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German Pages 764 [805] Year 1863
Handbuch der
allgemeinen und speciellen Chirurgie. Von
Dr. A. Wernher, Grofsl. Hess. Geh. Medicinal-Rathe, Professor der Chirurgie, Director des academischen Hospitals und der chirurgischen Klinik an der Universität zu Giefsen.
Streif« DÖffis umfleai6eitefe 'gùtfToflt.
Ersten Bandes zweite Abtheilung.
Giefsen, 1863.
J. Ricker'sche Buchhandlung.
Inhalts-Verzeichnifs des ersten Bandes. Erste Abtheilung. Seite
Einleitung
1
Blutübert'üUung, C o n g e s t i o n , H y p e r ä m i e
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3
Passive Hyperämie
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4
Active Hyperämie
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10
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15
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20
Blutleere, Anämie
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E n t z ü n d u n g im A l l g e m e i n e n Induration, V e r h ä r t u n g
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Von der
Entzündung
günstige Resultate giebt, und dafs selbst die Resection der vorstehenden Knochen und Gelenkhöcker oft die Sache verschlimmert, zu Garies und Necrose führt. Man trennt daher die brandigen Theile erst, wenn sie sich sehr weit von selbst gelöst haben. Von den allgemeinen Complicationen sind besonders die Diarrhöen ins Auge zu fassen und durch belebende Mittel, Tonico-adstringentia, Opium, zu bekämpfen. — Die Heilung der nach Abstofsung des Brandigen zurückbleibenden Geschwüre erfordert immer eine sehr lange Zeit und den Gebrauch von örtlichen und allgemeinen Belebungsmitteln. Gegen die oft zurückbleibenden harten, ödematösen Anschwellungen hat man spirituöse Einreibungen, Frictionen mit Tinct. Digitalis und Druckverbände mit Nutzen angewendet. — Gegen die rothen Flecken dienen Waschungen mit Cölnischem Wasser, Camphorspiritus, Höllensteinlösung, Borax. Um die Recidive zu verhüten, mufs der Kranke den Sommer benutzen, um sich durch kalte Waschungen, Frictionen, kalte Bäder abzuhärten, die früheren Veranlassungen vermeiden und frühzeitig Adstringentien örtlich gebrauchen.
Von der Entzündung der Knochenhäute und der Knochen, des Knochenmarkes, Periostitis, Ostitis, Osteomyelitis und des verknöcherten Knochenknorpels, Osteochondritis.
Literatur zur Periostitis. C r a m p t o n , the Dublin hasp. rep. and commun, in med. and surgery. T . I . — M a i s o n n e u v e , le perioste et sea maladies. Paris 1839. — G e n d r i n , anatom. lieschreibuug der Entzündung und ihrer Folgen. Bd. I. — G e r d y , de la périostite et de la médullite. Arch. gén. de méd. 1854. — C u r l i n g , practical clinical remarks on acute periostitis. Lancet. 1860. — S t a n l e y , a treatise on diseases of the bones. London 1849. — Illustrations of the effects of diseases of the bones. Lond. 1849. — W e i r , infl. of the periosteum and deep seated cellular membranes, ending in the death of the bone or destruction of the joint. Glasgow royal infl. rep. 18&0. — R o g n e t t e , de la périostite et de son traitement. Arch. gén. de méd. 1859. Literatur zur Ostitis und
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der
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. „ , „ , , , Die Entzündungen der Knochen gehören mit © o Bestimmungen der Forme,,. ihren Folgen und Complicationen unstreitig zu den häufigsten und wichtigsten Krankheiten, welche dem Chirurgen zur Behandlung zufallen. Man bildet gewöhnlich, theils nach der gröberen Structur der Knochen, theils nach der vorwiegenden Erkrankung der einzelnen Gewebe, welche einen Knochen zusammensetzen, verschiedene Formen, welche man sich gewöhnt hat, als durchaus besondere Krankheiten zu betrachten. Man unterscheidet hiernach eine Entzündung der spongiösen und der corticalen Knochen, und behandelt die ersteren g e wöhnlich bei den Entzündungen der Gelenke, welche hier stets mitleidend sind; ferner eine Entzündung der Knochenhaut, Periostitis, der Knochensubstanz selbst, Ostitis, Enostitis, und des Knochenmarkes, Osteomyelitis oder Medullitis. Es ist jedoch nicht zu verkennen, dafs diese Eintheilung mehr nach theoretischen Voraussetzungen künstlich gemacht, als beobachtet und anatomisch nachgewiesen ist, und auch nur im Groben und Ganzen, weder der Natur der Sache ganz entspricht, noch die vorkommenden, klinisch wichtigen Formen vollständig umfafst. Die einzelnen Theile eines Knochens bilden ein Ganzes, welche sich weder in genetischer und physiologischer, noch in pathologischer Beziehung von einander trennen lassen. Es giebt so wenig eine Periostitis ohne Ostitis, als es eine Enostitis ohne Medullitis geben kann. Jene Bezeichnungen deuten daher nicht ganz verschiedene Krankheiten an, sondern nur welcher Theil eines Knochens primär oder vorwiegend erkrankt war. — So aufgefafst, behalten sie auch jetzt noch ihren grofsen klinischen Werth. Allgemeine V o r b e m e r k u n g e n und
W e r n h e r , Chirurgie. I. Bd.
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Von der Entzündung
Anatomische Vorbemerkungen. Von den anatomischen und physiologischen Eigenschaften der Knochen, die wir im Allgemeinen als bekannt voraussetzen, heben wir nur diejenigen hervor, auf welche wir zur Feststellung der Formen und zur Erklärung der pathologischen Erscheinungen besondere Rücksicht nehmen müssen, und übergehen zunächst diejenigen Eigenthümlichkeiten, welche einzelnen Theilen des Skeletts, z. B. den flachen Schädelknochen allein zukommen. Wir unterscheiden an einem Knochen, aufser seinen Gefäfsen und Nerven, die Knochenhaut, das Periost, die starre, verkalkte Knochensubstanz, den eigentlichen Knochen, und das Mark, welches derselbe entweder in einer gröfseren Höhle, der Markhöhle, oder in kleineren, unter einander communicirenden Zellen, den Markzellen der spongiösen Substanz, und zum Theile in engen Canälen, den weiten Anfangsknochencanälchen einschliefst. Das Periost ist eine feste, halb durchscheinende, aus bindegewebigen und elastischen Fasern zusammengesetzte, nervenarme, ziemlich gefäfsreiche Membran, welche mit Ausnahme des diarthrodalen Knorpels und dfer Stellen, an welchen sich Sehnen ansetzen, den ganzen Knochen einschliefst. Seine äufsere Schichte geht unmittelbar in das intermuskuläre Bindegewebe über, und es nimmt daher eben so leicht an den Erkrankungen dieses Antheil, wie es seine eigenen auf dasselbe überträgt. Die innere Schichte besteht aus einer weichen, faserzelligen Substanz, aus welcher, ohne weitere vorgängige Transformation in Knorpel, der Knochen sich fortwährend neu erzeugt. Jede Ernährungsstörung, Entzündung des Periostes, bedingt daher auch Ernährungsstörungen in dieser, ohne Unterlafs neu sich bildenden Knochensubstanz, die um so tiefer greifen müssen, je bedeutender und namentlich je länger die Dauer der Erkrankung dieser knochenbildenden Membran ist. Jede Periostitis ist daher mit einer Entzündung der neu sich bildenden und neugebildeten Knochenoberfläche, mit einer Ostitis superficialis verbunden, vorausgesetzt, dafs die Störung nicht so grofs war, dafs der Knochen abstirbt. Die Nachgiebigkeit der Knochenhäute ist wegen ihrer fibrösen Structur an und für sich gering, und da sie überall geschlossene Säcke bilden, welche durch zahlreiche Gefäfse genau an die Knochen angeheftet sind, so mufs bei jeder irgend bedeutenden Schwellung, bei jedem subperiostealen Ergüsse, das Maas der Ausdehnbarkeit sehr bald erreicht sein, und Zerrungen und Einklemmung entstehen, unter welchen sowohl das Periost, als die Gefäfse und Nerven, welche von ihm zu dem Knochen hingehen, so wie endlich dieser selbst, welcher seine Ernährung von jenen empfängt, in steigendem Grade leiden. Es erklären sich aus diesen Verhältnissen die lebhaften Schmerzen, welche bei jeder raschen entzündlichen Schwellung in diesen sonst so unempfindlichen Gebilden entstehen, und der Nutzen, welchen frühzeitige entspannende Einschnitte, sowohl
der
Knochenhauts.
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zur Linderung der Schmerzen, als zur Erhaltung der Ernährung des Knochens gewähren. Nur bei sehr chronischen Entzündungen, welche mit einer die Rückbildung überwiegenden Knochenneubildung, Auflagerung, Hyperostose, verbunden sind, kann das Periost diesem über das Maas hinausgehenden Wachsen in die Dicke nachgeben, ohne empfindlich gezerrt zu werden. Aufser den tiefer greifenden Störungen, Vereiterung, Verschwärung, Brand, ist das Periost durch pathologische Reizungen vorzugsweise zu bindegewebiger Wucherung und Knochenneubildung, sowohl in seiner Substanz, noch getrennt von der Knochenoberfläche, als mit dieser im Zusammenhange, geneigt. Die eigentliche Knochensubstanz entsteht theils durch Verkalkung des primordialen Knorpels, theils aus der verkalkenden inneren Schichte des Periostes. Von der Entwickelung des ersteren hängt das Wachsen in die L ä n g e , von der des letzteren das in die Dicke ab. Eine Massenzunahme aus pathologischen Antrieben in die Länge ist daher, wenn einmal, gegen das 20. Jahr hin, die Ausbildung des Skeletts mit der vollständigen Verknöcherung der Epiphysenknorpel vollendet ist, sehr besondere Fälle abgerechnet, und auch da nur in sehr beschränktem Maasstabe (z. B. bei der Sequestration mancher Necrosen), nicht mehr möglich, dagegen ist eine Zunahme in die Dicke aus dem Perioste ziemlich unbegrenzt. Viele chronische Entzündungen, welche die Ernährung überhaupt beeinträchtigen, hemmen auch die Entwickelung des primordialen Knorpels und mit ihm das Längenwachsen des Knochens, welches auch dann nicht nachgeholt und der des gleichnamigen, nicht entzündeten Knochens gleichgestellt wird, wenn nach längerer Zeit die Entzündung erlischt. Einen ähnlichen hemmenden Einflufs auf die Längenentwickelung eines Knochens kann es haben, wenn die Gewebe, von welchen sein Längenwachsen abhängt, Epiphysenknorpel, Gelenk- und Synchondrosenverbindungen, zu früh ihre Entwickelung vollenden und verkalken. Wir unterscheiden an dem Knochen die harte corticale und die weiche, schwammige, diploetische Substanz. Beide gehen ohne bestimmte Grenzlinie in einander über; es giebt Knochen, welche ihrer Structur nach zwischen beiden in der Mitte stehen, manche, die fast nur aus corticaler, andere, welche nur aus schwammiger Substanz bestehen, und schon der normalen Entwickelung nach löst sich ein Theil der corticalen Substanz der Röhrenknochen in schwammige auf; noch mehr ist dieses bei pathologischen, atrophirenden Processen der Fall. Für die Beurt e i l u n g klinischer Verhältnisse liegt der Unterschied beider Structuren hauptsächlich darin, dafs die spongiösen Abschnitte bei weitem reicher an Weichtheilen, Häuten, Mark, Gefäfsen sind, als die corticalen, dafs sie daher zur Ausbildung aller der Krankheitsprocesse, welche von der Anwesenheit und dem Reichthume an Gefäfsen abhängen, bei weitem mehr neigen, als diese, und dafs, da ihre Lamellen an und für sich viel 48*
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Von der
Entzündung
dünner sind, auflockernde, atrophirende Processe auf sie einen viel a u g e n fälligeren Einflufs, als auf die dicken, harten Rindenknochen ausüben. Durch seine Verkalkung hat das Knochengewebe gewisse Eigenschaften erhalten, welche es vor allen übrigen Geweben des Körpers auszeichnen, und auch den Krankheitserscheinungen, welche in ihm vorkommen, ganz besondere Eigenthümlichkeiten aufdrücken. Es erhält hierdurch zunächst eine grofse Starrheit und Unbeweglichkeit, welche i h m , auch bei der stärksten hyperämischen Schwellung seiner Gefäfse und Häute, n a c h zugeben nicht erlauben. Es giebt daher bei acuten Entzündungen der Knochen keine Geschwulstbildung, wie bei der gleichen Krankheit in Weichtheilen. Schwellen j e n e bei acuten Entzündungen sehr r a s c h , so wird der Gegendruck des völlig unnachgiebigen Knochengewebes sehr bald so g r o f s , dafs Einklemmung und mit dieser Absterben erfolgen mufs. Die Chirurgie vermag hier bei weitem w e n i g e r , als bei den analogen Processen unter anderen unnachgiebigen Gebilden, Aponeurosen, zu helfen, da natürlich selbst ein Anbohren des Knochens wenig helfen könnte. Die Geschwulst des Knochens ist entweder nur scheinbar, von V e r dickung der ihn umhüllenden Weichtheile abhängig, oder durch A u f lagerung neuer Knochenmasse bedingt. So auffallend dieser Unterschied zwischen der entzündlichen, hypertrophirenden Schwellung der Knochen und derjenigen von Weichtheilen ist, so liegt er doch nur darin b e gründet, dafs die Knochen überhaupt nicht ununterbrochen an allen Punkten, sondern nur von ihren Häuten aus sich neu gestalten, und dafs daher die pathologische Steigerung dieses Vorganges auch nur von den Häuten aus vor sich gehen kann. Doch kann nach langwierigen Erkrankungen die Dicke und Festigkeit der Knochenlamellen so abnehmen, dafs eine wirkliche Aufblähung zu Stande kommen kann. Es ist hierbei eine müssige F r a g e , ob es der alte Knochen ist, der sich auftreibt, oder ob die Auftreibung unter fortwährender Neugestaltung von Knochensubstanz zu Stande kommt, da natürlich eine solche Neugestaltung, auch in Knochen, wie in allen belebten Theilen, ununterbrochen vor sich geht. Doch sind solche blasenförmige Auftreibungen selten. Gewöhnlich behält der Knochen, die Auflagerungen abgerechnet, seinen Umfang, das Periost erzeugt ihn stets von neuem von aufsen her in der ursprünglichen Gestalt, und nur die in rückgängiger Metamorphose begriffenen inneren Theile schwinden rascher unter dem Drucke der geschwellten Häute und Gefäfse. Man kann daher s a g e n , dafs die Entzündungen der vascularisirten Theile der Knochen ihre Geschwulst nach innen, durch V e r drängen der harten Knochenmasse bilden. — Die Knochen sind, obgleich Nerven in ihnen nachgewiesen w o r d e n , in normalem Zustande fast u n empfindlich; man hat daher gezweifelt, ob die oft sehr heftigen Schmerzen, welche in ihnen bei Entzündungen von den Kranken geklagt werden, in ihnen selbst, oder in den zugehörigen Weichtheilen entspringen. Auch
der
Knochenhäute.
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diese Streitfrage scheint mir ohne Belang, da es überall nur die in die Gewebe eingeschlossenen Nerven sind, welche krankhafte Empfindungen leiten und natürlich ebenso in den Knochen. Je rascher die Anschwellung erfolgt, je heftiger die Einklemmung und je mehr im Verlaufe einer Krankheit die starre Masse abnimmt und die gefäfs- und nervenreichen Häute wuchern, . desto heftiger können auch die Empfindungen werden. Knochen werden unter solchen Umständen auch gegen mechanische Einwirkungen, gegen Bewegungen, welche die Hyperämie in ihnen v e r mehren, und gegen Druck empfindlich. Die von der völlig erweichten Knochenmasse ausgehenden Granulationen werden höchst empfindlich. — Eine andere, für die klinische Beobachtung wichtige Eigenschaft, welche von der Starrheit der verkalkten Knochensubstanz abzuleiten ist, besteht darin, dafs dieselbe zur Ausfüllung von Lücken, welche durch Verwundungen oder Ulceration, Absiedlungen und blasenförmige Auftreibungen entstanden sind, sich nicht herbeiziehen läfst, nicht einsinken kann, dafs daher solche Lücken viel leichter durch erschöpfende Eiterungen gefährlich werden, als in Weichtheilen. In den Röhren der langen Knochen, den Zellen der spongiösen Substanz, und in den Anfängen der gröfseren, so wie in pathologisch erweiterten Gefäfscanälchen befindet sich das Mark, eine sehr weiche Fettmasse, in welcher zahlreiche dünnhäutige Gefäfse, besonders Venen verlaufen, und welche durch einige Bindegewebsfäden zusammengehalten wird. Sie legt sich unmittelbar an die Knochenfläche an; ein inneres Periost, ein Endostium, giebt es nicht. Jeder Röhrenknochen besitzt ein doppeltes arterielles und venöses Gefäfssystem. Zahlreiche feine Gefäfse dringen vom Perioste aus durch feine OefTnungen in die äufsere Oberfläche des Knochens ein, deren Ernährung hauptsächlich von ihnen abhängt. Aufserdem geht irgendwo in der Mitte des Knochens ein stärkeres Gefäfs, das Vas nutritium, durch einen weiteren Canal durch die Corticalschichte hindurch, um sich hauptsächlich im Knochenmarke und den inneren Schichten der Markröhre zu verbreiten. Aehnliche, kleinere Gefäfse, dringen gewöhnlich in der Nähe der Gelenkköpfe ein. Beide Gefäfssysteme stehen jedoch überall in so zahlreichen Verbindungen unter einander, dafs sie nicht allein mit Leichtigkeit die Verpflanzung einer Erkrankung der einen Provinz auf die andere vermitteln, sondern dafs sie recht eigentlich die Wege sind, auf denen dieses geschieht. In der Anordnung dieser Gefäfse besteht die für die Knochenkrankheiten so wichtige Einrichtung, dafs sie die knöchernen Canälchen, in welchen sie verlaufen, so vollständig ausfüllen, dafs neben ihnen höchstens etwas exsudirte Blutflüssigkeit, aber kein anderes Gewebe Platz hat, und dafs jede sehr starke Hyperämie oder massenhafte Exsudatbildung zur Erdrückung der Gefäfse führen mufs, wenn die Knochen nicht durch verstärkte Absorption Raum geben, denn
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Von der
Entzündung
nur in den Anfängen der Canälchen findet sich aufser den Gefäfsen noch etwas Mark. Eine weitere Eigentümlichkeit, aus der sich manche E r scheinungen erklären lassen, besteht in der Dünnwandigkeit dieser Gefäfse, welche mit dem Eintritte in die knöchernen Gefäfscanäle ihre mittlere Ringfaserhaut verlieren. Fest an die Knochen angeheftet v e r mögen sie nach Verwundungen und Verschwärungen nicht zusammenzufallen, und alle diese Verhältnisse begünstigen begreiflicher Weise sehr, sowohl die Bildung von Gerinnseln, als die Absorption von Exsudaten. Aufser den Blutgefässen besitzen die starren Knochen noch ein zweites, offenbar ebenfalls ihrer Ernährung dienendes Röhrensystem, die sog. Knochenkörperchen, mit ihren zahlreichen, unter einander anastomosirenden radiären Canälchen. Sie scheinen es zu sein, durch welche die ernährenden Säfte mitten in den verkalkten Theil des Knochens hineingeführt und der Stoffwechsel hier besorgt wird. Wie es scheint nehmen sie diese Säfte an der Oberfläche des Knochens und der Knochencanälchen, aus den Transsudaten auf, welche hier von den Blutgefäfsen abgesetzt werden. Es ist oft die F r a g e aufgeworfen w o r d e n , ob in der verkalkten Knochensubstanz eine Entzündung möglich sei, oder ob diese sich dabei völlig unthätig verhalte und diese Processe nur in den v a s o u l a r i s i r t e n Häuten vor sich gehen. Vielfach ist das letztere behauptet und für die starre Knochenmasse nur die Möglichkeit quantitativer Veränderungen, porotische Auflockerung oder sclerotische und hyperostotische Massenzunahme, zugestanden worden. Wenn auch zugegeben werden kann, dafs in Knochen, wie in allen verkalkten G e w e b e n , die Lebensprocesse langsam und wenig augenfällig vor sich gehen, so kann doch nicht g e sagt werden, dafs sie sich völlig inert verhielten und der ganze Procefs nur in ihren Häuten vor sich gehe. Die verkalkte Knochensubstanz kann nicht als gefäfslos hingestellt w e r d e n : die Gefäfse, welche in ihren Canälchen verlaufen, haben keine andere Bestimmung, als zu ihrer E r nährung zu dienen, und die Knochen sind daher besser noch mit Gefäfsen v e r s e h e n , als manche weiche Gewebe, die Hornhaut z.B., welche doch der Entzündung fähig sind. Die Massenzu- und Abnahme ist selbst ein rein vitaler Procefs des veränderten organischen Umsatzes und beruht niemals, auf einer blofs chemischen Auflösung. Es giebt keine Flüssigkeit im menschlichen K ö r p e r , weder normale noch pathologische, welche einen Knochen angreift; von dem Augenblicke, in weichein ein Knochen abgestorben ist, hört j e d e Massenzu- und Abnahme in ihm auf, so lange er auch in die verschiedensten Flüssigkeiten des Körpers eingesenkt sein mag. Aufser der blofsen Massenveränderung sieht man aber bei Entzündungen noch andere Abweichungen von der Norm : Veränderungen in der Gröfse und Lagerung der Knochenkörperchen, der Anordnung der Lamellensysteme, des Gehalts an Kalksalzen u. 6. w. Allerdings
der Knochenhäute.
