unternehmer, Händler, Endabnehmer), Öffentlichkeitsarbeit und anderes mehr. Die Distribution übernimmt die Lieferung zum Kunden, der Vertrieb nimmt als Schnittstelle zum Kunden Aufträge an und klärt diese mit den Entwicklern, der Produktion, der Beschaffung oder der Distribution (Ist der Auftrag umsetzbar? Unter welchen Bedingungen?). Die Wertschöpfungskette wird durch unterstützende Aktivitäten begleitet. Dazu gehören die Unternehmensinfrastruktur und ihre Instandhaltung, Personalwirtschaft und Administration sowie (mitunter) Forschungsarbeit. Das Management ist verantwortlich für die Planung, Steuerung und Kontrolle aller Prozesse. Unterstützende und Managementaktivitäten lassen sich ebenfalls näher als Abfolge spezifischer Aufgaben- und Aktivitäten (Prozessketten) beschreiben. Sie schaffen keine direkten ökonomischen Werte und sollen daher möglichst „schlank“ sein. Alle genannten Prozesstypen enthalten sprachlich-kommunikativ zu bearbeitende Aufgaben bzw. Handlungsanteile. Sie lassen sich in ihrem Zusammenhang beschreiben als Informations-, Kommunikations- und Interaktionsströme, die sich berühren, kreuzen, überlagern, manchmal auch gegenseitig blockieren. In der
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skizzierten Perspektive umfasst Unternehmenskommunikation die Gesamtheit sprachlich-kommunikativer Aufgaben, Mittel und Aktivitäten entlang von Wertschöpfungsketten, unterstützender Aktivitäten und Managementaktivitäten sowie ihr Zusammenspiel (Jakobs 2008).
2.3.2 Sprachlich-kommunikative Anteile von Wertschöpfungsketten In allen Teilen der Wertschöpfungskette produzierender Unternehmen finden sich die in Brünner (2000) beschriebenen Formen der Arbeits- und Sozialkommunikation – jedoch in funktionsspezifischer Ausprägung und in unterschiedlichem Umfang. Die sowohl in als auch zwischen den Teilen der Wertschöpfungskette zu leistende Arbeitskommunikation vollzieht sich (je nach Unternehmensorganisation) in Abteilungen wie auch Abteilungsgrenzen überschreitend. Insbesondere letzteres erfordert die Bereitschaft und Fähigkeit zu Schnittstellenkommunikation. Die Unternehmen eigene Arbeitsteilung erzeugt funktional wie sozial geprägte Varianten kooperationsbezogener wie nicht-kooperationsbezogener Kommunikation. Sie äußern sich in (abteilungs-)spezifischen Subkulturen und werden häufig als Barrieren des Austauschs und Ursache für Kommunikations- und Abstimmungsprobleme empfunden („Die sprechen eine ‚andere Sprache‘.“). Beide Typen – Kooperationsund Schnittstellenkommunikation – sind wichtig für den Vollzug von Arbeit und ein gutes soziales Klima. Dies wird im Folgenden exemplarisch verdeutlicht. Die Entwicklung und Konstruktion neuer Produkte erfordert einen intensiven fachinternen wie -externen Austausch in Entwicklerteams wie auch der Beteiligten mit Vertretern anderer Prozesskettenbereiche wie Vertrieb (Was will der Kunde bis wann?) und Produktion (Wie viel Vorlaufzeit haben die Entwickler?). Die Zusammenarbeit in für die Dauer eines Entwicklungsauftrages (z. B. Entwicklung eines neuen Motors) gebildeten Expertenteams erfordert ausgeprägte kommunikative Kompetenzen, da die Entwicklungsarbeit in der Regel interdisziplinär zu leisten ist. Dazu gehört die Verständigung über die Art und Weise des Sprechens über Dinge, z. B. wie Termini verwendet werden (referieren Fachausdrücke auf dasselbe, auf ähnliche oder unterschiedliche Konzepte), das diskursive Herstellen geteilter Wissensbasen sowie das Thematisieren und Verhandeln von Perspektiven auf Gegenstände. Gelungene interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert zudem, nicht nur faktische, sondern auch kulturelle und soziale Grundlagen des gemeinsamen Handelns zu klären. Werden Verständigungsdefizite, Missverständnisse und Reibungsflächen nicht erkannt und diskursiv bearbeitet, hat dies soziale wie faktische Folgen. Verständigungsprobleme beeinträchtigen das Teamklima und die Mitarbeitermotivation und können zu Konstruktions- und Produktionsfehlern mit finanziellen Folgen und Imageverlust für das Unternehmen führen. Analysen der Interaktion in gemischten Expertenteams liefern wertvolle Einsichten, die für die Entwicklung von Trainingskonzepten genutzt werden können, die Mitarbeiter auf die Anforderungen interdisziplinärer Teamarbeit vorbereiten.
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Oft erfolgt die Entwicklung nicht oder nur partiell im eigenen Haus. Viele kleine und mittelständische Unternehmen können sich keine eigene Forschung und Entwicklung leisten; sie sind auf externe Wissensanbieter angewiesen. In diesem Kontext besitzen Fach- oder Industriekommunikationsmedien (Fachzeitschriften, Fachdatenbanken, Auftragsrecherchen) hohe Relevanz. Extern vergebene Entwicklungsaufgaben bedingen eine intensive Schnittstellenkommunikation zwischen beauftragendem Unternehmen und Anbieter. Führt die Entwicklung intern oder extern zu Patenten, entstehen Mehrwerte, die hierarchisch-ökonomische Kommunikation erfordern (in Form juristischer Diskurse). In produzierenden Unternehmen (z. B. des Maschinenbaus) wird in der Beschaffung festgelegt, welche Produktkomponenten vom Unternehmen bereitgestellt bzw. von Zulieferern bezogen werden. Die interne Bereitstellung von Komponenten erfordert intensive Abstimmungsprozesse mit den zu beliefernden Bereichen (von der Lagerhaltung bis zur Teileanlieferung in der Produktion) wie auch eine intensive Zuliefererkommunikation (Verkaufsverhandlungen, Absprachen zu Qualität und Quantität des Produkts, u. a.). Die Produktion ist für sich ein komplexes Gebilde, das in vielfacher Weise mit den Prozesskettengliedern Entwicklung, Beschaffung und Vertrieb verbunden ist. Hier spielen Abstimmungsprozesse in den Teams eine große Rolle (dazu u. a. Dannerer 2005; Domke 2008; Menz/Müller 2008) wie auch empraktische Kommunikation (etwa bei der Montage). Betrachtet man Informations-, Kommunikations- und Interaktionsflüsse in ökonomisch ausgerichteten Organisationen (hier: Unternehmen), zeigt sich ein enges Geflecht kommunikativen Handelns. Das (idealerweise orchestrierte) organisationale Zusammenspiel von Kommunikationsaufgaben, -handlungen und -flüssen materialisiert sich u. a. in Textnetzen hoher Komplexität (vgl. Abb. 3), die aus betriebswirtschaftlicher Sicht Gegenstand des Wissensmanagements und des Controllings sind (bzw. sein sollten). Derartige organisationale Textnetze wurden im deutschsprachigen Raum erst in Ansätzen untersucht. Ihre Analyse verspricht mehrfachen Gewinn, etwa Aussagen zu den Texthaushalten von Organisationen, ihre Planung, Realisierung und Organisation, zu den Textsorten-Repertoires, die Rolleninhaber beherrschen müssen und die deshalb Gegenstand der Vermittlung beruflicher Kommunikationskompetenz sein sollten (Efing/Janich 2006), oder zu Anforderungen an Textsorten als Teil eines Workflows. Zum Teil werden organisationale Textnetze unter Begriffen wie genre system beschrieben, rollenbezogene Textsortenrepertoires dagegen als genre set (vgl. Jakobs/Spinuzzi 2014). A Genre Set is the collection of types of texts someone in a particular role is likely to produce. In cataloging all the genres someone in a professional role is likely to speak and write, you are identifying a large part of their work. If you find out a civil engineer needs to write proposals, work orders, progress reports, quality test reports, safety evaluations, and a limited number of other similar documents, you have gone a long way toward identifying the work they do. If you then can figure out what skills are needed to be able to write those reports (including
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Abb. 3: Textnetze entlang von Wertschöpfungsketten.
the mathematical, measuring, and testing skills that are needed to produce the figures, designs, calculations, etc. in the reports) you will have identified a large part of what a civil engineer has to learn to do that work competently […]. A Genre System is comprised of the several genre sets of people working together in an organized way, plus the patterned relations in the production, flow, and use of these documents. A genre system captures the regular sequences of how one genre follows on another in the typical communication flows of a group of people. (Bazerman 2004, 318; Hervorhebung im Original)
Die Unterscheidung erlaubt, Untersuchungs-Perspektiven systematisch aufeinander zu beziehen, z. B. konkrete Textproduktionsaufgaben (Mikrolevel) aus der Sicht komplexer Workflows bzw. des unternehmerischen Gesamtkonzeptes (Meso/Makrolevel) zu betrachten (vgl. dazu auch Spinuzzi 2003).
3 Fazit und Ausblick Insgesamt repräsentiert sprachliches Handeln in ökonomisch ausgerichteten organisationalen Zusammenhängen einen außerordentlich interessanten und facettenreichen Phänomenbereich. Die Auseinandersetzung mit ihm verspricht nicht nur fachwissenschaftlich interessante Einsichten, sondern auch einen Gewinn für die Wirtschaft, Organisationen sowie die in den Organisationen Tätigen. Dazu gehören
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Hinweise auf erfolgsversprechende oder -erschwerende Faktoren und Verfahren des Wissensmanagements entlang von Wertschöpfungsketten, zur Gestaltung und Optimierung mündlicher und schriftlicher Interaktionsformen wie auch Aussagen zu den sprachlich-kommunikativen Anforderungen bestimmter Rollen und Aufgabenbereiche (Anforderungsprofil), der erforderlichen Qualifikation von Bewerbern (Bewerberprofil) und zu schulende Fähigkeiten (als Teil der Personalentwicklung). Die angewandte Linguistik kann hier vielfältige wertvolle Beiträge liefern.
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Sprache und Kommunikation im Kontext der Wertschöpfung
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Monika Dannerer
24. Messung und Optimierung kommunikativer Effizienz Abstract: „Effizienz“ und „Effektivität“ sind begriffliche Kategorien, die zunächst aus wirtschaftlichen Kontexten zu stammen scheinen und kaum mit einem deskriptiven oder kritischen Ansatz in der Linguistik zusammengebracht werden können. Der Artikel zeigt ausgehend von Beispielen aus unterschiedlichen Teilbereichen der Linguistik, dass und wie Vorstellungen von Effizienz und Effektivität auch hier in unterschiedlichen Ansätzen implizit und explizit eine Rolle spielen. Einen Schwerpunkt stellt dabei die Auseinandersetzung mit Positionen und Forschungsergebnissen der Angewandten Linguistik dar. Fragen der Rationalisierung und Normierung bzw. Normierbarkeit von mündlicher und schriftlicher Kommunikation und von Kommunikationsabläufen sind v. a. in wirtschaftssprachlichen und institutionell geprägten Kontexten zentral, denn standardisierte Lösungen für repetitive Anforderungen, die unter Zeitdruck erledigt werden müssen, scheinen einen Ausweg zu bieten und dienen überdies der Stabilisierung von Strukturen und Prozessen in Organisationen. Auch das Streben nach einer Reduktion von Missverständnissen und Konflikten kann unter dem Aspekt der Minimierung des Zeitaufwandes bzw. der Maximierung des Ertrags gesehen werden. Schließlich wird auch eine Verbindung zu Fragestellungen kultureller Diversität und mehrsprachiger Unternehmenskommunikation aufgezeigt. Möglichkeiten der Messung von Effizienz werden jeweils diskutiert.
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Effizienz/Effektivität – eine Begriffsklärung Effizienz/Effektivität in der Sprachwissenschaft Effizienz/Effektivität in den Wirtschaftswissenschaften Effizienz/Effektivität in sprachdidaktischer Literatur Effizienz/Effektivität in der Angewandten Linguistik am Beispiel der Unternehmenskommunikation Effizienz/Effektivität in mehrsprachiger/transkultureller Kommunikation Zusammenfassung Literatur
1 Effizienz/Effektivität – eine Begriffsklärung Sowohl Effizienz als auch Effektivität werden in der Sprachwissenschaft selten und v. a. kaum zusammenhängend thematisiert – Roelcke (2002, 5) spricht gar von einem „linguistisches Phantom“. Da die Begriffe zudem nicht einheitlich definiert sind, sei einleitend geklärt, wie sie im vorliegenden Beitrag verstanden werden. https://doi.org/10.1515/9783110296235-024
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Mit Roelcke (2002, 18; 23) kann Effizienz als ein optimales Verhältnis zwischen Aufwand (d. h. dem Einsatz von Ressourcen) und Ergebnis (d. h. der Erreichung von Zielen) beschrieben werden. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Handlung an sich erfolgreich ist. Ein solches „optimales Verhältnis“ kann dabei auf zwei Arten angestrebt werden: Entweder es steht das zu erreichende Ergebnis fest, und der Aufwand, um es zu erreichen, wird möglichst gering gehalten (Aufwandeffizienz), oder aber mit einem bestimmten, feststehenden Aufwand möchte man ein möglichst gutes Ergebnis erzielen (Ergebniseffizienz) (Roelcke 2002, 19–22). Effektivität ist demgegenüber gleichzusetzen mit einer „erfolgreichen“ Sprachverwendung/Kommunikation, d. h. ein angestrebtes Ergebnis wird – unabhängig vom Aufwand – erreicht. Forschungen zur Effektivität gehen dabei in äußerst unterschiedliche Richtungen, so dass sich unter diesem Aspekt Untersuchungen zu Stimmqualität, Haltung und Gestik (vgl. Gundersen/Hopper 1976), zur Rolle von Attitüden zu Varietäten (z. B. Bradac u. a. 1976; Giles 1973; Miller 1975) oder auch zur Bedeutung sprachlicher und interpersonaler Kompetenz finden (Hale 1980, 306). Auch kommunikative Strategien bzw. ihr Erwerb werden berücksichtigt, wobei Littlemore (2003) anmerkt, dass dabei das „angestrebte Ergebnis“ stark divergieren kann und nicht unbedingt nur mit „Verständlichkeit“ gleichgesetzt werden darf. Unter Berufung auf Cook (2000) hält sie fest: […] the communicative aims of language learners may not always be strictly instrumental. They may, at times, want to show off or play with the language in order to demonstrate or share creativity with their interlocutor. This playful use of language can serve an important relationship-building function. (Littlemore 2003, 333)
Allerdings, so Littlemore (2003, 344), wird der Erfolg im Hinblick auf Kreativität von unterschiedlichen Rezipienten (unterschiedlicher Kulturen) auch verschieden beurteilt. Es sei hinzugefügt, dass hier wohl auch Kontext, Situation und Beziehung zwischen den Interaktanten eine Rolle spielen. Auch am Beispiel von Arzt-Patientenkommunikation wurde nachgewiesen, dass die Einschätzung von Effektivität durchaus unterschiedlich ausfallen kann. Während Ärzte ihr Urteil beispielsweise danach fällen, ob sie ein in ihren Augen erfolgreiches Anamnesegespräch geführt haben, vergleichen Patienten das Gespräch eher allgemein mit Gesprächen in der Institution Krankenhaus bzw. damit, ob sie ihre Ziele umsetzen konnten (Woodruff Improta 2011, 1). Es sei darauf hingewiesen, dass die Begriffe Effizienz und Effektivität nicht immer – und auch nicht immer in dieser Weise – unterschieden werden. Ganz auf eine Unterscheidung verzichtet etwa Tindale (2013), der „efficient“, „effective“ und „good communication“ synonym verwendet und im Kontext Aristotelischer (und ansatzweise auch asiatischer) Rhetorik diskutiert. Ob Kommunikation effizient ist, hängt dabei von der gelingenden Adressatenorientierung bzw. vom Urteil der Adressat(inn)en ab:
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Central to Aristotle’s account of efficient communication, and all subsequent treatments, is the idea of audience: that body of people that the speaker aims to persuade through her or his discourse. (Tindale 2013, 165)
Daneben werden die Begriffe Effektivität und Effizienz allerdings auch den jeweils gegenteiligen Bedeutungen zugeordnet, so z. B. von Kleinberger Günther (2003, 61) Effektivität ist an Produktivität gekoppelt: je effektiver jemand seine Arbeit bewältigt, was eng mit dem kommunikativen Verhalten der Person zusammenhängt, desto produktiver ist sie.
oder von Habscheid (2005, 190): Effizienz: das Ziel, den Aufwand und die Kosten möglichst gering halten, z. B. indem man die Interaktion an den Grenzstellen zum Kunden hin zu standardisieren versucht; Effektivität: das Ziel, den Ertrag zu erhöhen, z. B. indem man die Mitarbeiter motiviert oder die Kooperation verbessert.