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kommt keine Knochenentzündung ohne Theihnahme der Häute vor, die Knochensubstanz selbst aber verhält sich dabei, abgesehen von der Raschheit der Processe, wesentlich nicht anders, als es andere Gewebe auch thun. Endlich ist daran zu erinnern, dafs viele der hier zur Sprache kommenden Vorgänge sich nicht in dem vollendeten Knochen, sondern in dem neu entstehenden, in dem Augenblicke seiner Entstehung, ehe er völlig verkalkt ist, entwickeln. Bis zur vollendeten Ausbildung des Skeletts, d. h. bis etwa zum 20. Lebensjahre hin, ist der primordiale Knorpel, auf welchem das Wachsen in die Länge beruht, nicht vollkommen verkalkt. Er ist reichlich mit Gefäfsen versehen und periodenweise, während der sog. Entwickelungsjahre, ist die Ernährungsthätigkeit in ihm sehr gesteigert. Am stärksten pflegt er um das 10. Lebensjahr vascularisirt zu sein. Während dieser Zeit ist e r , wie alle Organe auf der Höhe ihrer physiologischen Entwickelung, zu Entzündungen sehr geneigt und diese kommen oft an verschiedenen Stellen des Körpers zugleich in ihm vor, ohne dafs besondere äufsere Ursachen nachzuweisen wären. In der neueren Zeit, wo man diese Vorgänge ins Auge zu fassen angefangen, hat man sie besonders nur an den Stellen berücksichtigt, wo sich eineDiaphyse mit einer Epiphyse verbindet und sie unter dem unzweckmäfsigen Namen der Entzündungen der Epiphysenmembran, oder nach einem ihrer Ausgänge als Epipliysenlösung beschrieben. Ihr Vorkommen ist aber bei weitem vielfacher und sie können mit verschiedenen Ausgängen überall da vorkommen, wo unfertige Knochen sich rasch entwickeln, z. B. an den noch unverknöcherten Theilen des Beckens, dem Steifsbeine, den Spitzen der Sitzbeinknorren, an dem Knorpel, welcher die drei Stücke des Acetabulums vereinigt u. s. w. In anatomischer Beziehung mufs noch erwähnt werden, dafs an vielen Röhrenknochen diese unfertigen Theile halb innerhalb, halb aufserhalb der Gelenkkapsel liegen und dafs sie hierdurch schon sehr geeignet sind, die Folgen ihrer entzündlichen Veränderungen auch auf die Gelenkhöhle zu übertragen; dafs manche derselben an Stellen bestehen, wo der Knochen nicht mehr von einem Perioste überkleidet ist, wie z. B. unter dem überknorpelten Theile des Gelenkkopfes des Humerus; dafs durch sie hindurch die Gefäfse gehen, welche zur Ernährung des diarthrodalen Knorpels und der Epiphyse dienen, so dafs mit der Zerstörung des ersteren auch die Ernährung des letzteren unterbrochen wird; so wie dafs sie auf der entgegengesetzten Seite die Markhöhle mit ihrem Marke und ihren weiten Venen berühren. Speciellere Bestimmung der anatomischen
N a C h
«^8611
V o r m e r k u n g e n
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Formen der Knochenenuüudung. möglich, die Formen der Knochenentzündung, welche im Allgemeinen aufzustellen ein klinisches Interesse vorliegt, festzustellen. Wir unterscheiden hiernach :
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Von der
Entzündung
1) Die Entzündung der Knochenhaut und der oberflächlichen Knochenschichte, die Periostitis. 2) Die Entzündung des Knochenmarkes, die Osteomyelitis, stets verbunden mit Erkrankung der im Marke verlaufenden Venen, mit Osteophlebitis. 3) Die Entzündung der Knochensubstanz selbst, die Ostitis, Enostitis. Es ist hier noch von Interesse, die Entzündung der starren Röhrenknochen von der der spongiösen Knochen zu unterscheiden. Die Darstellung der Entzündung der spongiösen Gelenkenden wird bei der Betrachtung der Gelenkentzündungen vorkommen. 4) Die Entzündung des unverknöcherten Knochenknorpels, die sog. Epiphysenlösung. Hieran werden sich als Ausgänge dieser Formen anreihen: 1) Die Knochenvereiterungen. a. Der subperiosteale Abscefs. b. Die diffuse Knochenverciterung. c. Der circumscripte Knochenabscefs. 2) Die Knochenverschwärung, Caries. 3) Der Knochenbrand, Necrosis. uvsachun de»- Periostitis. Eine Entzündung der Knochenhaut kann ziemlich rein für sich, und nur mit Theilnahme der oberflächlichsten Schichten der Knochen bestehen, ohne die tieferen Knochenlagen in ihren Kreis zu ziehen, jede Ostitis und Osteomyelitis aber ist unumgänglich mit Periostitis verbunden. Die Periostitis ist daher häufig eine von der Entzündung der Knochen, so wie von den benachbarten Geweben abgeleitete Krankheit. Knochenhautentzündungen kommen in jedem Alter, selbst schon beim Fötus vor; das Geschlecht scheint keinen anderen Unterschied zu b e dingen, als dafs das männliche sich wohl den Gelegenheitsursachen häufiger aussetzt. Unter den einzelnen Knochen sind besonders die oberflächlich gelegenen, von wenig Weichtheilen bedeckten, disponirt, die kleinen Röhrenknochen, Phalangen, die Tibia, die Schädel- und Gesichtsknochen. — Gelegenheitsursachen geben häufig traumatische V e r letzungen, Verwundungen, besonders Stich- und Quetschwunden, F r a c turen und Infractionen der Knochen, Entblöfsungen, die Einwirkung scharfer Stoffe auf die entblöfsten Knochenhäute (Phosphorentzündungen der Kiefern), Erkältungen, besonders die langdauernde Einwirkung nasser Kälte; eine gewisse durch Verweichlichung, frühere Erkrankungen oder erbliche Anlage herbeigeführte Disposition zu Erkältungskrankheiten. Strahlende Wärme und heftige Kälte können durch die Hautbedeckung hindurchwirken, ohne diese zu verletzen und doch Entzündungen in den Knochenhäuten veranlassen. Mehrere dyscrasische Processe bilden ihre örtlichen Wirkungen auch in den fibrösen Häuten und besonders in den
der
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Knochenhäute.
Periosteen aus, namentlich die Syphilis, der Tripper, die Mercurialkrankheit, die Gicht. Diese dyscrasischen Ursachen verleihen den von ihnen abhängigen Periostiten besondere Eigenthümlichkeiten und die Vorliebe für gewisse Körperstellen. Knochenhautentzündungen kommen ferner als Symptome sowohl acuter, als besonders chronischer "Pyämien, so wie einer grofsen Zahl organischer Knochenkrankheiten vor. „ . , , Die Periostitis verläuft bald als acute, hyperacute, Symptome der acuten «r * Periostitis. bald als chronische Krankheit. Die acute wird vorzugsweise durch Traumen und Erkältungen, die chronische durch dyscrasische Verhältnisse bedingt. Bei der acuten Beinhautentzündung ist der Schmerz immer das erste, augenfälligste, und bei tiefliegenden Häuten oft das einzige nachweisbare Localsymptom. Er kann von sehr verschiedener Beschaffenheit und Intensität sein. Bei einer reinen, acuten Periostitis ist er heftig, reifsend, spannend und verbreitet sich rasch von dem Ausgangspunkte über die ganze Ausdehnung des erkrankten Periostes. Er beschränkt sich eine Zeit lang, d. h. bis die benachbarten Gewebe mit entzündet werden, auf die Ausbreitung der erkrankten Membran, und wenn er auch auf die Umgebung ausstrahlt, so läfst sich doch durch Palpation nachweisen, dafs in dem Knochen der Hauptsitz und Ausgang ist. Mit der zunehmenden Spannung der erkrankten Membran wird er oft ganz unerträglich heftig, folternd, durch jede Bewegung, Berührung, so wie Nachts in der Bettwärme aufs äufserste vermehrt. Die Exacerbation in der Nacht und in der Bettwärme ist keine Eigenthümlichkeit nur der syphilitischen Knochenentzündungen, sondern kommt allen zu. Bei traumatischen Entzündungen ist der Schmerz fix, bei dyscrasischen ist er oft überspringend, wandernd, periodisch. Die Wärmesteigerung ist bei tiefliegenden Periostiten oft kaum nachweisbar, bei oberflächlichen, und sobald das benachbarte Zellgewebe Theil genommen hat, sehr deutlich. Röthung ist, auch bei den Entzündungen oberflächlich gelegener Knochenhäute, nicht immer von Anfang an bemerklich, oder die Haut ist selbst durch ein leichtes Oedem entfärbt; später verbreitet sich eine anfangs helle, dann dunkele, saturirte, diffuse Rothe, gleichwie bei einem E r y s i p e l s oder einer Phlegmone, wofür viele Knochenhautentzündungen genommen werden. Eine nachweisbare Geschwulst bei acuten Entzündungen gehört nicht der Knochenhaut selber, sondern der Theilnahme der benachbarten Gewebe und den Nachstadien an. — Ausgebreitete acute Knochenhautentzündungen sind immer von Fieber begleitet. 7
Symptome de, ch.om.cen Knochenhantentzündung.
Bei
¡gf
dje
den
chronischen Knochenhautentzündungen Verschiedenheit der Symptome noch viel
gröfser als bei den acuten. Manche verlaufen in ihren Anfangsstadien fast symptomenlos und verrathen sich erst durch ihre Folgen, Hyperostosen oder Eiterbildung. Bei anderen ist der Schmerz oft auf eine sehr kleine
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Von der Entzündung
Stelle beschränkt, periodisch, zuweilen sehr heftig, zuweilen nur auf Druck und Bewegung hervortretend. Mit der Zeit bilden sich Anschwellungen, welche schon knochenhart scheinen können, während noch keine Verknöcherung besteht, Tophus, Nodus. Verdickung des Periostes und Knochenneubildung sind jedoch die gewöhnlichsten Folgen. Die syphilitische Periostitis kommt, als eine mehr flüchtige Krankheit, in den früheren Stadien und selten unter den ersten secundären Symptomen, dann als ein fixes Leiden, unter den späteren, tertiären Erscheinungen, als die Folge syphilitischer Ablagerungen unter das Periost, des syphilitischen Knochengummi, vor. Sie liebt vor Allen die oberflächlich gelegenen Knochenhäute zu ihrer Ausbildung, und wird daher am häufigsten an der vorderen Fläche der Tibia, den Schädel- und Gesichtsknochen, dem Sternum, den Rippen u. s. w. beobachtet. Sie tritt an einzelnen beschränkten Stellen, nesterförmig auf. Die Schmerzen, die bekannten Dolores osteocopi, exacerbiren zwar gewöhnlich in der Nachtzeit, bestehen jedoch nicht selten auch am Tage, so dafs diese starken Remissionen und Intermissionen für die syphilitische Periostitis durchaus nicht characteristisch sind. Mit der Zeit verwächst die Haut mit dem Perioste und färbt sich in beschränktem Umfange braunroth. Der endliche Ausgang der sich selbst überlassenen syphilitischen Periostitis pflegt in ein um sich fressendes gummöses Geschwür zu sein. Gewöhnlich tritt die Entzündung an vielen Stellen zugleich oder nach und nach auf. Die gonorrhoische Periostitis hat vieles mit der gemein, welche man auch bei anderen langdauernden Eiterungen und Blennorhöen, bei chronischer Pyämie beobachtet. Sie liebt zu ihrer Ausbildung vorzüglich das Periost der weichen Knochen, die Gelenkenden, die Knöchel, die kleinen Knochen der Hand- und Fufswurzel. Sehr oft werden die Synovialhäute mit ergriffen, der Schmerz, einer reinen Neuralgie ähnlich, ist das Haupt- und oft das einzige Symptom. Sehr ähnlich verhalten sich die mercuriellen Periostiten. Aus scrophulöser Ursache werden weniger die Knochenhäute, als primär die Markräume der spongiösen Knochen angegriffen. Die äufseren Umhüllungen pflegen nur secundär zu leiden, die Knochen sind rareficirt, nicht blofs in dem direct entzündeten spongiösen Segmente, sondern auch über die Röhre hinaus. In den Knochenzellen findet sich Tuberkelmasse in verschiedenen Zuständen der Erweichung abgesetzt. Ebenso finden sich gewöhnlich Tuberkeln in anderen, noch nicht entzündeten Knochen und vielen anderen Organen. Die Symptome sind die der chronischen Knochenentzündung und Caries, in welche sie gewöhnlich ausgehen und über welche in dem betreffenden Capitel und bei den Gelenkentzündungen das Nähere nachzusehen ist.
der Knochenhäute. Pathologische Anatomie
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Die anatomische Untersuchungc zeigt bei acuter °
der Periostitis. Entzündung die Periosteen durch eine streifige Injection und zerstreute kleine Blutaustretungen geröthet, von einem graugelben, röthlichen, gallertartigen Exsudate durchdrungen, aufgelockert, glanzlos, ihrer deutlichen Faserung beraubt, leichter von den Knochen ablösbar, mit dem Bindegewebe aber ohne deutliche Grenze verschmolzen. Es finden sich dann Exsudate, welche entweder flüssig bleiben, oder fest werden, oder verknöchern. Die flüssigen sind häufig hämorrhagisch, gröfsere oder kleinere Blutergüsse in und besonders unter das Periost, ohne Zweifel aus der Zerreifsung einzelner kleiner Gefäfse entstanden, welche zu den Knochen gehen, und welche der Spannung nicht weiter nachgeben konnten. Oft ist ihnen etwas Eiter beigemischt und sie sind daher bräunlich gefärbt. Eiterige Ergüsse finden sich besonders auf der den Knochen zugewendeten Fläche, oder auf der äufseren, dem Zellgewebe, oder auch auf beiden zugleich und das Periost selbst von Eiter durchtränkt, von schmutzig-grauer Farbe, erweicht, zerfasert. Durch solche Ergüsse wird das Periost von dem Knochen abgelöst und die Ernährung dieses bis zur Necrose gestört (s. Subperiostealabscefs). Nur solche Knochen, welche in sich selbst hinreichend vascularisirt sind, wie etwa die Schädelknochen, vermögen auch nach Ablösung ihres Periostes sich zu erhalten. Immer sind die benachbarten Gewebe mit erkrankt; das anstofsende Bindegewebe wie bei Phlegmone in dem Heerde der Krankheit vereitert, in gröfserer Entfernung von einem plastischen oder serösen Exsudate, einem heifsen Oedem eingenommen. Wird somit das Periost von zwei Seiten her von Eiter umspült, so wird es selbst erweicht, mürbe, villös und stirbt ab. — Die abgestorbenen Theile des Knochens und des Periostes unterhalten die Eiterung. An den Grenzen stellt sich in dem Reste des Periostes und des benachbarten Bindegewebes eine schwielige Abkapselung h e r , in welcher, bei genügender Dauer der Krankheit, stets verknöcherte Auflagerungen entstehen. Bei den chronischen Entzündungen bilden sich ebenfalls eiterige Exsudate, besonders aber feste, plastische, welche theils zur hypertrophischen, fibroiden und faserknorpeligen Entartung der Beinhaut, theils zu knöchernen Auflagerungen auf den Knochen, zu den mannigfachsten Formen von Hyperostosen und Periostosen führen, welche anfangs nur locker aufliegen, endlich aber fest verschmelzen. verlauf ond Dauer. Der Verlauf und die Dauer der Knochenhautentzündungen bieten die bedeutendsten Verschiedenheiten dar. Sie verlaufen zuweilen mit der gröfsten Heftigkeit und führen binnen wenigen Tagen schon zu den Ausgängen in Vereiterung und brandiger Ertödtung des Knochens, so wie durch die so häufige Complication mit Phlegmone zu den Ausgängen und Folgen dieser Krankheit, zu ausgedehnten Verjauchungen und Pyämie. Hierher gehören besonders die Periostiten aus
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traumatischen Ursachen, nach Erkältungen und bei Pyämie und Typhus. Andere dagegen, besonders die dyscrasischen, verlaufen äufserst langsam >und bleiben Monate lang fast vollkommen stationär. AusgKnge, zortheiiung. Knochenhautentzündungen aus traumatischer und vorübergehender rheumatischer Ursache werden häufig zertheilt, ohne irgend eine Nachkrankheit zu hinterlassen. Ein mäfsiges Oedem ist oft die einzige Erscheinung, welche einige Zeit zurückbleibt. Recidive sind nicht selten. Entzündungen, welche mit gröfserer Heftigkeit verlaufen, oder von dyscrasischen und anderen bleibenden Ursachen abhängen, führen meistens zu einer der nachbenannten Nachkrankheiten. subpcrioateaiciterabBcefs. Wie schon erwähnt w u r d e , kann der Eiter auf beiden Flächen des Periostes, so wie in seiner Substanz selbst sich erzeugen. Die Eiterungen, welche auf der äufseren Fläche des Periostes und in ihm selbst sich ausbilden, schliefsen sich vollkommen den phlegmonösen an, auf welche hiermit verwiesen wird, und es sollen hier nur die subperiostealen Abscesse eine nähere Ecwähnung finden. Augenscheinlich kommt ein grofser Thöil derselben nicht bei reiner und primärer Periostitis v o r , sondern geht von Entzündungen des sog. Epiphysenknorpels aus. Damit hängt zusammen, daf« sie fast auss c h l i e f s t bei jungen Personen und vorzugsweise zwischen dem 10, bis 18. Jahre, aber auch schon früher, von der ersten Kindheit an, und bis in die Mitte der zwanziger J a h r e vorkommen. In dieser Lebenszeit ist zugleich mit der Entwickelung des Epiphysenknorpels auch die Bildung aus dem Perioste sehr energisch und dasselbe hängt nur locker an dem Knochen an. W e n n behauptet w i r d , dafs scrophulöse Anlage Disposition gebe, so hängt dieses vielleicht, abgesehen von dem Mifsbrauche, welcher mit diesem Namen getrieben w i r d , nur damit zusammen, dafs bei s c r o phulösen Subjecten die Knochenbildung überhaupt abnorm und oft bis in die spätere Jugend verzögert ist. Gleich den sog. Epiphysenlösungen kommen die subperiostealen Abscesse vorzugsweise an den unteren E x t r e mitäten, und oft an mehreren zugleich vor. Ebenso verbinden sie sich sehr häufig mit Gelenkentzündungen und Vereiterungen. Die Gelegenheitsursachen geben die, welche f ü r Periostitis und Epiphysenknorpelentzündungen a n g e führt werden, besonders feuchte Kälte, örtliche Erkältungen, Anstrengungen, traumatische Verletzungen und Metastasen von Fiebern, Exanthemen, T y phoiden, Pyämie. Oft sind besondere Gelegenheitsursachen nicht n a c h zuweisen, und die Veranlassung liegt nur in der raschen Entwickelung. .S y m p t,o m e des ,
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ßubpenosteale»
Abscesse8
Die ersten Symptome eines subperiostealen J r *
Abscesses sind die einer acuten Periostitis, ein heftiger Schmerz, welcher von einer bestimmten Stelle eines Knochens, gewöhnlich nahe an einem Gelenke ausgeht, plötzlich sich sehr steigert und sich rasch über den Schaft desselben verbreitet. Das Gelenk selbst nimmt, wenigstens im Anfange, so lange nicht der spongiöse Knochen
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und das Knochenmark mit erkrankt sind, keinen Antheil. Der Schmerz besteht, mit seiner gröfsten Heftigkeit, nur auf der einen Seite des Knochens; er ist heftig, schlafraubend, folternd, fix, tief auf dem Knochen selbst sitzend. Jeder Druck und jede Bewegung steigern ihn bis zum Unerträglichen und nur bei völliger Ruhe ist einiger Nachlafs. Auch die Stellen, wo diese subperiostealen Abscesse am häufigsten beobachtet worden sind, entsprechen denen, wo man die Epiphysenknorpelentzündungen am häufigsten sieht. So finden sie sich am Femur viel häufiger vom unteren aufsteigend, als am oberen Ende, und meistens an der hinteren Seite; an der Tibia kommen sie an beiden Enden vor; sie sind am unteren Ende des Humerus häufiger als am oberen, am unteren Ende des Radius gewöhnlicher als an dessen oberem Stücke; überhaupt aber an den oberen Extremitäten selten. Oft finden sich Eiterablagerungen und Abscesse an entfernten Orten, in Gelenken, den Lungen, zwischen den Muskeln. Fieber tritt immer bald hinzu. Wenn der kranke Knochen der Haut nicht sehr nahe liegt, so bleibt dieselbe lange ungefärbt, nur teigicht, ödematös, später und über oberflächlich liegenden Knochen röthet sie sich, wie bei einer falschen Rose. Die Geschwulst ist ebenfalls die einer Phlegmone. Die flache Eiterablagerung unter dem Perioste selbst läfst sich durch dicke Zellgewebs- und Muskellagen nicht durchfühlen. Nur wenn die ödematöse Anschwellung des Zellgewebes noch nicht bedeutend ist, und der kranke Knochen ganz oberflächlich liegt, läfst sich bei grofser Sorgfalt und Uebung das Hin- und Herschieben der dünnen, subperiostealen Eiterlage wahrnehmen. Wo gegründeter Verdacht b e steht, wird man daher einen diagnostischen Einstich mit einer schmalen Lanzette oder dem Explorativtroisquart vornehmen und eine Saugspritze aufsetzen, um einigen Eiter zu erhalten. Wenn das Stilet zurückgezogen und die Canüle als Sonde gebraucht wird, so kann mit derselben nachgewiesen werden, dafs der Knochen entblöfst und das Periost eine Strecke weit abgelöst ist. So wie hiermit dem Eiter ein freier Austritt gestattet und die Spannung des Periosts aufgehoben ist, läfst die Heftigkeit des Schmerzes augenblicklich nach. War der Abscefs sich selbst überlassen worden, so bricht er, da fibröse Häute beträchlichen Widerstand leisten, sehr spät fistulös auf und man findet dann den Knochen immer necrotisch. Der Eiter, welcher aus solchen Abscessen fliefst, ist anfangs g e wöhnlich von guter Beschaffenheit, zuweilen blutig oder fetthaltig. Die Menge ist oft überraschend grofs, besonders bei den tiefliegenden Abscessen des Femur. Später wird er, wie bei anderen Phlegmonen und Necrosen, von guter Beschaffenheit, wenn er frei ausfliefsen kann, übelriechend, jauchig, wenn er verhalten ist. Wenn das Periost nicht in grofser Ausdehnung und seit langem abgelöst war, so wird der Knochen nicht nothwendig necrotisch, jenes kann sich vielmehr wieder anlegen. Nicht
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selten aber wiederholt sich an solchen Stellen die Abscedirung mehrmals, bis es endlich doch zur Necrose kommt. An&tomischc Unterenchung. Bei der anatomischen Untersuchung zeigt sich, dafs das Periost nur selten in dem ganzen Umfange eines Knochens abgelöst und derselbe ringsum von Eiter umspült ist. Die Eiterung beschränkt sich vielmehr gewöhnlich auf eine Seite, an der sie mehr oder weniger hoch hinaufsteigt. An den Rändern des Abscesses ist das Periost verdickt, und der Knochen mit einem Rande von Osteophyten besetzt, das abgelöste Periost selbst ist roth, getrübt, erweicht, dnrchbrochen, oder fehlt stellenweise gänzlich. Hieran schliefst sich dann der Befund in den secundär (oder primär) erkrankten Nachbartheilen, die der Phlegmone, Necrose, Epiphysenlösung und Osteomyelitis angehörigen Erscheinungen. Diagnose. Da jeder Subperiostealabscefs mit Phlegmone, und häufig auch mit Epiphysenlösung und Osteomyelitis verbunden i s t , so hat sich die Diagnose darüber auszusprechen, ob diese Krankheiten rein und primär, oder ob sie mit Entzündung und Ablösung des Periostes bestehen und von dieser abhängen. Wenn der Knochen sehr oberflächlich liegt, wie etwa an dem unteren Ende des Radius, und wenn noch keine secundare Phlegmone hinzu getreten ist, kann ein geübtes Gefühl die tief, unmittelbar auf dem Knochen liegende dünne Schichte Eiter durchfühlen. Unter entgegengesetzten Verhältnissen kann nichts, was man über den diagnostischen Werth der Intensität und der Art der Schmerzen, die Beschaffenheit und Ausbreitung des Oedems, das frühere oder spätere Aufbrechen etc., gesagt hat, von Entscheidung sein, sondern nur die Betrachtung des Verlaufes und der Gebrauch des Explorativtroisquarts. progno.e. Die Prognose ist nie unbedingt günstig zu stellen; sie hängt aber zunächst ab von der Gröfse des Knochens, an welchem der Abscefs vorkommt; das Panaritiuin periostei ist auch ein Subperiostealabscefs, die geringe Gröfse des Knochens beseitigt aber ernstliche Gefahren; ferner ist der Ursprung der Entzündung von grofser prognostischer Bedeutung; die Gefahr ist geringer bei primärem und reinem Subperiostealabscesse, als wo derselbe von Epiphysenlösung und Osteomyelitis abhängt. Kann der Abscefs sehr frühzeitig erkannt und entleert w e r d e n , so ist eine rasche Heilung, selbst ohne Nacherkrankung des Knochens möglich; unter entgegengesetzten Verhältnissen ist nicht allein die Gefahr für das Leben nicht unbeträchtlich ( C h a s s a i g n a c beobachtete unter 11 Fällen 5mal tödtlichen Ausgang), sondern es bedrohen diese Abscesse auch mit sehr langwierigen Nachkrankheiten und Complicationen, welche gleichfalls nicht ohne mannigfache Gefahren sind. ostiti«, Symptome, vorkommen. Die Entzündung der starren Knochensubstanz kommt nie für sich, sondern immer nur in Verbindung mit der ihrer Häute, des Periostes und des Knochenmarkes vor. Die Symptome, welche
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während des Lebens beobachtet werden, sind immer mit denen dieser Weichtheile gemischt und klinisch nicht von ihnen zu trennen. Es b e steht einiger Unterschied darin, ob schwammige, leicht nachgiebige, oder compacte Knochen entzündet sind, und wir unterscheiden daher eine Ostitis spongiosa und corticalis. Beide können acut verlaufen, neigen aber entschieden zu einem sehr chronischen Gange. Die Veranlassungen sind dieselben, welche schon in Bezug auf Periostitis angegeben wurden. In spongiösen Knochen, und da wo mehrere derselben an einander stofsen, hat die Entzündung grofse Neigung, sich über mehrere derselben auszubreiten. Sehr häufig ist sie eine abgeleitete Krankheit, und von den anstofsenden Geweben, den Knochenhäuten, Synovialmembranen u. s. w., auf den Knochen übergegangen. Pathologische Anämie. Die pathologisch - anatomischen Veränderungen an entzündeten Knochen lassen sich in ihrer Vollständigkeit und Entwickelung am besten an entblöfsten Knochenstücken, in Amputationsstümpfen und Resectionswunden z. B. studiren. Man sieht dann folgendes : Ablösung des Periostes und Veränderung desselben, wie bei Periostitis. Auf dem entblöfsten Knochen erscheinen rothe Punkte und Streifen, welche auf der Fläche der Diaphyse so ziemlich in der Richtung d e r selben verlaufen; es sind erweiterte Gefäfscanäle, oder die Durchschnitte derselben, welche dem blofsen Auge sichtbar werden. Die Oberfläche des Knochens ist anfangs noch glatt, später aber verschwinden durch fortschreitende Rarefaction die dünnen Lamellen, welche die oberflächlichsten Gefäfscanäle deckten und die Fläche wird wie wurmstichig. Es ist die Frage, ob nur die vorhandenen Gefäfse erweitert werden, oder ob deren auch neue entstehen. Der Gefäfsreichthum wird jedoch schliefslich, nachdem die Knochensubstanz gröfstentheils verdrängt ist, so beträchtlich, dafs das letztere wahrscheinlich ist. Mit den Gefäfscanälen nimmt auch die Weite der Markzellen und der Markhöhle sehr zu. Der Knochen wird rareficirt, porotisch. Neben den Gefäfsen findet sich ein öliges, gelatinöses Exsudat, und in den Markzellen und Markcanälen das Mark sehr weich, vascularisirt und gewuchert. Je mehr der Knochen rareficirt wird, desto mehr wuchern diese vascularisirten Weichgebilde. Der Knochen wird zuletzt so weich, dafs er sich leicht zerdrücken oder zerschneiden läfst. Die weiteren Veränderungen, welche in dem Verlaufe einer Ostitis eintreten können, sind insbesondere nach der Rapidität des Verlaufes sehr verschieden. Wenn der Verlauf ein sehr stürmischer ist, so wird das Knochengewebe erdrückt und stirbt ab, acute Necrose; bei sehr schleichendem Gange dagegen drückt sich die ganze Veränderung durch eine sehr allmäliche interstitielle Absorption aus, welche schliefslich so weit gehen kann, dafs selbst von den stärksten Corticalschichten, z. B. der Tibia,
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nur papierdünne, vielfach lückenhaft unterbrochene Lamellen übrig bleiben, die spongiösen Theile sich im höchsten Grade auflockern, dif— formiren und der Knochen durch Veränderung seiner Substanz so brüchig wird, dafs er der geringsten Gewalt unterliegt. Diese Porose geht oft sehr weit über die Stelle hinaus, welche als der Ausgangspunkt der Krankheit bezeichnet werden mufs, und an welchen während des Lebens die Erscheinungen der Entzündung beobachtet werden. So sieht man nach Entzündungen der Gelenkköpfe die ganze Röhre des Knochens osteoporotisch und die Markröhre so weit werden, dafs die Corticalschichte nur noch eine äufserst dünne, brüchige Rinde darstellt. Neben dem interstitiellen Schwunde des Knochengewebes, der zunehmenden Vascularisation und Wucherung des Markes, beobachtet man sehr oft Verdickung des secundär gereizten Periostes und Auflagerung von neuer Knochensubstanz aus demselben. In diesem Zustande einer fortschreitenden porotischen Auflockerung, Wucherung des Markes und vermehrter Vascularisation, kann ein Knochen sehr lange, Zeit Lebens, verharren. Wird ein Knochen, wie so häufig, während der Zeit des Lebens, in welcher seine Ausbildung noch nicht vollendet ist, von einer Entzündung befallen, so äufsert sich der die Ernährung störende Einflufs derselben auch darin, dafs die ganze Entwickelung desselben, namentlich sein Längenwachsen gehemmt wird. Dieser störende Einflufs ist um so gröfser, je länger die Krankheit dauert und je mehr sie gerade in die Zeit fällt, in welcher der Körper rasch wächst. Auch nach Ablauf der Entzündung bleibt der Knochen kürzer und schmächtiger. Es beschränkt sich dieser hemmende Einflufs jedoch nie auf den primär erkrankten Knochen allein, alle Theile des zugehörigen Gliedes, die Muskeln insbesondere, atrophiren, werden weich und schlaff und oft bleibt die ganze Körperhälfte merklich in der Entwickelung zurück. Wenn die atrophische Osteoporose zu einem sehr hohen Grade gediehen ist, so kann eine Wiederherstellung des Knochens unmöglich werden; wo die Atrophie weniger weit gegangen, kann nicht allein die Festigkeit desselben wieder gewonnen werden, sondern selbst in das Gegentheil des früheren Zustandes, in Osteosclerose übergehen, indem selbst spongiöse Knochensegmente durch Verengerung der Gefäfscanäle, Ausfüllung der Markzellen und Markcanäle mit fester Knochenmasse elfenbeinhart, eburnisirt und gefäfsarm werden. Der Vorgang, wie dieses geschieht, ist nicht gehörig bekannt und offenbar nicht durch die Verknöcherung des in die erweiterten Räume des Knochens abgesetzten freien Exsudates zu erklären, da die Knochenneubildung überhaupt nicht von den Markräumen ausgeht. Mit der Wiederverdichtung des entzündet gewesenen Knochens gehen die Gefäfse wieder zurück und er kann schliefslich ärmer an Rlut und Gefäfsen werden, als er im normalen Zustande war.
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D i e 0 s t i t i s k a n 1 1 111 Vereiterung übergehen. Die EiteKnoches,eru„B. i>iffnSe Knocheneitening. r u n g ¡ s t entweder über die Gefäfscanäle, die Markzellen, das Mark, unter das Periost vertheilt, die diffuse Knochenvereiterung, oder der Eiter ist in einem Heerde vereinigt, der Knochenabscefs. Die diffuse Knochenvereiterung ist meistens ein acuter, fast unausbleiblich mit Pyämie verbundener Zustand, w e l c h e r entweder rasch zum Absterben des Knochens, oder durch Blutzersetzung und metastatische A b s c e s s e häufig zum Tode führt; sie ist demnach immer eine sehr s c h w e r e Krankheit. Sie überträgt sich sehr r a s c h , gleich der Osteomyelitis, auf die Umgebung, das Periost und die umgebenden Weichtheile, in w e l c h e n sie eine verjauchende Phlegmone bedingt. Der Knochen ist rareficirt, seine Markräume und Gefäfscanäle sind ausgedehnt und entw e d e r mit gutem, gelbem, oder blutigem, chocoladefarbigem Eiter erfüllt. Ob dieser Eiter Eigenschaften besitzt, welche ihn von anderem, der nicht von Knochen stammt, sicher unterscheiden lassen, ist nicht strenge b e w i e s e n ; namentlich giebt die Beimischung von Oeltropfen, w e l c h e auch bei vereiternden Phlegmonen des Panniculus vorkommt, und auf w e l c h e C h a s s a i g n a c Gewicht l e g t , oder der gröfsere Gehalt an Kalksalzen in der A s c h e (V170 statt Vsoo D a r c e t) keine Entscheidung. Ob völlige Zertheilung bei der diffusen Eiterung vorkommen kann, ist noch zu beweisen. Bei sehr chronischem Verlaufe und beschränkter Ausdehnung der Krankheit kann der Eiter sich inspissiren und tuberculisiren. In seiner Umgebung wird dann der Knochen verdichtet. Er kann in diesem Zustande sehr lange verharren, bis er endlich von neuem zerfällt, seine Umgebung reizt und eine neue, verschwärende Entzündung veranlafst. Doch kommt diese Inspissation mehr bei dem cirsumscripten Knochenabscesse, als bei der diffusen Eiterung vor. Der KuociiGnabBcefs. Der umschriebene Knochenabscefs ist eine im Ganzen seltene Krankheit. Er ist am häufigsten noch an den unteren Extremitäten, besonders an der Tibia, und fast immer in der Nähe der Gelenkenden, viel seltener in der Mitte der Knochenschäfte, oder in platten Knochen, den Schädelknochen z. B. (A b e r n e t h y), beobachtet worden. Anatomische Disposition zu geschlossenen Abscessen findet sich daher besonders da, wo die spongiöse Substanz in die corticale übergeht, in der secundär aufgelockerten corticalen in der Nähe der spongiösen, selten in der ganz harten Rinde selbst. Vereiterungen der Gelenkköpfe bestehen häufig mit diesen Abscessen z u g l e i c h , oder sind abgelaufen, während der A b s c e f s fortdauert. Die A b s c e s s e sind gewöhnlich kleine, rundliche oder buchtige Höhlen, von d e r Gröfse einer Erbse bis zu der eines kleinen Eies. Sie sind von einer stark vascularisirten Membran ausgekleidet und enthalten bald reinen, guten, gebundenen, bald blutigen Eiter. Zuweilen schliefsen sie ganz kleine Sequester, staubförmige Reste eines solchen, oder inspissirte Tuberkelmasse ein. D e r Knochen in ihrer Umgebung ist oft beträchtlich v e r Wernher,
Chirurg«.