Während „Effizienz“ in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur häufig thematisiert und der Bezug zum sprachlichen Handeln auch festgehalten wird (vgl. Kleinberger Günther 2003, 61), klafft in der Linguistik hier weitgehend eine Lücke. Zwar wird sie sehr wohl als zentraler Aspekt vieler sprachwissenschaftlicher Theorien, sprachkritischer und sprachdidaktischer Bemühungen angenommen (s. u. Kap. 2), es fehlt aber – so moniert Roelcke (2002, 5) – ein allgemeines Modell sprachlicher Ökonomie. Damit ist auch die Überlegung offen, ob ein solches Modell ausschließlich für (spezifische Formen der) Kommunikation in Institutionen Relevanz hat, d. h. für Arbeitskommunikation im Sinne von Brünner (2000, 8), wo ein sparsamer Umgang mit persönlichen Ressourcen und gleichzeitig eine starke Zielorientierung im Gespräch von Bedeutung sind, oder aber, ob Effizienz, wenn man sie auf unterschiedlichen Ebenen des sprachlichen Systems betrachtet, nicht doch ein grundlegendes Prinzip von Sprache und Kommunikation darstellt.
2 Effizienz/Effektivität in der Sprachwissenschaft Sprachwissenschaft geht in der Regel von Sprache als einem funktionalen System aus, d. h. davon, dass mit sprachlichen Äußerungen die von den Kommunikationspartner(inn)en angestrebten Zwecke erfüllt werden können. In diesem Sinne wird Sprache als effektives System gesehen, wird die prinzipielle Effektivität von Sprache für die Zwecke der zwischenmenschlichen Kommunikation als gegeben angenommen. Modelle des Verstehens bzw. der Verständlichkeit (Deppermann/Schmitt 2008; Deppermann 2010, 12–17), aber auch ein Konzept wie die „Glückensbedingungen“ in der Pragmatik (Searle 1992 [1971], 84–113) seien hier exemplarisch angeführt.
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Daneben wird auch immer wieder auf Effizienz im Sinne von „Ökonomie“ in der Sprache abgehoben, ohne dass hierfür eine übergeordnete Sichtweise zutage treten würde. Beispielhaft sei an Vorstellungen auf unterschiedlichen Ebenen des sprachlichen Systems erinnert: Ökonomie liegt der Erklärung von phonologischen Prozessen wie Elision, Koartikulation oder Assimilation zugrunde. Ökonomie scheint aber auch ein wesentlicher Faktor im Sprachwandel (Moser 1976, 43 f.; von Polenz 1991, 28–36) zu sein, wenn es etwa um den schrittweisen Abbau von Flexionsmorphemen geht. In beiden Fällen wird dem Ökonomieprinzip das Prinzip der Verständlichkeit und der gesicherten Kommunikation gegenübergestellt – die Ökonomie darf nicht so weit gehen, dass die Verständlichkeit davon behindert wird. Effizienz und Effektivität müssen sich also die Waage halten, Effizienz kann – da sie Effektivität einschließt – nicht zu Lasten der Effektivität gehen. Ökonomie wird darüber hinaus sowohl in der Wortbildung als auch in der Semantik angesprochen: Wortbildungsmittel etwa ermöglichen eine ökonomischere Prägung neuer Lexeme als dies durch völlige Wortneuschöpfungen der Fall wäre (u. a. von Polenz 1991, 32; Donalies 2007, 5). Für die Semantik sei an die Seltenheit völliger Synonymie erinnert, die u. a. damit begründet wird, dass völlige Synonyme sprachsystematisch und für die Sprachnutzer(inn)en unökonomisch seien (Busse 2009, 104). An der Schnittstelle zwischen Lexikon und Morphosyntax seien Phraseologismen und feste Formulierungen (Chunks) hervorgehoben, die aus kognitionswissenschaftlicher Perspektive die Formulierungsarbeit erleichtern und so der kognitiven Ökonomie der Sprachproduktion dienen (Stein 1995, 125 f.). Für die Sprachgeschichte verweist von Polenz (1991) auf unterschiedliche Formen der Ökonomie – eine systembezogene, die sich auf Einsparung, gesteigerte Ausnutzung und Ausbau sprachlicher Mittel erstreckt, und eine informationsbezogene Ökonomie, die auf eine Beschleunigung des Übermittlungstempos oder eine Vermehrung der Informationsmenge abzielt (von Polenz 1991, 32–35). Aus einem theoriegeleiteten kognitionslinguistischen Blickwinkel beleuchtet Fenk-Oczlon (1990) Ökonomieprinzipien in der Kommunikation. Sie geht vom Prinzip des konstanten Informationsflusses aus: Sowohl in der Sprachproduktion als auch in der -rezeption ergeben sich kognitive und motorische Restriktionen bzw. Kapazitätslimits, die z. B. durch das Herausfiltern von Regularitäten und damit Redundanzen erweitert werden. Hierfür sieht sie nicht nur allgemein Chunks, sondern auch die „Geläufigkeit“ („familiarity“) für einen konkreten Sprachbenutzer als zentral an (Fenk-Oczlon 1990, 38–41). Die Topikalisierung von „Geläufigem“ (topic vor comment) und auch die tendenziell kurze Kodierung von Geläufigem sieht Fenk-Oczlon als sprachuniversale Entsprechungen zum Konstanzprinzip (Fenk-Oczlon 1990, 42–47). Eine phonologische und morphologische Reduktion von Geläufigem kann dabei zu an sich „opaken Formen“ führen, die allerdings aufgrund der Geläufigkeit eben gerade keine Verständigungsprobleme evozieren und somit von Fenk-Oczlon als „natürliche“ Folge von „natürlichen“ Ökonomieprinzipien bezeichnet werden (Fenk-Oczlon 1990, 48 f.).
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Schließlich wird auch die Herausbildung von Textsorten und Gesprächstypen als Antwort auf wiederkehrende kommunikative Anforderungen gesehen (Brinker 1997, 126, Habscheid 2005). Sie dienen als standardisierte Problemlösungsangebote, auf die zur Steigerung der Effizienz zurückgegriffen werden kann. Ökonomie und Effektivität liegen auch einfachen nachrichtentheoretischen Kommunikationsmodellen (z. B. Shannon/Weaver 1949) zugrunde – Kommunikation muss ein gewisses Maß an Redundanz aufweisen, um Störungen bei der Übermittlung von Nachrichten auszugleichen bzw. abzufedern. Die Maximen von Grice zielen ebenfalls auf eine effektive Kommunikation ab, gleichzeitig weisen die Maximen der Quantität und die der Modalität – bis zu einem gewissen Grad auch die der Relevanz – durchaus darauf hin, dass der Sprachauffassung der Gedanke der Effizienz zugrunde liegt. Äußerungen/Gesprächsbeiträge sollen so kurz sein, wie es dem aktuellen Gegenstand, dem Zweck und dem jeweiligen Gegenüber angemessen ist (Grice 1975, 45 f.). Komplexere Modelle, die ein Aushandeln von geteilten Bedeutungen, Situationsinterpretationen etc. annehmen, sind insofern einem Ökonomieprinzip verpflichtet, als die Bedeutungsaushandlung immer nur zweckspezifisch und zielgerichtet ist, d. h., sie geht so weit, wie es in einer ganz konkreten Kommunikationssituation notwendig ist (Deppermann/Schmitt 2008, 238 ff.). Die Verständlichkeitsforschung und nicht zuletzt auch Ansätze des Wissensmanagements erfassen ebenfalls Teilbereiche der Effizienz. Für die Beurteilung von Effizienz im Rahmen der Gesprächsanalyse scheinen diese Ansätze jedoch nicht weitreichend genug. Zuletzt sei auf Aspekte der Effizienz auf einer übergeordneten soziolinguistischen Ebene hingewiesen, auf die Beurteilung von Maßnahmen der Sprachplanung. Mit der Messung von Effizienz bzw. von Effektivität in diesem Bereich und mit den damit verbundenen theoretischen Problemen hat sich mehrfach François Grin beschäftigt (vgl. Grin/Vaillancourt 1999; Grin 2003a, b). Er geht davon aus, dass es sowohl für die Planung als auch für die Evaluation der Effektivität von sprachenpolitischen Maßnahmen einer gründlichen Zielanalyse bedarf, sowie einer Ursache-Wirkungs-Analyse und einer Wahl von messbaren Einheiten, anhand derer Effektivität festgestellt werden kann. Überdies ist festzustellen, welche Effekte tatsächlich auf die jeweiligen sprachpolitischen Maßnahmen zurückgeführt werden können (Grin 2003a, 99). Berücksichtigt man die Vielfalt der Ansätze und Einzelergebnisse, so stellt sich die Frage, ob Effizienz nicht doch auch eine relevante Beschreibungskategorie jenseits von Gesprächen in Organisationen darstellt. Die Effektivität, d. h. die Zielerreichung an sich, wird auf jeden Fall zu berücksichtigen sein, aber auch der Einsatz sprachlicher Mittel ist jeweils funktional zur Erreichung bestimmter kommunikativer Ziele zu sehen. Allerdings sind in nicht-organisationalen Kontexten die Ziele wohl noch komplexer und schwerer zu bestimmen: Spielerische, kreative, ästhetische oder auch schlicht homileïsche Ziele und Zwecke der Kommunikation lassen sich im Hinblick auf Aufwandminimierung bzw. Nutzenmaximierung nicht einfach und v. a. auch nicht einheitlich fassen.
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3 Effizienz/Effektivität in den Wirtschaftswissenschaften Ausgangspunkt für die Formulierung der Relevanz von Effizienz in wirtschaftlichen Zusammenhängen, konkret in der Managementlehre, waren F. W. Taylors „Principles of Scientific Management“ (1911). Der Grundgedanke wurde von Taylors Schüler F. B. Gilbreth weitergeführt und beispielsweise für Bewegungsabläufe konkretisiert: „[…] jede Bewegung, die nicht unmittelbar dem Produktionsprozeß dient, [stellt] vergeudete oder vertane Arbeit [dar].“ (Staehle 1990, 23). Dieser Ansatz findet sich – so Staehle – auch heute noch im REFA-Gedankengut bzw. im Industrial Engineering wieder. Demnach wäre alles Irrationale oder Zufällige aus dem Arbeitsprozess zu verbannen (Staehle 1990, 23 f.). Ein ähnlicher Gedanke liegt auch dem „Rationalitätsprinzip“ des Homo-oeconomicus-Modells zugrunde, das allerdings selbst in eingeschränkter Form heute kaum noch vertreten wird. Es geht davon aus, dass Individuen ihre Handlungsmöglichkeiten im Hinblick auf ein Kosten-Nutzen-Kalkül beurteilen und stets rational danach streben, eine Nutzenmaximierung zu erzielen. Gerade aber im Hinblick auf die menschliche Fähigkeit des Optimierens zeigt sich das von Herbert Simon entwickelte Satisficing-Modell skeptisch. Simon nimmt an, dass der Mensch nicht alle denkbaren Alternativen wahrnehmen und abschätzen bzw. bewerten kann und somit nicht fähig ist, seine Handlungen bzw. Entscheidungen zu optimieren. Hier kommen nun (erprobte/bekannte) Routinen ins Spiel bzw. eine Orientierung an einem bestimmten Anspruchsniveau unterhalb des Optimums. Um handlungsfähig zu bleiben, wird also ein Ergebnis angestrebt, das „hinreichend zufriedenstellend“ ist und auf oder über diesem Anspruchsniveau liegt (Erlei/Leschke/Sauerland 1999, 2–16). In der Betriebswirtschaftslehre wird nicht nur die Beurteilung des Optimums, sondern auch die Frage, wie Effizienz gemessen werden kann, intensiv diskutiert und letztlich als sehr komplex angesehen. Staehle (1990, 412) weist in diesem Zusammenhang auf unterschiedliche Konzepte hin: Ziel-Ansatz, System-Ansatz, Organisationsteilnehmer-Ansatz, Interessen-Ansatz. Er weist darauf hin, dass es aufgrund der Vielgestaltigkeit und Widersprüchlichkeit von organisatorischer Effizienz nicht möglich sei, Organisationen als allgemein „effizient“ einzustufen. Effizienz kann immer nur im Hinblick auf einen bestimmten Aspekt beurteilt werden, z. B. ein zeitlich fixiertes Ziel einer bestimmten Interessengruppe in einem konkreten Kontext (Staehle 1990, 419). Der zeitliche Horizont kann dabei je nach Interessensgruppe und je nach Ziel divergieren. Beispielsweise können eine kurzfristige Produktivitätssteigerung, kurz- oder auch mittelfristige Mitarbeiterzufriedenheit, mittelfristige Entwicklungsfähigkeiten einer Organisation von unterem oder mittlerem Management unterschiedlich wahrgenommen und für prioritär gehalten werden (Staehle 1990, 414). Darüber hinaus verfügen die einzelnen Interessengruppen in einem Unternehmen über unterschiedliche Machtressourcen, mit denen sie ihre Beurteilung von Effizienz in Aushandlungsprozessen interaktiv durchsetzen kön-
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nen (strategic constituencies approach) (Staehle 1990, 415 f.). Die unterschiedlichen Ziele einer Organisation können divergent sein oder aber „Zielbündel“ ergeben, wobei die Ziele zueinander in einem zeitlich dynamischen Hierarchiegefüge stehen können. Im Hinblick auf Effizienz und Effektivität ist auffallend, dass in den genannten Ansätzen von Effektivität stillschweigend ausgegangen wird – die Zielerreichung wird nicht in Zweifel gestellt – und für Effizienz im Lauf der Zeit immer komplexere Überlegungen angestellt werden, die sich für eine linguistische Perspektivierung von „kommunikativer Effizienz“ zunehmend eignen, wenn auch immer noch eine deutliche Spannung zwischen den Modellen des Rationalhandelns und den Konzeptualisierungen sprachlicher Praxis festzustellen ist: Während die Taylor’schen Grundideen zu mechanistisch sind, ist das Satisficing-Modell mit der Überlegung, dass der Rückgriff auf Routinen eine zwar nicht rational oder objektiv optimale Lösung bietet, jedoch eine „hinreichend zufriedenstellende Zielerreichung“, bereits wesentlich besser mit linguistischen Ansätzen kompatibel. Die Bezugnahme auf Routineformulierungen, Handlungsmuster und Textsorten ist gerade im Kontext organisationaler Kommunikation ein zentrales Untersuchungsinteresse, verbunden mit der Frage, wo dieser Rückgriff fruchtbar/effizient ist und wo er zu (ineffizienten) Störungen der Kommunikation führt. Kommunikation wird in wirtschaftswissenschaftlichen Ansätzen generell als wesentliches Element von Organisationen angesehen – „gute“ Kommunikation und wirtschaftlicher Erfolg werden zueinander in Relation gesetzt, z. B. über Mitarbeitermotivation (Wöhe 2000, 128) oder über eine Kompatibilität zwischen Unternehmenskultur und Unternehmenskommunikation (Schmidt 2004, 158), wobei es aber durchaus auch zu sehr verkürzenden Schlussfolgerungen kommt: Funktioniert ein Unternehmen in seiner Umwelt, dann muss seine Unternehmenskultur insgesamt langfristig effizient sein. Die auf der Grundlage dieser Unternehmenskultur strategisch und taktisch eingesetzten Kommunikationsmaßnahmen können dann auf ihren kurz- und mittelfristigen Erfolg je nach den interessierenden Parametern eingeschätzt werden. (Schmidt 2004, 159)
Auffallend an dieser Feststellung von Schmidt ist die Differenzierung von Effizienz nach einer globalen/lokalen Perspektive („insgesamt“) und nach einer zeitlichen Perspektive („langfristig“). Dies lässt darauf schließen – ohne dass dies hier geltend gemacht würde –, dass entsprechende Differenzierungen im Hinblick auf eine Messbarkeit von Effizienz vonnöten sind. Bei dieser hohen Wertschätzung, die Effizienz genießt – Ehrenreich (2010, 142) spricht vom „key principle governing business communication“ –, ist es durchaus erstaunlich, dass die konkrete Messung im Sinne einer „systematischen Erfolgskontrolle“ der Unternehmenskommunikation bislang kaum diskutiert wird. Ebert/ Konerding (2008, 67) nennen einige Ursachen und charakterisieren die Situation folgendermaßen:
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Bei anspruchsvollen Kommunikationszielen ist es schwierig, einen Nachweis für Effizienzsteigerung zu erbringen (vgl. Bruhn 2003: 297). Viele Controlling-Ansätze im Bereich von kommunikativen Maßnahmen zielen auf die Effizienzsteigerung der Marktkommunikation (vgl. Bruhn 2003: 297–327) und sind im Grunde postevaluative Verfahren der Wirkungsmessung und -bewertung (vgl. Piwinger/Ebert 2002). Für die Kommunikation in Veränderungsprozessen existieren zwar Vorschläge für eine „prozessbegleitende Evaluation“ (Pfannenberg 2001: 22–24), was dabei jedoch zu kurz kommt, ist die Einsicht in die Notwendigkeit einer besseren Steuerung prozesskonstitutiver Faktoren und systematischer Verfahren der Wissenskonstruktion.