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dickt und verhärtet, seine Oberfläche daher ein wenig aufgetrieben und mit einem verdickten Perioste, oft mit einigen exostotischen Höckern besetzt und mit dem benachbarten Bindegewebe verwachsen. Abscesse mit grofsen blasenförmigen Auftreibungen des Knochens sind selten, jedoch ebenfalls in der Nähe der Gelenkenden am häufigsten. Zuweilen enthalten sie kleine, ganz lose Sequester ( S t a n l e y , E., illustrations, PI. V, VI). Die Heftigkeit der Folgen dieser Abscesse hängt weniger von ihrer Gröfse als davon ab, ob sie einen Ausweg haben, auf welchem sich ihr Inhalt entleeren kann. W o derselbe frei abfliefst, sind die Schmerzen sehr gering, wo es nicht der Fall ist, oder dieOeffnung sich zeitweise schliefst, entstehen die heftigsten Leiden, auch wenn der Abscefs nur ganz klein ist. Da das Periost sich um so mehr verdichtet und verknöchert, j e mehr es durch die Anwesenheit solcher A b scesse gereizt wird, so gelingt es denselben nur selten, auch bei jahrelangem Bestände, nach aufsen durchzubrechen, zuweilen aber entleeren sie sich, wenn sie in einem Gelenkkopfe liegen, in die Gelenkhöhle hinein, wo ihnen die Knochenhaut keinen Widerstand entgegen setzt. Es entsteht dann eine vereiternde Synoctis. Die Diagnose dieser Abscesse ist schwierig und ergiebt sich hauptsächlich aus einem Jahre lang an einem bestimmten Punkte des Knochens, trotz aller Mittel fortbestehenden, äufserst heftigen, pulsirenden, paroxysmenweise exaeerbirenden Schmerze, durch welchen der Gebrauch des Gliedes fast gänzlich untersagt wird. Zuweilen hat man vorübergehend so vollkommenen Nachlafs beobachtet, dafs die Kranken sich für geheilt halten konnten, bis auf irgend eine leichte Veranlassung hin, und auch ohne dafs solche hätte nachgewiesen werden können, neue Anfälle eintraten und so mit mehrmaligen Wiederholungen sich über mehrere Jahre, bis zu 10 und mehr, hinzogen. Ueber dieser schmerzhaften Stelle ist das Periost verdickt und mit der äufseren Haut verwachsen. Solche Jahre lang bestehenden Zufälle haben dann öfter zu einer Anbohrung der kranken Stelle geführt, wobei bald eine gröfsere, bald auch nur eine so kleine Quantität Eiter entdeckt wurde, dafs sie von dem mit ausfliefsenden Blute kaum unterschieden werden konnte. Mit der Oeffnung des Abscesses und der Entleerung des Eiters hören übrigens die Schmerzen sogleich vollständig auf und die Höhle füllt sich aus. Da die Knochendecke stets verhärtet und oft sehr verdickt war, so gelang es oft nur mit Schwierigkeit, solche Höhlen anzubohren. Leere Sequestralhöhlen, w e l che sich, nachdem der Sequester ausgezogen, geschlossen haben, können ganz die Eigenschaften solcher Abscesse annehmen und viele Jahre fortbestehen. „, „„
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Osteomyelitis.
Auch die Osteomyelitis kommt nie für *
vorkommen, Dnachcn. sich vor. Das sehr schwellbare, weiche Mark ist überall so von starrer Knochenmasse umgeben, dafs es nirgends hin ausweichen kann, und jede entzündliche Stase zur Einklemmung und zur Störung der Ernährung des Knochens selber führen mufs, die sich dann auf das Periost, sehr häufig auch auf die Gelenke und die benachbarten Gewebe überträgt. Die in das Mark eingeschlossenen Venen erkranken
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unter diesen Verhältnissen stets mit, theils durch völligen Stillstand der Blutbewegung, Gerinnselbildung, theils durch Resorption der v e r j a u chenden Entzündungsproducte, welche durch die dünnwandige Beschaffenheit j e n e r Gefäfse sehr begünstigt wird. — Jede Osteomyelitis ist daher stets auch eine Osteophlebitis, Ostitis und Periostitis. Die Veranlassungen zu Entzündungen des Knochenmarkes werden am häufigsten durch traumatische Verletzungen, complicirte Fracturen, Längsfissuren, Entblöfsung der Markhöhle, bei Amputationen u. s. w., aber auch schon durch heftige Quetschung und Erschütterung des Knochens gegeben. Die Entzündung kommt ferner auch ohne Verletzung, im Gefolge t y phoider und exanthematischer Fieber, der Pyämie, durch Eitermetastase, bei acuter Tuberculose, so wie bei dem Scorbute vor. Desgleichen werden heftige Erkältungen, der langdauernde Aufenthalt in nasser Kälte, als V e r anlassungen angegeben. Sie ist häufig eine abgeleitete Krankheit, eine Complication tiefgreifender Periostitis und Ostitis, der sog. Epiphysenlösung. In dem Verlaufe und den Folgen besteht ein bedeutender Unterschied darin, ob das Mark des grofsen Markcylinders der Röhrenknochen, oder das der Zellen der spongiösen Substanz erkrankt ist. Besonders in dem ersten Falle wird diese Form durch die Theilnahme der grofsen Markvenen, durch Osteophlebitis höchst lebensgefährlich, und verläuft immer acut; in dem zweiten kann sie chronisch verlaufen und minder g e f ä h r liche Ausgänge nehmen. Sie ist dann von der Ostitis spongiosa nicht zu unterscheiden. E s ist deshalb unnöthig sie speciell zu beschreiben. «Wh». welche ein Sequester bedarf, um seine .ic» scqueAters. Lösung zu vollenden, ist aufserordentlich verschieden. Zum Theile läfst sich diese Verschiedenheit aus der Gröfse des a b g e storbenen Stückes, der Beschaffenheit des Knochens, dem Alter und der Constitution des Kranken, sowie aus den Ursachen, welche die Abstofsung einleiten, erklären; diese Verhältnisse reichen aber nicht für alle Fälle
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aus. Die Sequester directer Nccrosen losen sich im Allgemeinen schneller als die indirecter; besonders nach sehr acuten und stürmischen Knochenentzündungen, nach Osteomyelitis, ist die Lösung oft schon nach wenigen Wochen vollendet. Desgleichen führt die Osteochondritis bei acutem Verlaufe oft sehr rasch zur völligen Trennung des Schaftes von dem necrotischen Gelenkkopfe, während das untere Ende desselben Sequesters, welches an den schon völlig verknöcherten Knochen g r e n z t , eine viel längere Zeit, so wie jeder Sequester in vollständig entwickelten Knochen, zu seiner Lösung bedarf. Solche Sequester können daher an dem einen Ende, nahe an dem Gelenke, schon vollkommen beweglich sein, während an dem anderen, in der Diaphyse, die Trennung kaum begonnen hat. Man kann im Allgemeinen annehmen, dafs für gröfsere Sequester der Röhrenknochen, bei acutem Gange der Krankheit, die Trennung etwa binnen acht Wochen vollendet ist. Es kommen jedoch auch Necrosen vor, bei welchen die Trennung des Sequesters aufserordentlich langsam vor sich geht, die Lösung zeitweise Stillstände macht, und selbst solche, von denen man sagen kann, dafs sie sich nie spontan vollendet, so dafs man den abgestorbenen, völlig unempfindlichen Knochentheil im Verlaufe vieler Jahre ( S t a n l e y bis zu 35) noch eben so fest anhängen und u n verändert findet, als an dem ersten Tage, an welchem man ihn durch die Fistel fühlte. Solche sich nicht spontan lösende Sequester kommen hauptsächlich in der Nähe der Gelenkenden und nach chronischen E n t zündungen derselben vor. Sie bestehen selbst aus verdichteter Knochensubstanz und ebenso ist der Knochen, auf welchem sie sitzen, sclerotisirt. Sie sind selten sehr beträchlich grofs, oft selbst sehr klein, ohne dafs diese Verschiedenheit der Gröfse einen merklichen Einflufs auf die Lösung hätte. Die Grenzlinie zwischen dem abgestorbenen und dem lebenden Theile des Knochens ist sehr schwer zu bestimmen, da auch der letztere, weil er verdichtet ist, sehr blutarm wird und sich daher durch Farbe und Consistenz wenig von dem Sequester unterscheidet. Kleine, aber völlig abgetrennte Sequester können in einer v e r dichteten, ringsum durchaus abgeschlossenen Kapsel ebenso in einem Knochen einheilen, wie dieses von anderen, nicht löslichen Körpern, Kugeln, möglich ist. Sie bedingen an der Stelle, an welcher sie liegen, nur eine grofse Empfindlichkeit gegen neue Reize, Witterungseinflüsse namentlich, und unterhalten daher eine gewisse Disposition zu neuen Entzündungen, Vereiterungen und secundären Necrotisirungen, die h e r beizuführen anscheinend sehr unbedeutende Gelegenheitsursachen g e nügen können. Manche dieser secundären Sequester gehören denen an, welche sich nicht spontan lösen; sie entstehen aus den sclerotisirten Knochentheilen, welche den primären Sequester umgaben und sich nach der Entfernung desselben zu einer verhärteten Knochennarbe zusammengezogen haben. Der Wiederaufbruch und die Entblöfsung eines tief-
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liegenden Knochenstüekes geschieht oft erst, nachdem die Narbe viele Jahre lang geschlossen w a r , vollkommen ausgeheilt zu sein schien und nicht selten ohne nachweisbare Gelegenheitsursache. G u l l i v e r behauptet, auf solchen völlig eingekapselten Sequestern Niederschläge von neuer Knochensubstanz gesehen zu haben und scheint anzunehmen, dafs dieselben erst auf den abgestorbenen Knochen abgesetzt worden seien. Es ist jedoch viel wahrscheinlicher, dafs sie das Product einer Knochenentzündung sind, welche dem Absterben vorausging, spontane Anatreibung Sequester sind wahrscheinlich in den thierischen de» Sequester*. Säften völlig unlöslich, und ihre Entfernung ist vielleicht nur auf mechanischem Wege möglich. Wenn man Sequester findet, welche lockerer, mürber sind als der Knochen, von welchem sie herrühren, in seinem normalen Zustande ist, so ist anzunehmen, dafs sie durch einen, dem Absterben vorausgehenden Krankheitsprocefs porotisch gemacht worden sind. Sie können auch ebensowohl dichter als ihr Stammknochen sein. Rauhigkeiten an der Oberfläche, die allerdings chemischen Erosionen sehr gleichen, rühren, wie schon oben bemerkt wurde, nur davon her, dafs die Knochenlamelle in sehr ungleicher Dicke abgestorben ist. Von Knochenstücken, welche man auf oifene Wunden und Geschwüre gebunden, oder in das Fleisch eingeheilt hat, wollen einige Experimentatoren eine kleine Verminderung der Schwere nach einiger Zeit bemerkt haben, andere fanden sie stets völlig unverändert. Wenn man auch nicht annehmen will, dafs die kleinen, angeblich beobachteten Gewichtsverminderungen blofs auf Austrocknen und Verlust des Fettes etwa beruhen, so sind sie jedenfalls so unbedeutend, dafs in practischer Beziehung nichts an dem Satze geändert wird, dafs Sequester von den Kräften der Natur nur auf mechanischem Wege entfernt werden können. Oberflächliche Rinnen an einem Sequester, welche vielleicht von einem früheren Versuche herrühren, ihn zu entfernen, findet man nach Jahren noch eben so scharfkantig, als wenn sie eben erst mit der Säge gemacht worden wären. Nicht selten werden neben grofsen Sequestern kleine Splitter von dem Eiter ausgespült; auch diese dürfen nicht als die Producte einer fortschreitenden Erosion und spontanen Zerstückelung des Sequesters betrachtet werden, sondern sind entweder bei den Untersuchungen etwa nur abgestofsen worden, oder sind kleine und secundäre Nebensequester, welche der fortschreitenden Porose des lebenden Knochens erlegen sind. Sie geben keine begründete Hoffnung auf endliche Zertheilung des Sequesters. Zuweilen wachsen die Granulationen der Sequestrallade in Lücken des Sequesters hinein, dieselben werden also von jenen nur benutzt, und nicht durch den Druck derselben erzeugt. — Spontane Austreibungen des Sequesters auf mechanischem Wege sind jedoch in verschiedener Weise möglich. Entblöfstie oberflächliche Sequester, über welche sich nach Zerstörung des Periostes
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keine Kapsel gebildet hat, werden einfach ausgestoßen. Desgleichen können solche Sequester, auch wenn die Haut erhalten blieb, durch die erweiterten Fistelöffnungen ohne Weiteres ausgezogen werden. Tiefliegende Necrosen, welche die ganze Dicke eines Röhrenknochens einnehmen, über welche sich aber keine oder nur eine höchst ungenügende Kapsel aus dem Perioste gebildet hat, werden zuweilen durch die Contraction der Muskeln durch die Weichtheile so herausgetrieben, dafs das necrotische Stück selbst mehrere Zoll weit aus der Haut heraussieht. Am häufigsten ist dieser Vorgang nach sog. Gpiphysenlösung an dem oberen Ende des Humerus beobachtet worden. Der Sequester trennt sich zuerst von dem Gelenkkopfe und kann mit diesem Ende die Haut durchbohren, ehe er die Trennung von dem Schafte vollendet hat. — Die necrotischen Gelenkköpfe fallen in die Gelenkhöhle hinein, in welcher sie die Eiterung unterhalten und auch von ihnen ist der spontane Austritt durch Fisteln beobachtet. Für eingekapselte Necrosen ist die Schwierigkeit des spontanen Austrittes bedeutend gröfser, derselbe jedoch ebenfalls nicht durchaus unmöglich; das eine Sequesterende kann sich zufällig einer der gröfseren Cloaken gegenüber befinden, oder durch die Verkrümmung des Knochens derselben gegenüber gebracht und durch die nachwachsenden Granulationen in dieselben hineingeschoben werden. R e p r o d u c t i o n n o c h Nocroee. Die Reproduction eines durch Necrose zerstörten Knochens hängt hauptsächlich von der Anwesenheit und der Integrität derjenigen Weichgebilde ab, aus welchen der Knochen, auch bei seinem normalen Entstehen und Wachsen, sich aufbaut, bei den Necrosen völlig entwickelter Knochen also von der des Periostes. Wo der ursprüngliche Knochenknorpel noch nicht ganz verknöchert und durch Ulceration nicht vollständig zerstört ist, wird auch aus ihm eine Reproduction möglich sein. Desgleichen ist es unzweifelhaft, dafs auch die Granulationen, welche aus der Knochenfläche hervortreten, die nach Abstofsung des Sequesters blofsgelegt wurde, theilweise verknöchern und so mit zur Reproduction beitragen können. — Zweifelhaft dagegen ist es, ob die umgebenden Weichtheile, wenn das Periost wirklich vollständig zerstört ist, und das Mark zur Reproduction beitragen. Aufserdem sind bei weitem nicht alle Knochen gleich geneigt sich zu r e produciren. Der Reproduction völlig unfähig sind alle in die Synovialkapsel hineinragenden, überknorpelten Knochentheile, und die wirkliche Wiederberstellung eines durch Necrose oder Resection abgelösten Gelenkkopfes ist wohl nie beobachtet worden. Die Knochenenden runden sich nur ab und überziehen sich mit einer Faserschichte, oder verwachsen gegenseitig vermittelst einer solchen, wenn die einander gegenüber stehenden Gelenkköpfe verloren gingen. Diese Faserschiohte kann, je nach ihrer
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Länge und Straffheit, eine gewisse Beweglichkeit, wie in einer lockeren Synarthrose zulassen. Es ist auch möglich, dafs sie sich, ohne mit der gegenüber liegenden Fläche zu verschmelzen, abglättet und einen Gelenkknorpel imitirt, jedoch immer ohne wirkliche Reproduction des Gelenkkopfes. ' Sehr geringe Reproductionskraft haben ferner alle platten, corticalen Knochen, insbesondere die Gesichtsknochen, mit Ausnahme des Unterkiefers, und namentlich die platten Knochen des Schadeldaches. Sie ist an diesen auch unter den günstigsten Verhältnissen so gering, dafs sie in practischer Beziehung so gut wie gar nicht in Betracht kommt. Durchdringende Lücken werden nur dadurch geschlossen, dafs die fibröse Narbe der Wunde der Kopfschwarte mit einer gleichfalls fibrös bleibenden Verdickung der Dura mater zusammenfliefst. Die Ränder der Knochenlücke runden sich nur a b , ohne dafs an ihnen selbst, oder an ihrer Umgebung mehr als ganz spärliche Knochenneubildungen bemerkt werden. Selbst sehr enge Lücken, von scharfen Hiebwunden etwa, bleiben meistens vollständig ohne knöchernen Verschlufs. Dasselbe wird bei necrotischen Verlüsten bemerkt. Nicht durchdringende Necrosen hinterlassen vertiefte Lücken mit wulstigen, abgerundeten Rändern, in deren Umgebung der Knochen häufig verdichtet ist, die aber selbst nur mit fibröser Substanz ausgefüllt und durch diese mit den Hautnarben fest verwachsen sind. — Den Gesichtsknochen sich sehr nahe anschliessend verhält sich das Schulterblatt in Bezug auf seine geringe Reproductionsfähigkeit. Ebenso besitzen sämmtliche spongiösen, runden Knochen nur sehr wenig Reproductionsvermögen. Lücken, welche in denselben bis zu deren Oberfläche reichen', werden gewöhnlich lediglich durch verkürzte fibröse Narben ausgefüllt. Centrale Lücken können sich in Cysten verwandeln, welche mit einer Membran ausgekleidet werden und eine Flüssigkeit enthalten; doch ziehen sich dieselben, wenn der Sequester entfernt ist, gewöhnlich ebenfalls zu einer fibrösen Narbe zusammen. Den spongiösen Knochen ziemlich gleich verhalten sich das Sternum und die platten Beckenknochen; die Sequester lösen sich in denselben sehr spät, die Knochen werden gewöhnlich durch Osteoporose sehr aufgetrieben und die kleinen Sequester liegen daher in sehr geräumigen Höhlen. Von gröfserem practischem Interesse ist es, dafs auch der neugebildete Knochen der Sequestrallade sehr wenig Fähigkeit zur Reproduction besitzt; die OefTnungen, welche man in ihm herstellt, um zu den Sequestern zu gelangen, wachsen nicht wieder durch Knochensubstanz zu, sondern werden nur durch fibröse Narben ausgefüllt. Ein solcher Knochen kann daher leicht zu schwach werden, um das Gewicht des Körpers zu tragen, wenn man zu obigen Zwecken sehr viel von der Sequestrallade weggenommen hat.