4 Effizienz/Effektivität in sprachdidaktischer Literatur Der Wunsch nach erfolgreicher Kommunikation sowie das Versprechen, in kurzer Zeit zu erfolgreichem Kommunikationsverhalten zu verhelfen, liegt vielen sprachdidaktischen Ansätzen – gerade im organisationalen Bereich – zugrunde. Typische Titel lauten: „30 Minuten bis zur überzeugenden Präsentation“, „Die perfekte Präsentation. Effiziente Vorbereitung – Gezielter Medieneinsatz – Wirkungsvoller Vortrag“, „Handbuch Präsentation und Vortrag. Erfolgreiche Fachvorträge vorbereiten und durchführen“, „Last Minute Programm für Vortrag und Präsentation“, … [Hervorh. jew. M. D.] (vgl. Dannerer 2003, 17). Die Angebote erfolgen dabei vielfach ohne empirisch-analytische Basierung rezeptartig und mit stark präskriptivem Impetus. Unter kommunikativem Erfolg wird dabei vieles subsummiert, auf jeden Fall zählt Effektivität dazu, in den meisten Fällen liegt auch ein explizites oder implizites Streben nach Effizienz vor. Effizienz wird dabei also sowohl auf den Lernprozess als auch auf das daraus resultierende Kommunikationsverhalten bezogen. Ausgangspunkt ist häufig die Feststellung eines Desiderates/eines nicht-idealen Zustandes: In vielen Fällen wird zu viel, zu wenig, zu einseitig, zu unpräzise, zu mehrdeutig, zu rational oder zu emotional gesprochen, so dass die Gesamtheit der Kommunikationsteilnehmer einer Organisation eher verwirrt oder frustriert wird als dass sie sich verstanden fühlt. (Ant/Nimmerfroh/Reinhard 2014, 108)
Um einschlägige Vorstellungen und implizite Erwartungen zu diskutieren, sei exemplarisch ein rezentes, auf universitärem – allerdings nicht linguistischem – Niveau fundiertes Werk herangezogen, das effiziente Kommunikation definiert als […] eine Kommunikation, die sich durch eine möglichst geringe Diskrepanz zwischen dem, was der Sender mitteilen möchte und dem, was der Empfänger versteht und daraus macht […]. Um eine effiziente Kommunikation zu realisieren, sollte versucht werden, unter Berücksichtigung der situativen Bedingungen, den Aufwand insgesamt zu minimieren und den Nutzen zu maximieren. […] Eine effiziente Kommunikation sollte die unvermeidlichen kommunikativen Missverständnisse sowie die störenden Faktoren wie ‚Lärm‘ so gering wie möglich halten und eine größtmögliche Wirkung der Botschaft sicherstellen. (Ant/Nimmerfroh/Reinhard 2014, 109)
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In dieser Definition zeigt sich sowohl eine Berücksichtigung von Aufwand und Nutzen als auch der Aspekt der Effektivität, der Zielerreichung an sich. Insgesamt werden 26 Charakteristika effizienter Kommunikation kurz erläutert (Ant/Nimmerfroh/Reinhard 2014, 110–129). Genannt werden in ungeordneter Folge und ohne eine Systematisierung herauszuarbeiten u. a. Merkmale des Aufbaus einer einzelnen Äußerung bzw. der eigenen Argumentationskette (z. B. Konsistenz (widerspruchsfreie und stringente Argumentation), Einfachheit und Eindeutigkeit, inhaltliche Orientierung), allgemeine kommunikative Fähigkeiten (z. B. Zuhörfähigkeit und Sprechfähigkeit, nonverbale Kommunikation), Merkmale des Verhaltens von Einzelpersonen (z. B. Kohärenz, Determiniertheit, Autonomie, Investition, Fairness), Vorgehen einer gesamten Gruppe (z. B. konstruktivistisches, systemisches, interdisziplinäres Denken, methodisches Vorgehen, Vorgehen in kleinen Schritten). Als problematisch erweisen sich die von Ant/Nimmerfroh/Reinhard (2014, 135– 143) genannten Merkmale ineffizienter Kommunikation, die überdies deutlich ein fehlendes Verständnis für Mündlichkeit zeigen. Obwohl in einem einleitenden Theoriekapitel zur Kommunikation auch Ansätze von de Saussure und Bühler bis Bourdieu, Luhmann und Watzlawick referiert wurden (Ant/Nimmerfroh/Reinhard 2014, 49–83), wird an dieser Stelle doch wieder vom Sender-Empfänger-Modell ausgegangen oder es werden schlicht Einstellungen beschrieben. Als Merkmale ineffizienter Kommunikation nennen sie u. a. Emotionalität, Kompliziertheit und Vagheit, Unterbrechungen, Pausen, simultanes Sprechen, Wiederholungen, Monologe, aber auch sehr allgemeine Merkmale wie formalistische Orientierung, Sturheit, Vorurteile, persönliche Implikationen und persönliche Angriffe. Auch wenn man berücksichtigt, dass didaktische Ansätze immer auswählen, reduzieren und vereinfachen müssen, so ist festzustellen, dass der fehlende Blick auf die Spezifika mündlicher Kommunikation und auf institutionelle Bedingtheiten von Kommunikation die Aussagekraft der „Analysen“ und die Anwendbarkeit der impliziten Regeln deutlich einschränkt. Die Heterogenität der Liste lässt keinen unmittelbaren Bezug zu einer Messung von Effizienz zu. Der Aspekt der Optimierung ist bei sprachdidaktischer Literatur immer gegeben, es wird allerdings kaum einmal präzisiert, wie man den Erfolg der didaktischen Maßnahmen – der Lektüre eines Kommunikationsratgebers oder der Absolvierung eines Kommunikationstrainings – messen könnte bzw. wie eine Effizienzsteigerung in der Kommunikation messbar wäre. Dies ist allerdings kein neues Problem, auch für die Beurteilung von Effektivität/ Effizienz der Argumentation im Kontext der Rhetorik, der klassischen sprachdidaktischen Disziplin, hält Tindale eine grundlegende Problematik fest – es ist unklar, was, wann und wie gemessen werden soll: On the one hand, it looks as if adherence should be measured by the actions of the audience, as those actions and audience are intended by the arguer. Hence, Perelman and OlbrechtsTyteca (1958 [1969]: 49) speak of ongoing argumentation until the desired action is actually performed. And thus adherence can be measured by how audiences behave: what obstacles they overcome, what sacrifices they make, and so on. But this, as the authors concede, leads to a hazard: since the adherence can always be reinforced, we cannot be sure when to measure
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the effectiveness of the argumentation. If audience uptake is the only criterion, we may be premature in judging the quality of the argumentation or left unable to decide. (Tindale 2013, 171; Hervorh. i. O.)
Ein Ansatzpunkt, der hier allerdings bemerkenswert erscheint, ist die Frage nach dem „Abstand“ zwischen dem Verhalten ohne und dem mit Einflussnahme durch einen Kommunikationsteilnehmer – die „Hindernisse“, die überwunden werden, und die „Opfer“, die gebracht werden. Linguistisch bzw. gesprächsanalytisch fundierte Literatur zu Kommunikationstrainings, die in der Zwischenzeit ebenfalls auf eine längere Tradition zurückgreifen kann (vgl. z. B. Fiehler/Sucharowski 1992; Becker-Mrotzek/Brünner 2004; Fiehler 2012), spricht das Kriterium der Effizienz kaum an. Im Mittelpunkt stehen Kommunikationsprobleme, die als solche von den Beteiligten identifiziert werden (Fiehler 2012, 263), wobei der Ausgangspunkt hier zunächst v. a. Gespräche mit ungleichen Beteiligungsrollen bzw. einem starken Macht- und/oder Wissensgefälle waren (Bürger-Verwaltungs-Kommunikation, Arzt-Patienten-Kommunikation). Implizit werden Effektivität und Effizienz aber immer wieder bearbeitet, sei es durch die Thematisierung von (zeitraubendem) Nichtverstehen oder durch die Auseinandersetzung mit einer optimalen Gesprächsführung. Exemplarisch sei hier nur eine Definition von Fiehler zu ‚schlechten‘ Gesprächen angeführt, die beide Aspekte (mit) enthält: Analysiert man ‚schlechte‘ Gespräche, so stellt man im Regelfall fest, dass ihr Zweck nicht oder nur mit überdurchschnittlichem Aufwand realisiert werden konnte […] (Fiehler 2012, 263)
Wird der Zweck eines Gespräches nicht erreicht, ist es ineffektiv, wird er nur unter sehr großem Aufwand erreicht, schließt dies in der Regel auch einen höheren zeitlichen Aufwand ein, das Gespräch ist also auch ineffizient. Zentral ist jedoch für linguistisch basierte Trainings, dass die Trainer(inn)en die Bewertungen und Normen nicht aus ihrer eigenen, ggf. normativen Perspektive an die Gespräche herantragen wollen, sondern diesbezüglich mit den Beteiligten einen Konsens herstellen möchten, und dass überdies keine „eindimensionalen Wirkungszusammenhänge“ (Fiehler 2012, 261, Hervorh. i. O.) angenommen werden. Wichtige Ansätze und Ergebnisse der Angewandten Linguistik werden im folgenden Abschnitt dargestellt.
5 Effizienz/Effektivität in der Angewandten Linguistik am Beispiel der Unternehmenskommunikation Auch in der Angewandten Linguistik wird bezogen auf die Unternehmenskommunikation das Streben nach Effizienz auf unterschiedlichen Ebenen des sprachlichen
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Systems aufgegriffen, wenn auch der Fokus auf einer textlinguistischen/gesprächsanalytischen Perspektive liegt. Im Hinblick auf Fragestellungen des Wissensmanagements wurde im Bereich der Lexik etwa das Streben nach (firmenintern) einheitlichen Benennungen und Produktbezeichnungen thematisiert (Budin/Schwarz 2002). Hier treffen fachsprachliches und ökonomisches Streben nach Effizienz und Effektivität aufeinander: Die darüber hinaus angestrebte Kürze darf nicht Forderungen nach (Ein-)Eindeutigkeit zur Sicherung von Verständnis unter Fachleuten in Frage stellen. Roelcke (2002) hat sich aus einer pragma- und kognitionslinguistischen Perspektive eingehend mit effizienter Kommunikation beschäftigt. Sein Modell setzt Inhalte und Aufwand sprachlicher Kommunikation in Relation zur generellen und aktuellen kognitiven Kapazität des intendierten Rezipienten. Wenn ein Kommunikat in Relation zur Kapazität des Rezipienten zu wenig komplex ist, so ist Kommunikation zwar erfolgreich, aber ineffizient (Roelcke 2002, 54). Die damit einhergehende Reduktion von Effizienz auf Verständlichkeit und Explizitheit berücksichtigt zwar vordergründig eine Kategorie wie „Adressatenspezifik“, greift jedoch in vielen Belangen zu kurz. Strohner/Brose (2002) gehen von einem kognitiv fundierten Begriff von Kommunikation aus und interessieren sich v. a. für den Aspekt der Informationsverarbeitung, um „Optimierung“ von Kommunikation beurteilen zu können. „Verständlichkeit“ und „Instruktivität“ und die Aufmerksamkeit des Adressaten spielen auch bei ihnen eine zentrale Rolle, allerdings beziehen sie für die Beurteilung wesentlich komplexere Kriterien ein und berücksichtigen damit interaktionale und situative Aspekte: Thematisches Interesse des Rezipienten, die Überzeugungskraft eines Textes, die mediale und soziale Situation, Emotionen, Selbst- und Fremdeinschätzungen sowie allgemein die Beziehung der Kommunikationspartner zueinander – Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Akzeptanz – sind dafür grundlegend (Strohner/ Brose 2002, 6–8). Zur Rolle von Emotionen sei hier generell angemerkt, dass sie nicht nur in der Auseinandersetzung mit Effizienz, sondern in vielen Ansätzen der Linguistik allgemein, die oftmals weitgehend von der Annahme eines rationalen Verhaltens geprägt ist, einen relativ geringen Stellenwert einnehmen. Demgegenüber wird bereits in der antiken Rhetorik das Wissen über Emotionen und ihre Rolle für überzeugende und damit zumindest effektive Kommunikation z. B. von Aristoteles und Cicero als zentral angesehen (Tindale 2013, 167). Aus linguistischer Perspektive wurde im Kontext der Auseinandersetzung mit institutioneller bzw. organisationaler Kommunikation bereits früh die Rolle von „Rationalisierungsbemühungen“ durch vorgefertigte Textmuster, Kommunikationsleitfäden etc. thematisiert (vgl. z. B. Antos 1989; Habscheid 2005, 194 ff.). Sie dienen bei wiederkehrenden Aufgabenstellungen und Handlungsmustern dem Versuch, sprachliches Handeln nicht nur planbar zu machen, sondern es auch effizienter zu gestalten, ohne dass dies explizit einem Ökonomiedenken zugerechnet worden
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wäre. Bereits Antos (1989), aber v. a. Bendel (2006) und Habscheid (ebd.) haben sich speziell mit dem Konflikt bzw. der Schnittstelle zwischen Textmustern und Anforderungen in der Realisierung auseinandergesetzt sowie mit den mit solchen Vorgaben unterstellten bzw. damit verbundenen Intentionen, fortlaufend Konsens zu etablieren. Eine organisations-, ideologie- und machtkritische Perspektive zeigt – auch weit über die Verwendung konkreter Textbausteine und Leitfäden hinaus – auf, wie organisationelle Vorgaben nicht nur Effizienz fördern/zu fördern vorgeben, sondern auch sprachliche und kulturelle Identität unterdrücken (vgl. Habscheid 2012). Es wird gefordert, dass die Linguistik Alternativen zu einer an Effizienz und Effektivität, Qualitätssicherung und Außendarstellung orientierten Perspektive des Managements anbieten müsse, wenn sie der kommunikativen Realität in Organisationen empirisch umfassend gerecht werden will (Habscheid 2005, 190). Aufgrund solcher Perspektivendivergenzen liegt der Verdacht nahe, dass Linguistik und Wirtschaftswissenschaften unter „Effektivität“ bzw. „Effizienz“ Unterschiedliches verstehen. Überall dort, wo Effizienz nicht nur postuliert, sondern auch gemessen wird, müssten solche Divergenzen zutage treten. Allerdings wird die Frage nach der konkreten Messbarkeit von Effizienz – jenseits von Laborbedingungen – letztlich von beiden Seiten sehr kritisch gesehen. Selbst die Beurteilung von Effizienz in parallel tätigen Arbeitsgruppen, für die die Faktoren Zeit und Arbeitsaufgabe konstant und damit vergleichbar wären, hält Dannerer (demn.) kritisch fest: […] efficiency as such in work place communication is not easy to be “measured” when the outcome of creative processes of brain storming and collecting ideas are to be compared without knowing sufficiently about the context of the task, the background and the potential for further development of the ideas. A triangulation of discourse analysis with an analytical perspective on the wider institutional and communicative context of the task as well as interviews with the participants might be a possibility to get further insights. (Dannerer, demn.)
Aus der Perspektive der linguistischen Analysen von Menz (2000) wäre hier noch zu ergänzen, dass sich Abläufe in Organisationen keineswegs immer planen lassen bzw. dass Vagheiten und die dann mögliche bzw. notwendige Selbstorganisation durchaus auch aus unterschiedlichen Interessensperspektiven zu sehen sind. Jenseits von konkreten Vorgaben wie Gesprächsleitfäden wurde Effizienz u. a. auch anhand eines Diskurstyps untersucht, der gemeinhin von Klagen über Ineffizienz begleitet ist, der innerbetrieblichen Besprechung. Dannerer (2005, 2008) hat dabei korpusbasiert eine Reihe von Merkmalen effizienter Kommunikation herausgearbeitet. Während die Verständlichkeit noch Voraussetzung effektiver Kommunikation ist, weisen die Merkmale „geringer Zeitaufwand“, „Etablierung gemeinsamer oder komplementärer erreichbarer Handlungsziele“, „konsequente Bearbeitung bzw. der Abschluss von Handlungsmustern“ und „Umsetzung der Ergebnisse in konkrete Handlungszusammenhänge“ eindeutig auf effiziente Kommunikation hin, allerdings bereits auch über das unmittelbar beobachtbare kommunikative Ereignis hinaus (Dannerer 2008, 56–58). Zu einer optimalen inhaltlichen Gestaltung rechnet Danne-
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rer die „Thematisierung und Weitergabe relevanter Wissensbestände zum idealen Zeitpunkt“, die wiederum durch „Konzentration und Rezeptionsbereitschaft der Teilnehmer(inn)en“ und eine „optimale mediale Unterstützung“ – d. h. eine multimodale Berücksichtigung eines idealen Ineinanders von Mündlichkeit und Schriftlichkeit – erleichtert wird (Dannerer 2008, 59 f.). Zu den optimalen Rahmenbedingungen gehören u. a. die „Beteiligung der thematisch und institutionell relevanten Kommunikationsteilnehmer(inn)en im erforderlichen Ausmaß“ sowie allgemein „optimale institutionelle Rahmenbedingungen“ (Dannerer 2008, 60 f.). Dannerer betont, dass sich Effizienz nicht nur an der Erreichung der offiziell gesetzten inhaltlichen Ziele, sondern auch an den (inoffiziellen, z. T. auch unbewussten) sozialen Zielen messen muss. „Optimale soziale Rahmenbedingungen“ unterstützen überdies eine effiziente Kommunikation (Dannerer 2008, 57; 61). Damit wird insgesamt eine hohe Komplexität der Situation deutlich, und zwar im Hinblick auf a) die Zieldefinierung, b) die Ressource Zeit, c) die Zielerreichung in Relation zu den Rahmenbedingungen und d) die Nachhaltigkeit: a) Zumal in Besprechungen bzw. bei Kommunikation allgemein nie nur ein einziges Ziel verfolgt wird – allein schon durch die Beteiligung mehrerer Personen, aber auch dadurch, dass ein und dieselbe Person mehrere Ziele verfolgen kann, und dadurch, dass die von der Unternehmensleitung explizit oder implizit vorgegebenen Ziele nicht mit denen der Teilnehmer(inn)en identisch sein müssen –, ist auch Effizienz nie eindimensional angebbar. b) Die Forderung nach einem möglichst geringen Zeitaufwand muss in Relation gesehen werden zu den aktuellen Umständen, unter denen die Kommunikation stattfindet. Da die Situation von unterschiedlichen Beteiligten und von der Organisationsleitung divergierend beurteilt werden kann, kann auch die Einschätzung von Kommunikation im Hinblick auf einen optimalen Umgang mit der Ressource Zeit unterschiedlich ausfallen. c) Zudem ist Effizienz immer in Relation zu den aktuellen Rahmenbedingungen zu sehen (Dannerer 2008, 63): Kommunikation kann ineffizient erscheinen, aber trotzdem im Hinblick auf sehr schwierige äußere Bedingungen – die u. U. sogar unternehmenstypisch sind und von den Beteiligten oder von der Unternehmensleitung gar nicht mehr als solche wahrgenommen werden (z. B. die Situation in einem Großraumbüro, der Alltag in der Ambulanz, die Interdisziplinarität in der Zusammenarbeit von Projektarbeitsgruppen, das Vorliegen konfligierender Erwartungen an die Mitarbeiter(inn)en) – relativ effizient verlaufen sein. Zu berücksichtigen sind z. B. die Rollen von vorgegebenen personellen Strukturen (Hierarchien, Informationspflicht, Dienstweg, …), von Kommunikationswegen, von geplanten Arbeitsabläufen und räumlichen Gegebenheiten. Darüber hinaus gilt es aber auch, die „Unplanbarkeit“ oder auch die „Irrationalität“ von Interaktion zu akzeptieren. d) Hohe Effizienz kann u. U. eine negative Beeinflussung anderer (z. B. sozialer) Parameter bewirken. Ob ein Ziel tatsächlich effizient erreicht wird, ist also auch
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mit Blick auf eine längerfristige Entwicklung zu beurteilen. Experimentelle Untersuchungen zu effizienter Problemlösung nehmen nicht in den Blick, dass Beziehungen zwischen Mitarbeiter(inn)en sowie auch Beziehungen nach außen/zu Kunden über einen längeren Zeitraum Bestand haben und auf diese Weise jede Zielerreichung sich auch auf die weitere Kommunikation und damit auf die Voraussetzungen für spätere Zielerreichungen auswirkt. So kann sich etwa eine zunächst ineffizient erscheinende Inklusion/Exklusion von Entscheidungsträgern, Vertreter(inn)en anderer Interessen, Laien oder Anrainern längerfristig als effizient erweisen. Gerade hier setzt auch eine organisationskritische Betrachtungsweise ein. Alle vier Dimensionen verdeutlichen auch, weshalb Effizienz bzw. die Optimierung von Gesprächen/Texten nicht ein rein organisationswissenschaftliches Thema sein kann bzw. nicht ausschließlich aus der Perspektive der Unternehmensleitung beurteilbar ist. Ein diskursanalytischer Einbezug nicht nur des Gesprochenen, sondern auch eine Berücksichtigung des Kontextes, der Situation, der organisationalen Rahmenbedingungen ist bedeutsam. Einfache Angebote wie das Bereitstellen eines Gesprächsleitfadens oder das Aufstellen von „Regeln“ können eine gewisse Unterstützung bieten, können aber aus linguistischer Sicht nicht als „Lösung“ offeriert werden.
6 Effizienz/Effektivität in mehrsprachiger/ transkultureller Kommunikation Was für die Organisationskommunikation ganz allgemein gilt, hat – trotz einer hohen Praxisrelevanz – auch für transkulturelle Kommunikation innerhalb von Unternehmen Gültigkeit (vgl. auch Lüdi, in diesem Band). Schmidt hält fest: Weniger ist bisher jedoch der Frage Aufmerksamkeit gewidmet worden, wie eine effiziente über Kultur- und Sprachgrenzen hinweg verlaufende Kommunikation innerhalb von Organisationen als Ganzheiten bzw. innerhalb von einzelnen Abteilungen zwischen Vertretern verschiedener Landes- und Sprachkulturen gesichert werden kann. Dies ist mittlerweile im Bereich des Managements aufgrund der Zunahme multikultureller Arbeitsgruppen im betrieblichen Alltag eine immer wichtigere Fragestellung geworden. (Schmidt 2008, 31)
Als einfache Lösung gilt, eine Lingua franca zu wählen – zumeist Englisch – um (mehrfache) Übersetzungen zu vermeiden und dadurch die Kommunikation zwischen Sprecher(inn)en unterschiedlicher Erstsprachen effizient zu gestalten. Allerdings haben Prozesse der Umstellung der Unternehmenssprache in den 1990er Jahren gezeigt, dass es hier intensiver begleitender Maßnahmen bedarf, damit dieser Wechsel tatsächlich zu einer Effizienzsteigerung beitragen kann (Vollstedt 2002; Dannerer, demn.). Der Umgang mit Missverständnissen, der auf unterschiedliche/
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schlechte Sprachkenntnisse zurückzuführen ist (vgl. z. B. Pitzl 2005; House 2002; Meierkord/Knapp 2002), erhält allgemein mehr Aufmerksamkeit, allerdings liegt hier der Fokus eher auf lexikalischen und morphosyntaktischen Lücken bzw. Abweichungen, weniger auf der Differenz von Handlungsmustern, die für die Effizienz nicht minder zentral ist. Gemeinhin werden Nichtverstehen und Missverständnisse dem Hörer/der Hörerin angelastet, doch auch Sprecher(inn)en sind hier im Hinblick auf ein entsprechendes „recipient design“ zu berücksichtigen (Ehrenreich 2011, 23). Am Beispiel des „let-it-pass-principle“ – der Reaktionsweise, dass Nichtverstehen zunächst einmal nicht thematisiert wird, in der Hoffnung, das Verstehen würde sich einstellen oder aber das Nichtverstehen würde nicht relevant werden – wird deutlich, dass es nicht einmal möglich ist, ganz konkrete Verhaltensweisen in der Linguafranca-Kommunikation eindeutig als effizient oder ineffizient zu beurteilen: Varonis and Grass [1985] […] seem to be of the opinion that negotiation of meaning is a somewhat unfavorable part of conversations as it is seen to halt the progress of a conversation in any instance […] From a holistic ELF perspective […] successful negotiation of meaning may indeed contribute something positive to an interaction, e.g., to the emergence of rapport […]. (Pitzl 2005, 57)
Die Differenz im Aushandeln von Status und Macht, in Tempo und Strukturierung von Diskurs oder der divergierende Einsatz von Handlungsmustern und die daraus möglicherweise resultierenden Missverständnisse oder Einschätzungen von (lokaler) Ineffizienz werden nur selten thematisiert. Tindale verweist darauf sehr allgemein, wenn er indische und westliche Philosophie im Hinblick auf die Rolle des Erzählens im Handlungsmuster des Argumentierens vergleicht (Tindale 2013, 175). Für organisationale Kommunikation kann auf Hohenstein/Manchen (2012, 34 f.) und Dannerer (demn.) verwiesen werden, die ebenfalls narrative anstelle von analytischen Falldarstellungen aufgreifen, oder auf Schmidt, der festhält: Soll die Kommunikation zwischen Vertretern verschiedener Sprachen und Kulturen optimal gestaltet werden, so müssen auch die mit den unterschiedlichen Enkulturationen verbundenen Konzeptualisierungstraditionen beachtet werden. Dies setzt jedoch eine integrative Verarbeitung kulturtheoretischer Fragestellungen mit solchen sprachtheoretischen Aspekten voraus, die der kognitiven Dimension von Sprache und Kultur gerecht werden können. (Schmidt 2008, 31)
Im Sinne einer Förderung von Effizienz in Lingua-franca-Settings ist überdies zu berücksichtigen, dass die unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Hintergründe zu einer positiven Vervielfältigung der Perspektiven und damit u. U. zu rascheren oder besseren Problemlösungen führen können (Dannerer, demn.).
7 Zusammenfassung Der Forschungsüberblick hat gezeigt, dass in der Linguistik zumeist stillschweigend davon ausgegangen wird, dass Sprache ein probates Mittel für effektive Kom-
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munikation ist, d. h., dass Kommunikation ihre Ziele erreicht. Darüber hinaus wird vielfach und im Hinblick auf verschiedene Ebenen des sprachlichen Systems sowie für viele Aspekte des Sprachgebrauchs Effizienz vorausgesetzt, ohne dass dies in der Linguistik eine zentrale Rolle spielen oder auch nur systematische Berücksichtigung finden würde. Während man in der sprachdidaktischen Literatur vielfach annimmt, dass Kommunikationstrainings eine Steigerung in Effektivität und Effizienz ermöglichen würden, ist die Skepsis sowohl in den Wirtschaftswissenschaften als auch in der Angewandten Sprachwissenschaft deutlich, ob und wie man Effizienz überhaupt messen könnte – eine notwendige Voraussetzung, um etwaige Verbesserungen quantifizieren zu können. In der Angewandten Linguistik gibt es relativ wenige Modelle und Untersuchungen zur Effizienz in der (institutionellen) Kommunikation. Neben einer traditionell gesellschaftskritischen Haltung, die sich mit der Auffassung zu verbinden scheint, dass das Einfordern von effizienter Kommunikation ein Herrschaftsinstrument bzw. vordringlich oder gar ausschließlich ein Anliegen der Unternehmensleitung sein könnte, weisen neuere Analyseergebnisse aber auch in eine ganz andere Richtung: Eine Beurteilung von Effizienz aus linguistischer Perspektive bedeutet mehr als die Feststellung, ob/wie eine raschere und „störungsfreiere“ Weitergabe von Information zu einem ‚besseren Funktionieren‘ von Mitarbeiter(inn)en verhelfen könnte. Sie führt dazu, dass Zieldefinition, Zielerreichung, Rahmenbedingungen und Nachhaltigkeit ganz anders ins Blickfeld rücken und weist damit eine eindimensionale Sichtweise von Effizienz zurück. An diesem Punkt gilt es anzusetzen, um weitere Forschung zu intensivieren.