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Dagegen besitzen alle ctfrticalen Theile der Röhrenknochen, (i. h. also alle diejenigen, welche aus den Periosteen entstehen und sich fortwährend aus diesen ernähren, so lange ihr Periost erhalten ist, eine sehr grofse Reproductionskraft. Ihnen schliefst sich der Unterkiefer vollkommen an. Die Reproduction beginnt schon ehe der mechanische Zusammenhang zwischen dem abgestorbenen und lebend gebliebenen Theile des Knochens aufgehoben ist, und bevor die Trennung sich vollendet, ist die Sequestrallade meistens schon soweit verknöchert, dafs man in der F e stigkeit des Gliedes keinen Unterschied bemerkt. Abweichungen von dieser Regel bemerkt man fast nur bei den Necrosen nach Verschwärungen der sog. Epiphysenmembranen. Da bei den Necrosen, welche aus dieser Form der Knochenentzündung entstehen, das Periost gewöhnlich sehr weit zerstört ist, so finden wir die beiden Knochentheile meistens noch durchaus beweglich, auch wenn der Sequester schon an dein Gelenkende sich vollkommen gelöst hat. Sehr oft stellt sich aufserdem der Gelenkkopf schief, weil die Zerstörung auf der einen Seite vollständiger w a r , als auf der anderen. Bei allen Necrosen verbreitet sich eine secundäre Entzündung, oft in sehr weite Entfernung, über das Periost, als deren Producte V e r dickungen und Exostosenbildungen erscheinen. Die Verknöcherung des abgelösten Periostes selbst weicht von der normalen Knochenbildung im Allgemeinen nicht a b ; sie beginnt an der mit dem lebenden Knochen noch zusammenhängenden Seite, seltener auch an einzelnen isolirten Stellen der in der Ausbildung begriffenen Sequestrallade. Wenn der Sequester entfernt ist, so geht die Knochenbildung nach einwärts und die Röhre füllt sich gänzlich aus. An die Stelle des früheren Röhrenknochens ist somit ein solider Knochen von ziemlich compacter Substanz getreten. Allerdings kann mit der Zeit eine Auflockerung der inneren Schichten, welche somit spongiöser werden, stattfinden; die Herstellung einer vollständigen Markröhre erfolgt jedoch jedenfalls erst sehr spät. Die Gestalt des neugebildeten Knochens ist um so unregelmäfsiger, je jünger er ist; seine Oberfläche erscheint warzig, tropfsteinähnlich und ist, so lange der Procefs noch nicht vollkommen abgelaufen, mit einem sehr verdichteten Perioste bedeckt, welches in die gleichfalls verdichteten intermusculären Bindegewebslagen übergeht. Die Oberfläche dieser neuen Knochen ist von unzähligen kleinen Oeffnungen durchbohrt, welche zum Eintritte zahlreicher Gefäfse dienten und beweisen, dafs ein l e b hafter entzündlicher Procefs zur Zeit, wo das Präparat gewonnen wurde, noch nicht abgelaufen war. Mit der Beendigung des ganzen Vorganges glättet sich die Oberfläche der Sequestrallade etwas, zieht sich zusammen, indem zu gleicher Zeit ein grofser Theil der Gefäfslöcher sich schliefst. Das innere Gefüge eines solchen Knochens gleicht dem eines verdichteten
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spongiösen Knochens; er besitzt nicht die ré^elmáfsige Vertheilung der concentrischen Lamellen und der Knochenkörperchen einer primitiven Diaphyse. Wenn ein centraler Sequester entfernt worden ist, so füllt sich gewöhnlich die Kapsel', in welcher er lag, mit Granulationen aus, welche nach und nach verknöchern. Die frühere Lücke verwandelt sich in eine sclerotisirte Knochenstelle, über der, zufolge einer secundaren Periostitis, einige exostotische Auflagerungen liegen. Doch kann die leere Sequestralhöhle auch in eine Art Cyste sich verwandeln. Wenn bei der Reproduction von Röhrenknochen das Periost an einzelnen Stellen fehlte, so bleiben an diesen gröfsere, unregelmäfsige Lücken, die sog. Foramina grandia, welche sich nur mit fibrösen Häuten ausfüllen. Die neue Knochensubstanz ist hier oft zu geräumigen Höhlen aufgebläht, in deren Tiefe der Sequester liegt. Mit der Vollendung der Reproduction kann der neugebildete Knochen ebensowohl etwas kürzer, als auch länger als der ursprüngliche sein. Die Verlängerung, welche öfter (s. C l o q u e t ) beobachtet worden ist, kann einige CM. betragen. Der neue Knochen hält bei Kindern mit der Entwickelung des Skeletts gleichen Schritt und bleibt in seiner Länge hinter dem gleichnamigen nicht zurück. Wenn von einem zweiröhrigen Gliede der eine Knochen necrotisch wird, so nimmt der andere häufig an Stärke zu. Oft sind die neugebildeten Knochen etwas nach der Richtung des stärksten Muskelzuges, dem sie vor ihrer vollendeten Verkalkung nachgaben, verkrümmt. Symptom« der Necrose. Die früheren Symptome der Necrose, ehe der Sequester direct nachgewiesen werden kann, sind, je nachdem derselbe oberflächlich oder tief liegt, die der verschiedenen Formen von Knochenentzündung, der Periostitis, des Subperiostealabscesses, der Ostitis und Medullitis, der Osteochondritis, des Knochenabscesses u. s. w., worüber die betreffenden Capitel nachzusehen sind. Die den Knochen umgebenden Weichtheile erkranken wie bei den mehr oder minder acut verlaufenden Phlegmonen und phlegmonösen Rosen. Bei ausgedehnten Necrotisirungen grofser Röhren bildet sich ein weitverbreitetes, hartes Oedem, welches, nachdem die Geschwulst aufgebrochen, zwar etwas, doch nie völlig zusammenfällt und immer erkennen läfst, dafs der Knochen in der Tiefe beträchtlich verdickt ist. Je nach der Gröfse des abgestorbenen Stückes, und je nachdem der Procefs mehr oder minder acut verläuft, bildet sich bald nur ein einziger, bald entstehen mehrere Abscesse, unter denselben Erscheinungen wie bei Phlegmonen, welche nach und nach aufbrechen, zum Theile sich in Fisteln verwandeln, zum Theile sich wieder schliefsen, wofür häufig aber, selbst in späteren Stadien noch, neue Abscedirungen und Fistelbildungen an den nämlichen oder an neuen Stellen nachfolgen. Die Entzündungen, welche durch Necrosen in dem Reste des Knochens unterhalten werden, sind von sehr verschiedenem Grade. Kleine Sequester,
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welche nicht in der Nähe eine's Gelenkes liegen, unterhalten oft nur eine äufserst geringe Entzündung, mit sehr mäfsiger Verdickung des Periostes und der Weichtheile, welche sich nur in ganz geringem Umfange ausdehnt und nur so wenig Eiter producirt, dafs die Fisteln sich zeitweise völlig schliefsen oder doch so weit zusammenziehen können, dafs sie geschlossen scheinen und sich nur mit einem trockenen Schorfe bedecken. Das Allgemeinbefinden kann hierbei vollkommen gut und der tiebrauch des Gliedes fast ungestört sein. Bei ausgedehnten und totalen Necrosen jedoch werden die wiederholten Entzündungsanfälle sehr lebhaft, die Eiterung ebenso erschöpfend wie bei anderen profusen Eiterverlüsten, besonders wie bei solchen, welche von Knochen stammen, und die Kranken gehen leicht an chronischer Pyämie, an Erschöpfung, Anämie, an Complicationen mit Albuminurie u. s. w. zu Grunde, wenn der Sequester nicht noch rechtzeitig ausgezogen wird, Von sccundiiio oce^en^ndunse,, besonderer Wichtigkeit werden die Sebei Necroac. quester, welche bis in die Nähe eines Gelenkes reichen, oder sich in einem Gelenkende selbst ausgebildet haben. Kleine Sequester in dem Gelenkende eines grofsen Röhrenknochens unterhalten häufig Zufälle, welche von denen einer chronischen Gelenkentzündung und Vereiterung, auch nachdem der Abscefs aufgebrochen ist, schwer zu unterscheiden sind. Die Fistelöffnung in der Haut liegt nämlich sehr oft der in dem Knochen nicht gerade gegenüber, und die Stelle kann sehr eng sein, so dafs es schwer ist, die Sonde zu dem abgestorbenen Knochenstückchen zu führen. Solche Sequester stofsen sich aufserdem häufig erst sehr spät ab. Selbst wenn die Sonde in die Knochenhöhle, welche den Sequester enthält, eindringt, bleibt es oft noch sehr schwierig, sich mit Sicherheit über die Anwesenheit desselben auszusprechen, da solche Sequester oft sehr klein sind, so locker in der Höhle liegen, dafs sie mit äufserster Leichtigkeit ausweichen, oder sie bestehen selbst aus rareficirten Knochen, sind mit Eiter durchtränkt und fühlen sich ganz ähnlich wie cariöse Stellen an; oder sie sind verdichtet, fest ansitzend, unbeweglich und es bleibt demnach wieder zweifelhaft, ob man nur einen kranken, oder einen schon abgestorbenen Knochen mit der Sonde berührt. Die Empfindungen der Kranken entscheiden wenig, da die meisten derselben den Schmerz, den das Einführen der Sonde verursacht, nicht von der Berührung des Knochens gehörig zu unterscheiden vermögen. Solche, oft sehr kleine Sequester, unterhalten aber die Entzündung und Vereiterung in der Epiphyse und übertragen sie leicht wirklich auf die Gelenkhöhle. Nur wiederholte und genaue Untersuchungen vermögen in solchen Fällen eine zuverlässige Diagnose zu liefern. Bei anderen Necrosen werden die nahe liegenden Gelenke in derselben Weise in den Kreis der Krankheit hineingezogen, wie dieses schoo für die Osteochondritis, von der dieselben abzuhängen pflegen,
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beschrieben worden ist. Die Vereiterung und Necrotisirung durchdringt die Gelenkköpfe und perforirt die Knorpel; kleine necrotische Splitter können in das Gelenk fallen, oder der Abscefs löst die häutigen Ueberzüge des Knochens gerade an der Stelle, an welcher die Synovialkapsel sich an das Periost anschliefst; der Eiter ergiefst sich sowohl in das Gelenk, welches er krank macht, als unter das Periost. Wenn die Muskeln sich zusammenziehen, so kann eine Spitze der necrotischen Knochenröhre in das Innere des Gelenkes eindringen; endlich können die Gelenkköpfe im Ganzen necrotisch werden und sich in die Synovialhöhle abstofsen. — Unter allen diesen Verhältnissen entstehen bedeutende Gelenkvereiterungen, welche sich stets auch auf die Knorpel und die Mutigen Ueberzüge der ursprünglich nicht erkrankten Gelenkknochen fortsetzen. Kleine eingekapselte Sequester der spongiösen Gelenkenden unterhalten in diesen und den nahen Gelenken andauernde Reizzustände, welche zu wiederholten Entzündungsausbrüchen nach geringfügigen Veranlassungen führen. Somit können selbst kleine, lose Sequester, wenn sie die Gelenkoberfläche erreichen, endlich die Nothwendigkeit der Amputation herbeiführen. Sehr häufig compliciren sich Necrosen, welche bis in die Nähe eines Gelenkes reichen, mit Contractionen, mit Verdickung und Steifheit der Bänder, oder selbst mit vollkommenen Anchylosen derselben. i„„-,u,- untcnjucining Zu gröfseren Sequestern führen gewöhnlich mehrere sc,Diesten,. Fisteln, deren Oeffnungen über Röhrenknochen so ziemlich in einer Reihe zu liegen pflegen und dadurch schon andeuten, dafs sie zu dem Knochen, d. h. zu einem Organe, welches sich in dieser Längenrichtung erstreckt, führen. Da die Eiterung, indem der Knochen sich regenerirt und der Sequester eingekapselt wird, nach und nach abnimmt, so verengern sich diese Fistelöffnungen entsprechend der v e r minderten Eitermenge, welche sie durchzulassen haben. Nicht selten schliefsen sich einige, oder ziehen sich doch so zusammen, dafs sie in der vertieften, rothen, dünnhäutigen Narbe kaum noch sichtbar sind, bedecken sich mit einem trockenen Schorfe und lassen kaum noch nachweisbare Quantitäten von Eiter austreten. Die Ränder dieser Oeffnungen sind ziemlich fest überhäutet und bluten daher nicht leicht bei den Untersuchungen mit der Sonde. Bei den reinen Necrosen haben die Fistelöffnungen keine Neigung geschwürig um sich zu greifen; wo dieses geschieht, besteht sicherlich eine Complication mit Caries. Unmittelbar hinter der engen OefTnung erweitert sich der Gang, so dafs die Sonde in ihm mit Leichtigkeit weiter geführt werden kann. Der necrotische Knochen, welchen sie am Ende dieses Ganges, meistens in ziemlich gerader Richtung erreicht, ist, je nach den früher hervorgehobenen Verschiedenheiten, entweder glatt und hart, oder rauh und hart, oder auch rauh, wie wurmstichig und mürbe. Er erweist sich bei vorsichtigen
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Berührungen mit der Sonde völlig unempfindlich: Schmerzen entstehen nur durch die Bewegungen der Sonde innerhalb des Fistelganges, oder wenn sie den Sequester selbst gegen empfindliche Weichtheile treibt. Der Sequester selbst ist bei vorsichtiger Berührung unempfindlich und unterscheidet sich hierdurch wesentlich von der erhöhten Empfindlichkeit des cariösen Knochens. Wenn man sich einer gekrümmten Sonde zur Untersuchung bedient, so ist es oft leicht nachzuweisen, dafs dieselbe durch eine runde Oeffnung mit knöchernen Wandungen hindurchgeht, hinter welcher der Sequester liegt, dafs derselbe also in einer verknöcherten Kapsel eingeschlossen ist. Meistens führen sämmtliche FistelÖffnungen nur zu einem Sequester, besonders bei den Necrosen der Diaphysen. Einspritzungen, welche durch eine Fistelöffnung gemacht werden, fliefsen durch sämmtliche wieder a b , da sie alle innerhalb der Sequestrallade zusammen zu hängen pflegen. Fast nur bei den indirecten Necrosen der Epiphysen bilden sich öfter mehrfache kleine Sequester in einem Knochen, welche nicht in gemeinschaftlichen Höhlen liegen. Die Gröfse des Sequesters kann man daher aus der Zahl und dem Abstände der Fisteln, durch welche man ihn zu erreichen vermag, schätzen. Schwieriger ist die Bestimmung, ob derselbe gelöst sei, oder noch festsitze. Die Beachtung der Zeit, seit welcher sich Fisteln gebildet, reicht dazu zwar nicht aus, wie aus früher Gesagtem hervorgeht, doch kann man im Allgemeinen annehmen, dafs die durch einen acuten Procefs entstandenen Necrosen der Röhrenknochen etwa nach zwei Monaten ziemlich sicher gelöst sind. Die Necrosen der spongiösen Knochen bedürfen häufig einer viel längeren Zeit um sich zu trennen. Mit der vollendeten Trennung wirkt der Reiz, den der Sequester ausübt, häufig wieder stärker, die Eiterung wird daher oft reichlicher und der Eiter von mehr übler Beschaffenheit. Wird der Splitter nun nicht ausgezogen, so entstehen vielfach neue Abscedirungen im ganzen Umfange des Gliedes und neue Fisteln, deren Mündungen sich oft in fortschreitende Geschwüre verwandeln. Manchmal ist es leicht nachzuweisen, dafs man den Sequester mit der Sonde etwas ablüften oder verschieben kann, nicht selten aber ist derselbe in seiner Lade so fest eingekapselt und von Granulationen umgeben, dafs diese kleinen Bewegungen nicht deutlich nachgewiesen werden können. Wenn dann der Kranke entfernt von dem Punkte, an welchem die Sonde den Sequester berührt, Schmerz empfindet, oder wenn eine zweite Sonde, welche durch eine entfernte Fistelöffnung gesteckt worden ist, sich mit bewegt, so darf man schliefsen, dafs dieses mittelbare Wirkungen kleiner Verschiebungen des Sequesters seien. Nachdem der Sequester entfernt ist, vermindert sich gewöhnlich die Eiterung sehr rasch und die Fisteln schliefsen sich. Wurde die Sequestrallade stark verletzt, gequetscht, so stofsen sich, meistens ziemlich
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bald, die Ränder dieser Knochenwunde als secundare Sequester ab. Eine gewisse Empfindlichkeit, ein sog. Kalender bleibt oft lange zurück. Prugno«c. Die Prognose bei Necrosen wird bestimmt : 1) Durch den Sitz und die Ausdehnung des Sequesters. Zu der Entfernung oberflächlicher kleiner Splitter können die Kräfte der Natur allein ausreichen, zur Entfernung eingekapselter Necrosen bedarf es fast immer einer Operation, welche ebenso schwierig als gefährlich sein kann. Die Gefahren sind dieselben, wie bei allen gröfseren Knochenwunden, doch tritt acute Phlebitis, auch nach sehr ausgiebigen Resectionen der Sequestrallade, verhältnifsmäfsig selten, viel seltener als nach Amputationen und Resectionen nicht necrotischer Knochen ein, unstreitig weil man zur Entfernung oberflächlicher Sequester die Markhöhle nicht erreicht, und weil sie bei totalen nicht mehr existirt. Unter mehr als 100 Fällen von Necrotomie habe ich nie eine acute Pyämie als directe Folge der Operation beobachtet; V o l k m a n n hatte bei 21 Operationen keinen Todesfall und Pyämie nicht beobachtet. Diese Operationen werden also weniger an und für sich, als durch die Stellen, wo sie vorgenommen werden, etwa durch die Nähe eines Gelenkes oder einer Knochenhöhle gefährlich. Chronische Pyämien und deren Folgen nehmen meistens rasch ab, wenn der Sequester glücklich entfernt ist. Doch beobachtet man, besonders nach Operationen an spongiösen Knochen, secundare Ostitis und Periostitis nicht selten. Die Verwundungen der Sequestrallade verhalten sich wie die Verwundungen von spongiösen Knochen. Die Schwierigkeiten und Gefahren dieser Operationen steigen mit der Gröfse, der Zahl, der tiefen Lage der Sequester, dem mehr oder weniger kranken Zustande der umgebenden Weichtheile und der Erschöpfung des Kranken. 2) Mit besonderen Schwierigkeiten und Gefahren kann die Entfernung derjenigen Sequester verbunden sein, welche in den Epiphysen entstehen, weil, wenn dieselben etwa bis nahe an den Knorpel reichen, es fast unmöglich sein kann, das Gelenk sicher zu schonen. Solche Sequester sind ferner, wie schon erwähnt wurde, entweder in geschlossenen Abscessen enthalten, oder festsitzend. In beiden Fällen fehlt leicht die Sicherheit der Diagnose, welche zur Ausführung einer so gefährlichen Operation, wie die Osteotomie eines gröfseren Epiphysenknochens, erforderlich ist. Bei festsitzenden Necrosen mangelt, in der Tiefe einer blutenden Wunde, die Sicherheit der Bestimmung, wie weit die Necrose reicht, und man ist also in Gefahr, entweder zu viel wegzunehmen, oder einen Theil des Necrotischen sitzen zu lassen. Die Gefahr der vereiternden Gelenkentzündung steht in keinem Verhältnisse zu der Gröfse des Sequesters, und selbst sehr kleine Splitter können, wenn sie nahe an dem Knorpel liegen, oder in das Gelenk hineinragen, vollständige
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Vereiterungen unterhalten, gegen welche nur Resectionen und Amputationen noch Abhülfe zu gewähren vermögen. Mit den Necrosen derjenigen Knochen, welche Eingeweidehöhlen einschliefsen, besteht die Gefahr, dafs sich die Entzündung uud V e r eiterung auf die Auskleidung derselben und die Eingeweide verbreite, und die Prognose richtet sich daher nach der Dignität derselben. Wir bestimmen endlich unseren prognostischen Ausspruch über die Folgen einer Necrose, wie überall, nach den Ursachen derselben, die Dyscrasien, welche etwa die Veranlassung gaben, und nach der Rückwirkung, welche der Säfteverlust u. s. w. schon auf den Kranken geäufsert hat. Uchandlung. Die prophylactische Behandlung der Necrosen trifft mit der zusammen, welche die traumatischen Verletzungen und die Entzündungen der Knochen erfordern, welche die Veranlassung zum Absterben geben können, mit der Behandlung der Periostitis und Ostitis, der Osteochondritis, des subperiostealen Abscesses also u. s. w., worüber die vorangehenden Capitel nachzusehen sind. Verwundungen und Entblöfsungen eines Knochens sollen möglichst bald wieder bedeckt werden, wo möglich mit dem eigenen Perioste, und wo dieses und die oberflächlichen W e i c h theile fehlen, mit einem milden deckenden Verbände. Solche V e r letzungen, Quetschungen der Knochen und dergleichen, gehen oft ohne Schaden vorüber, wenn nur nicht neue Reize hinzukommen und die Wundentzündung auf einem möglichst niederen Grade erhalten wird. Wenn der Uebergang in Necrose nicht mehr gehindert werden kann, so bezieht sich die weitere Behandlung zunächst auf die Leitung der E n t zündung und Vereiterung, die Erhaltung der Kräfte, die Sorge für freien Abflufs des Eiters und die Desinfection desselben, wenn er von übler Beschaffenheit wird, die Erweiterung der FistelöfFnungen, die Herstellung von Gegenöffnungen u. s. w., wofür ebenfalls schon früher die Regeln näher gegeben worden sind. Während diese Vorschriften erfüllt werden, erfolgt auch die Lösung des Sequesters gewöhnlich von selbst, und man wird meistens wohl thun, zur Beförderung derselben nichts als die dem Entzündungszustande entsprechenden warmen Umschläge und reinigenden Einspritzungen zu gebrauchen. Sehr oft aber sind zu demselben Zwecke auch Reizmittel angewendet worden, wie bei den eingekapselten Necrosen irritirende balsamische Einspritzungen von Ol. Terebinthinae, Tinct. Aloes u. s. w., bei den blofsliegenden, oberflächlichen, besonders das Glüheisen und andere Cauterien, die concentrirten Säuren, Salpetersäure z. B. Ueber die Brauchbarkeit dieser Mittel kann nicht im Allgemeinen abgesprochen w e r d e n , denn während die Necrosen, besonders platter Knochen, durch das Glüheisen oft aufserordentlich schnell zur Exfoliation gebracht werden und die Heilung wesentlich beschleunigt wird, so liegt doch auch die Gefahr sehr nahe, dafs durch die strahlende Wärme der noch lebende
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Knochen leide und die Necrose an Ausbreitung gewinne. Das Quecksilber, örtlich und innerlich angewendet, so dafs es eine leichte Wirkung auf die Schleimhäute äufsert, scheint ebenfalls zuweilen die Exfoliation zu befördern und sein Gebrauch kann also in solchen Fällen versucht werden, in welchen der Zustand des Allgemeinbefindens keine Contraindication bildet. — Schon D e l p e c h hat den Versuch gemacht, durch Säuren (Schwefelsäure) die Kalksalze aus Sequestern auszuziehen, um dann -den weichen Knorpel, welcher allein übrig bleiben soll, mit gröfserer Leichtigkeit auszuziehen, oder abzuschaben, oder durch abwechselnde Anwendung von Säuren und Alkalien völlig zu zerstören. Diese Vorschläge sind oft wiederholt worden, neuerdings u. A. von Ca b a r et. Die Schwierigkeit bei der Ausführung derselben liegt darin, dafs diese Mittel nicht mit der nöthigen Concentration angewendet werden können, ohne die lebenden Weichtheile, mit denen sie unvermeidlich in Berührung kommen, allzustark zu reizen oder zu cauterisiren. Man "sieht von Concentrationsgraden, welche noch keine sichtlichen Wirkungen auf den Knochen äufsern, schon sehr lebhafte Irritationen auf die Weichtheile, welche nicht ohne Schaden überschritten werden dürfen. Ihr Nutzen ist daher sehr beschränkt; man wird vergebens hoffen, grofse Sequester der Diaphysen auf diesem Wege aufzulösen, oder von Tag zu Tag eine knorpelige Schichte zu liefern, welche man mit dem Schabeisen abschaben kann. Nur bei sehr kleinen, festsitzenden Sequestern der Epiphysen habe ich von diesen Mitteln einigen Nutzen gesehen, und auch hier mehr dadurch, dafs die Exfoliation derselben befördert wurde, als dafs dieselben aufgelöst worden wären. Die Salzsäure, welche mit den Kalksalzen des Knochens eine lösliche Verbindung liefert, eignet sich am besten zu diesen Versuchen. Man bringt sie in einer Verdünnung von 1 : 50—70 mit geschabter Charpie auf den kranken Knochen und deckt mit einem Pflaster. Auch bei dieser Verdünnung dauert der Schmerz, welchen sie erregt, mehrere Stunden, und es ist immer noch zu fürchten, dafs sich die Entzündung über die Weichtheile zu weit ausdehne. Die Säuren dürfen also, zumal wenn die Necrosen bis nahe an ein Gelenk reichen, nur mit grofser Vorsicht gebraucht werden. Oberflächliche Necrosen, besonders der spongiösen Knochen und Epiphysen, welche mit der Lösung zu lange zögern, können, wenn sie hinreichend zugängig sind, oft mit grofsem Vortheile aus ihrem Knochen oder selbst so, dafs nur ihr Periost zurückbleibt, mit dem schneidenden Löffel, dem Hohlmeifsel, der Hohlmeifselzange, ausgeschält werden. Die Vorderarmknochen bieten sich am besten zu diesen Operationen, welche den Vortheil haben, die Gestalt und die Brauchbarkeit des Gliedes vollständig zu erhalten, da der Knochen sich aus seinem Perioste, welches möglichst zu schonen ist, regenerirt.