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25. Sprache und Wandel von Organisationen Abstract: Der linguistic turn hat etwa Mitte der 80er Jahre in die Organisationstheorie Einzug gehalten, indem er konstruktivistische, interpretative oder sprachphilosophische Sichtweisen in diese einführte. Bis dahin war Organisationsforschern die zentrale Bedeutung von Kommunikation und Sprache in Organisationen – und speziell im Wandel – kaum bewusst gewesen. Geforscht und diskutiert wird vor dem Hintergrund einer großen Vielfalt theoretischer Deutungen – etwa postmoderne, systemtheoretische, narrative, wissenssoziologische, poststrukturalistische Perspektiven. In diesem Beitrag soll vor allem ein organisationstheoretisch ausgerichteter Überblick über das Feld der Organisationskommunikation gegeben werden, wobei ein Schwerpunkt auf den Neoinstitutionalismus gelegt wird. Es werden einige der wichtigsten Anwendungsfelder und Ansatzpunkte für die Erforschung von Kommunikation und Sprache im organisatorischen Wandel vorgestellt. 1 2 3 4
Einleitung: Der linguistic turn in der Organisationswissenschaft (Wandel in der) Organisationstheorie und Sprache Fazit Literaturverzeichnis
1 Einleitung: Der linguistic turn in der Organisationswissenschaft Bis noch vor wenigen Jahren war es in den ökonomischen Disziplinen kaum üblich, über Sprache aus erkenntniswissenschaftlicher Sicht nachzudenken (Männel 2002). Sprache schien nur dazu da, reale Dinge zu beschreiben oder zu definieren (zum Beispiel was eine Kostenstelle oder eine Prozesskostenrechnung ist). Die Rolle von Kommunikation wurde vor allem darin gesehen, Mitarbeiter oder die Öffentlichkeit über bestimmte Fakten zu informieren, als wäre Information ein Päckchen, das nur von einem Ort zum anderen transportiert werden muss (zur Kritik dieser „Container“-Metapher“ siehe etwa Axley 1984). Laut Wilhelm von Humboldt, dem Gründervater der Sprachwissenschaften, hat Sprache dagegen eine welterschaffende Funktion: Sprache beschreibt nicht nur etwas, was schon da ist, sondern sie kreiert oder konstruiert vielmehr eine eigene Welt. Dieser Prozess des Konstruierens von Bedeutungen und Wirklichkeit mittels Sprache war in den ökonomischen Disziplinen und der Organisationstheorie bis dahin weitgehend außer Acht gelassen worden. David Silverman und Jill Jones (1976) haben vergleichsweise früh die Bedeutung von Sprache in Organisationen herausgearbeitet. Doch auf breiter Front erhttps://doi.org/10.1515/9783110296235-025
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reichte der sogenannte linguistic turn die Organisationswissenschaften erst mit Beginn der 1980er Jahre. Tatsächlich umfasst dieser Begriff eine enorme Vielfalt – wenn nicht von ganz verschiedenen Ansätzen, dann doch von verschiedenen Bezeichnungen (für einen Überblick Keller/Reichertz/Knoblauch 2013; Deetz 2003). So finden sich Ansätze, die als narrativ (etwa Czarniawska 1995), interpretativ (Putnam 1983), postmodern (etwa Chia 1995; Alvesson/Deetz 1996), diskursiv (Fairhurst/Putnam 2004), kritisch (Fairclough 1995), feministisch (Ashcraft 2005), post-strukturalistisch und anderes bezeichnet werden. Die Perspektiven vereint, dass sie auf einer fundamentalen Kritik herkömmlicher Ansätze basieren, die als funktionalistisch, positivistisch, modern (im negativen Sinn, als der Moderne, der industriellen Zeit verhaftet gemeint) oder objektivistisch bezeichnet werden – und jedenfalls als nicht mehr angemessen, um das soziale Geschehen in bzw. Organisationen zu verstehen. Die genannten Ansätze betrachten alle in mehr oder weniger radikaler Form die Wirklichkeit als etwas sozial Konstruiertes (für einen Überblick bzw. Kritik dieser Ansätze siehe Abschnitt 2.1). Nach dem bekannten Organisationsforscher Karl Weick erzeugt der Prozess des Organisierens „Einigungen darüber, was Wirklichkeit und was Illusion ist“ (Weick 1985, 11 f.). Organisation sieht er als „durch Konsens gültig gemachte Grammatik für die Reduktion von Mehrdeutigkeit“ (ebd.). Entsprechend stehen in diesen Ansätzen Sprache und Kommunikation im Mittelpunkt. Sprache und Kommunikation sind in diesen Ansätzen nicht etwas, was in Organisationen stattfindet, sondern bilden sozusagen selbst die Organisation: „Discourse is viewed as the core of the change process through which our basic assumptions about organizing are created, sustained, and transformed“ (Barrett/ Thomas/Hocevar 1995, 352). Organisationen schaffen permanent nachträglich Sinn („sensemaking“, nach Weick 1995), der zum Ausgangspunkt für weiteres Handeln wird. Damit versprechen diese Ansätze nichts weniger als eine in der Organisationstheorie klassische (und oftmals als unüberbrückbar betrachtete) Dichotomie von Organisieren (als Prozess) versus Organisation (als Zustand) aufzuheben. Und obwohl konstruktivistische Sichtweisen nicht auf Wandel begrenzt sind, steht dieser schon theorieimmanent in deren Mittelpunkt (siehe Müller/Becker 2013). Wird der Begriff der Sprache sehr weit gefasst, so können nicht nur Worte, sondern auch andere Zeichen („die Sprache der Zahlen“, siehe Eccles/Nohria 1992), Symbole (etwa Organigramme), Bilder (Folien, graphische Darstellungen, Fotos), Kunst, Architektur etc. als ‚Sprache des Organisierens‘ analysiert werden. Mit dem Fokus auf Sprache nähern sich Organisationswissenschaft und Linguistik automatisch einander an (Menz/Müller 2008). Im Folgenden möchte ich diese Annäherungen umreißen, wobei ich mich vor allem auf Arbeiten konzentriere, die der organisationswissenschaftlichen ‚Seite‘ zuzurechnen sind. Eine Gruppe von Organisationswissenschaftlern hat sich in den vergangenen Jahren bemüht, die schon fast unübersichtlichen Ansätze, die von einer „Communicative Constitution of Organizations“ (CCO) ausgehen, zu sortieren und basierend auf Luhmanns Systemtheorie eine ‚Schule‘ zu schaffen (Cooren u. a. 2011).
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Ebenfalls von Luhmann beeinflusst (so wie dieser umgekehrt von jenem) war allerdings auch schon der Neoinstitutionalismus (Scott u. a. 1995; Meyer/Rowan 1977; Brunsson 1985, 1989), auf den die CCO-Schule aber keinen Bezug zu nehmen scheint. Da die Theorie des Neoinstitutionalismus mittlerweile zu einem zentralen Paradigma in der Organisationstheorie geworden ist und für die Erklärung von (Nicht)Wandel und Kommunikation auch für Linguisten hilfreich sein kann, soll diese in Abschnitt 2.2 beschrieben werden. In Abschnitt 2.3 werden dann noch einige weitere Organisationstheorien und Konzepte vorgestellt, die in Bezug auf Wandel gute Dienste leisten können bevor in Abschnitt 2.4 die Konzipierung von Kommunikation im organisatorischen Wandel als Verfahren vorgestellt wird.
2 (Wandel in der) Organisationstheorie und Sprache 2.1 Organisatorischer Wandel als soziale Konstruktion durch Kommunikation Ich möchte in diesem Abschnitt nicht weiter auf die komplexen, erkenntnisphilosophischen Debatten eingehen, die sich rund um konstruktivistische Perspektiven häufig entzünden, sondern dafür auf Günther Ortmann verweisen (2003, 2004). Er zeigt, dass viele der Ideen, die im Licht des linguistic turn als neu erscheinen mögen, tatsächlich eine lange Geschichte haben. Die Frage, ob es so etwas wie ‚Realität‘ gibt oder alles ‚nur‘ Konstruktion ist, ist nach dem Philosophen Bruno Latour (2002) ohnehin nur eine Scheindebatte. Die meisten Konstruktivisten verneinen nicht, dass es so etwas wie Realität gibt; sie sehen aber nicht viel Sinn darin, einen Unterschied zwischen Diskurs und Realität zu machen: One way to advance organizational communication is to suspend the belief, that organization theory has a franchise on understanding communication in organizations and to accept the Burkeian position that talk is everything. (Weick/Browning 1986, 251)
Unabhängig von erkenntnisphilosophischen oder sprachphilosophischen Überlegungen werden unter dem scheinbar gleichen Begriff „konstruktivistisch“ aber tatsächlich geradezu gegensätzliche Auffassungen in Bezug darauf vertreten, wie erstens Organisationen bzw. (institutionelle) Akteure konzipiert werden und zweitens, inwieweit und auf welche Weise Wandel (durch Kommunikation) stattfindet. Da die unterschiedlichen Annahmen in Bezug auf diese beiden Fragen letztlich zu völlig verschiedenen Schlussfolgerungen führen, möchte ich diese im Folgenden kritisch beleuchten. Der erste Unterschied betrifft die Frage, inwieweit Sprache/Kommunikation Veränderungen erzeugen (können). Zahlreiche konstruktivistisch inspirierte Arbeiten im Feld der Organisationswissenschaften gehen davon aus, dass sich organisatorischer Wandel als Wandel von Diskursen oder Ergebnis/Folge von neuen Kommunikations-
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oder Sprachformen wie Metaphern oder neue Geschichten beschreiben lassen. So konzipieren etwa Ford/Ford (1995) Wandel als „shifting conversations“. Sie gehen auch davon aus, dass Manager mittels Sprache in hohem Maße Menschen beeinflussen und Veränderungen bewirken können (vgl. Fairhurst/Sarr 1996). Ansätze, die die Annahme einer (relativ leichten) Veränderbarkeit der Wirklichkeit durch Sprache beinhalten, möchte ich hier als ‚voluntaristischen Konstruktivismus‘ bezeichnen. Solche Ansätze finden auch in der Praxis häufig großen Anklang, vermutlich, weil sie dem westlichen Ideal von der Gestaltbarkeit der Welt entgegen kommen. (Diese Sicht entspricht in etwa der Hegelschen Position, dass Gedanken die Wirklichkeit verändern können.) Inwieweit Vertreter sprachbasierter Ansätze Wandel durch Sprache/Kommunikation für möglich halten hängt häufig auch davon ab, inwieweit sie einen solchen Wandel normativ für wünschenswert halten. So scheinen viele Arbeiten mehr oder weniger explizit von dem Ideal auszugehen, dass Kommunikation möglichst herrschaftsfrei, vielstimmig (polyphon) sein sollte. Idealistische Perspektiven können allerdings manchmal zu mangelnder theoretischer Schärfe führen. Der bekannte Politikwissenschaftler Murray Edelman merkt dazu selbstkritisch an: There is a problem with my early work: it sometimes totters on the edge of idealism. Like much writing on political communication, it occasionally seems to suggest that changes in language, and therefore in the ideas that are propagated, in themselves bring changes in behavior. (Edelman 1985, 200)
Rückblickend kommt er zu einem ganz anderen Schluss: This continuous bombardment of news about changing political spectacle contrasts sharply with the static pattern of value allocations: the persistence of substantial … inequalities in resources, status, and hardship regardless of short-run fluctuations or news about political actions. (ebd.)
Die meisten Sozialtheorien fokussieren ohnehin mehr auf Beständigkeit als auf Wandel. Klassische konstruktivistische Theorien wie die Wissenssoziologie oder der Institutionalismus fragen etwa danach, welche Rolle Sprache im Hinblick darauf spielt, das sogenannte Alltagswissen (das was als selbstverständlich betrachtet wird) zu verfestigen, zu institutionalisieren (Institutionen werden dabei verallgemeinernd gesprochen verstanden als nicht hinterfragte, auch strukturell abgesicherte Normen und Vorstellungen). Auch wenn gesellschaftliche Strukturen im Sinne einer Dialektik als begrenzt veränderbar gesehen werden (schließlich sind alle Institutionen irgendwann einmal durch Konstruktion entstanden), dient Sprache nach diesen Theorien im Allgemeinen eher der Stabilisierung sozialer Strukturen als ihrer Veränderung. Nach Berger/Luckmann (1967) etwa beinhaltet der Prozess der „Objektivierung“, dass die gesellschaftliche Konstruktion des Wissens selbst vergessen wird: „‚Wissen‘ definieren wir als die Gewissheit, dass Phänomene wirklich sind und
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bestimmbare Eigenschaften haben“ (ebd., 1). Forscher mögen eher in der Lage sein, die Konstruktion der Dinge ‚aufzudecken‘ (schon der Begriff legt nahe, dass es in der Wissenschaft darum geht, vom Forscher unabhängige, real existierende ‚Dinge‘ zu entdecken – eine objektivistische Vorstellung), aber auch sie sind zwangsläufig geprägt von zahlreichen institutionell bedingten Gewissheiten, die nicht hinterfragt werden (können). Dies legt eigentlich schon von selbst ein gehöriges Maß an Vorsicht, Reflexivität und Bescheidenheit nahe. Dagegen konstatiert Craib (1997), dass sich in den Sozialwissenschaften vielfach ein unverantwortlicher ‚Trivialkonstruktivismus‘ breit macht: „the social construction of this and that seem to be everywhere“ (Craib 1997, 3) Er kritisiert etliche konstruktivistische Konzepte, weil sie das Denken nicht wirksam in neue Bahnen lenken, sondern die soziologische Theorieentwicklung auf alte Positionen zurückwerfen würden. Mit diesem beschränkten Blick ginge zu allem Überfluss aber auch noch ein Impetus der Allmächtigkeit einher. Kritik an Perspektiven, die Organisation (oder Organisieren) ausschließlich über Kommunikation erklären wollen, üben auch Wiio u. a. (1980): Methodologically speaking communication ‘pollutes’ all other organizational variables … However, communication seldom EXPLAINS the functions of an organization, … Here lies the fundamental error in much of the organizational research. Much of the research has been a search for ‘communicational explanation’ for organizational functions. Would it not be more fruitful to try to explain COMMUNICATION by organizational functions? (Wiio u. a. 1980, 95)
„Die Idee soziale Konstruktion – sie ist so wunderbar befreiend gewesen“, schrieb Ian Hacking (1999, 12). Es ist sicher positiv zu werten, dass konstruktivistische Perspektiven die interdisziplinäre Kommunikation erleichtert und inspiriert (da viele scheinbar über das Gleiche sprechen und doch zu verschiedenen Interpretationen kommen können). Forscher können sich durch die hohe Anschlussfähigkeit des Begriffs einen umfangreichen Theorieapparat ersparen und relativ rasch zur Analyse schreiten. Umgekehrt kann man sich, wenn man das lieber mag, beinahe unendlich lang mit erkenntnistheoretischen Fragestellungen beschäftigen. Die Grenzen zwischen Literatur und Wissenschaft als nicht existent zu entlarven (Czarniawska 1997) und Organisationsforschung als eine Art Literaturbetrieb und -kritik zu betreiben (Jeffcut 1993) bringt ungeahnte Frische in den Wissenschaftleralltag. Gegen Pluralismus an sich ist nichts einzuwenden, die Frage ist allerdings, inwieweit der voluntaristisch-konstruktivistische Ansatz die Organisationstheorie tatsächlich weitergebracht hat. Im Gegensatz zu den voluntaristisch-konstruktivistischen Ansätzen eröffnen (neo)institutionalistische Ansätze ein stringenteres, aber gleichwohl vielseitiges Forschungsprogramm für eine ganze Reihe von Fragestellungen.
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2.2 Neoinstitutionalistische Perspektiven Neoinstitutionalistische Ansätze (vgl. zusammenfassend Walgenbach/Meyer 2008; Greenwood u. a. 2013) gehen davon aus, dass es für Organisationen überlebenswichtig ist, Erwartungen beziehungsweise Legitimitätsanforderungen in Bezug auf ‚modernes Management‘ zu erfüllen, dass diese Erwartungen in heutigen Gesellschaften aber höchst widersprüchlich sind. Organisationen verwenden zur Erfüllung dieser Erwartungen Elemente formaler Strukturen (etwa Stellen oder Abteilungen für strategische Planung, Compliance, Risikomanagement, Corporate Social Responsibility-Aktivitäten, oder auch Texte wie Mission Statements, Leitbilder etc.). Diese formalen Elemente stellen allerdings häufig eher Reflexionen von sogenannten „Rationalitätsmythen“ oder „Legitimationsfassaden“ dar, sie sind in Wirklichkeit mit dem operativen Kern der Organisation nur lose gekoppelt, mitunter sogar ganz davon entkoppelt (Meyer/Rowan 1977). Brunsson/Olsen (1993) etwa haben zahlreiche Reformprozesse untersucht und gezeigt, dass sich in einer Organisation die Art und Weise des Redens („talk“) dramatisch ändern kann, ohne dass sich auf der Ebene von Handlungen („action“) wirklich viel verändert. Brunsson (2009) geht davon aus, dass „talk“ und „action“ bei Reformen generell eher selten sehr eng miteinander verknüpft sind. Er spricht daher bewusst von Reformen im Gegensatz zu Change. Moderne Organisationen sind in hohem Maße reformistisch, das heißt, es finden sich unentwegt irgendwelche Veränderungsinitiativen, die jedoch keine substanziellen Veränderungen bewirken (sollen). Reformen haben häufig oszillierende Veränderungen zum Gegenstand (etwa von der Zentralisierung zur Dezentralisierung und wieder zurück) und sind damit eine Art Beschäftigung der Organisation mit sich selbst, ohne die erhofften Problemlösungen zu erreichen. Change findet im Gegensatz zu Reformen in Organisationen routinemäßig statt, ohne dass es dazu besonders aufwändiger Formen von „talk“ bedarf. „Talk“ wird bestimmt von Vorstellungen über ideale, ‚moderne‘ Organisationskonzepte wie Zielgerichtetheit, Planbarkeit, Integration, Rationalität und so weiter. Ideale erzeugen einen starken Anreiz für Reforminitiativen (ähnlich wie Abbildungen schlanker Menschen und Diätprogramme Anreize für Diäten schaffen). Durch den Versuch, sie umzusetzen, werden ideale Konzepte allerdings schnell unattraktiv. Sie verlaufen im Sande oder werden durch neue Initiativen ersetzt. Dass Reformen auf „talk“ beschränkt bleiben, ist oft auch von Vorteil, wenn sie nicht nur keine Problemlösungen schaffen, sondern auch noch (gut) funktionierende Praxis zerstören. Brunsson und Olsen (1993) fanden heraus, dass die Beteiligten mit Reformen, die sich mehr oder weniger auf „talk“ beschränkten, nicht selten besonders zufrieden waren. Versuche, „talk“ und „action“ enger zu verknüpfen, führen letztlich zum Versanden oder Scheitern von Reformen. Die systematische Abweichung zwischen Reden und Handeln nennt Brunsson (1989) auch „hypocrisy“ (Scheinheiligkeit). In westlichen Gesellschaften herrscht eine starke soziale Norm, die besagt, dass zwischen Reden und Handeln keine Lü-
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cke klaffen dürfe und Scheinheiligkeit zu vermeiden sei. Der Begriff der Scheinheiligkeit ist von Brunsson nicht so sehr als moralisches Konzept gemeint, sondern bezeichnet eine mehr oder weniger allgegenwärtige Form der Reaktion von Organisationen auf die widersprüchlichen Anforderungen moderner Gesellschaften. Lücken zwischen „talk“ und „action“ bleiben in Organisationen und Gesellschaften durch ein raffiniertes Zusammenspiel von „decoupling“ (Entkoppeln), „hope“ (Hoffen) und „forgetfulness“ (Vergessen) verborgen. Wenn Scheinheiligkeit zu offensichtlich wird, bietet sie allerdings immer wieder neuen Anlass für Reformen. Das Versprechen, Scheinheiligkeit in Zukunft durch Reformen auszumerzen, ist dabei das wirksamste Mittel, um die Heuchelei fortzusetzen: „Die Automobilindustrie kann umso ungestörter weiter Automobile bauen, je mehr Wirbel um Katalysatoren, Recycling oder auch Airbags und Flankenschutzsicherheit sie macht“ (Ortmann 2004, 109). Auch andere Autoren haben darauf hingewiesen, dass in Organisationen systematische Lücken zwischen Reden und Handeln bestehen, etwa in Form von offiziell propagierten Theorien „espoused theories“ und tatsächlich angewendeten „theories-in-use“ (siehe Argyris/Schön 1978). Jeffrey Pfeffer stellt dem eher substanziellen Geschehen („substantive actions and results“) eine symbolische oder expressive Ebene („expressive or symbolic level“) gegenüber (Pfeffer 1981; vgl. umfassend zu Sein und Schein von Organisationen Ortmann 2004). Wenn Linguisten Texte und „talk“ in Organisationen vor einem neoinstitutionalistischen Hintergrund analysieren, sollten sie sich angesichts solcher Theorien dessen bewusst sein, dass diese ‚Fassaden‘ errichten. Dabei haben sie die Chance, mit ihren Methoden institutionelle Entkopplungen und Widersprüchlichkeiten sehr klar herauszuarbeiten (ein gutes Beispiel für eine solche Analyse, die zwar nicht vor einem neoinstitutionalistischen Hintergrund vorgenommen wurde, aber ganz klar eine solche Entkopplung zwischen Rhetorik und Wirklichkeit eines Veränderungsprozesses zeigt, ist etwa Vacek 2008). Eine konstruktivistisch-kritische Analyse sollte die Tatsache, dass Wandel an sich in den vergangenen Jahren fast nur mit positiven Konnotationen verbunden wird, selbst reflektieren und nicht als gegeben hinnehmen. Wandel gilt weithin als gut, Bedächtigkeit oder gar Widerstand gegenüber Neuerungen wird nicht nur in populären Managementbestsellern, sondern auch von Wissenschaftlern häufig unkritisch gleichgesetzt mit Rückschritt oder der Gefahr, unterzugehen. Moderne Gesellschaften sind „highly reformistic“ (Brunsson 2009) – unter anderem auch zu erkennen an den immer heftigeren Ausschlägen der Managementmoden (vgl. Kieser 1996). In den 1990er Jahren haben Unternehmen teilweise unternehmensweite, millionenteure Change-Programme durchgeführt (siehe Hegele-Raih 2002), meist ziemlich ‚erfolglos‘ (Gairola 2003) – erfolglos in Anführungszeichen, weil der gesicherte empirische Nachweis von Erfolg oder Erfolgsfaktoren im Wandel praktisch nicht möglich ist (vgl. Kieser/Nicolai 2007). Der Diskurs der Veränderung begegnet uns mittlerweile nicht nur auf der Ebene von Wirtschaftsorganisationen, sondern auf allen Ebenen der Gesellschaft (auch
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in den Universitäten, Schulen oder Kindergärten wird heutzutage eigentlich unaufhörlich reformiert) und beeinflusst uns auch als Individuen (‚lebenslanges Lernen‘). Studien hätten angeblich gezeigt, dass bis zu 80 % aller Veränderungsvorhaben scheitern. Vor dem Hintergrund der Theorie von Brunsson zu Reformen könnte deutlich werden, dass diese Zahl auf einer institutionellen Dynamik gründet und nicht unbedingt darauf zurückzuführen ist, dass Unternehmen ‚zu dumm‘ für Wandel wären. Gleichwohl liefern derartige Studien ein passendes Argument für Berater, um auf die Notwendigkeit ihrer Dienste hinzuweisen.
2.3 Andere Perspektiven zum Zusammenhang von Wandel und Sprache/Kommunikation in Organisationen Das Feld der Erforschung von Kommunikation in Organisationen (im Wandel) entwickelt sich rasant weiter; die Zahl der Veröffentlichungen ist kaum noch zu überblicken (das Handbuch von Putnam/Mumby, 2014 in der dritten Auflage erschienen, gibt einen guten Überblick). Diese Vielfalt kann hier nicht annähernd dargestellt werden, daher habe ich mich im Wesentlichen darauf konzentriert, die innerhalb der Organisationstheorie mittlerweile zentrale Theorierichtung des Neoinstitutionalismus vorzustellen. Wissenschaftler anderer Disziplinen, die an der Schnittstelle zur Organisationstheorie arbeiten, greifen häufig eher auf klassische Organisationtheorien zurück, vielleicht weil sie die ‚neuen‘ Ansätze aufgrund der in diesem Feld herrschenden Unübersichtlichkeit bzw. raschen Entwicklung nicht wahrnehmen, oder vielleicht auch, weil ihnen klassische Ansätze leichter handhabbar erscheinen. Klassische Theorien gelten zwar häufig als ‚veraltet‘. Doch die Nützlichkeit für die Erforschung von Wandel, Sprache und Kommunikation hat natürlich keineswegs etwas mit dem Alter oder dem ‚Coolnessfaktor‘ einer Theorie zu tun. Es soll daher auch noch kurz auf einige weitere Perspektiven aus Managementforschung, Organisationstheorie bzw. Soziologie Bezug genommen werden (als Grundlagenwerke der Organisationstheorie seien Kieser/Ebers 2014 und Ortmann/Sydow/Türk 1997 empfohlen). In der Organisationstheorie wird die Veränderbarkeit von Organisationen höchst unterschiedlich gesehen. Manche eignen sich auch aus theorieimmanenten Gründen eher nicht für linguistische Forschungen. Im Population-Ecology-Ansatz zum Beispiel werden Organisationen als grundsätzlich konservativ und träge betrachtet. Kommunikation oder Management spielt in diesem Konzept eine untergeordnete Rolle. Organisationen, welche sich veränderten Bedingungen nicht anpassen können, werden letztlich von einer Art „höheren Macht“ (dem Markt) aussortiert. In ökonomisch ausgerichteten Theorien spielt Kommunikation und Sprache scheinbar keine Rolle außer der, dass sich deren Rhetorik selbst und ihre Rückwirkung auf die Wirklichkeit kritisch analysieren lassen (vgl. McCloskey 1985). Situative Ansätze gehen davon aus, dass Veränderungen immer auf Umweltbedingungen zurückzuführen sind. Allerdings ließen sich aus empirischen Untersuchungen letztlich kaum va-
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lide Effizienzaussagen ableiten. Andere Ansätze (z. B. March 1981; Starbuck 1982) gehen dagegen davon aus, dass sich Organisationen zwar sehr wohl verändern, aber häufig nicht nach den Vorstellungen rationaler Organisationsgestalter. Manager unternehmen Veränderungen nicht aufgrund von objektiven Tatsachen, sondern Interpretationen der Umwelt bzw. von aufgrund dieser Interpretationen selbst geschaffener Umweltbedingungen – bis hin zu selbst produzierten Krisen. Verhaltenswissenschaftliche Ansätze sind verwandt mit neoinstitutionalistischen Ansätzen, zeichnen aber ein etwas chaotischeres Bild von Veränderungsprozessen, etwa mittels des berühmten „Mülleimer-Modells“ von Michael Cohen, James March und Johan Olsen (1972), bei dem Probleme, Lösungen, Teilnehmer und Entscheidungsgelegenheiten als relativ unabhängige Ströme weitgehend zufällig aufeinandertreffen. „Klassisch“, wenn auch letztlich zwangsläufig vage, ist die Unterscheidung zwischen allmählichem, kontinuierlichem bzw. inkrementellem Wandel auf der einen Seite – und radikalem Wandel auf der anderen. Viele Konzepte von Wandel basieren auf der Beschreibung von Phasen (Kotter 1996). Es kann für Forscher sinnvoll sein, solche Konzepte zu verwenden, um Beobachtungen zu strukturieren; allerdings sollte es nicht verwundern, dass Change-Projekte bei näherer Betrachtung häufig weitaus chaotischer oder ganz anders ablaufen, als sie sich aus Sicht der Akteure oder solch ‚idealer‘ Konzepte von Wandel darstellen. Humanistisch orientierte Ansätze wie etwa die Organisationsentwicklung gehen davon aus, dass Veränderungen durch Kommunikation effektiver werden, weil eine – möglichst umfassende – Partizipation Konsens schafft und Verständnis erzeugt. Kommunikationsorientierte bzw. humanistische Ansätze seien daher nicht nur demokratischer, sondern auch effektiver als technizistische Ansätze (vgl. Kieser/Hegele/Klimmer 1998, 218). Das Thema ‚menschliche Beziehungen‘ ist dabei nicht neu, sondern wird von der Managementforschung regelmäßig ‚wiederentdeckt‘ (zum ersten Mal in systematischerer Form von der sogenannten „Human Relations-Bewegung“ in den 40er Jahren in den USA). Ansätze der Unternehmenskultur (Schein 1985) gehen davon aus, dass tiefliegende Annahmen und Werte das Geschehen in der Organisation und damit über den Erfolg bestimmen. Geteilte Meinungen und Werte, die Mitarbeiter zu einem Clan zusammenschweißen, werden als zentral betrachtet. Da sich diese nur indirekt beeinflussen lassen, spielen symbolische Formen von Kommunikation und Rituale eine besondere Rolle. Partizipation, Unternehmenskultur und anderen Formen „normativer Kontrolle“ ist gemeinsam, dass sie von Organisationsforschern häufig kritisch gesehen werden – als besonders raffinierte Form der Manipulation und Ausbeutung (Czarniawska-Joerges/Joerges 1988; Ray 1986; Neuberger/Kompa 1987; für einen abwägenden Überblick Garrety/Down o. J.). Barker (1993) untersuchte in einer Langzeitstudie die Einführung von wertebasiertem Selbstmanagement in Teams und fand, dass die Teams strikte Formen der gegenseitigen Kontrolle entwickelten, die sogar noch strenger als die früheren bürokratischeren Kontrolle waren („more
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powerful, less apparent, and more difficult to resist‟, ebd., 408). Eine Folge des „cultural engineering“ seien etwa inauthentisches Theaterspielen, Fragmentierung, Entfremdung, gegenseitige Kontrolle, Selbstausbeutung, ‚Burnout‘ und so weiter. Andere Autoren haben argumentiert, man könnte Widerstand dadurch beseitigen, dass man diese Widersprüche offen thematisiert. Der Neoinstitutionalismus fokussiert jedoch mehr darauf, dass es den Organisationsmitgliedern gar nicht in den Sinn kommt, bestimmte Annahmen überhaupt in Frage zu stellen. Forscher sollten daher nicht überrascht sein auf „doublespeak“ (Willmott 1993) in Organisationen zu treffen – häufig ohne dass dies den Beteiligten bewusst ist. Auf eine soziologische Theorie, die immer häufiger auch in der Organisationswissenschaft rezipiert wird, sei abschließend noch hingewiesen, nämlich die „Ökonomie des sprachlichen Tauschs“ des französischen Ethnologen und Soziologen Pierre Bourdieu (1990; für einen Überblick siehe Hegele-Raih 2002, 93 ff.). Bourdieu weist in seiner Theorie darauf hin, dass die symbolischen Funktionen der Kommunikation häufig wichtiger sind als die instrumentellen Funktionen, diese sogar konterkarieren. So dient zum Beispiel Fachsprache nicht nur zur Kommunikation innerhalb einer Gruppe (zum Beispiel Wissenschaftler), sondern immer auch dazu, sich von Nicht-Fachleuten abzugrenzen. Ein nicht beabsichtigter Nebeneffekt davon ist zwangsläufig, dass man von den Nicht-Fachleuten möglicherweise nicht verstanden wird. Doch was, wenn man Nicht-Fachleute dennoch erreichen will, vielleicht weil man ihre Unterstützung braucht? Man kann natürlich versuchen, sich ‚einfacher‘ oder ‚zielgruppengerechter‘ auszudrücken, aber dazu müsste man sich erst einmal der Tatsache bewusst werden, dass man Jargon verwendet (da sprachliche Prozesse gewöhnlich unbewusst ablaufen, ist diese Reflexion jedoch schwierig). Doch die systemischen Grenzen sind viel tiefer: die Botschaft selbst scheint sich vollständig zu verändern, sobald sie in einem anderen Stil ausgedrückt wird. So haben viele Wissenschaftler das Gefühl, dass es sich bei Versuchen, ihre wissenschaftlichen Botschaften ‚journalistisch‘ zu erklären, gar nicht mehr um dasselbe, nämlich Wissenschaft handelt. Die Systemtheorie kann diese Prozesse erklären, aber auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau. Bourdieu weist darauf hin, dass sich soziale oder funktionale Grenzen nicht einfach durch Verständigung ‚überschreiten‘ lassen, sie sind vielmehr auf ganz subtile Weise in die Sprache ‚eingebaut‘. Die Idee eines ‚Sprachkommunismus‘, der Sprache als einen allgemein verfügbaren ‚Schatz‘ begreift, von dem jeder gleich Gebrauch machen kann, führt in die Irre. Auf die Change-Management-Kommunikation angewendet: Man sollte annehmen, dass diese, um funktional zu sein, zumindest wohl verständlich sein sollte. Tatsächlich aber bräuchten ‚normale‘ Menschen für das Verständnis heutiger Change-Management-Begrifflichkeiten im Grunde ein eigenes Lexikon. Es fehlt nicht an Versuchen, dem ‚einfachen‘ Mitarbeiter diese Sprache nahe zu bringen; gerade die angesagten und exotischen Modevokabeln werden häufig gerade vom mittleren Management besonders eifrig verwendet, bei denen es wohl am meisten darauf ankäme, dass sie gegenüber ihren Mitarbeitern eben
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keinen unverständlichen Fachjargon benutzen (das berühmte „Bullshit-Bingo“, das die inflationäre Verwendung von Managementjargon in Meetings ins Lächerliche zieht, zeugt davon, dass dieser nicht ganz unproblematisch ist). Eine Sprache, die ihre Herkunft aus dem Management bzw. dem Beratermarketing nicht verleugnen kann, wird häufig ‚automatisch‘ auf Ressentiments treffen – unabhängig vom guten Willen der Akteure, die sie jeweils ‚benutzen‘. Aus diesem Grund besteht Bourdieu darauf, dass die symbolische und instrumentelle Seite von Sprache nicht sinnvoll zu trennen sind. Ein wichtiger Begriff in der Theorie von Bourdieu ist der des Feldes. Indem Bourdieu diese in den Blick nimmt, bieten sich zahlreiche Anknüpfungspunkte bzw. Gemeinsamkeiten mit dem Neoinstitutionalismus, welcher ebenfalls das Konzept des Feldes aufgegriffen hat (vgl. DiMaggio/Powell 1991). Die Untersuchung einzelner Kommunikationspraktiken in einzelnen Organisationen lässt die Struktur des Feldes, in dem diese entstehen oder angewendet werden, zwangsläufig außer Acht. Bourdieu stellt fest, dass es auf Feldern des sprachlichen Tauschs gleichzeitig sowohl um Konformität als auch um Distinktion geht. Konformität ist wichtig, um Legitimität und Akzeptanz zu finden. Das Streben nach Distinktion wiederum ist ein entscheidendes Motiv für die sogenannte ‚Elite‘ der Gesellschaft oder eines Feldes, denn wenn ‚alle‘ eine bestimmte Kommunikationsform verwenden, kann sich die ‚Elite‘ nicht mehr wirksam abheben. Anpassung und Distinktion sind nicht als rein ästhetische Strategien zu verstehen, sondern haben dadurch, dass sich symbolisches Kapital in materielles Kapital verwandeln lässt, tatsächlich eine zentrale wirtschaftliche Bedeutung. So entspringen viele der zahlreichen Neologismen der Change-Management-Sprache keineswegs instrumenteller Notwendigkeit, sondern sind eine indirekte Folge davon, dass die Akteure auf dem Markt für Organisationskonzepte und Beratungsaufträge versuchen, sich durch ein eigenes Vokabular Distinktionsprofite zu verschaffen bzw. neue Organisationsmoden zu kreieren. Wenn Unternehmen formal zunehmend ähnlicher werden (die Neoinstitutionalisten nennen dieses Phänomen Isomorphie), gilt die Aufmerksamkeit mehr und mehr einer Differenzierung in Bezug auf die äußere Erscheinung einer Organisation wie Logos, Architektur der Firmengebäude, Events (vgl. Christensen et al. 2013). Auch die richtige Darstellung einer ‚einzigartigen‘ Unternehmensstory wird zu einem wichtigen Unterscheidungsmerkmal (etwa an der Börse, vgl. Hegele-Raih 2007).