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Eingekapselte, lose Sequester zieht man gewöhnlich durch eine der Cloaken aus. Für diese Operationen kommt es zunächst darauf an, den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen, nicht zu lange zu zögern, damit der Kranke nicht unnöthig durch Eiterverlust erschöpft werde, des Gebrauches seines Gliedes beraubt bleibe, und durch fortschreitende Verdickung und Verdichtung der Sequestrallade die Schwierigkeiten der Operation nicht zu sehr vermehrt werden, aber auch nicht zu frühe den Versuch zu machen, ehe die Sicherheit vorliegt, dafs der Sequester sich gelöst hat und die Sequestrallade hinreichend fest geworden ist, um den Zusammenhang des Knochens genügend wieder herzustellen. Sodann ist durch sorgfältige Untersuchungen die Stelle zu bestimmen, an welcher man sich am bequemsten, mit der mindesten Verletzung der Weichtheile, Zugang zu dem Sequester verschaffen kann. Kurze Sequester werden am zweckmäfsigsten von einem ihrer Endpunkte angegriffen, sehr lange dagegen besser von ihrer Mitte aus. Um solche ohne Quetschung ausziehen zu können, um ihnen die nöthige Wendung zu geben, müfsten nämlich, wenn man sie durch eine der Endcloaken ausziehen wollte, sehr grofse Oeffnungen in die Sequestrallade gemacht werden, wodurch dieselbe leicht allzusehr geschwächt werden könnte. Natürlich müssen die Sequester, welche in ihrer Mitte blofsgelegt werden, zerstückt werden, zu welchem Zwecke man sie, wenn sie zu dick sind um sie sogleich mit der Knochenscheere trennen zu können, vorher mit dem Perforativ oder einem Lithotriptor durchlöchert. Den Zugang zu dem Inneren der Sequestrallade giebt am bequemsten eine der Cloaken, welche hinreichend erweitert wird. Oft sind schmale Zwischenbrücken zwischen zwei naheliegenden Cloaken da, welche man sprengt. Ein bei weitem mehr verletzendes Verfahren, welches nur an einröhrigen Gliedern ausgeführt werden kann, und auch hier, wegen der festen Verbindung der äufseren Fläche der Sequestrallade mit den benachbarten Theilen nur mit grofser Schwierigkeit, besteht darin, dieselbe vermittelst der Ketten- oder Stichsäge in der Mitte zu durchschneiden und dann das Glied so zu biegen, dafs die beiden Hälften des Sequesters ausgezogen werden können. Die Wunde wird dann wie bei einem complicirten Beinbruche behandelt. Die Nothwendigkeit zu Amputationen und Resectionen zu schreiten, entsteht bei Necrosen besonders durch Complicationen mit secundären Gelenkvereiterungen, durch das Eindringen eines Sequesters in ein Gelenk. Seltenere Veranlassungen gaben profuse Blutungen aus erodirten grofsen Gefäfsen (Poplitea) und so ausgedehnte Zerstörungen der Weichtheile, der Periosteen insbesondere, dafs an eine genügende Reproduction des Knochens und Erhaltung des Gliedes nicht gedacht werden konnte* so wie wenn unter solchen Verhältnissen die Sequestrallade gebrochen W a r a l i e r , Chirurgie. I. Bd.
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Knochenentzündung.
ist, sich nicht wieder vereinigt und erschöpfende Eiterung das Leben bedroht. Wenn ein necrotischer Gelenkkopf nach Osteochondritis völlig gelöst in der Kapsel liegt, mufs er durch eine Art Exarticulation ausgezogen und der necrotische Schaft resecirt werden.
Knochenentzündung, Caries und Necrose einzelner Theile des Skeletts. Nach der ausführlichen allgemeinen Darstellung, welche in den voranstehenden Abschnitten über die Knochenentzündungen und deren Ausgangskrankheiten, Caries und Necrose, gegeben worden ist, wird es genügen, diese Krankheiten nur in denjenigen Theilen des Skeletts speciell zu verfolgen, an welchen dieselben, entweder nach den besonderen Ursachen, welche hier zur Wirkung kommen, der Eigenthümlichkeit der Structur oder der Verbindung des Knochens und seiner Nachbarschaft, wichtige Eigenthümlichkeiten erhalten. Solche Verhältnisse bestehen insbesondere an den Knochen des Schädeldaches, den Gesichtsknochen, besonders denen, welche die Sinnesorgane einschliefseii, so wie an den Kiefern und den Rippen. Bei der Betrachtung der an diesen Knochen vorkommenden Entzündungen und Entzündungsausgänge soll nur das berührt werden, was nicht schon im allgemeinen Theile enthalten ist, oder sich nach diesem von selbst versteht. Von den Entbindungen de, Knochen Knochen des Schädeldaches erkranken du Schädeldaches. „ ¡ ^ traumatischen Ursachen, welchen natürlich aus alle Theile desselben gleich ausgesetzt sind, am häufigsten das Stirnbein, besonders an seinem Orbitalrande, so wie das Felsenbein mit dem Processus mastoideus; seltener leiden die Seitenwandbeine, am seltensten das Hinterhauptbein. W i e übera11 urBachen „er En„ü„d,„,gen beginnen die Entzündungen entder Schilde!knuchcn. weder in dem Knochen und in den zu demselben gehörigen Häuten, oder sie gehen von den umgebenden Weichtheilen auf jene über. Von den dieser Stelle eigentümlichen Veranlassungen sind besonders hervorzuheben : Verschwärungen der Kopfschwarte, welche bis zu der Knochenoberfläche vorgedrungen sind, wie sie hie und da durch zu tief greifende Wirkung der ßrechweinsteinsalbe und anderer Cauterien, aber auch schon durch Tinea bedingt werden können. Desgleichen gehen manche Entzündungen von Erkrankungen der Orbita, der Stirnhöhlen oder den Auskleidungen des Gehörorganes aus. In Bezug auf die letzteren sind die Abschnitte über die Entzündungen des Ohres und die Thrombose der Gehirnsinus zu vergleichen. Unter den allgemeinen und den dyscrasischen Ursachen sind besonders Erkältungen,
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Knochenentzündung.
ist, sich nicht wieder vereinigt und erschöpfende Eiterung das Leben bedroht. Wenn ein necrotischer Gelenkkopf nach Osteochondritis völlig gelöst in der Kapsel liegt, mufs er durch eine Art Exarticulation ausgezogen und der necrotische Schaft resecirt werden.
Knochenentzündung, Caries und Necrose einzelner Theile des Skeletts. Nach der ausführlichen allgemeinen Darstellung, welche in den voranstehenden Abschnitten über die Knochenentzündungen und deren Ausgangskrankheiten, Caries und Necrose, gegeben worden ist, wird es genügen, diese Krankheiten nur in denjenigen Theilen des Skeletts speciell zu verfolgen, an welchen dieselben, entweder nach den besonderen Ursachen, welche hier zur Wirkung kommen, der Eigenthümlichkeit der Structur oder der Verbindung des Knochens und seiner Nachbarschaft, wichtige Eigenthümlichkeiten erhalten. Solche Verhältnisse bestehen insbesondere an den Knochen des Schädeldaches, den Gesichtsknochen, besonders denen, welche die Sinnesorgane einschliefseii, so wie an den Kiefern und den Rippen. Bei der Betrachtung der an diesen Knochen vorkommenden Entzündungen und Entzündungsausgänge soll nur das berührt werden, was nicht schon im allgemeinen Theile enthalten ist, oder sich nach diesem von selbst versteht. Von den Entbindungen de, Knochen Knochen des Schädeldaches erkranken du Schädeldaches. „ ¡ ^ traumatischen Ursachen, welchen natürlich aus alle Theile desselben gleich ausgesetzt sind, am häufigsten das Stirnbein, besonders an seinem Orbitalrande, so wie das Felsenbein mit dem Processus mastoideus; seltener leiden die Seitenwandbeine, am seltensten das Hinterhauptbein. W i e übera11 urBachen „er En„ü„d,„,gen beginnen die Entzündungen entder Schilde!knuchcn. weder in dem Knochen und in den zu demselben gehörigen Häuten, oder sie gehen von den umgebenden Weichtheilen auf jene über. Von den dieser Stelle eigentümlichen Veranlassungen sind besonders hervorzuheben : Verschwärungen der Kopfschwarte, welche bis zu der Knochenoberfläche vorgedrungen sind, wie sie hie und da durch zu tief greifende Wirkung der ßrechweinsteinsalbe und anderer Cauterien, aber auch schon durch Tinea bedingt werden können. Desgleichen gehen manche Entzündungen von Erkrankungen der Orbita, der Stirnhöhlen oder den Auskleidungen des Gehörorganes aus. In Bezug auf die letzteren sind die Abschnitte über die Entzündungen des Ohres und die Thrombose der Gehirnsinus zu vergleichen. Unter den allgemeinen und den dyscrasischen Ursachen sind besonders Erkältungen,
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Gicht, Syphilis und Mercurialkrankheit in Verbindung mit letzterer hervorzuheben. Entzündungen der Schädelknochen, besonders des Stirnund Schläfenbeines, kommen nicht ganz selten bei ungesunden, schlecht genährten Kindern, welche in engen, feuchten, kalten Wohnungen leben, and bei Erwachsenen unter ähnlichen Verhältnissen, Gefangenen, den Bewohnern der Armen- und Waisenhäuser vor. Hier mögen aufser den Temperatureinflüssen oft sehr combinirte dyscrasische Ursachen wirken. Tuberculöse Einlagerungen und Entzündungen sind an den Schädelknochen selten. Der
Verlauf der Entzündungen der Schädelk n 0 chen ¡ s t theils acut, theils chronisch. Mit chronischem Verlaufe bestehen insbesondere die dyscrasischen Entzündungen, deren Dauer, wie die syphilitischen, sich oft auf eine ganz unbestimmte Zeit hinzieht. Die letzteren zeigen sich oft an mehreren scharf begrenzten kleinen Stellen des Schädels zugleich. Die Symptome der acuten Pericranitis und Cranitis sind die einer acuten Phlegmone der Galea aponeurotica, ausgezeichnet durch lebhaften Schmerz, der oft nicht die geringste Berührung ertragen läfst, Hitze, ödematöse Schwellung der Haut, die nicht, oder nur ganz schwach gelblich geröthet ist. Bei lebhaften Entzündungen fehlen Fieber, welches den Localsymptomen sogar oft voraus geht, und einige Gehirnsymptome nicht leicht. Die Entzündung begrenzt sich an den Augenlidern, den Ohren, über welche sich nur ödematöse Schwellung verbreitet. Eine Unterscheidung der Pericranitis von der Cranitis ist so lange nicht mög*lichi als die späteren Ausgänge, oder die Blofslegung des Knochens die Theilnahme desselben nicht nachgewiesen haben. — Die chronischen syphilitischen Knochenhautentzündungen verlaufen unter den früher beschriebenen Symptomen der syphilitischen Periostitis. Ausgange der pencraniti». Die Ausgänge der Pericranitis und Cranitis sind sehr häufig in Zertheilung unter den bekannten Erscheinungen und ohne Hinterlassung irgend einer Nachkrankheit, in Herstellung von Exostosen und Periostosen der mannigfachsten Formen. Viele derselben treten mit so characteristischen und sich stets wiederholenden Formen auf, dafs nicht daran gezweifelt werden kann, dafs sie von bestimmten Ursachen abhängen, über welche uns jedoch nichts Näheres bekannt ist. Freilich entwickeln viele derselben sich auch ohne dafs die Symptome einer vollendeten Entzündung vorausgingen, wie u. A. die puerperalen Periostosen, welche in ganz ähnlicherWeise bei Geisteskranken vorkommen, beweisen, lediglich aus chronischen Hyperämien. Tödtlich werden Pericranitis und Cranitis hauptsächlich, indem sie sich auf das Gehirn, seine Häute und die Sinus verbreiten, durch Meningitis und Encephalitis, durch Sinusthrombose und Gehirnödem, durch Pyämie und metastatische Abscesse in Lunge und Leber, zu welchen die grofsen Venen der Diploe verlauf „„d
8yrapt
„ r a e de,
E n . z ü n d u n g der Bch«d.iknochen.
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besondere Disposition g e b e n , oder später durch die Folgen der Caries und Necrose. Curie« der schädeikoochen. Caries kommt natürlich an denselben Stellen des Schädels vorzugsweise vor, welche auch zur Pericranitis und Cranitis disponirt sind, und aus denselben Ursachen wie diese, aus welchen sie hervorgeht. Meistens werden dyscrasische Zustände als entfernte Ursachen nachgewiesen werden können, doch kommen auch unzweifelhaft Fälle vor, in welchen allgemeine Ursachen durchaus vermifst werden und die Caries lediglich nach örtlichen Verletzungen, Quetschungen u. dgl., bei sonst ganz gesunden Menschen entsteht. Man kann eine Caries der äufseren und eine der inneren Tafel unterscheiden. Begreiflich ist die letztere selten, da die meisten Kranken erliegen werden, ehe es zur vollendeten Ausbildung derselben gekommen ist. Die Symptome der Caries der äufseren Schädeloberfläche sind die der Pericranitis und Cranitis. Sie bleibt oft auf eine kleine Stelle b e schränkt, zeigt sich nicht selten un mehreren zugleich, kann sich aber auch über einen grofsen Theil des Schädeldaches ausbreiten. Ihre V e r breitung geht bald mehr in die Fläche, bald mehr in die Tiefe, bis zur Perforation; sie bleibt aber nicht selten auch lange auf eine bestimmte Ausdehnung beschränkt. Die Haut wird hier zu einer flachen, anfangs härtlichen, später weichen, oft höckerigen Geschwulst von eigenthümlicher, teigichter Consistenz erhoben. Es sind die cariösen Granulationen, welche man durch die abgehobenen und verdünnten Hautdecken hindurchfühlt. Die letzteren röthen und verdünnen sich immer mehr, bis sie endlich an einer oder mehreren Stellen mit äufserst feinen Oeflnungen durchbrochen werden. Die Sonde gelangt durch dieselben zu einer mit weichen Granulationen bedeckten Knochenstelle, in deren Umfange das Periost wallförmig verdickt, aber selten mit Exostosen bedeckt ist. Auch auf der inneren Oberfläche des Knochens bildet sich, selbst bei sehr tiefgreifenden und perforirenden Geschwüren, selten eine verknöchernde Auflagerung. Bei anderen, dyscrasischen, syphilitischen Formen der Schädelcaries verwandelt sich der Abscefs rasch, ohne die Haut abzulösen, in ein specifisches, um sich fressendes Geschwür. c»riM d« inneren Der Caries der inneren Schädeloberfläche gehen die schHdeiobcrsKche. Symptome einer local beschränkten Meningitis und des Gehirndruckes voraus, unter welchen die Kranken häufig erliegen, ehe dem Eiter der Durchbruch nach aufsen gelingt. Sobald dieses aber geschehen, nehmen die Gehirnsymptome an Intensität ab, während sich die Hautdecken zu einer ähnlichen flachen weichen Geschwulst wie in dem vorhergehenden Falle erheben und schliefslich mit einer, oder mit mehreren feinen Oeflnungen, aus welchen verhältnifsmäfsig viel Eiter ausfliefst, aufbrechen. Die Sonde führt zu einem feinen Loche in dem Knochen; mit einem hakenförmig gekrümmten Instrumente kann nach-
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gewiesen w e r d e n , dafs die Lücke hinter dem Knochen geräumiger, als die äufsere Oeffnung zu derselben ist. Die Flüssigkeiten, der Eiter, welche diese Oeffnungen füllen, folgen den pulsirenden Bewegungen des Gehirnes, besonders wenn man den Kranken kräftig exspiriren läfst. Die Lücken, welche durch Caries in den Schädelknochen entstanden sind, heilen sehr selten durch Knochenregeneration. So geneigt auch die unverwundeten Schädelknochen zur Herstellung von Exostosen sind und so leicht auch das nur abgehobene Pericranium sich zu einer Knochenschale verdickt, wie man aus der Geschichte des Cephalaematoms weifs, so wenig geneigt sind doch dieselben Theile, nach Verlüsten des Knochens die Lücken mit Knochensubstanz auszufüllen. In der Umgebung des heilenden Geschwüres werden die Knochen nur verdichtet, die Geschwürsränder wulstig abgerundet, die Lücke selbst überzieht sich aber nur mit einer hügeligen Corticalschichte, während sie sich mit einer F a s e r narbe ausfüllt, welche mit der Hautnarbe zusammenfliefst. Bei der V e r narbung durchdringender Caries verwächst die Hautnarbe mit einer schwieligen Verdickung der Dura mater. Als Nerrosen der 8chM.lknochon. Ursachen der Necrosen des Schädeldaches un«ch«o. j j besonders traumatische Verletzungen und S y s n( philis zu nennen. Für die Ursachen der Caries des Felsenbeines und des Processus mastoideus sind die Abschnitte über Sinusthrombose und Ostitis interna zu vergleichen. Die dyscrasischen Necrosen nehmen oft nach und nach einen sehr grofsen Umfang des Schädeldaches ein. Gleich der Caries kann man sie in oberflächliche, innere und äufsere, und in p e r forirende unterscheiden. Ueber die Symptome und die Eigenschaften des Sequesters ist zu dem, was im Allgemeinen hierüber bemerkt ist, nichts Wesentliches hinzuzufügen. Auch die necrotische Knochenlücke wird nicht durch Regeneration des Knochens ausgefüllt, die Ränder werden nur etwas wulstig und verhärtet. Wegen der Unfähigkeit der Schädeldecken unter den gegebenen Verhältnissen zu Knochenneubildungen, kommen eingekapselte Necrosen auch fast niemals vor. Bei perforirenden Necrosen sieht man an der inneren Fläche kaum einige schwache Knoclienauflagerungen. Es ist vielfach angenommen worden ( D u p u y t r e n u. A.), dafs bei inneren und -perforirenden Necrosen nothwendig eine durch Druck und Gehirnreiz tödtliche Eiteranhäufung im Inneren des Schädels stattfinden müfste, bevor der Sequester gelöst, oder der Knochen durchbohrt sein könne. Die Erfahrung hat diese Befürchtung widerlegt; der Eiter findet, ohne allzuschwere Gehirnsymptome zu e r r e g e n , auch bei necrotischen Perforationen dicker Schädeltheile, meistens früher einen Ausweg, indem an dem Rande des Sequesters sich irgendwo durch Rarefaction des lebenden Knochens eine Oeffnung für ihn bildet. Auch die Sequester des Schädeldaches gehören zum Theile zu denen, welche sich spontan nicht, oder erst sehr spät lösen.