2.4. Change-Kommunikation als Verfahren Mit der Konzipierung von Kommunikationsstrukturen als Verfahren sollen in dem folgenden Kapitel aber etwas stärker die instrumentellen Aspekte von Change Management in den Vordergrund rücken. Change-Management-Praktiken können als kommunikative Verfahren betrachtet werden, die zu bestimmten Ergebnissen führen (sollen). So geht es bei der sogenannten Gemeinkostenwertanalyse letztlich
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darum, dass konkrete Kosteneinsparungspotentiale benannt und möglichst auch realisiert werden. Verfahren in diesem Sinne ist gleichbedeutend mit der „Inszenierung und Strukturierung von Kommunikationsprozessen“ (Kieser et al. 1998, 155 ff.) oder auch dem, was Oswald Neuberger (1997) bei der Untersuchung von Methoden der Mitarbeiterbeurteilung und Eignungsdiagnostik in den Blick genommen hat. Er verwendet Begriffe wie Disziplinen, Techniken, Methoden, Instrumente, Routinen, Praktiken, Prozeduren, Systeme und Programme synonym. Die Konzipierung von Change-Management-Diskursen als Verfahren (siehe auch Vacek 2008) besitzt Vorteile, wie etwa die Überwindung der einseitigen Verklärung von Akteuren oder System (Neuberger 1997, 489 f.). Kommunikationsverfahren können mehrere der in der Gesprächsforschung und Linguistik bekannten Gesprächstypologien in Organisationen umfassen (siehe Hahne 1998, 389 ff.) sowie verschiedene Genres oder Textsorten (Geschäftsbriefe, Reportings, Memos, Mitarbeiterzeitung usw., vgl. Yates/Orliowski 1992). Sie können eine Reihe von Workshops oder andere Kommunikationsformen umfassen und sich über einen größeren zeitlichen oder räumlichen Zusammenhang erstrecken. Verfahren erfordern (und ermöglichen) ein mehr oder weniger hohes Maß an Interpretation. So können Manager zum Beispiel ein Audit nach den ISO Normen oberflächlich als Legitimationsfassade abwickeln, um ein Zertifikat zu erhalten (siehe Walgenbach 2000). Sie können dasselbe Verfahren aber auch sehr weit interpretieren und nutzen, um Veränderungen verschiedenster Art anzustoßen, oder verschiedene Ziele damit zu verfolgen (ebd.). Als wahrer ‚Könner‘ im Change Management wird häufig jemand bezeichnet, der nicht nur ‚buchstabengetreu irgendwelche Tools anwendet‘, sondern ihren ‚Geist umsetzt‘, und dafür sorgt, dass dieser im Alltag auch ‚gelebt‘ wird. Einige typische Elemente und Aspekte von Kommunikationsverfahren im Wandel sind zum Beispiel: Kontrastierende Kommunikationsformen: Die Rhetorik des Kontrasts ist nicht nur ein wichtiger Bestandteil von Leitbildern sondern auch der jeweiligen ‚change story‘, die zeigen soll, wohin die Reise geht, indem sie das Neue, die Vision, mit dem alten Zustand kontrastiert. Das soll einen ‚sense of urgency‘, eine ‚creative tension‘ erzeugen, einen ‚case for action‘ (= Begründung für Veränderung) liefern oder einen ‚business case‘ (Erfolgsbeispiel) begründen. (Diese Aufzählung ist auch ein Beispiel dafür, wie sehr die moderne Change-Management-Sprache auf Anglizismen basiert.) Eine solche Kontrastierung wird hier am Beispiel eines Unternehmenstheaters gezeigt (Schreyögg/Dabitz 1999): Der Herr im weißen Anzug fackelt nicht lange: ‚Ich sage, wo’s lang geht. Und wenn ihr nicht kapiert, dann seid ihr weg vom Fenster‘ erklärt er großspurig. Bei einer Theateraufführung für die Mitarbeiter der Stadtwerke Bremen verkörpert er den Markt. Jeder, der sich seiner Macht nicht freiwillig beugt, kostet ihn lediglich ein müdes Lächeln: „Rübe ab!“ grinst er seinen Gegenspielern ins Gesicht. … Hintergrund für das Theaterstück bei den Stadtwerken Bremen
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war das Ende des Energiemonopols … Die Mitarbeiter sind aufgrund dieser Aussichten teilweise von der blanken Angst um ihren Arbeitsplatz gepackt, teilweise aber auch bereits vom Wunsch nach Veränderung beseelt. (Schreyögg/Dabitz 1999, 89 f.)
Nach Fairhurst und Sarr (1996, 101) schaffen Kontrastierungen eine Möglichkeit, bei Unsicherheit zu agieren. Kennt man das ins Auge zu fassende Ziel nicht, weiß man doch, was das Ziel jedenfalls nicht ist, und benennt wenigstens dieses. Politiker wenden kontrastierende ‚Spins‘ an, um sich selbst positiv darzustellen, die anderen Parteien mit ihren Kandidaten jedoch schlecht aussehen zu lassen. Kontrastierungen engen die Bandbreite von möglichen Denkweisen ein. So werden etwa häufig im Rahmen einer Ist-Analyse oder als Instrumente für die strategische Planung SWOT (Stärken/Schwächen)-Analysen, Portfolios und Ähnliches benutzt, letztlich nichts anderes als Kontrastierungen. Verfahren dieser Art lassen sich gut als „Redeinstrumente“ (Osterloh/Frost 1999) benutzen, um bestimmte Ergebnisse wahrscheinlicher zu machen. Sie lassen sich auch gut als ‚Öffner‘ eines Workshops verwenden (etwa die bei Beratern beliebte Kontrastierung von Selbstund Fremdwahrnehmung). In vielen Kommunikationsverfahren werden Kontrastierungen in Form des semantischen Differentials benutzt, um das Feld der möglichen Meinungen, Standpunkte und der Übereinstimmungen in einer sichtbaren und festlegenden Weise zu strukturieren, um gleichzeitig mikropolitische Spiele einzudämmen (Schrage 1990, 211). Kontrastierende Kommunikation ist keinesfalls ein zuverlässiges Anzeichen für Wandel oder Reflexion, nur weil sie alternative Begriffe präsentiert. Asymmetrische Gegenbegriffe wie oben/unten, drinnen/draußen dienen häufig der Bestätigung der sozialen Ordnung, nicht ihrer Veränderung. Ob dies im Change Management anders ist, lässt sich in aller Regel nicht so einfach sagen. Eine einfache, von der Ethnomethodologie (Garfinkel 1967) inspirierte Idee hilft, Sprachspiele (in Organisationen) besser zu verstehen: Man frage sich, was in einer Situation das ‚Unmöglichste‘ wäre, was gesagt werden kann. Dazu braucht man allerdings meist schon einiges an Hintergrundwissen. Erzeugung von Verantwortlichkeit: Eine zentrale Frage für jeden Change Manager und Thema jedes Buches über Change Management ist, wie man das ‚commitment‘ (im Fachjargon auch: das ‚buy-in‘) der Mitarbeiter bekommt. Das englische Wort ‚commitment‘ bedeutet Festlegung, Verpflichtung, dass sich ein Mitarbeiter also einer bestimmten Aufgabe, Person, Organisation oder Werten verbunden fühlt und auch entsprechend handelt (Iverson/Buttigieg 1999). Es lassen sich verschiedene Verfahren finden, eine solche Selbstverpflichtung durch diskursive Verfahren mehr oder weniger wirksam oder zwingend herbeizuführen. So beschreibt etwa Comelli (1985, 140) das Vorgehen bei einem Beratungsprozess in einem Unternehmen der Metallbranche. Aufschlussreich sind hier die Schritte 19 bis 21 des Prozesses: „19. Erstellung schriftlicher Kontrakte (mit Unter-
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schriften aller Beteiligten) über die getroffenen Vereinbarungen noch in der Klausurtagung. 20. Telefonische Fortschrittskontrolle (nochmalige). 21. Abschlußmeldung: ‚Geschafft!‘“. Bei einer großen französischen Firma ging der Change Manager des Unternehmens zunächst mit den Topmanagern in Klausur. Aus diesem Meeting entstand ein Video, in dem sich das Management zum Wandel bekennt. Dieses Video wurde dann beim ‚roll-out‘ (so nennt man die kaskadierenden Kommunikationsprozesse, in denen Veränderungen in der Organisation verbreitet werden sollen) verwendet. Nicht nur ein Mittel, um die Mitarbeiter zu ‚committen‘, sondern auch das Management selbst! Brunsson zählt einige Methoden auf, wie Manager Commitment für Reformen erzeugen können, etwa Argumente für den Plan sammeln, Kompromisse schließen, „since it gives all parties the impression that they have influenced and participated in the decision“ (Brunsson 1985, 73). Je vager dieser Kompromiss formuliert ist, desto wahrscheinlicher wird er von vielen Akteuren akzeptiert, weil jeder die Entscheidung unterschiedlich interpretieren kann. Vagheit erschwert allerdings die Umsetzung und (normative) Kontrolle. Brunsson stellt fest, dass sich Organisationen in Bezug auf die Erzeugung von Commitment generell oft nicht so verhalten, wie sie vorgeben: Häufig wird trotz gegenteiliger Bekundungen wenig unternommen, um Commitment zu erzeugen; Organisationen erlahmen frühzeitig in ihren Bemühungen, verderben dadurch die Basis für Neuanläufe im Wandel; sie erzeugen Erwartungshaltungen, ohne das Commitment dazu einzuholen, schaffen Commitment, ohne wirkliche Einflussnahme zuzulassen usw. Change Management-Slogans kündigen häufig demjenigen mehr oder weniger vage Konsequenzen an, der sich dem Wandel verweigert, etwa: „Change before you have to“, „Change it, love it, or leave it“ oder: „Control your destiny or someone else will“. In der Gesprächsanalyse können Forscher (versteckte) Drohungen oder Missbilligungen klar herausarbeiten (siehe Vacek 2008). Widerstände gegen Veränderungen können sich aus der Sicht der Change Manager hinter einer ganzen Batterie von oftmals undurchsichtigen Argumenten verstecken, die durchaus rational und vernünftig klingen können. Berechtigte von unberechtigten Gründen gegen den Wandel zu unterscheiden ist den Initiatoren von Veränderungsinitiativen kaum möglich, entsprechend zielen Kommunikationsverfahren darauf ab, Ausreden und Einreden umfassend und vorbeugend abzuwehren. Change Management-Bücher liefern Geschichten, Grafiken und so weiter, die Change Manager mit geeigneten Antworten versorgen oder auf typische Ausreden antworten, wie etwa das verbreitete „AGA–Prinzip“ („Bei uns ist alles ganz anders“) oder „keine Zeit“, „Wieso gerade wir? Wieso nicht die anderen?“. Im Geschäftsbericht von General Electric 1994 hieß es zum Beispiel: „Seit Anfang der 80er Jahre, seitdem General Electric an einer schlanken Organisation arbeitet, damit es weltweit seine Wettbewerbsfähigkeit steigern kann, haben wir oftmals die Frage gehört: ‚Wie viel Saft kann man noch aus einer Zitrone quetschen?‘
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Antwort: ‚Mit solch einer negativen Einstellung kann man natürlich niemals das große Potential an Kreativität und Energie ausschöpfen, das bei engagierten Mitarbeitern vorhanden ist‘“. Die Theorie der Strukturierung von Giddens (1988) enthält Hinweise, die ganz praktisch eingesetzt werden können, um in der Organisations-Kommunikation bestimmte Argumentationsmuster in Bezug auf die Strukturierung von Verantwortlichkeit mittels sogenannter „accounts“ (Verantwortungszuschreibungen) zu identifizieren (ebd., 82): „Für die eigenen Handlungen ‚verantwortlich‘ zu sein, heißt sowohl die Gründe für sie zu explizieren, als auch die normativen Fundamente zu liefern, durch die sie ‚gerechtfertigt‘ werden können“. Dies wiederum berührt Aspekte des Themenfeldes Legitimation. Die Aufgabe des Managements ist es, „to provide explanations, rationalizations, and legitimation for the activities undertaken in the organization“ (Pfeffer 1981, 4; Christensen u. a. 2013). Ein gerne angewendete Strategie bei Rationalisierungsmaßnahmen im Wandel besteht insbesondere darin, die Beweislast umzukehren beziehungsweise nach unten zu verlagern, indem etwa schlicht gefordert wird, die Notwendigkeit der eigenen Stelle, Aufgaben oder Arbeitszeit zu begründen. Steht etwa die Auslagerung von Aufträgen oder Untereinheiten zur Debatte, schlägt Peters (1992, 419) folgende Kommunikationsfigur vor: „Der Ruf aus der Chefetage sollte heute lauten: ‚Beweisen Sie mir, dass man es nicht per Arbeitsvergabe machen kann!‘“. „Wie von selbst“ treffen negative Bezeichnungen auf diejenigen zu, die Veränderungen nicht mittragen wollen – konservativ, rückschrittlich etc.: Die Rhetorik des ‚Widerstands gegen Veränderung‘ ist in dieser Hinsicht vollkommen symptomatisch. Die Schwierigkeiten einer Modernisierung oder einer Rationalisierung lassen sich nur durch den implizit als irrational betrachteten ‚Widerstand des menschlichen Faktors‘ gegenüber Veränderungen erklären, deren Rationalität nie ernsthaft in Zweifel gezogen wird. (Friedberg 1995, 30, Fußnote)
Frageverfahren: Fragestrukturen finden sich in nahezu allen Phasen des Wandels, am häufigsten aber wohl zu Beginn und in Form regelmäßig wiederkehrender Fragerituale wie Kundenzufriedenheitsbefragungen, Audits und so weiter. Auch Mitarbeiterbefragungen werden als Veränderungsinstrumente gesehen (Trost/Jöns/ Bungard 1999). Nimmt man noch Befragungen zur Ist-Analyse, zur Evaluation, zur Kundenkommunikation, Controlling-Instrumente, Checklisten und vieles mehr dazu, so besteht ein großer Teil der Change Management-Kommunikation aus strukturierten Frageverfahren. Die Struktur dieser Verfahren ist für Forscher häufig weniger aus dem Grunde interessant, weil durch sie eindeutig Auskunft über den ‚objektiven‘ Veränderungsbedarf, die Richtung und das Ausmaß der Veränderung zu erwarten wäre, als vielmehr, weil sie wichtige Einblicke in das soziale System sowie seine Beziehungen zur Umwelt vermitteln. So werden im Zusammenhang mit Veränderungsprozessen heute Mitarbeiter und Kunden häufig nach ihrer Meinung gefragt. Dies geschieht meist in Form einer
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geregelten Kommunikation, was eben nicht bedeutet, dass die Gefragten zu jeder Zeit alles sagen dürfen oder sollen. Manager scheinen im Umgang mit Informationen häufig ‚irrational‘ (beziehungsweise nach einer anderen Logik als der vorgegebenen) zu agieren (Brunsson 1985; March/Olsen 1976). Homburg (1996) stellt etwa fest, dass in 72 % der Unternehmen Kundenbefragungen durchgeführt, aber nur in 45 % der Fälle auch aufbereitet und nur in 39 % genutzt werden. Neuberger bezeichnet Mitarbeiterbefragungen oder Personalbeurteilungen als Formen der „ritualisierten Selbsttäuschung“ (1980). Nach einer Metapher von Weick und Daft (1983) spielen Unternehmen „twenty questions“ (ein Spiel, bei dem man 20 Fragen stellen darf, um einen bestimmten Begriff zu erraten). Dabei gibt es aber keine ‚objektiv wahren‘ Antworten auf die Fragen von Organisationen, außerdem antworten Organisationen auf Fragen, die ihnen gar nicht gestellt wurden, und beeinflussen so ihre Umwelt: „The interpretation shapes the environment more than the environment shapes the interpretation“ (Weick/Daft 1983, 78). Wandel – von Natur aus unsicher und vieldeutig – wird durch Frage-Antwortverfahren in diskrete Taxonomien und Konzepte verwandelt (und damit ‚manageable‘) gemacht (schon allein das Wort ‚Change Management‘ symbolisiert die darin liegende Verheißung!). Frageverfahren im Change Management, etwa Checklisten für die Organisationsdiagnose, stecken voller Vereinfachungen, impliziter Wertvorstellungen und suggestiver Ideologien. Die Kritik daran übersieht jedoch, dass es sich dabei nicht so sehr um Wahrheitsfindungsinstrumente handelt, sondern im Sinne von Starbuck (1982, 20) um Handlungserzeugungsinstrumente („action generators“). Die Strukturierung von Fragespielen lässt Machtbeziehungen relativ deutlich hervortreten: Wird das Fragerecht von einer Seite absolut beansprucht, dann ist die andere Seite antwortpflichtig. So geschieht es z. B. beim Abfragen in der Schule, beim Interview oder beim Verhör. Die Antwortpflicht ergibt sich daraus, dass der Nichtantwortende ‚bestraft‘ werden kann, z. B. durch schlechte Noten, öffentliche Lächerlichkeit oder Beugehaft. Die Frager – Lehrer, Interviewer, Richter – fragen auch nicht als gleichwertige Partner, gleichsam von ‚Mensch zu Mensch‘, sondern sie fragen im Auftrag als Vertreter einer Institution. Institutionalisiertes Fragen verbietet letztlich Gegenfragen. (Geißner 1978, 60)
Es gibt ein scheinbares Paradox des Fragens. So gilt auf der einen Seite „Wer fragt, führt“, das heißt, es gibt das typische Autoritäts-Fragen. Auf der anderen Seite werden Menschen, die viele Fragen stellen – wie dies etwa Frauen häufig tun, um im Gespräch Empathie zu zeigen – als statusinferior und entsprechend inkompetent wahrgenommen (Tannen 1997, 23 ff.). Mächtige Akteure und Institutionen liefern meist nicht nur Fragesysteme sondern gleich auch noch passende Antworten mit. Angesichts der vielen institutionellen Standardkontrollverfahren in der modernen Wirtschaftswelt spricht der Londoner Professor Michael Power von einer „Audit Society“ (1997). Der Einfluss solcher
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Fragesysteme auf Organisationen ist hoch, denn diese passen sich an und machen sich, wie Power es ausdrückt, „auditable“, das heißt, sie richten ihre Strukturen und Denkweisen vorwegnehmend an diesen Standards aus. Organisationen konzentrieren sich dabei mit Vorliebe auf vorzeigbare, formale Aspekte von Kommunikation: Es gibt Beschwerdekästen, Rumour-Boards (Schwarze Bretter, an die Mitarbeiter Gerüchte anheften können), mitunter auch Foren, in denen der Vorstand direkt befragt werden kann, gläserne Büros usw. Auf einer tieferen, institutionellen Ebene ist die Kommunikation dabei selbst in Organisationen, die sich als hierarchielos und informell bezeichnen, in hohem Maße durch formale Strukturen bestimmt (vgl. Oberg/Walgenbach 2008), was Forscher angesichts der modernen Ideale oder Konzepte wie der ‚postbürokratischen Organisation‘, denen dabei angeblich gefolgt wird, oft überrascht. Die Strukturierung von Emotionen: Bücher zur ‚Emotionalen Intelligenz‘ (Goleman 1999) haben viele Manager begeistert. Emotionen spielen in Veränderungsprozessen aus naheliegenden Gründen eine enorme Rolle (Fineman 2000). Moderne Managementbestseller versäumen es niemals, darauf einzugehen, wie man ‚die Herzen der Menschen erobert‘. Veränderungen wecken ureigene menschliche Instinkte wie Freude, Angst, Neugier, Wut, die häufig aber nicht offen gezeigt, sondern stattdessen durch (zumindest scheinbar) rationale Argumente ausgedrückt werden. Allerdings lässt sich der generelle, enorme Aufschwung des Themas Gefühle nicht allein durch dessen Bedeutung für den Wandel erklären. Nach Ulrich Beck ist die derzeitige ‚Psychowelle‘ vielmehr auch Ausdruck davon, dass sich gesellschaftliche Krisen in Form individueller Problemwahrnehmungen niederschlagen (Beck 1986, 158 f.). In der Gesprächsforschung ist das Thema Emotionen in den vergangenen Jahren stark in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, indem non-verbale Ausdrucksweisen große Beachtung erfahren (Drescher 2003). Aus sozialwissenschaftlicher bzw. organisationstheoretischer Sicht haben Emotionen einen weitreichenderen Bezug. Emotionen sind sozusagen sozial vorstrukturiert und werden in organisierten Zusammenhängen wiederum strukturiert (in einer Weise, die den Zwecken der Organisation möglichst ‚dienlich‘ ist). Dabei übernehmen Mitarbeiter sogenannte Emotionsarbeit: Emotional labour is the term used to typify the way roles and tasks exert overt and covert control over emotional display. Through recruitment, selection, socialization and performance evaluations, organizations develop a social reality, in which feelings become a commodity for achieving instrumental goals. (Putnam/Mumby 1993, 37)
Emotionsarbeit bedeutet „das Zeigen oder Unterdrücken eigener Gefühle, wie es von der Berufsrolle definiert wird, unabhängig von der eigenen Befindlichkeit. Diese Regulierung eigener Gefühle dient der Arbeit an den Gefühlen des Gegenüber“ (Hahne 1998, 368).
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Die Bedingungen, die eine Bedrohung des „face“ (Goffman 1955) darstellen, sind zum Beispiel keineswegs ‚natürlich‘ sondern sozial-kulturell bedingt (Werlen 1983, 195). So ist es sicher für jeden Menschen eine emotional sehr unangenehme Erfahrung, Rationalisierungen zum Opfer zu fallen, aber Topmanager, die eine hohe Abfindung erhalten und durch Beziehungen gleich einen neuen Job bekommen, werden diese vermutlich leichter verkraften als mittlere Manager, die kaum eine Alternative auf dem Arbeitsmarkt haben. Ein US-amerikanischer Manager hat sicher keine Probleme mit einer Kultur, in der Kündigungen an der Tagesordnung sind, während japanische Manager aus Scham über eine Degradierung nicht selten sogar Selbstmord begehen. Martin/Knopoff/Beckmann (1998) schlagen eine ‚postmodern-feministische‘ Perspektive auf Emotionen vor. Dass Frauen häufig die Gefühlsarbeit und die Rolle eines ‚Weichspülers‘ im Management überlassen bleibt, und diese Rolle selten mit Prestige und Macht verbunden ist, sollte allerdings nicht dazu führen, das Thema Emotionen in die Gender-Forschung ‚abzuschieben‘. Im Change-Management wird häufig in der Form mit Gefühlen gearbeitet, dass bestehende Institutionen, Rollen und Regeln zumindest für einen beschränkten Zeitraum nicht wirklich eingerissen, aber doch mindestens symbolisch transzendiert werden. Beispiel: Ein Mitarbeiter soll die Unternehmensleitung kritisieren, er ist zuerst eingeschüchtert, dann aber stolz, wenn seine Kritik angehört wird, und wird sich an diesen Moment immer erinnern. Oder: in Workshops werden Vorschläge mit Smileys, Blitzen oder Herzchen versehen, um anschließend ‚emotionsfrei‘ diskutieren zu können (Tosch 1997). Auch Begrüßungs- und Abschiedsrituale in Change Management-Workshops enthalten in aller Regel emotionale Bezüge. Der Stil der Change Management-Sprache ist heute generell in hohem Maße emotional und informell gefärbt; diese Eigenschaft teilt sie mit der Werbesprache oder der Sprache des Wetterberichts und der Börsenberichterstattung (freundlich!). Dass dies so ist, kommt uns heute nur ‚natürlich‘ vor. Doch lange Zeit galt nur eine nüchterne, bürokratische Sprache als ‚normal für Organisationen‘ und effektiv im Wandel (entsprechend rational waren Pläne, Strategien, offizielle Ankündigungen usw. formuliert). Es ist selbstverständlich für Kommunikatoren wichtig, den gerade legitimen Stil zu verwenden. Zu sagen, dass eine bestimmte Sprache für Wandel ‚an sich‘ besser funktioniert, lässt sich daraus nicht ableiten. Es gibt viele Kulturen oder Anlässe, in denen informelle Events zur Ankündigung von Wandel nicht akzeptiert würden, sondern wo Kommunikation nach wie vor bürokratisch-formal (also auch: schriftlich) erfolgen muss. Um die formale Funktion zu erkennen, ist der Stil letztlich nicht unbedingt bedeutsam. Diese ist sozusagen nur darin ‚eingehüllt‘. Verschiedene Forscher haben mittlerweile auf das scheinbare Paradox hingewiesen, dass Change Management – sogar dann, wenn ‚Entbürokratisierung‘ das erklärte Ziel ist – meist in hohem Maße auf bürokratische Mittel zurückgreift, etwa Pläne, Techniken, Strukturen; auch wird selbst in dezidiert ‚informellen‘ Veränderungsprozessen nicht selten eine ausgeprägte Hierarchie installiert, mit eigenen
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Titeln, Auszeichnungen, Einsetzungsritualen usw. Die Hierarchie im Rahmen von sogenannten Six-Sigma-Projekten umfasst beispielsweise drei Ebenen: Green Belts, Black Belts, Master Black Belts. Im Konzept des sogenannten Business Reengineering finden wir neben dem „Leader“ und dem relativ schmucklos benannten „Prozessverantwortlichen“ auch noch den Titel „Reengineering-Zar“ mit adeligem Anklang (Hammer/Champy 1994, 134 f.). Hierarchien oder Machtunterschiede, die auf diese Weise begründet werden, werden auf der verbalen Ebene allerdings gleichzeitig meist „verneint“ (Bourdieu 1998, s. u.), zum Beispiel indem alle Organisationsmitglieder metaphorisch als „Arbeiter im Weinberg des Business Reengineering“ bezeichnet werden (Hammer/Champy 1994, 152) oder durch das klassische „wir sitzen alle in einem Boot“. Der französische Soziologe Bourdieu versteht unter Verneinung folgendes: Die Ökonomie der symbolischen Güter beruht auf der Verdrängung oder Zensur des ökonomischen Interesses (im engeren Sinne). Diese Dualität von Wahrheiten, die einander sowohl in den Praktiken als auch im Diskurs (Euphemismus) ausschließen, ist nicht als Doppelzüngigkeit oder Heuchelei zu denken, sondern als eine Verneinung, die (gewissermaßen durch ‚Aufhebung‘) für die Vereinbarkeit der Gegensätze sorgt. (Bourdieu 1998, 196)
So empfiehlt etwa Preyer (1998, 99), Kunden einzuladen, ihnen Freude zu bereiten und Wertschätzung auszudrücken denn: „Events erhalten die Freundschaft – umso mehr, je weniger ihre direkte Absicht für den Gast erkennbar ist“. Durch „affektive Verzauberung“ (etwa indem das Unternehmen als Familie gesehen wird) nimmt Macht charismatische Züge an (Bourdieu 1998, 173). Die Mühe, die sich ein guter Change-Manager mit einer Reihe von liebevollen Kleinigkeiten macht, kann in ökonomischen Kategorien letztlich gar nicht gemessen werden. Dennoch: „Der Diskurs ist nicht etwas Zusätzliches (wie man meinen könnte, wenn von ‚Ideologie‘ die Rede ist); er ist Teil der Ökonomie selbst. Und soll die Rechnung aufgehen, muss man ihm Rechnung tragen, als so und so viel in Gestalt von Euphemisierungsarbeit verausgabte, scheinbar vergeudete Mühe“ (ebd., 194). Entsprechend sollte man ‚softe‘ und ‚harte‘ Kommunikation auch nicht als Gegensätze betrachten, sondern damit rechnen, im Wandel immer beides aufeinander bezogen zu finden.
3 Fazit Ziel dieses Beitrags war es in erster Linie, Gesprächsforscher dazu zu ermutigen, sich den Perspektiven der Organisationstheorie und dabei besonders dem Neoinstitutionalismus mittels ihrer eigenen Methoden und Ansätze zu bemächtigen bzw. daran anzuknüpfen, auch wenn diese auf den ersten Blick sehr stark dem widersprechen mögen, was sie von der Organisationstheorie vielleicht erwarten würden. Die Sichtweise der vorgestellten Ansätze auf Wandel mag ziemlich ernüchternd
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oder gar zynisch wirken: In der Change Management-Kommunikation findet sich viel Scheinbares, Legitimitätsfassaden, Irrationales und so fort. Diese Organisationstheorien behaupten nicht, dass es Wandel, ‚gutes Management‘ oder gute Kommunikation im Wandel nicht gibt. Sie eröffnen aber einen Blick auf die Logik von Organisationen, die sich von manch klassischen Perspektiven sehr deutlich unterscheidet. Die Evidenz dafür, dass Organisationen aus den verschiedensten Gründen nur selten so funktionieren, wie es ideale Managementkonzepte oder ‚moderne‘ Vorstellungen von Organisation vorsehen, ist mannigfaltig und kaum zu übersehen. Organisationen müssen sich ziemlich eng an das halten, was in der Gesellschaft als modernes, rationales Management betrachtet wird. Wissenschaft muss zwangsläufig manchmal zynisch wirken, weil sie die Welt einem klinischen Blick unterwirft. Gute Berater dagegen können sich einen Anschein von Zynismus nicht erlauben. Sie wissen, was sich mit wertschätzender Kommunikation erreichen lässt. Und es gibt viele relativ einfache Regeln im Change Management, die ziemlich gut funktionieren. Doch in der Wissenschaft gibt es keine Alternative zu einem die Komplexität auffächernden, kritischen Blick, geleitet von einer möglichst stringenten Theorie. Nur eine detaillierte institutionelle Analyse eröffnet den Menschen möglicherweise auch die Freiheit, die sich daraus ergebenden Zwänge aufzulösen oder Möglichkeiten zu nutzen. Die neoinstitutionalistische Theorie fordert auch dazu auf, die Mächtigkeit von bürokratischen Strukturen, Normen und Regeln – gerade im Wandel – nicht zu unterschätzen oder nur kritisch zu beurteilen. Wer glaubt, es ginge im Wandel in erster Linie um ‚Kreativität‘ und darum, möglichst viel ‚bürokratische Hürden‘ einzureißen und zu brechen, der wird womöglich übersehen, dass erfolgreiche Veränderungsprozesse selbst eine relativ komplexe, formale Struktur haben und sich auf bestehende Strukturen beziehen. Die Akteure in Organisationen können mit ihrem „praktischen Sinn“ (Bourdieu 1998) kompetent Auskunft über ihre Wirklichkeit geben. Gemeinsam mit ihnen könnten Organisations- und Gesprächsforscher versuchen herauszufinden, worum es bei Wandel geht – oder gehen sollte.
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