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Prognose. Die Prognose ist nach dem'Vorausgeschickten bei den Entzündungen, cariösen Yerschwärungen und Necrosen des Schädeldaches nicht so ungünstig, als man bei der Nähe des Gehirnes glauben sollte. Die meisten Kranken werden geheilt. I n BeZU
g *Uf die Behandlung ¡St nUT WenigeS des schsdeis. dem, was schon im allgemeinen Theile enthalten zu ist, hinzuzufügen. Die Pericranitis erfordert dieselbe causale und directe Behandlung, welche dort angegeben wurde, die syphilitischen Entzündungen insbesondere den Gebrauch des Jods. Die ältere Praxis hat bei Pericranitis, welche nicht alsbald einem antiphlogistischen Verfahren weichen wollte, Incisionen, Kreuzschnitte, welche bis auf das Pericranium dringen mufsten, ausgeführt. Man hat in der neueren Zeit, ohne den Nutzen solcher Einschnitte völlig in Abrede zu stellen, ihre Anwendung doch sehr beschränkt, da die Erfahrung gelehrt hat, dafs meistens auch ohne dieselben, welche doch immer sehr verletzend und selbst nicht ohne Gefahr sind, auszukommen ist. Wenn über einer cariösen Stelle die Haut abgelöst und verdünnt ist, wird es nothwendig, die verdünnten Stellen ausgiebig zu spalten, oder bis zu dem festsitzenden Rande abzutragen. Die blofsgelegte cariöse Fläche behandelt man nach allgemeinen Regeln. Unter den Localmitteln erweisen sich, nicht blofs wenn Syphilis die Ursache w a r , Bepinselungen der schwammigen Granulationen mit Jodtinctur oder mit starken Lapislösungen sehr nützlich. Die Granulationen condensiren sich bei dem Gebrauche dieser Mittel und gehen in eine feste Narbe über. — Es ist im Allgemeinen nicht räthlich, statt dieser milderen Mittel Cauterien, das Glüheisen zu gebrauchen, um die cariöse Stelle zu zerstören, denn wenn auch mit denselben, in einzelnen Fällen, eine rasche Heilung erzielt wurde, so liegen doch auch Beobachtungen genug vor, welche die Möglichkeit einer Steigerung der Entzündung, Uebertragung derselben auf die Gehirnhäute, und einer Ausbreitung der Caries und Necrose beweisen. Dasselbe gilt von der operativen Zerstörung der Caries verinittelst des Trepans, des Exfoliativtrepans, der Schabeisen, Hohlmeifsel u. s. w.; sie ist sehr selten wirklich nothwendig und schadet leicht durch Erregung neuer Exacerbationen. Hinsichtlich der Entfernung der necrotischen Sequester des Schädeldaches ist es im Allgemeinen am zweckmäfsigsten, die spontane Abstofsung derselben abzuwarten. Nach den oben angeführten Erfahrungen ist es nicht nothwendig, durchdringende Necrosen, ehe sie sich gelöst haben, zu trepaniren. Die Nothwendigkeit zu einer Operation tritt erst ein, wenn solche Sequester überhaupt sich nicht lösen wollen, wenn die Kräfte des Kranken durch profuse Eiterung sich erschöpfen, oder wenn wirkliche Anzeigen vorliegen, dafs durch die Zurückhaltung des Eiters Störungen des Gehirnes unterhalten werden. Die Gefahr solcher Operationen wächst natürlich mit der Ausdehnung und der Tiefe, in welcher Behandlung der Necrosen
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der Knochen weggenommen werden mufs. Die Entfernung oberflächlicher Schichten ist zwar wenig gefährlich, aber auch nicht leicht nothwendig. Wenn auch die Literatur einige Beobachtungen aufzuweisen hat, dafs selbst die Entfernung sehr grofser, durchdringender Stücke mit Lebenserhaltung ertragen w u r d e , so gehören dieselben doch zu den seltensten Ausnahmen. Aufser den Gefahren, welche hierbei nothwendig mit einer so grofsen Verletzung, der Entblöfsung der Gehirnhäute, der Verwundung zahlreicher weiter Knochenvenen, verbunden sind, fällt namentlich der Umstand ins Gewicht, dafs das Gehirn einem sehr ungleichen Drucke ausgesetzt wird, indem es sich sammt seinen Häuten in die grofse Lücke hineindrängt. Die inneren Necrosen und Caries verbieten, ehe sie den Schädel perforirt haben, schon der Unsicherheit der Diagnose halber, einen jeden operativen Eingriff. Von
detl
Knochen des Gesichtes erliegen die NasenGeaíchteknochen. beine, der Vomer, die Muscheln, die Gaumenbeine, das Siebbein, d. h. diejenigen Knochen, welche nur von der Schleimhaut bedeckt sind, am häufigsten dyscrasischen, syphilitischen, lupösen Entzündungen, so wie der Caries und Necrose aus diesen Ursachen. Die Zerstörungen erstrecken sich zuweilen sehr weit rückwärts zur Schädelbasis, dem Keilbeine, längs der Tuben zum inneren Ohre, oder ergreifen von den Orbitalrändern aus das Periost und Zellgewebe der Augenhöhle und geben die Veranlassung zur Periorbitis und Panophthalmie. Necronn aCr Kiefern. Von den gröfseren Gesichtsknochen sind besonders Allgemeine DwposMcm. b e j d e n Kiefern entzündlichen Erkrankungen und deren Ausgängen in Caries und Necrose ausgesetzt. Die vorwiegende Disposition liegt in dem Baue und der Lage dieser Knochen. An dem ganzen Skelette ist kein Knochen so wenig gegen Temperaturwechsel, Hitze und Kälte, so wie gegen Traumen geschützt, als die beiden Kiefern, deren Alveolarfortsätze in einer grofsen Ausdehnung fast nur die Schleimhaut zur Bedeckung haben. Aufserdem öffnen leere Alveolen, entblöfste Zahnwurzeln, carióse Zähne einen leichten Zugang für die mannigfachsten irritirenden Stoffe, scharfen Speichel, die kalte Luft, u n mittelbar zu dem Perioste der Zahnfächer und dem Innern des Knochens. Da irritirende Flüssigkeiten den Unterkiefer mehr und dauernder b e rühren, als den Oberkiefer, so erklärt es sich hieraus, dafs jener häufiger und dauernder zu erkranken pflegt, als dieser. Wegen der Unmöglichkeit, die einmal erkrankten Stellen den schädlichen Einflüssen des Speichels, der Luft, der Speisen zu entziehen, werden selbst sehr beschränkte Erkrankungen leicht sehr chronisch und dehnen sich leicht nach und nach über gröfsere Strecken aus. Necrosen der Kieferknochen. Sehr beschränkte Necrosen der Kiefern sind, insbesondere als die Folgen von Zahnkrankheiten, der Verletzungen, welche jene beim Zahnausziehen u. s. w. so häufig erleiden, nicht selten, C r i e , und
M
der
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Knochen entz ün dung.
und eine der gewöhnlichsten Ursachen der sog. Zahnfisteln; ausgedehnte Necrosen gröfserer Stücke dagegen sind seltener, als nach der exponirten Lage dieser Knochen und der geringen Bedeckung von Weichtheilen, welche sie besitzen, vermuthet werden sollte. Meistens nehmen diese Necrosen nur einen Theil eines Kiefers, an dem Unterkiefer entweder nur das Mittelstjick, oder einen Theil des Körpers ein, sie können sich aber auch bis zu dem Processus condyloideus erstrecken, und nicht ganz selten wird auch der Gelenkkopf mit abgestofsen. Ebenso sind totale Necrosen mit Verlust beider Gelenkköpfe mehrfach beobachtet worden. Am seltensten wird der Kronfortsatz necrotisch. Von dem Oberkiefer geht die Necrotisirung zuweilen auch auf die anstofsenden Gesichtsknochen über. Die Necrose begreift entweder nur eine oberflächliche Schuppe des Alveolarrandes oder der Seitenfläche, oder die ganze Dicke des Knochens; centrale Necrosen sind an den Kiefern sehr selten. Ursachen der Kiefamecrosen. Die Veranlassungen zu den Kiefernecrosen sind die allgemeinen : Traumen, Verletzungen durch kranke Zahne und Zahnoperationen, Erkältungen, aufser welchen aber noch einige specielle Ursachen für diese Stelle in Betracht zu ziehen sind. Oftmals sind sehr ausgedehnte Necrosen, besonders des Unterkiefers, im Verlaufe von typhösen und exanthematischen Fiebern beobachtet worden. Gewöhnlich bestand hier eine sehr reichliche Salivation, das Zahnfleisch war aufgelockert, abgelöst und es war meistens Quecksilber gegeben w o r d e n , bei weitem nicht immer aber in übermäfsigen Dosen. Ich habe eine sehr ausgedehnte Necrose bei einem Kinde gesehen, dem sicherlich nicht mehr als drei Gran Calomel während eines Scharlachfiebers gereicht worden waren. Allerdings sind Necrosen, besonders des Unterkiefers, häufiger, wenn die verbrauchte Quantität Quecksilber eine an und für sich übermäfsige w a r , und sie kommen aus dieser U r sache natürlich auch dann vor, wenn das Mittel bei anderen Krankheiten, und nicht g e g e n Fieberzustände, zur Anwendung kam. Eine andere specielle Ursache f ü r die Necrose der Kiefern giebt der Scorbut, die scorbutische Mundfäule. Ueber diese Formen der Kiefernecrosen ist das Erforderliche in den Capiteln über Mercurialgeschwüre, Noma, Scorbut, schon enthalten. phospburnecrose. Mit diesen specifischen Necrosen kommen in vielfacher Beziehung die Phosphornecrosen überein , welche in der neueren Zeit durch den Aufschwung, welchen die Zündholzfabrikatiön genommen hat, in gröfserer Anzahl vorgekommen sind. Sie stimmen mit den Necrosen aus den vorgenannten Ursachen namentlich darin überein, dafs der Phosphor zunächst nur das Periost krank macht, entzündet, ohne stets den Knochen unmittelbar zum Absterben zu bringen, und dafs daher an dem Abgestorbenen verschiedene Veränderungen bemerkt werden, welche
Knochenent
zündung
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von einer dem Absterben vorausgehenden Ernährungsstörung abhängen, so namentlich osteoporotische Auflockerung des Sequesters, Verlust eines Theiles der Kalksalze, l o c k e r c , exostotische, bimssteinähnliche A u f lagerungen auf den Sequester u. s. w. Diese Zeichen eines dem A b s t e r b e n lange vorausgehenden vitalen Processes, wie sie auch bei N e krosen aus anderen Ursachen vorkommen, sind oft für specifische, chemische Wirkungen des Phosphors ausgegeben und auf die mannigfachste Weise zu erklären versucht worden. urMchen der pbospbomecrone. Die A r t , wie der Phosphor auf die Kiefern w i r k t , ist noch nicht in allen Punkten aufgeklärt und es bestehen noch viele scheinbare W i d e r s p r ü c h e , welche ihrer Lösung entgegensehen. Vorerst lassen sich nur folgende Punkte feststellen. Der Phosphor wirkt nicht dadurch, dafs er in das Blut übergeht, eine allgemeine Dyscrasie erzeugt, welche ihre Wirkung auf den ganzen K ö r p e r äufsert, denn wenn auch die Subjecte, bei welchen Phosphornecrosen beobachtet werden, meistens dyscrasisch, scrophulös, tubérculos sind, und während ihres Aufenthaltes in den Fabriken noch cachectischer w e r d e n als sie w a r e n , so hat dieses doch nur in äufserlichen Ursachen, o d e r in Nebenwirkungen des Phosphors seinen Grund, und nicht in einer bestimmten Phosphordyscrasie. Die Arbeiten des Eintauchens, Trocknens, das Zählen und Verpacken der Hölzchen, bei welchen die Necrose am häufigsten beobachtet wurde, erfordern wenig Kraft und Geschicklichkeit und sie werden daher meistens von schwächlichen Mädchen von 15 bis 2 0 J a h r e n besorgt, welehe zu keiner anstrengenden Arbeit tauglich sind und sich mit dem spärlichen Lohne begnügen müssen, den j e n e Arbeit abwirft. Aus dieser Ursache erklärt sich, dafs die Phosphornecrose vorzugsweise das weibliche Geschlecht im Alter von 15—25 Jahren befällt. Von diesen Arbeiterinnen ist selbstverständlich eine grofse A n zahl vorher schon kränklich, scrophulös, tubérculos, mit schlechten Zähnen versehen, und sie werden durch den Aufenthalt in der schlechten Luft der heifsen, zugigen Fabriksäle natürlich nicht gesünder. Der Phosphor wirkt jedoch nur auf die Kiefern, vorzugsweise auf den Unterkiefer, zum Beweise, dafs seine Wirkung eine lócale, directe und nicht eine allgemeine, indirecte, durch die Säfte auf das ganze Knochengerüste gerichtete ist. Wenn hie und da auch andere Gesichtsknochen erkrankten, so war es immer nur in Gemeinschaft mit dem Oberkiefer und von diesem aus. Dem Einwände, dafs nicht wohl die lócale Wirkung der Phosphordämpfe die Schuld tragen könne, weil die Knochen der N a s e n höhle, durch welche dieselben doch auch streichen, (fast) nie erkrankten, begegnet man leicht durch die Bemerkung, dafs es augenscheinlich das an kranken Zähnen entblöfste Periost der Alveolen ist, welches die schädliche Wirkung zunächst empfängt und auf die Knochen überträgt. Daher leidet auch der Unterkiefer mehr und häufiger als der Oberkiefer,
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Knochenentziindunff.
weil der mit den Phosphordämpfen gemischte Speichel jenen mehr als diesen berührt. Die Schleimhäute der Nase, des Mundes und der Bronchien, vielleicht selbst des Magens, w e r d e n durch die Phosphordänipfe zwar auch gereizt und chronische Bronchititis ist u. A. eine gewöhnliche Begleiterin der Kiefernecrose, die Erkrankung j e n e r Membranen geht jedoch nicht so tief, dafs von ihnen die Necrose abgeleitet w e r d e n kann. Es sind augenscheinlich die Phosphordämpfe, mit welchen die Fabrikräume gefüllt s i n d , welche die schädliche W i r k u n g , indem sie eingeathmet w e r d e n und sich mit dem Speichel mischen, äufsern. Die Phosphornecrose ist nicht in den Localitäten beobachtet worden, in welchen der Phosphor selbst bereitet w i r d , sondern nur in denjenigen Sälen, in welchen bei einer Temperatur von 24— 27° R. die Schwefelhölzchen in die aus Phosphor, Nitrum und indifferenten Bindemitteln bestehende Zündmasse eingetaucht, g e t r o c k n e t , gezählt und verpackt w e r d e n . Bei dieser Temperatur verdampft der Phosphor als phosphorige Säure, aufserdem entzünden sich häufig ganze P a q u e t e , die dann mit Sägespänen bedeckt w e r d e n . So ist die Luft dieser Räume mit einem Gemische von phosphorigen und phosphorsauren Dämpfen gesättigt. Die Zugluft, welche zur Reinigung der Luft unterhalten w i r d , trägt vielleicht etwas zur Steigerung der Phosphorperiostitis bei, ist aber gewifs nicht ( J u n g k e n ) die eigentliche Ursache der Necrose. Es kann s e i n , dafs in der V e r mischung des Phosphors mit dem Schwefel und Kali eine Mitursache seiner schädlichen W i r k u n g liegt; doch ist darüber nichts Näheres b e kannt. Dafs jedoch in dem Arsenikgehalte des Phosphors, der in einigen Fabriken verarbeitet wurde, die eigentliche Schuld liege ( M a r t i u s ) , ist hinreichend w i d e r l e g t , da derselbe erst bei einer viel höheren T e m peratur (75"), als die ist, welche in den Zündholzfabriken erhalten zu w e r d e n pflegt, verdampft. Seine W i r k u n g e n sind aufserdem wesentlich von denen durch Phosphordäinpfe erzeugten verschieden. Man kennt in den sog. Stinkhütten, Arsenikhütten des Harzes, die Kiefernecrose nicht. Dafs die Phosphornecrosen in Deutschland f r ü h e r und häufiger beobachtet worden sind, als in a n d e r e n L ä n d e r n , möchte seinen Grund darin h a b e n , dafs die Zündholzfabrikation bei uns a u f g e k o m m e n , eine Zeit lang als Geheimnifs behandelt und am schwunghaftesten betrieben worden ist. Die Krankheit kam nicht in allen Fabriken selbst, derselben Stadt vor, wofür die Gründe nicht völlig klar s i n d , da sie zum Theile g e r a d e in denjenigen Anstalten beobachtet w u r d e , welche im Rufe standen, am besten betrieben zu w e r d e n , und oft erst, nachdem dieselben schon seit vielen J a h r e n im Gange waren. Alle erkrankten Arbeiterinnen hatten sich den Phosphordämpfen m e h r e r e Monate bis zu mehreren J a h r e n ausgesetzt, viele derselben w a r e n zeitweise, wenn sie zu e r k r a n k e n anfingen, aus der Arbeit g e g a n g e n und zu frühe, vor der völligen H e r -
Knochenentzündung.
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Stellung, wieder eingetreten. Die Necrose war somit das Product eines lange hingezogenen, oft recidivirenden entzündlichen Processes. Der Symptome nnd verlauf der Verlauf der Phosphornecrose kann sehr püosphornecroeen. acut sein und sich in wenig Wochen bis zum völligen Absterben und Lösen des Knochens vollenden, sich aber auch über Monate und Jahre hinziehen. Zwischen diesen Fällen mit sehr acutem und chronischem Verlaufe bestehen jedoch keine distineten Unterschiede, der mehr oder weniger rasche Verlauf hängt vielmehr lediglich davon ab, mit welcher Intensität und Dauer die Dämpfe wirken und ob der Kranke sich denselben von Zeit zu Zeit entziehen konnte, oder nicht. An dem Oberkiefer verläuft die Krankheit im Allgemeinen immer milder und langsamer, als an dem Unterkiefer. Bei chronischem Verlaufe kann sie sich mit zeitweisen Stillständen, Rückschritten, partiellen kleinen Exfoliationen über Jahre hinziehen, während nach sehr energischer Wirkung des Phosphors, auf sehr disponirte Personen, totale Necrosen schon nach einem Verlaufe von wenigen Wochen vollendet sein konnten. Nicht immer kommt es überhaupt wirklich zur Necrose; wenn die Kranken sich den schädlichen Dämpfen rechtzeitig entziehen, bleibt das Uebel bei einer Periostitis alveolaris und deren nächsten Folgen stehen. Die Krankheit beginnt mit mehr oder weniger heftigen Schmerzen in einem oder mehreren, meistens cariösen Zähnen, an einer, oder an beiden Seiten der Kiefern. Diese Schmerzen kommen und verschwinden, breiten sich nach und nach mehr aus, strahlen über die Wange, zum Jochbogen u. s. w., bis sie sich endlich fixiren. Das Zahnfleisch lockert sich auf, schmerzt und blutet leicht, die Zähne werden locker und fallen aus. Ueber die Wange bis zu den Augen und zu dem Halse verbreitet sich eine feste, phlegmonöse Geschwulst, welche bei ausgedehnter Necrose einen aufserordentlichen Umfang erhalten kann. Es bilden sich nun Abscesse und Fistelgänge, welche theils gegen den Mund, theils nach aufsen hin durchbrechen, eine grofse Menge fötiden Eiters entleeren und durch welche man den Knochen entblöfst und rauh fühlen kann. Der weitere Verlauf bietet von dem, was bei anderen Necrosen beobachtet wird, nichts Abweichendes dar. Als Nebenerscheinungen sind immer ein sehr reichlicher Speichelflufs, Beleg der Zunge, Appetitlosigkeit beobachtet worden. Viele Kranken wurden schon vor dem Eintritte der Periostitis alveolaris durch die Phosphordämpfe zu Husten gereizt; andauernde Bronchitis, Nasencatarrhe und Conjunctivitis werden jedoch nur von französischen Beobachtern unter den constanten Erscheinungen mit aufgeführt. Das Fieber steht im Verhältnisse zu der Heftigkeit der Entzündung und des Eiterverlustes. Der cachectische Zustand, in welchem die Kranken vorher schon waren, wird natürlich durch die Gröfse der Eiterung, das Verschlucken des Eiters u. s. w. wesentlich verschlimmert; die Kranken sehen daher sehr
806 blafs, gedunsen Sterblichkeit ist aber mehr von berculose, oder selber ab.
Knochenentzündung. aus, magern ab und verlieren sehr an Kräften. — Die bei ausgedehnten Kiefernecrosen nicht g e r i n g , hängt der Entwickelung einer gleichzeitig bestehenden Tuvon gewagten Operationen, als von dem Localleiden
Pathologische Anatomie
Die
Necrose selbst nimmt bald nur einen kleinen Theil, ein oberflächliches Stück eines Alveolarfortsatzes ein, verbreitet sich aber auch in anderen Fällen über ganze Kieferhälften mit dem Krön- und Gelenkfortsatze, oder selbst über den ganzen Kiefer. Aehnlich an dem Oberkiefer, aufser welchem man in exquisiten Fällen Stücke des Jochbeines, die Muscheln, Gaumen- und Nasenbeine, den Orbitalrand hat verloren gehen sehen. Der Sequester ist bis in seine inneren Theile hinein aufgelockert, mürbe, schmutzig schwarzgrün gefärbt. An seiner Oberfläche sind oft bimssteinähnliche Auflagerungen, Producte einer früheren Periostitis, welche nicht zur Necrose führte, zu sehen. Sie haben an und für sich nichts Bezeichnendes und sind unter ähnlichen Verhältnissen bei Necrosen aus anderen Ursachen auch beobachtet worden. Der geringe Gehalt an Kalksalzen erklärt sich aus der vorläufigen Ernährungsstörung, der Osteoporose, bei welcher sie allmälig resorbirt w e r d e n , und möchte nicht als das Product einer chemischen Auflösung des Knochens durch die Säuren anzusehen sein ( B a u r ) , weil dieselben sich hierzu in einem viel zu verdünnten Zustande befinden und die Auflösung sich nicht blofs an der Oberfläche, sondern auch im Inneren des Knochens zeigt, bis wohin jene nicht gelangen können. Der Knochen ist aufserdem schon phosphorsaurer Kalk. Die Lücken in dem Oberkiefer, aus welcher Ursache sie entstanden sein mögen, werden nie durch Regeneration des Knochens aufgefüllt. Sie bedingen daher stets, wenn die Haut mit der Lücke zusammenwächst, eine dem Verluste entsprechende Entstellung. Auch nach den Phosphornecrosen des Unterkiefers bleibt die Regeneration sehr unvollkommen oder fehlt gänzlich; desgleichen werden die Verluste nach vielen mercuriellen und s c o r butischen Necrosen nicht, oder nur sehr unvollkommen ausgeglichen. Nach Necrosen aus anderen Ursachen sind sie dagegen oft in sehr vollständiger Weise beobachtet w o r d e n ; ich habe selbst die Wiederherstellung des Gelenkkopfes nach dem Verluste einer ganzen Kieferhälfte beobachtet. Natürlich werden jedoch bei jugendlichen Personen die verlorenen Zähne und Zahnkeime nie wieder ersetzt. Zur Beförderung der Regeneration ist es nützlich, den Sequester nicht zu früh zu e n t fernen, weil der Reiz, den er auf das Periost ausübt, in diesem die plastische Thätigkeit unterhält. Der Sequester kann gegen die Zahnlade hin von dem nachwachsenden Knochen herausgetrieben werden. der PhoBphornecrose.
Recidive sind häufig, entweder weil die Ursachen fortwirken, oder schon erkrankte Stücke sich nachträglich noch völlig abstofsen.
Knochenentzündung.
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Behandlung der xiefernecro.eu. Die prophylactische Behandlung der Kiefernecrosen besteht in der Vermeidung der Ursachen, für die Phosphornecrosen insbesondere also darin, dafs zu den obengenannten Arbeiten keine allzu schwächliche, cachectische Personen mit krankem Zahnfleische zugelassen werden; dafs dieselben aus der Arbeit gehen, sobald die ersten Spuren der Krankheit sich zeigen, uud nicht, oder nicht eher zurückkehren, bevor sie nicht vollkommen geheilt sind; dafs für gute Ventilation und den Gebrauch solcher Mittel gesorgt werde, durch welche das Zahnfleisch gestärkt wird. Die curative Behandlung weicht in keiner wesentlichen Beziehung von der anderer necrotischer Knochen ab. Die Entscheidung der Frage, ob der Sequester frühzeitig und vor der spontanen, völligen Lösung durch eine Operation zu entfernen, oder die freiwillige Trennung a b zuwarten sei, ist im Allgemeinen nicht unbedingt zu beantworten. Die frühzeitige Ausschälung des Knochens kann durch erschöpfende Eiterung, grofse Verschwellung des Gesichtes, Athmungs- und Deglutitionsbeschwerden unumgänglich werden; sie hat jedoch im Allgemeinen keine guten Resultate gegeben, sobald es sich um die Entfernung grofser Stücke handelte. Auch in Bezug auf die Regeneration ist es zweckmäfsiger, den Sequester längere Zeit mit dem Perioste in Berührung zu lassen, als ihn frühzeitig zu entfernen, weil seine Anwesenheit eine g e steigerte reproductive Thätigkeit in jenem unterhält. L o r i n s e r , med. Jahrb. des k. k. österreichischen Staates. 1845. — H e y f e l d e r , Vierteljahrsschrift v. Koser u. Wunderlich 1845; mediz. Zeitung des Vereins für Heilk. in Preufsen. 1845. — Amtlicher Bericht über die 23. Versammlung deutscher Naturforscher. — G e i s t , das Leiden der Kieferknochen durch Phosphordftmpfe. Med. Correspond, bayrischer Aerzte. 1846. — v. B i b r a und G e i s t , die Krankheiten der Arbeiter in den Zündholzfabriken, insbesondere das Leiden der Kieferknochen durch Phosphordämpfe. Erlangen 1847. — N e u m a n n , über die Nécrosé der Kieferknochen. Med. Ztg. d. V. f. Heilk. in Preufsen. 1846. — H u b b a u r , med. Corresp.-Blatt des würtemberger ärztl. Vereins 1845. — P1 as.ka 11, östr. med. Wochenschrift 1846. — S t r o h l , gaz. méd. de Strassbourg 1845. — S e d i l l o t, comptes rendus des séances de l'acad. 1846. — R o u s s e l , récherches sur les malad, des ouvriers employés à la fabrication des alumettes chimiques. Méra. près, à l'acad. des se. 1846. — D u p a s q u i e r , gaz. méd. de Paris 1846.— S t a n l e y , on diseases of the boneg. 1849. — G. F i s c h e r , Mittheilungen aus der chir. Universitätsklinik zu Göttingen. 1861. — G e r d y , rech, sur la nécrosé. Gaz. hebdom. 1854. — B a u r , über die Entstehung der Nécrosé in den Zündholzfabriken. Würtemberger Correspondenzblatt 1849. — V i r c h o w , Verh. der med. Gesellschaft z. Würzburg. 1.1850. Caries und Necroae der Rippen. Caries und Nécrosé der Rippen sind ziemlich seltene Krankheiten. Die Veranlassungen geben aufser traumatischen Verletzungen besonders Eitersenkungen von den Wirbeln h e r , phlegmonöse Abscesse unter den grofsen Brustmuskeln, Tuberculose und mit der Brustwand verwachsene tuberculose Abscesse, Vereiterungen und Krebs der Mamma, Aneurysmen der Brustaorta. Bald ist nur eine, bald werden mehrere Rippen befallen. Der Eiter senkt sich leicht an ihnen herab und die Zerstörung gewinnt somit an Ausdehnung. Die äufseren Symptome bieten wenig dar, was besonders hervorgehoben zu werden
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Von den
Entzündungen
verdiente. Die Haut wird oft in grofser Ausdehnung abgelöst, durch schwammige Granulationen in die Höhe gehoben, geröthet, verdünnt und an vielen Stellen durchbrochen. Indem das Periost sich von der Rückseite der Rippen ablöst, hebt sich auch die Pleura a b , welche immer durch Pseudomembranen so verdickt wird, dafs der Durchbruch des Eiters nach dieser Seite viel gröfsere Schwierigkeiten findet, als nach der Aufsenseite hin. Emphysem ist daher, als secundäre Erscheinung, nur eine seltene Complication. Diese Verdickung und Ablösung der Pleura erleichtert auch die Resection der erkrankten Rippen, welche mit verhältnifsmäfsig geringen Gefahren verbunden ist, wie die Erfahrungen von R i c h e r a n d , C l o t - B e y , T e x t o r , beweisen. Die resecirten Rippen regeneriren sich, wenn ihr Periost erhalten w u r d e , sehr leicht. T e x t o r , über die Wiedererzeugung der Knochen nach Kesectionen Menschen. Würzburg 1847.
beim
Von den Entzündungen der Schleimhäute im Allgemeinen. cS i i c t a i u t. G e n d r i n , anat. Beschreibung der Entzündung und ihrer Folgen. Bd. I. — H o d g k i n , die Krankheiten der serösen und mucösen Häute. Bd. II. — B r e t o n n e a u , des inflammations du tissu muqueux. Paris 1836. — H a s t i n g s , Abh. über die Entz. der Schleimhaut der Lungen. A. d. Engl. v. B u s c h . Bremen 1810. — B u h l m a n n , zur Kenntnifs der kranken Schleimhäute der Respirationsorgane. Bern 1843.
Der Allgemeine und anntomisciic anatomische Bau und ihre physiologische Vorbemerkung«.. Stellung disponiren die Schleimhäute, vielleicht mehr wie irgend ein anderes Gewebe, zu entzündlichen Processen. Von ihnen ausgehend übertragen sich diese aufserordentlich häufig auf die submucösen Gewebe und die Drüsen. Da jedoch die Schleimhäute dem Inneren des Körpers zugewendet sind, so werden die meisten der zahlreichen auf ihnen vorkommenden Krankheiten der inneren Medicin z u gezählt, und die Chirurgie hat es vorzugsweise nur mit den an den Schleimhautmündungen vorkommenden, mit ihren Folgen, oder so weit jene als Complicationen chirurgischer Leiden erscheinen, zu thun. Wenn auch der Bau und die physiologische Thätigkeit der Schleimhäute, selbst innerhalb der Ausdehnung eines und desselben Organes, sehr wesentliche Verschiedenheiten darbieten, welche im Einzelnen auf die Empfänglichkeit für Entzündungen, für bestimmte Ursachen und die
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Von den
Entzündungen
verdiente. Die Haut wird oft in grofser Ausdehnung abgelöst, durch schwammige Granulationen in die Höhe gehoben, geröthet, verdünnt und an vielen Stellen durchbrochen. Indem das Periost sich von der Rückseite der Rippen ablöst, hebt sich auch die Pleura a b , welche immer durch Pseudomembranen so verdickt wird, dafs der Durchbruch des Eiters nach dieser Seite viel gröfsere Schwierigkeiten findet, als nach der Aufsenseite hin. Emphysem ist daher, als secundäre Erscheinung, nur eine seltene Complication. Diese Verdickung und Ablösung der Pleura erleichtert auch die Resection der erkrankten Rippen, welche mit verhältnifsmäfsig geringen Gefahren verbunden ist, wie die Erfahrungen von R i c h e r a n d , C l o t - B e y , T e x t o r , beweisen. Die resecirten Rippen regeneriren sich, wenn ihr Periost erhalten w u r d e , sehr leicht. T e x t o r , über die Wiedererzeugung der Knochen nach Kesectionen Menschen. Würzburg 1847.
beim
Von den Entzündungen der Schleimhäute im Allgemeinen. cS i i c t a i u t. G e n d r i n , anat. Beschreibung der Entzündung und ihrer Folgen. Bd. I. — H o d g k i n , die Krankheiten der serösen und mucösen Häute. Bd. II. — B r e t o n n e a u , des inflammations du tissu muqueux. Paris 1836. — H a s t i n g s , Abh. über die Entz. der Schleimhaut der Lungen. A. d. Engl. v. B u s c h . Bremen 1810. — B u h l m a n n , zur Kenntnifs der kranken Schleimhäute der Respirationsorgane. Bern 1843.
Der Allgemeine und anntomisciic anatomische Bau und ihre physiologische Vorbemerkung«.. Stellung disponiren die Schleimhäute, vielleicht mehr wie irgend ein anderes Gewebe, zu entzündlichen Processen. Von ihnen ausgehend übertragen sich diese aufserordentlich häufig auf die submucösen Gewebe und die Drüsen. Da jedoch die Schleimhäute dem Inneren des Körpers zugewendet sind, so werden die meisten der zahlreichen auf ihnen vorkommenden Krankheiten der inneren Medicin z u gezählt, und die Chirurgie hat es vorzugsweise nur mit den an den Schleimhautmündungen vorkommenden, mit ihren Folgen, oder so weit jene als Complicationen chirurgischer Leiden erscheinen, zu thun. Wenn auch der Bau und die physiologische Thätigkeit der Schleimhäute, selbst innerhalb der Ausdehnung eines und desselben Organes, sehr wesentliche Verschiedenheiten darbieten, welche im Einzelnen auf die Empfänglichkeit für Entzündungen, für bestimmte Ursachen und die
der Schleimhäute
im
Allgemeinen.
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Darstellungsweise derselben nicht ohne wichtigen Einflufs sind, so lassen sich doch in diesen Beziehungen folgende allgemeine Verhältnisse h e r vorheben : Die Schleimhäute bieten in ihrem Baue und in ihren Functionen grofse Uebereinstimmungen mit der äufseren Haut d a r , in welche sie unmittelbar übergehen. Sie erkranken daher vielfach aus denselben Ursachen wie diese und mit ihnen zugleich, und ihre Erkrankungen bieten grofse Analogieen unter einander dar. Zahlreiche pathologische Processe beginnen auf d e r einen oder der anderen dieser Hautflächen und übertragen sich durch unmittelbaren Gewebszusammenhang, oder durch Reflex, durch Metastase, auf die andere. Die Hauptunterschiede liegen in der verschiedenen Dicke und Straffheit des Coriums und der Beschaffenheit der Oberhaut, der Epidermis und des Epithels, und dem relativ gröfseren Reichthume der Schleimhäute an Gefäfsen, Nerven und drüsigen Gebilden. Vermöge dieser Eigenschaften sind die Schleimhäute empfindlicher, und sie resorbiren leichter und scheiden noch reichlicher als die äufsere Haut ab. Irritirende Stoffe, welche mit ihnen in Berührung k o m m e n , gehen leicht durch ihr dünnes Epithel, welches ihnen nur einen geringen Schutz gewährt, ein; sie nehmen daher Gifte, Contagien und Miasmen mit besonderer Leichtigkeit auf und werden durch scharfe Eigenschaften der Ingesta und ihrer eigenen Secrete leicht gereizt. Wie die äufsere Haut, und vielleicht noch mehr als diese, so wie in beständiger Wechselwirkung mit derselben, sind sie empfindlich g e g e n die Einflüsse der Atmosphäre; Störungen, Unterdrückungen der S e c r e tionen, der Absonderungen der einen Fläche, ja schon blofse nervöse Irritationen d e r s e l b e n , reflectiren sich auf die andere; ausgedehnte Reize der äufseren Haut rufen reflectorisch auch Irritationen einzelner Schleimhautparthien hervor. Die Schleimhäute stehen in den wichtigsten Wechselbeziehungen zu den Centraltheilen des Nervensystemes und den Drüsen; zahlreiche Störungen dieser Gebilde reflectiren sich daher auf jene, wie umgekehrt. Eine Menge von Allgemeinkrankheiten, typhöse, putride, diphtheritische, pyämische, exanthematische Processe vollenden ihre localen Aeufserungen unter der Forin verschiedenartiger E n t zündungen auf den Schleimhäuten. Die Schleimhäute mit ihren Drüsen und das submucöse Zellgewebe sind häufig der Sitz dyscrasischer A b lagerungen, welche mit ihrem Zerfalle entzündliche und geschwürige Processe horvorrufen. Bestimmte Processe zeigen ähnlich wie für die äufsere Haut, entschiedene Neigung, sich an bestimmten Stellen a u s zubilden. Die ver(K'hie